Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, ,die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in 'die Tagesordnung habe ich die Freude, den Herrn Präsidenten und eine stattliche Delegation des Parlaments von Brasilien in unserem Hause herzlich willkommen heißen zu können.
Herr Präsident, mein verehrter Herr Kollege, dieser Beata ]. gilt dem Präsidenten und den Mitgliedern des brasilianischen Parlaments. Aber ich bin ganz sicher, daß sich der Beifall sogleich wiederholen wird, wenn ich das Haus davon in Kenntnis setze, daß der Präsident des brasilianischen Parlaments soeben auf der Tagung der Interparlamentarischen Union in Brasilia zum Präsidenten der Interparlamentarischen Union gewählt worden ist.
Er ist deshalb sozusagen zwar nicht Ihr, meine Damen und Herren, aber mein Oberpräsident. Ich habe ihn also auch in dieser Eigenschaft, als Präsidenten der Interparlamentarischen Union, herzlich willkommen zu heißen.
Wir danken bei dieser Gelegenheit für die freundliche Aufnahme, die mehreren Delegationen des Deutschen Bundestages in den vergangenen Jahren in Brasilien widerfahren ist. Insbesondere darf ich das für eine Delegation, die ich selber geführt habe, sagen. Aber es gilt auch für diejenigen Mitglieder unseres Hauses, die soeben von Brasilia zurückgekehrt sind. Auch in ihrem Namen, verehrter Herr Präsident, darf ich Ihnen den Dank dieses Hauses aussprechen. Ich verbinde damit die herzlichsten Wünsche für Sie, für Ihre Kollegen, die Sie begleiten, für Ihr Parlament und für Ihr schönes, großes Land Brasilien.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich weiter 'bekanntgeben, ,daß nach einer Vereinbarung im Ältestenrat die heutige Tagesordnung ergänzt werden soll um die
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die von der Bundesregierung vorgelegte Verordnung über die Senkung von
Abschöpfungssätzen bei der Einfuhr von geschlachteten Gänsen .
Dazu Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß im Ältestenrat vereinbart worden ist, diesen Bericht, wenn der Ausschuß fertig wird, heute 'auf die Tagesordnung zu setzen. Es ist aber auch nichtig, daß die Meinungen in den beteiligten Ausschüssen sehr kontrovers gewesen sind. Ich gebe auch zu, daß die Sache eilbedürftig ist. Aber ich glaube, wir sollten, nachdem die Dinge so kontrovers waren, noch einmal Gelegenheit haben, sie in den Fraktionen zu beraten. Zumindest unsere Fraktion möchte das. Die Verschiebung bis auf den nächsten Mittwoch schadet der Sache wohl nicht. Ich erhebe infolgedessen Fristeinrede.
Einen Augenblick; darauf bin ich so früh am Morgen seelisch noch nicht vorbereitet, Herr Kollege Rasner. Was erheben Sie, Fristeinrede?
— Nun, einstweilen brauche ich eine Besinnungspause. Inzwischen gebe ich das Wort der Frau Abgeordneten Strobel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fristeinrede von Herrn Rasner ist nicht berechtigt. Denn wie Sie selbst sagen, ist im Ältestenrat vereinbart worden, daß die Vorlage wegen ihrer Dringlichkeit, wenn die Ausschüsse beraten haben und der schriftliche Bericht vorliegt, heute behandelt werden soll. Der schriftliche Bericht lag gestern abend laut Auskunft der Antragsstelle vor; ich habe ihn gestern ,übend bekommen.
Er lag vor. Er konnte also rechtzeitig verteilt werden. Im Grunde genommen haben Sie ja selber gesagt, daß Sie die Sache zurückstellen wollen, um noch einmal in Ihrer Fraktion zu beraten, angeblich, weil die Angelegenheit kontrovers sei. Nun darf ich Sie auf folgendes aufmerksam machen. Es haben drei Ausschüsse — der Ernährungs-, der Außenhandels- und der Wirtschaftsausschuß — über diese Sache beraten. In allen drei Ausschüssen haben die
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2072 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Frau StrobelVertreter der CDU und der FDP geschlossen die Regierungsvorlage abgelehnt, mit Ausnahme einer Enthaltung im Außenhandelsausschuß. Es dürfte also nicht stimmen, daß die Angelegenheit zwischen Ihnen kontrovers ist. Richtig ist, daß sie kontrovers ist zwischen den Sozialdemokraten und den Regierungsparteien, einfach deswegen, weil die Sozialdemokraten der Auffassung sind, daß man unter allen Umständen verhindern muß, daß die Weihnachtsgänse um 1 DM das Kilo, wenn nicht um 1,50 DM, teurer werden.
Das ist der Gegenstand der Beratung. Sie alle wissen, daß die Vorlage der Regierung bezweckt — und zwar mit Genehmigung der Kommission —, daß die Abschöpfungsbeträge statt mit 1 DM nur mit 40 Pfennig erhoben werden sollen, daß also die Preisverteuerung für die Weihnachtsgänse beim Großhandelspreis statt 1 DM nur 40 Pfennig betragen soll; wobei man das „nur" in Anführungszeichen schreiben muß.Sie wissen darüber hinaus, meine Damen und Herren, daß — und darum geht es bei der Frage, ob das heute behandelt werden soll oder nicht — die ganzen Einfuhren jetzt in den Zollaufschublagern liegen — Sie konnten das, soweit Sie es nicht wußten, gestern in den Zeitungen lesen — und daß die Ware dort jeden Tag in Kühlwagen neu beeist werden muß und daß diese Beeisung jeden Tag eine Stange Geld kostet, die zum Schluß die Verbraucher bezahlen müssen. Die Weihnachtsgänse werden also nicht nur wegen der erhöhten Abschöpfung teurer, die Sie wollen — Sie verweigern ja die Ermäßigung der Abschöpfung —, sondern sie werden auch deshalb teurer, weil Sie die Verabschiedung der Verordnung hier heute verzögern. Das ist das Entscheidende dabei. Sie wollen also den deutschen Hausfrauen billigere Weihnachtsgänse vorenthalten.
— Sie lachen darüber. Ich glaube nicht, daß die deutschen Hausfrauen diese Angelegenheit so lächerlich finden wie Sie.
Darf ich schnell noch, damit Sie vielleicht doch Ihre Entscheidung revidieren, darauf aufmerksam machen, daß der Großhandelspreis für die Weihnachtsgänse im vorigen Jahr 3,10 DM war, daß er in diesem Jahr 4,04 DM sein wird
und daß darauf dann noch die Einzelhandelsspannen kommen. Wenn die Hausfrauen also in diesem Jahr für das Kilo Weihnachtsgans mehr als 3,50 DM bezahlen müssen, dann verdanken sie das Ihnen, und wenn das noch teurer wird, dann verdanken sie das Ihrer Entscheidung, daß Sie heute nicht bereit sind, das zu entscheiden.
— Doch, Herr Schmücker, das hat etwas mit der Geschäftsordnung zu tun, weil Sie aus diesem Grunde die Verabschiedung heute verzögern. Aber ich bin der Meinung, es schadet gar nichts, wenn die deutschen Verbraucher einmal an einem simplen Beispiel sehr deutlich sehen, daß die Regierungsparteien in einer Zeit, in der sie von der Preisstabilität sprechen, alles tun, um die Preise in die Höhe zu treiben;
und das tun sie auf diese Art und Weise.
Frau Abgeordnete Strobel, ich muß Sie leider enttäuschen. Was Sie gestern abend in die Hand bekommen haben, ist offenbar nicht eine gedruckte Drucksache, sondern ein Vorabzug gewesen. Das ist nicht eine Streitfrage des Hauses, sondern das ist eine Information unserer Verwaltung.
— Einen Augenblick, Herr Kollege Mommer, damit Sie sich seelisch darauf vorbereiten können!
§ 77 Abs. 2 der Geschäftsordnung lautet: „Die Beratungen beginnen im allgemeinen frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksache." Und in § 124 steht noch: „Bei Fristen wird der Tag der Verteilung der Drucksache nicht eingerechnet." Aber vielleicht können Sie mir eine bessere Rechnung vorlegen. Einstweilen ist der Kollege Rasner mit seiner Rechnung in der Vorderhand. — Bitte sehr!
Herr Präsident, was Sie gesagt haben, wäre absolut logisch und zwingend, wenn nicht durch eine Vereinbarung im Ältestenrat der Fristeinwand konsumiert wäre.
Insofern liegt eine Drucksache vor, die, ohne daß es möglich wäre, den Fristeinwand zu erheben, beraten werden kann.
Meine Damen und Herren, das Florettfechten mit der Geschäftsordnung, das sind die besseren Sachen im Parlament!
Herr Kollege Mommer, ich würde vor Ihrer Weisheit kapitulieren, wenn es nicht einen § 14 Abs. 2 gäbe. Wissen Sie, was da steht? Da steht: „Bei beabsichtigten Abweichungen von dem im Ältestenrat vereinbarten Geschäftsplan des Bundestages sind der Präsident und die Fraktionen möglichst vorher zu verständigen." Zugegeben; das ist ein Kautschukparagraph, — wenn man überhaupt etwas so Unehrerbietiges von der Geschäftsordnung sagen darf. Das „möglichst" ist nicht gut. Meine Damen und Herren, mir wäre es am liebsten, Sie einigten sich
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2073
Präsident D. Dr. GerstenmaierI gutwillig; dann brauchte der Präsident keine bittere Entscheidung zu fällen.Herr Abgeordneter Dr. Mende zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident, ich möchte der Auffassung widersprechen, daß durch Vereinbarungen im Ältestenrat Rechte der Abgeordneten dieses Hauses konsumiert werden könnten.
Zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Professor Dr. Schmid.
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Einen Augenblick, Herr Kollege! Meine Damen und Herren, woran Sie jetzt mitwirken, sind Überlegungen, wie sie der Ältestenrat jede Woche in saurer Mühe im Interesse des Hauses anstellen muß. Einmal müssen wir das eben auch hier machen. — Bitte sehr, Herr Professor Schmid!
Meine Damen und Herren, Herr Rasner weiß schon, was ich sagen werde. .Er würde es an meiner Stelle auch sagen.
Sie haben vollkommen recht, Herr Kollege Mende. Natürlich ist dieses Haus souverän.
Es kann in seinen vier Wänden alles. Es gibt keine Instanz, die von diesem Haus abhängig und die dieses Haus beherrschen könnte, sei es der Ältestenrat oder sei es sonst ein Gremium. Das ist keine Frage. Eine andere Frage ist, ob dieses Haus nicht in sich selber vereinbart hat, die Vereinbarungen im Ältestenrat als für sich verbindlich zu behandeln. Das ist geschehen. Seit zwölf Jahren machen wir das, und wir sind dabei noch nie angefochten worden. Die Vereinbarung, von der hier gesprochen worden ist, ist im Ältestenrat getroffen worden. Bisher haben es sich die Fraktionen zur Ehre angerechnet, solche Vereinbarungen zu honorieren. Wie sollen wir denn im Ältestenrat überhaupt noch weiterkommen können, wenn wir uns nicht darauf verlassen können, daß das, was die Vertrauensleute der Fraktionen im Ältestenrat miteinander vereinbaren, von den Fraktionen nachher honoriert wird? Das gehört mit zur Demokratie, und das wird auch von dem Stolz auf die Souveränität dieses Hauses umfaßt, Herr Dr. Mende.
Noch einmal zur Geschäftsordnung erteile ich 'dem Herrn Abgeordneten Rasner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen unid Herren! Herr Professor Schmid hat mit der Darstellung der Arbeiten im Ältestenrat völlig recht. Auf der anderen ,Seite ist bisher immer unbestritten gewesen, ,daß nach Vorliegen von Entscheidungen den Fraktionen noch einmal das Recht zum Nachdenken eingeräumt werden muß.
