Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Zu den in der Fragestunde der 114. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Februar 1964 gestellten Fragen des Abgeordneten Memmel Nm. IV/1, IV/2 und IV/3 ist inzwischen die schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Schröder vom 2. März 1964 eingegangen. Sie lautet:
Ihre Fragen hinsichtlich der Intensivierung des deutsch-amerikanischen Jugend- und Studentenaustausches beantworte ich im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern für Familie und Jugend, des Innern und für Verkehr wie folgt:
Zu Frage 1):
Die Bundesregierung hält es für wünschenswert, den deutschamerikanischen Studentenaustausch zu intensivieren. Allerdings ist es nicht richtig, davon auszugehen, daß dieser Studentenaustausch jetzt einen „geringen Umfang" habe. Im Studienjahr 1962/63 sind nämlich insgesamt 1003 deutsche Studenten in den Vereinigten Staaten von Amerika ihrer Ausbildung nachgegangen, außerdem haben 168 Ärzte und sonstige 200 Akademiker in den Vereinigten Staaten ihre Ausbildung fortgesetzt, nachdem sie schon in der Bundesrepublik ihr Studium mit einem Examen abgeschlossen hatten. Es muß betont werden, daß es sich hierbei um eine Ausbildung an solchen amerikanischen Ausbildungsstätten handelt, die mit unseren Hochschulen verglichen werden können. Die Zahl derjenigen jungen Deutschen, die außerhalb der Hochschulen in Amerika ihrer Ausbildung nachgehen, ist erheblich höher.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst, dem die für die Aus- und Weiterbildung deutscher Staatsangehöriger von der Bundesregierung bereitgestellten Mittel zur Vergabe der Stipendien zugewiesen werden, hat im Jahre 1963 über die Hälfte des ihm zugewiesenen Betrages dazu verwandt, um Deutschen das Studium in den Vereinigten Staaten zu ermöglichen. An dieser Praxis wird auch im Jahre 1964 festgehalten werden können. Leider ist es angesichts der angespannten Haushaltslage nicht möglich, für diesen Zweck im Jahre 1964 zusätzliche Mittel bereitzustellen.
Durch das am 20. November 1962 abgeschlossene Regierungsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Durchführung von Austauschvorhaben zum Zwecke der Aus- und Weiterbildung, das sogenannte Fulbright-Abkommen, hat die Bundesregierung ihr Interesse an der Fortsetzung und Intensivierung des Studentenaustausches mit den USA unter Beweis gestellt. Sie hat nämlich in diesem Abkommen auf fünf Jahre, erstmalig im Jahre 1964, die Verpflichtung zur Zahlung von 3,2 Millionen DM an die Fulbright-Kommission übernommen.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Bundesstudentenring Überlegungen hinsichtlich einer Verstärkung des deutschamerikanischen Jugendaustausches, der auch in einem kleinen Umfange den Studentenaustausch mit umfassen würde, anstellt. Zu konkreten Ergebnissen haben diese Überlegungen bisher jedoch noch nicht geführt, auch hat der Bundesstudentenring infolgedessen eine finanzielle Unterstützung durch die Bundesregierung bisher nicht beantragt.
Zu Frage 2) :
Nein. Angesichts der angespannten Haushaltslage ist die Bundesregierung nicht in der Lage, etwaige Bemühungen des Bundesstudentenrings, kurzfristige Informations- und Studienreisen nach den USA in stärkerem Maße als bisher durchzuführen, finanziell zu unterstützen.
Zu Frage 3) :
Der Bundesregierung ist über eine Verstärkung des französischamerikanischen Studentenaustausches nichts bekannt geworden. Nach den vorliegenden Berichten der Botschaft Paris zeigt der französisch-amerikanische Studentenaustausch vielmehr eine fallende Tendenz.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf den Punkt 1:
Fragestunde .
Wir kommen zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts .
Ich irufe auf ,die Frage 1 — Ides Abgeordneten Biechele —:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach die sudanesische Regierung die Ausweisung aller christlichen Missionare angeordnet hat ?
Die Beantwortung erfolgt durch *den Herrn Bundesminister des Auswärtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt:
Pressemeldungen, wonach die sudanesische Regierung die Ausweisung aller christlichen Missionare angeordnet hat, treffen nur zum Teil zu. Die sudanesische Regierung hat lediglich für die drei südlichen Provinzen den dort anwesenden ausländischen Missionaren die Aufenthaltsgenehmigung entzogen. Gleichzeitig hat sie angeordnet, daß die christlichen Religionsgemeinschaften künftig durch sudanesische Geistliche betreut werden sollen. Den sudanesischen Geistlichen hat sie ihre Unterstützung zugesagt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Biechele!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß in der vorletzten Phase dieser Auseinandersetzung im südlichen Sudan der „Osservatore Romano" am 30. Januar 1963 einen umfassenden Bericht auf Grund dokumentarischer Unterlagen, offensichtlich im Einvernehmen mit höchsten kirchlichen Stellen, von Piero Gheddo unter der Überschrift brachte: „Offene Verfolgung gegen die Kirche im Sudan", in dem mit Hinweis auf den „Missionary Societies Act 1962" gesagt wurde, er sei
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5574 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Biecheledas Todesurteil christlicher Missionstätigkeit, durch das die christlichen Kirchen entwurzelt und ausgerottet würden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Aufsatz ist bekannt, Herr Kollege.
Noch eine Frage? — Bitte, Herr Abgeordneter Biechele!
Herr Minister, ist Ihnen der Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung", des weithin bekannten liberalen Weltblattes, vom 4. März d. J., also vom vergangenen Mittwoch, bekannt, der unter der Überschrift steht: „Der Aufstand im Südsudan", Untertitel: „Ein Vorwand für Khartum zur Unterdrückung der christlichen Missionstätigkeit", und in dem es u. a. heißt: „Der weittragende Beschluß der sudanesischen Regierung" – der am 27. Februar bekanntgegeben wurde – „setzt einen Schlußpunkt unter ein bewegtes Kapitel christlicher Missionstätigkeit", und später: „Die Ausweisung der Missionare entzieht dem zum Teil noch heidnischen Süden die ohnehin karge christliche Substanz und damit die Basis des Widerstandes gegen den Islam"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, auch dieser Aufsatz ist bekannt, Herr Kollege.
Eine andere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Czaja!
Herr Minister, verpflichtet uns nicht Art. 9 der Europäischen Konvention der Menschenrechte, die wir ratifiziert haben, zu einem Protest nicht nur bei Tatbeständen in den eigenen Staatsgrenzen, sondern verbietet er uns als innerdeutsches Recht nicht auch, mit deutschen staatlichen, beispielsweise finanziellen Mitteln Tatbeständen Vorschub zu leisten, die mit einem schweren Bruch der Menschenrechtskonvention .— und wenn ich es richtig verstanden habe, ist doch ein solcher Bruch in den südlichen Provinzen des Sudan zu verzeichnen — zusammenhängen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn Sie erlauben, Herr Kollege, würde ich diese Frage gern im Zusammenhang mit der Frage 3, die sehr ähnlich ist, beantworten, — wenn der Herr Präsident zustimmt. Vielleicht erlauben Sie mir aber, zunächst Frage 2 zu beantworten. Dann wird das Bild vielleicht etwas deutlicher.
Bitte! Ich rufe dann also auf Frage 2 — des Abgeordneten Biechele —:
Sind von dieser Ausweisung deutsche Missionsstationen und deutsche Missionare betroffen?
und Frage 3 — ebenfalls des Abgeordneten Biechele —.
Erwägt die Bundesregierung, in diesem Zusammenhang diplomatische Schritte einzuleiten?
Bitte, Herr Bundesminister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf also zunächst Frage 2 beantworten: Von der Ausweisung sind keine deutschen Missionsstationen oder deutschen Missionare betroffen. Es handelt sich vielmehr um 272 römisch-katholische Missionare anderer Staatsangehörigkeit, davon 190 Italiener, und um 28 evangelische Missionare verschiedener Richtungen, davon 15 britische Staatsangehörige, von diesen einer aus dem Vereinigten Königreich.
Die Antwort auf Frage 3 lautet:
Bei den jüngsten Entscheidungen der sudanesischen Regierung handelt es sich um innenpolitische Maßnahmen, die ausgelöst wurden durch einen Aufstandsversuch in den drei südlichen Provinzen. Der Aufstand steht im Zusammenhang mit einer separatistischen Bewegung, die von in Missionsschulen erzogenen südsudanesischen christlichen Schwarzafrikanern getragen wird und aus dem Ausland Unterstützung erhält.
Trotz des innenpolitischen Charakters der Maßnahmen hat das Auswärtige Amt dem sudanesischen Botschafter mitgeteilt, daß die Bevölkerung und die Regierung der Bundesrepublik dem Schicksal der Christen im Sudan nicht gleichgültig gegenüberstünden und die jüngsten Ereignisse mit großer Sorge verfolgten. Der sudanesische Botschafter hat im Auftrage seiner Regierung erklärt, daß die Maßnahmen zur Erhaltung der Integrität des sudanesischen Staates notwendig gewesen seien und sich keinesfalls gegen die christliche Religion als solche richten. Die Religionsfreiheit sei nach wie vor gegeben. Die gegen die ausländischen Missionare erlassenen Sondermaßnahmen bezögen sich lediglich auf die drei südlichen Provinzen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Biechele.
Im Anschluß an das, was der Herr Kollege Czaja schon hat anklingen lassen, möchte ich Sie fragen, Herr Minister: Ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß man unsere Leistungen der Entwicklungshilfe für die Republik Sudan im Zusammenhang mit diesen Vorgängen überprüfen sollte, vor allem wenn wir uns der Verpflichtungen des Artikels 9 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten erinnern, der sehr klar und dezidiert von dem Anspruch eines jeden auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit handelt und den Konsequenzen, die sich aus einem solchen Anspruch ergeben, und der wie die übrigen Artikel in den Grundrechten des Grundgesetzes eine feierliche Bestätigung gefunden hat, also deswegen überprüfen sollte, weil auch durch besondere Leistungen der Entwicklungshilfe der Bundesrepublik Deutschland für die Republik Sudan eine Entwicklung hingenommen oder gar unterstützt wird, die für viele Menschen — für etwa 500 000 Christen, davon 400 000 katholische und 100 000 evangelische Christen — diese Grundfreiheiten gefährdet oder sie deren beraubt?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5575
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, dazu möchte ich folgendes sagen. Bei diesen hier jetzt behandelten Tatbeständen handelt es sich um sehr komplizierte, in ihren Ursachen weit zurückgehende, auf vielen ethnischen und anderen Umständen beruhende Entwicklungen, denen gegenüber wir sowohl eine große Sorge haben können wie auf der anderen Seite aber auch eine gewisse Zurückhaltung wahren müssen, wie Sie verstehen. Ob das von Ihnen sozusagen vorgeschlagene Mittel einer Beschränkung oder Entziehung .der Entwicklungshilfe ein angemessenes Mittel sein würde, das will ich jetzt nicht definitiv beantworten. Aus dem, was ich über unsere Vorstellungen gegenüber der sudanesischen Regierung gesagt habe, mögen Sie entnehmen, daß wir die Sache mit Sorge verfolgen und durchaus nach Möglichkeiten suchen, in welcher angemessenen Weise wir hier Einfluß nehmen können.
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Biechele.
Herr Bundesminister, darf ich Sie bitten, mir über die Überlegungen der Bundesregierung zu diesem Fragenkomplex im Zusammenhang mit meinen Fragen gelegentlich Mitteilung zu machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin gern bereit, das zu tun.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Bundesminister, darf ich aus Ihrer Antwort also unterstellen, daß Sie mit mir der Meinung sind, daß aus Artikel 1 Abs. 2 unseres Grundgesetzes, dem feierlichen Bekenntnis des deutschen Volkes zu den unveräußerlichen und unverletzlichen Menschenrechten als Grundlage jeder, also auch der internationalen Gemeinschaft und des Friedens in der Welt auch für unser Verhältnis zu solchen Staaten sich Verpflichtungen ergeben, in denen nach deren eigenen Erklärungen, die Sie ja hier für die südlichen Provinzen bestätigt haben, für einen Teil der Bevölkerung die Menschenrechte außer Kraft gesetzt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Formulierung im letzten Halbsatz möchte ich mich nicht anschließen, Herr Kollege. Aber daß das Recht der freien Religionsausübung ein Recht ist, für das wir uns nach unseren Kräften überall einzusetzen haben, das ist sicher. Die Frage ist a) : ist der Tatbestand in der Weise gegeben, wie Sie es dabei unterstellt haben, und b) : welches sind unsere wirklichen Möglichkeiten dabei?
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Czaja.
Herr Minister, können wir den Entwicklungsländern zu einer maßvollen Entwicklung ihrer Kultur auf weite Sicht nicht mehr helfen, wenn wir ihnen im Geiste der Achtung ihrer Anschauungen und Ihrer Gleichwertigkeit, aber auch mit einem schlichten und festen Selbstbewußtsein begegnen, das um die grundlegenden Werte weiß, die wir aus unserer kulturellen Entwicklung ihnen zu ihrem Wohle anbieten können, und mit jenem Selbstbewußtsein, das sich gegen eine gegen die menschlichen Grundrechte verstoßende Diffamierung und brutale Unterdrückung dieser Werte maßvoll, aber bestimmt zur Wehr setzt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, den allgemeinen Formulierungen, die Sie gerade gebraucht haben, kann ich durchaus zustimmen.
Meine Damen und Herren, darf ich vorschlagen, daß wir gleich die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf Drucksache IV/1997 nehmen, damit der Herr Minister danach seiner eigenen Tätigkeit nachgehen kann? — Einverstanden. Dann bitte ich den Herrn Minister, die Frage I/1 — des Abgeordneten Unertl — zu beantworten:
Was ist von einem 15seitigen Bericht der italienischen Tageszeitung „L'Europeo" vom 4. Februar 1964 zu halten, demzufolge in Niederbayern eine Schule für die Ausbildung von Terroristen in Südtirol besteht, zwei Mitarbeiter von L'Europeo mit verbundenen Augen ins Hauptquartier der Terroristen in Niederbayern geführt worden seien und ein italienischer Reporter festgestellt haben will, daß während der Ausbildung laufend Probesprengladungen entzündet wurden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Unertl, die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt: Die Bundesregierung hatte auf Grund der Berichterstattung einer Auslandsvertretung der Bundesrepublik Deutschland eine Nachprüfung dieser Pressemitteilung veranlaßt. Das bayerische Staatsministerium des Innern hat auf seine Mitteilung an Presse und Rundfunk vom 26. Februar 1964 verwiesen, in der es erklärt hat, daß „die abenteuerliche Darstellung jeglicher Grundlage entbehrt".
Herr Abgeordneter Unertl zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung nicht doch der Meinung, daß diese nun einmal festgestellte Pressehetze von gewissen Kreisen in Italien planmäßig genauso betrieben wird wie die damalige antideutsche Filmkampagne?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Unertl, das so einfach mit Ja zu bestätigen ginge zu weit, und dazu Nein zu sagen wäre zuwenig. Deswegen möchte ich meine Auffassung dahin ausdrücken, daß es sicherlich immer Kreise gibt, die Tatbestände aus bestimmten Absichten entstellen oder manchmal auch nicht vorhandene Tatbestände erfinden. Aber ich glaube, das gehört zu unserem Erfahrungsbereich.
Herr Abgeordneter Ertl!
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5576 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Quelle für solche Meldungen häufig in Ostberlin und in Prag liegt, und was gedenkt die Bundesregierung gegen solche Meldungen zu tun?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ertl, es ist mir nicht bekannt, daß die Quelle dort liegt; aber sehr oft ist das eine angebrachte Vermutung. Unsere Einwirkungsmöglichkeit auf die gerade von Ihnen genannten Städte oder, im Falle Berlins, Stadtteile sind relativ begrenzt, wie Sie wissen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Ertl.
Herr Bundesminister, würden Sie vielleicht das Archiv der ostdeutschen Zeitung „Monat" einmal durchblättern? Sie können dann eine große Zusammenfassung ähnlicher Meldungen finden über die angebliche Zusammenarbeit mit Revanchisten und Ähnliches mehr. Es würde sich vielleicht lohnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin gerne bereit, das zu tun, Herr Abgeordneter Ertl. Ich zweifle nicht daran, daß ich darin das finden werde, was Sie hier gerade vorgetragen haben.
Ich rufe auf die Frage I/2 — des Abgeordneten Unertl —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Schweizer Zeitung „Der Bund" einen Auszug aus dem in Frage Ill genannten Bericht veröffentlicht hat, in dem u. a. behauptet wird, daß jede achte Woche ein neuer Kurs beginnt?
Bitte, Herr Minister!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Antwort darauf lautet: Der Artikel der Zeitung „Der Bund" ist der Bundesregierung bekannt, und die Antwort, die ich auf die Frage I/1 gegeben habe, trifft auch auf diese Frage zu.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter.
Herr Bundesminister, ist es nicht auch Ihre Meinung, daß man gerade auch von einer so seriösen Zeitung wie „Der Bund" aus der Schweiz verlangen könnte, wenigstens eine Berichtigung zu bringen, ohne daß wir uns jetzt in ein schwebendes Verfahren einmischen sollten? Diese ganze Pressekampagne richtet sich doch ausschließlich gegen die Belange der Südtiroler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielleicht darf ich, wenn der Herr Präsident es gestattet, darauf antworten zusammen mit der Antwort auf Ihre Frage I/3, Herr Abgeordneter Unertl, wo Sie fragen, was die Bundesregierung zu tun gedenkt, um diesen Falschmeldungen zu begegnen.
Ich rufe auf die l Frage I/3 — des Abgeordneten Unertl —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um den in Frage I/1 genannten offensichtlichen Falschmeldungen, die wohl keineswegs der Förderung der europäischen Zusammenarbeit dienen können, zu begegnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte darauf folgendes sagen. In den demokratisch regierten Ländern Italien und Schweiz besteht Pressefreiheit. Die Bundesregierung hat daher keine Möglichkeit, auf die Presse dieser Länder einen Einfluß auszuüben. Sie kann nur, soweit es ihr zweckmäßig oder notwendig erscheint, die Richtigstellung von Falschmeldungen bei der Regierung des betreffenden Landes durch die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland veranlassen. Die Botschaft in Rom ist in diesem Falle angewiesen worden, die italienische Regierung davon in Kenntnis zu setzen, daß es sich bei dem Bericht der Tageszeitung „L'Europeo" um eine Falschmeldung handelt.
Noch eine Frage, Herr Unertl.
Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Bundesminister, daß es im Rahmen der guten Beziehungen, die wir zu der italienischen Regierung haben, möglich sein wird, gerade auch in Italien dafür zu sorgen, daß diese Presseberichte dementiert werden? Mir ist von Freunden aus Mailand bekannt, daß man diesen Nachrichten damals wirklich Glauben geschenkt hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Unertl, im möchte sagen, auf solche Nachrichten sollten wir mit den Möglichkeiten eigener Publizistik — sonst haben wir nur den diplomatischen Weg — das tun, was in unseren Kräften steht.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Ertl.
