Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 3. April 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut — Drucksache IV/272 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/338 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. April 1962 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Erhöhung der Beamtenbezüge — Drucksache IV/275 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/339 verteilt.
Wir beginnen mit der
Fragestunde .
Ich rufe auf ;die Fragen aus ,dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zunächst die Frage IX/1 — ;des Herrn Abgeordneten Höhmann —:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, das Wasser- und Schiffahrtsamt Hannover anzuweisen, Wasserabgaben aus dem Edersee zur Zeit des Frühjahrs- und Herbsthochwassers nur unter Einkalkulierung der Hochwasserschübe der Schwalm vorzunehmen, damit größere Ubersdawemmungen im Gebiet der Mündung der Schwalm in die Eder vermieden werden?
Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.
Die Wasserabgabe aus; der Edertalsperre ist in der Zeit von Anfang November bis Ende April des folgenden Jahres vorwiegend von den Erfordernissen des Hochwasserschutzes bestimmt. Dies war ein wesentlicher Grund, diese Talsperre zu errichten. Es sollte damit ein Ausgleich für die Wasserentnahme aus der Weser zur Speisung ,des Mittellandkanals ermöglicht werden. Da der Hochwasserschutzraum der Talsperre bei Herbstbeginn im allgemeinen fast leer ist, können die Hochwasser der Eder während der Monate November bis Februar vollständig aufgefangen werden. Im Frühjahr werden nur die Spitzender Ederhochwasser gekappt, weil der Edersee ab Anfang Mai für die Abgabe von Zuschußwasser im Interesse der Schiffahrt möglichst gefüllt sein soll. Bei der Bewirtschaftung der Edertalsperre für den Hochwasserschutz wird auf das Hochwasser der Schwalm weitgehend Rücksicht genommen. Ich habe die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Hannover noch einmal besonders darauf hingewiesen, daß sie diese Verhältnisse berücksichtigen möge.
Ich rufe auf die Frage IX/2 — .des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Ist die Bundesregienurung bereit, der Parkraumnot bei Ärzten, die in Ausübung ihres Berufes in eiligen Fallen vielfach gezwungen sind, widerrechtlich zu parken, dadurch abzuhelfen, daß sie eine bundeseinheitliche Regelung fördert, die es den Ärzten in Notfällen gestattet, in Parkverbotszonen Kraftfahrzeuge für die Dauer ihrer ärztlichen Inanspruchnahme abzustellen?
Bitte, Herr Bundesverkehrsminister.
Bereits am 18. April 1959 habe ich in Zusammenarbeit mit den zuständigen obersten Landesbehörden Grundsätze über die Gewährung von Ausnahmen vom Parkverbot an Ärzte und Körperbehinderte empfohlen. Diese Richtlinien wollen den Ärzten wichtige Hausbesuche ermöglichen und wurden von den meisten Länderbehörden als Regeln für ihre Verwaltungstätigkeit übernommen. Ob durch überwiegende Erfordernisse der Sicherheit und Leichtigkeit des fließenden Verkehrs Aasnahmen dieser Art im Einzelfall unmöglich sind, muß der pflichtgemäßen Entscheidung der nach Landesrecht zuständigen Behörde überlassen bleiben, da das Grundgesetz die Ausführung des Bundesrechts den Ländern zugewiesen hat.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch.
Herr Bundesminister, ist bekannt, in wie vielen Ländern von dieser Möglichkeit eines Ausnahmerechts bereits Gebrauch gemacht worden ist?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Länder gestalten ihre Vorschriften ganz verschieden. Wir haben ja bekanntlich eine außerordentliche Verschiedenheit in der Art, wie Bundesgesetze ausgeführt werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, würden Sie nicht der Meinung sein, daß eine Empfehlung Ihres Ministeriums an die Länder die Einführung dieser
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904 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
FritschAusnahme- und Notstandsregelung für die Ärzte fördern würde und doch dazu beitragen könnte, eine in etwa bundeseinheitliche Regelung in dieser Frage zugunsten der Ärzte herbeizuführen?
Ich habe Ihnen soeben geantwortet, Herr Kollege, daß ich am 18. April 1959 eine Empfehlung an die Länder ausgesprochen habe. Was die Länder damit tun, liegt in ihrer Zuständigkeit und entzieht sich meiner Aufsicht.
Frage IX/3 — des Herrn Abgeordneten Ramms —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Stand der Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes auf Grund des Gesetzes über die Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen und mit Eisenbahnen im Jahre 1959 die Besorgnis aufkommen läßt, daß aus unvergleichbaren Unterlagen unrichtige und für die Verkehrspolitik deshalb unbrauchbare Ergebnisse erarbeitet wenden, weil das vorgelegte Material ides Straßengüterverkehrs und der Binnenschiffahrt aus dem im Gesetz zugrunde gelegten gesamten Kalenderjahr 1959 stammt, das der Deutschen Bundesbahn z. T. aber nur aus einem Monat des Jahres 1960 und dazu noch aus dem Monat November, d. h. dem Spibzenmonat des Herbstverkehrs?
Bitte, Herr Bundesminister.
Die Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen, mit Binnenschiffen und mit Eisenbahnen im Jahre 1959 wird vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden durchgeführt. Diesels Amt ist auch für die methodischen Fragen aller Statistiken zuständig. Daher habe ich es um Stellungnahme zu der Frage des Herrn Kollegen Ramms gebeten.
Das Statistische Bundesamt hat mir mitgeteilt, es habe die Erhebung auf Grund des Gesetzes vom 21. Dezember 1958 so angelegt, daß trotz des verschiedenen Charakters der drei Hauptverkehrszweige möglichst gleichartige Ergebnisse erzielt werden. Das Statistische Bundesamt hat die Gründe, die zu dieser Erwartung berechtigen, im einzelnen dargelegt. Ich bin gern bereit, lieber Herr Kollege Ramms, Ihnen diese Stellungnahme schriftlich zu übermitteln. Ihre Verlesung würde den Rahmen dieser Fragestunde zweifellos überschreiten.
Abschließend möchte ich nur bemerken, daß die Objektivität der Durchführung von Untersuchungen durch das Statistische Bundesamt nach meiner Auffassung außer Frage steht. Wir alle können uns darauf verlassen, daß uns von dieser Stelle nur methodisch einwandfreies Material zur Verfügung gestellt wird. Soweit erhobenes Material — auch im Rahmen der Statistik der Kosten und Leistungen im Güterverkehr — nicht ausreichen sollte, um eine zuverlässige Aussage zu sichern, wird das Amt uns hierauf hinweisen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ramms.
Herr Minister, damit geben das Statistische Bundesamt und praktisch auch die Deutsche Bundesbahn zu, daß sie die Unterlagen nicht
auf der Grundlage des Gesetzes von 1959 ermittelt haben. Sind Sie der Meinung, daß diese Handhabung der Dinge richtig ist?
Herr Kollege Ramms, ob das Statistische Bundesamt richtig oder falsch handelt, entzieht sich meiner Beurteilung. Ich bin kein Statistiker.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ramms.
In diesem Zusammenhang gleichzeitig auch: Sind Sie nicht der Meinung, daß der Vertrag der Deutschen Bundesbahn mit der Stadt Ludwigshafen und die Hereinnahme des Bahngutachters in den Verwaltungsrat dazu beitragen, das Mißtrauen der anderen Verkehrsträger .gegenüber der Bundesbahn zu erhöhen?
Daß das schlechte Klima zwischen der Bundesbahn und den anderen Verkehrsträgern auf solche Maßnahmen zurückzuführen ist, möchte ich bestreiten. Ich möchte vielmehr annehmen, daß das Klima zwischen den Verkehrsträgern von den Verkehrsträgern selbst gebildet wird und nicht vom Verwaltungsrat der Bundesbahn und der Bundesregierung.
Die Fragen IX/4 und IX/5 des Herrn Abgeordneten Börner sind vom Fragesteller zurückgestellt.
Die Frage IX/6 — des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher —:
Wann ist mit dem längst geplanten Neubau der Bundesstraße 33 zwischen Offenburg und Triberg zu rechnen?
Nach Abschluß ides einzuleitenden Planfeststellungsverfahrens werden im Rahmen ides 2. Vierjahresplanes die ,sehr umfangreichen Bauarbeiten zur Verlegung der Bundesstraße 33 zwischen der Bundesstraße 3 südlich Offenburg und dem Anschluß an den bestehenden Straßenzug südlich Gengenbach durchgeführt werden. Wann mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen werden kann, wird sich nach der Haushaltslage richten, die wegen der Sperrung von 20 % der Baumittel im Jahre 1962 völlig unübersichtlich geworden ist. Die Bundesstraße 33 wind infolge ihrer Verlegung, durch die die Ortsdurchfahrten von Offenburg, Ortenberg, Ohlsbach und Gengenbach ausgeschaltet werden, zügig an die Bundesautobahn Karlsruhe—Basel angeschlossen sein. Darüber hinaus ist geplant, die Fahrbahndecke der Bundesstraße zwischen Gengenbach und Haslach während des 2. Vierjahresplanes zu erneuern. Weitere umfangreichere Bauarbeiten — abgesehen von örtlichen Verbesserungen — werden voraussichtlich im 2. Vierjahresplan nicht möglich sein.Wir sind natürlich darum bemüht, den Ausbau der als Diagonalverbindung durch den Schwarzwald zum Bodensee ganz besonders verkehrswichtigen Straße voranzutreiben, und haben das auch in dem
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Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohmsüdlichen Gebiet, also im Raum von Bad Dörrheim, Villingen, St. Georgen und Donaueschingen schon getan. Trotzdem werden die Arbeiten auf der Gesamtstrecke zwischen Offenburg und Triberg, also im nördlichen Teil der Bundesstraße 33, erst im Laufe des 3. Vierjahresplanes abgeschlossen werden können.
Zu einer Zusatzfrage der Herr Abgeordnete Rinderspacher.
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß in französischen Fachzeitschriften bereits im vergangenen Jahr vor der Benutzung dieser wichtigen internationalen West-OstVerbindung gewarnt wurde und daß dadurch im gesamten Gebiet des unteren Schwarzwalds bis herauf zum Bodensee beträchtlicher wirtschaftlicher und auch psychologischer Schaden angerichtet wurde?
Herr Kollege, ich habe die Straße im vorigen Jahr selbst befahren. Ich habe mir die einzelnen Stellen genau angesehen. Ich bin nicht der Meinung, daß diese Warnung berechtigt ist; denn ich kenne in Frankreich sehr viele schlechtere Straßen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Wie denken Sie, Herr Minister, in diesem Zusammenhang über die kürzlich erfolgten amerikanischen Veröffentlichungen über „Todesstraßen" in Deutschland? Sind Sie nicht auch der Ansicht, daß derartige Veröffentlichungen unseren Verkehrsanliegen schaden?
Ich kann die Amerikaner nicht daran hindern, ihre Meinungen zu äußern, auch wenn ich sie nicht für richtig halte.
Ich rufe auf die Frage IX/7, gestellt von Herrn Abgeordneten Fritsch:
Unter welchen Voraussetzungen ist es den Ministern der Länder gestattet, bei Dienstfahrten im Straßenverkehr Blaulicht bei polizeilichen Begleitfahrzeugen verwenden zu lassen?
Die polizeilichen Begleitfahrzeuge gehören zu den Kraftfahrzeugen des polizeilichen Vollzugsdienstes. § 48 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Ordnung erlaubt den Führern von Kraftfahrzeugen im Vollzugsdienst der Polizei die Verwendung des blauen Blinklichts und der Mehrklanghupe, auch Martinshorn genannt, wenn aus folgenden Gründen höchste Eile geboten ist: a) zur Abwehr oder Bekämpfung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, b) zur Rettung von Menschenleben oder c) zur Rettung von bedeutenden Sachwerten. Aus anderen Gründen darf die Polizei das blaue Blinklicht oder die Mehrklanghupe nur benutzen, wenn dazu eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 der Straßenverkehrsordnung vorliegt. Die Ausnahmegenehmigung für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller erteilt der zuständige Landesminister. Für allgemeine Ausnahmen ist dagegen der Bundesminister für Verkehr zuständig. Er ist ferner zuständig, wenn sich die Auswirkungen einer Einzelausnahme auf mehr als ein Land erstrecken und eine einheitliche Entscheidung notwendig ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fritsch!
Herr Bundesminister, sind Sie der Meinung, daß die Besichtigungsfahrt eines Staatsministers eines Landes als Grund ausreicht, um die begleitende Kolonne zur Verwendung von Blaulicht anzuregen?
Ich bin der Meinung, daß die Methode, die Herr Ministerpräsident Högner in solchen Fällen benutzt hat, gegebenenfalls auch anderen bayerischen Ministern zusteht.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf 'ich Sie fragen, ob Sie der Meinung sind, daß ein Unterschied zwischen einem Wirtschaftsminister und einem Innenminister als obersten Chef einer Landespolizei besteht?
Sicher besteht ein Unterschied. Es kann aber auch sein, daß der Wirtschaftsminister eine Tätigkeit ausübt, für die ihm der Landesminister des Innern, dem die Polizei untersteht, eine solche Ausnahmegenehmigung zubilligt. Auch der Bundesminister für Verkehr erhält gelegentlich solche Ausnahmegenehmigungen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel!
Herr Bundesverkehrsminister, liegt eine solche Ausnahmegenehmigung für den offensichtlich immer in Eile befindlichen Herrn Bundeskanzler vor?
Ja, Herr Kollege Ritzel. Es ist so, daß diejenigen Herren, die mit besonderen Aufgaben betraut sind, eine generelle und allgemeine Ausnahmegenehmigung haben. Eine solche Ausnahmegenehmigung hat allgemein der Herr Bundeskanzler bekommen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel!
Wer hat diese Ausnahmegenehmigung genereller Natur erteilt?
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Der Bundesminister für Verkehr, Herr Kollege Ritzel.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dittrich!
Wissen Sie, Herr Minister, daß der Abgeordnete Fritsch ganz offensichtlich auf eine Fahrt des bayerischen Staatsministers für Wirtschaft und Verkehr, Dr. Otto Schedl, anspielt, der in Begleitung eines ausländischen Diplomaten mit Blaulicht durch Deggendorf gefahren ist?
Ich vermute, Herr Kollege Dittrich, daß das der Fall sein könnte, da mir die Nachricht, daß ein Rechtsanwalt in Deggendorf an dieser Tatsache Anstoß genommen hat, aus der Zeitung bekannt geworden ist. Es ist aber weiterhin aus der Zeitung bekanntgeworden, daß sich Herr Schedl in seinem Auto nicht etwa allein befand, sondern daß er eine hochgestellte ausländische Persönlichkeit, die eine Besichtigung in den bayerischen Ostgebieten vorgenommen hatte, zum Flugplatz zurückbringen mußte, damit diese ein interkontinentales Flugzeug erreichen konnte.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dittrich!
Nachdem Sie, Herr Bundesminister, über diesen Vorgang so genau im Bilde sind, frage ich Sie: würden Sie diesen Sonderfall als geeignet ansehen, eine Ausnahmegenehmigung durch den zuständigen bayerischen Staatsminister des Innern zu erteilen?
Ich würde das selbstverständlich tun. Ich würde auch in einem solchen Fall eine Ausnahmegenehmigung bewilligen, wenn eine Fahrt durch mehrere deutsche Länder erfolgte und ein Antrag an mich gerichtet würde. Solche Ausnahmegenehmigungen werden bei Staatsbesuchen ja stets erteilt. Wenn jetzt der Herr Präsident Abboud aus dem Sudan kommt und nach dem Ruhrgebiet fährt, wird natürlich auch eine solche Ausnahmegenehmigung erteilt.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß die vom Abgeordneten Ritzel erwähnte Persönlichkeit die Einbahnstraße vor dem Bundeshaus in umgekehrter Richtung mit Blaulicht befährt und sich damit verkehrsgefährdend verhält?
Wenn sich ein Verkehrsteilnehmer verkehrsgefährdend verhält, so ist das nicht eine Angelegenheit des Bundesministers für Verkehr — denn der hat
keine Polizeigewalt —, sondern Angelegenheit der zuständigen Polizeidienststellen. Der Bundesminister für Verkehr stellt fest, daß er, auch wenn er eine solche Sache bemerkt, nicht in der Lage ist, sich anders zu verhalten wie jeder andere Verkehrsteilnehmer, dem es zusteht, wenn er es für nötig findet, eine Anzeige bei der zuständigen Polizeistelle zu erstatten.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut!
Muß ich mich dann verhört haben, Herr Minister, wenn ich meine, daß Sie vorhin sagten, daß Sie für die Blaulichtfahrt die Genehmigung erteilt haben?
Ich habe soeben darauf aufmerksam gemacht, daß nach § 46 Ausnahmegenehmigungen erteilt werden können entweder für bestimmte Fälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller und daß diese Ausnahmen, sofern sie sich auf mehr als ein Land erstrecken und eine einheitliche Entscheidung notwendig ist, vom Bundesminister für Verkehr erteilt werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schwabe.
Wenn Sie, Herr Minister, in so wichtigen Fällen diese Ausnahmegenehmigung auch für dauernd erteilen, wie stehen Sie zu der Frage der Verantwortlichkeit aus Unfällen, die daraus entstehen können, a) in strafrechtlicher Hinsicht: Trifft die Verantwortlichkeit den Fahrer oder den Chef, der den Fahrer zu überhöhter Geschwindigkeit veranlaßt?; b) in zivilrechtlicher Hinsicht: Wie ist dafür gesorgt, daß der Bürger auf den Straßen nicht zusätzlich gefährdet wird und nachher den Schaden hat?
Herr Kollege, Sie wissen ganz genau, daß immer der Fahrer der Verantwortliche ist. Wenn ein Fahrer sich durch einen Dienstherrn zu Maßnahmen verleiten läßt, die den Regeln der Gesetze widersprechen, so ist für den Dienstherrn vielleicht ein anderer Tatbestand strafbegründend, der Unfall, den der Fahrer auf diese Weise verursacht, ist aber Schuld des Fahrers, der sich zu weigern hat, etwas zu tun, was dem Gesetz widerspricht.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Friedensburg!
Herr Bundesminister, welche ernsten Nachteile, die eine solche Debatte rechtfertigen würde, entstehen denn eigentlich, wenn hochgestellten Persönlichkeiten, die eine Verantwortung für uns alle tragen, eine ungefährliche Erleichterung im Verkehr gewährt wird?
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Ich bin mir nicht bewußt, daß dadurch Nachteile entstehen. Aber, Herr Kollege Friedensburg, mir selbst sind Vorwürfe gemacht worden, wenn ich bei meinen Bereisungen unter Polizeischutz eine lange Kolonne schnell durch ein bestimmtes Gebiet führen ließ, obwohl ich der Meinung bin, daß dadurch gerade ein Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer erfolgt, weil sie nicht wissen können, daß eine lange Kolonne relativ schnell fahrender Fahrzeuge kommt, und durch die polizeilichen Begleitfahrzeuge darauf aufmerksam gemacht werden. Dadurch werden sie zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlaßt, und es werden meines Erachtens so Unfälle vermieden.
Ich darf also feststellen, Herr, Minister, daß die Nachteile, die dabei entstehen oder allenfalls entstehen könnten, durch die notwendigen Erleichterungen für hochgestellte Personen mehr als aufgewogen werden?
Ja, selbstverständlich!
Das war keine Frage.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer!
Herr Minister, wären Sie mit mir der Meinung, ,daß es eine Frage des guten demokratischen Stils ist, solche Ausnahmegenehmigungen möglichst sparsam zu erteilen und, wenn sie erteilt sind, von seiten der Bevorrechtigten möglichst sparsam davon Gebrauch zu machen?
Herr Kollege Mommer, ich habe schon bei früheren Fragestunden darauf hingewiesen — ich wundere mich, daß diese Fragen immer wieder aufkommen, weil offenbar das Gedächtnis bezüglich früherer Fragestunden nicht so groß ist —, .daß ich der Meinung bin, daß solche Genehmigungen so sparsam wie möglich erteilt werden sollen. Ich habe eine große Anzahl von Anträgen besonders in der ersten Zeit unserer Tätigkeit hier in Bonn abgelehnt und habe diese Praxis auch weiter beibehalten. Ich habe auch den Landesinnenministern empfohlen, von diesen Ausnahmegenehmigungen möglichst sparsam Gebrauch zu machen. Insofern bin ich mit Ihnen völlig einer Ansicht. Ich bin aber auch der Ansicht — zumal wir nur einen Bundeskanzler haben —, daß man, wenn man diesem Bundeskanzler die Genehmigung gibt, wohl sagen kann, das ist ein sparsamer Gebrauch von der Genehmigungsmöglichkeit!
Können Sie auch sagen, Herr Minister, wie viele Landesminister von einer solchen Ausnahmegenehmigung profitieren?
Es ist bei den Ländern im allgemeinen so — es steht mir nicht zu, das zu kritisieren; denn die Länder erteilen diese Ausnahmegenehmigung, wie ich Ihnen gesagt habe, selbst —, daß sie dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister diese Genehmigung zu erteilen pflegen. Aber auch verschiedene andere Minister nehmen diese Genehmigung in Anspruch, oft auch dauernd, und haben dann einen ständigen Ausweis ihres zuständigen Innenministers. Das ist in allen Landesregierungen so und ist nicht auf Minister bestimmter Parteien beschränkt.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Fritsch, die Frage IX/8:
In welchen Fällen dürfen unter Anwendung von Blaulicht bei Dienstfahrten von Länderministern im Straßenverkehr die geltenden Verkehrsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiete der Geschwindigkeitsbegrenzungen, übertreten werden?
Allgemeine Dienstfahrten von Länderministern fallen nicht ohne weiteres unter die Regelung ides Sonderrechts. Abweichungen von den Verkehrsvorschriften sind hierbei im Rahmen erteilter Ausnahmegenehmigungen zulässig, die, wie gesagt, die zuständigen Landesbehörden zu erteilen haben.
Herr Abgeordneter Fritsch eine Zusatzfrage!
Würden Sie, Herr Bundesminister, der Meinung sein, daß diese Ausnahmegenehmigungen außerordentlich sparsam zu erteilen sind,
und daß in jedem Falle das Sicherheitsbedürfnis der Mitbürger gewährleistet sein muß?
Ich habe soeben schon ausgeführt, verehrter Herr Kollege, daß ich für eine sparsame Zuteilung dieser Ausnahmegenehmigungen bin. Aber ich kann der „Sparsamkeit" der Herren Länderinnenminister nicht von vornherein Grenzen setzen. Im übrigen bin ich der Meinung, wie gesagt, wenn eine Fahrt rasch ausgeführt werden muß und dabei Ausnahmen von den bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen in Anspruch genommen werden, dann ist es besser, diese Art Ausnahmefahrten durch entsprechende Warnzeichen der Bevölkerung mitzuteilen, damit sie nicht in Gefahr gerät, weil sie ja von selbst nicht wissen kann, ob ein Auto, auch wenn es mit einem Stander fährt, über eine solche Ausnahmegenehmigung verfügt. Die Ankündigung durch ein besonderes Horn, durch ein besonderes Licht macht dann die Bevölkerung aufmerksam und veranlaßt sie zu größerer Vorsicht. Das ist der Sinn der Regelung.
Eine Zusatzfrage ides Abgeordneten Zimmer.
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß es Länder gibt, die seit eh und je von der Möglichkeit der Blaulichter überhaupt keinen Gebrauch machen, weder durch den Ministerpräsidenten noch durch den Innenminister, daß also an sich schon von der Länderseite her ein gutes Beispiel dafür gegeben ist, von dem Blaulicht durch die ministeriellen Instanzen überhaupt abzusehen?
Herr Kollege Zimmer, mir ist sehr wohl bekannt, daß es solche Länder gibt. Ich bin z. B. kürzlich einmal mit dem Herrn Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein von Kiel nach Lübeck gefahren; da haben wir kein Blaulicht und keine Mehrklanghupe gehabt.
Eine Zusatzfrage Herr Dr. Dittrich!
Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß der Kollege Fritsch seine zweite Frage im Hinblick auf die Fahrt des bayerischen Ministers Schedl durch Deggendorf gestellt hat und daß durch die Polizei eindeutig festgestellt worden ist, daß keine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgelegen hat?
Ich kenne die Motive des Herrn Kollegen Fritsch zu seiner zweiten Frage nicht so genau, daß ich ihm die von Ihnen genannten Gründe unterstellen könnte. Ich kann also auch nicht sagen, daß sie mir bekannt sind. Ich kann nur sagen, daß ich vermute, daß Sie recht haben. Was die Polizei in Deggendorf festgestellt hat, habe ich in der Zeitung gelesen.
Ich rufe auf die Frage IX/9 — des Abgeordneten Dröscher —:
Ist die Bundesregierung bereit, den für die Verbeamtung der Flugsicherungs-Angestellten vorgesehenen Stellenkegel noch einmal zu überarbeiten, nachdem die Betroffenen mit der Übernahme nicht einverstanden sind, weil die angebotenen BeamtenPlanstellen vielfach in der Bewertung um zwei Stufen niedriger liegen als ihre bisherigen Angestellten-Vergütungsgruppen?
In der Frage des Herrn Kollegen Dröscher sind drei Gedanken angesprochen.
Erstens. Für die Ausbringung der Planstellen auf der Grundlage der im Bundesdienst üblichen Stellenkegel war neben haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch die überaus günstige Altersschichtung im FS-Kontrolldienst entscheidend. Wenn von den zur Zeit 468 Lotsen, die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis im Wege der Überleitung in Betracht kommen, 314 unter 35 Jahre, davon 261 unter 31 Jahre alt sind, kann man das als eine günstige Altersschichtung ansehen. Bedenkt man nun, daß nach der Bundeslaufbahnverordnung ein Amt der 'Besoldungsgruppe A 11 eigentlich erst nach Vollendung des 35. Lebensjahres übertragen werden darf und daß beispielsweise bei anderen Zweigen
der Bundesverwaltung die Laufbahnbewerber gehobenen Dienst das erste Beförderungsamt — Besoldungsgruppe A 10 — erst in einem durchschnittlichen Lebensalter von etwa 45 Jahre erreichen, so ist die für den FS-Kontrolldienst — FlugsicherungsKontrolldienst — geplante Regelung für 1962 zunächst als angemessen zu bezeichnen. Ich bin aber gern bereit — und habe das auch zum Ausdruck gebracht —, die Frage der Stellenkegel für das Rechnungsjahr 1963 gemeinsam mit den Bundesministern der Finanzen und des Innern erneut zu überprüfen. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß der von mir vorgeschlagene Stellenkegel günstiger war, als er mir von den zuständigen Ministerien, die mit zu entscheiden haben, genehmigt worden ist. 1963 lassen sich dann die Auswirkungen im Einzelfall auch besser übersehen.
Zweitens. Es kann keine Rede davon sein, daß die Übernahme in das Beamtenverhältnis allgemein abgelehnt wird. Eine solche Reaktion wäre auch verfrüht, weil die Übernahmebedingungen im einzelnen Falle erst nach Bewilligung der Planstellen im Haushaltsplan für 1962 festgelegt werden können. Die Herren können also jetzt gar nicht übersehen, wie sich im einzelnen für sie eine Übernahme auswirkt. Deswegen können wir ihnen das auch erst ausrechnen, wenn wir über die Planstellen des Haushaltsplanes 1962 verfügen können.
