Protokoll:
4112

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 112

  • date_rangeDatum: 7. Februar 1964

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:35 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:38 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 112. und 113. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1964 Inhalt: 112. Sitzung Erweiterung der Tagesordnung . . . . 5141 A Fragestunde (Drucksachen IV/1889, IV/1884) Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Vorstellungen gegen Erörterungen im 2. Untersuchungsausschuß Höcherl, Bundesminister . . . . 5141 C, D, 5142 A, B, C, D, 5143 A, B Dr. Müller-Emmert (SPD) 5141 D, 5142 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5142 A, B, 5143 A Dr. Schäfer (SPD) 5142 B Erler (SPD) 5142 C, D Jahn (SPD) 5142 D Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Mitteilungen über angebliche Vorstellungen gegen Erörterungen im 2. Untersuchungsausschuß Höcherl, Bundesminister . . 5143 B, C, D, 5144 A, B Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . 5143 B, C Dr. Schäfer (SPD) 5143 C, D Dr. Dr. Heinemann (SPD) 5143 D, 5144 A Erler (SPD) . . . . . . . . . 5144 A Frage des Abg. Dr. Müller-Emmert: Mitteilung des Bundesministeriums des Innern über die Memoranden der amerikanischen und der britischen Botschaft Höcherl, Bundesminister . . . 5144 B, C, D, 5145 A, B, C, D, 5146 A, B, C, D Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . 5144 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 5144 C, D Dorn (FDP) . . . . 5144 D, 5145 A, B Jahn (SPD) 5145 B Sänger (SPD) 5145 C, 5146 D Dr. Mommer (SPD) 5145 C, D Erler (SPD) 5145 D, 5146 A Dr. Schäfer (SPD) 5146 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . 5146 B, C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Schreiben des Bundesministers des Innern an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses Höcherl, Bundesminister . 5147 A, B, C, D, 5148 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5147 A, B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) . . 5147 B, C Dr. Mommer (SPD) 5147 D Erler (SPD) 5147 D II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Veröffentlichungen über den Brief an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses Höcherl, Bundesminister . 5148 A, B, C, D, 5149 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5148 A, B Dr. Schäfer (SPD) 5148 B, C Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . 5148 D Dr. Mommer (SPD) 5149 A Erler (SPD) 5149 B Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Mitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 28. Januar 1964 Höcherl, Bundesminister . . . . . 5149 C Vizepräsident Schoettle . . . . . 5149 C Frage des Abg. Dr. Schäfer: Weitergabe von Mitteilungen über Vorstellungen der Alliierten Höcherl, Bundesminister . . . . . 5149 D, 5150 A, B, C Dr. Schäfer (SPD) . . 5149 D, 5150 A, B Jahn (SPD) 5150 B, C Frage des Abg. Dr. Schäfer: Informierung über den Schritt der Alliierten Höcherl, Bundesminister . . . . 5150 C, D, 5151 A, B Dr. Schäfer (SPD) . . . . . . . 5150 D Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 5151 A Frage des Abg. Erler: Weitergabe vertraulicher Anfragen von Botschaften Höcherl, Bundesminister . . 5151 B, C, D, 5152 A, B, C Erler (SPD) 5151 C, 5152 A Dr. Schäfer (SPD) 5152 A, B Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . 5152 A Fragen des Abg. Dr. Ramminger: Abschöpfungsbeträge für Einfuhren von Agrarprodukten Schwarz, Bundesminister 5152 D, 5153 A Dr. Ramminger (CDU/CSU) 5152 D, 5153 A Fragen des Abg. Saxowski: Preise für Rindfleischkonserven Schwarz, Bundesminister . 5153 B, C, D, 5154 A, B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 5153 C, D Frehsee (SPD) . . . . 5153 D, 5154 A Kurlbaum (SPD) 5154 A Frage des Abg. Leicht: Forschungsinstitut für Rebenzüchtung Geilweilerhof Schwarz, Bundesminister . . . . 5154 B Fragen des Abg. Dr. Rinderspacher: Verringerung der Zahl der Handelsplätze in Südbaden Schwarz, Bundesminister . . . . 5154 D, 5155 A, B Dr. Rinderspacher (SPD) . . . . 5155 A, B Fragen des Abg. Kurlbaum: Preise für Margarine Schwarz, Bundesminister .5155 B, C, D, 5156 A Kurlbaum (SPD) 5155 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 5156 A Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Diätengesetz 1964) (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1893) — Erste Beratung — D. Dr. Gerstenmaier, Präsident des Deutschen Bundestages 5156 B, 5168 B Brese (CDU/CSU) . . . 5162 D, 5167 A Dr. von Haniel-Niethammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . 5164 A Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) 5164 B Zoglmann (FDP) 5165 C Dr. Besold (CDU/CSU) 5166 A Schulhoff (CDU/CSU) 5166 B Scheppmann (CDU/CSU) . . . . 5166 D Schultz (FDP) . . . . . . . . 5167 B Dr. Mommer (SPD) 5168 A Wehner (SPD) 5169 C Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über den Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Verringerung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine und einige Teilstücke von Schweinen für Einfuhren in der Zeit vom 15. Februar bis 31. März 1964 (Drucksachen IV/1880, IV/1906) . . 5169 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 III Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses über die Dritte Verordnung über die Verringerung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von Eiprodukten (Drucksachen IV/1726, IV/1907) . . . . 5170 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Berufsausbildungsgesetz (Drucksache IV/1748); in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Titels VII Abschnitt III der Gewerbeordnung (Berufsausbildung) (FDP) (Drucksache IV/539) — Erste Beratung — Folger (SPD) . . . . . . . . . 5170 A Schmücker, Bundesminister . . . . 5174 B Dr. Imle (FDP) . . . . . . . 5176 A Liehr (FDP) 5178 C Arndgen (CDU/CSU) 5182 C 113. Sitzung Zur GO Dr. Kohut (FDP) 5185 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Titels VII Abschnitt III der Gewerbeordnung (Berufsausbildung) (FDP) (Drucksache IV/539) — Fortsetzung der ersten Beratung — . . . . . 5173 B Zur GO Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 5185 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . 5185 D Anlage 5187 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5141 112. Sitzung Bonn, den 7. Februar 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 4. Wahlperiode - 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5187 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 8. 2. Arendt (Wattenscheid) 7. 2. Dr. Aschoff 7. 2. Bauer (Wasserburg) 7. 2. Bergmann* 7. 2. Frau Beyer (Frankfurt) 13. 2. Dr. Bieringer 7. 2. Dr. Birrenbach 7. 2. Böhme (Hildesheim) 7. 2. Börner 7. 2. Dr. von Brentano 21. 3. Brünen 20. 2. Dr. Burgbacher 7. 2. Corterier 8. 2. Dr. Deist 7. 2. van Delden 16. 2. Ehren 22. 2. Eisenmann 14. 2. Etzel 7. 2. Even (Köln) 29. 2. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 7. 2. Dr. Furler 8. 2. Gaßmann 22. 2. Dr. Götz 7. 2. Freiherr zu Guttenberg 7. 2. Hammersen 7. 2. Dr. Harm (Hamburg) 26. 3. Hauffe 15. 3. Hilbert 8. 2. Höhne 20. 2. Hörauf 1. 3. Dr. Huys 8. 2. Illerhaus * 7. 2. Kahn-Ackermann 7. 2. Kalbitzer 8. 2. Dr. Kempfler 7. 2. Frau Kettig 8. 2. Klinker * 7. 2. Kraus 22. 2. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kreitmeyer 14. 2. Kriedemann* 7. 2. Lemmer 7. 2. Lenz (Bremerhaven) 15. 2. Lenz (Brühl) * 7. 2. Dr. Löhr 7. 2. Maier (Mannheim) 7. 2. Dr. Mälzig 7. 2. Dr. von Merkatz 7. 2. Merten 7. 2. Mick 7. 2. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 15. 3. Müser 8. 2. Neumann (Allensbach) 7. 2. Opitz 7. 2. Peters (Norden) 7. 2. Dr.-Ing. Philipp 8. 2. Rademacher 7. 2. Rasner 7. 2. Ruland 21. 3. Dr. Schmidt (Offenbach) 7. 2. Schneider (Hamburg) 15. 2. Seibert 7. 2. Seidl (München) 7. 2. Spitzmüller 7. 2. Dr. Stoltenberg 7. 2. Storch* 7. 2. Dr. Süsterhenn 10. 2. Theis 29. 2. Dr. Toussaint 7. 2. Dr. Vogel 7. 2. Weber (Georgenau) 7. 2. Wegener 29. 2. Weinzierl 22. 2. Frau Welter (Aachen) 29. 2. Werner 14. 2. Windelen 7. 2. Wolf 7. 2. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments
Gesamtes Protokol
Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411200000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um folgende Punkte erweitert werden:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Verringerung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine und einige Teilstücke von Schweinen für Einfuhren in der Zeit vom 15. Februar bis zum 31. März 1964 (Drucksachen IV/1888, IV/1906),
Berichterstatter: Abgeordneter Unertl
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Dritte Verordnung über die Verringerung von Abschöpfungsätzen bei der Einfuhr von Eiprodukten (Drucksachen IV/1726, IV/1907).
Berichterstatter: Abgeordneter Bading
Ich schlage vor, daß wir diese Tagesordnungspunkte nach dem Punkt 5 der gemeinsamen Tagesordnung, also nach der Beratung des Diätengesetzes, einschieben. Das Haus ist damit einverstanden? — Es wird so verfahren.
Ich rufe dann Punkt 1 der heutigen Tagesordnung auf:
Fragestunde (Drucksachen IV/1884, IV/1889, IV/1887).
Wir beginnen mit den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf Drucksache IV/1889. Die erste Frage ist gestellt vom Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert:
Woraus leitet die Bundesregierung her, daß die amerikanische und britische Botschaft bei der Bundesregierung Bedenken, Vorstellungen oder Proteste gegen die „sehr weitgehende Erörterung ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit" im 2. Untersuchungsausschuß erhoben haben?
Herr Bundesminister, bitte zur Beantwortung!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411200100
Die Presseveröffentlichung des Bundesministeriums des Innern beruht auf den mündlichen und schriftlichen Vorstellungen der britischen und amerikanischen Botschaft im Auswärtigen Amt. Über die Einzelheiten des Schrittes der beiden Botschaften kann ich zu meinem Bedauern an dieser Stelle über das bisher in der Öffentlichkeit Gesagte hinaus keine Mitteilung machen. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses und Vertreter der übrigen Fraktionen sind über die Einzelheiten unterrichtet worden. Der Herr Vorsitzende des Untersuchungsausschusses hat die Möglichkeit, in geheimer Sitzung seine Information an die Ausschußmitglieder weiterzugeben. Ich kann gleichzeitig erklären, daß die beiden Botschaften auf Grund der Konsultation vom 1. Februar damit einverstanden sind.
Zur Sache selbst weise ich auf die Erklärung des Sprechers der Bundesregierung in der Pressekonferenz vom 31. Januar 1964 hin. Danach war die vom Bundesministerium des Innern herausgegebene Presseveröffentlichung nach Auffassung des Bundeskabinetts in der Sache zutreffend und maßvoll.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411200200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411200300
Herr Minister, können Sie mir sagen, in welcher Weise die amerikanische und die britische Botschaft über den Verlauf der Ausschußsitzung vom Freitag, dem 24. Januar 1964, informiert wurden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411200400
Nein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411200500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411200600
Eine weitere Frage: Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß am 25. Januar 1964, also am darauffolgenden Tage, eine Zusammenkunft stattfand, an der ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Innenministeriums, der amerikanischen und der britischen Botschaft teilgenommen haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411200700
Ich kann mich an das Datum vom 25. nicht erinnern. Also ob am 25. Januar eine Besprechung dieser Art, von der Sie berichtet haben, stattgefunden hat, kann ich im Augenblick nicht sagen.
5142 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411200800
Der 25. Januar, um das zu sagen, war der Samstag nach Freitag, dem 24., wo die letzte Ausschußsitzung stattgefunden hat. Ich wollte das nur zur Präzisierung sagen.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411200900
Mir ist von dieser Besprechung nichts bekannt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411201000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411201100
Herr Minister, haben Sie zur Vorbereitung der heutigen Sitzung nicht mit Ihren Herren über den Gang der vorhergehenden Besprechung gesprochen, so daß Sie hier über wichtige Besprechungen nicht informiert sind, die unmittelbar vor dem Montag stattgefunden haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411201200
Ich habe alle notwendigen vorbereitenden Besprechungen geführt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411201300
Und dann sagen Sie, daß Sie nicht über die vorhergehenden Besprechungen im Bilde sind?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411201400
Nein, das sage nicht ich, sondern das sagen Sie.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411201500
Was haben Sie vorher gesagt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411201600
Daß ich alle vorbereitenden Besprechungen geführt habe.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411201700
Sie haben vorhin gesagt, Sie seien über diese Besprechungen nicht im Bilde. Darf ich noch einmal fragen — —

(Unruhe. — Zurufe: Unerhört! und weitere lebhafte Zurufe von der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411201800
So geht es nicht. Ihre Fragen sind erschöpft, Herr Kollege. Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411201900
Herr Minister, in welcher Weise wurden die Alliierten von dem Ergebnis der letzten Untersuchungsausschußsitzung informiert?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411202000
Von mir wurde niemand informiert. Ich nehme an, daß aus der Presse Informationen gekommen sind. In welcher Weise sich die Alliierten sonst noch Informationen geholt haben, entzieht sich meiner Kenntnis.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411202100
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411202200
Herr Minister, gehört es nicht zu Ihren Pflichten im Sinne der Zusammenarbeit nach den bestehenden Bestimmungen, daß Sie die
Alliierten über den Gang dieser Verhandlungen informieren?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411202300
Die Alliierten haben einen Anspruch darauf, konsultiert zu werden über alle Fragen der gemeinsamen Sicherheit, soweit es Fragen der gemeinsamen Sicherheit im Sinne von Art. 38 des Zusatzabkommens sind. Es ist von den Alliierten bestätigt worden, daß die Konsultationen immer rechtzeitig stattgefunden haben. Das ergibt sich aus der Erklärung vom 1. Februar.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411202400
Herr Abgeordneter Erler, eine Frage.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411202500
Herr Minister, haben sich die Vorstellungen der Alliierten, von denen in der ersten Frage die Rede ist, gegen die nicht ausreichende Konsultierung durch die Bundesregierung oder gegen die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses gerichtet?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411202600
Herr Kollege Erler, ich habe ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß ich weitere Einzelheiten nicht sagen kann. Das Parlament ist über seine Fraktionsvertreter genau informiert. Genau dasselbe wird im Untersuchungsausschuß geschehen. Im übrigen bin ich gebunden an die Grenze des Art. 38.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411202700
Herr Abgeordneter Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411202800
Warum, Herr Minister, wurde dann, obwohl Ihnen bekannt ist, daß die Vorstellungen sich nur gegen die Nichtkonsultierung durch die Bundesregierung gerichtet haben, in der Pressemitteilung des Innenministeriums die Sache so dargestellt, als handle es sich um eine Vorstellung gegen den Untersuchungsausschuß?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411202900
Herr Kollege Erler, ich kann Ihre einschränkende Darstellung nicht bestätigen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411203000
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411203100
Herr Minister, sind Sie bereit, Ihre hier in großer Zahl anwesenden Mitarbeiter zu fragen, ob und in welcher Weise am 24. bzw. 25. Januar eine Unterrichtung der Alliierten oder ein Gespräch mit den Alliierten über den Verlauf der Sitzungen des zweiten Untersuchungsausschusses stattgefunden hat?

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist keine Frage! — Abg. Lemmrich: Ausgerechnet der! — Abg. Wehner: Was heißt „Ausgerechnet der"? Sagen Sie einmal, was Sie von dem Parlament denken und was hinter diesem Zwischenruf steckt! Was heißt denn das? Ist das in Ordnung, Herr Präsident? —Weitere Zurufe und Gegenrufe.)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 143

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411203200
Herr Kollege Wehner, es tut mir leid, ich kann Zwischenrufe dieser Art nicht unterbinden. Sie sind nicht gegen die Geschäftsordnung und sind nicht gegen den parlamentarischen Brauch.

(Abg. Wehner: Bewußt beleidigend und diffamierend!)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411203300
Herr Kollege Jahn, ich werde veranlassen, daß Ihnen eine genaue und ergänzende Information auf demselben Wege zugeht, wie sie den Fraktionen durch den Herrn Bundestagspräsidenten bereits zugegangen ist.

(Zuruf von der SPD: Warum erst jetzt?)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411203400
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411203500
Herr Minister, können Sie dem Hause bestätigen, daß der Inhalt Ihres Briefes vom 28. Januar in keiner Weise der Pressemitteilung vom 28. Januar gerecht wird?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411203600
Ich kann das nicht bestätigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411203700
Sind Sie bereit, den VS-Vermerk

(Unruhe bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Die vierte Frage!)

aufzuheben, damit die Öffentlichkeit sich selbst ein Bild machen kann, ob die Veröffentlichung Ihres Hauses und Ihr Brief einander entsprechen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411203800
Im Untersuchungsausschuß wird die Materie eingehend besprochen werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411203900
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann kommen wir zu Frage 2 — des Abgeordneten Müller-Emmert — auf Drucksache IV/1889:
Welche Gründe haben das Bundesinnenministerium veranlaßt, Mitteilungen über angebliche Bedenken, Vorstellungen oder Proteste gegen die „sehr weitgehende Erörterung ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit" durch den 2. Untersuchungsausschuß den Nachrichten-Agenturen dpa, AP und UPI zuzuleiten?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411204000
Der Schritt der beiden Botschaften erschien mir bedeutsam genug, die Öffentlichkeit in vorsichtiger Form zu unterrichten. Die Motive, die mir öffentlich unterschoben worden sind, waren für mich nicht maßgebend.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411204100
Eine Zusatzfrage!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411204200
Herr Minister, trifft es zu, daß der Sprecher Ihres Ministeriums am Dienstag, dem 28. Januar 1964, zunächst eine Presseagentur gebeten hat, keine Quellenangabe für die strittige Mitteilung zu machen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411204300
Ich habe meinen Beamten angewiesen, in vorsichtiger Form mit einem einzigen Satz diese Mitteilung zu machen. In welcher technischen Ausführung das im einzelnen abgelaufen ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411204400
Noch eine Frage!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411204500
Eine weitere Frage, Herr Minister. Würden Sie mir vielleicht später noch einmal schriftlich Mitteilung darüber machen, ob der Sprecher Ihres Ministeriums tatsächlich darum gebeten hat, daß keine Quellenangaben gemacht werden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411204600
Ich werde den Fall prüfen und werde Sie schriftlich verständigen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411204700
Herr Abgeordneter Dr. Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411204800
Herr Minister, zu welchem Zeitpunkt hat sich das Ministerium zu dieser Presseverlautbarung bekannt, nachdem es sonderbarerweise als Quelle nicht genannt werden wollte?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411204900
Das Ministerium, soweit es von mir zu vertreten ist, hat sich niemals von dieser Presseveröffentlichung weggeleugnet.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411205000
Nochmals Herr Dr. Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411205100
Herr Minister, wie vereinbaren Sie es denn mit dieser Antwort, daß der Beamte Ihres Ministeriums, der diese Nachricht an die Presseagenturen gegeben hat, ausdrücklich darum gebeten hat, daß das Ministerium nicht als Quelle genannt wird?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411205200
Ich kann die Frage erst nach Prüfung beantworten.

(Abg. Dr. Schäfer: Da sind Sie aber gut vorbereitet !)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411205300
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Heinemann.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0411205400
Herr Höcherl, warum ist diese Mitteilung nicht über das Bundespresseamt gegeben worden und in schriftlicher Form wie sonst üblich?

(Abg. Dr. Barzel: Fragen an „Herrn Höcherl" sind nicht zulässig! Es kann nur die Bundesregierung gefragt werden! — Gegenruf von der SPD: Er kann doch als Minister antworten!)

5144 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411205500
Der Herr Minister antwortet!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411205600
Herr Kollege Heinemann, ich habe mich über diesen Vorgang telefonisch informiert und habe telefonisch eine Anweisung gegeben. Die Fragen werden im einzelnen noch gestellt. Die weiteren Einzelheiten des technischen Ablaufs sind mir nicht bekannt und auch in der Technik selbst nicht meine unmittelbare Aufgabe.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411205700
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Heinemann?

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0411205800
Sie haben doch mindestens nachträglich festgestellt, daß es nicht über das Bundespresseamt gelaufen ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411205900
Entscheidend ist, daß der Inhalt der Meldung richtig ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411206000
Herr Abgeordneter Erler, eine Zusatzfrage?

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411206100
Aus welchem Grunde, Herr Minister, wurde von einer vertraulichen Vorsprache oder Vorstellung der Alliierten die Öffentlichkeit so unterrichtet, daß sie nicht imstande ist,- sich über den wirklichen Inhalt dieser Vorsprache ein eigenes Bild zu machen, mit anderen Worten: aus welchem Grunde wurde die Öffentlichkeit überhaupt unterrichtet, und wenn, warum dann nur teilweise?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411206200
Ich habe soeben erklärt, daß ich den Vorgang für bedeutsam genug hielt, um die Öffentlichkeit davon zu unterrichten, daß ein solcher Schritt stattgefunden hat. Ich glaube, die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, so etwas zu erfahren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Aber dann richtig! — Abg. Schmitt-Vockenhausen: Aber dann richtig und nicht als „Persilschein"!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411206300
Wir kommen zur Frage 3 — des Herrn Abgeordneten MüllerEmmert —:
Stimmt die in Frage 2 angeführte Mitteilung des Innenministeriums mit dem tatsächlichen Inhalt der von den Botschaften an die Bundesregierung gerichteten Memoranden überein?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411206400
Die beiden Botschaften haben mündliche und schriftliche Erklärungen abgegeben, die als Ganzes anzusehen sind. Die Mitteilung des Bundesministeriums des Innern stimmt damit überein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411206500
Noch eine Frage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411206600
Eine Zusatzfrage! Herr Minister, können Sie sich daran erinnern, daß Sie gegenüber anderen Stellen erklärt haben, die Alliierten hätten lediglich an Ihrem eigenen Verhalten — ich meine Ihr Verhalten, Herr Minister — Kritik geübt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411206700
Das soll ich erklärt haben? Eine solche Erklärung ist mir unbekannt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411206800
Noch eine Frage.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0411206900
Herr Minister, als Sie erkannt hatten, daß die fragliche Presseerklärung in der Öffentlichkeit falsch, nämlich als Kritik an der Arbeit des Ausschusses, aufgefaßt wurde, warum haben Sie dann nicht veranlaßt, daß eine entsprechende Gegendarstellung in die Presse gekommen ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411207000
Herr Kollege Müller-Emmert, vor Mißdeutungen ist niemand geschützt. Auch diese Mitteilung ist nicht vor Mißdeutungen geschützt und kann nicht vor Mißdeutungen geschützt werden. Ich weiß auch, woher die Mißdeutungen kommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411207100
Herr Abgeordneter Professor Schmid.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411207200
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß es zu Ihren Pflichten gehört, wenn Mißdeutungen geschehen, diese Dinge zurechtzurücken?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411207300
Herr Kollege Schmid, ich habe eine ausführliche Orientierung der Fraktionen durch den Herrn Bundestagspräsidenten veranlaßt, eine Orientierung, die so ausführlich war wie vielleicht noch keine Information.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411207400
War diese Information, die Sie da an die von Ihnen genannten Personen gegeben haben, vertraulich gegeben, oder hatten diese Personen die Möglichkeit, öffentlich zu sagen, was sie von Ihnen erfahren haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411207500
Ich bin folgender Meinung, Herr Kollege Schmid. Alle diejenigen, die diese Informationen bekommen haben, würden die Fragen, die vorher gestellt worden sind, nicht stellen.

(Abg. Wehner: Zensor!)

— Nein, nicht „Zensor", sondern Feststellungen!

(Abg. Wehner: Ja, der „Feststeller"! Falsch stellen Sie fest!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411207600
Herr Abgeordneter Dorn, eine weitere Frage.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0411207700
Herr Minister, aus den Presseverlautbarungen ist doch erkannt worden, daß die weitgehenden Erörterungen im Untersuchungsausschuß Gegenstand der Kriktik der Alliierten gewesen sind. Haben Sie nicht erkennen können, daß sich diese
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5145
Dorn
Vorwürfe eigentlich nur gegen den von Ihnen in den Untersuchungsausschuß entsandten Ministerialdirektor richten konnten, da dieser ausdrücklich mit dem Auftrag in den Ausschuß gekommen war, diese Dinge zu verhindern, und daß der Ausschuß selbst praktisch gar nicht betroffen war? Was haben Sie unternommen, um den Alliierten zu sagen, daß dann praktisch Ihr Ministerium die Verantwortung hätte übernehmen müssen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411207800
Herr Kollege Dorn, darf ich Ihnen zwei ergänzende Gegenbeispiele liefern: Einmal wurde über die Presse das englische Formular bekannt, und zweitens wurden über die Presse die Namen von drei Angehörigen des Amtes bekannt, die geheimzuhalten sind.

(Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411207900
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dorn.

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0411208000
Herr Minister, das ist im Endergebnis aber nur eine Gegenantwort. Ich meine, die entscheidende Frage ist doch die: Es sind Vorwürfe gegen den Untersuchungsausschuß — —

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411208100
Bitte wollen Sie eine Frage stellen!

Wolfram Dorn (FDP):
Rede ID: ID0411208200
Ich habe hier keinen Spickzettel und bin auch nicht darauf angewiesen, einen Spickzettel zu haben. — Herr Minister, ich frage nur: Sind Sie auch der Auffassung, daß der Vertreter Ihres Hauses wie wir im Untersuchungsausschuß in allen Fällen, wenn der Art. 38 berührt worden ist, von sich aus sofort dafür gesorgt hat — wie der Ausschuß —, daß die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411208300
Die Pflicht zur Wahrung des Art. 38 erstreckt sich nicht nur auf den Vertreter meines Hauses, sondern auch auf alle Angehörigen des Untersuchungsausschusses.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU. — Abg. Dorn: Keine Antwort! — Zurufe von der CDU/ CSU: Doch!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411208400
Herr Abgeordneter Jahn, eine Frage.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411208500
Herr Minister, kennen Sie den Brief Ihres Hauses an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses vom 28. Januar?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411208600
Jawohl.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411208700
Und Sie behaupten, daß der darin wiedergegebene Sachverhalt eine Kritik an der Arbeit des Ausschusses wiedergibt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411208800
Das habe ich nicht behauptet.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411208900
Herr Abgeordneter Sänger, eine weitere Zusatzfrage.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0411209000
Herr Minister, ist die Mitteilung an die drei Nachrichtenagenturen in der Form eines Kommuniqués oder als eine einfache Information ausgegeben worden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411209100
Soweit ich im Bilde bin, als eine einfache Information.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411209200
Herr Abgeordneter Dr. Mommer, eine weitere Frage.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411209300
Herr Minister, wenn Ihnen bekannt ist, daß der Inhalt dieses Briefes, der eben zitiert wurde, keine Kritik an dem Untersuchungsausschuß enthält, wie konnten Sie dann zulassen, daß die Verlautbarung, die Sie vorher durch Ihre Pressestelle herausgegeben hatten, den Eindruck erweckte, daß es sich um eine Kritik nicht an der Bundesregierung, sondern am Parlament und einem Organ des Parlamentes handele?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411209400
Herr Kollege Mommer, ich habe vorhin auf die Frage des Kollegen Sänger erklärt, daß ich eine solche Behauptung nicht aufgestellt habe. Ich habe niemals erklärt, daß eine solche Kritik dieser Art stattgefunden hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411209500
Herr Abgeordneter Mommer!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411209600
Herr Minister, halten Sie sich wirklich für unschuldig daran, daß die gesamte Presse die Mitteilung Ihres Ministeriums so gedeutet hat, als gehe es um die Kritik am Parlament?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411209700
Herr Kollege Mommer, ich war sehr überrascht, daß Angehörige Ihrer Fraktion, Parteifreunde von Ihnen, an dieser mißdeutenden Auslegung wesentlich beteiligt waren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411209800
Herr Abgeordneter Erler, eine weitere Frage!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411209900
Herr Minister, wäre es nicht Aufgabe des Ministers gewesen, der einen Briefwechsel in der Hand hat, den er der Öffentlichkeit vorenthält, in Kenntnis dieses Briefwechsels dann die Öffentlichkeit aufzuklären, daß die Vorstellungen sich eben nicht gegen den Untersuchungsausschuß gerichtet haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411210000
Herr Kollege Erler, Sie unterstellen etwas, was ich hier nicht bestätigen kann. Wir alle haben — und hier in die-
5146 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Bundesminister Höcherl
sem großen Kreise noch viel mehr — Artikel 38 zu wahren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Unerhört!)


Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411210100
Herr Minister, ist Ihnen dann wenigstens bekannt — damit das mal aus der Welt kommt —, daß ich jedenfalls den Briefwechsel auch kenne, also nicht in Unkenntnis spreche?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411210200
Das ist mir bekannt.

(Abg. Erler: Danke! — Abg. Wehner: Dürfen Abgeordnete mithören, Herr Mithörminister? — Gegenrufe von der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411210300
Eine weitere Frage, Herr Abgeorneter Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411210400
Herr Minister, sind Sie bereit, die erste Frage des Herrn Abgeordneten Erler zu beantworten?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411210500
Der Abgeordnete Erler kann sie wiederholen, wenn das geschäftsordnungsmäßig zulässig ist. Darm werde ich entscheiden, ob ich sie beantworte.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe bei der SPD.)


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411210600
Herr Minister, dann wiederhole ich die Frage, damit Sie prüfen können und wir dann nachher prüfen können; was wir daraus machen, das ist dann unsere Sache.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Das ist unsere Sache, welche Folgerungen wir daraus ziehen!
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es zu den Pflichten der Unterrichtung der Öffentlichkeit gehört, bei möglichen Fehlinterpretationen klärend einzugreifen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411210700
Ich bin der Meinung, daß es eine gemeinsame Aufgabe ist und daß vor allem die eine Mitwirkungspflicht haben, die an den Fehldeutungen beteiligt waren.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Vor allem die, die den Text haben!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411210800
Noch eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen!

