Protokoll:
3128

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 128

  • date_rangeDatum: 21. Oktober 1960

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:34 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 128. Sitzung Bonn, den 21. Oktober 1960 Inhalt: Begrüßung von Abgeordneten aus den Parlamenten von Nigeria und Kenia . . . 7397 A Fragestunde (Drucksachen 2131 [neu], zu 2131 [neu]) Frage des Abg. Junghans: Rechtsverordnung betr. Sonntagsarbeit in der Eisen- und Stahlindustrie Blank, Bundesminister 7379 C Frage des Abg. Dürr: Wörterbücher für Sprachen der Entwicklungsländer Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 7379 D Frage des Abg. Dr. Kohut: Beteiligung des Bundesjustizministers an der „Deutschland-Fernseh-GmbH" Dr. Schröder, Bundesminister . . 7380 B, C, 7381 A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 7380 C Wittrock (SPD) 7380 C, D Jahn (Marburg) (SPD) 7381 A Erler (SPD) 7381 B Frage des Abg. Kurlbaum: Besprechung des Bundeskanzlers mit der Industrie, Frage der Umsatzausgleichsteuer Dr. Schröder, Bundesminister . . 7381 C, D, 7382 A Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 7381 C Dr. Mommer (SPD) . . . 7381 D, 7382 A Frage des Abg. Dr. Deist: Besprechung des Bundeskanzlers mit der Industrie in Abwesenheit des Bundeswirtschaftsministers Dr. Schröder, Bundesminister 3382 A, B, C, D, 7383 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 7382 B, C Dr. Arndt (SPD) . . . . 7382 D, 7383 A Frage des Abg. Rehs: Auszählungen aus der statistischen Erfassung der Vertriebenenausweisanträge Dr. Schröder, Bundesminister . 7383 B, C Rehs (SPD) . . . . . . . . . 7383 C, D Frage des Abg. Hamacher: Auswertung der Ergebnisse in dem Ermittlungsverfahren gegen Eichmann Schäffer, Bundesminister . . . . 7384 A, C Hamacher (SPD) . . . . . . . . 7384 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1960 Frage des Abg. Windelen: Patentschutz für Erfindungen aus der Bundesrepublik in den Ostblockländern Schäffer, Bundesminister . . . . . 7384 C Frage des Abg. Windelen: Patentschutz für Anmeldungen aus den Ostblockländern Schäffer, Bundesminister . . . . . 7384 D Frage des Abg. Eschmann: Auflösung des Verwaltungsstabes für die deutschen Dienstgruppen bei der US-Luftwaffe Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 7385 A, B Eschmann (SPD) 7385 A Frage des Abg. Dröscher: Flugplatz bei Bad Kreuznach Dr. Hettlage, Staatssekretär 7385 B, C, D Dröscher (SPD) 7385 C, D Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Wertfortschreibungsgrenze im Bewertungsrecht Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 7386 A Frage des Abg. Ritzel: Ausprägung von Goldmünzen Dr. Hettlage, Staatssekretär 7386 B, C, D Ritzel (SPD) . . . . . . . 7386 C, D Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 7386 D Frage des Abg. Keller: Finanzierungshilfe für den Bau des Düsenverkehrsflugzeuges HBF 314 Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7387 A Keller (FDP) 7387 A Frage des Abg. Murr: Preisunterschiede bei Dieselkraftstoffen Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7387 B, C Murr (FDP) . . . . . . . . . 7387 C Frage des Abg. Murr: Preisunterschiede bei Düngemitteln Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7387 C, 7388 A Murr (FDP) 7388 A Frage des Abg. Dr. Mommer: Ausführungen des Bundesernährungsministers über die Agrarpolitik Dr. Sonnemann, Staatssekretär 7388 A, B, C, 7389 A, C Dr. Mommer (SPD) 7388 B Frau Strobel (SPD) 7388 C Kriedemann (SPD) . . . 7388 D, 7389 B Frage des Abg. Murr: Standort der Bundesanstalt für Fleischforschung Dr. Sonnemann, Staatssekretär . . 7389 D, 7390 B, C, D, 7391 A, B Murr (FDP) 7390 B, D Herold (SPD) 7390 C Mattick (SPD) . . . . . . . . 7391 A, C Antrag betr. Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit (Drucksache 2072 [neu]) Leonhard (CDU/CSU) 7391 C Dr. Rutschke (FDP) . . . 7392 A, 7396 C Dr. Sonnemann, Staatssekretär . . 7396 A Dr. Bucher (FDP) . . . 7396 B, 7399 B Rimmelspacher (SPD) 7398 B Leicht (CDU/CSU) . . . 7398 C, 7399 D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 GO in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 23 (Drucksache 2062) und in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 24 des Ausschusses für Petitionen (Drucksache 2125) Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) 7400 A, 7403 D Memmel (CDU/CSU) 7403 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (Drucksache 2037) - Erste Beratung — Schäffer, Bundesminister 7404 A Dr. Kanka (CDU/CSU) 7409 A Jahn (Marburg) (SPD) 7412 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 7414 C Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1960 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1957 über Rüstungskontrollmaßnahmen der Westeuropäischen Union (Drucksache 2071) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 7418 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 29. April 1957 zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (Drucksache 2081) — Erste Beratung • — 7418 C Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" (Drucksache 2067) — Erste Beratung — . . . 7418 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (Drucksache 2097 [neu]) — Erste Beratung — . . . . . 7418 D Antrag betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks in Köln, Sachsenring 69, an die Firma Farbwerke Hoechst AG in Frankfurt (Main)-Hoechst (Drucksache 2064) 7418D Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1957 — Einzelplan 20 — (Drucksache 1381, 2073) 7419 A Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 (Drucksache 2076, Umdruck 551 [neu]) 7419 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Afghanistan über den Luftverkehr (Drucksache 1830) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2083) — Zweite und dritte Beratung — 7419 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. September 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über den Luftverkehr (Drucksache 1832); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2084) — Zweite und dritte Beratung — 7419 C Antrag betr. Ernteschäden 1960 (CDU/CSU) (Drucksache 2095) 7419 D Nächste Sitzung 7419 D Anlagen 7421 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1960 7379 128. Sitzung Bonn, den 21. Oktober 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 21. 10. Altmaier 23. 10. Dr. Atzenroth 21. 10. Bach 21. 10. Bauer (Wasserburg) 29. 10. Frau Berger-Heise 21. 10. Fürst von Bismarck 21. 10. Dr. Böhm 22. 10. Börner 21. 10. Frau Brauksiepe 21. 10. Dr. Brecht 21. 10. Dr. Burgbacher 21. 10. Demmelmeier 21. 10. Dr. Dollinger 21. 10. Dowidat 21. 10. Eberhard 21. 10. Eilers (Oldenburg) 21. 10. Engelbrecht-Greve 21. 10. Dr. Friedensburg 21. 10. Funk 21. 10. Dr. Furler 21. 10. Dr. Gleissner 21. 10. Dr. Götz 21. 10. Dr. Greve 21. 10. Freiherr zu Guttenberg 21. 10. Dr. Fleck (Rottweil) 21. 10. Frau Herklotz 21. 10. Höhmann 21. 10. Illerhaus 21. 10. Jacobi 22. 10. Dr. Jordan 21. 10. Jürgensen 31. 10. Frau Keilhack 21. 10. Kemmer 21. 10. Dr. Kempfler 21. 10. Kinat (Spork) 21. 10. Koenen (Lippstadt) 23. 10. Frau Korspeter 21. 10. Kramel 21. 10. Krammig 31. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 21. 10. Lantermann 21. 10. Dr. Löhr 21. 10. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 21. 10. Maier (Freiburg) 31. 10. Margulies 21. 10. Dr. Martin 21. 10. Mengelkamp 21. 10. Mensing 21. 10. Dr. Menzel 22. 10. Mischnick 21. 10. Müller (Worms) 21. 10. Neuburger 21. 10. Dr. Pflaumbaum 21. 10. Pohle 31. 10. Frau Dr. Rehling 22. 10. Dr. Reinhard 21. 10. Dr. Reith 21. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Reitz 21. 10. Sander 21. 10. Scheel 21. 10. Schlick 21. 10. Schneider (Hamburg) 21. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 10. Schultz 21. 10. Dr. Schwörer 21. 10. Seuffert 21. 10. Stahl 21. 10. Stenger 15. 11. Storch 21. 10. Sträter 22. 10. Struve 21. 10. Wacher 21. 10. Wagner 21. 10. Walter 21. 10. Weimer 21. 10. Weinkamm 21. 10. Dr. Winter 21. 10. Wittmer-Eigenbrodt 22. 10. b) Urlaubsanträge Frau Kettig 11. 11. Kraus 31. 10. Dr. Kreyssig 28. 10. Lermer 7. 11. Frau Schmitt (Fulda) 28. 10. Schütz (Berlin) 8. 11. Dr. Vogel 30. 10. Werner 28. 10. Anlage 2 Umdruck 697*) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Leicht, Leonhard, Baier (Mosbach), Neuburger, Knobloch, Höfler und Genossen betr. Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit (Drucksache 2072 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: Nach Nummer 3 wird folgende Nummer 4 angefügt: „4. zu untersuchen a) die Umstände, die zum Auftreten der peronospora-tabacina bei der Tabakernte 1960 geführt haben, b) die Berechtigung der in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang gegen Bedienstete zweier Bundesbehörden erhobenen Vorwürfe." Bonn, den 20. Oktober 1960 Dr. Mende und Fraktion 1 Dieser Umdruck erhält als selbständiger Antrag die Drucksachennummer 2152.
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312800000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich bekanntzugeben, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung Punkt 9, Beratung des Antrags betreffend Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit, als Punkt 2 nach der Fragestunde aufgerufen werden soll.
Weiter ist interfraktionell vereinbart worden, die Tagesordnung zu erweitern um die Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Ausgleich der Getreideernteschäden, Drucksache 2144. Der Antrag soll gemeinsam mit dem Antrag zu der gleichen Materie unter Punkt 14 beraten werden.
Ist das Haus mit diesen Änderungen der Tagesordnung einverstanden? -- Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.

(Zurufe: Die Drucksache fehlt!)

— Sie haben die Drucksache 2144 noch nicht? Es wird dafür gesorgt werden, daß Sie sie erhalten.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern hat unter dem 7. Oktober 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Arbeitszeit der jugendlichen Beamten (Drucksache 2080) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2126 verteilt.
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 12. Oktober 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abwanderung von Arbeitskräften aus dem Dienst der Deutschen Bundespost (Drucksache 2079) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2129 verteilt.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 14. Oktober 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Berechnung der Renten in der Rentenversicherung der Angestellten (Drucksache 2074) zurückgezogen.
Das Bundesversicherungsamt hat unter dem 30. September 1960 die Abrechnung über die Rentenzahlungen, Beitragserstattungen und Beitragszahlungen für die Krankenversicherung der Rentner in der Rentenversicherung der Arbeiter für das Kalenderjahr 1959 zur Kenntnis übersandt, die im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat unter dem 14. Oktober 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. „Deutsche Olympia-Zeitung" (Drucksache 2105) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2133 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 20. Oktober 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Erleichterung für gehbehinderte Kraftfahrer (Drucksache 2117) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2148 verteilt.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Fragestunde (Drucksachen 2131 [neu], zu 2131 [neu]) .
lm letzten Augenblick ist eine weitere Frage eingereicht worden, die der Präsident als dringlich anerkannt hat. Sie betrifft den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Die Frage ist von dem Abgeordneten Junghans gestellt:
Hält es die Bundesregierung angesichts der volkswirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Konsequenzen für richtig, die Rechtsverordnung zur Bundesratsbekannlmachung von 1895 betreffend Eisen- und Stahlindustrie (Sonntagsarbeit) noch vor Behandlung der Grollen Anfrage der Fraktion der FDP — Drucksache 2134 — zu verabschieden?
Sind Sie bereit, Herr Minister, die Frage zu beantworten?