Drittens. Tarifvertragliche Bewertungsmaßstäbe lassen sich — wie Ihnen bekannt ist, Herr Kollege, da Sie ja auch in einer Verwaltung tätig sind — nicht in das Beamtenrecht übertragen. Maßgebend ist hier die Zuordnung zu den Laufbahngruppen; und diese ist richtig vorgenommen. Ich habe über die Personalsituation in der Bundesanstalt für Flugsicherung im Bulletin vom 3. April 1962 eingehend berichtet, und ich hoffe, daß Sie diesen Bericht auch gesehen haben; er sollte dazu dienen, die Herren alle über die Verhältnisse eingehend zu unterrichten, damit hier nicht eine Spezialdebatte über diese Dinge sich ungebührlich lange ausdehnt.
Im übrigen darf ich Ihnen mitteilen, daß ich in dieser Angelegenheit ein Gespräch mit der ÖTV für nächsten Dienstag vormittag in Frankfurt verabredet habe; ich hoffe, daß die zweite Lesung meines Haushalts heute beendet wird, damit ich an diesem Gespräch auch wirklich teilnehmen kann. Es liegt mir daran, verschiedene Unklarheiten und verschiedene Spannungen, die sich da ergeben haben, in einem persönlichen vertraulichen Gespräch zu klären und nach Möglichkeit zu entspannen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Minister, könnten Sie sagen, warum, wenn die Voraussetzungen so sind, wie Sie sie jetzt geschildert haben, doch bei einem Großteil der Betroffenen — Sie sagten zwar, nicht bei allen, aber doch bei einem Großteil der Betroffenen — ernste Widerstände gegen die Verbeamtung bei dem jetzt vorgesehenen Stellenkegel bestehen?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 909
Ja, das kann ich Ihnen sagen. Einmal übersehen die Herren nicht völlig, welche Konsequenzen sich ergeben, und sie rechnen sich unter Umständen Beispiele aus, die für sie ungünstig sind. Man kann aber auch Beispiele ausrechnen, die günstig sind. Ich habe solche Beispiele hier zur Hand, möchte sie aber nicht vortragen, weil dieses Zahlenwerk natürlich sowieso keinen rechten Eindruck zu vermitteln vermag. Aber jedenfalls ist es so, daß im Einzelfall sicher einmal eine ungünstige Situation entstehen kann. Ich möchte gern, daß jeder einzelne der Herren in seinem Fall prüfen kann, wie seine Position ist. Dann kann er frei entscheiden, ob er verbeamtet werden will oder ob er Angestellter bleiben will. Er hat dadurch nicht die geringsten Nachteile; denn es ist klar, daß die Stellen sowieso nach den Fähigkeiten der Leute besetzt werden.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Herr Minister, würden Sie mit mir einig gehen, wenn ich sage, daß, nachdem die Qualität — die gute Qualität — unseres Flugsicherungsdienstes 'im wesentlichen von den tüchtigen Leuten abhängt, die da tätig sind, es natürlich eine Benachteiligung bedeutet, wenn sie bisher nach der Gruppe BAT III — höherer Dienst — kommen konnten, aber nach Ihrem Stellenkegel doch fast alle nur im mittleren gehobenen Dienstbleiben werden?
Herr Kollege Dröscher, Sie wissen ja, daß zwischen den Gruppen des Tarifvertrages und den Beamtenstellen ein Unterschied ist. Eine Eingruppierung in TO .A III oder TO A II bedeutet nicht, daß die Leute dem höheren Dienst angehören. Die Tarifordnung kennt keinen mittleren, gehobenen und höheren Dienst, sondern nur verschiedene Stufen. Daß man im allgemeinen der Meinung ist, jemand, der in TO A III sei, müsse nun also, wenn er ins Beamtenverhältnis übernommen wird, als höherer Beamter eingestuft sein, ist nicht richtig; denn es handelt sich ja darum, daß er die Laufbahnvorschriften erfüllt. Wenn Sie einen Angestellten z. B. bei einer Behörde des Bundes in das Beamtenverhältnis übernehmen wollen, muß er die schwere Prüfung vor der Kommission machen, und er muß in dieser Prüfung nachweisen, daß er nicht nur in einer speziellen Tätigkeit, sondern daß er ganz allgemein als höherer Beamter verwendet werden kann. Wenn beispielsweise ein Angestellter nach TO A III Regierungsrat werden will, muß er nachweisen, daß er als Regierungsrat vielseitig verwendungsfähig ist, was er als Angestellter nach TO A III nicht zu sein braucht.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kohut.
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß die Verstimmung unter den im Flugsicherungsdienst beschäftigten Angestellten über die
ihrer Meinung nach zu geringe Besoldung allgemein ist, daß sie einfach in dem Vorhaben der Verbeamtung eines Teiles der Angestellten einen — wenn ich so sagen darf, ich finde im Moment keinen besseren Ausdruck — Trick sehen, um die Leute zu billigeren Preisen zu behalten?
Eine solche Meinung ist völlig falsch, und .es ist bedauerlich, wenn sie öffentlich geäußert wird; denn es muß ja allgemein bekannt sein, daß jeder, Arbeiter oder Angestellte, der in das Beamtenverhältnis übertritt, im allgemeinen mit Einnahmeminderungen zu rechnen hat, weil er als Beamter Vorteile in der Versorgung und in der Betreuung erfährt. Denken Sie an den großen Bereich der Eisenbahn. Da ist es üblich, daß die Herren, die im höheren Lebensalter verbeamtet werden, in ihren Beamtenstellen zunächst mindere Einnahmen haben, als sie bisher hatten; aber sie haben andere Beförderungsmöglichkeiten, andere Betreuungsmöglichkeiten, andere Versorgungsmöglichkeiten im Alter. Die Vorteile des Beamtenverhältnisses treten nicht darin zutage, daß der Beamte die gleiche Bezahlung erhält wie der Angestellte; er wird sogar etwas geringer bezahlt, aber dafür hat er andere Vorteile. Außerdem kommt hinzu: der Beamte hat eine bestimmte innere sittliche Verpflichtung gegenüber dem Amt in einem höheren Maße zu übernehmen als der Angestellte.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kohut.
Ist es nicht ein gutes Zeichen der Zeit, daß das Standesbewußtsein bei den Arbeitern und Angestellten derart gewachsen ist, daß sie nicht unbedingt in der Verbeamtung ein Idealziel sehen?
Herr Kollege Kohut, darüber kann man verschiedener Ansicht sein. Ich bin nicht Ihrer Meinung.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister, wie war es möglich, daß im Haushaltsausschuß bei den Haushaltsberatungen von Ihrem Haus vorgetragen wurde, die Verbeamtung sei notwendig, weil sonst eine Abwanderung erfolge und der personelle Stand des Flugsicherungsdienstes dann nicht gewährleistet sei, während wir nachträglich erfahren, daß genau das Gegenteil der Fall ist, nämlich daß von Abwanderung gar keine Rede ist?
Ich kann Ihnen nicht sagen, Herr Kollege Schäfer, db die Meinung zutrifft, die Sie soeben geäußert haben. Es gibt unter den Herren — es sind ja mehrere Hundert — einige, die den dringenden Wunsch gehabt haben und immer wieder vorgetragen haben, verbeamtet zu werden; es handelt sich hier um ältere Herren. Es gibt andere, die nicht im Lotsen-
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910 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohmdienst sind, sondern in einer anderen, z. B. in der technischen Laufbahn, die den Verlockungen einer Abwanderung leichter ausgesetzt sind, weil sie auch in einer anderen Tätigkeit gut unterkommen. Es handelt sich hier also um vier durchaus verschiedene Kategorien. Ich habe mir erlaubt, darauf auch den Haushaltsausschuß hinzuweisen. Es handelt sich hier nämlich einmal um den Kontrolldienst, zweitens um den technischen Dienst, drittens um den Wartungsdienst und viertens um den Fernmeldedienst.Bei dem Kontrolldienst — das ist der Lotsendienst — sind die Leute natürlich nicht abwanderungsfreudig; sie haben aber ein großes Bedürfnis, ihre Zukunft gesichert zu sehen, weil sie nicht wissen, ob sie diesen Kontrolldienst nach ihren Fähigkeiten und ihrer Gesundheit tatsächlich bis zu dem Endzeitpunkt, den die Sozialversicherung und die Angestelltenversicherung vorschreiben, durchführen können. Es ist bekannt, daß dieser Dienst sehr anstrengend ist und daß er unter Umständen nicht bis zum 65. Lebensjahre geleistet werden kann. Bei diesen Beamten ist der Wunsch einiger älterer Herren und der jenigen, die sich das überlegen, vorhanden, daß sie durch die Verbeamtung die Sicherheit haben, dann gleichwertig weiterhin im Rahmen der gesamten Bundesanstalt für Flugsicherung Beschäftigung zu finden.Bei dem technischen Dienst ist es dagegen so, daß die Leute natürlich auch in irgendwelchen anderen technischen, insbesondere elektronisch-technischen, Tätigkeiten beschäftigt werden können, wo jetzt ständig ein gewisser Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften vorhanden ist. Wir sind abergerade auch daran interessiert, daß wir diese Kräfte, die mit den Anlagen und ihrer Bedienung vertraut sind, im Dienst behalten, um so die Schlagkräftigkeit des Dienstes zu bewahren. Wir wollen ihnen nur die Möglichkeit dazu geben, wenn sie verbeamtet werden wollen. Sie werden nicht dazu gezwungen. Es steht jedem frei, zu wählen, ob er Beamter werden will oder ob er das nicht werden will. Ihnen aber diese Möglicheit nicht zu geben, scheint mir auf der anderen Seite wiederum nicht vertretbar.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer.
Herr Minister, wie ist es gerade mit Ihren letzten Ausführungen denn vereinbar, daß den Bediensteten gesagt wurde, wenn sie nicht mit der Verbeamtung einverstanden seien, könnten sie zum Teil nicht auf ihren seitherigen Stellen verbleiben; denn diejenigen, die Beamte würden, würden bevorzugt verwendet werden. Wie vereinbart sich das denn?
Ich kann mich nicht erinnern, daß ich das gesagt habe.
Ich kann aber auch nicht feststellen, daß meine Herren das gesagt haben. Ich habe aber gehört, daß
solche — na, wie nennt man das? — Parolen verbreitet worden sind, obwohl sie nicht zutreffen.
Eine Zusatzfrage des Herr Abgeordneten Ritzel.
Ritzel ) : Herr Minister, im Hinblick auf die heutige Etatberatung Ihres Haushalts darf ich mir gestatten, zu fragen: welche zwingenden Gründe bestehen, heute angesichts der Entwicklung der Gespräche über dieses Problem und angesichts der Tatsache, daß alle Personalfragen im übrigen erst nach den Osterferien im Haushaltsausschuß behandelt werden, rund 2000 Verbeamtungen ohne detaillierte Vorberatung im Haushaltsausschuß auf diesem Gebiet so rasch vorzunehmen, daß gar keine eigentlich Beratungsmöglichkeit verbleibt?
Die Gründe bestehen darin: Die Dinge haben sich schon sehr lange hingezogen, und wir hatten gehofft, daß diese Verbeamtung nicht erst im Juni in Kraft gesetzt werden würde. Wir möchten gerade jetzt, wo wir mit den Herren in Verhandlungen, auch in Tarifverhandlungen stehen, ihnen wenigstens klar und deutlich sagen, ob und inwieweit eine Verbeamtung möglich ist. Dazu gehört Sicherheit, aber keine kw Stellen.
Eine weitere Frage des Abgeordneten Ritzel.
Stimmen Sie mir zu, Herr Bundesminister, wenn ich feststelle, daß es gleichgültig ist, ob die Verbeamtung heute beschlossen wird oder erst im Mai nach gründlicher Prüfung im Haushaltsausschuß, da ja der Haushalt 1962 menschlicher Voraussicht nach frühestens Mitte Juni gesetzlich in Kraft gesetzt werden kann?
Es ist ja so gewesen, daß, wie ich Ihnen vorhin schon sagte, Herr Kollege Ritzel, einige der Leute den dringen Wunsch hatten, Beamte zu werden; sie wollten die Beamtenmöglichkeit haben. Daraufhin haben wir diese Geschichte noch lange hin und her beraten. Es ist ein junger Dienstzweig, wie Sie wissen. Eines Tages muß dieser Sprung gemacht werden, daß Stellen in einem neuen Dienstzweig verbeamtet werden, wenn hoheitliche Aufgaben erfüllt werden müssen. Es ist doch wohl eindeutig: bei der Bedeutung, die diese Aufgaben haben, kann man Vergleiche anstellen, wonach die Tätigkeit der Herren mit der Tätigkeit von Beamten auf eine Stufe gestellt werden kann, insbesondere beim Vergleich mit der Bundesbahn. Die Beteiligten vergleichen selbstverständlich mit den Möglichkeiten, die in den anderen Laufbahnen des Verkehrs, soweit sie mit dem Staat zusammenhängen, gegeben sind. Ich meine, es wäre richtig, heute die Möglichkeit zu erwirken, diese Verhandlungen voranzuführen, damit die nun immer wieder erneut auch durch solche Diskussionen aufgebrachte Unruhe im Personal endlich einmal beseitigt werden kann. Es kann niemandem von uns
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Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohmdaran liegen, daß gerade Menschen, deren Nerven durch ihren Dienst so stark in Anspruch genommen werden und von deren absuluter Einsatzbereitschaft in großem Maße das Schicksal von Menschen abhängig ist, in einer ständigen Unruhe darüber gehalten werden, wie sich ihre Zukunft entwickelt.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Zoglmann.
Herr Bundesminister, wie vereinbaren Sie die Aussage, daß diese Menschen nicht in einer inneren Unruhe leben sollen, mit der Tatsache, daß diese Herren des Flugsicherungs- und flugtechnischen Dienstes in einer Fachtagung am 12. März einstimmig erklärt haben, sie wollten nicht verbeamtet werden?
Herr Kollege Zoglmann, ich habe schon viele einstimmige Beschlüsse erlebt, bei denen diejenigen, die abgestimmt haben, nicht der Meinung waren, die sie durch ihre Abstimmung zum Ausdruck gebracht hatten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Höhmann.
Herr Minister, sind Sie, nachdem mein Kollege Schäfer festgestellt hat, daß der Haushaltsausschuß offensichtlich nicht zutreffend unterrichtet worden ist, bereit, den Vorwürfen, die da gegenüber Herren Ihres Hauses erhoben worden sind, nachzugehen und die Herren Ihres Hauses zu veranlassen, in Zukunft, wenn sie einem Ausschuß Rede und Antwort stehen, auch wirklich wahrheitsgemäße Angaben zu machen?
Herr Kollege, ich habe dem Ausschuß selbst Rede und Antwort gestanden. Ich verbitte mir diese Bemerkung!
Ich habe nicht die Unwahrheit gesagt.
— Ich habe Ihnen schon gesagt, Herr Kollege Schäfer, ich werde mich, um diese verschiedenen Spannungen endgültig aufzuklären, mit den Herren von der ÖTV — so habe ich es verabredet — am Dienstagvormittag in Frankfurt zusammensetzen. Dort werden wir die ganzen Dinge einmal durchsprechen. Ich möchte gerne, daß all diese Spannungen beseitigt werden.
— Ich kann nicht sagen, daß das, was ich hier gesagt habe, sachlich falsch gewesen ist, Herr Kollege Schäfer. Man kann natürlich über manche Dinge verschiedener Meinung sein. Aber das braucht nicht sachlich falsch zu sein. Die Auffassungen können verschieden sein. Ich gebe Ihnen ja gern zu, daß Sie die Dinge anders beurteilen als ich. Aber ich habe sie aus meiner Sicht nach bestem Wissen und Gewissen beurteilt und Ihnen damals auch vorgetragen.
Herr Abgeordneter Brück, eine Zusatzfrage!
Herr Minister, darf ich Sie nun nach dieser Diskussion noch einmal folgendes fragen und um eine eindeutige Antwort darauf bitten: Ist es nicht so, daß es jedem im letzten freigestellt ist, ob er nun Beamter werden oder Angestellter bleiben will? Wenn dies jedem freigestellt wäre, hätte doch jeder die Möglichkeit, sich wirklich von Anfang bis Ende ' durchzurechnen, ob er Vorteile oder Nachteile von der Verbeamtung hat.
Herr Kollege Brück, das ist ja das, was ich im Interesse der betreffenden Herren anstrebe. Jeder Mitarbeiter bei der Bundesbahn weiß ganz genau, welche Vorteile und welche Nachteile ihm die Verbeamtung gegenüber seiner bisherigen Stellung bringt. Ein Facharbeiter bei der Bundesbahn verdient unter Umständen, wenn er nicht Beamter ist, mehr, als wenn er in die entsprechende Beamtenkategorie einrückt.Ich möchte auch den Herren der Flugsicherung die Möglichkeit geben, daß jeder einzelne — die Fälle sind ja äußerst unterschiedlich — überblicken kann, was ihm verbleibt, wenn er verbeamtet wird, und zwar mit der Zulage, die wir den Herren im Fall der Verbeamtung zugesichert haben — denn sie sollen in diesem Fall ausnahmsweise keine Minderung haben —, und was er erhält, wenn er weiter Angestellter bleibt.Selbstverständlich richtet sich die Laufbahn eines Beamten nach anderen Prinzipien als die eines Angestellten. Jeder weiß, daß der Beamte an die Laufbahnvorschriften gebunden ist. Wenn ich mich für eine Verbeamtung entscheide, weiß ich, daß mir diese Laufbahnvorschriften auch Vorteile bringen, daß ich natürlich mit den Nachteilen des Beamtendaseins auch Vorteile erhalte. Wenn ich Angestellter bleiben will, weiß ich, daß ich die Vorteile des Beamtendaseins eben nicht für mich in Anspruch nehmen kann.Ich möchte den Herren die freie Entscheidung überlassen. Jeder hat die freie Entscheidung, ob er Beamter werden oder ob er Angestellter bleiben will, und entsprechend wird sich seine Laufbahn weiter gestalten. Daß jemandem außerhalb der gesetzlichen Laufbahnvorschriften und sonstigen Anord-
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Bundesverkehrsminister Dr.-Ing. Seebohmnungen Nachteile dadurch erwachsen, daß er Angestellter bleibt, ist selbstverständlich nicht der Fall.
Herr Abgeordneter Höhmann, eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich auf die Bemerkung des Herrn Kollegen Schäfer antworten?
Herr Abgeordneter Schäfer hat zunächst keine Frage gestellt.
Ich möchte ja gern noch auf seinen Zwischenruf antworten.
Herr Abgeordneter Höhmann!
Herr Minister, nachdem Sie vorhin hier einen so erregten Ausfallgewagt haben, — sind Sie nicht auch der Meinung, daß eine solche Frage, wie ich sie gestellt habe, wert ist, daß man ihr nachgeht?
Von Zornesausbruch kann keine Rede sein. Ein Zornesausbruch sieht bei mir etwas anders aus.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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— Entschuldigen Sie!
— Natürlich weiß ich das. Als Niederschrift einer Komandeurbesprechung, die der Minister ausdrücklich angeregt hatte. Sie ist dann ausdrücklich vom Presseoberst Schmückle herausgebracht worden, nicht für den Hausgebrauch innerhalb des Verteidigungsbereichs, sondern an die Öffentlichkeit. Das war doch kein Zufall, meine Damen und Herren.Hier ein offenes Wort: Natürlich ist es Pflicht eines jeden Soldaten und erst recht des Generals, seiner Regierung seine Meinungen vorzutragen, auch wenn sie abweichend sind. Aber wenn man der Generalität erlaubt, öffentlich ein Plädoyer f ü r bestimmte Auffassungen abzulegen, dann hat sie auch das Recht, öffentlich gegen Auffassungen der Regierung aufzutreten. Hier darf nicht der militärische Apparat zum Schiedsrichter in politischen Streitfragen werden.
Unsere Offiziere wollen das gar nicht. Sie sehnen sich nicht danach, politisch in die Schußlinie gebracht zu werden. Die Regierung sollte sie nicht in Versuchung führen.Das geht dann weiter über das leuchtende Bild des Ministers in Werbeanzeigen gerade während des Bundestagswahlkampfes. Der Schriftenwald der Bundeswehr ist nicht frei von dieser einseitigen Indoktrinierung. Alle Versuche, hier ein besseres Gleichgewicht herzustellen, alle Vorschläge aus unseren Reihen, dazu beizutragen, blieben bisher ohne wirkliches Echo.Das geht bis zur Verteilung politischer Reden des Ministers über den Apparat der Bundeswehr. Natürlich ist der Minister als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt befugt, zu bestimmten entscheidenden, für die Doktrin der Truppe wichtigen Fragen der Truppe seine Auffassungen zu vermitteln. Aber politische Auseinandersetzungen in Wahlkämpfen sind nicht das geeignete Mittel zur Erziehung der Truppe. Und da ist es nicht Aufgabe des Pressereferats des Verteidigungsministeriums, die Truppe allgemein mit den politischen Reden des Ministers, der ja außerdem auch noch Vorsitzender einer regionalen Partei ist, zu versorgen. Das hätte die Partei machen können und müssen.Meine Damen und Herren, diese Dinge sind vielleicht erklärlich aus dem unbestrittenen Temperament und dem leidenschaftlichen politischen Blut des Ministers.
Das ist ja auch was Gutes. Das hat er in manchen politischen Streiten bewiesen, allerdings gelegentlich auch in anderen Streitigkeiten. Meine Damen und Herren, der Minister hat, was ich ihm hoch anrechne, neulich hier vor dem Bundestag den Fehler,
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Erlerden er in der Nürnberger Geschichte begangen hat, offen zugegeben.
— Sicher, es war gut, daß er das zugegeben hat. Besser wäre es gewesen, er hätte diesen Fehler gar nicht erst begangen!
Da man sich angesichts einer Untersuchung,
bei der Zuwendungen — —
— Was heißt „unerhört"? Halten Sie es für richtig, daß man sich, wenn eine Untersuchung über einen Fall läuft, in dem Grundstücksschiebungen mit Zuwendungen an die Partei bezahlt werden, ans Telefon hängt, um unter Umständen bei der Haussuchung einzugreifen und den Staatsanwalt nach seiner Einstellung zu fragen? Halten Sie das für richtig?
Wir haben auf weitere Fragen verzichtet, weil der Sachverhalt klar ist. Aber der Sachverhalt rechtfertigt es, daß das Parlament die Überschreitung der Befugnisse des Verteidigungsministers ausdrücklich rügt, was hiermit geschieht, meine Damen und Herren!
Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Barzel?
Bitte schön!
Herr Kollege Erler, halten Sie es für einen guten Stil, eine Frage, in der sich der Minister hier vor diesem Hause praktisch für einen Fehler entschuldigt hat, erneut aufzugreifen?
Meine Damen und Herren, ich möchte hier festhalten: Für uns war mit der Beantwortung der Frage das weitere Ausfragen des Ministers erledigt. Die Machtüberschreitung, die er versucht hat, kann damit nicht erledigt sein. Darüber müssen wir uns hier unterhalten.
Der Stil, den es zu rügen gilt, das ist der Stil, den der Verteidigungsminister in dieser Sache bewiesen hat, meine Damen und Herren!
Der Verteidigungsminister hat sich hier doch ausdrücklich lediglich für einen Formfehler entschuldigt. Es war mehr. Und dazu gehört doch ein Stück
politischer Einsicht. — Bitte schön, Herr Kollege Stoltenberg!
Herr Abgeordneter Dr. Stoltenberg, eine Zwischenfrage!
Halten Sie es für einen guten Stil, Herr Kollege Erler, dem Ergebnis eines schwebenden Gerichtsverfahrens, in dem der von Ihnen behauptete Zusammenhang zwischen Grundstücksaktionen fragwürdigen Inhalts und einer Spende überhaupt noch nicht festgestellt ist, hier bereits vorzugreifen?
Meine Damen und Herren, darüber schwebt ja hier keine Untersuchung.
— Es steht Ihnen frei, in der Debatte dazu Stellung zu nehmen. Ich habe nur das vorgetragen, was bis jetzt jedenfalls über diesen Tatbestand nicht bestritten worden ist.
Die rechtliche Würdigung können wir in Ruhe abwarten.
— Bitte, es ist ein Grundstücksgeschäft gemacht worden, dessen Größenordnungen nicht bestritten werden. Über die rechtliche Würdigung können wir uns noch unterhalten. Ich bin gern bereit, Ihnen zu sagen: es handelt sich um eine einseitige Zuwendung von Grundstücken. Ich bin bereit, zu sagen: ob es eine Schiebung gewesen ist, schieben wir auf, bis der Punkt gerichtlich geklärt ist.
Lassen wir es bei der einseitigen Zuwendung von Grundstücken! Wollen wir uns nicht um Worte streiten, der Sachverhalt ist für die Öffentlichkeit zunächst genügend klar.
— Worum es hier ging, Herr Kollege Majonica, war die Einmischung des Verteidigungsministers in eine Angelegenheit, in die er sich nicht hätte einmischen dürfen, war der Versuch, auf Handlungen in einer Untersuchung Einfluß zu nehmen, und war (der Versuch, den betreffenden Staatsanwalt außerdem auch noch nach dessen politischer Einstellung zu fragen. Das zusammen rechtfertigt es, im Bundestag das bei der Beratung des Haushalts dieses Ministers zu beanstanden. Denn hier stehen auch sein Verhalten und seine Amtsführung zur Debatte, und das gehört dazu, meine Damen und Herren.
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ErlerAber, um Sie zu beruhigen, ich will jetzt nicht einen Vorgriff auf die andere Angelegenheit machen, die in diesem Hause untersucht wird. Ich möchte mich auf die Bemerkung beschränken, daß es besser gewesen wäre, der Minister hätte sich nach manchen Richtungen weniger heftig engagiert und die Militärpolitik wäre von weniger Geräusch begleitet und erst recht von weniger Mißtönen aus seinem eigenen Hause.
Gelegentlich hat der Minister auch in der Außenpolitik gewildert. Zum Beispiel hat er in Ettlingen das sowjetische Schriftstück vom 21. Dezember keiner Beachtung und keiner Antwort für würdig erklärt. Die Bundesregierung hat sich anders entschieden und mit Unterstützung aller Parteien dieses Hauses sorgfältig geantwortet. Unter diesen Umständen hielt die Meinung des Verteidigungsministers noch bis Aschermittwoch. Dann kam „Kehrt-marsch!" in Vilshofen. Dort wurde das große Zukunftsgemälde einer deutsch-sowjetischen Annäherung vor unseren Augen entrollt, und dort wurde dann auch noch eine Stellungnahme zu der Angelegenheit Kroll abgegeben, damit von der Bundesregierung möglichst verschiedene Varianten auch ja öffentlich ausgesprochen werden.
Meine Damen und Herren, ich will trotzdem eines zugeben. In letzter Zeit hat sich der Minister einer erheblich größeren Zurückhaltung in Streitfällen verschiedenster Art befleißigt. Ich will hoffen, daß das von Dauer ist und daß das nicht nur mit seiner Unpäßlichkeit, mit seiner Krankheit zusammenhing. Ich freue mich, daß er wieder in hoffentlich alter Frische in unserer Mitte ist. Denn auch Gegnerschaft sollte nicht — —
— Entschuldigen Sie, das müssen Sie nun den Minister selber fragen, wie unser persönliches Verhältnis bei allen Meinungsverschiedenheiten ist. Ich freue mich, daß er wieder gesund ist, auch wenn wir uns dann wieder in Gesundheit unter Umständen einmal streiten. Soviel Fairneß muß es auch in diesem Hause geben können.