(Zurufe von der Mitte.)

— Nein, nein, der Herr Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen hat in dieser Runde noch keine Zusatzfrage gestellt. Ich muß das Recht eines Abgeordneten verteidigen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411210900
Wenn durch eine Veröffentlichung Ihres Ministeriums, die sich mit dem Brief deckt, wie Sie selbst gesagt haben, ein falscher Eindruck entstand, haben Sie als Chef dieses Ministeriums, das diesen falschen Eindruck durch die Veröffentlichung hervorgerufen hat, nicht die Pflicht, zur Klärung der falschen Eindrücke sachdienlich beizutragen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411211000
Herr Kollege Schmitt, die Erklärung, die auf meine Anweisung sehr vorsichtig zu formulieren war, bleibt weit hinter dem zurück, was hätte mitgeteilt werden können.

(Abg. Dr. Schäfer: Das ist doch keine Antwort! — Weitere Zurufe von der SPD: Das ist doch keine Antwort!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411211100
Eine weitere Frage!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411211200
Werden Sie heute mittag dem Ausschuß — sämtlichen Mitgliedern — das Memorandum schriftlich vorlegen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411211300
Herr Kollege Schmitt, ich habe folgende Möglichkeiten. Es ist bereits mitgeteilt worden, daß Sie, nachdem Sie über die Einzelheiten durch den Herrn Bundestagspräsidenten genau informiert worden sind, den Ausschuß über alle Einzelheiten informieren können. Das ist mir von den Herren Botschaftern gestattet. Ich bin dankbar, daß diese Aufklärungsmöglichkeit besteht.

(Abg. Dr. Schäfer: Schriftlich vorlegen!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411211400
Sie haben keine Frage mehr.
Herr Abgeordneter Sänger, eine Zusatzfrage.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0411211500
Herr Minister, würden Sie erwägen, daß drei unabhängig voneinander arbeitende und auch sonst unabhängig tätige Nachrichtenagenturen drei im Text völlig übereinstimmende Nachrichten bringen, denen dann unterstellt wird, die Nachrichten gäben Anlaß zu Mißdeutungen und Fehlinterpretationen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411211600
Herr Kollege Sänger, ich glaube, die ganze Streitfrage kann einfach gelöst werden, indem ich hier ganz verbindlich als meine Auffassung vom ersten bis zum letzten Zeitpunkt in dieser Phase erkläre: Die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses, sich mit den deutschen Angelegenheiten zu befassen, ist und war niemals Gegenstand der Kritik, weder von der alliierten noch von unserer Seite.

(Abg. Erler: Oh! Warum dauert das so lange?)

— Das habe ich x-mal schon erklärt; Sie wollen es
nur nicht zur Kenntnis nehmen. Aber bereits — —

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Erler: Das ist völlig neu! Das ist völlig neu!)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5147

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411211700
Keine weitere Frage mehr.

(Abg. Erler: Rückzug auf der ganzen Linie!)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411211800
Herr Kollege Erler, — —

(Glocke des Präsidenten.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0411211900
Wir kommen zur nächsten Frage. Frage 4 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Aus welchen Gründen hat der Herr Bundesinnenminister das Schreiben an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses vom 28. Januar 1964 für „vertraulich" erklärt?
Höcherl: Bundesminister des Innern: Das Schreiben an den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vom 28. Januar 1964 enthielt einige Einzelheiten, die nach der Überzeugung des Bundesministeriums des Innern vertraulichen Charakter hatten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411212000
Eine weitere Frage.—
Zu dieser Frage?

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Ja!)

Bitte, Herr Abgeordneter.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411212100
Herr Minister, trifft es zu, daß das Schreiben deshalb für vertraulich erklärt wurde, weil die vom Innenministerium am Vormittag herausgegebene Mitteilung durch die Memoranden und den Brief nicht gedeckt war?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411212200
Nein.

(Zuruf von der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411212300
Herr Minister, sind Sie bereit, jetzt den „VS-Vertraulich"-Vermerk aufzuheben, damit die deutsche Öffentlichkeit weiß, was Sie geschrieben haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411212400
Die deutsche Öffentlichkeit dürfte in der Zwischenzeit durch die verschiedenen Verlautbarungen, vor allen Dingen auch der Alliierten, vollständig im Bilde sein.

(Lachen bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411212500
Eine Zusatzfrage. Herr Professor Schmid.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411212600
Herr Minister, wäre es nicht besser, statt Andeutungen zu machen und sich darauf zu verlassen, daß die Öffentlichkeit schon wohl unterrichtet sein werde, sie schlicht zu unterrichten, indem man ihr zu lesen gibt, was geschrieben worden ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411212700
Herr Kollege Schmid, ich bin nicht frei in dieser Frage, weil ich jeweils Konsultationen vorzunehmen und Erlaubnis einzuholen habe. Aber der Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen ist genauso wie ich über alle
Einzelheiten informiert, und ich bin sehr überrascht,. daß er diese Frage noch aufrechterhalten hat.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411212800
Eine weitere Frage des Abgeordneten Dr. Schmid.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0411212900
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß „Öffentlichkeit" doch ein umfassenderer Begriff ist, als sie durch die Person des Vorsitzenden eines Ausschusses dargestellt wird?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411213000
Herr Kollege Schmid, ich habe vorhin erklärt, daß die unmittelbare und eigentliche Aufgabe des Untersuchungsausschusses, die Rechtslage und die tatsächliche Lage wegen der deutschen Verhältnisse zu prüfen, von niemandem angefochten wurde. Ich habe aber außerdem an zwei Beispielen erklärt, welche anderen Punkte besprochen wurden und zur Kenntnis der Öffentlichkeit kamen, in Zeitungen dargestellt wurden, und zwar Dinge, über die wir nicht verfügen können, weil sie zum alliierten Geheimnisbereich gehören und weil sie auch zum deutschen Geheimnisbereich gehören. Das sind doch Dinge, die in der Frankfurter Rundschau vom 17. Januar dargestellt worden sind, öffentlich. Darum dreht es sich doch und nicht um die eigentliche verdienstvolle Aufklärungstätigkeit des Ausschusses.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411213100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411213200
Herr Minister, wenn es so ist, wie Sie sagen — daß der Inhalt nunmehr doch bekanntgeworden ist —,

(Abg. Dr. Barzel: „Wenn es so ist?" ? — Zuruf von der SPD.)

— Geduld, Herr Barzel, nicht so nervös! —

(Abg. Dr. Barzel: Sie fangen mit einer Unterstellung an! Das ist doch eine Unterstellung!)

sind Sie dann bereit, die Alliierten zu bitten, Ihnen die Zustimmung dazu zu geben, daß Sie den Text des Memorandums veröffentlichen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411213300
Herr Kollege Mommer, ich bin sehr gern bereit, bei den Alliierten ein solches Ersuchen vorzulegen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411213400
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Erler.

(Abg. Dr. Barzel: Sind Sie [nach links] bereit, den Ausdruck „Abhörminister" zurückzunehmen?)


Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411213500
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß der von Ihnen erwähnte Gegenstand — es handelt sich um ein gewisses Formular — vor Monaten schon in der Presse veröffentlicht worden ist, bevor es überhaupt den Untersuchungsausschuß gab?
5148 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitiung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411213600
Nein! Daß es ein Formular gab; aber nicht der Inhalt.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Auf welches Hühnerauge hat da einer getreten?)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411213700
Keine weitere Frage.
Frage 5 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Wie verträgt sich der Vermerk „vertraulich" auf dem Brief an den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses vom 28. Januar 1964 mit der Tatsache, daß über die gleiche Materie vom Bundesinnenministerium Mitteilungen an die Öffentlichkeit gegeben wurden?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411213800
Mein in der Presse gegebener Hinweis konnte offen erfolgen, weil er sich auf eine knappe Kennzeichnung des alliierten Schrittes beschränkte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411213900
Eine Zusatzfrage?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411214000
Herr Minister, wer trägt denn die Verantwortung dafür, daß der Öffentlichkeit in der Pressemitteilung eine andere Darstellung gegeben wurde als die in dem Brief, wie Sie ja vorhin selbst hier gesagt haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411214100
Herr Kollege Schmitt, wenn Sie behaupten sollten, daß sich inhaltlich diese beiden Dinge unterscheiden sollten, und zwar in der Form, daß das eine dem anderen widersprechen sollte, dann hätten Sie sich sehr geirrt und getäuscht.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411214200
Noch eine zweite Frage!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411214300
Haben Sie, Herr Minister, das aber nicht selbst vorhin gesagt?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411214400
Nein.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: So? — Dann müssen Sie es im Protokoll nachlesen!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411214500
Herr Abgeordneter Schäfer!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411214600
Herr Minister, gelten die Bestimmungen der Geheimhaltung auch für denjenigen Minister, dessen Haus den Geheimhaltungsgrad bestimmt hat?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411214700
Herr Kollege Schäfer, wir brauchen uns gegenseitig keine Belehrung über die Vorschriften der Geheimhaltung zu erteilen.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411214800
Ich habe gefragt und habe Sie nicht belehrt. Ich habe noch keine Antwort auf meine Frage, Herr Präsident.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411214900
Ich habe genau begründet, warum wir das eine offen und warum wir das andere vertraulich herausgegeben haben, und ich glaube, die Begründung reicht aus.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411215000
Ich kann dem Herrn Minister die Form der Antwort nicht vorschreiben, Herr Abgeordneter Schäfer.

(Abg. Dr. Schäfer: Aber mir steht es auch frei, meine Frage noch einmal zu stellen!)

— Das steht Ihnen frei, soweit Sie noch eine zweite Frage haben.

(Abg. Dr. Schäfer: Ja, ich habe noch eine zweite Frage, Herr Präsident!)

— Bitte!'

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411215100
Herr Minister, gelten die Geheimhaltungsbestimmungen auch für die Minister, gelten sie auch für diejenigen Beamten, die den Geheimhaltungsgrad bestimmen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411215200
Für alle Beteiligten, nicht nur für die Minister, sondern für alle Beteiligten, auch für das Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Dr. Schäfer ,(SPD) : Danke schön.


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411215300
Herr Abgeordneter Heinemann!

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0411215400
Wenn die Veröffentlichung und der Inhalt des Schriftstückes sich decken, wie konnte dann die Veröffentlichung trotz des Geheimhaltungsgebotes erfolgen?

(Große Heiterkeit bei der SPD.)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411215500
Herr Kollege Heinemann, das ist nur äußerlich gesehen und dem Ton nach — —

(Erneute große Heiterkeit bei der SPD.)

- Herr Präsident, ich bitte mir Gelegenheit zu geben, die Frage zu beantworten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411215600
Sie haben die Gelegenheit, Herr Minister.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411215700
Nein, ich habe nicht die Gelegenheit, weil die linke Seite des Hauses mir keine Gelegenheit gibt.

(Anhaltendes Lachen bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411215800
Auf der linken Seite des Hauses ist das Lachen nicht verboten, ebensowenig wie es irgendeiner anderen Seite verboten ist, Beifall zu spenden.

(Zurufe von der Mitte.)

— Entschuldigen Sie, ich muß hier jetzt dringend darum bitten, nicht etwa noch meine Geschäftsführung in Zweifel zu ziehen,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 149

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411215900
Nein, Herr Präsident, das liegt mir völlig fern. Ich möchte die Frage beantworten.

(Abg. Dr. Barzel: Wehner vorhin!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411216000
Darauf komme ich noch zurück. Das ist aber meine Sache.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411216100
Herr Präsident, es liegt mir fern, Ihre Geschäftsführung zu beanstanden, Das steht mir nicht zu, das steht niemandem im Hause zu. Ich möchte die Frage beantworten.
Herr Kollege Heinemann, die beiden Mitteilungen, die eine in dem vertraulichen Brief und die andere in der öffentlichen Mitteilung, widersprechen sich nicht. Aber die eine ist nur ein ganz spärlicher Ausschnitt von dem, was in der vertraulichen Mitteilung in Einzelheiten dargestellt wird.

(Abg. Dr. Dr. Heinemann: Herzlichen Dank!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411216200
Herr Abgeordneter Mommer, eine Zusatzfrage!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411216300
Herr Minister, als der für Fragen der Geheimhaltung zuständige Minister würden Sie also meinen, daß die Bestimmungen über die Geheimhaltung durchbrochen werden können in Teilen des Schriftstückes, auf das man den Stempel „Vertraulich" setzt?

(Abg. Wehner: Etwas außerhalb der Geheimhaltung! — Heiterkeit.)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411216400
Herr Kollege Mommer, ich glaube, daß die Geheimhaltungsbestimmungen in diesem ganzen Vorgang nicht verletzt worden sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411216500
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411216600
Wer ist verantwortlich dafür, daß aus einem 'geheimzuhaltenden und als solches gekennzeichneten Dokument überhaupt Teile der Öffentlichkeit unterbreitet worden sind?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411216700
Herr Kollege Erler, im Innenministerium gibt es keine geteilte Verantwortung, sondern die Verantwortung trage ich.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411216800
Wir kommen zur Frage 6 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Wer trägt die Verantwortung für die Mitteilung des Bundesinnenministeriums vom 28. Januar 1964 an die Öffentlichkeit und für den Inhalt dieser Mitteilungen?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411216900
Ich habe die Weisung für eine vorsichtig formulierte Information der Presse gegeben und trage dafür die Verantwortung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411217000
Keine weitere Frage.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411217100
Auf die Frage 7 antworte ich mit Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411217200
Einen Augenblick! Welche Frage meinen Sie, Herr Minister?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411217300
Frage 7, Herr Präsident!

(Abg. Dr. Schäfer: Die ist noch gar nicht aufgerufen! — Abg. Wehner: Er ruft selber auf! — Heiterkeit.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411217400
Die habe ich noch gar nicht aufgerufen.
Meine Damen und Herren, ich muß hier die Fragestunde für einen Moment unterbrechen. Es ist mir gesagt worden, und ich glaube das auch mitgehört zu haben, daß der Abgeordnete Wehner in irgendeinem Zusammenhang dem Herrn Minister zugerufen hat: „Mithörminister!". Ich halte diesen Zwischenruf nicht für parlamentarisch gerechtfertigt und rufe den Herrn Abgeordneten Wehner zur Ordnung.

(Zurufe von der Mitte.)

— Es wäre gut, wenn Sie auch mit Ihren Äußerungen zurückhaltend wären.

(Abg. Dr. Mommer: Ja, ja!)

Wir kommen zur nächsten Frage. Es ist die Frage 7 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer —:
Treffen Pressemitteilungen zu, nach denen der Herr Bundesinnenminister persönlich eine Weitergabe von Mitteilungen über Bedenken, Vorstellungen oder Proteste der Alliierten gegen die „sehr weitgehende Erörterung ihrer nachrichtendienstlichen Tätigkeit" im 2. Untersuchungsausschuß telefonisch angeordnet hat?
Bitte, Herr Minister!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411217500
Die Frage 7 darf ich mit Ja beantworten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411217600
Eine Zusatzfrage.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411217700
Herr Minister, eine Frage, bloß damit ich recht verstehe, was das „Ja" in diesem Fall heißt. Heißt das also, daß Sie von Innsbruck aus die telefonische Anweisung gegeben haben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411217800
Nein, nicht von Innsbruck aus, sondern von Hause aus. Ich war noch zu Hause. Ich wurde angerufen und über den Schritt verständigt und habe dann telephonisch die Anweisung gegeben, daß in sehr vorsichtiger Form die Öffentlichkeit zu informieren ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411217900
Noch eine Frage?
5150 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411218000
Darf ich dann — nur zur Klarstellung — fragen: Herr Minister, mit wem in Ihrem Hause haben Sie telephoniert, und wem haben Sie die Anweisung gegeben?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411218100
Herr Kollege Schäfer, darauf möchte ich keine Antwort geben. Ich trage die Verantwortung für den ganzen Vorgang.

(Beifall in der Mitte.) Vizepräsident Schoettle: Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411218200
Herr Minister, da Sie — richtigerweise — die Verantwortung für das Ganze tragen, frage ich Sie: Haben Sie, nachdem Sie aus der Pressemitteilung erkennen mußten, daß zum mindesten Zweifel oder Fehlinterpretationen entstanden, von sich aus als der Verantwortliche wieder Anlaß genommen, Ihr Ministerium zu informieren, daß es eine Klarstellung herausgeben soll?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411218300
Herr Kollege Schäfer, der ganze Vorgang ist für die Darstellung in der Öffentlichkeit sehr schwierig. Sie kennen auch die Gründe dafür. Aber ich habe sofort die Organe, die dafür in Betracht kommen, vor allem den Herrn Vorsitzenden des Ausschusses und dann auch den Herrn Bundestagspräsidenten, informiert. Das scheint mir der richtige Weg in solchen Sachen zu sein.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411218400
Meine Frage ist nicht beantwortet, Herr Präsident. Ich hatte gefragt, ob der Herr Minister von sich aus wieder Kontakt aufnahm.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411218500
Ich würde es aber bei dieser Feststellung belassen.
Nächste Frage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411218600
Herr Minister, sind in Ihrem Hause Bedenken gegen diese Veröffentlichung lautgeworden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411218700
Dem Inhalt nach nicht.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411218800
Sind Bedenken der Sache nach erhoben worden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411218900
Herr Kollege Jahn, ich glaube, es ist hier nicht der richtige Platz, um Interna auszubreiten,

(Rufe von der SPD: Aha!)

sondern ich bin der Meinung: entscheidend ist, daß die Mitteilung vorsichtig, maßvoll und zutreffend war.

(Zurufe von der SPD: Und falsch! — Und irreführend!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411219000
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0411219100
Warum sind die Bedenken, die Sie hier eingeräumt haben, erhoben worden?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411219200
Ich habe nichts eingeräumt.

(Lachen bei der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411219300
Keine weitere Frage in diesem Zusammenhang?
Dann die nächste Frage, die Frage 8 — des Abgeordneten Dr. Schäfer —:
Aus welchen Gründen wurde die Öffentlichkeit zunächst allein, der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses verspätet und der Präsident des Deutschen Bundestages zunächst nicht über den Schritt der Alliierten betreffend nachrichtendienstliche Tätigkeit informiert?
Höcherl: Bundesminister des Innern: Die Öffentlichkeit und der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses wurden am selben Tag unterrichtet. Der Schriftverkehr zwischen dem Bundesminister des Innern und dem Untersuchungsausschuß hat sich bisher unmittelbar abgewickelt. Daher unterblieb die Unterrichtung des Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages. Ich bin indessen dafür dankbar, daß der Herr Präsident die Angelegenheit an sich gezogen hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411219400
Eine weitere Frage Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411219500
Herr Minister, sind der Präsident des Bundestages und der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses nunmehr zu diesem Zeitpunkt vollständig unterrichtet?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411219600
Ich möchte das annehmen, Herr Schäfer.

(Zurufe von der SPD: Na, na! — Was heißt das? — Abg. Jahn: Ja oder nein!)

— Herr Jahn, Sie können mich nicht zwingen zu der Antwort „Ja" oder „Nein". Ich kann nur folgendes sagen. Ich war nicht dabei, ich war nicht anwesend bei der Unterrichtung;

(Zurufe von der SPD: Ach!) ich hatte aber keine Zweifel — —


(erneute Zurufe von der SPD)

aber ich hatte keine Zweifel darüber, daß der Herr Präsident des Bundestages die Gegebenheiten — die Unterlagen, die wir ihm gegeben haben, waren erschöpfend — erschöpfend weitergegeben hat.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411219700
Eine zweite Frage, Herr Abgeordneter Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411219800
Herr Minister, hätte es nicht die Loyalität gegenüber dem Parlament verlangt, in erster Linie den Präsidenten und den Untersuchungsausschußvorsitzenden zu informieren, ehe
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5151
Dr. Schäfer
Sie eine mißverständliche Pressenachricht herausgaben?

(Zurufe von der Mitte.)


Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411219900
Ich habe schon erklärt: die Pressemitteilung war nicht mißverständlich, sondern sie ist mißdeutet worden.

(Zustimmung in der Mitte.)

Zweitens ist der Verkehr zwischen dem Ausschuß und den jeweiligen Ressorts immer unmittelbar gewesen. Ich bin froh, daß sich bei dieser Gelegenheit der Herr Präsident eingeschaltet hat, und zwar auf seine eigene Initiative. So war der Vorgang. Danach habe ich mich gerichtet,

(Abg. Dr. Schäfer: Nein, Sie haben nicht — —)

es sind keine Rechte des Parlaments verkürzt worden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411220000
Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter Schäfer, es gibt hier keine Kommentare.
Eine Frage? — Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411220100
Herr Minister, ist Ihnen aus der Sachdarstellung in Ihrem Hause bekannt, daß die Pressemitteilung am 28. vormittags gegeben wurde und daß erst auf Grund von Rückfragen, die ich veranlaßt habe, Ihr Haus mir im Laufe des Nachmittags eine schriftliche Mitteilung hat zukommen lassen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411220200
Der zeitliche Ablauf dürfte so gewesen sein.

(Rufe von der SPD: Aha!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411220300
Keine weitere Frage. Dann rufe ich die Frage 9 — des Abgeordneten Erler — auf:
Hält die Bundesregierung die Weitergabe vertraulicher Anfragen von Botschaften befreundeter Mächte an die Öffentlichkeit für vertretbar?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411220400
Herr Kollege Erler, diese hypothetische Frage beantworte ich generell dahin, daß die Bundesregierung die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie die Öffentlichkeit unterrichtet, nur von Fall zu Fall treffen kann. Im vorliegenden Fall verweise ich auf die Beantwortung der Frage 5 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411220500
Ich nehme an, daß die Antwort der Frage Nr. 9 galt, die von Herrn Abgeordneten Erler gestellt worden ist.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411220600
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411220700
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Erler: (SPD): Ja. Vizepräsident Schoettle: Bitte.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411220800
Herr Minister, ist Ihnen aufgefallen, daß die von den Pressestellen der beiden beteiligten Botschaften herausgegebenen Mitteilungen in der Sache nicht mit der Verlautbarung des Bundesinnenministeriums übereinstimmen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411220900
Ich weiß nicht, welche Verlautbarungen Sie meinen. Die letzte Verlautbarung ist am 1. Februar, glaube ich, von den beiden Botschaften und von den beteiligten Ressorts herausgegeben worden. Das steht keineswegs in Widerspruch zu dem, was das Bundesinnenministerium verlautbart hat; die Verlautbarung des Bundesinnenministeriums dürfte eher zurückbleiben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411221000
Bitte, Herr Erler!

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411221100
Herr Minister, ist Ihnen noch in Erinnerung, daß die Verlautbarung des Bundesinnenministeriums geeignet war, den Eindruck zu erwekken, als ob die Alliierten Vorstellungen gegen die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses erhoben hätten? Die Mitteilung der britischen Botschaft lautet wörtlich:
Wir haben keinen Protest und keine Beschwerde gegen die Arbeit des Bundestagsuntersuchungsausschusses vorgetragen; Wir wären die letzten, die sich in die Untersuchung eines parlamentarischen Ausschusses einmischen würden.
Die Mitteilung der amerikanischen Botschaft lautet:
Wir haben keinen Protest gegen die Arbeit des Untersuchungsausschusses eingelegt.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411221200
Ich darf zur Aufklärung die Verlautbarung verlesen, die von den beiden Botschaften und von den zuständigen Ressorts am 1. Februar gegeben wurde und die zweifellos Ihre ganzen Fragen sehr einfach klären wird. Es heißt dort:
Vertreter der amerikanischen und der britischen Botschaft einerseits und Vertreter der Bundesregierung andererseits haben über die Zusammenarbeit zwischen alliierten und deutschen Dienststellen auf dem Gebiet der Sicherheit konsultiert. Sie stellten fest, daß Äußerungen früherer Angehöriger des Bundesamtes für Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit und in öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages u. a. den Anlaß zu den Aide-mémoires der britischen und der amerikanischen Botschaft und der jetzigen Konsultation gegeben haben.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Das ist die offizielle Mitteilung. Ich meine, sie ist eindeutig genug.
5152 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411221300
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter?

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411221400
Habe ich noch eine dritte Zusatzfrage?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411221500
Ja.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0411221600
Ist Ihnen aufgefallen, Herr Minister, daß sich auch aus dieser Verlautbarung eindeutig ergibt, daß nicht die Arbeitsweise des Ausschusses kritisiert worden ist?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411221700
Herr Kollege Erler, ich habe mich schon wiederholt zur Arbeitsweise des Ausschusses geäußert. Das ist seine Aufgabe, die ist absolut unbestritten. Es geht darum, ob im Rahmen dieser Verhandlungen Mitteilungen gemacht worden sind, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Das ist der Kern, der wird hier dargestellt, wird auch beanstandet, leider mit Recht.

(Beifall in der Mitte.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411221800
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. .Schäfer.

(Zuruf von der Mitte: Einer gibt es dem anderen weiter!)


Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411221900
Herr Minister, wie erklären Sie es sich dann, daß der Staatssekretär von Hase in einer offiziellen Pressekonferenz von einer Abschwächung durch die Alliierten sprechen mußte?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411222000
Ich weiß nicht, ob er das getan hat und warum er es getan hat, aber ich sehe zwischen dem, was das Innenministerium verlautbart hat, und dem, was offiziell hier mitgeteilt worden ist, keine Abschwächung, sondern eine Verdeutlichung und eine Verstärkung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411222100
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0411222200
Also ist nach Ihrer Auffassung die Erklärung des Herrn von Hase unrichtig?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411222300
Herr Kollege Schäfer, diese Frage steht damit nicht in Zusammenhang. Ich weigere mich, eine solche Erklärung abzugeben, und zwar deswegen, weil ich gar nicht weiß, was er erklärt hat. Sie behaupten einfach, er hätte das so gesagt Das ist für mich kein Evangelium.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411222400
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0411222500
Herr Minister, ergibt sich nicht aus dem letzten von Ihnen vorgevorgetragenen Kommuniqué, das Sie gemeinschaftlich mit den Alliierten am 1. Februar gegeben haben und das der Herr Kollege Rasner dankenswerterweise triumphierend mit in die Sitzung bei dem Herrn Präsidenten bringen konnte, daß die Kritik sich gegen das Innenministerium und gegen den Mann des Innenministeriums richtet, der an 'den Sitzungen teilgenommen hat?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0411222600
Herr Kollege Schmitt, ich glaube, Sie ziehen einseitige Schlußfolgerungen. Ich ziehe sie' insgesamt, ohne jemanden in Schutz zu nehmen, sondern ich sage: insgesamt. Der Wortlaut ist ganz deutlich, und da war es unverkennbar. Ich weiß nicht, warum Sie ihn so einseitig auslegen.

(Abg. Horn: Weil es ein Komplott ist!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411222700
Noch eine Frage? — Keine weitere Frage.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministers erledigt.
Wir kommen zur Drucksache IV/1884, und zwar zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Fragen VII/1, VII/2 und VII/3 — des Herrn Abgeordneten Reichmann — sind vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe Frage VII/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Ramminger — auf:
Kann die Bundesregierung schon Angaben machen über die Höhe der in den Jahren 1962 und 1963 eingegangenen Abschöpfungsbeträge für Einfuhren von Agrarprodukten, die Gemeinschaftsregelungen unterliegen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesernährungsminister.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411222800
Ich erlaube mir, die Frage wie folgt zu beantworten. Die kassenmäßigen Einnahmen an Abschöpfungen, die bei der Einfuhr der den Gemeinschaftsregelungen unterliegenden Waren nach dem Abschöpfungserhebungsgesetz erhoben wurden, beliefen sich in der Zeit vom 30. Juli bis 31. Dezember 1962 auf 214,2 Millionen DM und in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1963 auf 700,8 Millionen DM.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411222900
Herr Abgeordneter Ramminger zu einer Zusatzfrage?

Dr. August Ramminger (CSU):
Rede ID: ID0411223000
Herr Minister, können Sie angeben, wie hoch das Aufkommen an Abschöpfungsbeträgen bei Einfuhren aus Drittländern war?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411223100
Aus den Drittländern sind eingegangen an Abschöpfungen für Getreide 344 Millionen DM, Schweinefleisch 31 Millionen DM, Eier 46 Millionen DM, Geflügelfleisch 96 Millionen DM. Das bezieht sich auf die Zeit ab 1. Januar 1963.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5153

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411223200
Noch eine Frage? —
Dann kommt die Frage VII/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Ramminger —:
Wie wurden die in den Jahren 1962 und 1963 eingegangenen Abschöpfungsbeträge für Einfuhren von Agrarprodukten, die Gemeinschaftsregelungen unterliegen, verwendet?
Bitte, Herr Minister.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411223300
Die Abschöpfungsbeträge werden im Bundeshaushalt bei Kap. 1003 Tit. 67 vereinnahmt und zur allgemeinen Ausgabendekkung verwendet. Sie sind also allgemeine Dekkungsmittel des Bundeshaushalts.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411223400
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Dr. Ramminger.