Ertl ; : Herr Minister, bedeutet dies auch, daß die Bundesregierung einmal von sich aus eine genau formulierte Stellungnahme zur Südtirolfrage insgesamt abgeben wird? Würde das nicht vielleicht manches Problem lösen, welches in der Öffentlichkeit insbesondere im Ausland immer wieder auftaucht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung wird sich überlegen, ob sie Ihrer Anregung folgen kann.
Keine weiteren Fragen.Wir kommen nun zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5577
Vizepräsident SchoettleDrucksache IV/1993, zunächst zur Frage IX/22 — des Abgeordneten Dr. Fritz —:Kann die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbahn und deren Anliegern erreichen, daß die dem Zuggelände zugekehrten Seiten der Städte und Betriebe freundlicher gestaltet werden, damit der Reisende, der mit der Eisenbahn die Bundesrepublik durchfährt, Deutschland nicht als Hinterhöfe, Schuttabladeplätze usw. kennenlernt?Beantwortet wird sie von Herrn Staatssekretär Seiermann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, gestellte Frage gehört zweifellos in den Bereich des Landschaftsschutzes und der Gestaltung des Städtebildes. Für diesen Bereich hat der Bund keine Gesetzgebungs- oder Verwaltungszuständigkeiten. In erster Linie müssen — abgesehen von Maßnahmen der Länder — hier die zuständigen kommunalen und privaten Stellen, wie z. B. Verschönerungsvereine, Verkehrsvereine usw., auf die Anlieger einwirken. Die Bundesregierung und die Deutsche Bundesbahn haben keinen unmittelbaren Einfluß auf die Landschaftsgestaltung außerhalb des Bundesbahnbereiches.
Soweit es sich um ihre eigenen Anlagen handelt, trägt die Deutsche Bundesbahn den Gesichtspunkten des Landschaftsschutzes Rechnung; sie steht dabei in laufender Verbindung mit den zuständigen örtlichen und regionalen Stellen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Fritz.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Deutsche Bundesbahn auf diesem Gebiet zu wenig unternimmt? Wenn man mit der Bundesbahn fährt, hat man oft den Eindruck, daß die Bundesbahn ihre eigenen Anlagen — vielleicht aus finanziellen Gründen, ich weiß es nicht — etwas vernachlässigt. Es ist für den Reisenden wenig angenehm, die Anlagen der Bundesbahn zu sehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, auch ich habe festgestellt, daß hier und da etwas zu verbessern ist. Ich habe aber gefunden, daß entsprechende Anregungen stets sofort von den Dienststellen der Bundesbahn positiv aufgenommen worden sind.
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Bundesbahn für den Vegetationsbau — einschließlich der erforderlichen Pflanzenschutzmaßnahmen — nicht weniger als 290 hauptamtliche Kräfte — Gärtner und sonstige Arbeiter — eingesetzt hat und daß jährlich Ausgaben in Höhe von rund 5 bis 6 Millionen DM für diese Zwecke anfallen.
Im allgemeinen wird man schon sagen können, daß die Bundesbahn sich große Mühe gibt, auf ihrem Gelände den Wünschen des Publikums Rechnung zu tragen. Gemeint ist ja wohl auch in Ihrer Frage mehr die grundsätzliche Seite des Städtebaus, und dafür ist natürlich eine Zuständigkeit des Bundes nicht gegeben.
Herr Staatssekretär, würden Sie es nicht für richtig erachten, daß auch die Bundesregierung in dieser Frage initiativ wird? Vielleicht könnten Sie einmal — gemeinsam mit der Presse, den Städteplanern, den Verantwortlichen der Wirtschaft — mit der Bundesbahn fahren und das Bild, das sich dem Reisenden bietet, von der Eisenbahn aus betrachten. Irgend jemand muß es ja geben, der bei den unterschiedlichen Zuständigkeiten in der Lage ist, eine Initiative auszulösen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das gehört in die Zuständigkeit der Länder. Andererseits handelt es sich, Herr Abgeordneter, immer um Einzelfälle, die doch nicht allzusehr aufgegriffen werden sollten. Wie gesagt, ich habe festgestellt, daß die Bundesbahn gern bereit ist, solche Anregungen positiv aufzunehmen.
Herr Staatssekretär, man kann das doch nicht als Einzelfälle bezeichnen. Insgesamt ergibt sich doch ein ausgesprochen schlechtes Bild.
Das sind Feststellungen, Herr Kollege Dr. Fritz, keine Fragen.
Ich rufe auf Frage IX/23 — des Herrn Abgeordneten Josten —:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Förderung des mittelständischen Verkehrsgewerbes den Ausbau des Autohofnetzes durch Zuschüsse für Grundstückserwerb und Platzanlage zu unterstützen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, der Bundesminister für Verkehr begrüßt grundsätzlich den Bau von Autohöfen, nicht nur weil damit eine Förderung des mittelständischen Verkehrsgewerbes verbunden ist, sondern weil er darin ein geeignetes Mittel zur Erleichterung des Straßenverkehrs und auch zur Hebung der Verkehrssicherheit sieht. Die Autohöfe dienen vornehmlich dazu, dem Personal und den Fahrzeugen während der Ruhezeiten Unterkunft zu gewähren. Dadurch tragen sie wesentlich dazu bei, das innerstädtische Straßennetz von parkenden Lastzügen frei zu halten.Mittel aus dem Bundesfernstraßenhaushalt können für den Bau von Autohöfen nicht zur Verfügung gestellt werden, weil kein Zusammenhang zwischen den Aufgaben des Bundes als Straßenbaulastträger für die Bundesfernstraßen und dem Bau von Autohöfen besteht. Eine sonstige finanzielle Unterstützung des Autohofbaus durch Zuschüsse oder zinsgünstige Darlehen des Bundes stößt auf Schwierigkeiten, weil sie in den bisherigen Mittelstandsprogrammen nicht vorgesehen ist und die dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft für die Mittelstandsförderung zur Verfügung stehenden Gelder ebenso wie die Mittel des ERP-Wirtschaftsplans kaum ausreichen, um die vom Bundestag bisher gewünschten Förderungsmaßnahmen für den Mittelstand durchzuführen.
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5578 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Staatssekretär Dr. SeiermannEs dürfte zunächst Aufgabe der Gemeinden und namentlich der Städte sein, auf deren Gebiet die Autohöfe in der Regel liegen und denen sie zur Entlastung ihres eigenen Straßennetzes dienlich sind, bei der Bauleitplanung Autohöfe zu berücksichtigen und dadurch die Grundstücksbeschaffung zu erleichtern, ja selbst geeignete Grundstücke aus ihrem Besitz zu einem tragbaren Preis abzugeben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie bestätigen, daß es im Interesse der allgemeinen Sicherheit liegt, weitere Autohöfe anzulegen: Wären Sie bereit, mit dem Herrn Minister für Wirtschaft Überlegungen anzustellen, wie dem mittelständischen Verkehrsgewerbe mehr als bisher auch vom Bund geholfen werden könnte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dazu bin ich gern bereit. Das tun wir bereits, und die Verhandlungen werden immer geführt. Ich will aber gern nochmals besonders auf diesen Punkt hinweisen.
Wir kommen zur Frage IX/24 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß der Ausbau der Bundesfernstraßen in Niederbayern aus Gründen der Strukturverbesserung, des Fremdenverkehrs und im Interesse der dortigen Industrie besonders vordringlich ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Verbesserung der Verkehrsstruktur in den Randgebieten angesichts der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration Westeuropas ganz allgemein eine wichtige Voraussetzung zu einer gedeihlichen Entwicklung darstellt. Neben der Durchführung der Maßnahmen im Vorfeld der größeren Städte, in den Ballungsräumen und im Zuge der noch unvollständigen Nord-Süd-Verbindungen sehen wir den Verkehrsausbau in Gebieten wie Niederbayern von jeher als eine Schwerpunktaufgabe an. Diese Zielsetzung hat im Ausbauplan für die Bundesfernstraßen auch ihren deutlichen Ausdruck gefunden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, wie erklärt sich bei den Darlegungen, die Sie soeben gemacht haben, der Umstand, daß der Herr Bundesverkehrsminister in der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages im Rahmen 'der Fragestunde bekanntgab, daß die Bundesmittel für den Ausbau der Bundesfernstraßen in Bayern und damit insbesondere in Niederbayern in den letzten Jahren rückläufig gewesen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann vielleicht mal für einen bestimmten Zeitraum zutreffen. Aber allgemein wird man das nicht sagen können.
Noch eine Frage? — Bitte Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Staatssekretär, würden Sie sich dafür verwenden, daß der Ausbau der B 11 von München über Deggendorf nach Eisenstein besonders vordringlich behandelt wird, nachdem feststeht, daß sie die Hauptverkehrsschlagader für den ostbayrischen Raum ist und daß insbesondere die Industrie darauf angewiesen ist, daß der restlose Ausbau der B 11 möglichst schnell vor sich geht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Ausbau der B 11 MünchenDeggendorf steht mit in den Schwerpunktmaßnahmen, .die vorgesehen sind. Ich will aber gern diese Frage noch einmalbesonders prüfen und in Bayern besprechen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Unertl.
Herr Staatssekretär, ist Ihr Haus in der Lage, Mitteilung darüber zu machen, ob überhaupt die bayerische oberste Baubehörde einen Plan für die Trassierung der Autobahn in Richtung Regensburg—Passau bisher vorgelegt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weiß, daß dieser Plan im Autobahnneubauamt München bearbeitet wird.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Unertl.
Herr Staatssekretär, ist nach Ihrer Meinung damit zu rechnen, daß für Niederbayern und für die Bundesstraßen speziell außer den bisher bereits eingeplanten Mitteln in diesem Jahr noch zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In diesem Jahr zweifellos nicht. Aber für die Zukunft hoffen wir es.
Keine weitere Frage.
Die nächste Frage, Frage IX/25, kommt ebenfalls vom Abgeordneten Fritsch:
Entsprechen die gegenwärtigen Planungsarbeiten an der Trassierung der Autobahn Regensburg—Passau den von Herrn Bundesverkehrsminister im Juli 1962 in Vilshofen gemachten Zusagen, den Ausbau im 3. Vierjahresplan vorzunehmen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesminister für Verkehr ist nach wie vor von der Bedeutung überzeugt,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5579
Staatssekretär Dr. Seiermanndie die Autobahn Regensburg/Passau für die wirtschaftliche Entwicklung des niederbayerischen Randgebietes hat, und er wird sich nach Kräften dafür einsetzen, daß sie im dritten Vierjahresplan Aufnahme im Ausbauplan findet. Dazu ist aber noch die endgültige Zustimmung des Herrn Bundesfinanzministers zu erwirken; Voraussetzung ist ja die von uns erwartete Aufstockung der Straßenbaumittel für den dritten Abschnitt des Ausbauplanes.Damit dazu rechtzeitig die Voraussetzungen geschaffen sind, ist, wie ich bereits erwähnte, das zuständige Autobahnbauamt München zur Zeit damit befaßt, die Vorkriegsplanung unter Zugrundelegung der heute geltenden Trassierungselemente im einzelnen zu überprüfen. Die Planungsarbeiten werden örtlich so rechtzeitig zum Abschluß gebracht werden, daß der Beginn der Bauarbeiten nicht verzögert zu werden braucht.Der aus der Vorkriegsplanung bekannte Trassenverlauf soll grundsätzlich beibehalten werden, wenn es auch örtliche Abweichungen geben wird und wenn auch die Anschlußplanung in Oberösterreich für den Raum Passau noch Verschiebungen bringen kann.
Eine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, haben die vom Herrn Bundesverkehrsminister angekündigten Besprechungen des Problems des Anschlusses der Autobahn im Rahmen der Planungen nach Oster) reich bereits einen Niederschlag gefunden in der Ministerkonferenz, die in der Fragestunde in der 106. Sitzung des Deutschen Bundestages in Aussicht gestellt worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, diese Ministerkonferenz hat noch nicht stattgefunden. Sie ist aber in Kürze zu erwarten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Unertl.
Herr Staatssekretär, ist Ihr Haus nicht bereit, wenigstens Überlegungen darüber anzustellen, ob man nicht den Autobahnbau beginnen kann, wenn die Trassierung feststeht, und vielleicht auch einmal — wie es in anderen Teilen Bayerns und im Bundesgebiet passiert - von Passau aus bauen kann? Denn gerade in diesem Raum ist auf dem Gebiet des Straßenbaus eine Überhitzung keinesfalls festzustellen. Die Baukapazität ist dort nicht so ausgelastet. Die Firmen wären jederzeit dankbar und bereit, auch von dort aus schon Baumaßnahmen für diese Autobahn in die Wege zu leiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wir können natürlich mit dem Bau erst beginnen, wenn die Mittel bereitstehen. Für diesen Fall wird die Frage, wo mit dem Bau begonnen werden soll, von der
Auftragsverwaltung im Benehmen mit uns geprüft werden. Ich will gern Ihre Anregung in diesem Zusammenhang zur Sprache bringen.
Die nächste Frage, Frage IX/26, stellt Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Ist es richtig, daß in der SBZ abgelegte Fahrlehrerprüfungen in den Ländern der Bundesrepublik in unterschiedlicher Weise anerkannt bzw. nicht anerkannt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Durchführung der Fahrlehrerverordnung vom 23. Juli 1957, die am 1. September 1957 in Kraft getreten ist, obliegt ausschließlich den Behörden der Länder. Die Frage der Anerkennung sowjetzonaler Ausbildungserlaubnisse war Gegenstand eingehender Erörterungen mit den beteiligten Bundes- und Länderressorts. Bei einer Länderreferentenbesprechung am 17. Dezember 1959 wurde folgendes Verfahren festgelegt:
1. Für die Personen, denen die Ausbildungserlaubnis im Gebiet der Sowjetzone bis zum 31. August 1957 erteilt worden ist, gilt die Fahrlehrererlaubnis nach der Fahrlehrerverordnung des Bundesgebiets als erteilt;
2. die bis zum 31. August 1957 im Gebiet der Sowjetzone erteilten Fahrlehrerlaubnisse sind gegen Fahrlehrerscheine nach der Fahrlehrerverordnung umzutauschen, um den Verwaltungsbehörden die Prüfung zu ermöglichen, ob eine gültige Fahrlehrerlaubnis vorhanden ist;
3. die nach dem 1. September 1957 erteilten Ausbildungserlaubnisse der Sowjetzone werden in der Bundesrepublik wegen der Verschiedenheit der Verkehrsverhältnisse und wegen der Einteilung der Fahrerlaubnisklassen nicht mehr anerkannt. Eine neue Fahrlehrerlaubnis ist daher nach der neuen Fahrlehrerverordnung zu erwerben. Dazu müssen die Voraussetzungen der neuen Fahrlehrerverordnung erfüllt werden. Die Möglichkeit, über die Ausnahmebestimmung des § 21 der Fahrlehrerverordnung Erleichterungen für den Erwerb der Fahrlehrerlaubnis zu gewähren, bleibt unberührt.
Soweit mir bekannt ist, wird in allen Ländern der Bundesrepublik nach dieser Regelung verfahren.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr .Mommer.
Herr Staatssekretär, scheint nicht in der Festsetzung eines Stichtages, bis zu dem Prüfungen anerkannt werden und von dem ab es anders gehandhabt wird, eine Härte zu liegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Härten sind mit jedem Stichtag verbunden. Aber die Verordnung sieht ja ausdrücklich vor, daß in solchen Fällen Erleichterungen gewährt werden können.
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5580 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Noch eine Frage.
Herr Staatssekretär, liegt es nicht im gesamtdeutschen Interesse, Prüfungen, die drüben abgelegt wurden, hier wohlwollend zu beurteilen und damit die Gleichberechtigung aller Deutschen in Deutschland zu betonen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die erste Frage beantworte ich mit Ja. Ich bin überzeugt, daß die Prüfungen auch wohlwollend beurteilt werden. Aber andererseits werden Sie mir zugeben, Herr Abgeordneter, daß hinsichtlich des Verkehrs, insbesondere der Verkehrsdichte, in der Sowjetzone doch andere Voraussetzungen gegeben sind als bei uns in der Bundesrepublik.
Herr Abgeordneter Kohut, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die von Ihnen vorgetragene Regelung nicht wieder einmal ein typisches Beispiel dafür, wie man die Annäherung beider Teile Deutschlands nicht erreichen kann und wie man nicht verfahren sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das glaube ich nicht, Herr Abgeordneter, weil sachliche Überlegungen für diese Regelung gesprochen haben und nach meiner Überzeugung auch weiter sprechen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Will man entsprechende Regelungen, wie Sie sie für Fahrlehrer vorgetragen haben, dann künftig auch für das Bäcker- und Metzgerhandwerk schaffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist zweifellos nicht beabsichtigt, weil diese Handwerker wohl nicht mit Fahrlehrern verglichen werden können.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Wehner!
Welche sachlichen Gründe sind für die Festsetzung des Stichtages 31. August bzw. 1. September 1957 maßgebend gewesen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte annehmen, daß die neue Fahrlehrerverordnung vom 23. Juli 1957, die am 1. September 1957 in Kraft getreten ist, der Anlaß für die Wahl dieses Stichtages gewesen ist.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Wehner!
Wäre es nicht denkbar gewesen und sollte es heute nicht noch denkbar sein, daß man durch eine kleine Nachprüfung Unterschiede in der Ausbildung von Fahrlehrern aus dem sowjetisch besetzten Gebiet ausgleicht, die jetzt auf die Fahrlehrerlaubnis angewiesen sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, das ist meines Erachtens nach dem geltenden Recht bereits möglich. Ich habe auf den Härteparagraphen besonders hingewiesen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dürr!
Herr Staatssekretär, ist es nicht ein wenig unlogisch, wenn Sie auf die verschiedene Verkehrsdichte hingewiesen haben, daß dann Fahrlehrerscheine aus der Zeit vor 1957 gelten sollen, obwohl damals die Verkehrsdichte in der sowjetisch besetzten Zone im Vergleich zu der, die wir heute bei uns haben, noch viel geringer war?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie wissen aus eigenen Erfahrungen, daß man, wenn solche Veränderungen geplant sind, sie immer in Zusammenhang mit dem Neuerlaß einer Verordnung bringt, und diese Verordnung vom Jahre 1957, die ich zitiert habe, ist ja auch nicht von heute auf morgen entstanden, sondern in jahrelanger Vorarbeit.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dürr!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, noch einmal nachzuprüfen, ob diese Verlegung Ides Stichtags gerade auf das Jahr 1957 noch gerechtfertigt ist und man nicht, wenn man schon einen Stichtag braucht, einen Stichtag näher am jetzigen Datum wählen sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin gern bereit, diese Anregung aufzugreifen und mit den Ländern zu besprechen.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Peiter gestellte Frage IX/27 auf:
Wann nimmt die geplante Buslinie auf der Aarstrecke zwischen Diez und Burgschwalbach ihren Betrieb auf?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, wie mir die Hauptverwaltung der 'Deutschen Bundesbahn mitgeteilt hat, wird die Bahnbuslinie Diez—Burgschwalbach den Betrieb spätestens am 1. April 1964 aufnehmen.
Herr Staatssekretär, welche weiteren Pläne bestehen hinsichtlich der Bahnlinie Diez—Bad Schwalbach?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5581
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann diese Frage im Augenblick auf Grund meiner Unterlagen nicht beantworten. Handelt es sich um die Strecke Limburg—Wiesbaden?