Vielleicht ist die Zurückhaltung auch durch die zur Zeit in Gang befindliche Untersuchung bedingt. Aber was auch immer die Gründe sein mögen, ich möchte hoffen, daß nicht allzu früh der alte Adam wieder durchbricht und dann wieder Gegensätze aufgerissen werden und Kapitulation des Andersdenkenden gefordert wird, statt dazu beizutragen, Gegensätze überbrücken zu helfen.Nach dieser, Sie offenbar sehr erregenden Darstellung — —
— Entschuldigen Sie, Sie könnten mich doch eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, daß ich nachStichworten spreche. Ich habe hier selten Reden verlesen.
Bisher bin ich noch keinem Zwischenrufer eine Antwort schuldig geblieben, so ich ihn rechtzeitig und klar genug verstanden habe.Meine Damen und Herren, um das noch einmal zu wiederholen, was Sie eben so aufgeregt hat: offenbar haben meine Ausführungen Sie in Erregung gebracht. Ich kann das verstehen.
Denn das Vertrauen zum Verteidigungsminister ist ja auch in Ihren Reihen nicht unerschüttert. Man müßte geradezu blind sein und keine Ohren haben, um das nicht festgestellt zu haben.
Selbstverständlich werden Sie sich in Solidarität um ihn scharen.
Selbstverständlich werden Sie sich in Solidarität umihn scharen. Was bleibt Ihnen auch anderes übrig?Aber, meine Damen und Herren, es gibt doch — —
— Herr Kollege Majonica, Ihre Zwischenrufe in Ehren, aber gerade Sie wissen es besser.
Nun zu den Anträgen, die sich aus dem von mir vorgetragenen Überblick über manche Fragen der Verteidigungspolitik und manche Fragen der Amtsführung des Ministers ergeben. Ich möchte beantragen, daß wir beim Verteidigungshaushalt über die Kapitel getrennt abstimmen.
Ich erkläre hier, daß wir bei Kap. 14 01, das im wesentlichen mit dem Minister und seinem Haus zu tun hat, mit Nein stimmen werden,
daß wir bei Kap. 14 02, bei den allgemeinen Ausgaben, in denen auch alles das drinsteckt, was zum Mißbrauch der Nachwuchswerbung im Wahlkampf geführt hat, gleichfalls nein sagen werden, weil Sie uns nicht zumuten können, daß wir Gelder bewilligen, die zu unserer eigenen Bekämpfung mißbraucht werden.
Dann gibt es noch ein Kapitel, bei dem wir weiterhin nein sagen, das ist Kap. 14 15, und ich will auch sagen, warum: wegen der unklaren strategischen Konzeption. Der Vorrang der konventionellen Bewaffnung ist in diesem Kapitel, dessen Einzelheiten hier nicht ausgebreitet werden können, nicht klar ersichtlich gemacht worden. Vor allem aber — und
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Erlerdas sollte ein gemeinsames Interesse sein — hat die Bundesregierung das Versprechen nicht gehalten, vor internationalen Verabredungen und Verpflichtungen den Verteidigungsausschuß zu informieren und zu befragen. Stattdessen meldet sie bei der NATO streng geheim ihre Wünsche an, vertritt sie dort selbst auf Gebieten mit erheblicher politischer Sprengkraft, wenn ich nur an die Frage der Mittelstreckenraketen erinnern darf, bemüht sich dort um Zustimmung, um dann später hier in Bonn berichten zu können, es handle sich um eine vertragliche Verpflichtung, zu der das Parlament nur noch Ja und Amen sagen könne. Auf diesem Umweg wird jede ernsthafte parlamentarische Mitverantwortung und Kontrolle ausgeschaltet.
Das kann ein Parlament auf die Dauer nicht hinnehmen und ist auch durch die Bedürfnisse der Geheimhaltung nicht gerechtfertigt.Ich will hier auf zwei Gegenbeispiele aufmerksam machen, auf das Weißbuch Großbritanniens und auf die Verteidigungsbotschaften des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Dort haben wir es in beiden Fällen mit einer detaillierten Vorschau auf die Rüstungsplanung für mehrere Jahre zu tun. Dann ist eine fundierte Diskussion im Parlament und in der Öffentlichkeit möglich. Sachkundige Kritik hilft. Der Gegner weiß sowieso mehr, als in den Botschaften steht. Außerdem wirkt abschreckend ja nur das — das ist nun einmal bei der Abschreckung so —, was der Gegner auch ungefähr kennt. Dinge, von denen der Gegner keine Ahnung hat, schrecken ihn auch nicht ab. Schließlich sollten wir die Bundesrepublik Deutschland in der Verteidigung der westlichen Allianz nicht für wichtiger halten als die Vereinigten Staaten. Übertriebene Geheimniskrämerei ist also dabei nicht nötig. Sie führt nur zu einer Ausschaltung des Parlaments. Es bleiben noch wirklich geheimzuhaltende Dinge genug übrig, z. B. die ganzen Fragen der Dislozierung, Einzelheiten der Strategie und der operativen Planung, bestimmte technische Einzelheiten von Waffen und Gerät. Das darf und braucht nicht im Parlament, manches auch nicht in den Ausschüssen, erörtert zu werden.In diesem Kapitel, das wir ablehnen werden, steckt auch der Typenwirrwarr, der Mangel einer ernsthaften Standardisierung, die Beschaffung von zum Teil wenig erfreulicher Munition und das Fehlen einer ausreichenden Panzerabwehr drin.Wir werden uns — und jetzt bitte ich Sie, zuzuhören — bei dem Kap. 14 19 der Stimme enthalten, weil dort ein Problem auftaucht, das uns genauso Sorge macht wie Ihnen. Ich meine die Sorge, daß die vielen Milliarden für den F 104 G nicht einen solchen Beitrag für die Verteidigung leisten, wie uns das seinerzeit nach Zeit, Wirksamkeit und Qualität zugesagt worden ist.
— Ja, sicher, aber die Informationen haben sich nicht als völlig stichhaltig erwiesen. Das ist eine große Sorge, und hierzu wird mein Freund Schäfer auch noch einiges zu sagen haben.Um nun Ihre Neugier zu stillen, Herr Kollege Majonica: 18 weiteren Kapiteln, also nicht nur bei der Verpflegung, 18 weiteren Kapiteln, von 14 03 bis 14 14, 14 16, 14 17, 14 18, 14 21 bis 14 23, und den außerordentlichen Ausgaben in Kap. 14 12 stimmen wir ausdrücklich zu.Dann kommt die Schlußabstimmung. Die Schlußabstimmung ist ein Urteil über die Politik und das Gesamtverhalten des Ministers.
— Das können Sie in Ruhe abwarten. Ich finde, diese Bemerkung von einem Mann, der stolz darauf ist, daß es keinen Fraktionszwang gibt, ist geradezu ungehörig.
— Das erfahren Sie noch früh genug! Wir haben bei diesen Haushaltsberatungen eine ganze Reihe von Einzelplänen abgelehnt, ohne daß deswegen jemand von Ihnen auf die Idee gekommen ist, in der Öffentlichkeit zu behaupten, die Sozialdemokraten hätten etwas gegen den Straßenbau, — um nur ein Beispiel zu nennen. Es handelt sich um politische Entscheidungen, wie sie in allen parlamentarischen Demokratien üblich sind. Der Verteidigungsminister bewegt sich nicht so, daß ihm die Opposition ein höheres Maß an Vertrauen entgegenbringen kann als den meisten anderen seiner Kollegen.Natürlich werden Sie mit der Behauptung hausieren gehen — das gebe ich Ihnen jetzt gleich zu, damit Sie es nachher draußen auch machen; ich kündige es schon jetzt der Öffentlichkeit an —, die Abstimmung beweise, daß das Bekenntnis der Sozialdemokratie zur Verteidigung zweifelhaft sei.
— Das tun Sie wider besseres Wissen, meine Damen und Herren!
Denn Sie wissen, daß Sie erstens überall, wo Sie in der Opposition stehen, z. B. in Hamburg und Hessen und früher auch in Bayern, den Polizeihaushalt abgelehnt haben, ohne daß Sie sich deswegen haben vorwerfen lassen, Sie seien gegen die Sicherheit der Einwohner vor Einbrechern, und daß Sie zweitens in einer Reihe von deutschen Ländern den Schulhaushalt abgelehnt haben, ohne daß deswegen jemand auf die Idee kommt, Ihnen vorzuwerfen, Sie wollten die Lehrer brotlos machen.
— Meine Damen und Herren, ich bitte jetzt von Fragen abzusehen. Ich bin sowieso gleich am Schluß. Die Kollegen Barzel und Stoltenberg werden in der Debatte alles sagen können, was sie dazu zu sagen haben. Ich möchte jetzt meinen Gedankengang ein-
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Erlermal geschlossen zu Ende führen können, weil es sich hier um eine Grundfrage parlamentarischer Demokratie handelt: ob man die Meinungsbildung der Opposition zu einer bestimmten Frage in der Öffentlichkeit wider besseres Wissen zum Anlaß nehmen darf, das Gesamtverhalten der Opposition zu verdächtigen. Es schadet nämlich auch geradezu genau der abschreckenden Wirkung, die die Bundeswehr haben muß, wenn Sie den anderen drüben erzählen, ein Teil unseres Volkes sei im Bekenntnis zur Landesverteidigung schwankend. Das ist — einmal in Ihrer Sprache gesprochen, ich tue es sonst nicht gern — geradezu ein Anreiz für Herrn Ulbricht, unsere gemeinsame Standfestigkeit auf die Probe zu stellen.
Uns ist es mit der Landesverteidigung ernst. Wir behandeln diesen Haushalt aber wie jeden anderen auch. Er ist weder aussätzig, noch steht er unter Denkmalschutz; weder das eine noch das andere!
Daß wir 'den Mut haben, auch unpopuläre Fragen mit zu beschließen, wenn wir das für erforderlich halten, das haben wir in diesem Hause bei unserer ausdrücklichen Zustimmung zu der weiß Gott nicht bequemen Maßnahme der Verlängerung des Grundwehrdienstes auf 18 Monate bewiesen.
Wir haben nicht etwa vor der Wahl anders geredet als nachher. Ich lese Ihnen vor, was wir unserer Wählerschaft und unseren Freunden — manchmal tat das wehe — in lunserem Regierungsprogramm damals ausdrücklich mit ,auf Iden Weg gegeben haben.
— Wir können den Zettelkasten zurückverfolgen bis zu dem Tag, wo der Bundeskanzler sich in diesem Hause nachdrücklich zur völligen Demilitarisierung des ganzen deutschen Volkes bekannt hat. Wenn Sie das wollen, viel Vergnügen!
Das ist doch geradezu kindisch! Jetzt müssen Sie sich mit der Partei beschäftigen, mit der Sie "es heute zu tun haben, und mit den heutigen Problemen. Sie haben auch einmal anders geredet, Kollege Majonica.
Die Weltlage hat uns alle zu neuem Verhalten gezwungen. Deswegen braucht man sich der Diskussion in der Vergangenheit, als wir darum gerungen haben, ob nicht doch ein anderer, für unser Volk erträglicherer Weg möglich gewesen wäre, nicht zu schämen.
Ich tue es jedenfalls nicht, verlassen Sie sich darauf!
Nun die Sätze aus dem Regierungsprogramm:Die außenpolitische Stellung der Bundesrepublik auf der Seite des Westens ist unverrückbar. Das schließt ein die korrekte Erfüllung aller außenpolitischen Verträge und die Treue zum atlantischen Verteidigungsbündnis. Die neue Regierung wird die Verteidigungspolitik in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der NATO führen. Sie wird für eine bessere politische Koordinierung und für eine Arbeitsteilung in 'der atlantischen Gemeinschaft eintreten. Die NATO muß von dem Zwang befreit werden, in Fällen konventioneller Aggressionen atomare Waffen einsetzen zu müssen. Die neue Bundesregierung wird die notwendigen Lasten auch dem eigenen Volke zumuten müssen. Die Bundeswehr muß den in der NATO beschlossenen Umfang haben. Dazu kann derzeit auf die Wehrpflicht nicht verzichtet werden.Meine Damen und Herren, wenn das vor einer Wahl keine klare Sprache ist, dann gibt es überhaupt keine klare Sprache. Wir haben allerdings noch hinzugefügt:Die neue Bundesregierung wird eigene Vorschläge zu einer gleichwertigen und kontrollierten Abrüstung machen. Verteidigungsbereitschaft und Rüstungskontrolle sind die beiden Seiten unserer unteilbaren Sicherheit.Damit haben wir unsere Karten offen auf den Tisch gelegt. Aber, meine Damen und Herren, was Sie nach dem ganzen Gang der Haushaltsberatungen hier beim besten Willen nicht verlangen können, ist, daß Sie uns zu einer Vertrauenskundgebung für einen Minister und seine Politik nötigen wollen, dessen Vertrauensgrundlage in Ihren eigenen Reihen — ich wiederhole das — erheblich schmäler geworden ist, als sie früher war.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein unvoreingenommener Besucher dieses Hauses den Saal zu Beginn der Rede des Kollegen Erler betreten hätte, dann hätte er vielleicht vermutet, daß hier über den Herrn Minister zu Gericht gesessen werde. Vielleicht hätte er auch gedacht, die sich mühselig hinschleppenden Verhandlungen eines zur Zeit tagenden Untersuchungsausschusses wären bereits in das Plenum verlegt worden. Aber er wäre wohl kaum eher als fünf Minuten vor Abschluß der Rede des Herrn Erler auf den Gedanken gekommen, daß es sich hier um eine Haushaltsdebatte handele und daß sich ,der Bundestag nach bestem Wissen und Gewissen den Kopf darüber zerbreche, ob er den Riesenbetrag von 15 Milliarden DM an Steuergroschen auch richtig für die Verteidigung ausgebe.
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Dr. Kliesing
Ich muß Ihnen, Herr Erler, in aller Kollegialität sagen, daß der Inhalt, der Tenor Ihrer Ausführungen der Bedeutung einer Haushaltsberatung nicht gerecht geworden ist.
Sie haben z. B. — um das nur am Rande zu erwähnen — etwa die Hälfte Ihrer Ausführungen darauf konzentriert, sich kritisch mit einem Artikel in einer Zeitschrift zu befassen. Ich bin der Auffassung, daß es Ihr gutes Recht ist, dazu Stellung zu nehmen. Ich werde das nachher auch mit einigen wenigen Worten tun. Aber ich bin der Meinung, ,daß man dies im Rahmen einer Haushaltsberatung dorthin stellen sollte, wohin es gehört, nämlich an den Rand der Debatte und nicht in den Mittelpunkt.
Vom Haushalt haben Sie eigentlich nur in den letzten fünf Minuten gesprochen.
— Bitte schön!
Herr Kollege Erler!
Herr Kollege Kliesing, ist Ihnen entgangen, daß es sich bei der Erörterung des Aufsatzes von Oberst Schmückle um nichts anderes handelt als um die Erörterung der grundlegenden Fragen der Verteidigungskonzeption der Bundesrepublik Deutschland und des Westens überhaupt?
Verehrter Herr Kollege Erler, es handelte sich nach meiner Auffassung bei Ihren Darlegungen zum Artikel vom Herrn Oberst Schmückle nicht darum, die westliche Verteidigungskonzeption kritisch darzulegen, sondern darum, den Herrn Minister anzuschießen. Das sind zwei verschiedene Dinge.
Ich möchte mich zunächst dem zuwenden, was Sie tatsächlich über den Haushalt gesagt haben, Herr Kollege Erler; das war im wesentlichen doch wohl folgendes. Sie haben gesagt, daß Sie zu drei Kapiteln nein sagen, während Sie sich bei einem weiteren Kapitel der Stimme enthalten werden. Sie haben sich die Begründung etwas sehr leicht gemacht. Gewiß, Sie wollen das Kapitel 01 ablehnen, weil Sie gegen die Person des Ministers sind.
Man könnte viel darüber sagen; ich will es nachher vielleicht in Kürze tun. Sie haben das Kapitel 02 abgelehnt, obwohl man bei den Haushaltsberatungen gerade Ihren speziellen Wünschen sehr entgegengekommen ist.
Sie haben das Kapitel 15 abgelehnt, und ich muß Ihnen offen gestehen: das hätte ich von Ihnen am wenigsten erwartet. Denn dieses Kapitel 15 enthält doch die wesentlichen Grundlagen der Bewaffnungder Bundeswehr, besonders des Heeres, und enthält vor allen Dingen das auf dem Gebiet der Bewaffnung, was sich für uns aus den Verpflichtungen gegenüber der NATO ergibt.
Und nun frage ich Sie: wie kann man auf der einen Seite sagen, das oberste Ziel sei, die Verpflichtungen gegenüber der NATO, die man übernommen hat, loyal zu erfüllen, und auf der anderen Seite ausgerechnet das Kapitel des Haushalts, das diese Verpflichtungen enthält, ablehnen?
Darin steckt ein logischer Widerspruch, den Sie mir erst einmal erklären müssen.
Ein kurzes Wort zu Ihrer Enthaltung bei Kapitel 19. Sie sagen, der Starfighter habe nicht allen Wünschen_ entsprochen. Nun, ich möchte Sie fragen, welchem Flugzeugtyp denn Sie vor ein paar Jahren den Vorzug gegeben hätten, etwa dem Gruman Tiger — der nur in zwei Prototypen existierte, die beide beschädigt waren — oder etwa der Mirage, die bis heute im Jahre 1962 noch nicht mit der notwendigen Elektronik ausgestattet ist. Hätten wir nicht die F 104 genommen, hätte das bedeutet, daß der Aufbau der deutschen Luftwaffe für weitere 4 bis 6 Jahre auf Eis gelegt worden wäre und daß wir damit schroff entgegen den Verpflichtungen gehandelt hätten, die wir gegenüber der NATO eingegangen sind.
Wenn Sie also nun diese Kapitel ablehnen wollen, ist das Ihre Sache. Wenn Sie den Gesamthaushalt ablehnen wollen, ist das ebenfalls Ihre Sache. Ich möchte dazu nicht Stellung nehmen. Ich möchte mir nur eine Bemerkung dazu erlauben: Es scheint mir, daß Ihre Rede und die Begründung Ihrer Ablehnung, Herr Kollege Erler, weniger an dieses Hohe Haus gerichtet waren als vielmehr an jenes Forum innerhalb Ihrer eigenen Partei, das in sehr farbiger und lebhafter Weise auf manchen Bezirkstagungen Ihrer Partei 711 Wort kommt.
Ich habe überhaupt den Eindruck, daß die wehrpolitischen Auseinandersetzungen auf gewissen Bezirkstagungen der SPD vie] farbiger und lebhafter sind als die Verteidigungsdebatten in den letzten Jahren hier in diesem Hohen Hause. Mir scheint Ihre heutige Haltung so zu umschreiben zu sein, daß Sie auf der einen Seite dem neuen Kurs Ihrer Partei in Verteidigungsfragen, dem Godesberger Kurs, Genüge tun wollen, sich auf der anderen Seite aber auch ein Alibi verschaffen wollengegenüber den Kreisen in Ihrer eigenen Partei, die da noch nicht so richtig mitziehen. Deshalb darf ich Ihre heutige Haltung zum Verteidigungshaushalt wohlwollend und etwas optimistisch werten als den Ausdruck der Situation, in der Sie sich befinden und die ich als ein Übergangsstadium Ihrer verteidigungspolitischen Entwicklung bezeichnen möchte.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 927
Dr. Kliesing
Nun lassen Sie mich etwas zum Problem des Verteidigungshaushalts sagen, so wie er sich aus unserer Sicht stellt. Dieser Verteidigungshaushalt ist sowohl in Quantität wie in Qualität ein Ausdruck der weltpolitischen Entwicklung und ,der heutigen Situation. 15 Milliarden DM sind eine ungeheure Summe und übertreffen bei weitem alles, was wir bisher an Verteidigungsleistungen aufgebracht haben. Wir möchten daher, daß unser Ja zu diesem Verteidigungshaushalt drinnen und draußen als ein Zeichen dafür gewertet wird, daß wir den Ernst der Lage erkannt haben und bereit sind, die Konsequenzen daraus zu ziehen, und daß wir aufrichtig bestrebt sind, entsprechend unseren Kräften im Rahmen der NATO einen wirksamen Verteidigungsbeitrag Zu leisten. Wir sind uns auch darüber im klaren, daß eine weitere Verschärfung der weltpolitischen Situation in den kommenden Jahren auch an die Bundesrepublik noch höhere Anforderungen stellen würde, und wir müssen uns auch bereit erklären, einer solchen Entwicklung, die wir keineswegs wünschen, wenn sie kommt, Rechnung zu tragen. Das sollte heute bereits klar ausgesprochen sein. Auch aus diesem Grunde sind wir an einer Entspannung sehr interessiert. Wir sehnen sie herbei, auch wenn uns der derzeitige Stand der Verhandlungen in Genf zu optimistischen Erwartungen in dieser Richtung nicht berechtigt.Was nun die Qualität dieses Haushalts angeht, so zeigt sich darin deutlich, daß es für uns nur eine Möglichkeit einer klaren und zielsicheren Verteidigungspolitik gibt, nämlich die, daß wir, soweit es immer erreichbar ist, unsere Verteidigungsanstrengungen möglichst in das Bündnis der NATO integrieren. Das bedeutet zweierlei: erstens, daß wir versuchen, das freundschaftliche Verhältnis mit den USA zu vertiefen — denn schließlich tragen die USA ungefähr 80 % der gesamten Verteidigungsausgaben der 15 Mitgliedstaaten der NATO —, und zweitens, daß wir zu einer politischen und einer wirtschaftlichen Einigung in Europa kommen, damit wir überhaupt in die Lage versetzt werden, das aufzubringen, was von uns an Verteidigungsanstrengungen erwartet und verlangt wird.Nun fragt sich, ob in diesem Zusammenhang auch eine Stärkung der NATO durch die Institution einer europäischen Verteidigungspolitik erfolgen könnte. Sie wissen, daß dieser Begriff zur Zeit in der Diskussion steht. Ich möchte mich hier nicht sehr darauf einlassen, aber doch in aller Offenheit erklären, daß mir dieser Begriff einer eigenständischen europäischen Verteidigungspolitik angesichts der Entwicklung der Waffentechnik und der strategischen Lage in den letzten 8 bis 10 Jahren sehr problematisch erscheint, und ich möchte die Frage dahingestellt sein lassen, ob eine solche eigene europäische Verteidigungspolitik im Rahmen der NATO tatsächlich zu einer Stärkung der NATO führen würde. Das würde vor allen Dingen voraussetzen, daß die NATO ihrerseits eine derartige europäische Verteidigungspolitik in ihrem Rahmen bejahen und ihr ohne jedes Mißtrauen gegenübertreten würde.Folgender Umstand läßt mich gegenüber der Möglichkeit einer eigenen europäischen Verteidigungspolitik besonders skeptisch werden. Wenn man in den letzten Jahren im Rahmen der NATO eine solche Politik zu ihrer Stärkung hätte betreiben können, dann ist es einfach unerklärlich, warum man nicht das bereits existierende Instrument der Westeuropäischen Union als Basis für eine solche Politik genommen hätte. Aber gerade der Umstand, daß sich die Mitgliedsregierungen der Westeuropäischen Union in den letzten Jahren in zunehmendem Maße einer Abstinenz bezüglich eigener Initiative befleißigt haben, zeigt doch sehr deutlich, wie schwierig es ist, eine eigene europäische Verteidigungspolitik zu Nutz und Frommen und zur Stärkung der NATO hier zu institutionalisieren.Es gibt zweifellos andere Möglichkeiten, die NATO zu stärken, und wir sollten keine dieser Möglichkeiten auslassen. Herr Kollege Erler hat bereits Fragen der Standardisierung und der Logistik am Rande erwähnt. Ich glaube, Herr Kollege Erler, hierzu gehört auch die Frage der Schaffung einer integrierten NATO-Atomstreitmacht, und damit wären wir beim Thema.Wir sehen die NATO-Atomstreitmacht als ein Mittel an, die NATO zu stärken und damit auch unserer Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ein erhöhtes Maß an Sicherheit und Schutz zu geben. Ich weiß nicht, ob es nicht sehr gewagt von Ihnen war, gerade in dieser Frage der Bundesrepublik einen Zickzackkurs im letzten Jahr vorzuwerfen. Sie sollten in dem Punkte doch vorsichtig sein; denn wenn ich an die Entwicklung der Verteidigungskonzeption der SPD in den letzten Jahren denke, komme ich zu der Auffassung, daß, wenn irgendwo, dann in diesem Punkte für Sie das Sprichwort gilt: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
Ich will mich mit diesem angeblichen Zickzackkurs der Bundesregierung im einzelnen befassen. Sie haben mit dem Weinstein-Interview des Bundesverteidigungsminsters vom Mai vorigen Jahres angefangen und erklärt: Dort hat der Minister gesagt, daß die NATO-Atomstreitmacht nicht den Vorrang haben sollte. Das ist doch eine ganz vernünftige Auffassung; denn wenn wir jetzt einseitig darauf setzen wollten, würden wir die konventionelle Bewaffnung, die uns allen besonders wichtig erscheint, vernachlässigen. Daraus können Sie also keinen Vorwurf gegen den Verteidigungsminister herleiten.Weiter haben Sie erklärt: In der Regierungserklärung im November wurde dann aber gesagt, man müsse darauf hinwirken, daß der Gedanke einer NATO-Atomstreitmacht bald verwirklicht würde. Auch darin vermag ich nicht einen Zickzackkurs zu sehen. Das eine tun und das andere nicht lassen ist doch wohl nicht der Ausdruck einer inneren Gegensätzlichkeit.Was dann in Paris kam, war genau dasselbe. In Paris hat Herr Strauß gesagt, daß man auch dem Gedanken einer Atomstreitmacht bei NATO nähertreten möge. Damit hat er sich auf den Boden der Regierungserklärung gestellt und zudem auf einen Boden, Herr Erler, den auch Sie selbst in einer Rede vor anderthalb Jahren in der Westeuropäischen Union betreten haben. Ich erinnere Sie daran, daß
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Dr. Kliesing
das Parlament der Westeuropäischen Union am 1. oder 2. Dezember 1960 eine Entschließung verabschiedet hat, in der es sich für eine Atomstreitmacht aussprach. Das Parlament der WEU hat diese Entschließung mit den Stimmen der deutschen Sozialdemokraten verabschiedet.Problematisch wurde die Sache erst, nachdem Herr Strauß im Dezember in Paris gesprochen hatte. Problematisch war nicht das, was er dort sagte, sondern das, was eine gewisse Propaganda daraus machte.Sie haben sich ferner auf die Äußerungen von Herrn Mende in den USA berufen, es stehe der Bundesrepublik nicht zu, die Rolle eines Avantgardisten in dieser Frage zu spielen. Ich teile die Meinung des Herrn Mende durchaus. Aber es darf nicht dahin kommen, daß man, wenn ein Vertreter der deutschen Regierung überhaupt den Mund aufmacht, um zum Thema NATO-Atomstreitmacht etwas zu sagen, ihn dann schon in einer diskriminierenden Weise als Avantgardisten der NATO-Atomstreitmacht abstempelt.