Dr. August Ramminger (CSU):
Rede ID: ID0411223500
Herr Minister, darf man also nach Ihren Angaben feststellen, daß die verschiedentlich in Presse- und Rundfunkkommentaren aufgestellte Behauptung, es seien schon zig Millionen deutsche Gelder den französischen Bauern zugeflossen, jeder Grundlage entbehren?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411223600
In dieser Form entbehren sie der Grundlage. Es ist jedoch so, daß wir über den Agrarfonds zunächst für die nächsten drei Jahren nach einem bestimmten Schlüssel Mittel für verschiedene Zwecke in den verschiedenen Ländern mit geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411223700
Keine weitere Frage.
Die Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Dröscher — ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe Frage VII/7 — des Herrn Abgeordneten Saxowski — auf:
Treffen die Presseberichte zu, wonach im vergangenen Jahr Rindfleischkonserven, die aus Reservebeständen der Einfuhr- und Vorratsstelle turnusmäßig zu einem Einzelhandelspreis von 1,20 DM je Dose an den Einzelhandel abgegeben wurden, anfangs von diesem zu 1,45 DM, später zu 1,60 DM bis 1,70 DM und Ende vergangenen Jahres zu 2,18 DM verkauft wurden?
Bitte, Herr Minister, wollen Sie antworten?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411223800
Die Presseberichte treffen nur im ersten Teil zu. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat in den Jahren 1961 bis 1963 Rindfleischkonserven zum Preise von 1,20 DM je 400-gr-Dose abgegeben. Der Handel hat diese Dosen zum Kleinverkaufspreis von rund 1,45 DM verkauft. Dieser Preis ging erst nach Beendigung der Abgabe durch die Einfuhr- und Vorratsstelle im Frühjahr 1963 auf 1,60 bis 1,70 DM hinauf.
Der von Ihnen genannte Preis von 2,18 DM ist der Durchschnittspreis von 58 vergleichbaren Rindfleischkonserven, den die Einfuhr- und Vorratsstelle bei. Testkäufen im Dezember 1963 ermittelt hat. Es handelt sich hierbei nicht um den Kleinverkaufspreis von Rindfleischkonserven der Einfuhr- und Vorratsstelle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411223900
Keine Zusatzfrage.
Wir kommen zu Frage VII/8 — des Herrn Abgeordneten Saxowski —:
Was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, um bei der bevorstehenden Vorratswälzung derartige, in Frage VII/7 geschilderte Preisauftriebe zu verhindern?
Bitte, Herr Minister.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411224000
Es ist aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich, die Abnehmer der Konserven der Einfuhr- und Vorratsstelle beim Weiterverkauf an einen Festpreis oder Höchstpreis zu binden. Die Einfuhr- und Vorratsstelle wird die Rindfleischkonserven zu einem Preis von 1,25 DM je Dose abgeben. Nach den Erfahrungen der letzten Auslagerungsaktion sollte der Kleinverkaufspreis 1,50 DM nicht überschreiten dürfen. Das Bundesernährungsministerium hat die Öffentlichkeit durch Pressemitteilungen entsprechend aufgeklärt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411224100
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schmidt!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411224200
Herr Minister, können Sie uns die Versicherung abgeben, daß Sie diese Preise auch in Zukunft in der Öffentlichkeit kontrollieren werden?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411224300
Wir haben keine Möglichkeit, eine Kontrolle im echten Sinne durchzuführen. Wir haben nur die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, daß die Öffentlichkeit selber die Dinge kontrolliert, indem wir den Einstandspreis der Öffentlichkeit hinreichend bekannt machen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411224400
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt!

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411224500
Herr Minister, Sie haben aber gerade gesagt, daß Sie Tests in bezug auf die Preise vorgenommen hätten! Warum wollen Sie das nicht auch in Zukunft tun?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411224600
Herr Kollege Dr. Schmidt, wir können, wie ich ausführte, keinen Preisaufdruck anbringen lassen. Wir können lediglich für eine Veröffentlichung in der Richtung sorgen, daß die Abgabepreise bekannt werden und dementsprechend den Käufern bewußt wird, welches ein angemessener Verkaufspreis ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411224700
Herr Abgeordneter Frehsee zu einer Zusatzfrage!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0411224800
Herr Minister, läßt es sich mit den 'kartellrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbaren, daß Sie die Konservenbüchsen etikettieren und aufdrucken lassen: Unverbindlicher Richtpreis soundsoviel?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411224900
Das ist ein Grenzfall. Es ist
5154 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Bundesminister Schwarz
zum Teil, so sagen Juristen, denkbar, so zu verfahren. Es bestanden aber rechtliche Bedenken, überhaupt mit derartigen Preisaufdrucken zu arbeiten, und so haben wir uns auf das andere Verfahren geeinigt, nämlich der Publikation des Abgabepreises.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411225000
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Frehsee!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0411225100
Herr Minister, wären Sie, wäre die Bundesregierung nicht der Meinung, daß im Interesse der Verbraucher dieser Weg vorzuziehen, die Etikettierung der Preise wirksamer wäre? Sollte die Bundesregierung nicht — wenn erforderlich – die kartellrechtliche Genehmigung dazu einholen?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411225200
Soweit ich im Bilde bin, Herr Kollege Frehsee, kommt eine solche Genehmigung nur für Markenartikel in Betracht, nicht aber für eine Ware, die wie im vorliegenden Fall nicht Markenartikel im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411225300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kurlbaum!

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0411225400
Herr Minister, sind Sie bereit, die Rechtsfrage, ob ein solcher Aufdruck möglich ist, genau zu klären und dem Hause eine endgültige Stellungnahme zuzuleiten?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411225500
Ich bin gern bereit, eine derartige Prüfung vorzunehmen. Ich möchte nur nicht, daß durch eine solche Prüfung die Auslagerung in irgendeiner Form hintan gehalten wird. Wir möchten die Aktion aus vielerlei Gründen in Gang setzen. Ich bin aber gern bereit, Ihnen dieserhalb eine schriftliche Mitteilung zu geben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411225600
Keine weiteren Zusatzfragen?
Ich rufe die von dem Herrn Abgeordneten Leicht gestellte Frage VII/9 auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, das Forschungsinstitut für Rebenzüchtung, Geilweilerhof bei Siebeldingen, als wissenschaftliches Institut dem an der landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim errichteten neuen Lehrstuhl für Weinbau zuzuordnen?
Die Frage wird vom Herrn Abgeordneten Gibbert übernommen.
Bitte, Herr Minister!

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411225700
Die Bundesregierung beabsichtigt nach wie vor, das von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung getragene, aber aus Bundesmitteln voll finanzierte Forschungsinstitut für Rebenzüchtung Geilweilerhof bei Siebeldingen unter Umwandlung in eine Bundesforschungsanstalt in die Bundesverwaltung zu übernehmen. Die seit langem schwebenden Verhandlungen sollen abgeschlossen werden, sobald das Gutachten des Wissenschaftsrates vorliegen wird, dessen Arbeitsgruppe 12 im Rahmen der Überprüfung der hochschulfreien Forschungseinrichtungen diese Frage aufgegriffen hat. Der Wissenschaftsrat wird sein Gutachten voraussichtlich in Kürze abgeben.
Die in der Frage erwähnte Absicht, das Forschungsinstitut für Rebenzüchtung dem Lehrstuhl für Weinbau an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Stuttgart-Hohenheim zuzuordnen, wird dem Vernehmen nach von den Regierungen der Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg verfolgt. Der Bundesregierung ist ein derartiger Vorschlag bisher nicht unterbreitet worden. Sollte dies geschehen, so wird sie prüfen, ob der Vorschlag geeignet ist, die wissenschaftliche Arbeit des Instituts zum Nutzen des deutschen Weinbaus zu fördern. Auf alle Fälle wird sie den Haushaltsausschuß des Hohen Hauses, in dem diese Angelegenheit schon mehrfach behandelt worden ist, von allen geplanten Maßnahmen rechtzeitig unterrichten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411225800
Keine Zusatzfrage mehr.
Ich rufe die Frage VII/10 — des Abgeordneten Dr. Rinderspacher — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die EWG-Kommission die Zahl der Handelsplätze erheblich zu verringern trachtet, was z. B. die Aufhebung der Südbadischen Interventionspunkte Bad Krozingen, Donaueschingen und Stockach zur Folge hätte?
Bitte, Herr Minister.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411225900
Die von Ihnen erwähnten Vorschläge der Kommission über die Bestimmung der Handelsplätze sind in dem Kommissionsentwurf einer Verordnung des Rates über die Festsetzung der Getreidepreise für das Wirtschaftsjahr 1964/65 und die Bestimmung der Handelsplätze enthalten, der dem Bundestag als Teil der Drucksache IV/1705 vorliegt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411226000
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage VII/11 — des Abgeordneten Dr. Rinderspacher — auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes und der Badischen Landwirtschaftlichen Zentralgenossenschaft, daß durch die Aufhebung der Interventionspunkte die Erzeugerpreise zusätzlich um 2 DM je 100 kg gedrückt werden?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411226100
Bei der Beurteilung der Frage, welche Auswirkungen die Verringerung der Zahl der Handelsplätze haben würde, ist die Gesamtheit der vorgesehenen Interventionsmaßnahmen zu beachten. In diesem Rahmen dürften nachteilige Auswirkungen für die landwirtschaftlichen Erzeuger zu befürchten sein. Welches Ausmaß diese nachteiligen Auswirkungen insbesondere für den südbadischen Raum haben würden, läßt sich zur Zeit noch nicht voll übersehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411226200
Eine Zusatzfrage!
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5155

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0411226300
Herr Minister, wie erklären Sie sich dann die Berechnungen des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes bzw. der Zentralgenossenschaften, die so exakte Angaben — wie Verteuerung von 2 DM je 100 kg — gemacht haben?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411226400
Ich weiß nicht, auf welcher Basis die Errechnungen in diesem Fall vorgenommen wurden. Es ist aber im Grundsatz richtig, daß sich aus dem Verfahren Ermäßigungen der Preise ergeben würden. Nur über die Höhe der Ermäßigung dieser Preise für die Erzeuger liegen noch keine genauen Grundlagen in der Errechnung vor.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411226500
Ich rufe die Frage VII/12 — die letzte Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher — auf:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die in Frage VII/10 genannte Aufhebung der Handelsplätze in Südbaden zu verhindern?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411226600
Eine Verminderung der Interventionsorte gegenüber der bisherigen Zahl, wie es die Vorschläge der Kommission vorsehen, steht im Augenblick nicht zur Erörterung, da die Vorschläge der Kommission von der Bundesregierung für 1964/65 als unannehmbar bezeichnet worden sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411226700
Zu einer Zusatzfrage, bitte.

Dr. Fritz Rinderspacher (SPD):
Rede ID: ID0411226800
Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Ihr Ministerium keine Möglichkeit sieht, diese Aufhebung der Handelsplätze zu verhindern?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411226900
Eine Möglichkeit, sie zu verhindern, besteht nicht. Vielleicht aber besteht eine Möglichkeit — der wir nachgehen werden —, die Nachteile zu vermindern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411227000
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft rufe ich die Frage VI/4 — des Herrn Abgeordneten Kurlbaum — auf:
Hält die Bundesregierung die angekündigte Erhöhung der Margarinepreise und die von der Margarineindustrie gegebene Begründung für berechtigt?
Diese Frage wird vom Herrn Bundesernährungsminister beantwortet.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411227100
Hierzu darf ich •folgendes sagen. Die Bundesregierung hält eine Erhöhung der Margarinepreise nicht für gerechtfertigt.
Erstens. Die Belastung der Margarineindustrie durch die Rübölbeimischung beträgt in diesem Jahr etwa 15,3 Millionen DM gegenüber 14,4 Millionen DM im Vorjahr. Diese geringe Mehrbelastung wirkt sich auf den Margarinepreis nur mit zwei Zehnteln Pfennig je Kilo Margarine .aus.
Zweitens. Bei dem Margarinerohstoffpreis ist im Vergleich zu ,dem absoluten Tiefstand im Herbst 1962 lediglich ein geringes Ansteigen festzustellen. Die Rohstoffpreise liegen zur Zeit jedoch niedriger als im Durchschnitt der Jahre 1961 und 1962.
Drittens. Wie in allen Zweigen der Wirtschaft haben sich die Löhne auch in der Margarineindustrie erhöht. Dem stehen die jahrelange rückläufige Entwicklung der Rohstoffpreise und insbesondere das extreme Absinken im Jahre 1962/63 sowie die Maßnahmen auf dem Gebiet der Rationalisierung und Automatisierung in der Margarineindustrie entgegen. Dadurch dürfte die durch die Lohnerhöhung eingetretene Mehrbelastung auszugleichen sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411227200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kurlbaum!

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0411227300
Herr Minister, welche Schritte gedenkt die Bundesregierung in dieser Angelegenheit zum Schutze des Verbrauchers zu tun?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411227400
Die Bundesregierung hat nur mäßige Möglichkeiten, hier einzugreifen. Nach § 20 des Milch- und Fettgesetzes besteht die Möglichkeit, daß der Bundesminister für Ernährung im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft die Preise für Speisefette, damit also auch für Margarine, regelt. In Abs. 4 dieses Paragraphen heißt es:
Preise und Preisspannen sind nur festzusetzen, soweit dies erforderlich ist, um eine angemessene Preisgestaltung sicherzustellen.
Die Bundesregierung wird selbstverständlich sehr genau prüfen, ob Preisregelungen getroffen werden müssen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411227500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kurlbaum!

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0411227600
Herr Minister, sind Sie auf Grund der Sachlagen, die Sie eben geschildert haben, nicht auch der Auffassung, daß eine Reform. des Kartellgesetzes, insbesondere des § 22, dringend erforderlich ist, um auch in Zukunft auf Grund der Bestimmungen des Kartellgesetzes gegen willkürliche Preiserhöhungen marktbeherrschender Unternehmen einschreiten zu können?

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411227700
Das war eine lange Frage, Herr Kollege Kurlbaum!
Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und 'Forsten: Herr Kollege, das ist eine Angelegenheit, die insonderheit meinen Kollegen, den Herrn Wirtschaftsminister, betrifft. Ich bin selbstverständlich bereit, in der Richtung zu wirken, daß ungerechtfertigte Preissteigerungen — auch mit den von Ihnen genannten Mitteln — verhindert werden können.
5156 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411227800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen) !

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411227900
Herr Bundesminister, trifft es zu, daß die Differenz zwischen den Rohstoffkosten je Kilo Margarine und dem Verkaufspreis je Kilo Margarine in der Bundesrepublik dreibis viermal so hoch ist wie z. B. in unserem Nachbarland Holland?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411228000
Ich kann darüber im Augenblick keine genaue Auskunft geben, Herr Dr. Schmidt. Ich darf Ihnen nur den immer wieder erwähnten Einwand wiedergeben, daß unsere Qualitäten erheblich über den Qualitäten der Nachbarländer liegen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411228100
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Schmidt.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0411228200
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, die von mir angeschnittene Frage einmal in Ihrem Hause überprüfen zu lassen und der 'Öffentlichkeit die Zahlen bekanntzugeben?

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0411228300
Ich bin sehr gern bereit, die Dinge einmal überprüfen zu, lassen. Ich behalte mir vor, die entsprechenden Folgerungen daraus zu ziehen, und bin selbstverständlich bereit, Ihnen die Ergebnisse der Überprüfung mitzuteilen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411228400
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist die Fragestunde beendet. Die restlichen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Diätengesetz 1964) (Drucksache IV/1893).
Das Wort hat 'der Herr Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier.
D. Dr. Gerstenmaier, Präsident des Deutschen Bundestages: Meine Damen und Herren! In diesen Tagen hat Bismarck — nicht der Kollege, sondern der Kanzler — manchen ganz neuen Verbündeten und Nacheiferer gewonnen, mindestens in der Sache, die hier von mir zu vertreten ist. 1871 hat sich die Mehrheit des Deutschen Reichstages, eben neu zusammengetreten, für Diäten ausgesprochen. Der Reichskanzler Bismarck war dagegen, und er hat gesiegt. Er war eher bereit, diesem neu gewählten Reichstag das allgemeine Wahlrecht zuzugestehen, was in der damaligen Zeit allerhand besagte. Aber er war auf keinen Fall gewillt, Diäten zu akzeptieren. Warum? Meine Damen und Herren, aus einem ganz einfachen Grund: er zielte auf das Honoratiorenparlament; die Habenichtse, die wollte er nicht haben. Oder anders gesagt: Auch mit seiner
Stellungnahme in der Diätenfrage wollte Bismarck selbstverständlich aus politischen Gründen einen bestimmten Einfluß auf die politische Zusammensetzung des Reichstags nehmen. Es versteht sich ganz von selbst und bedarf gar keines weiteren staatsbürgerlichen Unterrichts, daß ein in der Gestalt der parlamentarischen Demokratie verfaßter Rechtsstaat, der im Zeichen der Rechtsgleichheit aller seiner Staatsbürger steht, alles Mögliche tun muß, um seinen gleichberechtigten wählbaren Bürgern nicht nur das nominelle Recht, sondern auch die praktische Möglichkeit zu geben, das erlangte Mandat wirksam wahrzunehmen. Einer ähnlichen Einsicht konnte sich schließlich selbst der Reichstag der Kaiserzeit nicht mehr entziehen. Deshalb wurden 1906 die Diäten im Reichstag eingeführt.
Genau aus dem gleichen Grunde, meine Damen und Herren, bestimmt das Grundgesetz in Art. 48 Abs. 3:
Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung.
So weit so gut, werden die vernünftigen unter den Kritikern der Vorlage sagen, die zu vertreten ich die Ehre habe.
Aber sie werden dann fortfahren, mir mindestens dreierlei vorzuhalten, nämlich erstens, daß die derzeitigen Bezüge der Bundestagsabgeordneten, wenn nicht überhaupt schon zu hoch, so doch mindestens angemessen seien. Zweitens werden die ganz Tiefblickenden sagen: Ja und außerdem geht es überhaupt nicht mit rechten Dingen zu; denn diese Bezüge sind ja steuerfrei. Und drittens kommen die Weitsichtigen und sagen: Wozu denn und was überhaupt? Die Abgeordneten nehmen ein Ehrenamt wahr, und Ehrenämter sollen oder müßten nebenamtlich verwaltet werden. Außerdem seien die Abgeordneten in Wirklichkeit ja gar nicht oder nur zum geringsten Teil auf Diäten und Sach- und Unkostenentschädigungen angewiesen.
Meine Damen und Herren, die Debatte der letzten Tage in der Öffentlichkeit hat mir gezeigt, daß es nicht gut ist, diese Vorwürfe und Einwände zu ignorieren. Aber es wäre ein Armutszeugnis für dieses Haus, wenn man sich diesen Vorwürfen nicht frei, offen und genau stellen würde, und das gedenke ich zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und SPD.)

Zum ersten Vorhalt: Ich räume ein, daß man verschiedener Meinung darüber sein kann, was denn, in Mark und Pfennig ausgedrückt, heute eine angemessene Entschädigung für den Bundestagsabgeordneten ist. Das zu sagen ist auch deshalb schwierig, weil die Gewohnheiten, die Ansprüche, der Lebensstil und die Arbeitsweise der Abgeordneten tatsächlich weit auseinandergehen. Das kann im übrigen gar nicht anders sein und soll auch gar nicht verborgen werden. Denn in diesem Haus — und damit komme ich zu einem Kardinalsatz —, ist und soll vertreten bleiben das deutsche Volk in der Vielfalt seiner Berufe, seiner Einkommensschichten, Begabungen und Charaktere. Es ist klar, daß bei so
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
großen Verschiedenheiten auch die Vorstellungen über das, was als angemessene Entschädigung gelten soll, recht verschieden sein können.
Das Grundgesetz hat jedoch in drei Worten eine lapidare Richtschnur dafür gegeben: Angemessen ist für den Bundestagsabgeordneten — so will es der Art. 48 des Grundgesetzes —, was seine Unabhängigkeit sichert. „Sichert" heißt es dort. Ich fürchte, daß, wenn an dieser Bestimmung unser Diätengesetz — in seiner Struktur übrigens und nicht nur in seinen tatsächlichen materiellen Bestimmungen und Leistungen — streng gemessen wird, es auch morgen noch, d. h. wenn diese Vorlage angenommen wird, beträchtlich hinter dem zurückbleibt, was das Grundgesetz in Wirklichkeit meint. Ich kann mich jedenfalls nicht zu der Überzeugung durchringen, daß bei den heutigen Verhältnissen in Deutschland die Grundentschädigung von 22,5 % eines Ministergehalts gleich zur Zeit 1360 DM einem Mann, der sich alle vier Jahre zur Wahl stellen soll und dem vom Bundestag weder Pension noch Altersversorgung zugebilligt wird, tatsächlich die Unabhängigkeit sichert — ich betone: sichert —, auf die er nach dem Grundgesetz einen Anspruch hat. Hier liegt, wie ich glaube, die Grundschwierigkeit unserer ganzen seitherigen Diätenordnungen. Dieser Ansatz ist zu niedrig, jedenfalls wenn er das leisten soll — ich sage es noch einmal —, was das Grundgesetz will und was auch im Interesse der Urteilskraft und der Unabhängigkeit dieses Parlaments nun einmal notwendig ist.
Wer heute die Zusammensetzung des Bundestags in dieser oder jener Richtung manipulieren möchte, dem steht neben der üblichen politischen Auseinandersetzung und dem Machtkampf der Parteien vor allem die unentwegte Kritik an der Höhe der Diäten zu Gebote. Wer will, daß ganze Gruppen von Bürgern praktisch um die Möglichkeit gebracht werden, in diesem Hause mitzuwirken, der braucht nur mit beharrlicher Energie gegen die Diäten oder gegen die sogenannten „ zu hohen Diäten" zu wettern. Vielleicht macht das dann auch auf den und jenen in diesem Haus einen gewissen Eindruck. Aber ich bin gewiß, daß sich eine große Mehrheit dieses Hauses über solche Anfechtungen hinwegsetzt und bei der Entscheidung, die uns in dieser Sache abverlangt ist, nicht nur daran denkt, was gerade populär ist oder was der einzelne materiell braucht, sondern daß er daran denkt, was wir unabhängig von unserer Person und persönlichen Vermögenslage dem Mandat als solchem schuldig sind; denn, meine Damen und Herren, dem Mandat und seiner Verwirklichung gilt die ganze Diätenordnung und nicht der Bereicherung oder der Verarmung der Männer und Frauen, die es bekleiden. Man wird nicht Bundestagsabgeordneter, um reich zu werden. Man wird es allerdings auch nicht, um seine materielle Existenzgrundlage zu verlieren. Man wird Bundestagsabgeordneter, um eine in der parlamentarischen Demokratie unerläßliche öffentliche Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen, und dazu, gerade dazu bedarf es der gesicherten Unabhängigkeit, von der das Grundgesetz spricht.
Es wird also, um es hart zu sagen, angestrebt, daß kein Mitglied dieses Hauses in die Verlegenheit gebracht werden kann, sich von irgend jemandem kaufen zu lassen oder irgend jemandem aus finanziellen Gründen hörig zu werden bei dem, was ihm hier im Blick auf das Wohl des ganzen Volkes und nicht nur einzelner Teile und Gruppen abverlangt wird. Das ist der harte Kern der ganzen Diätenordnung. Das ist ihre moralische Substanz, die Substanz, die in dem Artikel 48 des Grundgesetzes steckt.
Ich weiß auch, daß die moralische Qualität und der Rang des Abgeordneten nicht von seinen Diäten abhängen. Aber die Moral des Staates und der Rang einer parlamentarischen Demokratie verlangen, daß anständige und verantwortungsvolle Arbeit auch im Parlament anständig entschädigt wird und daß kein Abgeordneter zwangsweise unfairen materiellen Pressionen ausgesetzt wird.
Faßt man das ins Auge, dann wandert der Blick freilich noch einmal kritisch zurück auf die Prozentzahl: 22,5% eines Ministergehalts gleich zur Zeit 1360 DM ohne Pension und Altersversorgung. Denn alle anderen Bezüge der Abgeordneten sind nur Ersatz für ihre Sachaufwendungen und Unkosten. Das muß endlich einmal gewußt und realisiert werden, auch außerhalb dieses Hauses.

(Beifall.)

Vergegenwärtigt man sich das, dann werden Situationen verständlich, in denen sich — ich kann mich in der ersten Reihe ruhig von rechts nach links und von links nach rechts umsehen, es wird überall das gleiche sein — Parteivorstände, Fraktionschefs und andere Leute, die sich in besonderer Weise für das Funktionieren und die Verwirklichung unseres freiheitlichen Rechtsstaats engagieren müssen, oft genug befinden.
Zwei Beispiele. Vor kurzem besuchten mich die Vertreter der Parteileitung eines Wahlkreises, Männer und Frauen, die 1965 einen neuen Kandidaten aufstellen müssen. Der Mann, den sie für die Kandidatur gewinnen möchten, ist auch nach meiner Überzeugung — ich kenne ihn — in persönlicher und sachlicher Hinsicht besonders gut für ein Bundestagsmandat geeignet. Ich wurde gebeten, mit dem Mann zu sprechen, um ihn für die Kandidatur zu gewinnen. Er zeigte sich nicht nur aufgeschlossen, sondern er suchte selbst mit nach einem Weg, um der Bitte entsprechen zu können. — Um es kurz zu machen: die Sache ist gescheitert. Sie ist gescheitert an der Einbuße an Einkommen und an dem wahrscheinlichen Verlust seiner Altersversorgung, den er bei dem Eintritt in den Bundestag riskiert hätte. Es handelt sich dabei keineswegs um einen der Ärmsten der Armen, sondern um einen Mann, der zu einer gehobenen Gehaltsklasse gehört, der aber einfach auf sein Gehalt und die damit verbundene Altersversorgung angewiesen ist und angewiesen bleibt.
Ein anderes Beispiel. Unter den vielen Papieren, die mir in diesen Tagen in der Diätenfrage wieder zugegangen sind, habe ich auch die Aufstellung der fixen Ausgaben eines Mitglieds des Hauses
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
studiert. Dabei ist mir besonders eine immer wiederkehrende fixe Position von 483 DM aufgefallen, eine Position, die der nicht mehr junge Abgeordnete neben seiner Angestelltenversicherung noch deshalb bezahlen muß, weil er mit aller eigenen Kraft einigermaßen wenigstens die Altersversorgung aufrechterhalten möchte, die ihm in seinem früheren Beschäftigungsverhältnis zugestanden war und auf die er verzichten mußte, als er in den Bundestag kam.
Ich weiß natürlich — ich weiß es so gut wie irgend jemand von uns —, daß es hundert andere Fälle gibt, Fälle, in denen Mitglieder dieses Hauses, sei es dank ihrer konzilianten Firma, sei es mit der oder jener Organisation, zu weit günstigeren Abmachungen kommen konnten. Ich weiß auch, daß die im Wartestand oder im Ruhestand befindlichen Beamten, die Abgeordnete sind, im Vergleich zu den Arbeitern, den Angestellten und den freien Berufen, die hier vertreten sind, wiederum, mindestens hinsichtlich der Altersversorgung, wesentlich besser abschneiden. Die Frage ist aber erlaubt: Soll dieses Haus in Zukunft eigentlich ganz überwiegend von im Wartestand befindlichen Beamten und einigen anderen, die es sich aus anderen Gründen leisten können, besetzt sein? Mit diesen Fragen wird nicht nur an die Struktur unseres modernen Parlamentarismus gerührt, sondern hier stehen schließlich und endlich fundamentale Rechtsfagen — ich sage: Rechtsfragen — der repräsentativen Demokratie zur Debatte. Der Art. 48 des Grundgesetzes darf eben nicht nur ein schöner Grundsatz bleiben, sondern er muß durchgesetzt und er muß verwirklicht werden, und zwar nicht deshalb, damit der oder jener etwas mehr Geld bekommt oder damit das politische Engagement angemessen bezahlt wird, sondern einfach deshalb, damit das Parlament einer parlamentarischen Demokratie das bleibt, was es sein soll und was es sein muß, nämlich die Repräsentanz, und zwar die denkbar unabhängige Repräsentanz unseres Volkes in all seinen Gruppen, Schichten, Begabungen und Interessenlagen.
Ich habe zwar in keiner der zuweilen sehr irreführenden Kritiken in diesen Tagen Bismarcks Meinung wiedergefunden, daß man den Abgeordneten überhaupt keine Diäten geben solle. Aber die meisten dieser Kritiken laufen darauf hinaus, daß man den Abgeordneten geringere Diäten und jedenfalls nicht das geben soll, was ich hier auf Grund des einmütigen Beschlusses des Vorstandes des Deutschen Bundestages diesem Haus vorzuschlagen habe. Zu diesen Kritiken kann ich nur sagen, daß mir dann die Bismarcksche alles in allem genommen noch lieber ist, denn nichtausreichende Diäten führen auf die Dauer ebenso zu einer Manipulierung und zu einer untragbaren Verengung des Parlaments wie die Diätenverweigerung.
Wem es darum zu tun ist, daß in diesem Haus so, wie es die Verfassung unserer Demokratie will — und sie ist eine repräsentative Demokratie —, das ganze deutsche Volk in allen seinen Schichten vertreten ist, der muß unweigerlich ausreichende, und das heißt noch einmal: die Unabhängigkeit des Abgeordneten sichernde Diäten wollen. Wer es anders will, muß sich wenigstens darüber im klaren sein, daß er damit auf ein Parlament hinsteuert, in dem nur oder ganz vorwiegend diejenigen sitzen, für welche die Diäten in Anbetracht ihrer Vermögenslage oder anderweitiger Bezüge nichts oder wenig bedeuten, und vielleicht noch die anderen, die von so bescheidenen und so ungesicherten Einkommensverhältnissen herkommen, daß ihnen die heutigen Diäten trotz der Unsicherheit der Wiederwahl und des Fehlens einer Altersversorgung noch immer so attraktiv erscheinen, daß sie sich davon angezogen zur Wahl stellen und den Parteien anbieten. Ich aber weigere mich, meine Hand dazu zu reichen, daß durch eine aus Gründen der Popularität unzureichend verwirklichte Diätenordnung fähige und verantwortungsbewußte Bürger davon abgehalten werden, sich für ein Mandat im Herzstück unseres Staates zur Verfügung zu stellen.
Aber auch wenn diese grundsätzlichen Erwägungen gebilligt werden, bleibt noch immer die Frage offen: was ist denn nun angemessen? Der Grundbetrag unserer Diäten, die sogenannte Aufwandsentschädigung, ist in Tat und Wahrheit für einen beträchtlichen Teil der Mitglieder des Hauses lediglich ein oft bescheidener Ersatz für ihren ausfallenden Lohn oder für das ausfallende Gehalt, ein Ersatz, von dem sie mit ihrer Familie leben müssen. Ich glaube nicht, daß er bei den heutigen Verhältnissen zu hoch ist. Er entspricht den Bezügen der Eingangsstufen des höheren Dienstes, wobei aber immer wieder im Auge behalten werden muß, daß der Abgeordnete ohne Pension oder amtlich gewährte Altersversorgung bleibt.
Als zureichende Entschädigung für Verdienstausfall und andere Einbußen, wie sie die Angehörigen der freien Berufe bei Übernahme eines Bundestagsmandat oft haben, kann diese Aufwandsentschädigung in den seltensten Fällen betrachtet werden. Sie reicht zum Beispiel nicht aus, wenn Angehörige der freien Berufe, des Handwerks und der Landwirtschaft infolge ihrer Tätigkeit im Bundestag Hilfskräfte einstellen müssen. Ein Rechtsanwalt oder ein Arzt muß z. B. für eine verheiratete 'Hilfskraft der Vergütungsgruppe BAT III, 35 Jahre alt, mit zwei Kindern monatlich mindestens 1580 DM aufwenden. Hier bekommt er 1360! Selbstverständlich kann er das nur, wenn er neben seinen Abgeordnetenbezügen noch erhebliche Einnahmen hat. Wenn ein Bauer auf seinem Hof einen qualifizierten Facharbeiter, z. B. einen Melker, einstellen muß, wird er hierfür nach sachverständiger Auskunft monatlich mindestens 850 DM aufwenden müssen.