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0312800100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß die Frage des Herrn Abgeordneten Junghans wie folgt beantworten: Die Bundesregierung hat über die Sie hier interessierende Frage noch keinen Beschluß gefaßt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312800200
Keine Zusatzfrage? - Wir kommen zu der Frage aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, der Frage des Abgeordneten Dürr:
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, um die Herausgabe von Sprachführern in den Sprachen der Entwicklungsländer (z. B. Hindi) anzuregen, da die vorhandenen Wörterbücher mehr für Universitätsprofessoren als etwa für im Ausland tätige Monteure geeignet sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312800300
Herr Präsident! Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Dürr wie folgt.
Die Bundesregierung hat schon vor längerer Zeit erkannt, daß die bereits vorhandenen Wörterbücher für Sprachen der Entwicklungsländer den Bedürfnissen des in diese Länder entsandten technischen Personals und anderer zur Förderung der Entwicklung des Landes sich dort aufhaltender Personen nicht entsprechen. Dabei macht sich am stärksten der Mangel an technischen Wörterbüchern bemerkbar, der die Arbeit z. B. der deutschen Monteure und sonstigen Techniker empfindlich behindert.
Um die Lage auf diesem Gebiet zu erleichtern, ist die Bundesregierung dazu übergegangen, nicht nur die Herausgabe solcher Wörterbücher anzuregen, sonidern sie hat von sich aus schon vor etwa 2 1/2 Jahren eine Initiative in dieser Richtung er-



Staatssekretär Dr. van Scherpenberg
griffen. Damals ist mit den Vorbereitungen für die Herausgabe eines Wörterbuchs für den arabischen Raum begonnen worden. Dieses Wörterbuch, das etwa 34 000 technische Wärter und Ausdrücke umfaßt, ist nunmehr fertiggestellt. Es kam zustande unter Mitarbeit von deutschen Lehrern an Ingenieurschulen, an Gewerbeschulen und von anderen Praktikern. Dazu wurde eine finanzielle Beihilfe aus dem Entwicklungsfonds gegeben. Es ist das erste technische deutsch-arabische Wörterbuch dieser Art. Weitere Wörterbücher für andere Sprachen werden folgen.
Daneben gibt es das Problem der Herausgabe von Sprachführern für den täglichen Verkehr mit der einheimischen Bevölkerung in Entwicklungsländern. Die Herausgabe solcher Sprachführer isst bisher der privaten Initiative der Verlagsunternehmen überlassen worden. Da diese Handhabung bis heute jedoch nicht befriedigend war, weil gerade bei den selteneren Sprachen entweder überhaupt keine oder keine zufriedenstellenden Erzeugnisse zu verzeichnen waren, wird das Auswärtige Amt mit der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer Fühlung aufnehmen, um gemeinsam zu prüfen, wie diesem Mangel baldmöglichst abgeholfen werden kann.

Hermann Dürr (SPD):
Rede ID: ID0312800400
Danke schön.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312800500
Frage II/1 wird zurückgestellt. Ich rufe Frage II/2 — des Abgeordneten Dr. Kohut — auf:
Hält die Bundesregierung die Beteiligung des Herrn Bundesjustizministers mil Eigenkapital an der „Deutschland-FernsehGmbH" für vereinbar mit Artikel 66 GG?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312800600
Die Beteiligung des Herrn Bundesministers der Justiz, Schäffer, an der Deutschland-Fernsehen-GmbH war mit Art. 66 des Grundgesetzes vereinbar. Art. 66 des Grundgesetzes und § 5 des Bundesministergesetzes verbieten es dein Bundesministern, ein Gewerbe oder einen Betruf auszuüben oder dem Vorstand, dem Aufsichtsrat oder dem Verwaltungsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens anzugehören. Diese Bestimmung schließt aber nicht aus, daß ein Bundesminister Aktien erwirbt oder die Stammeinlage einer GmbH übernimmt, sofern er weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat des Unternehmens angehört. Schon daraus folgt, daß die Beteiligung des Herrn Kollegen Schäffer als Gesellschafter an der Deutschland-Fernsehen-GmbH mit den genannten Vorschriften durchaus vereinbar war.
Es kommt hinzu, daß die Fernsehen-GmbH kein nach Gewinn strebendes Unternehmen ist, sondern nach § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Nach § 18 der Satzung sind das Vermögen und die Einkünfte der Gesellschaft unmittelbar für die Veranstaltung von Fernseh-Rundfunksendungen zu verwenden und etwaige Überschüsse ausschließlich wissenschaftlichen, künstlerischen oder sonstigen gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Schließlich war die Beteiligung von Herrn Kollegen Schäffer nur als eine vorübergehende Maßnahme gedacht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312800700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kohut.

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0312800800
Sind Sie nicht der Meinung, daß die Beteiligung eines Bundesministers an einer in der Öffentlichkeit so umstrittenen Gesellschaft dem Grundgedanken unseres Grundgesetzes widerspricht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312800900
Nachdrücklich nein!

Dr. Oswald Adolph Kohut (FDP):
Rede ID: ID0312801000
Danke!

(Lachen bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312801100
Eine Zusatzfrage noch zu Frage II/2, Herr Abgeordneter Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0312801200
Herr Bundesinnenminister, hat der Herr Bundesminister Schäffer die von ihm geleistete Stammeinlage aus privaten Mitteln gezahlt oder aus den Mitteln des Ministeriums?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312801300
Wenn Sie es wünschen, bin ich gern bereit, Sie über die finanziellen Verhältnisse völlig ins Bild zu setzen. Nach § 6 der Satzung der Deutschland-FernsehenGmbH beträgt das Stammkapital der Gesellschaft 23 000 DM. Hiervon haben die Bundesrepublik Deutschland eine Stammeinlage von 12 000 DM und Herr Bundesminister Schäffer eine Stammeinlage von 11 000 DM übernommen. Die Stammeinlagen sind in Geld zu leisten, und zwar je 50 v. H. sofort nach Übernahme. Hiernach sind für die Bundesrepublik Deutschland 6000- DM, für Herrn Bundesminister Schäffer 5500 DM fällig. Der Herr Bundeskanzler hat namens der Bundesrepublik Deutschland Herrn Bundesminister Schäffer erklärt, daß der Bund ihm die zur Leistung der Stammeinlage erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellt. Demgemäß hat die Bundesrepublik der Deutschland-FernsehenGmbH einmal den Betrag von 6000 DM zur Verfügung gestellt; ferner hat der Bund den auf die Stammeinlage des Herrn Bundesministers Schäffer entfallenden Betrag von 5500 DM zur Verfügung gestellt.

(Zuruf von der SPD: Reptilienfonds!)

Im ganzen stand damit der Betrag von 11 500 DM zur freien Verfügung der Deutschland-FernsehenGmbH. Dementsprechend hat der Geschäftsführer der Gesellschaft die dem Registergericht gegenüber erforderliche Erklärung abgegeben, daß von jeder Stammeinlage die Hälfte eingezahlt ist und daß sich der eingezahlte Betrag in seiner freien Verfügung befindet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312801400
Noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Wittrock.

Karl Wittrock (SPD):
Rede ID: ID0312801500
Herr Bundesminister, aus welchem Titel des Haushaltsplans sind diese Mittel zur Verfügung gestellt worden, und, sofern diese Mittel außerplanmäßig zur Verfügung gestellt worden



Wittrock
sind, inwieweit ist dies nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes rechtlich einwandfrei geregelt worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312801600
Die Mittel sind aus den dafür geeigneten Positionen zur Verfügung gestellt worden.

(Heiterkeit bei der CDU. — Lachen bei der SPD. — Zurufe von der SPD: Welche? — Der Verfassungsminister!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312801700
Meine Damen und Herren, die Regierung hat das Recht, die Frage so zu beantworten, wie sie glaubt, sie beantworten zu können und zu sollen.

(Zuruf von der SPD: Aber wir haben das Recht, weiter zu fragen!)

— Sie haben das Recht, weiter zu fragen!

(Abg. Schoettle: Und das Recht, darüber zu lachen, wenn die Antwort so töricht ist!)

— Das ist unbestreitbar. Zusatzfrage!

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0312801800
Herr Minister, auf welcher Rechtsgrundlage sind die Beträge für Herrn Minister Schäffer zur Verfügung gestellt worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312801900
Ich habe gerade schon gesagt, daß sie aus den dafür geeigneten Positionen und damit auch auf der dazugehörigen Rechtsgrundlage zur Verfügung gestellt worden sind.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Unruhe bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312802000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0312802100
Herr Bundesinnenminister, sind Sie der Meinung, daß die Beantwortung der soeben gestellten Frage über die haushaltsrechtliche Bereitstellung der Mittel dem in diesem Hause sonst immer vertretenen Gedanken der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit entspricht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312802200
Ich habe gesagt, daß die Mittel im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zur Verfügung gestellt worden sind.

(Abg. Dr. Mommer: Dann nennen Sie sie doch! Wo steht es? — Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312802300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0312802400
Ich möchte ganz präzise wissen, aus welchem Titel und mit welcher haushaltsrechtlichen Ermächtigung diese Beträge zur Verfügung gestellt worden sind, weil Herr des Haushaltsplans nicht die Bundesregierung, sondern das Parlament ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312802500
Ich habe meiner Antwort nichts hinzuzufügen.

(Lachen bei der SPD. — Abg. Jahn [Marburg] : Verfassungsminister! — Abg. Büttner: Verfassungsstörer! — Abg. Dr. Mommer: So geht das! — Abg. Wittrock: Das ist unglaublich! — Weitere erregte Zurufe von der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312802600
Ich rufe auf die Frage II/3 — des Abgeordneten Kurlbaum —:
Wurde bei der Besprechung des Herrn Bundeskanzlers mit Vertretern der Industrie am 4. Oktober 1960 auch die Frage des befristeten Wegfalles der Umsatzausgleichsteuer erörtert, für den sich zwei Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Herr Bundeswirtschaftsminister aus konjunkturpolitischen Gründen bereits ausgesprochen haben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312802700
Die Frage wird verneint. Eine Erörterung des genannten Vorschlages hat nicht stattgefunden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312802800
Eine Zusatzfrage!

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0312802900
Wie vereinbaren Sie das, Herr Bundesminister, mit den Pressenachrichten, nach denen diese Frage ausdrücklich im Mittelpunkt der konjunkturpolitischen Auseinandersetzungen und Besprechungen des Herrn Bundeskanzlers mit Herrn Berg gestanden hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312803000
Die Antwort, Herr Kollege Kurlbaum, muß ich Ihrem Kombinationsvermögen überlassen. Ich habe jedenfalls eine richtige Antwort erteilt.

(Zurufe von der SPD: Unerhört! — Weitere Zurufe von der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312803100
Herr Abgeordneter Mommer, eine Zusatzfrage!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0312803200
Herr Bundesinnenminister, wie kommt es, daß Sie eine Frage beantworten, über die sachgemäße Auskunft eigentlich nur der Teilnehmer am Gespräch, nämlich der Herr Bundeskanzler, geben könnte und die außerdem, wenn für sie ein bestimmtes Ressort zuständig sein sollte, in das Ressort Ihres Kollegen Professor Erhard fallen müßte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312803300
Herr Kollege Mommer, es ist Sache der Bundesregierung, ihre Geschäfte in sich zu verteilen. In dieser Frage kann, wie Sie ja gerade gehört haben, eine sehr klar verneinende Antwort erteilt werden. Durch welchen Minister diese Antwort erteilt wird, dürfte bei einem so klaren Tatbestand ziemlich gegenstandslos sein.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312803400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer!




Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0312803500
Glauben Sie, daß dies auch dann berechtigt ist, Herr Minister, wenn Sie nach Lage der Sache dem Hause gar nicht erschöpfend Antwort geben können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312803600
Herr Kollege Mommer, ich habe gerade gesagt, wenn eine Frage einwandfrei verneinend beantwortet wird, ist jeder Bundesminister in der Lage, diese Antwort zu erteilen.

(Abg. Rasner: Sehr richtig!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312803700
Ich rufe auf die Frage II/4, eine Frage des Abgeordneten Dr. Deist:
Steht die Erörterung aktueller wirtschaftspolitischer Einzelfragen zwischen dem Herrn Bundeskanzler und Vertretern der Industrie ohne Wissen und in Abwesenheit des Herrn Bundeswirtschaftsministers im Einklang mit Artikel 65 GG, wonach zwar der Kanzler „die Richtlinien der Politik" bestimmt, innerhalb dieser Richtlinien aber „jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung" leitet?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312803800
Am 4. Oktober 1960 hat der Herr Bundeskanzler einige Vertreter der Industrie und der Banken zu einem Gespräch über die allgemeine Lage empfangen und an sie die Aufforderung gerichtet, für eine Stabilität der Preise zu sorgen. Die Frage, ob dies mit dem Art. 65 des Grundgesetzes zu vereinbaren ist, wird bejaht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312803900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Deist!