Es geht aber gar nicht nur darum, sondern Sie haben selbst anklingen lassen, Herr Erler, daß dann eben der Eindruck entstehe — und hier sehe ich die eigentliche Diffamierung —, die Bundesrepublik versuche über dieses Hintertürchen nun doch noch in den Besitz und in die nationale Verfügungsgewalt über atomare Sprengköpfe zu kommen.
Ich weiß nicht, ob man hier tauben Ohren predigt. Unsere Erklärungen sind sehr eindeutig, und Sie selbst haben sich in Ihrer Rede auf die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers in Cadenabbia berufen, die er gegenüber Herrn Sulzberger von der New York Times abgegeben hat. Aber leider haben Sie den Inhalt dieser Erklärung nur sehr unvollständig wiedergegeben, Herr Erler. Sie hätten sagen müssen, daß der Herr Bundeskanzler gesagt hat: Jawohl, wir sind für eine supranationale Atomstreitmacht, weil wir hoffen, daß dann hier in Europa das Ende der nationalen Verfügungsgewalt über Atomstreitkräfte eintritt.Und genau — fast wörtlich — dasselbe, Herr Erler, haben Sie persönlich vor anderthalb Jahren in Ihrer Rede im Parlament der Westeuropäischen Union gesagt. Also konstruieren Sie doch keine Widersprüche, wo keine sind.Sollte 'es noch irgendwelche Zweifel geben, dann möchte ich. im Namen meiner Fraktion die Erklärung abgeben, daß wir, wie bisher so auch künftig, uns dagegen aussprechen werden, daß der Bundesrepublik Deutschland in irgendeiner Form nationale Verfügungsgewalt über atomare Sprengköpfe gegeben wird. Wir halten das politisch nicht für vertretbar, und wir lehnen es auch aus militärischen Gründen ab, da keine Argumente für eine derartige Regelung sprechen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage ides Herrn Erler?
Bitte.
Herr Kollege Kliesing, ist Ihnen in Erinnerung, daß in dem Beschluß der Westeuropäischen Union das Wort von der NATO als vierter Atommacht überhaupt nicht auftaucht, sondern daß dort etwas ganz anderes beschlossen war,
nämlich das gesamte atomare Potential aller Verbündeten in Europa in einem Strang zusammenzufassen, um auf diese Weise nationale Sonderpotentiale zu verhindern, einschließlich des amerikanischen? Ist Ihnen das noch in Erinnerung?Dr. Kliesing ,(CDU/CSU) : Herr Kollege Erler, ist Ihnen nicht in Erinnerung, daß ich eben genau dasselbe gesagt habe? Ist Ihnen nicht in Erinnerung, daß weder der Herr Bundeskanzler in seinem Interview in Cadenabbia noch ich hier in meinen Ausführungen von der NATO als vierter Atomstreitmacht gesprochen habe, sondern daß ich darauf hingewiesen babe, daß der Herr Bundeskanzler ausdrücklich diese Idee bejaht, weil er sich davon ein Ende der nationalen Verfügungsgewalt erhofft? Das müßte doch wohl klar und eindeutig hier zum Vorschein gekommen sein. Diese Frage ist ja noch gar nicht bis zum Ende ausdiskutiert, Herr Erler. Ich bin der Auffassung, selbst wenn es uns nicht gelänge, jede nationale Verfügungsgewalt über Atomstreitkräfte, soweit sie heute existiert, durch die Bildung einer integrierten NATO-Atomstreitmacht auszuschalten, müßten wir sie doch bejahen, weil zum mindesten dadurch eins erreicht würde, nämlich daß der Atomclub in Zukunft nicht noch größer würde, als er leider heute schon ist.Nun möchte ich mich einem anderen Problem zuwenden, wenn wir schon davon ausgehen, daß dieser Haushalt den Sinn hat, die NATO und damit unsere eigene Sicherheit zu stärken. In bezug auf die Standardisierung von Waffen und Geräten ebenso wie in der Frage einer gemeinsamen Produktion stehen wir nach meiner Auffassung vor einer sehr wichtigen Entscheidung. Seit Jahr und Tag liegt bei der NATO eine Liste von zwanzig Projekten — sehr wesentlichen Projekten -, die standardisiert werden sollen. Es ist leider bisher nicht so weit gekommen, daß diese Dinge einer Sitzung des NATO-Ministerrates zur Beschlußfassung vorgelegt wurden. Ich möchte in dieser — sicher bedeutenden — Frage an die Bundesregierung die dringende und herzliche Bitte richten, nun doch endlich dafür zu sorgen, daß diese Liste der sogenannten zwanzig Projekte im kommenden Monat in Athen verabschiedet wird. Ich will durchaus anerkennen, daß wir auf dem Gebiete der Standardisierung und der gemeinsamen Produktion gewisse vielversprechende Anfänge zu verzeichnen haben. Alber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß dieses Problem zu seinem größten Teil noch ungelöst ist und daß dadurch jährlich viele Milliar-
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Dr. Kliesing
den innenhalb der westlichen Welt für Verteidigungsanstrengungen umsonst ausgegeben werden. Das ist ein Problem, das, wenn es nicht gelöst wird, falls es zum Ernstfall 'kommen sollte, sehr viel Blut kosten würde. Deshalb sollten wir uns mehr als bisher mit dieser Frage befassen.Was die gemeinsame Produktion angeht, möchte ich noch ein anderes Wort sagen. Wir sollten alles vermeiden, was zu irgendeinem Malaise innerhalb der NATO führt. Dazu könnte es aber führen, wenn hinsichtlich der Produktion das Übergewicht eines Partners, dessen hervorragende und überragende Leistungen für die westliche Verteidigung wir gern anerkennen, zu einseitig und zu groß würde. Ich darf mich hier auf die Erklärung berufen, die der verstorbene amerikanische Staatssekretär John Foster Dulles im Jahre 1957 vor dem NATO-Rat abgegeben hat. Dort erklärte Dulles, daß die gemeinsame Produktion eines der wichtigsten Anliegen für die Verteidigung Europas und der westlichen Welt sei und daß es im Zuge einer solchen gemeinsamen Produktion so weit kommen müsse, daß auch die USA für die Ausrüstung ihrer eigenen Streitkräfte Produktion europäischer Herkunft anschaffen und kaufen müsse. Ein sehr guter Gedanke, ein Gedanke einer echten Zusammenarbeit, ein Gedanke aber, der leider — wenn wir vorn Ankauf der SS-11-Rakete, der ,französischen Antitankrakete, absehen — bis heute noch in keiner Weise verwirklicht wurde.Und hier beginnen gewisse Probleme. Wir haben es auf vielen Gebieten noch mit Doppelarbeit zu tun, und wir haben es insbesondere auch mit einer Doppelarbeit auf dem entscheidenden Gebiet der Forschung und Entwicklung zu tun. Ich habe den Eindruck, daß sich hier eine Tragödie wiederholt, die wir auf einer anderen Ebene vor ungefähr einem Jahrzehnt, ja bis vor einem Jahrfünft, erlebt haben. Wir alle wissen noch, wie unglückselig sich die Konkurrenz in Forschung und Entwicklung auswirkte, die zwischen den amerikanischen Teilstreitkräften bestand, und wissen auch, daß eigentlich erst der Sputnik dafür gesorgt hat, daß diese Konkurrenz überwunden wurde. Ich meine fast, daß das, was heute auf der Ebene der verschiedenen NATO-Partner auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung geschieht, ein gewisses Gegenstück zu jener unglückseligen Konkurrenz ist. Auch hier sollte man den Grundsatz einer vernünftigen Arbeitsteilung realisieren. Es kommt nicht darauf an, daß wir in der Bundesrepublik sämtliche Probleme der Forschung und Entwicklung in Angriff nehmen, die es wert sind, daß man sich mit ihnen befaßt und die wichtig sind. Dazu fehlt es uns erstens an Geld und zweitens — was vielleicht noch wichtiger ist — an qualifiziertem Personal. Wir kennen alle die Schwierigkeiten des Ministeriums;
und gerade diese Schwierigkeiten haben ja auch in diesem Haushalt und in diesen Haushaltsberatungen bei allen Fraktionen des Hauses Verständnis gefunden. Wir wissen auch, daß unsere deutschen Kultusminister sich bis zum heutigen Tage leider noch nicht dazu entschließen konnten, auch nur aneiner einzigen deutschen Hochschule einen Lehrstuhl einzurichten, der sich mit derart wichtigen Problemen befaßt. Denn wichtig sind diese Probleme nicht nur für unsere militärische Sicherheit, sondern auch für die Weiterentwicklung der gesamten zivilen Technik und Wirtschaft. Wir wissen, daß wir in einer anomalen Lage dadurch sind, daß wir nach 1945 fast 15 Jahre lang den Anschluß nicht gewonnen haben, daß eine Zäsur klafft. Wir wissesn, daß der Nachwuchs fehlt.Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Es scheint mir nämlich, daß das keine Sorge ist, die sich auf das Ministerium und die Bundeswehr beschränkt, sondern genau die gleiche Situation besteht auch in der deutschen Wirtschaft und in der deutschen Industrie. Niemand in diesem Hause wird einer Hybris der deutschen Rüstungsindustrie in irgendeiner Form das Wort reden. Aber jeder, der seine fünf Sinne noch einigermaßen beisammen hat, weiß, daß aus Gründen der militärischen Sicherheit, daß zur Erhaltung unserer Verteidigungskraft ein gewisses Potential an deutscher Rüstungswirtschaft notwendig ist. Dazu möchte ich auf das hinweisen, was der Bundesverband der Deutschen Industrie in seinem letzten Jahresbericht über die Situation sagt. Er sagt vor allen Dingen, daß es der deutschen Industrie auf diesem Gebiete ,an qualifiertem Personal fehlt. Er sagt zweitens, daß die vorhandene Kapazität nicht überall ausgelastet ist, und er sagt drittens, daß insbesondere mittelständische Betriebe der Rüstungsindustrie, die unter großen Opfern manchmal relativ hohe Investierungen vorgenommen haben, in eine kritische Lage dadurch geraten können, daß die Anschlußaufträge nicht immer garantiert werden.Das alles sollte uns zu denken geben. Es ist die Frage, ob bei solcher Sachlage die deutsche Industrie überhaupt noch die Möglichkeit hat, auf personellem Gebiet für einen qualifizierten Nachwuchs attraktiv genug zu sein. Das ist das Problem, vor dem wir sowohl im Ministerium wie bei den Behörden der Bundeswehr wie schließlich auch in ,der deutschen Industrie überhaupt stehen. Auch diesen Punkt sollte man einmal berücksichtigen, wenn es um die Streuung von Aufträgen geht. Ich bin mir klar darüber, daß das Bundesverteidigungsministerium in der Verteilung von Aufträgen nicht immer freie Hand gehabt hat und daß auch die Vergabe von hohen Prozentsätzen unserer gesamten Aufträge an das Ausland notwendig war; daraus haben wir zum Teil große Vorteile beispielsweise konjunkturpolitischer Art gehabt oder wir haben, wenn wir damit zum Ausgleich gewisser Zahlungsbilanzen beitrugen, vermieden, im Sinne des Art. 3 des NATO-Vertrages haftbar gemacht zu werden. Das heißt, wir brauchten keine verlorenen Zuschüsse zu zahlen.Aber alle diese Gesichtspunkte in Ehren, — sie dürfen nicht die allein beherrschenden sein. Ich glaube, daß wir mit der Streuung unserer Aufträge vielleicht doch schon reichlich weit in der Welt herumkutschiert sind und daß wir über diesen Gesichtspunkten nicht die Interessen unserer eigenen Wirtschaft vergessen sollten.
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930 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
Dr. Kliesing
Ich komme zu einem weiteren Problem und möchte es kurz behandeln. Aus dem Schriftlichen Bericht des Kollegen Leicht entnehme ich folgende Zahlen. Der Anteil der fortdauernden Ausgaben betrug beim Verteidigungshaushalt im Jahre 1958 31,4 %, 1959 41 %, 1960 41,4%, 1961 43,9% und jetzt, 1962, bei diesem Riesenetat 44,6 %. Damit ist bald ,die obere Grenze dessen erreicht, was die fortdauernden Ausgaben in einem normalen Verteidigungshaushalt ausmachen dürfen. Nicht dabei berücksichtigt ist die Tatsache, daß wir uns beim Aufbau der Bundeswehr befinden unid infolgedessen die einmaligen Ausgaben bei uns eine ganz besonidere, übernormalgroße Rolle spielen. Ich bin daher der Auffassung, daß angesichts der Anforderungen, die Technisierung, Rationalisierung, Modernisierung und fortlaufende Umrüstung einer modernen Armee an einmaligen Ausgaben verlangen, diese Entwicklung nicht so weitergehen darf und gebremst werden muß.Zweitens bin ich der Auffassung, daß wir alles vermeiden müssen, was dazu führt, daß der Anteil der fortlaufenden Ausgaben noch höher wird. Dazu gehören vor allen Dingen solche Anträge, die nach außen hin sehr gut ankommen, wenn es z. B. um Besoldungserhöhung, soziale Maßnahmen usw. geht, die aber unsere Bewegungsfreiheit beim Verteidigungshaushalt einschränken und die auf Kosten dessen gehen, was für die wichtigen einmaligen Ausgaben zur Verfügung steht.
- Das läppert sich so zusammen, Herr Kollege.Nun möchte ich mich wieder den Ausführungen des Kollegen Erler zuwenden und zu dem Stellung nehmen, was er über den Herrn Minister gesagt hat. Ich muß mich zunächst gegen eine Grundlinie wenden. Herr Kollege Erler, Sie haben hier von der Verteidigungskonzeption des Verteidigungsministers gesprochen und haben versucht, ihn sorgsam von der Bundesregierung und von der Koalition in diesem Hause zu trennen. Ich möchte dagegen mit aller Entschiedenheit Verwahrung einlegen. Es gibt hier keine Verteidigungskonzeption des Bundesverteidigungsministers, sondern es gibt hier nur eine verteidigungspolitsche Konzeption, die gemeinsam von der Bundesregierung, einschließlich des Bundesverteidigungsministers, und den Mehrheitsfraktionen dieses Hauses getragen wird.
Nehmen Sie das, bitte, ein für allemal zur Kenntnis und versuchen Sie nicht immer, den einen gegen den anderen auszuspielen.Nun haben Sie gesagt, der Bundesverteidigungsminister sei in ein Zwielicht geraten. „Zwielicht" ist ein ziemlich suspektes Wort und tut seine Wirkung, wenn man es gebraucht. Um so überraschter war ich, daß Sie, nachdem Sie diese Behauptung aufgestellt hatten, die Beweisführung im wesentlichen nur darauf beschränkten, den Herrn Oberst Schmückle zu zitieren; wobei Sie andeuteten, es könnte sein, daß Herr Schmückle diesen Aufsatz nicht aus sich selbst, sondern daß er ihn auf höhere Initiative hin geschrieben habe. Dabei sagten Sie gleichzeitig, daßHerr Schmückle in diesem Aufsatz auch seinen eigenen obersten Kriegsherrn anschieße. Ich muß sagen, Herr Bundesverteidigungsminister, bei allem Respekt vor Ihrer taktischen Klugheit; aber es übertrifft doch die kühnste Phantasie, anzunehmen, daß Sie Ihren Pressechef inspirieren, einen Aufsatz zu schreiben, in dem Sie selbst angeschossen werden. Das geht doch etwas zu weit. Ich finde, hier ist auch die Glaubwürdigkeit der Argumentation des Herrn Kollegen Erler ernstlich in Frage gestellt.
Man kann nicht, Herr Kollege Erler, auf der einen Seite zu erkennen geben: „Das war nicht Herr Schmückle, der den Aufsatz inspiriert hat, sondern den hat im Grunde genommen Herr Strauß geschrieben" und gleichzeitig sagen: „Dieser böse Pressechef schießt seinen eigenen Minister an". Das eine schließt das andere aus. Ich möchte es eigentlich den objektiven Zuhörern überlassen, darüber zu urteilen, auf welcher Seite hier die Zickzacklinie liegt.
Nun möchte ich ganz kurz zu dem Aufsatz von Herrn Schmückle folgendes sagen. Ich bekenne in aller Offenheit, daß auch ich die Auffassung des Herrn Schmtickle nicht teile.
Wenn ich diese Auffassung des Herrn Schmückle hier kritisierte, Herr Kollege Erler, würde meine Kritik walhrscheinlich noch etwas mehr an die Wurzeln gehen als Ihre Kritik. Denn ich kritisiere die Auffassung des Herrn Schmückle nicht im Zusammenhang mit der von Ihnen hier dargestellten NATO-Verteidigungskonzeption, sondern weil die Konsequenzen, die aus dem Aufsatz von Herrn Schmückle zu ziehen sind, meines Erachtens an die Existenzberechtigung ides deutschen Soldaten in der heutigen weltpolitischen Situation überhaupt rühren.Aber nun komme ich auf das, was für mich entscheidend ist. Es geht mir nicht darum, ob die Auffassungen des Herrn Schmückle meinen Auffassungen entsprechen. Ich werte sie als einen interessanten Beitrag zur Diskussion, auch wenn sie nicht meinen Auffassungen entsprechen. Aber ich wehre mich dagegen, daß man hier einem Staatsbürger — und das ist der Herr Oberst Schmückle auch — das Recht zu einer freien politischen Meinungsäußerung in einer deutschen Zeitung verwehren will.
Das geht nicht an.
Und, Herr Erler, es geht auch nicht an, daß Sie, wenn ein Angehöriger der Bundeswehr verteidigungspolitischen Auffassungen vertritt, die Ihnen nicht passen, von einem „politisierenden Oberst" reden, daß Sie aber, wenn es umgekehrt ist, das Recht des Staatsbürgers in Uniform proklamieren. Das geht einfach nicht.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 931
Dr. Kliesing
Ich möchte Sie Herr Erler, an den von Ihren Freunden oft zitierten Satz von Voltaire erinnern, der dem Inhalt nach besagt: Ich teile zwar .die Ansichten des anderen nicht, setze mich aber dafür ein, daß er das Recht hat, seine Ansichten zu äußern. Ich muß mich dagegen wehren, daß man einen Mann, nur weil er Ansichten hat, die einem nicht passen, einfach mundtot machen will.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Erler?
Bitte!
Darf ich fragen, Herr Kollege Kliesing: Ist Ihnen bekannt, daß es dann Aufgabe des Ministeriums gewesen wäre, zu kennzeichnen, daß es nicht die Auffassungen .des Obersten teilt? Ist Ihnen weiter bekannt, daß es nun einmal eben nach dem Soldatengesetz Einschränkungen für die öffentliche Meinungsäußerung gibt, die sich aus dem besonderen Soldatenverhältnis ergeben und die sonst von der Regierung gegen Andersdenkende angewendet werden? ist Ihnen drittens bekannt, daß die Bundesregierung sogar versucht hat, in Weisungen allen Soldaten und Angehörigen der Bundeswehr aufzuerlegen, in der Öffentlichkeit die Verteidigungskonzeption der Bundesregierung zu vertreten? Sind Ihnen diese drei Dinge bekannt?
Das dritte 3) stimmt zweifellos in dieser Form nicht; daher ist es mir nicht bekannt.
— Nun, ich lese !die „Informationen für die Truppe" sehr regelmäßig, und ich bin nicht der Auffassung, daß die Bundesregierung hier in Konkurrenz treten will und in Konkurrenz getreten ist mit den Verfassern jener Briefe, die den Kopf tragen „Bundesvorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands", die adressiert sind „An unsere Freunde und Genossen der Bundeswehr" und deren Inhalt darauf hinausläuft, den nach dem Grundgesetz verantwortlichen Träger der Befehls- und Kommandogewalt in den Augen der ihm unterstellten Truppen zu diffamieren.
Ich glaube, die Bundesregierung hat bis jetzt nicht den Versuch gemacht, ein Gleiches zu tun.
— Ich möchte jetzt erst Ihre Fragen beantworten, Herr Kollege Erler.
Was Ihre erste Frage angeht, ob es nicht richtig gewesen wäre, wenn der Bundesverteidigungsminister öffentlich von diesen Ausführungen des Oberst Schmückle abgerückt wäre, so muß ich Ihnen offen sagen, daß ich das sehr bedauert hätte. Denn wenn ich auch, wie gesagt, die Auffassungen des Oberst Schmückle nicht teile, würde ich es doch sehr bedauert haben, wenn der Bundesverteidigungsminister in diesem Fall ein Verfahren eingeschlagen hätte, durch das in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt worden wäre, er wolle einem seiner Offiziere einen Maulkorb umhängen. So viel dazu!
Gestatten Sie nunmehr noch eine Zwischenfrage?
Bitte!
Es sind zwei Fragen, leider. Zunächst die erste: Halten Sie die Öffentlichkeit für so schizophren, daß sie ohne nähere Aufklärung zwischen dem amtlichen Sprecher. des Verteidigungsministeriums und dem seine Privatmeinung äußernden Staatsbürger Schmückle zu unterscheiden vermag? Das ist die erste Frage. Ich habe nachher noch eine zweite.
Ich halte die Öffentlichkeit nicht für schizophren in dieser Frage. Wenn ich irgendwo in den verteidigungspolitischen Konzeptionen der Gegenwart Anzeichen von Schizophrenie festgestellt habe, dann bei den gegensätzlichen Verlautbarungen hinsichtlich der sozialdemokratischen Verteidigungskonzeption, wie sie sich in den Bezirkstagen der SPD dokumentieren.
Obwohl ich bisher auf keine einzige Frage eine sachliche Antwort bekommen habe, eine weitere Frage.
Ich habe Ihnen mit ja oder nein geantwortet!
Halten Sie es für den Stil der Auseinandersetzung innerhalb der Bundeswehr für richtig, daß sich ein politisch Andersdenkender heimlich Adressenmaterial einer Partei besorgt, um diese Adressen dann seinerseits mit Zuschriften zu versorgen?
Nein, das keineswegs. Aber darüber könnten wir uns gelegentlich einmal unterhalten.
Ich glaube, die Initiative hier liegt auf Ihrer Seite.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Nein. Auch Herr Erler hat zum Schluß davon abgesehen, Zwischenfragen entgegenzunehmen. Ich schließe mich diesem Verfahren an und möchte zum Schluß kommen.
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932 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
Dr. Kliesing
Wir sind der Auffassung, daß 15 Milliarden DM Steuergelder sehr viel sind, und wir wissen außerdem noch nicht, was die Zukunft bringt. Daraus resultiert die Notwendigkeit — im Sinne des Zitates, das Herr Erler aus der Denkschrift des Bundes der Steuerzahler brachte —, mit dem Geld sehr gewissenhaft und sehr sparsam umzugehen. Wir setzen in das Bundesverteidigungsministerium und in die Bundesregierung das Vertrauen, daß sie dieses Geld ordnungsgemäß verwalten und so ausgeben, daß dadurch ein möglichst hohes Maß an Verteidigungsbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik erzielt wird.Herr Kollege Erler, lassen Sie mich noch eines sagen. Sie haben es für notwendig gehalten, wiederholt darauf hinzuweisen, daß das Vertrauen zum Bundesverteidigungsminister innerhalb der CDU/ CSU-Fraktion erschüttert sei. Lassen Sie mich dazu nur eines sagen. Diese Auffassung ist grundfalsch.
Der Bundesverteidigungsminister ist nun schon so lange im Amt, daß wir uns schon ein Urteil über seine Fähigkeiten erlauben können. Wir sind der Meinung, daß der erzielte, der tatsächliche Aufbau der Bundeswehr und das erreichte Leistungsniveau der Bundeswehr, das ja nicht nur von uns, sondern auch von der NATO anerkannt wird, der beste Beweis für die Fähigkeit des Verteidigungsministers und für die Qualität der von ihm und seinen Mitarbeitern geleisteten Arbeiten ist.
Aus diesem Grunde wäre es geradezu — um Ihren Ausdruck von vorhin aufzunehmen, Herr Kollege Erler — schizophren, wenn wir angesichts dieser vollbrachten Leistungen dem Bundesverteidigungsminister das Vertrauen entziehen oder wenn wir sagen würden, daß unser Vertrauen in ihn erschüttert sei. Das Gegenteil ist richtig. Wir von der CDU/ CSU-Fraktion haben Anlaß und fühlen uns verpflichtet, dem Bundesverteidigungsminister und seinen Mitarbeitern heute den Dank und die Anerkennung für die vollbrachten Leistungen hier auszusprechen und ihm zu sagen, daß er weiterhin unser volles und uneingeschränktes Vertrauen auf seinem Aufgabengebiet besitzt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Erler hat in seinen Ausführungen zum Verteidigungsetat auch ein Wort über das Verhältnis der Fraktion der CDU/CSU zu dem Bundesverteidigungsminister Strauß fallenlassen. Wir sind alle seit einigen Monaten Zeugen einer Kampagne, die — ich will mich zurückhaltend ausdrücken —
in einer untergründigen und hintergründigen Weise gegen den Bundesminister Strauß geführt wird. Ich
bedaure das, und auch meine politischen Freunde bedauern das, weil wir glauben, daß es sich hier nicht nur um den Menschen Strauß und nicht nur um den Bundesverteidigungsminister, sondern um eine staatspolitische Frage handelt, in der wir eigentlich einig sein sollten.
Diese Methoden, einen Menschen, der im öffentlichen Leben steht, anzugreifen und zu diffamieren, können nicht scharf genug verurteilt werden.
— Ja, in jedem Fall, Herr Kollege Erler. Der Bundestag hat auf den Antrag Ihrer Fraktion einen Untersuchungsausschuß mit einem klar umgrenzten Beweisthema eingesetzt. Der Untersuchungsausschuß ist zur Zeit in Tätigkeit. Wir werden das Ergebnis dieser von Ihnen erbetenen Nachprüfung abwarten. Ich stelle aber fest, daß sich auch in dem von Ihnen angegebenen Beweisthema nichts findet, was die persönliche Integrität des Ministers Strauß in Zweifel ziehen könnte.
Bitte sehr, Herr Mommer!
Herr Kollege von Brentano, wenn sich in der letzten Frage unseres Antrages für den Untersuchungsausschuß erweisen sollte, daß der Herr Minister dem Hause nicht die Wahrheit gesagt hat, würden Sie dann meinen, daß das die persönliche Integrität in keiner Weiseberührt?
Herr Kollege Mommer, ich kann nur auf Fragen eine Antwort geben, die eine Antwort zulassen. Auf hypothetische Fragen aber kann ich keine Antwort geben.
Ich tue das um so weniger, als ich damit auch in dieZuständigkeit dieses Ausschusses eingreifen würde.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine klare Feststellung treffen. Herr Kollege Erler, Sie haben geglaubt, feststellen zu dürfen, daß infolge dieser Entwicklung der letzten Wochen und Monate, die ich dargestellt und verurteilt habe, die Vertrauensbasis zwischen unserer Fraktion und unserem Freunde Strauß geschmälert worden sei. Dazu möchte ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 933
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Main kann feststellen, daß die Öffentllichkeit eigentlich erst heute auf den Artikel von Herrn Schmückle aufmerksam geworden ist. Ich weiß nicht, ob es sehr gut gewesen ist, daß diese Frage in den Mittelpunkt der Debatte über den Verteidigungshaushalt gestellt worden ist. Wir erleben nämlich dasselbe, was wir in früheren Jahren immer erlebt haben, daß man sich wegen dieser Dinge über sachliche Probleme verhältnismäßig wenig unterhalten kann. Es ist doch sicher so, daß die Verteidigungspolitik und die Konzeption der Verteidigung immer Wandlungen unterworfen gewesen ist und wahrscheinlich auch in Zukunft Wandlungen unterworfen sein wird. Insofern eignen sich diese Überlegungen, die hier breit ausgewalzt werden, nicht dazu, im Plenum vorgebracht ,zu werden.