Ja. Treffen die Pressemeldungen zu, nach denen beabsichtigt ist, den Personenverkehr von .der Bahn ,auf die Bundesstraße zu verlegen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann dazu folgendes sagen. Die .Bundesbahndirektion Frankfurt am Main beabsichtigt, eine Teilverkraftung auf der Strecke Limburg—Wiesbaden in der Weise vorzunehmen, daß die bisherigen Früh- und Spätzüge durch Bahnbusse ersetzt werden. Die Verkraftung hat zur Folge, daß künftig die Orte Schießheim und Hausen, die keinen Bahnhof haben, direkte Verbindung bekommen werden.
Sie haben keine Fragemehr, Herr Kollege Peiter; Sie haben schon zwei absolviert.
Ich habe dem Herrn Staatssekretär nur eine Ergänzung gegeben.
Das kommt aufs gleiche hinaus. Aber bitte!
Herr Staatssekretär, trifft demnach die Pressemeldung nicht 211, daß der gesamte Personenverkehr dieser Linie auf die Straße verlegt werden soll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie trifft offensichtlich nicht zu; denn die Auskunft, die ich Ihnen gegeben habe, basiert auf einer in diesen Tagen von der Bundesbahn eingeholten Unterlage.
Keine weiteren Fragen mehr.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und 'Fernmeldewesen. Ich rufe die von dem Abgeordneten Dr. Friedensburg gestellte Frage X/1 auf:
Hält es die Bundesregierung für vereinbar mit den praktischen Bedürfnissen und dem moralischen Ansehen eines großen Landes, wenn zahlreiche Staatsbürger und Unternehmen auf einen so elementar wichtigen Gegenstand des persönlichen und wirtschaftlichen Bedarfs, wie es der Telefonanschluß derstellt, 2 bis 3 Jahre warten müssen?
Ist Herr Dr. Friedensburg im Raume? — Wird die Frage übernommen? — Dann wird sie schriftlich beantwortet.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Strohmayr gestellte Frage X/2 auf:
Wie beurteilt der Herr Bundespostminister den im Düsseldorfer „Handelsblatt" gemachten Vorschlag, den Nachfrageüberhang auf Telefonanschlüsse dadurch zu drosseln, daß die Neuanschlußgebühren von z. Z. 90 DM erhöht werden?
Bitte, Herr Minister!
Der Vorschlag des Düsseldorfer Handelsblattes ist leider nicht annehmbar. Die Bundespost darf eine Benutzungsgebühr nicht zur Drosselung der Nachfrage der weniger kapitalkräftigen Kreise benutzen. Es ist doch ein echter Bedarf, der in der Zahl der Anträge zum Ausdruck kommt. Das ergibt schon ein Vergleich mit anderen europäischen Staaten. Dort ist die Zahl der auf 100 Einwohner entfallenden Fernsprechhauptanschlüsse zum Teil mehrmals so hoch wie in der Bundesrepublik Deutschland.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter .Strohmayr.
Herr Bundesminister, mit welchem Erfolg haben Sie bei Ihrem Kollegen Finanzminister und bei Ihren Koalitionsfraktionen den Versuch unternommen, die Finanzierungsschwierigkeiten der Deutschen Bundespost dadurch zu überwinden, daß der Bund auf die rund 500 Millionen ganz oder teilweise verzichtet, die die Post alljährlich an den Bundeshaushalt abzuführen hat?
Herr Kollege Strohmayr, die Verbandlungen mit dem Bundesfinanzminister sind noch nicht abgeschlossen. Das Bundeskabinett hat am 26. Februar ,den Beschluß gefaßt, daß unter der Federführung des Bundespostministers eine Ministerkommission des Kabinetts diese Fragen behandelt und dem Kabinett entsprechende Vorschläge unterbreitet. Die Abführung an den Bund ist gemäß § 21 des Postverwaltungsgesetzes für den Bundespostminister Pflicht.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Aber, Herr Bundesminister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß die Bundespost damit einen wirkungsvollen Beitrag zur beschleunigten Verbesserung auf einem wichtigen und vor allem rentablen Zweig der Bundespost leisten könnte, da die angekündigte Gebührenerhöhung doch in einem schroffen Gegensatz zu den Bemühungen um eine Stabiliserung der Preise steht?
Herr Abgeordneter, ich bin durchaus der Auffassung, daß die Abführung von der Deutschen Bundespost an den Bund auf die Dauer zu einer Schwächung der Leistungsfähigkeit der Deutschen Bundespost führen muß und daß damit auch für die Zukunft ein Hemmnis für die Ausbreitung des Fernmeldewesens gegeben ist, das entsprechend der Nachfrage ausgebaut werden müßte, womit man dann auch eine Verbesserung der Ertragslage des Haushalts herbeiführen würde.
Herr Abgeordneter Cramer, eine weitere Frage.
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5582 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Herr Minister, sind Sie immer noch der Meinung, daß die Einrichtungsgebühr für einen Hauptanschluß in Höhe von 90 DM auch in den Fällen erhoben werden muß, wo in den betreffenden Häusern oder Geschäftsräumen noch alte Anschlüsse vorhanden sind?
Herr Kollege Cramer, Sie werden ja das Vergnügen und die Ehre haben, in Zukunft Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost zu sein, und Sie werden bei der Deutschen Bundespost sehr häufig mit den harten Tatsachen konfrontiert werden. Sie werden dann auch erkennen, daß es bei einem Hauptanschluß nicht nur um die 5, 6 oder 8 m Leitung in der Wohnung geht, um daraus eine Gebühr zu errechnen, sondern daß damit wesentlich mehr verbunden ist, nicht nur die Leitung vom Abzweigkasten des Einzelanschlusses, sondern auch die Zuführung der Leitung zur Ortsvermittlungsstelle, der Ausbau der Vermittlungstechnik in der Vermittlungsstelle usw. Das alles soll mit einer Pauschalgebühr abgegolten werden.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Cramer.
Herr Minister, ist es aber nicht eine Ungerechtigkeit, daß in den Fällen, in denen ein voller Hausanschluß vorhanden ist und der Post keine weitere Arbeit entsteht als die, den Apparat anzuklemmen, diese 90 DM erhoben werden, auch wenn es sich dabei um eine Pauschale handelt?
Herr Kollege Cramer, wenn ich die vorige Frage von Herrn Strohmayr richtig verstanden habe, erwartete Herr Strohmayr von mir eine Zustimmung zu dem Vorschlag des Düsseldorfer Handelsblattes, eine Pauschalgebühr oder eine entsprechende zusätzliche Gebühr zu erheben, damit die dringenden Anschlüsse, die vielleicht aus gewerblichen Gründen notwendig sind, hergestellt werden können. Wenn ich so vorginge, würde ich ohne Zweifel eine soziale Deklassierung vornehmen. Der Weg, den ich gegangen bin und den der Verwaltungsrat einstimmig gebilligt hat, ist nach meiner Auffassung der mögliche und gerechte Weg.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Herr Minister, wie hoch schätzen Sie den Kapitalbedarf der Deutschen Bundespost, der sich aus der Nachfrage nach Anschlüssen auf dem Fernmeldesektor in den nächsten Jahren ergibt?
Die Deutsche Bundespost hat eine Zehnjahresstudie erarbeitet, die die Zeit von 1961 bis 1971 erfaßt hat. Danach hätte sich ergeben, daß wir, wenn wir den Nachholbedarf und die permanente Nachfrage befriedigen wollten, eine Investition von 10,7 Milliarden DM durchführen müßten. 10,7 Milliarden allein auf dem Fernmeldesektor, um nur die Nachfrage befriedigen zu können! Um den Ausbau des Fernmeldewesens insgesamt durchzuführen, wäre ein wesentlich höherer Betrag erforderlich. Wir haben einen Fünfjahresplan erarbeitet, der 1966 auslaufen soll. Mit diesem Fünfjahresplan wollten wir eine Steigerung in der Errichtung von Hauptanschlüssen bis auf rund 500 000 im Jahre erreichen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Börner.
Können Sie in etwa den Einnahmeausfall beziffern, der sich jährlich dadurch ergibt, daß eine große Anzahl von Telefonanschlüssen aus technischen bzw. aus Kapitalgründen nicht hergestellt werden kann? Dadurch gehen der Post ja doch laufende Einnahmen verloren.
Herr Abgeordneter, diese Berechnung ist natürlich außerordentlich schwierig, weil wir ja nicht wissen, wie stark die Neuanschlüsse frequentiert sein werden. Wenn ich aber von der Wahrscheinlichkeitsrechnung ausgehe, würde ich sagen, daß man bei einer stärkeren Investition eine wesentlich höhere Kostenüberdeckung — diese beträgt heute auf dem Fernmeldegebiet rund 450 Millionen DM — erreichen würde und daß damit ein Abbau des Defizits wenigstens in einem bestimmten Rahmen möglich wäre.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Minister, ist Ihnen der Bericht des britischen Postministers bekannt, in dem für Ende 1966 in Aussicht gestellt wird, daß jeder Antrag auf Herstellung eines Anschlusses binnen 14 Tagen erledigt wird?
Herr Kollege Mommer, ich kenne diesen Bericht, und ich war sehr überrascht über den Optimismus, den mein britischer Kollege in bezug auf die sofortige Bedienung bei Anträgen auf Hauptanschlüsse hat. Ich wünsche ihm, daß er so, wie er es sich vorstellt, auch Erfolg hat. Ich darf nur bemerken, daß England in den vergangenen 20 Jahren auf diesem Gebiet stärker investiert hat als Deutschland.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Minister, meinen Sie nicht, daß der deutsche Postminister so optimistisch, ehrgeizig und tüchtig sein sollte wie sein britischer Kollege?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5583
Herr Mommer, Sie bringen mich natürlich in eine maßlose Verlegenheit, wenn ich die Prädikate, die Sie mir gegeben haben, bestätigen soll. Aber ich würde sagen, so optimistisch bin ich leider nicht. Denn selbst wenn wir den gesamten Fünfjahresplan, wie eben kurz skizziert, durchführen könnten, würden wir noch keinen wesentlichen Abbau der Nachfrage, also der Warteliste, erreichen. Wir müßten wesentlich höhere Mittel einsetzen, um dieser Nachfrage einigermaßen gerecht zu werden. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich nichts unversucht lassen werde, um hier eine Verstärkung der Investitionstätigkeit der Deutschen Bundespost durchführen zu können.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich auf die Frage X/3 — des Abgeordneten Strohmayr —:
Welche anderen als in Frage X/2 erwogenen Möglichkeiten sieht der Herr Bundespostminister, um von der hohen Zahl von 345 000 auf Telefonanschlüsse wartenden Firmen und Einzelpersonen herunterzukommen?
Bitte, Herr Minister.
Herr Abgeordneter Strohmayr, eigentlich ist diese Frage bereits durch die Beantwortung der gestellten Zusatzfragen beantwortet. Ich darf nur wiederholen, daß von seiten der Deutschen Bundespost, soweit sie dazu finanziell in der Lage ist, alles getan wird, damit die Warteliste, die heute ungefähr 350 000 Anträge umfaßt, abgebaut wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Strohmayr.
Herr Bundesminister, könnten Sie mir jetzt oder schriftlich mitteilen, wieviel Dringlichkeitsanträge sich unter den 350 000 oder 345 000 Anträgen befinden, also Fälle, in denen der Besitz eines Telefonanschlusses eine Existenzfrage ist?
Herr Abgeordneter Strohmayr, wir haben keine Dringlichkeitslisten. Die Anträge werden so erledigt, wie sie eingereicht werden. Ausnahmen werden nur dort gemacht, wo ein öffentliches Interesse vorliegt, also bei . Ärzten, Feuerwehr, Hebammen usw. Bei allen anderen Anträgen dagegen wird in der Reihenfolge des Eingangs vorgegangen.
Herr Bundesminister, glauben Sie aber nicht doch, daß eine Präferenzliste eingeführt werden könnte? Denn wir haben doch bestimmte Fälle von Unternehmensneugründungen, für die einfach ein Telefonanschluß unumgänglich notwendig ist, in denen er aber nicht hergestellt werden kann, weil er noch nicht an der Reihe ist. Dasselbe ist mir persönlich beispielsweise schon bei der Errichtung von Heimen begegnet. Altersheime
können nicht mit einem Telefonanschluß versehen werden, weil sie erst unter der Nummer soundso rangieren.
Herr Abgeordneter Strohmayr, hierzu darf ich Ihnen sagen, wie es in der Praxis aussieht. Wenn ein Telefonanschluß beantragt wird und die Möglichkeit besteht, ihn herzustellen — es sind die Kabeladern vorhanden, und es ist die Wähltechnik in der Ortsvermittlung da —, kann man sicherlich solche dringenden Fälle bevorzugt berücksichtigen. Wenn aber das Kabel neu gelegt werden muß oder wenn eine neue Ortsvermittlungsstelle errichtet werden muß, kann man das nicht wegen eines Anschlusses tun; denn wenn dann die Ortsvermittlungsstelle da ist und das Kabel da ist, können auch die anderen zehn oder zwanzig angeschlossen werden. In der Praxis ist es leider sehr schwierig, diese Priorität, die ich durchaus anerkenne, zu respektieren.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, kann der einzelne Antragsteller von sich aus etwas dazu tun, diese Wartezeit zu verkürzen?
Herr Kollege 'Dürr, das ist die gleiche Frage, die Herr Strohmayr gestellt hat, nur etwas anders nuanciert. Ich darf Ihnen sagen, daß das heute leider nicht angeht; denn das würde bedeuten, daß derjenige, der so kapitalkräftig ist, daß er der Bundespost einen verlorenen Zuschuß oder ein zinsgünstiges Darlehen zur Verfügung stellen kann, eventuell zu einem Anschluß käme, während derjenige, der dazu nicht in der Lage ist, benachteiligt werden würde. Unser Gesetz, nach dem ich verfahren muß — das ist die Fernmeldeordnung – , erlaubt mir eine solche Differenzierung und Manipulation nicht. Anders wäre es, wenn Sie, Herr Abgeordneter Dürr, zusammen mit dem Finanzminister des Landes Baden-Württemberg — und ich lasse mir immer wieder sagen, Baden-Württemberg gehört nicht zu den ärmsten Ländern der Bundesrepublik — aktiv werden und vielleicht gemeinsam mit der Deutschen Bundespost durch Zurverfügungstellung von Krediten aus Haushaltsmitteln einen zusätzlichen Ausbau des Fernmeldewesens in BadenWürttemberg ermöglichten. Ich darf betonen: wichtig genug wäre das für Baden-Württemberg. Denken Sie nur an Baden-Baden oder an Konstanz, die künftige Universitätsstadt in Baden-Württemberg.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dürr.
Herr Minister, könnte aber die Wartezeit für den Antragsteller in einzelnen Fällen dadurch verkürzt werden, daß er sich von vornherein mit einem Zweieranschluß, den er mit einem anderen teilt, einverstanden erklärt?
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5584 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Ja. Das machen wir sowieso, soweit es möglich ist.
Keine weiteren Fragen.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Die Frage VIII/1 stellt der Abgeordnete Haase :
Wann ist mit dem Baubeginn der Straße zu rechnen, die im Zuge der Errichtung einer Truppenunterkunft in Kellinghusen als Zubringerstraße von der B 206 und der L I. O 123 geplant ist?
Zur 'Beantwortung Herr Staatssekretär Hopf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Planung für den Ausbau der Zufahrtstraßen zur Truppenunterkunft und zum Standortübungsplatz wird zur Zeit zum Zwecke der Kostensenkung überarbeitet. Diese Arbeit wird etwa Mitte März abgeschlossen sein. Der Grunderwerb geht zügig voran. Es ist damit zu rechnen, daß der erste Bauabschnitt etwa Anfang Mai 1964 ausgeschrieben, im Juni begonnen und bei günstiger Witterung im November dieses Jahres fertiggestellt werden kann. Mit dem zweiten Bauabschnitt, von der Südostecke der Kaserne bis zur B 206, dürfte im Frühjahr nächsten Jahres begonnen werden. Ich darf aber diese Antwort mit dem in ,allen Bausachen üblichen Vorbehalt geben, dia es gefährlich ist, bei Bauten überhaupt feste Termine zu nennen.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Haase.
Herr Staatssekretär, wenn eine gleichzeitige Fertigstellung der Zubringerstraße mit der endgültigen Vollbelegung der Truppenunterkunft nicht gewährleistet werden kann, sind iSie dann bereit, sich bei dem Herrn Verkehrsminister dafür einzusetzen, daß der provisorische Ausbau der Ortsdurchfahrt der B 206 in Kellinghusen noch in diesem Jahre fortgesetzt und beendet wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin bereit, mich für alles einzusetzen, wenn es den eigenen Etat nicht zu stark belastet.
Die Frage VIII/2 stellt der Abgeordnete Dr. Knorr:
Werden beim Bau von Panzern und Kriegsschiffen innerhalb technisch sinnvoller Grenzen überprüfbare Maßnahmen zum Strahlenschutz des Personals im Falle eines gegnerischen Einsatzes von Atomwaffen getroffen, die über die klassische Panzerung hinausgehen?
Die Frage wird von Herrn Vogt übernommen. Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fortschritte in der Entwicklung
von Nuklearwaffen und die Erweiterung des Kernwaffenpotentials etwaiger Angreifer erfordern eine Verbesserung des Atomschutzes für die Menschen und für das Material. Hierbei wird dem Strahlenschutz besondere Beachtung geschenkt. Als Träger dieses Schutzes eignen sich besonders Panzer und Kriegsschiffe. Sie werden in Zukunft neben dem Schutz gegen konventionelle Waffen einen beträchtlichen Strahlenschutz tragen müssen. Bei Neukonstruktionen wird diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen. Die Möglichkeiten und Grenzen des Strahlenschutzes werden zur Zeit mit anderen Stellen intensiv bearbeitet. Sie lassen sich noch nicht endgültig und eindeutig festlegen, da diese Art des Schutzes neu ist und insoweit neue Normen gefunden werden müssen.
Herr Präsident, wenn Sie gestatten, darf ich vielleicht wegen des Zusammenhangs gleichzeitig die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Knorr beantworten.