Dr. Heinrich Deist (SPD):
Rede ID: ID0312804000
Herr Bundesminister, können Sie mir eine Erklärung dafür geben, daß auch in diesem Fall nicht der Herr Bundeskanzler die Antwort erteilt, obwohl es sich um die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, also um ein wichtiges Vorrecht des Bundeskanzlers, handelt, obwohl der Herr Bundeskanzler in den Darstellungen, die Herr Fritz Berg über diese Art von Gesprächen gegeben hat, eine höchst bedenkliche Rolle spielt und obwohl der Herr Bundeskanzler in aller Öffentlichkeit zu verstehen gegeben hat, daß Äußerungen seiner Minister nicht allzu wichtig genommen werden sollten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312804100
Herr Kollege Deist, Sie müssen mich gleich etwas unterstützen, damit wir alle Punkte wirklich erschöpfend behandeln. Ich möchte aber gern mit dem letzten Punkt anfangen. Eine Äußerung wie die gerade von Ihnen zitierte hat der Herr Bundeskanzler nie getan.

(Lachen bei der SPD.)

— Nie getan! Ich weiß, auf was Sie anspielen. Ihr Gedächtnis täuscht Sie. Eine solche Äußerung hat er nie getan.
Nun zu dem materiellen Inhalt Ihrer Frage. Ich verkürze das in der Antwort jetzt einmal etwas. Der Tatbestand ist klar, wie ich ihn gegeben habe. Die Rechtsfrage ist eindeutig. Daß ich zur Beantwortung dieser Rechtsfrage besonders kompetent bin, darf wohl keinem Zweifel unterliegen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312804200
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Deist!

Dr. Heinrich Deist (SPD):
Rede ID: ID0312804300
Herr Bundesinnenminister, ist Ihnen bekannt, daß der Herr Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie dieser Besprechung in der Öffentlichkeit eine wesentlich größere Bedeutung beigemessen hat, was dadurch zum Ausdruck kommt, daß er erklärte, er brauche nur zum Kanzler zu gehen, um die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers vom Tisch zu wischen? Ist Ihnen bekannt, daß diese Äußerung des Herrn Präsidenten Berg in der Öffentlichkeit als eine Bestätigung dafür angesehen wurde, daß so gewichtige Männer der Industrie wie der Präsident des Bundesverbandes einen unangemessenen Einfluß auf die Politik der Bundesregierung haben?
Ist Ihnen bekannt, daß die Öffentlichkeit dieses Vorgehen nicht nur als für die Regierung und die Regierungspartei gefährlich, sondern auch als für unsere demokratischen Zustände höchst bedenklich gehalten hat, und meinen Sie, daß Ihre formale Antwort diesem Tatbestand wirklich gerecht wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312804400
Ich glaube, daß meine Antwort nicht formal ist, sondern daß sie ihren Inhalt hat. Ich will nun auf Ihre Frage im einzelnen eingehen. Für eine Erklärung, die Präsident Berg abgegeben hat oder — sage ich
abgegeben haben soll, ist die Bundesregierung nicht verantwortlich, sie ist eis auch nicht für einen falschen Eindruck, der dadurch möglicherweise der Öffentlichkeit entstanden ist. Im übrigen ist es, wenn ich die Presseberichte richtig in Erinnerung habe, so, daß alle Erklärungen des Herrn Präsidenten Berg, die Sie angeführt haben, vor dieser Unterhaltung abgegeben worden sind, also keinen ummittelbaren Bezug zu meiner Antwort enthalten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312804500
Eine weitere Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Arndt!

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312804600
Herr Bundesminister, wie, glauben Sie, kann ein Bundesminister der ihm nach dem Grundgesetz für s einen Geschäftsbereich obligenden Verantwortlichkeit gerecht wenden, wenn der Herr Bundeskanzler solche Besprechungen durchführt, ohne daß der zuständige Bundesminister die Möglichkeit der Beteiligung bekommt und ohne daß er in der Lage ist, auf solche Besprechungen irgendeinen Einfluß zu nehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312804700
Die Antwort darauf, Herr Kollege Arndt, lautet wie folgt. Zur Ausfüllung der Richtlinienkompetenz des Herrn Bundeskanzlers ist seine umfassende Informierung die erste Voraussetzung. Der Bundeskanzler wird sich — das sage ich jetzt ganz allgemein —in so schwierigen und wichtigen Fragen mit sehr, sehr vielen Menschen zu unterhalten haben, um für sein eigenes Urteil ,eine möglichst umfassende Basis zu finden. Das Entscheidende aber ist, daß jeweils der für den Aufgabenbereich im engeren verantwortliche Bundesminister eine volle Möglich-



Bundesinnenminister Dr. Schröder
keit hat, seine Auffassung dabei zum Tragen zu bringen. Ich darf an andere Vorgänge, z. B. an die Erarbeitung der Grundlagen für die Krankenversicherung und dergleichen erinnern. Es ist nicht nur ein uribedingtes Recht, sondern auch eine unbedingte Pflicht des Regierungschefs, nicht eher Richtlinien zu erlassen, als per seinen solchen umfassenden Überblick gewonnen hat. Diesen Überblick kann er nur durch zahlreiche Informationen von den verschiedensten Stellen gewinnen. Entscheidend ist, daß keine Entscheidungen ohne das Kabinett und vor glean ohne den zuständigen Minister vergehen. Wenn Sie sich darüber klar sind, daß die Entscheidungen im übrigen sogar noch einer parlamentarischen Bestätigung sei eis Zustimmung oder bei der Beratung eines Gesetzentwurfs oder dergleichen — bedürfen, schrumpft das Problem wirklich auf reine Theorie zusammen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312804800
Weitere Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Arndt!

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0312804900

(die Frage, ob der Bundeskanzler positiv ein Informationsrecht hat, oder war es nicht die Frage, ob die Richtlinienkompetenz dahin auszulegen ist und von Ihnen dahin ausgelegt wind — negativ —, daß die Richtlinienkompetenz ein Recht des Bundeskanzlers bedeutet, Davon ist nie die Rede gewesen. - Das mag Ihnen merkwürdig vorkommen, aber davon ist niemals die Rede gewesen: Ich möchte eines hinzufügen: Wenn zwei Männer seit elf Jahren zusammengearbeitet haben, dann dürfte das vielleicht schon eine ganz überzeugende Tatsache sein. — Was da lächerlich ist, weiß ich nicht. (Zurufe von der SPD: Die Antwort ist lächerlich! Das heißt, Sie kennen sie schon! — Abg. Wittrock: Ihr Kollege zur Linken hat auch gelacht!)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312805000

(Lachen bei der SPD.)


(erneutes Lachen bei der SPD)


(Anhaltendes Lachen bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312805100
Ich rufe auf Frage II/5 — des Abgeordneten Rehs —:
Welche bisher nicht veröffentlichten Auszahlungen aus der statistischen Erfassung der Vertriebenenausweisanträge liegen beim Statistischen Bundesamt vor?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312805200
Beim Statistischen Bundesamt liegen an nicht veröffentlichten Auszahlungen aus der statistischen Erfassung der Antragsformulare zum Bundesvertriebenenausweis die Zählungsergebnisse aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesländer vor. In den Ländern Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist in geringem Umfang von einer Veröffentlichung Gebrauch gemacht worden.
Die Zählerergebnisse enthalten Angaben über:
a) Zahl und Herkunft der Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge nach Vertreibungs- und Herkunftsgebieten,
b) den Zeitpunkt der Vertreibung und des Eintreffens im Bundesgebiet,
c) die soziale und berufliche Struktur der Vertriebenen zur Zeit der Vertreibung oder Flucht und zum Zeitpunkt der Antragstellung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312805300
Eine Zusatzfrage?

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0312805400
Herr Minister, welche von diesen Auszählungen beabsichtigt die Bundesregierung noch zu veröffentlichen und auswerten zu lassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312805500
Das Material liegt außer dem Statistischen Bundesamt auch dem Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte vor. Im Bereich der Bundeszuständigkeit ist die Veröffentlichung durchgeführt. Eine darüber hinausgehende Auswertung des Materials im Wege der Erteilung eines Forschungsauftrages an geeignete Persönlichkeiten oder Institute wäre erwünscht.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0312805600
Können Sie noch Angaben darüber machen, wer diese Auswertung vornehmen soll und wie sie finanziert werden soll?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312805700
Vielleicht darf ich erst ein Wort über die Kosten einer solchen Auswertung sagen: sie würden sich bei 6 Millionen DM Kosten der bisherigen Aufbereitung auf 100 000 DM belaufen. Herr Kollege Rehs, welche anderen Stellen — geeignete Persönlichkeiten oder geeignete Institute — dafür in Frage kommen, kann ich so nicht sagen. Ich bin aber gerne bereit, Ihrer Frage noch einmal nachzugehen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312805800
Ich rufe auf die Frage II/6 — des Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg —.
Wie weit sind die Arbeiten zur Durchführung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung vom 25. Juli 1957 gediehen, insbesondere hinsichtlich der Bildung der Organe, und was steht einer vollen Durchführung des Gesetzes noch im Wege?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Schröder vom 21. 10. 1960 lautet:
Auf Grund der langwierigen Bund—Länderverhandlungen wegen des „Preußischen Kulturbesitzes", über deren Sachstand dem Hohen Hause bei der Beantwortung der Großen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion am 12. Februar 1960 und mehrfach in Fragestunden berichtet worden ist, ist den Herren Ministerpräsidenten der Länder am 8. September 1960 ein neuer Satzungsentwurf übermittelt worden. Am 7. Oktober 1960 haben die Ministerpräsidenten sich bei ihrer Konferenz in Stuttgart damit befaßt und die Bundesregierung gebeten, den Entwurf nach Verabschiedung durch das Bundeskabinett dem Bundesrat, dessen Zustimmung erforderlich ist, zuzuleiten. Dies wird alsbald geschehen.



Vizepräsident Dr. Schmid
Die Errichtung der Satzung ist Voraussetzung für die Bildung der Organe der Stiftung. Daß die Organe der Stiftung spätestens zum Beginn des neuen Haushaltsjahres funktionsfähig sind, wird mit allem Nachdruck erstrebt.
Ich rufe auf die Frage III/1 des Abgeordneten Windelen. — Herr Abgeordneter Windelen ist nicht im Hause, ein Vertreter ist nicht da; die Frage wird zurückgestellt, ebenso die Frage III/2.
Ich rufe auf die Frage III/3 — des Abgeordneten Hamacher —:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher getroffen, um sicherzustellen, daß die Ergebnisse in dem Ermittlungsverfahren gegen Eichmann insoweit unverzüglich ausgewertet und den deutschen Strafverfolgungsbehörden zugänglich gemacht werden, als sie neue Erkenntnisse über Straftaten unter dem Nationalsozialismus vermitteln?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312805900
Herr Präsident, ich darf die Frage beantworten.
Bereits im Juni dieses Jahres hat mein Sachbearbeiter mit dem Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt/Main, in dessen Bezirk die meisten einschlägigen deutschen Verfahren anhängig sind, wegen der Auswertung der israelischen Ermittlungsergebnisse in dem Verfahren gegen Eichmann gesprochen. Der Generalstaatsanwalt erklärte, es sei zunächst beabsichtigt, in der Strafsache gegen Krumey, einen ehemaligen Angehörigen des Sondereinsatzkommandos Eichmann in Budapest, die israelischen Behörden zu bitten, Eichmann als Zeugen zu vernehmen und dem deutschen Untersuchungsrichter die Anwesenheit bei dieser Vernehmung zu gestatten.
Ein entsprechendes Ersuchen ist inzwischen an die Israel-Mission in Köln zur Weiterleitung an die israelische Regierung abgesandt worden.
Ferner soll, sofern die israelische Regierung zustimmt, ein Staatsanwalt der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt/Main, die noch weitere einschlägige Ermittlungsverfahren durchführt, nach Israel entsandt werden. Der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main will im Einvernehmen mit dem hessischen Justizminister sich ferner dafür einsetzen, daß ein Staatsanwalt der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg, der über eine ausgezeichnete Kenntnis des Sachkomplexes „Endlösung der Judenfrage" verfügt, in Israel in dem ihm von der israelischen Regierung genehmigten Umfang die notwendigen Auskünfte einzieht, um soweit wie möglich die israelischen Ermittlungsergebnisse für die deutschen Strafverfolgungsbehörden nutzbar zu machen. Die Ersuchen, den beiden Staatsanwälten die Einreise in Israel zu genehmigen und ihnen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, werden gestellt werden, sobald die israelischen Vorermittlungen abgeschlossen sind. Um auch die Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung gegen Eichmann auswerten zu können, ist daran gedacht, die israelische Regierung zu bitten, einem Beamten aus dem Bezirk des Generalstaatsanwalts bei dem Oberlandesgericht Frankfurt/Main die Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu gestatten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312806000
Eine Zusatzfrage?