Wie hätte man auf diesen Artikel, der seinerzeit in „Christ und Welt" erschienen ist, eigentlich reagieren sollen? Ich glaube, es hätten außer mir noch andere Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Bundestages aus ihrer Sicht heraus einen Leserbrief schreiben sollen. Dann wären die Dinge von vornherein klargestellt worden. Es wäre vielleicht auch möglich gewesen, sich im Verteidigungsausschuß über diesen Artikel zu unterhalten, was ich seinerzeit angeregt habe, was aber damals nicht die Gegenliebe der SPD-Fraktion gefunden hat.
Zu dem Artikel selbst glaube ich in aller Kürze sagen zu dürfen, daß er um fünf Jahre zu spät geschrieben worden ist. Diese Konzeption paßt in die Jahre 1955/56, als nur die Möglichkeit des sogenannten all-out-war gegeben war, also des absoluten Atomkrieges. Herr Schmückle hat wohl die Wandlungen in der Kriegskunst nicht so ganz mitbekommen und müßte sich etwas mehr damit beschäftigen, was Träumer auf anderer Seite darüber gesagt haben.
Es ist sicher, daß das Schwergewicht der Bewaffnung der Bundeswehr auf dem Sektor der konventionellen Bewaffnung liegen muß und daß das unser Beitrag zur NATO schlechthin sein muß. Wir haben diese Konzeption seit Beginn der Aufstellung der Bundeswehr vertreten. Die Freien Demokraten haben nie etwas anderes gewollt oder gesagt. Durch die geschichtliche Entwicklung sind wir in unserer militärpolitischen Auffassung durchaus bestätigt worden. Auch für die ganze Entwicklung und für die Stärkung der Verteidigungskraft schlechthin wäre es sehr viel besser gewesen, wenn man sich in früheren Jahren nicht um solche Fragen in der Öffentlichkeit gestritten, sondern sich mehr den sachlichen Überlegungen im Ausschuß zugewandt hätte.
Ohne Zweifel sind Schwierigkeiten im Aufbau der Bundeswehr dadurch entstanden, daß — wie man den Eindruck gewinnen mußte — ein großer Teil der Wähler einer Partei von der Partei selbst beeinflußt worden war, dieser Bundeswehr mit großer Skepsis gegenüberzustehen. Diese Schwierigkeiten haben dazu geführt, daß wir heute noch nicht erreicht haben, was wir gern erreicht hätten oder hätten erreichen müssen.
Es hat aber keinen Wert, daß man sich jetzt über diese vergangenen Jahre streitet. Man muß vielmehr in die Zukunft sehen. Insofern ist es für unsere gemeinsame Sache sehr gut, daß die Sozialdemokraten der Verlängerung des Grundwehrdienstes zugestimmt haben. Das sollte anerkannt werden und die Grundlage für die weitere Arbeit in diesem Hause bilden.
Herr Kollege Erler hat gesagt, daß die Sozialdemokratie im Wahlkampf benachteiligt gewesen sei. Lassen Sie mich dazu etwas sagen. Wir Freien Demokraten haben in Koblenz, der größten Garnisonsstadt, vor der Wahl einen wehrpolitischen Kongreß abgehalten, der unter völliger Geheimhaltung, nämlich ohne daß die Presse zugelassen war, stattfand. Dadurch sollte vermieden werden, daß irgendwelche parteipolitische Akzente in die Bundeswehr hineingetragen wurden. Etwa zu der gleichen Zeit hat aber der Kanzlerkandidat der SPD in Koblenz einen Truppenbesuch vorgenommen, durchaus eine gute Sache, und 'hat dabei eine außerordentliche Publizität — „Bild" usw. — erhalten. Man sollte also wohl die Benachteiligung von der einen oder anderen Seite nicht so dramatisieren und zuspitzen.
Es ist auch unser Anliegen, daß die Bundeswehr — die Streitkräfte und alles, was damit zusammenhängt — eine Sache des Volkes schlechthin ist und daß selbstverständlich nicht lirgendwelche parteipolitische Akzente hineingebracht werden sollten. Das scheint mir durchaus ein richtiges Begehren und richtiges Verlangen zu sein. Aber ich meine, in unserer Demokratie haben wir als gewählte Abgeordnete durchaus die Möglichkeit, in dieser Richtung auf die Exekutive einzuwirken. Ich muß sagen, ich habe nicht ganz die Angst wie viele Freunde in diesem Hause, wie viele Angehörige innerhalb und außerhalb dieses Hauses, daß man glaubt, ein Mann allein könne gefährlich werden. Wir sind doch wohl Manns genug, die Dinge gemeinsam zu besprechen und gemeinsam zu guten Lösungen zu kommen.
Ich darf abschließend zu diesem Punkt sagen, daß Minister Strauß durch seine Äußerungen auf der Kommandeurstagung in Mainz durchaus von diesem Artikel abgerückt ist. Ich möchte hinzufügen, daß das unsere Billigung gefunden hat. Wir sollten die Gelegenheit benutzen, diese Fragen militärpolitischer Art im Verteidigungsausschuß mit größerer Gründlichkeit als bisher zu diskutieren und dort zu Beschlüssen zu kommen.
Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde bedauern, wenn es mir nicht möglich wäre, den Dialog mit dem Kollegen Erler, wie er in dieser oder
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934 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
Bundesverteidigungsminister Straußjener Form seit Jahren geführt worden ist, fortzusetzen.
Bevor ich auf die grundsätzlichen Fragen eingehe, die hier, wenn auch am falschen Objekt, nämlich am Artikel des Obristen Schmückle, behandelt worden sind, darf ich vielleicht die konkreten Fragen, die bereits angeschnitten worden sind, vorwegnehmen.Die Opposition hat angekündigt, daß sie gegen Kap. 14 01, das Ministerium, stimmen wird. Das kann ihr niemand übelnehmen. Das hat sie ausgerechnet sogar am Beispiel des Arbeitsministers bereits mehrmals praktiziert. Vielleicht wird sie es sogar beim Postminister tun, wie ich in den Wandelgängen dieses Hauses gehört habe, ohne damit in Zukunft auf die Zustellung von Briefen verzichten oder das Telefon dieses Hauses nicht mehr benutzen zu wollen.
Sie wird zweitens gegen Kap. 14 02, die allgemeinen Bewilligungen, stimmen. Hier ist das Stichwort vom Mißbrauch der Mittel für die Nachwuchswerbung gefallen, wenn ich es auf diesen generellen Begrff reduzieren darf.Wir bräuchten gar nicht so viel Mittel für die Nachwuchswerbung, wir hätten sie gar nicht gebraucht, wenn in der Vergangenheit din Einheit dieses Hauses das deutsche Volk auch zur militärischen Verteidigung mitgerissen hätte.
Ich war nie sehr glücklich über diese Nachwuchswerbung, Herr Kollege Erler. Die Broschüren und Plakate, auf denen mehr oder weniger attraktive Köpfe heldenhaft in die Zukunft blicken und die gleichzeitig angenehme Berufschancen verheißen, sind sicherlich für denjenigen, der verhältnismäßig viel mit Lektüre und dabei zwangsläufig mit Reklame in Berühung kommt, nicht gerade ein besonderes Vergnügen. Ich habe die Plakate nicht selbst gemacht, sonst wären sie noch schlechter ausgefallen, als sie sind.
Ich habe auch die Broschüren nich selbst gemacht. Wir haben diese oder jene Firma eingeschaltet. Haben wir die eine genommen, sagte die andere: Das hätten wir besser gemacht. Haben wir die dritte genommen, so sagte die nächste, wie es besser hätte gemacht werden können.Dieser ganze Komplex Nachwuchswerbung, soweit er ein politisches Motiv und nicht ein rein berufswerbendes Motiv hatte, ist leider deshalb aufgekommen, weil in diesem Hause in jenen Jahren nicht die Führungsaufgabe des Parlaments zum Appell an das Volk hinsichtlich der Bereitschaft zur militärischen Verteidigung einstimmig erfüllt worden ist.
Dann haben Sie angekündigt, daß gegen Kap. 1415 gestimmt werden wird. Das fällt unter die Rubrik Feldzeugwesen. Sie haben eine Kriitk nicht geäußert, die ich auf dem kleinen Dienstwege gehört habe, daß nämlich das Parlament über dieses Kapitel unzureichend informiert worden sei. Das stimmt nicht. Der Haushalts- und Verteidigungsausschuß sind über diese Positionen so ausreichend wie möglich informiert worden. Aber der Haushaltsausschuß wie die Fachausschüsse waren bei der Beratung dieses Haushalts, bei dem das ganze Personalgebiet ausgeklammert wurde, unter einem besonderen Zeitdruck. Deshalb konnten manche Dinge nicht so gründlich behandelt werden, wie es Ihrer, auch unserer Seite erwünscht gewesen wäre.Aber mit Ihrer Ablehnung stimmen Sie gegen das ganze Kraftfahrzeugprogramm der Bundeswehr; Sie stimmen gegen das ganze Panzerprogramm der Bundeswehr, Sie stimmen gegen das ganze Munitionsprogramm der Bundeswehr,
Sie stimmen gegen Waffen, Geräte, Gewehre, Artillerie und Lenkwaffen. Sie begründen das einmal mit Unklarheit über die Verteidigungspolitik. Ich glaube, daß hier inkompatible Größen durcheinandergeworfen werden.
Dann begründen Sie es — und einer Ihrer Folgeredner wird es noch tun — mit Typenwirrwarr bei Kraftfahrzeugen und bei Gerät. Hier, Herr Kollege Erler, sind Sie entweder nicht unterrichtet — was ich Ihnen eigentlich zugute halten möchte, wenn ich es auch ungern tue — oder Sie sagen die Unwahrheit. Denn nach der amerikanischen Armee, die für ihre Standardisierung, auch ihrer Übersee-Expeditionskorps, bekannt ist, gibt es keinen Beitrag eines NATO-Landes zu der Allianz, innerhalb dessen die Standardisierung so weit, zum Teil auch auf Kosten bestimmter Maximalforderungen, durchgeführt worden ist wie bei uns. Dieses Argument dürfen Sie einfach nicht verwenden, wenn Sie nicht mit der Wahrheit in Konflikt kommen wollen.Natürlich liegen die Dinge so, daß die Idealausstattung mit drei Grundtypen — etwa wie dm Jahre 1914, wobei ich nicht weiß, ob es damals der Fall gewesen ist — heute nicht mehr möglich ist. Dann könnten Sie sagen, es sei eine primitiv ausgerüstete und unzulängliche Streitmacht, die hier aufgestellt wird. Ich darf Ihnen das gerade am Beispiel der Kraftfahrzeuge sagen. Ich darf wieder einmal die ganz konkreten, rein sachlichen Fragen vorwegnehmen, bevor ich auf einige politische Probleme zu sprechen komme. Wir haben einen Typ des Jeep, während wir in der Vergangenheit eine ganze Reihe von Fahrzeugen gleicher Aufgabe, aber verschiedener Konstruktion hatten. Wir haben gegen den Widerstand selbstverständlich der Interessenten, gegen den Widerstand wohl auch des einen oder anderen Abgeordneten, der sich im guten Glauben für die Auftragserteilung an die Borgward-Werke eingesetzt hat — hier sitzt einer —,
den Typ des 0,75-Tonner-Borgward, nicht aus regionalwirtschaftlichen Gründen, sondern aus sachlichen Gründen ausgeschieden, um damit einen Kraftfahrzeugtyp, der uns nicht zwingend notwendig er-
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Bundesverteidigungsminister Straußschien, aus der Bundeswehr zu eliminieren. Daß die Landesregierung damit nicht zufrieden war, daß das Werk nicht zufrieden war, daß die örtlichen, interessierten politischen oder wirtschaftlichen Kreise damit nicht zufrieden waren, kann ich sehr wohl verstehen. Welche Motive sie mir dabei unterstellt haben, ist mir relativ gleichgültig nach dem, was ich im Laufe der letzten Zeit erfahren habe. Es gibt einen großartigen Fahrzeugtyp, ohne daß ich hier ein Lobbyist von Mercedes sein möchte; das ist der 1,5-Tonner-Unimog, der für die Bundeswehr in verschiedenen Ausführungen, aber mit ein und derselben Grundkonstruktion geliefert wird. Das ist also erst der zweite Teil.Nach dem 0,25-Tonner-Jeep gibt es den 1,5-Tonner-Unimog. Dann haben wir gegen den Willen der Landesregierung, die in diesem Fall anders zusammengesetzt ist, und gegen den Willen der Firma und gegen den Willen der örtlich interessierten Kreise den sogenannten NATO-Ford ausgeschieden, den 3-Tonner, der zwar seine Spezialaufgabe erfüllt, uns aber ebenfalls einsparbar erschien. So haben wir an Kraftfahrzeugen solche zu 0,25 t, 1,5 t und 5 t. Bei 5 t konnten wir uns nicht entscheiden. — Ich bitte um Nachsicht, wenn ich über Details rede; denn es ist immer sehr leicht, von der Verletzung großer Grundsätze zu reden; meistens erfolgt dann nicht der Beweis in concreto mit wirklich stichhaltigen Angaben. —
Wir konnten uns nicht entscheiden, hier nur einen Typ zu nehmen. Darum haben wir zwei genommen: MAN und Daimler-Benz. Ich möchte keine Wertung der beiden Typen vornehmen. Die Qualität sowohl der Firmen wie der Fertigung ist ,so, 'daß sich die Vorteile und Nachteile beider Typen gegeneinander zu plus minus Null aufwiegen. Aber wir haben es deshalb gemacht, weil wir nicht von einer Fertigungsstätte abhängig sein wollten, auch in bezug auf die Lieferung von Ersatzteilen, wenn es bedauerlicherweise einmal zu irgendwelchen Zerstörungen kommen sollte, ferner, weil beide Fahrzeuge ebenso wie der Unimog, ebenso der 0,25-Tonner-Jeep zivile Paralleltypen in ungeheurer Zahl in der ganzen Bundeswehr haben.Dasselbe gilt — wenn ich weiterfahren darf — für den 7-Tonner-Klöckner-Humboldt-Deutz — den Magirus —, für den 10-Tonner-Faun, den es als Zugkraftwagen, Geräteträger für die Artillerie, Sattelschlepper, Materialtransporter, Gleitkipper, Munitionsträger und Zugkraftwagen mit hydraulischer Hebevorrichtung gibt. Dann haben wir den 12-Tonner-Faun, den 15-Tonner-Faun und den 25-TonnerFaun. Das ist das ganze Kraftfahrzeugprogramm der Bundeswehr.Eine stärkere Standardisierung ist ohne Verzicht auf die Erfüllung sachlicher Notwendigkeiten nicht mehr möglich. Daß die alten Typen heute auslaufen — Borgward, Ford und Henschel —, das bitte ich zu verstehen; denn solange sie laufen und verwendungsfähig sind, müssen wir sie auch, damit wir nicht mit den Haushaltsbestimmungen in Konflikt kommen, laufen lassen. Aber sie werden nichtmehr durch gleichartige Typen oder Fabrikate ersetzt werden. Damit will ich in keiner Weise sagen, daß nicht Ford oder Henschel — die Typen, die wir heute ausscheiden — auch in der Lage wären, Militärkraftwagen hervorragender Art zu konstruieren. Aber wir können nicht — trotz des Ansturms der Länder, zum Teil der beteiligten Abgeordneten und anderer interessierter Stellen aus reiner Gefälligkeit — die Aufträge so streuen, daß wir von jeder Art und von jeder Fabrik ein bißchen nehmen.
Das hat zu einer Kraftfahrzeugstandardisierung ,geführt, die nicht muhr weiter fortgesetzt werden kann.Ich darf hier lauf etwas eingehen, was Herr Kollege Kliesing mit Recht angeschnitten hat, die Frage der Standardisierung im allgemeinen. Wir haben uns gerade bei den Kraftfahrzeugen der NATO-Standardisierung widersetzt, weil sie hier im Gegensatz zu Panzern oder Flugzeugen oder Lenkwaffen keinen Sinn hat. Denn die Fahrzeuge, die wir sonst hätten nehmen müssen — ich rede jetzt gar nicht von irgendwelchen wirtschaftlichen oder industriellen Interessen —, gibt es als zivile Paralleltypen in Deutschland nicht, wenn man den Simca oder Lancia oder den Berliet nimmt. Das heißt, wir müßten dann die ganzen Ersatzteildienste, die ganzen Reparaturdienste eigens für die standardisierten NATO-Fahrzeuge der Bundeswehr unterhalten, während wir einfach aus Gründen der Menschenersparnis, der Kostenersparnis und der Einsatzfähigkeit in einer bedauerlichen Krise auf die zivilen Reparaturdenste und die zivilen Ersatzteillager zurückgreifen können und müssen, weil ein großer Teil der Komponenten Mit einem zivilen, bei uns in der Wirtschaft häufig benutzten Typ identisch ist. Wir haben uns dabei schon etwas gedacht.Dann ist in diesem Zusammenhang auch von veralteten Panzern gesprochen worden oder eine Andeutung dieser Art gefallen. Es soll mir ein Mensch in diesem Hause sagen, welcher andere Panzer als der von uns ausgesuchte überhaupt hätte ausgewählt werden können, wenn wir nicht sowjetrussische Typen hätten in Dienst stellen wollen!
Das weiß ich nicht, es gibt keine.
Das könnte als ein Vorwurf gegen die britische Panzerfertigung verstanden werden. Ich meine es nicht so. Aber nachdem die Amerikaner uns 1100 Panzer eines bestimmten Typs auf der Nash-Liste zunächst praktisch leihweise und kostenlos gegeben haben, haben es der Mangel an technischem Personal und die Schwierigkeit der Instandsetzung und Versorgung erforderlich gemacht, daß man bei der amerikanischen Panzerfamilie geblieben ist und nicht in dem einen Teil die amerikanischen Panzer, in dem anderen Teil die gleich guten britischen Panzer verwendet hat.
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Bundesverteidigungsminister Strauß- Sei es in der Rede von Herrn Erler, sei es in gelegentlichen Äußerungen im Ausschuß.
— Sonst müssen meine Herren mir falsch berichtet haben. Im Ausschuß muß von veralteten Panzern gesprochen worden sein, die wir beschafft hätten. Nun, die Frage kann man hier ruhig einmal anschneiden; das tun ja auch andere Parlamente. Ich behaupte nur: Ein anderer Panzer, als wir ihn ausgewählt haben, war und ist zur Zeit nicht vorhanden.
— Im Ausschuß ist es anders gesagt worden.
Herr Kollege Erler, Sie haben weiter von mangelnder Panzerabwehr gesprochen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sei auch das ein Grund für Ihre Ablehnung des Kapitels Feldzeugwesen, jedenfalls ein Grund, den Sie genannt haben. Nun, die beste Panzerabwehr ist immer noch der Panzer selber, dessen Beschaffung Sie aber ablehnen. Dann haben wir die SS-11 eingeführt. Das ist die modernste Raketenlenkwaffe, die es zur Zeit einsatzfähig gibt, ebenso die Kobra, dann eine Gewehrgranate und eine, ich nehme an, zur Zeit an der Spitze dieser Art stehende Entwicklung, die Weiterentwicklung der deutschen Panzerfaust.Sie beklagen sich über mangelnde Panzerabwehr, lehnen aber das Kapitel ab, in dem die noch fehlenden Panzerabwehrwaffen beschafft werden sollen. Wir sind im Begriff, den Kanonenjagdpanzer einzuführen. Darüber wird im Ausschuß bei einem bestimmten Programm noch zu reden sein, und wir beabsichtigen, eine Panzerabwehrwaffe für die Infanterie auf mittlere Entfernungen, bis zu 1000 m, einzurichten. Hier muß ich allerdings sagen, daß das, was zur Zeit verfügbar ist, von uns deshalb nicht beschafft werden kann, weil es bereits am Ende seiner Laufzeit steht, und daß das, was brauchbar und gut wird, noch nicht verfügbar ist, ein Schicksal, das viele Waffenentwicklungen teilen. Hätten wir aber die in den letzten Jahren auf diese Reichweite verfügbaren Waffen eingeführt — ich glaube nicht eine ungerechte Prognose zu stellen oder eine unfaire Unterstellung zu begehen, wenn ich es behaupte —, dann hätten Sie heute gerade auf diese veralteten Einführungen der Bundeswehr hingewiesen.Über die fehlende Standardisierung habe ich gesprochen. Sie haben noch von schlechter Munition gesprochen. Ich weiß nicht, welche Beispiele Sie meinen. Es gab einmal im Zusammenhang mit dem Türkenvertrag Schwierigkeiten bei der Auslieferung. Diese Schwierigkeiten sind auf Kosten der türkischen Regierung beseitigt worden. Was wir in der Zwischenzeit an Lieferungen bekommen haben, ist einwandfrei.Aber Schwierigkeiten bei Munitionslieferungen, seien es Blindgänger, sei es auch einmal eine Fehlentwicklung, die zu Unglücksfällen führt, gibt es leider bei allen auch noch so hochindustriellen Staaten, die eine Munitionsfertigung haben. Wir haben das nicht nur bei der türkischen Munition gehabt.Sie haben ferner angegeben, daß Sie gegen das F-104-Programm stimmen. Ich möchte Sie nicht daran erinnern, daß im Ausschuß damals ein großer Teil Ihrer Fraktion dem Programm zugestimmt hat. Das möchte ich gar nicht als Ausgangspunkt meiner Argumentation nehmen und sagen: Solamen miseris socios habuisse malorum! Gott sei Dank haben wir gemeinsam geirrt.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? —
Ist Ihnen entgangen, daß wir zu diesem Kapitel Stimmenthaltung angekündigt haben, weil wir Wert darauf legen, daß das gesamte F-104-Programm noch einmal sorgfältig überprüft wird? Dazu besteht Anlaß, Herr Minister.
Dann nehme ich zur Kenntnis, daß das das einzige Kapitel ist, bei dem Sie weder ja noch nein sagen. Ich kann nur sagen, wenn wir über die finanzielle Kapazität und auch über die finanzielle Spannweite der Vereinigten Staaten von Amerika verfügten, auch in der Finanzierung unserer Luftwaffe, dann hätten wir sicherlich entweder mehr Typen genommen oder nicht die F 104 genommen; das weiß ich auch.
Aber mit den Mitteln, die wir einerseits in Rechnung stellen konnten und mit den Aufgaben, die wir andererseits gemäß NATO-Planung zu erfüllen haben, mit den Größenordnungen, die wir ohnehin nur nach gewissen Abstrichen bewältigen können, war dieses Programm das optimale. Ein besseres Flugzeug für weniger Geld in größerer Stückzahl ist nun einmal nicht zu schaffen. Das gehört in den Bereich der ja gerade auch in der Kritik an der Rüstungstechnik nicht selten anzutreffenden Phantasie, die aber dann, wenn man den Rechenstift in die Hand nimmt oder wenn man konkrete Entscheidungen treffen muß, im allgemeinen zu verfliegen pflegt. So weit zu konkreten Fragen; ich möchte nur einige Beispiele herausgreifen, weil man dazu ja praktisch unbegrenzt sprechen kann.Mit lobenden Worten haben Sie eine Denkschrift des Bundes der Steuerzahler erwähnt. Ich möchte mich nicht in die Bereiche der allgemeinen Politik verirren, aber die Bitte ausdrücken, daß Sie auch in anderen Punkten ebenso positiv zu allen Denkschriften des Bundes der Steuerzahler stehen, wie Sie es in diesem Fall getan haben.
— Eben. Aber auch ich darf Ihnen meine Meinungsagen, sonst wären wir ja kein Parlament mehr.
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Bundesverteidigungsminister StraußParlare heißt ja reden, und zwar nicht das reden, was einem aufgetragen wird, sondern das, was man für richtig hält.
Sie haben es vielleicht nicht mit Absicht getan, Herr Kollege Erler, und es ist keine Ausflucht von mir, wenn ,ich Ihnen sage, daß mir in gewissen Bereichen eine kräftige, ausreichende, das Problem deckende Antwort auf Ihre Behauptungen deshalb nicht möglich ist, weil man über gewisse Dinge in der Öffentlichkeit nicht sprechen, nicht alle Argumente dafür coram publico darlegen kann.
Es gibt gerade in der Frage — ich gebrauche bewußt den Ihnen sehr bekannten Fachausdruck Contingency planning — auf militärischem Gebiet im Zusammenhang mit der Frage atomarer und konventioneller Waffenverwendung Probleme, die den höchsten Geheimhaltungsschutz haben, die ich aber sehr gern nennen würde, um darzutun, daß das, was wir letztes Jahr vertreten haben, unserem Gewissen entsprang, um uns vor einem Krieg zu bewahren.
Sie haben einige sehr negative Bemerkungen über mich gemacht. Ich werde keine so negativen über Sie machen.
— Was ich kann oder nicht kann, könnte oder nicht könnte, darüber wollen wir nicht leichtfertige Prophezeiungen anstellen.
Ich muß sagen, daß diese Rede nach den Höhepunkten der militärpolitischen und außenpolitischen Auseinandersetzung, die wir schon in diesem Hause erlebt haben, vielleicht in besseren Zeiten erlebt haben, trotz ihrer rhetorischen Brillanz sachlich und menschlich enttäuschte.
Aber ich möchte mich damit 'begnügen.Nun komme ich auf die politischen Probleme zu sprechen, über die ich in dem Zusammenhang sprechen kann. Ich glaube, Herr Kollege Erler, wir kennen uns lange genug, daß .Sie mir nicht unterstellen, ich würde sagen, ich könne aus Geheimhaltungsgründen nicht darüber sprechen, während ich in Wirklichkeit nicht die Fähigkeit hätte, darüber zu sprechen oder meine Argumente darzulegen. Sie behaupten: „Die militärpolitische Konzeption ist im Zwielicht". Nun, Zwielicht pflegt ein Übergangszustand von der Nacht zum Tag und vom Tag zur Nacht zu sein. Man kann aber nicht behaupten, daß Zwielicht manchmal durch Reden so wie durch Lampen etwa beseitigt wird; im Gegenteil, das Zwielicht wird dann eher noch vermehrt.Ich sage jetzt: ich gehe so weit, wie ich bei Behandlung dieses Themas vor dem Parlament und vor derÖffentlichkeit überhaupt gehen kann. Wenn hier von „Zwielicht" gesprochen wird, dann räume ich sehr gern ein, daß es Fragen gibt, in denen wir nicht mit allen Partnern und nicht mit allen Managern der Meinungsmache oder der veröffentlichten Meinung übereinstimmen, weil wir glauben, daß die deutschen Interessen anders liegen, gleichgültig, ob man uns dabei diffamiert oder nicht.
—Darauf komme ich gleich. — Ich darf Ihnen ein konkretes Beispiel dazu sagen. Ich bin nicht der Meinung, daß (der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt deshalb ins Zwielicht gekommen ist, weil er von gewisser, nicht nur kommunistischer, sondern auch Links-Labour-Seite in dieser Weise behandelt worden ist. Ich bin nicht der Meinung, daß er deshalb im Zwielicht ist, und wir kennen manche Hintergründe der Hetze — auch gegen meine Person, auch gegen das, was ich vertreten habe —,
nicht nur als Argumente der Meinungsfreiheit und der edlen Diskussionsbegeisterung; wir kennen sie sehr wohl auch in dem Sinne, daß man mit der Person eine gewisse Sache treffen will.
