Protokoll:
4069

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 69

  • date_rangeDatum: 27. März 1963

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:16 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 69. Sitzung Bonn, den 27. März 1963 Inhalt: Änderung einer Ausschußüberweisung . . 3081 A Fragestunde (Drucksache IV/1093) Frage des Abg. Kahn-Ackermann: Verwaltung deutscher Auslandsschulen Dr. Schröder, Bundesminister . 3082 B, C Kahn-Ackermann (SPD) 3082 C Frage des Abg. Lenz (Bremerhaven) : Vergabe von Schiffbauaufträgen ins Ausland Hopf, Staatssekretär 3082 D Frage des Abg. Kaffka: Umstände des Todes des Gefreiten Werner Klein Hopf, Staatssekretär . 3083 A, B, C Kaffka (SPD) 3083 B Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . 3083 C Frage des Abg. Drachsler: Anwendung des Bundesbaugesetzes in ländlichen Gegenden Dr. Ernst, Staatssekretär 3083 D, 3084 A, B, C Drachsler (CDU/CSU) 3083 D Unertl (CDU/CSU) . . . . . 3084 A, B Lermer (CDU/CSU) . . . . . . . 3084 C Frage des Abg. Dr. Supf: Beurteilung und Beförderung von Polizeibeamten im Zusammenhang mit Anzeigen und Ordnungsstrafen Dr. Hölzl, Staatssekretär . 3084 D, 3085 A Dr. Supf (FDP) 3085 A Ertl (FDP) 3085 A, B Frage des Abg. Rollmann: Sirenen für den örtlichen Alarmdienst Dr. Hölzl, Staatssekretär . . . 3085 B, D Rollmann (CDU/CSU) 3085 D Frage des Abg. Rollmann: Sicherung von Kulturgut Dr. Hölzl, Staatssekretär 3086 A Frage des Abg. Dr. Miessner: Zusätzliches Entgelt für Sonn- und Feiertags-Dienst 3086 A Frage des Abg. Dr. Miessner: Zusätzliche Vergütung für Sonntagsdienst an Beamte in Nachbarländern . 3086 B Frage des Abg. Dr. Miessner: Gewährung einer allgemeinen „Erschwerniszulage" bei großen Betriebsverwaltungen 3086 B II Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 Frage des Abg. Vogt: Deutsche Arbeiterkonferenz in Leipzig Dr. Hölzl, Staatssekretär . . . 3086 C, D, 3087 A, B Vogt (CDU/CSU) 3086 D Matthöfer (SPD) 3087 A Wittrock (SPD) 3087 B Eichelbaum (CDU/CSU) . . . 3087 B Frage des Abg. Lemper: Willkürmaßnahmen von Ausländern in der Bundesrepublik Dr. Hölzl, Staatssekretär . . . . . 3087 C Frage des Abg. Ritzel: Weitere Tätigkeit des ehemaligen Staatssekretärs Dr. Strauß im Bundesjustizministerium Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 3087 D, 3088 A, B Ritzel (SPD) . . . . . . . 3088 A, B Frage des Abg. Erler: Höhe der Dolmetschergebühren Dr. Bucher, Bundesminister . . . . 3088 C Frage des Abg. Faller: Hintergründe des Attentatsversuchs auf den Raketenforscher Dr. Kleinwächter 3088 C Frage des Abg. Faller: Zusammenhang zwischen Attentatsversuch auf Dr. Kleinwächter und Verschwinden von Dr. Krug und Dr. Pilz 3088 D Frage der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus: Gleichberechtigte Behandlung von Töchtern und Söhnen als Hoferben Dr. Bucher, Bundesminister 3088 D, 3089 A Frau Diemer-Nicolaus (FDP) . . . 3088 D Frage des Abg. Kuntscher: Aufforderung der Deutschen Bundesbank zur Unterlassung der Aufnahme unnötiger Kredite Dr. Dahlgrün, Bundesminister 3089 A, B, C, D Rehs (SPD) 3089 B, C Dr. Czaja (CDU/CSU) 3089 C Frage des Abg. Drachsler: Zweites Vierjahresprogramm für den Straßenbau Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 3089 D Frage des Abg. Drachsler: Störung der langfristigen Straßenbauplanung durch Kürzung zweckgebundener Straßenbaumittel Dr. Dahlgrün, Bundesminister . 3090 A, B Drachsler (CDU/CSU) 3090 B Frage des Abg. Kaffka: Hilfe für die deutsche Schuhindustrie Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3090 B, 3091 A Kaffka (SPD) . . . . . . . . . 3090 D Frage des Abg. Lang (München) : Steigerung der Heizölpreise als Folge des strengen Winters Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3091 A Frage des Abg. Lang (München) : Maßnahmen für eine zukünftige Verhinderung von Versorgungsengpässen und unverantwortlicher Preissteigerung Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3091 B Frage des Abg. Matthöfer: Verhalten der Fordwerke AG: Ankündigung weiterer Preissteigerungen Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3091 D, 3092 A, B, C Matthöfer (SPD) . . . . . . 3092 A, B Gscheidle (SPD) . . . . . . . . 3092 C Frage des Abg. Matthöfer: Ursachen des Preisauftriebs und der Arbeitslosigkeit in der amerikanischen Wirtschaft Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3092 D, 3093 A, B Matthöfer (SPD) . . . . 3092 D, 3093 A Gscheidle (SPD) 3093 A, B Frage des Abg. Matthöfer: Preispolitik der Fordwerke AG Dr. Westrick, Staatssekretär 3093 B, C, D Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 3093 C Frage des Abg. Dr. Kohut: Entwicklung der Kaufkraft der D-Mark Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 3093 D, 3094 B, C, D Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . 3094 B, C Schmidt (Braunschweig) (SPD) . . . 3094 C Matthöfer (SPD) . . . . . . . . 3094 D Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 III Frage des Abg. Lemper: Übernahme deutscher Röhrenlieferungen an Sowjetrußland im Transitverkehr durch italienische Firmen Dr. Westrick, Staatssekretär . 3095 A, C Liehr (SPD) 3095 B Matthöfer (SPD) . . . . . . . 3095 C Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 GO; in Verbindung mit der Beratung der Sammelübersicht 15 des Ausschusses für Petitionen über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 28. Februar 1963 eingegangenen Petitionen (Drucksache IV/1070) Frau Klee (CDU/CSU) 3095 D Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes (Erstes Neugliederungsgesetz) (Drucksache IV/834); in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des Gesetzentwurfs über die Neugliederung des Gebietsteiles Baden des Bundeslandes Baden-Württemberg (Abg. Dr. Kopf, Dr. h. c. Güde, Hilbert, Dr. Hauser, Dr. Bieringer u. Gen.) (Drucksache IV/846) Ausschußüberweisung 3099 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Schiffsbankgesetzes (Drucksache IV/847) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsauschusses (Drucksache IV/1063) — Zweite und dritte Beratung — 3099 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (Drucksache IV/749) ; Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (Drucksache IV/1066) — Zweite und dritte Beratung — 3099 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. April 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Peru über den Luftverkehr (Drucksache IV/973); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/1073) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 3100 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes (Drucksache IV/999); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache IV/1084) — Zweite und dritte Beratung — 3100 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise (CDU/CSU, SPD, FDP) (Drucksache IV/1056); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/1135) — Zweite und dritte Beratung — . . . 3100 C Beratung der Ubersicht 11 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/1057) 3100 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG betr. „Allgemeine Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung" gemäß Art. 128 des EWG-Vertrages (Drucksachen IV/567, IV/1074) 3100 D Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rates betreffend die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen im Bereich der Berufstätigkeiten des Großhandels und der Hilfsberufe des Handels und der Industrie (Vermittlerberufe) (Art. 54 und 63) (Drucksachen IV/963, IV/1091, zu IV/1091) 3101 A Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Verordnung des Rates der EWG zur Ergänzung des Art. 40 der Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und des Art. 68 der Verordnung Nr. 4 zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung Nr. 3 (Drucksachen IV/962, IV/1094) . . 3101 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Entwurfeiner Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 9 über den Europäischen Sozialfonds (Drucksachen IV/1050, IV/1098) 3101 B Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung erlassene Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1962 (Angleichungszölle für Hartkaramellen, Weichkaramellen, Dragées und Brot — Neufestsetzung) (Drucksachen IV/1041, IV/1085) 3101 C IV Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 Beratung des Schrifitlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über die von der Bundesregierung vorgelegte Einundfünfzigste und Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/987, IV/1040, IV/1090) 3101 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. nachträgliche Zustimmung zur Eingliederung der Vereinigte Flußspatgruben GmbH, Stullen (Oberpfalz), (VFG) in die Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG (Viag) (Drucksachen IV/849, IV/1086) . . . . 3101 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Schwarzenberg-Kaserne in Hamburg-Harburg an die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksachen IV/941, IV/1087) . . . . 3101 D Beratung des Mündlichen Berichts Idles Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Proviantamtes in Düsseldorf an die Stadt Düsseldorf (Drucksachen IV/942, IV/1088) . . . 3102 A Beratung ides Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des bundeseigenen Grundstücks in Berlin-Tiergarten, Alt Moabit 4-10/Ecke Invalidenstraße 57 bis 78, an das Land Berlin (Drucksachen IV/853, IV/1089) . . . . . . . . . 3102 A Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht des Wehrbeauftragten in der Angelegenheit des Oberstleutnants Barth (Drucksache IV/1062) 3102 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. finanzielle Verluste der Binnenschiffahrt durch die Eisperiode 1962/63 (Drucksache IV/1076) 3102 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksache IV/178); Schriftlicher Bericht dies Rechtsausschusses (Drucksachen IV/1020, zu IV/1020) — Zweite Beratung — Dr. Achenbach (FDP) . . 3102 C, 3107 A, 3108A, 3109 D Dr. Bucher, Bundesminister 3103 D, 3117 A, 3128B, 3137 A, 3138A, 3139B, 3140C Dr. Müller-Emmert (SPD) . 3105 B, 3107 D, 3109A, 3134D, 3137B Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) 3106 B, 3109 D, 3116B, 3132 B, 3142 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 3107 C, 3119 C, 3138 B, 3140 A, 3142 B, 3143 D, 3151 A Memmel (CDU/CSU) . . 3107 C, 3123 A, 3124 C, 3138 D Dr. Winter (CDU/CSU) 3108 B Dr. Kanka (CDU/CSU) . . 3108 C, 3114 A, 3129 A, 3133 A, 3134 C, 3135 B, 3139A, 3139C, 3140B Dürr (FDP) 3108 D Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . 3109 C, 3120 B, 3152 A Busse (FDP) . . 3111 A, 3113 A, 3114C, 3137D, 3143B, 3144 C Hirsch (SPD) . . 3111 C, 3115 B, 3117 C, 3141 B, 3150 A Schlee (CDU/CSU) . . . 3112 B, 3127 C Dr. Dittrich (CDU/CSU) 3113 C, 3131 B Jahn (SPD) . . . 3121 B, 3126 B, 3145 A Hoogen (CDU/CSU) . . . . . . . 3130 C Benda (CDU/CSU) . . . 3136 B, 3147 D D. Dr. Gerstenmaier (CDU/CSU) . . 3139 D Dr. Dr. Heinemann (SPD) 3142 D Dr. Reischl (SPD) . . . . 3143 C, 3144 A Beratung ides Mündlichen Berichts ides Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Strauß gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Adolf Miehr und Rolf Bossi, München, vom 8. August 1963 (Drucksache IV/977) Dürr (FDP) 3152 B Entwurfeines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen IV/250, IV/395); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksachen IV/527, zu IV/527, Nachtrag zu IV/527) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 3153 B Eichelbaum (CDU/CSU) . . . . . 3154 C Kuntscher (CDU/CSU) . . 3156 B, 3157 A Rehs (SPD) 3156 C Dr. Rutschke (FDP) . 3157 C Dr. Barzel, Bundesminister . . . . 3157 D Nächste Sitzung 3158 C Anlagen 3159 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 3081 69. Sitzung Bonn, den 27. März 1963 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 68. Sitzung Seite 3076 D Zeile 22 statt „uns darüber": uns nicht darüber; Seite 3077 A Zeile 5 statt „Auszeichnungen" : Aufzeichnungen. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Aigner * 30. 3. Arendt (Wattenscheid) * 30. 3. Dr. Arndt (Berlin) 31. 3. Dr. Atzenroth 27. 3. Dr. Dr. h. c. Baade 31. 3. Bergmann * 30. 3. Beuster 20. 4. Birkelbach * 30. 3. Fürst von Bismarck 29. 3. Dr. Bleiß 27. 3. Brück 27. 3. Dr. Burgbacher * 30. 3. Burgemeister 27. 3. Dr. Deist * 30. 3. van Delden 28. 3. Deringer * 30. 3. Dr. Dichgans * 30. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 31. 3. Eisenmann 29. 3. Frau Dr. Elsner * 30. 3. Faller * 30. 3. Figgen 20. 4. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 28. 3. Dr. Frede 20. 4. Dr. Frey (Bonn) 31. 3. Dr. Dr. h. c. Friedensburg * 30. 3. Funk (Neuses am Sand) 31. 3. Dr. Furler * 30. 3. Gaßmann 5. 4. Gehring 29. 3. Freiherr zu Guttenberg 31. 3. Heiland 27. 3. Hellenbrock 31. 3. Dr. Hellige 20. 4. Holkenbrink 27. 3. Illerhaus * 30. 3. Jaksch 26. 4. Katzer 31.3. Frau Kettig 29. 3. Dr. Kliesing (Honnef) 29. 3. Klinker * 30. 3. Dr. Knorr 4. 4. Dr. Kopf 29. 3. Dr. Kreyssig * 30. 3. Kriedemann * 30. 3. Kühn (Hildesheim) 27. 3. Lenz (Brühl) * 30. 3. Dr. Löbe 29. 3. Lohmar 30. 4. Dr. Löhr * 30. 3. Lücker (München) * 30. 3. Margulies * 30. 3. Mauk * 30. 3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 27. 3. Mertes 27. 3. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Metzger * 30. 3. Dr. Miessner 29. 3. Müller (Berlin) 31. 3. Müller-Hermann * 30. 3. Murr 27. 3. Nellen 29. 3. Oetzel 31. 3. Frau Dr. Pannhoff 31. 3. Dr.-Ing. Philipp * 30. 3. Rademacher * 30. 3. Rasner 27. 3. Ravens 27. 3. Reichmann 27. 3. Richarts * 30. 3. Dr. Rieger (Köln) 27. 3. Frau Rudoll 31. 3. Schlick 29. 3. Dr. Schmidt (Offenbach) 29. 3. Dr. Schmidt (Wuppertal) 31. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 29. 3. Schultz 27. 3. Seibert 27. 3. Seifriz * 30. 3. Dr. Starke * 30. 3. Storch * 30. 3. Frau Strobel * 30. 3. Urban 29. 3. Frau Vietje 31.3. Weinkamm * 30. 3. Werner 28. 3. Frau Wessel 29. 3. Wischnewski * 30. 3. Wittmer-Eigenbrodt 30. 4. Dr. Zimmer 28. 3. b) Urlaubsanträge Bauer (Wasserburg) 6. 4. Frau Döhring 20. 4. Haage (München) 7. 5. Hahn (Bielefeld) 20. 4. Dr. von Merkatz 7. 4. Frau Dr. Probst 22. 4. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 22. März 1963 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 255. Sitzung am 22. März 1963 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 6. März 1963 verabschiedeten 3160 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (UnfallversicherungsNeuregelungsgesetz — UVNG) gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner die in der Anlage aufgeführten Entschließungen gefaßt. Dr. Meyers Vizepräsident Bonn, den 22. März 1963 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 7. März 1963 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Dr. Meyers Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 22. März 1963 an den Bundeskanzler Entschließungen des Bundesrates zum Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz — UVNG) 1. Hinsichtlich einer höheren Beitragsbelastung im Bereich der Landwirtschaft wird erwartet, daß der Bund einen angemessenen Anteil dieser Mehrbelastung übernimmt, weil die schlechten Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft es den landwirtschaftlichen Betrieben unmöglich machen, die Mehrbelastung aus höheren Unfallversicherungsbeiträgen zu tragen. 2. Der Bundesrat macht sich den Inhalt der Entschließung des Deutschen Bundestages (Umdruck 205) zu eigen. 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, baldmöglichst einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 54 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes vorzulegen. Im Hinblick auf die anerkannt schwierige Lage der deutschen Seeschiffahrt und die Inanspruchnahme auch der Seeberufsgenossenschaft zur Aufbringung der Altrenten im Bergbau erscheint es nicht vertretbar, daß die Seeberufsgenossenschaft aus ihren Mitteln weiterhin Renten für kriegsbedingte Unfälle gewährt, die sich vor dem 1. Januar 1942 und nach dem 8. Mai 1945 ereignet haben. Anlage 3 Umdruck 226 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Artikel 1 Nr. 1 wird wie folgt geändert: a) In § 112 Abs. 3 wird nach den Worten „oder 177" eingefügt: „oder eines Verbrechens wider das Leben nach §§ 211, 212 oder 220 a Abs. 1 Nr. 1." b) § 112 Abs. 4 wird gestrichen. 2. In Artikel 3 wird als Nummer 6 angefügt: ,6. Als § 150 wird eingefügt: „§ 150 Ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassener Rechtsanwalt kann von der Verteidigung durch das erkennende Gericht nicht ausgeschlossen werden." ' 3. In Artikel 9 wird als Nummer 4 angefügt: ,4. § 354 Abs. 2 erhält folgende Fassung: „(2) In anderen Fällen ist die Sache an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung oder, wenn dies nicht möglich ist, an eine andere Kammer des Gerichts, dessen Urteil aufgehoben wird, zu verweisen." ' 4. In Artikel 11 wird als Nummer 2 a eingefügt: ,2a. Dem § 69 des Gerichtsverfassungsgesetzes wird folgender Absatz 2 angefügt: „(2) Der Vorsitzende bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken; diese Anordnung kann nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder der Kammer nötig wird." ' Bonn, den 25. März 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 231 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel 1 Nr. 1 erhält § 113 Abs. 1 folgende Fassung: "(1) Ist die Tat nur mit Gefängnis bis zu einem Jahr, mit Haft oder mit Geldstrafe, allein Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 3161 oder nebeneinander, bedroht, so darf die Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr nicht angeordnet werden." 2. In Artikel 1 Nr. 1 erhält § 121 Abs. 1 folgende Fassung: „(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Sicherung und Besserung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nicht aufrechterhalten werden." 3. Artikel 17 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Dieses Gesetz tritt einen Monat nach Verkündung in Kraft." Bonn, den 26. März 1963 Dr. Achenbach Dr. Kohut Dr. Imle Dr. Atzenroth Dr. Effertz Dr. Mälzig Zoglmann Burckardt Dr. Supf Dr. Hoven Dr. Rutschke Soetebier Dr. Hamm Dr. h. c. Menne (Frankfurt) Walter Anlage 5 Umdruck 230 (neu) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Artikel 1 Nr. 1 wird wie folgt geändert: a) In § 116 StPO wird der folgende neue Absatz 2 a eingefügt: „ (2 a) Der Richter kann schließlich auch den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112 Abs. 3 oder 4 erlassen worden ist, unter der Bedingung aussetzen, daß der Beschuldigte bestimmte Weisungen befolgt." b) (In § 116 StPO Abs. 3 werden die Worte „Absatz 1 oder 2" durch die Worte „Absatz 1, 2 oder 2 a" ersetzt. 2. Artikel 3 Nr. 3 wird wie folgt geändert: In § 142 Abs. 2 Satz 1 werden die Worte „des § 140 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 und 7 sowie" gestrichen. 3. Artikel 3 Nr. 5 wird wie folgt geändert: § 148 Abs. 2 wird gestrichen. 4. Artikel 10 Nr. 02 erhält folgende Fassung: 02. § 153 wird wie folgt geändert: a) Absatz 2 erhält folgende Fassung: „ (2) Ist bei einem Vergehen die Schuld des Täters gering, so kann die Staatsaniwaltschaft mit Zustimmung des zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts das Verfahren einstellen." b) Absatz 3 erhält folgende Fassung: (unverändert nach Drucksache IV/1020 S. 31) Bonn, den 26. März 1963 Zoglmann und Fraktion Anlage 6 Umdruck 233 Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 1 wird in § 116 Abs. 2 Satz 2 gestrichen. Bonn, den 26. März 1963 Memmel Schlee Anlage 7 Umdruck 235 Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Dr. Winter, Lemmrich zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 3 Nr. 3 erhält folgende Fassung: ,3. § 142 Abs. 2 erhält folgende Fassung: „(2) In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 und 7 sowie des § 140 Abs. 2 können auch Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt sind, für den ersten Rechtszug als Verteidiger bestellt werden, jedoch nicht für das Berufungsverfahren vor der Großen Strafkammer und nicht für die Verhandlung vor Richtern, denen sie zur Ausbildung überwiesen sind." ' Bonn, den 26. März 1963 Memmel Schlee Dr. Winter Lemmrich 3162 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 Anlage 8 Umdruck 234 Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Lemmrich zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Artikel 4 1. Nummer i erhält folgende Fassung: ,1. § 136 Abs. 1 erhält folgende Fassung: „(1) Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Der Beschuldigte ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freisteht, sich zu der Beschuldigung zu äußern, und zu befragen, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle." ' 2. In Nummer 3 wird § 163 a wie folgt geändert: a) Absatz 3 erhält folgende Fassung: „(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch den Staatsanwalt oder durch Beamte des Polizeidienstes sind die §§ 136 und 136 a anzuwenden. Ein Hinweis auf Strafvorschriften (§ 136 Abs. 1 Satz 1) ist bei der polizeilichen Vernehmung nicht erforderlich." b) Absatz 3 a wird gestrichen. Bonn, den 26. März 1963 Memmel Schlee Lemmrich Anlage 9 Umdruck 236 Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Seidl (München) und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 5 wird die Nummer 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt. Bonn, den 26. März 1963 Memmel Schlee Seidl (München) Lang (München) Ehnes Lemmrich Anlage 10 Umdruck 243 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka zur zweiten Beratung des von .der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: 1. Artikel 5 Nr. 1 wird wie folgt geändert: In § 23 Abs. 1 StPO wird hinter „Ein Richter, der" eingefügt „gegen Einwendungen des Angeschuldigten nach § 201 Abs. 1 Satz 1 oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Angeschuldigten außer Verfolgung zusetzen,". 2. Artikel 7 wird wie folgt geändert: Nach der Nr. 5 a wird eingefügt: ,5 b Nach § 202 a wird eingefügt: „§ 202 b (1) Richtet sich die Anklage gegen mehr als einen Angeschuldigten, dann kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die völlige oder teilweise Trennung der einzelnen Strafsachen anordnen, wenn diese Trennung für das Verfahren zweckmäßig isst oder gegenüber einzelnen Angeschuldigten der Billigkeit entspricht. (2) Sind durch die Anklage gegen denselben oder gegen mehr als einen Angeschuldigten Strafsachen, die einzeln zur Zuständigkeit von Gerichten verschiedener Ordnung gehören oder für die einzeln verschiedene Gerichtsstände begründet sind, miteinander verbunden worden, dann gilt die Vorschrift des Absatzes 1 entsprechend. (3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 wird in der Anordnung über die Trennung der Strafsachen auch bestimmt, vor welchem Gericht oder welchen ,Gerichten die getrennten Hauptverhandlungen stattfinden sollen." ' 5 c Nach § 202 b StPO wird eingefügt: „§ 202 c Hat die Staatsanwaltschaft bei der Bezeichnung des Gerichts, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, die Vorschriften der § 24 Abs. 1 Nr. 3, § 25 Nr. 2 Buchstabe c, § 26 Abs. 1 Satz 1, § 74 Abs. 1 Satz 2 oder § 74 b Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes angewandt, so kann auf Antrag oder von Amts wegen auch vor einem anderen zuständigen Gericht als dem in der Anklageschrift bezeichneten des Hauptverfahren eröffnet werden. Wohnt dem anderen Gericht die höhere Zuständigkeit bei, so werden die Akten diesem Gericht zur Entscheidung vorgelegt." ' Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 3163 3. Artikel 11 wird wie folgt geändert: a) In Nr. 3 wird in § 73 Absatz 3 gestrichen. b) In Nr. 4 wird in § 82 Abs. 2 der letzte Halbsatz gestrichen. 4. Artikel 13 wird wie folgt geändert: Nr. a 4 (betr. § 41 Abs. 2 Satz 2 IGG) wind gestrichen. Bonn, den 27. März 1963 Dr. Besold Busse Dr. h. c. GÜde Dr. Kanka Anlage 11 Umdruck 240 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Dr. Kanka zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 5 Nr. i erhält § 23 Abs. 2 StPO folgenden Satz 2: „Gleiches gilt für den Richter, der die Untersuchungshaft oder die einstweilige Unterbringung oder ihre Fortdauer angeordnet, eine solche Anordnung bestätigt oder an einer dieser Entscheidungen mitgewirkt hat." Bonn, den 27. März 1963 Dr. Besold Busse Dr. Kanka Anlage 12 Umdruck 237 Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 7 wird die Nummer 5 a gestrichen. Bonn, den 26. März 1963 Memmel Schlee Lemmrich Seidl (München) Lang (München) Ehnes Anlage 13 Umdruck 242 (1 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 9 wird folgende Nr. 4 angefügt: ,4. § 354 Abs. 2 erhält folgende Fassung: „ (2) In anderen Fällen ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, dessen Urteil aufgehoben wird, zurückzuverweisen. Zugleich bestimmt das Revisionsgericht, daß die Sache nicht mehr von derselben Abteilung oder Kammer des Gerichts zu verhandeln und entscheiden ist, wenn es die Belange der Rechtspflege bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles, namentlich der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, angemessen erscheinen lassen. Das Revisionsgericht kann unter diesen Voraussetzungen die Sache an ein zu demselben Land gehörendes benachbartes Gericht gleicher Ordnung zurückverweisen, wenn dafür wichtige Gründe vorliegen."' Bonn, den 27. März 1963 Dr. h. c. Güde Dr. Kanka Anlage 14 Umdruck 238 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178 und IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 10 Nr. 02 erhält folgende Fassung: ,02. § 153 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 werden die Worte „und die Folgen der Tat unbedeutend sind" gestrichen."' b) Absatz 3 erhält folgende Fassung: (unverändert nach Drucksache IV/1020 S. 31) Bonn, den 27. März 1963 Ollenhauer und Fraktion Anlage 15 Umdruck 239 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes 3164 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. März 1963 zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/178, IV/1020) Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 10 wird wie folgt geändert: Zwischen den Nrn. 01 und 02 wird die folgende neue Nr. 01 a eingefügt: ,01 a. In § 53 wird in Absatz 1 Nr. 3 hinter „ (vereidigte Bücherrevisoren)" das Wort „und" durch einen Beistrich ersetzt und hinter dem Wort „Steuerberater" eingefügt „und Steuerbevollmächtigte".' Bonn, den 27. März 1963 Dr. Besold Busse Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. h. c. Güde Dr. Kanka Anlage 16 Umdruck 227 Änderungsantrag der Abgeordneten Jahn und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksachen IV/ 178, IV/1020). Der Bundestag wolle beschließen: Artikel 11 Nr. 9 wird gestrichen. Bonn, den 26. März 1963 Jahn Haase (Kellinghusen) Biegler Frau Herklotz Blachstein Kaffka Dröscher Matthöfer Deringer Dr. Mommer Felder Dr. Reischl Flämig Dr. Schmidt (Offenbach) Gscheidle Schwabe Anlage 17 Umdruck 228 Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Drucksachen IV/250, IV/395, IV/527). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In Artikel I § 3 Nr. 2 (§ 30 Abs. 2 neue Sätze 2 und 3 LA-EG-Saar) werden jeweils die Worte „1. September 1962" ersetzt durch die Worte „1. Juni 1963". 2. In Artikel II § 6 Abs. 3 werden die Worte „1. Januar 1963" ersetzt durch die Worte„ 1. Juni 1963". Bonn, den 26. März 1963 Schmücker und Fraktion Heide Ollenhauer und Fraktion Dr. Danz Schultz und Fraktion Anlage 18 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Dr. h. c. Erhard vom 15. März 1963 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Junghans (Drucksache IV/1022, Fragen III/ 1 und III/2) Treffen Pressemeldungen zu, daß die von der Bundesregierung vorgesehene Ausgleichskasse für Blei und Zink vorerst nicht in Funktion treten wird? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um im verzerrten internationalen Wettbewerb den deutschen Metallerzbergbau und die deutsche Metallverhüttung zu schützen? 1. Die Bundesregierung hatte bei der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Antrag nach Artikel 226 des EWG-Vertrages auf Genehmigung einer Preisausgleichskasse für Blei und Zink gestellt. Die Kommission war aber lediglich bereit, den Antrag unter der Auflage zu genehmigen, daß die Einfuhren aus dem EWG-Bereich von der Ausgleichsabgabe entlastet werden. In dieser Form kann der Preisausgleich für Blei und Zink nicht durchgeführt werden, weil die Wettbewerbslage der deutschen Verarbeiter von Blei und Zink gegenüber den Industrien der anderen Mitgliedstaaten wesentlich beeinträchtigt würde. Die Bundesregierung hat daher den Antrag auf Genehmigung des Preisausgleichs zurückgezogen. 2. Die veränderte Situation erfordert eine erneute eingehende Prüfung, welche anderen Maßnahmen wirtschaftspolitischer und handelspolitischer Art getroffen werden können, um den deutschen Metallerzbergbau zu entlasten. Die Prüfung ist bereits eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen.
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Zunächst eine amtliche Mitteilung. In der 64. Plenarsitzung am 13. März 1963 ist der Entwurf eines Gesetzes zum Zusatzabkommen vom 14. Mai 1962 zu dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande am 8. April 1960 unterzeichneten Finanzvertrag — Drucksache IV/1038 — dem Ausschuß für Wiedergutmachung — federführend — und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — überwiesen worden.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die
Vorlage jetzt im Finanzausschuß federführend und im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten mitberatend behandelt werden, nachdem der Ausschuß für Wiedergutmachung auf eine Beratung verzichtet hat.
Ist das Haus mit dieser Änderung einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. März 1963 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz betreffend die Änderung vom 4. Oktober 1961 der Satzung der internationalen Atomenergie-Organisation
Erstes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Atomgesetzes
Zweites Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft
Gesetz über die Handwerkszählung 1963 (Handwerkszählungsgesetz 1963)

Gesetz zu dem Abkommen vom 25. April 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Soziale Sicherheit
Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes
Gesetz zu dem Abkommen vom 14. Juli 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über die Gewährung von Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft an Personen, die die Anwendung der Rechtsvorschriften des Herkunftsstaates nach Artikel 14 Absatz (2) der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer gewählt haben
Gesetz zu dem Abkommen vom 14. Juli 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über die Soziale Sicherheit der Grenzgänger
Gesetz zu dem Allgemeinen Abkommen vom 7. Dezember 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit
Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz — UVNG).
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 25. März 1963 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Ermittlungsverfahren wegen Freiheitsberaubung im Amt (Drucksache IV/1061) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/1141 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 25. März 1963 die Kleine Anfrage der SPD betr. Epstein-Artikel (Drucksache IV/ 1064) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/1142 verteilt.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, hinsichtlich des
Gesetzes über die Allgemeine Statistik in der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft und die Durchführung des Europäischen Industriezensus in der Versorgungswirtschaft
und des Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Allgemeine Statistik in der Industrie und im Bauhauptgewerbe
zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird.
Seine Schreiben sind als Drucksachen IV/1096, IV/1097 verteilt.
Zum Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Sitzungsbericht beigefügt ist.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 22. März 1963 gemäß § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes beschlossen, gegen die
Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Angleichungszölle für Hartkaramellen, Weichkaramellen, Dragées und Brot-Neufestsetzung)

keine Bedenken zu erheben. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/1140 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 20. März 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rademacher, Eisenmann, Ramms, Dr. Löbe und Genossen betr. Schwierigkeiten der Seeschiffahrt im Winter 1962/63 (IV/1034) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1V/1060 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 18. März 1963 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell, Hesemann, Dr. Stecker, Dr. Frey (Bonn) und Genossen betr. Hilfsmaßnahmen für Traktatgeschädigte (IV/1002) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1078 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Familien- und Jugendfragen hat unter dem 21. März 1963 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bundesjugendplan (IV/1042) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1134 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 14. März 1963 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 28. September 1956 betr. Vergabe der Aufträge durch die „Eurofima" über das 6. Geschäftsjahr der „Eurofima" berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/1075 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 20. März 1963 gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 7. August 1953 den Geschäftsbericht der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte für das Rechnungsjahr 1961 übersandt, der als Drucksache IV/1082 verteilt ist.
Das Bundesversicherungsamt hat unter dem 11. März 1963 die Abrechnung über die Rentenzahlungen und Beitragserstattungen in der Rentenversicherung der Angestellten für das Kalenderjahr 1961 zur Kenntnisnahme übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.



Vizepräsident Dr. Dehler
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 19. März 1963 gemäß § 1 Abs. 3 der Reichsschuldenordnung die Anleihedenkschrift 1962 übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Präsident der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein hat unter dem 4. März 1963 gemäß den §§ 6 und 9 des Branntweinmonopolgesetzes den Geschäftsbericht der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein sowie die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1961/62 vorgelegt; der Bericht wird als Drucksache IV/1046 verteilt.
Der Leiter der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin hat unter dem 21. März 1963 gemäß den §§ 6 und 9 des Gesetzes über das Branntweinmonopol in Verbindung mit § 2 (2) Ziffer 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952, § 3 (1) Ziffer 5 des Ersten Überleitungsgesetzes in der Fassung vom 21. August 1951 und § 4 (2) des Gesetzes über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 den Geschäftsbericht der Monopolverwaltung für Branntwein beim Landesfinanzamt Berlin und die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung der Verwertungsstelle für das Geschäftsjahr 1961/62 vorgelegt; der Bericht wird als Drucksache IV/1139 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 20. März 1963 im Nachgang zu seinem Schreiben vom 9. November 1962 die Wahlkreiskarte mit der alten und der von der Wahlkreiskommission vorgeschlagenen Wahlkreiseinteilung übersandt, die als zu Drucksache IV/741 verteilt wird.
Der Abgeordnete Wacher hat mit Wirkung vom 26. März 1963 sein Mandat niedergelegt.
Die Fraktion der CDU/CSU hat unter dem 25. März 1963 ihren Antrag betr. Einsetzung eines Sonderausschusses Strafrechtsreform (Drucksache IV/245) zurückgezogen.
Der Herr Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die Neunte Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — (Drucksache IV/1095) dem Außenhandelsausschuß überwiesen mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Mai 1963.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
die Verordnung des Rats über die Bedingungen der Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (Drucksache IV/1079) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Außenhandelsausschuß — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Juni 1963;
die Verordnung des Rates betr. den europäischen Fonds zur Verbesserung der Agrarstruktur (Drucksache IV/1081) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 26. Juni 1963;
die Verordnung des Rates betreffend gewisse Maßnahmen, welche die Mitgliedstaaten für das Getreidewirtschaftsjahr 1963/64 und die folgenden Wirtschaftsjahre auf dem Gebiet der Preise anwenden müssen (Drucksache IV/1138), an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. März 1963,
die Verordnung Nr. 16/63/EWG des Rats vom 26. Februar 1963 zur Änderung der Verordnung Nr. 55 des Rats betreffend gestutzten Hafer (Amtsblatt S. 527/63) an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen die Verordnung erhoben werden.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde (Drucksachen IV/1093, IV/1099).
Zunächst die Frage aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, Frage I — des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann —:
Bis zu welchem Zeitpunkt ist mit einer Neuorganisation der Verwaltung deutscher Auslandsschulen im Auswärtigen Amt zu rechnen?
Darf ich bitten, Herr Minister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406900100
Die Antwort, Herr Präsident, lautet folgendermaßen:
Es sind Besprechungen im Gange zwischen dem Auswärtigen Amt und den beteiligten Stellen in
Bund und Ländern. Dabei geht es um die Frage, in welcher Weise die mit der Förderung der deutschen allgemeinbildenden Schulen im Ausland zusammenhängenden Verwaltungsaufgaben in Zukunft durchgeführt werden sollen. Wann die Besprechungen beendet und sodann die entsprechenden Maßnahmen durchgeführt sein werden, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen. Gegenwärtig erörtert der Auswärtige Ausschuß des Bundestags bzw. sein Unterausschuß „Deutsche Institute und Schulen im Ausland" das Problem. Ferner befaßt sich die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in dieser Woche erneut mit der Angelegenheit. Das Auswärtige Amt legt angesichts der kulturpolitischen Bedeutung des Auslandsschulwesens auf eine baldige Lösung der Frage besonderen Wert.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406900200
Eine Zusatzfrage? — Herr Kahn-Ackermann!

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0406900300
Herr Minister, ist angesichts der personellen Besetzung Ihrer Schulabteilung für die Interimszeit an eine Verstärkung durch schulisch vorgebildete Personen gedacht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406900400
Vielleicht darf ich dazu zwei Bemerkungen machen. Der Gedanke, der hier verfolgt wird, ist der, in Zukunft möglicherweise eine dem Auswärtigen Amt nachgeordnete Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in der Rechtsform einer Bundesanstalt zu gründen. Das würde die leichteste Möglichkeit sein, auch pädagogische Fachleute zusammenzuführen, was im Augenblick schwierig ist.
Die Frage, die Sie angeschnitten haben, ob bis zu einer solchen Lösung eine Art Zwischenlösung gefunden werden kann, vermag ich jetzt nicht genau zu beantworten. Ich darf mir aber vorbehalten, darauf zurückzukommen. Es wird zu prüfen sein, ob dieser Punkt bei den laufenden Haushaltsberatungen noch behandelt werden kann.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406900500
Keine weitere Frage. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe auf Frage II/1 — des Herrn Abgeordneten Lenz (Bremerhaven) —:
Gedenkt das Bundesverteidigungsministerium auch weiterhin Schiffbauaufträge für die Bundesmarine ins Ausland zu vergeben, obwohl die deutschen Werften hinsichtlich ihrer Beschäftigungslage und zur Abwendung von Massenentlassungen dringend auf Aufträge angewiesen sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406900600
Für die Bundesmarine laufen zur Zeit keine Schiffsbauneuaufträge im Ausland. In den fast acht Jahren des Aufbaus der Verteidigung im Rahmen der NATO sind nur zehn Boote kleinerer Art im Ausland in Auftrag gegeben worden. Bei vieren handelt es sich um zwei verschiedene Typen von Erprobungsbooten. Der Wert dieser Einheiten, die im Ausland beschafft werden, macht weniger als ein Fünfundzwanzigstel des bisherigen Auftragsvolumens an Neubauten aus. Alle übrigen Neubauten,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, dein 27. März 1963 3083
Staatssekretär Hopf
also über 96 %, wurden an deutsche Werften vergeben. Es ist beabsichtigt, diese Tendenz fortzusetzen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406900700
Ich rufe auf Frage II/2 — des Herrn Abgeordneten Kaffka —:
Sind dem Bundesverteidigungsministerium die Umstände bekannt, unter denen der Gefreite Werner Klein, Panz. Bat. 153, am 1. Februar 1962 verstorben ist?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406900800
Der Gefreite Klein ist durch Einatmen von Abgasen eines Panzermotors verstorben. Er hatte sich befehlswidrig, anstatt seinen ausgefallenen Panzer zu bewachen, nach dem Genuß von Alkohol auf seinen Panzer in der Nähe der Auspuffanlage gelegt und dabei die Abgase des Hilfsmotors eingeatmet. Alle Kraftfahrer seines Bataillons waren im übrigen eingehend über die Gefahren von Kohlenoxydgasvergiftungen belehrt worden. Ein Ermittlungsverfahren in dieser Angelegenheit ist eingestellt worden, weil ein Verschulden Dritter nicht festgestellt werden konnte. Meldungen, daß der Gefreite möglicherweise durch dienstliche Überbeanspruchung gestorben sei, treffen nicht zu.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406900900
Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Kaffka.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0406901000
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Gefreite Klein, als er von einem Hauptmann, der nicht zu seiner Kompanie gehörte, den Befehl bekam, den Panzer, der draußen stand, zu bewachen, 20 Stunden wach gewesen war, daß er von Soldaten mit Wissen des Hauptmanns aus dem Lokal herausgeprügelt wurde, sich dann auf den Panzer setzte, wegen der Kälte von zehn Grad den Hilfsmotor anstellte und darüber einschlief?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406901100
Diese Einzelheiten, Herr Abgeordneter, sind mir nicht bekannt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Unterlagen gäben, damit ich sie nachprüfen und Ihre Frage entweder hier oder schriftlich beantworten kann.
Ich weiß nur, daß er befehlswidrig in eine Gaststätte gegangen war, dort Alkohol getrunken hatte und dann herausgeholt wurde, damit er den ihm vorher gegebenen Befehl ausführe.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406901200
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Kaffka.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0406901300
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Eltern des Gefreiten Klein erst etwa ein halbes Jahr nach diesem Vorfall von dem richtigen Sachverhalt unterrichtet worden sind? Vorher erhielten sie nur den Bescheid, er sei beim Verladen von Panzern verunglückt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406901400
Ich kann diese Frage nicht genau beantworten — ich werde sie ebenfalls schriftlich beantworten —, darf aber darauf hinweisen, daß ich seit 33/4 Jahren jeden Morgen jedes besondere Vorkommnis persönlich überprüfe. Ich werde feststellen, ob ich auch diesen Vorgang überprüft habe,

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406901500
Herr Abgeordneter Dr. Kliesing zu einer Zusatzfrage!

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0406901600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in der vorigen Woche, also mehr als ein Jahr nach dem Tode des Gefreiten Klein, diese Angelegenheit in einer pfälzischen Zeitung in einer sehr breiten und außergewöhnlich tendenziösen Form dargestellt worden ist? Wären Sie bereit, gegebenenfalls eine Richtigstellung zu veranlassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406901700
Herr Abgeordneter, mir ist nicht bekannt, daß ein umfangreicher Artikel in einer pfälzischen Zeitung erschienen ist. Ich habe nur den Bonner „Generalanzeiger" vom 23. März vorliegen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir gelegentlich die betreffende Zeitung nennen könnten. Ich werde dann die Sache nachprüfen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406901800
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung — des Herrn Abgeordneten Drachsler —:
Welche Schritte hat der Herr Bundeswohnungsbauminister unternommen, um das Bundesbaugesetz namentlich in ländlichen Gegenden elastischer und regional brauchbarer anzuwenden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406901900
Für ländliche Gemeinden ist vor allem die Vorschrift des § 35 des Bundesbaugesetzes über das Bauen in Außenbereichen von Bedeutung. Um zu einer sachgerechten Handhabung dieser Vorschrift zu kommen, haben wir schon .im Dezember auf einer Konferenz der zuständigen Landesminister die Minister gebeten, dafür zu sorgen, daß diese Vorschrift nicht so gehandhabt wird, daß sie praktisch zu einem Bauverbot in den Außenbereichen führt. Wir haben den Landesministern gesagt, wir seien der Ansicht, daß eine Handhabung, die auf ein solches Verbot hinausliefe, mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsbildung nicht vereinbar sei und auch den Absichten des Bundesbaugesetzes zuwiderlaufe.
In diesen Tagen geht noch einmal ein Rundschreiben an die zuständigen Minister der Länder hinaus, in dem auf diese Grundsätze der Auslegung hingewiesen wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406902000
Herr Abgeordneter Drachsler zu einer Zusatzfrage!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406902100
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit und sehen Sie eine Möglichkeit, durch Verhandlungen mit den Ländern wenigstens im Hin-



Drachsler
blick auf den § 35 für die Gemeinden in der Übergangszeit, also in der Zeit, in der noch keine Flächenbenutzungspläne und Bebauungspläne erstellt werden konnten, eine leichtere Anwendung zu erreichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406902200
Dazu sind wir bereit. Wir haben das auch den Ministern der Länder gesagt und werden in dem Rundschreiben noch einmal auf diesen Gesichtspunkt hinweisen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406902300
Herr Unertl!

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0406902400
Herr Staatssekretär, sind Sie auch der Meinung Ihres Herrn Ministers, daß das Bundesbaugesetz im Lande Bayern besonders bürokratisch und, wie wir feststellen, bösartig ausgelegt wird?

(Heiterkeit.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406902500
Herr Abgeordneter, eine solche Kritik an der Landesregierung steht mir nicht zu. Daß hier und da die Vorschriften allzu starr gehandhabt werden, ist uns bekannt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406902600
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0406902700
Herr Staatssekretär, das ist richtig, was Sie eben sagten, aber wir haben in Bayern unsere Erfahrungen, und deswegen eine weitere Frage: Ist das Bundeswohnungsbauministerium bereit, auf Grund der von Ihnen eben gemachten Ausführungen neuerdings einen Erlaß oder eine Verfügung an die Länder ergehen zu lassen mit der Auflage, wenigstens eine Sprachregelung für die Beamten der Länder, der obersten Baubehörden, der Bezirksregierungen und der Straßen- und Wasserbauämter zu finden, aus der zu entnehmen ist, daß Bauwillige, deren Vorhaben abgelehnt wird, nicht dadurch abgehalten werden, daß man 'erklärt — von seiten mehrerer Beamter —: „Bedankt euch dafür bei den Herren Bundestagsabgeordneten, die haben dieses unmögliche Gesetz euch und uns eingebrockt!"?

(Unruhe bei der CDU/CSU und links. — Zuruf links: Was ist das für eine Frage?!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406902800
Das geht ein bißchen über eine Frage hinaus. — Aber bitte, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406902900
Ich bin sicher, daß die bayerische Landesregierung unseren Erlaß zum Anlaß nehmen wird, ihre Beamten mit entsprechenden Weisungen zu versehen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406903000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lermer.

Josef Lermer (CSU):
Rede ID: ID0406903100
Herr Staatssekretär, mit welcher Zeitdauer rechnet man in Ihrem Hause, bis die Voraussetzungen des Wohnungsbaugesetzes —zentrale Wasserversorgung, Abwässerbeseitigung usw. — in den letzten Dörfern draußen erfüllt sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406903200
Herr Abgeordneter, diese Frage läßt sich in der Form nicht beantworten. Die Vorschriften, auf die Sie Bezug nehmen, sind außerdem zum Teil keine Vorschriften des Bundesbaugesetzes, sondern Vorschriften der Landeswassergesetze, auf deren Handhabung wir keinen Einfluß haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406903300
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Lermer.

Josef Lermer (CSU):
Rede ID: ID0406903400
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß diese Bestimmungen entgegen unseren Wünschen und allgemeinen Forderungen und Erwartungen — Entballung der Räume — draußen die Siedlungsmöglichkeit weitgehend beengen und die Ballungsräume begünstigen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406903500
Herr Abgeordneter, ich glaube nicht, daß die Vorschrift an sich diese Wirkung haben muß. Sie kann natürlich bei allzu starrer Handhabung dahin führen; darauf sind wir bereits aufmerksam gemacht worden. Wir werden uns bemühen, eine solche Handhabung zu unterbinden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406903600
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Frage IV/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Supf —:
Wenn die Bundesregierung in der Lage ist, die Richtigkeit immer wieder umlaufender Gerüchte festzustellen dahin gehend, daß im Bereiche einzelner Länder die Qualifikation bzw. die Beförderung von Polizeibeamten, vor allem auf dem Gebiete des Verkehrs, von der Erfüllung eines gewissen Solls an Anzeigen bzw. an Ordnungsstrafen abhängig gemacht wird, ist sie bereit, bei den Länderregierungen auf die Abschaffung dieses gegen die Würde des Bürgers verstoßenden Zustandes hinzuwirken?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406903700
Die Frage beantworte ich folgendermaßen. Polizeibeamte werden als Landes- oder Kommunalbeamte ausschließlich durch die zuständigen Landes- oder Kommunalbehörden beurteilt und befördert. Vom Bundesminister des Innern kann hierauf kein Einfluß ausgeübt werden.
Nach dem Ergebnis einer Rundfrage bei den Innenministern bzw. Innensenatoren der Länder trifft es nicht zu, daß die Qualifikation bzw. Beförderung von Polizeibeamten von der Erfüllung eines



Staatssekretär Dr. Hölzl
gewissen Solls an Strafanzeigen oder gebührenpflichtigen Verwarnungen abhängig gemacht wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406903800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Supf.

Dr. Ernst Supf (FDP):
Rede ID: ID0406903900
Ich möchte den Herrn Staatssekretär fragen, ob nicht wenigstens der Versuch gemacht wird, bei irgendeiner Zusammenkunft der Innenminister — Innenministerkonferenz — diese Frage doch noch einmal anzuschneiden; denn ich glaube, daß die Orientierung, die Sie bekommen haben, nicht ganz zutreffend ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406904000
Wir haben an sich keinen Anlaß, an der Richtigkeit der Auskünfte, die uns die Länderinnenminister gegeben haben, zu zweifeln. Aber es kann leicht bei der nächsten Innenministerkonferenz noch einmal um eine Bestätigung gebeten werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406904100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ertl.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0406904200
Herr Staatssekretär, soll das heißen, daß es kein Punktsystem bei der Beförderung für Polizeibeamte gibt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406904300
Die Auskünfte, die wir von den Innenministern der Länder bekommen haben, müssen so aufgefaßt werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406904400
Eine weitere Zusatzfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0406904500
Soll das auch heißen, daß die Bundesregierung, falls es ein Punktsystem gibt, bereit wäre, darauf hinzuwirken, daß man dieses Punktsystem fallen läßt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406904600
Wir haben keine Möglichkeit, darauf einzuwirken, nach welchen Gesichtspunkten die Länder oder die Gemeinden ihre Polizeibeamten qualifizieren.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406904700
Dann die Frage IV/2 — .des Herrn Abgeordneten Rollmann —:
Befürwortet die Bundesregierung für den örtlichen Alarmdienst Preßluftsirenen oder elektrisch betriebene Sirenen?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406904800
Die Frage beantworte ich wie folgt. Elektrische Sirenen gab es schon vor dem letzten Weltkrieg und in dem Kriege. Sie haben sich bewährt. Elektrische Sirenen werden heute nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in vielen anderen Ländern zur Alarmierung der Bevölkerung eingesetzt. Preßluftsirenen gibt es erst seit etwa zwei
Jahren. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie netzstromunabhängig sind. Die Netzunabhängigkeit ist allerdings durch einen komplizierten Mechanismus erreicht worden. Außerdem kostet die Preßluftsirene nahezu das Zwanzigfache einer elektrischen Sirene, nämlich 80 000 DM gegenüber 4000 DM. Ihr mittlerer Wirkungsbereich ist allerdings auch der Zwanzigfache.
Der Einbau der elektrischen Sirene wird überall dort befürwortet, wo kleine Bereiche zu alarmieren sind oder eine schwerpunktartige Alarmierung — an Verkehrsknotenpunkten usw. — erforderlich ist. Der Einbau der Preßluftsirene wird dort befürwortet, wo sie etwa 20 elektrische Sirenen ersetzen kann und eine großflächige Alarmierung beabsichtigt ist, z. B. in Hafenanlagen, Talsperrengebieten, locker bebauten Randgebieten und Großstädten.
Elektrische Sirenen sind bereits in größerem Umfang eingebaut. Die mit der Durchführung des Aufbaus des örtlichen Alarmdienstes beauftragten Länder und Gemeinden bevorzugten bisher elektrische Sirenen, da ,die Möglichkeiten des Einsatzes von Preßluftsirenen infolge ihres hohen Preises, ihres komplizierten Aufbaus und der schwierigen Instandsetzung trotz der Netzunabhängigkeit beschränkt sind. Es ist u. a. vorgesehen, eine Großstadt und einzelne Landkreise probeweise nur mit Preßluftsirenen auszurüsten, um weitere Erfahrungen zu sammeln.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406904900
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0406905000
Herr Staatssekretär, gibt es irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die Preßluftsirenen wegen ihrer Lautstärke gesundheitsschädigend sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406905100
Ich möchte die Frage verneinen. Ich habe mir im Zeitpunkt der Erprobung dieser Sirenen bei der Herstellerfirma selber einen solchen Alarm angehört. Die Sirenen werden auf Säulen montiert. Wir haben unmittelbar unterhalb der Säule gestanden. Die Sirene ist natürlich sehr laut. Aber sie dringt wesentlich stärker durch den Straßenlärm oder den Fabriklärm als die elektrische Sirene.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406905200
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0406905300
Ist die Bundesregierung bereit, den Einbau von Preßluftsirenen in den Gemeinden, wo es zweckmäßig ist, in stärkerem Umfang, als es bisher der Fall war, zu empfehlen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406905400
Ich habe bereits gesagt, daß wir zunächst Erprobungen in einer Großstadt und in einer Reihe von Landkreisen vornehmen. Von dem Ergebnis dieser Erprobungen wird die Antwort auf Ihre Frage abhängen.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406905500
Ich rufe auf die Frage IV/3 — des Herrn Abgeordneten Rollmann —:
Wann wird der Herr Bundesinnenminister mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Sicherung von Kulturgut nach § 29 Abs. 2 des Ersten Gesetzes über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung vom 9. Oktober 1957 erlassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406905600
Der Erlaß der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 29 des Gesetzes über Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung wird zur Zeit vorbereitet. Die zu erlassenden Bestimmungen hängen einerseits eng mit der Notstandsgesetzgebung zusammen und müssen andererseits mit der Internationalen Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten im Einklang stehen. Sie konnten deshalb noch nicht ergehen. Der Entwurf eines Zustimmungsgesetzes für die Ratifikation der Konvention wird von den beteiligten Bundesressorts gegenwärtig ebenfalls vorbereitet. Nach dem Stand der Vorarbeiten ist zu hoffen, daß die in Vorbereitung befindlichen Entwürfe den gesetzgebenden Körperschaften innerhalb der nächsten sechs Monate zugeleitet werden können.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406905700
Ich rufe auf die Frage IV/4 — des Abgeordneten Dr. Miessner —:
Ist die Bundesregierung bereit, denjenigen Beamten, die an Sonn- und Feiertagen Dienst tun, ein zusätzliches Entgelt zu zahlen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des
Herrn Bundesministers Höcherl vom 26. März 1963 lautet:
Der Beamte ist nach § 72 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. Wird er dadurch erheblich mehr beansprucht, so ist ihm Dienstbefreiung in angemessener Zeit zu gewähren. Diese Grundsätze sind in § 44 des Beamtenrechtsrahmengesetzes verbindlich auch für die Landesgesetzgebung festgelegt. Hiernach wird ein Ausgleich für Mehrarbeit, auch wenn sie an Sonnoder Feiertagen zu leisten ist, nur durch Freizeit gewährt. Erfordern die dienstlichen Verhältnisse der Verwaltung Sonn- oder Feiertagsarbeiten innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit, kann ein Ausgleich ebenfalls nur durch Gewährung von Freizeit an anderen Tagen erfolgen. Dies ergibt sich sowohl aus den erwähnten beamtenrechtlichen Grundsätzen als auch aus § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten.
Ich rufe auf die Frage IV/5 — des Abgeordneten Dr. Miessner —:
Trifft es zu, daß verschiedene Nachbarländer, wie z. B. die Schweiz, ihren Beamten eine zusätzliche Vergütung für Sonntagsdienst gewähren?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 26. März 1963 lautet:
Eine zusätzliche Vergütung für Sonntagsdienst gibt es in der Schweiz nicht. Nur wenn aus zwingenden Gründen über die normale Arbeitszeit hinaus Dienst geleistet wird und ein Freizeitausgleich nicht möglich ist, erhalten die Beamten des Schweizer Zolls, der Post und der Kreisdirektionen in bestimmten Besoldungsgruppen eine Entschädigung in Höhe von 5 bis 6 Schweizer Franken. Die Entschädigung darf 1000 Schweizer Franken im Kalenderjahr nicht übersteigen. Angaben über Regelungen dieser Frage in anderen Nachbarländern liegen mir zur Zeit nicht vor.
Ich rufe auf die Frage IV/6 — des Abgeordneten Dr. Miessner —:
Ist die Bundesregierung bereit, insbesondere bei den großen Betriebsverwaltungen, bei denen zu dem Dienst an Sonn- und Feiertagen noch weitere Arbeitserschwernisse wie ständig unregelmäßiger Dienst, Verzicht auf geregeltes Wochenende, zusätzlicher Bereitschaftsdienst und häufiger Nachtdienst hinzukommen, eine allgemeine „Erschwerniszulage" zu gewähren?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 26. März 1963 lautet:
Die Bundesbahn und die Bundespost können auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächtigungen im Bundesbahngesetz und im Postverwaltungsgesetz für Tätigkeiten auf besonders schwierigen Dienstposten des Außendienstes widerrufliche Vergütungen gewähren. Hierzu erlassene Richtlinien berücksichtigen auch die in der Anfrage bezeichneten Arbeitserschwernisse. Auf die Richtlinien des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn vom 13. Dezember 1951 und des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 29. Dezember 1962 (abgedruckt im Amtsblatt des BMP S. 1015) darf Bezug genommen werden.
Wir kommen zur Frage IV/7 — des Herrn Abgeordneten Vogt —:
Konnte festgestellt werden, ob Bürger der Bundesrepublik an der diesjährigen sogenannten Deutschen Arbeiterkonferenz, die jeweils im Zusammenhang mit der Leipziger Messe von der SED veranstaltet wird, teilgenommen haben?
Bitte!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406905800
An der diesjährigen sogenannten Deutschen Arbeiterkonferenz, die von der SED am 9. März 1963 in Leipzig im Zusammenhang mit der dortigen Frühjahrsmesse durchgeführt wurde, haben Bürger der Bundesrepublik teilgenommen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406905900
Bitte, Herr Abgeordneter Vogt!