Heinrich Hamacher (SPD):
Rede ID: ID0312806100
Ist dem Herrn Minister bekannt oder ist es zutreffend, daß durch Eichmanns Aussagen Personen belastet worden sind, die sich heute in Diensten der Bundesregierung befinden?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312806200
Darüber ist mir gar nichts bekannt. Ich weiß auch von den Aussagen Eichmanns bis heute gar nichts.

Heinrich Hamacher (SPD):
Rede ID: ID0312806300
Danke schön!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312806400
Herr Abgeordneter Windelen ist inzwischen eingetroffen, ich rufe die von ihm gestellten Fragen auf.
Zunächst Frage III/1:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Patentschutz für Erfindungen aus der Bundesrepublik Deutschland in den Ostblockländern unzureichend ist und im allgemeinen nach zwei Jahren verfällt, wenn in dieser Zeit Lizenzen nicht erworben wurden?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312806500
Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Schutz von Erfindungen in ,den Ostblockländern nicht den Grundsätzen des Erfindungsschutzes in westlichen Ländern entspricht. Eine Bestimmung, nach der im allgemeinen ein Patent nach zwei Jahren verfällt, wenn in dieser Zeit Lizenzen nicht erworben wurden, ist der Bundesregierung nicht bekannt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312806600
Ich rufe die zweite Frage des Abgeordneten Windelen, die Frage III/2, auf:
Ist die Bundesregierung bereit, unser Patentrecht auf der Grundlage der Gegenseitigkeit so zu ändern oder zu ergänzen, daß Patentschutz für Anmeldungen aus den Ostblockländern nur in dem Umfang gewährt wird, wie dies in den betreffenden Ländern Anmeldungen aus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber geschieht?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312806700
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, Vorschläge für eine Änderung des Deutschen Patentgesetzes im Sinne der Anfrage zu machen. Hierfür sind folgende Gründe maßgebend:
1. Das deutsche Patentrecht geht nicht von dem Grundsatz der Gegenseitigkeit aus. Jedermann, gleichgültig welche Staatsangehörigkeit er besitzt und wo er seinen Wohnsitz hat, kann in der Bundesrepublik um die Erteilung eines Patentes für seine Erfindung nachsuchen. Dieser Grundsatz ist Inhalt des Patentrechts der meisten Kulturstaaten, insbesondere auch der übrigen EWG-Staaten.
2. Die Bundesrepublik ist Mitglied der Pariser Verbandsübereinkunft, einer umfassenden internationalen Konvention auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Nach Art. 2 dieser Übereinkunft ist die Bundesrepublik als Mitgliedstaat verpflichtet, den Staatsangehörigen aller übrigen Mitgliedstaaten sowie allen Personen, die in den übrigen Mitgliedstaaten einen Wohnsitz oder eine Niederlassung haben, den gleichen Schutz für ihre Erfindungen zu gewähren, den die Bundesrepublik ihren eigenen Staatsangehörigen gewährt. Der Pariser Verbandsübereinkunft gehören neben der Bundesrepublik etwa 47 Mitgliedstaaten, darunter zur Zeit folgende Ostblockstaaten an: Bulgarien, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei und Ungarn.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312806800
Eine Zusatzfrage? — Nicht.
Ich rufe die Frage IV/1 — des Abgeordneten Eschmann — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf Grund der Auflösung des bisherigen Verwaltungsstabes für die deutschen Dienstgruppen, die auf Betreiben der amerikanischen Zivilverwaltung erfolgte und wonach die Einheiten in Zukunft von den örtlichen amerikanischen Zivilpersonalbüros betreut werden sollen, bei den Dienstgruppen erhebliche Unruhe entstanden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312806900
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten Eschmann nach der Auflösung des bisherigen Verwaltungsstabes für die deutschen zivilen Dienstgruppen bei der USA-Luftwaffe.
Dieser Verwaltungsstab ist vor einiger Zeit aufgelöst worden. Seine Aufgaben sind gemäß Art. 45 des Truppenvertrages auf die zivilen Instanzen übergegangen, die bereits für alle übrigen deutschen Arbeitnehmer bei der US-Luftwaffe zuständig sind. Das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte hat damit endlich seine organisatorische Verpflichtung aus dem Truppenvertrag erfüllt. Die Maßnahme ist seit längerer Zeit sowohl von der Bundesregierung als auch von den Gewerkschaften angestrebt worden. Eine Beunruhigung der Arbeitnehmer bei den Dienstgruppen scheint uns nicht begründet zu sein.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312807000
Eine Zusatzfrage?

Fritz Eschmann (SPD):
Rede ID: ID0312807100
Herr Staatssekretär, ist Ihrem Ministerium bekannt, daß durch die Amerikaner die deutschen Dienstgruppen teilweise erheblich daran gehindert werden, sich nach deutschem Recht Personalvertretungen zu wählen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312807200
Das ist uns bekannt, Herr Abgeordneter. Ich habe in der Zwischenzeit einmal feststellen lassen, wieweit die Rechtslage auch praktisch beachtet wird. Nach Art. 44 Abs. 9 des Truppenvertrages sind auch für diese zivilen Arbeitskräfte Personalvertretungen zu bilden. Die amerikanische Luftwaffe hat unter dem 10. Februar 1960 eine entsprechende Direktive herausgegeben, die das Recht zur Bildung von Personalvertretungen ausdrücklich bestätigt. In der Zwischenzeit sind die Vorbereitungen angelaufen, ,damit Wahl ausschüsse gebildet werden können.

Fritz Eschmann (SPD):
Rede ID: ID0312807300
Danke schön!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312807400
Ich rufe auf die Frage IV/2 — des Abgeordneten Dröscher —:
Trifft es zu, daß durch die beabsichtigte Erweiterung des amerikanischen Feldflugplatzes in Bad Kreuznach wichtigste Stromleitungen der RWE Essen, der RNK Bad Kreuznach und der Elektrizitätswerk-Rheinhessen-AG Worms, die einen Teil der Nord-Süd-Verbindung in der Bundesrepublik darstellen und Hunderttausende von Arbeitsplätzen mit Kraftstrom versorgen, erheblich gefährdet werden?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312807500
Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wegen des Flugplatzes bei Bad Kreuznach wie folgt:
Die amerikanischen Streitkräfte betreiben bei Bad Kreuznach einen kleineren Flugplatz. Auf dem seit 1954 benutzten Platz werden zur Zeit einige Erweiterungsbauten errichtet. Das Gelände des Flugplatzes selber wird nicht erweitert werden.
Ob der Flugverkehr infolge dieser neuen Bauten die benachbarten Stromleitungen gefährdet, kann abschließend nicht beurteilt werden. Nach den Unterlagen für die beantragte Feststellung eines beschränkten Bauschutzbereichs liegen die Stromleitungen nicht innerhalb dieses erweiterten Schutzbereichs; sie berühren ihn nur äußerlich. In dem anhängigen Feststellungsverfahren wird auch geprüft werden, in welchem Maße die Leitungen gefährdet sind und welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Über das Ergebnis dieser Feststellungen werden wir Sie gern persönlich unterrichten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312807600
Eine Zusatzfrage!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0312807700
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob das amerikanische Hauptquartier in Heidelberg, das sich bisher gegen jeden Verzicht auf Erweiterung gewandt hat, die Frage der Gefährdung der zivilen Arbeitsplätze geprüft hat und zu welchen Ergebnissen eine solche Prüfung geführt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312807800
Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter; ich werde mich aber weiter unterrichten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312807900
Eine weitere Zusatzfrage!

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0312808000
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sehen Sie, das in diesem Fall vorliegende vielfältige zivile deutsche Interesse, das sich nicht nur auf die Stadt Bad Kreuznach beschränkt, sondern den ganzen Raum betrifft, eventuell gegen das amerikanische Hauptquartier durchzusetzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312808100
Derartige Bedenken und Einwendungen wären im Rahmen der Planfeststellungen für den erweiterten Schutzbereich vorzubringen. Die Landesbehörden würden diese Bedenken in erster Instanz schon bei der Bemessung des Schutzbereichs zu würdigen haben. Wenn das nicht zum Ziel führen sollte, würde der Bundesfinanzminister in unmittelbaren Verhandlungen mit dem Hauptquartier der amerikanischen Luftstreitkräfte weitergehende Wünsche zu vertreten haben.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0312808200
Danke.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312808300
Ich rufe auf die Frage IV/3 — des Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen)

Ist dem Herrn Bundesfinanzminister bekannt, daß die in § 22 des Bewertungsgesetzes für die Wertfortschreibung festgelegte Wertabweichung in Höhe von mindestens 1000 DM zu ungerechtfertigten Belastungen und Härten, insbesondere bei Teilveräußerungen des Kleingrundbesitzes, führt?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312808400
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten nach der Wertfortschreibungsgrenze im Bewertungsrecht wie folgt:
Es ist bekannt, Herr Abgeordneter, daß die Wertfortschreibungsgrenze von 1000 DM bei der Wertfortschreibung wegen Flächenänderungen zu gewissen Härten führen kann. Andererseits ist es aber auch möglich, daß durch diese verhältnismäßig hohe Wertfortschreibungsgrenze gewisse steuerliche Erleichterungen bei der Veräußerung von Grundstückteilen entstehen. Bleibt die steuerliche Belastung der veräußerten Fläche wegen Nichterreichens der Wertfortschreibungsgrenze beim Veräußerer, so kann vertraglich vereinbart werden, daß der Erwerber der Grundstücksfläche diese Steuer im Innenverhältnis übernimmt. Durch eine solche privatrechtliche Abrede können die verwaltungsmäßig bedingten Härten aus dem Bewertungsgesetz einigermaßen ausgeglichen werden.
Im übrigen ist beabsichtigt, in dem Entwurf eines neuen Bewertungsgesetzes eine Mindestgrenze von nur 500 DM und nicht wie heute von 1000 DM vorzusehen, um die Unbilligkeit künftig zu vermindern. Das wird dann die endgültige steuerrechtliche Regelung sein, die Ihren Wünschen entspricht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312808500
Ich rufe auf die Frage IV/4 — des Abgeordneten Ritzel —:
1st die Bundesregierung nicht der Auffassung, daß die Ausgabe von Goldmünzen im Wert von 20 DM oder 50 DM für Währung und Wirtschaft günstige Wirkungen haben könnte?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312808600
Ich beantworte die Anfrage des Herrn Abgeordneten Ritzel nach der Ausprägung von Goldmünzen wie folgt.
Der Bund ist als Mitglied des Internationalen Währungsfonds zur Aufrechterhaltung einer manipulierten Währung mit festen Paritäten verpflichtet. Die Satzungen des Internationalen Währungsfonds lassen ausdrücklich Änderungen der jeweiligen Währungsparitäten zu; Veränderungen größeren Ausmaßes sind nur unter erschwerten Bedingungen zulässig. Mit diesen Grundsätzen ist die Ausgabe von Goldmünzen als gesetzliches Zahlungsmittel nicht zu vereinbaren.
Der Internationale Währungsfonds empfiehlt seinen Mitgliedstaaten, darauf hinzuwirken, daß die Goldbestände in größtmöglichem Umfange bei den angeschlossenen Notenbanken gehalten werden. Er bezeichnet es ausdrücklich als unerwünscht, daß wesentliche Teile der Goldbestände in der Hand der Bevölkerung seien. Den Mitgliedstaaten des Internationalen Währungsfonds ist durch einen Beschluß vom 28. September 1951 ausdrücklich ein entsprechendes Verhalten nahegelegt worden. Unter diesen Umständen hat die Bundesregierung bisher nicht erwogen — auch nicht erwägen können —, Goldmünzen als gesetzliches Zahlungsmittel auszugeben.
Eine ganz andere Frage, Herr Abgeordneter, ist, ob und inwieweit bei uns Goldmünzen geprägt werden, ohne gesetzliches Zahlungsmittel zu sein, ohne daß also ein festes ständiges Umtauschverhältnis I zwischen Goldmünzen und Papiergeld ausdrücklich festgelegt wird. Es ist Ihnen bekannt, daß der Ausprägung solcher nicht als Zahlungsmittel dienender Goldmünzen bei uns keine Grenzen gesetzt sind und daß solche Goldmünzen auch von Privaten in beliebigem Umfange ausgeprägt werden können. Diese Münzen und überhaupt das Gold haben bei uns seit Jahren einen im wesentlichen unverändert festen Preis.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312808700
Eine Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312808800
Sieht die Bundesregierung diese Maßnahme des Internationalen Währungsfonds einmal als heute noch zeitgemäß und zum zweiten als im Interesse der deutschen Währung liegend an?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312808900
Es handelt sich hier um den tragenden Grundgedanken des derzeitigen internationalen Währungssystems und seiner Stabilität. Wissenschaftlich ist daran mehrfach Kritik geübt worden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312809000
Eine weitere Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0312809100
Beabsichtigt die Bundesregierung, sich mit dem jetzt gegebenen Stand der Dinge abzufinden oder wird sie ihren Einfluß in Richtung einer Änderung im Interesse der deutschen Währung einsetzen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312809200
Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter, daß zwischen den Grundsätzen des Internationalen Währungsfonds und der Sicherheit der deutschen Währung ein Widerspruch besteht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312809300
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Fritz!