(Abg. Dr. Zimmer: Dafür kriegt man keinen!)

— Kriegt man keinen?

(Weitere Zurufe.)

— Meine verehrten Herren Kollegen, belehren Sie mich! Aber ich lasse mir nicht nachher von den Kritikern, die mit gespitzter Feder auf der Lauer liegen, sagen, daß hier wahnsinnig übertrieben werde. Also ich sage: Melker 850 DM! Sehen Sie zu, daß Sie einen solchen kriegen!

(Heiterkeit und Beifall.)

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Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ein anderes Beispiel. Ein Handwerker wird für einen qualifizierten Gesellen — ich sage jetzt vorsichtig: ebenfalls nach sachverständiger Auskunft — monatlich einschließlich der Sozialabgaben, die natürlich immer berücksichtigt werden müssen, zur Zeit etwa 1000 DM aufzubringen haben. Ich warte auf den Zuruf, daß das auch zu wenig sei. Also hier 1000 DM! In größeren Betrieben steigen die Ausgaben für eine Kraft, die einen Handwerksmeister vertritt, nach Auskunft des gleichen Sachverständigen unter Umständen bis auf das Doppelte.
Wenn es also mit der eigentlichen Grundentschädigung von 1360 DM im Vergleich mit solchen Aufwendungen so bescheiden bestellt ist, dann darf nicht auch noch der andere Teil der Abgeordnetenbezüge — nämlich die Unkosten und die Sachaufwandsentschädigung — zum Teil beträchtlich unter dem bleiben, was tatsächlich notwendig ist und ausgegeben werden muß.
Meine Damen und Herren! Mit all dem will ich nun gar nicht auf das hinaus, was auch gelegentlich an mich herangetragen worden ist und was in einigen Landtagen, wenn ich recht unterrichtet bin, immer wieder diskutiert wurde. Ich will nicht darauf hinaus — ja, ich widerrate dem —, den Gedanken der Entschädigung für den tatsächlichen Verdienst- und Gewinnausfall in die Diätenordnung dieses Hauses einzuführen.

(Zustimmung.)

Ich widerrate dem, obwohl es Argumente dafür gibt. Ich widerrate dem, weil in diesem Hause niemals nach individuellen Vermögens- oder Einkommensverhältnissen entschädigt werden kann oder entschädigt werden sollte. Denn es kann hier, wenn ich das Grundgesetz recht verstehe, überhaupt nicht auf die Einzelperson und ihre jeweiligen Verhältnisse hin gezahlt werden. Es kann — leider — auch nicht nach Leistung und persönlichem Engagement gezahlt werden, sondern es kann der Natur der Sache nach nur das Mandat selbst finanziell so ausgestattet werden, daß jeder Bürger dieses Volkes, wenn auch möglicherweise immer noch mit Einbußen oder sogar unter Opfern, die Möglichkeit hat, in Freiheit und Unabhängigkeit das Mandat. auszuüben, das ihm das Vertrauen seiner Wähler eingebracht hat.
Die Diätenbestimmung des Art. 48 des Grundgesetzes ist einfach eine zwingende Konsequenz aus dem Art. 38 des Grundgesetzes, dem Artikel, der Wesen und Auftrag des Mandats bestimmt und der den Abgeordneten — das ist keine moderne Legende, keine moderne Mythologie — von Weisungen und Aufträgen freistellt. Noch einmal, der Art. 48 unseres Grundgesetzes ist eine zwingende Konsequenz aus dem ernst zu nehmenden Art. 38 des Grundgesetzes, der Wesen und Auftrag des Mandats bestimmt.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum zweiten Einwand sagen, daß die Bezüge der Abgeordneten unverständlicherweise steuerfrei seien. Nun, meine Damen und Herren, auch in dieser Sache haben wir uns oft genug den Kopf zerbrochen. Ich kann aber im unmittelbaren Anschluß an das, was ich soeben zur grundsätzlichen Orientierung in der Diätenfrage gesagt habe, noch folgendes hinzufügen. Sobald die Bezüge der Abgeordneten versteuert werden müssen, gewinnt mindestens die Aufwandsentschädigung, also der Sockelbetrag von 1360 DM, den Charakter eines festen Gehalts. Das sollte nach meiner Überzeugung mindestens so lange vermieden werden, wie dieses Haus nicht bereit ist, dann auch mit allen Konsequenzen die Ebene zu betreten, auf der das Gehalt in unserer Zeit etabliert ist. Das heißt mit anderen Worten, mit dem Gehalt allein ist es dann nicht getan. Dann müssen auch die anderen Zulagen her, wie Wohnungsgeld, Kindergeld, Trennungsentschädigung und dergleichen, und dann muß vor allem für Pensionen oder ähnlich geartete Altersversorgungen eingetreten werden. Das hat dieses Haus aus Gründen, die von den einen gebilligt, von den anderen bedauert werden, bislang abgelehnt. Man kann zu dieser Ablehnung sagen, was man will. Aber man wird ihr zugute halten müssen, daß in ihr der Wunsch zum Ausdruck kam, den Abgeordneten nicht dem Angehörigen der Exekutive anzugleichen, sondern ihn mit allen Konsequenzen und auch finanziellen Nachteilen für viele Abgeordnete in seinem Status bewußt von der Exekutive zu distanzieren.
Es ist nicht der Wunsch des Vorstandes des Deutschen Bundestages, mit dieser Vorlage hier erneut die Frage der Altersversorgung anzusprechen. Der Bundestagsvorstand bewegt sich mit der Vorlage, die ich hier vertrete, auf der Grundlage der Entscheidung, die dieses Haus in der Sache der Altersversorgung getroffen hat, und diese Entscheidung ist bekanntermaßen ablehnend.
Ein kritisches Wort muß ich bei dieser Gelegenheit jedoch noch, meine Herren Kollegen in den ersten Reihen, an die Adresse der Parteien richten. Es gilt der einen mehr, der anderen weniger; aber es gilt allen. Ich kenne die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Parteienfinanzierung, und ich weiß, daß die Parteien vom Abgeordneten nicht nur seine Zeit und Kraft verlangen, sondern auch seine recht handfesten finanziellen Beiträge und Opfer. Aber, meine Damen und Herren, das muß in vertretbaren Grenzen bleiben. Es hat keinen Sinn, wenn die Diäten rechtlich geschützt und beim Staat nicht versteuert werden, dafür aber Parteien oder Parteigruppierungen und diese oder andere wohlmeinende öffentliche Organisationen ihre Abgeordneten in einer Weise besteuern, daß der Staat mit seinen Steuersätzen daneben zuweilen wirklich harmlos wirkt.

(Heiterkeit und Zustimmung.)

— Ja, meine Damen und Herren, ich bin hier ja immer für freie Aussprache, und ich muß mir auch einmal den Luxus der freien Aussprache selber gestatten. Davon muß ich, da ich hier so selten rede, auch einmal Gebrauch machen.

(Beifall.)

Also, meine Damen und Herren, alles was rechts und links ist, ich will hier niemand so ganz scharf ansehen.

(Heiterkeit.)

5160 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Da kommt man mit dem Blickewechsel gar nicht mehr so schnell zurecht. Aber es geht einfach zu weit, wenn ich in dem Ausgabennachweis eines Bundestagsabgeordneten — Sie sehen, ich bin mit ganz schönem Material beliefert worden, und ich habe noch viel mehr in petto, was ich hier gar nicht vortragen kann — an monatlichen Parteibeträgen allein den Betrag von 502 DM finde.

(Zurufe von der SPD.)

— Keine Aufregung!

(Erneute Zurufe.)

— Was ist das? Zuwenig? Oder zuviel??

(Zuruf von der SPD.)

— Zuwenig! Also, meine Damen und Herren, dann will ich vor allem zu dieser Seite des Hauses sagen: Hundert Jahre lang haben Sie gegen die Ausbeutung gekämpft.

(Schallende Heiterkeit und Beifall.)

— Ja — —

(Erneut einsetzender Beifall.)

— Aber Vorsicht! Ich kenne auf der anderen
Seite auch noch Parteien; für die gilt das gleiche.

(Erneute Heiterkeit.)

Aber Sie, die gegen die Ausbeutung im besonderen
gekämpft haben, Sie kann ich nur fragen: Sind Sie
denn jetzt im zweiten Jahrhundert müde geworden?

(Große Heiterkeit.)

Nun, meine Damen und Herren, ich in meiner Naivität gehe davon aus, daß diese 502 Mark monatlich einen Betrag darstellen, Herr Kollege Brese, der an der oberen Grenze liegt,

(erneute Heiterkeit)

an der oberen Grenze dessen liegt, was MdBs von Partei wegen und von anderen — ich sage es noch einmal — ganz wohlmeinenden und nützlichen Organisationen so still abverlangt wird. Aber ich weiß ganz gut, daß es auch sonst recht massive Dauerforderungen solcher Art gibt. Das — ganz ernsthaft —, meine Damen und Herren, geht so nicht weiter! Jedenfalls ist die mit dieser Vorlage beabsichtigte Verbesserung nicht für die Parteikassen gedacht. — Der Herr Bundesinnenminister ist im Augenblick nicht zugegen.

(Zuruf von der SPD: Er erholt sich!)

Herr Vizekanzler, ich würde mir erlauben, die Grundsätze, die ich hier vertrete, als bescheidene Meditation zu einem demnächst zu erwartenden Parteiengesetz der Regierung zu offerieren.

(Stellvertreter des Bundeskanzlers Dr. Mende: Ich ;werde es übermitteln, Herr Präsident!)

— Ich danke vielmals.
Ich meine nur, daß über die Parteien und die Parteienfinanzierung in diesem Hause demnächst gesprochen werden muß. Das ist auch ein unpopuläres Thema; aber, meine Damen und Herren, das wird uns auch nicht geschenkt. Mit den Diäten der
Abgeordneten ist jedoch das Problem der Parteienfinanzierung — das ist der harte Kern, in den ich meine Bemerkungen zusammenfassen kann — einfach nicht zu lösen, und so darf es nicht gelöst werden; die Diäten müssen auch in diesem Sinne und gegenüber dieser Seite geschützt sein.
Nun schließlich zum letzten Kardinaleinwand! Er bezieht sich darauf, daß die Bundestagsabgeordneten ja doch schließlich und endlich ein Ehrenamt wahrnehmen, das sie nebenamtlich verwalten sollten. Wissen Sie, als Bissmark den Reichstagsabgeordneten die Diäten im stolzen Jahr 1871/1872 verweigerte, tagte der Deutsche Reichstag einsgesamt zusammenhängend; dann war es abgemacht — drei Monate im Jahr. Herr Kollege Struwe, das wäre so etwas für uns: Sie würden auf den Acker und ich würde auf die Jagd gehen,

(Heiterkeit)

selbstverständlich zusammen mit dem Kollegen Deist und einigen anderen; denn die grüne Farbe ist hier viel stärker vertreten, als die meisten meinen.

(Heiterkeit.)

So war das jedenfalls einmal: Insgesamt drei Monate, schön zusammenhängend. Da wußte die Mutti, wo der Vater ist, nämlich in Berlin, und voller Respekt hat man im Wahlkreis das zur Kenntnis genommen — voller Respekt! - und hat nicht geschrien: „Wann kommt denn endlich unser Abgeordneter wieder?", wie das heutzutage üblich ist, wo die Leute ganz vergessen, daß sie doch eigentlich Ab-geordnete haben, die sie expreß fortschicken nach Bonn. Statt dessen höre ich immer wieder: „Ich muß jetzt endlich in den Wahlkreis!", weil man sich dort angewöhnt hat, zu fragen: „Warum ist er nicht im Wahlkreis?"
Nun, damals war das viel einfacher: drei Monate hat der Deutsche Reichstag im Jahre 1872, also in seinem Beginn, getagt. Neun Monate im Jahr konnten die Mitglieder des Hauses ihrem Beruf und ihrem Amt nachgehen. Unter solchen Verhältnissen ist es statthaft, das Amt eines Abgeordneten als Ehren- und Nebenamt anzusprechen. Der Deutsche Bundestag hat in den Jahren von 1950 bis 1963 durchschnittlich zwei- bis dreimal mehr Zeit von seinen Abgeordneten in Anspruch genommen.
Daneben aber — und das muß man wissen, meine Damen und Herren — müssen die gewaltigen Wandlungen struktureller, gesellschaftlicher und politischer Art ins Auge gefaßt werden, die, alles zusammengenommen, eine wesentliche Steigerung des physischen und geistigen Engagements, mindestens des Parlamentariers im öffentlichen Leben, außerhalb des Parlaments, zur Folge haben. Man muß das ins Auge fassen. Es ist einfach nicht wahr, wenn man mir vorrechnet, daß der Bundestagsabgeordnete nur während einiger Tage in der Woche hier zu sein habe und daß nicht wenige sich auch dann noch davor drückten. Wahr ist vielmehr — der Saal mag besetzt sein, wie er will, heute haben wir nun einmal kein Fernsehen; heute ist Freitagmorgen und welche Besetzung! —,

(Heiterkeit)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5161
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
daß sich kein Parlamentarier von einigem Rang und von einiger Bedeutung heute in Deutschland über mehrere Legislaturperioden hinweg ernstlich zu halten vermag, wenn er sich nicht über die von außen gar nicht einzusehende Arbeit in diesem Hause hinaus unablässig auch in der Öffentlichkeit in einer Weise engagiert, die mir offen gestanden allmählich zuviel wird. Entschuldigen Sie sich nicht zuviel, wenn Sie einmal irgendwo absagen, meine Damen und Herren! Es hat gar keinen Zweck. Wissen Sie, wieviel Tote wir bisher in dieser Legislaturperiode beigesetzt haben? — Genausoviel, wie wir in der Vergangenheit im Schnitt in einer Legislaturperiode gehabt haben: gegen 25. Natürlich werden wir alle älter. Das ist auch ein Grund. Aber immerfort und immerfort: 10, 12, 15, 16, 20 Jahre öffentlicher Einsatz mit meist rigoroser Abnutzung - das ist der andere.
Auch auf die Gefahr hin, daß ich mir den Ärger aller möglichen nützlichen und verdienten Organisationen und Tagungsgremien zuziehe, muß ich darauf hinweisen, daß die Inanspruchnahme und der Verschleiß des Bundestagsabgeordneten außerhalb des Parlaments und der parlamentarischen Tätigkeit in der modernen Demokratie auf Grenzen stößt. Herr Kollege Dr. Lohmar hat neulich einmal in seinen gesellschafts- und zeitkritischen Analysen ein ausgezeichnetes Wort gebraucht; er hat von der „modernen Tagungsdemokratie" gesprochen. Nun, die Inanspruchnahme des Parlamentariers, der ein strenges Mandat korrekt wahrnehmen soll, stößt in der modernen kultivierten Tagungsdemokratie allmählich auf eherne und ernste Grenzen.

(Beifall.)

Bei all dem rede ich gar nicht von den unabweisbaren Verpflichtungen in den Wahlkreisen und auch in den Verbänden, die in der pluralistischen Gesellschaft der Gegenwart nicht ignoriert werden können, sondern dazugehören, und denen sich der Abgeordnete selbstverständlich bei dieser Verfassung unserer modernen Gesellschaft stellen muß. Ich sage nur, daß schon die geistige und die rednerische Vorbereitung bei der Wahrnehmung seiner parlamentarischen Arbeit die Kraft eines Abgeordneten auch dann nahezu hundertprozentig in Anspruch nimmt, wenn er weiß, daß er nicht auf jedem Gebiet ein Experte ist, und wenn er nicht den Ehrgeiz des Dilettanten hat, zu jeder Sache, die verhandelt wird, das Wort zu nehmen. Wenn er sich nur in seinem besonderen Arbeitsgebiet, in seinem Ausschuß und in seinem Arbeitskreis, in den entsprechenden Gruppen seiner Partei und des öffentlichen Lebens hinreichend einsetzt, so bedeutet das, daß der Abgeordnete, jedenfalls als Mitglied dieses Hauses, durchweg in einem Maße beansprucht wird und seine Kraft und Zeit in einer Form engagiert sind, die es jedenfalls nicht mehr erlauben, von nebenamtlichem Ehrenamt 2u reden. Man mag das bedauern oder nicht; es ist so, und wir haben keine Macht, es grundstürzend zu ändern.
Lassen Sie mich nach diesen Bemerkungen zu den drei Kardinaleinwendungen gegen diese Vorlage noch folgendes sagen. Erstens. Wie Sie sehen, handelt es sich in dieser Vorlage nicht darum, einfach — wie ein paar ganz fixe Dösköpfe gesagt und geschrieben haben — die Diäten zu verdoppeln oder ähnliches. Es geht auch nicht darum, die — ich sage es mit Bewußtsein — problematische Struktur unserer Diätenordnung, Herr Kollege Zoglmann, auf eine neue Grundlage zu stellen. Darum geht es nicht, man könnte sagen: leider nicht, sondern es geht einfach um die gesetzliche Korrektur einiger Dinge, die auf jeden Fall geändert werden müssen, selbst dann, wenn man die mit dieser Vorlage verbundene Absicht, die ich ganz offen ausspreche, das Tagegeldpauschale von zur Zeit 500 DM auf 1000 DM monatlich zu erhöhen, nicht annehmen will. Auch wenn man bei den bisherigen Sätzen bleiben will, muß diese Vorlage so, wie sie jetzt vorliegt, angenommen werden. Denn diese Vorlage hat den Zweck, aus dem Diätengesetz absolute Zahlen der Entschädigung zu entfernen und die Unkostenerstattung, die den Mitgliedern dieses Hauses zusteht, in Zukunft mit den Haushaltsberatungen zu verbinden, was uns zweckmäßiger und richtiger zu sein scheint.
Der Bundestagsvorstand ist jedenfalls von der Überzeugung ausgegangen, daß das richtig ist, selbst wenn man jetzt bei den seitherigen Sätzen der Sach- und Unkostenentschädigung bleiben wollte. Der Vorstand des Deutschen Bundestages als zuständiges Beschlußgremium des Hauses schlägt Ihnen also nicht eine Änderung der Aufwandsentschädigung vor, die von Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes gedeckt wird. Er beschränkt sich darauf, Ihnen vorzuschlagen — ich sage es noch einmal —, im Rahmen der Haushaltsberatungen das Tagegeldpauschale auf 1000 DM monatlich zu erhöhen.
Dafür gibt es, wie ich glaube, zwei zwingende Gründe. Der eine ist folgender. Das Tagegeld ist seit dem Bestehen des Bundestages, also seit Herbst 1949, unverändert geblieben. Es beruht auf einem Ansatz von 30 DM Tagegeld einschließlich Übernachtungsgeld. Daß die Entwicklung in unserem Land, aber auch in der gesamten übrigen Welt diese Ansätze längst überholt und illusorisch gemacht hat, ist zwar bedauerlich, aber wir können es nicht ändern.
Die Erhöhung des Tagegeldpauschales ist zweitens insbesondere auch deshalb unerläßlich, weil es in der jetzigen Höhe vielen Mitgliedern des Hauses nicht ermöglicht, ihren zweiten Wohnsitz in Bonn, die Trennung von der Familie und die damit verbundenen Mehrkosten tatsächlich zu bestreiten. Sie müssen deshalb dafür die ohnehin zu knapp bemessene Aufwandsentschädigung von 1360 DM, die für die Versorgung der Familie und für ihre eigene Grundausstattung bestimmt ist, mit heranziehen. Damit aber entsteht eine Verklemmung, die auch nach meiner eigenen Überzeugung, ich bekenne das offen, unhaltbar ist.
Drittens. Die Unkostenpauschale für Sekretariate und Büroausgaben bleibt in Höhe von 600 DM ebenso unverändert wie die Reisekostenentschädigung. Ich bin mir bewußt, daß auch über die Unkostenpauschale für Sekretariat, Büro usw. von 600 DM viel und lange und mit triftigen Gründen
5162 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
geredet werden könnte: daß sie nämlich unzureichend ist. 600 DM, — überlegen Sie sich das!
In diesem Zusammenhang müssen Sie mir als Chef der Verwaltung dieses Hauses eine Bemerkung erlauben. Ich kann Ihnen nicht in Aussicht stellen — es tut mir schrecklich leid —, daß Sie aus Ihren Schwierigkeiten, Schreibkräfte, d. h. noch im vertretbaren Rahmen bezahlte Schreibkräfte zu erlangen, mit Hilfe dieses Hauses in der nächsten Zeit nennenswert rasch herausgebracht werden. Es gelingt mir einfach nicht, mit den Sätzen, an die wir in der Verwaltung gebunden sind, der Konkurrenz — jedenfalls hier im Raum Bonn — standzuhalten bei der Gewinnung von hinreichend qualifizierten Schreibkräften, wie wir sie in diesem Hause brauchen. Es tut mir deshalb leid, sagen zu müssen: was Ihnen dieses Haus geben kann, sind keine Schreibkräfte, wohl aber etwas mehr Geld, — auch dann, wenn soundso viele Leute dann wieder zetermordio schreien. So ist die Situation. Solange Sie auf ein Büro angewiesen sind — und das braucht ein Abgeordneter, der sein Mandat ernst nehmen will —, darf man das nicht verweigern.
Obwohl wir uns also der Problematik dieser Position, der 600 DM Unkostenentschädigung, durchaus bewußt sind, hat der Bundestagsvorstand geglaubt, es bei der Erhöhung der Tagegeldpauschale bewenden lassen zu sollen.
Viertens. Der Erhöhung des Tagegeldpauschales entspricht eine Erhöhung der Abzüge bei Fehlen an Präsenztagen. Der Bundestagspräsident muß natürlich bei den Entschuldigungen einen relativ strengen Maßstab anwenden. Ich bringe noch einmal den geschätzten Mitgliedern des Hauses in Erinnerung, daß nach unser aller Überzeugung die Teilnahme an Sitzungen dieses Hauses jeder anderen noch so anständigen, noch so Einsicht erheischenden Verpflichtung vorgeht. Man kann mir also nicht kommen und sagen, daß jemand eine zwingende und dringend Verpflichtung in seinem Wahlkreis hat. Ich bedaure sehr, ich kann ihn dann nicht kostenfrei von der Teilnahme an den Sitzungen dieses Hauses freistellen. Es ist die Ordnung des Hauses, daß die Teilnahme an amtlichen Sitzungen hier unter allen Umständen anderen Verpflichtungen vorgeht.

(Beifall.)

Es fällt natürlich schwer ins Gewicht, wenn das unentschuldigte Fehlen hundert Mark kostet; das ist mit der Vorlage verbunden. Hundert Mark an einem Tage verlieren, weil man einer dringenden anderen Verpflichtung entsprechen will, gegenüber der der Bundestagspräsident geltend machen m u ß — denn er darf nicht tun, was er will —, daß die Teilnahme an der Sitzung hier vorgeht, — das ist hart. Diese Konsequenzen müssen hingenommen werden.
Außerdem bringt die Vorlage eine gewisse Veränderung der Todesfallversicherung. Sie soll so umgestaltet werden, daß sie unter gewissen Voraussetzungen für ein Mitglied auch dann bestehenbleibt, wenn es aus dem Hause ausgeschieden ist.
Zum Schluß meiner langen Rede noch ein kurzer Blick auf die Frage, ob nicht der Deutsche Bundestag am Ende, alles zusammengenommen, im Vergleich zu anderen Parlamenten doch ganz exzessive Ansprüche stellt, die in schreiendem Gegensatz zu der vor diesem illustren Gremium immer wieder vertretenen — und auch von mir gebilligten — Mahnung zum Maßhalten steht. Nun, ich habe vor mir einen Bericht der Financial Times vom 18. Mai 1963 liegen. Dort sind die Bezüge der Abgeordneten in zehn Ländern einander gegenübergestellt. Ich habe gar keinen Anlaß, diesem Bericht einer hochseriösen ausländischen Zeitung zu mißtrauen. Was ergibt sich aus ihm für den Deutschen Bundestag? Nun, lesen Sie es nach; es handelt sich, wie gesagt, um die Financial Times vom 18. Mai 1963. Da steht schlicht, daß die Bundesrepublik bei den aufgeführten zehn Ländern mit den Aufwendungen für ihre MPs, für ihre 'Bundestagsabgeordneten und ihr Parlament an siebenter Stelle rangiert.
,Die Aufwendungen des deutschen Volkes für sein Bundesparlament betrugen nach einer Veröffentlichung des Deutschen Industrieinstituts vom 27. September 1963 75 Pf pro Kopf der Bevölkerung. Dieser Betrag steigt allerdings — ich kann es nicht ändern — durch die mit dieser Vorlage beabsichtigte Diätenerhöhung um 5 Pf pro Kopf der Bevölkerung. Damit liegen die Aufwendungen des deutschen Volkes — soweit es frei ist — für sein Bundesparlament, d. h. für seine in seinen eigenen Lebensfragen zur Entscheidung aufgerufene Repräsentanz bei 80 Pf pro Kopf und Jahr. Österreich zahlt 1,01 DM, Italien 1,37 DM, Norwegen 2,04 DM usw. Von einem Vergleich mit den Vereinigten Staaten von Amerika und einigen anderen Staaten der Welt sehe ich schlicht ab, nicht deshalb, weil ich diesen Vergleich zu scheuen hätte, sondern, Herr Kollege Brese, aus Gründen der uns wohl anstehenden Bescheidenheit.
Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen, diesen Gesetzentwurf dem Vorstand des Deutschen Bundestages und gemäß § 96 der Geschäftsordnung dem Haushaltsausschuß zu überweisen.

(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411228500
Damit ist die Vorlage begründet.
Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung. — Das Wort hat der Abgeordnete Brese.

(Lachen.)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0411228600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zum Sprecher der Abgeordneten machen, die auf dem Standpunkt stehen, daß Art. 48 des Grundgesetzes durch unsere bisherige Regelung erfüllt worden ist. Wir haben Bedenken, in diesem Augenblick wieder eine Erhöhung vorzunehmen. Allen ist bekannt, welche Wünsche noch unerfüllt im deutschen Volk vorhanden sind. Ich habe jedenfalls bei jeder Sitzung des Haushaltsausschusses ein lebendiges Bild von diesen Ansprüchen. Ich weiß, daß wir die Wünsche der Heimkehrer nicht befriedigen konnten, und ich weiß,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5163
Brese
daß an allen Ecken und Enden weitere Wünsche auf uns zukommen. Deshalb befürchte ich, daß wir durch die Annahme der neuen Regelung grünes Licht für all die Wünsche geben, die draußen noch vorhanden sind.
Mir ist bekannt, daß beispielsweise die Postgewerkschaft und die Eisenbahnergewerkschaften schon wieder dabei sind, ihre Tarife zu kündigen, um neue Forderungen vorzubringen, und zwar in einem Augenblick, wo doch jedem einzelnen bekannt ist, daß beide Unternehmen mit Defizit arbeiten und beide Unternehmen auf die Bundeskasse angewiesen sind. So könnte ich Ihnen noch viele Wünsche sagen, die draußen offen sind.
Ich spreche zu Ihnen hier als Bauer. Ich weiß, daß mich viele zu den 25 % zählen, die auf ihre Diäten nicht angewiesen sind. Das ist eine sehr irrige Ansicht, meine Damen und Herren, und zeugt nur davon, daß Sie das Problem der Landwirtschaft nicht kennen. Ich kann Ihnen nur sagen — es ist keine Blamage für mich, denn ich bin 42 Jahre lang, also lange genug auf meinem Hofe tätig —: in früherer Zeit bin ich ein guter Steuerzahler gewesen, aber seit vier Jahren hat der Betrieb rote Zahlen. Das haben die Kontrollen des Finanzamts bestätigt.
Wenn ich in die Zukunft sehe und bedenke, was auf die deutsche Landwirtschaft noch zukommt und daß wir dann in diesem Parlament nicht die Möglichkeit haben, einen Ausgleich für die fehlenden Einnahmen zu bekommen, dann — das muß ich Ihnen sagen — wird mir außerordentlich bange. Wenn Sie sich in Ihren Wahlkreisen umsehen — das tun Sie täglich, Sie haben die Gelegenheit dazu —, dann werden Sie wissen, daß die Parolen zum Maßhalten, die wir hier augenblicklich verkünden und an verschiedenen Stellen unter Beweis gestellt haben, gerade unten als eine Erleichterung empfunden werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411228700
Herr Brese, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0411228800
Ja.

Peter Jacobs (SPD):
Rede ID: ID0411228900
Herr Kollege Brese, hätten Sie die Liebenswürdigkeit, uns mitzuteilen, wie hoch die Direktsubventionen sind, die Sie für Ihren landwirtschaftlichen Betrieb seit Jahren aus dem Grünen Plan und damit aus Mitteln der allgemeinen öffentlichen Kasse bekommen?

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: das hat doch damit nichts zu tun!)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0411229000
Her Jacobs, ich weiß, daß das in aller Munde ist. Ich bedauere es außerordentlich, daß wir, obwohl wir zu Kostgängern des Bundes geworden sind, noch rote Zahlen haben. Jedenfalls sind wir eben beim Maßhalten. Ich bin der Meinung, das stände uns Deutschen allen sehr gut zu Gesicht. Ich gehöre zu den Älteren von Ihnen, und ich weiß, daß unser Volk sehr oft gerade an seiner Maßlosigkeit gescheitert ist. Das ist meine feste
Überzeugung, und gerade deshalb vertrete ich diesen Standpunkt überall da, wo ich tätig bin. Ich habe es nicht nötig, mich hier aus Popularitätsgründen hinzustellen.

(Na! Na! bei der CDU/CSU.)