Herr Präsident, diesmal handelt es sich um eine — in der Tat, Frau Strobel — an sich interessante Materie. Die SPD steht auf seiten der 'Regierung, und die Koalitionsfraktionen sind anderer Meinung als die Regierung.
Großartig! Da nun so 'entschieden ist, aber erst gestern nachmittag im Ausschuß, und die Sache noch nicht hier ist, darf man wohl in den Fraktionen legitimerweise über diese Situation noch einmal nachdenken und debattieren. Dagegen ist doch nichts einzuwenden.
Herr Dr. Mommer!
Herr Präsident! Das, was Herr Rasner gesagt 'hat, ist auch unanfechtbar. Selbstverständlich können die Fraktionen noch einmal darüber nachdenken, und es ist völlig legitim, wenn Herr Rasner den Antrag stellt, den Punkt wieder von der Tagesordnung abzusetzen. Der Streit geht darum, ob ,er draufsteht. Wenn der Fristeinwand möglich ist, dann steht er nicht drauf.
Es geht hier um die Absetzung des Punktes von der Tagesordnung. Darüber muß abgestimmt werden. Wegen 'der Dringlichkeit der Sache und wegen der Bedeutung 'für unsere Hausfrauen möchten wir, daß der Punkt heute verabschiedet wird. Die Weihnachtsgänse sollen eben nicht teurer werden!
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Meine Damen unid Herren, der Beschluß im Ältestenrat 'heißt, daß die Tagesordnung ergänzt werden soil. Die heutige Tagesordnung soll ergänzt werden. Daraus schließe ich doch, daß — —
— Ja, aber es ,gibt dann die Möglichkeit der Einrede des Hauses, Herr Kollege Schmid. Wenn wir im Ältestenrat etwas beschließen, so geschieht das doch natürlich unter dem Vorbehalt, daß das Haus 'dagegen keinen Einspruch erhebt. — Bitte!
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2074 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
— Nein; vorbehaltlich doch der Zustimmung des Hauses. Sie wollen sagen, daß das Haus den Punkt absetzen kann? — Bitte, Herr Dr. Mommer!
Herr Präsident! Auf Grund der Vereinbarungen im Ältestenrat wird dem Hause ja auch eine gedruckte Tagesordnung vorgelegt, ohne daß vorher die Fraktionen befragt worden sind, ob sie damit einverstanden sind, daß alle diese Punkte auf der Tagesordnung erscheinen. Diesmal haben wir nur eines nicht getan: den Punkt nicht in die gedruckte Tagesordnung aufgenommen, weil der Ausschußbericht noch nicht vorlag. Aber wir waren uns darüber einig, daß das so gelten soll, als sei es gedruckt, wenn 'der Bericht zeitig kommt.
Schön. Meine Damen und Herren, ob Absetzung oder Aufsetzung,— hier ist eine Fristeinrede geltend gemacht worden. Ich kann über die Fristeinrede nicht hinweg, weder nach § 77 noch nach § 124 der Geschäftsordnung. Über die Fristeinrede könnte ich nur hinweg, wenn eine Zweidrittelmehrheit dafür wäre. Wollen Sie das beantragen? — Nicht. Also die Fristeinrede ist geltend gemacht. Spätestens an der Fristeinrede bleibt die Sache hängen. Damit kann sie heute nicht behandelt werden.Auch damit, meine Damen und Herren, kommen wir noch nicht zur Tagesordnung, sondern ich habe hier noch eine lange Liste von 'sogenannten unstrittigen Sachen, die eigentlich in der kommenden Woche auf die Tagesordnung gesetzt werden sollten, jedenfalls nach einer Besprechung im Ältestenrat. Ich frage das Haus, ob diese unstrittigen Sachen im Interesse der schnelleren Befassung der Ausschüsse vorgezogen werden können?
Es sind samt und sonders Gegenstände, von denen, wie gesagt, auch im Ältestenrat festgestellt worden ist, daß sie unstrittig sind. Ist das Haus damit einverstanden, daß sie auf die Tagesordnung kommen?
— Dann werde ich sie nachher aufrufen.Damit sind wir endlich bei der Tagesordnung. Was wir bis jetzt verhandelt haben, geht natürlich nicht zu Lasten der Fragestunde. Aber ehe wir in die Fragestunde eintreten, muß ich mir noch eine kurze Bemerkung erlauben.Gestern abend wurde ich der unschuldige Zeuge der Wiedergabe der gestrigen Fragestunde im Radio. Ich muß sagen, das hat mich doch wieder unangenehm an meine Amtspflichten erinnert,
und zwar an einen lapidaren Satz in § 7 der Geschäftsordnung. Der § 7 der Geschäftsordnung ist einer ganzen Reihe von Kollegen wohl bekannt. Da steht z. B. in Abs. 1 Satz 2:Er— der Präsident —wahrt die Würde und die Rechte des Bundestages, fördert seine Arbeiten, leitet die Verhandlungen gerecht und unparteiisch und wahrt die Ordnung im Hause.Was ich nun gestern gehört habe, hat mir nicht ganz gefallen, und ich habe mich als erster dafür verantwortlich zu fühlen. Vielleicht war ich schon in der ersten Fragestunde in dieser Woche etwas zu konziliant.Es gibt noch einen § 44 der Geschäftsordnung. Von ihm Gebrauch zu machen, würde mir sehr leid tun. Aber ich lese ihn einmal vor. Da heißt es:Wenn im Bundestag störende Unruhe entsteht, die den Fortgang der Verhandlungen in Frage stellt, .. — Ein scharfsinniger Geist könnte nachher kommen und sagen: der Fortgang der Verhandlungen war ja höchstens in Frage gestellt, aber er war nicht unmöglich. Nun, die Geschäftsordnung ist hier ziemlich streng. Auch wenn der Fortgang der Verhandlungen nur in Frage gestellt ist, kann der Präsident die Sitzung schon auf unbestimmte Zeit aussetzen, sagen wir einmal, auf Freitag nachmittag um 16 Uhr.
Das wäre eine mir ganz unsympathische Zeit, kann ich Ihnen verraten. Vielleicht würde sie Ihnen besser passen als mir. Mir würde sie sehr schlecht passen. Ich wäre also sehr gestraft damit. Aber der Präsident kann außerdem, wenn es nicht mehr anders geht, die Sitzung auch ganz aufheben.
— Herr Kollege Schmid, stellen Sie sich vor, welche Möglichkeiten Sie da als amtierender Präsident haben!Meine Damen und Herren, ich möchte mich, wenn ich wieder Radio höre, weder an den § 7 der Geschäftsordnung erinnert fühlen, noch möchte ich von § 44 der Geschäftsordnung Gebrauch machen, schon im eigenen Interesse nicht.Aber noch ein anderes, was mir gestern aufgefallen ist und was im Radio noch viel härter wirkt, als wenn man hier im Saal sozusagen mitwirkt, ist, daß eigentlich der Kern oder ,das Wesen der Fragestunde verbogen wird in eine nicht sehr geglückte
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2075
Präsident D. Dr. GerstenmaierDebatte. Die Fragestunde ist keine Ersatzdebatte, kann es gar nicht sein. Die Fragestunde ist dazu da, harte Tatbestände möglichst energisch und klar in ihrem Kern aufzuklären.
— Ich danke für die seelische Unterstützung, Herr Kollege Wittrock. Aber. bis jetzt habe ich noch niemanden angeklagt. Ich beabsichtige das auch gar nicht zu tun. Etwas anderes möchte ich Ihnen dazu noch sagen.
— Ach ja! Die Herren Minister sollen sich nicht durch Zurufe provozieren lassen, sondern sollen lediglich antworten. Das ist auch wahr. Aber die Fragen sollen auch nicht verkleidete Stimmungs- — und Meinungsmache sein, sondern sie sollen Fragen nach dem Kern eines Tatbestandes sein.
Schließlich und endlich — darüber reden wir uns nun schon seit einigen Jahren die Zunge wund — ist der deutsche Parlamentarismus doch nun aus den Kinderschuhen heraus. Infolgedessen könnte er eigentlich ,etwas für seinen Stil tun, und das geht z. B. jetzt die Fragestunde an. Ich vermag nicht einzusehen, daß zur Fragestunde ,das gehört, was offenbar zur deutschen Parlamentsdebatte nun einmal gehört, nämlich Beifalls- und Mißfallenskundgebungen. Weder Beifallklatschen noch Mißfallenskundgebungen sollten in der Fragestunde einen Raum haben. Ich will gar nicht sagen, daß das Haus in der Debatte darauf verzichten sollte, aber aus der Fragestunde sollte das verschwinden.Meine Damen und Herren, das Haus kämpft doch darum, daß das Instrumentarium der Fragestunde schnittig bleibt. Ich appelliere an Sie, mir dabei zu helfen. Ich befinde mich dabei in keiner anderen Position als z. B. ein Verkehrsschutzmann an einem stürmischen und besonders heiteren Feiertag, wo alles, was einen fahrbaren Untersatz hat, auf die Straße drängt. Wenn dann irgendwo etwas nicht schnell genug geht, wird der Verkehrsschutzmann beschimpft. Das hat doch keinen Zweck. Ich appelliere deshalb an die Vernünftigen unter meinen Kollegen, den „Verkehrsschutzmann" hier oben dabei zu unterstützen, ihm das Handwerk leichter zu machen und nicht schwerer.Meine Damen und Herren, das alles geht nicht zu Lasten der Fragestunde. Die Fragestunde beginnt jetzt und endet — sagen wir — gegen 10.30 Uhr, so daß niemand sagen kann, sein Fragerecht sei beschnitten worden.Wir kommen zu dem Tagesordnungspunkt:Fragestunde .Wir sind bei der Frage III/3 auf Drucksache IV/ 708 -- des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer —, einer Frage an den Herrn Bundesminister der Verteidigung stehengeblieben:Wann wunde das Gutachten vom Bundesverteidigungsministerium dem Bundesjustizministerium zur Weiterleitung an die Bundesanwaltschaft zugestellt?Ich kann aus meiner Vorlage nicht erkennen, ob die Frage schon beantwortet ist.
Meines Wissens, Herr Präsident, ist diese Frage gestern schon beantwortet worden.
Eine Sekunde! Herr Abgeordneter Mommer, ist die Frage beantwortet?
Nein, meines Wissens nicht.
Nach meiner Erinnerung habe ich gestern gesagt, daß das Gutachten am 9. Oktober angefordert und nach einmaliger Mahnung am 19. Oktober abgeliefert worden ist.
Zusatzfrage?
Herr Minister, darf ich an Sie die Frage richten, die ich dem Inhalt nach schon an den Herrn Innenminister Höcherl, der den Herrn Justizminister vertreten hat, gerichtet habe: Wann hat nach Weiterleitung des Gutachtens des Verteidigungsministeriums und vor der Durchführung von Fahndungs- und Untersuchungsmaßnahmen im Bundesverteidigungsministerium eine Besprechung über diese Maßnahmen stattgefunden, an der außer den Staatssekretären Hopf und Dr. Strauß auch Sie teilgenommen haben?
Ich bin nach Rückkehr aus meinem Urlaub am 16. Oktober 1962 von dem Gutachtenersuchen der Dienststelle des Generalbundesanwalts und den Gründen informiert worden.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Minister, wann haben Sie eine Absprache mit Ihrem Staatssekretär über die personelle Behandlung des Komplexes „Spiegel" getroffen, und glauben Sie, daß die Übertragung von Aufgaben an den Staatssekretär die politische Verantwortung des Ministers berührt?
Diese Frage gehört zu der gleichen Kategorie wie die Frage, die gestern gestellt worden ist: keine Anzeigepflichtverletzung, Anzeige-Racheakt,
wie ich gestern erzählte. Ich möchte deshalb etwas zur Klärung der Hintergründe beitragen, an denen Sie interessiert sind.