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0312809400
Herr Staatssekretär, hat sich Ihre Antwort, die Sie heute Herrn Kollegen Ritzel gegeben haben, in wesentlichen Punkten gegenüber der Auskunft geändert, die Sie uns im Arbeitskreis „Haushalt und Finanzen" gegeben haben, als wir dieselbe Frage vor einem Vierteljahr gestellt haben? Sind weitere Untersuchungen angestellt worden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312809500
Es sind keine weiteren Überlegungen angestellt worden. Die Antworten stimmen im wesentlichen überein.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Danke!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312809600
Frage V/1 — des Herrn Abgeordneten Keller —:
Treffen Zeitungsberichte zu, nach denen die Bundesregierung eine Finanzierungsbeihilfe für den Bau des Düsenverkehrsflugzeuges HBF 314 der Hamburger Flugzeug GmbH im November des vergangenen Jahres versagt hat, um die deutschfranzösische Freundschaft nicht zu gefährden?
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft!




Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0312809700
Die Bundesregierung hat Ende vorigen Jahres im Zusammenhang mit der Frage einer finanziellen Förderung der Entwicklung von zivilen Flugzeugen in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem auch die Förderungswürdigkeit des Projekts der Hamburger Flugzeugbau GmbH „HFB 314" behandelt. Hierbei entstanden technische, betriebswirtschaftliche und zum Teil politische Bedenken, die dazu führten, daß zunächst die Förderungswürdigkeit dieses Projekts verneint wurde. In weiteren Besprechungen zwischen den beteiligten Bundesressorts und der Hamburger Flugzeugbau GmbH wurden diese Bedenken ausgeräumt und die Förderungswürdigkeit des Projekts anerkannt. Über die Gewährung von Finanzierungsbeihilfen des Bundes sind Beschlüsse bisher nicht gefaßt worden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312809800
Eine Zusatzfrage!

Ernst Keller (FDP):
Rede ID: ID0312809900
Herr Bundesminister, können Sie sagen, wann mit einer ,solchen Entscheidung zu rechnen sein wind?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0312810000
Das kommt auf die Initiative des Werkes an. Wir sind bereit, die Verhandlungen jederzeit fortzuführen.

(Abg. Keller: Danke!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312810100
Frage V/2 — des Herrn Abgeordneten Murr —:
Welche Preisunterschiede bestehen bel Dieselkraftstoff zwischen den EWG-Ländern und der Bundesrepublik?
Herr Bundesminister!

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0312810200
Nach Botschaftsberichten und Auskünften der Mineralölindustrie wird Dieselkraftstoff an den Tankstellen in den EWG-Ländern z. Z. zu folgenden auf volle Pfennige abgerundeten Preisen je Liter verkauft: Bundesrepublik 55 Pf, Frankreich 57 Pf, Italien 50 Pf, Belgien 23 Pf, Holland 17 Pf, Luxemburg 22 Pf.
In diesen Preisen sind folgende staatliche Belastungen, die — um Vergleiche zu ermöglichen —einheitlich auf Einfuhrware berechnet sind, enthalten, wieder in vollen Pfennigen: Bundesrepublik 31 Pf, Frankreich 38 Pf, Italien 36 Pf, Belgien 5 Pf Holland 1 Pf, Luxemburg 3 Pf.
Der um die staatliche Belastung bereinigte Warenpreis beläuft sich also in der Bundesrepublik auf 24 Pf, in Frankreich auf 19 Pf, Italien 14 Pf, Belgien 18 Pf, Holland 16 Pf, Luxemburg 19 Pf.
Dieselkraftstoff wird in der Bundesrepublik jedoch zu 70 % bis 80 % nicht über die Tankstellen zu den obigen Preisen, sondern im Direktgeschäft an die Verbraucher — insbesondere an Fuhrunternehmer, landwirtschaftliche Abnehmer usw. — geliefert. Die dabei gewährten Nachlässe sind im allgemeinen höher als bei den vergleichbaren Direktbezügen in den übrigen EWG-Ländern, nach den Mitteilungen der Mineralölwirtschaft in der Bundesrepublik durchschnittlich um mindestens 5 Pf je Liter. Der größte Teil der deutschen Verbraucher erhält in diesem Falle Dieselkraftstoff zu einem von staatlichen Abgaben bereinigten Warenpreis, der dem von Frankreich, Belgien und Luxemburg entspricht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312810300
Eine Zusatzfrage.

Leonhard Murr (FDP):
Rede ID: ID0312810400
Herr Minister, hält es die Bundesregierung für richtig, daß die Rückerstattung der Dieselölsteuer und -zölle der Landwirtschaft einseitig als Subvention angerechnet und als solche bezeichnet wird?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0312810500
Ich kann für die Bundesregierung im ganzen hier keine verbindliche Antwort geben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312810600
Frage V/3 — des Abgeordneten Murr —:
Welche Preisunterschiede bestehen zwischen den EWG-Ländern und der Bundesrepublik bei
a) Stickstoffdünger,
b) Kalidünger,
c) Phosphordünger, berechnet in Handelsnährstoffeinheiten?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0312810700
Ein Preisvergleich der OEEC für das Düngemitteljahr 1958/59 auf der Basis „Preis frei nächster Bahnstation des Empfängers" zeigt folgendes Bild:
Kalidüngesalze sind in Deutschland am billigsten. Sie liegen 6 % unter den französischen, etwa 25% unter den belgischen und holländischen sowie bis zu 60 % unter den italienischen Preisen. Zwei Monate vor Abschluß der Berichtsperiode sind die deutschen Kalipreise um etwa 4 % erhöht worden. Sie liegen aber weiterhin am unteren Ende der Preisskala.
Die deutschen Stickstoffdüngerpreise halten sich etwa auf der Höhe der Preise in den Nachbarländern, in denen das für Stickstoffdünger erforderliche Ammoniak auf Kohlebasis hergestellt wird. In Italien, wo Primärammoniak auf der Basis von Erdgas gewonnen werden kann, sind Stickstoffdüngemittel bis zu 25 % billiger. Vor kurzem — also nach Abschluß der Berichtsperiode — sind die deutschen Stickstoffpreise um etwa 5 % ermäßigt worden. Dadurch hat sich der Abstand zu den italienischen Preisen verringert.
Bei Superphosphat entsprechen die deutschen Preise den französischen. Sie werden von den italienischen und belgischen Preisen um etwa 15 % unterschritten.
Thomasphosphat verkaufen die französischen Hersteller zu den niedrigsten Preisen. Sie liegen etwa 25 % unter den deutschen und sogar über 30 % unter den italienischen Preisen, welche hier die höchsten sind.
Bei Preisvergleichen darf nicht vergessen werden, daß die Düngemittelbezüge der deutschen Landwirtschaft durch Subventionen aus dem „Grünen Plan" verbilligt werden, die gegenwärtig etwa 11 % des Preises betragen.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312810800
Eine Zusatzfrage.

Leonhard Murr (FDP):
Rede ID: ID0312810900
Herr Minister, ist die Bundesregierung nicht der Meinung, daß angesichts des enorm vermehrten Verbrauchs von Kalidüngern die 4%ige Steigerung nicht mehr gerechtfertigt erscheint?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0312811000
Ich werde in dieser Frage mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und mit der Industrie Verbindung aufnehmen.

Leonhard Murr (FDP):
Rede ID: ID0312811100
Danke schön.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312811200
Frage VI/1 — des Abgeordneten Dr. Mommer —:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß die vom Herrn Bundesernährungsminister am 5. Oktober 1960 auf einer Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes in Bonn gemachten Ausführungen über die Agrarpolitik, in denen er unter anderem erklärte, daß keine Rechte auf europäische Stellen übertragen werden dürften, mit der Europapolitik der Bundesregierung sowie mit Inhalt und Geist des EWG-Vertrages übereinstimmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312811300
Die Erklärung des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes am 5. Oktober ist offenbar mißverständlich wiedergegeben worden. Der Herr Bundesernährungsminister hat unter ausführlicher Darlegung der für die Landwirtschaft sich ergebenden Konsequenzen nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung entschlossen ist, den EWG-Vertrag wie bisher pünktlich und genau zu erfüllen. Er hat ferner erklärt, daß die Bundesregierung sich nicht in der Lage sehe, der Anwendung des Beschleunigungsplans, des sogenannten Hallstein-Plans, auf den agrarischen Bereich zuzustimmen, und daß sie mithin auch nicht bereit sei, einer vorzeitigen Übertragung ihrer unter anderem aus dem deutschen Landwirtschaftsgesetz sich ergebenden Verantwortlichkeit und Zuständigkeit an supranationale Einrichtungen zuzustimmen, wie dies in den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur gemeinsamen Agrarpolitik vorgesehen ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312811400
Eine Zusatzfrage!

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0312811500
Sie bestreiten also, Herr Staatssekretär, daß die Wiedergabe von dpa richtig sei, in der es in einem Satz heißt:
Wichtig sei auch, betonte Schwarz, daß keine Rechte auf supranationale Stellen übertragen werden, da sonst die Möglichkeit entzogen werde, die deutschen Agrarmärkte unter eigener Kontrolle zu halten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312811600
Ich glaube auch diese Frage durch meine Erklärung beantwortet zu haben. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Erklärung des Herrn Bundesministers offenbar unrichtig wiedergegeben ist, und ich habe mich bemüht, den genauen Wortlaut seiner Erklärung in Beantwortung Ihrer Anfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer, vorzutragen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312811700
Noch eine Zusatzfrage? — Frau Abgeordnete Strobel!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0312811800
Herr Staatssekretär, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann sagen Sie damit, daß sich die Äußerungen des Herrn Bundesministers auf den Beschleunigungsplan und nicht auf den Vertrag bezogen haben. Glauben Sie nicht, daß die Zustimmung der Bundesregierung zum Beschleunigungsplan unglaubwürdig wird, wenn auf der anderen Seite der zuständige Minister sagt, daß die notwendigen Instrumente für die Beschleunigung auf dem Gebiet der Agrarpolitik verweigert werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312811900
Sie haben zwei Fragen an mich gerichtet, Frau Abgeordnete Strobel. Die erste darf ich dahin beantworten, daß der Herr Bundesminister in der Tat nur über die Probleme der Übergangszeit, aber nicht der Endphase gesprochen hat. Er hat, wie ich vorhin darzulegen mir erlaubt habe, keinen Zweifel daran gelassen, daß die Bundesregierung wie bisher so auch künftig den Vertrag genau und pünktlich erfüllen wird.
Ihre zweite Frage geht — wenn ich Sie recht verstanden habe — dahin, ob die Bundesregierung nicht unglaubwürdig werde, wenn sie den Beschleunigungsplan ablehne.

(Abg. Frau Strobel: Sie hat ihm ja zugestimmt!)

— Die Bundesregierung hat dem Beschleunigungsplan für den gewerblichen Bereich grundsätzlich zugestimmt. Sie hat ihm, wie aller Welt bekannt ist, für den agrarischen Bereich nicht zugestimmt, und sie hat die Gründe dafür in der Ministerratskonferenz in Luxemburg und Brüssel am 12. und 13. Mai eingehend dargelegt.

(Abg. Frau Strobel: Herr Staatssekretär — —)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312812000
Ihr Fragerecht ist erschöpft, Frau Abgeordnete. Sie haben keine Frage mehr. — Herr Abgeordnete Kriedemann!