Dann darf ich gleich die Frage VIII/3 — des Herrn Abgeordneten Dr. Knorr — aufrufen:
Falls solche, in Frage VIII/2 erwähnten Maßnahmen nicht getroffen wurden und entsprechende Einrichtungen zur Überprüfung nicht vorhanden sind, was gedenkt die Bundesregierung zu tun?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Strahlenschutzmaßnahmen der Bundeswehr können nur überschläglich berechnet werden. Mit dieser Bearbeitungsart können nur grobe Anhalte gefunden werden. Über Einrichtungen, mit denen Versuche für Bestimmung genauer Werte durchgeführt werden können, verfügt die Bundeswehr noch nicht. Zu ihrer Realisierung müssen technische, rechtliche und personelle Probleme, die sich seit längerer Zeit in Bearbeitung befinden, geklärt werden. Zur experimentellen Bearbeitung des Strahlenschutzes wäre ein Reaktor erforderlich, der eine Simulation ermöglicht. Hierfür sind Erwägungen im Gange, die sich auf rechtliche und tatsächliche Fragen beziehen und die noch nicht abgeschlossen sind.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bei Ihren Überlegungen nicht aus dem Gesichtskreis entschwunden, daß für Luftschutzbunker eine luftdrucksichere Zugangstür vorhanden sein muß und daß etwas Gleiches bei einem Panzer und einem Kriegsschiff nicht gut angebracht werden kann? Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen die die Amerikaner bei Atomwaffenexplosionen mit veralteten Kriegsschiffen gemacht haben, die wegen des Fall-out erst nach Tagen und nur für kurze Zeit betreten werden konnten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese traurigen Erfahrungen sind bekannt und werden bei diesen Überlegungen für die Zukunft berücksichtigt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5585
Keine weiteren Fragen mehr. Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Seifriz:
Hält das Bundesverteidigungsministerium seine in der Presse veröffentlichte Auffassung aufrecht, wonach die drei für die Bundesmarine vorgesehenen Raketenzerstörer wegen des mit dem Bau verbundenen finanziellen und technischen Risikos auf Grund der fehlenden Erfahrungen der deutschen Werften in den USA gekauft werden müßten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist zu früh, diese Frage heute exakt zu beantworten. Zunächst muß die Frage des Ob geklärt und entschieden werden, ehe die Frage: wo, wie und wie teuer? zu einer Entscheidung heransteht. Entschuldigen Sie bitte, daß ich mich zu dieser in Bearbeitung befindlichen Sache im Augenblick nicht präziser äußern möchte. Es würden sonst die Preise — sei es im Ausland, sei es im Inland — sofort steigen.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es bei dieser Fragestellung in der Hauptsache darum geht, festzustellen, ob die deutschen Werften prinzipiell in der Lage sind, Kriegsschiffe zu bauen oder nicht, nachdem die Küstenländer und auch der Verband der deutschen Werften dazu in den letzten Tagen offiziell Stellung genommen haben?
) Hopf, Staatssekretär im Bundesministerium. der Verteidigung: Herr Abgeordneter, die Auffassungen der deutschen Werften sind bekannt. Ich habe selber mit mehreren Werften über diese Frage gesprochen. Diese Auffassungen der Werften werden bei uns mitbearbeitet. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Seifriz.
Darf ich Sie so verstehen, Herr Staatssekretär, daß das Bundesverteidigungsministerium noch nicht davon überzeugt ist, daß die deutschen Werften von ihrem Können her prinzipiell in der Lage sind, sich am Kriegsschiffbau zu beteiligen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Kriegsschiffe der Bundesmarine sind bisher zu 97,5 % auf deutschen Werften gebaut worden. Ich glaube, das ist eine ausreichende Antwort auf die Frage nach der Auffassung des Verteidigungsministers hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung der deutschen Werften.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Berkhan!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß insbesondere für den Bau schwerer Kriegsschiffe eine Studienkommission der deutschen
Werften in Amerika die Möglichkeiten geprüft hat, mit den Amerikanern gemeinsam Kriegsschiffe zu bauen und einen Teil davon in Deutschland zu bauen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist bekannt. Diese Kommission bezieht sich ja gerade auf diese Frage der Zerstörer.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, dem Verteidigungsausschuß über die Arbeit der Kommission einen Bericht zu geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bin dazu selbstverständlich bereit. Zunächst muß ich aber mit der Kommission in Verbindung treten, um die exakten Ergebnisse ihrer Arbeit kennenzulernen; ich kann mich nicht nur auf die Behauptungen oder Angaben stützen, die auf Grund dieser Kommissionsreise gemacht werden.
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Haase .
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, sich bei Ihren Überlegungen davon leiten zu lassen, daß nicht ausgerechnet die Werftindustrie von der notwendigen deutschen Devisenhilfe zugunsten der USA belastet wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch diese Frage ist bekannt. Ich kann aber nur antworten: eine Entscheidung ist nicht getroffen. Ich habe auch nicht die Absicht, eine exakte Antwort zu geben. Ich wiederhole: ich möchte weder die Preise im Inland noch die Preise im Ausland mit einem Auftrieb versehen.
Die nächste Frage — VIII/6 — stellt der Abgeordnete Weigl:
Wie oft hat der Oberbürgermeister der Stadt Weiden in den Jahren 1957 bis einschließlich 1961 im Bundesverteidigungsministerium bzw. beim Wehrbereichskommando VI persönlich vorgesprochen, um das seit diesem Zeitpunkt im Gespräch befindliche Hallenbad-Gemeinschaftsprojekt Stadt Weiden/Bundeswehr voranzutreiben?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es konnte nicht festgestellt werden, daß der Herr Oberbürgermeister der Stadt bis einschließlich 1961 in dieser Angelegenheit beim Verteidigungsministerium, bei der Wehrbereichsverwaltung oder beim Wehrbereichskommando persönlich vorgesprochen hat.
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, darf ich auf Grund Ihrer Antwort unterstellen, daß die bisher nicht erfolgte Errichtung eines Hallenbades in Weiden als Gemeinschaftsprojekt Stadt Weiden / Bundeswehr auf mangelndes Interesse der Stadt Weiden zurückzuführen ist?
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5586 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich kann diese Frage nicht beantworten, weil ich dazu genau feststellen müßte, welche Verhandlungen insgesamt schriftlich oder mündlich geführt worden sind, wie die Finanzlage bei der Stadt war und wie die Finanzlage im Verteidigungsressort hinsichtlich dieses Objektes war.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Müller !
Herr Staatssekretär, liegt nicht die Vermutung nahe, daß die Frage mit Rücksicht auf die Bürgermeisterwahl am nächsten Sonntag gestellt worden ist, bei der der bisherige Oberbürgermeister wieder zur Wahl steht?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dies ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann, die Sie vielleicht untereinander besprechen müßten.
Die Fragestunde ist beendet. Die noch übrig gebliebenen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Meine Damen und Herren! Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, möchte ich das Haus um die Erlaubnis bitten, einen Punkt einzuschieben, der schnell erledigt sein wird. Es handelt sich um die
Besetzung eines Sitzes im Postverwaltungsrat,
der durch den Tod des Abgeordneten Dr. Günter
Klein frei geworden ist. ist )das Haus damit einverstanden, daß wir diese Bestellung jetzt vornehmen?
— Das ist der Fall.
Durch den Tod des Abgeordneten Dr. Günter Klein ist ein sozialdemokratischer Sitz im Postverwaltungsrat frei geworden. Die sozialdemokratische Fraktion schlägt als Nachfolger des Verstorbenen den Abgeordneten Johann Cramer als ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat der Bundespost vor.
Herr Abgeordneter Cramer war bisher stellvertretendes Mitglied. Dadurch wird seine Stelle frei. Die SPD-Fraktion schlägt vor, den Abgeordneten Holger Börner an seiner Stelle zum stellvertretenden Mitglied ides Postverwaltungsrates zu wählen.
Stimmt das Haus diesen Vorschlägen zu? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dann rufe ich auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundeskindergeldgesetzes (Drucksache IV/818);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache IV/1961).
Berichterstatter für den Haushaltsausschuß, dem die Vorlage gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen wurde, ist der Abgeordnete Dr. Götz. Wünscht der HerrBerichterstatter das Wort?
— Der Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht.
Zur Berichtigung der Zusammenstellung der Beschlüsse des zuständigen Ausschusses wünscht der Abgeordnete Gerlach das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, folgende Berichtigung vorzunehmen und zu Protokoll zu nehmen. Bei den vom Plenum am Mittwoch angenommenen Änderungsanträgen der CDU/CSU-Fraktion hat sich ein Schreibfehler eingeschlichen, so daß in der Drucksache IV/ 2009 folgende redaktionelle Änderungen notwendig sind:
In § 34 Ziffer 2 b muß hinter dem Wort „Waisenrente" das Wort „auch" eingefügt werden.
Das gleiche gilt für § 35 Ziffer 4 und § 36 Ziffer 4. Vizepräsident Schoettle: Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich rufe auf den § 41 a.
Dazu liegen Änderungsanträge vor. Zunächst der Antrag auf Umdruck 404 *). Wird das Wort zur Begründung dieses Antrages gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Gerlach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ziffer 1 des Änderungsantrages auf Umdruck 404 stellt textlich und damit materiell die Ausschußvorlage in § 41 a Ziffer 2 Abs. 2 wieder her und damit auch den Zusammenhang zu § 32 Abs. 4 in der vom Ausschuß für Arbeit beschlossenen Fassung. Ursprünglich hat der Antrag Umdruck 404 die Unterschrift auch der FDP-Fraktion getragen. Ich muß den Mut bewundern, den die FDP-Fraktion mit der Rücknahme ihrer Unterschrift hier an den Tag gelegt hat. Ihnen, meine Damen und Herren der FDP, ergeht es so, wie wenn ein kleines Kind zum erstenmal in seinem Leben eine Wunderkerze anzünden darf,
sich an dem Feuerzauber berauscht und in der letzten Phase des Abrennens der Kerze, kurz bevor es sich die Finger verbrennt, das Ding wieder wegschmeißt.
*) Siehe Anlage 2
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5587
Gerlach— Vielen Dank, Herr Kollege! — Die Entscheidung vom Mittwoch war sachlich durchaus begründet, ebenso wie der vorliegende Änderungsantrag auf Umdruck 404 und gleichermaßen der Änderungsantrag auf Umdruck 405, der eine notwendige Korrektur des § 32 Abs. 4 beinhaltet.Mit den vorliegenden Änderungsanträgen wird zweierlei erreicht.Erstens. Die beitragzahlenden Betriebe, vornehmlich die kleinen und lohnintensiven Unternehmen, werden nur für das erste Vierteljahr 1964 zur Beitragsleistung nach dem Kindergeldgesetz herangezogen.Zweitens. Die mit Beschluß des Haushaltsausschusses vom 5. Februar 1964 aus Einzelplan 11 bereitgestellten 173,5 Millionen DM zur Deckung der durch Beschluß des Ausschusses für Arbeit erhöhten Beträge für Viert- und weitere Kinder werden für das zur Beratung anstehende Bundeskindergeld in Anspruch genommen. Mehrbelastungen entstehen nicht.Mit Ablehnung dieser Anträge würden die beitragspflichtigen Betriebe bis zum 30. Juni 1964 mit Beitragszahlungen in Anspruch genommen. Ich verweise hierbei auf die Beschlüsse zu Drucksache IV/2009.Ich bitte um Annahme der Änderungsanträge auf Umdruck 404 .
Zur Begründung des Antrages auf Umdruck 406 *) hat das Wort der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe für die Regierungsparteien den Antrag Umdruck 406 zu begründen. Zu seinem sachlichen Gehalt möchte ich folgendes ausführen.
Unter Ziffer 2 ist folgendes zu verstehen. Die alte Last für Kindergeld für das dritte und jedes weitere Kind in Höhe von 40 DM trägt in der ersten Hälfte 1964 die Wirtschaft, ab 1. Juli 1964 der Bund. Die Verbesserungen des Kindergeldes um 10, 20 und 30 DM, wie schon bereits beschlossen, übernimmt der Bund allerdings für das ganze Jahr. Die Familienausgleichskassen zahlen den Betrag der Erhöhung von 40 auf 50 DM für das erste Halbjahr gewissermaßen treuhänderisch für den Bund aus und erhalten dafür im ersten Halbjahr als Ausgleich 22 Millionen DM je Monat. Die weiteren Erhöhungen auf 60 und 70 DM zahlt die Bundesanstalt nach Übernahme der Aufgaben, die nach dem Gesetz ab 1. Juli übernommen werden sollen, nachträglich aus. Dafür kommen höchstwahrscheinlich etwa 11 Millionen DM pro Monat in Frage, die hier angesetzt worden sind.
Zu Ziffer 1 ist folgendes zu sagen, und damit möchte ich den Anträgen der SPD gleichzeitig widersprechen. Ziffer 1 des Antrags behandelt die Zu-
*) Siehe Anlage 3
schösse der gewerblichen Familienausgleichskassen an die landwirtschaftlichen Ausgleichskassen. Da nach dem Antrag der Regierungsparteien auf Umdruck 406 die Wirtschaft die alte Last nicht nur für ein Vierteljahr, sondern für ein halbes Jahr zu tragen hat, muß die Berechnungsziffer von 125 auf 150 erhöht werden. Das ist die Begründung.
Ich bitte das Hohe Haus, den Änderungsantrag Umdruck 406, so wie er von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP gestellt ist, anzunehmen. Gleichzeitig bitte ich, die Anträge, die von der SPD gestellt und soeben begründet worden sind, nicht anzuerkennen, sondern zurückzuweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte mich zunächst einmal beim Kollegen Gerlach bedanken, daß er die Haltung, die wir eingenommen haben, als mutig bezeichnet.
— Ich kann nichts dafür, daß vor meinem „Müller" noch das „Spitz" sitzt, Herr Kollege Mommer.Nun aber will ich zu den vorgelegten Anträgen Stellung nehmen. Ich kann sagen, daß wir den Antrag, den Herr Kollege Scheppmann vorgetragen und begründet hat, durchaus unterstützen.
— Nicht müssen, nein, unterstützen.Ich möchte auch hier einmal klarstellen, daß am Mittwoch die Presse im Grunde genommen doch etwas überfordert war, wenn sie bei den verschiedenen Abstimmungen feststellen sollte, was eigentlich gewollt war und worauf wir abzielten; denn es gab Mehrheiten von SPD und FDP, und es gab Mehrheiten von CDU und SPD. Dadurch ist einiges nicht ganz deutlich geworden, wie ein Blick in die Presse von gestern beweist. Eine Zeitung, die „Süddeutsche", hat genau festgestellt, was hier vorgegangen ist, offensichtlich weil der Presseberichterstatter etwas von der Sozialpolitik versteht. Er schrieb nichts von 300 bis 500 Millionen Mehrbelastungen des Haushaltes.Die Linie, die wir verfolgten, war, erstens dem Wunsch des Bundeskanzlers und der Bundesregierung zu entsprechen, die Erhöhung auf den 1. Januar 1964 vorzuziehen, und zweitens, nur die dafür notwendigen Mittel durch die Familienausgleichskasse decken zu lassen, was 100 Millionen DM an Belastungen ausgemacht hätte. Drittens waren wir der Meinung, daß keine weiteren Haushaltsmittel für das Kindergeld in Anspruch zu nehmen wären, wie das in dem CDU-Antrag vorgesehen war. Da's wollten wir erreichen. Wenn man aber dem CDU-Antrag folgt, der jetzt dem von uns mit unterzeichneten Antrag entspricht, werden im Haushalt wieder 173 Millionen DM disponibel.
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5588 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
SpitzmüllerMeine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, tun Sie nun aber doch nicht so, als ob für Sie der 1. April ein unumstößlicher Termin gewesen wäre. Auch hier war die Presse vielleicht etwas überfordert. Es war für sie etwas schwierig, aus Ziffer 9 Ihres Antrags festzustellen, daß die SPD durchaus bereit war, den Termin des 1. April als illusorisch anzusehen und ihn auf den 1. Juli zu verlegen,
nämlich dann, wenn sie ihren politischen Willen durchsetzen kann, daß die Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld fällt. Auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, waren also bereit, unter bestimmten Voraussetzungen den kleinen Landwirten oder den kleinen Handwerkern nicht nur die Belastungen zuzumuten, die jetzt nach dem Antrag der CDU-FDP zu erwarten sind, sondern über diesen Antrag hinaus weitere Belastungen in Höhe von 21 Millionen DM hinzunehmen, wenn Sie Ihren politischen Willen in bezug auf die Einkommensbegrenzung beim Zweitkindergeld durchsetzen könnten.
Ich habe dafür volles Verständnis, und ich glaube, dieser Fall beweist wieder einmal, daß das politische Geschäft gar nicht so leicht und gar nicht so einfach ist und daß man nicht mit Worten um sich werfen und dieses Thema dauernd wieder aufbringen sollte; denn im Grunde genommen wiederholen nur Papageien gerne das, was andere ihnen vorsagen.
Die SPD war also bereit, den Termin des 1. April aufzugeben, wenn sie damit politisch etwas in ihrem Sinne durchsetzen könnte. Machen Sie uns doch nicht so unsinnige Vorwürfe wie den mit der „Wunderkerze", wenn wir uns flexibel verhalten.
— Oh nein, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD; Sie werden es schon noch merken, daß wir nicht unüberlegt gehandelt haben.
— Auch vorher. Auch Sie versuchen doch, mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln das Mögliche und politisch Sinnvolle im Sinne Ihrer politischen Vorstellungen durchzusetzen. Wir tun dasselbe, und es ist nicht so, daß wir nichts erreicht hätten. Die 173 Millionen DM, die nach Annahme. dieses CDU/CSU-FDP-Antrages im Haushalt nun wieder verfügbar sind, stehen nicht für irgendeine andere Ausgabe zur Verfügung, sondern dazu, ein Defizit abzudecken, das infolge der Entscheidung dieses Hauses bzw. durch den Bundesratsbeschluß über den Steueranteil des Bundes und der Länder wahrscheinlich zu erwarten ist.Das haben wir erreicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, und ich glaube,damit haben wir durchaus eine mittlere Linie gehalten.