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0406906000
Herr Staatssekretär, konnte festgestellt werden, wie viele Bürger der Bundesrepublik teilgenommen haben und um welche Personenkreise es sich handelt, nachdem das offizielle SED-Blatt „Neues Deutschland" Gerüchte verbreitet hat, daß westdeutsche Arbeiter und Gewerkschaftler in großer Anzahl an dieser sogenannten Deutschen Arbeiterkonferenz teilgenommen haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406906100
Nach den vorliegenden Meldungen handelt es sich um ca. 1100 Personen. Die Herkunft dieser Personen ist natürlich nicht einfach festzustellen. Es wurde aber festgestellt, daß sich unter den Teilnehmern u. a. eine Gruppe ausgeschlossener Sozialdemokraten, einige ehemalige Angehörige der „Falken" sowie Mitglieder kommunistischer Hilfsorganisationen befanden. Ferner nahmen mehrere Bezirksvorsitzende der „Deutschen Friedensunion" an der Konferenz teil.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406906200
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Vogt.

Karl-Heinz Vogt (CSU):
Rede ID: ID0406906300
Herr Staatssekretär, können Sie sagen, ob die Bundesregierung etwas zu unternehmen gedenkt, um solche doch immerhin offenen Sympathiekundgebungen für das verbrecherische System der Zone durch Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß bei der diesjährigen sogenannten „Deutschen Arbeiterkonferenz" offen von Funktionären des SED-Regimes in der Zone zum Aufruhr und zum Umsturz in der Bundesrepublik



Vogt
Deutschland aufgewiegelt und damit gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland verstoßen worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406906400
Die Bundesregierung mißbilligt eine Teilnahme von Bürgern der Bundesrepublik an solchen Veranstaltungen der kommunistischen SED auf das entschiedenste. Wir haben aber leider — da wir im ganzen deutschen Gebiet, Bundesrepublik plus sowjetische Besatzungszone, die Freizügigkeit haben — keine Möglichkeit, Bürger der Bundesrepublik an der Einreise in die SBZ und damit an der Teilnahme an solchen Konferenzen zu hindern. Soweit bei dieser Gelegenheit allerdings Äußerungen oder Handlungen erfolgen, die gegen unsere Strafgesetze oder gegen unsere staatliche Ordnung verstoßen, werden sie mit den entsprechenden Mitteln verfolgt werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406906500
Herr Abgeordneter Matthöfer, eine Zusatzfrage!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406906600
Herr Staatssekretär, seit wann ist es üblich, in diesem Hause von „Bürgern der Bundesrepublik" zu sprechen, und wird man in diesem Hause vielleicht auch bald von „Bürgern anderer Republiken" sprechen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406906700
Verzeihen Sie, ich verstehe die Frage nicht. Die „Bürger der Bundesrepublik" sind die Bürger, die in der Bundesrepublik wohnen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406906800
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0406906900
Herr Staatssekretär, war es nur ein falscher Zungenschlag oder läßt es ganz bestimmte legislative oder politische Absichten Ihres Ressorts erkennen, wenn Sie vorhin bei der Beantwortung der Frage ausgeführt haben — ich zitiere —: „Da wir leider in der Bundesrepublik und in der sowjetischen Besatzungszone nach unserem Recht die Freizügigkeit haben ..." — „leider"?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406907000
Das „leider" bezog sich nicht darauf, daß etwa beabsichtigt wäre, hieran etwas zu ändern. Das „leider" bedeutete bloß, daß wir durch die Freizügigkeit und durch die Regelung solcher Ausreisen aus der Bundesrepublik in die SBZ eben gehindert sind. Das „leider" bezog sich nur auf das Gehindertsein.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406907100
Herr Abgeordneter Eichelbaum zu einer Zusatzfrage.

Ernst Theodor Eichelbaum (CDU):
Rede ID: ID0406907200
Herr Staatssekretär, Sie sind doch sicher auch der Meinung, daß es nur eine deutsche Staatsangehörigkeit gibt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406907300
Selbstverständlich!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406907400
Herr Abgeordneter Erler, eine Zusatzfrage?

(Abg. Erler: Danke, das ist dadurch erledigt!)

Dann rufe ich die Frage IV/8 — des Herrn Abgeordneten Lemper — auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, um die Willkürmaßnahmen von Ausländern innerhalb der Bundesrepublik — z. B. das Zerreißen einer jugoslawischen Flagge in Köln — zu unterbinden?
Bitte Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406907500
Die Bundesregierung hat bereits vor und dann insbesondere nach dem Überfall von Mehlem im November vorigen Jahres eine Reihe von Maßnahmen getroffen, durch die verhindert werden soll, daß radikale Gruppen von Ausländern unter Mißachtung ihrer Gastpflichten auf deutschem Boden Gewalttaten gegen Einrichtungen oder Symbole fremder Staaten verüben. Auch die Behörden der Länder haben die innerhalb ihrer Zuständigkeit erforderlichen Schritte unternommen. Ich darf in diesem Zusammenhang vor allem darauf hinweisen, daß zu Beginn dieses Monats die „Kroatische Kreuzer-Brüderschaft" verboten und daß für eine Reihe von ausländischen Vertretungen ein verstärkter Polizeischutz eingesetzt wurde. Der Ausschuß für Inneres des Bundestages wurde von mir wiederholt, letztmals in der vertraulichen Sitzung am 14. März dieses Jahres, ausführlich über die getroffenen und beabsichtigten Maßnahmen unterrichtet. Der Innenausschuß wird auch in Zukunft laufend unterrichtet werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406907600
Eine Zusatzfrage wird nicht gestellt. Der Abgeordnete Memmel hat seine Fragen zurückgezogen. — Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die von dem Abgeordneten Ritzel gestellte Frage V/1 auf:
Stimmt es, daß der ehemalige Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Strauß, nach seiner Amtsübernahme in Luxemburg weiterhin im Bundesjustizministerium beschäftigt wird, dort über ein Dienstzimmer verfügt und einen Dienstwagen mit Fahrer benutzt?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406907700
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel wie folgt.
Es trifft nicht zu, daß der Staatssekretär Strauß nach seiner Amtsübernahme in Luxemburg weiterhin im Bundesjustizministerium beschäftigt wird. Es läßt sich höchstens sagen, daß er nach dieser Zeit sich dort noch mit Abwicklung seiner Geschäfte beschäftigt hat. Nachdem er einerseits 13 Jahre lang Staatssekretär im Justizministerium gewesen war, andererseits noch kein Nachfolger ernannt ist, hatte ich keine Bedenken, ihm das Betreten seines früheren Dienstzimmers zu diesem Zweck noch zu gestatten. Diese Abwicklung wird mit Ende dieses Monats beendet sein.



Bundesminister Dr. Bucher
Einen Dienstwagen mit Fahrer benutzt Herr Staatssekretär Strauß noch deshalb, weil das Gericht in Luxemburg uns gebeten hatte, ihm — gegen Ersatz der Kosten — für die Übergangszeit einen Dienstwagen zu stellen. Die Übergangszeit ergibt sich daraus, daß das Gericht in Luxemburg dem dort ausscheidenden Präsidenten Risse für einige Zeit noch den Wagen belassen hat. Da Kostenübernahme angeboten ist, hatte ich keine Bedenken, dieser Bitte um Amtshilfe zu entsprechen. Auch das wird mit Ende dieses Monats zu Ende sein.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406907800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0406907900
Erhält der frühere Staatssekretär, Herr Strauß, für die Tätigkeit, die nach Ihrer Mitteilung, Herr Bundesjustizminister, am 31. März beendet sein soll, eine Entschädigung — über seine Pension hinaus —, und wenn ja, wieviel?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406908000
Nein, er erhält keinerlei Entschädigung. Ich sagte ja, er beschäftigt sich, er wird nicht beschäftigt.

(Heiterkeit.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406908100
Herr Abgeordneter Ritzel!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0406908200
Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob es erlaubt ist, zu fragen — ohne daß die Frage angerechnet wird —, was der Unterschied ist zwischen „er beschäftigt sich" und „er wird beschäftigt"?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406908300
Ich wollte mit dem Hinweis, daß er sich selbst beschäftigt, nur sagen: daraus ergibt sich, daß er keine Vergütung dafür erhält.

(Abg. Wittrock: Also eine Art Freizeitgestaltung!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406908400
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer zweiten Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0406908500
Die zweite Zusatzfrage ist vielleicht zum Teil schon — es war nicht ganz zu verstehen — beantwortet: Benutzt der Herr Staatssekretär auch einen Dienstwagen zu den Fahrten zur Ausübung seiner Funktion in Luxemburg, und wenn ja, was zahlt er dafür an den Bund?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406908600
Ich sagte, daß er einen Dienstwagen benutzt. Er wurde ihm in vollem Umfang zur Verfügung gestellt für seine Tätigkeit in Luxemburg, aber auf Grund des Angebots der Kostenerstattung.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0406908700
Wie lange soll das noch dauern?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406908800
Bis Ende dieses Monats.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406908900
Keine weitere Zusatzfrage.

(Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach klatscht lebhaft Beifall. — Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Dr. Dr. h. c. Dresbach: Ich wollte eigentlich eine Frage an Herrn Abgeordneten Ritzel richten!)

Ich rufe die von Herrn Abg. Erler gestellte Frage V/2 auf:
1st der Bundesregierung bekannt, daß die jetzige Höhe der Dolmetschergebühren für die Tätigkeit in Gerichts- und ähnlichen Verfahren im Vergleich zu den Einkünften qualifizierter Kräfte dieses Berufes in der Wirtschaft nicht ausreichend ist?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406909000
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die Höhe der Dolmetschergebühren nicht ausreichend ist. Sie hat deshalb dem Bundestag in Drucksache IV/875 den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, in dem auch eine Erhöhung der Entschädigungen für Dolmetscher und Übersetzer vorgeschlagen wird. Der Rechtsausschuß des Bundestages hat diese Vorlage bereits beraten, und zwar var kurzem, am 20. März, und dabei eine noch weitergehende Erhöhung dieser Entschädigungen beschlossen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406909100
Ich rufe auf die Fragen V/3 und V/4 — des Abgeordneten Faller —:
Sind der Bundesregierung die Hintergründe des Attentatsversuchs bekannt, der am 20. Februar 1963 in Lörrach (Südbaden) auf den deutschen Raketenforscher Dr. Kleinwächter verübt worden ist?
Sieht die Bundesregierung Zusammenhänge des in Frage V/3 genannten Attentatsversuchs mit dem noch ungeklärten Verschwinden der Raketenspezialisten Dr. Heinz Krug aus München und Dr. Wolfgang Pilz aus Stuttgart?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang 'im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die von der Abg. Frau Dr. Diemer-Nicolaus gestellte Frage V/5 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit in den Höfeordnungen Töchter und Söhne als Hoferben gleichberechtigt behandelt werden?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406909200
Das Bundesjustizministerium beabsichtigt, dem Bundeskabinett demnächst den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in der ehemaligen britischen Besatzungszone geltenden Höfeordnung vorzulegen. In dem Entwurf wird u. a. die Aufhebung der Bestimmung vorgesehen, wonach bei der gesetzlichen Erbfolge innerhalb derselben Hoferbenordnung der Vorzug des männlichen Geschlechts entscheidet. Wenn diese Vorschrift aufgehoben sein wird, werden Töchter und Söhne bei der Hoferbfolge gleichberechtigt sein.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406909300
Eine Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus!

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406909400
Herr Bundesjustizminister, ist, nachdem das Bundesverfas-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
sungsgericht erst kürzlich die Entscheidung getroffen hat, daß die Höfeordnung insofern verfassungswidrig ist, damit zu rechnen, daß dieser Regierungsentwurf vordringlich behandelt wird, um den Forderungen unserer Verfassung gerecht zu werden?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406909500
Ja, ich glaube sicher. Ich möchte jedenfalls von mir aus alles dazu tun, daß er möglichst schnell vorgelegt und möglichst noch in diesem Jahr verabschiedet wird.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406909600
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen! Frage VI/1 — des Herrn Abgeordneten Kuntscher —.
Ist der Bundesregierung eine Aufforderung seitens der Deutschen Bundesbank an die Deutsche Bundesbahn, die Deutsche Bundespost und das Bundesausgleichsamt bekannt, keine unnötigen Kredite aufzunehmen?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406909700
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Kuntscher wie folgt beantworten:
Die Schreiben der Deutschen Bundesbank an Bundesbahn, Bundespost und Bundesausgleichsamt, in denen diese zur Zurückhaltung bei der Aufnahme von Krediten aufgefordert werden, sind der Bundesregierung bekannt. Die zuständigen Bundesressorts werden die Aufnahme von Krediten durch die Sondervermögen des Bundes auch nach konjunktur- und währungspolitischen Gesichtspunkten koordinieren. Hierbei wird auf die Lage des Kapitalmarkts Rücksicht genommen werden. 'Die Gespräche hierüber dauern noch an.
Hinsichtlich der Kreditaufnahme durch den Lastenausgleichsfonds darf ich auf die ausführliche Stellungnahme meines Herrn Staatssekretärs in der Fragestunde am 6. März 1963 Bezug nehmen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406909800
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rehs!

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0406909900
Herr Bundesfinanzminister, ist die Bundesregierung nicht inzwischen zu der Überzeugung gekommen, daß das Bundesausgleichsamt wegen der besonderen 'Dringlichkeit der Aufgaben des Lastenausgleichs keinesfalls mit den anderen Institutionen in Parallele gestellt werden kann und daß sie infolgedessen — über die Erklärungen des Herrn Staatssekretärs hinaus — die Auffassungen des Herrn Bundesbankpräsidenten bezüglich des Lastenausgleichs nicht akzeptieren kann?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406910000
Ich bin der Meinung, Herr Kollege Rehs, daß der Lastenausgleichsfonds bei der Bearbeitung dieser Kreditanforderungen der Sondervermögen des Bundes eine Sonderstellung zu beanspruchen hat, und glaube auch sagen zu können, daß die Deutsche Bundesbank dieselbe Auffassung hat. Trotzdem glaube ich aber, in diesem Zusammenhang sagen zu müssen, .daß sich auch der Lastenausgleichsfonds nach 'währungspolitischen Gesichtspunkten in die Reihe der Kreditanforderungen angemessen einzuordnen hat.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406910100
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Rehs!

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0406910200
Ich darf also aus Ihren Worten entnehmen, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie in jedem Falle die besondere Vordringlichkeit des Lastenausgleichs anerkennen?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406910300
Ich glaube, das sagen zu können.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0406910400
Danke!

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406910500
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Czaja!

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0406910600
Nachdem nach dem Bundesbankgesetz bei allen Anleihen der öffentlichen Hand das „Benehmen" mit der Bundesbank — nicht das Einvernehmen — herzustellen ist, frage ich den Herrn Minister, ob bekannt ist, daß die Bundesbank auch bei Anleihewünschen beispielsweise kommunalwirtschaftlicher Betriebe ähnliche Warnungen und Einwendungen erhoben hat.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406910700
Das ist geschehen, Herr Kollege Czaja.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406910800
Keine weiteren Fragen!
Frage VI/2 — des Herrn Abgeordneten Drachsler —:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der Aufstellung der kommenden Haushalte dafür zu sorgen, daß das zweite Vierjahresprogramm für den Straßenbau in seinem Volumen von 13 Milliarden nicht beschnitten wird?
Bitte, Herr Minister!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406910900
Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Drachsler im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr wie folgt beantworten:
Die Bundesregierung hat zu dem zweiten Vierjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen den folgenden Beschluß gefaßt:
Das Kabinett billigt den zweiten Vierjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Rechnungsjahren 1963 bis 1966 in dem vorgelegten Umfang und ermächtigt den Bundesminister für Verkehr, ihn dem Deutschen Bundestag zur Kenntnis zuzuleiten mit der Maßgabe, daß die Finanzierung nur im Rahmen der jeweils zweckgebundenen Mineralölsteuereinnahmen erfolgen kann.
Ich darf dazu bemerken, daß die Bundesregierung sich bemühen wird, den zweiten Vierjahresplan für



Bundesminister Dr. Dahlgrün
den Ausbau der Bundesfernstraßen im Gesamtrahmen der zu erfüllenden Aufgaben mit der gebotenen Dringlichkeit durchzuführen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406911000
Keine Zusatzfrage. Frage VI/3 — des Herrn Abgeordneten Drachsler —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch eine weitere Kürzung der zweckgebundenen Straßenbaumittel die vom Gesetzgeber gewollte langfristige Planung empfindlich gestört würde und daß die Ausbauziele unseres bundesdeutschen Straßennetzes nicht erreicht werden könnten?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406911100
Die Frage VI/3 des Herrn Kollegen Drachsler beantworte ich wie folgt:
Die Bundesregierung bejaht die Notwendigkeit langfristiger Straßenbauplanungen, um geeignete und sichere Ausführungsunterlagen zu erhalten. Sie ist jedoch der Meinung, daß langfristige Planungen auch unabhängig von der Frage vorgenommen werden können, in welchem Umfange jeweils Mittel für die Ausführung zur Verfügung stehen.
Soweit der geplante zeitliche Ablauf des Bauprogramms durch die Mittelbereitstellung gefährdet werden sollte, wird die Bundesregierung prüfen, auf welche Weise eine Beeinträchtigung des Bauablaufs durch die angespannte Haushaltslage vermieden werden kann.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406911200
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Drachsler.

Hans Drachsler (CSU):
Rede ID: ID0406911300
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Kürzung der Straßenbaumittel im Haushaltsjahr 1963 von etwa 2,75 auf 2,35 Milliarden DM nur dann aufgeholt werden kann, wenn in den kommenden Haushaltsjahren das zweckgebundene Aufkommen aus dem Straßenverkehr auch uneingeschränkt für die Zwecke des Straßenbaues verwendet wird?

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406911400
Das werden wir sehr ernstlich zu prüfen haben, wenn die Fragen auf uns zukommen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406911500
Die Frage VI/4 — des Herrn Abgeordneten Wittrock — wird vom Herrn Bundesminister für Verkehr beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Frage VII/1 — des Herrn Abgeordneten Kaffka —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der deutschen Schuhindustrie zu helfen, nachdem diese durch Umsatzsteuervorbelastung deutscher Schuhe beim Einzelhandel von 9,3 % und durch Ausgleichsteuererhöhung für Leder gegenüber der ausländischen Konkurrenz erheblich in Nachteil geraten ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406911600
Der Bundestag hat bei den von ihm beschlossenen Erhöhungen von Ausgleichsteuersätzen die Absicht verfolgt, in besonderen Härtefällen Milderungen zu schaffen. Wegen der von Ausgleichsteuererhöhungen möglicherweise ausgehenden Wirkungen auf die Preise hat er nur solche
Fälle berücksichtigt, bei denen sich die bestehende umsatzsteuerliche Verzerrung im internationalen Wettbewerb so massiv ausgewirkt hat, daß strukturelle Schwierigkeiten in den betreffenden Produktiionszweigen zu verzeichnen sind. Nach eingehender Prüfung kamen die Bundestagsausschüsse zu dem Ergebnis, daß für die Schuhindustrie im gegenwärtigen Zeitpunkt der Härtefall nicht vorliegt. Obwohl die Schuheinfuhren, insbesondere aus Italien und Frankreich, in den letzten Jahren ständig gestiegen sind, hat dies bisher zu strukturellen Veränderungen in der Schuhindustrie offenbar nicht geführt. Während in den anderen Wirtschaftszweigen, die als Härtefälle anerkannt wurden, die Einfuhren wertmäßig bis zu 50 % der Eigenproduktion angestiegen sind, beträgt dieser Anteil in der Schuhindustrie zur Zeit etwa 9 %. Hierbei kam in den vergangenen Jahren der Mehrverbrauch an Schuhen in der Bundesrepublik zum größten Teil der gestiegenen Eigenproduktion zugute.
Dagegen hat vergleichsweise bei Leder die Inlandsproduktion stagniert. Der Mehrverbrauch wurde hier ausschließlich durch erhöhte Einfuhren gedeckt. Das zwang zur Änderung der Umsatzausgleichsteuer für Leder. Hätte der Bundestag bei dieser Sachlage die Ausgleichsteuer für Schuhe erhöht, so wären damit die vorerwähnten Kriterien durchbrochen worden, und auch andere Wirtschaftszweige hätten mit dem gleichen Recht wie die Schuhindustrie eine Erhöhung der Umsatzausgleichsteuer für ihre Erzeugnisse fordern können.
Daß bei diesem Verfahren Wünsche offenbleiben mußten, liegt auf der Hand. Ich darf hierzu auf den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses verweisen, von dem ich mit gütiger Erlaubnis des Herrn Bundestagspräsidenten ein paar Zeilen verlesen möchte. Es heißt dort:
Finanzausschuß und Regierungsvertreter waren sich darin einig, daß in Anbetracht der kurzen Beratungszeit Irrtümer, vielleicht auf Grund gewisser Unkenntnis, nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnten. Der Ausschuß hat daher in Aussicht genommen, etwa erforderlich werdende Korrekturen vorzunehmen und die Listen zu ergänzen, wenn nachträglich vergleichbare Härtefälle Bekanntwerden.
Soweit der Bericht. Selbstverständlich wird die Bundesregierung die weitere Entwicklung der Schuhindustrie und der Schuheinfuhren sorgfältig im Sinn der Aufforderung des schriftlichen Berichts des Finanzausschusses beobachten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406911700
Herr Abgeordneter Kaffka, eine Zusatzfrage.

Rudolf Kaffka (SPD):
Rede ID: ID0406911800
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß besonders Damenschuhe zu den Schuhen gehören, die aus Italien und Frankreich eingeführt werden, und daß durch die um zirka 44 % erhöhten Einfuhren des Vorjahres besonders die pfälzische Schuhindustrie betroffen worden ist, was in diesem Raum, in dem es nur Schuhindustrie gibt, leicht zu einer bestimmten Krisenlage führen kann?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406911900
Herr Abgeordneter, die Verhältnisse sind bekannt. Es wird auch nicht bestritten, daß durch diese erhöhten Einfuhren gewisse Schwierigkeiten für die Schuhindustrie eingetreten sind. Trotzdem erlauben Sie mir, die Produktionsentwicklung und die Einfuhrentwicklung in Vergleich zu stellen. Die Inlandsproduktion wurde vom Jahre 1958 auf das Jahr 1962 von 1844 Millionen auf 2417 Millionen entwickelt. Die Einfuhr entwickelte sich in dem gleichen Vergleichszeitraum von 74 Millionen im Jahre 1958 auf 185 Millionen im Jahre 1962. Ich wiederhole: 185 Millionen Einfuhr bei einer Eigenproduktion von 2,4 Milliarden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406912000
Eine weitere Frage?
Dann rufe ich auf die Frage VII/2 — des Abgeordneten Lang (München) —:
Ist dem Herrn Bundeswirtschaftsminister bekannt, daß durch den strengen Winter die Heizölpreise namentlich für Kleinverbraucher unverstandlich hoch gestiegen sind, so daß der Endverbraucher bis zu 36 Pf pro Liter zu bezahlen hatte?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406912100
Ich bitte den Herrn Bundestagspräsidenten um Erlaubnis, die beiden Fragen zusammen zu beantworten, weil sie einen inneren und inhaltlichen Zusammenhang haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406912200
Einverstanden. Dann rufe ich auch auf die Frage VII/3 — des Abgeordneten Lang (München) —:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um bei einer ähnlichen Situation wie im Winter 1962/63 Versorgungsengpässen vorzubeugen und damit zugleich eine unverantwortliche Preissteigerung zu unterbinden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406912300
Die Heizölpreise sind in der Tat in den vergangenen Monaten stark angestiegen. Ein Preis von 36 Pf je Liter liegt allerdings an der obersten Grenze der mir bekanntgewordenen Preise. Die langanhaltende, ganz ungewöhnlich starke Kälte dieses Winters und der damit zusammenhängende totale Ausfall der Wasserstraßen als Transportwege führten bekanntlich nicht nur zu einem starken Anstieg des Heizölbedarfs, sondern auch zu fühlbaren Kostenerhöhungen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß Heizöl teilweise sogar von den nordwesteuropäischen Häfen bis nach Süddeutschland hinein mit Tankkraftwagen transportiert werden mußte, und ich darf den Damen und Herren Abgeordneten sagen, daß wir alles daran gesetzt haben, um jegliches und das letzte Transportmittel einzusetzen und auf alle Fälle die Versorgung sicherzustellen. Die damit verbundenen Kostensteigerungen wurden selbstverständlich weitgehend auf die Heizölpreise aufgeschlagen. Darüber hinaus — das muß ich zugeben — hat die angespannte Versorgungslage auch einmal zu Preissteigerungen geführt, die über diese Kostensteigerungen hinausgingen.
Gegen Preisüberhöhungen auf Grund von Mangellagen kann auf Grund von § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes vorgegangen werden. Die Durchführung dieser Vorschrift obliegt den Landesbehörden, d. h. in erster Linie den Preisdienststellen der Länder. Diese haben den Heizölmarkt unter dem Aspekt des § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes beobachtet. Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit den Landesdienststellen darüber einen engen Kontakt gepflegt. Diese Landesdienststellen konnten vielfach übertriebene Preiserhöhungen schon durch ihre Einschaltung verhindern. In der Regel aber konnte ihnen nachgewiesen werden, daß die vorgenommenen Preiserhöhungen kostenbedingt waren.
Die besten Mittel, allen Versorgungsengpässen und daraus resultierenden Preissteigerungen entgegenzuwirken, sind ein rechtzeitiger Einkauf und eine möglichst dezentrale, verbrauchsnahe Lagerhaltung. Die Bundesregierung beabsichtigt, eine solche Lagerhaltung pflichtmäßig einzuführen. Die vorbereitenden Arbeiten sind weit fortgeschritten. Auch die zunehmende Streuung der Raffineriestandorte — ich darf nur auf den neuen Raffinerieplatz Ingolstadt hinweisen — wirkt in der gleichen Richtung.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406912400
Eine Zusatzfrage? — Nein! Dann die 'Frage VII/4 des Abgeordneten Matthöfer.
Wie beurteilt die Bundesregierung angesichts der in den Leitlinien für die Tarifparteien des Berichts der Bundesregierung über die Wirtschaftsentwicklung — Drucksache IV/1010 — enthaltene Empfehlung, in Branchen mit überdurchschnittlichen Produktivitätsfortschritten und durchschnittlichen Lohnerhöhungen müsse der nicht ausgeschöpfte Spielraum zu Preissenkungen genutzt werden, damit eine Stabilisierung des Gesamtpreisniveaus erreicht wird, das Verhalten der Fordwerke AG, die für das Jahr 1961 76 % und für das Jahr 1962 86 % Gewinn auf das Grundkapital ausgeschüttet hat und für das Jahr 1963 die Möglichkeit weiterer Preissteigerungen ankündigte, obwohl ihr Gewinn in diesem Jahr weiter zunehmen wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406912500
Tatsache ist, daß die Ford-Werke in den vergangenen Monaten den vergleichbaren Preis für das neue Modell ihres Personenwagens 12 M gegenüber dem alten Typ um ca. 6 % gesenkt haben. Dies muß als ein Zeichen des sich verschärfenden Wettbewerbs auf dem Automobilmarkt gewertet werden, zumal auch andere Hersteller direkte oder indirekte Preisherabsetzungen vorgenommen haben.
Der optisch ohne Zweifel sehr hohe Dividendensatz der Ford-Werke sollte über diese Entwicklung nicht hinwegtäuschen. Er gestattet auch keinen unmittelbaren Schluß auf den erwirtschafteten Betriebsgewinn, weil im Jahre 1961 Entnahmen aus der freien Rücklage und im Jahresgewinn 1962 sehr hohe außerordentliche Erträge enthalten sind. Des weiteren ist ein Vergleich mit den Dividendensätzen vieler anderen Unternehmen nicht ohne weiteres möglich. Dies beruht auf gewissen steuerlichen Besonderheiten. Sie ließen es zumindest bisher dem amerikanischen Großaktionär vorteilhafter erscheinen, den gesamten Unternehmensgewinn auszuschütten, um dann unter Umständen einen Teil dieses ausgeschütteten Gewinns wieder in das Unternehmen einzuschießen. Die meisten anderen Aktiengesellschaften in der Bundesrepublik füllen



Bundesminister Dr. Dahlgrün
dagegen mit den erwirtschafteten Gewinnen zunächst ihre offenen bzw. stillen Reserven auf und
zahlen nur den Rest in Form von Dividenden aus.
Wenn der Herr Bundestagspräsident gestattet, würde ich die Beantwortung der Fragen 2 und 3 gleich anschließen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406912600
Haben Sie Bedenken, Herr Abgeordneter Matthöfer? Ihr Recht auf Zusatzfragen wird dadurch nicht beschnitten.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406912700
Ich möchte doch lieber die Fragen 'einzeln beantwortet haben.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406912800
Dann wollen wir bei Frage 4 verbleiben. Bitte, Herr Abgeordneter Matthöfer zu einer Zusatzfrage.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406912900
Herr Staatssekretär, meine Frage ging 'dahin, ob die Bundesregierung diese Politik billigt. Meine Zusatzfrage ist jetzt: Glauben Sie, Herr Staatssekretär, daß sich die Firma Ford nach den Empfehlungen der Bundesregierung verhalten hat unid den gesamten ihr zurr Verfügung stehenden Spielraum zwischen Lohnerhöhungen und Produktivitätssteigerungen zur Preissenkung ausgenutzt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406913000
Zur ersten Frage, Herr Abgeordneter, ob die Bundesregierung diese Politik billigt, müßte ich zunächst sagen, daß die in Ihrer Frage 3 enthaltenen Thesen nach Auskunft des Vorstandes der Deutschen Ford-Werke nicht von der Ford-Werke-Aktiengesellschaft, von der Leitung dieser Gesellschaft eingenommen werden. Und sollten sie eingenommen werden, müßte ich Ihnen sagen, wir ibilligen diese Politik nicht. Aber Ford sagt, es seien gar nicht ihre eigenen Thesen. Das zur Frage 1.
Zur Frage 2: Ich kann Ihnen natürlich nicht exakt beantworten, ob die Ford-Werke die gesamte Differenz zur Verwendung als Preissenkung verwertet haben. Ich glaube, daß gerade die Automobilindustrie besonders konjunkturempfindlich ist, so daß gewisse Reservebildungen nach meiner Meinung zweckmäßig und angezeigt sind im Interesse der Erhaltung einer möglichst beständigen Beschäftigung der einzelnen Werke.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406913100
Eine weitere Zusatzfrage?

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406913200
Was will die Bundesregierung tun, Herr Staatssekretär, um die Öffentlichkeit über die Unterlassungen von Preissenkungen in Industrien mit überdurchschnittlicher Produktivitätszuwachsrate, die das allgemeine Preisniveau erhöhen, zu unterrichten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406913300
Die Bundesregierung wird alles tun, um den Wettbewerb möglichst effizient werden
zu lassen, und, Herr Abgeordneter, ich glaube, gerade auf dem Automobilmarkt wird es jedem, der mit offenen Augen über die deutschen Straßen fährt, sichtbar, wie sehr gerade dort der Wettbewerb schon wirksam geworden ist. Auch das neue Modell der Ford-Werke ist ja um eine beachtliche Spanne billiger geworden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406913400
Herr Abgeordneter Gscheidle, eine weitere Zusatzfrage.

Kurt Gscheidle (SPD):
Rede ID: ID0406913500
Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung angesichts der internationalen Erfahrungen für wahrscheinlich, daß Industrien mit überdurchschnittlicher Produktivitätszuwachsrate Ihrer Empfehlung folgen und den von Lohnerhöhungen nicht ausgeschöpften Spielraum zu Preissenkungen benutzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406913600
Die Bundesregierung ist der Meinung, daß, wenn es gelingt, den Wettbewerb wirksam zu erhalten, ein Zwang zu einem solchen Verhalten gegeben ist.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406913700
Ich rufe auf die Frage VII/5 — des Herrn Abgeordneten Matthöfer —:
Kennt die Bundesregierung die Ergebnisse von Untersuchungen des US-Senats und Äußerungen des amerikanischen Präsidenten, die dahin gehen, daß der Preisauftrieb und die hohe Arbeitslosigkeit in der amerikanischen Wirtschaft durch mangelnde Kapazitätsausnutzung und Unterlassung von Preissenkungen in Industriezweigen mit hoher Produktivitätswachstumsrate mitverursacht sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406913800
Zur Frage 2 des Herrn Abgeordneten Matthöfer ist zu sagen, daß der Bundesregierung die Untersuchungsergebnisse des amerikanischen Senats und die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten bekannt sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406913900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406914000
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, daß sich eine ähnliche Entwicklung in der Bundesrepublik vollzieht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406914100
Die Bundesregierung glaubt, daß die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten und in der Bundesrepublik in keiner Weise vergleichbar sind. Wir leiden seit geraumer Zeit unter einem erheblichen Mangel an Arbeitskräften. Die Aussicht für die nächste Zukunft ist keineswegs rosig, während in Amerika aus anderen Gesichtspunkten wahrscheinlich mit einem erheblichen Zuwachs an Arbeitskräften gerechnet werden kann.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406914200
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Matthöfer.




Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406914300
Hat die Bundesregierung die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Pläne zur Kapazitätsausweitung in den einzelnen Wirtschaftszweigen zu verschaffen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406914400
Meint der Herr Abgeordnete die Kapazitäten der Wirtschaftszweige im Inland oder im Ausland?

(Abg. Matthöfer: Im Inland!)

— Im Inland wird alles geschehen und geschieht laufend alles, um die ständigen Kenntnisse über die bei uns erwarteten Expansionen zu sammeln.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406914500
Herr Abgeordneter Gscheidle!

Kurt Gscheidle (SPD):
Rede ID: ID0406914600
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Möglichkeit, die wahrscheinliche Entwicklung der Nachfragestruktur vorauszusagen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406914700
Was die Bundesregierung an Möglichkeiten sieht, ist in dem neuesten Wirtschaftsbericht der Bundesregierung niedergelegt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406914800
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Gscheidle!

Kurt Gscheidle (SPD):
Rede ID: ID0406914900
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Ausweitung der Kapazitäten in den einzelnen Branchen mit der wahrscheinlichen Entwicklung der Nachfragestruktur in Übereinstimmung zu bringen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406915000
Wir tun das Unsere, Herr Abgeordneter, um die deutschen Unternehmer oder die deutschen Wirtschaftskreise über unsere Prognosen über die Wirtschaftsentwicklung voll auf dem laufenden zu halten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406915100
Ich rufe auf die Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Matthöfer —:
Billigt die Bundesregierung die von der Geschäftsleitung der Fordwerke AG öffentlich vertretene These zur Preispolitik dieses Unternehmens, bei einer Kapazitätsausnutzung von nur 50 % müsse das Werk gerade leben können, bei 60 % verdienen und bei 70 % Ausnutzung Sondererträge erwirtschaften; das setze voraus, daß alle Werke zusammenarbeiten und nicht ein Unternehmen im Kampf um den Marktanteil die Konkurrenten unter Preisdruck setzte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406915200
Die Geschäftsleitung der Ford-werke — ich habe das schon bei der Frage 1 kurz beantwortet — hat nach den Auskünften Ihres Vorstandsmitgliedes Herrn Layton die erwähnten Äußerungen in dieser Form nicht getan. Man habe seinerzeit nur zum Ausdruck bringen wollen, daß ein Automobilwerk bei den sich abzeichnenden zunehmenden saisonalen und konjunkturellen Schwankungen darauf vorbereitet sein müsse, eine kurzfristig sogar bis auf 50 % zurückgehende Kapazitätsauslastung zu überstehen. Im übrigen wird die Bundesregierung auch in Zukunft darauf achten, daß der Leistungswettbewerb auf diesem Markt nicht erlahmt. Sie hat diesen Willen durch die vorjährige Zollsenkung für Personenkraftwagen aus dem EWG-Raum eindeutig unter Beweis gestellt.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406915300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer!

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406915400
Herr Staatssekretär, entspricht nicht die von der Ford-Geschäftsleitung empfohlene Politik — die jetzt bestrittene Empfehlung — der Praxis der amerikanischen Automobilindustrie?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406915500
Herr Abgeordneter, die Praxis der amerikanischen Automobilindustrie, die deutsche Tochtergesellschaften unterhält, ist natürlich durch die besondere steuerliche Regelung beeinflußt. Es wird Ihnen wahrscheinlich bekannt sein, daß zur Zeit schon Bestrebungen im Gange sind -Anfangserfolge sind schon erreicht — zur Abänderung solcher gewährten Vorteile. Die Abänderung dieser steuerlichen Gesetzgebung wird auch die Praxis der in Deutschland arbeitenden amerikanischen Tochtergesellschaften beeinflussen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406915600
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406915700
Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der am 23. März dieses Jahres veröffentlichten Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats bei Ihrem Ministerium — mit Rücksicht auf die relativ knapper werdenden Investitionsmittel müßten die Auswahlmaßstäbe für die Investitionen verschärft werden — in diesem Falle Nachdruck zu verschaffen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406915800
Das Bundeswirtschaftsministerium bemüht sich darum, daß die Investitionen innerhalb der deutschen gewerblichen Wirtschaft darauf eingerichtet werden, daß mehr arbeitskräftesparende Investitionen als produktionsexpandierende Investitionen gemacht werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406915900
Ich rufe die Frage VII/7 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut — auf:
In welchem Umfange ist die Kaufkraft der D-Mark in den letzten zehn Jahren zurückgegangen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406916000
Es ist nicht einfach, eine exakte Aussage über die Entwicklung der Kaufkraft der D-Mark in den letzten zehn Jahren zu machen. Es besteht nämlich das Problem, woran diese Entwicklung gemessen werden soll; dies um so mehr, als in einer dynamischen Wirtschaft die Preistendenzen auf den einzelnen Märkten je nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage und nach der Kostenentwicklung usw. recht unterschiedlich sind. So sind in den letzten Jahren beispielsweise die Preise für



Staatssekretär Dr. Westrick
Dienstleistungen und Bauarbeiten stark gestiegen, die Preise von Kunststoffen und anderen Artikeln dagegen merklich gesunken. Bei verschiedenen Nahrungsmitteln wiederum schwanken die Preise je nach den Witterungs- und Saisonverhältnissen.
Mit Ihrer Frage ist wohl, so vermute ich, in erster Linie die Entwicklung der Kaufkraft der D-Mark auf den Verbrauchermärkten des Inlands angesprochen.

(Abg. Dr. Kohut: Jawohl!)

Diese Kaufkraft wird am allgemeinen am Preisindex für die Lebenshaltung gemessen, der auf den Einkommensverhältnissen und Konsumgewohnheiten des Jahres 1958 basiert. Ich darf in Parenthese sagen, daß sich sowohl die Konsumgewohnheiten wie die Einkommensverhältnisse seitdem sicherlich verändert haben. Dieser Index ist vom Jahresdurchschnitt 1952 zum Jahresdurchschnitt 1962 — auf diesen Zeitraum bezieht sich Ihre Frage — um 16,3 % gestiegen. Um hieraus die Kaufkraftentwicklung zu ermitteln, muß der entsprechende Im-Hundert-Wert berechnet werden. Es ergibt sich dann eine Kaufkraftminderung um 14 %.
Mit dem Preisindex für die Lebenshaltung wird zweifellos ein Höchstmaß an statistisch möglicher Genauigkeit erreicht. Er kann aber doch nicht das gesamte Preisbild, wie es sich für den Verbraucher darstellt, einfangen. So werden z. B. die Preise der gerade in letzter Zeit stark vordringenden neuen Vertriebsformen noch nicht in diesem Index erfaßt, obwohl die billigeren Einkaufsmöglichkeiten, die dadurch geschaffen sind, eine immer größere Bedeutung im Gesamtrahmen der Verbraucherpreisentwicklung zu bekommen scheinen. Auch werden in aller Regel die besonders bei Gebrauchsgütern auf die Listenpreise gewährten Rabatte nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Schließlich kann in diesem Index auch nicht zum Ausdruck kommen, daß durch die ständige Verbreiterung und Veränderung des Angebotes am Markt den Verbrauchern in vielen Fällen die Möglichkeit gegeben ist, ihre Bedürfnisse preiswerter oder besser zu befriedigen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406916100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0406916200
Herr Staatssekretär, können Sie sich dazu äußern, daß viele in der Wirtschaft es einfach als Selbstverständlichkeit ansehen, daß der Wert der Deutschen Mark im Jahr um 3 % abnimmt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406916300
Wir bedauern, daß tatsächlich viele Menschen einfach damit rechnen, glauben aber, daß die Nationalökonomen das nach Möglichkeit nicht tun sollten. Es wäre ein verderbliches Beginnen, wenn wir so verfahren würden. Wir möchten unsererseits alles tun, um die Entwicklung der Kaufkraft zu stabilisieren.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406916400
Herr Abgeordneter Kohut zu einer weiteren Zusatzfrage.

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0406916500
Da die Abwertung der Kaufkraft der D-Mark Tatsache ist, frage ich, was die Bundesregierung — sie will ja die Währung schützen — gegen diese schleichende Inflation wirklich zu tun gedenkt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406916600
Ich darf mich nochmals auf den jüngsten Wirtschaftsbericht beziehen, in dem zum Schluß einige Leitgedanken, einige Leitideen angegeben sind, bei deren Verwirklichung wir mit einer Stärkung der Stabilisierungselemente rechnen können. Es bedarf dazu natürlich der Mitwirkung sämtlicher in der Wirtschaft aktiven Kräfte.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406916700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt (Braunschweig).

Walter Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0406916800
Herr Staatssekretär, ist der Schwund der Kaufkraft der Zahlungsmittel westlicher Staaten mit ähnlicher Struktur wie derjenige der Bundesrepublik der gleiche wie derjenige der Westmark?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406916900
Die Entwicklung des Index der Preise ist, verglichen mit dem anderer Länder, bei der Bundesrepublik relativ sehr günstig. Ich glaube, wir liegen etwa gleich mit der Schweiz und den USA. Die übrigen Länder liegen in der Entwertung der Kaufkraft zum Teil erheblich schlechter als wir. Wenn Sie den Wunsch haben, kann ich Ihnen darüber einzelne Zahlen schriftlich geben; ich will damit nicht das ,ganze Hohe Haus aufhalten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406917000
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406917100
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Bestandteile des Lebenshaltungskostenindexes in den letzten Jahren besonders stark gestiegen sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406917200
Ja, ich habe mir eine Aufstellung mitgebracht, da ich es für möglich gehalten hatte, daß diese Frage gestellt werden würde. In erster Linie ist hier die Wohnung zu nennen, außerdem Heizung und Beleuchtung, dann die Ernährung, ferner Reinigung und Körperpflege, Bildung, Erholung, Unterhaltung und Verkehr. In die völlig umgekehrte Richtung bewegen sich z. B. die Kosten 'für Getränke und Tabakwaren.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406917300
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406917400
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß es sich dabei in überwiegendem Maße um politische Preise handelt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406917500
Nein, diese Preise sind in über-



Staatssekretär Dr. Westrick
wiegendem Maße Marktpreise. Wir tun jedenfalls
das Unsere, um sie in diesem Charakter zu erhalten.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406917600
Ich rufe Frage VII/8 — des Herrn Abgeordneten Lemper — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß italienische Firmen am vergangenen Wochenende mit Düsseldorfer Firmen verhandelt haben, um die Röhrenlieferung für die Sowjet-Union im Transitverkehr zu übernehmen?
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406917700
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß italienische Firmen mit Düsseldorfer Firmen über die Übernahme von Röhrenlieferungen für die Sowjetunion im Transitverkehr verhandelt haben. Die Vorstände der Werke in der Bundesrepublik, die bisher Lieferungen von Großrohren an die Sowjetunion ausgeführt haben, haben auf ausdrückliche Anfrage — ich habe vorgestern selber mit den Herren wegen dieser Frage gesprochen — erklärt, daß diesbezügliche Verhandlungen mit italienischen Firmen nicht stattgefunden haben.
Die 4. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste vom 14. Dezember 1962 beinhaltet im übrigen eine allgemeine Genehmigungspflicht für die Ausfuhr von Rohren und Rohrleitungen aus Stahl mit einem .Durchmesser von über 19 Zoll. Die Ausfuhr derartiger Rohre nach Italien wäre also ebenfalls genehmigungspflichtig. Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft ist angewiesen worden, Anträge
auf Ausfuhr von Rohren und Rohrleitungen über 19 Zoll nach anderen Ländern als dem Sowjetblock und Kuba nur dann zu genehmigen, wenn dem Antrag Unterlagen zum Nachweis des Verbleibs der Waren in dem angegebenen Verbrauchsland beigefügt sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406917800
Herr Abgeordneter Liehr zu einer Zusatzfrage.

Harry Liehr (SPD):
Rede ID: ID0406917900
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der britische Botschafter in Washington erklärt hat, seine Regierung sehe den Verkauf von Erdölrohren in die Sowjetunion als eine normale kommerzielle Transaktion an, da die Rohre nicht in der vereinbarten Embargo-Liste der Koordinationskommission der Westmächte aufgeführt seien?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406918000
Mir sind die Einzelheiten, Herr Abgeordneter, nicht bekannt. Mir ist aber bekannt, daß die Regierung von Großbritannien erklärt hat, eine legale Grundlage für ein Verbot oder eine zwangsmäßige Verhinderung der Ausfuhr habe sie nicht. Trotzdem sind die Erklärungen so, daß wir annehmen, die hier zur Rede stehenden Rohre werden nicht aus England geliefert werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406918100
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0406918200
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, warum bei der Besprechung, die der Herr Außenminister mit Vertretern der Stahlindustrie hatte, Vertreter Ihres Ministeriums nicht hinzugezogen wurden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406918300
Ich kann die Antwort nicht geben. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Abgeordneter, daß ein völliges Einvernehmen zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Wirtschaftsministerium in den Diskussionen der vergangenen Wochen geherrscht hat. Das Auswärtige Amt ist zusammen mit dem Bundeswirtschaftsministerium im Außenhandelsausschuß und im Auswärtigen Ausschuß aufgetreten. Eine Differenz besteht zwischen den beiden Ministerien nicht.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406918400
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. — Wir sind am Ende der Fragestunde.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung;
b) Beratung der Sammelübersicht 15 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 28. Februar 1963 eingegangenen Petitionen (Drucksache
IV/1070).
Zur Berichterstattung hat das Wort Frau Abgeordnete Klee.

Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0406918500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht des Ausschusses für Petitionen, den zu erstatten ich die Ehre habe, umfaßt den Zeitraum vom 17. Oktober 1961 bis zum 28. Februar 1963.
Das Grundgesetz gibt in seinem Artikel 17 jedem .das Recht, sich mit schriftlichen Bitten oder Beschwerden an den Bundestag zu wenden. Von diesem sogenannten Petitionsrecht ist auch in der Berichtszeit wieder reger Gebrauch gemacht worden. Die Zahl der Eingaben hat sich um 2807 auf 8980 erhöht. Das ist erfreulich und meines Erachtens ein Zeichen für das wachsende Interesse der Menschen an Staat und Politik, für das Vertrauen zum Parlament, für einen zunehmenden Einfluß auf die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten.

(der Sozialversicherung, dem Lastenausgleich, dem Sozialrecht und der Kriegsopferversorgung, häufig in der Form schlichter menschlicher Bitten um Anhörung, Linderung oder Abstellung von Sorge und Not vorgebracht. Es ist ergreifend, eindrucksvoll, 'interessant und Frau Klee lehrreich, diese sogenannten Petitionen zu lesen, besonders für ein parlamentarisches Greenhorn, wie ich es bin. Der Petitionsausschuß ist, so möchte ich sagen, zu einer unmittelbaren Kontaktstelle zwischen Volk und Parlament, zu einer echten Nahtstelle zwischen Gesetz und Mensch geworden. Man sieht hier am unmittelbarsten und deutlichsten, wie sich die Arbeit des Gesetzgebers, die Gesetze, in der Praxis auf den Menschen auswirken. Man erkennt Härten, Unbilligkeiten und Lücken in den Gesetzen und Verordnungen und kann dazu beitragen, sie im Einzelfall und im allgemeinen zu mildern und zu beseitigen. Dies war und ist — das möchte ich einmal offen aussprechen — der Beweggrund dafür, daß ich mich trotz der zu erwartenden vergleichsweise erheblichen Arbeitsbelastung freiwillig zur Mitarbeit in diesem Ausschuß entschloß. Ich wollte dort im Bundestag tätig sein, wo ein letzter Versuch unternommen werden kann und angestellt wird, zwischen den widerstrebenden menschlichen, meist verständlichen Wünschen der Bürger und den berechtigten Interessen des Staates und der verantwortlichen Behörden auszugleichen. Ich bereue diesen Entschluß trotz der Arbeitsfülle nicht. Es ist keine leichte, aber eine befriedigende und dankenswerte Aufgabe, hier .den richtigen oder wenigsten den gerechten Weg zu finden. (Abg. Frau Schanzenbach: Sie können auch an der Schaffung einer besseren Sozialgesetzgebung mitwirken!)




— Wir sind ja die ganze Zeit dabei.

(Abg. Frau Schanzenbach: Anscheinend ist das aber nicht geschehen; sonst könnten Sie nicht so reden!)