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0312812100
Herr Staatssekretär, jedermann, glaube ich, weiß, daß es nicht zu dem Beschleunigungsbeschluß gekommen wäre, wenn die Bundesregierung ihre Stellungnahme in eine Zustimmung zur Beschleunigung im gewerblichen Raum und in eine Verweigerung der Beschleunigung im agrarischen Raum geteilt hätte. Glauben Sie, daß es dem moralischen Kreditbedürfnis der Bundesregierung, nachdem sie dem Beschleunigungsvertrag zugestimmt hat, dient, wenn der Bundesminister für Ernährung in der landwirtschaftlichen Zeitschrift für die Nordrheinprovinz am 1. Oktober in einem Artikel ausdrücklich sagt:



Kriedemann
Wir haben Bedenken gegen diejenigen Beschleunigungsmaßnahmen in den Kommissionsvorschlägen, die über die Zeiten hinausgehen, die der EWG-Vertrag zwingend vorsieht. Dazu gehört unter anderem die vorzeitige Übertragung nationaler Rechte und Zuständigkeiten.
Dazu gehört also alles das, was mit dem Beschleunigungsplan zusammenhängt. Glauben Sie, daß dies dem moralischen Kreditbedürfnis entspricht?

(Zurufe von der CDU/CSU: Frage! — Gegenruf des Abg. Kriedemann: Haben Sie das Fragezeichen nicht gehört?)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312812200
Indem Sie diesen Artikel, der mir im Moment nicht vorliegt, zitieren, Herr Abgeordneter Kriedemann, unterstreichen Sie die Richtigkeit meiner Darstellung, daß der Herr Bundesminister auch in der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes nur von einer vorzeitigen, d. h. mit dem Beschleunigungsplan zusammenhängenden Übertragung nationaler Zuständigkeiten an supranationale Einrichtungen gesprochen haben kann. Denn in dem Zeitungsaufsatz, auf den Sie hinweisen, sind diese Dinge offenbar präzis zur Darstellung gekommen, während sie in der Wiedergabe seiner mündlichen, nicht auf einem vorbereiteten Text beruhenden Erklärung in der Presse offenbar unrichtig dargestellt worden sind.
Ihre weitere Frage darf ich dahin beantworten: Die Unterscheidung zwischen der Zustimmung der Bundesregierung zum Beschleunigungsplan an sich und ihre unterschiedliche Einstellung zur Anwendung dieses Plans auf den agrarischen Bereich ist u. a. dadurch zum Ausdruck gekommen, daß über den ersten Komplex in der Ministerratssitzung in Luxemburg am 12. Mai beraten und beschlossen worden ist, während die Beratung über die Anwendung des Beschleunigungsverfahrens auf den Agrarsektor in klarer räumlicher Abtrennung von diesem ersten Beschluß einen Tag später in Brüssel erfolgte. Die Bundesregierung hat im Bulletin den Inhalt dieses Beschlusses vom 13. Mai in Brüssel dargelegt. Daraus ergibt sich ganz unzweideutig einmal, aus welchen Gründen sie der Anwendung des Beschleunigungsplans auf den Agrarsektor nicht zugestimmt hat, und zum andern ergibt sich daraus, daß gewisse Beschleunigungsmaßnahmen Platz greifen sollen, wenn in einer oder mehreren weiteren Ministerratssitzungen festgestellt ist, daß bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Eine der Voraussetzungen, an deren Herbeiführung auch Ihnen besonders gelegen sein dürfte, ist die Entzerrung der künstlichen Wettbewerbsverschiebungen in der Preisgestaltung zwischen der Bundesrepublik und einigen anderen EWG-Partnern.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312812300
Eine weitere Zusatzfrage? — Die letzte.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0312812400
Herr Staatssekretär, ist die räumliche und zeitliche klare Trennung zwischen beiden Verhandlungstagen nicht eben gerade darauf zurückzuführen, daß unsere Partner nicht bereit waren, dem Hallstein-Plan zuzustimmen, solange die Bundesregierung sich sträubte, den agrarischen Teil mit einzubeziehen, und ist die endgültige Zustimmung nicht deshalb erfolgt, weil auf einer, wie mir gesagt worden ist, doch ziemlich dramatischen, auch für Sie sehr strapaziösen späteren Sitzung zugestimmt worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312812500
Daß die Sitzung für die beteiligten Beamten strapaziös war, darf am Rande unterstellt werden. Daß sie dramatisch verlaufen ist, möchte ich bestreiten, weil das zu unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs „dramatisch" —was ist denn eigentlich „dramatisch"? — führen könnte. Im übrigen haben Sie zu Unrecht im Plural gesprochen. Es haben sich nicht einige EWG-Partner unserer Auffassung hinsichtlich der Anwendung des Beschleunigungsplans widersetzt, sondern ausschließlich die Holländer, während wir den Vorzug hatten, mit allen übrigen weitgehend übereinzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312812600
Frage VI/2 — des Abgeordneten Murr —:
Welche Gründe veranlassen die Bundesregierung, die änderung des Standorts der Bundesanstalt für Fleischforschung, Kulmbach, zu planen, und welcher neue Standort ist für die Bundesanstalt vorgesehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312812700
Die im Jahre 1938 als Reichsanstalt in Berlin gegründete heutige Bundesanstalt für Fleischforschung wurde 1944 aus Luftschutzgründen nach Kulmbach verlegt und dort provisorisch in einem Fabrikgebäude untergebracht, das im Eigentum einer Fleischwarenfabrik steht. Da diese Räume unzulänglich sind und da der Vermieter das Mietverhältnis nicht fortsetzen möchte, muß ein Neubau für die Anstalt erstellt werden. Aus diesem Grunde stellte sich die Frage nach dem geeignetsten Standort für die Forschungsanstalt, der folgenden Anforderungen erfüllen muß: Es müssen vorhanden sein 1. eine Hochschule mit veterinärmedizinischer Fakultät und möglichst auch eine landwirtschaftliche Hochschule, 2. Forschungseinrichtungen und praktische Versuchsbetriebe für Fragen der Tierzucht, der Tierernährung und der Tierphysiologie, 3. Einrichtungen der Lebensmittelforschung, 4. ein Schlachtviehgroßmarkt und .ein moderner großer Schlachthof und schließlich 5. leistungsfähige Betriebe der Fleischwarenindustrie.
Diesen Anforderungen entspricht der gegenwärtige Standort der Anstalt in keiner Hinsicht. Dagegen werden sie in idealer Weise von der Stadt München erfüllt. München verfügt über eine veterinärmedizinische und über eine landwirtschaftliche Fakultät sowie über ein Universitätsinstitut für Nahrungsmittelkunde. Es ist Sitz der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie und des Institutes für Lebensmitteltechnologie und -verpakkung. Die Bayerische Landesanstalt für Tierschutz in Grub bei München bietet die Möglichkeit, alle Versuche über die Fütterung, Haltung und Behand-



Staatssekretär Dr. Sonnemann
lung von Schlacht- und Masttieren durchzuführen. In München steht für die Arbeiten der Forschungsanstalt reichhaltigeres Untersuchungsmaterial als an jedem anderen Ort zur Verfügung, weil es im Zentrum des größten Viehzuchtgebietes der Bundesrepublik liegt und sein Schlachtviehgroßmarkt der grüßte Viehumschlagplatz in Westdeutschland ist. Die modernen Anlagen des Städtischen Schlachthofes in München bieten Gelegenheit, in großem Umfange Versuche auf dem Gebiet der Schlacht- und Fleischtechnologie anzustellen. Schließlich sind im Raum München bedeutende Betriebe der fleischverarbeitenden Industrie ansässig.
Für die Errichtung des Neubaus hat die Stadt München ein geeignetes Grundstück angeboten, das dem Bund unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden soll. Das Land Bayern hat die Leistung eines angemessenen Beitrages für den Neubau der Anstalt in München in Aussicht gestellt.
Der Haushaltsausschuß des Hohen Hauses hat sich bereits in seiner Sitzung am 18. März 1959 mit der Frage des Standorts der Bundesanstalt befaßt und der Bundesregierung die Verlegung dieser Forschungsanstalt von Kulmbach weg empfohlen. Dieser Empfehlung hat sich die Bundesregierung in der Vorlage des Herrn Bundesministers der Finanzen vom 28. Dezember 1959 an den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses angeschlossen und hat aus den oben vorgetragenen Gründen die Verlegung der Anstalt nach München vorgeschlagen. In seiner Sitzung am 22. September 1960 hat sich der Haushaltsausschuß des Hohen Hauses diesen Vorschlag zu eigen gemacht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312812800
Haben Sie nach dieser doch sehr ausführlichen Beantwortung eine Zusatzfrage?

Leonhard Murr (FDP):
Rede ID: ID0312812900
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß es richtiger wäre, in einer solchen Angelegenheit zunächst mit den Gemeinden Fühlung zu nehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312813000
Mit den Gemeinden ist ausgiebig Fühlung genommen worden. Der damalige Oberbürgermeister von Kulmbach hat, wenn ich mich recht entsinne, in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des Bayerischen Landtages ausführlich die Gründe vorgebracht, die ihm ein Verbleiben der Anstalt in Kulmbach wünschenswert erscheinen ließen. Seinerzeit haben mit dem inzwischen verstorbenen Oberbürgermeister von Kulmbach eine Reihe von Unterredungen stattgefunden. Das kann aber nichts daran ändern, daß die sachlichen Voraussetzungen, die die notwendigen Grundlagen für die Bundesanstalt abgeben, in dem zufälligen Standort Kulmbach nicht gegeben sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312813100
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Herold!

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0312813200
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, ob nach dein Ableben des damaligen Oberbürgermeisters und Vizepräsidenten des Bayerischen Landtages Hagen weitere Verhandlungen mit der Stadt Kulmbach im Hinblick auf die Verlegung der Anstalt nach München geführt worden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312813300
Das glaube ich nicht. Ich wüßte auch nicht, wozu solche Verhandlungen mit der Stadt Kulmbach hätten führen sollen. Denn bestimmte Voraussetzungen, z. B. das Vorhandensein einer veterinärwissenschaftlichen Fakultät, einer landwirtschaftlichen Hochschule und dergleichen, hätten ja auch durch noch so viele Verhandlungen mit der Stadt Kulmbach nicht erfüllt werden können.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312813400
Eine zweite und letzte Zusatzfrage!

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0312813500
Herr Staatssekretär, wenn Sie die Anforderungen, die Sie hier aufgestellt haben, daß nämlich jede Forschungsanstalt oder jedes Bundesinstitut mit einer Universität oder Hochschule gekoppelt sein müsse, auch bei anderen Bundesinstituten zugrunde legten, wie viele Institute müßten dann in den nächsten Jahren verlegt werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312813600
Erstens habe ich nicht allgemein gesprochen. Es ist mir nicht in den Sinn gekommen, zu sagen, daß jede Bundesanstalt unbedingt mit einer Hochschule oder einer landwirtschaftlichen oder veterinärmedizinischen Fakultät gekoppelt sein müsse. Das hängt von der Forschungsaufgabe der Bundesforschungsanstalten im einzelnen ab.
Im übrigen möchte ich Ihre Frage dahin beantworten, daß die Bundesregierung sehr gern bereit wäre, die Bundesforschungsanstalten z. B. im Bereich des Bundesernährungsministers räumlich mehr zu konzentrieren. Diese Konzentration scheitert häufig an Einwendungen nicht besonders überzeugender sachlicher Art von Gemeinden zugunsten meist zufälliger Standorte dieser Forschungsanstalten, die aus, sagen wir, Prestigegründen Wert darauf legen, daß die betreffende Bundesforschungsanstalt weiter in ihrem Bereich verbleibt. Mit den Fragen der sachlichen Zweckmäßigkeit und mit der Aufgabenstellung der Forschungsanstalten haben, das muß ich allerdings zugeben, die Standorte mancher Bundesforschungsanstalten nicht genügend zu tun.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312813700
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Murr!