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2076 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Einen Augenblick, Herr Minister! Ich würde vorschlagen, daß Sie Ihre Konzilianz nicht so weit ausdehnen, daß wir mit dem Stil der Fragestunde in Verlegenheit kommen. Ich habe volles Verständnis für das, was Sie zu sagen wünschen, wenn Sie es hier in der Aussprache sagen würden. Aber ich glaube, es ist besser, wir beschränken uns auf Frage — Antwort, Frage — Antwort.
Ich habe am 15. oder 16. Oktober meine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen. Wie ich gestern bereits mitteilte, hat die Dienststelle des Generalbundesanwalts das Bundesverteidigungsministerium am 9. Oktober um ein Gutachten ersucht. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung ist der Staatssekretär, abgesehen von gewissen Gegenzeichnungsfragen, der Vertreter des Ministers in allen seinen Rechten und Pflichten. Wenn also Staatssekretär Hopf am 9. Oktober dieses Gutachtenersuchen entgegengenommen und die daraus sich ergebenden Amtspflichten gehandhabt hat, ist das eine völlig natürliche Angelegenheit. Ich habe am 16. Oktober, gerade als es offen war, welche weiteren Konsequenzen sich ergeben würden, Herrn Hopf gebeten, daß er die weitere Behandlung dieser Angelegenheit übernehme, und zwar genau aus demselben Motiv heraus, das ich gestern erklärt habe: um jeden Anschein zu vermeiden, daß ich durch ein persönliches Eingreifen irgendwie, sei es
1) durch Bestellung des Gutachters, sei es durch Einflußnahme auf den Inhalt des Gutachtens, den Gang der Dinge zu steuern versuche. Aber damit ja kein Zweifel besteht: für das, was Herr Hopf getan hat, übernehme ich selbstverständlich die politische Verantwortung. Nur habe ich dabei keine Amtspflichten ausgeübt.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wittrock!
Herr Minister, darf ich die Frage stellen, ob Art. 65 Satz 2 des Grundgesetzes, der da lautet:
Innerhalb dieser
— vom Bundeskanzler zu bestimmenden —
Richtlinien leitet jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener. Verantwortung
— und das heißt: unter Verantwortung gegenüber dem Parlament —, nach Ihrer Auffassung in irgendeiner Weise zur Entscheidungsdisposition eines Ministers steht?
Einen Augenblick! Die Frage heißt:
Wann wurde das Gutachten vom Bundesverteidigungsministerium dem Justizministerium zur Weiterleitung an die Bundesanwaltschaft zugestellt?
Es heißt in der Geschäftsordnung:
Zusatzfragen müssen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Hauptfrage stehen.
Ich will nicht in Abrede stellen, daß Ihre Zusatzfrage irgendwohin gehört, Herr Kollege Wittrock. Ich vermag nur nicht zu erkennen, daß sie im Sinne der Geschäftsordnung in einem unmittelbaren Zusamenhang mit dieser Hauptfrage steht.
— Herr Kollege Wittrock, die Sache ist die: Der Präsident ist unmöglich in der Lage, -immer scharf zu erkennen, inwiefern eine Sache in unmittelbarem Zusammenhang mit einer anderen steht. Es mag sein, daß er einem Fragesteller Unrecht tut, wenn er ihn dann unterbricht. Aber man sollte das zubilligen, weil der Präsident nicht in der Weise in der Sache steht wie der Fragende. Ich unterstelle also, daß Ihre Frage in einem Zusammenhang mit der Hauptfrage steht. Wenn der Herr Verteidigungsminister das akzeptiert, wenn er darauf antworten will, habe ich nichts dagegen.
Ich habe nicht den leisesten Grund, darauf nicht zu antworten, obwohl ich die Bedenken des Herrn Präsidenten teile, daß hier eine Auslegung vorliegt, die über den schriftlich niedergelegten Rahmen der Fragestunde und der parlamentarischen Anfragen hinausgeht.
Der Art. 65 des Grundgesetzes kann selbstverständlich nicht zur Disposition gestellt werden. Aber in Abwesenheit des Ministers übernimmt der Staatssekretär ohnehin, abgesehen von gewissen Einschränkungen, die Ihnen wohl bekannt sind, alle Rechte und Pflichten seines Ministers. Das war in diesem Falle sowieso vom 9. Oktober bis zum 15. Oktober der Fall. Am 16. Oktober bin ich vom Ersuchen 'des Generalbundesanwalts informiert worden, daß ein Gutachten eingereicht werden soll. Ich habe daraufhin den Staatssekretär beauftragt, alle Amtshandlungen, die vom Verteidigungsministerium wahrzunehmen sind, auszuüben. Es ist mein gutes Recht, auch das Recht eines Ministers, ohne jede Einschränkung des Art. 65, der vom Minister gar nicht zur Disposition gestellt werden kann, einen Staatssekretär mit der Behandlung einer bestimmten Angelegenheit zu beauftragen. Ich habe ja vorher hinzugefügt, daß ich selbstverständlich, wenn Staatssekretär Hopf falsch gehandelt haben sollte, dafür die politische Verantwortung im Rahmen der durch das Grundgesetz eingeschränkten parlamentarischen Verantwortung des Bundesministers übernehme.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wittrock!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2077
Herr Minister, wäre es auf Grund des Prinzips der kontinuierlichen und auch im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung stets und ständig zu tragenden Verantwortlichkeit nicht zweckmäßig und sinnvoll und allein den Prinzipien der parlamentarischen Verantwortlichkeit entsprechend gewesen, wenn Sie die Verantwortung auf einen anderen Bundesminister übertragen bzw. sich selbst insoweit zurückgezogen hätten mit der Maßgabe, daß ein anderer Bundesminister die Verantwortung trägt? Denn nur er kann sie gegenüber dem Parlament tragen.
Jetzt weiß ich eigentlich nicht mehr, was Sie mit dieser Frage anstreben. Einerseits halten Sie es für möglich, daß durch diese Handlungsweise der Art. 65 zur Disposition gestellt worden sei. Andererseits sagen Sie, ich hätte selbst alle Amtshandlungen vollführen müssen. Ich bin fest überzeugt: wäre dem so gewesen, dann würden die Fragen hier zwar anders lauten, aber eine Zielrichtung ganz bestimmter Art damit verbunden sein. Ich kenne ja doch die Terminologie, die damit gemeint ist. Ich kann gar keinen anderen Minister mit meiner Stellvertretung beauftragen außer in den Fällen, die in besonderen Vorschriften niedergelegt sind. Das ist z. B. die Stimmabgabe im Kabinett unter bestimmten Umständen in Vertretung des Ministers, wo Staatssekretäre nicht stimmberechtigt sind. Das ist die Gegenzeichnung unter Urkunden.
Über die Stellvertretung des Verteidigungsministers hat eine Sitzung des Verteidigungsausschusses im Zusammenhang mit der Frage stattgefunden, wer in Abwesenheit des Verteidigungsministers die Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr ausübt. Es war die übereinstimmende Meinung sämtlicher Mitglieder des Ausschusses, an der Spitze gerade der Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei, daß der Staatssekretär in Abwesenheit des Ministers oder in Stellvertretung des Ministers alle seine Funktionen, seine Rechte und Pflichten ausüben kann. Ich stelle hier noch einmal fest, daß für das, was Staatssekretär Hopf veranlaßt hat, ich selbst die politisch-parlamentarische Verantwortung, wie sie im Grundgesetz niedergelegt ist, übernehme.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Erler!
Hat nach der Weitergabe des Gutachtens vom Bundesverteidigungsministerium an das Bundesjustizministerium bzw. an die Bundesanwaltschaft nun im Sinne der Ausführungen des Herrn Ministers Herr Staatssekretär Hopf, der Herr Verteidigungsminister selbst oder wer sonst mit dem Militärattaché in Madrid, Oster, telefoniert und durch dieses Telefongespräch den ersten Anstoß zur vorläufigen Festnahme des Ehepaars Ahlers durch die spanischen Behörden unter Einschaltung von Herrn Oster gegeben?
Abgesehen davon, daß auch hier der Zusammenhang mit der eigentlich gestellten Frage nicht mehr zu erkennen ist,
steckt in dieser Frage eine Feststellung, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit ich nicht überprüfen kann. Ich habe gestern den Vorgang dargestellt. Ich habe die Gründe dargestellt, die zu diesem Vorgang geführt haben.
Wenn Sie die Frage so weit ausdehnen, darf ich auch die Gründe hier noch einmal anführen.In der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr hat die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes das Verteidigungsministerium, nicht mich, verständigt, daß der Versuch, Herrn Ahlers auf Grund eines höchstrichterlichen Haftbefehls festzunehmen, erfolglos gewesen sei. Herr Ahlers halte sich entweder in Spanien oder in Tanger auf. Im übrigen sei der deutsche Militärattaché unterrichtet. Es kann auch, da darüber ja keine Niederschriften oder Tonbänder vorliegen, die Formulierung so gewesen sein: der deutsche Militärattaché habe mit dieser Reise ja etwas zu tun.Wenn die Sicherungsgruppe, die bei keiner anderen Festnahme das Verteidigungsministerium verständigt hat, diese Mitteilung macht, dann steckt darin ja ein ganz bestimmter Sinn: Wir suchen jemanden, der auf Grund richterlichen Haftbefehls festgenommen werden soll im Zusammenhang mit dem Verdacht des Landesverrats, und das Verteidigungsministerium, eine Stelle oder eine Persönlichkeit aus diesem Bereich weiß über diese Reise ja Bescheid. Damit war für uns die Notwendigkeit der Amtshilfe gegeben; denn Herr Ahlers ist der Verfasser des Artikels, der im Mittelpunkt des Ermittlungsverfahrens steht. Herr Ahlers muß am besten wissen, wer die Informanten aus dem Dienstbereich des Verteidigungsministeriums sind, nicht zuletzt deshalb, weil er aus seiner früheren amtlichen Tätigkeit sicherlich noch eine Reihe von persönlichen Verbindungen hat.Aus der Mitteilung der Sicherungsgruppe war zu entnehmen, daß sie an der Festnahme von Ahlers gerade wegen der Aufklärung der undichten Stellen in Bonn ein besonderes Interesse habe. Wenn nun ein Herr des Verteidigungsministeriums von der Reise weiß, diese Reise vielleicht organisiert oder vermittelt habe, dann würde der Verdacht schwer abweisbar sein, daß man, um die Informanten aus dem eigenen Dienstbereich zu schonen, einem Herrn die Ausreise ermöglicht habe.Aus diesem Grunde ist nachts der Anruf der Sicherungsgruppe erfolgt. Da der Militärattaché — ich weiche dem nicht aus, das wäre eine völlig falsche Annahme oder Unterstellung — bei Anruf den Sachverhalt nicht kennen wollte, sondern sagte: „Ich kenne nur die Stimme des Ministers", bin auch ich mit ihm verbunden worden und habe ihm das wiederholt, was vorlag:
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2078 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Bundesverteidigungsminister StraußSicherungsgruppe des Bundeskriminalamts ruft an und behauptet, daß Oberst Oster von dieser Reise Bescheid wisse, der Herr Ahlers wird gesucht wegen des Tatverdachts des Landesverrats, gegen ihn liegt ein höchstrichterlicher Haftbefehl vor, er ist begründet mit Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr, was geht hier vor?Das ist eine Angelegenheit, bei der wir zur Amtshilfe verpflichtet waren, wenn man uns nicht den unterschwelligen oder offenen Vorwurf machen sollte, daß die Ausreise des Ahlers für einige Zeit organisiert worden sei, damit die undichten Stellen aus dem eigenen Hause dadurch nicht aufgeklärt werden können.