Es fällt auch uns schwer, den kleinen Selbständigen und den kleinen Landwirten diese 173 Millionen DM mehr aufzulasten, als ursprünglich in dem Antrag der FDP vorgesehen war. Tun Sie aber nicht so, als ob Sie immer daran gedacht hätten, nur diese kleinen selbständigen Existenzen zu schützen. Sie hatten hier einen Antrag vorgelegt, nach welchem die Belastung um 21 Millionen DM über das hinausging, was CDU und FDP heute als Kompromiß hier vorschlagen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was von Herrn Kollegen Scheppmann und Herrn Kollegen Spitzmüller gesagt wurde, und das, was seit vorgestern zum Thema ausgeführt und geschrieben wurde, veranlaßt mich zu einigen Feststellungen.Herr Kollege Spitzmüller, ich glaube, es war wenig angebracht, daß Sie mit der Entschuldigung für die doch zumindest merkwürdige Verhaltensweise Ihrer Fraktion eine Kritik gegenüber der Presse verbinden. Die Zusammenhänge sind außerordentlich kompliziert.Alle Fraktionen wollten, daß über den Ausschußbeschluß hinaus die Verbesserungen für die Familie, die ohnehin bescheiden genug sind, mit Wirkung vom 1. Januar 1964 in Kraft treten. Das war die gemeinsame Auffassung. Die SPD und bis gestern auch die FDP wollten, daß alle Kindergeldleistungen einschließlich der Verbesserungen nur bis zum 31. März zu Lasten der Familienausgleichskassen und damit der Wirtschaft gehen. Vom 1. April dieses Jahres an sollten, wie das auch vom Ausschuß für Arbeit und am 5. Februar vom Haushaltsausschuß einstimmig beschlossen worden war, sämtliche Kindergeldleistungen auf den Bundeshaushalt übergehen.Diesen von 'den Ausschüssen einstimmig beschlossenen vollen Übergang des Kindergeldes vom 1. April an auf den Bund wünschte die CDU neuerdings, nämlich durch ihren Antrag von vorgestern, wieder rückgängig zu machen. Entgegen den vorher gefaßten Beschlüssen wollte .die CDU mit den Mehrleistungen, die vom Ausschuß für die vierten, fünften und weiteren Kinder beschlossen worden waren, insgesamt in einer Größenordnung von 173 Millionen DM, die Wirtschaft belasten. Der Hintergrund des CDU-Antrages war, daß man damit die 173 Millionen DM, die für die Leistungsverbesserungen vom Haushaltsausschuß beschlossen waren, wieder in den Haushalt ides Bundesarbeitsministeriums zurückführen wollte.Daß das der CDU erst vorgestern eingefallen ist, hat besondere Gründe. Es hängt mit der heiklen
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5589
Dr. SchellenbergSituation bezüglich des Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetzes und des sogenannten Sozialpakets zusammen. Man wollte nämlich durch diese Finanztransaktion dein Bundesarbeitsministerium die Möglichkeit geben, vielleicht auf diese oder jene Weise später die Schlappe hinsichtlich des Sozialpaketes durch ein Rosinchengesetz auszugleichen. Das war der wirkliche Hintergrund dafür, daß eine Kopplung vorgenommen werden sollte, nämlich zwischen Leistungsverbesserung ab 1. Januar, für die das ganze Haus war, und Rückführung von .173 Millionen DM — die der Haushaltsausschuß bereits bewilligt hatte — in den Etat des Bundesarbeitsministeriums.Wegen dieser sehr komplizierten Zusammenhänge und weil mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt wurde, kam in der zweiten Lesung ein Beschluß zustande, den niemand im Hause wollte: jener Beschluß, daß die Entlastung der Wirtschaft bereits am 1. Januar 1964 eintreten sollte; dies, obwohl alle Fraktionen erklärt hatten, die Entlastung solle erst am 1. April eintreten.Das war ein Lapsus. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, an diesem Lapsus waren Sie auch nicht ganz unschuldig. Mit der Ablehnung des Änderungsanitrages der CDU zu § 32, die vorher stattgefunden hatte, war bereits die Grundsatzentscheidung zugunsten einer finanziellen Befreiung der Familienausgleichskassen ab 1. April getroffen. Jede weitere Abstimmung war nur die Konsequenz der vorher getroffenen prinzipiellen Entscheidung. Die weiteren Paragraphen hätten entsprechend der von der Mehrheit getroffenen Entscheidung nun voll durchgeändert werden müssen. Das ist versehentlich nur teilweise geschehen.Bisher — Herr Kollege Stingl, hier gebe ich ein Stichwort für Ihre Antwort — war es ständige Übung in diesem Hause, daß ein solcher Lapsus, der aus der Technik der Abstimmung heraus entstanden war, dann in der dritten Lesung ohne viel Aufhebens beseitigt wurde. Das haben wir vielfach getan. Daß Sie, meine Damen und Herren der CDU, sich nicht dazu entschlossen haben, zu diesem, wie ich sagen muß, Gebot der Fairneß, das auch in allen Ausschüssen so gehandhabt wird, hat besondere Gründe. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wollten nämlich — weit über die Kindergeldfrage hinaus — Ihren Koalitionspartner nach Canossa schicken. Das war der Hintergrund Ihres Verhaltens.
Deshalb wurde die Angelegenheit nicht in der üblichen Weise in der dritten Lesung berichtigt, sondern Sie haben die Angelegenheit politisch hochgespielt durch Sondersitzungen der Fraktionen, durch Sondersitzungen des Kabinetts, durch 'Drohung mit Art. 113 des Grundgesetzes, durch ein Gerede über die Gefährdung des Haushalts. Es wurde von einer Mehrbelastung von über 500 Millionen DM gesprochen, während es in Wirklichkeit nur um eine Entlastung der Familienausgleichskassen von 173 Millionen DM ging, die bereits am 5. Februar vom Haushaltsausschuß beschlossen war.Das Ergebnis Ihrer 'Bemühungen gegenüber Ihrem Koalitionspartner ist jetzt offensichtlich: die FDP hat ihre Unterschrift unter den Antrag, den sie selber entworfen hat, zurückgezogen, und sie wird heute — nach den Erklärungen von Herrn Kollegen Spitzmüller — für das stimmen, was sie vorgestern mit uns zusammen abgelehnt hat. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie mögen stolz darauf sein, aber in Wirklichkeit ist das nur ein Pyrrhussieg. Sie haben nämlich Ihren Koalitionspartner gedemütigt,
und Sie haben die Freien Demokraten zu CDU-abhängigen Demokraten stempeln wollen. Das war der Inhalt.
Dies alles nur deshalb, um eine bestimmte Regelung drei Monate früher oder später zur Geltung zu bringen! Deshalb haben Sie es auf sich genommen, der Öffentlichkeit ein trauriges Bild Ihrer eigenen Koalition zu bieten.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Herr Kollege Spitzmüller, die Anträge, für die sich die Sozialdemokraten in der zweiten Lesung eingesetzt haben, dienten der Verbesserung der Familienleistungen. Sie dienten der Beseitigung jener unwürdigen Einkommensgrenze und Einkommensprüfung, die auch viele selbständige Familien trifft.
Wir haben freimütig erklärt, daß wir deshalb bereit sind, einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Interessen der Familien und den Interessen der Wirtschaft herbeizuführen.Durch den jetzt vorliegenden Antrag, allein noch unterzeichnet von der SPD, soll dreierlei erreicht werden: 1. Es tritt gegenüber dem Beschluß des Haushaltsausschusses vom 5. Februar 1964 keine Mehrbelastung des Bundeshaushalts ein.
2. Die Familien erhalten Mehrleistungen vom 1. Januar 1964 an. 3. Die Wirtschaft und vor allen Dingen die lohnintensiven Betriebe werden vom 1. April 1964 an voll vom Kindergeld entlastet, wie wir das in diesem Hause seit 1954 gefordert haben. Die SPD wahrt also durch ihre Anträge die Interessen des Bundeshaushaltes, die der Familien und die der lohnintensiven Betriebe.
Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, Sie haben es hier manchmal schon wesentlich besser gemacht, Sie haben es manchmal aber auch wesentlich einfacher. Denn weder ist die CDU stolz noch ist die
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5590 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
StinglFDP durch den gemeinsamen Antrag gedemütigt, den wir hier einbringen. Der Lapsus, der vorgestern hier passiert ist — was Sie als Lapsus bezeichnen, nenne ich eine falsche Konzeption von Ihnen —, hat die beiden Koalitionsparteien veranlaßt, auch dieses Gesetz noch einmal auf dem Hintergrund des Gesamthaushaltes zu betrachten.
Selbstverständlich haben wir auf diesem Hintergrund auch noch einmal erörtert, wie denn die Dekkungslücke von 173 Millionen DM geschlossen werden kann.
Herr Abgeordneter Stingl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schellenberg?
Bitte.
Herr Kollege Stingl, da Sie erklären, es handle sich nicht um einen Lapsus, darf ich Sie wohl an Ihren Zwischenruf gegenüber Ihrem Koalitionspartner erinnern, der lautete: „Da müßt ihr besser aufpassen, da müßt ihr Änderungsanträge stellen!" Stehen Sie noch zu diesem Zwischenruf?
Natürlich, Herr Kollege Schellenberg. Damit haben Sie aber provoziert, was ich jetzt sage. Meine Damen und Herren, ich habe diesen Zwischenruf vorgestern gemacht, und ich halte ihn aufrecht. Aber das „ihr" bezieht sich keineswegs nur auf Herrn Kollegen Spitzmüller, sondern genauso gut auf Sie.
Nachdem Sie nämlich der Ziffer 6 unseres Antrages zugestimmt hatten, also die Auszahlungen an die Familienausgleichskassen ab Januar durchzuführen, und mit Ihren Stimmen und unseren die Monatszahl verändert worden war, war es Ihre Aufgabe, in Ziffer '7 eine andere Zahl zu beantragen. Daran liegt es, natürlich auch an der FDP!
Herr Abgeordneter Stingl, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schellenberg?
Bitte.
Herr Kollege Stingl, sind Sie nicht der Auffassung, daß durch die Entscheidung, die schließlich auch durch Aufstehen von den Sitzen bei der Abstimmung über Ziffer 1 Ihres Antrages zu § 32 herbeigeführt wurde, bereits die Grundsatzentscheidung getroffen war und alles andere nur Abstimmung über technische Konsequenzen der Grundsatzentscheidung waren?
Offensichtlich, sehr geehrter Herr Kollege Schellenberg, waren Sie selbst nicht der Meinung, daß damit die Grundsatzentscheidung getroffen war. Denn dann hätten Sie bei Ziffer 6 gegen uns stimmen müssen.
Das muß man dann in allen Dingen konsequent durchführen. Hier liegt der Lapsus allein bei der Sozialdemokratischen Partei, weil sie bei dem, was draußen in der Öffentlichkeit besser ankommt, mit uns, und wenn ein FDP-Antrag besser ankommt, mit der FDP stimmen will.
Herr Kollege Schellenberg hat uns einreden wollen, es sei ganz unmöglich, um eine Dreimonatsfrist zu streiten, das sei doch gar nicht von Belang. Ich erinnere mich an Situationen, wo es gerade Ihre Fraktion war, die um Differenzen von Monaten sehr hart gekämpft hat, z. B. bei der Kriegsopferversorgung und ähnlichen Gelegenheiten, wo Sie sich an jeden Monat klammerten und taten, als sei es ein Staatsverbrechen, daß wir anderer Meinung waren. Auch dies alles muß gesehen werden.
Wir können dazu nur sagen, daß Sie sich vor der Öffentlichkeit und vor allem auch der Wirtschaft gegenüber nicht berechtigt fühlen können, uns vorzuwerfen, daß wir die Wirtschaft zuwenig entlasteten.
— Nein, Herr Kollege Wehner. Ich will Ihnen ganz sachlich erwidern. Wenn jemand einen Antrag stellt, die Einkommensgrenze für den Bezug des Zweitkindergeldes heraufzusetzen, so mag dieser Antrag seine politische Berechtigung haben. Wenn er aber als Kompensation zu diesem Antrag beantragt — Ziffer 9 —, daß die Wirtschaft um 21 Millionen DM mehr belastet wird, als jetzt die Mehrheit vorschlägt, und wenn Sie dann nach Ihrem Eventualantrag — Ziffer 10 — der Wirtschaft einen Monat länger die Belastung zumuten, dann hat Ihre Fraktion, Herr Kollege Wehner, keine Berechtigung, sich als Beschützer der Wirtschaft aufzuspielen.
Welches Motiv dahintersteckt, ist gleichgültig. Denn die Erhöhung der Einkommensgrenze für das Zweitkindergeld hätte schließlich nicht nur in diesem Jahr eine Mehrbelastung bedeutet, sondern auch im nächsten Jahr, und damit einen Vorgriff auf den Haushalt des nächsten Jahres. Dies alles zusammen haben FDP und CDU gestern noch einmal eingehend erörtert, und das Ergebnis ist dieser Antrag, zu dem ich Ihre Zustimmung erbitte.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle nur fest, daß der Antrag den wir auf Umdruck 404 unter Ziffer 1
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Dr. Schellenbergstellen, genau dem Ausschußbeschluß entspricht, dem der Haushaltsausschuß zugestimmt hat.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Ich stelle zunächst den Antrag Umdruck 404 Ziffer 1 zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich denke, es ist das beste, wenn wir jetzt gleich über die Ziff. 2 ides Umdrucks 404 abstimmen.
— Hat .sich erledigt.
Dann kommen wir zur Abstimmung über Ziff. 2 des Umdrucks 406. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
— Das Wort für eine Erklärung zur Abstimmung hat Herr Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden uns bei der Abstimmung über § 41 a der Stimme enthalten, weil eine, wenn auch bescheidene Zahlung den Familienausgleichskassen und damit der Wirtschaft einschließlich der lohnintensiven Betriebe gewährt wird.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 41 a in der Fassung, die durch die soeben gefaßten Beschlüsse zustande gekommen ist. Wer dem § 41 a in dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 41 a ist angenommen.
Ich rufe 'den ,§ 32 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor auf Umdruck 405 *)
— ist gegenstandslos — und Umdruck 406 Ziff. 1. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Ziff. 1 des Umdrucks 406 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Damit sind die Änderungsanträge zu § 32 ebenfalls erledigt.
— Ich muß über § 32 noch insgesamt abstimmen lassen. Wer dem § 32 in der durch idie soeben beschlos-
senen Änderungen herbeigeführten Fassung zustim-
*) Siehe Anlage 4
men will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! —Enthaltungen? — Der § 32 ist mit der Mehrheit von vorhin angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen.
Für eine Erklärung zur Schlußabstimmung hat der Abgeordnete Scheppmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens meiner Fraktion habe ich die Ehre, vor der Schlußabstimmung in der dritten Lesung folgende Erklärung abzugeben.Die Fraktion der CDU/CSU stimmt der Gesetzesvorlage zu. Sie begrüßt die vorgeschlagene Neuregelung nicht nur deshalb, weil sie gute Leistungsverbesserungen — im besonderen für die Familien mit 3 und mehr Kindern — bringt, sondern auch deshalb, weil durch diese Neuregelung das bis jetzt in vier Gesetzen stark unterschiedlich geregelte Kindergeldrecht vereinheitlicht wird. Darüber hinaus ist auch die Zersplitterung der Organisation durch diese Neuregelung beseitigt. Zur Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, zahlen 55 Familienausgleichskassen, 40 weitere Träger und 157 Arbeitsämter das Kindergeld aus. Die Neuregelung beseitigt diese unerträgliche Zweigleisigkeit und sorgt für eine Zusammenfassung bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, der eine zentrale Rechenstelle für das gesamte Bundesgebiet zur Verfügung steht, so daß die Dinge viel schneller durchgeführt werden können.Meine Fraktion und ich sind der Auffassung, daß diese Fortentwicklung des Familienausgleichs sich durchaus sehen lassen kann. Die Verbesserungen des Kindergeldes sind übrigens nicht nur eine Anpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Diese haben sich nämlich seit 1959 um etwa 13 % erhöht. Dabei muß berücksichtigt werden, daß diese Steigerung durch die gleichzeitige Aufwärtsentwicklung der Einkommen nicht nur aufgefangen, sondern sogar überboten worden ist. Denn seit März 1959 sind die Löhne, und zwar die Wochenlöhne der männlichen Beschäftigten, um etwa 49 v. H. gestiegen.Beim Zweitkindergeld, das erst 1961 eingeführt wurde, war der Ausschuß in seiner Mehrheit allerdings der Auffassung, daß es zweckmäßig sei, im Augenblick auf eine Verbesserung zu verzichten und statt dessen die kinderreichen Familien mit drei, vier und mehr Kindern zu begünstigen.Für den einzelnen Berechtigten wird das Kindergeld für ein drittes Kind um 25 v. H., für ein viertes Kind um 50 v. H. und für ein fünftes und jedes weitere sogar um 75 v. H. erhöht. Bei einer Familie mit vier Kindern erhöhen sich die Leistungen z. B. um 37,5 v. H.Meine Damen und Herren, es ist so oft gesagt worden, daß wir in der Bundesrepublik bezüglich der Familienleistungen weit zurücklägen. Vergleiche mit anderen Staaten können wir nach dieser Neuregelung sehr wohl aushalten. Man darf nämlich
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Scheppmannnicht nur das Kindergeld sehen, sondern muß auch die Sicherung der Familie auf allen anderen Gebieten der sozialen Sicherheit berücksichtigen.
Ein Vergleich allein der Höhe des deutschen Kindergeldes mit den Kindergeldleistungen in anderen Staaten der EWG kann niemals zu einer richtigen Beurteilung der Situation der Familie in den verschiedenen Ländern führen. Denn neben dem Kindergeld müssen z. B. auch Lohnentwicklung, Kaufkraft, Steuerbelastung, Altersversorgung, Kranken-, Renten-, Unfallversicherung berücksichtigt werden.
Wenn man in dieser Beziehung einmal Gegenüberstellungen macht, meine Damen und Herren, kommt man — diese Behauptung darf ich hier wohl aufstellen — zu dem Ergebnis, daß die Bundesrepublik mit in der vordersten Reihe steht.Es darf also gesagt werden, daß diese Neuregelung gut ist. Das soll nicht heißen, daß nun nichts mehr getan zu werden braucht. So wird z. B. die Heraufsetzung des Kindergeldes für das dritte Kind von 50 auf 60 DM — entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung — weiterhin unser Anliegen bleiben, und sicherlich wird es möglich sein, dies im nächsten Haushaltsjahr zu verwirklichen.Meine Damen und Herren, ich möchte meine Erklärung damit schließen, daß ich von dieser Stelle aus den Familienausgleichskassen, der gesamten Verwaltung der Familienausgleichskassen, allen Bediensteten, für ihre vorbildliche und gute Arbeit in den Jahren seit Bestehen des Kindergeldgesetzes den Dank meiner Fraktion zum Ausdruck bringe.
Ich möchte Sie herzlich darum bitten, dieser Vorlage in der Schlußabstimmung zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.Durch das hier zur Verabschiedung anstehende Bundeskindergeldgesetz wird die zur Zeit auf vier Gesetzen beruhende Kindergeldregelung vereinheitlicht. Das Bundeskindergeldgesetz enthält zwei entscheidende sozialdemokratische Grundforderungen, nämlich erstens die Aufbringung der Aufwendungen für das Kindergeld aus Haushaltsmitteln des Bundes und zweitens statt bisher zwei nur einen organisatorischen Träger für die Auszahlung des Kindergeldes.Ich möchte an dieser Stelle nur daran erinnern, daß der heutige Bundeswirtschaftsminister im Jahre 1954 zu Beginn der Diskussion um das Kindergeld sagte: „Wir lassen uns nicht durch Sachverstand von unserer politischen Richtung abbringen."
Träger ist für die Auszahlung die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält nach wie vor die Finanzverwaltung für geeigneter als die Bundesanstalt. Sie hat sich aus diesem Grunde in den Ausschußberatungen zunächst für die Finanzverwaltung als Träger ausgesprochen. Auf Grund eines Schreibens des Herrn Bundesfinanzministers während der Sommerpause an die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien — der Bundesfinanzminister machte in diesem Schreiben verfassungsmäßige Bedenken geltend — nahm der Ausschuß seine Beratungen hierüber erneut auf und beschloß mit unserer Zustimmung, die Bundesanstalt als alleinigen organisatorischen Träger für die Auszahlung des Kindergeldes vorzusehen. Unsere Vertreter ließen sich davon leiten, daß das Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes nicht noch durch eine zeitraubende Klärung verfassungsrechtlicher Bedenken weiter hinausgezögert werden sollte. Es kam weiter hinzu, daß die Beschäftigten bei den Familienausgleichskassen und der Arbeitsverwaltung über die vom Gesetzgeber beabsichtigten Maßnahmen Klarheit erhielten. Hinsichtlich der Übernahme der Beschäftigten wurden zwar nicht alle unsere Vorstellungen erfüllt; wir halten jedoch die vorgesehene gesetzliche Regelung für vertretbar. Ich möchte an dieser Stelle den Dank an die Beschäftigten der Familienausgleichskassen und der Arbeitsverwaltung, die mit dem Kindergeld zu tun hatten, aussprechen.