Jeder, der mich in meiner Heimat kennt, weiß, daß in meiner Familie, in meinem Dorf und in all den Institutionen, in denen ich etwas zu sagen habe, nach diesen Grundsätzen gehandelt wird. Ich muß Ihnen sagen: das ist all den Stellen nicht schlecht bekommen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411229100
Herr Abgeordneter Brese, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0411229200
Ja.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0411229300
Bitte, Herr Abgeordneter Mommer!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411229400
Herr Kollege Brese, da Sie bisher bei jeder Änderung des Diätengesetzes widersprochen haben: darf ich annehmen, daß Sie heute noch die Regelung, die es 1949 gab, für angemessen halten? Oder stimmen Sie immer stillschweigend der vorhergegangenen Diätenerhöhung zu? Darf ich auch fragen, was Sie mit den Ihnen von der bösen Mehrheit dieses Hauses aufgezwungenen Mehrzuwendungen inzwischen gemacht haben?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU.)


Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0411229500
Herr Mommer, das weiß ich, damit hat man mich schon immer zu treffen versucht. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir schon damals zuweit gegangen sind.

(Lachen bei der SPD.)

— Jawohl, ich hatte dagegen gesprochen.

(Abg. Dr. Mommer: Zurück zu Bismarck also!)

Nun sagen Sie, ich hätte das Geld angenommen, das die böse Mehrheit hier beschlossen hat. Ja, soll ich Ihnen hier einen Rechenschaftsbericht geben? Herr Mommer, fragen Sie mich, wenn es mir nicht gelingt, in der zweiten und dritten Lesung hier die Mehrheit zu bekommen, bitte danach, was ich damit tun werde! Dann gebe ich Ihnen eine ganz offene Antwort, und wenn es auch hier in der Öffentlichkeit ist.

(Zurufe von der SPD: In der Vergangenheit!)

— Wenn Sie eine gewisse Schärfe hineinlegen wollen,

(Zurufe: Nein! Nein!)

auch aus meinen eigenen Fraktionskreisen, dann kann ich Ihnen sagen: mich können Sie nicht aufregen.

(Zurufe.)


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

5164 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Brese
Wissen Sie, mich hat gestern schon ein Abgeordneter dieses Hohen Hauses als Drecksack bezeichnet, weil ich diesen Standpunkt vertreten habe. Das kann mich nicht treffen. Ich sage Ihnen, ich spreche aus voller Überzeugung, aus den Grundsätzen heraus, die ich stets vertreten habe. Ich möchte mich nicht irgendwie binden. Wenn wir später harte Beschlüsse zu fassen haben, möchte ich mir nicht sagen lassen: Sehen Sie mal, bei Ihren eigenen Dingen haben Sie es kampflos über sich ergehen lassen.
Ich will Ihre Zeit aber nicht länger in Anspruch nehmen. Ich sehe, die Unruhe ist zu groß. Wir haben in der zweiten und dritten Lesung Gelegenheit zu diskutieren. Ich werde einen Antrag einbringen. Ich hoffe, daß recht viele Frauen und Männer dieses Hohen Hauses diesen Antrag unterschreiben, so daß die Mehrheit zu einer anderen Regelung kommt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411229600
Das Wort hat der Abgeordnete von Haniel.

Dr. Fritz von Haniel-Niethammer (CSU):
Rede ID: ID0411229700
Verehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Es tut mir leid, ich fühle mich verpflichtet, als Abgeordneter des deutschen Volkes hier die Erklärung abzugeben, daß ich mich mit den Ausführungen, die unser verehrter Präsident Gerstenmaier vorhin in der Diätenfrage gemacht hat, in wesentlichen Teilen nicht einverstanden erklären kann.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411229800
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Professor Dr. Böhm.

Dr. Franz Böhm (CDU):
Rede ID: ID0411229900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg erklären, daß ich dem vorgelegten Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zustimmen werde. Ich fühle mich aber verpflichtet, hier einige Bedenken nicht gegen den Inhalt dieses Gesetzentwurfs, sondern dagegen anzumelden, daß die Frage des Schutzes und der Förderung und der Stärkung der Unabhängigkeit der Bundestagsabgeordneten allein an den persönlichen Bezügen, die der Abgeordnete erhält, aufgehängt wird,

(Beifall des Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach)

während die Unabhängigkeit des Abgeordneten in viel höherem Grade als von den Bezügen, die er erhält, von den Arbeitsbedingungen abhängt, die ihm dieses Haus zur Verfügung stellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD.)

Ich habe seit zehn Jahren die Ehre, diesem Hohen Hause als Abgeordneter anzugehören, und ich muß sagen, daß sich die Arbeitsbedingungen in diesen zehn Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert haben.
Außerdem bin ich der Meinung, daß die Frage der Sicherung und der Stärkung der Unabhängigkeit der Abgeordneten wirklich ein Gegenstand ist, für den jeder von uns, jeder einzelne Abgeordnete, sachverständig und an dem er brennend interessiert ist. Deshalb hat es mich persönlich sehr gestört, wie beinahe über Nacht und dann noch mit einer beinahe unziemlichen Eile der Vorbesprechungen dieser Plan gestartet worden ist.
In einem Augenbick, meine Damen und Herren, in dem wir und die Bundesregierung genötigt sind, um der Erhaltung des Geldwertes und einer soliden Finanzgebahrung willen einer ganzen Reihe von dringenden Ansprüchen, die aus allen möglichen Kreisen der Bevölkerung an uns gestellt werden, ein gewisses Limit entgegenzusetzen, um die Sparsamkeit der Mittelverwendung zu sichern und um den Umfang der Haushaltsmittel und der Aufbringung in gehörigen Grenzen zu halten, in einem Augenblick, in dem wir also manchen Wünschen, auch von uns selbst als dringend anerkannten Wünschen, Schranken auferlegen müssen, ist es doch ganz selbstverständlich, daß es in der Öffentlichkeit leicht eine falsche Optik hervorrufen kann, wenn ausgerechnet in diesem Augenblick die Frage der Verbesserung der Bezüge der Bundestagsabgeordneten aufgetischt wird, ohne daß diese Frage in dem großen Zusammenhang der Verstärkung der Unabhängigkeit des Abgeordneten in seinen Funktionen erörtert wird, also insbesondere im Zusammenhang mit den übrigen Positionen im Haushalt des Bundestages. Wenn man hier die Ansätze des Bundeshaushaltsplans 1964 vergleicht, ergibt sich folgendes. Für die Reisekosten und Tagegelder der Abgeordneten haben wir insgesamt einen Betrag von 21,5 Millionen DM. Wir haben für die gesamten Personalkosten — wenn ich vom Wehrbeauftragten absehe — und für die Ausstattungskosten einen Betrag von 15,7 Millionen DM eingesetzt. Ich bin der Meinung, daß die Unabhängigkeit des Abgeordneten entscheidend gesichert werden kann durch Erhöhung der Ansätze für die Personalkosten, also durch die Verbesserung der personellen Ausstattung unseres Hauses, durch bessere Laufbahnvoraussetzungen für die wichtigsten Mitarbeiter unserer Verwaltung, durch eine bessere Ausstattung der Kanzlei mit Schreibkräften. Hier müssen Etatmittel eingesetzt werden.
Eine Erhöhung der Bezüge der Abgeordneten für Schreibkräfte, also für Sekretärin und Büroeinrich tung, kann nie und nimmer die Mängel im Kanzleidienst dieses Hauses ausgleichen. Jede Sekretärin kann einmal erkranken. Außerdem — das muß einmal gesagt werden — ist es vielen Abgeordneten aus einem sehr einfachen Grunde unmöglich, sich eine Sekretärin zu halten. Das weiß ich, der ich die ganze Zeit eine Sekretärin gehabt habe; denn ich habe die Anfangsschwierigkeiten selber sehr deutlich miterlebt. Die meisten von uns Bundestagsabgeordneten sitzen mit einem anderen Bundestagsabgeordneten im selben Zimmer, und wenn beide Bundestagsabgeordneten eine Sekretärin beschäftigen und außerdem gleichzeitig noch Wähler und überhaupt Besucher empfangen wollen, so ist das völlig ausgeschlossen.
Ich will Ihnen nur ein Beispiel nennen. An dem Tag, an dem der Protestmarsch der Kriegsbeschädigten stattfand, haben mich drei Herren des Frankfurter Kriegsbeschädigtenverbandes aufgesucht. Alle drei Herren waren in ihrer Bewegung ge-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5165
Dr. Böhm (Frankfurt)

hemmt. Ich habe sie in mein Zimmer gebeten. Ich habe noch den Vorzug, ein Zimmer für mich allein zu haben. Aber allein die Schwierigkeiten, bis diese Herren bei ihrer Gehbehinderung in meinem Zimmer überhaupt Platz nehmen konnten! Das Gespräch wurden von den Herren folgendermaßen eröffnet. Sie sagten: Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen einige Beschwerden vorzutragen; wir sind jetzt beinahe dazu verführt, Ihnen unser Mitgefühl auszudrücken, wie Sie und andere Abgeordnete des Hauses hier untergebracht sind.

(Beifall.)

Das aber ist doch für die Vorbereitung der Aufgaben, die wir uns hier setzen, entscheidend. Wenn ich daran denke, wie unsere „Konkurrenz", nämlich die staatliche Bürokratie und die Verbandsbürokratie, hinsichtlich ihrer sachlichen Arbeitsvoraussetzungen ausgestattet ist,

(erneuter Beifall)

so komme ich mir dauernd vor wie ein ganz primitiv organisierter Hausierer mit einem Bauchladen.

(Heiterkeit und Beifall.)

Man kann dieses Problem nicht dadurch lösen, daß man uns Geld gibt, diesen Bauchladen zu verchromen; denn auch 521 auf höhere Touren gebrachte Bauchläden stellen noch nicht die Ausstattung eines Parlaments dar.

(Beifall.)

Ich will ganz konkret sagen, wo ich die Hauptengpässe sehe. Wir haben in der Verwaltung dieses Hauses eine Reihe von Stellen und Abteilungen, die ganz ausgezeichnete Arbeit leisten. Ich persönlich möchte anfangen mit der Bibliothek, mit dem Archiv, mit der Stelle, die die Gesetzesmaterialien behandelt, mit der Presseauswertung. Wir wissen alle, wie gut unsere Reisestelle funktioniert und organisiert ist. Aber die Hauptengpässe sind beim Kanzleidienst, bei der Fahrbereitschaft usw. Ich denke daran, wie das in der Zeit organisiert war, als ich in das Haus kam, und wie sich das vor kurzem wieder verschlechtert hat. Wenn wir Abgeordneten nach 11 Uhr abends keine Wagen mehr bekommen können, bedeutet das, daß ich mir bei Einladungen — und das sind doch wichtige Dinge —überlegen muß, ob ich, namentlich wenn Diskussionen damit verbunden sind, nicht länger als eine Stunde zu Fuß nach Hause brauche. Einladungen, bei denen ich zwei Stunden oder drei Stunden brauche — in Godesberg oder sonstwo —,

(Abg. Zoglmann: Taxi!)

muß ich einfach ablehnen. Das sind doch unwürdige Verhältnisse, in denen wir uns hier befinden.

(Beifall.)

Ich denke auch insbesondere an die Büroorganisation. Es genügt doch nicht nur eine Sekretärin, sondern man muß eine entsprechende Büroorganisation haben. Wenn ich daran denke, daß sich die privilegierten Kollegen in diesem Hause, die von ihren Verbänden unterstützt werden, hier in Bonn Büros einrichten, und wenn ich daran denke, wie diese Büros ausgestattet sind, dann komme ich mir als ein einfacher Fußsoldat in diesem Hause wie verloren vor. Gerade ich habe bei den Gegenständen, die mich besonders interessieren, mit der Konkurrenz der Bürokratie der staatlichen Verwaltung und mit der Konkurrenz der Verbandsverwaltung zu tun, die nicht nur die einzelnen Vorlagen ausarbeiten, sondern auch für die einzelnen Vorlagen jeweils die Ideologien, die öffentlichen PropagandaIdeologien, im eigenen Hause fabrizieren und diese Evangelien nachher durch ihre Jünger in Stadt und Land verbreiten lassen. Ich kann das alles nur auf meiner persönlichen Schreibmaschine und in meinem Zimmerchen in einer Alchimistenwerkstatt machen.
Ich bin also der Meinung, daß in den Etatpositionen, die die Aufwendungen unseres Hauses betreffen, die Sicherung unserer Unabhängigkeit liegt.

(Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411230000
Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0411230100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte, damit keine Unklarheiten auftreten, gleich sagen: ich spreche hier nicht in meiner Eigenschaft als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, sondern als Abgeordneter dieses Hauses.
Eine weitere Aussage ist vielleicht nötig. Ich möchte nicht, daß ein so ernstes Thema wie das Problem, das wir hier beraten, praktisch immer nur von dem Präsidenten des Hauses vorgetragen wird, der dann in seiner Eigenschaft als Abgeordneter das Wort ergreift, und von dem Kollegen Brese. Dieses Thema ist ein so ernstes Thema, daß wir versuchen sollten, uns in aller Offenheit der Problematik zu stellen, die hier angerührt wird.

(Beifall bei der FDP.)

Ich bin mir darüber im klaren, daß wir hier all die kontroversen Punkte, die in der Diskussion sind, jetzt nicht ausschöpfen können. Wir werden das im Bundestagsvorstand und bei der zweiten Lesung dieses Gesetzes tun müssen.
Ich darf aber jetzt bereits eines sagen. Die Probleme, die der Herr Kollege Dr. Gerstenmaier hier als die drei Haupteinwände der Öffentlichkeit angerührt hat, bedürfen einer Ergänzung. Wir sind deshalb in einer so schwierigen Situation bei der Beratung dieses sehr heiklen Themas, weil die Öffentlichkeit sagt: sie beschließen und sie erhöhen für sich selbst. Das ist nun mal die verfassungsrechtliche Situation, der wir uns stellen müssen. Wir können ihr nicht entrinnen. Aber wir sollten aus diesem Einwand in der Öffentlichkeit eine Schlußfolgerung ziehen, und das ist der Gedanke, den ich jetzt vortragen und zur weiteren Beratung unterbreiten werde. So wie sich bei der Rentenerhöhung dieses Haus letzten Endes von einem unabhängigen Gremium beraten läßt, das diese Materie prüft, sollten wir auch hier, weil wir der Entscheidung nicht ausweichen können, weil wir sie selber vollziehen müssen, auf ein unabhängiges
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Zoglmann
Gremium zurückgreifen, das die Probleme in aller Sachlichkeit und aller Breite prüft und uns entsprechende Vorschläge macht. Dann würden wir sehr schnell zu einer viel besseren Regelung der ganzen Materie kommen, als es bisher der Fall ist.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411230200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0411230300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz folgende Feststellung treffen. Mein Parteifreund von HanielNiethammer hat von dieser Stelle aus unter Betonung seiner Eigenschaft als Abgeordneter des Deutschen Volkes erklärt, daß er sich mit wesentlichen Teilen der Rede des Herrn Dr. Gerstenmaier nicht einverstanden erklären könne. Diese Erklärung kann nicht unwidersprochen bleiben; es entsteht durch diese Äußerung nach außen hin eine negative Beurteilung der Rede. Es war notwendig, daß uns allen und auch dem deutschen Volk von dieser Stelle aus durch Herrn Dr. Gerstenmaier einmal in aller Objektivität die mit den Diäten zusammenhängenden Fragen dargestellt wurden, weil in der Öffentlichkeit ganz falsche Vorstellungen bestehen.

(Beifall.)

Wir alle sollten dankbar sein, daß Herr Dr. Gerstenmaier den Mut hatte, alles Für und Wider aufzuzeigen und zu belegen.

(Erneuter Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411230400
Ich darf die Feststellung des Herrn Abgeordneten Besold dahin ergänzen, daß der Herr Präsident des Bundestages auf einstimmigen Wunsch des Ältestenrates heute als Abgeordneter die Problematik dargelegt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schulhoff.

Georg Schulhoff (CDU):
Rede ID: ID0411230500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben vorhin unseren Kollegen Brese gehört. Ich muß sagen, daß ich für den Kollegen Brese immer eine große Bewunderung gehabt habe, weil er offen seine persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht hat. Ich hätte ihm auch heute meine Bewunderung nicht versagt, wenn er ein armer Mann wäre. Aber er ist kein armer Mann, er ist ein sehr vermögender Mann, und da hätte ich es für gut gehalten, wenn er heute geschwiegen hätte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Ich jedenfalls — auch kein armer Mann — werde zusammen mit meiner Fraktion für diesen Antrag von Dr. Gerstenmaier stimmen. Aber das ist nicht der Grund, weswegen ich auf die Rednertribüne gekommen bin.
Ich wollte mich wie mein Vorredner dafür bedanken, daß Herr Dr. Gerstenmaier eine solch große Fürsorge für uns Abgeordnete an den Tag legt. Aber ich möchte gleichzeitig bitten, daß er da einen
Schritt weiter geht. Ich beziehe mich da auf Ausführungen von Professor Böhm. Herr Professor Böhm hat — ich will nichts wiederholen — gesagt, daß in diesem Hohen Hause sehr viel im Argen ist und daß die Arbeit des Bundestagsabgeordneten sehr darunter leidet, daß hier viele Dinge unvollkommen geordnet sind. Herr Dr. Gerstenmaier, eine solche unvollkommene Sache ist es, daß wir mit zwei Personen in einem Zimmer arbeiten müssen.

(Beifall.)

Das bedeutet nämlich, daß praktisch keiner richtig arbeiten kann.
Nun habe ich folgendes gehört. Herr Dr. Gerstenmaier, ich bitte um Ihre persönliche Aufmerksamkeit, denn ich spreche jetzt ausschließlich zu Ihnen. Ich habe gehört, daß vor einem halben Jahr ein Baugesuch des Bundestages genehmigt worden ist. nach dem ähnliche Appartementwohnungen, wie sie schon heute bestehen, gebaut werden sollen. Ich frage Sie, Herr Dr. Gerstenmaier: warum geben Sie nicht grünes Licht, damit Räume gebaut werden können, die es ermöglichen, daß jeder ein eigenes Zimmer bekommt und anständig arbeiten kann?

(Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411230600
Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.

Heinrich Scheppmann (CDU):
Rede ID: ID0411230700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und 'Herren! Ich will nicht eingehend 2u den ausgezeichneten Darlegungen des Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Gerstenmaier Stellung nehmen, sondern möchte nur zu den Ausführungen, die Herr Kollege Brese von meiner Fraktion und Herr von Haniel von meiner Fraktion hier gemacht haben, einiges sagen.
Es ist mir unverständlich — das möchte ich hier einmal in aller Klarheit und Deutlichkeit sagen, Herr von Haniel, es ist unbestreitbar, daß Sie zu den reichsten Leuten der Bundesrepublik gehören als Millionär —,

(Hört! Hört! bei der SPD — Pfui-Rufe von der CDU/CSU)

daß Sie hier solche Ausführungen machen (Pfui-Rufe von der CDU/CSU und der FDP)

und weniger darin denken, wie es anderen geht, die
hier im Hause genauso ihre Pflicht zu erfüllen haben
wie Sie. Das gleiche trifft in etwa für Herrn Brese zu.

(Abg. Brese: Das ist ja unerhört, eine solche Feststellung!)

Herr Brese, Sie sollten lieber etwas anderes tun und sollten Ihre Subventionen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja lächerlich!)

die Sie durch den Grünen Plan bekommen, irgendwo anders hinleiten, als daß Sie sich hier hinstellen und solche Reden führen.

(Beifall bei der SPD.)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5167
Scheppmann
Ich werde Ihnen ganz offen sagen, daß eine solche Diskussion Ihrerseits nicht am Platze ist. Ich bin der Auffassung, wir sollten in diesem Hohen Hause das, was heute hier vom Herrn Präsidenten Dr. Gerstenmaier vorgetragen worden ist, in den Fraktionen beraten und überlegen und in der zweiten und dritten Beratung hier dazu Ausführungen machen und nicht in der Weise argumentieren, wie das heute hier geschehen ist.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411230800
Das Wort hat der Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (CDU):
Rede ID: ID0411230900
Meine Damen und Herren! Ich finde es geradezu unerhört, daß mein Kollege Schulhoff und Herr Scheppmann hier Feststellungen treffen, die völlig abwegig sind.

(Zuruf.)

Wenn ich mich hier hinstelle, dann habe ich von meinem demokratischen Recht Gebrauch gemacht, und ich stehe auf dem Standpunkt, daß jeder noch seine Meinung sagen kann.

(Zustimmung.)

Im übrigen stimmen die Feststellungen nicht. Ich habe vielleicht größere Sorgen, als Sie sich in Ihrer gewerblichen Wirtschaft denken können. Meine große Sorge ist die — das stelle ich jetzt noch einmal fest —: wenn wir die Lohn- und Preisspirale wieder in Gang bringen, dann ist der Leidtragende der kleine Mann. Denken Sie daran: 104 Mark Fürsorgesatz! Mit den Leuten müssen wir uns auseinandersetzen.

(Zuruf von der SPD: Aber Sie nicht!)

Auch an die kleinen Angestellten und die Arbeiter, die nicht in dieser Konjunktur leben, müssen wir denken.
Es ist leider festzustellen: wir regieren hier zu wenig, wir haben die Zügel zu locker gelassen. Die Leute, die viel verdienten, die können immer noch mehr fordern, weil sie alles fordern können.

(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

— Nein, da sind die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber beide daran beteiligt.
Ich bin für den Ausgleich. Ich befürchte, daß wir grünes Licht geben und daß in nächster Zeit wieder eine turbulente Lohn- und Preisspirale über uns hinweggeht. Deshalb habe ich den Mut, mich hier hinzustellen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411231000
Ich glaube, das Recht jedes Abgeordneten, hier frei seine Meinung zu sagen, ist unbestritten.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.

Fritz-Rudolf Schultz (FDP):
Rede ID: ID0411231100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich etwas entsetzt, in welche
Niederungen die Diskussion über dieses Thema hier abgeglitten ist.

(Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren, es ist doch wohl keine Frage, daß wir uns hier nicht gegenseitig unseren Reichtum und unsere Armut vorrechnen sollten. Auch ich bin ja einmal als Millionär eingestuft worden. Ich darf vielleicht an dieser Stelle erklären, daß ich keiner bin.
Ich betrachte die Aufwandsentschädigung oder die Tagegeldpauschale als ein Entgelt für die Arbeit, die ich neben meinem Beruf noch zu leisten habe. Wenn das draußen nicht verstanden werden sollte, würde es mir leid tun. Dann soll man eben die Demokratie und das Parlament abschaffen und soll sich einen Führer nehmen, der für alle beschließt, und dann ist die Sache in Ordnung.

(Beifall. — Zuruf von der SPD: Der ist immer teurer gewesen!)

Ich möchte noch ein Zweites sagen. Es ist auch nicht sehr fein und auch nicht in Ordnung, daß dem Herrn Kollegen Brese — um ihm zu begegnen — in der Fragestellung aus dem Hause die Subventionen aus dem Grünen Plan vorgeworfen werden.

(Beifall in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, so geht es also wirklich nicht. Ich kann Ihnen genau sagen, was der Herr Kollege Brese an Subventionen durch den Grünen Plan persönlich, d. h. sein Betrieb bekommt: das ist die Diesel-Öl-Verbilligung für den sehr hohen Preis, den wir zahlen müssen, — damit wir in der EWG konkurrenzfähig sind; aber ich will hier keine Agrardebatte entfachen. Doch das reicht noch nicht mal aus. Dazu kommt der Wegfall der Umsatzsteuer. Und wenn er Milchkühe hat, bezieht er noch die Milchprämie. Das ist das, was er für seinen Betrieb bekommt, also Dinge, die dazu beitragen, einen einigermaßen kostendeckenden Preis zu erzielen. Aber wir kommen in der Debatte über den Grünen Plan ja noch darauf zu sprechen. Also, das können Sie dem Kollegen Brese nicht vorwerfen.
Ich werfe dem Kollegen Brese etwas anderes vor, und zwar hat er versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei diese Regelung der Aufwandsentschädigung sozusagen der Startschuß für die Inflation. Nun, lieber Herr Kollege Brese, so ist es auch wieder nicht. Die ganze Geschichte kommt mir hier so vor wie bei uns im Bauernverband in Rheinhessen. Da war man im Anfang auch nicht Manns genug, den Bauern zu sagen: Wenn ihr eine Verbandsvertretung haben wollt, dann kostet das soundso viel. Jetzt hacken wir der Katze den Schwanz Stück für Stück ab, und es gibt alle drei, vier Jahre eine Beitragserhöhung. So sieht das draußen aus.
Ich bin der Meinung, daß wir bei der Einbringung dieser Vorlage in der zweiten Lesung durchaus einmal hier in aller Öffentlichkeit klar ausprechen sollten, was ein Abgeordneter eigentlich tut. Ich möchte aber noch dazu sagen, daß natürlich Vorbedingung für das Verständnis in der Öffentlichkeit ist, daß die Damen und Herren des Hohen Hauses sich bemühen, den Aufgaben, die ihnen gestellt worden sind, ge-
5168 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Schultz
recht zu werden, d. h. daß sie auch ihre Arbeitskraft in den Dienst des Volkes stellen.

(Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411231200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0411231300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem nun überraschend viele Redner zu der Vorlage gesprochen haben und sich unter ihnen kein Sozialdemokrat befunden hat, ist es wohl angebracht, daß auch ein Vertreter der SPD-Fraktion ein Wort sagt.
Wir haben diese Vorlage mit eingebracht, unsere Fraktion hat sie angenommen und tritt für diese Vorlage ein. Wir haben die Rede des Herrn Präsidenten Dr. Gerstenmaier mit Beifall aufgenommen und stellen uns voll und ganz hinter seine Ausführungen. Wir werden in der weiteren Beratung bei der Vorlage bleiben, werden aber selbstverständlich bereit sein, über Argumente zu Unebenheiten, Ungereimtheiten usw. im einzelnen zu reden.
Aus der Debatte, die es hier gegeben hat, darf ich nur einen Punkt herausgreifen und sozusagen Vertagung der Beratung vorschlagen. Alle Kollegen, die über die Arbeitsbedingungen hier gesprochen haben, haben nur ,allzu sehr recht. Es gehört tatsächlich auch zur Unabhängigkeit des Abgeordneten und zur guten Ausübung des Mandats, daß er hier im Hause die Hilfsmittel technischer und wissenschaftlicher Natur findet, die ihm die Ausübung des Mandats in unserer Zeit richtig, fach- und sachgerecht ermöglichen. Sie wissen, daß der Vorstand des Bundestages sich damit befaßt und daß wir Pläne haben, auch Ansätze im Einzelplan 02 für dieses Rechnungsjahr unterzubringen. Da muß etwas geschehen. Wir sollten aber im einzelnen darüber lieber erst reden, wenn wir zur Haushaltsberatung kommen, und uns dann auch die Gesamtpositionen unseres eigenen Haushalts anzusehen haben.

(Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411231400
Der Herr Abgeordnete Dr. Gerstenmaier hat das Wort.
D. Dr. Gerstenmaier, Präsident des Deutschen Bundestages: Meine Damen und Herren! Ich habe mit Aufmerksamkeit und einigem Bedauern einige Diskussionsbeiträge gehört. Ich möchte mich damit nicht weiter befassen. Zum großen Teil sind die Vorhalte und Vorwürfe schon von meinen Vorrednern widerlegt worden. Nur eine einzige Bemerkung, Herr Kollege Brese, gestatten Sie mir vielleicht. Ich glaube, daß Sie das Problem insoweit verkennen, als es ja nicht etwa mit den Tarifverhandlungen der sogenanten Sozialpartner korrespondiert und daß es insoweit auch gar nichts mit der Lohn- und Preisspirale zu tun hat, sondern, wenn Sie mir einen einfachen Vergleich erlauben, daß die Frage, die heute hier zur Debatte steht — in ihrem materiellen, nicht in ihrem formellen Gehalt — einfach die ist: Sind die Sätze, die eine anständige Firma ihren anständigen Facharbeitern, die sie auf Montage schickt, als Spesen, nicht als Lohn oder Gehalt, bezahlt, heute noch angebracht oder nicht? Es wird doch vielleicht erlaubt sein, eine solche Überlegung anzustellen, und es wird wohl auch erlaubt .sein, eine solche Überlegung in diesem Hause anzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten in der Mitte.)