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Erler.
Ist dem Militärattaché in Madrid in diesem Telefongespräch ausdrücklich gesagt worden, daß er nunmehr die spanischen Behörden in dem Sinne in Kenntnis zu setzen habe, daß das Ehepaar Ahlers vorläufig festzusetzen sei?
Von einem Ehepaar Ahlers ist überhaupt keine Rede. Auch hier steckt in der Frage wieder eine Unterstellung, die mit der Wirklichkeit überhaupt nichts gemeinsam hat.
Gestern hat der Herr Innenminister erklärt, daß in der ganzen Angelegenheit Frau Ahlers überhaupt keine Rolle spiele. .
Darum ist die Fragestellung, ob irgendeine Verständigung spanischer Stellen erfolgt sei, daß das Ehepaar Ahlers festgenommen werden soll, eben eine Unwahrheit, die in Frageform gekleidet ist.
Von der Sicherungsgruppe wurde den Dienststellen des Verteidigungsministeriums in der Nacht bekannt, daß der Haftbefehl auf .dem polizeilichen Wege nach Spanien übersandt werden solle. Da allein Herr Oster den Aufenthaltsort wußte und im übrigen auch wußte, daß unter Umständen schon in den nächsten Stunden eine Ausreise nach Marokko erfolge, hat Herr Oster das getan, wozu er als Bundesbediensteter verpflichtet war und was ihm ausdrücklich gesagt worden ist —, spanische Stellen zu verständigen, damit hier nicht unter Umständen durch eine Ausreise die Aufdeckung des Sachverhalts und damit die Klärung eines Sachverhalts, der immerhin im Strafgesetzbuch 'unter dem Rubrum des Verbrechens steht, verhindert werden kann.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Herr Minister, wir haben jetzt gehört, daß Sie mit dem Militärattaché telefoniert haben.
Wie sind Sie am Schluß des Telefongesprächs verblieben? Welche Anordnung haben Sie dem Militärattaché gegeben?
Ich habe alles, was dazu zu sagen war, gesagt nämlich daß es auch nach meiner Auffassung und nach meiner überreichten Mitteilung die Aufgabe einer jeden Amtsperson ist, wenn sie erstens in Kenntnis gesetzt wird, daß ein Haftbefehl wegen eines vermuteten Verbrechens vorliegt, wenn sie zweitens den Aufenthaltsort des Gesuchten kennt, davon die Behörde in dem betreffenden Land zu verständigen. Dazu .war Herr Oster verpflichtet; das ist ihm auch gesagt worden. Im übrigen ist hinzugefügt worden, daß auf dem Polizeiwege die Übermittlung des Haftbefehls erfolgt. Das Weitere bitte ich den Herrn Innenminister zu fragen.
Weitere Zusatzfrage!
Also haben Sie — —
— Ich frage doch! — Haben Sie also den Herrn Oster angewiesen, die spanischen Behörden zu informieren, und haben Sie daraufhin die Weisung gegeben, daß das Bundeskriminalamt den Haftbefehl an die Botschaft übermittelt? Haben Sie das selbst getan?
Bei einer so gründlichen Kenntnis der Behördenorganisation, wie ich sie bei Ihnen voraussetzen darf, dürfte doch bekannt sein, daß ich kein Recht habe, dem Bundeskriminalamt irgendwelche Anweisungen zu geben. Ich habe eben ausgeführt, daß vom Bundeskriminalamt — Sicherungsgruppe — bekannt war, daß der Haftbefehl nach Spanien auf dem Polizeiwege übermittelt werden wird. Durch wen das geschehen ist, wann, ob fernmündlich, telegrafisch, das ist mir bekannt. Darum konnte ich mich nicht kümmern, und das geht mich auch nichts an.
Aber ich darf sagen: nachdem Herr Oster von der Sicherungsgruppe genannt worden war als der Mann, der über die Reise Bescheid wisse, war Veranlassung gegeben, um jeden Verdacht einer Vernebelung oder Verdunkelung durch das Verteidigungsministerium au verhindern, Herrn Oster zu den spanischen Behörden gehen au lassen und dort den Sachverhalt mitteilen zu lassen. Hätte ich anders gehandelt, würden Sie mir mit Recht schwere Vorwürfe machen, nur andere, als Sie sie jetzt erheben.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schmid!
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2079
Herr Präsident, ich habe eine ganz einfache Frage an den Herrn Minister. Herr 'Minister, was der Militärattaché getan hat, war Tätigkeit eines Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Glauben Sie das Recht zu haben, einen Militärattaché zu einem Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft zu machen?
Ich kann mit Ihnen in Rechtsfragen schwer konkurrieren. Aber nach Art. 35 des Grundgesetzes sind alle Behörden des Bundes unid der Länder zur Amtshilfe verpflichtet. Bei der Durchführung aller vom Generalbundesanwalt ,getroffenen Maßnahmen, angefangen von der Erstattung eines Gutachtens, waren auch Dienststellen des Verteidigungsministeriums im Sinne der Amtshilfe für den Generalbundesanwalt und für das Bundeskriminalamt tati.g. Sie werden damit noch lange nicht Hilfsorgane der Staatsanwaltschaft.
Zweite Zusatzfrage!
Ich habe eine zweite Frage, etwas anderes betreffend. Es wurde hier mit Entrüstung quittiert, daß vom „Ehepaar" Ahlers gesprochen wird. Wollen Sie bestreiten, Herr Bundesminister, 'daß Frau Ahlers festgenommen worden ist?
Das
zu bestätigen oder zu bestreiten ist nicht meine Angelegenheit. Ich weiß nur, daß ausschließlich von der Person die Rede war, gegen die ein höchstrichterlicher Haftbefehl vorlag, sonst von niemandem.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Döring!
Herr Minister, mußte man Ihre Ausführungen über den Oberst Oster dahin verstehen, daß der Verdacht bestand, der Oberst Oster könnte möglicherweise Herrn Ahlers zur Flucht verhelfen?
Ich glaube, daß diese 'Formulierung nicht berechtigt ist. Aber 'die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts, die in dieser Nacht einige Festnahmen durchgeführt und einige Festnahmen ohne Erfolg versucht hat, hat bei keiner Aktion das Verteidigungsministerium verständigt. Es lag auch gar kein Grund vor. Als z. B. Herr Augstein festgenommen werden sollte und dafür offensichtlich eine andere Person vorübergehend festgestellt 'wurde, wurde das Verteidigungsministerium nicht .verständigt, weil es nichts damit zu tun hat. Genauso war eis auch bei den übrigen. Als Herr Schmelz, der andere militärpolitische Redakteur, der in diesem Zusammenhang in Betracht kommen konnte, nicht angetroffen wurde, als sich herausstellte, daß er in Ungarn sein sollte, wurde das Verteidigungsministerium auch nicht verständigt, weil dafür kein Grund vorgelegen hätte.
Aber bei der versuchten Festnahme des Herrn Ahlers ist der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes — sei es durch Auffinden eines Zettels, sei es durch mündliche Mitteilung einer in der Wohnung angetroffenen Person — gesagt worden: Warum sucht ihr Herrn Ahlers hier? Er ist in Tanger — es kann auch Marokko geheißen haben —, und im übrigen weiß das Verteidigungsministerium oder der Militärattaché in Madrid darüber Bescheid! Wenn uns gesagt worden wäre: Herr Ahlers ist nicht da, und sonst nichts, welchen Grund hätten wir gehabt, irgend jemanden zu verständigen? Wenn gesagt worden wäre: Herr Ahlers ist in Urlaub in Spanien, hätte auch das nichts weiter ausgelöst. Spanien ist groß, und er kann überall sein; das geht uns nichts an. Aber hier ist erstens gesagt worden: Wir haben versucht, ihn festzunehmen, zweitens: Er ist in Spanien oder Marokko, und drittens: Warum dringen wir hier ein und versuchen erfolglos, ihn festzunehmen, während das Verteidigungsministerium Bescheid weiß?" In diesem Zusammenhang ist das Wort Militärattaché in Madrid gefallen. So habe ich es in meinen wenigen Notizen vorgefunden. Daraufhin wurde Herr Oster verständigt. Es würde sich doch ein außerordentlich merkwürdiges Zwielicht ergeben, Herr Kollege Döring, wenn die Sicherungsgruppe bei dem Versuch, ihn festzunehmen, auf der einen Seite erfährt, daß er in Spanien oder Marokko ist, und auf der anderen Seite erfährt, daß eine Dienststelle des Ministeriums darüber Bescheid weiß.
Bei der Rückfrage in Madrid hat sich ergeben, daß Herr Ahlers auf der Durchreise zwei Stunden bei Herrn Oster gewesen ist, daß Herr Oster über den Unterkunftsraum Bescheid wußte, aber nicht Bescheid wußte, ob er bereits nach Tanger weitergereist sei. Bei diesem Sachverhalt war gar keine andere Handlungsweise möglich, als die spanischen Behörden davon zu verständigen. Wäre das nicht geschehen, hätten wir uns mit Recht dem Vorwurf der Begünstigung einer Ausreise ausgesetzt, an der wir deshalb hätten interessiert sein können, um die Informanten aus dem eigenen Hause zu decken. Da wir, wie ich gestern betonte, nicht Interesse haben an Redakteuren — alle persönlichen Vermutungen in Verbindung damit möchte ich einmal als eine diffamierende Unterstellung bezeichnen —, sondern ein Interesse haben, herauszufinden, welche Personen denn laufend Informationen geheimen Charakters an Außenstehende geben, war so zu verfahren, wie verfahren worden ist.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Metzger!
Herr Minister, wenn Sie die, wie ich glaube, richtige Auffassung vertreten, daß Sie für alle Handlungen Ihres Staatssekretärs parlamentarisch verantwortlich sind, warum mußte dann der Staatssekretär gehen?
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2080 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Ich glaube, Sie sind über die politischen Entscheidungen — —
Einen Augenblick, Herr Kollege Metzger. Das kann ich nicht auch noch zulassen; denn diese Frage ergibt sich nicht aus der Antwort des Ministers. Sie steht auch nicht in einem Zusammenhang mit der Frage: Wann wurde das Gutachten zugestellt? Nein, diese Frage lasse ich nicht zu.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rehs!
Herr Verteidigungsminister, hat das Verteidigungsministerium dem Bundeskriminalamt nahegelegt, hat es angeregt, veranlaßt, dem Militärattaché in Madrid telegrafisch den Text des gegen Ahlers ergangenen richterlichen Haftbefehls zu übermitteln, der sonst ja nur auf dem Polizeiwege an die spanische Polizei gelangt wäre?
Ich bin über die internen Maßnahmen des Bundeskriminalamts und über seine Praxis bzw. über die Praxis der Sicherungsgruppe nicht unterrichtet. Ich weiß nur aus diesem Verfahren, daß es üblich zu sein scheint, einen solchen Haftbefehl einmal an die Botschaft zu geben, in diesem Fall zu Händen des Militärattachés, in anderen Fällen auf dem Wege des Polizeifunks unmittelbar an die zuständigen polizeilichen Stellen dieses Landes. In einem Fall, bei dem die Verhältnisse rechtlich offensichtlich wesentlich schwieriger liegen, nämlich bei dem Fall Zind, ist genauso verfahren worden. Darum würde ich bitten, daß der Herr Innenminister diese Antwort übernimmt, weil ich nicht aus der internen Praxis des Bundeskriminalamts hier über die Einzelheiten berichten kann.
Einen Augenblick, Herr Minister. Das kann ich gar nicht zulassen. Jetzt sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung. Die Einteilung der Antworten liegt völlig in der Hand der Regierung. Die Regierung entscheidet, wer welche Frage beantwortet. Aber ich muß mich hierbei an die Ordnung halten. Wenn wir es anders machen, Herr Minister, geraten wir natürlich in eine immer weitere Auswucherung der Debatte, und das ist nicht der Sinn der Fragestunde.