Im besonderen stellen wir zum Bundeskindergeldgesetz folgendes fest. Der entscheidende Mangel dieses Gesetzes liegt darin, daß sich die Mehrheit dieses Hohen Hauses nicht bereitfinden konnte, die Einkommensgrenze für die Gewährung von Kindergeld an Zweitkinder fallenzulassen. Mit großem Bedauern stellen wir fest, daß auch unser Antrag, wenigstens eine einheitliche Einkommensgrenze in Höhe von 750 DM monatlich für die Gewährung von Zweitkindergeld festzulegen, keine Mehrheit fand, obwohl auch der Ausschuß für Familien- und Jugendfragen bei einer Stimmenthaltung, im übrigen aber einstimmig eine Einkommensgrenze von wenigstens 700 DM monatlich vorgeschlagen hatte. Es muß vor allem die Familien mit zwei Kindern besonders befremden, daß die Regierungsparteien den Regierungsentwurf in bezug auf die Einkommensgrenze noch verschlechterten, und zwar von 600 DM u n d 700 DM auf einheitlich 600 DM monatlich. Die Festsetzung einer Einkommensgrenze überhaupt und insbesondere in einer solch niedrigen Höhe muß zwangsläufig immer weitere Familien von der Gewährung von Zweitkindergeld ausschließen. Bei der zur Verabschiedung anstehenden gesetzlichen Regelung mit einer Einkommensgrenze von 600 DM für Familien mit zwei Kindern werden — und das ist eine erschütternde Zahl — höchstens 30 % aller Kinder Kindergeld erhalten. Das heißt, daß 70 % und sehr wahrscheinlich bald 75 % aller Kinder kein Kindergeld erhalten.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964 5593
BehrendtDas sind die Auswirkungen der von der Mehrheit dieses Hauses beschlossenen Einkommensgrenze für Zweitkinder. Anstatt durch den Fortfall der Einkommensgrenze für die Gewährung von Kindergeld an Zweitkinder den Weg frei zu machen, um die schrittweise Gewährung von Kindergeld für alle Kinder zu ermöglichen, blieb man bei einer diffamierenden Einkommensgrenze. Wir werden daher alles in unseren Kräften Stehende tun, um diese unsoziale und familienfeindliche Einkommensgrenze bei der Gewährung von Kindergeld für Zweitkinder so bald wie möglich zu Fall zu bringen.
Die Erhöhung des Kindesgeldes für Dritt- und Mehrkinder bejahen wir; wir freuen uns mit den kinderreichen Familien über diese Erhöhung. Bei aller Anerkenntnis der Erhöhung des Kindergeldes für Dritt- und Mehrkinder dürfen jedoch nicht die Probleme in bezug auf die Hilfe und den Schutz für die Familie schlechthin verwischt werden. Diese Hilfe und dieser Schutz haben nach unserer Auffassung aber nicht nur bei einem Teil — und dazu noch bei dem geringeren Teil — der Familien mit zwei und mehr Kindern Platz zu greifen. Wenn heute kein in diese Richtung gehender Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion dem Hohen Hause zur Entscheidung vorgelegt wurde, dann geschah das ausschließlich aus finanziellen Erwägungen. Wir halten unverändert an dem Grundsatz fest, daß Kindergeld vom ersten Kind an zu gewähren ist.
Hierbei bedürfen alle finanziellen Auswirkungen natürlich eingehender Überlegungen. Im übrigen betrachten wir selbstverständlich das Bundeskindergeldgesetz nur als einen Teil einer umfassenden Gesetzgebung zur Hilfe und zum Schutz für die Familien.Nun noch wenige Bemerkungen zu dem Zusammenhang mit dem Sozialpaket.- Der Gesetzentwurf eines Bundeskindergeldgesetzes sah als Tag des Inkrafttretens den 1. Juli 1963 vor. Der Ausschuß für Arbeit hatte seine Beratungen im Hinblick auf diesen Termin rechtzeitig abgeschlossen. Er hat dann auf Grund des Schreibens des Herrn Bundesfinanzministers die Beratungen noch einmal aufgenommen. Sie konnten am 8. Oktober 1963 endgültig abgeschlossen werden. Das Tauziehen zwischen, aber auch innerhalb der Regierungsparteien bis zum heutigen Tage verhinderte ein früheres Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes. Obwohl wir eine Reihe von Erklärungen kennen, die besagen, daß durch die heutige Verabschiedung des Bundeskindergeldgesetzes das Sozialpaket nicht aufgelöst sei, weiß ein jeder mit der Materie nur annähernd Vertrauter: das Sozialpaket, von Ihnen heute selber aufgeschnürt, hat aufgehört zu existieren. Zwischen Bundeskindergeldgesetz und den anderen Gesetzen hat es zu keiner Zeit einen sozialpolitischen Zusammenhang gegeben.Zusammenfassend stellen wir fest: Einkommensgrenze und Kindergeldhöhe besonders für die zweiten Kinder sind ungenügend geregelt. Andererseits stellen die Übernahme des Kindergeldes durch den Bund und die Auszahlung durch ein en Träger eine Verbesserung der bisherigen gesetzlichen Regelung der Kindergeldgewährung dar. Wir begrüßen dabei die Entlastung der Wirtschaft und besonders des lohnintensiven gewerblichen Mittelstandes; sie werden von einer wesensfremden Belastung befreit. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird daher dem vorliegenden Gesetzentwurf eines Bundeskindergeldgesetzes ihre Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP begrüßt es, daß nach zehnjährigem hartem Ringen nunmehr die nach unserer Meinung rechte Form der Kindergeldneuregelung auf der Aufbringungsseite Platz greift. Unser Eintreten für diese Sache hat sich also doch noch gelohnt.
Ich möchte nicht zurückschweifen, möchte aber doch meinen, daß die harten Debatten im Februar des Jahres 1959 mit die entscheidenden Positionslichter gesetzt haben, die eine solche Wendung herbeiführten. Und auch damals — man könnte beinahe sagen, es gibt manchmal eine Duplizität der Fälle — gab es zwischen der zweiten und der dritten Lesung eine Änderung bezüglich eines Antrages. Aber immerhin hat diese Änderung, die noch einmal durchgesetzt werden konnte, dann doch bewirkt, daß der Zug endgültig in die richtige Richtung abgefahren ist.Ich möchte schon an dieser Stelle der Bundesregierung dafür danken, daß sie es durch ihre Planung möglich gemacht hat, daß wir dieses Gesetz heute endgültig verabschieden können. Wir können feststellen, daß mit dem nunmehr vorliegenden Gesetz eine ganze Menge erreicht wird. Erstens werden Ungerechtigkeiten beseitigt, die das bisherige Aufbringungssystem in sich barg und wegen der Lohnbezogenheit in sich bergen mußte, wie von vielen Mitgliedern aller Fraktionen anerkannt war. Zweitens erreichen wir, daß anerkannt wird, daß Familienlastenausgleich eine Aufgabe des ganzen Volkes ist und daher auch voll aus Steuermitteln zu bezahlen ist. Drittens erreichen wir die Vereinheitlichung des Rechts auf der Aufbringungsseite wie auf der Auszahlungsseite.Viertens erreichen wir einen Ausbau der Leistungen für die Mehrkinderfamilien, und zwar schon beim ersten Schritt. Wer hätte anzunehmen gewagt, daß es bei der vollen Übernahme des Kindesgeldes auf den Staatshaushalt möglich sein würde, sogar für die Mehrkinderfamilien Verbesserungen einzubauen? Auch hier beweist sich, daß manche, die als Propheten auftreten, nicht immer das Richtige prophezeien. Denn es gab viele in diesem Hause, die meinten, mit der Übernahme des Kindergeldes auf den Staatshaushalt würde ein Ausbau nicht mehr
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5594 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
Spitzmüllermöglich sein. Diese Leute werden heute Gott sei Dank eines Besseren belehrt.Fünftens können wir feststellen, daß unser Entschließungsantrag vom 29. Juni 1961 verwirklicht worden ist, obwohl er damals von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt wurde. Wir haben damals verlangt, die Auszahlung für das zweite Kind und weitere Kinder zu vereinheitlichen und die Aufbringung des Kindergeldes aus allgemeinen Steuermitteln durchzuführen.Sechstens tritt schließlich durch die Verabschiedung dieses Gesetzes die Erhöhung des Kindergeldes entsprechend dem Wunsch der Bundesregierung und des Bundeskanzlers bereits am 1. Januar 1964 ein.In der Schlußabstimmung werden die Freien Demokraten diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. Ich möchte aber noch bemerken: das Parlament hat sich mit diesem Gesetz darum bemüht, nicht nur immer wieder neue Lasten auf die Schultern der Selbständigen zu bürden, sondern zum erstenmal findet auf diesem Sektor auch eine Entlastung der Selbständigen statt, zum erstenmal wird damit begonnen, alte Lasten abzubauen. Und im Sinne der parlamentarischen Verantwortung hat der Bundestag sich selbst nicht nur das Recht eingeräumt, über die Höhe zu beschließen, sondern auch die Pflicht auferlegt, für die notwendige Deckung zum rechten Zeitpunkt zu sorgen.
Ich möchte mich dem Dank an die Beschäftigten der Familienausgleichskassen und der Arbeitsverwaltung, die gute und pünktliche Arbeit geleistet haben, anschließen.Bei diesem Schritt, den wir nun vornehmen, war zwar die Beseitigung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld nicht möglich. Ich muß aber wiederholen: wer hätte gedacht, daß die Übernahme des Kindergeldes auf den Staatshaushalt und in einem Akt damit bereits Verbesserungen für die Dritt- und Mehrkinderfamilien möglich sein würden? Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung bei ihren weiteren Planungen und Überlegungen Wert darauf legen wird, auch den zweiten Akt, die Beseitigung der Einkommensgrenze beim Zweitkindergeld, irgendwann einmal, möglichst bald, — das wird an uns allen liegen — herbeizuführen.Die FDP dankt der Regierung dafür, daß sie diesen Schritt, vor dem wir heute stehen, ermöglicht hat. Wir werden zustimmen.
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen im Begriff, das siebente Kindergeldgesetz zu verabschieden, das siebente in einem Zeitraum von neun Jahren.
Dieses neue Gesetz verbessert die Leistungen, und das wird sicherlich für die Familien das Wichtigste sein.
Aber die Bedeutung dieses neuen Gesetzes erschöpft sich nicht allein in seinen höheren Leistungen; sie liegt auch darin, daß das Gesetz einen Schlußstrich zieht unter die jahrelangen Debatten, die in diesem Hause über die Organisation und über die Finanzierung geführt worden sind. Zukünftig soll das Kindergeld ganz allgemein aus Bundesmitteln gezahlt werden und die Auszahlung durch die Bundesanstalt vorgenommen werden. Damit ist früheren Entschließungen des Bundestages und des Bundesrates, die eine Neuordnung und eine Beseitigung der Zersplitterung des Kindergeldrechts zum Ziele hatten, voll entsprochen.
Aber die Abkehr von der bisherigen Organisation bedeutet keineswegs, daß sich die mit der Durchführung betrauten Stellen in der Vergangenheit nicht bewährt hätten. Ich nehme daher Gelegenheit, den Familienausgleichskassen und dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen ausdrücklich dafür zu danken, daß sie die ihnen übertragenen, oft nicht leichten Aufgaben mit großem Geschick und lobenswerter Zuverlässigkeit gemeistert haben.
Der gleiche Dank gebührt der Bundesanstalt in Nürnberg, die schon bisher das Zweitkindergeld gezahlt hat und die nun, gut vorbereitet, die größere Aufgabe übernehmen wird.
Meine Damen und Herren, noch eine kurze Bemerkung. Auch nach Lösung der Organisations- und Aufbringungsprobleme wird sich dieses Hohe Haus auch in Zukunft noch mit Gesetzen zur Kindergeldfrage zu beschäftigen haben. Aber es wird dann nicht mehr um die Beitragsfrage, um die Organisationsfrage gehen, sondern im wesentlichen um das, was innerhalb dieser Kindergeldgesetzgebung immer Hauptsache sein muß, um die Fragen des fortschreitenden Familienlastenausgleichs und der Entwicklung dieses Sozialbereichs im Gleichlauf mit anderen Sozialbereichen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren — auch wenn es ungewöhnlich sein mag —, in dieser Stunde auch einen Dank an den Ausschuß für Arbeit aussprechen, der sich als federführender Ausschuß in seinen Beratungen von dem einen Gedanken hat leiten lassen, ein Gesetz zustande zu bringen, das, wenn auch noch Wünsche offenbleiben —
wo ist das jemals anders gewesen? —, eine Fassung bekommen hat, der das Hohe Haus in seiner
Gesamtheit zustimmen kann. Ich stelle mit großer Freude fest, daß ein bedeutsames soziales Gesetz in einer so starken Besetzung des Hohen Hauses heute in dritter Lesung hier seine Zustimmung findet.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz mit den Änderungen der dritten Beratung zustimmt, erhebe sich
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Vizepräsident Dr. Dehlervom Platz. — ,Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir haben noch abzustimmen über Punkt 2 des Antrages des Ausschusses: die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.Es liegt ein interfraktioneller Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung um den Punkt vor:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung ,des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl .Ich stelle Einverständnis 'des Hauses mit dieser Ergänzung der Tagesordnung fest. Ich darf also vielleicht zunächst diesen Tagesordnungspunkt aufrufen. Aussprache wird nicht gewünscht. Der Antrag soll überwiesen werden an den Finanzausschuß — federführend — und den Verkehrsausschuß — mitberatend Ich darf das Einverständnis des Hauses annehmen; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache IV/1893)a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordung (Drucksache IV/2015),b) Mündlicher Bericht des Vorstandes des Deutschen Bundestages .
Es liegt vor der Bericht des Haushaltsausschusses, erstattet von dem Herrn Abgeordneten Dr. Götz. Vorgesehen ist ein mündlicher Bericht des Vorstandes des Deutschen Bundestages, zu erstatten durch den Herrn Abgeordneten Ruf.Ich erteile idem Herrn Abgeordneten Ruf das Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Vorstand des Bundestages hat den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages in seiner Sitzung vom 17. Februar 1964 eingehend beraten. Als Berichterstatter kann ich mich auf eine Darstellung der wichtigsten Punkte der Vorlage und auf die Änderungsvorschläge des Vorstandes beschränken.Der § 1 entspricht bis auf eine kleine redaktionelle Änderung dem bisherigen Recht. Die Aufwandsentschädigung der Bundestagsabgeordneten, die zur Zeit 1360 DM monatlich beträgt, bleibt also unverändert. Da hierüber da und dort Unklarheit besteht, möchte ich als Berichterstatter ausdrücklich darauf hinweisen, daß dieses Gesetz eine Erhöhung der Aufwandsentschädigung nicht bringt.Zu § 2 hat der Vorstand in Abänderung der Vorlage vorgeschlagen, das Übergangsgeld nicht mehr auf die infolge Ablaufs der Wahlperiode ausscheidenden Abgeordneten zu beschränken. In Zukunft sollen das Übergangsgeld auch die Abgeordneten erhalten, die während der Wahlperiode ausscheiden, sofern sie dem Bundestag mindestens ein Jahr angehört haben. Dabei ist vor allem an diejenigen Kollegen gedacht, die aus gesundheitlichen Gründen sich gezwungen sehen, ihr Mandat vorzeitig aufzugeben.Ein neuer Absatz 3 bestimmt, daß dieses Übergangsgeld nicht gezahlt wird, wenn ein Mitglied die Wählbarkeit nach dem Bundeswahlgesetz verliert oder wenn ihm die Rechte aus öffentlichen Wahlen strafgerichtlich aberkannt worden sind. Der Präsident kann die Zahlungen aussetzen, wenn ein Verfahren zu erwarten ist, das diese Folgen nach sich ziehen kann.Die §§ 3 und 4 bringen die entscheidenden Änderungen des Gesetzentwurfs gegenüber dem bisherigen Diätengesetz. § 3 regelt die Unkostenpauschale, § 4 die Tagegeldpauschale. Diese Pauschalen waren bisher in fixen Beträgen festgesetzt. Die Unkostenpauschale beträgt 600 DM monatlich, die Tagegeldpauschale zur Zeit 500 DM monatlich. An Stelle dieser festen Beträge bestimmen die §§ 3 und 4, daß Unkostenpauschale und Tagegeldpauschale nach näherer Bestimmung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplans geleistet werden. Die Unkostenpauschale für Bürokosten, Hilfskräfte, Telefon, Porti usw. wird nicht erhöht, es bleibt bei der bisherigen Höhe von 600 DM monatlich.Dagegen ist beabsichtigt, wie der Herr Bundestagspräsident schon bei der ersten Lesung gesagt hat, im Rahmen des diesjährigen Haushaltsgesetzes die Tagegeldpauschale von 500 DM monatlich gleich 30 DM täglich auf 1000 DM monatlich, d. h. 60 DM für den Sitzungstag, zu erhöhen. Die Tagegeldsätze sind seit dem Jahre 1949 unverändert geblieben. Der Herr Präsident hat bei der Begründung auf die seit dem Jahre 1949 eingetretene Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse hingewiesen. Es wird Sache des Haushaltsausschusses und des Plenums des Bundestages sein — es scheint mir wichtig, das zu betonen —, bei Verabschiedung des Bundeshaushaltes die Erhöhung und auch den Zeitpunkt der Erhöhung zu beschließen. Im Haushaltsplanentwurf sind die entsprechenden Ansätze enthalten. Es sei noch vermerkt, daß nicht daran gedacht ist, diese Pauschalen nunmehr zu dynamisieren und von vornherein jährliche Erhöhungen vorzusehen.Die Abzüge für das Fehlen an Präsenztagen oder bei Plenarsitzungen werden in der Vorlage ebenfalls in Prozentsätzen der Tagegeldpauschaule und nicht mehr wie bisher in festen Beträgen festgelegt. Erhöht sich das Tagegeld, dann erhöhen sich konsequenterweise auch die Abzüge für Fehlen an Präsenztagen. Trägt sich ein Mitglied nicht in die Anwesenheitsliste ein, werden ihm 6 % der monat-
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Ruflichen Tagegeldpauschale einbehalten. Dieser Abzug erhöht sich auf 10 %, wenn ein Mitglied an einem Plenarsitzungstag sich nicht eingetragen hat und nicht beurlaubt war. Dies bedeutet, daß 60 DM bzw. 100 DM statt bisher 30 DM bzw. 50 DM je Sitzungstag abgezogen werden, wenn der Bundestag beschließen wird, daß die Tagegeldpauschale von 500 DM auf 1000 DM erhöht wird.Den § 5 Abs. 1 bitten wir in Verbindung mit dem § 8 Abs. 2 zu sehen. Danach sollen für die Mitglieder der europäischen Körperschaften die gleichen Abzüge gelten wie bei sonstigen Auslandsdienstreisen.Zu den §§ 6 und 7 sind keine Bemerkungen zu machen. Sie bringen gegenüber dem bisherigen Recht keine materiellen Änderungen.In § 8 ist vorgesehen, daß die Abgeordneten bei Inlandsdienstreisen ein Übernachtungsgeld in Höhe der Stufe 1 a nach dem Reisekostengesetz für Beamte — das sind zur Zeit 20 DM — erhalten sollen. Eine solche Regelung gibt es bereits bei einigen Länderparlamenten in der Bundesrepublik.Im übrigen bringt der § 8 keine Veränderungen. Dasselbe gilt für § 9.Neu ist dagegen der § 10. Danach soll die bestehende Todesfallversicherung in Höhe von 50 000 DM auch auf die Abgeordneten ausgedehnt werden, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aus dem Bundestag ausscheiden, sofern cie dem Bundestag in zwei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden, jedoch mindestens sieben Jahre, angehört haben. Der Vorstand des Bundestages empfiehlt zu beschließen, den Mitgliedern des Bundestages hierzu eine Eigenleistung von einheitlich 60 DM im Monat aufzuerlegen. Dieser Eigenbeitrag zur Gruppenversicherung soll die Solidarität der aktiven Abgeordneten mit den ausgeschiedenen zum Ausdruck bringen. Die Eigenbeteiligung wird dazu führen, daß ein immer größer werdender Anteil an den Beiträgen zur Todesfallversicherung von den Abgeordneten selbst aufgebracht wird.Zu den weiteren Paragraphen ist nichts zu bemerken.Meine Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, daß der Bundestagsvorstand sich eingehend mit dem Entwurf beschäftigt hat. Dies gilt nicht nur für die Einzelbestimmungen dieses Gesetzes, die ich soeben vorgetragen habe. Der Bundestagspräsident hat dem Vorstand ausführlich über das Echo aus der Öffentlichkeit an Hand der zahlreichen ihm zugegangenen Zuschriften und der Pressekommentare berichtet. Die Mitglieder des Vorstandes haben sich in einer langen Debatte damit auseinandergesetzt. Dabei wurde auch die Tatsache besprochen, daß am Tage der ersten Lesung des Diätengesetzes das Plenum des Bundestages wieder einmal beschlußunfähig wurde. Der Vorstand des Bundestages war sich einig, daß sowohl er wie die Fraktionen dieses Hauses sehr bald in ernsthafte Gespräche über die Arbeitsweise des Hauses und auch über eine Verbesserung unserer Geschäftsordnung eintreten müssen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter Ruf und dem Herrn Berichterstatter Dr. Götz.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete van Delden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Ergänzungen und Anregungen zu den Ausführungen des Kollegen Ruf, die ich zugleich im Namen derjenigen meiner politischen Freunde mache, welche bei der ersten Lesung oder auch später das Gesetz teils im einzelnen, teils im ganzen, kritisiert haben. Ich bin mir dabei der Tatsache bewußt, daß es angesichts der öffentlichen Diskussion leichter ist, gegen das Gesetz zu sprechen als dafür, und werde mich bemühen, in Anbetracht der Würde des Hauses dies in sachlicher und ruhiger Form zu tun.Zunächst möchte ich mich in aller Form gegen die teils unsachliche Kritik verwahren, die von der öffentlichen Meinung gegen dieses Gesetz vorgebracht worden ist. Besonders möchte ich den Herrn Präsidenten dieses Hauses gegen diese Unsachlichkeit in Schutz nehmen. Denn er hat nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Abgeordneten angemessen entschädigt werden und nicht in finanzielle Bedrängnis geraten. Das schließt nicht aus, daß ich die sachliche Kritik, die in der Presse geübt wurde, nicht nur bejahe, sondern sie im Sinne der Unterstützung unseres parlamentarischen Lebens sogar für notwendig erachte, wenn unser Parlament nicht steril werden will.Der Herr Kollege Ruf hat einiges bereits vorweggenommen. Es waren nicht nur die Diätenerhöhungen allein, sondern es war eine Kumulation von Fragen, die sich letzten Endes an der Diätenfrage entzündeten, beispielsweise die mangelnde Präsenz. Dazu kam, daß der Stil des Parlaments und der Zeitpunkt, in dem diese Dinge zur Sprache kamen, gerügt wurden. Ich greife die Anregung, die Herr Kollege Ruf hier vorgebracht hat, nämlich daß sich das Präsidium mit dieser Frage beschäftigen sollte, gern auf.Wir dürfen bei all diesen Dingen nicht vergessen, daß das gesamte Parlament ein Durchschnitt des deutschen Volkes mit allen seinen Vorzügen und allen seinen Fehlern ist, ein Durchschnitt auch hinsichtlich des Einkommens und hinsichtlich dessen, was man Berufspolitiker, was man freie Berufe, Beamte usw. nennt. Bei der jetzigen Konstruktion des Diätengesetzes muß sich der Präsident nach dem Schwächsten richten, wenn er den Grundsatz der Gleichheit aufrechterhalten will.Daher möchte ich die Anregung geben, daß man einmal in aller Ruhe und mit der nötigen Zeit den Gedanken der Besteuerung der Diäten aufgreift.