Manchem Anliegen kann Rechnung getragen werden. Seit Oktober 1961 waren es 176, denen voll entsprochen wurde. Das sind 2,39 % aller Eingaben und 7 % der sachlich behandelten Petitionen um Abhilfe persönlicher Beschwerden gegen ein Verwaltungshandeln oder -unterlassen. Etwa 7 % der Eingaben konnten als Material für die Gesetzgebung verwandt und den zuständigen Fachausschüssen, den Fraktionen oder der Bundesregierung überwiesen werden.
Aber viele Wünsche sind beim besten Willen und bei allem menschlichen Verständnis nicht zu erfüllen. Insbesondere müssen immer wieder die Erwartungen derjenigen Bittsteller enttäuscht werden, die glauben und oft ihre letzte Hoffnung darin setzen, daß der Petitionsausschuß Entscheidungen in der Sache treffen und Leistungen bewilligen oder etwa aus einem Härtefonds finanzielle Mittel bereitstellen könnte. Der Petitionsausschuß ist lediglich Kontrollausschuß gegenüber Regierung und Verwaltung mit der Möglichkeit, ihnen hinsichtlich eines Verwaltungshandelns oder -unterlassens bei der Prüfung eines Einzelfalles bestimmte Empfehlungen zu geben. Er geht den einzelnen Beschwerden gewissenhaft nach, überprüft sie in Verbindung mit den eingeholten Stellungnahmen der Regierung gründlich und stellt schließlich fest, ob sie im Rahmen des geltenden Rechts berechtigt sind oder ob sie Verdnlassung für eine Gesetzesänderung oder -ergänzung geben.
Bei 1684 derartigen Eingaben — das sind 23 % —mußten sich Ausschuß und Bundestag nach eingehender Überprüfung und Beratung den zutreffenden, übrigens im allgemeinen überwiegend wohlwollenden Stellungnahmen der Bundesregierung anschließen. Diese Petitionen wurden für erledigt gehalten.
Der Ausschuß kann aus verfassungsrechtlichen Gründen ebenfalls nicht helfen, wenn eine Ländervolksvertretung für die Behandlung der Eingabe zuständig ist — in 37,67 % der Fälle —, wenn das Anliegen Gegenstand eines Gerichtsverfahrens war oder ist — in 9,09 % der Fälle — oder wenn der Rechtsweg oder Instanzenzug noch nicht betreten oder noch nicht erschöpft ist. Das war der Fall bei 4,85 % aller Eingaben.
Das Petitionsrecht gibt, obwohl es inhaltlich keinen Schranken unterliegt, keinen Freibrief für Beleidigungen oder Rechtsverletzungen. Abgesehen von der strafrechtlichen Veranwortlichkeit des Einsenders werden solche Eingaben sowie unsachliche, ungebührliche, sinnwidrige oder verworrene Zuschriften oder Eingänge ohne Unterschrift oder Anschrift nicht behandelt. Seit Oktober 1961 waren es 344, das sind 4,68 %, bezogen auf die 7358 in der IV. Wahlperiode, bis zum jetzigen Moment.
Vergleicht man diese Zahl der erledigten mit dem Gesamtstand der Eingaben, dann ergibt sich ein Überhang von 1622 Eingaben. Dieses Ergebnis mag auf den ersten Blick überraschen und eine mangelnde oder unzweckmäßige Bearbeitung vermuten lassen. Es wird aber bei näherem Hinsehen verständlich. Denn nur wenige Petitionen können schon am Tage des Einganges durch einen abschließenden Bescheid an den Einsender erledigt werden.
Die Behandlung der Petitionen, das Petitionsverfahren, vollzieht sich vielmehr streng in genau vorbestimmten, der Geschäftsordnung des Bundestages entsprechenden Bearbeitungsrichtlinien. Das Büro für Petitionen registriert zunächst die Eingaben, bestätigt ihren Eingang und unterzieht sie einer Vorprüfung nach Form und Inhalt sowie bezüglich ,der Möglichkeit der Behandlung. Insbesondere wird geprüft, ob sie Petitionen im Sinne des Art. 17 des Grundgesetzes sind, ob sie zulässig sind und ob der Deutsche Bundestag für ihre Erledigung zuständig ist. Wenn die Eingabe allen diesen Fragen standhält, prüft sie das Büro, wenn es sich um eine Gesetzesanregung handelt, auf ihre Brauchbarkeit vor. Das Büro holt, wenn es eine Beschwerde ist, von dem zuständigen Bundesministerium eine Stellungnahme ein. Die Abgabe einer exakten Stellungnahme des Ministeriums, auf die der Ausschuß im Interesse des Petenten größten Wert legt, macht oft Rückfragen bis hin zur untersten Verwaltungsbehörde notwendig. Das dauert Zeit, bei einigen Ministerien mit großem Verwaltungsunterbau bis zu drei Monaten.
Erst dann werden die auf Grund der Vorprüfung übrigbleibenden Petitionen dem Ausschuß überwie-



Frau Klee
sen und mit Entscheidungsvorschlägen jeweils zwei Berichterstattern zugeleitet. Das Erledigungsverfahren im Ausschuß mit parlamentarischer Überprüfung und Beratung ist jedenfalls streng nach der Geschäftsordnung geregelt, in Bearbeitungsrichtlinien festgehalten und füllt die Arbeitskraft von 27 Ausschußmitgliedern reichlich aus.
Das Büro ist für die Durchführung der Ausschußbeschlüsse über die Art der Erledigung der einzelnen Petitionen verantwortlich und leitet sie, in Sammelübersichten zusammengestellt, dem Plenum zu. Erst wenn das Plenum die Ausschußbeschlüsse bestätigt hat, kann das Büro den Einsendern die vom Bundestagspräsidenten gezeichneten Endbescheide erteilen.
Diese gründliche Behandlung der Eingaben nimmt natürlich gewisse Zeit in Anspruch, in der Regel etwa drei bis vier Monate. Dadurch erklärt sich die Zahl der am 28. Februar dieses Jahres unerledigten Eingaben von 1622, die dem Neueingang von Petitionen aus zwei bis drei Monaten entspricht und hiernach gar nicht mehr so hoch erscheint.
Aus der systematischen Ubersicht am Ende der Ihnen vorliegenden Drucksache IV/1070, in der Sie übrigens alle genannten Zahlen finden, können Sie entnehmen, daß außer den 8980 neuen Eingaben insgesamt noch 11 452 Nachträge, Stellungnahmen, Berichte der Bundesregierung und andere Schreiben von Abgeordneten, Behörden usw. das Petitionsbüro durchliefen und dort bearbeitet und beantwortet werden mußten.
Aus diesen Zahlen spricht eine beachtliche Arbeitsfülle und eine beispielhafte, ja, erstaunliche Arbeitsleistung der Petitionsstelle, bei der, wie aus meiner Darstellung des Petitionsverfahrens zu schließen war, der Schwerpunkt der sachlichen und technischen Vorbereitung der Petitionen und der Durchführung der Ausschuß- und Plenarbeschlüsse mit der Bescheiderteilung lag. Ich möchte den Verwaltungsangehörigen, unseren Mitarbeitern, von dieser Stelle aus aufs herzlichste dafür danken, daß sie trotz mancher Schwierigkeiten vor der Masse der Petitionen und Eingänge und dem das ganze Jahr einschließlich der Parlamentsferien anhaltenden Arbeitsdruck nicht resignierten und stets um eine gründliche Vorbereitung und Bearbeitung bemüht waren.
Erstaunlich ist diese Arbeitsleistung meines Erachtens vor allem auch deswegen, weil sie unter zum Teil noch immer nicht ausreichenden Personal- und Raumverhältnissen vorgenommen werden mußte. Ansehen und Vertrauen des Deutschen Bundestages in der Öffentlichkeit werden weitgehend durch die Tätigkeit der Petitionsstelle bestimmt. Sie sind gefährdet, wenn diese Arbeit nicht zügig geleistet werden kann. Es müßte daher Anliegen des ganzen Hohen Hauses sein, daß die Petitionsstelle personell und raummäßig so ausgestattet wird, daß sie die ihr auf Grund des Art. 17 ,des Grundgesetzes gestellten Aufgaben sorgfältig, gründlich und beschleunigt erfüllen kann. Das war bisher bedauerlicherweise nicht der Fall, obwohl nicht verkannt werden soll, daß schon einige personelle und räumliche Verbesserungen erzielt werden konnten. Sie reichen jedoch noch nicht aus, vor allem auch deshalb nicht, weil die Petitionsbearbeitung nach Meinung des Ausschusses einer weiteren Beschleunigung, Verbesserung und Vertiefung bedarf. Die hierzu notwendigen, dem Herrn Bundestagspräsidenten vorgeschlagenen Maßnahmen sind aber nur bei qualitativ und quantitativ ausreichender Besetzung und besserer Unterbringung des Petitionsausschusses zu verwirklichen. Die Erkenntnis, daß die Personalforderungen und Wünsche berechtigt sind und daß mit halben Maßnahmen nichts gewonnen ist, setzt sich meines Erachtens zwar langsam, aber stetig durch. Im Hinblick auf die in diesen Tagen stattfindenden Haushaltsberatungen darf ich Sie idennoch nachdrücklich bitten, dieses Anliegen der Petitionsstelle nicht zuletzt im eigenen Interesse und im Interesse des Hohen Hauses zu unterstützen.
Gestatten Sie mir bitte, meine Herren und Damen, daß ich Ihnen jetzt noch einige Einzelfälle skizziere, die besser als Zahlen die Vielgestaltigkeit der Anliegen und — ich glaube, sagen zu können — die Notwendigkeit des Petitionsausschusses aufzeigen. Der Ausschuß wurde wiederholt mit der Frage befaßt, ob die nachträgliche Eheschließung mit einem verstorbenen Verlobten gegebenenfalls durch eine Änderung des Ehegesetzes zugelassen werden soll. Die Verlobte eines bei der Grubenkatastrophe im Saargebiet verunglückten Bergmannes bezweckte mit diesem Anliegen insbesondere die Zubilligung einer Hinterbliebenenrente oder Witwenrente aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung an sich selbst und die Gewährung von Leistungen aus der Sozialversicherung an das gemeinsame uneheliche Kind des vor der Heirat stehenden Brautpaares.
Der Ausschuß hat sich nach eingehender Prüfung und Würdigung dieser menschlich verständlichen Bitte der negativen Auffassung der Bundesregierung und des Bundestages bei 'der Beratung des Gesetzes über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung vom 29. März 1951 anschließen müssen. Hiernach widerspricht die Begründung einer Ehe mit einem Verstorbenen dem Wesen der Ehe. Auch in der Sozialversicherung wird ausschließlich nach dem bürgerlichen Recht bestimmt, wer Witwe, Witwer oder früherer Ehegatte ist. Im übrigen ist eine Ausdehnung des zum Bezug einer Hinterbliebenenrente berechtigten Personenkreises auf Verlobte oder sogenannte Lebensgefährtinnen wegen der Kriterien für die Abgrenzung zwischen Bezugsberechtigten und Nichtbezugsberechtigten nicht möglich.
Es blieb dem Ausschuß daher in dieser Frage nur übrig, die Petentin auf die Möglichkeiten hinzuweisen, für das Kind Waisenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung und aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu beantragen, für den Fall, daß ,die Vaterschaft oder die Unterhaltspflicht des verstorbenen Versicherten festgestellt ist, und für sich, für die Petentin, gegebenenfalls eine behördliche Namensänderung zu beantragen.
Ein besonders bitteres Schicksal widerfuhr einer anderen Einsenderin. Durch die Wirren der Kriegs-



Frau Klee
und Nachkriegszeit wurde sie mit dem Kind von ihrem Ehemann getrennt. Nach ernsthaften, erfolglosen Nachforschungen kamen beide Eheleute zu der Überzeugung, daß der andere Ehepartner umgekommen oder verstorben sei. Der in der Ostzone lebende Ehemann erwirkte im Jahre 1952 die gerichtliche Todeserklärung seiner Ehefrau, heiratete neu und blieb mit seiner zweiten Frau und dem aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinde in der Zone. Erst als die Petentin im Jahre 1958 ebenfalls ein den Ehemann betreffendes Todeserklärungsverfahren einleitete, wurde der wahre Sachverhalt offenkundig und die sie betreffende Todeserklärung widerrufen. Der Ehemann machte jedoch von der rechtlichen Möglichkeit, die zweite Ehe zur Aufhebung zu bringen und die Petentin wiederzuheiraten, keinen Gebrauch.
Die tragische rechtliche Folge war, daß der Petentin die bis dahin gewährte Kriegshinterbliebenenrente entzogen wurde, deren Bezug sie davon abhielt, schon früher eine Arbeitsstelle anzunehmen, die sie nun — da sie nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen auch keinen Unterhaltsanspruch gegen den früheren Ehemann hat — mit einem verminderten Rentenanspruch aus der Sozialversicherung aufnehmen mußte. Die Petentin begehrt insbesondere eine Milderung des harten Schicksalsschlages durch eine Hilfe im Billigkeitswege sowie eine Änderung bzw. Ergänzung der ihrer Meinung nach ungerechten gesetzlichen Regelung des § 38 des Ehegesetzes.
Der Ausschuß hat sich dieser Ansicht nicht verschließen können und die Petition der Bundesregierung zur Erwägung überwiesen, damit geprüft wird, ob dem Anliegen im Rahmen des § 89 des Bundesversorgungsgesetzes oder auf Grund der Vorschriften des Sozialversicherungsrechts sowie durch Maßnahmen der Sozialhilfe Rechnung getragen werden kann und ob im Rahmen einer künftigen Reform des Ehegesetzes eine den Interessen aller Beteiligten gerecht werdende Regelung der unterhaltsrechtlichen Folgen der Eheauflösung nach rechtlich erfolgter Todeserklärung eines Ehegatten möglich ist. Die Auskunft der Bundesregierung bleibt noch abzuwarten.
Die Frage der Weitergewährung von Unterhaltsbeihilfe gemäß § 8 Abs. 1 des Häftlingshilfegesetzes ist besonders seit dem 13. August 1961 für die Angehörigen der in der Ostzone Inhaftierten aktuell. Seit der Errichtung der Mauer bedeutet die Freilassung aus einem sowjetzonalen Gefängnis nicht unbedingt die Heimkehr zu den in der Bundesrepublik wohnenden Angehörigen. Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift wird die Unterhaltsbeihilfe zur Zeit auf dem Wege eines Härteausgleichs gemäß § 12 des Häftlingshilfegesetzes gezahlt, damit den betroffenen Familienangehörigen möglichst schnell Hilfe zuteil werden kann. Der Ausschuß ist mit der Bundesregierung jedoch der Auffassung, daß diese Frage durch Gesetz geregelt werden sollte.
Flüchtlinge, Lastenausgleichsberechtigte, Rentner und sonstige Empfänger von Versorgungs- und Unterstützungsbezügen verbinden immer noch ihre
Unmutsäußerungen wegen der Höhe der ihnen gewährten Leistungen mit dem Hinweis, daß zuviel Geld an die Entwicklungsländer gehe.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406918600
Einen Augenblick, bitte! Darf ich um etwas mehr Ruhe bitten, besonders auch angesichts des Umstandes, daß eine Kollegin einen nicht unbedeutenden Bericht über die Tätigkeit des Petitionsausschusses erstattet.
Bitte, Frau Kollegin!

Marie-Elisabeth Klee (CDU):
Rede ID: ID0406918700
Die Reparations-, Restitutions- und Rückerstattungsgeschädigten äußern in ihren Eingaben immer wieder Kritik an der schleppenden gesetzlichen Regelung der im Allgemeinen Kriegsfolgengesetz vorbehaltenen Entschädigungszahlungen.
Die Hinterbliebenen von Beamten, die nach dein 8. Mai 1945 im Gewahrsam einer ausländischen Macht verstorben sind, bemängeln in wiederholten Zuschriften, daß ihnen keine Kriegsunfallversorgung gewährt werden könne, weil dieser Gewahrsam nicht als Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 181 des Bundesbeamtengesetzes gelte, obwohl die Beamten unter Wehrmachtsbefehl gestanden hätten, wegen ihres militärischen oder militärähnlichen Dienstes gefangengenommen und von einer ausländischen Macht festgehalten worden seien. Betroffen sind hiervon in der Hauptsache die Hinterbliebenen von Polizei- und Grenzschutzbeamten. Es sollte geprüft werden, ob im Rahmen einer Novelle entsprechende Ergänzungen vorgenommen werden können.
In mehreren Petitionen wird die unterschiedliche Behandlung der Bundes- und Landesbeamten im Rahmen der beamten- und besoldungsrechtlichen Vorschriften gerügt, ein Problem, das anläßlich der Vorlage zur Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes und bei der Beratung des Dritten Besoldungserhöhungsgesetzes in diesem Hohen Haus bereits angesprochen wurde. Eine baldige Lösung erscheint indessen notwendig, damit eine Unzufriedenheit der Beamtenschaft ausgeschaltet und vor allem auch den Belangen der Dienstherren durch Verminderung der Abwanderung Rechnung getragen wird.
Es wird in einer Reihe von Eingaben immer wieder bemängelt, daß bei den nach Erreichen der Altersgrenze als Angestellte im öffentlichen Dienst weiterbeschäftigten Personen — ich denke besonders an die Beamten im Schulbereich — die Einkünfte aus der Verwendung im öffentlichen Dienst auf das Ruhegehalt angerechnet werden mit der Folge, daß die Tätigkeit trotz Mangels an geeignetem Personal alsbald aufgegeben wird. Eine weitere Verbesserung der in § 158 des Beamtengesetzes vorgesehenen Anrechnungsvorschriften wäre daher angebracht.
Den Petitionsausschuß erreichte auch eine Fülle von Anregungen zum Art. 131 des Grundgesetzes.
Die für den Laien mitunter verblüffenden Folgen in der sozialen Rentengesetzgebung sind häufig Gegenstand von Petitionen. Geklagt wird hierbei insbesondere darüber, daß die Anrechnungsvorschriften in den verschiedenen Zweigen des sozialen



Frau Klee
Leistungsrechts bei einer Rentenerhöhung oft zu einem niedrigeren Gesamtrenteneinkommen als vor der freudig begrüßten Rentenerhöhung geführt hätten. So mußte beispielsweise ein Petent, der während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit von 1948 bis 1956 zur sozialen Rentenversicherung freiwillige Beiträge gezahlt hatte, feststellen, daß seine Rente höher ausgfallen wäre, wenn er dieses Opfer nicht auf sich genommen hätte.

(Hört! Hört!)

Diese unbefriedigenden und für die Betroffenen nachteiligen Ergebnisse, daß freiwillige Beiträge, die während Ausfallzeiten in niedrigen Beitragsklassen entrichtet wurden, zu einer Rentenminderung führten, sollen — das ist übrigens auch die Meinung der Bundesregierung — im Wege einer Gesetzesänderung verhindert werden. Die Eingabe wird daher den Fraktionen des Bundestages als Material zwecks Entfaltung ihrer Initiative zugeleitet werden.
Die Petitionen mit dem Ziel einer Berücksichtigung der Wehrdienstzeiten bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Ausfallzeiten in der Sozialversicherung — § 36 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes, § 1259 RVO —, einem der Bundesregierung schon bekannten Problem, überwies der Ausschuß als Gesetzgebungsmaterial, damit bei einer Überarbeitung der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze geprüft wird, ob und wie den Anliegen Rechnung getragen werden kann.
Ich hoffe, daß Ihnen diese Beispiele und aufgezeigten Schwerpunkte einen Überblick über die Tätigkeit des Ausschusses für Petitionen geben konnten, und bitte Sie abschließend namens des Ausschusses, die in der Drucksache IV/1070 enthaltenen Anträge zur Erledigung der Petitionen anzunehmen.

(Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0406918800
Ich danke der Frau Berichterstatterin, gleichzeitig auch den Mitgliedern des Petitionsausschusses für ihre arbeitsreiche Tätigkeit.
Das Wort zum Bericht wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab über den Antrag dies Ausschusses — Drucksache IV/1070 —, die in der Sammelübersicht enthaltenen Anträge anzunehmen. Wer zustimmt, gebe bitte das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme!
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3:
a) Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Artikel 29 Abs. 1 bis 6 des Grundgesetzes (Erstes Neugliederungsgesetz) (Drucksache IV/834) ;
b) Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. h. c. Güde, Hilbert, Dr. Hauser, Dr. Bieringer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Neugliederung des Gebietsteiles Baden des Bundeslandes Baden-Württemberg nach Artikel 29 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes (Drucksache IV/846).
Die erste Beratung ist abgeschlossen und soll auch nicht wiederaufgenommen 'werden.
Es besteht Klarheit darüber, daß die Gesetzentwürfe an den Ausschuß für Inneres und den Rechtsausschuß überwiesen werden sollen. Offen ist die Federführung. Wir müssen darüber abstimmen. Wer an den Ausschuß für Inneres als federführenden Ausschuß überwiesen sehen will, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es besteht Unklarheit. Wir müssen zunächst einmal versuchen, durch Aufstehen Sicherheit zu gewinnen. Wer den Ausschuß für Inneres federführend sehen will, erhebe sich. — Gegenprobe! — Das zweite war die Mehrheit. Es steht damit fest, daß die Gesetzentwürfe an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Inneres — mitberatend — überwiesen sind.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Schiffsbankgesetzes (Drucksache IV/847);
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (16. Ausschuß) (Drucksache IV/1063)

(Erste Beratung 54. Sitzung).

Es liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Elbrächter vor. Wünscht er eine Ergänzung? — Das ist nicht der Fall. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. I, — II, — III, — IV, — V, — VI, — VII, — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich kann einstimmige Annahme feststellen und die zweite Beratung schließen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz in der vorliegenden Form seine Zustimmung gibt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten (Drucksache IV/749);
Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses (16. Ausschuß) (Drucksache IV/1066)

(Erste Beratung 51. Sitzung).

Auch hier liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Elbrächter vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung des Berichts und eine Aussprache wird nicht gewünscht.
Der Abstimmung liegen zugrunde die Drucksachen IV/749 und IV/1066. Ich rufe auf Art. I mit



Vizepräsident Dr. Dehler
der Änderung, die der Ausschuß vorgenommen hat, Art. II, — III, — IV, — V, — VI, — Art. VII in der vom Ausschuß geänderten Fassung. — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz in dieser Fassung zustimmt, möge sich vom Platz erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch in dritter Beratung einstimmige Annahme.
Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. April 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Peru über den Luftverkehr (Drucksache IV/973);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) (Drucksache IV/1073)

(Erste Beratung 63. Sitzung).

Es liegt der Schriftliche Bericht des Herrn Abgeordneten Lemmrich vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Aussprache wird nicht gewünscht; wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer zustimmt, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes (Drucksache IV/999);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (1.1. Ausschuß) (Drucksache IV/1084)

(Erste Beratung 64. Sitzung).

Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr.
Nissen vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
— Ergänzung und Aussprache werden nicht gewünscht.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der vorliegenden Form zustimmt, erhebe sich vom Platze. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 8:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise (Drucksache IV/1056);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (6. Ausschuß) (Drucksache IV/1135)

(Erste Beratung 67. Sitzung).

Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten
Dr. Kempfler. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
— Eine Ergänzung des Berichts und Aussprache werden nicht gewünscht.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Ich schließe die zweite und eröffne die
dritte Beratung.
Wer dem Gesetz zustimmt, erhebe sich vom Platze.
— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Es liegt vor ein Entschließungsantrag des Ausschusses für Inneres unter B Ziffer 2 des Schriftlichen Berichts Drucksache IV/1135. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 9:
Beratung der Ubersicht 11 des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/1057).
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, von einer
Äußerung zu diesen Streitsachen abzusehen. — Es
erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG betr. „Allgemeine Grundsätze zur Durchführung einer gemeinsamen Politik der Berufsausbildung" gemäß Artikel 128 des EWG-Vertrages (Drucksachen IV/567, IV/ 1074) .
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, daß der Bundestag beschließt, den Vorschlag und die in dem Bericht des Ausschusses mitgeteilten Bedenken zur Kenntnis zu nehmen. — Das ist geschehen; es ist so beschlossen.



Vizepräsident Dr. Dehler
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirtschaftsausschusses (16. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EWG für eine Richtlinie des Rates betreffend die Einzelheiten der Übergangsmaßnahmen im Bereich der Berufstätigkeiten des Großhandels und der Hilfsberufe des Handels und der Industrie (Vermittlerberufe) (Artikel 54 und 63) (Drucksachen IV/963, IV/1091, zu IV/1091).
Der Abgeordnete Lange (Essen) hat einen schriftlichen Bericht erstattet. Will er den Bericht ergänzen? — Das ist nicht der Fall.
Es ist dann über den Antrag des Ausschusses abzustimmen:
Der Bundestag wolle beschließen,
von den Vorschlägen der Kommission der EWG — Drucksache IV/963 — Kenntnis zu nehmen.
Darf ich feststellen, daß der Bundestag Kenntnis genommen hat und daß dementsprechend beschlossen ist? — Ohne Widerspruch.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik (20. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichrichtung vorgelegte Verordnung des Rates der EWG zur Ergänzung des Artikels 40 der Verordnung Nr. 3 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und des Artikels 68 der Verordnung Nr. 4 zur Durchführung und Ergänzung der Verordnung Nr. 3 (Drucksachen IV/962, IV/1094).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Langebeck. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Ergänzung wird nicht gewünscht, auch keine Aussprache. Der Bundestag soll nach dem Antrag des Ausschusses auch hier beschließen, von der Verordnung Kenntnis zu nehmen. — Das ist geschehen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 9 über den Europäischen Sozialfonds (Drucksachen IV/1050, IV/1098).
Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Haase (Kellinghusen). Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ergänzung und Beratung werden nicht gewünscht. Auch hier ist zu beschließen, daß der Bundestag von dem Verordnungsentwurf Kenntnis nimmt. — Ich stelle fest, daß das geschehen ist.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:
Beratung des Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über 'die von der Bundesregierung erlassene Zweiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Angleichungszölle für Hartkaramellen, Weichkaramellen, Dragées und Brot — Neufestsetzung) (Drucksachen IV/1041, IV/1085).
Herrn Abgeordneten Junker danke ich für den Bericht. Ich stelle, wenn kein anderer Antrag vorliegt, fest, daß das Haus von der Verordnung Kenntnis genommen hat.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung ides Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung vorgelegte Einundfünfzigste und Dreiundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1962 (Drucksachen IV/987, IV/1040, IV/1090).
Für den Bericht danke ich Herrn Abgeordneten Dr. Löhr. Keine Ergänzung? — Der Ausschuß schlägt vor, den Verordnungen unverändert zuzustimmen. Wer damit einverstanden ist, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Haus hat zugestimmt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. nachträgliche Zustimmung zur Eingliederung der Vereinigte Flußspatgruben GmbH, Stulln (Oberpfalz), (VFG) in die Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG (Viag) (Drucksachen IV/849, IV/ 1086) .
Für den Bericht danke ich Herrn Abgeordneten Keller.
Es ist vorgeschlagen, dem Antrag nachträglich gemäß § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung zuzustimmen. Ich nehme das Einverständnis des Hauses an.
Tagesordnungspunkt 17:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche der ehemaligen Schwarzenberg-Kaserne in Hamburg-Harburg an die Freie und Hansestadt Hamburg (Drucksachen IV/941, IV/1087).
Zu dem Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Mälzig wird keine Ergänzung gewünscht? — Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, der Bundestag wolle diesem Antrag zustimmen. Darf ich das Einverständnis des Hauses feststellen? — Es erhebt sich kein Widerspruch, Das Haus hat zugestimmt.



Vizepräsident Dr. Dehler Tagesordnungspunkt 18:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Proviantamtes in Düsseldorf an die Stadt Düsseldorf (Drucksachen IV/942, IV/1088).
Auch hier soll entsprechend dem Bericht des Abgeordneten Dr. Mälzig gemäß dem Antrag des Ausschusses zugestimmt werden. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich darf feststellen, daß das Haus zugestimmt hat.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes (28. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung einer Teilfläche des bundeseigenen Grundstücks in Berlin-Tiergarten, Alt Moabit 4-10/ Ecke Invalidenstraße 57-78, an das Land Berlin (Drucksachen IV/853, IV/1089).
Nach dem Bericht des Abgeordneten Dr. Mälzig und dem Antrag des Ausschusses soll auch hier zugestimmt werden. — Es erhebt sich kein Widerspruch; das Haus hat zugestimmt.
Punkt 20 der Tagesordnung soll kurz zurückgestellt werden.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Bericht des Wehrbeauftragten in der Angelegenheit des Oberstleutnants Barth (Drucksache IV/1062).
Es wird keine Aussprache gewünscht. Vorgesehen ist die Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 22 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betr. finanzielle Verluste der Binnenschiffahrt durch die Eisperiode im Winter 1962/63 (Drucksache IV/ 1076) .
Auch hier wird eine Aussprache nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung de's von dier Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPAG) (Drucksache IV/178);
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) (Drucksachen IV/1020, zu IV/1020)

(Erste Beratung 14. Sitzung).

Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Kanka vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird eine Ergänzung des Berichts gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Eine allgemeine Aussprache wird nicht verlangt? — Wir treten dann in die Einzelberatung ein.
Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 226 *) Ziffer 1 vor. Soll der Antrag begründet werden? — Das ist nicht der Fall. Ich stelle diesen Antrag der SPD auf Änderung des Art. 1 Nr. 1 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe Art. 1 Nr. 1 — § 112 — in der Fassung des Ausschusses auf. Wer zustimmt, gebe bitte Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 Nr. 1 — und damit § 112 — ist in der Fassung des Ausschusses angenommen.
Ich rufe § 113 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen auf Umdruck 231 **) Ziffer 1 vor.

Dr. Ernst Achenbach (FDP):
Rede ID: ID0406918900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Änderungsanträge, die hier zu begründen ich die Ehre habe, haben als Ausgangspunkt die These, daß in Deutschland zu schnell, zu viel und zu lange verhaftet wird. Diesen Zustand möchten wir ändern. Wir sind der Meinung, daß die Vorschläge des Ausschusses nicht genügen. Wir sind der Ansicht, daß, wenn eine Tat nur mit einem Jahr Gefängnis geahndet werden kann, jeder der sich dem Verfahren entzieht, sich im Grunde mehr ins eigene Fleisch schneidet, als wenn er sich dem Verfahren stellt. Infolgedessen ist es nicht notwendig, in solchen Fällen Untersuchungshaft zu verhängen.
Ich habe mich im Landtag von Nordrhein-Westfalen jahrelang mit diesem Problem beschäftigt und auch statistische Erhebungen veranlaßt. Dabei habe ich festgestellt, daß die Zahl der Untersuchungshäftlinge im Vergleich mit der Zahl der Strafgefangenen, die zu mehr als einem Jahr verurteilt sind, erschreckend hoch ist. Ich glaube, daß wir eine gute Tat vollbrächten, wenn wir die Verhängung der Untersuchungshaft in diesen Fällen ausschließen würden.
Ich darf vielleicht gleich die Begründung des Änderungsantrags Umdruck 231 Ziffer 2 zu § 121 anschließen. Hier handelt es sich in der Tat um eine einschneidende Änderung. Wir sind der Meinung, daß sich die Lage auf dem Sektor Untersuchungshaft in diesem Lande nur ändern wird, wenn die Untersuchungshaft ganz hart begrenzt ist. Ich kenne die Argumente, die gegen diese These vorgetragen werden; sie sind alle nicht stichhaltig.
Ich habe mir erlaubt, einmal eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Ich wollte eine Antwort auf die Frage haben, ob es angesichts der feierlichen Sprache
*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4



Dr. Achenbach
unseres Grundgesetzes und der Tatsache, daß die Bundesrepublik die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte ratifiziert hat, zulässig sein könnte, daß eine Untersuchungshaft länger als ein Jahr dauert. Das Bundesverfassungsgericht ist mit hervorragenden Leuten besetzt, und seine Position im Rahmen der Verfassung ist so, daß wir alle uns vor den Erkenntnissen dieses Gerichts zu beugen haben. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Verfassungsbeschwerde als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß allein der Gedanke, es könne doch vielleicht nicht angängig sein, daß eine Untersuchungshaft so lange dauere, als total abwegig zu bezeichnen ist.
Wenn dem aber so ist, wenn auf einen solchen Gedanken eigentlich nur — ich möchte sagen — Winkeladvokaten oder Halbidioten kommen können, dann ist das ein Zustand, den dieses Parlament, das die Rechte des Bürgers und seine Freiheit zu verteidigen hat, nicht dulden kann. Dann muß das geändert werden. Es wird sich aber nicht ändern durch diese Novelle. Ich erkenne selbstverständlich den guten Willen aller Kollegen an, die im Rechtsausschuß tätig geworden sind und die den bestehenden Zustand verbessern wollen, weil sie ihn selber als unbefriedigend empfinden. Da aber in diesem Gesetzentwurf nach wie vor mit ausfüllungsbedürftigen Begriffen gearbeitet wird, sage ich Ihnen, daß sich nichts ändern wird.

(Abg. Memmel meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Darf ich meinen Gedankengang zu Ende bringen? Nachher, Herr Kollege Memmel!
Wenn Sie etwa bezweifeln, daß die jetzige Situation unbefriedigend ist, verweise ich Sie auf die statistische Erhebung über die Dauer der Untersuchungshaft, die Sie in der Drucksache 2784 aus der 3. Wahlperiode finden können. Wenn Sie diese Erhebung einmal sorgfältig prüfen, werden Sie z. B. eine Statistik aus dem Lande Niedersachsen für das Jahr 1959 finden und feststellen, daß in jenem Jahre rund 6000 Haftbefehle erlassen, aber 137 plus 1396 Leute praktisch freigesprochen bzw. zu Geldstrafen verurteilt wurden. Das sind insgesamt fast 25 %. Dieses Beispiel zeigt doch, daß mit weichen Bestimmungen betreffend Zulässigkeit und Dauer der Untersuchungshaft keine guten Ergebnisse erzielt werden.
Meine Damen und Herren, sehen Sie sich auch einmal diese Statistik für den Bundesgerichtshof an! Da hat es sich insgesamt um 79 Fälle gehandelt; von diesen 79 Fällen wurden allein 12 durch Freispruch oder durch Aussetzung zur Bewährung beendet. Das sind auch knapp 20 %.
Bei dieser Situation darf ich Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, daß wir mit dieser Novelle, wenn wir sie nicht schärfer fassen, keine wesentlichen Ergebnisse erzielen werden. Ich spreche nicht nur aus der eigenen Erfahrung, sondern eine Unzahl von Kollegen aus der Anwaltschaft wird diese Erfahrung bestätigen. Ich darf hinzufügen, daß mir aus führenden Kreisen der Evangelischen Kirche bekannt ist, daß die Anstaltspfarrer, die ja über genügend Unterlagen verfügen, diese These ebenfalls bestätigt haben, nämlich daß zu schnell, zu viel und zu lange verhaftet werde.
Wenn wir uns gegen diese Verhältnisse wenden wollen, müssen wir die Bestimmungen scharf fassen und müssen die von uns vorgeschlagenen Änderungen annehmen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger)

Ich darf noch ein Wort zu Ziffer 3 des Antrags sagen. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, daß das neue Gesetz erst am 1. Januar 1964 in Kraft treten soll. Nun ist ja der Gesamtausschuß der Meinung, daß etwas zu ändern ist, daß etwas geschehen muß, daß der augenblickliche Zustand unbefriedigend ist. Warum dann nicht das Gesetz einen Monat nach der Verkündung in Kraft treten lassen? Wenn im Hinblick auf gewisse Paragraphen technische Schwierigkeiten vorhanden sind, möge man die ausnehmen. Im Hinblick auf die Änderung der Paragraphen betreffend die Dauer der Untersuchungshaft ist jedenfalls nicht einzusehen, warum wir bis zum 1. Januar 1964 warten sollen.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.

(Abg. Memmel: Kann ich jetzt die Frage stellen?)

— Sie können später in der Debatte sprechen. — Die statistischen Unterlagen liegen vor. Wenn Ihnen daran liegt, daß in der ganzen Welt klar wird, daß diese Bundesrepublik gewillt ist, die Freiheit ihrer Bürger unter allen Umständen zu schützen, dann stimmen Sie diesen Anträgen zu!

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406919000
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406919100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung bitte ich Sie, diese Änderungsanträge abzulehnen.
Nach dem ersten Antrag soll bestimmt werden, daß Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr bei allen mit Gefängnis bis zu einem Jahr bedrohten Taten nicht angeordnet werden darf. Schon im Regierungsentwurf war eine solche Bestimmung vorgesehen, allerdings mit der Grenze von drei Monaten. Der Rechtsausschuß hat daraus sechs Monate gemacht und glaubte damit schon bis an die Grenze des zu Verantwortenden gegangen zu sein.
Nach meiner Meinung trifft das zu. Überlegen Sie sich einmal, bei welchen Delikten Gefängnis bis zu einem Jahr in Frage kommt; bei dem Antrag dreht es sich ja nur darum, welche Strafe abstrakt angedroht ist. Nach geltendem Recht fällt doch einiges darunter, z. B. fahrlässiger Falscheid, fahrlässig falsche Versicherung an Eides Statt, Fälschung von Gesundheitszeugnissen, Verführung, fahrlässige Brunnenvergiftung, fahrlässige Überschwemmung. Dazu kommt dann noch das Nebenstrafrecht, über das ich im Moment keinen Überblick habe.



Bundesminister Dr. Bucher
In dem Entwurf des neuen Strafgesetzbuches, mit dem wir uns morgen befassen werden, gibt es eine Liste von 39 Delikten, bei denen Gefängnis bis zu einem Jahr angedroht ist. In diesem Entwurf wird ja die Absicht verfolgt, die Strafrahmen klarer und enger zu fassen. Deshalb ist dort für besonders viele Delikte Gefängnis bis zu einem Jahr vorgesehen.
Ich meine: wir sollten, wenn wir so etwas machen, doch auch schon etwas Rücksicht nehmen auf die Tendenz des künftigen Strafrechts. Zu der Liste von 39 Delikten gehören z. B. Landfriedensbruch, Wertzeichenfälschung, Verstrickungsbruch, leichtfertig falsche Versicherung an Eides Statt, Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung, Bruch des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Es wäre also wohl einfach zu weit ausgedehnt, wenn man hier die Grenze bis auf ein Jahr heraufsetzen würde.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406919200
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406919300
Ja.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406919400
Herr Bundesminister, halten Sie die Meinung, die hier der Herr Kollege Achenbach vertreten hat, für richtig, daß in der Bundesrepublik zu viel, zu oft, zu lange und zu schnell verhaftet wird? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das eigentlich ein ungeheurer Vorwurf gegen den Richter ist, der seine Pflicht tut, und manchmal mehr als seine Pflicht?

(Widerspruch bei der SPD.)


Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406919500
Herr Kollege Memmel, ich möchte sagen: an dieser Feststellung des Herrn Abgeordneten Achenbach ist sicher etwas Richtiges dran.

(Beifall bei der SPD.)

Ich meine das nicht im Sinne eines Vorwurfs, daß der Richter das Gesetz nicht richtig anwende, sondern in dem Sinne, daß eben unser bisheriges Gesetz den Richter dazu veranlaßt hat — den Eindruck haben wir schon, und das wird ja auch bei der Reform berücksichtigt —, zuviel zu verhaften. Das läßt sich nicht von der Hand weisen.
Damit bin ich schon beim zweiten Punkt des Herrn Kollegen Achenbach. Ich habe Verständnis für den Wunsch nach einer Bestimmung, die ein Höchstmaß für die Untersuchungshaft vorsieht. Ich habe mich selbst einmal im letzten Bundestag als Abgeordneter an einem Antrag meiner Fraktion beteiligt, der
dahin ging, eine absolute Höchstgrenze — ich glaube,
damals waren es auch sechs Monate — festzusetzen. Aber ich habe mich schon damals von den erfreulicherweise zahlreichen Länderjustizministern, die meiner Partei angehören, schnell belehren lassen, die sofort kamen und sagten: Wie könnt ihr einen solchen Antrag stellen? Der ist einfach nicht praktikabel! — Es gibt doch Fälle, in denen das Urteil nicht binnen sechs Monaten ergehen kann. Ich sehe jetzt einmal von den Fallen der Massenverbrechen aus
der Kriegszeit ab, die ja in absehbarer Zeit hinter uns liegen werden. Aber es gibt auch sonst Fälle, in denen dem Beschuldigten eine Fülle schwerer Straftaten zur Last gelegt wird, deren Aufklärung unvermeidlich längere Zeit in Anspruch nimmt. Das kann beispielsweise auch beim Vorwurf des Massenmordes gegen einen Einzelnen — so etwas taucht ja in längeren Zeitabständen immer wieder auf — zutreffen, auch bei international organisierten Rauschgiftverbrechen oder bei Wirtschaftsdelikten. Denken Sie etwa an einen betrügerischen Bankrott mit Verschaffung des Vermögens ins Ausland. Wer von uns möchte es da verantworten, den Mann nach sechs Monaten laufen zu lassen, damit er nun im Ausland die Früchte seines Treibens ungestört genießt?
Aber auch wenn die Aufklärung an sich innerhalb kürzerer Frist möglich wäre, kann sich doch die Notwendigkeit ergeben, die Hauptverhandlung mehrfach zu verlegen oder zu vertagen, weil Zeugen nicht beigebracht werden können oder der Angeklagte zeitweise — sei es mit oder ohne eigenes Verschulden — verhandlungsunfähig ist. Man kann es nicht hinnehmen, daß in solchen Fällen ein Zwang besteht, den schwerstens belasteten Angeklagten allein deshalb auf freien Fuß zu setzen, weil sich das Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten durchführen läßt. Sosehr darunter ein Unschuldiger leiden kann, sosehr kann eine solche Vorschrift gerade für einen schweren Übeltäter einen unbegründeten Vorteil mit sich bringen.
Ich bin deshalb der Meinung, daß die vom Rechtsausschuß beschlossene Fassung des § 121 angenommen werden sollte. Es zeigt sich schon heute aus der Statistik — ich darf das hier aussprechen und damit nochmals auf die Frage ides Herrn Abgeordneten Memmel zurückkommen —, daß allein das Bevorstehen dieser Reform, also diese vom Rechtsausschuß vorgesehene Regelung, zu einem starken Absinken der Fälle von Untersuchungshaft geführt hat, die über sechs Monate dauern. Sie sehen daraus, daß man den Richtern keinen Vorwurf machen kann. Der Richter sieht, diene Tendenz des Gesetzgebers geht dahin, die Verhaftung möglichst einzuschränken. Er hält sich daran.
Nun noch etwas zu der Statistik, die Herr Kollege Achenbach erwähnt hat. Die 25 %, von denen Sie gesprochen haben, sind alles Fälle, in denen freigesprochen oder eine Strafe verhängt worden ist, die unter der verbüßten Untersuchungshaft liegt, aber ohne Abstufung nach der Dauer der Untersuchungshaft, also gleichgültig, ob die Untersuchungshaft drei Tage oder ein Jahr dauerte.
Ich habe hier eine Statistik aus dem Jahre 1961, also wohl die neueste verfügbare. Die Statistik erstreckt sich — ich muß Sie jetzt mit diesen Zahlen belästigen — auf 11 Landgerichtsbezirke aus 11 Ländern; man hat also aus jedem Land einen Bezirk ausgewählt. Gesamtzahl der Untersuchungshaftfälle: 9724. Davon länger als sechs Monate: 765, das sind 8 %. Diese 765 Fälle sind wie folgt erledigt worden: in einem Fall wurde das Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaft, in 11 Fällen durch das



Bundesminister Dr. Bucher
Gericht eingestellt; in 16 Fällen Freispruch — das sind bis jetzt zusammen 28 Fälle —, in 3 Fällen Geldstrafe, in 35 Fällen Freiheitsstrafe mit Bewährung, in 72 Fällen Freiheitsstrafe, die kürzer als die verbüßte Untersuchungshaft war. Das sind — und das gebe ich Herrn Achenbach zu — von 765 Fällen 138, in denen wir feststellen müssen, daß jemand länger in Untersuchungshaft gesessen ist, als die Strafe dauerte, die er bekommen hat; das sind 15 %, aber nur jener 765 Fälle, in denen die Untersuchungshaft überhaupt länger als ein Jahr gedauert hat. Nochmals die Gesamtzahl der Untersuchungshaftfälle in dieser Statistik: über 9700.
Wenn wir das betrachten — man wird sicherlich, ich wiederhole es, zugeben müssen: es kommen Ungerechtigkeiten vor —, dann hat aber doch der Rechtsausschuß die richtige Regelung gefunden, die einerseits dem Bedürfnis Rechnung trägt, solche Unrechtigkeiten zu vermeiden, und andererseits dieses Bedürfnis gegen das Anliegen abwägt, keinen Verhafteten, von dem sich nachher herausstellt, daß er schwere Verbrechen begangen hat, vor der Bestrafung entweichen zu lassen.
Diese Abwägung ist auch deshalb angebracht, weil wir es hier nur mit einer „kleinen" Strafrechtsreform zu tun haben. Das Wort „klein" kann sich nicht nur auf die Zahl der Punkte beziehen, die wir reformieren, sondern es bezieht sich auch auf die Art und Weise, wie wir reformieren; das heißt: wir gehen hier doch noch etwas behutsam zu Werke. Wir haben nicht wie bei der Strafrechtsreform, die die Bezeichnung „groß" für sich in Anspruch nimmt, eine Kommission vorgeschaltet, sondern nur das Notwendigste vorweggenommen. In diesem Rahmen können wir nicht so weitgehende Änderungen vornehmen. Es mag durchaus sein, daß die Entwicklung in den nächsten Jahren dahin geht, daß wir eine solche Bestimmung verantworten können.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406919600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406919700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrufen ist der § 113. Ich glaube, zunächst müßte vom Herrn Präsidenten eine Frage der Geschäftsordnung geklärt werden. Herr Kollege Dr. Achenbach hat nämlich im Laufe seiner Ausführungen auch den Änderungsantrag Umdruck 231, Ziffern 2 und 3, begründet. Eine solche Verfahrensweise dürfte nicht gut sein. Sie entspricht auch nicht der Geschäftsordnung. Ich halte es für zweckmäßig, daß wir uns zunächst an den aufgerufenen § 113 halten und erst einmal die Meinungen der einzelnen Kollegen dazu festhalten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich darf zu dem Änderungsantrag von Kollegen Dr. Achenbach und Genossen zu § 113 Abs. 1 namens der SPD-Fraktion kurz Stellung nehmen. Wir teilen die Sorge des Herrn Kollegen Dr. Achenbach, daß in der Bundesrepublik zuviel und möglicherweise auch zu lange verhaftet wird.

(Abg. Memmel: Zu schnell!)

Man braucht nur an die Fälle, die aktuell waren, Dr. Stahlmann und Rechtsanwalt Augstein, zu erinnern, um einen klaren Beweis dafür zu haben, daß an der von Herrn Kollegen Dr. Achenbach aufgestellten These etwas stimmt.

(Zuruf des Abg. Dr. Dittrich.)

— Entschuldigung, Herr Kollege Dittrich, Sie werden mir doch erlauben, die Fälle, die wirklich allgemein bekannt sind und die deutlich beweisen, daß manches nicht in Ordnung geht, anzuführen.

(Abg. Dr. Dittrich: Sie wissen doch noch gar nicht, wie das Verfahren ausgeht!)

— Darum dreht es sich doch nicht.

(Abg. Memmel: Herr Kollege Staatsanwalt, ist das auch Ihre persönliche Meinung?)

— Was fragen Sie mich nach meiner persönlichen Meinung? Sind Sie der Auffassung, daß ich hier etwas vortrage, was nicht meiner persönlichen Meinung entspricht?

(Beifall bei der SPD. — Abg. Memmel: Ich meine, daß zuviel und zu schnell verhaftet wird!)

— Ich glaube, ich habe Ihnen die nötige Antwort gegeben, Herr Kollege Memmel.
Wir teilen also die Sorge, die Herr Kollege Dr. Achenbach vorgetragen hat. Wir haben auch im Laufe der Beratungen im Rechtsausschuß gerade über diese einzelnen Punkte sehr eingehend debattiert. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bestimmungen des § 113 in mannigfaltiger Hinsicht gestrafft und besser gefaßt werden sollten, damit etwaige Mißbräuche in der Praxis nicht vorkommen können.
Darüber hinaus haben wir — ich bitte Sie, das besonders zu bedenken, Herr Kollege Dr. Achenbach — eine Änderung des § 114 vorgesehen, durch die die Pflicht zur Begründung des Haftbefehls stark erweitert wird. Das bedeutet, daß sich der Richter sehr genaue Gedanken darüber machen muß, ob Haftgründe vorliegen, und daß er diese Gedanken in seinem Haftbefehl auch schriftlich niederlegen muß.
Wir haben auch sehr eingehend über die Frage gesprochen — Herr Kollege Dr. Achenbach, wenn Sie bei den Ausschußberatungen dabei gewesen wären, könnten Sie mir das mit Sicherheit bestätigen —, ob nicht der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr überhaupt in Wegfall geraten sollte. Die Mehrheit war aber der Auffassung, daß aus kriminalpolitischen Gründen der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr noch bestehenbleiben muß. Die Ihnen vorliegende Fassung des § 113 Abs. 1 stellt aber so, wie sie der Rechtsausschuß beschlossen hat, eine, wie der Herr Justizminister schon sagte, wesentliche Verbesserung im Verhältnis zu dem geltenden Recht dar.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Der § 113 des geltenden Rechts sieht Verdunkelungsgefahr dann nicht vor, wenn die Tat, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, eine Übertretung ist oder wenn sie ein Vergehen ist, das ausschließlich mit Geldstrafe belegt ist.



Dr. Müller-Emmert
Der Entwurf, der von der Bundesregierung vorgelegt wurde, ging davon aus, daß nur dann Verdunkelungsgefahr möglich sei, wenn die Tat mit Gefängnis von mehr als drei Monaten belegt ist. Wir haben diesen Vorschlag im Rechtsausschuß ausgeweitet und haben die untere Grenze auf sechs Monate festgelegt. Wir sind der Auffassung, daß diese Regelung richtig ist.
Herr Kollege Dr. Achenbach, ich bitte Sie, zu bedenken, daß Ihr Antrag verhältnismäßig überraschend auf den Tisch des Hauses gelegt wurde und daß darüber hinaus bisher noch nicht die Möglichkeit bestanden hat, einen Katalog der strafbaren Handlungen nach unserem Strafgesetz und nach den strafrechtlichen Nebengesetzen aufzustellen, bei denen unter Umständen eine Verhaftung wegen Verdunkelungsgefahr nicht möglich wäre, wenn Ihr Antrag Gesetz würde. Ich bin der festen Überzeugung, daß die von Ihnen vorgeschlagene Grenze von einem Jahr kriminalpolitisch nicht vertretbar ist, weil nämlich Straftaten unter diese Vorschrift fallen würden, von denen wir das eigentlich nicht wünschen können.
Aus diesen Gründen ersuche ich namens der Fraktion der SPD, den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen auf Umdruck 231 zu § 113 Abs. 1 abzulehnen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406919800
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.

(Abg. Memmel: Ich verzichte!) Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Güde.


Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0406919900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bitte, den Antrag des Herrn Kollegen Achenbach zu § 113 abzulehnen. Im Grunde ist er doch nur eine Präzisierung des allgemeinen Maßgebotes, das eine wesentliche Neuerung des Haftrechts ist, des Gebotes, daß die Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe sein kann.
Wenn ich mir den Katalog der Delikte vergegenwärtige, die der Herr Minister vorhin aufgeführt hat, so sage ich ganz unbefangen: das sind durchweg Delikte, derentwegen nur im Ausnahmefall ein Haftbefehl überhaupt verhängt wird. Den Ausnahmefall sollte man aber immerhin noch als möglich bestehen lassen. — Das nur ganz kurz zu dieser Frage.
Ich möchte an dieser Stelle noch ein allgemeines Wort zu dem sagen, was wie ein Vorwurf des Herrn Kollegen Achenbach klang, daß nämlich zu schnell, zu viel und zu lange verhaftet werde. Ich habe schließlich fast vier Jahrzehnte zu denen gehört, die über die Verhaftung eines Menschen entscheiden mußten. Glauben Sie mir, wir alle, wir Richter spüren sehr wohl die Verantwortung, die da auf uns liegt. Es ist mit Recht gesagt worden, daß auf diesem Parlament, aber auch auf der Justiz der Auftrag liegt, die Rechte des Bürgers zu verteidigen und die Freiheit der Bürger zu schützen. Aber verkennen Sie bitte nicht, daß das ein Auftrag ist, der in den Händen der Justiz mit zwei Geboten an den Richter und den Staatsanwalt — im übrigen auch an die Polizei — herantritt, nämlich: Die Justiz hat die Bürger in ihrem Leben, in ihrem Eigentum, in ihrer Ehre, in der Unberührtheit ihrer Kinder zu schützen; das ist ihr primärer Auftrag. Mit diesem Auftrag kann der grundgesetzliche Auftrag kollidieren, die Bürgerrechte, die Menschenrechte nach Möglichkeit zu wahren. Sie müssen dieses Dilemma sehen, das auf dem Richter lastet, indem er mit zwei Prinzipien fertig werden muß.
Ich sage an diesem Punkt, um es nicht an anderer Stelle wiederholen zu müssen: Man sollte diese Strafprozeßnovelle von dem Verdacht und dem Beigeschmack 'befreien, hinter ihr stehe ein Mißtrauen gegen die Gerichte und die Richter.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das steht selbstverständlich bei mir nicht dahinter, aber auch nicht bei den übrigen Mitgliedern des Rechtsausschusses, seien sie in ihrem Beruf Rechtsanwälte, Staatsanwälte oder was auch immer. Also: kein Mißtrauen und kein Vorwurf. Desungeachtet sage ich Ihnen: Als ich noch in der Verantwortung eines Amtes stand, habe ich oft unter dem Eindruck gelitten, daß die Untersuchungshaft zu lange dauert. Das kann man unbefangen zugeben. Es liegt auch an dem perfektionistischen Hang und Drang unserer Zeit: wenn schnell verhandelt wird, schreit die Öffentlichkeit auch und sagt, man habe nicht geprüft. Es gibt Verfahren, die, meistens nicht ohne Mitverschulden des Beschuldigten, ihre Zeit brauchen, damit eine gründliche Vorprüfung möglich ist.
Sie müssen aber auch das Gegeneinander zweier Prinzipien sehen und dürfen nicht auf den Richter schelten. Wir Richter und Staatsanwälte erleben ja oft genug, daß wir ebenso für einen Freigelassenen gescholten werden, der nun zufällig wieder eine Straftat begeht,

(Sehr richtig! in der Mitte)

wie für einen Verhafteten. Man sieht hieran ganz gut, wie der Richter zwischen zwei Feuern steht, und dafür müßte man auch Verständnis haben.
Sie geben, wenn Sie diese Novelle annehmen, dem Beschuldigten und seinem Verteidiger mehr Rechte. Das wird nicht völlig ohne Wirkung auch auf die Ergebnisse der Verfahren bleiben. Das muß man hinnehmen, und wir haben es bewußt mit in Rechnung gezogen. Aber ich bitte Sie alle — und deswegen habe ich mich an dieser Stelle gemeldet —: Befreien Sie diese Novelle von dem Verdacht, sie sei gegen schwere Mißstände, gegen ein Versagen der Justizbehörden gerichtet! Sie versucht, aus den zwei Prinzipien ein bestmögliches Kompromiß zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406920000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Achenbach.




Dr. Ernst Achenbach (FDP):
Rede ID: ID0406920100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Klarstellung: Ich schelte nicht den Richter, ich schelte das schlechte Gesetz, das wir bisher hatten und das zu Tatbeständen geführt hat, deren Bemängelung ja auch von den anderen Kollegen nicht als völlig unbegründet bezeichnet worden ist.
Zweitens. Herr Kollege Güde, Sie sagen, daß der Richter es mit zwei Interessen zu tun hat: Schutz der Freiheit des einzelnen Bürgers und Schutz der Bürger schlechthin vor den Verbrechern. Das ist selbstverständlich. Aber es gibt Länder, in denen nicht so viel verhaftet wird und in denen die Bürger doch genauso gut geschützt sind wie bei uns. Das können Sie sicher feststellen, wenn Sie sich in der Welt umsehen.
Darüber hinaus möchte ich doch an den obersten Grundsatz jedes Rechtsstaates erinnern, daß jeder so lange als unschuldig zu gelten hat, bis er rechtskräftig verurteilt ist. In dem Vorverfahren aber operiert man mit Worten wie „dringend verdächtig" oder „hinreichend verdächtig", von denen jeder aus der Praxis weiß, daß das sehr schwierig zu definieren ist. Wenn dieser Satz wirklich wirksam sein soll, daß jeder so lange als unschuldig zu gelten hat, bis er rechtskräftig verurteilt ist, dann muß man, glaube ich, etwas mehr tun als bisher, damit er seine entscheidende Bedeutung nicht verliert. Ich erkenne nochmals das Bemühen des Rechtsausschusses in dieser Hinsicht voll an, und niemand wäre glücklicher als ich, wenn aus dieser Debatte und den Folgerungen, die draußen im weiten Lande gezogen werden, Herr Kollege Güde, die Unrichtigkeit meiner These hervorginge. Dann wäre nämlich schon sehr viel gewonnen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406920200
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich lasse daher abstimmen über den Umdruck 231, Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen, zu Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse dann über den § 113 in der Fassung der Ausschußvorlage abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf: § 114, — § 114 a, — § 114 b, — § 115, — § 115 a. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich komme zu § 116 und zu den Umdrucken 230 (neu) *) — Ziffer 1 — und 233 **). Soll der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 230 (neu) Ziffer 1 begründet werden? — Frau' Abg. Dr. DiemerNicolaus!
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 6.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406920300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zu unserem Antrag zu §. 116 StPO folgendes vorausschicken: In § 112 wurden zwei neue Haftgründe aufgenommen, nämlich daß jemand auch dann in Haft genommen werden kann, wenn die Gefahr der Wiederholung eines begangenen Verbrechens besteht oder wenn ein schweres Verbrechen gegen das Leben vorgelegen hat. Über diese Haftgründe als solche werde ich bei der dritten Lesung noch Ausführungen machen. Jetzt geht es um folgendes: Der § 116 gibt dem Richter die Möglichkeit, auch wenn ein Haftbefehl erlassen ist, den Vollzug des Haftbefehls auszusetzen und bestimmte Anweisungen zu geben. Wenn ich schon dem Richter für die anderen Haftgründe, nämlich daß Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr vorliegt, diese Möglichkeit gebe, dann erscheint es notwendig, ihm auch dann, wenn Wiederholungsgefahr besteht oder ein schweres Verbrechen gegen das Leben vorgelegen hat, die Befugnis zu geben, den Vollzug des Haftbefehls auszusetzen.
Ich bitte Sie, diesem Antrage zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406920400
Soll der Antrag Umdruck 233 begründet werden? — Herr Abgeordneter Memmel!

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406920500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umdruck 233 will lediglich, daß der zweite Satz im Absatz 2 des § 116 gestrichen wird, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens gehörte so etwas, meine ich, fast in eine Dienstanweisung, wenn es so etwas gäbe. Zweitens ist es, glaube ich, eine etwas naive Vorschrift, daß der Vollzug des Haftbefehls ausgesetzt werden könne, wenn dem Beschuldigten die Anweisung gegeben werde, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen. Das ist etwas sehr platonisch. Ich meine, wenn das wegbleibt, dann sieht das viel besser aus. Mir ist ohnedies der § 116, muß ich sagen, fast etwas zu lang geraten.
Ich bitte deshalb, dem Antrag auf Streichung des Abs. 2 Satz 2 zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406920600
Die beiden Änderungsanträge sind begründet. Wir kommen zur Aussprache. — Abgeordneter Dr. Müller-Emmert!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406920700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf namens der SPD-Fraktion zu den beiden Änderungsanträgen kurz Stellung nehmen.
Mit dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP sind wir einverstanden. Wir sind der Auffassung, daß, wenn in § 116 eine Regelung für den Fall der Fluchtgefahr und den Fall der Verdunkelungsgefahr getroffen ist, auch eine Regelung für den Fall der Wiederholungsgefahr erfolgen muß. Wir bitten allerdings die Antragsteller um die freundliche Überlegung, ob nicht das Wort „schließlich" in dein von



Dr. Müller-Emmert
ihnen beantragten Abs. 2 a aus sprachlichen Gründen gestrichen werden könnte.

(Zurufe von der FDP: Einverstanden!) Einverstanden.

Der Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel und Schlee sollte unserer Auffassung nach abgelehnt werden. Wir meinen, daß es gut ist, wenn dem Richter eine genaue Richtlinie gegeben wird, damit er im Rahmen dieser Richtlinie sich verhält, und deswegen sollte der Richter auch darauf hingewiesen werden, daß er dem Beschuldigten die Anweisung geben darf — oder auch soll —, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen. Wir haben uns diese Formulierung im Rechtsausschuß lange genug überlegt, und ich glaube, es ist nicht gut, wenn man wegen jeder kleinen Sache einen neuen Änderungsantrag einreicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406920800
Das Wort hat der Herr Bundesminister .der Justiz.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406920900
Ich schließe mich zu dem Antrag Memmel, Schlee dem an, was der Herr Abgeordnete Müller-Emmert gesagt hat. Audi ich würde es für gut halten, wenn diese Verdeutlichung stehenbleibt, schon deshalb, weil sonst einem Beschuldigten erlaubt ist, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen zu sprechen. Es gibt kein Verbot, das zu tun. Nachdem wir in Abs. 1 bei Fluchtgefahr eine Aufzählung von Beispielen haben, übrigens mit derselben Redewendung, die mich auch vielleicht sprachlich etwas stört — „In Betracht kommt" —, ist es, glaube ich, doch zweckmäßig, das auch in Abs. 2 anzuführen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406921000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Winter.

Dr. Friedrich Winter (CSU):
Rede ID: ID0406921100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Kollegen Memmel bezweckt nur eine Beseitigung der Beispiele, die im Gesetz nicht unbedingt stehen müssen. Die Beispiele sind an dieser Stelle verhältnismäßig unglücklich; denn es kann eine ganze Reihe anderer Maßnahmen geben, die Verdunkelungsgefahr oder Fluchtgefahr ausräumen können. Dafür sind gerade die Anordnungen, die hier als Beispiele angeführt werden, nicht unbedingt die richtigen. Durch Streichung des Satzes wird nur erreicht, daß kein Beispiel mehr darinsteht und der Richter sich überlegen muß, welche Maßregeln er treffen kann und welche nicht. Durch die Beispiele würde ihm eine gewisse Richtung gewiesen, die sicher nicht ausschließlich ist; aber ich würde sagen: die Streichung bringt eine gewisse Klärung, daß man nicht an die Beispiele gebunden ist.

(Abg. Jahn: An Beispiele ist man überhaupt nicht gebunden!)