Ich habe dafür volles Verständnis.
Ich muß den Ablauf der Fragestunde jetzt zusammenhalten. — Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Rehs.
Meine Zusatzfrage, Herr Minister, besteht in einer Wiederholung der Frage, da Sie sie nicht beantwortet haben: Hat das Verteidigungsministerium die Übermittlung des Haftbefehls an Oster beim Bundeskriminalamt veranlaßt, nahegelegt, oder hat es dies nicht?
Mir ist davon nichts bekannt.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Halten Sie es für richtig, Herr Minister, auch heute wieder die Sache Zind zur Sprache zu bringen, obwohl es sich bei Zind um einen rechtskräftig verurteilten Mann gehandelt hat, der zur Strafverbüßung gesucht wurde,
und obwohl ganz andere rechtliche Bestimmungen dafür maßgebend sind?
Einen Augenblick — —
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen! Ich bezweifle, daß diese Frage nach der Geschäftsordnung zulässig ist.
Feststellungen oder Wertungen dürfen die Zusatzfragen nicht enthalten. Es sind gestern schon Wertfragen gestellt worden. Das ist absolut verboten und ausgeschlossen durch die Geschäftsordnung, d. h. durch die Richtlinien für die Fragestunde Ziffer 14 Abs. 3.
Jetzt gehe ich weiter zur nächsten Frage — Herr Abgeordneter Dr. Mommer, das ist Ihre Frage III/4 — aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung:
Wann hat der Herr Bundesverteidigungsminister erstmals von dem gegen den „Spiegel" eingeleiteten Vertahren Kenntnis erhalten?
Herr Bundesminister der Verteidigung, Sie sind gefragt mit der Frage III/ 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer.
Die Frage III/ 4 — Herr Präsident, erlauben Sie mir die Bemerkung — beantworte ich zum dritten oder zum vierten Male.
Herr Fragesteller, — —
Die Frage heißt: Wann hat der Herr Bundesverteidigungsminister — —
Einen Augenblick, Herr Minister, das ist möglich, wenn sie schon der Substanz nach in Zusatzfragen wiedergekehrt ist. Dann steht es Ihnen frei zu sagen, daß Sie sie schon beantwortet haben; dann ist die Sache aus.
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. ¡Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2081
Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Aber wenn Sie feststellen, daß Sie sie jetzt zum vierten Male beantworten wollen, dann will ich Sie daran nicht hindern, bitte sehr.
Ich glaube, es ist im Interesse des Hauses, sich dann die Zeit zu ersparen.
Gut, ausgezeichnet! Zusatzfrage, Herr Dr. Mommer!
Herr Minister, glauben Sie, daß Sie nach dem, was Sie uns heute über Ihre Information und über Ihre Mitwirkung in dieser Sache gesagt haben, noch die Behauptung aufrechterhalten können, die Sie in der Öffentlichkeit aufgestellt haben, daß Sie nämlich mit diesem ganzen Verfahren nichts, gar nichts zu tun hatten?
Ich darf nur die Fakten noch einmal aufzählen und dann daraus gewisse, auf der Hand liegende Schlußfolgerungen ziehen.
Der Generalbundesanwalt hat am 9. Oktober das Verteidigungsministerium um ein Gutachten ersucht, oder richtiger ausgedrückt, darum ersucht, daß ein Gutachter ein Gutachten erstattet. Ich habe davon nichts gewußt. Bis zum 16. Oktober war ich mit 1 Ausnahme eines Tages, an dem ich die Amtsgeschäfte noch nicht übernommen hatte, sondern nur der außenpolitischen Debatte beiwohnte und anschließend zu einem Parteikongreß fuhr, in Urlaub. Ich habe am 15. Oktober die Amtsgeschäfte wieder aufgenommen, bin am 16. Oktober von dem Ersuchen um ein Gutachten informiert worden und habe meinen Staatssekretär beauftragt, die dem Verteidigungsministerium eventuell zufallenden Amtshandlungen zu übernehmen. So ist es geblieben bis zu der Nacht von Freitag auf Samstag, als ich davon verständigt wurde, daß Herr Ahlers angeblich mit Wissen des deutschen Militärattachés seine Reise in das Ausland unternommen habe.
Zusatzfrage!
Herr Minister, würden Sie mir dann widersprechen, wenn ich feststelle, daß Sie für die Tätigkeit des Ministeriums insgesamt in dieser Sache — —
Halt, halt, Herr Kollege Mommer! Zusatzfragen dürfen keine Feststellungen oder Wertungen enthalten, — steht hier in Ziffer 14 Abs. 3.
Ist es richtig, daß Sie die politische Verantwortung für die Gesamteinschaltung des Ministeriums hatten und daß Sie im übrigen auch persönlich — ob zu Recht oder Unrecht, jedenfalls tatsächlich — in dem Verfahren mitgewirkt haben, es also nicht möglich ist, zu sagen, daß Sie mit dem Verfahren nichts, gar nichts zu tun hatten?
Herr Kollege Mommer, auch diese Fragestellung ist in dieser Form unzutreffend,
und zwar unzutreffend, weil sie eine Behauptung enthält, die unzutreffend ist. Ich habe mit der Ingangsetzung des Verfahrens und mit den Amtshandlungen des Verteidigungsministeriums bis zur Durchführung der staatsanwaltschaftlichen Maßnahmen, die in der Nacht bereits vom Rundfunk mitgeteilt worden sind, bevor ich telefonisch verständigt worden bin, nichts zu tun. Denn meines Wissens ist bereits um 12 Uhr nachts oder kurz darauf eine Rundfunkmeldung erfolgt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wacher!
Darf ich, nachdem Herr Minister Höcherl gestern weitere Auskünfte über die Verhaftung von Herrn Ahlers in Aussicht gestellt hat, die Regierung fragen, ob sie heute bereit ist, durch den Mund des Innenministers diese Auskünfte zu erteilen?
Herr Abgeordneter Wacher, das lasse ich nicht zu. Ich halte mich hier an dieses Schema, an das ich mich halten muß. Wo kommen wir sonst hin! Wir befinden uns jetzt beim Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Anschließend kommt der Geschäftsbereich des Bundesministers für ,das Post- und Fernmeldewesen. Wenn Sie eine Frage haben, müssen Sie sehen, daß Sie sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Hauptfrage als Zusatzfrage plazieren können. Können Sie das, dann bekommen Sie dazu das Wort. Geht ,das nicht, dann kann ich Ihnen das Wort nicht geben.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Koch!
Herr Minister, war Ihnen, als Ihr Staatssekretär in Überschreitung seiner Befugnisse seinen Kollegen Dr. Strauß bewog, den Herrn Justizminister von dem Anlaufen der Verhaftungsaktion gegen den „Spiegel" nicht zu informieren, etwas davon bekannt, daß Ihr Staatssekretär insofern seine Befugnisse überschritt?
Mir ist nichts davon bekannt, daß der Herr Staatssekretär seine Befugnisse überschritten hat. Aber ich darf in diesem Zusammenhang — und ich bitte den Herrn Präsidenten, diese Bemerkung zu verstehen — erwidern, daß mir hier der Zusammenhang mit dem Text der Frage auch bei bestem Willen nicht erkennbar erscheint. Ich darf weiter bemerken — —
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2082 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Einen Augenblick, Herr Minister! Sie haben zwar recht, aber ich hätte diese Feststellung soeben lieber selber getroffen.
Ich möchte auch nicht das System der Arbeitsteilung hier empfehlen, Herr Präsident, aber mir trotzdem den Hinweis erlauben, daß heute Fragen im Zusammenhang mit der Festnahme des Herrn Ahlers gestellt, nicht beanstandet und beantwortet worden sind, ohne daß sie mit dem Text der heute vorliegenden Fragen das geringste zu tun haben.
Das ist ganz gewiß.
Darum glaube ich, daß auch der Herr Innenminister das Recht haben sollte, in Fortsetzung dessen, was ich gesagt habe, seine Auskunft zu geben.
Bei dieser Gelegenheit exerzieren wir unsere gesamte Geschäftsordnung von hinten bis vorn durch. — Ab und zu muß auch der Präsident etwas sagen, Herr Kollege. Deshalb müssen Sie, Herr Dr. Güde, sich noch ein bißchen gedulden. — Es sind noch ein paar I andere Fragesteller vor Ihnen dran.
Herr Bundesverteidigungsminister, die Regierung hat enstens das große Vorrecht, die Antwort zu geben, die ihr richtig erscheint. Sie kann die Antwort auch verweigern. Zweitens hat die Regierung das 'verfassungsmäßig verbriefte Recht, jederzeit das Wort zu nehmen. Das ist zwar nicht immer ganz sinnvoll; das haben wir auch schon erlebt.
Aber dais Recht haben Sie, und das steht selbstverständlich auch dem Herrn Bundesminister des Innern, auch in 'diesem Zusammenhang, zu, wenn er das für richtig und notwendig hält. Nur, Herr Bundesminister des Innern, wenn Sie jetzt in diesem Sinne das Wort verlangen und ,sich auf die Verfassung 'berufen — ich glaube, es ist Art. 43 —, dann sprengt das die Fragestunde. Ich hatte vorgestern schon den Fall, daß ein Herr aus 'dem Bundesrat gern eine Erklärung abgegeben hätte. Ich verstehe, daß diese Erklärung zu der Sache, die hier zur Debatte stand, gehörte. Ich mußte ihn trotzdem darauf aufmerksam machen, daß ich ihm, wenn er darauf bestehe, das Wort geben müsse — denn in der Verfassung heißt es ausdrücklich „jederzeit" —, daß aber dann die Fragestunde gesprengt würde; denn dann kann anschließend eine allgemeine Aussprache im' Hause beginnen. Das ist klar. Ich bitte Sie also, mir nicht die ;ganze ,Geschichte noch dadurch zu komplizieren. Lassen Sie uns in diesem Fahrplan weiterfahren. Vielleicht gibt es dann nachher eine Möglichkeit, Herr Bundesminister des Innern, wenn Sie
meinen, es sei unverzichtbar, daß Sie das dem Hause mitteilen.
— Ja, .aber ich mache 'darauf aufmerksam: wenn Sie es tun, dann schließt sich daran eine Aussprache an, -wenn das Haus das will. Ich kann nicht anders, als die Geschäftsordnung 'halten. Überlegen Sie sich das zunächst einmal!
Zu einer Zusatzfrage Herr Ritzel.
Herr Bundesverteidigungsminister, in Erinnerung an Ihre gestrige oder vorgestrige Mitteilung, daß ,Sie mit der Angelegenheit nichts zu tun hätten, darf ich mir die Frage gestatten: Wie erklären Sie diesen Widerspruch gegenüber Ihrer heutigen Mitteilung, daß Sie mit dem Herrn Oster telefoniert haben und daß ihm vom Verteidigungsministerium aus entsprechende Weisungen — wohl durch iSie selbst — gegeben worden seien, auf die Verhaftung ,hinzuwirken?
Ich habe die Frage eines Journalisten, ob ich mit der In,g.angsetzung des Verfahrens und mit den weiteren Maßnahmen, insbesondere mit der Durchführung oder mit der Entscheidung über die Einleitung bundesanwaltschafticher Maßnahmen irgendetwas zu tun habe, verneint, weil ich vom 9. Oktober, wo das Ministerium zum erstenmal davon erfahren habe, bis zum 15. Oktober überhaupt nicht anwesend war. Ich wußte, habe ich weiterhin erklärt, daß ein Gutachten angefordert wird. Das habe ich auch hier erklärt. Am 16. Oktober bin ich von dem Gutachtenersuchen informiert worden. Weiter bin ich in dieser Angelegenheit nicht mehr befaßt worden, bis die Mitteilung kam, daß die Reise eines der Hauptbeschuldigten durch das Verteidigungsministerium organisiert worden sei. Damit ist die Auskunft, daß ich mit Ingangsetzung des Verfahrens und mit den Maßnahmen, die der Generalbundesanwalt, seiner Amtspflicht folgend, für notwendig gehalten hat, persönlich nichts zu tun habe, zutreffend. Wenn es anders wäre, wäre es auch unvereinbar mit der Abgrenzung der Kompetenzen.