Es dreht sich nicht darum, daß jetzt die Diäten besteuert werden. Das zieht vielmehr eine ganze Menge Fragen nach sich. Dann muß der gesamte Betrag in irgendeiner Form zusammengefaßt wer-
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van Deldenden. Dann muß der Begütertere mehr Steuern zahlen, und der weniger Begüterte oder derjenige, der die Schreibkräfte selber bezahlen muß und den Betrag dafür absetzen kann, zahlt am Ende weniger Steuern und behält entsprechend mehr übrig. Ich möchte auch die These des Herrn Präsidenten aufgreifen, daß wir dafür sorgen müssen, daß gerade auch die freien Berufe in irgendeiner Form zu uns stoßen, d. h. daß wir das Leben als Parlamentarier auch für sie attraktiv gestalten müssen. Auch das, meine Damen und Herren, könnte man mit einer solchen Besteuerung fördern. Denn je weniger der Betreffende in seinem Privatberuf als Rechtsanwalt oder als Arzt verdient, um so weniger wird er nachher zur Steuerprogression herangezogen.Ich fasse zusammen. Auch diejenigen, die gegen das Gesetz stimmen werden oder sich gleich mir der Stimme enthalten werden, sind nicht gegen ein Diätengesetz an sich, welches, wie Herr Kollege Ruf schon bemerkte, nebenbei keine materiellen Änderungen mit sich bringt, sondern lediglich die Grundlage für die entsprechende Haushaltsvorlage darstellt. Sie hätten es neben gewissen Bedenken wegen des Zeitpunkts lieber gesehen, wenn man die Schaffung eines neuen Diätengesetzes dazu benutzt hätte, eben diesen Reformgedanken, den ich ausgeführt habe, gründlich auszudiskutieren. Ich bin aber sicher, daß gleich mir die anderen Kollegen, für die ich hier spreche, im Falle der Annahme des Gesetzes loyal nach außen hin für das Gesetz eintreten werden. Denn es handelt sich nicht um eine parteipolitische Angelegenheit, bei der Unterschiede zwischen den Fraktionen bestehen, sondern wir haben nach außen die Würde des Parlaments alle und insgesamt zu vertreten.
Ich schließe die allgemeine Aussprache in der zweiten Beratung. Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf die §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,—7-8,-9,-
10,— 11,— 12,— 13,— 14,— 14 a, — 15, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — 6 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Zu einer Erklärung hat zunächst Herr Abgeordneter Ruf das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege van Delden hat soeben die Anregung gegeben, die Aufwandsentschädigung der Bundestagsabgeordneten steuerpflichtig zu machen. Ich darf zunächst einmal darauf hinweisen, daß wir uns hier und heute nicht mit der Aufwandsentschädigung zu befassen haben. Über die Besteuerung der Aufwandsentschädigung der Abgeordneten ist natürlich in diesem Haus schon sehr oft gesprochen worden. Wir haben uns häufig darüber den Kopf zerbrochen. Wir waren uns bisher darin einig, daß damit die eigentliche Problematik, um die es geht, nicht gelöst werden kann. Aber, meine Damen und Herren, Herr Kollege van Delden, wir werden diese Frage noch einmal erörtern müssen, wenn wir uns über den Gesamtkomplex der Abgeordnetenbezüge, der Aufwandsentschädigung und des Unkostenersatzes, unterhalten. Eine solche Unterhaltung ist unerläßlich. Wir kommen nicht darum herum. Wir müssen uns zu gegebener Zeit interfraktionell mit dem Problem der Gesamtbezüge der Abgeordneten, nicht ihrer Erhöhung, sondern ihrer Struktur, ihrer Zusammensetzung, beschäftigen. Aber das ist nicht die Sorge von heute, sondern von morgen. So hat es Kollege van Delden sicherlich auch gemeint.Heute haben wir es mit der Vorlage Drucksache IV/1941 zu tun. Im Namen der CDU/CSU-Fraktion erkläre ich, daß die CDU/CSU-Fraktion zu der Vorlage, wie sie von allen Fraktionen eingebracht worden ist, steht und daß sie auch die Änderungsvorschläge bzw. Ergänzungen, die der Vorstand vorgenommen hat und jetzt vorschlägt, billigt. Daß wir uns in unserer Fraktion über das Diätengesetz auseinandergesetzt haben, ist der Öffentlichkeit ja nicht verborgen geblieben. Das soll auch nicht verborgen werden. Denn schließlich leben wir Gott sei Dank in einer freien, offenen Gesellschaft, wo eben auch diese Dinge frei und offen behandelt werden.Was übrigens die Bezüge der Abgeordneten angeht, so gibt es nichts zu verheimlichen und gibt es nichts zu verbergen. Hier gibt keine Geheimniskrämerei, wie uns ab und zu schon vorgeworfen worden ist. Alles steht ja im Gesetz, ist im Gesetz nachzulesen. Daß wir dieses Gesetz selber machen müssen, ist nicht gerade angenehm, aber es ist nicht zu ändern. Wir machen schließlich die Gesetze, und wir ,stehen auch dazu.Nun lassen Sie mich Ihnen eines sagen. Als Abgeordneter, der wie viele, viele andere in diesem Hause aus allen Fraktionen seine ganze Kraft und seine ganze Zeit für diese parlamentarische Arbeit einsetzt, der wie viele andere Kollegen auf sein Privatleben nahezu verzichtet, der gezwungen ist, seinen Beruf zu vernachlässigen, und der trotzdem stolz darauf ist, bisher seine Unabhängigkeit bewahrt zu haben, als solcher Abgeordneter spreche ich weder hier noch draußen über die Berechtigung unserer Bezüge, zumal diese Bezüge zum großen Teil für die meisten Abgeordneten überwiegend die Unkosten decken.Friedrich Sieburg hat vor Jahren einmal in einem Artikel in der FAZ geschrieben — ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann; aber das kommt eben davon, wenn man jede Kleinigkeit selber machen muß; das Papier ist vergilbt; es liegt also vielleicht ein Jahr zurück —:Um so dringlicher ist es, die Kenntnisse des Abgeordneten, seine Fähigkeiten und Erfahrungen, die oft nicht gering sind, rationell zu nutzen und ihn von den Sorgen um das tägliche Brot zu befreien. Der Abgeordnete muß das haben, was jedem Manager selbstverständlich ist. Seine Betriebskosten, Büro und Transport,
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Rufmüssen ebenso ausreichend bemessen sein wie die Kasten für seine Lebensführung.Natürlich, meine Damen und Herren — das muß auch der Öffentlichkeit gesagt werden —, gibt es Gott sei Dank unter uns Kollegen, für ,die diese Bezüge nach ,dem Diätengesetz wenig, nur ein Taschengeld bedeuten. Aber die Diätenregelung kann nicht danach ausgerichtet sein, ob der eine oder andere begütert ist oder nicht, ob er auf die Bezüge angewiesen ist oder nicht. Die Diätenregelung ist auf das Mandat gezielt. Sie hat die Ausübung des Mandats zu sichern und dafür zu sorgen, daß sich nicht nur Beamte, nicht nur Verbandsfunktionäre und nicht nur Firmenangestellte mit hohen Pensionszusagen
um ein Abgeordnetenmandat bemühen. Wir brauchen in jeder Beziehung freie Abgeordnete, die es sich leisten können, das eine Mal mit dieser Gruppe, das andere Mal, wenn es notwendig ist, wenn sie es für richtig halten, auch einmal mit der anderen Gruppe zu stimmen und die Dinge so zu entscheiden, wie sie es sachlich für richtig halten. Wir brauchen auch Abgeordnete — auch das muß gesagt werden —, die in der Lage sind und in die Lage gesetzt werden, auch ihren eigenen Wählern — in diese Lage kommen wir sehr oft — einmal das zu sagen, was sie nicht gern hören, was aber gesagt werden muß.
Dazu ist es eben notwendig, daß die wirtschaftliche Freiheit der Abgeordneten dieses Parlaments gesichert wird. Das und nur das wollte der Herr Bundestagspräsident Gerstenmaier mit seinem Hinweis auf idas Grundgesetz bei der ersten Lesung sagen.Herr Alfred Rapp, den Sie ja alle kennen und der unsere Arbeit schon seit Jahren aus nächster Nähe beobachtet, hat einmal in seiner Zeitung geschrieben:In einem Deutschland, in dem jedermann Spesen und Diäten in allen möglichen Fällen für Selbstverständlichkeiten hält, spielen die Abgeordneten beinahe die Rolle des Angeklagten, wenn ihre Diäten zur Sprache kommen. Nun meine Damen und Herren, ich fühle mich nicht als Angeklagter
und mit mir sicherlich mit Recht viele, viele Kollegen aus allen Fraktioinen dieses Hauses. Es mag sein, daß das, was die Abgeordneten erhalten, nicht für alle gleichermaßen angemessen ist. Herr Kollege Erler hat das freimütig vor kurzem in einer Rundfunkansprache gesagt. Die Leistung, die Beanspruchung der Parlamentsmitglieder ist selbstverständlich nicht bei allen Mitgliedern des Hauses dieselbe, und nicht alle sind so eingespannt wie etwa ein Kollege Barzel oder ein Kollege Erler oder ein Kollege Kühlmann-Stumm, um nur unsere geplagten Fraktionsvorsitzenden zu nennen. Aber auch anderswo, bei allen Organisationen und bei allen Betrieben soll es Leute geben, die sich nicht gerade nachder Arbeit drängen und reißen und lieber andere arbeiten lassen. Warum soll es bei uns im Bundestag anders sein? Das soll keine Entschuldigung sein, das entspricht der Erfahrung des menschlichen Lebens.Im übrigen, auch das muß einmal gesagt werden: Wer schickt uns denn eigentlich in dieses Parlament? Wer stellt denn die Abgeordneten auf? Wer sich über die Qualität von Abgeordneten, sei es im Gemeindeparlament, im Kreistag, im Landtag, im Bundestag aufregt, soll sich doch einmal fragen, ob er selber bereit wäre, diese unsere Arbeit zu übernehmen und sich aufstellen zu lassen, oder ob er wenigstens bereit wäre, in irgendeine Partei einzutreten, damit er mitreden und mitentscheiden kann, wenn Abgeordnete ausgewählt, aufgestellt und nominiert werden.
Für die CDU/CSU-Fraktion darf ich sagen, daß wir ein offenes Ohr für die Kritik haben, die in den letzten Wochen aus der Öffentlichkeit gekommen ist. Diese Kritik richtete sich meines Erachtens nicht in erster Linie gegen diese Änderung des Diätengesetzes. Ich bin sogar davon überzeugt, daß bei den meisten unserer Mitbürger mehr Verständnis und Einsicht vorhanden ist, als in manchen Zuschriften und Kommentaren und Äußerungen einzelner zum Ausdruck kommt. Die Kritik der Öffentlichkeit trifft vor allen Dingen uns. Sie trifft unsere Arbeit, unsere Zusammenarbeit, das Funktionieren unseres Parlaments. Das geht uns an, und damit haben wir uns zu beschäftigen. Wir dürfen uns dieser Kritik der Offentlichkeit nicht verschließen. Nicht jede Unzufriedenheit, die da zum Ausdruck gebracht worden ist, ist unberechtigt. Das sollten wir ruhig zugeben. Mit dieser Kritik sollten wir uns auseinandersetzen und gemeinsam — ich sage: gemeinsam — und jeder einzelne für sich die notwendigen Konsequenzen ziehen.Ist es denn unbedingt notwendig, daß in unserer Tretmühle soviel Sand ist und soviel Leerlauf? Läßt sich da nicht manches vermeiden? Es läge wahrhaftig im Interesse des Ganzen, im Interesse unserer Arbeit, im Interesse der Gesetzgebung, auch in unserem eigenen Interesse, im Interesse unserer Gesundheit, wenn hier manches reduziert würde. Läßt sich denn unsere Arbeit nicht noch besser rationalisieren, läßt sie sich nicht wesentlich verbessern? Ich meine, ja. Ist es denn notwendig, daß wir uns in den 'Ausschüssen bei der Gesetzesberatung um jedes Komma, um jeden Punkt kümmern? Wir sollten uns mehr auf die großen politischen Entscheidungen beschränken, auch in unseren Ausschüssen.Es ist uns entgegenhalten worden, der Bundestag sei müde geworden, er habe 'gegenüber den ersten Legislaturperioden an Fleiß nachgelassen. Meine Damen und Herren, wir sollten auch diese Kritik ernst nehmen und prüfen, inwieweit sie berechtigt ist. Manchmal scheint sie mir doch berechtigt zu sein. Auf der anderen Seite möchte ich aber zweierlei sagen: Der Bundestag darf nicht in er-
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Rufster Linie nach der Zahl der Gesetze, die er produziert, beurteilt werden.
Im Gegenteil, wenn wir weniger Gesetze machen und wenn die Gesetze dafür besser werden, dann ist es kein Schade.
Und dann das zweite, was ich zu dem Wort vom müde gewordenen Parlament sagen möchte: Große Teile dieses Parlaments sind einfach überbelastet und überbeansprucht durch ihre Tätigkeit drinnen und draußen.