— Überhaupt nicht gebunden, klar.
Dem Antrag der Frau Kollegin Diemer-Nicolaus möchte ich ausdrücklich entgegentreten. Über die von uns in § 112 neu eingeführte Möglichkeit einer Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr hat das Haus schon beschlossen. Die Wiederholungsgefahr kann ja nicht durch irgendwelche richterliche Maßnahmen ohne weiteres ausgeschlossen werden. Die Wiederholungsgefahr liegt ja in der Person des Täters und nicht in irgendwelchen Anordnungen. Ich glaube also, daß es nicht richtig wäre, bei der Wiederholungsgefahr solche Möglichkeiten für Maßnahmen zur Verschonung mit der Untersuchungshaft noch extra vorzusehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406921200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406921300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir sollten dem Antrag der Fraktion der FDP zu dem Abs. 2 a zustimmen. Es gibt auch in den Fällen der Wiederholungsgefahr und vielleicht sogar unter den Fällen des besonders schweren Verbrechens, vor allem aber unter den Fällen der Wiederholungsgefahr, Fälle, in denen von dem Vollzug des Haftbefehls abgesehen werden kann, wenn der Verhaftete einer Auflage folgt, etwa der Auflage, sich vom Tatort eines Sittlichkeitsverbrechens möglichst weit zu entfernen. Wir sollten die Untersuchungshaft überhaupt nur als ein Institut ansehen, das in den äußersten Fällen angewandt wird; und wo immer andere, mildere Mittel den gleichen Zweck erreichen, sollen sie angewandt werden. Dem dient der Antrag der Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, dem wir, so meine ich, zustimmen sollten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406921400
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0406921500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir einen Haftgrund der Wiederholungsgefahr eingeführt haben, dann sind wir uns darüber klar, daß im Einzelfall die Wiederholungsgefahr größer oder kleiner sein kann. Jetzt nehmen Sie bitte einen Fall an, in dem eine Wiederholungsgefahr zwar nicht ausgeschlossen werden kann, in dem sie aber nicht sehr hoch zu veranschlagen. ist. In diesem Falle besteht für den Haftrichter, würde der Antrag, den Frau Kollegin Dr. Diemer begründet hat abgelehnt, nur die Möglichkeit, entweder diese kleine Wiederholungsgefahr zu negieren oder die Untersuchungshaft zu verhängen, ohne aber von der Möglichkeit des § 116 Abs. 2 a, den Frau Dr. Diemer vorgeschlagen hat, Gebrauch machen zu können. Das wäre falsch, das wäre eine schlechte Abstufung. Die Zwischenstufe, die in dem Antrag Umdruck 230 (neu) Ziffer 1 a enthalten ist, muß aus kriminalpolitischen Gründen da sein. Für die Praxis ist sie ausgesprochen zweckmäßig.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406921600
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich komme damit zur Abstimmung. Zunächst lasse ich über den Antrag der Abgeordneten Memmel und Schlee auf Umdruck 233 abstimmen, der den Abs. 2 betrifft. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zum Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 230 (neu) Ziffer 1 und stelle fest, daß das Wort „schließlich" gestrichen worden ist. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht,, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr über § 116 mit ,der beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf §§ 116 a, 117, 118, 118 a, 118b, 119 und 120. — Änderungsanträge und Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 121 und den Antrag Umdruck 231 Ziffer 2. Wenn ich mich nicht irre, ist der Antrag bereits begründet. Ich eröffne hierzu die Aussprache. — Herr Abgeordneter Dr. Müller-Emmert!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406921700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Auffassung der SPD-Fraktion zu diesem Änderungsantrag Umdruck 231 Ziff. 2 kurz darlegen. Wir sind der Meinung, daß es bei der Wortfassung bleiben sollte, die § 121 nach der dritten Lesung des Rechtsausschusses vorsieht. Es ist nämlich — und insofern darf ich an die Begründung des Herrn Justizministers erinnern, die er schon vor wenigen Minuten hierzu gegeben hat — nicht auszuschließen, daß viele Verfahren, wenn sie sehr schwierig und sehr umständlich sind, längere Zeit dauern, so daß in gewissen Sonderfällen mit der Möglichkeit gerechnet werden muß, daß die Untersuchungshaft länger ,als sechs Monate dauert. Bei den Überlegungen des Rechtsausschusses zu § 121 ging man aber davon aus, daß es ein Sonderfall ist, wenn die Untersuchungshaft mehr als sechs Monate dauert, so daß, wenn diese Frist von sechs Monaten überschritten ist, ganz besondere Umstände hinzukommen müssen, die § 121 vorsieht, damit weitere Untersuchungshaft gerechtfertigt ist. Es kommt dabei insbesondere hinzu, daß dann ein höheres Gericht, nämlich das Oberlandesgericht, genau nachprüft, ob die Untersuchungshaft gerechtfertigt ist oder nicht.
Man kann meines Erachtens, wenn man von der Wortfassung des § 121 ausgeht, so wie sie Ihnen vorliegt, auch weiterhin der Überzeugung sein, daß die Oberlandesgerichte diese Wortfassung richtig auslegen werden und im Endergebnis dazu kommen werden, nur in ganz besonderen Ausnahmefällen die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus andauern zu lassen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406921800
Das Wort hat Abgeordneter Dr. Weber (Koblenz).

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0406921900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch meine Freunde von der CDU/CSU-Fraktion bitten Sie, den Änderungsantrag abzulehnen. Die Fassung des Ausschusses geht schon davon aus — darauf muß gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Achenbach nachdrücklich hingewiesen werden —, daß die Untersuchungshaft in aller Regel nicht über sechs Monate dauern darf. Wie Herr Kollege Müller-Emmert mit Recht hervorgehoben hat, müssen, wenn die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus dauern soll, besondere Voraussetzungen vorliegen, die der Ausschuß in dem Abs. 1 im einzelnen klar und deutlich umrissen hat, wenn nämlich besondere Umstände wegen der Schwierigkeit des Falles oder des besonderen Umfangs der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund die Durchführung der Hauptverhandlung nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. Ich glaube, damit sowie durch die Bestimmung, daß für diese Nachprüfung das Oberlandesgericht zuständig ist, ist jede Sicherung getroffen, daß die Untersuchungshaft nicht unnötigerweise über sechs Monate ausgedehnt wird. Da es Fälle gibt, in denen eine Dauer über sechs Monate wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache gerechtfertigt ist, meine Damen und Herren, glauben wir, daß die Ausschußfassung alle die Gesichtspunkte berücksichtigt, die eine übermäßige Dauer der Untersuchungshaft verhindern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406922000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Güde.

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0406922100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz wenige Sätze: Dieser Antrag ist ein Beispiel dafür, wie man ex-zedieren kann, wie man die Rechte eines Beschuldigten über die Sorge um die Allgemeinheit stellen kann. Wenn Sie nämlich diesen Antrag annehmen, dann zwingen Sie den Richter, wahrscheinlich gerade in Fällen der Schwerstkriminalität

(Zurufe: Sehr richtig!)

zur Freilassung eines Mörders, eines Räubers, eines Massenverbrechers nach sechs Monaten. Denn das mag auch der Laie einsehen: je schwerer und zahlreicher die Taten, desto schwieriger und langwieriger ist die Untersuchung. Und dann soll nach sechs Monaten der Mann ohne Rücksicht auf den Stand der Untersuchung auf freien Fuß gesetzt werden? Das ist eine Unmöglichkeit!

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406922200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Achenbach.

Dr. Ernst Achenbach (FDP):
Rede ID: ID0406922300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Intervention — insbesondere des Herrn Kollegen Dr. Güde — zwingt mich



Dr. Achenbach
dazu, doch noch etwas zu sagen. Er tut ja so, als ob ich beabsichtigte, mich dafür einzusetzen, daß Schwerverbrecher nach sechs Monaten freizulassen wären.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

Ich bin der Meinung, daß eine Reihe von Beispielen, die hier vorgebracht worden sind, gar nicht ziehen. Da wird das Beispiel von dem Mann gebracht, der mehrere Morde begangen hat. Na, einen der Morde können Sie ja wohl binnen sechs Monaten aufklären. Außerdem gehen Sie immer davon aus, daß der Betreffende schuldig ist — entgegen dem Grundsatz des Rechtsstaates, daß jeder als unschuldig zu gelten hat, bis er rechtskräftig verurteilt ist. Das muß eben möglich sein.
Es wurde vorhin gesagt, dieser Paragraph sei vorzüglich formuliert. Ist er wirklich so vorzüglich formuliert? Lesen Sie ihn doch einmal durch! Da steht: „Wenn die 'besonderen Schwierigkeiten"
— was besonders schwierig ist, darüber gehen die Meinungen der Leute ganz kollossal auseinander —„oder der besondere Umfang der Ermittlungen"
— wieso soll der besondere Umfang der Ermittlungen dafür ausreichend sein, daß ein Bürger vielleicht unschuldig ein Jahr, zwei, drei Jahre sitzt? Das kann doch kein Grund sein! Es heißt weiter: „... oder ein anderer wichtiger Grund ..." — Was ist ein wichtiger Grund? Das ist doch ein ausgesprochener Kautschukparagraph. Aus dem Grunde meine ich, daß man sich an das halten sollte, was wir hier als Änderungsantrag vorgeschlagen haben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406922400
Herr Kollege Achenbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Weber?

Dr. Ernst Achenbach (FDP):
Rede ID: ID0406922500
Bitte sehr!

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0406922600
Haben Sie übersehen, Herr Kollege Achenbach, daß wir doch diese Voraussetzung der Nachprüfung des Oberlandesgerichts unterstellt haben? Haben Sie zu den Oberlandesgerichten nicht das Vertrauen, daß sie eine solche Ausweitung dieses Begriffs verhindern werden?

Dr. Ernst Achenbach (FDP):
Rede ID: ID0406922700
Herr Kollege Weber, ich bin der Meinung, daß ein Richter beim Amts- und Landgericht die gleiche Verantwortung wie der Richter bei dem Oberlandesgericht hat. Von Hause aus ist der Richter beim Oberlandesgericht nicht unbedingt klüger.

(Beifall bei der FDP.)

Ich bin der Meinung, daß dieser Paragraph nicht paßt, und ich werde Ihnen sagen, worauf es ankommt.

(Dr. Weber [Koblenz]: Dann können Sie ja die Oberlandesgerichte abschaffen!)

— Nein. Ich bin schon der Auffassung, daß sie bleiben sollten; ich meine, vier Augen sehen mehr als zwei.
Ich werde Ihnen sagen, worauf im Grunde die Meinungsverschiedenheit zwischen uns zurückgeht. Ich erkenne ja an, daß Sie sich im Grunde in meiner Richtung bemühen, und ich hoffe auch aufrichtig, Herr Kollege Güde, daß Ihr Bemühen von Erfolg gekrönt sein wird. Ich wünsche ja nichts mehr, als daß die Praxis mich dementiert. Ich bin aber nicht ganz sicher. Ich bin nicht ganz sicher, weil es nämlich auf die Mentalität ankommt. Hier handelt es sich nicht um einen Vorwurf gegen die Richter, Herr Kollege Memmel, damit das vollkommen klar ist. Es gibt gewisse Dinge, die liegen in den Sitten, und die sind unfaßbar. Da kommt es auf den Ausgangspunkt an. Man kann nämlich von der Überzeugung durchdrungen sein, das allerwichtigste sei, daß jeder, der das Gesetz breche, unter allen Umständen am Kanthaken genommen wird, auch wenn da ein paarmal zwischendurch Unschuldige sitzen. Das Opfer müsse man für die Allgemeinheit bringen. Man kann sich aber auch aus echter liberaler Überzeugung 'zu dem Grundsitz bekehren, daß man sagt: das Wichtigste ist,

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : So billig kann man es nicht machen!)

daß die Bürger geschützt sind, auch wenn dabei der eine oder andere mit Gottes Hilfe einmal durch die Maschen schlüpft; das ist weniger schlimm, als wenn ein Unschuldiger sitzt.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406922800
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir stimmen über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen Umdruck 231 Ziffer 2 ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den § 121 in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — § 121 ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 122, — 123, — 124, — 125, —126, — 126 a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe die Nummern 2, 3 und 4 des Art. 1 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich lasse nun über Art. 1 in der Ausschußfassung mit den beschlossenen Änderungen abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe den Art. 2 mit sämtlichen Nummern auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Art. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe den Art. 3 auf. Dazu liegen die Änderungsanträge 235 und 230 (neu) Ziffer 2 vor. Wird der Änderungsantrag 230 (neu) Ziffer 2 zu Art. 3 Nr. 3 begründet? —
Das Wort hat der Abgeordnete Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0406922900
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Es handelt sich zwar nur um eine sogenannte kleine Strafprozeßrechtsreform. Dabei sollten wir aber nicht versäumen, auch einige Dinge mit zu beachten, die vielleicht nicht so sehr im Grundsätzlichen liegen, im Rahmen des Gesamten aber doch ihr Gewicht haben.
Der Art. 3 befaßt sich mit der Verteidigung. Er geht grundsätzlich davon aus, daß die Verteidigung entweder in den Händen eines Anwalts oder eines Professors des Rechts liegen soll. Für diese Grundanschauung der Prozeßordnung lassen sich gute Gründe anführen. Ausnahmen davon sollen nur in ganz besonders gelagerten Fällen zugelassen werden. Der Verteidiger ist nun einmal eine der wichtigsten Institutionen für die Vertretung der berechtigten Belange des Angeklagten. Wer auch nur einem Teil der heutigen Auseinandersetzungen gefolgt ist, wird sich, selbst wenn er sonst mit den Gerichten nichts zu tun hat, dem Eindruck nicht verschließen können, daß gerade die prozessualen Materien von einer Schwierigkeit und Diffizilität sind, daß sie tatsächlich nur einem, der sich in langer Ausbildung mit den Dingen vertraut gemacht hat, so bekannt sein können, daß er sie praktizieren kann.
Gewiß ist der Gesichtspunkt zu beachten, daß auch der junge Rechtsbeflissene, insbesondere der in der praktischen Ausbildung stehende Referendar Gelegenheit bekommen sollte, sich in praktischer Betätigung mit diesen Fragen zu befassen. Aber wir meinen doch, daß die Verteidigung eines Angeklagten — nun gestatten Sie den vielleicht etwas übertriebenen Ausdruck — kein Experimentierfeld sein sollte, sondern daß dem Angeklagten tatsächlich nur Personen zur Seite stehen sollten, die durch ihre Ausbildung, ihren Stand und ihren Beruf die Gewähr dafür geben, daß sie auch gegenüber den großen Autoritäten des Gerichts und des Staatsanwalts das nötige Gewicht in die Waagschale werfen können. Wir glauben nicht, daß ein Referendar, selbst wenn er einen gewissen Zeitraum seiner Ausbildung hinter sich hat, bereits genügende Erfahrung besitzt, um die hohen Aufgaben, die einem Verteidiger nun einmal gestellt sind, zu erfüllen.
Wir waren daher ursprünglich der Meinung, daß in all den Fällen, in denen der Richter einen Verteidiger beiordnen kann, der Referendar von der Ausübung des Amtes eines Verteidigers überhaupt ausgeschlossen sein sollte. Wir haben dann aber den Antrag doch so formuliert, wie er Ihnen jetzt vorliegt. Nur in den in § 140 Abs. 1 besonders aufgeführten Fällen soll also der Referendar nicht als Verteidiger auftreten können; denn diese Fälle sind ihrer Natur nach tatsächlich sehr schwerwiegend. Einige Fälle hat man sowieso bereits ausgeklammert, aber auch die verbleibenden Fälle sind schwerwiegend. In diesen schwerwiegenden Fällen, meinen wir, sollten wir nicht das Schicksal des Angeklagten mit in die Hand eines in der Ausbildung befindlichen Referendars legen. Dem Anliegen, den in der Ausbildung befindlichen jungen Juristen die Möglichkeit zu geben, das, was sie brauchen, zu lernen, trägt § 140 Abs. 2 immer noch genügend Rechnung. Hier kann der Richter, der ja aus seiner Stellung heraus die Interessen beider Parteien, beider im Prozeß Befindlichen, zu beachten hat, je nach der Lage des Falles auch Referendare beiordnen.
Wir bitten aus diesem Grunde, unserem Antrag, in § 142 Abs. 2 Satz 1 die Worte „des § 140 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 und 7 sowie" zu streichen, zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406923000
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0406923100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe persönlich großes Verständnis für das Anliegen des Kollegen Busse. Natürlich sollten wir danach streben, daß die Verteidigung eines Angeklagten im Strafverfahren so sachkundig wie nur irgend möglich durchgeführt wird. Vor allen Dingen sollten wir es vermeiden, daß die Verteidigung, wie es bisher möglich war, dadurch beeinträchtigt werden könnte, daß der vom Gericht bestellte Verteidiger nicht einmal ein Jurist ist oder daß er von dem Gericht, das ihn bestellte, quasi abhängig ist. Das ist sicherlich kein guter Zustand.
Ich verstehe jedoch eines nicht ganz an dem Antrag der FDP. Ich verstehe nicht, daß Sie ausgerechnet in den Fällen des § 140 Abs. 2, also in den Fällen, in denen wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage — das sind also die wirklich schwierigen Fälle, in denen auch die Verteidigung schwierig ist — ein Verteidiger bestellt werden soll, die Beiordnung des Referendars zulassen wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese Regelung die richtige ist. Ich kann mir vorstellen, daß man ganz rigoros sagt: nur ein bestellter Rechtsanwalt! Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß es richtig wäre, nun ausgerechnet bei den wirklich schwierigen Fällen einen Referendar verteidigen zu lassen.
Darüber hinaus möchte ich meinen, daß es bei all den Bedenken, die Herr Busse ganz richtig vorgetragen hat, dennoch richtig ist, daß wir bei der Ausschußfassung verbleiben. Die Ausbildung eines Referendars gerade in Strafsachen ist eine wichtige Sache, und ich glaube, man kann ihn nicht ausbilden, wenn man ihn nicht verteidigen läßt.
Ich glaube auch nicht, daß ein Referendar, der ein Jahr und drei Monate in der Ausbildung war, nun unbedingt ungeeignet sein muß, eine Verteidigung durchzuführen, insbesondere dann, wenn er es nicht bei dem Richter tut, bei dem er zur Ausbildung ist. Das ist ein sehr wichtiger Umstand. Ich möchte darüber hinaus meinen — und wir kennen das, glaube ich, aus unserer eigenen Erfahrung in der Jugend —, daß der junge Referendar in seiner Begeisterung für die Sache unter Umständen ein unendlich besserer Verteidiger sein kann als ein Anwalt, der aus der Routine heraus eine Pflichtverteidigung bekommt.
3112 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, cien 27. März 1963
Hirsch
Man sollte daher dem Richter die Möglichkeit lassen — er hat ja zu entscheiden, in welchen Fällen es angeht, daß ein Referendar verteidigt —, unter Umständen auch einen Referendar zum Verteidiger zu bestellen. Die SPD-Fraktion ist der Meinung, daß wir es bei der Ausschußfassung belassen sollten.
Ich bitte um die Erlaubnis, mich gleich zu dein anderen Änderungsantrag der Kollegen Memmel, Schlee, Dr. Winter und Lemmerich zu äußern. Sie weichen insofern von der Regierungsvorlage ab, als Sie meinen, man solle den Referendar nicht, wie in den Ausschußbeschlüssen vorgesehen, ganz von der Verteidigung im Berufungsverfahren ausschließen, sondern nur von dem Berufungsverfahren vor der großen Strafkammer. Das ist wohl die Nuance in diesem Antrag. Ich habe da gewisse Zweifel. Wenn es schon so ist, daß jemand im Berufungsverfahren einen Pflichtverteidiger bekommt, wird er im allgemeinen in der ersten Instanz verurteilt worden sein. Meistens wird es ja seine Berufung sein. Im umgekehrten Fall, wenn die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, ist es auch nicht anders. Dann kommt allerdings der Punkt, wo man darauf achten muß, 'daß nur ein voll ausgebildeter Verteidiger mit allen Examen in Funktion tritt, und das kann nur der Anwalt sein. Man sollte es also dabei belassen, daß der Referendar im Berufungsverfahren nicht verteidigen darf; denn gerade bei der kleinen Strafkammer kann das Berufungsverfahren wiederum sehr schwierig sein. Große Strafkammer bedeutet nicht unbedingt ein I schwieriges und kleine Strafkammer bedeutet nicht unbedingt ein leichtes Berufungsverfahren.
Ich bitte deshalb, es bei der Ausschußvorlage zu belassen und die beiden Änderungsanträge abzulehnen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406923200
Das Wort hat der Abgeordnete Schlee.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0406923300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte zur Begründung unseres Antrags Umdruck 235 *).
Es ist eine alte Übung, daß Rechtsreferendare zur Verteidigung herangezogen werden. Diese Übung dient nicht nur der Ausbildung der jungen Juristen. Bedenken Sie bitte, daß wir keinen Anwaltsassessor mehr haben, daß der junge Jurist, sobald er sein zweites Staatsexamen mit Erfolg abgelegt hat, für alle Verteidigungen zugelassen ist, ohne Rücksicht auf eine vorhergehende Erfahrung, und daß es daher sehr gut ist, wenn er in den Jahren seiner Ausbildung als Referendar in der Verteidigung unter der Anleitung eines Richters oder eines erfahrenen Anwalts das auszuüben lernt, was später einmal einen wesentlichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit ausmachen wird.
Die Heranziehung ,des Referendars zur Verteidigung dient aber in vielen Fällen nicht nur der Ausbildung, sondern auch der Erleichterung der Arbeit
*) Siehe Anlage 7 einer Anwaltskanzlei. Der Herr Kollege Hirsch hat schon selbst zum Ausdruck gebracht, daß die Verteidigung durch einen fleißigen und begeisterten Rechtsreferendar oft eine intensivere sein kann als die Verteidigung durch einen Pflichtverteidiger, der wegen der Belastung seiner Kanzlei diese Verteidigung nur widerwillig übernommen hat. Daher hat der Ausschuß daran festgehalten, daß Referendare weiterhin, wenn sie ein Jahr und drei Monate in der juristischen Ausbildung tätig gewesen sind, zu Pflichtverteidigern bestellt werden können. Unser Antrag zielt nur darauf ab, daß die Verteidigung durch den Referendar auch im Berufungsverfahren vor der kleinen Strafkammer möglich sein soll.
Der Antrag Umdruck 235 enthält einen sinnstörenden Fehler. Die Worte „für den ersten Rechtszug" müssen gestrichen werden, so daß der Antrag lautet:
. . . können auch Rechtskundige, welche die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und darin seit mindestens einem Jahr und drei Monaten beschäftigt sind, als Verteidiger bestellt werden, jedoch nicht für das Berufsverfahren vor der großen Srafkammer . . .
Für das Verfahren vor dem Schwurgericht, für alle erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht, also auch bei den erstinstanzlichen Verfahren der großen Strafkammer, sind die Referendare nach der neuen Fassung des § 140 Abs. 1 Nr. 1 ohnehin ausgeschlossen, so daß nach unserer Auffassung nur noch die Verteidigung vor der kleinen Strafkammer im Berufungsverfahren möglich ist.
Ich meine aber im Gegensatz zu meinem sehr geschätzten Kollegen Hirsch, daß man dem Referendar auch die Ausübung einer Verteidigung in einem Berufungsverfahren ermöglichen sollte und ermöglichen muß; denn die Verhandlung, die auf Grund eines mit Berufung angefochtenen Urteils, auf Grund eines schon in einer Instanz vorliegenden Ergebnisses stattfindet, ist doch im allgemeinen eine andere Art der Arbeit, eine andere Art der Verteidigung. Auf der anderen Seite weiß man aus Erfahrung, daß die Angelegenheiten, die in der Berufung vor die kleine Strafkammer kommen, niemals so schwerwiegend sind, daß nicht auch ein Referendar, der nach der sorgfältigen pflichtgemäßen Auswahl durch den Richter dafür geeignet ist, diesen Auftrag übernehmen kann.
Dann haben wir noch eine kleine Klarstellung eingeführt, indem wir die Fassung vorschlagen, daß die Bestellung zum Verteidiger nicht zulässig sein soll für die Verhandlung vor Richtern, denen die Referendare zur Ausbildung überwiesen sind. Wir wollen damit klarstellen, was es eigentlich heißt: das Gericht, dessen Richtern sie zur Ausbildung überwiesen sind. Uns schien diese Formulierung der jetzigen Ausschußfassung nicht ganz eindeutig. Sie sagt z. B. nicht, ob ein Referendar, der bei einem Amtsgericht mit zwei Richtern tätig ist und dort dem einen Richter überwiesen ist, auch von der Verteidigung vor dem anderen Richter ausgeschlossen sein soll. Der eindeutigen Klarstellung dient unsere Fassung. Denn nur dort, wo der Referendar dem Richter, der auf der Richterbank sitzt, zur Ausbildung über-



Schlee
wiesen ist, können die Befürchtungen auftreten, die man hier geäußert hat, daß eine Beeinflussung des Referendars in seiner Verteidigung durch die Ausbildungsbeziehungen zum Richter eintreten könnte.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406923400
Herr Abgeordneter Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0406923500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur wenige Worte noch, insbesondere zu dem, was der Herr Kollege Hirsch hier ausgeführt hat. Herr Kollege Hirsch, ich sagte bereits, wir haben selber lange überlegt, ob wir nicht überhaupt bei der Pflichtverteidigung im Rahmen des § 140 den Referendar als Verteidiger ausschließen sollten. Aber Ihrer Deduktion, daß wir gerade in den schweren Fällen den Referendar als Verteidiger beließen, vermag ich nicht zu folgen. Ich glaube, sie entspricht auch weder der Systematik des Gesetzes noch dem Inhalt. Zunächst führt § 140 enumerativ gewisse Tatbestände auf, die eine Pflichtverteidigung bedingen, und gerade diese enumerativ aufgeführten — z. B. Verbrechen, . die nicht nur wegen eines Wiederholungsfalles Verbrechen sind, Leute, die lange in Haft gesessen haben, Leute, die lange als Geisteskranke wegen Untersuchung auf ihren Geisteszustand in einer Anstalt gesessen haben, Leute, die nicht anwesend sind — sind Fälle besonders gravierender Natur. Dann heißt es wörtlich: In anderen Fällen — natürlich auch dann nur, wenn diese Fälle eine gewisse Bedeutung haben — kann darüber hinaus ein Verteidiger beigeordnet werden. Ich glaube, daß das doch eine sehr klare und deutliche Unterscheidung ist, die man beachten sollte.
Ich darf gleichzeitig auf folgendes hinweisen. Die gegebene Station des Referendars für seine Ausbildung als Verteidigung ist die Anwaltsstation. Hierfür schafft sowohl die Prozeßordnung als auch die tatsächliche Übung die beste Gelegenheit und die beste Möglichkeit. Und wenn neben dem Referendar, der die Verteidigung praktisch führt, der Anwalt als überwachender Mentor sitzt, der notfalls eingreifen kann, so dient das, glaube ich, der Ausbildung des Referendars mehr als etwas anderes.
Ich möchte in diesem Zusammenhang endlich auch ein Wort zugunsten des Referendars sagen. Ich habe gerade diese Diskussion zum Anlaß genommen, mich wiederum mit Referendaren zu unterhalten. Wenn wir von den „besonders tüchtigen, begeisterten Referendaren" ausgehen wollen, dann sollten wir. unsere ganze Prozeßordnung nächstens auf den „besonders tüchtigen, begeisterten Richter", auf den „besonders tüchtigen, begeisterten Staatsanwalt"

(Heiterkeit)

abstellen, und wir kämen zu ungeahnten Vereinfachungen unseres ganzen Prozeßrechts. Abgestellt haben wir unser gesamtes Prozeßrecht auf den ordentlichen Menschen, der mit bestem Willen an die ,ihm übertragene Aufgabe herangeht, der aber als Mensch seine Fehler hat und Irrtümern unterworfen ist. Auf einen solchen Referendar müssen wir auch diese Bestimmung der Prozeßordnung abstellen. Da kann ich Ihnen aus dem Bekenntnis der Referendare selber sagen, in welch unglücklicher Situation sie häufig stehen, wenn sie merken, sie befinden sich insbesondere in ihrer Verteidigerfunktion in einem gewissen Gegensatz zu dem Gericht. Meine Damen und Herren, daran können wir nichts ändern. Es ist die natürlichste Sache der Welt, daß ein isolcher junger Mensch dann in einen Zwiespalt gerät, wem er den Vorzug geben soll, der Autorität des Richters oder dein Interessen des Angeklagten. Verschonen 'Sie den jungen Referendar von diesem Konflikt.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406923600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0406923700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu dem Antrag der Kollegen Memmel, Schlee, Dr. Winter und Lemmrich sprechen, der darauf abzielt, daß über eine Verteidigung in der ersten Instanz hinaus eine Verteidigung in der zweiten Instanz durch den Rechtsreferendar möglich sein soll, wenn es sich nicht um die große Strafkammer und nicht um die Verhandlung vor Richtern, denen er zur Ausbildung überwiesen ist, handelt.
Ich neige — ich mache kein Hehl daraus — dazu, daß der Referendar nach Möglichkeit überhaupt keine Pflichtverteidigungen bekommen sollte, weil ich die Aufgabe des Verteidigers so hoch werte, daß sie nur dem gestattet sein sollte, der eine volle juristische Ausbildung hat. Das läßt sich aber im Interesse der Ausbildung der Referendare nicht bis zur letzten Konsequenz durchführen. Da ist eine Selbstverständlichkeit. Diese Verteidigung in der zweiten Instanz sollte aber nur solchen Rechtskundigen gestattet sein, die die vorgeschriebene erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben und mindestens ein Jahr und drei Monate Beschäftigungszeit haben. Ich begründe das vor allem damit, daß die Auseinandersetzung mit einem Urteil erster Instanz in der Berufungsinstanz doch erheblich schwieriger ist als eine Verteidigung eines Angeklagten in erster Instanz.
Ich wiederhole, ich halte die Aufgabe des Verteidigers grundsätzlich für so bedeutsam, daß der Referendar überhaupt ausgeschlossen werden sollte. Da sich das nicht bis zur letzten Konsequenz durchführen läßt, bin ich für die Kompromißlösung, die der Rechtsausschuß gefunden hat, und für die Ablehnung des Antrags.
Allerdings, Herr Präsident, sollte man bei der Abstimmung zwischen dem ersten Abschnitt dieses Änderungsantrages und dem letzten Halbsatz: „und nicht für die Verhandlung vor Richtern, denen sie zur Ausbildung überwiesen sind", unterscheiden. Die Fassung des Rechtsausschusses: „jedoch nicht bei dem Gericht, dessen Richter sie zur Ausbildung überwiesen sind", scheint mir unklar zu sein und zu Meinungsverschiedenheiten Anlaß zu geben. Ich glaube, daß die Fassung des Änderungsantrages der Kollegen Memmel und Genossen insoweit exakter ist und den Vorzug verdient. Der erste Teil aber sollte unter allen Umständen abgelehnt werden.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406923800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406923900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten es bei der wohlabgewogenen Ausschußfassung in allen Punkten lassen, auch bei der Schlußwendung „jedoch nicht bei dem Gericht, dessen Richter" — Singular —„sie zur Ausbildung überwiesen sind". Denn der Referendar ist in jeder Station jeweils nur einem Richter persönlich — im Singular — zur Ausbildung überwiesen. Nur von der Verteidigung vor diesem Richter, dem er zur persönlichen Ausbildung überwiesen ist, nur vor diesem „singulären" Richter soll er ausgeschlossen sein. Wir haben es uns sehr genau überlegt, sogar als es darum ging, ob das „n" darangesetzt werden sollte oder nicht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406924000
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 230 (neu) Ziffer 2. Wer der darin vorgesehenen Streichung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 235. Hier hat der Abgeordnete Dr. Dittrich eine Teilung verlangt. Das kann nach § 53 der Geschäftsordnung nur mit Zustimmung der Antragsteller erfolgen.

(Abg. Memmel: Einverstanden!)

— Sie sind einverstanden? — Dann lasse ich zuerst einmal über den Antrag bis zu den Worten „Großen Strafkammer und" abstimmen. Das ist, glaube ich, die richtige Teilung.

(Abg. Memmel: Ja!)

Wer insoweit der Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zu dem Änderungsantrag, der sich jetzt nur noch auf die Worte „jedoch nicht für die Verhandlung vor Richtern, denen sie zur Ausbildung überwiesen sind" erstreckt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist nach der Meinung des Sitzungsvorstandes nicht zu entscheiden, welches die Mehrheit ist; wir müssen auszählen lassen. Abgestimmt wird über den Antrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Dr. Winter und Lemmrich auf Umdruck 235, der für die Begrenzung der Verteidigung durch Rechtsreferendare die Formulierung vosieht: „jedoch nicht für die Verhandlung vor Richtern, denen sie zur Ausbildung überwiesen sind".
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung durch Auszählung über den Antrag Umdruck 235 der Abgeordneten Memmel,
Schlee, Dr. Winter, Lemmrich bekannt. Mit Ja haben gestimmt 83 Mitglieder des Hauses, mit Nein 193. Der Antrag ist damit abgelehnt; es bleibt bei der Ausschußfassung.
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag Umdruck 230 Ziffer 3, § 148 Abs. 2 zu streichen. Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Busse!

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0406924100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Der Antrag, den wir zu § 148 vorgelegt haben, befaßt sich gleichfalls mit der Stellung des Verteidigers. Während in § 148 Abs. 1 klargestellt ist, daß dem Beschuldigten, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuße befindet, schriftlicher oder mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet ist, gibt Absatz 2 sowohl nach der Ausschußvorlage wie nach der Regierungsvorlage eine Reihe von Möglichkeiten, den Verkehr des Verteidigers mit dem Angeklagten dann einzuschränken, wenn sich der Beschuldigte wegen Verdunklungsgefahr in Untersuchungshaft befindet. Wir erkennen an, daß insbesondere der im Rechtsausschuß beschlossene Zusatz zu dem Abs. 2 diesen Einschränkungen enge Grenzen setzt. Wir meinen aber, daß auch in dieser Form der Verkehr des Verteidigers mit dem Angeklagten nicht eingeschränkt werden sollte.
Ich muß hier freilich etwas vorgreifen auf einen Antrag der SPD-Fraktion, der nachher noch begründet werden wird und der zum Inhalt hat, daß ein Verteidiger nicht vom Gericht soll ausgeschlossen werden können. Wir werden seitens der FDP diesem Antrag nicht zustimmen. Denn wir sind der Meinung, daß in den engen Grenzen, die die Rechtsprechung für die Möglichkeit der Ausschließung eines Verteidigers gewährt, tatsächlich ein praktisches Bedürfnis besteht, unter Umständen auch einen Verteidiger ausschließen zu können. Macht man von 'dieser Möglichkeit in den eng begrenzten Fällen aber keinen Gebrauch, so ist unseres Erachtens die unabweisliche Konsequenz, daß der Verteidiger, der als ein echtes Organ der Rechtspflege anzusehen ist, die Befugnis haben muß, uneingeschränkt, unbeaufsichtigt und völlig frei mit dem Angeklagten auch dann zu verkehren, wenn sich dieser, gleich aus welchem Grunde, in Haft befindet. Gerade die Rechtsprechung auch in jüngster Zeit zeigt, daß die Regelung, wie sie der Ausschuß vorsieht, nicht gut ist. Gewiß, das könnte sich, jedenfalls im allgemeinen, nicht so wiederholen; aber wir denken 'dabei auch daran, daß das, was jetzt hier vorgeschlagen ist, in concreto doch zu Ergebnissen führen kann, die unerwünscht sind.
Es wird hier gesagt, daß die Beschränkung nur einmal ausgesprochen und höchstens für die Dauer eines Monats angeordnet werden kann. Damit wird diese Anordnung schon aus sich heraus gegenstandslos. Man brauchte gerade in den schweren Fällen, deren Abwicklung doch durchweg längere Zeit dauert, nur einen Monat zu warten, und alle Einschränkungen wären hinfällig. In dieser Zeit aber, und gerade in den ersten Wochen nach der Verhaftung, besteht auch für den Angeklagten ein unabweisbares Bedürfnis, sich mit einem Mann sei-



Busse
nes Vertrauens aussprechen zu können. Die Verhaftung, der Entzug der Freiheit sind schon so einschneidende Maßnahmen, daß man diesem Mann oder dieser Frau wenigstens die Möglichkeit geben sollte, sich frei auszusprechen mit dem, dem er in dieser Situation sein Vertrauen schenken kann. Da mag man goldene Worte reden; in Gegenwart eines Richters oder einer anderen Aufsichtsperson, die vom Richter bestimmt Ist, ist eine solche freie Aussprache zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger nicht möglich. Wer eine langjährige Anwaltspraxis hinter sich hat, weiß, wie bedeutsam es ist, daß der Angeklagte — überhaupt der Mandant — ungestört und uneingeschränkt frei mit seinem Anwalt sprechen kann.
Ich will auch auf einen Einwand ganz klar eingehen, der vielfach erhoben worden ist: daß es immerhin Fälle gebe, wo ein Anwalt diese Stellung mißbrauche. Ich habe vorhin betont, daß wir unsere Prozeßordnung nicht auf den hervorragendsten Menschen abstellen können, gleich in welcher Funktion er tätig ist; ich wehre mich aber auch dagegen, nun bei einem Berufsstand ausgerechnet auf den Anwalt abzustellen, der Mißbrauch treibt. Treibt er Mißbrauch, so hat das Gericht die Möglichkeit, ihn als Verteidiger auszuschließen, und damit sind alle Kautelen geschaffen. Treibt er aber nicht Mißbrauch, so besteht kein Grund, ihn im Verkehr mit dem Angeklagten zu beschränken.
Ich bitte daher, unserem Antrag zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406924200
Das Wort hat der Abgeordnete Hirsch.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0406924300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der SPD darf ich erklären, daß meine Fraktion diesem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen wird. Ich möchte das, was der Kollege Busse soeben vorgetragen hat, nicht wiederholen, sondern nur noch etwas unterstreichen. Wenn, wie unsere Rechtsordnung zu Recht vorsieht, der Rechtsanwalt ein Organ der Rechtspflege ist, dann ist er auch als Organ der Rechtspflege an dem Strafverfahren beteiligt, und er besucht seinen Mandanten im Gefängnis als Organ der Rechtspflege. Der Kollege Busse hat recht, daß es ein untragbarer Zustand ist, wenn man einem Organ der Rechtspflege irgendwelche Hinderungen entgegenstellt, mit seinem Mandanten, den er als Organ der Rechtspflege zu vertreten hat, ganz frei zu verkehren.
Nun wird der sehr verehrte Kollege Güde wahrscheinlich, wie schon im Rechtsausschuß, wiederum vortragen, daß es ja gar nicht darum gehe, daß man Mißtrauen gegen den Anwalt habe, sondern der Anwalt könne mißbraucht werden, er könne als Zwischenträger benutzt werden, um irgendwelche Informationen, Kassiber usw. von und zu seinem Mandanten zu bringen. Nun, sicher ist das möglich. Aber das gleiche ist auch möglich bei dem Richter, der mit den Inhaftierten spricht, das gleiche ist noch viel mehr möglich bei dem Gefängnisbeamten, der
dauernd mit dem Betreffenden zu tun hat, das gleiche ist möglich bei jedermann, der überhaupt den Inhaftierten sieht, spricht usw. Das Argument, der Verteidiger könne mißbraucht werden, würde also genauso für jeden anderen gelten, der mit dem Beschuldigten zu tun hat. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für schriftliche Mitteilungen. Auch da können im Wege eines Geheimschlüssels völlig unverfänglich klingende Nachrichten in einem Brief geschrieben werden, die für denjenigen, der weiß, worum es geht, absolut eindeutige Verdunkelungsanweisungen usw. beinhalten können.
Nun ist in der letzten Zeit — meine Damen und Herren, das kann ich Ihnen leider nicht vorenthalten — in dieser Hinsicht ein höchst bemerkenswerter Beschluß des dritten Strafsenats unseres Bundesgerichtshofs ergangen, ein Beschluß vom 16. November 1962. In diesem Beschluß, in dem es darum ging, daß der Strafsenat zu prüfen hatte, ob eine Verkehrsbeschränkung für einen Verteidiger zulässig ist oder nicht, stehen ganz erstaunliche Dinge. Darin steht zwar, es gehe keineswegs um einen Zweifel an der absoluten Integrität des betreffenden Rechtsanwalts, und es gehe auch nicht darum, daß man etwa meine, er würde bewußt verdunkeln. Aber einmal wird auf die Güdesche Theorie Bezug genommen, er könne sich als Zwischenträger mißbrauchen lassen, und zum anderen kommt dann etwas ganz Tolles, muß ich schon sagen. Da kommt nämlich die Zumutung an den Richter, daß er schizophren werden soll. Da steht, der bei einem Gespräch des Anwalts mit seinem Mandanten anwesende Richter dürfe nach der Rechtsordnung und nach dem Gesetz das Gespräch nur in der Richtung überwachen, daß keine Verdunkelungshandlung stattfinde, und er dürfe auch nur dann eingreifen und sich Aufzeichnungen machen, wenn ein Gesprächspartner es unternehme, Verdunklungshandlungen vorzubereiten, über die er, der Richter, dann später als Zeuge gehört werden muß. Dann heißt es wörtlich in diesem Beschluß:
Alle anderen Gesprächsmitteilungen zum Verfahrensgegenstand, auf die es dem Beschwerdeführer als Verteidiger gerade ankommt, sogar etwaige Geständnisse, darf der Richter weder notieren noch sonstwie verwerten.
Meine Damen und Herren, bei aller Fähigkeit eines Juristen zu abstrahieren und bei aller Fähigkeit eines Juristen, die Person von der Sache zu trennen, wer hält es denn wirklich für möglich, daß ein Richter, der einem solchen Gespräch beiwohnt und der hört, daß der betreffende Inhaftierte dem Verteidiger — wenn ich das einmal unterstellen darf — ein Geständnis ablegt, dann das Geständnis sofort wieder vergißt und bei dem Urteil, das er später zu fällen hat, nicht auswertet? Das ist doch eine Sache, die einfach einem Richter, der ein Mensch ist, nicht zugemutet werden kann und die bis ins letzte weltfremd ist. Gerade dieser Beschluß unseres Bundesgerichtshofs zwingt uns, ganz klare Verhältnisse zu schaffen in dem Sinne des FDP-Antrags und dafür zu sorgen, daß der Verteidiger bedingungslos mit seinem Mandanten verkehren kann, schriftlich und mündlich.



Hirsch
Ich habe bisher noch keinen durchschlagenden Grund gehört, der diesem Argument und dieser Forderung wirklich entgegenstehen würde. Es gibt natürlich Leute bei uns, die meinen, ein Verteidiger im Strafverfahren sei so eine Art Rechtsverdreher, der aus schwarz weiß zu machen habe. Wenn man diese Theorie vertritt, darf man natürlich den Verteidiger nicht mit dem Mandanten sprechen lassen. Unsere Anwaltsordnung tut das aber nicht. Unsere Anwaltsordnung erklärt ausdrücklich: Der Anwalt ist ein Organ der Rechtspflege. Wenn man das einmal grundsätzlich festgelegt hat, muß man es grundsätzlich durchführen, rigoros durchführen, konsequent durchführen. Man kann dann nicht ein Organ der Rechtspflege diffamieren, indem man den Verkehr dieses Organs der Rechtspflege mit seinem Mandanten irgendwie beeinträchtigt oder inhibiert.
Es ist ja auch so — auch das muß ich sagen —, daß in Wirklichkeit ein freies Gespräch, auch ein freier Briefverkehr des Verteidigers mit seinem Mandanten, der inhaftiert ist, der Rechtspflege sogar dienlich ist; denn jeder erfahrene Verteidiger wird mir bestätigen, daß es ein untragbarer Zustand ist, wenn man mit seinem Mandanten nur in Gegenwart eines Richters sprechen kann. Dann gibt es kein vernünftiges Gespräch. Dann kann man sich darüber unterhalten, wie er sein Geschäft weiter betreiben will, aber über das Strafverfahren kann man sich nicht unterhalten. Solange man sich darüber nicht unterhalten kann, ist man als Verteidiger auch nicht in der Lage, zu der Aufklärung, um die es geht, beizutragen. Man ist nicht in der Lage, vernünftige Anträge zu stellen, und man ist z. B. im Haftprüvöllig funktionsunfähig, weil man gar nicht weiß, worum es eigentlich geht. Und gerade wenn man will, daß der Verteidiger — und so sollte es sein — dazu beiträgt, daß ein gerechtes und richtiges Urteil herauskommt, muß man dafür sorgen, daß er vom ersten Stadium an jedes Recht hat, mit seinem Mandanten frei zu verkehren. Schließt man dieses Recht aus oder beeinträchtigt oder verklausuliert man es, dient man nicht der Strafrechtspflege, sondern behindert sie, und wir sollten sie nicht behindern, sondern sollten sie fördern. Deswegen unsere Zustimmung zu dem Antrag der FDP.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406924400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Güde.

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0406924500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hirsch hat mich schon angekündigt; dann muß ich ja wohl auch kommen, allerdings nicht, um meine Theorie darzustellen. Ich verbreite auf diesem Gebiet keine Theorien, sondern ich gebe Erfahrungen wieder, und im Bereich der Prozeßordnung muß man realistisch sein. Sie haben nun das umgekehrte Kapitel. Vorhin war das Mißtrauen gegen die Richter auf der Tagesordnung. Nun ist es das Mißtrauen gegen die Anwälte.
Auch dazu einmal ein grundsätzliches Wort. Die ganze Strafprozeßordnung besteht aus einem methodischen Mißtrauen, das auf der Erfahrung der Prozeßgeschichte von Jahrhunderten beruht. Wer realistisch ist, der kann nicht leugnen, daß es Anwälte gibt — Gott sei Dank selten —, daß es Anwälte geben kann und gibt, die, obwohl sie ein Organ der Rechtspflege sind, im Einzelfall ihre Befugnisse mißbrauchen. Niemand kann das leugnen. Das steht also als erstes Argument. Nur als zweites sage ich: und es gibt Fälle, in denen der Anwalt mißbraucht wird, ohne es zu merken. Das Argument, daß der Richter auch mißbraucht werden könne, ist, glaube ich, doch ein wenig zu blaß.

(Abg. Dr. Dittrich: Das gilt aber für jeden, der an der Rechtspflege teilnimmt!)

— Aber selbstverständlich! Ich sage, die ganze Prozeßordnung steckt voll methodischen Zweifels und methodischen Mißtrauens und richtet sich folgerichtig auch gegen die Anwälte.

(Abg. Dr. Achenbach: Gegen die aber besonders!)

— Nein, ich bestreite das, Herr Kollege Achenbach. Das ist etwas, was wiederum auf der Prozeßerfahrung und auf nichts anderem beruht.
Sie wollen den Richter zwingen, einen unbeaufsichtigten Verkehr mit dem Beschuldigten auch dann zuzulassen, wenn für den Richter bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Annahme begründen, daß ohne die Anordnung der Untersuchungszweck gefährdet ist. Dazu wollen Sie ihn zwingen, und dazu dürfen Sie ihn nicht zwingen; denn Sie haben ihm den Auftrag gegeben, eine Strafsache ihrer Klärung zuzuführen.
Ich bin der Meinung, was der Rechtsausschuß gemacht hat, ist auch an dieser Stelle ein Kompromiß, von dem ich weiß, daß die Praxis der Richter und Staatsanwälte uns schelten wird, weil es ein Kompromiß ist. Ich nehme diesen Teil des Scheltens mit auf mich. Ich habe dafür gestimmt und bin für dieses Kompromiß; Kompromiß 'in der zeitlichen Befristung, Kompromiß in der Notwendigkeit des Abhebens auf tatsächliche Gründe. Ich sage unbefangen: ich bin der Meinung, durch die jetzige Fassung wind der Fall zu einem Ausnahmefall. Er kann nicht mehr als Routinefall gehandhabt werden, sondern er wird zu einem Ausnahmefall, und auch das gehört zum Kompromiß. Ich bekenne Ihnen aber auch, ich habe, solange ich selbst über solche Dinge zu entscheiden hatte, ihn als Ausnahmefall behandelt.
Ich lebe nicht in dem Mißtrauen gegen die Anwälte, sondern ich komme aus einem Teil unseres Vaterlandes, in idem noch bis heute eine Berufsverbundenheit zwischen dem Richter, dem Staatsanwalt und dem Rechtsanwalt besteht. Und nur gegen die Ausnahmen und nur 'in den Ausnahmefällen und nur in der Form dieses Kompromisses soll der Richter pflichtgemäß, um Verdunkelung zu verhüten, von dieser Befugnis Gebrauch machen.
Meine Damen und Herren, ich versichere Ihnen, soweit Sie nicht selbst im Rechtsausschuß da waren und mitgearbeitet haben, ich versichere den anderen Kolleginnen und Kollegen, das ist eine wohl-



Dr. h. c. Güde
erwogene Lösung, von der ich meine, daß Sie ihr zustimmen sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406924600
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406924700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ebenfalls der Meinung, daß der schriftliche und mündliche Verkehr des Verteidigers mit dem Beschuligten, der sich in Untersuchungshaft befindet, grundsätzlich keiner Beschränkung unterliegen soll. Mich hat diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Herr Kollege Hirsch zitiert hat und die vermutlich auch die antragstellende Fraktion zu ihrem Antrag veranlaßt oder sie darin bestärkt hat, auch befremdet. Ich übe keine Kritik daran. Ich kenne den Fall nicht im einzelnen. Aber auf den ersten Blick ist die Entscheidung befremdlich.
Aber ich möchte doch das, was Herr Kollege Güde gesagt hat, noch ergänzen und Sie auf den Unterschied zwischen den beiden Fassungen hinweisen. Bisher hieß es einfach: „Der Richter kann anordnen, daß Unterredungen mit dem Verteidiger in seiner Gegenwart stattfinden." Es war also ohne jede Voraussetzung seinem — sicher pflichtgemäßen, aber immerhin — Ermessen überlassen, daß er das anordnet, während das jetzt doch sehr eingeschränkt wird durch die Formulierung: „Der Richter darf die Anordnung nur treffen, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, welche die Annahme begründen, daß ohne die Anordnung der Untersuchungszweck gefährdet ist." Sie sehen schon aus der sprachlich etwas umständlichen Formulierung, daß sich der Ausschuß hier wirklich alle Mühe gegeben hat, das möglichst scharf auf ausgesprochene Ausnahmefälle einzugrenzen. Nach der neuen Formulierung hätte in dem Falle, den der Herr Kollege Hirsch zitiert hat, nicht angeordnet werden können, daß die Unterredung des Verteidigers mit dem Beschuldigten nur in Gegenwart eines Richters stattfinden darf.
Ich meine auch, daß wir für solche Ausnahmefälle noch eine Möglichkeit brauchen. Man kann sich unschwer konkrete Beispiele vorstellen: Aus bestimmten Tatsachen kann erkennbar sein, daß der Verteidiger beabsichtigt oder bereit ist, zu begünstigen. Oder man denke an Staatsschutzsachen, wo sich solche Beispiele ohne weiteres bilden lassen. Von der Formulierung, die jetzt vom Ausschuß vorgeschlagen wird, .wird die ganz überwiegende Mehrheit der Verteidiger niemals betroffen werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406924800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

(Abg. Dr. Dittrich: Ich verzichte!) Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.

Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 230 (neu) Ziffer 3 ab, nach dem der Art. 3 Nr. 5 wie folgt geändert werden soll: „§ 148 Abs. 2 wird gestrichen." Wer diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich lasse noch einmal abstimmen. Wer dem Streichungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Ergebnis ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Für den Streichungsantrag haben 129 Mitglieder des Hauses, dagegen 122 — bei einer Enthaltung — gestimmt. Der Streichungsantrag ist angenommen.
Über dien letzten Antrag zu dem Art. 3 auf Umdruck 226 Ziff. 2 werden wir nach der Mittagspause beraten.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 13.01 Uhr bis 14.32 Uhr.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406924900
Die unterunterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren fort in der Beratung des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung. Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD — Umdruck 226 Ziffer 2. Soll der Antrag begründet werden? — Bitte sehr, Herr Abg. Hirsch!

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0406925000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ich möchte zunächst klarstellen — und zwar ist diese Klarstellung ausgelöst durch die Ausführungen des Kollegen Busse heute morgen —, daß unser Antrag nicht etwa beinhaltet, daß wir der Meinung wären, ein Rechtsanwalt könne überhaupt nicht von der Verteidigung ausgeschlossen werden. Wir sind der Meinung, daß er sehr wohl unter Umständen ausgeschlossen werden muß. Unser Beschluß von heute morgen, der das freie Verkehrsrecht des Anwalts gewährleistet, zwingt gerade dazu, eine Ausschlußmöglichkeit des Verteidigers vorzusehen. Der Antrag richtet sich also nicht gegen die Ausschlußmöglichkeit als solche, er richtet sich allein dagegen, daß der Verteidiger von dem erkennenden Gericht ausgeschlossen werden kann.
Wir sind der Meinung, daß ganz sicher nicht das erkennende Gericht ihn ausschließen darf. Wir glauben ferner, daß das richtige Organ, das ein solches Ausschlußverfahren durchzuführen hätte, wahrscheinlich die Anwaltskammer sein dürfte. Die Ehrengerichtsbarkeit über den Anwalt obliegt der Anwaltskammer. Genauso wie ein Richter, wenn er nicht gut tut, im Disziplinarverfahren zur Verantwortung gezogen wird — und ein Staatsanwalt auch —, wäre ein Anwalt, der aus irgendeinem Grunde nicht gut tut, eben von der Anwaltskammer zur Verantwortung zu ziehen. Ich darf daran erinnern, daß wir bereits bei der Beratung der Anwaltsordnung erstrebt haben, daß diese Ausschlußmöglichkeit des Verteidigers im Rahmen der Anwaltsordnung in einem bestimmten Schnellverfahren festgelegt werden sollte. Sie, meine Herren von der CDU/CSU, haben uns damals erklärt, Sie hätten Bedenken dagegen, Sie würden aber mit Ihrem Wort dafür einstehen, daß bei der Neufassung der Straf-



Hirsch
prozeßordnung dieses Problem geregelt werden würde. Als wir nun bei der Beratung der Strafprozeßordnung an die Dinge herangingen, haben Sie dann Bedenken gehabt, die ich sicherlich zu würdigen bereit bin, die aber, glaube ich, nicht durchgreifen.
Wenn man das Problem richtig würdigen will, muß man sich zunächst darüber im klaren sein, daß es an sich heute überhaupt keine gesetzliche Regelung gibt, die den Ausschluß des Verteidigers im Strafverfahren vorsieht. Wir haben lediglich sogenanntes vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht. Wir Sozialdemokraten waren an sich noch bei der Beratung dieser Fragen im Ausschuß der Meinung, daß eine gesetzliche Regelung innerhalb der Strafprozeßordnung gar nicht einmal so sehr notwendig sei, weil wir glaubten, daß es nach unserer Verfassung ohnehin nicht angängig sei, daß ein Anwalt durch das erkennende Gericht ausgeschlossen werden könne.
Diese Meinung hat sich leider als nicht richtig herausgestellt; denn unser Bundesverfassungsgericht hat sich in einem Urteil vom 19. Dezember 1962
— 1 BvR 163/56 —, das ich jedem, der an den Dingen interessiert ist, sehr zur Lektüre empfehlen möchte, mit den einschlägigen Fragen befaßt und ausdrücklich entschieden, daß es ein vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht gebe, das den Ausschluß des Verteidigers von der Strafverteidigung in gewissen Fällen ermögliche, und zwar, wiederum auf Grund Gewohnheitsrechts, auch seitens des erkennenden Gerichts. Es hat dann allerdings in einem Nebensatz gewisse Bedenken gegen dieses Gewohnheitsrecht erhoben. Diese Bedenken halte ich für sehr wesentlich. Ich darf mir daher erlauben, diesen Satz aus dem soeben zitierten Urteil zu verlesen. Das Bundesverfassungsgericht sagt:
Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, daß die Rechtsprechung diesen gewohnheitsrechtlichen Satz mit den anerkannten Auslegungsmethoden weiterentwickelt, verfeinert und auch auf neue Tatbestände anwendet,
— jetzt kommt es —
obgleich eine formelle gesetzliche Regelung schon angesichts der grundsätzlichen Bedenken gegen Gewohnheitsrecht im Bereich des formstrengen Prozeßrechts angemessen wäre.
Das ist also eine leise Ermahnung des Bundesverfassungsgerichts an uns und, wie ich glaube, eine berechtigte Ermahnung. Auf dem Gebiet des Prozeßrechts mit gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen arbeiten zu müssen, ist eine ungute Sache, und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt, wie ungut es werden kann; denn in diesem Fall ging es darum, daß ein Verteidiger ausgeschlossen worden ist nicht etwa wegen des Verdachts einer Beteiligung an der Tat seines Mandanten, sondern weil er angeblich das Gericht durch die Weitergabe eines kommunistischen Pamphlets an das Gericht beleidigt hatte. Da hat das Bundesverfassungsgericht den Ausschuß für unzulässig erklärt, aber gesagt: nach dem vorkonstitutionellen Gewohnheitsrecht sei es an sich möglich, einen Anwalt auszuschließen.
Ich meine — und meine Fraktion meint das gleiche —, daß es an der Zeit wäre, die Frage, wie, wann und durch wen ein Verteidiger ausgeschlossen werden kann, gesetzlich zu regeln. Wir meinen weiter
— darum unser Antrag —, daß eindeutig klargestellt werden muß, daß nicht das erkennende Gericht dieses Ausschlußrecht haben darf.
Ich werde nunmehr sagen warum. Das erkennende Gericht ist in dem Verfahren mehr oder weniger befangen, und wenn es nun in diesem Verfahren den Verteidiger — aus welchem Grunde auch immer, meinetwegen weil es meint, der Betreffende käme als Zeuge in Betracht — ausschließt, so gerät es — vielleicht in den meisten Fällen in den falschen —, aber jedenfalls in den Verdacht, daß es damit bestrebt sei, den Verteidiger in diesem Verfahren nicht mehr amtieren zu lassen.
Wenn Sie heute morgen die Zeitung aufgeschlagen haben, werden Sie auch gelesen haben, daß der Rechtsanwalt Schmidt-Leichner in dem EuthanasieVerfahren gegen Heyde, diesem Monstreprozeß, von der Strafverteidigung ausgeschlossen worden ist, und zwar mit der Begründung, daß er früher einmal als Vormundschaftsrichter mit Euthanasie-Fragen befaßt gewesen ist und unter Umständen als Zeuge in Betracht kommen könne.
Ich will niemandem zu nahe treten, muß aber sagen: der Ausschluß dieses Verteidigers aus diesem Verfahren kann den Eindruck erwecken, daß man diesen Rechtsanwalt, der als sehr tüchtiger Verteidiger bekannt ist, eben nicht gern als Verteidiger in diesem Verfahren gesehen haben könnte.