Zweite Zusatzfrage des Herrin Abgeordneten Ritzel.
Herr Minister, da Ihnen die Zusammenarbeit zwischen den Herren Ahlers und Oster aus der Zeit des Amtes Blank bekannt ist, da Sie auch sicherlich Herrn Ahlers persönlich kannten und Herrn Oster persönlich kennen, darf ich mir die Frage gestatten: Kamen Sie im Verteidigungsministerium nicht auf den Gedanken, angesichts dieser persönlichen Kenntnis eines bis dahin unbescholtenen Mannes, eben des Herrn Ahlers, zunächst einmal 'über den befreundeten Herrn Oster den Versuch zu machen, den Herrn Ahlers, der sich seiner Verantwortung sicherlich nicht entzogen haben würde, 'zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2083
Herr Abgeordneter Ritzel, ich vermag hier den Zusammenhang mit der Hauptfrage überhaupt nicht mehr zu erkennen. Die Frage kann ich nicht zulassen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Güde.
Herr Bundesminister, weil das mit der letzten Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Mommer noch einmal in Zweifel gestellt worden ist, darf ich Sie fragen: Ist es so, daß das Bundesverteidigungsministerium, also sowohl Sie selbst, Herr Minister, als das Ministerium, auf die Einleitung des Verfahrens überhaupt keinen Einfluß genommen haben und daß die Entscheidung über die Einleitung und Durchführung des Verfahrens ebenso nicht vom Bundesverteidigungsministerium beeinflußt worden ist?
Ich habe gestern bereits erklärt und wiederhole es, daß das Verteidigungsministerium in keiner Form, Herr Kollege Güde, Anzeige erstattet hat. Daraus ergibt sich aber die selbstverständliche Frage: „Warum hat es nicht Anzeige erstattet? Liegt hier nicht eine mögliche Amtspflichtverletzung vor?" Auf diese Frage habe ich auch gestern und in der Öffentlichkeit festgestellt, daß durch den Anruf eines Beamten, eines Bundesanwalts, bei einem führenden Abwehr-Offizier am 9. Oktober und ferner durch die am gleichen Tage noch erfolgte Anforderung eines Gutachtens bekanntgeworden ist, daß der Generalbundesanwalt ex officio ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet hat. Damit steht erstens fest, daß keine Anzeige erstattet ist und erstattet zu werden brauchte, und damit steht zweitens fest, daß das Ministerium, nachdem der Generalbundesanwalt ex officio eingeschritten war, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte, davon durch den eben geschilderten Vorgang unterrichtet worden ist.
Zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Güde.
Herr Minister, darf ich fragen: Das entspricht doch wohl auch der Erfahrung, die Sie in anderen Fällen gemacht haben? Daß die Bundesanwaltschaft in solchen Fällen ex officio einschreitet, das ist keine Anomalität in diesem Verfahren, oder doch?
Mir sind die Einzelheiten der Einleitung anderer Verfahren in fast keinem Falle bekanntgeworden. Ich weiß z. B. bis heute nicht, ob das Einschreiten gegen den Leitenden Regierungsdirektor Fuhrmann von den Dienststellen meines Hauses veranlaßt worden ist oder ob auf kriminalpolizeilischem Wege die Dienststelle des Generalbundesanwalts von sich aus eingeschritten ist und uns um Amtshilfe ersucht hat.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wittrock.
Gestützt auf den Sachzusammenhang Ihrer Antwort auf die Frage des Abgeordneten Dr. Koch frage ich: Herr Minister, wenn der Staatssekretär Hopf im Rahmen seiner Befugnisse gehandelt hat, warum erfolgte dann gegen ihn eine politische Maßregelung?
Herr Kollege Wittrock, ich kann die Frage nicht zulassen. Wann hat der Herr Bundesverteidigungsminister von dem Spiegel-Verfahren Kenntnis erhalten? — Das ist das Thema.
— Nein, ,ich kann eine Zusatzfrage vielleicht noch zulassen, wenn in der Antwort des Verteidigungsministers oder eines anderen Ministers Ansätze für diese Zusatzfragen gegeben sind; wenn sie aber überhaupt und soweit vom Thema der Hauptfrage ab liegt, kann ich sie nicht mehr zulassen. Wir drehen uns sonst im Kreise. Ich habe den Ehrgeiz, mit diesen Fragen heute fertig zu werden. Darum müssen wir uns jetzt ein wenig ranhalten. In 20 Minuten ist es vorbei.
Herr Abgeordneter Erler, Zusatzfrage!
Herr Präsident, nur eine Bemerkung zur Technik der Fragestunde. Natürlich wäre es dann auch erwünscht, daß die Antworten der Minister sich präzise an die Fragen hielten, um nicht Raum für weitere Nebendebatten zu geben.
— Das war eine Bemerkung zur Geschäftsordnung.
Nun kommt meine Frage: Hat nach dem 16. Oktober und vor dem 28. Oktober im Verteidigungsministerium eine Besprechung über die weiteren Maßnahmen im Zuge des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens stattgefunden, an ,der außer Herrn Staatssekretär Hopf und Herrn Staatssekretär Strauß auch der Herr Verteidigungsminister selbst teilgenommen hat?
— Nein, tut mir leid, ist nicht beantwortet!
Ich möchte eine grundsätzliche Bemerkung machen.
Einen Augenblick! Herr Minister, Sie dürfen die Antwort verweigern.
Ich denke nicht daran, die Antwort zu verweigern. Wenn ich aber sage, ich möchte zuerst eine grundsätzliche und dann eine spezielle Bemerkung machen, und daraufhin in der Weise unterbrochen werde, kann ich auch auf die Antwort verzichten.
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4 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Aber, meine Herren, regen Sie sich nicht auf! Der Widerspruch kam von dieser Seite des Hauses. Ich verstehe, daß von diesem Frage-und-Antwort-Spiel die Nerven allmählich angespannt sind. Aber wir werden damit zu Ende kommen.
Wir werden damit zu Ende kommen, und wir werden aus dieser Sache viel lernen.
Jetzt gehen die Zwischenfragen weiter. — Herr Abgeordneter Erler, noch eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundestagspräsident, ich wiederhole meine ganz simple Frage, ob eine solche Besprechung in dieser Zeit — ich habe bestimmte Termine angegeben — stattgefunden hat oder nicht.. Die Frage kann doch ohne Rede beantwortet werden. Ja oder nein?
Herr Abgeordneter Erler, sie kann 'beantwortet werden, aber der Minister braucht sie nicht zu beantworten; ich mache ergebenst darauf aufmerksam.
— Aber, meine Damen und Herren, was ich Ihnen hier sage, ist doch eine rein geschäftsordnungsmäßige Feststellung.
— Der Herr Verteidigungsminister wünscht darauf nicht zu antworten.
So ist das nicht, Herr Präsident!
Möchten Sie darauf antworten?
Ich hatte ja begonnen, eine Antwort zu geben, und wurde dabei unterbrochen.
Ich habe keinen Grund, dieser Frage auszuweichen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Bitte sehr!
Aber ich habe das Recht, in Ruhe sprechen zu können und mich nicht dauernd unterbrechen zu lassen.
Herr Minister, das Recht wird Ihnen verbürgt. Das ist die Pflicht des Präsidenten des Hauses, Ihnen dieses Recht nicht nur zu verbürgen, sondern auch wirklich zu schaffen. Sie haben dieses Recht.
Ich bitte dann nur, sich darüber im klaren zu sein — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick! Ich habe den Zwischenruf nicht verstanden.
— Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, so viel Ruhe zu bewahren, daß auch die Beantwortung in aller Ruhe möglich ist.
Bitte sehr, Herr Verteidigungsminister.
Wenn ich vorher erklärt habe, daß ich die Frage nicht mehr beantworte, so nicht deshalb, weil ich ihr ausweiche, sondern weil ich in den ersten drei Worten einer versuchten Antwort schon unterbrochen und sozusagen korrigiert worden bin. Wenn ich die Antwort einer Frage mit der Bemerkung einleite, ich möchte zuerst etwas Allgemeines und dann etwas Besonderes sagen, und dann in der Weise bereits unterbrochen werde, so ist das ein Vorgang, der sich, auch im Zusammenhang mit der Fragestunde, angesichts der hier gegebenen Verhältnisse nicht rechtfertigen läßt.
Ich darf eine grundsätzliche Bemerkung machen. Fragen, die sich über den internen Ablauf bestimmter Amtsvorgänge eines Ministeriums ergeben, können nicht Gegenstand dieser Fragestunde oder zumindest nicht Gegenstand einer konkreten Auskunft der Regierung sein.
Ich darf aber zweitens noch einmal bemerken, daß ich am 16. Oktober informiert worden bin, weil einige Herren meines Ministeriums, darunter Herr Staatssekretär Hopf, bei mir erschienen sind und mir von den Vorgängen vom 9. bis zum 16. Oktober Mitteilung gemacht haben. In der Zeit vom 16. Oktober bis zum 26. Oktober — ich sage: 26. Oktober, Herr Kollege Erler — habe ich an keiner Besprechung teilgenommen. Aber selbstverständlich bin ich von den zuständigen Herren meines Hauses darauf hingewiesen worden, daß diese Angelegenheit im Laufen sei. Mehr wußte ich nicht. Ich wußte nicht, was kommt; ich wußte nicht, wann es kommt; ich wußte nicht, gegen wen es kommt, usw.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Spies.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, Fragen, die Sie bereits zehnmal und öfter fast mit dem gleichen Wortlaut beantwortet haben, auf Tonband zu geben, damit interessierte Mitglieder dieses Hauses außerhalb der Fragestunde die Antworten sich anhören können.
Die Frage III/5 — des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen — wird zurückgezogen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2085
Präsident D. Dr. GerstenmaierWir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldwesen, der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer:Wird die Bundesregierung untersuchen, ob Meldungen zutreffen, daß im Zusammenhang mit der Aktion gegen den „Spiegel" entgegen der Vorschrift des Artikels 10 GG Telefongespräche abgehört oder unterbrochen wurden?Zur Beantwortung der Herr Minister.
Der Herr Bundespostminister ist leider verhindert, heute zu erscheinen. Er hat mich gebeten, die Frage zu beantworten. Nachdem ich schon eine ganze Reihe von Fragen der anderen Kollegen beantwortet habe, bin ich sehr gern bereit, auch diese Antwort zu geben.
In Vertretung des verhinderten Herrn Bundespostministers darf ich Ihnen mitteilen: Es ist eine umfassende Untersuchung bereits eingeleitet.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
Ich trage die Bundesregierung, ob sie in der Lage ist, auf Grund ihrer durchgeführten Dienstaufsicht — —
— Sie wissen ja noch gar nicht, was kommt.
— Herr Präsident, ich bitte dafür zu sorgen, daß ich nicht unterbrochen werde.
Einen Augenblick! — Sie haben das Wort. Bitte fragen Sie.
Ich frage die Bundesregierung, ob auf Grund der durchgeführten Dienstaufsicht Vorsorge dafür getroffen ist, daß das Grundrecht des Art. 10 des Grundgesetzes, wonach das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis unverletzlich sind, in vollem Umfang, soweit die deutsche Zuständigkeit dafür gegeben ist, gewahrt ist.