Was mich in ,der Aussprache jedoch am meisten betroffen hat, sind die sehr temperamentvollen Äußerungen unseres verehrten Kollegen Professor Böhm. Herr Kollege Böhm, der Bedeutung der Sache wegen erlaube ich mir, noch einmal darauf hinzuweisen, daß ich ausdrücklich festgestellt oder mich jedenfalls bemüht habe, klar zu sagen, daß ich nicht der Meinung, nicht der Überzeugung bin, das Selbst- und Pflichtbewußtsein des Abgeordneten, des Mitglieds dieses Hauses, hänge ab von der Höhe der Diäten, sondern ich habe gesagt — ich zitiere noch einmal —:
Ich weiß auch, daß die moralische Qualität und der Rang des Abgeordneten nicht von seinen Diäten abhängen; aber die Moral des Staates und der Rang einer parlamentarischen Demokratie verlangen, daß anständige und verantwortungsvolle Arbeit auch im Parlament anständig entschädigt wird.
Das ist eine ganz andere Sache!
Wir sind hier eigentlich die einzigen in diesem Land, die bei einem solchen Anlaß nicht auseinanderfallen können. Insofern muß ich noch ein Wort zu dem Gedanken unseres Kollegen Zoglmann sagen. Wir können nicht sozusagen in Sozialpartnerparteien auseinanderfallen. Wir sind Abgeordnete und haben als solche Ansprüche an den Staat. Aber wir vertreten gleichzeitig diesen Staat und haben für ihn zu entscheiden. Es nützt nichts, Herr Kollege Zoglmann, daß wir uns das Geschäft damit zu erleichtern versuchen, daß wir Sachverständige, die doch nicht in diesem Maße in dieser Sache sachverständig sein können wie wir selber, weil sie nämlich an der Arbeit selbst gar nicht teilnehmen, daß wir also Leute von außen in einer internen Frage heranholen, um uns auf deren Rat zu stützen. Es bliebe uns — übrigens nicht nur formell, sondern auch moralisch — dann gar nichts anderes übrig, als über das, was uns solche Berater, so wohlmeinend sie auch sein mögen, vorschlagen, doch wieder nach eigener gewissenhafter Prüfung zu entscheiden und diese Entscheidung selber zu verantworten. Wir können diese Entscheidung und diese Verantwortung unter keinen Umständen abwälzen; das ist unmöglich in diesem Hause. Hier muß man sich stellen.
Nun aber noch ein Wort zu der Diskussion, die eigentlich geschäftsordnungswidrig aufgeflammt ist; denn sie hat mit den Grundzügen dieser Vorlage nichts gemein; aber ich verstehe natürlich sehr gut, daß hier darüber gesprochen wird. Der Herr Kollege Böhm hat die Mängel des Hauses beklagt. Wer müßte ihm darin nicht beipflichten! Nun, meine Damen und Herren, in einem Punkte erinnert mich das an die Diskussion, die wir hier heute morgen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5169
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
führen. Als sich damals der Bundestagsvorstand — nicht einstimmig, aber mit großer Mehrheit — zu Vorlagen für den Neubau entschloß, die, Herr Kollege Böhm, einfach die unerläßlichen Voraussetzungen dessen enthalten, was sack- und fachgerecht ein modernes Parlament sich selber und seinem Staate schuldig ist,

(Zustimmung in der Mitte)

als sich also die große Mehrheit des Bundestagsvorstandes zu solchen Vorschlägen durchrang, die meiner Überzeugung nach Hand und Fuß haben und weitreichend und weitblickend auch noch für andere Eventualitäten gedacht waren, da habe ich manchen „Helden" in diesem Hause gefunden, der mir sonst in den Ohren liegt, wie unzumutbar die Verhältnisse in diesem Hause seien, der aber, als es galt, auf die Barrikaden zu steigen und dem Unmut und der Reaktion dieser und jener Kreise in der Öffentlichkeit standzuhalten, nicht da war, sondern der es mir dann, ich will nicht gerade sagen, ganz allein überließ, das zu tun. Ich sah jedenfalls viele, die zuvor und darnach laut gerufen hatten, dann aber nicht neben mir waren.

(Heiterkeit.)

Nun, meine Damen und Herren, das kümmert mich nicht. Auch in der Sache, was den Neubau dieses Hauses betrifft, hält das Beschlußorgan dieses Hauses an klaren Beschlüssen fest. Es steht zu den Beschlüssen, die es gefaßt hat. Diese Sache wird weitergehen und durchgeführt werden. Aber sie wird langsam gehen. Erst lag der Baustopp dazwischen. Der Baustopp ist aufgehoben. Jetzt kommen die Grundstücksverhandlungen, äußerst komplizierte Geschichten. Auch müssen wir diesen Neubau so planen, daß wir, wenn Gott es uns erlaubt, nach Berlin zu gehen, daraus wieder ohne große Schwierigkeiten etwas anderes machen können.
Aber erlauben Sie mir noch das eine zu sagen, Herr Kollege Böhm: Mit weiteren Improvisationen ist in diesem Haus nur noch ein ganz kleines Minimum zu verbessern, und all die Beschwerden, die am meisten zu Buche schlagen, die berechtigt sind und auch hier heute morgen wieder berechtigterweise zum Ausdruck kamen, sie werden damit nicht abgestellt werden können. Herr Kollege Schulhoff, es ist wahr, was Sie gesagt haben: Zwei Mann in einem Büro: der eine telefoniert, der andere soll Besucher empfangen. Der eine will diktieren, der andere will etwas anderes machen. Das ist völlig unmöglich. Das ist unter dem Rang und unter der Würde dieses Hauses und ist der Arbeitsweise in unserer Zeit ganz unangemessen.

(Beifall.)

Aber ich kann nur herzlich bitten: Machen Sie sich doch um Gottes willen nichts aus den Tönen des Unmuts! Was ist denn, wenn auch einmal irgendwo ein Kommentar oder eine Glosse in einer Zeitung dazwischenschlägt! Stellen Sie sich hin, und sagen Sie sich, es regnet ab und zu, und dann scheint auch wieder die Sonne! Tun Sie jedenfalls, was Pflicht und Gewissen Ihnen gebieten. Ich jedenfalls bin gesonnen, diesem Hause nach dem Maße meiner Kraft auch darin zu dienen. Ich habe — auch mit dieser Vorlage — keine andere Absicht gehabt, als das zu vertreten, was das Amt dem Bundestagspräsidenten natürlicherweise auferlegt. Aber ich möchte dem Hause ausdrücklich dafür danken, daß es mir auch in diesen Stücken erlaubt, mein Amt nach gewisserhafter eigener Einsicht zu führen, und jedes Wort, das ich hier namens meines Amtes für das Haus gesprochen habe, jedes einzelne Wort decke ich mit meiner eigenen persönlichen Überzeugung und mit meiner Person.

(Allseitiger Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411231500
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0411231600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade weil ich das an meinem verehrten Herrn Vorredner schätze, was er am Schluß von sich selbst gesagt hat, möchte ich meinerseits zu dem Teil seiner Ausführungen, von dem er selber gesagt hat, die Diskussion habe sich hier geschäftsordnungswidrig entwickelt, einen, einzigen Satz sagen.
Abgesehen von Ihren „Helden", Herr Dr. Gerstenmaier, auf die Sie abgehoben haben, möchte ich nichts anderes, als daß dieses Haus, wenn es über die berechtigten Sorgen, die es nicht nur wegen der Unterbringung, sondern auch wegen des Tätigwerdenkönnens hat, beschließen muß, zugleich auch die Gesamtlage sieht, nämlich die provisorische Bundeshauptstadt Bonn, den Großraum Bonn-Godesberg und was damit verbunden ist, — nicht als ob wir darüber heute schon zu beschließen hätten, aber eben dann, wenn es notwendig ist. Denn das muß man wissen, wenn man beschließt; sonst reden wir uns auseinander. Das wollte ich Ihnen auch gesagt haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411231700
Ich kann jetzt die Beratung schließen. Es ist Überweisung an den Vorstand des Deutschen Bundestages — federführend — und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vorgesehen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe dann den ersten Zusatzpunkt auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über die Verringerung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine und einige Teilstücke von Schweinen für Einfuhren in der Zeit vom 15. Februar bis 31. März 1964 (Drucksachen IV/1880, IV/1906).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Unertl. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. Der Ausschuß schlägt vor, daß das Haus von dem Vorschlag der Kommission Kenntnis nimmt. — Ich stelle fest, daß das damit geschehen ist.
5170 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe dann den weiteren Zusatzpunkt auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Dritte Verordnung über die Verringerung von Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von Eiprodukten (Drucksachen IV/1726, IV/1907).
Der Bericht des Herrn Abgeordneten Bading liegt vor. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen, der Verordnung zuzustimmen. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 6 auf:
a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Berufausbildungsgesetz (Drucksache IV/1748),
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Titels VII Abschnitt III der Gewerbeordnung (Berufsausbildung) (Drucksache IV/539).
Zunächst wird die Große Anfrage der Fraktion der SPD begründet. Herr Abgeordneter Folger hat das Wort zur Begründung der Großen Anfrage.

Erwin Folger (SPD):
Rede ID: ID0411231800
Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren! Die Drucksache IV/ 1748 enthält die letzte Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion, die noch von Erich Ollenhauer unterzeichnet ist. Ich finde, es ist symbolisch, daß es sich um eine Vorlage handelt, die im Interesse der Jugend liegt und die weit in die Zukunft weist. Aus diesem Grund und auch wegen der gebotenen Ehrerbietung möchte ich Sie bitten, der Sache Ihre größte Aufmerksamkeit zu widmen.
„Was ist das für eine Demokratie, in der die Abgeordneten einstimmig von der Bundesregierung bis spätestens Februar 1963 ein Gesetz über die Berufsausbildung verlangen und dann nicht aufbegehren, wenn die Regierung diese Pflicht bis heute versäumt hat?" Diese Worte stammen aus der Reportage in der Illustrierten „Stern" über Berufsaussichten und Berufsausbildung in der Bundesrepublik. An einer anderen Stelle heißt es dort: „Ob es in Deutschland bald eine richtige Berufsausbildung geben wird, hängt von den Gesetzgebern ab. Die Gesetzgeber sitzen im Bundestag und in den Landtagen. Manche Abgeordnete sind gegenüber diesem Problem blind, oder aber sie sind Interessenvertreter. Wenn Ihr Abgeordneter auch zu denen gehört, dann wechseln Sie Ihren Abgeordneten rechtzeitig. Denn es ist Ihr Sohn oder Ihre Tochter oder vielleicht Sie selbst, über deren Zukunft entschieden wird." Lassen wir es bei diesen wenigen Sätzen aus der Reportage bewenden.

(Abg. Kühn [Hildesheim] : Ist auch besser!) Lesen Sie sie selbst nach, es lohnt sich!


(Abg. Dr. Besold meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411231900
Eine Sekunde, Entschuldigung! — Herr Abgeordneter Dr. Besold, während der Begründung einer Anfrage sind Zwischenfragen nicht zulässig.
Bitte, Herr Abgeordneter Folger.

Erwin Folger (SPD):
Rede ID: ID0411232000
Sie finden darin auch die Aufforderung an die Leser, bestimmte Fragen an ihre Abgeordneten zu stellen.
Nun, auch wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß die Reportage in der Illustrierten strekkenweise oberflächlich ist, daß sie etwas zu sehr dramatisiert, daß sie simplifiziert und daß sie deshalb nicht allzu schwer genommen werden muß. Aber sagen Sie bitte nicht, sie sei überhaupt nicht beachtlich. Es stehen einige richtige Einsichten darin, die wir uns zu Herzen nehmen und überlegen sollten. Ich finde es sogar ganz erfreulich, daß sich eine weitverbreitete Illustrierte einmal nicht mit Soraya oder Farah Dibah oder Romy Schneider oder der Prinzessin Irene beschäftigt, sondern mit einem ernsthaften Lebensproblem unserer Bevölkerung.
Wenn ich auch zugebe, daß auch die SPD nicht lange und nicht energisch genug hinter der Sache her war, wissen wir uns doch gegenüber dem Vorwurf, nicht aufbegehrt zu haben, frei von Schuld. Der einstimmige Beschluß des Bundestages vom 27. Juni 1962 ist auf Initiative der SPD-Bundestagsfraktion zustande gekommen. Am 29. Januar 1963 haben die Bundesminister für Wirtschaft und für Arbeit dem Herrn Bundestagspräsidenten mitgeteilt, daß ein umfassendes Gesetz in kurzer Zeit nicht erstellt werden könne; der Gesetzentwurf werde zunächst nur die gewerbliche Wirtschaft umfassen können; sie seien bemüht, den Gesetzentwurf vor Beginn der Parlamentsferien vorzulegen. Das wäre der 1. Juli 1963 gewesen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat den Herrn Bundestagspräsidenten damals gebeten, die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, daß eine solche Mißachtung des Parlaments nicht geduldet werden könne, und ihr einen kurzen Termin für die Vorlage zu stellen. Die SPD hat einige Zeit später eine Kleine Anfrage eingebracht, auf die die Bundesregierung dann geantwortet hat, sie werde den Gesetzentwurf sobald als möglich vorlegen. Da war schon kein Termin mehr genannt, sondern nur noch die vage Formulierung „sobald als möglich" gebraucht. Auf die Reklamation hin haben dann die beiden Bundesminister merkwürdigerweise dem Bundestagsdirektor geschrieben, über den Sachstand berichtet, aber überhaupt kein Versprechen mehr gemacht, wann eine Vorlage erfolge. Deshalb waren wir genötigt, jetzt die Große Anfrage einzubringen.
Wenn man die wiederholten Begründungen der Bundesregierung liest, warum sie den Entwurf noch nicht habe vorlegen können: weil die Zeit zu kurz sei, wegen der notwendigen Vorarbeiten, der Abstimmungen mit den Ressorts und den Spitzenorganisationen, wegen der Notwendigkeit einer rechtsförmlichen Prüfung, wegen der Komplexität der Materie, dann könnte man meinen, wir hätten die Bundesregierung ganz verblüffend aus heiterem Himmel vor eine schwierige neue Aufgabe gestellt. Dem
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5171
Folger
ist gar nicht so. Der alte Ben Akiba hat auch hier wieder recht: es gibt nichts, was nicht schon einmal unter der Sonne war. Die Materie ist schon ewig lange gründlich beraten und vorbereitet worden. Es gibt eine ganze Menge ausgezeichneter Arbeiten darüber, deren sich die Bundesregierung hätte bedienen können.

(Abg. Diebäcker: Aber noch keiner hat den Stein der Weisen gefunden!)

— Den Stein der Weisen braucht sie nicht zu finden, Herr Diebäcker. Aber eine gute Vorlage hätte in der Zeit schon gemacht werden können, wenn man sich auf die Vorlagen gestützt hätte, die es auf dem Gebiet schon gibt.

(Beifall bei der SPD.)

Ich werde Sie noch an ein paar dieser Vorlagen erinnern. Es hätte möglich sein müssen, wenn schon nicht termingerecht, dann wenigstens ein Jahr später die Vorlage zu machen. Ich muß sagen, wenn bei der Verteidigung auch so langsam gearbeitet worden wäre, dann hätten wir heute noch keine Bundeswehr. Aber wir haben eine, obwohl es bestimmt eine schwere Aufgabe war, die Bundeswehr aus dem Nichts heraus aufzustellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist kein Vergleich!)

Lassen Sie mich die Behauptung, daß die Sache schon lange behandelt worden ist, stichwortartig begründen. Am 5. Juli 1928 haben auf der Drucksache 182 der 4. Wahlperiode des Deutschen Reichstages Dr. Breitscheid und Fraktion den Antrag eingebracht:
Der Reichstag wolle beschließen, die Reichsregierung zu ersuchen, dem Reichstag baldigst nachstehende Vorlagen zu unterbreiten:
Da heißt es unter dem Buchstaben c) : Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes. Ungefähr ein Jahr später, am 29. Juli 1929, hatte die Reichsregierung dein Reichstag den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes nach Zustimmung des Reichsrates und mit einem Gutachten des vorläufigen Reichswirtschaftsrates vom 9. Februar 1929 vorgelegt. Am 2. Dezember 1929 war im Reichstag dann die erste Lesung.
Der damalige sozialdemokratische Reichsarbeitsminister Rudolf Wissell, der vor wenigen Monaten gestorben ist, hatte dazu u. a. gesagt, daß die bisherige Reichsgesetzgebung auf dem Gebiet der Berufsausbildung zersplittert, unzulänglich, lückenhaft und zum Teil auch veraltet sei. Als ich vor ein paar Tagen die einschlägigen Reichstagsdrucksachen durchsah, war ich einfach baff darüber, daß damals nahezu wörtlich dasselbe gesagt worden ist, was auch wir bei der Begründung unseres Antrages im Jahre 1962 gesagt haben, ohne daß wir uns die Reichstagsdrucksachen damals vorher angesehen hätten. Diese nahezu geisterhafte Ähnlichkeit kommt deshalb nicht etwa vom Abschreiben, sondern davon, daß 35 Jahre später immer noch derselbe Zustand besteht.
Der Reichsarbeitsminister Wissell hatte damals darauf hingewiesen, daß der Entwurf gemeinsam mit dem Reichswirtschaftsminister erarbeitet worden sei. Er sei der erste Versuch, das gesamte Gebiet der Berufsausbildung einheitlich zu regeln, mit Ausnahme der Landwirtschaft, für die ein Sondergesetz vorgelegt werden sollte, und mit Ausnahme der Arbeitsverhältnisse zwischen Jugendlichen und ihren Eltern. Von dem bisherigen Verfahren der Einzelregelung für besondere Berufe oder Berufsgruppen sei abgewichen worden. Damit sei aber keine schematische, gleiche Regelung für verschiedenartige Verhältnisse geschaffen. Die ins einzelne gehenden Regelungen blieben den gesetzlichen Berufsvertretungen überlassen.
Anscheinend hat der damalige Reichsarbeitsminister auch schon gegen die Vorwürfe ankämpfen müssen, daß er oder seine Fraktion oder die Reichsregierung etwas schematisieren oder vereinheitlichen wolle, wie auch uns seit Jahren ständig vorgeworfen wird, wir wollten verstaatlichen, wir wollten schematisch vereinheitlichen, wir wollten — das hat der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Herr Wild, unlängst in einer Zeitung geschrieben — die Vielfalt von Tausenden von Berufen — die es übrigens gar nicht gibt, es gibt 600 — in ein Einheitsschema pressen.
Die SPD-Fraktion hat bisher gar nichts getan, was einen solchen Vorwurf rechtfertigen würde. Im Gegenteil, wir haben bei jeder Gelegenheit versichert, daß wir selbstverständlich die Möglichkeit offenhalten wollen, die notwendigen Einzelregelungen durch die Träger der Berufsausbildung auch weiterhin durchführen zu lassen. Wir sind der Meinung, daß die ständige Wiederholung dieses Vorwurfs trotz besseren Wissens direkt als bösartig bezeichnet werden muß. Sie kommt uns genauso vor wie der üble Trick, jede Kritik an der Regierung oder an unserer bestehenden Ordnung als kommunistisch abzutun. Wir können uns das nur so erklären, daß da Kräfte am Werk sind, die im trüben fischen wollen und weiter schludern wollen; sonst wäre es einfach nicht möglich, uns wider besseres Wissen dauernd derartige Vorwürfe zu machen.
Der Geltungsbereich des damaligen Reichstagsentwurfs erstreckte sich nicht nur auf Lehrlinge, sondern auch auf die An- und Ungelernten, damit die Arbeitgeber nicht von Lehrverhältnissen auf andere Arbeitsverhältnisse mit Jugendlichen ausweichen konnten. Der Entwurf war für die Beschäftigung aller Jugendlichen gedacht. Dafür sollten gewisse Mindestvorschriften gelten. Der wichtigste Grundgedanke in dem damaligen Entwurf war, daß eine ordnungsgemäße Berufsausbildung, die den Absichten des Gesetzes und den Bedürfnissen der Wirtschaft entspricht, nur in Betrieben erfolgen kann, die von vornherein nach Art und Umfang als Lehrbetriebe geeignet sind und deren Inhaber selbst die Reife und die berufliche Befähigung besitzen, die unerläßlich sind, wenn junge Menschen zu Facharbeitern und Berufsgenossen herangebildet werden sollen. Diese Vorschrift — dieser Meinung war Wissell damals — liege im Interesse jeder Berufsgruppe. Es sollten keine neuen Behörden geschaffen werden. Es sollte an das Bestehende angeknüpft werden. Die bestehenden gesetzlichen Berufsvertre-
5172 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Folger
tungen sollten zu Trägern des Verfahrens gemacht und die Durchführung den paritätischen Selbstverwaltungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung anvertraut werden.
In der Begründung heißt es noch: Der bisherige Zustand genüge den Ansprüchen weder der Wirtschaft noch der Gesellschaft. Es sei eine umfassende gesetzliche Ordnung der Berufsausbildung im Betriebe notwendig. Aus dieser Erkenntnis sei der Entwurf entstanden. Eine geordnete Berufsausbildung werde bisher nur einem beschränkten Ausschnitt von Jugendlichen zuteil. — Das gilt auch heute noch.
Der Sozialpolitische Ausschuß des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates hat eine Empfehlung eines Arbeitsausschusses, den Geltungsbereich auf gewerbliche Lehrlinge zu beschränken, abgelehnt und den Standpunkt vertreten, die Einbeziehung der gesamten erwerbstätigen Jugendlichen entspreche den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und werde gutgeheißen. Die für die Landwirtschaft vorgenommene Ausnahme sei sachlich nicht berechtigt. Die Landwirtschaft solle einbezogen werden, und die Möglichkeit, für Bergbau und Hauswirtschaft abweichende Regelungen zu treffen, sei nicht notwendig.
Eine Delikatesse im Zusammenhang mit der ersten Lesung des Entwurfs im damaligen Reichstag ist, daß der kommunistische Abgeordnete Blenkle gesagt hat, die SPD sei keine revolutionäre und keine kämpferische Partei mehr. — Das ist mir vorhin auch eingefallen, als der Herr Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier von der hundertjährigen Geschichte unserer Partei gesprochen hat. — Blenkle hat behauptet, der Entwurf, den die Reichsregierung vorgelegt habe, sei reaktionär und gehe in Wirklichkeit ,auf die vorhergegangene sogenannte Bürgerblockregierung zurück.

(Abg. Diebäcker: Nicht so viel Geschichte!)

Heute können wir sagen: wir könnten froh sein, wenn dieser sogenannte reaktionäre Entwurf Gesetz geworden wäre oder wenn er es wenigstens heute werden würde.
Es gibt aber noch einige andere Gründe dafür, warum ich vorher behauptet habe, daß die Bundesregierung nicht überstürzt vor diese Aufgabe gestellt worden ist. Seit 1948 gibt es ständig gewerkschaftliche Forderungen, zuletzt in Form eines konkreten Vorschlages für den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes. Es gibt dais Berliner Berufsausbildungsgesetz von 1950. Es gibt ein Sachverständigengutachten der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder aus dem Jahre 1952, die damals der Meinung war, in dem Berufsausbildungsgesetz müsse eine möglichst breite menschliche und fachliche Basis geschaffen werden. Auch den Jugendlichen ohne Lern- und Anlernverhältnisse müsse eine Grundausbildung gegeben werden, damit sie zu guten und tüchtigen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen würden. Die Ausbildung der jungen Menschen sei für die Allgemeinheit zu wichtig, als daß sie der Wirtschaft allein überlassen werden könne. Sie sei eine Aufgabe des Gesetzgebers, Ein weit vorausschauendes Berufsausbildungsgesetz sei unerläßlich.
Im März 1953 hat mein Fraktionsfreund Erwin Lange bei der zweiten und dritten Lesung der Handwerksordnung u. a. gesagt, aus den Auseinandersetzungen über die Handwerksordnung sei die Überlegung geboren worden, daß wir sobald wie möglich auch im Rahmen der Bundesgesetzgebung zu einem umfassenden Berufsausbildungsgesetz kommen sollten, das die Berufsausbildung für die gesamte Wirtschaft einheitlich regelt. Um diese als notwendig erkannte umfassende Neuregelung nicht vorwegzunehmen und damit der Reform teilweise den Boden zu entziehen, hätten die Unterkommission und der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ein paar Pflöcke zurückgesteckt und sich mit dem begnügt, was die Gewerbeordnung im Augenblick bietet.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat im März 1955 einer Konferenz Grundzüge für den Entwurf eines Gesetzes für betriebliche Berufsausbildung vorgelegt. Die Grundsätze sind so, daß man gut über einen Gesetzentwurf diskutieren könnte, der auf diesen Grundsätzen beruht. Aber sie sind wieder in der Versenkung verschwunden.
Im Juli 1958 hat der Herr Bundesarbeitsminister Blank auf eine Anfrage geantwortet, daß die Frage der Berufsausbildung Gegenstand von Verhandlungen sei, die er vereint mit dem Bundeswirtschaftsminister wieder aufgenommen habe. Im November 1960 und im Mai 1962 haben die Minister und Senatoren für Arbeit der Länder ein umfassendes Gesetz gefordert, und der Herr Bundesarbeitsminister hat es versprochen. Im Mai 1962 hat das Bundeskanzleramt an den DGB u. a. geschrieben, es bestehe begründete Aussicht, daß die im Gang befindlichen Vorarbeiten der Bundesressorts zu Ergebnissen führten, die es der Bundesregierung ermöglichten, den gesetzgebenden Körperschaften in absehbarer Zeit den Entwurf von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Berufsausbildung vorzulegen, die den heutigen Bedürfnissen entsprächen. Jetzt ist der Februar 1964, und immer noch nicht ist der Entwurf vorgelegt, der uns schon x-mal versprochen wurde. Oder soll vielleicht der Schlenker in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers Dr. Erhard vom 18. Oktober 1963 ein Ersatz für den Entwurf sein, in dem er gesagt hat:
Ich erinnere nur an unsere Berufsausbildungssystem, das als mustergültig bezeichnet werden kann.
Das ist meines Erachtens eine nicht mehr zu überbietende Verallgemeinerung. Unser Berufsausbildungssystem ist nicht durchweg mustergültig, sondern teilweise ungenügend. Vielfach mangelt es an der Intensität der Berufsausbildung, wir haben teilweise zu lange Ausbildungszeiten, wir haben viel zu viele Ungelernte, insbesondere unter den weiblichen Arbeitskräften; schon die ehrenwerte frühere Alterspräsidentin dieses Hauses, Frau Dr. Lüders, hat im Reichstag 1930 auf diesen unbefriedigenden Zustand hingewiesen, daß wir viel zu viele ungelernte weibliche Arbeitskräfte haben. Aber immer
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 173
Folger
noch ist vom Gesetzgeber her praktisch nichts geschehen, um diesem Mißstand abzuhelfen.
Der amerikanische Experte George W. Ware hat unser Berufsausbildungssystem ein „System der billigen Arbeitskräfte" bezeichnet. Ich will mich damit nicht identifizieren, aber ich meine, auch dieser Ausspruch sollte uns zu denken geben.
Wir haben in unserer Großen Anfrage auch die Frage gestellt, in welcher Weise die Bundesregierung die allgemeinen Grundsätze der EWG ihrem Entwurf zugrunde legen wird. Ich könnte Ihnen auch wieder mit vielen Beispielen beweisen, daß da anscheinend nicht das Notwendige getan wird. Ich will mich auf die Bemerkung beschränken, daß der uns unter der Hand bekanntgewordene Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums — Referentenentwurf vom März 1963 über die vorläufige Regelung der Berufsausbildung — keine Konzeption aus europäischer Sicht enthält, obwohl das eigentlich eine Verpflichtung aus dem Art. 128 der Römischen Verträge wäre.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Es tut mir leid, daß wir mit dieser wichtigen Frage wieder unter Zeitdruck gekommen sind, so daß man eigentlich nicht alles das vorbringen kann, was im Interesse der Sache zu sagen notwendig wäre.
In der von der Wirtschaftsvereinigung Bergbau herausgegebenen „Bergbau-Presseschau" vom 21. Januar 1964 heißt es, daß nach Informationen aus Koalitionskreisen die Bundesregierung einen Entwurf in dieser Periode nicht mehr vorlegen werde. Wir verlangen, daß die Bundesregierung endlich ihre inneren Schwierigkeiten überwindet und dem Bundestag den Entwurf eines den Erfordernissen der Gegenwart und der nahen Zukunft entsprechenden Gesetzes vorlegt. Die jungen Menschen, die jetzt und in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren ausgebildet werden, werden das Kernstück der deutschen Volkswirtschaft im Jahre 2000 sein, und der Kern sollte gut sein.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411232100
Die Große Anfrage der SPD ist begründet. Sie wird beantwortet vom Herrn Bundesminister für Wirtschaft. Er hat das Wort.

Dr. Kurt Schmücker (CDU):
Rede ID: ID0411232200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 27. Juni 1962 hat der Deutsche Bundestag einstimmig beschlossen, die Bundesregierung solle ein Berufsausbildungsgesetz vorlegen. Die Bundesregierung hatte sich bereits seit längerer Zeit sehr intensiv mit den Problemen einer Neufassung des Berufsausbildungsrechts beschäftigt. Alle Möglichkeiten, die sich dem Gesetzgeber auf dem Gebiete der Berufsausbildung eröffnen, sind seit diesem Zeitpunkt in zahlreichen Besprechungen eingehend erörtert worden. Insbesondere haben sich die beiden hauptsächlich beteiligten Minister, der Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, in gemeinsamer Arbeit um die Klarstellung und
Lösung der zahlreichen sachlich und politisch schwierigen Probleme bemüht.
Im Laufe der zahlreichen Verhandlungen und Besprechungen bis auf die Ebene der beteiligten Minister hat sich jedoch eine Fülle von offenen Fragen ergeben. Als ich das Amt des Bundesministers für Wirtschaft übernahm, habe ich mich bemüht, eine beschleunigte Vorlage des Entwurfs entsprechend dem Beschluß, an dem ich selber mitgewirkt habe, durchzusetzen. Aber wenn man in die Einzelheiten dieser Materie einsteigt, stellt sich eben die Fülle der Schwierigkeiten dar. Bei der Frage, ob man einen Entwurf, der nicht ganz durchdiskutiert ist, vorlegen soll oder ob man warten soll, bis der Entwurf ausreichend vorbereitet ist, habe ich mich im Einvernehmen mit dem Bundesarbeitsminister entschlossen, Sie zu bitten, uns noch eine weitere Zeit der Vorbereitung einzuräumen.
Herr Kollege Folger, es wäre jederzeit möglich, dem Hause eine sogenannte kleinere Lösung vorzuschlagen. Ich frage mich aber, ob das zweckmäßig ist. Sie selber haben, nachdem Sie in allgemeiner Formulierung gesagt haben, es solle gar nicht so viel geändert werden, zu einigen konkreten Punkten ausgeführt, daß Sie beispielsweise mit dem Referentenentwurf in keiner Weise einverstanden sind. Damit haben Sie den Gegensatz der Diskussion aufgezeigt, der sich in der Fraktion, der ich angehöre, aber meines Wissens auch in Ihrer Fraktion findet. Die Organisationen haben sich zu diesen Entwürfen geäußert, und Parlamentsvertreter, Angehörige aller Fraktionen, haben dazu Stellung genommen. Das ist in einer solchen Art und Weise geschehen, daß ich sagen muß: die Meinungen sind sehr, sehr geteilt.
Ich habe aber persönlich die Bitte, Herr Kollege Folger, dieses Verfahren — schließlich ist eine Kleine Anfrage beantwortet worden —, das Sie beanstanden können, daß wir bis heute zugewartet haben, nicht als Mißachtung des Parlaments auszulegen. Ich gehöre diesem Parlament selber an, und ich habe viermal in Wahlkämpfen darum gerungen, dieses Mandat zu bekommen. Es widerstrebt mir einfach, es mir bieten zu lassen, daß jemand sagt, ich mißachtete dieses Parlament, dem ich selber leidenschaftlich angehöre.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bitte Sie also recht herzlich, eine solche Auslegung nicht vorzunehmen.
Was nun den Beschluß vom 27. Juni und Ihre Große Anfrage angeht, so muß ich darauf aufmerksam machen, daß der Beschluß vom 27. Juni folgenden Wortlaut hat:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Februar 1963 den Entwurf eines Gesetzes über die Berufsausbildung (Berufsausbildungsgesetz) vorzulegen,
während die erste Frage Ihrer Großen Anfrage lautet:
Wann wird die Bundesregierung ihre Vorarbeiten für ein umfassendes Berufsausbildungsge-
5174 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Bundesminister Schmücker
setz abschließen, um endlich den einstimmig gefaßten Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1962 zu erfüllen?
Die Frage ist inhaltlich nicht richtig; denn sie nennt einen Beschluß, der in dieser Weise nicht gefaßt worden ist. Logischerweise können Sie auch nicht die Erfüllung in dem von Ihnen vorgetragenen Sinne verlangen.
Ich möchte mit diesem Unterschied zwischen dem tatsächlich gefaßten Beschluß und dem Beschluß, wie Sie ihn in Ihrer Großen Anfrage anführen, nur noch einmal deutlich machen, wie hier die Meinungen noch auseinandergehen, was durchaus nicht politisch begründet zu sein braucht, sondern nur im Sachlichen, so will ich einmal sagen, seine Gründe hat. Bei eingehender Überprüfung — ich habe mir die Dinge von meinen Mitarbeitern wirklich ausführlich darstellen lassen — komme ich zu der Auffassung, daß zur Zeit — und damit beantworte ich Ihre Frage — eine umfassende Vorlage noch nicht möglich ist. Wenn ich aber die Möglichkeit einer umfassenden Vorlage immerhin offenlassen will, dann wäre es innerlich unwahr, wenn ich jetzt mit einer kleinen Vorlage in dieses Haus käme. Ich bitte, das freundlichst bedenken zu wollen.
Ich bestreite gar nicht, meine Damen und Herren, daß das gegenwärtige Berufsausbildungsrecht nicht befriedigend ist. Aber so schlecht, daß von heute auf morgen in aller Eile etwas, an dem schon viele Jahre gearbeitet wird, geändert werden muß, ist es auch nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das kann man wohl sagen!)