(Abg. Memmel: Wissen Sie auch, durch wen er ausgeschlossen worden ist?)

— Das weiß ich sehr genau: Auf Antrag des hessischen Generalstaatsanwalts Bauer. Er ist mein Freund — sogar mein persönlicher —, aber das hindert mit nicht daran, zu sagen, daß ich den Ausschluß des Rechtsanwalts Schmidt-Leichner für keine gute Sache halte, Herr Kollege Memmel. Ich habe keine Veranlassung — und die SPD hat es sicherlich auch nicht, und wir alle haben keine Veranlassung —, etwa den Herrn Heyde zu schützen und ihn zu bedauern, wenn er keinen Verteidiger hat. Aber es geht nicht um seine Person, sondern um die Sache.
Man muß sich einmal vorstellen: dieser Mann hat sich nun in einem Verfahren, in dem es bei ihm um Leben und Tod geht, einen Verteidiger seiner Wahl, seines Vertrauens genommen — einen sicherlich fähigen Verteidiger —, und nun wird ihm plötzlich seitens des Gerichtes erklärt, und zwar verhältnismäßig kurz vor der Hauptverhandlung: Diesen Verteidiger darfs du nicht haben, du mußt dir einen anderen wählen; denn dieser Verteidiger könnte vielleicht als Zeuge in Betracht kommen.
Gerade dieser Fall — wir haben insofern, glaube ich, Glück gehabt, daß er gerade heute in den Zeitungen veröffentlicht worden ist — muß doch allen denen, die bisher gemeint haben, dieser Antrag der SPD sei nicht richtig, Veranlassung geben, sich noch einmal genau zu überlegen, ob dieser Antrag nicht doch etwas für sich hat.



Hirsch
Ich möchte noch einmal sagen: der Antrag bezweckt lediglich, das nicht das erkennende Gericht die Entscheidung über den Ausschluß treffen kann. Wir stellen uns das so vor: wenn der Staatsanwalt oder auch das Gericht in Erwägung zieht, daß ein Anwalt aus irgendwelchen Gründen nicht als Verteidiger in einem bestimmten Verfahren amtieren sollte, dann muß eben in einem beschleunigten Verfahren ein Antrag an die Anwaltskammer gestellt werden — an das Ehrengericht der Anwaltskammer —, und dann muß das Ehrengericht der Anwaltskammer, das das in anderen Fällen auch tut, eben entscheiden, ob der Betreffende wirklich ausgeschlossen werden darf oder nicht.
Ich will nicht behaupten, daß es gang und gäbe bei uns sei, daß Gerichte einen fähigen Verteidiger gern loswerden, indem sie ihn einfach ausschließen. Aber der Eindruck, der in der Öffentlichkeit entstehen kann — wie z. B. in dem Fall Schmidt-Leichner —, ist so verhängnisvoll und muß uns so sehr zu denken geben, daß wir gut beraten wären, wenn wir den Versuch machten, solche Möglichkeiten auszuschließen.
Allein die Anwaltskammer oder deren Ehrengericht oder meinetwegen auch irgendeine andere Stelle kann objektiv entscheiden, ob in dem betreffenden Fall ein Ausschluß wirklich angebracht ist oder nicht. Zumindest wird es in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, es sei eine objektive Entscheidung, während die Entscheidung durch das betroffene Gericht nie eine objektive Wirkung haben kann oder jedenfalls in der Öffentlichkeit unter Umständen falsch aufgefaßt werden könnte. Diesen bösen Anschein müssen wir vermeiden!
Wir sind also der Auffassung, daß es an der Zeit wäre, nachdem bei der Anwaltsordnung eine solche Regelung nicht gefunden worden ist, jetzt innerhalb der Strafprozeßreform klarzustellen, daß nicht das erkennende Gericht den Anwalt ausschließen darf. Natürlich müssen wir, sofern dieser Antrag angenommen werden sollte, unverzüglich dafür sorgen, daß eine Form gefunden wird, wie, wann usw. ein solcher Ausschluß vonstatten gehen darf.
Wir müssen das um so mehr tun — wenn ich Sie an das Verfassungsgerichtsurteil erinnern darf —, als das Verfassungsgericht Bedenken gegen die allgemeine Entwicklung dieses Gewohnheitsrechts geäußert hat und weil wir auch in der Materie selbst, nämlich hinsichtlich der Klarstellung, wann in der Sache ein Anwalt ausgeschlossen werden darf, auch einen Riegel vorschieben müssen gegen Entwicklungen, die da offensichtlich im Gange sind.
Alles dies zusammengefaßt, meine ich, daß Sie, meine Damen und Herren, auch diejenigen, die bisher gemeint haben, dieser Antrag sei zu radikal und sei nicht richtig und würde eine Türe aufstoßen, die man nicht mehr zumachen könne, sich das noch einmal überlegen sollten! Der Bundestag muß sich jetzt entschließen. Er kann nicht gut so vorgehen, daß er sagt: bei der Anwaltsordnung nicht, bei der Strafprozeßordnung auch nicht. Denn wo will er es eigentlich regeln, wenn nicht in der Strafprozeßordnung oder in der Anwaltsordnung? Bei der Anwaltsordnung ist es abgelehnt worden, also bleibt im Moment jedenfalls nur die Strafprozeßordnung übrig.
Hilfsweise möchte ich meinen: wenn Sie schon, was ich nicht hoffe, die Meinung haben, das erkennende Gericht dürfe einen Anwalt ausschließen, dann müßte mindestens materiell eindeutig geregelt werden, aus welchen Gründen und in welchem Verfahren.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406925100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406925200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat mit ihrem Antrag, diesen § 150 einzufügen, ein ganz schwerwiegendes und weitreichendes Problem angeschnitten. Herr Kollege Hirsch, Sie wissen, daß wir uns im Rechtsausschuß sehr eingehend mit dieser Materie befaßt haben. Sie haben selber darauf hingewiesen, daß das bereits bei der Beratung der Bundesrechtsanwaltsordnung geschehen ist, und Sie haben weiter darauf hingewiesen, daß auch jetzt im Zusammenhang mit der Strafprozeßordnung darüber beraten worden ist. Es wurden das Für und das Wider abgewogen, und es wurde vor allen Dingen auch ganz eingehend erörtert, was geschehen müßte, wenn wir dem Gedanken, der Ihrem Antrag zugrunde liegt, folgten. Als man dann daran ging, zu formulieren, was nach Ihrer Forderung alsbald getan werden müßte, zeigten sich ganz erhebliche Schwierigkeiten für die Praxis.
Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß Sie und, wenn auch nicht alle, so doch große Teile der Anwaltschaft die Auffassung vertreten, wenn ein Anwalt ausgeschlossen werden solle, weil der Verdacht bestehe, daß er sich nicht ordnungsgemäß verhalten habe, dann sei das eine Sache der Anwaltskammer und nicht des Gerichts. Aber es wird schon schwieriger, wenn es um die andere Frage geht, wann ein Anwalt deswegen ausgeschlossen werden kann, weil er gegebenenfalls als Zeuge in diesem Verfahren dem Gericht zur Verfügung stehen muß.
Sie haben, Herr Kollege Hirsch, auf den Fall Heyde hingewiesen. Auch ich habe gerade in der Mittagspause lesen können, daß Herr SchmidtLeichner als Verteidiger ausgeschlossen wurde. Mir geht es natürlich so wie Ihnen; das hat mich bei dem Ansehen, das Herr Schmidt-Leichner hat, zuerst befremdet. Aber ich hatte bei Ihren Ausführungen ,den Eindruck, daß Sie vielleicht eines nicht beachtet haben: daß man über derartige Dinge nicht urteilen soll, bevor man den ganzen Sachverhalt kennt. Ich habe aus der Zeitungsmeldung entnommen, daß Herr Schmidt-Leichner, .der als Belastungszeuge genannt wurde, der Auffassung war, daß das nicht mit seiner Verteidigereigenschaft kollidieren würde. Aber ob nun das eine oder das andere zutrifft, Herr Kollege Hirsch, darüber wage ich im Augenblick kein Urteil abzugeben. Es kann sein, daß ein Verteidiger auch Zeuge in einem Verfahren ist, ohne daß das seine Verteidigerstellung beein-



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
trächtigt. Es kann aber auch sein, daß sein Zeugnis von so großer Bedeutung für das Verfahren ist, daß er nicht mehr Verteidiger sein kann.
Weil diese Dinge nicht so leicht zu regeln sind und weil sich eine Rechtsprechung entwickelt hat, die sehr, sehr vorsichtig ist, wenn es darum geht, einen Verteidiger auszuschließen, haben wir bei allem Abwägen des Für und des Wider im Rechtsausschuß in der Mehrheit die Auffassung vertreten, man sollte das Problem des Ausschlusses eines Verteidigers nicht im Zusammenhang mit dieser Strafverfahrensnovelle regeln. Man sollte auch ruhig noch Zutrauen zu der Weiterentwicklung der Rechtsprechung haben.
Vor allen Dingen, Herr Kollege Hirsch, kann man nicht diesen § 150 einfügen und offenlassen, wie die weitere Regelung aussehen soll. Das geht nicht. Da waren wir bei den Beratungen im Rechtsausschuß auf dem richtigen Weg, als wir sagten: Wenn man jetzt den Ausschluß gesetzlich regeln will, muß man auch gleich festlegen, wie die weitere Regelung aussehen soll.
Aus diesen Gründen sehen wir Freien Demokraten uns bei aller Anerkennung Ihres Wunsches, diese Dinge zu klären, zur Zeit noch nicht in der Lage, Ihrem Antrag in dieser Form zuzustimmen. Wir sollten uns in Ruhe überlegen, gegebenenfalls außerhalb der Strafprozeßnovelle, ob und wie diese Frage gesetzlich zu behandeln ist.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406925300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz).

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0406925400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das jetzt zur Verhandlung steht, ist an dieser Stelle schon mehrfach behandelt worden. Bei der Verabschiedung der Bundesrechtsanwaltsordnung bestand allseits Einverständnis darüber, daß die Zurückweisung eines Anwalts durch ein Gericht schlechthin nicht möglich sein sollte. Es wurde jedoch die Ausnahme für das Strafrecht, für die Strafverteidigung gemacht, und es wurde bereits damals das Anliegen vorgebracht, das heute wieder von der Sozialdemokratischen Partei zur Debatte gestellt wird, wonach bereits in der Bundesrechtsanwaltsordnung eine Regelung dieses Problems vorgenommen werden sollte.
Die damalige Debatte war für das Bundesjustizministerium Veranlassung, dieses Problem aufzugreifen und einen Referentenentwurf zu erstellen, in dem die gesetzliche Regelung dieser Frage vorgesehen war. Dieser Referentenentwurf ist denjenigen, die die Dinge in der Hauptsache angehen, nämlich den Anwaltsorganisationen zugestellt worden, und diese haben sich sehr eingehend nicht nur mit dem Problem schlechthin, sondern auch mit der vorgeschlagenen Regelung befaßt. Man kam nach eingehenden Beratungen im Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer, dem nicht nur Anwälte angehören, sondern in dem auch Richter, Staatsanwälte, Ministerialbeamte mitarbeiten, einhellig zu dem Ergebnis, daß das eigentliche Problem noch nicht spruchreif sei. Man verwies insbesondere darauf, daß bereits einige Fälle beim Bundesverfassungsgericht anhängig seien und zu erwarten sei, daß durch den Spruch, durch die Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts grundsätzliche Klärung erzielt werde und Hinweise kämen, die für die endgültige Regelung dieser Frage von großer Bedeutung seien. Das ist auch tatsächlich der Fall. In der von Herrn Kollegen Hirsch zitierten Entscheidung findet sich ein solcher Hinweis. Das Bundesverfassungsgericht sagt in dieser Entscheidung:
Hier kommen nicht nur Interessen des Angeklagten in Betracht, der grundsätzlich den Anwalt seines Vertrauens beanspruchen darf, sondern auch solche der Rechtspflege selbst, nämlich die fundamentale objektive Bedeutung der seit fast einem Jahrhundert durchgesetzten „freien Advokatur".
Damit gibt das Bundesverfassungsgericht schon einen bedeutsamen Hinweis auf einen Gesichtspunkt, der bei der endgültigen Regelung zu beachten sein wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ebenfalls geprüft, ob etwa durch einen solchen Ausschluß Grundrechte verletzt werden können. Es kam in diesem Falle zu der Erkenntnis, daß das Grundrecht des Art. 12 verletzt sei; zwar sei der Ausschluß durch das erkennende Gericht kraft Gewohnheitsrechts grundsätzlich zulässig, gehe aber im vorliegenden Fall über das Notwendige hinaus und verletze das Verbot des Übermaßes. Lediglich aus diesem Grunde hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Fall den Ausschluß für unberechtigt erklärt und den Beschluß des Bundesgerichtshofes aufgehoben.
Der Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer hat sich — wie ich bereits bemerkt habe — eingehend mit dem Problem befaßt und ist nach einer Beratung, die einen ganzen Tag, den 14. Oktober 1961, beanspruchte, zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Regelung noch nicht geboten sei. Die Zeit sei dafür noch nicht reif.
Ich darf nun darauf hinweisen, daß wir uns hier mit einer „kleinen" Strafprozeßreform befassen. Deswegen erhebt sich die Frage, ob das Problem so vordringlich ist, daß jetzt schon eine Regelung getroffen werden müßte. Daß es geregelt werden soll, haben wir Ihnen immer zugegeben. Es ist uns bisher nur noch nicht klargeworden, auf welche Weise es zweckmäßig geregelt werden kann. Das ergibt sich auch nicht aus Ihrem Antrag, sondern Ihr Antrag bestimmt zunächst einmal schlechthin, daß das erkennende Gericht das nicht tun darf. Wer es tun darf und wie es geschehen soll, das bleibt immer noch offen, und es scheint uns nicht angängig zu sein, hier nun ein Vakuum entstehen zu lassen, zumal — wie ich andererseits noch einmal betone — die Sache nicht vordringlich ist.
Die Judikatur — das ist im Rechtsausschuß eingehend erörtert worden — weist in der Zeit von 1879 bis 1949 insgesamt etwa vier oder fünf Fälle höchstrichterlicher Entscheidungen auf, die sich mit dieser Sache befassen. Nach 1949 hat der BGH in



Dr. Weber (Koblenz)

drei oder vier Entscheidungen ebenfalls zu diesem Problem Stellung genommen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegt vor, eine weitere ist demnächst zu erwarten.
Bei dieser Sachlage sind wir der Meinung, daß es vorerst bei dem bestehenden Gewohnheitsrecht bleiben kann.
Ich gebe Ihnen zu, Sie haben insofern Glück gehabt, als gerade heute in der Zeitung ein Fall steht, in dem das Problem wieder einmal akut geworden ist. Aber dieser Fall, Herr Kollege Hirsch, ist in dem feststehenden Gewohnheitsrecht eindeutig geregelt, wenn es zutrifft — ich kann das nach der Zeitungsmeldung natürlich nicht abschließend beurteilen —, daß der in Aussicht genommene Verteidiger auch als Zeuge im Prozeß in Frage kommt.
Es ist schon im Ausschuß darauf hingewiesen worden, daß es sich hier nicht etwa um eine Diffamierung des Anwalts handelt. Der Staatsanwalt unterliegt ja dem Erkenntnis desselben Gerichts wie der Verteidiger, also der, wenn ich einmal so sagen soll, Gegner auf der anderen Seite der Verhandlung im Strafverfahren.

(Zuruf von der SPD: Der kann aber nicht ausgeschlossen werden!)

— Der Staatsanwalt ist auch schon ausgeschlossen worden, und es sind schon Urteile aufgehoben worden, weil ein Staatsanwalt, der als Zeuge vernommen worden ist, später in der Hauptverhandlung weiterhin die Anklage vertreten hat.
Wir sollten ferner berücksichtigen, daß der Richter selber dem Erkenntnis des Gerichts unterliegt, wenn seine Ablehnung beantragt wird. Infolgedessen kann ich nicht sehen, daß etwa die Anwaltschaft schlechthin diffamiert würde, wenn die Entscheidung durch das erkennende Gericht erfolgt.
Bei dieser Sachlage sind wir der Meinung, daß wir das Problem in dieser Novelle nicht regeln sollten, sondern daß wir abwarten sollten, welche Erkenntnisse uns die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Regelung dieser Frage weiterhin gibt, daß dann allerdings die Sache alsbald in Angriff genommen werden muß. Wir haben niemals gesagt, daß die Frage in dieser Novelle geregelt wird; wir haben immer gesagt, sie wird geprüft werden. Wir erkennen das Problem als regelungsbedürftig an, aber nicht, wie ich noch einmal betonen möchte, als vordringlich regelungsbedürftig. Was Sie jetzt vorschlagen, ist keine Regelung, die annehmbar wäre, sondern würde ein Vakuum schaffen.
Aus diesen Gründen lehnen auch wir diesen Antrag ab.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406925500
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406925600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt vier Jahre her, da haben wir diese Debatte schon einmal geführt. Ich entsinne mich dieses Tages noch, wie wenn es heute gewesen wäre. Damals wurde uns von Ihnen auf unsere Anträge, entsprechende Regelungen in die Bundesrechtsanwaltsordnung hineinzunehmen, vielfältig entgegengehalten: Das regeln wir, aber nicht hier, sondern in der Strafprozeßordnung.
Wir haben inzwischen einige Jahre Zeit gehabt — auch Sie, Herr Kollege Weber —, darüber nachzudenken, und wir beraten jetzt über die Strafprozeßordnung. Und nun wollen Sie uns heute sagen, sie hätten keine Zusagen gemacht?! Ich würde Sie doch bitten, das nicht in dieser eindeutigen Form zu wiederholen, sonst müßte ich die Protokolle hervorholen und Ihnen vorlesen, was Sie damals gesagt haben. Sie haben damals erklärt, dieses Problem werde bei der Strafprozeßordnung geregelt werden, weil es, wie Sie damals ausdrücklich gesagt haben, eben nur im Rahmen der Strafprozeßordnung geregelt werden könne. Ich finde, es ist nicht gut, wenn wir hier im Hause so miteinander umgehen, daß zugesagt wird, eine Regelung zu treffen, und dann, wenn es soweit ist, die Regelung doch nicht getroffen wird.
Ich bestreite gar nicht, daß das Problem schwierig ist. Aber ich muß doch daran erinnern, daß wir bei unseren Ausschußberatungen in Berlin — ich habe es mir gerade gestern im Protokoll noch einmal angesehen — sehr nahe vor einer Regelung waren. Wir waren gar nicht mehr so weit auseinander, und dann sind Sie plötzlich wieder anderen Sinnes geworden und haben gemeint, einer solchen Regelung überhaupt nicht zustimmen zu können. Eine Begründung dafür ist damals nicht gegeben worden und ist auch in dem, was Herr Kollege Weber hier gesagt hat, nicht gegeben worden. Denn daß es bei diesem Problem an sich einer Regelung bedarf, ist auch von Ihnen im Grunde nicht bestritten worden. Man mag über die Dringlichkeit streiten. Nur meine ich, das, was hier vorhin zur Begründung gesagt worden ist — der letzte Anlaß, man mag ihn bewerten, wie man will —, ist ein Beweis dafür, daß es eben doch ein Problem ist, das jeden Tag akut werden kann, vor dem man jeden Tag wieder stehen kann und mit dem man sich dann auseinandersetzen muß.
Wir sollten uns selber eigentlich etwas ernster nehmen. Wir haben vor vier Jahren hier ein Gesetz verabschiedet, in dessen § 1 wir hineingeschrieben haben: Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, — also ebenso ein unabhängiges Organ der Rechtspflege wie das Gericht. Ich verstehe einfach nicht, wie man im Ernste die Meinung vertreten kann, daß es möglich sein soll, daß ein unabhängiges Organ der Rechtspflege über ein anderes unabhängiges Organ der Rechtspflege Entscheidungen trifft. Das ist nicht seine Sache.

(Abg. Memmel: Irgendeiner muß doch entscheiden und die Sitzung leiten!)

— Seien Sie nicht so ungeduldig, Herr Kollege Memmel. Es kommt alles dran. — Es geht jedenfalls nicht, daß ein unabhängiges Organ der Rechtspflege für sich in Anspruch nimmt, über ein anderes unabhängiges Organ der Rechtspflege zu richten und zu entscheiden; denn dann kann es mit der Unab-



Jahn
hängigkeit nicht sehr weit her sein. Wir sollten die Bundesrechtsanwaltsordnung etwas ernster nehmen in dem, was wir damals damit sagen wollten, daß die freie Advokatur in der Rechtspflege eine Stellung eigenen und gleichen Ranges genauso wie die anderen Organe der Rechtspflege hat. Das hat seinen guten Grund, weil nur dann die Anwälte in der Lage sind, ihre Aufgabe wirklich und wirksam zu erfüllen.
Nun ist hier auf einen Referentenentwurf der Bundesregierung Bezug genommen worden. — Herr Kollege Weber, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich gerade das noch anhören wollten. — Sie haben sich dann darauf berufen, das sei auch von der Bundesrechtsanwaltskammer und dem Deutschen Anwaltsverein als eine schlechte Lösung betrachtet worden. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht — es ist wirklich schade, Herr Kollege Weber, daß Sie gerade jetzt hinausgehen, denn da wäre einiges gerade an Ihre Adresse zu sagen; aber dann werde ich es sagen, auch wenn Sie nicht hier sind —, wie viele von Ihnen das Vergnügen hatten, diesen Entwurf zu sehen. Diejenigen, die ihn gesehen haben, werden mir in einem Recht geben: Das war ein Entwurf mit dem zwar nicht erklärten, aber unverkennbaren Ziel, in seiner Form davon abzuschrecken, dieses Problem tatsächlich wirksam zu regeln. Er war derartig unübersichtlich, derartig kompliziert, er ging, ohne daß eine Notwendigkeit dazu bestand, derartig in schwierigste Einzelfragen hinein, daß man wirklich nur alles Verständnis für die Anwaltskollegen haben konnte, die gesagt haben: wenn die Regelung so aussieht, können wir es wirklich nicht machen.
Über andere Lösungsvorschläge ist leider nicht gesprochen worden, Herr Kollege Weber, und ich muß leider sagen, die Gespräche, die darüber mit den Vertretern der Anwaltschaft geführt wurden, sind offenbar recht einseitig geführt worden. Mir ist in den letzten Wochen expressis verbis auch von Gesprächspartnern, die Ihre Gesprächspartner waren, erklärt worden, daß, wenn man die Vorschläge hätte erörtern können, die unseren Vorstellungen und unserem Antrag entsprechen, wohl einiges andere und weitere zu der Regelung gesagt worden wäre. Ich glaube also — da Sie sich hier auf diese Weise Rückendeckung zu verschaffen versuchen —, Sie haben eine ein wenig schwache Rückendeckung ausgesucht.
Ich bin nicht der Meinung, daß das Problem in der Form, wie es in unserem Antrag zur Lösung vorgeschlagen wird, unzureichend gelöst ist. Hier geht es im Rahmen der Strafprozeßordnung um das, was hier geregelt werden kann, nämlich um ein klares Verbot an das eine Organ der Rechtspflege, das andere Organ der Rechtspflege auszuschließen, um nicht mehr. Wir haben es immer betont, und darauf gingen unsere Anträge, die Sie abgelehnt haben, bei der Bundesrechtsanwaltsordnung, und in dieser Richtung gehen unsere Vorstellungen heute wieder: es geht darum, die Frage des Wie und Wo und Wann zu regeln im Rahmen der Bundesrechtsanwaltsordnung. Wir haben damals gesagt — und wir stehen dazu —, daß es möglich sein muß und notwendig ist, auch ein konkretes Vertretungsverbot für den
einzelnen Anwalt ad hoc und auch kurzfristig beschließen zu können. Anders kann man nämlich eine vernünftige Klärung von Zweifelsfragen gar nicht herbeiführen. Das ist notwendig, das ist möglich, dafür haben wir die Berufsgerichtsbarkeit durch die Anwaltsordnung geschaffen.
Was das Argument betrifft, das man gern dagegen ins Feld führt: „Das dauert aber endlos lange, und was soll dann aus der Verhandlung werden?", so ist dazu zu sagen, meine Damen und Herren: Die Verhandlung muß ohnehin unterbrochen werden. Der Angeklagte hat nämlich keinen Verteidiger mehr, wenn sein Verteidiger vom erkennenden Gericht ausgeschlossen wird. Er muß sich einen neuen Verteidiger suchen. Dieser Verteidiger braucht Zeit, um sich einzuarbeiten. Es geht also ein gewisses Maß an Zeit ohnehin auch beim gegenwärtigen Rechtszustand verloren. Dann ist doch einfach die Frage: Wie macht man dieses andere Verfahren so griffig, so flüssig, daß es unangemessene Verzögerungen nicht gibt? Ich wäre durchaus der Meinung, daß man sich für eine vorläufige Entscheidung mit einer Entscheidung beispielsweise des Vorsitzenden des Ehrengerichts oder des Ehrengerichtshofs begnügen kann; darüber kann man diskutieren.
Ich will das nicht vertiefen; ich will Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie das Problem lösen wollten, wenn Sie die Zusage, die Sie gegeben haben und zu der Sie stehen sollten, erfüllen wollten, könnten Sie das Problem lösen. Das, was hier an Schwierigkeiten dargetan wird, sind keine Schwierigkeiten, deren man nicht Herr werden könnte, wenn man ihrer Herr werden wollte. Sie erweisen hier nicht nur sich selber, sondern auch der Sache einen schlechten Dienst. Sie schaffen damit, daß Sie das Problem nicht regeln, eine unterschiedliche Bewertung für die Organe der Rechtspflege. Sie bringen zum Ausdruck, daß es für Sie offenbar zwei Arten von Organen der Rechtspflege gibt: bessere und weniger gute.

(Abg. Memmel: Nein!)

Das ist weder im Sinne dessen, was wir im § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung beschlossen haben, noch ist es im Sinne einer vernünftigen Anerkennung der wichtigen und verpflichteten Stellung des Rechtsanwalts.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen, damit wir jetzt wenigstens eine Regelung bekommen, und sie ist dringend notwendig. Wir sind bereit, alle notwendigen Schritte zu tun, die außerhalb dieses Gesetzes zur Ergänzung dieses Gedankens notwendig sind. Wir meinen, daß sie schnell und einfach getan werden können, wenn wir wollen. Wir sind dazu bereit.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406925700
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Antrag, ich lasse abstimmen.
Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 226 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer für den Antrag ist, den



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
bitte ich, sich zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den Art. 3 im ganzen abstimmen, d. h. einschließlich der Änderungen, die zu diesem Artikel angenommen worden sind. Wer dem Art. 3 mit diesen Änderungen zuzustimmen wünscht, bitte ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. 4. Ich muß nummernweise verhandeln und abstimmen lassen, weil zwei verschiedene Änderungsanträge vorliegen.
Zu Nr. 1 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee und Lemmrich auf Umdruck 234 Ziffer 1 vor. Wird der Änderungsantrag begründet?
Herr Abgeordneter Memmel.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406925800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Der § 136 in der bisherigen Fassung, der seit 1877 bis heute gegolten hat, lautet:
Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche strafbare Handlung ihm zur Last gelegt wird. Der Beschuldigte ist zu befragen, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle.
Punkt, Schluß, aus! So ging es seit 1877. Jetzt ist also nach der Regierungsvorlage eine Belehrungspflicht hineingekommen, und zwar dahin gehend, daß sowohl der Richter als auch der Staatsanwalt und, was noch viel gravierender ist, auch der Polizeibeamte dem Beschuldigten bei seiner allerersten Vernehmung eröffnen muß, daß er nichts aussagen muß.
Wenn Sie diese Bestimmung für den Richter und für den Staatsanwalt in das Gesetz bringen, dann mag es hingehen. Die haben es nämlich bisher sowieso gemacht. Ich glaube, jeder Richter und jeder Staatsanwalt — ich war es nur vier Jahre — hat dem Beschuldigten gesagt: „Sie brauchen eigentlich gar nichts zu sagen, aber ich glaube, wenn Sie etwas sagen, wird es besser sein; wir wollen uns über die Geschichte aussprechen." — Wenn Sie also hinsichtlich des Richters und des Staatsanwalts diese Belehrungspflicht noch einmal gesetzlich verankern, mag das hingenommen werden.
Aber wenn Sie das auch für die Polizei einführen, meine Damen und Herren, dann schaffen Sie ein großes kriminalpolitisches Risiko. Die Dunkelziffern werden steigen, und die Aufklärungsziffern werden sinken; denn Sie nehmen dann dem Polizeibeamten die Chance der Aufklärung im ersten Zugriff gegen einen Beschuldigten. Denn jeder Beschuldigte — wenn ich ihn so belehren muß, wird bei ihm etwas herunterfallen — wird zunächst nein sagen. Er begibt sich damit selber einer Möglichkeit, und deswegen kann man diese Regelung nicht so treffen. — Bitte, Herr Kollege Jahn!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406925900
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Jahn!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406926000
Sind Sie im Ernst der Meinung, Herr Kollege Memmel, daß die Polizei ihre Aufklärungsarbeit nur in der Weise leisten kann, daß sie den Beschuldigten sozusagen überrumpelt, und glauben Sie nicht, daß sie das genauso gut kann, wenn sie ihn in vollem Umfange, wie das in einer menschenwürdigen Rechtsordnung eigentlich selbstverständlich sein sollte, zunächst einmal über alle Rechte und Pflichten aufklärt, die er als Beschuldigter hat?

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406926100
Herr Kollege Jahn, ich bin nicht der Meinung, die Sie jetzt vorgetragen haben, daß es nur so mit der Überrumpelung geht. Mir gefällt es sowieso nicht, wenn man es so tendenziös darstellt mit dem Wort „Überrumpelung". Das führt mich zu dem betrüblichen Fernsehspiel vom letzten Freitag — ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben —, „Der peinliche Prozeß". O weh, war der Prozeß peinlich. Da kann ich nur sagen: Herr Engelmann, das war mißgetan, was Sie da getan haben, nämlich den „peinlichen Prozeß" vorzuführen, wo dargestellt wird, wie der arme unschuldige Mann um 1/2 7 Uhr morgens aus dem Bett geläutet wird und wie er mitgenommen wird. Dann wird er sieben Stunden lang pausenlos verhört. Der Polizeibeamte trinkt dabei sein Coca-Cola und seinen Kaffee, und dem armen Beschuldigten hängt die Zunge heraus. Dann kommt er in Untersuchungshaft, und 'in der bleibt er sieben Monate. Er wird mit Handschellen vorgeführt. Lauter unmögliche Zustände, nur in der Tendenz, darzustellen, welch schreckliche Maschine die Justiz und dieser Polizeiapparat sei und wie furchtbar es sei, wenn jemand in das knarrende und knirschende Räderwerk dieser Justizmaschine hineingerät, und wie die ganze Sache verloren ist. So tendenziös war das ganze Fernsehspiel dargestellt, und so klingt es auch ein bißchen, wenn Sie, Herr Kollege, von Überrumpelung und ähnlichen Maßnahmen sprechen.
Es ist vor allem zu bedenken, daß die Staatsanwaltschaft und die Polizeibehörden die Pflicht haben, die Verbrechen zu bekämpfen und zu einer möglichst schnellen Aufklärung der Verbrechen zu gelangen; darauf kommt es im wesentlichen an. Es gilt auch hier das, was Herr Kollege Güde vorhin so nett von dem Dilemma gesagt hat: daß man dabei gleichzeitig die Rechte eines Beschuldigten, vor allem eines unschuldig Beschuldigten, wahren soll. Meine Damen und Herren, wir haben den Antrag so formuliert, um dieses Dilemma etwas zu verkleinern. — Bitte, Herr Kollege!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406926200
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter, wenn Sie schon Zwischenfragen gestatten: Frau Abgeordnete Diemer-Nicolaus war zuerst da.


Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406926300
Herr Kollege Memmel, sind Sie sich darüber im klaren, daß jeder Jurist dann dem Nichtjuristen überlegen ist, weil er seine Rechte kennt?

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406926400
Darüber bin ich mir im klaren. Aber nicht nur der Jurist kennt seine



Memmel
Rechte, sondern der alte, hartgesottene, schon oftmals vor Gericht bzw. vor der Polizei Erschienene kennt seine Rechte genauso gut, auch ohne Jurist zu sein; der kennt sie sogar besser!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406926500
Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0406926600
Herr Kollege Memmel, wollen Sie in Ergänzung dessen, was Sie über die Überflüssigkeit der Belehrungspflicht bezüglich des Polizeibeamten gesagt haben, auch zu der rechtspolitischen Frage Stellung nehmen, daß Sie auch dem Beschuldigten das Recht schmälern, sich schon im frühen Stadium des Verfahrens der Hilfe eines Verterdigers zu bedienen, sofern Ihr Antrag angenommen würde?

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406926700
In unserem Antrag ist das enthalten, Herr Kollege Wittrock,

(Wittrock: Das zu schmälern!)

daß der Polizeibeamte bei der ersten polizeilichen Vernehmung nicht darauf hinweisen muß: Sie brauchen gar nicht auszusagen, Sie können sich jetzt erst einen Verteidiger nehmen und Sie können sich schriftlich äußern. Natürlich kann er das. Aber stellen Sie sich die Situation vor, in der der Polizeibeamte ist, der gezwungen ist, in dieser Weise zu belehren. Ich kann es nicht anders ausdrücken: Meine Sorge ist die, daß darunter die Strafverfolgung im allgemeinen leiden wird. Deswegen haben wir den Antrag gestellt.

(Abg. Dr. Dittrich: Die Sorge ist aber sicher unbegründet!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406926800
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Lemmrich auf Umdruck 234 Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle Art. 4 Nr. 1 in der Fassung des Ausschusses zur Abstimmung. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 4 Nr. 1 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Nr. 2 ist unverändert.
Zu Nr. 3 liegt ein Änderungsantrag — wiederum der Herren Abgeordneten Memmel, Schlee, Lemmrich — auf Umdruck 234 Ziff. 2 vor.

(Abg. Memmel: Ist durch die Abstimmung erledigt!)

— Wie ist es mit dem Absatz 3 a? Ist der Antrag dazu auch erledigt?

(Abg. Memmel: Das ist damit auch erledigt!)

— Also damit ist der Antrag Umdruck 234 erledigt.
Wird zu den Nrn. 2 und 3, 3 a, 3 b des Art. 4 noch das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen einige Stimmen angenommen.
Art. 5 Nr. 1. Hier liegen mehrere Änderungsanträge vor. Zunächst Umdruck 236 *), Antrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Seidl (München). Wollen Sie das Wort zur Begründung?

(Abg. Memmel: Ja!)

— Das Wort hat Herr Abgeordneter Memmel.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406926900
Meine Damen und Herren! Der Punkt, der jetzt aufgerufen ist, ist der Kernpunkt der ganzen Ausschußvorlage. Hier wird nämlich etwas vorgeschlagen, was an sich im Regierungsentwurf nicht enthalten war — das hat erst der Ausschuß hineingebracht —, nämlich eine Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Richter. Ich meine, hier müssen ein paar Worte mehr gesagt werden als bisher.

(Zuruf: Warum?)

— Wenn Sie Geduld haben, will ich Ihnen das gerne sagen.

(Zuruf von der SPD: Haben wir nicht! — Heiterkeit.)

Sie schaffen mit der Trennung von erkennendem und eröffnendem Richter praktisch eine neue Zwischeninstanz. Sie schließen später den eröffnenden Richter von der Hauptverhandlung aus. Was das für die Praxis bedeutet, habe ich nachgeprüft. Ganz kurz: Ich habe mir das Handbuch der bayerischen Justiz — ich kann nur von Bayern reden — geben lassen. Wir Bayern haben ja immer Besonderheiten, auch hier. Wir haben die kleinsten Gerichte. Wir haben die meisten Einmann-Gerichte. Wir haben Landgerichte mit insgesamt 8 Richtern, nämlich einem Präsidenten, zwei Direktoren und fünf Räten. Sie bilden das ganze Landgericht. Ich könnte Ihnen die Namen nennen. Wir haben fünf Landgerichte, die zwölf Richter aufweisen, und wir haben ein Landgericht mit zehn Richtern.
Stellen Sie sich einmal vor, wie die Sache in der Praxis bei den Gerichten aussehen wird, wenn Sie diese Trennung schaffen und der eröffnende Richter dann beim erkennenden Gericht ausgeschlossen ist! Stellen Sie sich die Auswirkungen in der Praxis vor! Sie machen ein kleines Gericht fast bewegungsunfähig. Das ist also eine praktische Auswirkung. Sie können nicht sagen, Ida müßten mehr Richterstellen geschaffen werden. Dazu müßte zuerst das Geld herbei. Aber selbst wenn Sie das Geld bekämen, womit ich einverstanden wäre, bekämen Sie die erforderlichen Richter nicht. Das ist das Kreuz. Wir haben jetzt z. B. beim Landgericht München sieben unbesetzte Landgerichtsratstellen. Sie könnten sagen: Vielleicht hat das bayerische Justizministerium eine etwas verfehlte Personalpolitik betrie-
*) Siehe Anlage 9



Memmel
ben. Vielleicht ist etwas dran. Vor fünf, sechs Jahren haben wir Leute nicht genommen, die wir jetzt mit Handkuß nehmen würden. Ein Hauptgrund, daß heute niemand mehr in die Justiz gehen will, —von den anderen Gründen will ich jetzt nicht reden — liegt in den mangelnden Beförderungsmöglichkeiten; denn nur 20 °/o kommen über die Anfangsstufe hinaus. Dann ist neben anderen Gründen noch ein Hauptgrund, der es den jungen Juristen verleidet, bei der Justiz einzutreten. Der Richter ist, meine ich, zur Zeit doch der, der am meisten aushalten muß. Er wird beschimpft wenn er freispricht. Er wird beschimpft, wenn er verurteilt. Er wird in den Zeitungen sehr viel mehr, als es gut ist, „herumgezogen", hätte ich fast gesagt.

(Zuruf von der SPD: Sie übertreiben!)

— Na ja; aber Sie sehen doch, es geht aus diesen Gründen kein Mensch mehr zur Justiz. Sie können da nicht sagen: es müssen mehr Richter her, um dieses Dilemma, daß ein solches Gericht bewegungsunfähig wird, zu beseitigen.
Sie schaffen aber bei dieser Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Gericht noch etwas anderes. Sie gehen davon aus, daß der Richter, der eröffnet, befangen sei und deshalb beim erkennenden Gericht nicht mehr mitmachen könne. Wenn Sie diesen Gedanken folgerichtig weiterführen, müssen Sie auch den Richter, der die Verhandlung leitet und zum Zwecke der Verhandlungsleitung vorher die Akten studiert, ausschließen, weil er durch das Aktenstudium befangen bzw. schon etwas „voreingenommen" ist. Den müßten Sie dann auch ausschließen. Sie müßten dann noch weitergehen und — ich glaube, der Antrag kommt — den Haftrichter davon ausschließen, als erkennender Richter später tätig zu werden. Dann haben Sie wirklich das ganze Gericht lahmgelegt.
In dieser Vorschrift mit dieser Befangenheitsbegründung kommt auch ein gewisses Mißtrauen zum Ausdruck. Dem Richter trauen. Sie anscheinend alles und nichts zu. Sie gehen davon aus, daß er nicht die innere Freiheit habe, nachdem er eröffnet hat, auch sachgerecht zu entscheiden. Das hat er doch bis jetzt gekonnt. Von 1877 bis heute hat es gut getan. In dieser vorläufigen, wie Sie sagen, die vordringlichsten Aufgaben lösenden Strafprozeßreform hat das bestimmt nichts zu suchen.
Ich weiß, was Sie mit dem Antrag anstreben. Ihnen schwebt das Idealbild des königlichen englischen Richters vor, der oben sitzt, mit der Verhandlung nichts zu tun hat und über dem Ganzen schwebt und thront. Dann müssen Sie warten, bis man das wirklich ganz machen kann. Sie können aber nicht mit dem einen Stück anfangen.

(Abg. Jahn: Sie hören das Gras wachsen, und das noch falsch! — Heiterkeit.)

Zu Beginn des Berichtes des Kollegen Kanka ist zu lesen, daß mit ,dieser Strafprozeßreform nur die vordringlichsten Aufgaben gelöst werden sollen. Da muß ich fragen; ist es wirklich so vordringlich, daß man diese Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Richter schafft? Gäbe es nicht vordringlichere Aufgaben in der Strafprozeßordnung als dieses Problem? Wenn Sie wirklich vordringliche Aufgaben hätten lösen wollen, hätten Sie sich mit dem Problem der wiederholten Kindervernehmung in der ersten, zweiten und nach der Revisionsinstanz befassen müssen. Das wäre ein vordringliches Problem gewesen. Einen Anwalt auszuschließen oder eine Trennung von eröffnendem und erkennendem Richter vorzunehmen, halte ich nicht für ein vordringliches Problem. — Bitte, Herr Kollege Müller-Emmert, Sie wollen eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406927000
Haben Sie bei der Stellung Ihres Antrags auf Umdruck 236 auch beachtet, daß in Art. 11 des Entwurfs auch eine Änderung des § 58 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehen ist, wobei gerade auf die kleinen Gerichte in Bayern in dieser Hinsicht erheblich Rücksicht genommen wurde, nämlich dadurch, daß die Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte Entscheidungen in Strafsachen zuzuweisen? Gerade deshalb wurden die Absätze 1 und 2 des § 58 des Gerichtsverfassungsgesetzes geändert.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406927100
Herr Kollege Müller-Emmert, ich habe das gelesen und weiß, daß man wegen der besonderen Belastung diese Bestimmung hineingenommen hat. Ich wehre mich aus zwei Gründen gegen die angeführte Trennung. Sie ist nicht vordringlich, und das Problem ist nicht jetzt zu lösen. Sie können nicht ein Stück von dem vorwegnehmen, was Ihnen als endgültige große Strafprozeßreform vorschwebt. Zweitens wehre ich mich dagegen, weil mit dieser Befangenheitsthese ein — ich will einmal sagen — gewisses Mißtrauen gegen den Richter gesetzt wird.
Sie machen hier aber noch etwas anderes. Der eröffnende Richter eröffnet ja nicht für sich, sondern für den anderen. Wenn er die Eröffnung ablehnt, muß er einen Beschluß machen und begründen. Wenn er nicht ablehnt, sondern nur eröffnet, hat der andere die Arbeit. Sehen Sie darin nicht eine gewisse Gefahr? Wir wollen doch einmal ganz menschlich über diese Dinge reden. — Bitte, Herr Kollege Jahn, Sie möchten eine Zwischenfrage stellen.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406927200
Herr Kollege Memmel, würden Sie mir nicht recht geben, wenn ich sage, daß Sie jetzt im Begriff sind, ein etwas gefährliches Argument zu gebrauchen, indem Sie dem Ritcher genau das Mißtrauen entgegenbringen, gegen das Sie sich soeben verwahrt haben?

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406927300
Nein, Herr Kollege Jahn, ich bringe kein Mißtrauen entgegen, sondern ich sage nur, man muß sehen, wie sich das Ganze in der Praxis auswirkt, wenn dieser Vorschlag hier Gesetz wird. Sie wollen damit nur einen Richter haben, der z. B. vor der Großen Strafkammer eröffnet. Dann sagt doch die Kammer: Ja, wie ist das denn, der hat uns das jetzt zugeschustert! Sehen Sie, wie das Ganze dann aussieht. Was ist mit der Bestimmung, daß die Kammer auch vor einem Gericht niederer



Memmel
Ordnung eröffnen kann? — Das sehe ich auch nirgends in dieser Geschichte. Unter Umständen predige ich bei Ihnen nur tauben Ohren, aber ich bin der Meinung, daß Sie das nicht in dieses Paket der „kleinen" Strafprozeßreform hätten hineinpacken sollen, weil es nicht vordringlich ist und weil es im Endergebnis auch falsch ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406927400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406927500
Herr Memmel, nur eine Zwischenfrage auf Grund Ihres letzten Hinweises. Kennen Sie § 209 der Strafprozeßordnung, der weiterhin gelten soll und der die Möglichkeit gibt, daß das Landgericht durchaus auch bei einem niedrigeren Gericht eröffnen kann?

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406927600
So ist die geltende Regelung.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406927700
Dann verstehe ich Ihre soeben gemachten Ausführungen nicht.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406927800
Sie schaffen den Eröffnungsrichter; der muß nun eröffnen. Wenn er beim Landgericht eröffnet, kann das Landgericht nicht trotz der Eröffnung durch den Eröffnungsrichter beim Landgericht sagen: Nein, jetzt gehen wir hinunter zum Schöffengericht. Das geht doch nicht. Darauf läuft aber Ihre Frage hinaus.

(Zuruf von der SPD: Wozu auch?)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, überlegen Sie sich das noch einmal! Was hier gemacht wird, ist etwas, das muß man auch sagen, was nicht in der Regierungsvorlage enthalten war. Das kam vielmehr durch den Ausschuß hinein. Überlegen Sie sich das reiflich.
Ich bitte Sie also, unserem Antrag zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406927900
Herr Abgeordneter Jahn!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406928000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Herr Kollege Memmel hier so herzlich bittet, fällt es einem fast schwer, ihm diese Bitte abzuschlagen. Ich muß es trotzdem tun, weil ich ihm den Vorwurf nicht ersparen kann, daß die Debatte, die er jetzt hier zu beginnen versucht, eigentlich etwas verspätet ist. Herr Kollege Memmel, diese Dinge haben wir im Ausschuß mit einer, so darf ich wohl sagen, besonderen Gründlichkeit und Ausführlichkeit behandelt. Was Sie hier gesagt haben, läßt einfach eine ganze Fülle von Tatsachen außer acht.
Ich will gar nicht darauf eingehen, daß sich Herr Kollege Kanka und die CDU/CSU-Fraktion in einer Reihe von Anträgen noch mit einigen Einwendungen beschäftigen werden, die Sie hier vorgetragen haben. Ich möchte mich auf die beiden Punkte beschränken, die Sie in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen gestellt haben.
Zunächst die Behauptung, das Ganze sei nicht vordringlich. Sie haben sicherlich übersehen, daß Sie sich damit in einen erklärten Gegensatz zur Regierungsvorlage stellen. Bei der Schaffung der Regierungsvorlage war man durchaus der Meinung, daß es vordringlich und im Rahmen einer „kleinen" Reform zu bewältigen sei, eine Verstärkung des Zwischenverfahrens vorzunehmen. In der Regierungsvorlage wurde vorgeschlagen, ein staatsanwaltschaftliches Schlußgehör einzuführen, eine Regelung, für die alles das gilt, was Sie über die Mehranforderungen von Richterstellen gesagt haben, in diesem Fall nur für staatsanwaltschaftliche Stellen.
Wir haben im Rechtsausschuß lediglich zu überlegen gehabt, ob diese vorgeschlagene Regelung wirklich sachdienlich ist oder ob es nicht richtiger ist, statt den Staatsanwalt über das Ergebnis seiner eigenen Arbeit urteilen zu lassen, die so gewichtige Frage, ob gegen einen Beschuldigten eine Hauptverhandlung stattfinden soll oder nicht, durch einen unabhängigen Richter nachprüfen zu lassen. Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, ohne etwas Neues zu machen. Wir haben einfach ein bestehendes Institut, nämlich die Notwendigkeit, das Verfahren ausdrücklich eröffnen zu lassen, etwas ausgestaltet gegenüber dem Zustand, der es heute unserer Auffassung nach allerdings nicht immer in vollem Umfange gestattet, die Möglichkeiten zu nutzen, die zum Schutze des Beschuldigten im Gesetz vorgesehen sind.
Als zweites sagen Sie, wir gingen von einer These aus, die ungerecht sei, die willkürlich sei und die dem Richter etwas Bösartiges unterstelle; man begegne ihm mit Mißtrauen und betrachte ihn von vornherein als befangen. Dieses Argument stammt aus einer Denkschrift, die nicht besonders glücklich ist, nämlich aus einer Denkschrift des Deutschen Richterbundes, von der ich wünschte, sie wäre an manchen Stellen nicht in dieser Form geschrieben worden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Hier wird nämlich uns, dem Parlament, etwas unterstellt, und man verwahrt sich gegen etwas, was man umgekehrt dann selber übt. Ich möchte mir gar nicht die Mißtrauenstheorie, die Herr Dr. Güde heute morgen hier entwickelt hat, zu eigen machen. Ich glaube nicht, daß sie zutreffend ist.

(Abg. Dr. Kanka: Doch!)

— Nein.
Ich möchte auf folgendes hinweisen. Es geht ja nicht nur darum, ob der Richter befangen ist. Ich würde das gar nicht einmal für alle Fälle ausschließen, so wenig wie ich das zu einer allgemeinen Theorie zu machen wünsche. Aber berücksichtigen Sie bitte einmal folgendes: Wir gestalten jetzt das Zwischenverfahren etwas stärker, mit mehr Möglichkeiten für den Eröffnungsrichter, sich auch mit den Argumenten, Vorstellungen und Vorschlägen des Beschuldigten auseinanderzusetzen. Es kann nach dem Ermessen des Eröffnungsrichters sogar zu einer Verhandlung kommen. Das bedeutet also: er wird mit der Sache in einer Art und Weise befaßt,



Jahn
die eine sehr viel stärkere Anteilnahme erfordert als die bloß bürokratische Erledigung, um die es sich in der Regel heute handelt. Dann kann doch eigentlich dem Eröffnungsrichter nicht sehr wohl zumute sein, wenn er dieselbe Diskussion, die er zunächst mit den Beteiligten darüber geführt hat, ob es überhaupt notwendig sei, eine Hauptverhandlung zu führen, nachher in abgewandelter Form in der Hauptverhandlung noch einmal führen muß. Das ist einfach keine gute Lösung.
Schließlich wirken in einem Strafverfahren nicht nur die Richter mit, sondern bekanntlich geht es dann auch nicht ohne den Angeklagten, und es ist vielleicht ganz nützlich, auch einmal an die Situation des Angeklagten zu denken und von daher eine Wertung vorzunehmen, die Wertung nämlich, wie sich der Angeklagte vorkommen muß, der einem Richter gegenübersteht, der schon gewisse Sachbewertungen in der Entscheidung vorweggenommen hat. Es kommt ja auch darauf an, daß das Gericht aus der Sicht des Angeklagten glaubwürdig und unvoreingenommen dasteht. Es kommt nicht nur darauf an, wie der Richter sich fühlt, sondern auch darauf, wie er von dem Betroffenen gewertet wird. Die Frage nach dem Vertrauen in die Rechtsprechung, nicht nur hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit, sondern auch hinsichtlich ihrer Unvoreingenommenheit, ist eine Frage, die man nicht leichthin abtun kann.
Ich möchte mir also das Argument nicht nur nicht zu eigen machen, sondern ausdrücklich zurückweisen, daß wir im Rechtsausschuß von derartigen Überlegungen ausgegangen seien, wie sie uns von Ihnen — und in Verbindung damit auch vom Deutschen Richterbund — unterstellt werden. Wir haben diese Fragen sehr eingehend und sehr sorgfältig geprüft.
Wir haben auch geprüft, ob es jetzt tatsächlich zu einer so außerordentlichen personellen Mehrbelastung kommt. Einmal kann die personelle Mehrbelastung im Ergebnis nicht größer sein als bei dem Regierungsentwurf, dessen Wiederherstellung Sie ja ausdrücklich verlangen. Dieses Argument kann also gar nicht überzeugen.
Zum anderen haben wir natürlich das Problem gesehen, daß es kleine Landgerichte, kleine Gerichtsbezirke gibt und dort die Trennung von eröffnendem und erkennendem Richter gewisse Schwierigkeiten bereiten kann. Deshalb die ausdrückliche Ermächtigung an die Justizverwaltungen, entsprechende Regelungen zu treffen. Sie erlaubt eine Zusammenfassung mehrerer Bezirke und gibt auf diese Weise ,die Möglichkeit, die Dinge zu klären.

(Abg. Dr. Dittrich: Eben nur bei den Amtsgerichten, nicht bei den Landgerichten!)

— Natürlich auch bei den Landgerichten. Auf diese Weise ist jedenfalls den Bedenken hinreichend Rechnung getragen.
Trotz der Bitte des Herrn Kollegen Memmel kann ich also nur darum bitten, seinen Antrag zurückzuweisen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406928100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schlee.