Ich kann die Frage mit Ja beantworten.
Weitere Zusatzfragen? — Herr Abgeordneter Wittrock! — Einen Augenblick! Herr Bundeskanzler, wollen Sie eine Frage beantworten?
Zu dieser Frage, ja.
Herr Bundeskanzler, entschuldigen Sie, hier ist nach dem Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen gefragt. Um zu vermeiden, daß die Fragestunde auffliegt, möchte ich lediglich fragen, ob der Herr Bundeskanzler zu diesem Geschäftsbereich das Wort nehmen will.
Zu dem Post- und Fernmeldewesen und der Anfrage will ich etwas erklären.
Gut, bitte sehr.
Seit einiger Zeit wage ich nicht mehr, vertrauliche Sachen — geheime Sachen kommen nicht in Frage — über meinen Fernsprecher von Rhöndorf nach Bonn zu sprechen,
weil offenbar ständig andere damit verbunden sind.
Ich habe den Herrn Postminister — —
— Ja eben.
Ich habe den Herrn Postminister gebeten, doch gerade diesen Fall auch genau zu untersuchen. Er hat mir gestern hier im Saale erklärt, daß er einen besonderen Untersuchungstrupp aus München kommen lasse, der diese Verhältnisse des Mithörens untersuchen werde.
Zweite Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer!
Ist die Bundesregierung bereit, Anzeigen, wie sie eben auch der Herr Bundeskanzler vorgebracht hat, als Strafanzeigen zu behandeln und durch Staatsanwaltschaft und Polizei unter Mitarbeit der Bundespost zu verfolgen?
Herr Kollege Schäfer, die Bundesregierung ist keine Polizeibehörde. Aber ich bin gern bereit, wenn Sie absolut wollen, solche Anzeigen an die zuständigen Behörden weiterzuleiten.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Professor Schmid.
Herr Innenminister, ich befrage Sie in Ihrer Eigenschaft als Substitut des Postministers: Werden diese Untersuchungen, die der Herr Postminister vornehmen lassen will, nur für die Leitungen nach und von Rhöndorf durchgeführt werden
oder auch für den Anschluß Bonn 2 50 22?
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2086 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962
Ich kenne diesen Anschluß nicht. Vielleicht ist es Ihr Anschluß?
— Ich bin sehr gern bereit, beim Herrn Bundespostminister für einen verstärkten Trupp zur Untersuchung dieser Leitung zu sorgen.
Eine zweite Zusatzfrage!
Würden Sie, Herr Minister, vielleicht die Mithörenden veranlassen, sich am Mikrophon nicht so laut zu unterhalten, wie sie es zuzeiten in der Verbindung tun?
Ich habe keine Disziplinargewalt hier in diesem Hause.
Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Ich frage, Herr Minister, warum die Bundesregierung, nachdem sie bereits 1958 einen Gesetzentwurf zur Ablösung des alliierten Vorbehaltes betreffend den Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses angekündigt hatte, diesen Entwurf in vier Jahren nicht hat vorlegen können.
Herr Schmitt-Vockenhausen, Sie befinden sich in einem großen Irrtum. Die Notstandsverfassung ist die Ablösung, und Sie werden sehr bald Gelegenheit haben, sie rasch abzufertigen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, ich frage: Ist Ihnen nicht der Unterschied zwischen Art. 5 und Art. 10 des Grundgesetzes bekannt?
Er ist mir mindestens so gut bekannt wie Ihnen.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer!
Herr Minister, wollen Sie so freundlich sein den Herrn Postminister zu bitten, daß auch untersucht wird, ob die Telefone dieses Hauses überprüft werden, um die Unabhängigkeit der Abgeordneten sicherzustellen?
Selbstverständlich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Bundesminister, werden Sie veranlassen, daß über das Ergebnis der Untersuchungen, die eingeleitet worden sind, dem Hause unter Bezugnahme auf die Erörterungen in dieser Fragestunde ein schriftlicher Bericht unterbreitet wird, damit wir das Ergebnis dieser so wichtigen Untersuchungen kennenlernen?
Ich nehme an, daß der Staatssekretär des Postministeriums seinem Minister schon einen roten Strich an diese Protokolle machen wird. Wenn aber gewünscht wird, ich solle darüber hinaus noch durch einen Brief etwas tun, bin ich gern dazu bereit.
Wir fahren in der Fragestunde fort.
— Eine Erklärung?
— Das können Sie tun. Dann ist die Fragestunde zu Ende.
Das Wort zu einer Erklärung nach Art. 43 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes hat ,der Herr Innenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte 'Sie um Entschuldigung dafür, daß ich Ihre Geduld noch in Anspruch nehmen muß. Wir haben uns ja in den letzten Tagen gegenseitig reichlich strapaziert, so daß ich glaube, Ihre Nachsicht zu haben.Ich wollte einige Dinge von ;gestern klarstellen. Im Rahmen der Fragen und .Zusatzfragen wurde von mir auch .der Fall Zind angesprochen. Ich habe im Hinblick auf die Auslieferungsbestimmungen, die zwischen den Ländern sehr verschieden sind, erklärt, `daß wir uns im Fall Zind einig waren und daß das ganze Haus, Sie, die Bundesregierung und alle Parteien, in höchstem Maße daran 'interessiert Waren, daß der Mann, der in so unqualifizierbarer Form jüdische Mitbürger beleidigt hat, zur Strafverbüßung nach Deutschland gebracht würde. Darüber waren wir uns einig. Ich habe ferner erklärt, daß kein Interpol-Antrag gestellt wurde, und zwar deswegen nicht, weil Art. 3 des Interpol-Statuts das nicht zuläßt, weil politische, rassische und ähnliche Dinge nicht auf dem Interpol-Wege verfolgt werden dürfen. Das habe ich — weil ich mich sehr vorsichtig äußern muß und weil Sie das alles so gründlich nachprüfen — gestern noch einmal nachgesehen und dabei folgendes festgestellt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 47. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. November 1962 2087
Bundesinnenminister Höcherl-Ja, und ich hoffe, es werden viele Gelegenheit haben, noch gute Mitarbeit zu leisten. Ich habe die Sache noch einmal nachgeprüft und festgestellt, daß der Vorgang Zind vollkommen korrekt war. Es war so, daß auch im Falle Zind auf der Polizeischiene kurzgeschaltet wurde. Man hat Zind in Italien oder in Osterreich vermutet, und die Italiener haben ihn festgenommen. Das Bundeskriminalamt hat einen polizeilichen Festnahmeantrag gestellt. Es hat eine Auslieferungsverhandlung gegeben, nachdem er sechs Wochen eingesessen war. Das italienische Gericht hat die Auslieferung abgelehnt. So war der Vorgang. Vollkommen korrekt, meine Damen und Herren, war es, daß trotz entgegenstehender Auslieferungsbedingungen, die nur jeweils den anderen Staat und nicht den ersuchenden Staat binden, ein solches Auslieferungsverlangen nicht über Interpol, sondern auf der direkten Polizeischiene gestellt wurde, wie das fortgesetzt geschieht.Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen. Wir hätten uns diese ganzen zwei Tage ersparen können, wenn Sie sich — nachdem Sie auch bedeutende Juristen hier nach oben geschickt haben — auch einige Gedanken über den Fall Ahlers gemacht hätten. Es ist die Pflicht und nicht nur das Recht jeder deutschen Behörde, dazu beizutragen oder zu versuchen, die Vollstreckung eines Haftbefehls des höchsten Gerichtes vor allem wegen Landesverrats — ganz gleich, wo der Mann sich aufhält — zu ermöglichen. Wir bekommen jeden Tag solche Anträge, obwohl die Auslieferungsverträge dem entgegenstehen. Wir erklären, da unser Recht ja noch etwas strenger ist als das anderer Länder: Wir können einem solchen Auslieferungsantrag nicht stattgeben. Im Fall Ahlers wäre es eine Pflichtverletzung gewesen, wenn sich nicht jede deutsche Stelle um die Vollstreckung des Haftbefehls bemüht hätte. Das deckt das Bundeskriminalamt, das deckt den Bundesanwalt, und das deckt das Bundesverteidigungsministerium insgesamt.Jetzt kommt der zweite Teil. Was tut das um Auslieferung oder Verhaftung oder Abschiebung gebetene Land? Das kann nun tun, was es will. Das steht in seinem eigenen Bereich, in seiner eigenen Zuständigkeit.Nun zu den Spaniern. Es hat einen kleinen Pressekrieg gegeben, und es ist etwas mißverstanden worden. Ich darf das hier klarstellen. Ich habe bei meiner Darstellung zu den spanischen Vorgängen gesagt, daß ein Irrtum insoweit vorliegen muß, als ein Beamter aus meinem Bereich persönlich genannt wurde. Im übrigen möchte ich auch folgendes erklären: daß die Spanier bei dem so schweren Verdacht einem pflichtgemäßen Ersuchen einer deutschen Behörde nachkommen, darf ich als positiv bewerten.
Meine Damen und Herren! Die Fragestunde ist vorbei; das habe ich ohnehin schon gesagt. Aus der Drucksache IV/ 698 sind die Fragen IV/ 1, 1V/2 und IV/ 3 vom Fragesteller zurückgezogen, die Fragen VIII/ 1, X/1 und X/2 zurückgestellt. Alle anderen nicht behandelten Fragen aus den Drucksachen IV/698 und IV/709 werden schriftlich beantwortet.
Ich frage, ob nach dieser Erklärung des Herrn Bundesinnenministers eine Aussprache gewünscht wird. Dazu wäre die Unterstützung von 30 Abgeordneten erforderlich. Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Der Herr Bundesverteidigungsminister hat das Wort zu einer Erklärung ebenfalls gemäß Art. 43 des Grundgesetzes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Schmitt-Vockenhausen hat leider seine Frage zurückgezogen. Es steht mir nicht zu, darüber ein Urteil abzugeben. Es ist nur angesichts der Fragefreudigkeit der letzten Tage eigenartig, daß gerade diese Frage zurückgezogen worden ist.
Wegen einer Unterstellung, die gestern in diesem Hause öffentlich und auch mit einer beträchtlichen Reaktion in der Presse erhoben worden ist, sehe ich mich verpflichtet, zu der Frage, ob einer der verwendeten Gutachter, einer der tätig gewordenen Gutachter einen hohen Rang oder irgendeinen Rang in der SS bekleidet hat, hier etwas zu erklären. Es trifft zu, daß das Bundesministerium der Verteidigung die Namen der Gutachter der Öffentlichkeit nicht von sich aus bekanntgegeben hat. Gerade durch die gestern verbreitete Gerüchtwelle, es handle sich um Inhaber höherer SS-Ränge, ist diese Haltung, abgesehen von der gesetzlichen Seite, noch mehr gerechtfertigt. Das Gutachten ist auf Anforderung des Generalbundesanwalts für ein Ermittlungsverfahren angefordert und erstattet worden. Es unterliegt der Verantwortung der für Landesverrat zuständigen Strafverfolgungsbehörde, die Namen von Gutachtern der Offentlichkeit bekanntzugeben.Zweitens. Die Erfahrung gerade in solchen Fällen zeigt, daß die Gutachter in erheblichem Ausmaß Stellungnahmen und Kritik positiver und negativer Art ausgesetzt sind. Aber nicht nur das, die Gutachter werden auch Objekt ides Interesses von Stellen außerhalb der Bundesrepublik, die nicht die richtigen Berater ausgerechnet in Fragen des Landesverrats und des Verrats von Staatsgeheimnissen sind. Auch aus diesem Grunde muß es das Bundesministerium der Verteidigung den dafür zuständigen Stellen überlassen, ob und wann diese Namen der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden.Dann liegt noch ein weiterer ernster Grund vor: Gutachter in Verfahren des Landesverrats, wohl des schwersten, den Bestand eines Staates gefährdenden Tatbestandes, sind Verleumdungen ausgesetzt, gegen die im allgemeinen der beste Schutz darin besteht, die Namen von solchen Gutachtern im Ver-
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Bundesverteidigungsminister StraußL) fahren so lange nicht zu nennen, bis die Strafverfolgungsbehörde sie selbst bekanntgibt.Gestern hat leider — ich darf sagen, damit kein politisches Mißverständnis entsteht: in klarer Distanzierung durch seine Fraktion — ein Abgeordneter dieses Hohen Hauses, in dem es nur Mitglieder demokratischer und staatsbejahender Parteien gibt, Fragen gestellt und Ansichten vertreten, die unserem Staate schweren Schaden zufügen können. Er hat gefragt, ob ich gewillt und in der Lage bin, das Gerücht zu dementieren, daß der Mann, der in meinem Hause das Gutachten erstellt hat, früher einen hohen SS-Rang bekleidet hat.Ich möchte nur als Nebenbemerkung erwähnen, daß die Dementierung von Gerüchten solcher Art sowohl hinsichtlich der Fragestellung wie hinsichtlich der Antworterteilung unterhalb des Niveaus dieses Hauses liegt.