Die gegenwärtige Form der Berufsausbildung muß hingenommen werden, bis die Grundlagen einer Lösung erarbeitet sind, die der Sache gerecht wird. Dabei — ich sage es noch einmal, Herr Kollege Folger — müssen Sie natürlich ungeduldig mahnen, daß wir weiterkommen. Aber die Bundesregierung muß ebenso sorgfältig alle Bestrebungen und alle Gesichtspunkte prüfen, die von allen Seiten, nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von den Kammern, aus dem politischen Raum und von den Jugendverbänden, an uns herangetragen werden.
Im einzelnen — um Ihnen darzutun, daß das nicht allgemeine Reden sind, um zu später Vormittagsstunde am Freitag schnell über die Hürden zu kommen — sind es folgende Fragen, in denen — ich sage noch einmal: aus guten Gründen — gegensätzliche Auffassungen vertreten werden können. Offengeblieben ist erstens hinsichtlich ides sachlichen Umfanges der Regelungen, welche Ausbildungsbereiche einzubeziehen sind. Sie selber haben darin einige Unterscheidungen gemacht. Es bieten sich an: Industrie, Handel, Handwerk, Banken, Versicherungen, Verkehr, Bergbau, Seeverkehr, Hochseefischerei, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Hauswirtschaft, Ausbildung für die Laufbahnen im öffentlichen Dienst einschließlich Bundesbahn, Bundespost und Bundeswehr, Gehilfen der im freien Beruf Tätigen, z. B. Gehilfen- bei Notaren und Rechtsanwälten, Gehilfen in wirtschafts- und steuerberatenden Berufen, ärztliche und zahnärztliche Helferinnen.
Dann die Frage: Welche Ausbildungsverhältnisse sind einzubeziehen: Lehrlinge, Anlernlinge, Praktikanten, Volontäre? Soll die Ausbildung jugendlicher Hilfsarbeiter und die Fort- und Weiterbildung Erwachsener mit einbezogen werden?
Das Gewicht, das dem sachlichen Umfang der Regelung zukommt, darf nicht unterschätzt werden. Es handelt sich um mehr als 500 Ausbildungsberufe, die auf mehr als 20 000 verschiedene Erwerbstätigkeiten vorbereiten sollen. Allein die Zahl der Jugendlichen, die in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden, beträgt jährlich über 1,2 Millionen.
Nun die Frage: Welche Bedeutung haben für eine Gesamtregelung die unterschiedlichen organisatorischen Voraussetzungen der vielfältigen, in sich aber organisch gewachsenen Ausbildungsbereiche? Ich darf hierzu darauf hinweisen, daß in einzelnen Ländern keine Landwirtschaftskammern vorhanden sind und daß für andere Ausbildungsbereiche — wie z. B. die Hauswirtschaft — die institutionellen Voraussetzungen fehlen.
Die dritte Frage entsteht hinsichtlich verfassungsrechtlicher Probleme: Wie weit reicht die Zuständigkeit des Bundes insbesondere mit Rücksicht auf die Kulturhoheit der Länder in Fragen des berufsbildenden Schulwesens? Auf welche Rechtsgrundlagen kann die Bundeskompetenz für Regelungen der betrieblichen Berufsausbildung in Landwirtschaft und Hauswirtschaft und anderen Bereichen gestützt werden? Wie ist eine gesetzliche Regelung der betrieblichen Berufsausbildung mit den noch nicht ausdiskutierten Reformbestrebungen im gesamten Bildungswesen in Einklang zu bringen? Welchen Anteil an einer Gesamtkonzeption sollen wirtschaftspolitische, welchen Anteil sollen sozialpolitische Überlegungen haben?
In welchem Umfange kann und soll die Selbstverwaltung der Wirtschaft und der sonst beteiligten Kreise durch eine gesetzliche Regelung der Berufsausbildung betroffen werden? Man sollte anerkennen, welche positiven Leistungen die Wirtschaft auf dem Gebiete der Berufsausbildung in Selbstverwaltung und unter Aufbringung erheblicher Mittel erbracht hat. Es wäre nicht ratsam, hier über Gebühr durch Gesetze in organisch gewachsene und gut funktionierende Ordnungen einzugreifen. Ein solches Vorgehen würde die Ausbildungsfreudigkeit hemmen und sich letztlich zum Nachteil für die Jugend auswirken.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Welche Möglichkeiten bestehen für eine Gesamtregelung, wenn etwa die Berufsausbildung im Handwerk nicht mit einbezogen werden kann? Ich möchte hier einfügen: Es erscheint mir persönlich unzweckmäßig, daß die Berufsausbildungsvorschriften aus der Handwerksordnung herausgelöst werden, da sie ein wesentlicher Bestandteil des handwerklichen Berufsrechtes sind und eng mit den übrigen Bestimmungen des Handwerksrechtes verzahnt
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5175
Bundesminister Schmücker
sind. Im übrigen sind abwertende Pauschalurteile über die Berufsausbildung im Handwerk nicht gerechtfertigt. Ich folge damit ausdrücklich den Bemerkungen, die Sie, Kollege Folger, gemacht haben. Sicherlich ist auch im Handwerk manches verbesserungsfähig; wo ist das nicht der Fall? Daher wird eine Novelle zur Handwerksordnung vorbereitet, durch die eine Modernisierung der Berufsausbildungsvorschriften erreicht werden soll. Aber ich möchte ausdrücklich das unterstreichen, was der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Das gewerbliche Ausbildungswesen in Deutschland ist vorbildlich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir sollten nicht ohne Not von diesem System und von dieser Art abgehen. Wenn wir etwas ändern oder auf gesetzliche Grundlage stellen wollen, wenn wir Berufe, die noch nicht ausreichend betreut werden, einbeziehen wollen, dann muß das so behutsam geschehen, daß der hohe Rang der deutschen gewerblichen Berufsausbildung — „vorbildlich" nicht nur als allgemeines Prädikat, sondern: von den anderen als Vorbild anerkannt! — nicht gefährdet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Bei allen bisherigen Verhandlungen ergab sich, daß über diese offenen Fragen nicht nur in der Öffentlichkeit und in den interessierten und betroffenen Kreisen, sondern, wie ich vorhin schon sagte, auch innerhalb der Fraktionen dieses Hauses recht unterschiedliche Meinungen bestehen.
Nun könnten wir ja so verfahren, daß wir eine Vorlage machen, und das Raufen geht hier los. Meine verehrten Kollegen, ich selber habe einen Ausschuß dieses Hauses zwei Jahre geführt; ich erinnere daran, daß ich Abgeordneter dieses Hauses bin. Ich richte mich in meiner Arbeit daher auch nach der Geschäftslage des Hauses. Ich habe nichts davon, wenn ich voreilig einen Gesetzentwurf vorlege, der nicht mehr verabschiedet werden kann; und ich weiß, wie es im Wirtschaftsausschuß und in den anderen Ausschüssen aussieht. Daher ist es zweckmäßiger, die vorbereitenden Beratungen, bei denen ich auch Ihre Beteiligung wünsche — und diese Aussprache kann ja Hinweise geben —, werden so sorgfältig geführt, daß wir nachher in den Ausschüssen zügig beraten können.
Die Bundesregierung hat die Erwägung angestellt, ob angesichts dieser Situation eine Novelle zur Gewerbeordnung vorgeschlagen werden kann, durch die wenigstens dringliche rechtliche Fragen für einen wesentlichen Teilbereich gesetzlich geregelt werden können. Sie hat aber vorerst davon Abstand genommen, weil sie es für richtiger hält, das Gesamtproblem in seiner ganzen Breite weiter zu behandeln. Es liegen mehrere Entwürfe vor, die im einzelnen zunächst weiterverfolgt werden können. Ich bin gern bereit, Ihnen diese einzelnen Entwürfe — die ja mehr oder weniger bekannt sind, Sie haben sie auch schon zitiert — zur Kenntnisnahme zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte es noch einmal ausdrücklich begrüßen, daß diese Große Anfrage Ihnen und der Bundesregierung die Gelegenheit gibt, die Problematik zu behandeln. Ich begrüße es, daß sich aus den Gesprächen vielleicht neue Möglichkeiten ergeben, hier zu einer Gesamtregelung zu gelangen.
Die Bundesregierung glaubt, ein für die Zukunft der Wirtschaft und der Gesellschaft, insbesondere für das berufliche Fortkommen der heranwachsenden Jugend, so bedeutsames Gesetz, wie es hier gewünscht wird, dem Parlament baldigst vorlegen zu sollen. Sie haben hier — ich bestreite gar nicht: recht eindrucksvoll — an Daten dargestellt, wie die Zusagen immer schwächer geworden sind. Das liegt aber nicht etwa an bösem Willen, wie man so schnell unterstellen könnte, sondern es liegt an der unerhörten Schwierigkeit der Materie. Glauben Sie mir bitte, daß ich mich bemüht habe, möglichst rasch nach meiner Amtsübernahme einen Entwurf vorzulegen. Aber die Vielfalt der Probleme ließ es mir doch geraten erscheinen, den Vorschlägen zu folgen, hier noch eine gründliche Vorbereitung durchzuführen.
Die zweite Frage lautet:
In welcher Weise legt die Bundesregierung die „Allgemeinen Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung", die für die Mitgliedstaaten der EWG verpflichtend sind, dem verlangten Entwurf zugrunde?
Ich antworte darauf namens der Bundesregierung:
Die in der zweiten Frage erwähnten Allgemeinen Grundsätze sind vom Ministerrat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft am 2. April 1963 in Ausführung des Artikels 128 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beschlossen worden. Diese Vorschrift ermächtigt und verpflichtet den Rat, in bezug auf die Berufsausbildung solche allgemeinen Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik aufzustellen, die zu einer harmonischen Entwicklung sowohl der einzelnen Volkswirtschaften als auch des Gemeinsamen Marktes beitragen können.
Der Ratsbeschluß enthält im wesentlichen allgemeine Zielsetzungen, die darauf ausgerichtet sind, die Berufsausbildungspolitik in den einzelnen Mitgliedstaaten aufeinander abzustimmen. Die Bundesregierung hat diese Ziele stets bejaht. Das ist ihr um so leichter gefallen, als die deutschen Vorstellungen vom Sinn und Zweck der Berufsausbildung im wesentlichen hiermit übereinstimmen.
Die Bundesregierung legt die angeführten Allgemeinen Grundsätze ihren Überlegungen für die gesetzliche Regelung der Berufsausbildung mit zugrunde.
Meine Damen und Herren, darf ich zum Schluß noch einmal in Erwiderung auf Ihr — ich wiederhole: verständliches — Drängen folgenden Satz sagen: Jeder, der über Berufsausbildung eine fertige Meinung hat und die Argumente des anderen ablehnt, ist natürlich in der Lage, hier einen Vorschlag zu machen. Einen Gesamtentwurf, für den alle Argumente geprüft sind, kann heute niemand machen. Ich würde Ihnen lieber eine andere Antwort geben.
5176 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112, und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Bundesminister Schmücker
Aber die Tatsachen sind stärker als die Wünsche. Ich bitte dafür um Ihr Verständnis.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0411232300
Sie haben die Antwort der Regierung gehört. Wird die Beratung der Antwort gewünscht? Wer dafür ist, gebe bitte Zeichen. — Die Beratung wird nicht gewünscht. Es müssen 30 Abgeordnete für die Beratung sein; es waren nur 6 Stimmen.

(Abg. Dr. Mommer: Ich bitte um Wiederholung der Abstimmung!)

— Es wird die Wiederholung gewünscht. Wer wünscht die Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD? — Ich bitte auszuzählen. — Das sind 23. Stimmen. Die notwendige Zahl — 30 Stimmen — ist nicht erreicht.
Zur Begründung des Entwurfs der Fraktion der FDP unter Tagesordnungspunkt 6 b hat der Herr Abgeordnete Dr. Imle das Wort.

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0411232400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Freien Demokraten darf ich den vorliegenden Gesetzentwurf begründen.
Es gehört zu den wirklich bedauerlichen Begleitumständen der Diskussion um ein Berufsausbildungsgesetz, daß bisher die wichtigen Sachfragen im einzelnen nicht diskutiert worden sind. Man muß hierbei aber auch zugeben, daß die Entwicklung und Struktur des deutschen Berufsbildungswesens weiten Teilen der Öffentlichkeit — und ich wage zu behaupten: auch dieses Hauses — nicht ausreichend bekannt sind. Diese Unkenntnis bringt die Gefahr mit sich, daß Entscheidungen getroffen werden, die weniger von einer genauen Sachkenntnis als von bestimmten Interessen beeinflußt sind. Dazu gehört vor allem das Schlagwort von der veralteten Berufsausbildung in der gewerblichen Wirtschaft. Wer davon spricht, sieht das Lehrlingswesen meist in der Tradition einer im Mittelalter gewachsenen, ständisch gebundenen Einrichtung, die allmählich vom Handwerk auf die Industrie übertragen wurde.
Natürlich und glücklicherweise hat diese Tradition bei uns ihre Rolle gespielt; aber im Unterschied zu anderen europäischen Ländern hat das deutsche Handwerk seine Ausbildungseinrichtungen aus der Gebundenheit des mittelalterlichen Zunftwesens bis zur Gegenwart weiterentwickeln und ihren Niedergang im 19. Jahrhundert überwinden können. Man hat in Deutschland deshalb immer gewußt, was Berufsbildung in Handel und Handwerk war. Es muß mit Befriedigung festgestellt werden, daß sich die Berufsausbildung im Handwerk in der Bundesrepublik, die zuletzt in der Handwerksordnung von 1953 geregelt wurde, in der ganzen Welt sehen lassen kann.
Aber die Betriebslehre in Industrie und Handel — vor allem in der Industrie — ist etwas ganz Neues, auch wenn wir in der gewerblichen Wirtschaft ebenso wie im Handwerk von Lehrlingen und Lehrlingsrolle sprechen. Erst am Ende des letzten
Jahrhunderts zeigte sich bei der Industrie das Interesse an einer eigenen Facharbeiterausbildung, vor allem im Bereich der Eisenverarbeitung und der Elektrotechnik. Dieser Entwicklung trägt die Novelle zur Gewerbeordnung von 1897 zum erstenmal, wenn auch vorsichtig, Rechnung. Sie bezieht sich zwar in der Hauptsache auf die handwerkliche Lehre, spricht aber in der allgemeinen Bestimmung auch von anderen Gewerbetreibenden, die Lehrlinge ausbilden. Die Masse der Facharbeiter wurde freilich nach wie vor vom Handwerk ausgebildet. Aber schon 10 Jahre später ergaben Erhebungen des preußischen Handelsministeriums, daß 59 v. H. der in der Industrie tätigen gelernten Facharbeiter auch in industriellen Betrieben ausgebildet wurden. In dieser Zeit begann also die betriebliche Lehre als Ausbildung in der industruiellen Produktion ganz allmählich eigene Gestalt anzunehmen.
Wesentlicher als die Reform der Gewerbeordnung von 1897 war jedoch, daß das preußische Kammergesetz in demselben Jahr den Industrie- und Handelskammern die Befugnis verlieh, Anlagen und Einrichtungen, die die Förderung von Handel und Gewerbe sowie die geschäftliche Ausbildung, die Erziehung und den sittlichen Schutz der darin beschäftigten Gehilfen und Lehrlinge bezwecken, zu begründen, zu unterhalten und zu unterstützen. Der § 39 des preußischen Kammergesetzes wurde die Basis für die Selbstverwaltung der Wirtschaft auf dem Gebiet der Berufsausbildung. Es ist keine Übertreibung, wenn man sagt, daß diese heute so blaß erscheinende Bestimmung der Ausgangspunkt für den Ausbau des Lehrlingswesens in Industrie und Handel geworden ist.
Schon 1911 befaßte sich der Deutsche Handelstag mit der Frage, ob die Industrie nicht selber zu Facharbeiterprüfungen schreiten müsse. Es wird Sie nicht wundernehmen, daß diese Diskussion um ein Berufsausbildungsgesetz damals, 1929, ganz ähnliche Züge wie die gegenwärtige Auseinandersetzung trug; Herr Kollege Folger hat das schon herausgestellt. Studiert man nämlich den damaligen Entwurf, so fällt auf, daß die eigentliche Schwäche der Forderung nach einem Gesetz darin lag, die Ordnung der betrieblichen Ausbildung in einen Exerzierplatz der sozialen Parität zu verwandeln. Zugleich zeigte sich aber auch — und daraus ist deshalb dem Gesetzgeber kein Vorwurf zu machen —, daß das damals geplante Gesetz nichts anderes tun konnte, als die Entwicklung bis zum Jahre 1929 zu fixieren.
Die Wirtschaft hat damals den Gesetzentwurf mit dem Argument abgelehnt, er lasse der zukünftigen Entwicklung des beruflichen Ausbildungswesens zu wenig Raum. Wie richtig die Auffassung dieser Fachleute war, zeigten die kommenden Jahre; denn das betriebliche Ausbildungswesen, das uns heute so selbstverständlich vor Augen steht mit seinen Musterlehrverträgen, der Lehrlingsrolle, mit einer gezielten, durch eine Prüfung kontrollierten Ausbildung, hat sich erst in den dreißiger Jahren durchgesetzt.
Von einem planmäßig geordneten, überbetrieblich organisierten Ausbildungswesen kann man exakt sogar erst seit 1935 sprechen; eine Leistung der
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Dr. Imle
wirtschaftlichen Selbstverwaltung. 1939 — um einige Zahlen zu nennen —, zu Beginn des 2. Weltkrieges, beteiligten sich 111 000 Personen an den Facharbeiterprüfungen; darüber hinaus wurden 115 000 Kaufmannsgehilfen geprüft. 1937 waren bereits 400 000 Lehrverhältnisse in den Lehrlingsrollen der Industrie- und Handelskammern erfaßt. Diese Entwicklung konnte zweifellos vom Gesetzgeber des Jahres 1929 nicht vorausgesehen werden. Sie zeigt aber darüber hinaus, daß die geordnete Berufsausbildung, wie sie uns heute vor Augen steht, viel jünger ist, als ihre Kritiker meinen. Sie ist — zieht man die Jahre des Weltkrieges und nach dem Zusammenbruch Deutschlands 1945 ab — nicht viel älter als 25 Jahre.
Natürlich hat es seit Jahrzehnten in Deutschland Lehrlinge gegeben; aber die Geschlossenheit unseres Ausbildungswesens ist eben viel jüngeren Datums. Ich betone das nicht, um zu sagen, die heutige Berufsausbildung sei so vorzüglich, daß sie keiner Kritik bedürfe. Im Gegenteil, die Wirtschaft weiß selbst wohl am besten, wie schnell die Entwicklung weitergeht und daß gerade auf diesem Gebiet Aktivität notwendig ist.
Auf der anderen Seite liegt es nicht in den Möglichkeiten des Gesetzgebers, den Fortschritt des Berufsbildungswesens der Wirtschaft durch Gesetzesrecht vorwegzunehmen. Es geht hier auch nicht um die Selbstverwaltung der Wirtschaft als ein Privileg, sondern um eine sachgemäße Lösung, um die Aufgabe, das Berufsausbildungswesen der Wirtschaft in seinem Fortschritt zu unterstützen, nicht aber darum, es restriktiv zu reglementieren.
In der Aussprache wurde gesagt, daß man eine „große Lösung" suchen wolle, eine kleine ablehne. Dazu muß ich allerdings auch im Rahmen dieser Begründung etwas sagen. Gegen den Versuch, die Berufsausbildung gesetzlich zu perfektionieren — wohl auch fälschlich als „große Lösung" bezeichnet —, spricht folgendes.
Die Verhältnisse in der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaft — Herr Minister, auch Sie wiesen darauf hin —, der Hauswirtschaft und anderen Berufsausbildungsbereichen sind notwendigerweise sehr verschiedenartig. Deshalb müssen die Leistungsträger der Berufsausbildung eigenständig organisiert sein, um den grundlegenden verschiedenen fachlichen Zielsetzungen Rechnung tragen zu können. Die tatsächlichen Unterschiede lassen sich auch durch ein Einheitsgesetz nicht beseitigen. Die gesetzlichen Bestimmungen sind zwar differenziert, sie sind aber in den jeweiligen Berufsausbildungsbereichen zusammenhängend geordnet. Dabei ergänzen sich gesetzliche Bestimmungen und autonome Regelungen der Leistungsträger der Berufsaublidung, so daß eine eigenständige Weiterentwicklung möglich ist.
Ich könnte hier einige Beispiele für die notwendige Differenzierung der gesetzlichen Bestimmungen anführen, möchte aber aus dem Katalog nur das Gesetz zur Ordnung des Handwerks und die Verordnung über die Ausbildung von Matrosen auf Kauffahrteischiffen gemäß dem Seemannsgesetz herausnehmen und zu den anderen Dingen zunächst einmal nichts sagen. Diese keineswegs vollständige Übersicht würde zeigen, daß sich die bisherigen Regelungen aus sachlichen Notwendigkeiten entwikkelt haben. Würde man nun die eigenständigen Berufsausbildungsbereiche auflösen und durch ein einheitliches Gesetz unterbinden wollen, wäre eine absolute Rechtsverwirrung die Folge. Die sogenannte verwaltungsmäßige Zersplitterung der Zuständigkeiten im Gesamtbereich der Berufsausbildung ist nur das Spiegelbild der außerordentlich verschieden gelagerten sachlichen Bedürfnisse des Ausbildungswesens. Je weiter sich die Arbeitsteilung innerhalb der Wirtschaft entwickelt, um so stärkere Differenzierungen werden sich auch in den Anforderungen der Ausbildung und Weiterbildung ergeben.
Dem entspricht dann auch die Untergliederung der Kompetenzen bei den Bundesministerien. Das Bundeswirtschaftsministerium ist zuständig für die gewerbliche Wirtschaft allgemein, das Bundesarbeitsministerium für Haushaltungs- und andere Berufe, das Bundesjustizministerium für Rechtsanwalts- und Notariatsangestellte, das Bundesinnenministerium für Verwaltungsberufe, das Bundesverkehrsministerium für Seeschiffahrt und Bundesbahn, das Bundespostministerium für Berufe im Postwesen und das Bundesverteidigungsministerium für verschiedene Fachberufe im Ausrüstungswesen der Bundeswehr. Das gleiche trifft für das Bundeslandwirtschaftsministerium und das Bundesgesundheitsministerium zu.
Aus dieser Übersicht erklären sich wohl auch die bisherigen Schwierigkeiten bei der Gesetzesinitiative des Bundeskabinetts zur Novellierung der Gewerbeordnung. Dabei ist zu bedenken, daß z. B. das Bundesarbeitsministerium neben der Zuständigkeit für kleinere Berufsgruppen auch die Zuständigkeit für alle arbeitsrechtlichen Aspekte einschließlich des Jugendarbeitsschutzes beansprucht.
Was mir aber sehr wesentlich zu sein scheint, ist die Tatsache, daß man durch eine Novellierung, wie sie hier vorgelegt wird, 96 % aller Lehrlinge erfaßt. Es bleibt nur eine kleine Gruppe von 4 % draußen, und man sollte nicht wegen der Regelung für diese Gruppe das Gesetz selbst hinausschieben. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Bundestag am 27. Juni kein umfassendes Gesetz gefordert hat, sondern daß die Bundesregierung aufgefordert worden ist, den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes vorzulegen.

(Abg. Folger: Das schließt aber „umfassend" ein, Herr Dr. Imle!)

— Nein, das steht nicht darin; das steht jetzt in Ihrer Großen Anfrage.

(Abg. Behrendt: Heißt das Novellierung?)

— Ich komme gleich darauf.
Da aber wohl in diesem Hause Einigkeit darüber besteht, daß bestimmte Vorschriften gesetzlich neu geregelt werden müssen — der Minister und auch Sie haben das hier gesagt —, kann man diesem Anliegen auch durch eine moderne Novellierung der Gewerbeordnung, wodurch gleichzeitig Bestim-
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Dr. Imle
mungen des Handelsgesetzbuches überflüssig werden, Rechnung tragen.
Ich muß allerdings auch folgendes sagen. Allein die Tatsache, daß sich die Bundesregierung bisher nicht zu einer umfassenden Regelung, zu einer großen Lösung durchringen konnte und daß sie die Schwierigkeiten übersieht, stellt uns vor die Notwendigkeit — die wir anerkennen; sonst hätten wir uns nicht seit Jahr und Tag um diese Dinge gekümmert —, hier doch eine Regelung zu treffen, damit wenigstens diese Dinge schon geklärt werden.
Was die Frage betrifft, ob die Novelle noch verabschiedet werden kann, darf ich erklären, daß mir der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses dieses Hauses vor einigen Tagen noch erklärt hat, daß er das durchaus noch schaffen könne. Deswegen sollte uns hier eine konstruktive Zusammenarbeit zusammenführen.
Noch kurz einige Worte über das, was mit dem Entwurf erreicht werden soll. Der wesentlichste Gedanke des Entwurfs ist der, daß an dem Grundsatz der betrieblichen Ausbildung festgehalten wird. Dieser vornehmlich betrieblichen Ausbildung ist es doch zu danken, daß die Leistung des deutschen Arbeiters in aller Welt anerkannt ist. Andererseits soll aber das Recht zur Ausbildung bei Personen eingeschränkt werden, gegen die in sittlicher oder fachlicher Hinsicht — ich betone das Wort „fachlicher Hinsicht" — Bedenken bestehen oder deren Betriebe im Hinblick auf die Einrichtung oder Struktur für die Ausbildung ungeeignet sind. Bisher gab es keine Möglichkeit, so etwas zu unterbinden. Wir sehen darin einen bedeutenden Fortschritt.
Außerdem soll eine Bestimmung eingeführt werden, die dem alten Vorwurf der Lehrlingszüchterei Einhalt gebietet. Der Lehrvertrag war bisher schon an Mindestnormen gebunden. Diese werden jetzt im Entwurf noch erweitert. Darüber hinaus soll festgelegt werden, daß die Lehrverhältnisse grundsätzlich nur noch in einem anerkannten Lehrberuf begründet werden können. Bisher fehlte die gesetzliche Grundlage dazu, denn es genügte bisher ein einfacher Erlaß des Bundeswirtschaftsministers. Die Lehrzeit selbst soll durch die Gewerbeordnung gesetzlich festgelegt werden. Der Begriff der Lehrlingsrolle, .der bisher weder in der Gewerbeordnung noch im HGB verankert ist, soll jetzt herausgestellt werden. Die Führung der Lehrlingsrolle wird dabei allerdings der Industrie- und Handelskammer übertragen. Dann werden die Pflichten des Lehrherrn und des Lehrlings entsprechend der bisherigen Übung gesetzlich verankert und ebenso die Bestimmungen über die Lehrzeit, die Lehrabschlußprüfung, die Regelung des Prüfungsverfahrens und die zu erlassende Prüfungsordnung.
Zum Schluß noch ein Wort, das bisher hier nicht angeklungen ist. Ich möchte es vorwegnehmen; ich weiß nicht, ob es nachher in der Diskussion noch kommt: ein Wort zur Mitbestimmung. In dem Gesetz ist die Mitbestimmung des Betriebsrats vorgesehen. Bei den Industrie- und Handelskammern hat der § 8 des Kammergesetzes die Mitwirkung der Arbeitnehmervertretungen gesichert. Es ist auch festzustellen, daß eine genaue und gute Zusammenarbeit besteht. Auf Bundesebene haben bisher die Spitzenverbände aller Organisationen der Industrie, der Kammern und der Gewerkschaften bei der Festlegung der Berufsbilder zusammengearbeitet.
Aus meinen Ausführungen dürfte eindeutig hervorgehen, daß es sich bei diesem Novellierungsentwurf zur Gewerbeordnung um die Ausbildung der Lehrlinge im Rahmen der Wirtschaft handelt. Da die Wirtschaft hier das Vordringlichste ist, beantrage ich, die Vorlage dem Wirtschaftsausschuß — federführend — und dem Arbeitsausschuß zur Mitberatung zu überweisen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411232500
Wir treten ein in die Aussprache über den von der Fraktion der FDP vorgelegten Gesetzentwurf.
Das Wort hat der Abgeordnete Liehr.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0411232600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In bezug auf den Antrag der Fraktion der FDP ist es sehr aufschlußreich, sich die Stellungnahmen der Koalitionssprecher zu vergegenwärtigen, die am 27. Juni 1962 abgegeben wurden. Der Herr Kollege Diebäcker hat u. a. erklärt:
Wir von der CDU/CSU-Fraktion stimmen mit der SPD darin überein, daß die Bundesregierung den Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes vorlegen sollte.
Objektiverweise füge ich hinzu, daß er an anderer Stelle gesagt hat:
Wir stimmen aber nicht mit den von der SPD zum Berufsausbildungsgesetz entwickelten Grundsätzen in allen Teilen überein.
Herr Dr. Imle hat u. a. gesagt:
Vorhin wurde schon von meinem Vorredner, Herrn Kollegen Diebäcker, darauf hingewiesen, was alles von einem modernen Berufsausbildungsgesetz zu verlangen ist. Wir sind der Meinung, daß es hierzu nicht eines Berufsausbildungsgesetzes bedarf, sondern daß eine Novellierung der Gewerbeordnung durchaus ausreicht.
Soweit der Tatbestand, den ich in Ihre Erinnerung rufen wollte.
Trotz der Einwände, die Herr Dr. Imle für die FDP-Fraktion zum Ausdruck gebracht hat, ist es zu einem einstimmigen Beschluß des Hauses gekommen — wobei die FDP-Fraktion geschlossen mitgestimmt hat —, der lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Februar 1963 den Entwurf eines Gesetzes über die Berufsausbildung (Berufsausbildungsgesetz) vorzulegen.
Wohlgemerkt, Herr Dr. Imle, es ist nicht gefordert oder gar beschlossen worden, einen Gesetzentwurf über die Berufsausbildung in der gewerblichen
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5179
Liehr
Wirtschaft oder einen Gesetzentwurf über die handwerkliche Berufsausbildung vorzulegen, sondern ein Gesetz über die Berufsausbildung, und in Klammern — für diejenigen, die, wie wir jetzt gehört haben, etwas anderes hineininterpretieren wollen — haben wir, um es ganz unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen, gesagt „Berufsausbildungsgesetz". Ich nehme an, Herr Dr. Imle, es fällt auch Ihnen auf, daß das etwas ganz anderes ist als die Novellierung der Gewerbeordnung, für die Sie hier eben eingetreten sind.