Leonhard Murr (FDP):
Rede ID: ID0312813800
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht der Meinung, daß durch dieses 30-Millionen-Projekt die Überhitzung auf dem Bausektor gerade in dem Ballungsort München noch wesentlich gesteigert wird, und ist es nicht richtiger, diese Überhitzungsperiode noch abzuwarten?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312813900
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist für Fragen der Konjunkturerhitzung erfreulicherweise nicht zuständig. Im Haushaltsausschuß ist die Zustimmung zu dem Verlegungsvorhaben erteilt worden. Wann mit dem Bau begonnen wird, steht dahin. Es wäre also durchaus möglich, konjunkturpolitischen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen.
Im übrigen ist aber wohl die Frage zu stellen, ob es richtig ist, eine Investition von, sagen wir einmal, 30 Millionen DM vorzunehmen unter konjunkturpolitischen Gesichtspunkten, die wahrscheinlich sehr vorübergehender Natur sind, damit aber Fehlentscheidungen herbeizuführen, die über viele Jahrzehnte hinweg wirksam sind und den Bund zwangsläufig ständig mit Mehrausgaben belasten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312814000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mattick!

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0312814100
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Bundestag den Beschluß gefaßt hat, bei Neuerrichtungen von Bundesanstalten und -institutionen oder bei Verlegungen möglichst immer Berlin als Standort zu wählen? Gibt es einen besonderen Grund — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312814200
Eine Frage! Sie können Fragen nicht kumulieren.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312814300
Der Bundesregierung ist selbstverständlich bekannt, daß ein solcher Beschluß vorliegt. Die Bundesregierung hat sich entsprechend verhalten. Mit dem Berliner Senat haben eingehende Verhandlungen darüber stattgefunden, und dabei hat sich ergeben, was jedem Sachkundigen bekannt ist, daß einige der fünf Standortvoraussetzungen, von denen wir aus sachlichen Gründen nicht abgehen können, in Berlin leider nicht erfüllt sind. Zum Beispiel können in Berlin aus den Ihnen bekannten Gründen so gut wie keine lebenden Tiere zum Schlachten aufgetrieben werden.

(Abg. Dr. Mommer: Da gibt es Eisenbahnen, Herr Staatssekretär! Die fahren vorläufig noch!)

— Trotzdem, Herr Abgeordneter Mommer, wird kein lebendes Vieh nach Berlin geschafft, sondern in völliger Übereinstimmung mit dem Berliner Senat nur geschlachtetes Vieh. Das ist nun einmal nicht zu ändern.
Außerdem darf ich darauf hinweisen, daß die Schlachthofvoraussetzungen in Berlin zum mindesten zur Zeit nicht in idealer Weise erfüllt sind. Zudem fehlen einige der anderen Voraussetzungen, von denen wir aus sachlichen Erwägungen nicht glauben abgehen zu können. Diesen sachlichen Erwägungen hat der Haushaltsausschuß — ich darf es wiederholen — in der Sitzung vom 22. September ausdrücklich zugestimmt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312814400
Eine zweite Zusatzfrage?

Kurt Mattick (SPD):
Rede ID: ID0312814500
Ich danke.
Ich habe die Beantwortung, Herr Präsident, nicht richtig verstanden. Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, daß viele Antworten auf meiner Seite heute nicht verstanden worden sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312814600
Damit ist die Fragestunde zu Ende. Sie ist schon um einige Minuten überzogen.
Als Punkt 2 der Tagesordnung rufe ich den Punkt 9 der gedruckten Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Leicht, Leonhard, Baier (Mosbach), Neuburger, Knobloch, Höfler und Genossen betr. Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit (Drucksache 2072 [neu]).
Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.

Gottfried Leonhard (CDU):
Rede ID: ID0312814700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag Drucksache 2072 (neu) der Abgeordneten Leicht, Leonhard, Baier (Mosbach), Neuburger, der auch von den übrigen Abgeordneten aus den betroffenen Gebieten unterstützt wird, nur wenige Bemerkungen.
Die öffentliche Diskussion über die Tabakkrankheit Blauschimmel wurde bis zum Überdruß und teilweise mit falscher Blickrichtung geführt. Während dieser fruchtlosen Diskussion haben sich die Antragsteiler größte Zurückhaltung auferlegt. Aber hier im Bundestag gilt es nun, zu handeln und zu helfen.
Da der Tabakanbau sehr arbeitsintensiv ist, wird er in der Regel von Kleinlandwirten betrieben, deren Existenz, so wie es auch bei den Weinbauern der Fall ist, fast ganz von dem Erlös aus diesem Erzeugnis abhängt. Durch Verordnung wurde bereits verboten, auf in diesem Jahr von Blauschimmel befallenen Böden im nächsten Jahr Tabak anzubauen. Dies bedeutet für viele Tabakbauern von vornherein eine Einengung ihrer Existenzgrundlage im nächsten Jahr.
Die ersten Tabakverkäufe in diesem Jahr zeigen bereits, daß per saldo ein großer Mindererlös gegenüber dem letzten Jahr erzielt wird, obwohl die Tabakpflanzer in mühevoller Arbeit alles getan haben, was in ihren Kräften stand, um zu retten, was noch zu retten war,

(Sehr gut! bei der FDP)

und um den Schaden zu mindern. Jedoch das Ausmaß des Krankheitsbefalles war viel zu groß.
Deshalb muß von uns geholfen werden, und zwar bald geholfen werden. Ich bitte daher, den Antrag Drucksache 2072 (neu) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Ich bitte gleichzeitig um Ihre Unterstützung für die geschädigten Tabakpflanzer und um



Leonhard
eine baldige Erledigung des Antrags in den beiden Ausschüssen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zustimmung des Abg. Dr. Rutschke.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0312814800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0312814900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt den Antrag auf Drucksache 2072 (neu) und unterstützt ihn in vollem Umfang.

(Sehr gut!)

Das Bundesernährungsministerium hatte mir am 13. Juli 1960 auf meine Anfrage vom 7. Juli 1960 erklärt, daß es keine Möglichkeit sehe, den geschädigten Tabakpflanzern eine finanzielle Unterstützung zu gewähren. Aber schon auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 10. August 1960 hin bahnte sich auch beim Bundesernährungsministerium eine andere Betrachtungsweise im Hinblick auf die finanzielle Beteiligung des Bundes zum Ausgleich der Schäden an. In der Antwort auf die Anfrage der FDP-Fraktion erklärte sich das Bundesernährungsministerium bereit, die Bereitstellung des Bundes an finanziellen Hilfsmaßnahmen zu prüfen. Wir können deshalb in bezug auf den Antrag Drucksache 2072 (neu) eine positive Einstellung der Bundesregierung hierzu erwarten.
Nun entscheidet diese Frage nicht die Bundesregierung, sondern letzten Endes das Parlament. Ich bin der Überzeugung, daß alle Fraktionen dieses Hohen Hauses erkennen, daß den völlig unverschuldet in einen erheblichen Notstand geratenen Tabakpflanzern bei ihren Bemühungen um die Erhaltung ihrer Existenz geholfen werden muß, und zwar so bald wie möglich; denn schnelle Hilfe bedeutet hier doppelte Hilfe. Diese schwer geschädigten Familien müssen in die Lage versetzt werden, die Vorbereitungen für die neuen Anpflanzungen zu treffen. Ohne eine finanzielle Hilfe sind sie aber nicht in der Lage, die bald notwendigen Investitionen zu machen, da sie hierzu auf ein gewisses Kapital angewiesen sind.
Nun ist aber die Fraktion der FDP der Meinung, daß von seiten des Bundes alles getan werden muß; denn der Bund hat nach den uns bekanntgewordenen Vorgängen allen Grund, hier zu helfen. Deshalb haben wir den Ihnen vorliegenden Ergänzungsantrag zu Drucksache 2072 vorgelegt, wonach untersucht werden soll, ob Bundesbedienstete durch leichtfertiges Handeln diese Tabakseuche heraufbeschworen haben.
Wenn ich heute gezwungen bin, mich genauer mit dieser Frage zu beschäftigen, so geschieht das nicht etwa aus Rechthaberei, sondern allein aus der Absicht, Sie zu einer Prüfung der Frage zu veranlassen, ob die geschädigten Tabakpflanzer nicht geradezu einen Schadenersatzanspruch gegen den Bund haben.

(Abg. Leicht: Sie sind doch Jurist!)

— Ja, eben gerade deshalb!

(Abg. Leicht: Ich werde Ihnen nachher etwas sagen!)

Ich bin der Überzeugung, daß der Bund auf alle Fälle eine moralische, unter Umständen sogar eine rechtliche Pflicht zum Schadenersatz hat.
Die FDP-Fraktion hatte nämlich nicht von ungefähr ihre Anfrage vom 10. August 1960 gestellt. Sie hatte bereits zu diesem Zeitpunkt begründete Befürchtungen, daß durch unglaubliche Leichtfertigkeit von Bundesstellen diese Katastrophe heraufbeschworen wurde, eine Katastrophe, die die Volkswirtschaft viele Millionen Mark kostet. Allein in Baden-Württemberg rechnet man mit Schäden, die durch den Blauschimmel entstanden sind, um 30 Millionen DM.
Die FDP-Fraktion hatte auf Drucksache 2032 die Bundesregierung gefragt, welche Gründe vorlagen, die im Jahre 1959 nur im Norden der Bundesrepublik aufgetretene Tabakseuche Peronospora tabacina im Hauptanbaugebiet des Tabaks experimentell untersuchen zu lassen. Diese Frage war sicherlich nicht unberechtigt. Denn genauso, wie man eine Leprakranken-Kolonie nicht in das Herz einer Großstadt legt, sollte man mit dieser Tabakseuche, die sich unter gewissen klimatischen Bedingungen unkontrollierbar, explosionsartig ausbreitet, nicht im Hauptanbaugebiet für Tabak experimentieren.
Diese, wie gesagt, doch berechtigte und auch entscheidende Frage wurde von der Bundesregierung einfach nicht beantwortet. Wenn man nämlich diese Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte, hätte man etwa sagen müssen: Die Untersuchungen dieser Tabakseuche mußten deshalb im Hauptanbaugebiet durchgeführt werden, weil ein guter Freund des Abteilungsleiters II a, eines Ministerialrats des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, in der Bundesanstalt für Tabakforschung in Forchheim bei Karlsruhe untergebracht werden sollte

(Zuruf von der FDP: Protektion!)

— reine Protektion! —, um dort eine von ihm erstrebte Beamtenstelle einnehmen zu können.
Da aber dieses ministerielle Protektionskind möglichst schnell zu Ruhm und Ehre kommen sollte, schanzte man ihm auch noch einen Forschungsauftrag für die Bekämpfung der Peronospora tabacina zu, um ihm die Chance zu bieten, vom stellvertretenden Direktor dieser Bundesanstalt zum Direktor aufzusteigen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was hat denn das mit unserem Antrag zu tun?)

— Das hat sehr viel damit zu tun, Herr Kollege! Hören Sie erst einmal zu; dann werden Sie begreifen, warum ich das vortragen muß.

(Zurufe von der CDU/CSU: Wir haben das schon längst begriffen! — Propaganda!)

— Ich bin mir bewußt, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß diese Deutung der Vorgänge für manchen sehr unangenehm klingt. Ich sehe aber einfach keinen anderen logischen Grund dafür, daß



Dr. Rutschke
man im Haupttabakanbaugebiet der Bundesrepublik mit diesem Seuchenpilz experimentiert hat.
Schon bei der Einsetzung seines Protektionskindes hatte dieser Vertreter des Bundesernährungsministeriums mit leichter Hand alle Schwierigkeiten beiseite geschoben, die sachlich gegen die Einstellung des von ihm so übermäßig geförderten Professors D r. K o ß w i g bestanden.
Mitte des Jahres 1959 hatte sich die Leitung der Bundesanstalt für Tabakforschung in Forchheim an das Ministerium mit dem Hinweis gewandt, daß im September die Stelle des stellvertretenden Direktors frei werde, da der bisherige Inhaber dieser Stelle die Altersgrenze erreicht habe. Das Bundesernährungsministerium, vertreten durch jenen Ministerialrat, forderte einen Text der Stellenausschreibung an, behielt sich aber höchst merkwürdigerweise gleich vor, diesen Text von sich aus zu ändern.
Als dann auf Seite 256 des betreffenden Ministerialblattes 1959 die Stellenausschreibung erschien, hatte sie nur noch wenig mit dem aus sachlichen Gründen gemachten Ausschreibungsentwurf der Bundesanstalt gemein. Obwohl der vom Ministerium bevorzugte Bewerber Koßwig keinerlei Kenntnisse im Tabakbau nachweisen konnte und auch andere von der Bundesanstalt geforderte notwendige Voraussetzungen nicht mitbrachte, hatte man die Ausschreibung so abgeändert, daß sie als Grundlage für die Einstellung des Herrn Koßwig dienen konnte. Alle Gegenvorstellungen des Direktors der Bundesanstalt nützten nichts. Der Protegé des Herrn Abteilungsleiters II a des Bundesernährungsministeriums mußte auf den sachlich für ihn nicht vorgesehenen Platz des stellvertretenden Direktors. kommen.