— Des Gerüchtes!
Herr Kollege Kohut hat gestern eine Erklärung abgegeben, die leider nicht so gefaßt war, daß sie mich dieser Stellungnahme enthoben hat, und dafür bitte ich um Verständnis. Er hat nämlich erklärt, es gebe für ihn kein Kollektivurteil. Ich bin ihm dankbar dafür. Aber darum geht es hier nicht. Wenn hier in Form der Frage gesagt wird, ob das Gerücht dementiert werden kann, daß der eine Gutachter ein SS-Führer höheren Ranges gewesen sei, dann ist die Richtigstellung nicht durch die Distanzierung von einem Kollektivurteil möglich, sondern durch eine Ehrenerklärung für die Gutachter. Denn solange nichts in diesem Sinne gegen sie gesagt werden kann, darf auch nicht das Gerücht im Raum bestehenbleiben, als ob einer dieser Gutachter ein SS-Führer höheren Ranges gewesen wäre.
Ich lasse es dabei völlig offen, welche Schlußfolgerungen allgemeiner oder besonderer Art zu ziehen sind. Es geht, wie ich gestern betont habe, in meinem Hause nur darum, ob jemand als Offizier oder als Beamter zugelassen ist. Von diesem Augenblick an muß er in der Lage sein, ohne Terrorisierung durch bestimmte Gerüchte seinen Amtspflichten genügen zu können.
Mir ist gestern nach Verlassen des Hauses von einer Reihe von Presseleuten mitgeteilt worden, daß dadurch, daß ich keine Antwort auf die Frage gegeben habe, weil ich sie mit letzter Sicherheit gar nicht geben konnte, in der Weltpresse der Eindruck entstehen werde, als ob durch Verweigerung einer klaren Antwort eben doch das Gerücht, es handle sich um einen SS-Führer höheren Grades a. D., eventuell zutreffend sei. Deshalb habe ich diese Bemerkung hier gemacht.Als ich Verständnis für die Nichtbeantwortung einer solchen Frage erbat, bin ich weiter gefragt worden, ob man mich dahin verstehen dürfe, daß Fragen nach der früheren Tätigkeit in der SS in derBundesrepublik Deutschland unter dieser Regierungnicht mehr gestellt werden dürfen. Mein Versuch, eine Antwort zu geben, wurde durch Zurufe und durch eine allgemeine Unruhe fast unmöglich gemacht. Ich kann auch hier an der Bemerkung nicht vorbeigehen, die ich dem Protokoll entnommen habe, die ich nicht gehört habe und die hieß: „Ich' darf feststellen, daß SS-Leute über Demokraten jetzt Gutachten abgeben!" Diese Bemerkung schließt ein, daß die tätig gewordenen Gutachter SS-Leute gewesen sind, nicht nur, daß ein Gerücht dieser Art existiere.
Nach diesen, ich muß sagen, unseren Staat in der Welt herabsetzenden Worten — SS-Führer höheren Grades hat es geheißen — war die Fragestunde beendet. Mein Versuch, den dadurch entstandenen Schaden zu verringern oder aufzuheben, scheiterte daran, daß mir die Möglichkeit einer letzten Antwort nicht mehr gegeben war.Ich darf folgendes dazu bemerken. Die Gutachter, gleichgültig, ob Offizier oder Beamter — es handelt sich um zwei — sind niemals Mitglied der NSDAP, auch nicht der SA, der SS oder deren Untergliederungen gewesen.
Ich bin in meinen Feststellungen noch weiter gegangen. Die Gutachter sind von den zuständigen Spruchkammern in den Jahren 1947/48 rechtskräftig, der eine wegen Jugend und der andere, weil er sein ganzes Leben lang mit Ausnahme der zehnjährigen Unterbrechung Berufsoffizier gewesen ist, als vom Gesetz über die Entnazifizierung nicht betroffen erklärt worden.
Meine Damen und Herren, ich bin noch weiter gegangen, und darin könnten Sie die Unkorrektheit sehen. Aber ich gebe nur das wieder, was die Gutachter mir unaufgefordert mitgeteilt haben, nämlich daß sie auch in unserem Staat niemals einer Partei angehört haben oder angehören. Ich sage das, damit ich nicht das nächste Mal ein Gerücht zu dementieren brauche, es seien Parteimitglieder der CDU oder der CSU gewesen.
Ich bin es den tätig gewordenen Gutachtern schuldig, daß ich sie auch nur gegen die Unterstellung und dann gegen die konkrete Behauptung, es seien SS-Führer gewesen, auch wenn ich leider durch diese Erklärung Ihre Zeit in Anspruch nehmen muß, in Schutz nehme.
Die Tätigkeit dieser Gutachter ist ja nicht, wie Sie alle sehr wohl wissen, mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens zu Ende. Sie müssen vor der Strafverfolgungsbehörde und unter Umständen, wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, vor dem Bundesgerichtshof unter Eid zu der Richtigkeit ihres Gutachtens stehen. Wenn auf Gutachter nun in Form einer solchen Gerüchtewelle ein terrorisieren-
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Bundesverteidigungsminister Straußder Einfluß ausgeübt wird, ist die Unbefangenheit in der Durchführung ihrer weiteren Amtspflichten nicht mehr gewährleistet.
Ich habe auch festgestellt, woher eine solche Behauptung stammen könnte. Wir haben umfangreiches Material geprüft. Wir sind dabei darauf gekommen, daß eine Propagandaquelle, nämlich der Sender 904,
vor kurzem einen anderen Gutachter, einen Oberstleutnant, angegriffen, ihn als SS-Führer bezeichnet und dagegen Stellung genommen hat, daß ein solcher SS-Führer als Sachverständiger vor Gerichten aufgetreten sei.
Das scheint uns die Ursache dieser Quelle, die Ursache dieses Gerüchtes zu sein. Ich sage das deshalb, damit in Zukunft die Gerüchte auch auf ihre Quelle geprüft werden, bevor sie zum Gegenstand parlamentarischer Anfragen gemacht werden.
Ich darf diese Erklärung deswegen hier vortragen, weil leider bei der Übertragung gestern im Deut-
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Dr. Mende
schen Fernsehen zwar die Frage des Kollegen Kohut und die mißverständliche Diskussion übertragen wurde, dagegen nicht die Richtigstellung, obgleich sie bereits sechs Stunden der Presse bekannt war.
Herr Abgeordneter Döring, es gibt keine Diskussion zu Erklärungen nach § 36 der Geschäftsordnung; das ist nach der Geschäftsordnung nicht möglich. Eine Zwischenfrage gibt es auch nicht. Aber wollen Sie etwa Debatte?
Wollen Sie eine Erklärung nach § 36 abgeben?
— Was Sie tun könnten, Herr Kollege Döring, aber was ich nicht empfehlen würde, ist, daß Sie eine Aussprache beantragen. Der Antrag müßte von 30 Mitgliedern unterstützt werden.
— Ich sehe schon ein paar Hände, aber das sind noch keine 30.
o — Meine Damen und Herren, das ist nur die Unterstützung, aber der Antrag ist noch nicht gestellt. Ich gehe darüber weg.
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Ich rufe auf Punkt 1 unserer Zusatzliste:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Eisenmann, Ramms, Dr. Löbe und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes .
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend —, zur Mitberatung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen und an den Wirtschaftsausschuß und gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Es ist so beschlossen.
— Ich kann nicht gegen die ganze Geräuschkulisse ansprechen. Es ist nicht nur ein protokollarischer, sondern ein notarieller Akt, den das Haus vollziehen muß. — Herr Oberst, Sie dürfen hier nicht durchlaufen, das ist nur den Abgeordneten erlaubt!
Punkt 2 der Ergänzungsliste:
Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Abkommen vom 30. Januar 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer und der Grundsteuern .
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Vorgesehen ist Überweisung an den Finanzausschuß. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 3:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Februar 1962 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über die Zusammenlegung der Grenzabfertigung und über die Errichtung von Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhöfen an der deutschluxemburgischen Grenze .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Keine Aussprache.
Vorgeschlagen wird Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Inneres und den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung. — Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Punkt 4:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank .
Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Keine Aussprache.
Vorgeschlagen ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. — Da ist eine Kontroverse. Sie wollen dafür plädieren, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend ist? — Bitte!
Das Gesetz über die Landwirtschaftliche Rentenbank war bisher immer in der Zuständigkeit des Ernährungsausschusses, und es wäre völlig neu, die Novelle dem Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Sachlich gesehen sind die ,Mittel der Rentenbank aus einer Sonderbelastung der Landwirtschaft entstanden, und die Bank arbeitet ausschließlich für landwirtschaftliche Interessen. Ich bitte also um Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ist das Haus damit einverstanden?
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Präsident D. Dr. Gerstenmaier— Dann lasse ich abstimmen. Im Ältestenrat ist vereinbart, daß der Wirtschaftsausschuß federführend sein soll. Nach dem Gegenvorschlag, den Sie soeben gehört haben, soll der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sein. Wer für die Federführung des Wirtschaftsausschusses ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Minderheit. Das erste war die Mehrheit; der Wirtschaftsausschuß hat die Federführung, mitberatend ist der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.Punkt 5 der zusätzlichen Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL" ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/ 687)
.
— Das ist also eine zweite und dritte Beratung.
— Was möchten Sie, die Absetzung beantragen?
Was sagt der ) Berichterstatter dazu? Hier ist Absetzung beantragt.
— Wer ist Berichterstatter? — Einverstanden? — Alles ist einverstanden; der Punkt ist abgesetzt.
Punkt 6 der zusätzlichen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Oktober 1961 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über den Luftverkehr ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache IV/ 689)
.
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Der Herr Berichterstatter
verzichtet. — Keine Wortmeldung in zweiter Lesung.
Ich rufe auf Art. 1, Art. 2, Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein
Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe!
— Enthaltungen? — In dritter Lesung ebenso einstimmig wie in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe Punkt 7 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 5. Juli 1957 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkischen Republik über den Luftverkehr ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß
.
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Verzichtet.
Ich rufe auf: Art. 1, — Art. 2, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
— Das Wort wird nicht gewünscht. — Wer in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ist in dritter Lesung Einstimmigkeit.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht 6 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/ 701)
Ich frage den Herrn Berichterstatter bzw. den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, ob er das Wort wünscht. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wird das Wort sonst gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/ 701 steht zur Abstimmung. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung für diese Woche. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf Mittwoch, den 14. November, 9 Uhr, ein.
Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß der Donnerstag ganztägig den Ausschüssen gehören soll.
Die Sitzung ist geschlossen.