Albrecht Schlee (CSU):
Rede ID: ID0406928200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bitte hören Sie noch mit Geduld einige Sätze zu dem Problem an, das hier zur Diskussion steht. Zunächst einmal handelt es sich auch um den § 202 a, der jetzt eingeführt werden soll. Mit diesem Paragraphen soll in Zukunft für das Gericht die Möglichkeit geschaffen werden, in einer Teilverhandlung, in einer nichtöffentlichen Verhandlung auf Grund von Beweisaufnahmen zu entscheiden, ob es zu einer öffentlichen Verhandlung kommen soll. Es soll also in unserem Strafverfahren die Möglichkeit eingebaut werden, daß in nichtöffentlicher richterlicher Verhandlung entschieden wird, ob man den Bürger zwingen will, in einer öffentlichen Verhandlung vor Gericht zu erscheinen. Das ist eine Regelung, das ist ein Gedanke, dem man nicht von vornherein ablehnend gegenübertreten kann. Ich glaube sogar, daß das ein Gedanke ist, der sehr wohlwollender Prüfung bedarf.
Nach der jetzt geltenden Strafprozeßordnung ist es so, im großen gesprochen, daß der Staatsanwalt seine Anklage erhebt. Er ruft das Gericht an, und das angerufene Gericht prüft, ob nach dem, was der Staatsanwalt mit seiner Anklage oder nach dem Ergebnis der Voruntersuchung vorlegen kann, es sich überhaupt lohnt, eine Hauptverhandlung durchzuführen, ob man nicht vielmehr die Sache a limine von vornherein abweisen muß.
Der neue Gedanke einer Prüfung durch eine nichtöffentliche Verhandlung, ob eine öffentliche Verhandlung mit all den Folgen für das Ansehen des Bürgers folgen soll, ist sehr gut. Aber das ist eine Sache, die der „großen" Strafverfahrensreform vorbehalten werden sollte. Es sind Ihnen bereits Entschließungen vorgelegt worden, mit denen Sie die Regierung auffordern sollen, eine Kommission für die Reform des Strafverfahrensrechts einzurichten. Dorthin gehört diese Frage, ob wir unser Strafverfahrensrecht in ,dieser Weise in Zukunft umbauen wollen, daß wir trennen: ein Ermittlungsverfahren, das mit einer nichtöffentlichen Verhandlung abschließt, und ein etwa sich anschließendes Hauptverfahren mit der öffentlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.
Dazu muß man aber auch die Länder hören. Denn die Länder sind es, die den Justizapparat für dieses Verfahren zur Verfügung zu stellen haben. Sie müssen wissen, ob der gegenwärtig vorhandene Justizapparat nach der Zahl seiner Mitglieder imstande ist, ein solches neues Verfahren durchzuführen. Man muß auch wissen, ob und wie man umbauen muß und kann. Deshalb sollte man hier auch nicht den Anfang setzen, sondern man sollte es bei den bisherigen Bestimmungen belassen.
Damit komme ich zu dem zweiten Kernpunkt unseres Antrages: daß man den mit der Eröffnung befaßten Richter nicht ausschließen soll. Bitte, bedenken Sie: der Richter, der nach dem geltenden Recht darüber entscheidet, ob er eine Sache auf Grund der Anklage zur öffentlichen Hauptverhandlung bringen will, steht dem Angeklagten ja nicht feindlich gegenüber. Es ist durchaus ein Unterschied, ob in dem Augenblick, in dem eine Anklage erhoben



Schlee
wird, in dem das Ergebnis einer Voruntersuchung vorgelegt wird, die Umstände einen Tatverdacht begründen oder ob sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ergibt, daß kein ausreichender Beweis vorliegt, der zur Verurteilung genügt.
Es wird immer wieder eingewendet, man könne dem Angeklagten nicht zumuten, vor einem Richter zu stehen, der schon einmal den hinreichenden Tatverdacht bestätigt hat. Es ist erst recht ein Irrtum, daß der Richter befangen sei, weil er in der Eröffnung des Hauptverfahrens einen hinreichenden Tatverdacht angenommen hat, oder daß es dem Richter schwerfalle, für sein Urteil von diesem Tatverdacht wegzukommen. Ich betone noch einmal: die Lage ist ja auch für den Richter eine ganz andere. Er hat am Schluß das ganze Ergebnis seiner Beweisaufnahme vor sich.
Bisher ist das — seit 1877 — so gehandhabt worden. Es sind, Herr Kollege Jahn, tatsächlich Anklänge vorhanden, den Richter in seiner Ehre, in seiner Unbefangenheit und in seinem Ansehen immer weitergehend einzuschränken. Wenn heute schon in vielen Ländern Schwierigkeiten auftauchen, weil qualifizierte junge Juristen sich nicht mehr allzu leicht entschließen, in den Justizdienst einzutreten, wo sie eine sehr umfangreiche Arbeit zu leisten haben, wo es keine 40-Stunden-Woche und keinen 8-Stunden-Arbeitstag gibt, dann haben auch wir, meine Damen und Herren, hier unser Teil dazu beigetragen.
I Ich möchte zusammenfassend sagen: Der Vorschlag einer nichtöffentlichen Verhandlung zur Prüfung, ob es überhaupt zu der Qual einer öffentlichen Verhandlung kommen soll, ist sehr wohlwollend zu prüfen. Aber er gehört nicht hierher. Er gehört in die große Reform des Strafverfahrens. Hier bei der kleinen Reform des Strafprozeßrechts besteht kein zwingender Grund, es nicht so zu belassen, wie es bisher war, und den Justizapparat der Länder dadurch, daß man die Richter, die das Eröffnungsverfahren abschließen, vom erkennenden Verfahren ausschließt, in ungeheure personelle Schwierigkeiten zu bringen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406928300
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406928400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Bundesregierung möchte ich dem Antrag der Abgeordneten Memmel, Schlee und Genossen beitreten.
Herr Memmel hat davon gesprochen, daß es sich hier um einen Kernpunkt der Reform handle. Nun, das trifft nicht zu. Es ist ein Hauptstreitpunkt der Reform. Kernpunkt war er von vornherein nicht. Er ist erst durch den Ausschuß hereingekommen. Das ist der Punkt, in dem ich der Arbeit des Rechtsausschusses an diesem Gesetzentwurf widerspreche, die ich sonst durchaus würdige und der ich durchaus bestätige, daß sie zur Verbesserung des Entwurfs in vielen Punkten beigetragen hat. Aber hier handelt es sich nicht um eine Verbesserung.
Ich unterstelle zwar denen, die diese Frage hier hereingebracht haben und die sich in allen Fraktionen finden, nicht, daß sie das etwa als ersten Schritt auf dem Wege zum angelsächsischen Strafverfahren betrachten; das sicher nicht. Hier muß man sich doch sagen: Wenn schon, dann eine große Reform; dann überlegen wir uns auch, ob wir dem angelsächsischen Vorbild folgen wollen. Wenn man glaubt, der Richter sei voreingenommen, — dann gut, weg mit den Akten und so verfahren wie in England und Amerika!
Aber ich habe nun wirklich auch in der Praxis als Anwalt nicht die Erfahrung gemacht, daß ein Richter deshalb voreingenommen ist, weil er das Verfahren eröffnet hat. Man hat übrigens jetzt in § 207 eine sehr glückliche Formulierung gefunden: er läßt die Anklage zu. Schon diese Formulierung zeigt, daß er gar keine Prognose stellt. Es ist etwa so, wie wenn man im Zivilverfahren prozeßhindernde Einreden durch ein Zwischenurteil zurückweist. Auch damit ist noch nicht festgelegt, ob die Klage in der Sache Erfolg haben wird. Diese Voreingenommenheit des Richters scheint mir also doch nicht zu befürchten zu sein.
Auf der anderen Seite stehen sehr viele praktische Bedenken. Ich brauche dazu nicht mehr viel zu sagen; das ist schon vorgetragen worden. Es muß damit gerechnet werden, daß es zu einer erheblichen Vermehrung der Zahl der Richter kommt. Ob das nun 10% oder mehr sind, jedenfalls wird es den Ländern Schwierigkeiten machen. Denken Sie bitte auch an das verfahrensrechtliche Schicksal dieser Novelle! Dieser Vorschlag würde unweigerlich bedeuten, daß der Bundesrat den Vermittlungsausschuß anrufen wird. Selbstverständlich ist das kein entscheidendes Argument gegen sachliche Argumente. Aber man kommt nicht um die Feststellung herum, daß eine Vermehrung der Richterstellen notwendig würde.
Herr Kollege Jahn, Sie haben gesagt, das wäre wegen des Schlußgehörs auch nach dem Regierungsentwurf der Fall gewesen. Einmal erfordert das Schlußgehör nicht so viele zusätzliche Staatsanwaltsstellen — das kann man sicher sagen — wie die Trennung, die hier vorgenommen werden soll. Zum anderen ist das Schlußgehör auch jetzt noch drin, wenn auch in bescheidenerem Umfang. Es handelt sich hier also nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein Plus.
Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß der eröffnende Richter den hinreichenden Tatverdacht bejaht, während der Haftrichter den dringenden Tatverdacht bejaht.
Nun ist ja heute von den Kollegen Besold, Busse und Kanka der zusätzliche Antrag vorgelegt worden, zu dem nachher noch zu sprechen sein wird, daß auch die Richter, die mit der Haft befaßt sind, ausgeschlossen sein sollen. Dieser Antrag ist natürlich eine durchaus logische Folgerung. Wenn man schon das hier macht, muß man das andere erst recht machen. Aber, wie gesagt, man wird nachher dazu zu sprechen haben, weshalb diese Sache noch weniger geht. Auch der Hinweis von Herrn Kollegen Jahn auf den § 58 GVG zieht nicht. Dieser be-



Bundesminister Dr. Bucher
zieht sich ja nur auf die Möglichkeit einer Zusammenlegung der Strafsachen bei Amtsgerichten; aber bei Landgerichten ist es ja noch viel schwieriger.
Herr Kollege Dittrich machte mich auf die Situation an kleineren Landgerichten in Bayern aufmerksam. Es gibt hier eine Liste von zwölf Landgerichten mit 8 bis 13 Planstellen, also 8 bis 13 Richtern
— Zivil- und Strafsachen — insgesamt, z. B. Deggendorf 8, Ansbach 10, die übrigen 12 und 13. Wenn ein Landgericht nur 8 Richter hat, liegt es auf der Hand, daß dort nur eine Strafkammer besteht. Wenn ihre drei Richter ausgeschlossen sind, müssen Zivilrichter herangezogen werden, um in Strafsachen zu entscheiden. Sie sehen also, daß praktisch ungeheure Schwierigkeiten entstehen und daß man, wenn man diesen Gedanken verfolgt, dies in einer „großen" Reform tun muß. Bei dieser kleinen, vorläufigen Reform sind wir damit einfach überfordert.
Ich bitte deshalb ebenfalls das Hohe Haus, dem Antrag des Abgeordneten Memmel und Genossen zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406928500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406928600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sehr verehrte Herr Kollege Memmel hat, als er vorhin für die Änderung des § 136 der Strafprozeßordnung plädierte, die von ihm vorgeschlagene Fassung vorgelesen und hat gesagt, mit ihr werde die Fassung wiederhergestellt, die seit 1877 gegolten habe. Er hat auch das Gesetz von 1877 im Wortlaut vorgelesen und erklärt: „Punkt, Schluß, aus, so war .es, so ging es seit 1877".

(Abg. Memmel: Das ist doch vorbei!)

— Augenblick, jetzt komme ich auf die Rechtslage von 1877 im Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluß zu sprechen.

(Abg. Jahn: Sehr gut!)

Wenn ich nämlich das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozeßordnung der Zeit von 1877 nehme, stelle ich fest, daß in diesen Gesetzen noch eine hinreichend deutliche Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Gericht vorgeschrieben war. So war beispielsweise bei den ganz wichtigen Sachen, die zur erst- und letztinstanzlichen Zuständigkeit des Reichsgerichts gehörten, bestimmt, daß eröffnendes Gericht der Erste Strafsenat des Reichsgerichts und erkennendes Gericht der vereinigte Zweite und Dritte Strafsenat sein sollte. Ähnlich war es bis hinunter zu den unteren Instanzen.
Diese Idee der Trennung von eröffnendem und erkennendem Gericht war also bereits im Gesetz verkörpert, und das mit guten Gründen. Erst die Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg und während der Inflationszeit haben im Zusammenhang mit der sogennten Emmingerschen Justizreform diese klare
und für rechtsstaatliche Begriffe notwendige Unterscheidung zwischen eröffnendem und erkennendem Gericht verwischt.
Für das, was wir hier tun, ist es höchste Zeit; denn schauen wir einmal, was unser Gesetz jetzt für Rechtens hält! Unser Gesetz hält es für Rechtens, daß in den schwierigeren Sachen, die zur Zuständigkeit etwa des Bundesgerichtshofs gehören, oder in sonstigen schwierigeren Sachen, bei denen die gerichtliche Voruntersuchung vorgeschrieben ist und durchgeführt wird, dann, wenn die Staatsanwaltschaft den Antrag stellt, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen, und wenn das Gericht diesem Antrag nicht entspricht, sondern die Hauptverhandlung anordnet, der Angeklagte vor einem Gericht erscheint, das gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft die Hauptverhandlung angeordnet, die Anklage erzwungen hat.

(Abg. Memmel: Pflichtgemäß!)

— Wie es der Richter für seine Pflicht gehalten hat. Aber das ist doch eine Situation, in die man einen Angeklagten nicht bringen kann und in die man auch das Gericht nicht bringen sollte.
Die Trennung von eröffnendem Gericht und erkennendem Gericht ist also, ich sage es noch einmal, eine Einrichtung unseres .alten Rechts von 1877, als dessen Lobredner Sie hier aufgetreten sind, Herr Kollege Memmel. Aber nicht nur bei uns gab es, als noch nicht die bösen Zeiten des 1. Weltkrieges und der Inflation über unser Land hinweggegangen waren, diese Regelung; vielmehr gilt sie auch im benachbarten Rechtsgebiet. Das französische Recht sieht vor, daß die Richter, die an dem Arrêt d'accusation, wie es dort heißt, also an dem Eröffnungsbeschluß mitgewirkt haben, kraft Gesetzes von dem erkennenden Gericht ausgeschlossen sind. Vom angelsächsischen Recht ganz zu schweigen! Da ist der Gedanke, daß ein Angeklagter vor Richtern erscheinen muß, die ihm schon bescheinigt haben, daß sie ihn für hinreichend verdächtigt halten, vollkommen unmöglich.
In der Wiederherstellung des guten alten Rechts
— jetzt gebrauche ich Ihre Wendung, Herr Kollege Memmel — von 1877, in dem eröffnender Richter und erkennender Richter getrennt waren, liegt nichts von bösem, grundlosem persönlichem Mißtrauen gegen unsere Richter. Wir haben auch noch andere Vorschriften dieser Art im geltenden Recht, die Sie nicht angreifen wollen, beispielsweise die Vorschrift, daß der Untersuchungsrichter nicht im erkennenden Gericht sitzen soll. Das hat auch nichts mit persönlichem Mißtrauen gegen den Untersuchungsrichter zu tun. Ich kann mir sogar vorstellen, daß es Staatsanwälte gibt, die sich, wenn sie in der gleichen Sache als Richter sitzen müßten, von dem Urteil, das sie als Staatsanwalt gefaßt haben, lösen könnten. Noch viel mehr kann ich mir Entsprechendes von einem Untersuchungsrichter vorstellen. Ich kann mir auch vorstellen, daß sich ein Richter, der im Vorverfahren erkennender Richter war, bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens von seiner ursprünglichen Meinung loslösen könnte; und trotzdem sind wir im Begriff, ,auch



Dr. Kanka
in dieser Hinsicht eine saubere Trennung durchzuführen.
Das hat, wie gesagt, nichts mit persönlichem Mißtrauen zu tun, sondern damit, daß das Vertrauen in die absolute innere Unabhängigkeit des Richters auch beim Angeklagten, der von ihm sein Recht nehmen soll, wiederhergestellt werden muß. Dazu ist es eben notwendig, daß ein Angeklagter nicht vor einen Richter hintreten muß, der ihm schon zu erkennen gegeben hat, daß er ihn für hinreichend verdächtig hält, oder der gar die Staatsanwaltschaft veranlaßt hat, eine Anklage zu erheben, oder der ihm gesagt hat: Du bist dringend verdächtig.
Ich glaube also, daß der Rechtsausschuß mit seinem Vorschlag durchaus einen richtigen Weg beschritten hat, den zu beschreiten höchste Zeit war, wenn es uns darum geht, die Grundsätze des fair trial und einer möglichst sauberen rechtsstaatlichen Ordnung in unserem Prozeß zu verwirklichen.
Das läßt sich auch praktisch durchaus leisten. Es wird ja kein Mehr an Arbeit verlangt, es kommt nur darauf an, daß die Arbeit anders verteilt wird, und das ist Sache der geschickten Geschäftsverteilung durch die Präsidien der Gerichte.
Es ist gesagt worden — das wird sogar vom Richterbund gesagt —: „Wenn ihr jetzt zum eröffnenden Richter einen Richter macht, der nur eröffnet und nicht auch nachher als erkennender Richter zu entscheiden hat, dann wird er leichtfertig eröffnen!" Da muß man doch sagen: Was ist das für ein böser und unberechtigter Vorwurf gegen unsere Richter! Als ob wir Richter hätten, die bei der sehr wichtigen Entscheidung, ob der Beschuldigte aus dem Stand des Beschuldigten in den Stand des Angeklagten einrücken soll, sagen: „Das ist uns ganz gleichgültig, wie haben ja die Sache nicht zu machen; wir eröffnen zunächst einmal das Verfahren!" An diese Richter glaube ich nicht. Ich glaube an Richter, die jede Frage sehr sorgfältig prüfen.
Im übrigen können wir es bei der Geschäftsverteilung so machen, daß bei einem bestimmten Komplex von Sachen die Kammer 1 eröffnende Kammer und die Kammer 2 erkennende Kammer ist und umgekehrt.

(Zuruf von der CDU: Wenn aber nur eine Kammer da ist!)

— Wir haben in unserer Justiz zwar noch eine ganze Masse recht kleiner Gerichte, und ich will hier nicht gegen die kleinen Gerichte plädieren. Aber ich habe mir die Justizstatistik angeschaut und festgestellt: wenn wir auch noch die Richter der Amtsgerichte am gleichen Ort hinzunehmen, dann haben wir eine solche Besetzung, daß wir die Trennung, wie wir sie vom Rechtsausschuß vorschlagen, absolut durchführen können.
Auch diese Einwendungen schlagen also nicht durch. Man wird sich darüber mit den Herren von den Landesjustizverwaltungen noch auseinandersetzen können. Aber sollen denn etwaige lokale Schwierigkeiten gegenüber der Forderung nach sauberer, klarer, rechtsstaatlicher Trennung und nach einem echten fair trial zurücktreten? Sollte man nicht
die praktischen Verhältnisse so gestalten, dar diese Forderung erfüllt werden kann?
Ich bin der Meinung, das Hohe Haus sollte der Vorlage des Rechtsausschusses beitreten. Dann wird die Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Landesjustizverwaltungen dafür zu sorgen haben, daß die Verhältnisse im ganzen Bundesgebiet entsprechend geordnet werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406928700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoogen.

Matthias Hoogen (CDU):
Rede ID: ID0406928800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben aus dem Munde meiner Vorredner gehört, daß die Vorschrift, um die es hier geht, im Rechtsausschuß in den Gesetzentwurf eingefügt worden ist. Ich gehöre zu der Minderheit des Rechtsausschusses, die von Anfang an den gegenteiligen Standpunkt, d. h. den Standpunkt der Bundesregierung, vertreten hat, weil sie der Meinung ist, daß man bei allen Überlegungen, die angestellt worden sind und die auch heute hier zum Teil vorgetragen worden sind, von einem nicht richtigen Berufsbild des Richters ausgeht.
Es ist zwar immer und ist auch heute wieder von den Anhängern der Ausschußvorlage bestritten worden, daß behauptet werde, daß sich bei dem Richter, der das Hauptverfahren eröffnet oder, wie es in Zukunft heißen soll, die Anklage zugelassen habe, ein Vorurteil über die Schuld des Angeklagten festsetze. Aber in Wirklichkeit liegt doch diese Meinung der Änderung zugrunde. Das will man dadurch beseitigen, daß man nunmehr den Eröffnungsrichter von dem erkennenden Richter trennt. Ich persönlich glaube, daß das ein nicht richtiges Verfahren ist, und ich habe mich hier nicht zum Wort gemeldet, weil ich rechthaberisch bin und im Rechtsausschuß unterlegen bin, sondern weil ich glaube, daß man das im Interesse des Richterstandes hier auch öffentlich sagen sollte.
Denn wie ist die Situation eines Richters? Ein Richter — ich meine jetzt den erkennenden Richter, der sich mit Strafsachen zu befassen hat — steht unter dem permanenten Vorbehalt, daß er von Sekunde zu Sekunde, von Minute zu Minute je nach der Beweislage im Prozeß seine Meinung dieser Prozeßlage anpassen muß und bereit sein muß, sich dieser Lage anzupassen; denn sonst ist er kein Richter.
Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, ich habe das Vertrauen zum deutschen Richterstand, daß er diesem Berufsbilde, wie ich es soeben mit ein paar Sätzen skizziert habe, entspricht und daß wir, wenn das nicht der Fall sein sollte, das mit einer solchen gesetzlichen Vorschrift nicht schaffen.

(Abg. Memmel: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren! Ich darf diesen Gedanken noch etwas vertiefen. So ist es doch im Prozeß: Der Richter trifft vor dem eigentlichen Urteil eine Reihe von Entscheidungen, denen Sie entgegenhalten können — wenn Sie glauben, daß die vom



Hoogen
Ausschuß vorgeschlagene Regelung richtig ist —, daß er sich dadurch festgelegt habe. Aber alle diese Entscheidungen sind doch nicht das Urteil, d. h. das Endurteil, sondern es sind Entscheidungen auf dem Wege zum Endurteil hin, und der Richter ist — muß es nicht nur sein, sondern, das muß man im Interesse des deutschen Richterstandes sagen, ist es in aller Regel — dieser immer notwendigen Neueinstellung und Umeinstellung offen. Wie gesagt, wenn er das nicht ist, dann ist er kein Strafrichter, und dann ist es, wie ich glaube, nicht so sehr eine Frage der Änderung der Strafprozeßordnung, sondern einer anderweitigen Personalpolitik und einer anderweitigen Ausbildungsordnung für Richter, wenn wir der Meinung sein sollten, daß hier Remedur zu schaffen sei. Ich bin dieser Meinung nicht.
Meine Damen und Herren, die Sie dieser Ausschußvorlage im Ausschuß zugestimmt und sich heute dafür ausgesprochen haben: wenn Sie konsequent sind, müßten Sie eigentlich folgendes zusätzlich beantragen, weil doch immer der Unterton mitklingt, daß der Richter, der die Anklage zugelassen habe, in der Schuldfrage irgendwie befangen sein könnte, weil er doch die Akten studiert habe, und ich hoffe, sehr sorgfältig studiert hat. Da Sie doch auch in Zukunft wollen, daß der Vorsitzende des Gerichts die Verhandlung leitet — diese Vorschrift soll ja doch, wie ich hoffe, bleiben; es ist keine Änderung vorgeschlagen —, glaube ich doch mit Ihnen der Meinung zu sein, daß dieser Richter die Akten kennen muß, sehr genau kennen muß. Denn ich als Verteidiger möchte nicht, und ich glaube, kein Staatsanwalt möchte es, mit einem Vorsitzenden zu tun haben, der die Akten nicht sehr genau kennt; denn mit einem, der sie nicht kennt, könnte er, glaube ich, die Wahrheit, die Schuld des Angeklagten nur sehr schwer finden.
Die Konsequenz aus einem solchen Antrag wäre etwa eine Bestimmung, die da hieße: „Dem Vorsitzenden des erkennenden Gerichts wird das Aktenstudium untersagt." Das, glaube ich, wollen Sie doch wohl alle nicht. Ohne eine solche Bestimmung bleibt aber die ganze Geschichte Bruchstückwerk. Ich bin mit dem Herrn Bundesjustizminister der Meinung, daß man dem Antrage des Herrn Kollegen Memmel zustimmen sollte, der allerdings, das sage ich jetzt schon hinzu, da ich die Materie auch in anderen Punkten kenne, viele Konsequenzen bei anderen Teilen des Gesetzentwurfes hat. Darüber, glaube ich, sollte ich nicht jetzt sprechen, sondern dann, wenn es an der Zeit ist; denn dann wird die Vorlage noch in irgendeiner Form, sei es durch Zurückverweisung, sei es durch eine größere Pause zwischen der zweiten und dritten Lesung, noch einmal im Rechtsausschuß behandelt werden müssen. Aber das zu erörtern ist im Augenblick noch nicht an der Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406928900
Das Wort hat der Abgeordnete Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0406929000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich unterstelle allen Kollegen, die zu diesem Thema hier gesprochen haben, daß
sie die größtmögliche Rechtsstaatlichkeit wünschen. Ich wehre mich aber dagegen, daß der Kollege Kanka von dieser Stelle aus den Beschluß des Rechtsausschusses so leidenschaftlich verficht und vermeint, die anderen, die etwas anderes wollen, die etwa den Antrag der Kollegen Memmel und Genossen unterstützen, wünschten diese Rechtsstaatlichkeit nicht in derselben Weise. Würde man zu einem solchen Ergebnis kommen, Herr Kollege Kanka, müßte man sagen, daß die bisherigen Verfahren, die in unserer Bundesrepublik auf Grund dieser bestehenden Ordnung durchgeführt wurden, nicht dieser Rechtsstaatlichkeit entsprochen hätten.
Ich möchte mich mit dem Thema., das mein Kollege Hoogen von der Warte des Vorsitzenden des Rechtsausschusses beleuchtet hat, jetzt nicht weiter befassen. Ich möchte mich aber mit zwei Konsequenzen beschäftigen.
Zu einem Punkt hat der Herr Justizminister auf meine Anregung bereits gesprochen. Ich habe eine gewisse Sorge bei der Besetzung der Gerichte. Denn wenn Sie, meine Damen und Herren, so wie es in § 23 Abs. 1 der Ausschußfassung steht, annehmen, daß ein Richter, der das Hauptverfahren eröffnet oder an einer solchen Entscheidung mitgewirkt hat, von der Mitwirkung im Hauptverfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, dann müssen Sie bedenken, daß das nicht ohne Konsequenzen auf die Justizverwaltung bleibt. Der Justizminister hat in freundlicher Weise das Beispiel Deggendorf angeführt, wo gegenwärtig nur acht Richter sind. Würden nun drei Richter bei der Eröffnung des Verfahrens mitwirken, so würde das die Folge haben, daß zunächst einmal die Strafrichter sich mit der Eröffnung des Hauptverfahrens beschäftigten und die Zivilrichter dann die Hauptverhandlung durchführten.
Eine solche Konsequenz müssen Sie, meine Damen und Herren, nicht nur bei dem Gericht, das ich eben anführte, in Kauf nehmen, sondern bei einer ganzen Reihe von Gerichten. Das würde bedeuten, daß Sie entweder solche kleinen Gerichte aufheben müßten, was doch sicher nicht der Wunsch des Hauses sein kann, oder daß Sie diese Gerichte mit weiteren Richtern besetzen müßten, was zunächst einmal hinsichtlich des Personals zu Schwierigkeiten führen würde. Von dieser Seite aus melde ich Bedenken an.
Ein Zweites kommt noch hinzu. Nach dem angelsächsischen Recht studiert der Vorsitzende die Akten überhaupt nicht. Bei uns ist das anders. Würden wir das Verfahren durchführen, wie Sie es im Rechtsausschuß beschlossen haben, dann befürchte ich, daß sich, vor allem bei Prozessen, bei denen sehr dicke Aktenbündel vorliegen, zunächst einmal die eröffnenden Richter mit außerordentlich umfangreichen Akten eines Konkursverbrechens beschäftigen müssen — das dauert schon eine Weile — und daß dann, wenn eröffnet ist, die erkennenden Richter erneut in das Studium der Akten eintreten müssen und daß dadurch die Strafverfahren in die Länge gezogen werden. Das müssen wir in Kauf nehmen, meine Damen und Herren, wenn wir das beschließen. — Bitte, Herr Kollege Jahn!




Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406929100
Herr Kollege Dittrich, für wie viele Fälle steht eigentlich das Beispiel Deggendorf? Meinen sie, daß man ,die Regelungen der Strafprozeßordnung ausgerechnet nach den Bedürfnissen von Deggendorf treffen kann?

Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0406929200
Herr Kollege Jahn, eine solche Frage dürfen Sie an mich nicht richten. Dafür kennen wir uns viel zu gut, als daß Sie eine solche polemische Frage an mich richten dürften. Ich habe dem Herrn Justizminister eine Liste über die Besetzung der kleinen bayerischen Gerichte vorgelegt und habe an Hand dieser Liste jederzeit die Möglichkeit, Ihnen zu sagen, daß es eine Reihe von solchen kleinen Gerichten gibt. Wenn Sie die aufheben wollen, Herr Kollege Jahn, können Sie das selbstverständlich tun; aber das wird zum Schaden unserer Rechtspflege und zum Nachteil unserer Bevölkerung sein. Das wollte ich Ihnen kurz auf Ihre polemische Frage erwidern.

(Abg. Jahn: Das ist nur keine Antwort!)

Ich bin der Ansicht, daß all die Überlegungen, die wir anstellen, meine Damen und Herren, Konsequenzen haben, über die wir uns im klaren sein müssen. Es gilt abzuwägen, welcher Regelung der Vorzug zu geben ist, und ich meine, daß wir trotz mancher Bedenken, die hier geäußert worden sind, dem Antrag der Kollegen Memmel und Genossen den Vorzug geben sollten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406929300
Das Wort hat Herr Dr. Güde.

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0406929400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Nichtjuristen mögen jetzt allmählich verwirrt werden, fürchte ich, und ich will mich auf einige kurze Sätze beschränken. Erstens ein Stück Reformgeschichte dieser Novelle — um es noch einmal zu sagen; Herr Kanka hat es vorhin schon gesagt —: Es war an sich vorgesehen eine Verstärkung des Zwischenverfahrens noch auf der staatsanwaltschaftlichen Seite. Im Ausschuß kam die Tendenz auf, sowohl an diesem staatsanwaltschaftlichen Schlußgehör festzuhalten wie das Zwischenverfahren vor dem Gericht zu verstärken. Beides zusammen ließ sich in der Tat praktisch nicht durchsetzen. Von daher der Entschluß der Mehrheit des Ausschusses, die Konzentration in das Zwischenverfahren ,des Gerichts zu legen. Ich selbst gehöre zu der Mehrheit im Gegensatz zu dem Herrn Kollegen Hoogen, der sich vorhin als Mitglied der Minderheit bezeichnet hat. Ich gehöre zur Mehrheit, wenn auch nicht mit großer Begeisterung. Ich sage auch heute wieder, was ich oft genug gesagt habe: für mich liegen auf beiden Seiten doktrinäre Übertreibungen.
Ich habe eigentlich mit Schrecken vorhin noch einmal von Herrn Kollegen Hoogen gehört, daß hier von einem falschen Richterbild ausgegangen werde. Gehe ich etwa auch von einem falschen Richterbild aus? Nein, darin sehe ich einen grundsätzlichen Irrtum, daß hier realpsychologisch Mißtrauen unterstellt wird, während lediglich — ich habe es heute morgen schon gesagt — methodischer Zweifel gesetzt wird. Aber der liegt in der ganzen Prozeßgeschichte.
Als die Funktionen des Inquisitionsrichters, der die Funktion des Ermittelnden und die Funktion des Richtenden in sich vereinigt hat, in die verschiedenen Prozeßfunktionen auseinandergenommen wurden, wird er sich vielleicht auch persönlich betroffen gefühlt und gemeint haben, das sei ein Mißtrauen gegen ihn und seine Fähigkeiten. Es dreht sich doch — das muß man sehen — um Fragen, was in Prozeßfunktionen kompatibel, d. h. miteinander verträglich ist, und um nichts anderes. Was miteinander verbunden werden kann in einem Menschen, ob man das nicht diesem ganz konkreten Menschen zutrauen kann, sondern ob man es generell zutrauen soll, darum geht es.
Ich habe bei den Erörterungen im Rechtsausschuß verschiedentlich gesagt: Ich, der ich lange Jahre sowohl Richter wie Staatsanwalt war, habe mich nie für befangen gehalten in Fällen, in denen ich etwa einen Haftbefehl erlassen hatte, oder in Fällen, in denen ichleinen Eröffnungsbeschluß mit unterschrieben hatte. Ich, offen gestanden, nicht.
Trotzdem muß man doch zugeben, daß es auch eine andere Sicht gibt, nämlich von der anderen Seite, von der Seite des Angeklagten her. Man muß auch sehen, daß es nicht realpsychologisch objektive Befangenheit der Richter ist, sondern wie im ganzen Bereich der Befangenheit die Berücksichtigung dessen, wie es der andere möglicherweise sieht. Ich sage Ihnen ganz offen, einen großen Effekt verspreche ich mir von dieser Trennung zwischen eröffnendem und erkennendem Richter nicht. Aber ich sehe darin eine Chance größerer Glaubwürdigkeit unseres Strafverfahrens, und das steht mir hoch genug, daß ich mich, wenn auch ohne Begeisterung, für diese Lösung entschlossen habe.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Deswegen bin ich der Meinung, man sollte auf beiden Seiten nicht übertreiben, weder — was übrigens Herr Kanka nach meinem Gefühl nicht getan hat — mit der Anzweiflung der gegenseitigen Auffassungen über Rechtsstaatlichkeit noch mit den anderen Dingen. Das Ganze hat eine grundsätzliche Seite, ich hätte fast gesagt: eine ideologische Seite, die ich eben darzustellen versucht habe, und eine Seite der Praktikabilität. Davon, daß das Ganze völlig unpraktikabel ist, hat mich bisher noch niemand überzeugt. Wer etwa darauf das entscheidende Gewicht legt, muß auch noch den nächsten Abänderungsantrag von Herrn Kollegen Kanka, mir und einigen anderen Kollegen abwarten, weil erst damit die Frage der Praktikabilität endgültig entschieden wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406929500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dittrich?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406929600
Bitte sehr!




Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0406929700
Herr Kollege Güde, sind Sie mit uns der Ansicht, daß das zu personellen Konsequenzen in der Justiz führen wird?

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0406929800
Das wird selbstverständlich zu personellen Konsequenzen führen. Ich bin zweimal in meinem Leben im Bereich relativ kleiner Landgerichte gewesen und weiß, wie kleine Landgerichte sich helfen. Ich war zwölf Jahre Amtsrichter in dem Bezirk eines auch noch kleinen Landgerichts und war immer gleichzeitig Hilfsrichter beim Landgericht als Amtsgerichtsrat. Der Bestand an Richtern, der praktisch verfügbar ist, geht auf jeden Fall über die Zahl 8 des Landgerichts Deggendorf hinaus.

(Abg. Memmel: Sehr ideal ist die Lösung aber nicht!)


Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0406929900
Eine zweite Frage, Herr Kollege Güde. Sind Sie auch, wie Kollege Jahn vorhin auf einen Zwischenruf von mir behauptete, der Ansicht, daß die Erweiterung des Richterkreises auch über das Landgericht hinaus möglich ist, wie das bei den Amtsgerichten in § 58 vorgesehen wird?

Dr. Max Güde (CDU):
Rede ID: ID0406930000
Nach der derzeitigen Gesetzeslage: nein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406930100
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406930200
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich will es ganz kurz machen, Herr Kollege Dittrich. Ich hake ein bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Güde. Wir müssen bei Ihrem Landgericht Deggendorf und bei ähnlichen anderen Gerichten beachten, daß am gleichen Ort auch ein Amtsgericht, und zwar meist ein größeres Amtsgericht, eingerichtet ist, so daß man beispielsweise bei Deggendorf zu den acht Richtern des Landgerichts Deggendorf noch fünf Amtsrichter des Amtsgerichts Deggendorf hinzunehmen kann.

(Abg. Dr. Dittrich: Haben die bisher nichts getan? Die haben doch bisher auch etwas getan l)

Diese Dinge — ich will nicht allzusehr ins Detail gehen — lassen sich regeln. Wir können sogar daran denken, daß wir eine der in § 58 für den amtsgerichtlichen Bereich getroffenen Bestimmung entsprechende Regelung auch noch — auch dafür gibt es Beispiele auf der Landgerichtsebene — für den landgerichtlichen Bereich einbauen, wenn es sich zeigen sollte, daß sich das Gesetz an dem einen oder anderen Ort nur schwer durchführen ließe. Ich glaube aber, Herr Kollege Jahn hat recht; wir können das, was wir als die bessere rechtliche Ordnung einführen wollen, nicht deshalb zurückstellen, weil an einem Ort oder an zwei Orten die Voraussetzungen dafür noch nicht voll erfüllt sind. Dann mögen sie eben geschaffen werden.
Im übrigen, glaube ich, kann die rechte Entscheidung darüber, ob die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden sollte oder ob man nicht doch den
Fortschritt, der ein Rückschritt zu einer früheren besseren Lösung ist, unternehmen sollte, eigentlich nur getroffen werden, wenn Sie gleichzeitig an meinen Änderungsantrag Umdruck 243 *) denken. Dadurch soll der Kreis der durch § 23 Abs. 1 der Ausschußvorlage ausgeschlossenen Richter sehr stark eingeschränkt werden. Danach soll es jetzt heißen:
Ein Richter, der gegen Einwendungen des Angeschuldigten nach § 201 Abs. 1 Satz 1 oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen, das Hauptverfahren eröffnet ... hat, ist ... ausgeschlossen.
Dieser Grundsatz der Inkompatibilität von eröffnendem und erkennendem Richter sollte eigentlich ein Anliegen von all denen sein, denen es auf die — da greife ich ein Wort des Kollegen Güde auf — Glaubwürdigkeit unserer Justiz auch in den Augen der Angeklagten ankommt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406930300
Meine Damen und Herren, ich habe keine Wortmeldungen mehr vorliegen. Ich lasse jetzt abstimmen.

(Abg. Dr. Müller-Emmert meldet sich zum Wort.)

— Wollen Sie noch zu dem Änderungsantrag sprechen? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter MüllerEmmert!

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406930400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz zu dem Änderungsantrag Umdruck 243 Stellung nehmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406930500
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Wir verhandeln jetzt über den Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Seidl (München) und Genossen. Ich beabsichtige, über diesen Antrag, wenn die Aussprache geschlossen werden kann, abstimmen zu lassen.
Ich bin nur ein Laie; aber so viel habe ich aus dem Streitgespräch der sachverständigen Juristen gelernt, daß es sich hier um eine ganz grundsätzliche Entscheidung handelt. Wenn der Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Seidl (München) und Genossen angenommen würde, würde das Konsequenzen haben: es wären damit nicht nur die Änderungsanträge 243 und 240 erledigt, sondern es stünden wahrscheinlich eine Reihe anderer Änderungen in der Vorlage zur Diskussion, so daß wir uns schlüssig werden müßten, ob wir nicht die ganze Vorlage noch einmal an den Rechtsausschuß zurückgeben wollen, um sie mit dieser Grundsatzentscheidung, die bei einer Annahme des Änderungsantrags gefällt würde, in Übereinstimmung zu bringen. Beurteile ich das richtig?

(Zustimmung.)

— Für einen Laien ist das ziemlich schwierig.

(Zuruf von der Mitte: Deshalb wäre eine bessere Besetzung angebracht!)

*) Siehe Anlage 10



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
— Nun, meine Herren, wollen wir uns das Leben
nicht noch schwieriger machen, als es ohnehin ist.
Ich würde also jetzt gerne die Entscheidung über den Änderungsantrag Umdruck 236 treffen lassen. Dann können wir weiter sehen. Fällt der Antrag durch, dann gehen wir weiter zu den Änderungsanträgen Umdrucke 243 und 240.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406930600
Darf ich vielleicht kurz geschäftsordnungsmäßig etwas sagen, Herr Präsident. Der Herr Kollege Kanka hat, wenn ich richtig zugehört habe, bei seinen letzten Ausführungen den Umdruck 243 auch angesprochen.

(Zuruf von der Mitte: Erwähnt!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406930700
Er hat auf diesen Antrag hingewiesen. Das hat auch der Abgeordnete Güde getan. Ich habe aber den Änderungsantrag noch nicht aufgerufen.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406930800
Darf ich noch ein weiteres sagen. Der Änderungsantrag Umdruck 243 ist auch für die Entscheidung der Frage, ob der Änderungsantrag der Kollegen Memmel, Schlee usw. auf Umdruck 236 angenommen werden soll, sehr von Bedeutung. Es ist durchaus denkbar, daß viele Kollegen in diesem Hause, wenn sie die Begründung des Änderungsantrags Umdruck 243 gehört haben, den Änderungsantrag Umdruck 236 ablehnen.

(Zurufe von der Mitte.)

— Das wird doch von mir so richtig interpretiert?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406930900
Jetzt will ich Ihnen etwas sagen, Herr Abgeordneter MüllerEmmert. Der Änderungsantrag Umdruck 236 scheint mir unstreitig der weitestgehende von den drei Anträgen zu sein. Fällt dieser Antrag auf Umdruck 236 durch, dann kommen ganz selbstverständlich die anderen Änderungsanträge zur Diskussion. Es hat aber nach meiner Überzeugung jetzt keinen Zweck, die Diskussion über die Änderungsanträge auf den Umdrucken 243 und 240 vorzuziehen. Zunächst sollte diese Entscheidung gefällt werden, dann werden wir weiter sehen. Ich muß so verfahren.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406931000
Ich kann gegen Ihre Entscheidung nicht angehen, Herr Präsident. Ich muß sie akzeptieren.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406931100
Nein, das können Sie auch nicht. Ich habe Ihre Rechtsbedenken zur Kenntnis genommen, ich muß aber einstweilen so verfahren.
Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag Umdruck 236. Die Ausprache darüber ist geschlossen. Ich lasse abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Memmel, Schlee, Seidl (München) und Genossen, Umdruck 236, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist bei der Besetzung dieses Hauses sehr schwer festzustellen,
Wir müssen die Abstimmung durch Aufstehen wiederholen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 236 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Resold, Busse, Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka — Umdruck 243 —. Ich frage, ob zur Begründung das Wort gewünscht wird. — Herr Dr. Kanka, bitte sehr!

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406931200
Ich kann mich mit der Begründung kurz fassen. Ich habe sie vorhin schon eingeschmuggelt, ohne daß der Herr Präsident es gemerkt hat.
Wir haben durch dem Änderungsantrag, den wir unter Ziffer 1 bringen, dien Bedenken, daß durch die Ausschließung der eröffnenden Richter vom erkennenden Gericht die Justizverwaltung personell überfordert würde, Rechnung getragen, indem wir die Wirkung der Ausschließung nur gelten lassen wollen, wenn der Eröffnungsbeschluß, also die Entscheidung: Die Anklage wird zur Hauptverhandlung zugelassen, ergangen ist entgegen ausdrücklichen Einwendungen des Angeschuldigten oder wenn gar der Eröffnungsbeschluß ergangen ist, obwohl der Staatsanwalt d'en Antrag gestellt hatte, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen. Es soll also nur in den Fällen, in denen sich ,das Gericht auseinandergesetzt hat mit einer anderen Ansicht des Staatsanwalts oder des Angeschuldigten und in der Auseinandersetzung mit dieser anderen Ansicht das Hauptverfahren eröffnet hat, .der eröffnende Richter nicht mehr am erkennenden Gericht teilnehmen können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406931300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406931400
Herr Präsident! Meine Damen- und Herren! Namens der 'Fraktion der SPD möchte ich zu dem Antrag Umdruck 243 kurz Stellung nehmen. Im Grundsatz ist die SPD-Fraktion mit diesem Änderungsvorschlag einverstanden. Wir bitten die Antragsteller nur, vielleicht noch kurz folgendes zu bedenken. Wir meinen, daß die Worte „nach § 201 Abs. 1 Satz 1" und darüber hinaus auch noch der Nebensatz am Ende: „den Angeschuldigten außer Verfolgung zusetzen" entfallen sollten.
Ich darf das kurz begründen. Die Regelung, wie sie die Antragsteller Dr. Besold und Genossen vorschlagen, ist, wie ich schon sagte, dem Grundsatz nach in jeder Weise akzeptabel. Es ist damit eine praktikable Lösung für ein Anliegen gefunden, das auch die Kollegen Dr. Dittrich und Memmel mit ihrem gerade vorhin abgelehnten Änderungsantrag verfolgten. Wenn aber ein Richter von der Mitwirkung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden soll, dann soll es auch der Richter sein, der unter Umständen eine andere, dem Angeklagten möglicherweise ungünstigere Rechtsauffassung im Gegensatz zu der vielleicht von der Staatsanwaltschaft vorgetragenen günstigeren Rechtsauffassung ver-



Dr. Müller-Emmert
tritt. Es könnte unter Umständen sein, daß die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhebt und der Richter wegen Totschlags eröffnet. In diesem Fall, so meinen wir, sollte dieser Richter ebenfalls kraft Gesetzes von der Mitwirkung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen sein. Man käme diesem Anliegen insgesamt viel näher, wenn man unserem Vorschlag folgte, die Worte „nach § 201 Abs. 1 Satz 1" sowie den Nebensatz „den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen" zu streichen.
Ich darf den Herrn Kollegen Dr. Kanka noch darauf hinweisen, daß die Vorlage seiner Fraktion, von der wir gestern Kenntnis erhielten, diesen Nebensatz nicht enthalten hat. Wir halten es für günstiger, ihn zu streichen. Dadurch wäre nach unserer Auffassung eine praktikablere Lösung erzielt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406931500
Herr Abgeordneter Müller-Emmert, das ist also ein Änderungsantrag zum Änderungsantrag, und dieser Änderungsantrag ist von mehr als redaktioneller Bedeutung.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406931600
Unbedingt. Das ist unsere Auffassung und sicher auch die Auffassung der übrigen Kollegen. Vielleicht könnte Herr Kollege Kanka dazu noch Stellung nehmen. Möglicherweise ist eine Einigung sehr leicht zu erzielen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406931700
Ich muß den *) Wortlaut haben.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406931800
Nach der von uns beantragten Streichung würde der Änderungsantrag Umdruck 243 Ziffer 1 wie folgt lauten:
Artikel 5 Nr. 1 wird wie folgt geändert:
In § 23 Abs. 1 StPO wird hinter „Ein Richter, der" eingefügt: „gegen Einwendungen des Angeschuldigten oder abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft,"
Es soll also entfallen: „nach § 201 Abs. 1 Satz 1", und es soll weiterhin der Nebensatz gestrichen werden: „den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen".

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406931900
Vielen Dank. — Herr Abgeordneter Kanka!

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406932000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Müller-Emmert, Sie haben absolut recht: Die Formulierung, die Sie jetzt vorschlagen, ist eine frühere Fassung, die wir zum Gegenstand unseres interfraktionellen Gesprächs gemacht haben. Bei erneutem Durchdenken und Durchsprechen dieser Formulierung haben wir aber folgendes festgestellt: Wir wollen jeden Streit über die Frage ausschließen, welche Art von Einwendungen, die vom Angeschuldigten erhoben werden, im Zusammenhang mit dem § 23 Abs. 1 nach unserer Fassung beachtlich sein soll. Wir wollen einfach zur Klarstellung sagen, daß beachtlich sein sollen nur Einwendungen, die von dem Angeschuldigten erhoben worden sind, nachdem ihm der Vorsitzende die Anklage zur Äußerung binnen einer bestimmten Frist zugestellt hat. Das ist das eine.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406932100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406932200
Ja!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406932300
Herr Kollege Kanka, liegt aber nicht in dieser Erweiterung Ihres Antrages gegenüber der ursprünglichen Fassung doch wieder eine Einengung des Grundgedankens, und ist es unter diesen Umständen nicht doch zu überlegen, ob Sie bei Ihrer ursprünglichen Fassung bleiben sollten, um den Grundsatz „nur dann, wenn Einwendungen gemacht werden — gleich welcher Art" hier wirksam werden zu lassen?

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406932400
Ich glaube nicht, daß es eine Einengung des Grundsatzes ist. Es ist nur eine Klarstellung einer Rechtsfrage, die dann aufkommt, wenn wir die Fassung so bringen, wie Sie es hier anregen. Ich glaube, wir verlangen vom Angeschuldigten nicht zuviel, wenn wir den Wunsch haben, daß er seine Einwendungen, damit diese beachtlich sind, binnen der ihm nach § 201 Abs. 1 Satz 1 gesetzten Frist vorbringt oder durch seinen Verteidiger vorbringen läßt. Wir wollen also eine Vorschrift, die wir neu geschaffen haben, aus dem Bereich der Auslegungsschwierigkeiten herausnehmen, indem wir den Zusatz nach § 201 Abs. 1 einbauen.
Ähnlich ist es mit dem anderen Zusatz. Streichen wir da den letzten Teil, den erweiterten Infinitiv „den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen", dann erfassen wir auch Fälle, in denen das Gericht die von der Staatsanwaltschaft beantragte Eröffnung nur aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten beschlossen hat, eine Eröffnung, gegen die der Angeschuldigte selber keinerlei Einwand erhoben hat. Wenn es nur um einen Gegensatz in der juristischen Qualifizierung zwischen Staatsanwalt und eröffnendem Gericht geht, ohne daß der Angeschuldigte einen Einwand erhoben hat, dann soll man den Richter auch nicht ausschließen. Ausgeschlossen soll nur der Richter sein, der gegen eine klare andere Meinung des Angeschuldigten oder gar des Staatsanwalts gesagt hat: Das Hauptverfahren soll doch eröffnet werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406932500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406932600
Ja!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406932700
Herr Kollege Kanka, sind Sie nicht der Meinung, daß schon eine andere rechtliche Bewertung für die Frage der Position des Richters im Hauptverfahren unter Umständen eine sehr gewichtige Rolle spielen kann? Ich finde, konsequenterweise muß auch unter diesen Umständen die Mit-



Jahn
wirkung des Richters ,ausgeschlossen werden. Ich will über die Bezugnahme auf § 201 mit Ihnen nicht streiten. Aber in diesem Fall wird doch wirklich in einem ganz erheblichen Maße eingeschränkt entgegen dem ursprünglichen Sinn der Bestimmung des § 23.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406932800
Meine Herren, ich plädiere ja für diesen Verhandlungsstil, aber es geht halt nicht; er stimmt einstweilen mit unseren Geschäftsordnungsbestimmungen nicht überein. — Wollen Sie etwa jetzt auch noch antworten, Herr Kollege Kanka?

(Heiterkeit.)


Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406932900
Wenn Sie der Meinung sind, daß ich antworten darf.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406933000
Sie dürfen. Sie dürfen, aber — —

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406933100
Ich teile Ihre Befürchtungen, Herr Kollege Jahn, nicht. Der entscheidende Gesichtspunkt — und ich bitte Sie, diesen Gesichtspunkt auch Ihrerseits für den entscheidenden zu nehmen — liegt in den Fällen, in denen der Angeschuldigte selber keinerlei Einwand erhoben hat: Da sollten wir den Richter nicht für ausgeschlossen erklären.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406933200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Benda.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0406933300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht in den Streit einschalten, der soeben zwischen dem Kollegen Dr. Kanka und dem Kollegen von der SPD vorgegangen ist. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir nunmehr vor den Konsequenzen des Umstandes stehen, daß hier im Plenum das Problem wieder in allen Einzelheiten aufgegriffen wird, das im Ausschuß erörtert und dort entschieden worden ist.
Wenn ich mir eine persönliche Bemerkung zu der Abstimmung gestatten darf, die wir soeben über den Antrag der Kollegen Memmel und Genossen hatten, so diese: innerlich habe ich dem Antrag des Kollegen Memmel genauso zugestimmt, wie ich das im Ausschuß getan habe. Ich bin in der Sache seiner Auffassung. Ich bin aber der Meinung, daß diese Frage mit all ihren Auswirkungen im Ausschuß ausdiskutiert warden ist und daß wir in eine schwer erträgliche Situation kommen, wenn wir versuchen, die Dinge zu reparieren.
Das gilt aber auch — und deswegen sage ich das — für die Vorschläge des Kollegen Dr. Kanka und der anderen Herren, die den Antrag Umdruck 243 gestellt haben. Ich habe gegen den Vorschlag unter Ziffer 1 ganz erhebliche Bedenken grundsätzlicher und praktischer Art. Ich will sie kurz vortragen. Diese Bedenken gelten sowohl für den Antrag in der Fassung des Umdrucks 243 als auch für den in
der veränderten Fassung, die uns Herr Kollege Müller-Emmert vorgetragen hat.
Das grundsätzliche Bedenken ist folgendes. Wenn man einmal der Meinung ist — und auch die Mehrheit des Plenums war heute der Meinung —, daß ein Richter, der einen Eröffnungsbeschluß erläßt bzw. der die Anklage zuläßt, wie es in der Sprache der Novelle heißt, von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden sollte, darf man in dieser Beziehung keine Konzessionen machen, sondern muß diesen Grundsatz konsequent durchführen. In einem Strafverfahren, in dem der Grundsatz der Ermittlung und der Durchführung von Amts wegen gilt, ist es ein sachfremder Gesichtspunkt, daß man nur auf die Frage abstellt, ob der Angeklagte persönlich Einwendungen gegen die Anklage erhebt oder ob er sie aus welchen Gründen immer, aus eigener besserer Einsicht, aus Nachlässigkeit oder aus Vergeßlichkeit, einfach über sich ergehen läßt. Das kann für das Strafverfahren, also für ein Verfahren, das von Amts wegen in den Händen des Richters liegt, kein maßgebender Gesichtspunkt sein. Das halte ich für das schwerwiegendste grundsätzliche Argument.
Dazu kommen aber praktische Erwägungen. Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Bundesjustizminister, wie eigentlich die Gerichte in Zukunft ihren Geschäftsverteilungsplan gestalten sollen, wenn sie — falls dieser Antrag hier auf dem Umdruck angenommen werden sollte — nicht mehr wissen, wer im konkreten Fall der gesetzliche Richter ist. Wenn wir den bisherigen Beschlüssen des Plenums folgen, dann steht immerhin fest: die Strafkammer I eröffnet das Verfahren, und die Strafkammer II führt die Verhandlung durch, und meinetwegen umgekehrt. Das ist eine Sache, die praktisch, wie vorhin erörtert wurde, vielleicht manche Schwierigkeiten bringt, die aber klar ist. Man weiß von vornherein, der gesetzliche Richter ist der und der und niemand anders. Wenn aber dieser Antrag angenommen werden sollte, läge es in der Hand des Angeklagten bzw. seines Verteidigers, den gesetzlichen Richter zu bestimmen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich fürchte, daß dann eine Reihe von Einwendungen nicht so sehr deswegen erhoben werden, weil gegen die Eröffnung des Verfahrens begründete Einwendungen vorgebracht werden können, sondern weil man sich überlegt: Wenn ich jetzt Einwendungen vorbringe, dann ist der Richter nicht der Richter A, sondern der Richter B, und weil man aus irgendwelchen berechtigten oder unberechtigten Überlegungen diesen Richter für geeigneter hält. Das ist eine unmögliche Situation, in die wir damit kommen. Ich befürchte, wir tun damit dem ganzen Gedanken einen sehr schlechten Dienst. Wenn wir auf dem Boden der Beschlüsse, die wir soeben gefaßt haben, stehen — und die akzeptiere ich, obwohl ich, wie gesagt, sachlich anderer Meinung bin —, dann können wir nicht versuchen, auf dem Wege über solche Kompromisse etwas zu machen, was im Endergebnis eine für mein Empfinden schwer erträgliche Situation schafft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)





Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406933400
Das Wort hat der Bundesjustizminister.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406933500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich könnte nun schadenfroh sagen: Sie sehen schon am ersten Antrag, der folgt, die Frucht der bösen Tat. Was wir hier zu § 23 beschlossen haben, bringt einfach Schwierigkeiten mit sich. Gerade das, was der Herr Kollege Benda sagte, ist sehr beachtlich, daß man nämlich zwar versucht, gewisse Einschränkungen zu treffen und den Bedenken, die wegen der zahlenmäßigen Mehrbelastung geäußert wurden, Rechnung zu tragen, daß aber dieser Versuch eine große Unklarheit schafft. Die Kammer, die hier sitzt, um sich als erkennendes Gericht zu betätigen, kann zwar sofort merken: Aha, Einwendungen des Angeschuldigten; gut, wir eröffnen und geben dann ab. Sie kann aber nicht feststellen, ob sie nach dem anderen Gesichtspunkt — „abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft" — ausgeschlossen ist.
Mir könnte es ja nur recht sein, wenn die Sache möglichst schlecht oder kompliziert formuliert wird; dann wird sich bald herausstellen, daß das einfach unpraktikabel ist. Aber wir müssen den Versuch machen, eine Lösung zu finden, die im Gesetz stehen bleiben kann.
Ich möchte also dann nur vorschlagen, es entweder doch so zu lassen, wie es die Antragsteller gesehen haben, also mit dem Nebensatz: „Antrag der Staatsanwaltschaft, den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen," oder aber, wenn man das nicht macht, wenn man nur sagen würde: „abweichend von dem Antrag der Staatsanwaltschaft,", noch hineinzusetzen: „abweichend zum Nachteil des Angeschuldigten"; denn der Antrag der Staatsanwaltschaft könnte ja auf Mord lauten, und das Gericht eröffnet abweichend davon wegen fahrlässiger Tötung, und der Angeschuldigte hat keine Einwendungen dagegen. Dann wäre es sinnlos, diese Richter, die zugunsten des Angeschuldigten von der Mordanklage heruntergegangen sind, auszuschließen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406933600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Müller-Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0406933700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit meiner Wortmeldung die Sache etwas erleichtern und unseren ersten Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag Umdruck 243 zurücknehmen. Dieser erste Änderungsantrag ging dahin, die Worte bzw. Buchstaben „nach § 201 Abs. 1 Satz 1" zu streichen.
Ich bitte, diesen Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag als gegenstandslos zu betrachten.
Noch ein kurzes Wort aber zu unserem zweiten Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag. Hier mußten wir unsere Auffassung aufrechterhalten. Der Hinweis des Herrn Justizministers vermag uns nicht zu überzeugen. Wir meinen, daß auf jeden Fall dann der Richter ausgeschlossen werden soll, wenn er abweichend von dem Antrag des Staatsanwaltes entscheidet, ganz gleich, ob die Entscheidung des Richters zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten lautet.
Deswegen bitten wir darum, daß zunächst einmal über diesen unseren Änderungsantrag zum Änderungsantrag abgestimmt wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406933800
Herr Abgeordneter, das muß auf jeden Fall so gemacht werden. Ich habe Sie jetzt so verstanden, daß Sie „§ 201 Abs. 1 Satz 1" stehen lassen wollen, den letzten Halbsatz hinter „Staatsanwaltschaft" aber streichen wollen.