Anton Böhm hat in der „Politischen Meinung" schon im Jahre 1958 folgendes gesagt — ich darf es, weil wir uns darauf besinnen sollten, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen —:Die ständige Überbelastung des Parlaments beansprucht die Energien gerade der fähigen Parlamentarier über Gebühr, bis zum unbarmherzigen Verbrauch ihrer Kräfte. Sie unterdrückt dadurch das schöpferische Vermögen. Sie läßt ganz einfach keine Zeit zur Besinnung, die für große Konzeptionen gebraucht wird. Schließlich schwächt der unablässige Andrang der großen Aufgaben, den immer die Besten auszuhalten haben — vielleicht sogar nur sie, aber auf sie kommt es an —, das Vermögen zur Unterscheidung des Wichtigen vom Unwichtigen. Von einer Rangordnung der Aufgaben ist kaum mehr etwas zu merken, dafür aber von einer unheilvollen Neigung, die weniger schwierigen Aufgaben zeitlich zu bevorzugen, die anderen, die an Denken und Kraft größere Anforderungen stellen, zu verschieben.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was im Jahre 1958 von Herrn Böhm geschrieben wurde, hat heute, im Jahre 1964, noch genauso seine Gültigkeit. Ich meine, das sollte auch von unseren Wählern und Mitbürgern draußen berücksichtigt werden. Auch die Öffentlichkeit sollte sich einmal sagen lassen, daß sie die Abgeordneten nicht immer wieder überfordern darf, indem sie von uns verlangt, daß wir uns ständig und überall zeigen, daß wir am Wochenende, an den Sonntagen — und da machen die kirchlichen Organisationen leider keine Ausnahme — überall aufkreuzen. Wir tun es gern, dafür sind wir gewählt worden, selbstverständlich. Der Kontakt zu unseren Wählern ist uns wichtig und gehört vielleicht — ich kann es wenigstens für mich sagen — zum schönsten Teil der Aufgaben, die wir haben. Aber alles hat seine Grenzen, und auf diese Grenzen möchte ich verweisen.Sagen wir doch draußen — auch in den Wahlkreisen —: Laßt uns einmal Zeit, damit wir wieder einen freien Kopf bekommen. Kein Mensch kann immer nur geben, wenn er sich nicht verausgaben, wenn er nicht leer werden will. Auch wir Abgeordneten müssen Gelegenheit haben, 'uns immer wieder einmal zu sammeln. Wir können und dürfen nicht nur gejagt und gehetzt wenden. Mögen doch bitte unsere Mitbürger draußen das beherzigen.Mögen unsere Wahlkreise daran denken — auch das darf ich freimütig sagen —, daß wir in erster Linie dazu gewählt worden sind, um hier in Bonn an der Gesetzgebung mitzuwirken, und daß unsere Pflichten hier in Bonn allen anderen vorgehen.
Das ist ganz selbstverständlich. Ich meine, das sollte man sagen. Nun, meine Damen und Herren, wird sehr häufig der leere Plenarsaal kritisiert. Auch diese Kritik ist sicherlich nicht unberechtigt. Wir werden uns darüber ,Gedanken machen; wir .tun es bereits. Es lassen sich eine ganze Reihe von Gründen zur Rechtfertigung anführen; aber immerhin müssen wir auch in dieser Frage an unsere Brust schlagen und uns Gedanken darüber machen, wie wir das ändern können.Ich möchte Ihnen aber im übrigen doch eine diesbezügliche Äußerung des alten, erfahrenen Churchill, die ich in ,der „Allgemeinen Staatslehre" von Hippel gefunden habe, nicht vorenthalten. Sie wissen, das britische Unterhaus ist im Jahre 1941 von einer Bombe zerstört worden. Das britische Unterhaus hat 620 Mitglieder; es sind aber nur für 437 Abgeordnete Plätze vorgesehen. Dazu hat Herr Winston Churchill — ich hätte bald gesagt: Kollege Churchill —, als er im Oktober 1943 über den vorgesehenen Neubau berichtete, erklärt, die Kammer dürfe nicht groß genug sein, um alle ihre Mitglieder zugleich ohne Überfüllung aufzunehmen. Es komme nicht in Frage, daß jedes Mitglied einen eigenen, ihm vorbehaltenen Platz habe. Wenn das Haus groß genug sei, so würden neun Zehntel seiner Debatten in der bedrückenden Stimmung eines fast leeren oder doch halbleeren Hauses vor sich gehen. Erforderlich sei der Stil des Gesprächs. Dieser aber verlange einen recht kleinen Raum. Dagegen solle bei großen Gelegenheiten ein Gefühl von Andrang und Dringlichkeit herrschen. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das für die Mutter aller Parlamente gilt, dann können auch wir in etwa beruhigt sein.
Ich komme zum Schluß. Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung machen! Auch ein Parlament bedarf einer gewissen Öffentlichkeitsarbeit, besonders ein junges Parlament in einer jungen Demokratie. Hier haben wir alle miteinander offensichtlich noch einiges nachzuholen. Ich hatte in dieser Woche Besuch von schwäbischen Handwerkern aus Stuttgart. Handwerker sind kritisch. Sie wissen, zur Zeit stehen an: Sozialpaket und Lohnfortzahlung. Und schwäbische Handwerker sind noch kritischer. Sie kamen geladen hierher, wollten mal etwas loswerden, wollten schimpfen. Als sie gestern nach Hause fuhren, haben sie gesagt: Ja, so haben wir es uns doch nicht vorgestellt; es ist ja ganz anders, als es uns bisher geschildert worden ist; hier wird ja gearbeitet, hier wird gerungen; es braucht zwar seine Zeit, aber die Leute tun wirklich etwas! Keiner ist unzufrieden nach Hause gefahren.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten auf diesem Gebiet noch viel mehr tun, um
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Rufunsere Arbeit in diesem Parlament der Bevölkerung nahezubringen. Dann wird — davon bin ich fest überzeugt — das Verständnis für vieles, auch für die Bezüge der Abgeordneten, steigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei wird dem vorliegenden Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben, nicht weil die Fraktionen sich in der sogenannten Diätenfrage immer einig sind, wie die meisten Zeitungen so liebend gern schreiben, sondern weil es hier um eine notwendige Neuregelung geht. Es ist übrigens keineswegs der Fall, daß eine Diätengesetzänderung immer besonders glatt und immer besonders schnell über diese parlamentarische Bühne geht. Den nicht unmittelbar Beteiligten und auch manchem Mitglied dieses Hohen Hauses bleibt meist verborgen, welch lange und in der Regel langjährige Verhandlungen zwischen den Fraktionen schon der Einbringung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Diätengesetzes vorausgehen. Das Parlament tut sich damit schwerer als mit manchem komplizierten sozialpolitischen Gesetz.Professor Eschenburg hat völlig recht, wenn er in der „Zeit" darauf hinweist, daß sich die Abgeordneten 1958, als die Aufwandsentschädigung mit den Beamtengehältern gekoppelt wurde, genierten —genierten! —, auch die alten Tagegelder von 1949 den gestiegenen Kosten anzupassen. Wenn wir uns genieren — meiner Überzeugung nach zu Unrecht genieren —, unsere Angelegenheiten so zu ordnen, wie das Gemeinwohl es erfordert, dann liegt das wohl daran, daß wir — mit Luther — dem Volke sehr aufs Maul schauen. Der Politiker soll das tun. Aber er muß es mit der notwendigen Distanz tun. Er muß unterscheiden können, welche Meinungen auf unzureichender Kenntnis der Zusammenhänge beruhen und welche Stimmen andererseits, von Urteilsvermögen und Verantwortung getragen, bei seinen Entscheidungen beachtet werden müssen.Die Zeitungen — und nicht nur sie; auch die Zeitungsleser — haben viel über die heute zu beschließende Diätengesetz-Neuregelung geschrieben. Es war Positives, es war Negatives dabei, ätzende Kritik wie volle Bejahung unserer Absichten. Leider schoß die Kritik allzu häufig weit über das Ziel hinaus. Es wurde dabei von der Verdoppelung der Diäten der Bundestagsabgeordneten gesprochen, von einer Erhöhung um 50 % und anderem mehr. Der Berichterstatter hat es schon gesagt. Ich halte es für erforderlich, an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrücklich festzustellen, daß weder eine Verdoppelung noch eine Erhöhung der Diäten um 50 % Platz greift, sondern daß ausschließlich das sogenannte Tagegeldpauschale verdoppelt werden soll. Das ist der Betrag, den der Abgeordnete im Monat zur Bestreitung seiner Lebensbedürfnisse außerhalb seines Wohnsitzes erhält, in Bonn oder wo immer er sich dienstlich aufhält, in erster Linie für Verpflegung und Unterkunft, aber auch zur Bestreitung von Ausgaben, die ihm naturgemäß aus gesellschaftlichen Verpflichtungen erwachsen.Es muß für die Öffentlichkeit heute auch noch einmal deutlich gemacht werden, daß die sogenannten Diäten, die Entschädigung des Abgeordneten, die bis zu einem gewissen Grade mit einem Gehalt verglichen werden könnte, 1360 DM betragen. Alle anderen Bezüge des Abgeordneten sind barer, meist pauschalierter Unkostenersatz, alle anderen Bezüge sind Ersatz barer Auslagen. Sie werden fälschlich den Diäten hinzugerechnet und als Einkommen der Abgeordneten bezeichnet. Das Tagegeldpauschale beträgt seit 1949 500 DM im Monat. Dieser Betrag hat wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten seit langem nicht mehr ausgereicht. Wir haben alle miteinander wohl ausnahmslos , auf unsere Aufwandsentschädigung oder auf andere Einkommensquellen zurückgreifen und einen Teil davon für die Bestreitung unserer Lebenshaltungsausgaben verwenden müssen. Diejenigen unter uns, die keine andere Einkommensquelle haben — und das ist ein erheblicher Teil der Mitglieder des Bundestages —, tun das — was familienpolitisch sicherlich absolut unerwünscht ist — auf Kosten ihrer Angehörigen. Die Aufwandsentschädigung soll nämlich den privaten Einnnahmeausfall ersetzen, der den meisten Abgeordneten durch ihre Abgeordnetentätigkeit entstanden ist.So richtig es auf der einen Seite ist, daß auch die Bundestags- wie die Landtagsabgeordneten keine Berufspolitiker sein sollen, so sehr nimmt die meisten von uns die Abgeordnetentätigkeit doch wie ein Beruf in Anspruch, und es ist nichts als ein frommer Wunsch, das Amt des Abgeordneten in diesem Sinne als ein Ehrenamt zu bezeichnen. Diese Aufgabe ist nicht mit 44-Wochen-Stunden eines Arbeitnehmers zu bewerkstelligen. Sie fordert in der Woche häufig 70 bis 80 Arbeits- oder Einsatzstunden.
Ich möchte an dieser Stelle nicht den Versuch unternehmen, die parlamentarische Tätigkeit eines unserer bekannten Kollegen im einzelnen darzustellen, der in jener bewußten Stunde X, über die ein hier in Bonn bekannter Journalist so anschaulich schrieb, auch nicht im Plenarsaal war. Er hat mir für diesen Zweck genaue Aufzeichnungen über seine Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Nun, ich will auch deswegen jetzt auf ihre Verwendung verzichten, weil Sie sie in kurzer Zeit in der Presse wiederfinden werden. Es ist gut, daß die Presse die Öffentlichkeit über die Tätigkeit der Abgeordneten — über die wirkliche Tätigkeit der Abgeordneten — informiert. Wenn die Öffentlichkeit objektiv informiert wird, dann braucht uns um ihr Vertrauen in das Funktionieren des Bundestages, in das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie nicht bange zu sein. Manches allerdings, was in diesen Wochen geschrieben wurde, ließ den einen oder anderen von uns bange werden.Ich habe nicht die Absicht, hier ein Plädoyer für uns Abgeordnete zu halten. Wir tun unsere Pflicht. Wir zerbrechen uns die Köpfe. Wir bemühen uns
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Frehseeununterbrochen, die Verhältnisse in unserem Lande zu verbessern. Aber vielleicht sollte ich ein Wort für die parlamentarische Demokratie sagen. Es bezieht sich auf die so häufig gerügte schlechte Besetzung des Plenums und auf die dann und wann eingetretene Beschlußunfähigkeit des Bundestages. Nun, das Parlament ist keine Schulklasse, in der die Abgeordneten mit gefalteten Händen dasitzen und andächtig auf den Lehrer schauen. So etwas gibt es auch in Parlamenten, aber in solchen Parlamenten, die nichts zu sagen haben.
So etwas hatten wir in der Krolloper, die einmalder teuerste Gesangverein der Welt genannt wurde,
und wir haben es jetzt in der Volkskammer der SBZ.
Wer die parlamentarische Demokratie will, der kann das nicht wollen.Einer unserer Kollegen hat neulich — und ich glaube, zutreffend — den Teil unserer parlamentarischen Arbeit, der hier in den Plenarsitzungen sichtbar wird, mit der Spitze des Eisberges, mit dem Teil des Eisberges verglichen, der aus dem Wasser ragt. Der weitaus größte Teil unserer Arbeit ist nicht öffentlich sichtbar. Er vollzieht sich in den Fraktionen und in den Ausschüssen, in Arbeitskreisen, Arbeitsgruppen und Kommissionen, in vielen Besprechungen und Gesprächen mit Besuchern und in der Betreuung der vielen, erfreulich vielen Besuchergruppen. Nicht darauf kommt es an, daß die Abgeordneten immer vollzählig im Plenum sitzen, sondern darauf, daß ein im ganzen gutes parlamentarisches Arbeitsergebnis erzielt wird. Es kommt nicht darauf an, daß hier bei der Beratung von Spezialgesetzen, bei der Routinearbeit, bei weniger wichtigen Gesetzen 400 Abgeordnete zehn Stunden lang in den Bänken sitzen, sondern darauf, daß das Parlament funktionsfähig ist.
Das kann allerdings nicht bedeuten — ich stimme da mit dem Kollegen Ruf voll überein —, daß man draußen im Lande in den Wahlkreisen ein so weitgehendes Anrecht auf den Bundestagsabgeordneten zu haben meint, als wäre er nicht aus dem Wahlkreis nach Bonn, sondern aus Bonn in den Wahlkreis delegiert worden. So ist das auch wieder nicht. Das muß jenen Leuten gesagt werden, die auf der einen Seite kein Verständnis dafür haben, daß der Bundestag am Freitag um 12.30 Uhr manchmal beschlußunfähig geworden ist, und auf der andern Seite dafür, daß ihnen der Bundestagsabgeordnete am Freitagabend nicht selbstverständlich zur Verfügung gestanden hat.
Die Funktionsfähigkeit des Parlaments erfordert auch ausreichende und angemessene Abreitsbedingungen. Meine politischen Freunde stimmen in dieser Frage mit Herrn Kollegen Professor Böhm und seinen Ausführungen in der ersten Lesung sowie mit dem Bundestagspräsidenten voll überein. Wirsind uns dessen bewußt, daß die Erfüllung dieser Forderung noch ungemein unpopulärer sein wird als die jetzt zu beschließende Verdoppelung des Tagegeldpauschale. Denn mit Verbesserung der Arbeitsbedingungen erfordert neue Bauten, und das bedeutet neue und nicht geringe Kosten. Außerdem: während bei der Erhöhung des Tagegeldpauschale nur finanzielle, gewissermaßen einkommenspolitische Kritik laut wurde, wird es bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen — sprich: beim Neubau des Bundeshauses — nationale Kritik geben. Aber dennoch liegt die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Abgeordneten im Interesse aller Mitbürger und dient ihrem Wohle.
Der Bundestagspräsident und die zuständigen Gremien des Bundestages — der Bundestagsvorstand und die Bau- und Raumkommission — sollten sich in ihrer Zielstrebigkeit nicht -beirren lassen.Der jetzt zur Schlußabstimmung anstehende Gesetzentwurf zur Änderung des Diätengesetzes enthält im wesentlichen die Anpassung der Abgeordnetenspesen an die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Er stellt weder eine optimale noch eine maximale Regelung dar. Die mit dieser Feststellung nicht übereinstimmende Graphik im „Spiegel" war unzutreffend; der Herr Bundestagspräsident hat ihre Berichtigung veranlaßt.Dieser Gesetzentwurf behält eine Aufwandsentschädigung für die Abgeordneten bei, die 221/2% des Amtsgehalts eines Bundesministers beträgt. Die Frage, ob das die richtige Relation ist, wurde in diesen Tagen und Wochen oft gestellt. Sie bleibt unbeantwortet. Dieser Gesetzentwurf bringt eine längst überfällige, dringend gewordene Lösung einer Teilfrage. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei wird ihm zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich Ihnen folgende Erklärung abgeben.Das Hohe Haus ist in der unangenehmen Lage, über die Entschädigung seiner Mitglieder selber entscheiden zu müssen. Da aber nach dem Grundgesetz niemand außer dem Bundesparlament Bundesgesetze beschließen darf, kann dem Bundestag auch niemand diese Verantwortung abnehmen. Große Gruppen im Parlament und in der Öffentlichkeit hätten es begrüßt, wenn wir eine Diätenreform beschlossen hätten, durch die z. B. die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung beseitigt und andere Änderungen vorgenommen worden wären. Diese Hoffnungen sind leider nicht erfüllt worden.Wir begrüßen aber, daß durch die Beratung dieses Gesetzes eine Diskussion über die reformbedürftige Arbeitsweise und die Arbeitsüberlastung des Bundestages und seiner Abgeordneten in der
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5602 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 120. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. März 1964
DornÖffentlichkeit in Gang gekommen ist. Der Deutsche Bundestag sollte die in dieser Diskussion aufgeworfenen Fragen und Anregungen einer ernsthaften Prüfung unterziehen. Es muß möglich sein, die Arbeitsweise in den Fraktionen und Ausschüssen zu rationalisieren. Sie macht es vielen Kollegen nahezu unmöglich, sich noch um ihren Beruf zu kümmern. Soweit sie außer den Diäten über keine festen Bezüge verfügen, müßte eine Fortsetzung der bisherigen Entwicklung vor allem für die selbständigen Berufe die Übernahme und Ausübung eines Bundestagsmandats zu einer kaum noch zumutbaren Belastung werden lassen.
Im Interesse der Erhaltung einer wirklich repräsentativen Volksvertretung muß eine solche Entwicklung jedoch unter allen Umständen verhindert und nach neuen Wegen und Möglichkeiten gesucht werden, um dem Parlament seine volle Funktionsfähigkeit und Lebendigkeit zu erhalten.Wir Freien Demokraten stimmen dem vorliegenden Gesetzentwurf zu.
Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zustimmt, erhebe sich. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
In Verbindung mit der Beratung des Kindergeldgesetzes sollte noch der Antrag Drucksache IV/2000 der Abgeordneten Dr. Dichgans, Wagner, Brück usw. behandelt werden. — Es besteht Einverständnis, daß die Tagesordnung um diesen Antrag ergänzt wird; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dichgans, Wagner, Brück und Genossen betr. Kindergeld .
Der Antrag soll ohne Aussprache an den Ausschuß für Arbeit — federführend —, weiter an den Ausschuß für Familien- und Jugendfragen — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß nach § 96 unserer Geschäftsordnung überwiesen werden. — Es besteht Einverständnis; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann auf den Punkt 24 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Lemmrich, Dr. Müller-Hermann, Drachsler, Eisenmann und Genossen betr. Änderung der vorläufigen Richtlinien für die Gewährung von Bundeszuwendungen zu Straßenbaumaßnahmen von Gemeinden und Gemeindeverbänden ;
ferner
Beratung des Antrags der Abgeordneten Müller , Könen (Düsseldorf), Figgen, Beuster und Genossen und Fraktion der SPD betr. Änderung der Vorläufigen Richtlinien für die Gewährung von Bundeszuwendungen zu Straßenbaumaßnahmen von Gemeinden und Gemeindeverbänden (Drucksache IV/2005).
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Die beiden Anträge sollen an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend —, an den Ausschuß für Kommunalpolitik und Sozialhilfe — mitberatend — sowie an den Haushaltsausschuß nach § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Es ist eine interfraktionelle Vereinbarung darüber zustande gekommen, daß der Tagesordnungspunkt 25:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Berichts über die Lebensverhältnisse der älteren Mitbürger ,
b) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. die Situation der alten Menschen
wegen der vorgerückten Zeit heute nicht mehr behandelt werden soll. — Das Haus ist damit einverstanden.
Damit sind wir am Schluß der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung auf Donnerstag, den 19. März, 15 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.