Wenn es den Begriff der objektiven Phantasie gäbe,
dann möchte ich einmal als fiktiven, hypothetischen Fall darlegen, wie Sie reagiert hätten, wenn mir in Großbritannien genau dasselbe passiert wäre wie Ihrem Freund Willy Brandt.
Ich glaube,
nach dem, was über gewisse Dinge in Norwegen geschrieben worden ist, und nach dem, was in den letzten vier Jahren
— der Ausdruck „negative Symbolfigur" stammt ja von einem Ihrer Freunde! — in die Welt gesetzt worden ist,
— ich werde Ihnen später auf die Frage antworten —
was gesagt worden ist auch damals im Januar 1959 bei diesem Kongreß in Frankfurt, auf dem ja sehr
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Bundesverteidigungsminister Straußverschiedenartige, inkongruente Elemente sich getroffen haben — Sie wissen ja, was ich meine —
— nein, ich meine nicht die SPD! —, diesem Kongreß von 1959, dessen erster Teil in London, dessen zweiter in Frankfurt stattgefunden hat, — da sind doch auch schon gewisse Kräfte und Kreise aufgetreten. Und wenn mir das in Großbritannien passiert wäre, hätte man gesagt: „Ja, kein Wunder! Natürlich! Bei der Verteidigungspolitik, bei der Verteidigungskonzeption ist es ja ganz klar, daß hier protestiert wird."
Denn als ich mehrmals — —
— Sie haben ja auch keine Frage zugelassen. Aber ich lasse sie dann zu. — Als ich mehrmals von „kommunistischer Lenkung" solcher Kampagnen gesprochen habe, da ist man mir sehr indigniert und unwillig in die Parade gefahren: das sei eine Verfälschung des Tatbestandes, das sei eine Simplifizierung, hier würden falsche Schuldige vorgeschoben usw. — Bitte, ich bin bereit, Ihre Frage zu 'beantworten.
Herr Minister, ist Ihnen bei Ihren Ausführungen entgangen, daß, als Sie in Norwegen angegriffen worden sind, nicht nur die sozialdemokratischen Presse in Deutschland, sondern auch am Ort und Stelle unter anderem der Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid sich schützend vor den zu Unrecht angegriffenen Verteidigungsminister gestellt hat?
Ich möchte es nicht so sehr für ,die Presse sagen, wie ich es dem Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Ihrem Parteifreund Carlo Schmid in förmlicher und herzlicher Weise zum Ausdruck gebracht habe, indem ich ihm für seine faire und objektive Haltung gedankt habe.
Wenn Sie im Zusammenhang mit dem Thema „negative Symbolfigur" und dem, was dazugehört, die Erzeugnisse Ihrer parteieigenen oder parteigesteuerten Presse studieren, dann können Sie einfach nicht bestreiten, daß ich mit dem, was ich sage, recht habe. Ich kann Ihnen dazu eine umfassende Dokumentation vorlegen.
— Darf ich fortfahren? Auf diese Weise dauert es viele Stunden!
Man soll das Wort „Zwielicht der militärpolitischen Konzeption" nicht so aussprechen, wie es hier geschehen ist, sicherlich mit der Wirkung — sei es nicht mit der Absicht, aber mit der Wirkung —, das Zwielicht damit eher noch zu verstärken. Es gibt ganz gewisse Kräfte und Kreise — in gewissen ausländischen Staaten, aber auch im Inland —, die mit dieser militärpolitischen Konzeption nicht einverstanden sind und die deshalb alles tun, was sie können, um sie in das Zwielicht zu setzen, falsch darzustellen und in Mißkredit zu bringen. Das kann aber doch uns und besonders mich noch lange nicht dazu bringen, eine andere Haltung einzunehmen, nur tim diesen Vorwurf des Zwielichts zu vermeiden, eine andere Haltung, als sie durch unsere Bündnispolitik, durch die Richtlinien des Bundeskanzlers, durch die Beschlüsse des Kabinetts, durch das Koalitionsabkommen und durch die Regierungserklärung festgelegt worden sind. Dazu werde ich Ihnen heute noch einige Fälle nennen, in denen Sie — ich unterstelle: einer falschen Information unterliegend — hier etwas Unrichtiges gesagt haben.Da ist z. B. die aus einer Wochenzeitschrift wiedergegebene Behauptung, ich hätte mich für den Artikel des Oberst Schmückle in „Christ und Welt" bei General Norstad entschuldigt. Ich habe mit General Norstad über diesen Artikel überhaupt nicht gesprochen. Der Artikel eines Obersten, auch wenn dieser Pressereferent ist, hat nicht den Rang der politischen Bedeutung, daß darüber zwischen General Norstadt und mir eine Unterhaltung notwendig gewesen wäre.
Wir haben uns bei meinem letzten Besuch über wichtigere Dinge unterhalten. Die Behauptung, ich hätte mich bei Norstad entschuldigt, ist frei aus der Luft gegriffen. Kein Wort ist wahr daran.
Oder nehmen wir die Behauptung, es liege ein Kabinettsbeschluß vom Dezember 1961 vor, daß der Verteidigungsminister in der NATO-Konferenz keine Vorschläge machen sollte, und dann habe er als „Avantgardist", „im Alleingang", „vorprellend", „unbeherrscht", „temperamentvoll", „impulsiv", „nicht auf den Kabinettsbeschluß Rücksicht nehmend" trotzdem seine Rede gehalten. Die Rede, die ich dort gehalten habe, ist — nicht in der Formulierung, aber hinsichtlich ihres Tenors und ihrer Forderung — nicht im Kabinett — dort ist überhaupt nicht darüber gesprochen worden —, sondern im Bundesverteidigungsrat in Anwesenheit des Bundeskanzlers und in Anwesenheit des deutschen NATO-Botschafters festgelegt worden, nämlich, Herr Kollege Erler, in der NATO zu sagen, dieses Thema sei noch nicht erledigt, und je länger die Diskussion über dieses Thema umgangen oder vermieden werde — ich meine jetzt die control of nuclear weapons, einschließlich der Frage der Mittelstreckenraketen —, desto unlösbarer werde diese Frage, weil zahlreiche nationale Sonderentwicklungen in der Zwischenzeit immer weitere Fortschritte machten; und deshalb sollten der Außenminister in seiner Weise und der Verteidigungsminister in seinem Metier verlangen, daß im Jahre 1962 darüber die Diskussion geführt,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 939
Bundesverteidigungsminister Straußdaß sie entweder negativ oder mit einem anderen Ergebnis abgeschlossen werde, aber nicht, daß die seit einem Jahr in der Luft hängende und die Gemüter beunruhigende Frage weiterhin freischwebend im Raum bleibe. Der Beschluß des Bundesverteidigungsrates war, die Diskussion in der NATO herbeizuführen, aber zu erklären, daß man bei der Dezember-Konferenz 1961 selbstverständlich keine Entscheidungen erwarte.Genau daran habe ich mich gehalten, und genau das ist der Inhalt und der Tenor und die Forderung meiner Rede gewesen, die im übrigen nicht im Widerspruch zu amerikanischen Stellen gestanden hat, sondern in Übereinstimmung mit Leuten in sehr verantwortungsvollen Positionen, — ohne daß ich sie namentlich hier dafür strapazieren möchte.Der Artikel des Oberst Schmückle wird in der Geschichtsschreibung über den Deutschen Bundestag ebenso wie die Person Schmückles sowohl über seinen Dienstgrad wie über seine bisherige Tätigkeit weit hinausgehende Bedeutung erlangen.
Nun darf ich Ihre Frage beantworten. Der Artikel ist nicht von mir angeordnet worden. Ich habe den Artikel überhaupt nicht gelesen, bevor er erschienen war. Ich habe auch die Gedanken dieses Artikels nicht beeinflußt. Mit einem sächsischen König möchte ich sagen: „Ihr seid mir scheene Demokraten!" Nach dem Soldatengesetz kann dieser Artikel nicht beanstandet werden. Wir haben zum Soldatengesetz eine besondere Ausführungsbestimmung herausgebracht, daß Offiziere Artikel über Dinge, die sie aus öffentlich zugänglichen Quellen kennen, trotz der ihnen auferlegten Einschränkungen frei nach der ihnen vom Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit veröffentlichen dürfen. Ich möchte hier in einer Personalsache nicht pro oder contra Stellung nehmen. Aber es ist gut, wenn sich Offiziere, gleichgültig welchen Dienstranges, mit diesen Fragen befassen, sich eine eigene Meinung bilden und damit die Diskussion anreichern, gleichgültig, ob man mit allem einverstanden ist, was darin steht. oder nicht. Ich bin z. B. mit manchen Passagen nicht einverstanden. Mit manchen Passagen aber bin ich wieder einverstanden. Ich kann nicht sagen, ich billige den Artikel, ich kann aber genausowenig sagen, ich mißbillige ihn. Ich habe mich mit Herrn Schmückle darüber ganz offen unterhalten. Insbesondere habe ich ihm gesagt, eine Formulierung in dem Artikel hätte ich nicht gebraucht.Ich darf Sie aber auf zwei Irrtümer hinweisen, für die Sie sonst, wenn ich sie nicht richtigstellte, dem Hause gegenüber verantwortlich wären, von dem nur ein Teil diesen Artikel gelesen hat. Sie haben zitiert: „Es kann in Europa keinen konventionellen Krieg mehr geben!" Sie haben richtig zitiert, und Sie haben daraus die Schlußfolgerung gezogen: Also die Forderung des Obristen: Selbstmord oder kapitulieren. Herr Erler, das ist falsch; denn Sie müssen nach dem Komma weiterlesen,
auch nach dem nächsten Punkt. Da heißt es:
Es kann in Europa keinen konventionellen Krieg mehr geben, da beide Seiten atomar bewaffnet sind. Auch dort, wo nur mit konventionellen Waffen geschossen wird, sind die Truppen gezwungen, die Taktik der atomaren Kriegsführung anzuwenden. Es gibt grundsätzlich nur noch nichtatomare oder atomare Gefechts- und Kriegssituationen.So lautet der Absatz.
— Das ist etwas ganz anderes.
— Nein! Das kann ich, weil es eine Verflachung der Diskussion wäre, in der Weise nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Solange beide Seiten — ich kann ruhig sagen: leider — diese Waffen haben, solange die Schnelligkeit ihrer Einsatzmöglichkeit und die Unüberschaubarkeit des Entschlusses der anderen Seite die Situation ihres plötzlichen Einsatzes mindestens mit der Wahrscheinlichkeit 50 zu 50 sicher macht, solange wird es vor allen Dingen in Europa, aber auch anderswo in der Welt, keinen Krieg mehr nach konventionellen Rezepten geben, wie der erste und der zweite Weltkrieg ausgefochten worden sind, mit ihren großen Truppenmassierungen, ihren großen Panzeransammlungen und ihren riesigen Materialschlachten. Das hat Schmückle zum Ausdruck gebracht, indem er sagte: Auch in einem Krieg, in dem nur konventionelle Waffen angewendet werden, handelt es sich um die Frage, ob atomare oder nichtatomare Gefechtssituation. Keiner kann sich heute, solange diese Waffen existieren, mehr so verhalten, als ob er mit absoluter Gewißheit mit ihrem Nichteinsatz rechnen könne.
Denn er würde damit — —
— Da steht noch mehr drin; darauf komme ich noch.— Er würde damit der anderen Seite, der Seite, die wir wohl sagen dürfen, des Aggressors — die einzunehmen uns nach ethischen und politischen Gesichtspunkten unmöglich wäre, ist und bleiben wird —, die verlockende Attraktion bieten, durch Einsatz nur weniger atomarer Sprengkörper die eigenen massierten konventionellen Streitkräfte so zu zerschlagen, daß dann auch ein Widerstand mit konventionellen Waffen nicht mehr möglich wäre. Darum sagen wir heute, daß jeder Krieg -- so leid es mir tut, das aussprechen zu müssen — nach den Gesetzen der atomaren Kriegführung durchgeführt würde, gleichgültig ob solche Waffen angewendet werden oder nicht. Das hat Herr Schmückle hier zum Ausdruck gebracht, und da hat er auch das Richtige zum Ausdruck gebracht.
— Er sagt doch: „dort, wo nur mit konventionellen Waffen geschossen wird". Das heißt, er räumt eine Konfliktsituation ein, in der beide Seiten mit Recht
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Bundesverteidigungsminister Straußnur konventionelle Waffen anwenden. Er sagt es doch wörtlich: „Auch dort, wo nur konventionelle Waffen verwendet werden, heißt die Entscheidung: nichtatomare oder atomare Gefechtssituation." Das ist doch deutlich für jemand, der diesen Artikel ohne den Zwang, etwas anderes herauslesen zu wollen, liest und ihn objektiv prüft.Herr Erler, ich darf Ihnen ein Weiteres sagen. Sie haben Herrn Schmückle vorgeworfen, daß er das Ende der großen Panzerschlachten und der großen Kesselschlachten und damit das Ende der Panzerära für gekommen erklärt. Nun, ich darf Ihnen zur Beruhigung sagen, was Sie ja vielleicht auch schon im Verteidigungsausschuß gehört haben oder noch hören werden: daß unsere Vorstellungen auf diesem Gebiet noch mindestens die ganzen 60er Jahre hindurch anhalten werden, daß der Panzer eine unentbehrliche, wesentliche und in gewissen Grenzen auch noch weiterzuentwickelnde Waffe ist, die sogar so weiterzuentwickeln ist, daß man ihr statt der Kanone, der bisherigen Hauptwaffe, eines Tages eine Lenkrakete geben kann; darauf laufen ja alle Entwicklungen hinaus. Aber die Zeit, in der die großen Panzeransammlungen, die großen Panzerdurchbrüche und die großen Panzerschlachten, meistens mit Kesselschlachten verbunden, eine kriegsentscheidende Bedeutung hatten und eine kriegsentscheidende Wirkung hervorriefen, diese Zeit gehört unwiderruflich der Vergangenheit an und wird, falls nicht die modernen Waffen überhaupt zerstört werden, nie mehr wiederkommen. Auch da ist kein Zweifel.Ich darf auf einen dritten Irrtum aufmerksam machen. Wir wenden uns nicht gegen den Begriff „Pause und Schwelle". Hier hat Herr Schmückle sicher etwas gesagt, was mit meiner Meinung übereinstimmt. Wir wenden uns nicht gegen den Begriff „Pause und Schwelle", aber wir wenden uns dagegen, daß der Begriff „Pause und Schwelle" in einer öffentlichen Diskussion fixiert wird. Denn das geht immer auf unsere Kosten, und zwar gleichgültig, welcher Partei wir angehören, und gleichgültig, wo wir wohnen. Das geht auf unser aller Kosten.Und zweitens: Wenn wir die Sicherheit einer Pause und einer Schwelle, gleichgültig, wann und wo sie liegt, wenn wir die Sicherheit, daß sie in jedem Falle angewendet werden wird, geben, meine Damen und Herren — ich bitte mir ein Wort nicht übelzunehmen, das ich in der Haushaltsdebatte Mitte März des letzten Jahres gesagt habe -, dann beschwören wir, obwohl wir das Gegenteil wollen, den konventionellen Krieg in Europa geradezu als unvermeidbares Übel auf uns herab.
Der Sinn einer jeden Verteidigungspolitik kann nur darin bestehen, jedenfalls in Europa mit seiner dichten Bevölkerungsstruktur, mit seinen Siedlungsgebieten, mit seinen Industrieballungen, wo wir empfindlicher und verwundbarer als beinahe jedes andere Land in der Welt sind, den Krieg als Mittel der Politik in jedweder Form mit eine Maximum an Glaubhaftigkeit und an Wirkungskraft überhaupt zu eliminieren.
Darum habe ich mich bei der Kommandeurtagung in Mainz zu der, ich darf sagen, großartigen Formal von Sekretär McNamara bekannt, der sagt: Die atomare Abschreckung muß erhalten bleiben, aber die konventionell Bewaffnung muß dort auftreten, wo die atomare Abschreckung nicht glaubwürdig ist. Wo die Grenze der Glaubwürdigkeit liegt, ist weder in einem Fahrplan, noch in einem festen technischen oder politischen Rezept festzuhalten. Das kann nur der Mann entscheiden, der in der gegebenen Stunde— Gott sei es geklagt — die schwere Verantwortung hat, sich so oder so entscheiden zu müssen. Denn in einem Fall läuft er das Risiko, daß Teile unseres Landes überrannt und, bis es zur Pause kommt, bei politischen Verhandlungen als Faustpfänder benutzt werden. Im anderen Fall nimmt er vor Gott und der Menschheit die Verantwortung dafür auf sich, daß Tausende und Zehntausende und noch mehr Menschen, auch solche, die gar nicht beteiligt sind, unter Umständen durch den Entschluß, den er faßt, zum Tode verurteilt werden. Das ist die Tragik, und darüber kann heute nicht mehr vom Divisionskommandeur oder vom Kommandierenden General, sondern nur an ganz hoher politischer Stelle entschieden werden.Wenn Sie aber in dem Zusammenhang von „Zwielicht" gesprochen haben, wenn gesagt worden ist, das beruhe zum Teil auf Mißverständnissen, zum Teil aber auch auf einer Polemik derer, die etwas anderes wollten, dann sage ich jetzt etwas, Herr Kollege Erler, was Ihnen so bekannt ist wie mir, auch wenn es in dem Hohen Hause noch nie öffentlich ausgesprochen worden ist. Ich weiß nicht, ob Sie sich heute noch zum Rapacki-Plan bekennen würden — ich sage: würden, nicht: bekennen —, unter gewissen Voraussetzungen oder überhaupt nicht. Ich klammere das Thema einmal aus; es wäre eine interessante politische Diskussion. Da aber das— Sie sehen es auch an den Genfer Verhandlungen— nicht im Bereich des politisch Möglichen ist, bleibt in Mitteleuropa, dem Hauptgebiet der Konfrontierung der Gegensätze — das hängt mit der Berlin-Frage und mit den sowjetischen Zielen zusammen — eine taktische atomare Kapazität für alle Streitkräfte erhalten. Ich hoffe, daß die Sprachverwirrung darüber hoffentlich der Vergangenheit angehört, gleichgültig, ob es Amerikaner, Engländer, Kanadier, Belgier, Franzosen oder Deutsche sind. Die Kapazität der Verwendung von Atomwaffen haben alle. Die Kontrolle der Sprengkörper ist etwas ganz anderes. Sie ist so, wie sie zur Zeit ist.Sie wissen, daß Frankreich seinen Boden für die Aufnahme dieser Sprengkörper gesperrt hat. Das darf ich als bekannt unterstellen. Sie wissen, daß Holland und Belgien infolge ihrer geographischen Lage und Größe nicht ,den Bedarf decken können. Sie wissen, daß Dänemark und Norwegen aus guten politischen Gründen — ich möchte das gar nicht polemisch hier aufgreifen — ihre Sonderrolle spielen, ihren Sonderstatus haben. Und Sie wissen genauso gut, daß die Amerikaner nicht bereit sind, ihren Verteidigungsauftrag in Europa ohne Verfügbarkeit atomarer Waffen durchzuführen.Ich darf diese Tatsachen, die ich jetzt genannt habe, als feststehende Faktoren einmal einfügen.
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Bundesverteidigungsminister StraußDas schließt aber doch ein, daß die Mehrheit dieses Potentials auf deutschem Boden
gelagert werden muß. Das haben wir. ja gegen Sie durchgesetzt; ich erinnere an die Debatte vom Mai 1957. Wenn nun aber die Mehrheit dieses Potentials auf deutschem Boden gelagert werden muß und wenn die Bundesregierung den Standpunkt vertritt, gleichgültig, wie die Überschrift heißt — Überschriften kann man viele wählen, sie sind manchmal juristisch nicht mehr definierbar, siehe „NATO — vierte Atommacht" —: Information, Garantie und ein gewisses Mitbestimmungsrecht bei den Spielregeln — ich meine positiver oder negativer Art, und Sie wissen, was ich darunter verstehe —, dann ist es das gute Recht einer verantwortlichen Regierung, ihr Mitwissen und ihre Mitverantwortung für den Fall des Einsatzes oder Nichteinsatzes dieser unabsehbare Folgen auslösenden Waffen sicherzustellen.Das war die Diskussion, die wir mit unseren amerikanischen Partnern in voller Offenheit, in voller Freimütigkeit und, ich darf sagen: mit mehr Toleranz auf der anderen Seite führten, als ich sie oft bei der Behandlung dieser Fragen in gewissen politischen Gremien, auch hier, empfunden habe.
Damit wollte ich diesen Teil eigentlich abschließen und dem Artikel des Herrn Schmückle keine weitere Ehre mehr zukommen lassen. Nur eines möchte ich noch sagen: daß wir das System, den Offizieren einen Maulkorb umzuhängen, das vielleicht anderswo ratsam sein mag, bei uns für unerwünscht und auch nicht für notwendig halten,
und zwar deshalb, weil der Offizier als Angehöriger des Führungskorps einer Streitmacht weder ein Eigenleben politischer Art führen — vielleicht sogar mit negativen Tendenzen gegen den Staat, in dem er lebt —, noch zur politischen Interessenlosigkeit und Urteilslosigkeit erzogen werden soll, daß er sich blind der jeweiligen Regierungsmeinung von vornherein anschließt. Sie sind auch hier in Ihrer Beweisführung etwas gespalten gewesen. Sie kritisieren die Generalsdenkschrift, weil sie in den innenpolitischen Streit eingreife und die Meinung der Regierung durch den Mund der Generäle ausdrücke, was also ein Mißbrauch der Generalität sei.Sie sagen zweitens, der Oberst Schmückle stehe im klaren Gegensatz zur Regierungsmeinung; das sollte sich der Minister nicht gefallen lassen. Ich möchte die Frage der Denkschrift und ihres Mißbrauchs nicht erörtern; denn sie ist ja in der „Information für die Truppe" als Beilage in 50 000 Exemplaren erschienen. Wenn Sie etwas in 50 000 Exemplaren an die Truppe geben und dazu noch Hunderte von Exemplaren an ,andere Stellen geben — —
— Jawohl, aber vorher an den Verteidigungsausschuß, an. Regierung und Opposition, und zwar als offenes Dokument!
— Gleichzeitig!
— Ob 24 Stunden früher oder später, das ist dann auch nicht entscheidend. Ich war nicht da, ich habe es vorher nicht gelesen, das gebe ich zu, weil es Anfang August von Admiral Ruge geschrieben worden war. Admiral Ruge, der dienstälteste Offizier, schrieb mit sachlicher Billigung des Generals Heusinger:Der Auftrag, den wir haben, ist nur durchführbar, wenn wir die allgemeine Wehrpflicht haben. Er ist nur durchführbar, wenn wir Mitglied einer Allianz sind und wenn wir nicht Atomsprengkörper — —Hier muß ich unterbrechen. Wir haben früher unter Atomwaffen immer die Träger verstanden; in der Zwischenzeit hat eine ausführliche terminologische Diskussion stattgefunden, so daß wir hoffentlich zu einer terminologischen Klärung und damit zu einer Einigung über die Terminologie kommen. — Ich verlese weiter:— — und wenn die Verbände der Bundeswehr, die ja immerhin Hunderte von Kilometern Linie entlang des Eisernen Vorhangs zu halten haben, mit diesen Waffen ausgerüstet sind.Wenn all das ein führender Soldat sagt, kann man das nicht deshalb ablehnen, weil es zufällig mit der Regierungsmeinung übereinstimmt, sondern hier ist das Verhältnis von Ursache und Wirkung anders. Die Regierung hat die sachlichen Notwendigkeiten von vornherein, auch wenn sie wenig angenehm und populär waren, anerkannt und hat entsprechend gehandelt. Sie haben zeitweise versucht, gegenteilig zu handeln. Dafür dürfen Sie aber nicht den Admiral Ruge verantwortlich machen. Ich glaube, es wäre besser, entweder zu sagen: „Schwamm drüber", oder an die eigene Brust zu klopfen.
Sie haben auch einige persönliche Worte gesagt, auf die ich nicht — weder was meine, noch was Ihre Person anbetrifft — in dieser Weise erwidern will. Aber das war es, was ich vorhin meinte, als ich sagte, es sei persönlich oder menschlich enttäuschend; denn, Herr Kollege Erler, Sie haben einmal in diesem Hause einen Ausspruch getan — ich möchte ihn nicht wiederholen —, für den Sie sich anschließend und in einer entsprechend modifizierten Form entschuldigt haben. Es ist auf diesen Ausspruch nie mehr zurückgegriffen worden. Sie wissen, A oder B; ich nenne jetzt bewußt gar nicht einmal die Namen, weil ich sie gar nicht zusammen nennen will. Wenn ich — um diese unerfreuliche Diskussion abzuschließen, um aus der Schwierigkeit herauszukommen — sage, daß man ein Staatsamt und ein Parteiamt haben kann und daß es ein Formfehler war, dann sollte man das nicht in dieser Weise auszuschlachten versuchen, das darf. ich wirklich sagen.
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942 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
Bundesverteidigungsminister StraußDas sollte man um so weniger tun, als ja auch Ihnen bekannt ist, daß mein Anruf nach Durchführung der richterlich angeordneten Aktion erfolgt ist, und zwar viele Stunden nachher. Ich wußte, daß das durchgeführt worden war; mir war das Ergebnis bekannt; das war negativ verlaufen. Ich möchte die Dinge auch nicht noch einmal im einzelnen behandeln. Aber wenn ich als Vorsitzender einer Regionalpartei verständigt werde, daß so etwas läuft, dann gebieten mir schon meine Verantwortung und mein Gewissen, mich persönlich über das zu informieren, was da vor sich geht, und mich nicht nur bei meinen politischen Freunden, sondern auch bei der anderen Seite, die diese Aktion für notwendig gehalten hat, zu erkundigen. Ich habe doch von diesen ganzen Vorgängen überhaupt nichts gewußt. Ich bin hier am Telefon davon überrascht worden, daß so etwas behauptet worden ist und daß bestimmte Akten gesucht werden — es gab sie dann nicht. Wenn ich mich dann auf schnellstmöglichem Wege um Klärung bemühe und, nachdem bei der Klärung ein Formfehler begangen ist — den ich hätte erläutern oder abschwächen können —, ich diesen Formfehler hier offen zugebe, Herr Erler, dann sind wir unter dem zwischen uns seit Jahren gepflogenen Niveau, wenn das in Zusammenhang mit einer Haushaltsrede angeführt wird.
Ich bin hier in einer schlechteren Position, weil Sie nicht .aus der bayrischen SPD stammen. Denn sonst könnte ich auch einmal nach einigen Dingen fragen, die diner Klärung bedürftig sind: wieso offizielle Dokumente in parteipolitischen Veröffentlichungen erscheinen, obwohl sie einer vertraulichen dienstlichen Korrespondenz der Justizbehörden entstammen, usw. Ich möchte die Frage nicht stellen; wir haben hier heute wichtigere Dinge zu tun.Glauben Sie mir, Herr Kollege Erler, die politischen Parteien verfallen alle entweder einem guten oder gemeinsam einem schlechten Schicksal. Wenn hier nicht gewisse Grenzlinien eingehalten werden, die in der Weimarer Republik aus Schadenfreude von manchen Seiten überschritten worden sind - -
— Daran denke ich schon deshalb, weil der Kampf bereits vier Jahre vorher laufend gegen mich geführt worden ist.