(Abg. Dr. Müller-Emmert: Jawohl!)

Dazu Herr Abgeordneter Kanka.

(Abg. Dr. Kanka: Mit dieser Streichung bin ich einverstanden!)

— Na also. Dann brauchen wir darüber gar nicht abzustimmen. Der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka auf Umdruck 243 ist insoweit zu ändern, als in Ziffer 1 hinter dem Wort „Staatsanwaltschaft" das, was weiter folgt, gestrichen wird, nämlich „den Angeschuldigten außer Verfolgung zu setzen,". Ist das jedermann klar? —
Wir stimmen jetzt über diesen Änderungsantrag Umdruck 243 Ziffer 1 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 243 Ziffer 1 ist in der so geänderten Fassung angenommen.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Dr. Kanka zu § 23 Abs. 1 auf Umdruck 240 *).
Zur Begründung Herr Abgeordneter Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0406933900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Ich kann mich bei der Begründung dieses Antrags sehr kurz fassen. Er ist eigentlich die unabweisliche logische Konsequenz dessen, was wir vorhin erörtert haben; denn wenn der Richter, der einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, nicht mehr erkennender Richter sein kann, wieviel mehr muß es dann der sein, der die Untersuchungshaft oder die einstweilige Unterbringung oder ihre Fortdauer usw. angeordnet hat, wie es in dem Antrag im einzelnen ausgeführt wird. Er bestätigt ja, insbesondere der Haftrichter, den dringenden Tatverdacht, und all die Gründe, die vorhin angeführt worden sind, treffen hier zu.
Freilich verkennen die Antragsteller nicht, daß die personellen Fragen dadurch ein besonderes Gewicht bekommen. Es ist aber ebenso klar, daß ein fair trial wichtiger ist als die Frage, ob man den einen oder anderen Richter mehr einstellen muß.
Aus diesen Gründen bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406934000
Das Wort hat der Bundesjustizminister.
*) Siehe Anlage 11




Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406934100
Herr Prasident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin selber gesagt, daß dieser Antrag an sich die logische Folge dessen 'ist, was zu § 23 beschlossen wurde. Trotzdem muß ich, und in diesem Falle mit Nachdruck, .namens der Bundesregierung bitten, diesem Antrag die Zustimmung zu versagen.
Die Annahme des Antrags würde zu einer kaum zu meisternden Verwirrung tin der Geschäftsverteilung führen. Ich darf darauf hinweisen, daß nach den Beschlüssen des Rechtsausschusses über das Haftprüfungsverfahren, die hier bereits angenommen worden sind, der in Haft befindliche Beschuldigte jederzeit und unbeschränkt in der Häufigkeit die Prüfung der Frage beantragen kann, ob der Haftbefehl aufzuheben ist. Gegen die Entscheidung über seinen Antrag, wenn sie negativ ist, steht ihm die Beschwerde zu, gegen die Beschwerdeentscheidung, wenn sie ungünstig ist, weitere Beschwerde. Nützt der Beschuldigte diese Möglichkeit aus, so wären unter der Voraussetzung, daß der Amtsrichter Haftrichter ist, mit einem Schlage sieben Richter — Amtsrichter, drei Richter beim Landgericht, drei beim Oberlandesgericht — von der Mitwirkung im Hauptverfahren ausgeschlossen. Stellt der Beschuldigte erneut Antrag auf Haftprüfung und legt er wieder Beschwerde und weitere Beschwerde ein, so würden mit Sicherheit weitere Richter ausgeschlossen werden, da Haftsachen Eilsachen sind und vielfach von einem Bereitschaftsrichter, der als Vertreter des normalerweise zuständigen Richters einspringen muß, entschieden werden. Unter diesen Umständen wird es bei personell schwächer besetzten Gerichten äußerst schwierig werden, für die Hauptverhandlung die erforderliche Zahl von Strafrichtern zu finden. Besondere Schwierigkeiten werden meines 'Erachtens bei den Oberlandesgerichten entstehen.
Es gibt einen berühmten Roman, in dem geschildert wird, wie sich ein Angeschuldigter rettungslos in den Netzen von Behörden und Gerichten verfängt; er heißt „Der Prozeß" von Kafka. Was wir hier machen, wäre das Gegenteil, das wäre der Prozeß von Kanka.

(Heiterkeit.)

Hier wären die Gerichte rettungslos einem findigen Angeschuldigten ausgeliefert, der es tatsächlich — man kann sich den Fall vorstellen — erreichen könnte, daß kein Richter mehr da wäre, der über ihn zu Gericht sitzen könnte.
Man könnte der Schwierigkeit nur Herr werden, indem man für Haftsachen Zivilrichter vorsieht. Aber ich habe Zweifel, ob das im Sinne einer geordneten Strafrechtspflege wäre.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406934200
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406934300
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile die Auffassung des Herrn Bundesjustizministers in vollem
Umfang. Ich war lange Zeit im Landtag und habe mich jedes Jahr mit den Haushaltsplänen des Justizministeriums und der Gerichte befassen müssen und kann aus meinen Erfahrungen sagen, daß eine dem Antrag entsprechende Vorschrift einfach nicht durchzuführen wäre. Eine Anklage wind nur einmal zugelassen und Haftentscheidungen erfolgen gegebenenfalls am laufenden Band. Ich bitte also, unter allen Umständen der Auffassung des Herrn Bundesjustizministers zu folgen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406934400
Es wünscht niemand mehr über den Antrag zu sprechen.
Ich lasse über den Antrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse und Dr. Kanka auf Umdruck 240 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Das sind sehr wenige. Gegenprobe! — Dieser Antrag ist „bachab", wie man in der Schweiz sagt.
Damit sind wir bei der Abstimmung über Art. 5 in der in Nr. 1 geänderten Fassung; zu den Nrn. 2, 3, 4 und 5 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse also über den Art. 5 in der so geänderten Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und einer Enthaltung ist der Art. 5 in der geänderten Fassung angenommen.
Zu Art. 6 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 6 ist angenommen.
Über Art. 7 muß ziffernweise verhandelt und abgestimmt werden, da hier Änderungsanträge vorliegen.
Zu den Ziffern 1, 2, 2 a, 2 b, 2 c, 2 d, 2 e, 3, 4 und 5 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird zu diesen Ziffern das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen!
Ich lasse über die aufgerufenen Ziffern abstimmen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Ziffern sind angenommen.
Jetzt kommt der Änderungsantrag Umdruck 237 *) der Abgeordneten Memmel, Schlee und Genossen zu Ziffer 5 a. Zur Begründung Herr Abgeordneter Memmel!

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0406934500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund des Abstimmungsergebnisses zum Umdruck 236 — ich betone noch einmal: des wenn auch sehr knappen Abstimmungsergebnisses zum Umdruck 236 — ziehe ich den Antrag auf Umdruck 237 zurück.

(Abg. Jahn: Sehr gut!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406934600
Der Antrag ist zurückgezogen und damit erledigt.
*) Siehe Anlage 12



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Dann kommt der Antrag Umdruck 243 Ziffer 2 der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Dr. h. c. Güde, Dr. Kanka, hinter Ziffer 5 a eine Ziffer 5 b und eine Ziffer 5 c einzufügen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Kanka!

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406934700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein ganz kurzes Wort zur Begründung! Durch die Anträge, einen § 202 b und einen § 202 c einzufügen, soll dem Eröffnungsrichter in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise eine doppelte Funktion zugewiesen werden. Erstens soll er die Möglichkeit haben, verbundene Anklagen zu trennen, und zweitens — das ist das Wesentliche in § 202 c — soll er die Möglichkeit haben, die von der Staatsanwaltschaft getroffene Wahl zwischen Gerichten verschiedener Ordnung, die auch die Wahl zwischen verschiedenen Rechtszügen in sich schließt, nachzuprüfen. Ich glaube, daß beide Bestimmungen der Einrichtung des getrennt über den Prozeß entscheidenden Eröffnungsrichters besonderes Gewicht geben und daß sie auch für die Rechtspflege förderlich sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406934800
Herr Dr. Kanka, Sie haben jetzt die Ziffer 2 Ihres Antrages begründet. Ich lese da auf der Seite 2 unter 5 c einen Satz, den ich nicht verstehen kann und gegen dessen Deutsch ich Bedenken anmelden muß: „Wohnt dem anderen Gericht die höhere Zuständigkeit bei, ..." Ich weiß nicht, ob das Juristendeutsch
ist, ob diese Ausdrucksweise juristisch erlaubt ist. Ich würde mir aber doch im Interesse des Hauses den Vorschlag erlauben, einen anderen sprachlichen Ausdruck zu wählen.
Bitte sehr, Herr Bundesjustizminister!

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406934900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider auch zu diesem Antrag etwas sagen. Es sind zwar nur mehr rechtstechnische Bedenken, die dagegen bestehen, die aber, meine ich, zwingend gegen den Antrag sprechen. Denn hier wird eine Regelung vorgeschlagen, ,die im wesentlichen in den §§ 2 bis 4 und § 13 der Strafprozeßordnung bereits vorhanden ist. Würde man § 202 b in der vorgeschlagenen Fassung annehmen, so entstünden rechtliche Spannungen zu den von mir erwähnten Bestimmungen. Ich darf darauf hinweisen, daß z. B. im § 2 Abs. 2 für die Frage der Trennung verbundener Strafsachen lediglich auf die Zweckmäßigkeit abgestellt wird — „Aus Gründen der Zweckmäßigkeit kann die Trennung angeordnet werden." —, während es hier heißt, daß aus Gründen der Zweckmäßigkeit und aus Gründen der Billigkeit gegenüber einzelnen Angeschuldigten dies geschehen kann.
Außerdem sieht der vorgeschlagene Abs. 3 vor, daß jedes Gericht mit Bindung für jedes andere Gericht verweisen kann. Demgegenüber wird in § 4 Abs. 2 des schon geltenden Rechts das gemeinschaftliche obere Gericht eingeschaltet und in § 13 Abs. 2 eine besondere Art der Verweisung vorgesehen.
Der Vorschlag von Herrn Abgeordneten Kanka und Genossen klärt nicht das Verhältnis der neu vorgeschlagenen zu den bereits bestehenden Bestimmungen und ist deshalb meines Erachtens geeignet, zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten zu führen.

(Vorsitz : Vizepräsident Dr. Jaeger.)

Ich bitte daher — zumal ich kein dringendes Bedürfnis für die vorgeschlagene Vorschrift zu erkennen vermag —, in diesem Punkte dem Antrag nicht zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406935000
Liegen noch Wortmeldungen vor? — Herr Abgeordneter Dr. Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406935100
Meine Damen und Herren! Herr Präsident Dr. Gerstenmaier hat die Frage gestellt, ob wir mit der Wendung vom „Beiwohnen" der höheren Zuständigkeit nicht eine Wendung gebrauchen, die durch eine bessere ersetzt werden sollte.

(Heiterkeit.)

Man kann sich über das Juristendeutsch natürlich seine Gedanken und kann auch seine Glossen darüber machen. Wir haben aber, wenn wir diese Wendung in unserem Entwurf gebraucht haben, nichts anderes getan als das, was das Gesetz bereits seit beinahe 90 Jahren geschrieben hat, nämlich im § 2 Abs. 1. Da wird die Wendung von dem Gericht, dem die höhere Zuständigkeit beiwohnt, bereits gebraucht; und wir sind nun einmal, was den Sprachgebrauch angeht, mit dem Justizministerium traditionsgebunden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406935200
Herr Abgeordneter
Dr. Kanka, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Gerstenmaier?

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406935300
Bitte sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406935400
Herr Kollege Dr. Kanka, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die deutsche Sprache eine lebendige Sprache ist und daß auch Gesetze dieses Hauses verständlich für unsere Zeit sein und darum in der Sprache unserer Zeit gefaßt werden sollten?

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406935500
Nun, ich finde gar nicht, daß es gegen den Geist unserer Sprache verstößt, wenn wir davon sprechen, daß eine gewisse Zuständigkeit einer gewissen Instanz beiwohne oder nicht beiwohne. Wir sollten dieses Wort vom Beiwohnen nicht allzu eng fassen, meine ich.

(Große Heiterkeit.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406935600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0406935700
Meine Damen und Herren, diese Sache ist ein Intermezzo wert. Es geht hier einfach um die Frage — und zwar eine



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Frage des Hauses —, die der Präsident des Hauses ganz gut von diesem Platz aus vertreten kann. Herr Kollege Kanka, ich bin wirklich der Meinung, daß wir es bei allen geheiligten Traditionen und bei allem Respekt vor den Sprachbegriffen vergangener Zeiten unserem Volk, unserer Aufgabe und unserer Zeit schuldig sind, uns in den angemessenen Ausdrücken und in den angemessenen Sprachführungen unserer Tage verständlich machen. Ich bin als Theologe gewohnt, mich in ehrwürdigen Sprachgestalten zu bewegen. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist nach meiner Erfahrung eine schwere Crux der christlichen Predigt, daß sie sich oft in der ehrwürdigen Sprache der Bibel bewegt und bewegen muß. Sie hat dann den Gehalt und die Gestalt der liturgischen Feierlichkeit, aber sie bewahrt diese liturgische Feierlichkeit sehr häufig um den Preis, mißverstanden zu werden und nicht in der Sprache unserer Zeit wirksam zu werden. Das halte ich für bedauerlich.
Ich kämpfe hier im Bereich der Gesetzgebung aus ganz genau denselben Gründen, deretwegen ich auch hin und wieder meine Bedenken gegen die liturgische Sprachgestalt der christlichen Verkündigung anzumelden habe.

(Allgemeiner Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406935800
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406935900
Ich möchte vorschlagen, daß der letzte Satz folgende Fassung erhält:
Hat das andere Gericht die höhere Zuständigkeit, so werden die Akten diesem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406936000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406936100
Ich kapituliere vor dem Herrn Präsidenten, verbündet mit Frau Diemer-Nicolaus, und gebe dem Antrag diese Fassung.

(Heiterkeit.)

Aber ich möchte noch auf eine Einwendung eingehen, die der Herr Justizminister vorgebracht hat, indem er gesagt hat, wir brächten mit der Regelung des § 202 c etwas, was Verwirrung stiften könnte, weil es schwer sei, es in rechten Einklang mit anderen Bestimmungen des Gesetzes zu bringen. Ich glaube, daß dieser Einwand nicht durchschlägt. Was in § 202 c gebracht wird, ist eine, wie uns scheint, notwendige Klarstellung dessen, was vielleicht bei richtiger Anwendung des Gesetzes im derzeitigen Wortlaut bereits Rechtens ist. Aber es ist immer besser, man stellt das, was Rechtens sein soll, durch einen klaren und deutlichen Wortlaut fest. Das ist die Absicht, die mit der Vorschrift des § 202 c verfolgt wird. Diese Vorschrift ist für den Bereich des Zwischenverfahrens eine lex specialis, die jede andere Vorschrift, die für andere Verfahrensbereiche gelten könnte, verdrängt, so daß von einer Verwirrung, die durch § 202 c gestiftet werden könnte, nach meiner Meinung keine Rede sein kann.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406936200
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406936300
Es ist an sich bedauerlich, daß das nicht von der Regierungsbank aus gesagt werden kann; ich hätte nur einen Satz zu sagen.
Ich habe mich nur auf § 202 b bezogen und sehe nur da diese Schwierigkeit. Bei § 202 c kann man vielleicht sagen, daß er nicht notwendig ist, weil sein Anliegen durch die Rechtsprechung schon geklärt ist. Ein ausgesprochener Widerspruch besteht nicht, wohl aber bei § 202 b zu den von mir zitierten §§2,4 und 13.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406936400
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kanka!


Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406936500
Halten Sie die Meinung, daß ein Widerspruch bestehe, aufrecht, wenn ich auch hier zu § 202 b sage: Es ist eine Spezialbestimmung, die für das Zwischenverfahren geschaffen werden soll und die Bestimmungen, die in anderen Verfahrensbereichen gelten, ausschließt?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406936600
Aber es kommt eben nicht klar zum Ausdruck, daß es eine Spezialbestimmung ist.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406936700
Ich meine, es kommt ganz klar zum Ausdruck. Mindestens ist durch unser Gespräch absolut geklärt worden, daß wir hier eine lex specialis für den Bereich des Zwischenverfahrens einführen wollen.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0406936800
Wenn das als Material zum Gesetz anerkannt wird?

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406936900
Liegen weitere
Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall. Ich komme nunmehr zur Abstimmung. Der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse, Dr. h. c. Güde und Dr Kanka wünscht als Nummer 5 b einen Paragraphen 20213 einzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu dem Antrag 5 c, einen Paragraphen 202 c einzufügen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen, wobei ich bemerken darf, daß das Haus sich einig ist, daß die Formulierung heißt: „Hat das andere Gericht die höhere Zuständigkeit", wie der Anfang des letzten Satzes lautet. Darüber besteht Einstimmigkeit.

(Zuruf von der SPD: c muß b werden!)

— Das ist eine redaktionelle Sache, die uns hier nicht betrifft. Das wird wie üblich bei der Ausfertigung gemacht werden.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Damit, meine Damen und Herren, ist zu den weiteren Punkten des Art. 7 kein Antrag mehr gestellt. Es liegt auch keine Wortmeldung mehr vor. Ich kann also über den Art. 7 in der Ausschußfassung mit den hier beschlossenen Änderungen insgesamt abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 8. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Art. 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 9, bei dem ziffernweise vorgegangen werden soll. Ziffer 1! Wird das Wort gewünscht? — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ziffer 2! Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ziffer 3! Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Bitte die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Ich komme damit zu den Vorschlägen, eine Ziffer 4 einzufügen, Umdruck 226 Ziffer 3 und Umdruck 242 *). Soll der Antrag der SPD Umdruck 226 begründet werden? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Hirsch!

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0406937000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der Ihnen vorliegt, liegt völlig im Rahmen der allgemeinen Richtung, die diese kleine Strafprozeßnovelle hat. Wenn wir sagen, daß der Richter, der das Verfahren eröffnet hat, im allgemeinen als erkennender Richter ausgeschlossen sein soll, so muß das erst recht für den Richter gelten, der bereits verurteilt hat und auf den das Verfahren durch Aufhebung des Urteils dann wieder zukommt. Wir sind nicht der Meinung, daß das deswegen erforderlich ist, weil der Richter, dessen Urteil aufgehoben worden ist, nun unbedingt in seinem Irrtum oder in seinem Urteil beharrt oder weil er nicht bereit wäre, objektiv seine Ansicht zu ändern; wir sind vielmehr der Ansicht, daß es vom Standpunkt des Angeklagten einfach nach allen Erfahrungen so ist, daß der Angeklagte nicht daran glaubt, er könnte von einem Richter, der ihn schon einmal verurteilt hat, in einer Wiederholung des Verfahrens freigesprochen werden.
Wenn wir uns also entschlossen haben — mit Recht oder mit Unrecht, sei dahingestellt, jedenfalls mit Mehrheit und auch im Sinne dessen, was ich dazu denke —, daß wir den Anschein vermeiden wollen, ein Richter könnte befangen sein, dann müssen wir diesen Grundsatz durch das ganze Gesetz durchfechten und müssen ihn erst recht auf den Fall einer vom Revisionsgericht zurückverwiesenen Sache anwenden.
*) Siehe Anlage 13
Es gibt darüber hinaus noch einen anderen Grund für unseren Antrag, das ist einfach der, daß nach der gegenwärtigen Rechtslage vom Instanzgericht die Aufhebung durch das Revisionsgericht — ob mit Recht oder Unrecht, sei dahingestellt — auf jeden Fall als eine gewisse Diffamierung betrachtet wird. Wenn das Revisionsgericht gleichzeilig sagt: Die Sache wird an ein anderes Gericht zurückverwiesen, bedeutet das, auch wenn es im allgemeinen nicht begründet wird, für den Instanzrichter, in der allgemeinen Richtung gesehen, immer ungefähr: Na ja, du bist nicht in der Lage, diese Sache objektiv zu entscheiden; du bist nicht in der Lage, dich frei zu machen; du bist vielleicht sogar ein Richter, dem ich die Entscheidung über diese schwierige Sache nicht zutraue.
Um nun zu vermeiden, daß ein solcher Eindruck bei einer Verweisung an ein anderes Gericht im Einzelfall — wie das nach der gegenwärtigen Rechtslage möglich ist — entstehen kann, müssen wir, glaube ich, die Konsequenz ziehen, daß wir grundsätzlich an ein anderes Gericht verweisen lassen. Dann kann sich keiner im erstinstanzlichen Gericht durch eine solche Entscheidung irgendwie diskriminiert fühlen.
Ich darf insofern verweisen auf einen sehr klugen Aufsatz des Bundesrichters Dr. Seibert in der „Neuen Juristischen Wochenschrift" 1963, Seite 431, mit dem Titel: „Das benachbarte Gericht". Dieser Artikel schließt mit folgenden Worten, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf:
Die Revisionsrichter — sagt Herr Seibert —
sind nur die älteren Kollegen der Tatrichter. Diese haben die Hauptlast zu tragen ... Solche Ratschläge
— er meint also die Ratschläge des Revisionsrichters —
sind aber an der Front meist recht unwillkommen.
— Und dann kommt plötzlich der Satz:
Eine Desavouierung enthält jedenfalls die Weiterverweisung
— an ein anderes Gericht —niemals.
Ich möchte meinen, der Umstand allein, daß Herr Seibert betonen mußte, daß man das als Diskriminierung, als Desavouierung empfinden könnte, zwingt uns eigentlich, dafür zu sorgen, daß ein solcher Eindruck für die Zukunft auf jeden Fall vermieden wird. Der einzige Weg ist die grundsätzliche Anordnung, daß bei Zurückverweisung ein anderes Gericht zu entscheiden hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406937100
Wird der Antrag der Abgeordneten Dr. Güde und Dr. Kanka, Umdruck 242, begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Güde!




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0406937200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben soeben die eine Lösung des Problems von dem Herrn Kollegen Hirsch gehört. Unser Vorschlag vermeidet eine doktrinäre Zuspitzung des Problems und seiner Lösung. Selbstverständlich enthält grundsätzlich die Aufhebung eines Urteils durch das Revisionsgericht keine Desavouierung des Tatrichters. Der Tatrichter mag sich in einem Ausnahmefalle einmal verletzt fühlen, wenn ihm z. B. schwere Verfahrensverstöße bescheinigt werden. Das ist aber ein verhältnismäßig schmaler Teil dessen, was von der Revision an den Tatrichter zurückgelangt.
Wenn man den Grundsatz aufstellt, es müsse überhaupt und immer an ein anderes Gericht verwiesen werden, dann überspitzt man einen richtigen Ansatz. Es braucht sinnvollerweise nur dann verwiesen zu werden, wenn, wie es in unserem Antrag heißt, es die Belange der Rechtspflege bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles, namentlich der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten, angemessen erscheinen lassen. Dann kann das Revisionsgericht die Sache an ein zu demselben Land gehörendes benachbartes Gericht gleicher Ordnung zurückverweisen.
Wir versuchen, die Praxis in eine Richtung zu drängen, in der vielleicht etwas mehr als bisher von der Möglichkeit der Verweisung an ein anderes Gericht Gebrauch gemacht wird, aber wir überspannen diesen Grundsatz nicht und vermeiden es mit unserer Fassung, unnötigerweise generell ein neues
Gericht mit der Sache zu befassen, und vermeiden dadurch einen völlig neuen Arbeitsanfall. Ich bitte daher, unserem Antrag zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406937300
Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. DiemerNicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406937400
Namens der Fraktion der FDP bitte ich, dem Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 226 Ziffer 3 zuzustimmen, und zwar aus folgenden Gründen.
Ich kann voll und ganz unterstreichen, was der Herr Kollege Hirsch gesagt hat. Herr Kollege Güde, Sie meinen, es würde eine Überspannung eintreten, wenn wir diese ganz klare und saubere Regelung treffen. Ich darf darauf hinweisen, daß das, was hier gefordert wird, in unserem deutschen Recht gar nichts Neues ist. Wir haben eine entsprechende Bestimmung in einer Verfahrensordnung, an die man zunächst nicht denkt, nämlich in der alten Militärstrafgerichtsordnung von 1898. Ich möchte Ihnen doch einmal die Formulierung des § 432 dieser Militärstrafgerichtsordnung vorlesen. Es heißt dort:
Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Berufung eines neuen erkennenden Gerichts zu veranlassen.
Da geht es allerdings um die Berufung, aber der Grundsatz ist der gleiche.
Zu dem neu berufenen Gerichte dürfen Personen als Richter nicht zugezogen werden, welche bei früheren Hauptverhandlungen mitgewirkt haben.
Herr Kollege Güde, jetzt muß ich Sie an etwas erinnern. Sie haben vorhin gesagt, daß wir bei den Richtern prüfen sollten, was für sie kompatibel ist. Sie haben gesagt: es ist zu prüfen, was miteinander vereinbar ist. Ich bin der Auffassung, es ist nicht vereinbar, daß ein Richter, der schon einmal ein Urteil gefällt hat, nachher in der gleichen Sache ein neues Urteil fällt. Ich will das in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit nicht noch weiter ausbreiten. Aber das war doch der Grund, warum schon im Regierungsentwurf die Änderung vorgenommen wurde, daß bei Wiederaufnahmeverfahren ein anderes Gericht das neue Verfahren durchführt.
Das alles hat gar nichts damit zu tun, daß man glaubt, der Richter sei gegebenenfalls befangen oder wolle absolut an dem früheren Urteil festhalten. Aber das Mißtrauen, das heute mitschwingt, wenn es zur Verweisung an ein anderes Gericht kommt, haben Sie bei der in Ihrem Antrag vorgesehenen Regelung auch wieder. Eine ganz klare Regelung ist die, die in der alten Militärstrafgerichtsordnung enthalten ist. Herr Kollege Güde, die Franzosen sind gute Juristen, und sie haben die gleiche Regelung. Diese beiden Beispiele zeigen wohl schon, daß es keine Überspannung ist.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406937500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heinemann.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0406937600
Herr Dr. Güde, wenn Sie die Befugnis des Gerichts, die Sache an ein anderes Gericht zurückzuverweisen, von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, würde doch wohl folgerichtigerweise das zurückverweisende Gerichtseinen Beschluß begründen müssen. Es müßte dartun, daß die Belange der Rechtspflege die Zurückverweisung so und nicht anders erfordern, daß die Würdigung der Umstände des Einzelfalles genau die Art der Zurückverweisung bedingen, die es ausspricht, und daß auch die Verhältnisse ides Angeklagten dabei gebührend berücksichtigt worden sind. Kurz und gut: die ganze Sache bekommt damit einen Begründungszwang, den man meines Erachtens dem Revisionsgericht ersparen sollte. Jede Begründung der Zurückverweisung an ein anderes Gericht als das, welches in erster Instanz entschieden hat, kann dann gar nicht daran vorbeigehen, idem erstentscheidenden Gericht gewisse Monita zu erteilen, deutlich zu machen, warum man ihm die Sache nicht zum zweitenmal glaubt anvertrauen zu können. Das bedingt, daß wir diese Möglichkeit nicht ins Auge fassen sollten. Bisher konnte das Revisionsgericht, wenn es an ein anderes verweisen wollte, das tun, ohne sich in seinen Motiven zu dekuvrieren. Das war gut und heilsam. Ich meine, dabei sollten wir es belassen. Die Konsequenz wäre dann, daß ,dem Antrag der SPD zugestimmt würde, der die unbedingte Auflage vorsieht, an ein anderes Gericht zurückzuverweisen.




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406937700
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es stehen sich nun zwei Anträge gegenüber — auf den Umdrucken 226 Ziffer 2 und 242 —, die sich meines Erachtens gegenseitig ausschließen. Wenn einer der beiden Anträge angenommen wird, brauchen wir über den anderen nicht mehr abzustimmen, weil er erledigt ist. Ich komme nun zu der Frage, welches der weitergehende Antrag ist. Das scheint mir eine so schwierige Frage zu sein, daß ich sie nicht entscheiden möchte.

(Zuruf von der SPD.)

Ich lasse abstimmen in der Reihenfolge, in der die Anträge eingebracht worden sind, also zuerst über den älteren Antrag. Das ist der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 226 Ziffer 3. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war eindeutig die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Damit ist der Antrag Umdruck 242 erledigt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über Art. 9 im ganzen in der Ausschußfassung mit der beschlossenen Ergänzung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf Art. 10. Dazu sind Änderungsanträge auf den Umdrucken 230 (neu) Ziff. 4, 238 *) und 239 **) eingebracht.
Wer begründet den Antrag Umdruck 230 (neu) Ziff. 4? — Herr Abgeordneter Busse!

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0406937800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! § 153 der Strafprozeßordnung gibt in der bisherigen Fassung die Möglichkeit, Verfahren einzustellen, wenn die Schuld des Täters gering und die Folgen der Tat unbedeutend sind. In den einzelnen Abschnitten dieses Paragraphen wird unterschieden, je nachdem, ob es sich um Übertretungen oder Vergehen handelt und in welchem Stadium sich das Verfahren befindet.
Ich möchte hier an das anknüpfen, was der Herr Bundesjustizminister heute morgen bereits sagte, daß wir nämlich bei unserer Strafprozeßordnung die künftige Entwicklung des Strafrechts nicht außer acht lassen sollten. Dieses ist aber, und ich glaube, das ist die einhellige Meinung des Hauses bereits heute, entscheidend abgestellt darauf, daß bestraft werden soll die Schuld des Täters. Deshalb kann es für die Frage, ob ein Verfahren eingestellt werden soll oder nicht, nicht mehr darauf ankommen, welche Folgen die Tat gehabt hat, wenn feststeht, daß die Schuld des Täters so unbedeutend ist, daß man von einer Strafe absehen kann.
Was wir von der FDP für den Abs. 2 beantragt haben, haben Sie, meine Damen und Herren von der SPD, für den Abs. 1 beantragt. Ich kann also auch gleich sagen, daß wir insoweit Ihrem Antrage zustimmen werden.
*) Siehe Anlage 14 **) Siehe Anlage 15

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406937900
Wer begründet den Antrag der Fraktion der SPD — Umdruck 238? — Herr Abgeordneter Dr. Reischl!

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0406938000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann namens unserer Fraktion erklären, daß wir dem Antrag der FDP-Fraktion zu Abs. 2 zustimmen werden. Unser Antrag ist dann eigentlich nur die Folge davon; denn wenn man bei Vergehen davon absieht, auf die Folgen der Tat abzustellen, muß man es bei Übertretungen wohl erst recht tun. Ich glaube, mich auf diese wenigen Worte beschränken zu können, und bitte, beide Anträge anzunehmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406938100
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten zuerst über diese Anträge entscheiden und nachher über den Antrag Dr. Besold und Genossen, der ja einen anderen Problemkreis betrifft. Wird zu den Anträgen auf den Umdrucken 230 (neu) und 238 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen. Wer dem Antrag Umdruck 230 (neu) der Fraktion der Freien Demokraten unter Ziffer 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wer dem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei auf Umdruck 238 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Nunmehr kommen wir zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Besold und Genossen auf Umdruck 239. Wer wünscht ihn zu begründen? — Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus !

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406938200
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag ist sehr schnell zu begründen. Im letzten Bundestag haben wir für alle steuerberatenden Berufe neues Berufsrecht geschaffen, und dabei tauchte auch die Frage auf, ob die Steuerbevollmächtigten in gleicher Weise zu behandeln sind wie die Steuerberater. Damit keine Unklarheiten entstehen, ist in dem Antrag ausdrücklich gesagt, daß sie im Strafverfahren gleichbehandelt werden.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406938300
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 239 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Artikel 10 in der Ausschußfassung mit den beschlossenen Änderungen bzw. Ergänzungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Art. 11, zunächst den Nrn. 1 und 2. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 226 Ziffer 4 auf, eine Nr. 2 a einzufügen. — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reischl (SPD).

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0406938400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, den ich namens unserer Fraktion zu begründen habe, dient einmal dem Zweck, dem Grundsatz des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes — „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden" — auch im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zur vollständigen Durchsetzung zu verhelfen. Wir haben im Gerichtsverfassungsgesetz schon eine Reihe von Bestimmungen, die diesem Zweck dienen. Das sind vor allem die Vorschriften über die Geschäftsverteilung zwischen mehreren Einzelrichtern des Amtsgerichts, über die Geschäftsverteilung zwischen den Kammern des Landgerichts und entsprechend zwischen den Senaten des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs.
Bisher haben wir keine Bestimmung gehabt über die Geschäftsverteilung innerhalb des Spruchkörpers des Gerichts. Sie ist aber von großer Bedeutung; denn es spielt natürlich eine große Rolle, wer in der Sache Berichterstatter ist. Der Berichterstatter studiert die Akten ganz genau. Er gewinnt einen maßgebenden Einfluß auf das Verfahren. Man sollte da jede Zufälligkeit und vor allem jede Möglichkeit einer persönlichen Einwirkung ausschließen. Es muß von vornherein auf Grund einer gesetzlichen Regelung feststehen, wer im Einzelfall gesetzlicher Richter ist.
Der Bundestag hat bei der Verabschiedung der Verwaltungsgerichtsordnung schon einen ersten Schritt in dieser Richtung getan und — wie damals hier ausdrücklich erklärt worden ist — eine Grundsatzregelung eingeführt, die im Laufe der Zeit auch auf die anderen Verfahrensordnungen ausgedehnt werden sollte. Dabei handelt es sich um den § 8 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, der wörtlich dem von uns vorgeschlagenen Abs. 2 des § 69 des Gerichtsverfassungsgesetzes entspricht.
Die Regelung hat sich bei den Verwaltungsgerichten bewährt. Sie ist praktikabel. Aus meiner eigenen Erfahrung beim Oberlandesgericht kann ich Ihnen sagen, daß wir sie im Senat ausprobiert und festgestellt haben, daß das ohne weiteres in dieser Form durchführbar ist, weil eben der Präsident zu Beginn des Jahres die Grundsätze genau festlegen kann, nach denen die Sachen den einzelnen Richtern zugeteilt werden. Man kann dabei ohne weiteres z. B. auch auf die Sachkenntnis des einzelnen Richters auf einem besonderen Fachgebiet Rücksicht nehmen, indem alle Sachen, die auf diesem Fachgebiet anfallen, nach der Verteilung eben diesem Richter zugewiesen werden.
Wesentlich ist, daß in einer Regelung, die ohne zwingenden Grund nicht geändert werden kann, für das ganze Jahr im voraus festgelegt wird, wer im Einzelfall der gesetzliche Richter, der zuständige bearbeitende Richter sein soll und wer dem Spruchkörper in den jeweiligen Sitzungen angehören soll.
Ich darf hinzufügen: beim Bundessozialgericht wird nach meiner Kenntnis der Dinge schon nach dieser Regelung verfahren, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Regelung noch nicht besteht.
Es gibt noch einen zweiten, einen — ich möchte es einmal etwas spaßhaft sagen — gesetzeskosmetischen Grund für diese Neuregelung. Wenn wir nämlich schon in einer Verfahrensordnung eine Regelung haben, müssen wir jetzt langsam Wert darauf legen, daß in allen Verfahrensordnungen die gleiche Regelung eingeführt wird. Wir müssen schließlich auch an die armen Leute denken, die juristische Staatsprüfungen ablegen müssen und dann eben immer wieder in jeder Verfahrensordnung eine andere Bestimmung finden. Wir sollten hier also auch Wert darauf legen, daß unsere Verfahrensordnungen so weit irgend möglich sachlich einander angepaßt werden.
Ich darf Sie bitten, unserem Antrag Ziffer 4 auf Umdruck 226 zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406938500
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Busse!

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0406938600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren Kollegen! Namens der FDP-Fraktion erkläre ich mich mit dem Vorschlag der SPD einverstanden. Auch wir begrüßen es, wenn endlich eine Harmonie in die verschiedenen Gesetze hineingebracht wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406938700
Herr Abgeordneter Dr. Kanka!

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406938800
Desgleichen!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406938900
Ich glaube, das war die kürzeste Rede, die je im Deutschen Bundestag gehalten wurde.

(Erneute Heiterkeit.)

Wir kommen, da Wortmeldungen nicht mehr vorliegen, zur Abstimmung über den Antrag der SPD auf Umdruck 226 Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dann ist diese Bestimmung eingefügt.
Ich rufe Punkt 3 auf und dazu den Antrag Umdruck 243 Ziffer 3 a. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0406939000
Ich erkläre, daß ich die Anträge unter den Ziffern 3 a und b sowie 4 hiermit zurückziehe.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406939100
Die Anträge unter Ziffern 3 und 4 werden zurückgezogen. Dann können wir gleich über die Punkte 3, 4, 5, 6, 7 und 8 verhandeln. Das Wort wird nicht gewünscht. Wier dien aufgerufenen Punkten zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Wir kommen damit zu Punkt 9 und dem Antrag der Abgeordneten Jahn und Genossen auf Umdruck 227 ). Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Jahn!


Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406939200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie am Schluß dieser ausführlichen zweiten Lesung bitten, sich noch miteinem Problem zu beschäftigen, von dem die Unterzelichner des Antrages auf Umdruck 227 der Meinung sind, daß es von einiger grundsätzlicher Bedeutung bei den Beratungen ist, die wir hier abzuschließen haben.
Die Vorlage, wie sie vom Ausschuß verabschiedet worden ist, sieht ein uneingeschränktes Verbot der Öffentlichkeit dm gerichtlichen Strafverfahren vor, soweit es die Öffentlichkeit durch Film, Funk und Fernsehen betrifft. Niemand wird sich einem gewissen Verständnis dafür verschließen können, daß nach mancherlei Erfahrungen lin unserer Zeit die Gefahren des Mißbrauchs dieser modernen Kommunikationsmittel schrecken. Niemand wird sich dem Verständnis dafür verschließen können, daß ein hohes Maß an Zurückhaltung bei einer umgekehrten Überlegung, als sie vom Ausschuß getroffen worden ist, Platz greifen kann. Aber ich meine, bei allem Verständnis dafür sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Es besteht die Gefahr, daß — wenn man willkürlich eine Reihe von verständlichen Gründen herauszieht — eine Entscheidung getroffen wird, die uns für absehbare Zeit nicht nur völlig bindet, sondern auch für absehbare Zeit jede weitere Rechtsentwicklung ersticken muß. Ich glaube, das wäre kein guter Weg.
Die Einwände, die gegen die Möglichkeit vorgebracht werden, einen anderen Weg zu gehen, als die Vorlage vorsieht, betreffen zunächst einmal die Sorge, daß durch die Mitwirkung von Funk und Fernsehen, durch Fotografen und durch Filmaufnahmen die Würde des Gerichts beeinträchtigt werde oder mindestens beeinträchtigt werden könne. Ich glaube, daß dieses Argument — ich wiederhole: bei allem Verständnis —doch ein wenig willkürlich ist. Bei nahezu allen Ereignissen von einem gewissen öffentlichen Rang ist es üblich geworden und heute gar nicht mehr auszuschließen, daß man diese Form der Mitwirkung öffentlicher Kommunikationsmittel zumindest hinnimmt. Dafür zu sorgen, daß die Würde des Gerichts und des gerichtlichen Verfahrens gewahrt bleibt, ist eine Aufgabe des jeweiligen Gerichtsvorsitzenden, der über die Mittel der Sitzungspolizei verfügt und von ihnen in dem gebotenen Umfang Gebrauch machen kann, ja, in dem gebotenen Umfang Gebrauch machen muß. Da diese Möglichkeit besteht und, wie uns praktische Erfahrungen zeigen, auch genutzt wird, kann das Argument der Sorge um die Würde des Gerichts nicht den Ausschlag geben.
Ein anderes Argument ist, es werde dem Startum und dem Sensationsbedürfnis Vorschub geleistet. Nun, niemand wird das bestreiten können, und es gibt auch dafür praktische Beispiele. Natürlich gibt
*) Siehe Anlage 16
es gelegentlich auch im Gerichtssaal den einen oder den anderen, der sich in dieser Weise hervortun möchte. Ich wehre mich aber dagegen, daß dieser Vorwurf generalisiert wird. Es wäre ein ungerechter Vorwurf, nicht nur gegenüber den Richtern, sondern gegenüber allen Organen der Rechtspflege. Die praktischen Erfahrungen der letzten Jahre zeigen uns, daß 'sie in voller Verantwortlichkeit für das, was sie dort zu tun haben, diese schwierige Frage durchaus bewältigt haben. Daß Ausnahmen bestehen, kann die Regel nur bestätigen. Es kann keinesfalls zu dem umgekehrten Schluß führen, der Gesetzgeber sei verpflichtet, den Richter davor zu bewahren, einem allzu großen Sensationsbedürfnis nachzugeben. — Bitte, Herr Kollege!

Dr. August Dresbach (CDU):
Rede ID: ID0406939300
Herr Kollege Jahn, sind Sie nicht der Meinung, daß ein guter Gerichtsberichterstatter wie seinerzeit „Sling", mit seinem richtigen Namen Schlesinger, der Justiz unendlich viel besser tut als ein Dutzend von diesen modernen Wegelagerern?

(Heiterkeit.)


Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0406939400
Darüber läßt sich durchaus reden. Nur müßte man diese Art von Berichterstattung auch tatsächlich erleben. Aber ich werde auf diese Frage gleich noch zu sprechen kommen.
Ein anderer Einwand ist, die Objektivität der Verhandlung leide darunter, und es werde die Wahrheitsfindung erschwert, insbesondere durch den nachteiligen Einfluß dieser Form von Öffentlichkeit auf die Unbefangenheit des Angeklagten und der Zeugen. Dieses Argument ist, glaube ich, besonders ernst zu nehmen. Aber man muß sich auch einmal die Realitäten richtig vor Augen führen. Ist denn ein Angeklagter oder ein Zeuge in einer Gerichtsverhandlung, bei der im Zuhörerraum die ganze engere Lebensgemeinschaft, die ganze Dorfgemeinschaft beispielsweise, sitzt, etwa weniger befangen? Ist er dann weniger unter dem zweifellos bestehenden Druck einer gewissen Öffentlichkeit? Ich meine, der Unterschied ist bestenfalls ein gradueller, aber es ist kein Unterschied im Grundsätzlichen. Ich habe selber in einer ganzen Reihe von Strafverfahren erlebt, wie sehr es den Angeklagten und den Zeugen belastet hat, daß rundherum auf den Zuschauer- und Zuhörerbänken diejenigen saßen, denen er tagtäglich in seinem Leben begegnete, seine Nachbarn, Freunde und Feinde, und nun alles, was ihm vorgeworfen wurde und was im Strafverfahren in aller Breite und Ausführlichkeit verhandelt wurde, hören und werten und später ihre Meinung dazu sagen konnten. Das ist eine Situation, die im Prinzip von der einer weiteren Öffentlichkeit nicht sehr verschieden ist.
Dann wird gesagt, es gehe um die Wahrung der Menschenwürde des Angeklagten und der übrigen Prozeßbeteiligten. Richtig, darum geht es. Aber auch das ist wieder eine Aufgabe der Verhandlungsführung; es ist eine Aufgabe der richtigen Wahrnehmung der Pflichten des Vorsitzenden in der Führung der Sitzung, dafür zu sorgen, daß hier For-



Jahn
men und Regeln gefunden werden — und sie lassen sich finden —, die eine Verletzung der Menschenwürde verhindern. Man kann mit etwas gutem Willen für solche Formen der Öffentlichkeit Regeln aufstellen. Das ist bei den modernen technischen Mitteln, über die man heute verfügt, überhaupt kein Problem, die einmal eine bessere Situation als die jedes normalen Zuschauers nicht zulassen, auf der anderen Seite aber sicherstellen, daß die Würde des Angeklagten nicht beeinträchtigt wird, jedenfalls nicht mehr beeinträchtigt wird, als sie bei normalen Formen der Öffentlichkeit, wie wir sie bisher kennen, auch beeinträchtigt werden kann.
Schließlich wird gesagt, es gebe hier die Gefahr einer schiefen Berichterstattung dadurch, daß ja schließlich nicht der vollständige Ablauf der Verhandlungen aufgenommen und wiedergegeben werde, sondern nur Ausschnitte, und daß dadurch eine Tendenz hineingebracht werden könne.
Nun komme ich zu dem, was Sie, Herr Kollege Dr. Dresbach, eben gesagt haben. Auch Presseberichte können ein völlig schiefes, völlig einseitiges, völlig tendenziöses Bild von einer Verhandlung geben. Diese Kunst ist heute bei uns —das soll man ruhig einmal sagen — nicht mehr so hoch entwickelt wie früher. Bei manchen Presseberichten kann man sich eigentlich, wenn man sie mit sachkundigen Augen liest, ohne die Verhandlung selber erlebt zu haben, nur die Haare raufen, weil man schon aus dem Bericht ersehen kann, daß es so gar nicht gewesen sein kann. Ich meine aber, hier ist also auch nur in gradueller Unterschied vorhanden, der im Grundsatz eine andere Bewertung der anderen Kommunikationsmittel nicht rechtfertigt.
Ich will die Einwände, die ich hier in kurzer Form behandeln muß, keineswegs leicht nehmen. Ich glaube, sie sind sehr ernst und sie bedürfen einer sehr sorgfältigen Prüfung. Sie müssen für weitere Überlegungen auf jeden Fall herangezogen werden. Aber, meine Damen und Herren, es ist ja nicht so, als hätten wir im Augenblick eine Rechtslage, die uns heute dazu zwingt, nun eine absolute und zwingende Entscheidung in der einen oder anderen Richtung zu treffen. Die gegenwärtige Rechtslage ist nicht nur eindeutig, sie ist auch ausreichend. Es soll nicht nur die allgemeine Bestimmung des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach die Verhandlung öffentlich ist, geändert werden, sondern wir haben auch die Bestimmungen über die Sitzungspolizei und damit die Mittel für den Vorsitzenden, in die Verhandlung so einzugreifen, das heißt, auch ihren äußeren Ablauf so zu gestalten, daß die Würde des Gerichts, die Würde des Angeklagten, die Würde des Verhandlungsablaufs überhaupt in vollem Umfang gewahrt wird. In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß wir Richtlinien für das Strafverfahren haben, die dazu das Notwendige ausführlich, richtig und zutreffend sagen und die eine sehr viel abgewogenere Haltung aufweisen als diejenige, die in der Regelung der Ausschußvorlage ihren Niederschlag gefunden hat. Diese Richtlinien für das Strafverfahren beruhen auf einer Übereinkunft der deutschen Justizminister und besagen zu diesem Punkte folgendes; es ist vielleicht ganz natürlich, sich das noch einmal wörtlich in Erinnerung zurückzurufen:
Presse und Rundfunk dienen der Strafrechtspflege durch eine wahrheitsgetreue Berichterstattung, da sie die Tätigkeit von Richter und Staatsanwalt dier Öffentlichkeit näherbringen. Sie dürfen in ihrer Bericherstattung nicht mehr beschränkt werden, als es der Zweck der Hauptverhandlung gebietet. Die Aufgabe des Gerichts, die. Wahrheit zu erforschen, darf aber nicht vereitelt oder erschwert, das Recht des Angeklagten, sich ungehindert zu verteidigen, nicht beeinträchtigt werden.
Dann wird im einzelnen ausgeführt, um welche Bedingungen es ansonsten geht. Diese Richlinien für das Strafverfahren, die also einen Maßstab errichten, nach dem in diesen Fällen zu verfahren ist, sind gültige Bestimmungen. Sie werden in der Praxis beachtet, und es ist bisher nicht sichtbar geworden, daß, von der einen oder anderen Ausnahme abgesehen, ein Mißbrauch aufgetreten ist, der eine zwingende gesetzliche Regelung erforderte.
Aber noch mehr, wir haben Entscheidungen unseres oberen Bundesgerichts, des Bundesgerichtshofs, der eindeutig gesagt hat: Widerspricht auch nur ein einziger der am Verfahren Beteiligten der Aufnahme für Zwecke des Rundfunks usw., dann darf der Vorsitzende des Gerichts sie nicht zulassen. Nun, wenn das von seiten des oberen Gerichts — übrigens in Übereinstimmung mit den Richlinien für das Strafverfahren — so beschlossen worden ist, dann ist das nach unserer Rechtspraxis mehr oder weniger bindend für alle anderen Gerichte; zumindest hat eine Abwehr durchaus Erfolg. Mehr kann man doch eigentlich nicht erwarten als diese Regelung, die unserer geltenden Rechtslage entspricht und die für jede Erweiterung der bisher üblichen Öffentlichkeit zur Voraussetzung macht, daß alle Beteiligten zustimmen. Wozu also jetzt eine Regelung, die weit darüber hinausgeht und die jede weitere Entwicklung in der Rechtspraxis, jede weitere Auseinandersetzung auch in der Wissenschaft erst einmal ausschließt?! Wir müssen uns nämlich im Hinblick auf die jetzige Regelung des Entwurfs darüber im klaren sein, daß eine ganze Reihe von Fragen bisher nicht berücksichtigt, nicht erörtert, nicht geprüft worden sind, von denen ich meine, daß man sie nicht auf die leichte Schulter nehmen kann.
In Art. 5 des Grundgesetzes heißt es: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet." Das steht im Gegensatz, und wir schreiben hier in das Gesetz eine Regelung hinein, die eindeutig und einseitig zugunsten der Presseberichterstattung und zum Nachteil jeder anderen Berichterstattung wirkt. Bisher hat niemand sagen können, wie das eigentlich gerechtfertigt werden soll, womit diese unterschiedliche Behandlung zweier nach dem Grundgesetz gleichberechtigter Kommunikationsmittel begründet werden soll.
Wenn man aber eine solche unterschiedliche Behandlung rechtfertigen zu können glaubt, dann



Jahn
reicht zumindest die Regelung der Ausschußvorlage unter keinen Umständen aus. Denn dann bedarf es nach Art. 19 des Grundgesetzes einer im Gesetz ausdrücklich ausgesprochenen Einschränkung, und diese Einschränkung ist im Entwurf nicht enthalten.
Es gibt ein weiteres Bedenken, über das man auch erst einmal Klarheit schaffen muß. Wir treffen hier eine einseitige Regelung für den Strafprozeß. Selbst wenn man zugesteht, daß die Frage beim Strafprozeß vielleicht am ehesten aktuell werden kann, so muß man doch bedenken, daß es auch interessante Zivilprozesse, auch für die Öffentlichkeit interessante Arbeitsgerichts-, Sozialgerichts- und Verwaltungsgerichtsprozesse gibt. Für alle diese Gebiete wird eine solche Regelung aber nicht getroffen. Wir treffen sie einseitig und ausschließlich mit einem totalen Verbot für die Strafprozesse. Der Rechtszustand, der sich hiermit ergibt, kann keinesfalls als befriedigend angesehen werden.
Schließlich, meine ich, kommen wir doch wohl nicht darum herum, uns einmal sehr ernsthaft mit der Frage auseinanderzusetzen: Was heißt in unserer Zeit eigentlich Öffentlichkeit? Die Auseinandersetzungen darüber sind bisher recht vordergründig und — ich bitte um Nachsicht, wenn ich das einmal sehr hart sage — für mein Gefühl recht oberflächlich geführt worden, wenn man meinte, das Problem damit abtun zu können, daß man sagte: Nun gut, es gibt eine unmittelbare Öffentlichkeit durch persönliche Anwesenheit im Gerichtssaal, und es gibt eine mittelbare Öffentlichkeit. So kommt man dem Problem sicher nicht bei, das doch in der Tatsache steckt, daß unsere Gerichte Recht sprechen im Namen des Volkes. Das geht nicht so aus dem Handgelenk, und ich mache kein Hehl daraus, daß ich mir keineswegs ganz sicher bin, wie diese Diskussion einmal ausgehen wird. Ich meine aber, wir müssen die Diskussion erst einmal in aller Ruhe und Sachlichkeit führen: Was bedeutet das eigentlich? Gilt nicht mehr der Grundsatz, daß, wenn schon im Namen des Volkes Recht gesprochen wird, dann auch eine echte Wechselwirkung zwischen Gerichtsbarkeit und Volk bestehen muß? Muß man sich nicht einmal Gedanken darüber machen, was an dem Vorwurf ist, daß es eine echte Verbindung, eine geistige Verbindung zwischen unserer Rechtsprechung und dem Volk, in dessen Namen Recht gesprochen wird, heute nur in einem unzureichenden Maße gibt, und ist nicht vielleicht dieser Weg einer Ausnutzung unserer vorhandenen Kommunikationsmittel für die Zukunft eine Möglichkeit, mit dieser Schwierigkeit besser fertig zu werden? Das sind Fragen, die ich stelle. Ich will sie nicht als vorweggenommene Antworten gewertet wissen. Aber es sind Fragen, über die wir einmal in Ruhe nachdenken und die wir mit mehr Sorgfalt und mit mehr Zeit prüfen müssen, als wir das heute und hier tun können und als wir es bei den Beratungen der kleinen Reform getan haben.
Es ist interessant, sich einmal anzusehen, was schon vor nahezu 150 Jahren zu diesem Thema gesagt worden ist. Damals schrieb — den Juristen ist er ein Begriff — Anselm von Feuerbach seine
„Betrachtungen über die Öffentlichkeit und Mündlichkeit der Gerechtigkeitspflege" ; darin führte er aus:
Das Volk erscheint bei Gericht, weil das Volk selbst richtet oder wenigstens bei Ausübung der Richtergewalt als mittheilnehmend betrachtet wird, wie bei den eigentlichen judiciis populi der Römer, wenn sich das Volk, um ein Verbrechen selbst zu richten, auf seinen Comitien versammelte; wie, in den ältesten Zeiten allgemein, in späteren hie und da, bei den öffentlichen Gerichten der Deutschen. Diese
— so fährt er an anderer Stelle fort —
erste Grundform eines öffentlichen Gerichtswesens ist so einfach in ihren Elementen und mit der Denkweise und den Sitten eines noch einfachen freien Volkes, welches sein Bürgerwesen von unten auf aus sich selbst herausbildet, so natürlich verbunden, daß es hieraus leicht erklärbar ist, warum wir dieselbe bei so vielen, zumal noch ungebildeten Völkern matter oder schärfer ausgeprägt finden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, in diesen vor fast 150 Jahren niedergeschriebenen Sätzen steckt einiges, was wir zum Anlaß sehr sorgfältiger Prüfung und ruhigen Nachdenkens nehmen sollten.
Worum es mir geht, ist, daß wir hier nicht eine Entscheidung treffen, die jede weitere Entwicklung abschneidet, daß wir uns die Ruhe und Zeit nehmen, ein Problem, das seine vielfältigen Aspekte hat, das in der Zukunft seine Bedeutung im öffentlichen Leben unseres Volkes und überhaupt schlechthin gewinnen wird, sorgfältig zu prüfen und zu durchdenken, und daß wir eine Entwicklung nicht dadurch völlig abschneiden, daß wir eine Entscheidung treffen, für die es sachlich eine Notwendigkeit nicht gibt, weil die vorhandenen Regelungen voll ausreichen.
Ich meine, der Deutsche Bundestag sollte zum mindesten soviel Gelassenheit auch gegenüber diesem Problem aufbringen, daß er nicht einen Rückschritt gegenüber den Rechtsauffassungen vornimmt, die bereits vor 150 Jahren mit guten Gründen vertreten worden sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406939500
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0406939600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem ist von grundsätzlicher Bedeutung. Das Problem, Herr Kollege Jahn, ist nicht neu. Es taucht hier im Hause heute nicht zum erstenmal auf. Der Rechtsausschuß hat in seinen Beratungen über die Strafprozeßnovelle, die mehr als ein Jahr gedauert haben, Anlaß, Zeit und Gelegenheit genommen, sich mit dieser Frage sehr eingehend zu beschäftigen.
Ich verstehe, Herr Kollege Jahn, zunächst einmal nicht Ihre Empfehlungen, die Sie uns für das Verfahren geben. Die ganzen Beratungen im Laufe des heutigen Tages über die Strafprozeßnovelle haben gerade auch von Ihrer Seite und von seiten Ihrer



Benda
Kollegen zum Teil mit Recht die Forderung gebracht: Hier in diesem oder jenem Punkte müssen wir einmal eine klare Entscheidung treffen, hier müssen wir einen neuen Weg in die Zukunft weisen, hier müssen wir zeigen, welcher Auffassung wir sind. — Und nun — welche Töne, Herr Kollege Jahn, höre ich! „Wir wollen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Wir wollen auch nicht die Entwicklung ersticken. Wir müssen noch weitere Überlegungen anstellen. Wir brauchen mehr Gelassenheit. Wozu denn jetzt überhaupt eine Regelung!" Alles Ausdrücke, die Sie, Herr Kollege Jahn, verwendet haben.
Sie haben freundlicherweise gesagt, daß Sie für die Argumente der Gegenauffassung — die Sie ja zusammengefaßt selber vorgetragen haben — viel Verständnis haben. Ich bedaure, Ihnen das gleiche nicht in allen Punkten bestätigen zu können; ich habe für einen guten Teil Ihrer Argumente wenig oder gar kein Verständnis.
Kollege Jahn, hier liegt eine Forderung auf dem Tisch des Hauses, mit der sich der Strafrechtsausschuß des Deutschen Anwaltvereins in einer einstimmig angenommenen Entschließung im Jahre 1959 beschäftigt hat, in der der Strafrechtsausschuß der Rechtsanwälte gesagt hat: Hier ist ein Problem, das zu regeln überfällig ist, das keinen Aufschub duldet, das, wenn irgend möglich, noch vor Einbringung und Verabschiedung der Kleinen Strafprozeßreform verabschiedet werden sollte. — Dazu ist es — ich kann nur sagen: leider — nicht gekommen.
Hier, meine Damen und Herren, liegt ein Problem auf dem Tisch, von dem die Internationale Strafrechtsvereinigung, ein internationales Juristengremium, auf ihrer Tagung in Lissabon 1961 mit aller Klarheit und Entschiedenheit dasselbe Ergebnis gefordert hat, zu dem wir nach einjährigen Ausschußberatungen über die Strafprozeßnovelle gekommen sind.
Ich verstehe nicht, wie man angesichts dieser Situation, angesichts im übrigen, Herr Kollege Jahn, auch der eindeutigen Auffassung der übergroßen Mehrheit aller Mitglieder des Rechtsausschusses, gleichgültig welcher Fraktion sie angehören, heute sagen kann, daß das Problem eigentlich noch nicht durchdacht sei und daß man darüber zu einem späteren Zeitpunkt einmal nachdenken könne. So fortschrittlich, Herr Kollege Jahn, in einer Reihe von Punkten heute, und hier so langsam, so konservativ, Herr Kollege Jahn; ich bin versucht zu sagen: so reaktionär!