(Zuruf von der Mitte: Ein Gesetz für die Wirtschaft ist doch auch ein Berufsausbildungsgesetz!)

— Verzeihung, aber „ein Gesetz über die Berufsausbildung" — und diesen Antrag haben Sie und die Kollegen der FDP mit unterstützt — ist etwas anderes als die Novellierung der Gewerbeordnung. Ich möchte das auf Grund des Zwischenrufs doch noch einmal wiederholen.
Man darf also auf Grund der veränderten Haltung der FDP-Fraktion in diesem Haus mit Fug und Recht schlußfolgern, daß sie sich von allen anderen Rednern, die sich dazu geäußert haben, hat überzeugen lassen, daß es richtig ist, entgegen ihrer ursprünglich geäußerten Absicht nunmehr von einer Novellierung der Gewerbeordnung Abstand zu nehmen. Sonst hätte die FDP-Fraktion am 27. Juni gegen den SPD-Antrag stimmen müssen, zumal er ja erst einen Tag vorher, am 26. Juni, in diesem Hause eingebracht worden war. Aber ganz im Gegenteil, die FDP hat, wie gesagt, zugestimmt.
Es ist deshalb die Frage erlaubt: Was soll das jetzt eigentlich, daß gut anderthalb Jahre später ein Griff in die Mottenkiste versucht wird, daß man Wiederbelebungsversuche für einen Entwurf unternehmen will, der schon damals, vor gut anderthalb Jahren, nicht den Erfordernissen einer modernen und zukunftsorientierten Berufsausbildung gewachsen war? Wenn man von der Bundesregierung die Vorlage eines Berufsausbildungsgesetzes erwartet, dann ist es völlig widersinnig, durch die Novellierung der Gewerbeordnung im Bereich der Berufsausbildung einen Teilbereich- vorziehen zu wollen.
Aber man darf wohl auch hier der FDP-Fraktion unterstellen, daß sie weiß, worum es bei der Forderung nach einem Berufsausbildungsgesetz im Prinzip geht. Immerhin hat Herr Dr. Mende in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der FDP noch 1960 in einem Grußwort an die Bundesjugendkonferenz der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen folgendes ausgeführt — und das ist aktenkundig —:
Auf dem Gebiet der Gesetzgebung sollte der Versuch unternommen werden, der seit Jahren herrschenden Rechtszersplitterung der Bestimmungen über die Lehrlingsausbildung in der Gewerbeordnung, dem Handels- und Bürgerlichen Gesetzbuch durch ein Rahmengesetz mit dem Ziel einer einheitlichen Regelung bestimmter Grundsatzfragen ein Ende zu bereiten.
Dieser Hinweis mit der Bezugnahme auf ein Rahmengesetz, meine Damen und Herren, reicht zwar an die sozialdemokratischen Vorstellungen einer gesetzlichen Neuordnung der Berufsausbildung nicht heran, aber er beinhaltet eben, daß etwas ganz anderes damit gemeint war als nur die Novellierung der Gewerbeordnung; gemeint war im Grunde genommen sogar die Überwindung der Gewerbeordnung. Das liegt in der Aussage von Herrn Dr. Mende, die ich hier wiedergegeben habe.
Es kann also nicht wahr sein, daß die FDP all das übersieht und genau das Gegenteil von dem praktizieren will, was sie, wie verkündet, für richtig befunden hat, um es jetzt in diesem Hause und in dieser Aussprache ignorieren zu wollen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411232700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0411232800
Bitte sehr.

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0411232900
Haben Sie eigentlich gemerkt, daß der Entwurf, der hier heute zur Debatte steht, das Datum des 26. Juni trägt? Das ist ein Tag von Ihrer damaligen großen Anfrage. Er wäre doch nur dann behandelt, worden, wenn er sich nicht durch den Auftrag an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, erledigt hätte, indem er also darin eingegangen wäre. Nachdem jetzt aber fessteht, daß der Gesetzentwurf nicht kommt, war es an der Zeit, daß auf diesem Gebiet tatsächlich etwas geschieht!

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0411233000
Herr Dr. Imle, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie gemerkt, daß ich in meinen Ausführungen auf diesen Termin hingewiesen habe. Ich darf nur sachlich feststellen: das war keine Erklärung im Widerspruch zu 'der Erklärung von Herrn Dr. Mende, die er als Vorsitzender der FDP abgegeben hat.
Lassen Sie mich au dem Antrag der FDP folgende Feststellungen treffen:
Erstens. Die Forderung nach einem Berufsausbildungsgesetz nachträglich etwa mit einer Novellierung der Gewerbeordnung parieren zu wollen müßte als eine unzumutbare Einengung des einstimmig gefaßten Beschlusses des Deutschen Bundestages angesehen werden und die Ernsthaftigkeit der Arbeitsweise dieses Hauses generell in Frage stellen.
Zweitens. An Stelle des Berufsausbildungsgesetzes nunmehr das Ganze auf die Gewerbeordnung beschränken zu wollen wäre ein Tiefschlag gegen alle sachverständigen Bestrebungen, die Berufsausbildung zu vereinheitlichen und zu modernisieren. Das würde gewissermaßen einer Zementierung der Rechtszersplitterung im Bereich der Berufsausbildung gleichkommen, zumal, Herr Dr. Imle, der Teil der Handwerksordnung, der sich auf Berufsausbildung bezieht, nach Ihrem Vorschlag und nach Art. II des FDP-Antrages das Berliner Berufsausbildungsgesetz aufgehoben werden sollen. Mit dem Wegfall des Berliner Berufsausbildungsgesetzes würde ein anerkanntermaßen auch für die Bundesgesetzgebung
5180 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964
Liehr
beispielhaftes Gesetz gegen ein Linsengericht preisgegeben werden.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Drittens. Der FDP-Entwurf übernimmt zum Teil wortwörtlich den vor etwa zwei Jahren vom Bundeswirtschaftsminister erstellten Diskussionsentwurf zur Änderung der Gewerbeordnung, der — das will ich hier hinzufügen — nach dem Beschluß des Bundestages vom 27. Juni 1962 vom Ministerium erfreulicherweise nicht weiter verfolgt wurde. Der FDP-Entwurf beinhaltete gegenüber diem anderen Entwurf lediglich noch einige Verschlechterungen.
Im übrigen fehlt im Entwurf der Freien Demokratischen Partei der Hinweis auf die notwendige Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber, Betriebsvertretung und Berufsschule. Es ist nichts gesagt über die Anerkennung der Ausbildungsbefugnis. Es kann auch nicht darauf verzichtet werden, auf eine ständige Überwachung der Berufsausbildung hinzuwirken. Dabei spielt auch die Durchführung obligater Zwischenprüfungen eine herausragende Rolle.
In diesem Entwurf ist auch nichts zur überbetrieblichen Berufsausbildung gesagt, die gerade für die Fülle der Klein- und Mittelbetriebe in der Praxis wachsende Bedeutung erhält. Es fehlt jeder Hinweis, wie man die nicht in einem Ausbildungsverhältnis stehenden Jugendlichen fachlich zu fördern gedenkt. Man schweigt auch über die Notwendigkeit, allen an der Berufsausbildung Beteiligten ein Selbstverwaltungsorgan zur Verfügung zu stellen. Man erwähnt nicht einmal die paritätisch zu besetzenden Ausbildungsausschüsse bei den Industrie- und Handelskammern.
Nicht zuletzt fehlt in dem FDP-Antrag der vorwärtsdrängende Geist, die fortschrittliche Einstellung. Lassen Sie mich auch sagen: Es fehlt der Wille, die Probleme der Berufsausbildung zu bewältigen, wie er z. B. auch bei der Formulierung und Kommentierung der zehn EWG-Grundsätze zur Berufsausbildung spürbar geworden ist.
All dies veranlaßt uns also, die FDP zu bitten, ihre eigenen Absichten noch einmal zu überprüfen. Den vorliegenden Entwurf lehnen wir jedenfalls ganz entschieden ab, weil wir ihn für antiquiert halten und glauben, daß er einer zukunftorientierten Regelung im Wege steht. Wir Sozialdemokraten werden uns gegen alle Versuche wehren, sich durch unzulängliche Teillösungen im Bereich der Berufsausbildung gewissermaßen um die notwendige Gesamtreform der Berufsausbildung herumzumogeln. Die Leidtragenden wären dabei nicht nur die unmittelbar Betroffenen, nämlich die Lehrlinge, sondern angesichts der Komplexität und der anerkanntermaßen wachsenden Bedeutung der Berufsausbildung für unsere Volkswirtschaft überhaupt letzten Endes wir alle.
All die Fragen im Zusammenhang mit der Berufsausbildung gehen weit über den Bereich der Wirtschaft hinaus. Sie sind mit entscheidend für die soziale Stellung und das Leben des einzelnen ebenso wie für die Gemeinschaft. Deshalb vertreten wir erneut die Forderung, daß die Berufsausbildung endlich zu einer öffentlichen Aufgabe wird.
Dies ist ganz gewiß eine Aufgabe von hohem Rang, die nicht zuläßt, daß sie unter dem Kompetenzstreit zweier Ministerien im Keim erstickt wird. Es ist ganz bemerkenswert, daß heute an Stelle des Herrn Bundesarbeitsministers, der sonst bei diesen Fragen immer anwesend war, der Herr Bundeswirtschaftsminister zu dem ganzen Komplex Stellung genommen hat. Wir können nur hoffen, daß daraus nicht zu schlußfolgern ist, daß darin gewissermaßen eine Vorentscheidung darüber liegt, ob wir dann schließlich doch nur zu einer Novellierung der Gewerbeordnung kommen. Dais wäre jedenfalls zutiefst bedauerlich.
Herr Bundesminister Schmücker hat in diesem Zusammenhang das Haus auch darum gebeten, ihm noch ein wenig Zeit einzuräumen. Daraus ergibt sich die Frage, Herr Minister, ob das bedeutet, daß die Lösung gewissermaßen bis zum Sankt-Nimmerleinstag vor uns hergeschoben werden soll und daß wir in dieser Legislaturperiode nicht mehr damit rechnen können, daß ein solcher Entwurf vorgelegt wird. Es wäre also begrüßenswert, wenn Sie sich dazu äußern würden.
Im übrigen ist es doch zu begrüßen, daß die CDU/ CSU — gegenteilige Erklärungen haben wir bis jetzt nicht gehört — jedenfalls bereit ist, zu dem gemeinsam gefaßten Beschluß dieses Hauses vom Juni 1962 zu stehen. Sie werden uns einräumen, meine Damen und Herren, daß wir mit Recht darauf bestehen müssen, daß die Aufträge, die dieses Haus an die Regierung erteilt, auch ordnungsgemäß erfüllt werden. Das heißt hier in dem speziellen Bereich, daß dem Bundestag gesetzliche Teillösungen erspart bleiben. Insofern ist also durchaus anzuerkennen — das war eben, wie gesagt, noch nicht ganz eindeutig, aber in der Tendenz ist es jedenfalls anzuerkennen daß Herr Wirtschaftsminister Schmücker nicht daran denkt, diese kleine Teillösung, von der er hier sprach, diesem Hause zu empfehlen, sondern daß er, um es einmal mit anderen Worten zu sagen, dieses Haus nach wie vor mit einer großen Lösung konfrontieren wird.
Entscheidend ist aber, daß die Bundesregierung nun endlich den Entwurf eines umfassenden Berufsausbildungsgesetzes vorlegt. Sie erinnern sich, daß wir im Antrag erst den Termin „bis 1. Oktober 1962" stehen hatten. Dann haben die Herren der Koalition gemeint: es soll doch etwas Vernünftiges werden, verlängern wir auf den 1. Februar 1963. — Seitdem ist jetzt wieder ein Jahr vergangen. Wir erwarten also wirklich, Herr Minister, daß uns in aller Kürze — um mit Ihrer eigenen Vorlage zu sprechen, wenn ich auf den Zwischenbescheid Bezug nehmen darf —, tunlichts vor der diesjährigen Sommerpause des Parlaments ein solcher Entwurf vorgelegt wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Termine!)

Im übrigen, meine Damen und Herren, ist es nach der Beschlußfassung dieses Hauses im Juni 1962 zu manchen Ungereimtheiten gekommen. Da schrieb z. B. der „Lehrlingswart", die Zeitschrift für die gesamte Berufserziehung im Handwerk, herausgegeben im Auftrage des Deutschen Handwerkskammer-
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tages — wohlgemerkt: eine Zusammenfassung von Anstalten des öffentlichen Rechts in Form einer Dachorganisation — unter dem 15. Februar 1963:
Dieser Plan,
— nämlich ein Berufsausbildungsgesetz vorzulegen —
der aller Vernunft widersprochen hätte, ist erfreulicherweise in Bonn schon an der ersten Hürde hängengeblieben. Der Siebener-Ausschuß der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dem der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums für ein Berufsausbildungsgesetz inzwischen vorgelegen hat, hat sich einmütig dagegen ausgesprochen, die einschlägigen Vorschriften der Handwerksordnung durch die eines allgemeinen Berufsausbildungsgesetzes zu ersetzen.
Meine Damen und Herren, in unserer Kleinen Anfrage vom 26. März 1963 fragten wir unter 1:
Treffen Berichte zu, wonach der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung den in Ausführung des Bundestagsbeschlusses vom 20. 6. 1962 erstellten Referentenentwurf eines Berufsausbildungsgesetzes Mitgliedern nur einer Bundestagsfraktion zugestellt hat?
Antwort der Bundesregierung:
Die Berichte treffen nicht zu. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat den Referentenentwurf eines Berufsausbildungsgesetzes bisher keiner Bundestagsfraktion zugeleitet, auch nicht einzelnen Abgeordneten.
Findet die Bundesregierung diesen Widerspruch nicht auch ein wenig eigenartig? Wir hätten gerne gehört, welche Erklärung die Bundesregierung dafür anzubieten hat.
Jedenfalls scheint die Bundesregierung in ihrer Wertschätzung gegenüber den Forderungen bestimmter Interessenverbände ein offeneres Ohr zu haben als für die Wünsche und Forderungen des Parlaments. Wie soll man es sich z. B. erklären, daß auf einer öffentlichen Kundgebung des Handwerks im Rahmen des Deutschen Handwerkskammertages im Juli vergangenen Jahres in Hamburg von dem damaligen Bundeswirtschaftsminister, Herrn Professor Ludwig Erhard, in bezug auf ein Berufsausbildungsgesetz wörtlich gesagt wurde:
Ein solches Gesetz ist ein wahrer Unsinn.

(Abg. Behrendt: Unerhört! — Zuruf von der CDU/CSU: Was hat das mit der Vorlage zu tun?)

Meine Damen und Herren, damit hat dieser leidige Vorgang ganz besondere und bemerkenswerte Formen angenommen. Nicht nur — und insoweit darf ich das in anderer Weise wiederholen — daß dem Willen des Parlaments nicht entsprochen worden ist, daß der Wille des Parlaments strapaziert wurde, sondern nun hat auch noch ein Bundesminister es für angebracht gehalten, den Deutschen Bundestag, der den Beschluß einstimmig gefaßt hatte, in aller Öffentlichkeit herabzusetzen. Ich meine, wir haben alle Veranlassung, uns in diesem Hause dagegen ganz entschieden zur Wehr zu setzen.

(Beifall bei der SPD.)

Lassen Sie mich bitte abschließend bei allem Respekt dem Herrn Bundeskanzler Ludwig Erhard gegenüber der von ihm gepriesenen Mustergültigkeit unseres Berufsausbildungssystems — Sie, Herr Minister Schmücker, haben das mit anderen Worten heute noch einmal unterstrichen — mit einer sachlichen Kritik begegnen, die, das muß ich hier von vornherein sagen, nicht meine eigene Handschrift trägt, sondern die aus der Feder eines Berufeneren stammt. Dieser Beitrag ist unlängst veröffentlicht worden. Ich darf zitieren:
Diese Bedingungen — die jungen Menschen in ihrer Lehrzeit auf das vorzubereiten, was sie später in den Betrieben an Arbeits- und Leistungsanforderungen erwartet — werden in der Zukunft nicht die gleichen sein wie heute. Die fortschreitende technische Entwicklung bringt in zunehmendem Maße neue und neuartige Anforderungen mit sich. Wir haben durchaus Veranlassung, die ernste Frage zu stellen, ob unser industrielles Ausbildungssystem den Bedürfnissen der Gegenwart, geschweige denn denen der Zukunft, noch gerecht wird.
Das Schwergewicht des bisher praktizierten industriellen Ausbildungssystems — Ausbildung in anerkannten Lehr- und Anlernberufen — liegt in der Berufsvorbereitung. Die Zielsetzung ist dabei immer noch auf Berufsanforderungen ausgerichtet, wie sie vor einigen Jahrzehnten existierten, als dieses System auf der Grundlage der Jahrhunderte alten Berufsausbildungsordnung des Handwerks entwickelt wurde. Der zum Teil grundlegenden Wandlung der technologischen und soziologischen Bedingungen in Fertigung und Verwaltung, die neue und andersartige Berufsanforderungen mit sich gebracht hat und weiter mit sich bringen wird, ist ausbildungsmäßig nur bedingt Rechnung getragen worden. Ausbildungsziel und Berufspraxis entsprechen in vielen Tätigkeitsbereichen einander kaum noch. Manche Maßnahmen im Bereich der Erwachsenenfortbildung sind, genaugenommen, lediglich Korrekturen einer nicht mehr angepaßten Berufsvorbereitung.
Er sagt dann weiter und kommt damit zum Schluß:
In den . nächsten Jahrzehnten wird auf Grund der stürmischen Industrialisierung die wirtschaftliche und technische Konkurrenzfähigkeit von bisher unterentwickelten Ländern entscheidend wachsen. Diesem Konkurrenzdruck kann von seiten der hochindustrialisierten Länder nur begegnet werden durch die Ausnutzung und Vergrößerung des Bildungs- und Ausbildungsvorsprunges, der noch vorhanden ist und der es allein ermöglicht, in Forschung, Entwicklung und Fertigung jeweils ein Stück voraus zu sein. Unter diesen Erkenntnissen
— so schlußfolgert er —
erhält die Ausbildung vor allem im betrieblichen Bereich eine neue Bedeutung. Ihre Neuorientierung ist daher dringend erforderlich.
Meine Damen und Herren, Sie werden fragen, von
wem diese unbestreitbar sachkundigen Ausführun-
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Liehr
gen stammen. Diese Feststellungen wurden von Herrn Dr.-Ing. H. Moll getroffen, der Mitglied des Kuratoriums der Firma Krupp, Essen, ist. Ich denke, daß sie in ihrer Eindeutigkeit so für sich sprechen, daß man es sich wirklich ersparen kann, noch etwas hinzuzusetzen, weil sie einfach in ihrer Nüchternheit und ihrem Realismus für gedankliche Höhenflüge keinen Platz mehr lassen.
Meine Herren von der FDP-Fraktion, Sie haben um die Überweisung Ihres Antrags an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Arbeit gebeten. Wir beantragen aus grundsätzlichen Erwägungen, den FDP-Antrag an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411233100
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Kurt Schmücker (CDU):
Rede ID: ID0411233200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine kurze Beantwortung der gestellten Fragen.
Ich habe an der öffentlichen Kundgebung des Handwerks 1963 in Hamburg teilgenommen, auf der der Herr Bundeskanzler, der damalige Wirtschaftsminister, gesprochen hat. So wie Sie es hier dargestellt haben, Herr Kollege, ist die Äußerung nicht gefallen. Er hat sich gegen eine perfektionistische und bürokratische Neuregelung gewandt und eine solche Regelung als baren Unsinn bezeichnet. Ich selber habe zu denen gehört, die ihm dafür Beifall geklatscht haben.
Nun zu der zweiten Frage, nämlich wie die Entwürfe in die Hand einiger Kollegen gelangt sind. Wir haben die Entwürfe den Länderregierungen gegeben, die ihrerseits mit Verbänden Kontakt aufgenommen haben. Wenn die Entwürfe einmal das Haus verlassen haben, kann man nicht wissen, wohin sie überall gehen.
Sie haben von Interessentenvertretungen gesprochen. Meine Damen und Herren, wir müssen doch konsequent bleiben. Wir können nicht dann, wenn es uns gerade paßt, von Interessenvertretungen sprechen. Ich meine, es müssen alle Entwürfe, soweit es irgendwie geht und interessierte Kreise davon betroffen sind, mit den beruflichen Organisationen besprochen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das ist ein ganz normales und ein gerechtfertigtes Anliegen, und ich werde es so halten, daß ich diesen Kontakt pflege.
Sie haben noch einmal darauf hingewiesen, daß ein einheitlicher Gesetzentwurf vorgelegt werden sollte. Herr Kollege, seien Sie bitte so gut und lesen Sie den Text Ihres eigenen Antrags durch. Es heißt nicht „den Entwurf eines Gesetzes über die Berufsausbildung" und auch nicht ,,... über eine Berufsausbildung", sondern es heißt schlicht und einfach: „den Entwurf eines Gesetzes über Berufsausbildung vorzulegen." Ich habe den Abdruck dort liegen.

(Zuruf von der SPD: Stimmt! Das ist richtig!)

Also das umstrittene Wörtchen „die" steht aus irgendeinem unerfindlichen Grund nicht im Text.
Sie wollen wissen, wann das Gesetz vorgelegt wird, das Sie verlangen. Ob das Gesetz, das Sie verlangen, vorgelegt wird, kann ich Ihnen überhaupt nicht sagen, meine Damen und Herren. Ich werde mich bemühen, so rasch wie möglich ein ausgereiftes Gesetz vorzulegen. Ich halte es nicht für gut, sich unter Termindruck setzen zu lassen

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und dann dem Hause eine Vorlage zu präsentieren, bei der alles noch einmal von vorn erarbeitet und beraten werden muß. Ein ausgereiftes Gesetz soll Ihnen vorgelegt werden, so schnell wie möglich, wenn es geht, im Laufe dieser Legislaturperiode. Aber ich kann eine Terminzusage nicht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411233300
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0411233400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Entscheidung des Präsidenten kann über die Große Anfrage nicht mehr debattiert werden. Was noch zur Debatte steht, ist der Entwurf der FDP, der sich mit einer Novelle zur Gewerbeordnung beschäftigt. Während wir uns heute morgen einige Zeit mit einem Berufsausbildungsgesetz als Ganzem beschäftigt haben, wenn ich die SPD richtig verstanden habe, sogar mit einem umfassenden Berufsausbildungsgesetz, sieht die Novelle der FDP, ich möchte fast sagen, eine Kleinlösung der Frage vor. Ich bin der Meinung, daß man den Gedankengängen der Bundesregierung folgen sollte, die durch den Mund des Herrn Bundeswirtschaftsministers davon gesprochen hat, daß dem Hause eine ausgereifte Vorlage zugehen wird. Man muß begreifen, daß es bei der Kompliziertheit dieser Probleme nicht möglich ist, zu sagen, wann. Wir sind allerdings der Meinung, daß der Antrag der FDP — um die Sache in erster Lesung abzutun — den Ausschüssen zugeleitet werden sollte.

(Zuruf von der SPD: „Abzutun" ist gut!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411233500
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht mehr der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die Ausschußüberweisung. Welcher Ausschuß soll federführend sein?

(Zurufe von der CDU/CSU: Wirtschaft! — Zurufe von der SPD: Arbeit! — Abg. Dr. Imle: Von mir ist beantragt worden: Wirtschaftsausschuß federführend, Arbeitsausschuß mitberatend! — Zuruf von der SPD: Von uns umgekehrt!)

— Und was ist mit dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen? Der ist gar nicht dabei? — Dann hatte ich eine falsche Unterlage.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 5183
Vizepräsident Dr. Jaeger
Es ist also beschlossen, den Antrag dem Wirtschaftsausschuß und dem Arbeitsausschuß zu überweisen. Über die Federführung lasse ich abstimmen. Welcher Antrag wurde zuerst gestellt?

(Abg. Dr. Imle: Hier war der erste Antrag!)

— Gut. Ich lasse über den Antrag abstimmen, daß der Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich danke Ihnen. Es ist nicht klar festzustellen, welches die Mehrheit war. Ich möchte aber einen Hammelsprung aus naheliegenden Gründen gern vermeiden. Ich bitte diejenigen, die für den Wirtschaftsausschuß sind, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit. — Nein? — Nicht einig; ich habe die Herren falsch verstanden. Ich lasse die Abstimmung also noch einmal wiederholen; Sie wissen, warum ich keinen Hammelsprung machen möchte. Wer für den Wirtschaftsausschuß ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist
nicht möglich, eine Einigung im Sitzungsvorstand herbeizuführen. Wir stimmen durch Auszählung über den Änderungsantrag ab, den Wirtschaftsausschuß zum federführenden Ausschuß zu machen. Wer dafür ist, den Wirtschaftsausschuß zum federführenden Ausschuß zu erklären, muß mit Ja stimmen. Wer den Arbeitsausschuß zum federführenden Ausschuß machen will, muß mit Nein stimmen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja — d. h. für die Federführung des Wirtschaftsausschusses — haben 117 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 83 bei einer Enthaltung. Ich muß feststellen, daß die Beschlußfähigkeit des Hauses nicht gegeben ist.

(Abg. D. Dr. Gerstenmaier.: Berufen Sie sofort eine neue Sitzung ein!)

Meine Damen und Herren, ich berufe eine neue Sitzung auf 13.30 Uhr mit der unerledigten Tagesordnung ein.
Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 13.28 Uhr.)

Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 112. und 113. Sitzung. Bonn, Freitag, den 7. Februar 1964 185
113. Sitzung
Bonn, den 7. Februar 1964
Stenographischer Bericht
Beginn: 13.35 Uhr

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411233600
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren!

(Abg. Dr. Kohut: Herr Präsident, zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Dr. Kohut!

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0411233700
Herr Präsident, nach § 51 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist bei Beschlußunfähigkeit eine neue Sitzung anzuberaumen. Gilt das auch, wenn der Zeitpunkt der neuen Sitzung auf 5 Minuten später festgesetzt wird, ohne daß alle Mitglieder des Hauses davon unterrichtet werden? Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411233800
Herr Abgeordneter Dr. Kohut, die Beschlußfähigkeit können Sie nur bei einer Abstimmung bezweifeln. Wir sind im Augenblick nicht in einer Abstimmung.

(Abg. Dr. Kohut: Aber die Einladung ist nicht ordnungsgemäß erfolgt! Ist das der Brauch?)

— Ich bin genau nach dem Brauch dieses Hauses und nach der Geschäftsordnung verfahren.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Kohut.)

— Sie können die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifeln, wenn wir in der Abstimmung sind, jetzt nicht.
Meine Damen und Herren, ich rufe folgenden Punkt der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der ersten Beratung des von der
Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung
des Titels VII Abschnitt III der Gewerbeordnung (Berufsausbildung) (Drucksache IV/539).
Soweit ich sehe, ist es strittig, welcher Ausschuß federführend sein soll. Überwiesen ist bereits an den Arbeitsausschuß und an den Wirtschaftsausschuß. Wer federführend sein soll, ist umstritten. Es ist der Antrag gestellt: Wirtschaftsausschuß federführend. Ich lasse abstimmen. Wer dafür ist, daß der Wirtschaftsausschuß federführend sein soll, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Wirtschaftsausschuß ist federführend.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0411233900
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Auf Grund der fortgeschrittenen Tageszeit haben wir uns interfraktionell verständigt, den Punkt 7 heute von der Tagesordnung abzusetzen, und wir bitten, eine besondere Sitzung des Bundestages für Mittwoch, 14 Uhr, einzuberufen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0411234000
14 Uhr, wenn ich richtig verstanden habe.

(Zurufe von der Mitte: Jawohl!)

Besteht Einverständnis mit dem Vorschlag? — Das ist der Fall. Dann berufe ich die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 12. Februar, 14 Uhr, ein. Die Tagesordnung umfaßt:
1. Fragestunde;
2. Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß den §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes.
Die Sitzung ist geschlossen.