Herr Kollege Erler, Sie haben, indem Sie Dokumente aus einer längeren Zeitperiode zitierten, die Frage angeschnitten, ob denn die Regierung überhaupt eine geradlinige Verteidigungspolitik habe. Oder umgekehrt: Sie haben gesagt, die Verlautbarungen der Regierung — Kanzler, Außen-, Verteidigungsminister, einzelne sonstige Persönlichkeiten — seien ein Musterstück nicht für eine geradlinige, sondern für eine Zickzack-Verteidigungspolitik. Dem muß man entgegenhalten, daß heutedie Entwicklungen aus politischen und technischen Gründen viel schneller verlaufen als früher. Man kann also, was die Frage, wie man es technisch am besten macht, anlangt — nicht die Grundsätze des Ja oder Nein, die lange Zeit zwischen uns umstritten waren —, sehr wohl Zitate aus einer früheren Zeit heute für die Widerlegung eines Standpunktes benutzen, der gar nicht mehr widerlegt zu werden braucht.Es war wohl der Kollege Kliesing, der mit Recht gesagt hat, daß der Artikel von Herrn Schmückle immerhin beachtliche Bestandteile des britischen Weißbuchs von 1957/58 enthält, und zwar die Bestandteile, die auch heute noch Gültigkeit haben. Wir sind mit den Briten, den Franzosen und nach langen Unterhaltungen mit den Amerikanern einig geworden, wo — nicht im technischen, ,sondern im zeitlichen Sinne — etwa die Grenze liegt. Hätten wir nicht trotz des Vorwurfs der Zwielichtigkeit, trotz der Mißverständnisse und trotz der zum Teil absichtlich erfolgten Unterstellungen den deutschen Standpunkt — wo es ja um unser Leben, unsere Menschen, unser Land geht — mit aller Hartnäckigkeit vertreten, dann wäre die Einigung, die erzielt worden ist, für uns nicht so mit gutem Gewissen anzunehmen, wie wir es heute tun können. Dafür sind wir ja Partner in einer Allianz, daß wir uns auseinandersetzen, nicht zerstreiten. Wir liefern den großen Beitrag zur NATO mit 15 Milliarden DM, 370 000 Mann, all den Schwierigkeiten, Opfern und Belastungen, die wir auf uns nehmen. Aber wenn wir schon einen sehr großen Beitrag — der zwar relativ zum amerikanischen mit seinen 200 Milliarden DM klein ist — innerhalb der NATO stellen, dann wollen wir auch über die Kriegskonzeption in dem 'hauptsächlichen Spannungsgebiet der Welt in Zusammenhang mit Berlin informiert sein, unsere eigene Meinung sagen und unsere Interessen auf den Tisch legen können.
Wir haben im Prinzip eine geradlinige Verteidigungspolitik getrieben. Wir haben sie jeweils den organisatorischen, den technischen Entwicklungen und dem politischen — ob man das Wort „Fortschritt" in diesem Zusammenhang gebrauchen kann, möchte ich .als zweifelhaft bezeichnen —, sagen wir lieber, dem technischen Fortschritt und der politischen Entwicklung angepaßt. Es ist das Wort vom Musterstück für eine geradlinige Verteidigungspolitik gefallen. Sie stehen damit in einer schlechten Position, die nur dadurch besser geworden ist — es wäre unfair, das nicht zu sagen —, daß wir zum erstenmal seit langer Zeit in diesem Jahre in diesem Hause erlebt haben, daß in Ihrer Fraktion nicht ein einstimmiges Nein zu einer Militärvorlage gesprochen worden ist, sondern daß die Führung Ihrer Fraktion eine große Mehrheit Ihrer Fraktion für eine unpopuläre Maßnahme hinter sich bringen konnte. Das auch im Zusammenhang mit einer kritischen Rede hier gesagt zu haben, empfinde ich also genauso fair unid notwendig, wie ich vorher einige kritische Anmerkungen zu Ihren Äußerungen gemacht habe.
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Bundesverteidigungsminister StraußIch möchte hier auch nicht falsche oder richtige Motive zu finden versuchen. Sie lehnen hier dieses und jenes ab. Sie stellen Person und Politik des Verteidigungsministers, sogar zum Teil in Trennung von der Regierung, als Motiv für Ihr Nein hin. Ihnen geht es genauso, wie es der britischen Labour-Party gegangen ist, die jahrelang in einer sehr gefährlichen Weise zerrissen war und bei der auch heute noch eine vernünftige Führung gegen eine gewisse Gruppe kämpft. Daß Sie dieser Gruppe weitgehend im Lande Rechnung tragen müssen, ist, was ich Ihrer Rede mehr zugute halte, als daß mich der Ärger aufregt, ,den ich mit ihr hatte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 14 hat im letzten Haushalt noch ein Viertel des Gesamthaushalts ausgemacht. Er macht jetzt ein Drittel ,des Gesamthaushalts aus. Ich will nur zu drei wichtigen Fragen Stellung nehmen, und zwar zur Frage des Feldzeugwesens, zur Frage des Flugzeugbeschaffungsprogramms und zur Unterbringungsfrage. Ich darf mit der letzten beginnen.Das Verteidigungsministerium und die Bundesregierung haben in der Pause zwischen den beiden Legislaturperioden die Bauabteilung des Schatzministeriums, die sich mit dem Unterbringungswesen beschäftigt, entgegen früheren Absprachen und Aussprachen vom Schatzministerium an das Verteidigungsministerium angegliedert. An und für sich ist auch beim Schatzministerium nicht ,der richtige Platz, sondern diese Abteilung müßte zum Finanzministerium gehören. Wir haben uns im Haushaltsausschuß mit dieser Maßnahme beschäftigen müssen. Wir haben uns nicht nur mit der organisatorischen, sondern auch mit der sachlichen Frage beschäftigen müssen; denn nun ist das Verteidigungsministerium in Fragen der Landbeschaffung, in Fragen der Baupreise entscheidende Stelle in eigener Sache.Das hat sich zum Teil bereits sehr unangenehm ausgewirkt. Es konnte nicht bestritten werden, daß Baulandpreise gezahlt werden, die außerhalb jedes Verhältnisses stehen. Es konnte nicht bestritten werden, daß Baupreise gezahlt werden, die außerhalb des in der Verdingeordnung für öffentliche Bauten gesteckten Rahmens liegen. Wir werden uns bei anderer Gelegenheit damit wieder zu befassen haben. Es wird eingewandt, das ganze Bauvolumen mache ja nur 3,9 % der Kapazität im Hochbauwesen aus. Diese Zahl trügt. Denn es handelt sich um die Konzentrierung von Baumaßnahmen, es handelt sich insbesondere um die Konzentrierung von Baumaßnahmen in Ballungsräumen und vor allem in Großstädten. Dort tritt es außerordentlich preissteigernd in Erscheinung, wenn Baulandpreise und wenn Baupreise — man könnte schon beinahe sagen, denn es gibt einige Beispiele dafür — ohne jede Rücksicht gezahlt werden. Wir haben Unterlagen darüber,Herr Minister, daß Verkäufer nur auf gut Glück mal einen Preis nennen und dann überrascht sind, daß dieser Preis ohne weiteres akzeptiert wird.
— Dazu sind wir in der Lage. Ich darf mich auch auf Ihren Kollegen Windelen berufen, der das im Haushaltsausschuß selber berichtet hat. Herr Kollege Leicht, ich lege das sehr gern vor. Ich darf nur Ihren Kollegen Windelen bitten, dann zu dem zu stehen, was er dort gesagt hat — mit Roß und Reiter, wie man so schön sagt, Herr Kollege Leicht. Der Herr Vizekanzler hat gestern erklärt, daß man auf dem staatlichen Bausektor 20 % einsparen will. Wir sind da sehr mißtrauisch. Wir schlagen vor, de facto bei den Bauvorhaben der Bundeswehr im ganzen 10 % tatsächlich einzusparen, also von den 1,2 Milliarden 120 Millionen DM, und zwar handelt es sich um 50 Millionen DM bei den Kasernenneubauten, um 25 Millionen DM bei den Instandsetzungen der militärischen Liegenschaften, um 20 Millionen DM bei Luftwaffenanlagen und um 25 Millionen DM — darüber sollten wir uns wirklich einig sein — bei dem Bau von Dienstgebäuden. Die Titel sind untereinander deckungsfähig. Es wird sich, wenn wir diese 120 Millionen DM Kürzung beschließen, praktisch gar nichts ändern; die militärisch notwendigen Maßnahmen werden durchgeführt werden können. Es wird keinerlei Verzögerung eintreten. Das wissen wir aus der seitherigen Durchführung der Bauvorhaben und das wissen wir, wenn wir an den Gesamtumfang der Bauten denken. Wenn Sie, meine Herren von der CDU/CSU, sonst jeden Antrag von uns abgelehnt haben, dann sollten Sie, meine ich, diesem Antrag, der eine Kürzung bedeutet, Ihre Zustimmung nicht versagen, insbesondere deshalb nicht, weil Sie gestern selber ankündigten, daß Sie 20 % einsparen wollten. Diese Ankündigung wird sehr unglaubhaft, wenn Sie dann einer 10%igen Kürzung Ihre Zustimmung versagen. Das wird Ihnen niemand abnehmen, und wenn es Ihnen niemand abnimmt, ist die Ankündigung der 20%igen Einsparung konjunkturpolitisch nichts wert Sie haben nun zu bekennen, ob Sie auch tatsächlich willens sind, die Konsequenzen daraus zu ziehen.Ich darf zum zweiten großen Sektor kommen, zum Kapitel 14 19, zum Flugzeugbeschaffungsprogramm. Mein Kollege Erler hat schon darauf hingewiesen, daß wir hier einige Sorgen haben. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß wir uns vor zwei Jahren hier in diesem Hause und in den Ausschüssen, im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß, über die Anschaffung des Starfighter unterhalten haben. Damals wurde erklärt, es sei ein voll entwickeltes, zu Ende entwickeltes Flugzeug, es sei möglich, es zum Mehrzweckflugzeug auszubauen. Hier in diesem Hause wurde von uns die Frage gestellt, ob auch gewissenhaft genug geprüft worden sei, ob ein derart umgebautes Flugzeug überhaupt noch einsatzfähig ist. Im nichtöffentlichen Haushalt sind sehr hohe Summen — die ich hier nicht nennen kann, nicht nennen darf — für die Entwicklung gerade dieses Starfighter ausgeworfen. Wir wissen, daß es noch Jahre dauern wird, bis mit einer Auslieferung dieses Starfighter zu rechnen ist, und wir wissen auch, daß in der Zwi-
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Dr. Schäferschenzeit schon ganz andere Entwicklungen laufen, die möglicherweise diesen ganzen Starfighter überflüssig machen. Wir haben Grund, heute das Verteidigungsministerium zu fragen, ob die damaligen Angaben richtig waren, ob die damaligen Bestellungen und die Verträge über den Nachbau mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt gemacht worden sind.Ich darf hier ganz konkrete Fragen stellen, bei denen ich weiß, daß sie nicht hier im Plenum des Bundestages in aller Ausführlichkeit behandelt werden können. Wir wissen, daß einige dieser Fragen in vertraulicher Sitzung der entsprechenden Ausschüsse behandelt werden müssen.Herr Minister, ich darf fragen: Wie viele Entwicklungskosten sind bis zur Fertigstellung dieses Flugzeugtyps noch erforderlich? Der erste Ansatz ist da. Aber es wurde gleich dazu erklärt: Das ist nur ein erster Ansatz, weitere Ansätze werden folgen. Nach den Erfahrungen, die wir in der Zwischenzeit gemacht haben, sind es sehr hohe Kosten. Wann wird der Starfighter 104 G fertiggestellt sein, Herr Minister? Entspricht dieser Flugzeugtyp heute noch den militärischen Anforderungen der NATO, und entspricht er überhaupt den militärischen Anforderungen? Wieviel technisches Personal wird zur Wartung der F 104 G benötigt? Steht deutsches Wartungspersonal ausreichend zur Verfügung, und welche Kosten entstehen für die Ausbildung dieses Personals und für das Personal selbst? Wie lange dauert das Umrüsten dieses Mehrzweckflugzeugesauf einen anderen Verwendungszweck? Wie hoch sind die Folgekosten durch Errichtung von Schutzbunkern für das einzelne Flugzeug? In welchen Höhen kann die F 104 G ohne Bodenstörungen mit dem Nasarr-Gerät operieren? Und eine sehr wichtige letzte Frage: Liegt diese Flughöhe außerhalb des Bereichs der Zielhöhe sowjetischer Abwehrraketen, von denen die entsprechende Treffsicherheit bekannt ist?Wir befürchten daß Vorgänge der letzten Jahre auf dem Beschaffungssektor noch nicht dazu geführt haben, daß solche Milliarden-Beschaffungsprogramme mit der entsprechenden Gründlichkeit durchgeführt werden. Herr Minister, wir sind der Meinung, daß jede Mark — wie es mein Freund Erler heute schon gesagt hat —, die hier vergeudet wird, eine Schwächung unserer deutschen Verteidigungskraft bedeutet. Das ist der Grund unserer Sorgen und unserer Fragen, ob hier auch alles richtig gemacht worden ist. Wir können deshalb — meine Damen und Herren, das werden Sie verstehen —, solange so entscheidende Fragen nicht geklärt sind, einem solchen Kapitel nicht zustimmen und enthalten uns der Stimme.Ich darf aber auch zu Kap. 1415 — Feldzeugwesen —, das wir ablehnen, einige wenige Bemerkungen machen. Ich habe von dieser Stelle aus vor drei Jahren dem Herrn Minister einige Fragen über ein Munitionsbeschaffungsprogramm gestellt. Er hat damals gesagt, ich redete in Rätseln. Wenige Tage später hat dann ein deutsches Nachrichtenmagazin veröffentlicht, um was für Rätsel es sich gehandelt hat. Die Informationen waren nicht von mir, HerrMinister. Wir können über dieses Kapitel hier nicht in aller Öffentlichkeit sprechen. Es sind einige Seiten, und zwar entscheidende Seiten, im Geheimhaushalt, die sich damit beschäftigen. Wir respektieren die Geheimhaltungspflicht. Aber gerade weil wir sie respektieren müssen, Herr Minister, können Sie nicht in dieser Weise, wie Sie es vorhin getan haben, unser Nein dazu als ein verstecktes Nein zur Verteidigung hinstellen. Denn wir können über geheimzuhaltende Dinge hier nicht in der Öffentlichkeit sprechen. Wir hätten sonst einiges zu diesen drei Seiten im Geheimhaushalt zu sagen.Mein Freund Erler hat darauf hingewiesen, daß wir eine Gesamtkonzeption vermissen. Wir können Ihre Ausführungen über die Typen nicht als erschöpfend bezeichnen. Im Haushaltsausschuß wurde von Ihren Beamten selber vorgetragen, der Einfluß Ihres Hauses sei zu gering, um eine Typenbereinigung zu erreichen. Wir wissen, daß einiges auf diesem Gebiet geschieht. Aber ohne die notwendige Nachprüfungsmöglichkeit — und die haben wir nicht — haben wir nicht genügend Vertrauen zu diesen vielen Käufen, bei denen sich nachträglich wiederholt herausgestellt hat, daß sie in der Weise, wie sie durchgeführt worden sind, sachlich nicht gerechtfertigt waren, und mit denen — Herr Minister, das wissen Sie besser als wir — auch viele düstere Provisionsgeschäfte verbunden sind.Wenn diese Fragen nicht im einzelnen geklärt und ausgeräumt sind und wenn uns nicht eine klare Gesamtkonzeption vorgelegt werden kann, dann müssen Sie dafür Verständnis haben — wenn Sie es nicht haben, bedaure ich das —, daß wir diesem Kapitel nicht zustimmen können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Leicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schäfer ging es um drei Punkte, erstens um das Feldzeugwesen, das er zum Schluß behandelt hat. Dazu kann ich mir, glaube ich, Ausführungen ersparen, da meiner Meinung nach der Herr Minister die Argumente, die die Opposition vorgebracht hat, um diesem Kapitel nicht zuzustimmen, in überzeugender Weise ausgeräumt hat. Es sind Konzeptionen da, Herr Kollege Schäfer, und Sie haben Gelegenheit und Möglichkeiten genug, diese Konzeptionen zu erfahren. Wenn Sie Andeutungen machen, daß hier Provisionen gezahlt würden und was weiß ich für Dinge geschähen, die nicht in Ordnung seien, dann bitte ich Sie, auch hier Roß und Reiter zu nennen. Sie wissen, daß diese Dinge bisher in allen Fällen vom Verteidigungsministerium in Ordnung gebracht worden sind, wenn sie vorgekommen sind.Der zweite Punkt war die Frage des Flugzeugwesens. Hierzu hatten wir uns in den Ausschußberatungen, vor allem im Haushaltsausschuß, dahin geeinigt, daß das Programm, das nun vor allen Dingen in der Frage des Starfighters zu einer gewissen Umstellung gekommen ist, nach den Haushaltsberatungen noch einmal im Haushaltsausschuß einge-
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Leichthend geprüft werden soll. Im Verteidigungsausschuß ist es zum Teil überprüft worden und wird auch dort noch weiter beraten werden. Wir werden dann genügend Gelegenheit haben, uns darüber zu unterhalten. Aber man kann deshalb meiner Meinung nach nicht die Geldmittel streichen, zumal wir gemeinsam festgestellt haben, daß gerade dies der Titel ist, der auch in diesem Jahr wahrscheinlich noch viel mehr Geld braucht, als bereits vorgesehen ist.
— Lassen Sie mich doch mal die Ausführungen zu Ende bringen; wenn Sie mir (die anderen Zahlen dann bringen, können wir uns darüber unterhalten. Ich glaube nicht, daß Sie in der Lage sein werden, sie im Augenblick zu nennen. In diesem Zeitraum von einem Jahr ist für die Bundeswehr und für die NATO in 2385 Einzelfällen eine Fläche von 3727 Hektar beschafft worden. An Entgelten wurden rund 621/2 Millionen DM gezahlt. Das ergibt einen runden Durchschnitt von 1,46 ,DM je Quadratmeter.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte schön.
Herr Kollege Leicht, wollen Sie denn die Beschaffung von Bauland und die Beschaffung von Übungsgelände auf Übungsplätzen gleichstellen, das Ganze zusammenzählen und dann dividieren?
Nein, das will ich nicht, Herr Kollege Schäfer. Aber Sie werden aus der Zahl von 1,46 DM oder einer anderen Zahl, die sich bei den Stationierungskräften ergab, von 1,20 DM, erkennen können, daß der Preis für Bauland plus Übungsplätze, im Schnitt genommen, nicht zu hoch ist.
Zu den Baupreisen, die Sie beanstandet haben, wäre vielleicht folgende kurze Bemerkung zu machen. Die Zahlen der Baukapazität haben Sie genannt. Ich bin auch der Meinung, daß man die Dinge regional unterscheiden muß, weil in der einen Gegend der Bau einer Kaserne oder sonstiger Anlagen eine Anheizung der Konjunktur bedeuten kann, während das in den übrigen Bereichen nicht der Fall zu sein braucht. Man kann also nicht generalisieren, sondern muß die Verhältnisse regional betrachten.Sie haben einen Änderungsantrag gestellt, den Sie gleichzeitig hier begründet haben. Darin haben Sie Streichungen von rund 115 oder 125 Millionen DM beim Kap. 14 12 beantragt. Sie wissen, daß beabsichtigt ist, durch § 8 des Haushaltsgesetzes die 20 %ige Sperre für alle Bauten einzuführen, d. h.
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Leichtder Bundesregierung die Ermächtigung zu dieser Sperre zugeben und je nachdem, wie die Konjunktur läuft, im Einzelfall die Maßnahmen durchzuführen. Wir halten diese Möglichkeit, die der Regierung auch für diesen Sektor gegeben wird, für völlig ausreichend und sind deshalb nicht ,der Meinung, Ihren Anträgen zu Kap. 12 zustimmen zu können, weil wir andererseits glauben, daß vor allen Dingen für den Kasernenbau manches zu tun ist. In diesem. Jahr 1962 wird im Einzelplan 14 bei „Unterkunft" kein höherer Betrag verwendet werden können, weil er nicht höher ist als im vergangenen Jahr 1961. Das wissen Sie auch. Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir tratz der vorgerückten Stunde noch ein paar kurze Bemerkungen.Zunächst halte ich es für ein etwas abenteuerliches Verfahren, einen Geländedurchschnittspreis für Bauland und Truppenübungsplätze zu bilden. Das ist so, als wenn wir etwa bei der Bundeswehr einen Durchschnittspreis für die Ernährung bildeten, indem wir den Kilopreis für Kartoffeln und Kaviar auf einen gemeinsamen Betrag bringen.
— Na sicher! Das kann man einfach nicht miteinander vergleichen: in großstädtischen Ballungsräumen und dann in der halben Wüste. Das sind einfach keine vergleichbaren Preise; es tut mir leid.Dann ein Zweites, damit Klarheit besteht, daß es hier nicht um den Geldansatz für die Verteidigung und die Notwendigkeit der Höhe dieses Geldansatzes geht. Wir haben einen einzigen Kürzungsantrag gestellt, und zwar .dort, wo eigentlich nach menschlichem Ermessen sogar bei den jetzigen Ansätzen davon ausgegangen werden kann, daß sie gar nicht verausgabt werden können. Ich glaube nicht, daß man ,der Bundeswehr irgend etwas Sachliches wegnimmt. Wir sind uns alle darüber klar, daß das Kasernenbauprogramm im wesentlichen durchgeführt werden muß, daß wir die Mittel dafür brauchen. Die Kürzung dort ist so geringfügig, daß sie nicht einmal das Ausmaß dessen annimmt, was der Wirtschaftsminister allgemein an Kürzungsvolumen für die öffentliche Hand vorgesehen hat; und da kann ,eben der Verteidigungshaushalt nicht völlig tabu bleiben, wenn wir draußen in der Bevölkerung ernst genommen werden wollen.Bei den umstrittenen Kapiteln — um auch das klarzumachen — haben wir keine spezifizierten Kürzungsanträge gestellt. Da geht es vielmehr um ein Nein dort, wo politische Meinungsverschiedenheiten, Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Grundkonzeption, in der Frage des Vertrauens zur Bundesregierung und Unklarheiten über die wirklich zugrunde liegende Planung bestehen; um nichts anderes.Nun noch ein Wort zu den Bemerkungen des Herrn Ministers. Es hat mich — so wie er wahrscheinlich sich von mir verletzt gefühlt hat - auch etwas verletzt, daß er hier einfach unterstellte, daß, wenn ihm etwas geschehen wäre in London wie dem Bürgermeister Brandt, wir wohl die Schuld mehr beim Verteidigungsminister gesehen hätten. Meine Damen und Herren, ich bin selber im Ausland gewesen, und zwar sehr oft. Ich habe in Versammlungen der britischen Arbeiterpartei gesprochen und habe genau wie andere meiner Partei jeden ungerechtfertigten Angriff auf die Bundesregierung und jede Entstellung ihrer Absichten zurückgewiesen.
Wir haben hier Auseinandersetzungen in vielen Fragen; aber wir dürfen es nicht zulassen, daß kollektiv das ganze deutsche Volk in der Welt draußen als Kriegsbrandstifter mißbräuchlich dargestellt wird. Dem müssen wir uns gemeinsam widersetzen, und das habe ich auch getan, und das tut unsere ganze Partei, auch soweit es um den Verteidigungsminister geht.
Jawohl! — Wir sind in vielen Dingen anderer Meinung, meine Damen und Herren. Das muß man aussprechen können. Auch der Verteidigungsminister ist doch in seinen Wahlkämpfen nicht gerade zart besaitet im Umgang mit Andersdenkenden; das kann doch keiner behaupten. Und deswegen war also dies ein bißchen daneben.Aber ich meine etwas ganz ,anderes. Ungerechtfertigte Angriffe von der falschen Seite können immer kommen, und dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren. Was aber nicht einreißen darf, ist dies: daß derartige ungerechtfertigte Angriffe von der falschen Seite umgemünzt werden in einen Grund, sich im übrigen nicht mehr der Kritik bei uns stellen zu wollen. So geht es nicht. Man kann nicht unter Denkmalschutz gestellt werden, weil die Kommunisten irgendwelche Angriffe gegen einen richten, sondern man muß in der Demokratie die freie kritische Auseinandersetzung auch dann durchführen können, wenn die da drüben mit ihrem Geheul das eine oder andere beitragen. Sonst ersticken wir die freie Aussprache in unserem Volke überhaupt und lassen uns von denen drüben den Ton hier mehr oder minder vorschreiben. Für eine solche Kritik ist nun einmal die Haushaltsdebatte nach altem parlamentarischem Brauche der richtige Ort.Noch ein Wort zur Meinungsfreiheit für Soldaten! Das ist gar nicht der entscheidende Punkt, sondern der entscheidende Punkt ist doch der, daß es sich bei dem Soldaten, der sich hier so weit vorgewagt hat, nicht um irgend jemanden, sondern um den sonst als amtlichen Sprecher des Verteidigungsministeriums auftretenden Mann handelt. Das bedeutete doch die Gefahr einer Mißdeutung der Absichten der Bundesregierung, der man unterstellen konnte, daß diese Auffassungen mit denen der Regierung identisch seien. Natürlich, denn der Sprecher des Verteidigungsministeriums wird in seinen Äußerungen ernster genommen als irgendein anderer Beamter oder Offizier. Deswegen mußte gerade hier die Tragweite seiner Äußerungen sorgsam abgewogen werden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 947
ErlerIch habe Verständnis für die Solidaritätskundgebung, die Sie dem angegriffenen Minister entgegengebracht haben. Das ist selbstverständlich, ich habe gar nichts anderes von Ihnen erwartet. Aber daß Sie in der Abwehr dann zu einer völlig seltsamen Darstellung der inneren Verhältnisse im der Sozialdemokratischen Partei gekommen sind, hat mich ein bißchen verwundert. Da möchte 'ich gleich eine kleine Legende richtigstellen. Ich rede im Bundestag nicht anders als in meiner Partei; das können Sie nachprüfen. Ich habe keine zwei Zungen. Ich trete also auch mit denselben Auffassungen vor meine politischen Freunde, und wir diskutieren lebhaft. Da finde ich nicht immer ungeteilte Zustimmung. Aber Sie haben ein völlig falsches Bild von den inneren Verhältnissen meiner Partei, wenn Sie etwa glauben, jedes Zitat aus einer kritischen Stimme, z. B. aus unserem Bezirk Hessen-Süd, beweise gleichsam, welche Massenströmung gegen die Verteidigungspolitik der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion draußen im Land herrsche. Denn nach den kritischen Stimmen kamen die Abstimmungen, und — falls es Sie interessiert — der Bezirk Hessen-Süd der Sozialdemokratischen Partei hat mit überwältigender Mehrheit die Zustimmung der Bundestagsfraktion zur Verlängerung des Grundwehrdienstes auf 18 Monate gutgeheißen. Das zu wissen ist doch immerhin ganz nützlich. Also spekulieren Sie nicht auf Dinge, von denen Sie eines Tages sicher sehr enttäuscht werden! Denn ich weiß, daß natürlich ein der Verteidigung ablehnend gegenüberstehender Sozialdemokrat für Ihre Wahlkämpfe eine viel nützlichere Figur darstellt als ein Sozialdemokrat, der es ehrlich mit der Landesverteidigung meint.