(Lachen bei der SPD. — Abg. Jahn: Das zeigt nur, daß Sie gar nicht verstanden haben, worum es geht!)

Kollege Jahn, nichts gegen Anselm von Feuerbach. Feuerbach kannte das Fernsehen und die Filmkameras noch nicht.
Sie haben gesagt — ich darf auf einige Ihrer Sachargumente eingehen —, das sei ja alles weiter nicht so schlimm, es sei ja bei allen Ereignissen von einem gewissen öffentlichen Rang üblich, daß da Fernsehen und Kamera dabei ist. Nun, ich will mich
hier nicht darüber unterhalten, ob das an sich eine erfreuliche Sache ist oder ob das nicht auch seine Kehrseiten hat. Diese Möglichkeit ist zugelassen, dagegen ist im Rahmen der Aufrechterhaltung der Ordnung relativ wenig zu machen, und wir haben das hinzunehmen. Es gibt Situationen, in denen ich nicht überzeugt bin, daß damit der Sache, die dort abgehandelt wird, ein wirklich guter Dienst geleistet wird; ein Problem, das etwa auch in diesem Hause bei der Frage der Zulassung dieser Kommunikationsmittel eine Rolle gespielt hat.
Herr Kollege Jahn, ich stutze sehr bei dem Ausdruck, daß es doch bei allen Ereignissen von einem gewissen öffentlichen Rang üblich sei, so zu verfahren. Meine Damen und Herren, ich halte den Strafprozeß nicht für ein „Ereignis von gewissem öffentlichem Rang". Ich halte ihn für ein Ereignis, bei dem es um das Schicksal eines Einzelmenschen geht und bei dem im Vordergrund aller Überlegungen nicht das Interesse der Öffentlichkeit, das berechtigt sein mag, zu erfahren, was sich zugetragen hat, stehen muß, sondern die Situation des Einzelmenschen, der in einer einmaligen, schwierigen Situation steht.
Sicher, Kollege Jahn, Feuerbach hat schon recht: Weil das Volk urteilt und weil im Namen des Volkes geurteilt wird, ist das Volk berechtigt und sogar moralisch verpflichtet — da stimme ich Feuerbach und Ihnen zu —, zum Gericht zu gehen und Zeuge dieser Sache zu sein. Daß das auch nicht immer erfreulich ist, haben Sie, nebenbei bemerkt, zu Recht gesagt. Aber das sind Dinge, die wir hinzunehmen haben um der Ausübung der Kontrollfunktion des Volkes bei der Gerichtsbarkeit willen. Aber das Volk, Herr Kollege Jahn — und so sagt es Feuerbach —, muß hingehen, es muß sich der Situation im Gerichtssaal stellen. Es darf sich nicht zu Hause vor den Fernsehschirm setzen und das sehen, was ihm durch den Filter des Reporters oder der Fernsehkamera gegeben wird.

(Beifall.)

Das, Herr Kollege Jahn, ist der entscheidende Unterschied.
Ihr ganzes Gedankenmodell scheint mir etwas davon auszugehen, als ob das eine Art erweiterter Gerichtssaal wäre. Nun, darüber möchte man streiten. Aber es widerspricht den Realitäten. Es ist nicht so, daß man mit den Mitteln des Films oder des Fernsehens den Ablauf der Verhandlung tatsächlich von Anfang bis zum Ende miterlebt.

(Abg. Blachstein: Der Zeitungsleser erlebt es auch nicht mit!)

— Ich komme sofort auf das Problem des Zeitungslesers, Herr Blachstein, wenn Sie mir einen Augenblick Geduld schenken. Was dem Zuschauer am Bildschirm oder in der Wochenschau oder wo immer geboten wird, ist der Ausschnitt, ist die Selektion, die unter Umständen entstellende, durch Auslassung entstellende Darstellung eines Vorganges.
Ich brauche es gerade Ihnen, Herr Kollege Jahn, der Sie die Unterlagen kennen, die von der Rechtsanwaltskammer gekommen sind, nicht vorzulesen. Aber ich denke etwa an das eine, was dort geschil-



Benda
dert wird — und das muß man im Auge haben —: die Möglichkeit der Schilderung eines Prozesses, der die Öffentlichkeit in starkem Maße erregt, eines Prozesses, in dem Massenmordfälle, politische Verbrechen, womöglich die scheußlichen Verbrechen der Vergangenheit vorkommen. Diese Dinge kann man manipulieren, indem man gegeneinanderstellt oder sogar durch Überspielung ineinanderblendet etwa die Darstellung des Plädoyers des Staatsanwalts in einem solchen Prozeß, der Anklage, und das Bild von Massengräbern von Ermordeten oder anderen Dingen, die dann optisch das Argument des Wortes unterstreichen und dadurch den Zuschauer hypnotisch geradezu zu einem bestimmten Vorurteil bringen. Meine Damen und Herren, das ist doch eine Sache, deren Gefährlichkeit, deren Problematik gar nicht zu übersehen ist und bei der man von einem fairen Prozeß, von dessen Notwendigkeit seit heute morgen den ganzen Tag mit Recht geredet worden ist, für den Angeklagten, sei er schuldig oder nicht schuldig — denn es ist erst das Ziel des Prozesses, das herauszubekommen —, vernünftigerweise und billigerweise nicht mehr sprechen kann.
Herr Kollege Blachstein, Sie werfen ein: die Presse auch. Das ist richtig, die Presse auch. Die Presse bringt aber Berichte, von denen, wie ich glaube, der Zeitungsleser ernsthaft nichts anderes annehmen wird, als daß es die Mitteilung eines Reporters über das ist, was er selbst gesehen hat. Der Presse fehlt die uns allen bekannte eigentümliche Faszination des Bildes. In einem gewissen Umfange ist sie vorhanden, wenn etwa Pressefotografien dem Wortbericht beigefügt werden. Daß dort die Probleme beginnen, wissen wir auch alle. Das ist ja auch eines der Probleme aus diesem Komplex: das Foto des Angeklagten im Gerichtssaal und derartige Dinge, aber noch viel stärker. Jeder, der etwas von der Wirkung des Fernsehens oder überhaupt der optischen Mittel weiß, muß doch zugeben, daß die hypnotisierende und faszinierende Wirkung eines Bildeindrucks im Fernsehen oder im Film ungleich größer ist als der Bericht eines Reporters, wenngleich ich Ihnen natürlich zugeben muß, daß man sich in dem einen oder anderen Fall wirklich fragen muß, ob der Bericht eines Reporters, wenn es ein Teil der mehr zum Sensationellen neigenden Presse ist, nicht hart an die Grenzen dessen geht, was eigentlich noch erträglich ist, oder diese Grenzen nicht sogar überschreitet.
Ich meine — um noch einmal auf das Argument der Öffentlichkeit im Gerichtssaal zurückzukommen, Herr Kollege Jahn —: Dinge, wie sie sich in bestimmten, uns allen bekannten Mordprozessen in München und anderswo abgespielt haben und leider noch immer abspielen, gehen an die 'Grenze dessen, was unter Aufrechterhaltung des von uns allen selbstverständlich anerkannten Prinzips der Öffentlichkeit des Verfahrens noch mit der Würde sowohl des Gerichts als auch Ides Angeklagten vereinbar ist; es liegt dann in der Verantwortung des Gerichtsvorsitzenden, für die Aufrechterhaltung der notwendigen Ordnung zu sorgen.
Herr Kollege Jahn, es geht— ich darf es noch einmal sagen — um die Würde des Gerichts. Dabei
'ist es nicht nur eine technische Frage, ob die Kabel im Saal herumliegen. Darüber ließe sich reden. Das ließe sich, wenn man es wollte, technisch überwinden, daß solche Dinge nicht auftreten. Das ist bare Selbstverständlichkeit. Es geht um die Würde des Gerichts, das in dem Raum vor dem Volk, das dort repräsentiert ist durch die zugelassene Öffentlichkeit, mit den Prozeßbeteiligten verhandelt und nicht zulassen darf, daß der Prozeß unter Umständen entstellt — wir wissen, daß es vorgekommen ist —, unter Umständen ausgewählt und — in jeder Auswahl liegt
subjektives Moment — dann an die Öffentlichkeit weitergegeben wird. Das beeinträchtigt, wie ich glaube, die Würde des Gerichts, und es beeinträchtigt, was weitaus entscheidender ist, was ausschlaggebend ist und was doch der Leitgedanke unserer ganzen Überlegungen am heutigen Tage ist, in einem für mein Gefühl und wohl für das Gefühl der Mehrheit des Ausschusses unerträglichen Ausmaße die Würde des Menschen, der dort vor seinen Richtern in einer einmaligen, außerordentlich schwierigen Situation steht und der einen Anspruch darauf hat, daß die Menschen, mit denen er im Prozeß zu reden hat, und auch die Menschen, die Zeugen seines vielleicht psychischen und moralischen Zusammenbruchs sind, ihm genauso ins Auge sehen, wie er gezwungen ist, ihnen ins Auge zu sehen.
Ich glaube, daß wir hier doch an eine Grundfrage kommen, die man mit technischen Methoden und technischen Vorschlägen nicht bereinigen kann. Hier, Herr Kollege Jahn, würden sich wirklich die Geister scheiden. Ich halte es für einen Fortschritt, daß der Rechtsausschuß — und das ist nur konsequent und zeigt, worum es wirklich geht — im Gegensatz zum Regierungsentwurf gesagt hat, daß auch und gerade bei der Urteilsverkündung eine solche Übertragung nicht zulässig ist. Denn das ist doch der entscheidende, der schrecklichste Augenblick für den von einem Strafverfahren betroffenen Menschen. Es wäre ein unerträglicher Gedanke, Un diesem Augenblick technische Mittel des Fernsehens und des Films und all die anderen Mittel zuzulassen und den Zusammenbruch eines Menschen verzerrt vor das Auge der Öffentlichkeit bringen zu lassen.
Es wäre einiges hinzuzufügen. Ich möchte mich auf diese Bemerkungen beschränken. Herr Kollege Jahn, ich darf nur noch sagen: ich glaube nicht, daß Ihre verfassungsrechtlichen Argumente, die auf Art. 5 gestützt worden sind, die, wenn ich mich recht entsinne, übrigens dm Ausschuß im einzelnen erörtert worden sind — —

(Zuruf des Abg. Jahn.)

— Nein? Dann erinnere ich mich falsch. Aber diese Argumente sind mir nicht neu. Ich glaube nicht, daß sie begründet sind.
Ich darf es noch einmal im letzten Satz sagen: Es stehen hier gegenüber das Interesse der Berichterstattung, das Interesse der Öffentlichkeit und das Interesse der Menschenwürde, Art. 1 des Grundgesetzes. Ich würde, vor diesen Konflikt gestellt, ohne Zögern dem Grundrecht der Menschenwürde



Benda
den Vorrang geben. Ich bitte Sie, den Antrag der Kollegen abzulehnen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406939700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hirsch.

Martin Hirsch (SPD):
Rede ID: ID0406939800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, daß es mir in der Seele wehtut, meinem Freund Gerhard Jahn widersprechen zu müssen. Aber in Anbetracht der Tatsache, daß ich das für sehr falsch halte, was er hier vorhat, muß ich es tun. Viel von dem, was ich sagen wollte, hat Herr Kollege Benda in seinen ausgezeichneten Ausführungen vorweggenommen. Ich glaube, ich kann mich daher sehr kurz fassen und mich damit begnügen, einige Dinge richtigzustellen, die vielleicht ¡in den Ausführungen des Kollegen Jahn etwas schief dargestellt worden sind.
Zunächst möchte ich meinen — das ist vielleicht eine wesentliche Sache —, daß es ganz sicher unrichtig ist — darüber kann es eigentlich keinen Streit geben —, wenn Herr Jahn meint, die Sache sei noch nicht reif, man müsse das noch mehr überlegen und abwarten, wie die Dinge weiterlaufen. Ich möchte behaupten, die technischen Kommunikationsmittel oder, vielleicht besser gesagt in diesem Zusammenhang, Indiskretionsmittel unserer Zeit

(Beifall)

zeichnen sich nicht dadurch aus, 'daß ihre Wirkung weniger wird, sondern dadurch, daß es immer schlimmer, wird. Was passiert alles auf diesem Gebiet! Jetzt haben wir das Schwarz-Weiß-Fernsehen. Bald kommt das Farb-Fernsehen. Die Technik wird sich vervollkommnen, aber das Problem als solches wird immer schlimmer werden und nicht weniger schlimm. Es gibt keinen vernünftigen Grund, diese Sache nicht jetzt zu entscheiden, — so oder so. Ich meine, wir müssen sie so entscheiden, wie es der Rechtsausschuß getan hat, nämlich in dem Sinne, daß diese Übertragungen verboten werden.
Ich meine, daß das Argument des Herrn Jahn, damit würde die Öffentlichkeit, die doch nötig sei, im Strafverfahren gefährdet, ganz sicher nicht richtig ist. Es ist noch niemand auf die dee gekommen, einem Richter vorzuschreiben, daß er eine unbeschränkte Zahl von Menschen in den Gerichtssaal hineinlassen müsse. Er muß nur so viel hineinlassen, wie der Gerichtssaal Plätze hat, und keinen einzigen mehr. Der Gesichtspunkt der Öffentlichkeit hat den Sinn, das Geheimverfahren zu vermeiden.

(Abg. Jahn: Falsch!)

Es hat aber nicht den Sinn, daß Menschen in Hemdsärmeln und Filzpantoffeln am häuslichen Herd sich anschauen, wie ein anderer Mensch leidet und in Sorge ist.

(Allgemeiner Beifall.)

Ich glaube auch nicht, daß Herr Jahn recht hat, wenn er meint, die Beteiligten in dem Strafverfahren würden in ihrer Wirkungsmöglichkeit durch
Fernsehen oder Rundfunk nicht beeinträchtigt. Es ist ein Unterschied, ob man in einem stillen Gerichtssaal vernommen wird, persönlich, oder ob ein Scheinwerfer auf das Gesicht gerichtet und eine Aufnahmekamera da ist. Schon wir Parlamentarier wissen, daß man dadurch in seiner Wirkungsmöglichkeit beeinträchtigt werden kann. Ein einfacher Mensch, der einen solchen Scheinwerfer auf sich gerichtet fühlt und merkt: Millionen hören zu und sehen mich!, ist nicht mehr unbefangen. Wollte man das bestreiten, würde man die Wirklichkeit auf den Kopf stellen.

(Beifall.)

Ich glaube auch, daß es nicht richtig ist, wenn Herr Jahn sagt, daß gegenwärtige Recht sehe doch bereits vor, daß solche Übertragungen nur mit Zustimmung aller Prozeßbeteiligten erfolgen 'dürften. Das ist nicht wahr. Die vorhin zitierte Entscheidung besagt, daß bis zur Urteilsverkündung und bei den Plädoyers nicht aufgenommen werden darf, wenn die Prozeßbeteiligten nicht einverstanden sind. Mit anderen Worten: gegen den Widerspruch des Verteidigers darf dessen Plädoyer nicht übertragen werden. Aber diese Entscheidung besagt nicht, daß auch die Urteilsverkündung und Urteilbegründung nicht übertragen werden dürfen. Ich möchte meinen, daß es gerade zu diesem Zeitpunkt ums Ganze geht. Nun dieses arme Menschlein, das vor Gericht gestanden hat, der sogenannten Öffentlichkeit aus Sensationslust zu präsentieren, ist eine so ungute Sache, daß ich mich beim besten Willen nicht damit einverstanden erklären kann.

(Beifall.)

Mit Herrn Kollegen Benda halte auch ich das Argument aus dem Art. 5 für in keiner Weise durchgreifend. Denn durch das Verbot der Übertragungsmöglichkeit aus dem Gerichtssaal wird die Berichterstattung von Film, Fernsehen und Rundfunk in keiner Weise beeinträchtigt. Berichten dürfen sie, so viel sie wollen, so viel sie können, um, wie es in den Richtlinien für Strafverfahren so schön heißt, das Strafverfahren unserem Volke nahezubringen. Wir haben ja den Versuch in dieser Serie: „Das Fernsehgericht tagt" gehabt; ob er gelungen ist oder nicht, möchte ich dahingestellt sein lassen. Hier wurde doch unseren Bürgern gezeigt, wie ein solches Strafverfahren abläuft. Das ist also eine Möglichkeit, den angestrebten Zweck zu erreichen.

(Zuruf von der Mitte: Besser als „Der peinliche Prozeß"!)

— Besser als der „Peinliche Prozeß".
Das entscheidende ist aber folgendes. Es kommt — das hat Herr Benda sehr gut gesagt — sicher auch auf die Würde des Gerichtes an; aber wichtiger ist die Würde des Menschen. In Art. 1 unseres Grundgesetzes heißt es:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Ich meine, es ist Sache der Strafprozeßordnung, als
Ausführungsgesetz zu diesem Art. 1 sicherzustellen,
daß nicht über ihre Bestimmungen und die Behand-



Hirsch
lung des Strafprozesses in der sogenannten Öffentlichkeit der Art. 1 unseres Grundgesetzes zunichte gemacht wird.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406939900
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406940000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den ausgezeichneten Ausführungen der Kollegen Benda und Hirsch bleibt mir nicht mehr viel zu sagen übrig. Ich kann mich in vollem Umfang dem anschließen, was gesagt worden ist.

(Beifall.)

Ich kann nur noch einmal bestätigen, daß wir das Problem im Rechtsausschuß in aller Ausführlichkeit behandelt haben. Wir haben es behandelt auf Grund der Rechtsprechung, auf Grund der praktischen Erfahrung, im Hinblick auf das, was unser Grundsatz gebietet und im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde. Wir stellen doch bei dieser Novelle zur Strafprozeßordnung eines in den Vordergrund: Da ein Strafverfahren einen sehr weitgehenden Eingriff in das Leben eines jeden — ob er schuldig- oder freigesprochen wird — darstellt, wollen wir alle Garantien geben, die möglich sind, damit das Verfahren in bester rechtsstaatlicher Weise durchgeführt wird. Wir halten es im Interesse unserer gesamten Rechtspflege für erforderlich, daß der äußere Rahmen unserer Gerichte würdig ausgestaltet wird; wir legen Wert daraus, daß die Verhandlungen würdig durchgeführt werden. Dann ist es aber einfach nicht vertretbar, daß über einen Fernsehschirm, durch eine Fernsehübertragung, die überall und ständig — in Lokalen, im häuslichen Kreis — läuft, ein derartiges Verfahren in die Öffentlichkeit gebracht wird. Es wurde schon mit Recht von „Fernsehhinrichtungen" gesprochen. Ich kann das nur unterstreichen.
Herr Kollege Jahn, Sie haben unrecht, wenn Sie meinen, daß mit dem § 169 nur für das Strafverfahren ein besonderes Recht geschaffen werde. Das ist nicht der Fall. Das wird dann für alle Verfahren gelten. Wir haben uns jetzt zu entscheiden — ich knüpfe an die letzten Worte des Kollegen Hirsch und auch an das an, was der Kollege Benda so eindringlich ausgeführt hat —, was uns auch in einem Strafverfahren am höchsten steht: das ist die Wahrung der Menschenwürde auch desjenigen, der in einem derartigen Verfahren der Angeklagte ist.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406940100
Das Wort hat der Abgeordnete Heinemann.

(Abg. Dr. Dr. Heinemann: Ich schließe mich den beiden Vorrednern an und verzichte!)

— Ich danke Ihnen. Dann liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Änderungsantrag Umdruck 227 der Abgeordneten Jahn und Genossen ist ein Streichungsantrag. Danach soll
eine ganze Nummer gestrichen werden. Bei der zweiten Lesung pflegen wir über solche Anträge so zu befinden, daß wir über die Bestimmung selber abstimmen. Wer die Streichung will, muß dann mit Nein stimmen.
Ich lasse also über die Nr. 9 des Art. 11 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer dem Ausschußbeschluß zu Nr. 9 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen! — Mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist der Streichungsantrag erledigt.
Ich lasse nunmehr über den gesamten Art. 11, wie ihn das Haus im einzelnen bereits beschlossen hat, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe den Art. 12 auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe den Art. 13 auf. Ein Änderungsantrag liegt nicht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe auf Art. 14, — 15, — 15 a, — 16, — 16 a. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Wir kommen zu Art. 17 und dem dazu gestellten Antrag Umdruck 231 Ziff. 3. Dieser Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen ist bereits begründet. Wird dazu das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0406940200
Ich bitte, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Es geht einfach nicht, daß das Inkrafttreten des Gesetzes aufgegliedert wird je nach dem, um welche Bestimmungen es sich handelt. Die Länder brauchen einfach die Frist, wie sie im Vorschlag des Rechtsausschusses vorgesehen ist.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406940300
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Achenbach und Genossen auf Umdruck 231 Ziff. 3. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die große Mehrheit; abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über Art. 17 in der Fassung des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.



Vizepräsident Dr. Jaeger
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung dieses umfangreichen Gesetzentwurfs beendet.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Weber.

Dr. Karl Weber (CDU):
Rede ID: ID0406940400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Tagesordnung ist die dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung für morgen vorgesehen. Dieses Gesetz — das ist wohl jedem, der den Verhandlungen beigewohnt hat, klargeworden — ist von entscheidender Bedeutung für unser Rechtsleben und insbesondere für das Strafverfahren. Es ist eine Reihe von Änderungen beschlossen worden, und meine Freunde haben das Bedürfnis, diese Änderungen und ihre Einpassung in das Gesetzesganze noch einmal eingehend zu prüfen und sich zu überlegen. Deswegen bitten wir, morgen von der dritten Lesung abzusehen und sie in der ersten Woche nach Ostern vorzunehmen. Soweit nötig, muß ich deshalb formell der Vornahme der dritten Lesung am morgigen Tage wiedersprechen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406940500
Ich bitte diejenigen, die wie Herr Dr. Weber der dritten Lesung am morgigen Tage widersprechen, die Hand zu heben. — Das sind mehr als zehn Mitglieder des Hauses. Damit kann die dritte Lesung morgen nicht stattfinden.
Einer interfraktionellen Vereinbarung entsprechend rufe ich auf Punkt 20 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) — Immunitätsangelegenheiten — betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Strauß gemäß Schreiben der Rechtsanwälte Adolf Miehr und Rolf Bossi, München, vom 8. August 1962 (Drucksache IV/977).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dürr.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0406940600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Immunitätsausschusses habe ich Ihnen folgendes vorzutragen.
Mit Schreiben vom 8. August 1962 hat der Prozeßbevollmächtigte des Herrn Herrschaft den Antrag gestellt, die Immunität des Abgeordneten Strauß aufzuheben. Der Privatkläger wirft dem Abgeordneten Strauß und seinem inzwischen verstorbenen Prozeßbevollmächtigten vor, der Abgeordnete Strauß habe in dem Zivilprozeß Franz Josef Strauß X Rudolf Augstein und Hans Detlev Becker wegen einer einstweiligen Verfügung folgendes behauptet:
1. Es sei ihm im Februar 1961 mitgeteilt worden, daß der Privatkläger mit FIBAG-Material an die SPD herangetreten und, als er dort nichts erreicht habe, damit zur FDP gegangen sei, die ihn hinausgeschmissen habe.
2. Der Makler Lindner, Geschäftspartner des Herrschaft, sei am Freitag vor dem 5. März 1962 bei dem Chefredakteur des „Vertriebenen-Anzeigers" in München, Erich Maier, gewesen und habe ihm mitgeteilt, er habe von Braun und Herrschaft erfahren, daß sie Material gegen Minister Strauß nicht verwenden würden, wenn sie Bauaufträge bekämen. Hernach hätten sie es dem „Spiegel" gegeben, und Braun und Herrschaft hätten es vor dem „Spiegel" bereits der SPD angeboten.
Der Antragsteller behauptet, diese Behauptungen seien vom Abg. Strauß in Kenntnis der Unrichtigkeit aufgestellt und verbreitet worden.
Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat sich in drei Sitzungen mit dem Antrag befaßt. Er hatte zunächst darüber zu entscheiden, ob in dem Vorwurf der Tatbestand der verleumderischen Beleidigung gemäß § 187 des Strafgesetzbuches gesehen werden kann, da nach den Grundsätzen in Immunitätsangelegenheiten lediglich bei Beleidigungen politischen Charakters, nicht aber bei Verleumdungen, die Immunität nicht aufgehoben werden soll.
Der Ausschuß kam einmütig zu dem Ergebnis, daß der Tatbestand einer verleumderischen Beleidigung nicht gegeben sei, und zwar deshalb, weil der Antragsteller nicht vorgetragen habe, die von dem Abgeordneten Strauß wiedergegebenen Behauptungen seien ihm, dem Abgeordneten Strauß, überhaupt nicht mitgeteilt worden.
Weiter hatte der Ausschuß zu prüfen, ob in der Wiedergabe der dem Abgeordneten Strauß mitgeteilten Behauptungen eine Beleidigung politischen Charakters zu sehen war.
Da es nicht möglich ist, die Beleidigung politischen Charakters begrifflich zu erfassen, mußte der Ausschuß auch im vorliegenden Fall unter Abwägung aller Umstände prüfen, ob die dem Abgeordneten Strauß zur Last gelegten Behauptungen als Beleidigungen politischen Charakters gewertet werden konnten.
In diesem Zusammenhang hatte der Ausschuß auch zu prüfen, wie weit die Abwehr gegen einen politischen Angriff noch als Beleidigung politischen Charakters gewertet werden kann.
Unter Berücksichtigung aller Umstände, auch der Tatsache, daß der Privatkläger die Möglichkeit hat, gegen den Informanten des Abgeordneten Strauß mit einer Privatklage vorzugehen, kamen die Mitglieder Ides Ausschusses trotz einiger Bedenken zu der Auffassung, daß es sich bei den dem Abgeordneten Strauß zur Lastgelegten Äußerungen um Beleidigungen politischen Charakters handle.
Während der Ausschuß die Wiedergabe der Behauptung, Herrschaft sei mit FIBAG-Material an Parteien herangetreten und der Makler Lindner habe Material gegen den Abgeordneten Strauß dem „Spiegel" gegeben, als offensichtliche Beleidigung politischen Charakters ansah, wurde lediglich gegen die Wiedergabe der Behauptung bezüglich der Erteilung von Bauaufträgen das Bedenken geltend gemacht, ob hierin eine Beleidigung politischen Cha-



Dürr
rakters oder eine unpolitische Äußerung eines Politikers zu sehen sei. Die Mitglieder des Ausschusses glaubten jedoch, dieses Bedenken zurückstellen zu können, da es sich bei dem Strafantrag um einen einheitlichen Vorwurf handle und die dem Abgeordneten Strauß zur Last gelegten Behauptungen auch in einem kausalen Verhältnis zueinander stünden.
Der Ausschuß empfiehlt daher, dem Antrag des Privatklägers nicht stattzugeben.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406940700
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wortgewünscht? — Das ist nicht der Fall; wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Antrag des Ausschusses in Drucksache IV/977 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Zahlreiche Enthaltungen links; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechzehnten ,Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (16. ÄndG LAG) (Drucksachen IV/250, IV/395) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (15. Ausschuß) (Drucksachen IV/527, zu IV/527, Nachtrag zu IV/527)

(Erste Beratung 21. und 32. Sitzung).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Kuntscher. Er hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt. Wird das Wort zur Ergänzung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.

(Abg. Kuntscher: Auch der Ergänzungsbericht liegt vor!)

— Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Schriftlichen Bericht.
Wir kommen in zweiter Beratung zu den §§ 1 und 2. Wird das Wort gewünscht? — Herr Bundesminister Dr. Dahlgrün!

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0406940800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vom Ausschuß für den Lastenausgleich entgegen der Regierungsvorlage vorgeschlagene Änderung des sogenannten Stichtags für Vertriebene, die nicht anerkannte Sowjetzonenflüchtlinge sind, betrifft ein Grundsatzproblem von hoher politischer und finanzpolitischer Tragweite. Dasselbe Stichtagproblem stellt sich für 18 Gesetze und Verordnungen des Umstellungsrechts und des sonstigen Kriegsfolgenrechts, von denen 13 Gesetze und Verordnungen den gleichen Aufenthaltsstichtag wie das Lastenausgleichsgesetz haben, nämlich den 31. Dezember 1952. Hierzu gehören neben den Umstellungsgesetzen für Geldinstitute und Versicherungsunternehmen unter anderem das Allgemeine Kriegsfolgengesetz, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz und das Gesetz zu Art. 131 GG. Bei einer Änderung des
Stichtages, insbesondere im Lastenausgleichsgesetz, sind Auswirkungen auf bereits erlassene andere Gesetze möglich, darüber hinaus Auswirkungen auch auf weitere Gesetze, deren Entwürfe dem Hohen Hause in Kürze vorgelegt werden sollen, darunter das Reparationsschadengesetz.
Zwar ist rechtlich, vom Grundgesetz aus betrachtet, eine Rückwirkung auf andere Kriegsfolgengesetze nicht zwangsläufig. Die Bundesregierung hat jedoch allen Grund, zu befürchten, daß aus der Stichtagänderung im Lastenausgleichsgesetz politische Folgerungen für andere Gesetze gezogen werden.
So ergeben sich aus gesamtdeutscher Sicht und aus finanzpolitischen Gründen schwerwiegende Bedenken. Die Bundesregierung hält es für ihre Pflicht, das Hohe Haus mit großem Ernst und Nachdruck darauf aufmerksam zu machen.
Aus gesamtdeutscher Sicht hat die Bundesregierung in Übereinstimmung mit allen Fraktionen dieses Hohen Hauses die Bevölkerung in Mitteldeutschland immer wieder aufgefordert, in der Zone auszuharren, solange das irgend möglich sei, und die Zone nur aus besonders schwerwiegenden Gründen, vor allem bei einer individuellen besonderen Zwangslage, zu verlassen. Aus diesem Grunde konnte nicht allen Menschen, die aus der sowjetischen Besatzungszone gekommen sind, die gleiche Rechtsstellung eingeräumt werden. Die Gründe zur Flucht sind gewertet worden. Die Bundesregierung sieht sich durch diese Politik gebunden. Sie ist das auch den in der Zone ausharrenden Menschen schuldig.
Die darüber hinausgehenden schwerwiegenden finanziellen Bedenken hat mein Staatssekretär im Haushaltsausschuß des Bundestages vorgetragen. Auf das Stenographische Protokoll der 59. Ausschußsitzung am 21. Februar 1963 darf ich Bezug nehmen.
Die Verlegung des Stichtages im Lastenausgleichsgesetz allein erfordert Mehraufwendungen von 2,3 Milliarden DM, die bei den fehlenden Reserven des Ausgleichsfonds von 1967 ab unweigerlich auf den Bundeshaushalt zukommen.
Es mag offenbleiben, ob es sich um Mehrbelastungen in Höhe von 2,3 Milliarden DM oder nur um 1,6 Milliarden DM handelt. Der Präsident des Bundesausgleichsamtes hat mit Hilfe präziser Erhebungen des Statistischen Bundesamtes die Kosten auf 2,3 Milliarden DM geschätzt. Anhaltspunkte dafür, daß der Ausgleichsfonds noch Reserven haben könne, sind übrigens nicht erkennbar, nachdem 16 Novellen ohne jede Einnahmenerhöhung die Mittel abgeschöpft haben bzw. abschöpfen werden.
Eine zwangsläufige Nebenfolge ist außerdem die Verzögerung der Leistungen auf bereits begründete Ansprüche der Berechtigten entgegen der Absicht von Bundestag und Bundesregierung, die die Abwicklung des Lastenausgleichs mit allen verfügbaren Mitteln beschleunigen wollen.
Die finanizellen Folgen reichen aber weit über den Rahmen des Lastenausgleichs hinaus. Die Stichtagverlegung im Umstellungsrecht etwa oder in den sonstigen Kriegsfolgengesetzen würde in den nächsten 10 Jahren weiter zusätzliche Aufwendungen



Bundesminister Dr. Dahlgrün
von etwa 4 Milliarden Deutsche Mark notwendig machen. Ferner wird sich der Druck auf eine Entschädigungsregelung für andere Vermögensschäden mit Kosten von etwa 12 Milliarden DM zu Lasten der öffentlichen Haushalte verstärken. Schließlich haben maßgebliche ausländische Verfolgtenorganisationen zu erkennen gegeben, daß sie aus einer Änderung der Stichtagsregelung, insbesondere im Lastenausgleichsgesetz, Folgerungen für das Entschädigungsrecht — mit möglichen finanziellen Auswirkungen wiederum in Höhe von mehreren Milliarden — ziehen müßten. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine grundsätzlich auf den Aufenthalt im Bundesgebiet bezogene Stichtagsregelung in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit einer solchen Forderung gebracht werden kann. Aber schon das Faktum dieser Gedankenverbindung zeigt, mit welchen zusätzlichen politischen und finanziellen Problemen das Hohe Haus in seinen Fraktionen und Ausschüssen befaßt werden müßte, wenn ein erster Schritt getan würde. Die finanziellen Folgen sind nicht zu übersehen und könnten letzten Endes auch nicht ohne Einfluß auf die Stabilität insgesamt bleiben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung und dem Bundesminister der Finanzen fällt es wahrhaftig nicht leicht, von dieser Stelle aus immer wieder gegenüber einer Vielzahl von Anforderungen und Wünschen Bedenken anzumelden, gegenüber Anforderungen und Wünschen, denen wir im Grundsatz positiv gegenüberstehen mögen oder deren Berechtigung im einzelnen durchaus anerkannt werden soll, die aber nicht alle auf einmal oder nicht in voller Höhe erfüllt werden können. Die Bundesregierung glaubt davon ausgehen zu können, daß sich alle Mitglieder des Hohen Hauses der fortschreitenden Normalisierung der Zuwachsraten bewußt geworden sind. Es darf und muß erwartet werden, daß aus dieser Gesamtschau heraus nicht nur Einzelprobleme gesehen werden. Sparsamkeit, Einrichten auf die Gegebenheiten und möglicherweise sogar der Verzicht auf schöne und wünschenswerte Pläne dürfen nicht immer von den anderen gefordert werden.
Die Bundesregierung erfüllt ihre Pflicht aus dem Grundgesetz und trägt ihrer Verantwortung Rechnung, wenn sie alle Erfordernisse berücksichtigt und zur Erhaltung und Stärkung der Kaufkraft unserer Währung und der Ertragskraft der Wirtschaft von einer bestimmten Grenze an ein Nein global gegenüber allen unerfüllbaren Wünschen sagt. Die Bundesregierung weiß, daß ein solches Nein in den betroffenen Bereichen nicht gern gehört wird, daß es in manchen Fällen sogar hart, sehr hart klingen mag. Andererseits weiß die Bundesregierung auch, daß ihre Sorge um Sicherheit und Stabilität von der überwältigenden Mehrheit unseres Volkes verstanden und begrüßt wird. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß sich letzten Endes überall diese Erkenntnisse durchsetzen werden.
Wir stehen kurz vor der abschließenden Bearbeitung des Haushaltsentwurfs 1963, dessen Beratung in zweiter und dritter Lesung Gelegenheit geben wird, das hier von mir namens der Bundesregierung Vorgetragene eingehender zu erörtern.
Die Bundesregierung ist entschlossen, die Dinge klar und offen beim Namen zu nennen. Der Ausgleich des Haushalts 1963 wird außerordentlich schwierig und angesichts unausweichlicher Nachforderungen u. a. nur durch schmerzliche Kürzungen an anderer Stelle möglich sein. Die Bundesregierung bittet das Hohe Haus eindringlich darum, bei seinen Entscheidungen unbestimmte und unbestimmbare Möglichkeiten außer acht zu lassen und keinesfalls durch zusätzliche laufende Belastungen der Haushalte späterer Jahre so zu tun, als ob alles immer so weiter gehen werde.
Die Ihnen vorliegende 16. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz ist überaus dringend. Die Bundesregierung schlägt dem Hohen Hause vor, dem Votum des Haushaltsausschusses zu folgen.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406940900
Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß wir in der Einzelberatung der zweiten Lesung stehen. Wünscht noch jemand zu den §§ 1 und .2 das Wort? — Herr Abgeordneter Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (CDU):
Rede ID: ID0406941000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, unmittelbar nach dem Bundesfinanzminister zu sprechen. Auch wenn man nicht als mit den Haushaltsberatungen beauftragter Abgeordneter spricht, ist es doch, glaube ich, richtig und zeitgemäß, festzustellen, daß Überlegungen über finanzielle Möglichkeiten und Unmöglichkeiten in die Verantwortung jedes Abgeordneten gehören.
Ich las neulich einen Zeitschriftenartikel eines Mannes, den ich gut kenne, der eine Gruppe sozial betreut und sich mit der Überschrift „Gerechtigkeit geht vor Geld" auf den Standpunkt stellt: Wenn eine Forderung der Gerechtigkeit vorliegt, so wäre es eben die Aufgabe der Regierung, das verlangte Geld herbeizuschaffen. Ich glaube aber, das Parlament hat hier dieselbe Aufgabe und dieselbe Verantwortung wie .die Regierung und kann sich ihr nicht entziehen. Was bedeutet das für uns in diesem Falle? Gerade wenn wir den finanziellen Horizont ausleuchten müssen und wenn der Blick dorthin uns zeigt, daß die Geldfragen für die Bundesrepublik schwerer und schwerer werden, dann haben wir uns sehr ernst zu überlegen, wie wir die verfügbaren und die verfügbar zu machenden Mittel verteilen und welchen Plan wir .dem zugrunde legen.
Ich weiß, daß die Opposition gerade der Bundesregierung vielfach vorgeworfen hat, daß sie in ihrer Wirtschaftspolitik nicht „planmäßig" verfahre. Ich muß schon sagen, daß ein solcher hier ursprünglich von der Opposition ausgehender Antrag zum § 230 des LAG das Gegenteil einer planmäßigen Regelung dieser Angelegenheit ist, sondern daß er planlos ein Einzelgebiet vorzieht und eine bestimmte Gruppe vorweg befriedigen will. Ich glaube, das können wir uns nicht leisten. Wir müssen die Fragen, die für die Vertriebenen und für die Flüchtlinge noch zu lösen sind, in einer Gesamtbetrach-



Eichelbaum
tung lösen und die verfügbaren Mittel nach dieser Gesamtbetrachtung verteilen, namentlich dann — und das müßte die Opposition ja eigentlich besonders angehen —, wenn der Vorschlag eines solchen Gesamtplans für ein Flüchtlingsgesetz dem Bundestag bereits vorliegt und wenn anderseits die Regierung zugesagt hat, daß sie ihrerseits Gesetze für eine solche Gesamtregelung dem Bundestag vorlegen will. Gerade wenn man das vor sich hat und die entscheidenden Fragen erst lösen will und wenn man weiß, welche sachlichen Schwierigkeiten, welche ernsten Auseinandersetzungen uns da noch bevorstehen, scheint es mir eine schlechte Sache zu sein, eine Frage herauszunehmen und vorweg zu lösen und gewissermaßen sich für das Spätere damit vorzeitig festzulegen.
Nun wird mir von Freunden, die Vertriebene sind, gesagt, eine isolierte Betrachtung dieser Stichtagsangelegenheit sei möglich und notwendig.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406941100
Herr Abgeordneter Eichelbaum, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Rutschke?

Ernst Theodor Eichelbaum (CDU):
Rede ID: ID0406941200
Bitte.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0406941300
Herr Kollege Eichelbaum, Sie sprachen von einer Vorweglösung. Es handelt sich doch hier um Vertriebene, die seit 1952 im Bundesgebiet sind, während die anderen Vertriebenen ja in den Genuß der Lastenausgleichsleistungen kommen. Wie können Sie da von einer Vorweglösung sprechen?

Ernst Theodor Eichelbaum (CDU):
Rede ID: ID0406941400
Es ist eine Vorweglösung, weil diese Vertriebenen gleichzeitig Flüchtlinge sind und für diese Flüchtlinge das Anerkennungsverfahren aufgehoben werden soll, während wir für die anderen diese Frage noch nicht entschieden haben. Gerade der Redner Ihrer Fraktion, Herr Kollege Rutschke, hat vor zwei Wochen hier erklärt, die Lösung, die diese Novelle vorsieht, werde maßgeblich für die angekündigte künftige Gesetzgebung sein. Sie können das nachlesen. Wenn das gesagt wird, kann man wohl das eine nicht vorwegnehmen und die angekündigte spätere Gesetzgebung vorläufig noch auf sich beruhen lassen.
Nun wird noch ein zweites eingewandt, was natürlich auch ernst beachtet werden muß. Es wird gesagt — und Herr Rutschke wird das sicher auch sagen —, daß die Geldseite nur den Lastenausgleich allein betrifft. Hier hat der Bundesfinanzminister ausgeführt, daß, wenn auch nicht juristisch, aber doch sachlich und politisch eine Reihe von Konsequenzen für andere Gesetze entstehen, denen wir uns nicht entziehen können. Aber selbst im Lastenausgleich sind ja die Flüchtlinge durchaus noch beteiligt. Sie bekommen im Härtefonds 1 % dessen, was aus dem Aufkommen des Lastenausgleichs im Jahre ausgeschüttet wird, und kriegen aus dem ganzen Lastenausgleich 2,8% dieser Ausschüttung, mehr nicht. Man kann es wohl verstehen, daß die Flüchtlinge sich darüber Gedanken machen, wie nun die letzten Reserven dieses Lastenausgleichs verteilt werden sollen, namentlich nachdem wir wissen und eben bestätigt erhalten haben, daß mit diesen Reserven des Lastenausgleichs eine ganze Reihe von Sorgen verbunden sind.
Ich muß schon sagen, daß es mir unerträglich scheint, daß man andere, wichtigere Nöte auf gut Glück zurückstellen will, um eine Frage — ich wiederhole es noch einmal — vorwegzunehmen, und ich muß mir erlauben, in diesen Zusammenhang in paar Sätze aus dem zu wiederholen, was ich vor zwei Wochen gesagt habe. Nämlich, daß man endlich daran denken soll, als vordringlich zu behandeln die Flüchtlinge, die nach Zerstörung ihres Unternehmens, sei es gewerblicher oder landwirtschaftlicher Art, haben fliehen müssen, die damit ihre Altersversorgung verloren haben und die immer noch nicht sozial den Vertriebenen gleichgestellt werden. Ich wiederhole hier vor aller Öffentlichkeit, daß ,ich mich geradezu schäme, wenn ich denke, daß diese Frage noch nicht gelöst ist.
Hier handelt es sich, Herr Kollege Rutschke, darum, daß einer Gruppe, denen nämlich, 'die als Vertriebene in die Zone gekommen sind, für eine Übergangszeit bis zu fünf oder sieben Jahren das Vorrecht gegeben worden ist, ohne eine Anerkennungsprüfung in den vollen Genuß aller Leistungen aus dem Lastenausgleich zu kommen, daß dieser Gruppe dieses Vorrecht nun auch für alle künftigen Jahre gegeben werden soll.

(Abg. Dr. Rutschke: Weil sie Vertriebene sind!)

— Weil sie Vertriebene sind, weil sie aus dem Lastenausgleich außer der Hauptentschädigung Unterhaltshilfe bekommen, weil sie aus dem Lastenausgleich Entschädigungsrente bekommen, weil sie -aus dem Lastenausgleich ihre Hausratsbeihilfe bekommen, — alles Dinge, die sie als Flüchtlinge, die sie ja auch sind, nicht noch einmal bekommen können.

(Abg. Dr. Rutschke: Weil sie Vertriebene sind!)

— Das weiß ich auch; ich habe darauf geantwortet.
Es tut mir leid, daß ich im Interesse einer gerechten Gesamtbetrachtung und -lösung nach Maßgabe der vorhandenen Mittel hier nicht zustimmen kann. Es ist leicht, zu sagen: Das sind Vertriebene, die haben mit den Flüchtlingen gar nichts zu tun!, wenn sie mit den Flüchtlingen zusammen — so ist es ja
— aus demselben Lastenausgleich befriedigt werden, wenn auch in anderer Weise, und wenn sie dasselbe Schicksal, das die Flüchtlinge gehabt haben, selber erleiden mußten.
Erlauben Sie mir eine Schlußbemerkung, die mir gerade gegenüber wohlmeinenden und übelmeinenden Kritikern notwendig erscheint. Ich habe in den ersten Jahren nach dem Kriege die unglücklichen Vertriebenen, die in die Zone verschlagen waren, sehr genau gekannt. Ich habe ihre Leiden aus nächster Nähe erlebt, das Unrecht, das sie traf, das Schicksal, das sie zu tragen hatten. Ich habe mich damals zusammen mit Freunden aus allen demokratischen Parteien bemüht, ihr Schicksal zu lindern. Ich habe zwei Jahre als hauptamtlicher verantwort-
3156 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, dem 27. März 1963
Eichelbaum
licher Sozialdezernent und Bürgermeister der größten Stadt in der sowjetisch besetzten Zone, in dem ausgebombten, schwergeschlagenen Leipzig die Sorge für diese Menschen getragen. Es waren 85 000, die wir auf Befehl der Besatzungsmacht einzeln aufzählen mußten. Ich kenne diese Menschen sehr gut. Es waren Deutsche wie wir Mitteldeutschen. Wir nahmen sie auf als Gleichberechtigte, sie fanden sich zu uns als Gleichgesinnte. Wir haben damals nicht von gesamtdeutscher Sicht gesprochen, diese Vokabel kannten wir nicht; aber wir haben so gehandelt. Nehmen Sie bitte meine Worte als ein Mahnsignal für alle, die es angeht, damit wir endlich eine gerechte, auf a 11 e bezogene Lösung dieser Fragen erreichen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406941500
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

(Abg. Rehs: Ich bitte, meine Wortmeldung zurückzustellen!)

— Die Wortmeldung ist zurückgezogen. Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über § 1. Wer § 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen!
Ich rufe auf § 2. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 3 und zugleich Umdruck 2281 Ziffer 1. Soll der Änderungsantrag begründet werden? — Herr Abgeordneter Kuntscher!

Ernst Kuntscher (CDU):
Rede ID: ID0406941600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Monate sind bereits vergangen, seit wir die sechzehnte Novelle zum Lastenausgleichsgesetz im Ausschuß beschlossen haben und die Novelle somit verhandlungsreif für das Plenum war. Diese zehn Monate haben sich natürlich ausgewirkt, und wir müssen jetzt, wenn wir der Situation gerecht werden wollen, die Datumsänderung beschließen, die in dem Umdruck 228 beantragt ist. Ich bitte Sie um Annahme dieses interfraktionellen Antrages.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0406941700
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag Umdruck 228 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wer dem § 3 mit der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 4 und § 5. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den §§ 4 und 5 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand-
*) Siehe Anlage 17 zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 6 und zugleich Umdruck 228 Ziffer 2. Der Antrag ist auch schon begründet, Herr Abgeordneter Kuntscher?

(Abg. Kuntscher: Jawohl!)

Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 228 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wer dem § 6 mit der soeben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die 'Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 7, § 8 sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich komme damit zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Rehs.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0406941800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Hohen Hause sehr dankbar dafür, daß es mit dieser Abstimmung in der zweiten Lesung der Ausschußvorlage so, wie sie Ihnen vorliegt und wie sie der Lastenausgleichsausschuß und der Vertriebenenausschuß dies Bundestages einmütig bis auf eine Stimme beschlossen haben, zugestimmt hat. Mit Rücksicht darauf möchte ich davon absehen, zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Eichelbaum im einzelnen Stellung zu nehmen. Seine Ausführungen gehörten, glaube ich, zu den merkwürdigsten Reden, die wir in diesem Hause gehört haben. Sie sind unter den verschiedensten Gesichtspunkten nur zu bedauern. Deshalb sehe ich auch davon ab, im einzelnen noch zu dien Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers Stellung zu nehmen. Der Herr Bundesfinanzminister hat hier sicherlich zu einem Teil über das hinaus sprechen müssen, was er in seinem eigenen Herzen wohl von der Notwendigkeit der Sache her hat zugestehen müssen. Deshalb möchte ich seine Aufgabe, der er sich hier heute unterzogen hat, nicht dadurch erschweren, daß ich nachträglich eine minuziöse Gegenkritik oder Gegendarstellung vornehme. Ich darf Ihnen nur erklären, daß Sie mit der Zustimmung zu dieser Vorlage heute einer der Gerechtigkeit dienende und eine menschlich und politisch notwendige Entscheidung getroffen haben. Für die 350 000 alten Menschen, um dieren Schicksal es bei dieser Entscheidung heute geht, die als Heimatvertriebene aus dem deutschen Osten zunächst im Zuge der Nachkriegsereignisse in der sowjetisch besetzten Zone hängengebliebensind und dann im Laufe der Jahre hier herübergekommen sind, wird durch diese Regelung endlich jene Rechtsbasis geschaffen, die sie in dein gleichen Rechtsstand versetzt wie ihre Schick-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, cien 23. März 1963 3157
Rehs
salsgefährten. Ich glaube, das ist eine Entscheidung, die jeder von uns unbeschadet mancher formaler Bedenken nur aus vollem Herzen bejahen kann. Ich danke dafür und bitte Sie, aus diesen Überlegungen auch in der dritten Lesung dieser Vorlage unverändert Ihre Zustimmung zu geben.

(Allgemeiner Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0406941900
Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher.

Ernst Kuntscher (CDU):
Rede ID: ID0406942000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich will mich sehr kurz fassen. Ich möchte allen denen, die Verständnis für unser echtes Anliegen haben, im voraus danken. Keine Polemik soll mich bestimmen; ich möchte nur noch einmal ganz kurz in Erinnerung rufen, was, wie auch Kollege Rehs schon betont hat, diese Stichtagsverlegung eigentlich bedeutet.
Sie bedeutet nicht einen Bruch im System — wie es der Herr Kollege Eichelbaum darstellen wollte —, sondern es geht tatsächlich um 350 000 Menschen, die auf der Flucht irgendwo ausgeladen wurden. Alle, die die Vertreibung mitgemacht haben, wissen ja, daß der Vertriebene in Viehwagen verpackt und irgendwo ausgeladen wurde, daß er aber den Ort und die Stelle, wo er ausgeladen wurde, nicht selber bestimmen konnte. So war der Vorgang. Diesen 350 000 Menschen, die dann nach dem Stichtag in die Bundesrepublik gekommen sind — nicht, wie man manchmal behauptet, erst jetzt oder im Jahre 1960, nein, die in den Jahren 1953, 1954 und bis zur Errichtung der Mauer gekommen sind —, diesen Menschen — es sind zum großen Teil alte Menschen und Menschen, die ohne jede Versorgung dastehen — die Vertreibungsschäden zu vergüten, das ist die Absicht bei dieser Stichtagsverlegung.
Wir wollen damit keinesfalls irgendein Präjudiz schaffen und wollen nicht die Schäden, die sie in der Zone erlitten haben, irgendwie in Rechnung stellen, sondern lediglich die Vertreibungsschäden. Das ist das Wesentliche, das Kollege Eichelbaum leider Gottes übersieht. Es tut mir sehr leid, das sagen zu müssen; aber es muß einmal ganz deutlich ausgesprochen sein, auch hier in diesem Hause, damit jeder Irrtum von vornherein ausgeräumt wird.
Ich möchte auch für die Verständnis bekunden, die meinen, sie könnten für die Stichtagsverlegung nicht stimmen, weil in den zehn Monaten schwarz auf schwarz gemalt wurde. Alle möglichen und unmöglichen Dinge wurden zitiert, die als Folgeerscheinung eine ungeheure Ausweitung des Kostenvolumens bringen würden. Ich will auf das einzelne nicht eingehen, weil das zu echten Auseinandersetzungen führen könnte.
Aber das eine möchte ich noch einmal betonen: Der Ausschuß hat sich die Beschlüsse, die er gefaßt hat, sehr reiflich überlegt. Ich würde Sie deshalb bitten, dem Ausschußbeschluß Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0406942100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0406942200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei möchte ich Sie bitten, dem Ausschußbericht zuzustimmen. Wir freuen uns über die Entscheidung, die jetzt getroffen werden kann. Es war ein hartes Ringen, das wissen wir. Wir freuen uns um so mehr, als diese Stichtagsverlegung bereits im vorigen Bundestag ein Anliegen war, das die FDP-Fraktion eingebracht hat. Damals hat es der Herr Kollege Mischnick mit mir vertreten. Ich freue mich, daß wir heute in diesem Haus diese Frage durchsetzen können.
Es würde sich verlohnen, auf die Argumente des Herrn Kollegen Eichelbaum einzugehen. Ich will es mir versagen, weil auch meine Vorredner darauf verzichtet haben. Aber, Herr Kollege Eichelbaum, die Sicht, aus der Sie die Probleme sehen, ist sicherlich schief. Daß ein wesentlicher Unterschied besteht, weil hier nicht eine neue Gruppe hereinkommt, sondern mit denjenigen gleichgezogen wird, die bereits als Vertriebene die Leistung nach dem Lastenausgleichsgesetz bekommen, das ist doch offenbar; das kann man nicht übersehen.
Ich bitte Sie daher auch namens der Fraktion der FDP, dem Ausschußantrag zuzustimmen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0406942300
Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Barzel.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID0406942400
Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht aufhalten. Nur um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, möchte ich folgendes sagen: Ich verstehe die Entscheidung der Mehrheit des Hauses so, daß hier nicht wegen der Mauer, sondern trotz der Mauer und gegen die Mauer ein Beschluß gefaßt wird, daß die Mehrheit des Hauses der Auffassung ist, daß auch in diesem Beschluß ihre Treue zu den Menschen jenseits der Zonengrenze zum Ausdruck kommt und daß die Mauer nicht etwa ein Argument für diese Gesetzgebung ist, sondern daß hier zum Ausdruck kommen soll ein Stück sozialer Gesinnung und beispielhafter Ordnung auch für die Menschen jenseits der Mauer. Wir denken bei allem an das ganze Deutschland.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0406942500
Wenn das Wort nicht mehr gewünscht wird, kommen wir zur Abstimmung. Anträge liegen nicht vor. Wir können sofort im ganzen abstimmen. Wer der Vorlage in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Zwei Enthaltungen. Ich stelle im übrigen einstimmige Annahme fest, Damit ist dieser Punkt erledigt.
Soeben, meine Damen und Herren, wurde mitgeteilt, daß sich die Fraktionen geeinigt hätten, die Altershilfe für Landwirte und das Knappschaftsge-



Vizepräsident Dr. Schmid
setz morgen nach der Debatte über das Strafgesetzbuch zu behandeln. Ist das richtig?

(Zustimmung.)

— Dann wird so verfahren. Daher ist für heute kein Stoff mehr da.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 28. März, vormittags 9.00 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.