Aber diesen Gefallen können wir Ihnen nicht erweisen. Sie werden den kommenden Parteitag der Sozialdemokratischen Partei ja auch verfolgen. Ich bin sicher, daß unser Parteitag mit sehr beachtlichen Mehrheiten die von unserer Fraktion eingeschlagene Politik bestätigen wird. Aber das brauchen wir gar nicht lange abzuwarten, — Ende Mai sprechen wir uns wieder.
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich betrachte die zweite Rede des Kollegen Erler nicht als einen Anlaß, nochmals zu sprechen. Aber der Kollege Schäfer hat mich mit einigen Fragen aufgefordert, einige Worte zu sagen. Falls sie nicht gesagt würden, wäre die Gefahr nicht ganz von der Hand zu weisen, daß es in absehbarer Zeit hieße: Wir haben ja gefragt und haben keine Antwort darauf bekommen.
Ich möchte dabei von vornherein sagen, daß einige Fragen, die Kollege Schäfer mir gestellt hat, in diesem Kreise nicht beantwortet wenden können.
Ich erkläre mich bereit, im Verteidigungsausschuß, sei es selber, sei es durch die zuständigen Experten ziviler, technischer oder militärischer Art, die Antworten zu geben bzw. geben zu lassen, z. B. auf die Fragen: Wieviel technisches Personal, wie lange dauert die Ausbildung, wie ist der gegenwärtige Stand der Erfüllung des Bedarfs? Angaben dieser Art in der Öffentlichkeit würden nur der falschen Seite dienen; vielleicht weiß sie sowieso alles. Dazu gehört auch die Frage, wie lange die Umrüstung der ,F 104 von einem Verwendungszweck auf den anderen dauert. Ich lasse also diese Fragen gleich beiseite.Darum kann ich mich auf einige nicht 'so delikate Probleme beschränken. Zunächst der Preis für Grundstücke! Ob Sie mich deshalb tadeln oder kritisieren, ob Sie mich tadeln oder zu verstehen versuchen: ich habe immer auf meine Beamten gedrückt, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bei dem Ankauf oder bei der Enteignung von Gelände nicht kleinlich zu sein. Ich weiß, wie tief der Stachel heute noch bei denen sitzt, die in den Jahren 1936 Ibis 1940 Boden haben abgeben müssen und entweder keine oder später eine Entschädigung in wertloser Reichsmark bekommen haben.
Mein Gesichtspunkt war nichtparteipolitisch bedingt, sondern er hing mit der Überlegung zusammen, daß der Aufbau der Verteidigung — heute sagt man: die Aufrüstung — nicht von vornherein mit dem Brandmal der Enteignung, der Konfiskation oder der bürokratisch-schikanösen Handhabung beim Landerwerb verbunden sein sollte. Wenn ich mir die Petitionen überlege, die ich aus diesem Bereich bekommen habe — wobei ich jetzt nicht sagen kann, wieviele es sind und wie sie sich verteilen, wohl aber sagen kann, daß ich manche bekommen habe —, dazu noch die Vorgänge in meinem Wahlkreis, wo ich mir einige — —, nun, nicht gerade Freunde geschaffen habe, dann muß ich sagen, ich habe bisher nur erlebt, daß bei mir zugunsten einer Erhöhung, niemals zugunsten einer Senkung oder Drückung des Preises interveniert worden ist.
— Auch hier liegt nicht einmal eine Petition vor.
Bei ,dem rapiden Wachstum unserer Gemeinden wird manches heute noch offiziell als landwirtschaftliches Gelände geführt, was de facto schon Bauerwartungsland ist. Ich habe in einigen Fällen persönlich gegen die Beamten eingegriffen, die — sei es in meinem eigenen Hause, sei es in einem anderen Ressort — zuungunsten der abtretungspflichtigen Eigentümer entschieden haben. Ich habe mich persönlich davon überzeugt, Herr Kollege Schäfer, daß wir z. B. 'bei der Erweiterung eines amerikanischen Flugplatzes, bei dem wir Amtshilfe leisten, für landwirtschaftliches Gelände, aber am Rande einer kleinen Stadt — ich sage es im groben —, ungefähr 4 bis 5 DM pro Quadratmeter bezahlt haben. Einen Kilometer weiter außerhalb im freien Gelände, wo reines Ackerland liegt, bekommen Sie bei gleicher
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948 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
Bundesverteidigungsminister StraußBonität keinen Quadratmeter Baden mehr unter 20 DM. Wenn nun Leute gezwungen werden, sei es auf dem Wege eines mehr oder minder unter Druck herbeigeführten Vergleichs, sei es auf dem Wege der Landenteignung, sich mit einem Viertel oder einem Fünftel des Preises abzufinden gegenüber dem, der Idas Glück hat, einen Kilometer weg sein Land ,frei verkaufen zu können, dann belasten Sie den Aufbau der Verteidigung mit einer Fülle kleinlicher Ressentiments, die oft viel schwerer wiegen als die großen politischen Schlagworte. Das weiß ich aus eigener Amtserfahrung genügend zu würdigen. Im übrigen habe ich aber nie eine Zuschrift bekommen, ich sollte einmal einen Preis nachprüfen lassen, weil er zu hoch sei.Sie sprachen vom Unterschied zwischen Übungsgelände und Bauland. Manches ist eben für uns Übungsgelände, was für den, der es abtreten muß, Bauerwartungslad ist. Das gibt es aber in vielen Fällen. Ich kann sie Ihnen hier zwar nicht aufzählen, aber sie könnten dem Hause jederzeit genannt werden.Ich darf einen zweiten Punkt anschneiden und hier verbindlich sagen, daß der Starfighter, Herr Kollege Schäfer, durch neuere Entwicklungen nicht überflüssig wird. Wenn wir größere Zahlen in Dienst stellen könnten und mehr Geld für diesen Zweck hätten, dann hätten wir an Stelle des einen Typs Starfighter für die drei Aufgaben drei verschiedene Typen mit besserer Eignung für die spezifische Aufgabe genommen. Das konnten wir aus Gründen, die wir eingehend dargelegt haben, nicht. Deshalb haben wir uns unter Verzicht auf eine Reihe von Forderungen auf diesen einen Typ beschränkt.Lassen Sie mich ein Weiteres sagen. Es wird immer so sein, daß eine in Einführung befindliche Type durch eine in der Entwicklung befindliche Konstruktion bereits überholt ist, so wie die in der Entwicklung befindliche Konstruktion ebenfalls bereits durch die auf dem Reißbrett entworfene Konstruktion überholt ist. Ich weiß, Sie denken an den Senkrechtstarter. Der Senkrechtstarter wird erst nach einer Reihe von Jahren für die Truppe in Betracht kommen. Und was .die Aufstellung der F-104-Verbände anbetrifft, so werden Sie als Mitglied des Verteidigungsausschusses ja die Einladung erhalten, am 20. Juni bei der Aufstellung des ersten vollen Geschwaders der F 104 G in Nörvenich persönlich anwesend zu sein und sich von der Brauchbarkeit dieses Typs zu überzeugen. Dabei gebe ich von vornherein zu, daß einige Teile der Elektronik noch nicht unseren Forderungen entsprechen. Aber auch hier gilt der alte Grundsatz: Entweder nehmen wir die Elektronik, die im Augenblick voll entwickelt ist — dann ist sie bis zum Zeitpunkt der Produktion nicht mehr modern —, oder wir greifen voraus und haben dann bei den ersten Verbänden gewisse technische Schwierigkeiten, die ich hier nicht leugnen kann.Ich darf weiterhin sagen, dieser Typ entspricht nach wie vor den militärischen NATO-Forderungen. Dabei dürfen die „NATO-Forderungen" allerdings nicht in idealem und optimalem Sinne ausgelegt werden. Ich kann Ihnen nicht sagen, daß diese Flugzeuge außerhalb der Reichweite der sowjetischenAbwehrraketen operieren. Denn die Sowjets bauen ja ihre Abwehrraketen nicht so, daß alle Flugzeuge außerhalb deren Reichweite operieren können. Selbstverständlich haben die Sowjets Abwehrraketen, die diese Flugzeuge treffen können. Das ist ja nicht zu vermeiden.Ein letztes Wort! Ich möchte auch nicht von der Typenbereinigung reden. Ich habe heute schon dazu gesprochen. Munitionsprogramm — Rätsel. Ja, hier gibt es viele undichte Stellen; da gebe ich Ihnen recht. Aber ich konnte ja von hier aus nicht sagen, um welches Programm es sich handelt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir schriftlich mitteilten — dann ist jede Form der Mißdeutung oder auch der propagandistischen Auswertung ausgeschlossen —, welche Käufe nach Ihrer Auffassung sachlich nicht gerechtfertigt waren. Ich muß das bestreiten. Es gibt wenige Rüstungsprogramme, bei denen so wenige Fehlkäufe unterlaufen sind wie bei uns. Es gibt in anderen Ländern Entwicklungen, die nach Aufwand von Hunderten von Millionen Mark, von Milliarden Mark wegen Zwecklosigkeit eingestellt werden mußten. Daß wir im kleinen da oder dort einmal mit einem Versuchskauf nicht gleich das Richtige erwischen, bitte ich der Fehlbarkeit oder der Nichtunfehlbarkeit — des Ministers sowieso, aber auch seiner militärischen und zivilen Mitarbeiter — zugute zu halten.Dann darf ich sagen, daß wir ja in all den Jahren gelitten haben und bis heute noch leiden an dieser großen zeitlichen Lücke. Die technischen Experten von früher sind zum Teil in andere Bereiche abgewandert, zum Teil haben sie nicht Schritt gehalten, und soweit sie zu uns gekommen sind, sind sie heute 55 oder 60 Jahre alt und werden in einigen Jahren ausscheiden. Da es aber auf diesen Gebieten keine Lehrstühle gibt, ist es ungeheuer schwierig, Nachwuchs zu beschaffen.Wegen der Wirtschaftslage ist es noch schwieriger geworden, Leute, wenn sie nicht aus Liebe zur Sache, aus Interesse an einer Behördentätigkeit zu uns kommen, überhaupt zu gewinnen oder zu halten, weil wir einfach weder hinsichtlich der Planstellen noch hinsichtlich der Bezahlung mit der entsprechenden Industrie Schritt halten können und das auch gar nicht ernsthaft versucht haben, weil es einfach außerhalb des Möglichen liegt.Sie haben von düsteren Provisionsgeschäften gesprochen. Wo immer die Rüstungsmillionen oder -milliarden rollen, da sammeln sich viele. Man kann nicht von vornherein jeden, der in diesem Bereiche tätig ist, als Schurken bezeichnen. Man kann aber auch nicht jeden — die Erfahrung habe ich mir erst bitter an den Schuhsohlen ablaufen müssen — von vornherein als uneigennützigen, edlen Kaufmann oder Vermittler betrachten.
Herr Kollege Schäfer, ich gebe zu, daß hier Fehler gemacht worden sind. Aber wir haben gewagte Dinge machen müssen. Wären wir nach rein bürokratischen Maßstäben verfahren, wir hätten schwere Fehler zu Lasten des deutschen Steuerzahlers in rechtlich einwandfreier Weise begangen. Denn es geht nicht um das Preisrecht, es geht um die Markt-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 949
Bundesverteidigungsminister Straußlage in dieser Frage. Eine mit dem Haushaltsrecht operierende offizielle Apparatur fragt immer zuerst nach dem Preisrecht und dann erst nach der Marktlage. Wir haben uns bemüht, eine Marktlage herzustellen, und wir haben damit Hunderte von Millionen DM eingespart, Hunderte von Millionen D-Mark gegenüber dem, was bei einem anderen Verfahren herausgekommen wäre.
Ich bin von manchen Seiten wegen des sogenannten Lobbyisten-Erlasses — Sie wissen, welchen ich meine — schwer angegriffen worden. Diesen Erlaß haben wir uns ja erst durch Erfahrungen erarbeiten müssen, durch Prozesse, die wir angestrengt, durch Ermittlungen, die wir angestellt haben. In Fällen, wo sogar die Staatsanwaltschaft eingestellt hatte, haben wir die Ermittlungen fortgesetzt. Das Verteidigungsministerium ist das einzige Ministerium, das ein großes Korruptions- und Betrugsdezernat hat. Wir haben in einer Reihe von Fällen jetzt schon prozeßreife Ermittlungen geführt. Die Erfahrungen, die wir hier gesammelt haben, sind nicht übermäßig ermutigend. Das weiß ich. Aber wir mußten uns diese Erfahrungen, Herr Kollege Schäfer, erst erarbeiten, um dann rechtlich haltbare Vorschriften herausgeben zu können. Das ist uns 'im Laufe der letzten Jahre mit zunehmender Perfektion gelungen.Glauben Sie mir eines noch dabei: Wenn man so verfährt, schafft man sich nicht nur Freunde. Denn diejenigen, die dabei zu kurz kommen, die Leute,3 die dabei um ihre Provisionen kommen, die Leute, die dann Hausverbot kriegen, sind dann diejenigen, die an alle möglichen Stellen das Material liefern, weil sie behaupten, ihre Ausschaltung sei zugunsten eines favorisierten Bewerbes erfolgt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen unid Herren! Eine Bemerkung noch zu dem, was Herr Kollege Schäffer gesagt hat. Ich glaube, es wäre ganz zweckmäßig, wenn wir in Zukunft die Probleme, die Sie angeschnitten haben, in einer gemeinsamen Sitzung ides Haushaltsausschusses und des Verteidigungsausschusses berieten, weil dann nämlich die Dinge nicht zweimal durchgekaut werden müßten. Darauf sollten wir vielleicht hinwirken.
Eine Frage sollte aber auch einmal zwischen Verteidigungsausschußmitgliedern und Haushaltsausschußmitgliedern behandelt werden, und zwar die Frage der Herabdotierung von Stellen, die bisher höher gewesen sind, insbesondere in bezug auf den technischen Nachwuchs, eine Frage, die hier soeben angeschnitten worden ist. Denn mir scheint, daß wir gerade auf dem Gebiete der Gewinnung technischen Nachwuchses sehr viel nachzuholen haben und daß hier eine nicht sehr segensreiche Einwirkung des sonst sehr gelittenen Bundesrechnungshofes festzustellen ist. Über diese Frage sollten wir uns im
Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß einmal gemeinsam unterhalten.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Beantragt ist erstens von seiten der SPD: Getrennte Abstimmung nach Kapiteln. Ich werde gleich bekanntgeben, über welche Kapitel getrennt und über welche zusammen abgestimmt werden kann. Dem Antrag auf getrennte Abstimmung muß selbstverständlich nach § 53 in Verbindung mit § 83 der Geschäftsordnung stattgegeben werden. Dann ist von seiten der CDU/CSU und der FDP namentliche Abstimmung beantragt, und zwar zunächst für das Kapitel 15 des Einzelplans 14 und dann für den Einzelplan 14 im ganzen.
Ehe ich abstimmen lasse, meine Damen und Herren, mache ich das Haus auf die Geschäftslage aufmerksam. Einerseits ist vereinbart, daß heute um 14 Uhr Schluß gemacht werden soll. Andererseits war vorgesehen, daß wir heute bzw. in dieser Woche noch die Einzelpläne 14, 10 und 12 verabschieden. Mit Einzelplan 14 werden wir ja fertig. Die Einzelpläne 10 und 12 — Landwirtschaft und Verkehr —, über die offenbar länger diskutiert werden wird, sind unerledigt. Ich frage das Haus, ob es bereit ist, über 14 Uhr hinaus fortzufahren oder abzubrechen. — Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Interfraktionell war im Ältestenrat vereinbart und ist eben noch einmal bestätigt worden, daß wir erstens heute um 14 Uhr nach der Erledigung des Einzelplans 14 schließen wollen, und zweitens sind alle Fraktionen willens, die zweite Lesung des Haushalts am Dienstag in jedem Fall zu beenden. Der Mittwoch gehört den Fraktionen. Am Donnerstag soll dann die dritte Lesung beginnen. Wir bitten also, nach den Abstimmungen über den Einzelplan 14 abzubrechen.
Ich kann wohl unterstsellen, daß das Haus damit einverstanden ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß Dienstag vormittag um 9 Uhr mit dem Einzelplan 10 begonnen wird. Dann folgt der Einzelplan 12. Ich werde versuchen, am Dienstag eine Mittagspause zwischen 13 und 14.30 Uhr einzulegen. Ich mache das Haus auch jetzt schon darauf aufmerksam, daß nach dem, was mir interfraktionell erklärt worden ist, am Dienstagabend bis zur Beendigung der zweiten Lesung einschließlich des Haushaltsgesetzes getagt werden muß.Ich möchte also nicht die Erfahrung machen, daß ich am Dienstag mit einer neuen Situation oder mit neuen Wünschen konfrontiert werde, sonst kann das Programm nicht durchgeführt werden. Die dritte Lesung findet am Donnerstagvormittag um 9 Uhr statt. Die Fraktionen brauchen den Mittwoch auf jeden Fall für ihre Beratungen. Ist alles klar? — Dann wird dementsprechend verfahren.
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950 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
D. Dr. GerstenmaierDie Fraktion der SPD schlägt vor, über die Kapitel 14 01 und 14 02 gemeinsam abzustimmen. Das Haus ist damit einverstanden.Sind die Antragsteller damit einverstanden, daß über den Antrag Umdruck 55 nach der Abstimmung über die Kapitel 14 01 und 14 02 abgestimmt wird? — Das ist der Fall.Wer den Kapiteln 14 01 und 14 02 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Kapitel 14 01 und 14 02 sind angenommen.Wir stimmen nunmehr über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Kap. 14 12 auf Umdruck 55 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.Tier die Kapitel 14 03 bis 14 14 soll zusammen abgestimmt werden. Wer diesen Kapiteln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Kapitel 14 03 bis 14 14 sind gegen einzelne Stimmen angenommen.Zu. Kap. 14,15 ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Ich bitte also die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. Wer Kap. 1415 zustimmen will, stimmt mit Ja.Meine Damen und Herren, wir fahren während der Auszählung der Stimmen in der Abstimmung über die weiteren Kapitel fort. Ich rufe die Kapitel 1416, 1417 und 1418 zusammen auf. Wer diesen Kapiteln zustimmen will, den hitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und einer Enthaltung sind diese drei Kapitel angenommen.Nun kommt Kap. 14 19. Wer diesem Kapitel zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Dann die Kap. 14 21, — 14 22, — 14 23 und im Außerordentlichen Haushalt Kap. A 14 12. Wer zustimmen will, gebe bitte sein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einzelnen Gegenstimmen sind diese Kapitel angenommen.Damit ist über den gesamten Einzelplan 14 abgestimmt. Bevor ich die nächste namentliche Abstimmung — über den Einzelplan 14 im ganzen — anordnen kann, muß ich warten, bis die Auszählung der namentlichen Abstimmung zu Kap. 1415 beendet ist. Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung für einige Minuten bis zur Beendigung der Auszählung.
Meine Damen und Herren, die Sitzung geht weiter.Ich ,gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Kapitel 14 15 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 220 Mitglieder des Hauses und 4 Berliner Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 118 Mitglieder des Hauses und 5 Berliner Abgeordnete, enthalten haben sich 3. *)Damit ist dieses Kapitel 14 15 in zweiter Lesung in namentlicher Abstimmung angenommen.JaCDU/CSUAdornoDr. AignerDr. Althammer ArndgenDr. ArtzingerBaier
BaldaufDr.-Ing. Balke Balkenhol Bauknecht BeckerBewerunge BiecheleDr. BieringerFrau Dr. Bleyler BlöckerFrau Blohm Blumenfeld von BodelschwinghDr. Böhm Böhme (Hildesheim) BrandFrau BrauksiepeDr. BrenckDr. von BrentanoBrückBühlerDr. Burgbacher BurgemeisterDr. Conring Dr. Czaja van Delden DeringerDr. DichgansDiebäckerDr. DollingerDraegerDr. Dr. h. c. Dresbach EhnesDr. Elbrächter Engelbrecht-GreveEven FalkeDr. Franz FranzenDr. Frey
Dr. Fritz Dr. FurlerGedatGehringFrau GeisendörferD. Dr. Gerstenmaier GewandtGibbertDr. GleissnerGlüsing Dr. GötzGoldhagen Gontrum Dr. Gossel Gottesleben GüntherHaase
Dr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. Hauser Dr. Heck HeixHesemann Dr. Höchst HöslHolkenbrinkHoogenHornDr. Huys Illerhaus Frau Jacobi
Dr. Jaeger JostenFrau KalinkeDr. Kanka KatzerKemmerDr. KempflerFrau KleeDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr KopfKrügerKrugKuntscherLang
LeichtLemmrich Lenz
Lenze
Leonhard LermerDr. LudaMaier
MajonicaDr. Baron ManteuffelSzoege Maucher MeisMemmel MengelkampMenkeDr. von MerkatzMissbachMüller
Müller Müller-HermannMüserNieberg Niederalt Frau Dr. PannhoffDr. PflaumbaumDr.-Ing. PhilippFrau Pitz-SavelsbergDr. Poepke PortenFrau Dr. ProbstDr. RammingerRasnerRauhausFrau Dr. Rehling*) Berichtigtes Ergebnis: Ja: 218 und 4 Berliner Nein: 118 und 5 Berliner Enthalten: 3
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 951
Dr. Reinhard RichartsRiedel
RollmannRommerskirchenRufScheppmannDr. Schmidt SchmückerFrau Schroeder SchützSchulhoffDr. Schwörer Dr. Seffrin Dr. Serres Dr. SinnSpiesDr. Stecker SteinDr. Steinmetz StillerDr. StoltenbergStooßStorchStraußStruveSühlerDr. SüsterhennTerieteTobabenUnertlVarelmann Verhoeven Frau Vietje Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell Dr. VogelVogtWacherWagner
Dr. Weber WehkingWeinkamm Weinzierl Frau Welter
Dr. Wilhelmi Dr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. WinterWittmer-Eigenbrodt WullenhauptDr. Zimmer
Hufnagel
JaCDU/CSUAdornoDr. AignerDr. AlthammerArndgenDr. ArtzingerBaier BaldaufDr.-Ing. Balke Balkenhol Bauknecht*) Berichtigtes Ergebnis: Ja: 212 und 4 Berliner Nein: 117 und 5 Berliner Enthalten: 4
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952 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962
BeckerBewerunge BiecheleDr. Bieringer Frau Dr. BleylerBlöckerFrau Blohm Blumenfeld von BodelschwinghDr. Böhm
Böhme
BrandFrau BrauksiepeDr. BrenckDr. von BrentanoBrückBühlerDr. Burgbacher Burgemeister Dr. Conring Dr. Czajavan Delden DeringerDr. Dichgans DiebäckerDr. DollingerDraegerDr. Dr. h. c. DresbachEhnesDr. Elbrächter Engelbrecht-GreveEven FalkeDr. Franz FranzenDr. Frey
Dr. Fritz
Dr. Furler GedatGehringFrau GeisendörferD. Dr. GerstenmaierGibbertDr. GleissnerGlüsing
Dr. GötzGoldhagen GontrumDr. Gossel Gottesleben GüntherHaase
Dr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. Hauser Dr. Heck HeixHesemann Dr. Höchst Holkenbrink HoogenHornDr. Huys IllerhausFrau Jacobi
Dr. Jaeger JostenFrau KalinkeDr. Kanka KatzerKemmerDr. KempflerFrau KleeDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr Dr. Kopf KrügerKrugKuntscherLang
LeichtLemmrichLenz
Lenze LeonhardLermer Dr. LudaMaier MajonicaDr. Baron ManteuffelSzoegeMaucher MeisMemmel MengelkampMenkeDr. von Merkatz MissbachMüller Müller (Remscheid) Müller-HermannMüser Nieberg NiederaltFrau Dr. PannhoffDr. PflaumbaumDr.-Ing. PhilippFrau Pitz-SavelsbergDr. PoepkePortenFrau Dr. ProbstDr. RammingerRasner Rauhaus Frau Dr. RehlingDr. ReinhardRichartsRiedel RommerskirchenRufScheppmannDr. Schmidt SchmückerFrau Schroeder SchützSchulhoffDr. SchwörerDr. SeffrinDr. SerresDr. SinnSpiesDr. SteckerSteinDr. SteinmetzStillerDr. StoltenbergStooß Storch Strauß Struve Sühler Dr. SüsterhennTeriete TobabenUnertl VarelmannVerhoevenFrau VietjeDr. Freiherr von Vittinghoff-SchellDr. VogelVogtWacherWagner
Dr. Weber WehkingWeinkammWeinzierlFrau Welter Dr. WilhelmiDr. WillekeWindelenWinkelheideDr. WinterWittmer-Eigenbrodt WullenhauptDr. ZimmerDr. Zimmermann (MünchenBerliner AbgeordneteBendaDr. Gradl HübnerDr. KroneFDPDr. AtzenrothDr. Bucher Dr. Dahlgrün Dr. DanzFrau Dr. Diemer-Nicolaus DürrDr. Effertz Dr. Emde Frau Dr. Flitz
Frau Funcke
Dr. Hamm Dr. HelligeDr. HovenDr. ImleKellerDr. Kohut Kreitmeyer Kühn Logemann Dr. Mende MertesDr. Miessner Freiherr von Mühlen MurrOpitzPeters RammsReichmannDr. Rieger
Dr. Rutschke SchultzSoetebier Dr. StarkeWeber ZoglmannNeinSPDFrau AlbertzAltmaierBading Bäumer BalsBauer
Bazille BergmannBerkhan Berlin Beuster Biegler BiermannDr. BleißBrünen Büttner CorterierDr. DeistDiekmannFrau Döhring DopatkaDröscher Frau EilersErlerFelderFiggenFolger Franke Dr. Frede Frehsee FritschGerlach GscheidleDr. Harm HeideHeiland HellenbrockHermsdorfHerold Höhmann
Hufnagel
HussongIven
Jacobi ,
Jacobs JahnJunghans KaffkaKahn-Ackermann KalbitzerFrau KettigKillatFrau Kipp-KauleDr. KochKönen KrausDr. KüblerKulawig KurlbaumLange
Lemper LohmarLücke MarquardtMarxMatthöferMatznerFrau Meermann MertenMichelsDr. Morgenstern Müller Müller (Nordenham) Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Dr. Müller-Emmert NellenOllenhauerPeiterPriebeRavens Regling RehsDr. ReischlFrau RengerRiegel
Dr. Rinderspacher RitzelDr. RoeschRohdeFrau RudollSaxowskiDr. SchäferScheurenDr. Schmidt Dr. Schmidt (Offenbach) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen SchoettleSchröder SchwabeSeibert
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Freitag, den 6. April 1962 953
Frau Seppi Stephan Striebeck Dr. Tamblé TheisWegener Wehner WelslauWeltner Frau Wessel Wienand WilhelmWischnewski WittrockFrau Zimmermann
Berliner Abgeordnete Frau KrappeNeumann
Dr. SchellenbergDr. SeumeWellmanEnthaltenSPDBuchstaller JürgensenFDPDornOlleschWir sind nach dem Wunsch des Hauses für heute am Ende unserer Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, 10. April, vormittags 9 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.