(Zuruf des Abg. Rösing.)

Es würde jetzt zu weit führen, alle diese unerfreulichen Tatsachen mitzuteilen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das führt schon zu weit!)

die nicht nur den Dienstbetrieb in der Bundesanstalt, sondern auch das Betriebsklima sehr negativ beeinflußten. Eingedenk seiner hohen Protektion in Bonn schaltete und waltete Professor Koßwig nach Belieben und gebärdete sich völlig selbständig. Zum Beispiel verhandelte Bonn unter bewußter Umgehung des Direktors der Bundesanstalt mit Herrn Koßwig direkt über Personalfragen.

(Zuruf von der .CDU/CSU: Sprechen Sie mal über den Direktor!)

Wehrte sich die Leitung der Bundesanstalt gegen Eigenmächtigkeiten des Herrn Koßwig, so klingelte spätestens nach 24 Stunden das Telefon, und der Direktor der Anstalt bezog vom Bonner Ministerialrat Anpfiffe, die sich gewaschen hatten. Systematisch untergrub man die Autorität des Leiters der Anstalt, der schließlich für das Geschehen in seiner Bundesanstalt verantwortlich war.
Die Versuche mit der Tabakseuche Peronospora tabacina wurden von Bonn Professor Koßwig übertragen. Man gab ihm persönlich später einen formellen Forschungsauftrag, obwohl es nach meinen Erkundigungen nicht üblich ist, persönliche Forschungsaufträge zu geben, wenn innerhalb einer staatlichen Dienststelle derartige Versuche durch Beamte durchgeführt werden. Kurzum, man gab dem formal Untergebenen Pleinpouvoir, zu schalten und zu walten, während man auf der andern Seite vom Bundesernährungsministerium aus alles tat, um Autorität und Weisungsrecht des rechtlich verantwortlichen Direktors zu unterhöhlen.
Nur einmal in der Folgezeit entsann sich das Bundesernährungsministerium der rechtlichen Verantwortung des Direktors für das Geschehen in dieser Bundesanstalt. Nachdem die Versuche schiefgegangen waren, nachdem der Blauschimmel auf den Tabakfeldern, von der Bundesanstalt ausgehend, seine Verwüstungen angerichtet hatte und in der Öffentlichkeit auf das verantwortungslose Handeln in der Bundesanstalt hingewiesen wurde, da leitete man die Voruntersuchung zu einem Dienststrafverfahren gegen den Direktor dieser Bundesanstalt ein.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Auf diesen Hintergründen, meine Damen und Herren, müssen Sie sich jetzt die Forschungsarbeiten des Herrn Professor Koßwig, sein Experimentieren mit dem höchst gefährlichen Blauschimmelpilz im Zentrum des größten deutschen Tabakanbaugebiets und die Möglichkeiten vorstellen, die der Dienststellenleiter hatte, um ihn in Schranken zu halten. Dieser bemühte sich Anfang Februar, die für die bevorstehenden neuen Anpflanzungen immer stärker werdende Gefahr der Infektion abzuwenden und die Koßwigschen Versuche in eine andere Anstalt verlegen zu lassen, die außerhalb des Haupttabakanbaugebiets lag. Leider war diese Anstalt nicht bereit, die Versuche zu übernehmen. Nun blieb dem Anstaltsleiter nichts anderes übrig, als trotz aller Spannungen Ende Februar die Vernichtung aller Kulturen anzuordnen. Herr Koßwig setzte einen Aufschub von acht Tagen durch.

(Abg. Baier [Mosbach] : Bis wann haben Sie denn Ihren Aufsatz abgelesen, Herr Dr. Rutschke, und sprechen endlich einmal zu der Sache?)

— Herr Kollege Baier, ist die Einheit von Partei und Staat bei Ihnen schon so weit durchgeführt, daß es Ihnen so unangenehm ist, wenn man einmal das Ernährungsministerium rechtmäßig angreift?

(Beifall bei der FDP und der SPD. — Zurufe von der FDP und der SPD. — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

Als der Dienststellenleiter Ende März 1960 von einer Reise zurückkam, gedieh der Blauschimmelpilz immer noch fröhlich weiter. Es wurde nur das große Gewächshaus von ihm befreit, aber Koßwig brachte eine große Zahl von Pflanzen in das kleine Gewächshaus.
Als ihm Ende April nun auch dort restlos das Handwerk gelegt werden konnte, nahm der Professor hinter dem Rücken der Anstaltsleitung — Sie werden es kaum für möglich halten — seine Blauschimmellieblinge, 256 Stück an der Zahl, auf



Dr. Rutschke
seinen Privatbalkon in +sei.ner Wohnung 'in Karlsruhe mit und hegte sie dort weiter. Er hatte Aden Leiter 'der Anstalt von +d,'.+esem Unternehmen wohlweislich nicht unterrichtet, nachdem dieser auf den Vorschlag Koßwigs nicht 'eingegangen war, die Blauschimmelversuche im Stadtgarten von Karlsruhe weiterzuführen, was der Leiter dieser Anstalt wegen der Gefahr der Ansteckung oder Aussaaten im Freiland selbstverständlich ablehnen mußte. Sie müssen dabei bedenken, daß der Flug von Millionen Sporen dieses Pilzes völlig unkontrollierbar ist und mehr als 50 km pro Tag erreichen kann.
Endlich, an einem schänen Freitag im Mai — es war auch noch Freitag, der 13. —, schaffte Professor Koßwig dann seine Pflanzen auf einem offenen Lkw, unter dessen Plane der Wind lustig pfiff, zurück zur Bundesanstalt in eine Garage, die sich in unmittelbarer Nähe der frischen Tabakpflanzung dm Freiland befindet. Dort stand der Wagen mit den Pflanzen dann über das Wochenende bis zum Montag. Daß die Blauschimmelpilze bzw. ihre Sporen die ihnen gebotene Chance wahrgenommen haben, war so selbstverständlich, daß es heute wahrscheinlich nur noch das Bundesernährungsministerium bestreitet. Tatsächlich wurde auf den erwähnten benachbarten Pflanzungen nach der entsprechenden Inkubationszeit Blauschimmelbefall festgestellt, und zwar — jetzt bitte ich Sie, genrau hinzuhören —wurde Jahr zuerst im Freigelände hier in Forchheim festgestellt. Einige Tage später trat er dann in entsprechender Entfernung in anderem Freigelände auf. Aber das Zentrum und das erste Auftreten der Seuche liegt genau in den Feldern neben der erwähnten Garage. Das läßt sich genauso gut feststellen, wie von dem sich konzentrisch fortpflanzenden Wellenring eines ins Wasser geworfenen Steines auf seinen Aufschlagpunkt geschlossen werden kann.
Diese unumstößliche Tatsache des zeitlich ersten Auftretens der Seuche im Freiland mußte auch das Bundesernährungsministerium zugeben. Sire können das in der Antwort der Bundesregierung auf Drucksache 2054 zu den Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP nachlesen. Auf der andern Seite genilerte sich die Bundesregierung nicht, in der gleichen Drucksuche sich vorbehaltlos hinter die völlig unsinnige Behauptung des Pressereferats dies Bundesernährungsministeriums zu stellen, das der Öffentlichkeit verkündete: es sei erwiesen, daß die Bundesanstalt in Forchheim als Infektionsquelle nicht einmal in Frage komme. Ich wiederhole: In der Antwort auf die Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP mußte die Bundesregierung zugeben, idaß der erste Freilandbefall am 28. Mai 1960 in Forchheim festgestellt wurde, und mußte weiterhin zugeben, daß alle anderen Befallsherde entsprechend der Entfernung Tage oder Wochen später festgestellt wurden. In der gleichen Drucksache behauptet die Bundesregierung, es sei erwiesen, daß Forchheim als Infektionsquelle nicht in Frage komme. Dieser — meine Damen und Herren, da kann man nur sagen, logische — Unsinn wurde dann noch durch die Unterschrift eines Staatssekretärs gedeckt, der in Vertretung eines Bundesministers zeichnete.
Ich glaube, daß man sich im Parlament einmal Gedanken darüber machen muß, ob man sich auf die Dauer diese Art der Behandlung von parlamentarischen Anfragen durch die Bundesregierung gefallen läßt.

(Beifall bei der FDP.)

Wie soll das Parlament seine ihm vom Grundgesetz zugewiesene Aufgabe der Regierungskontrolle durchführen, wenn die Regierung in dieser Form das Fragerecht des Parlaments umgeht, Antworten gibt, die im Widerspruch zur Wahrheit stehen, mit logischen Maßstäben nicht zu messen sind, oder unbequeme Fragen überhaupt nicht beantwortet, so nach der Devise: „Uns kann keener!"?

(Abg. Dr. Mommer: Könnten Sie in freier Rede auch so lange über den Schimmelpilz reden?)

— Ja, das könnte ich; aber, Herr Kollege, da es sich um sehr dezidierte Vorwürfe handelt, möchte ich vorsichtig sein. Denn ich habe es erlebt — und darauf komme ich auch noch kurz zu sprechen —, daß man bei Verhandlungen mit Regierungsvertretern sehr vorsichtig sein muß.
Im Juli wurde ich vom Fernsehstudio des Südwestfunks gebeten, an einem Fernsehgespräch über die Blauschimmel-Katastrophe teilzunehmen. Gesprächspartner war der Referatsleiter für Pflanzenschutz als Vertreter des Bundesernährungsministeriums. Zu Beginn der Vorbesprechungen in BadenBaden bedauerte dieser Ministerialvertreter in herzlichen Worten, daß ich offensichtlich einem Irrtum unterliege, wenn ich der Meinung sei, daß 1 Forchheim die Infektionsquelle für diese Seuche sei. Meinem Einwand begegnete er mit der erstaunten Frage, ob es mir denn nicht bekannt sei, daß im Jahre 1959 auch überall in Süddeutschland Blauschimmelbefall im Freiland einwandfrei festgestellt worden sei. Auf meine Fragen versicherte er mir zweimal, daß 1959 sowohl in allen Landesteilen Baden-Württembergs als auch in der Pfalz und in Hessen Blauschimmelfreilandbefall eindeutig festgestellt werden mußte. Ich konnte in meinem Erstaunen über diese so selbstsichere Feststellung nur mit der Frage entgegnen, warum das Bundesernährungsministerium davon bisher nichts habe verlauten lassen, denn damit erübrige sich unter Umständen jede weitere Diskussion. Hierzu erläuterte mir der Vertreter des Ministeriums, die Mitteilungen der Länder betreffend Pflanzenschutz seien nur an sein Referat gegangen, während die anderen Stellen des Bundesernährungsministeriums, die sich mit Tabakbau befaßten, hiervon leider nicht unterrichtet worden seien. Er sei erst vor kurzem von einer langen Reise zurückgekommen und daher erst jetzt mit der Blauschimmel-Angelegenheit befaßt worden. Ich erwiderte darauf, daß dies alles auf eine sehr mangelhafte Organisation im Bundesernährungsministerium schließen lasse, was ich unter Umständen dann auch in dem nachfolgenden Fernsehgespräch betonen müsse. Tatsächlich waren dann die Äußerungen des Vertreters des Bundesministeriums in der Sendung so zurückhaltend, daß ich seine Vorsicht mit meiner zuletzt erwähnten Bemerkung in Zusammenhang brachte und



Dr. Rutschke
mir zunächst nicht besonders auffiel, daß er vom Freilandbefall in Baden gar nicht mehr ausdrücklich sprach.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)

Ich habe mich aber noch am gleichen Tage brieflich an den Herrn Bundesernährungsminister gewandt und ihn nach kurzer Schilderung des Gesprächs um die betreffenden Länderberichte gebeten. Erst nach sieben Wochen erhielt ich — nach Erinnerung — eine Antwort, aus der ich entnehmen konnte, daß dieser wendige Ministerialvertreter seinem Minister gegenüber offensichtlich bestritten hat, daß er mir gegenüber derartige Behauptungen aufgestellt habe, wie ich eben ausführte. In den Auszügen der Länderberichte, die mir Herr Bundesminister Schwarz übermittelte, wird die Tabakseuche Perenospora tabacina nirgendwo erwähnt. Nur ganz am Schluß wird einmal das Wort „perenospora" gebraucht, und zwar in einer Mitteilung darüber, daß in den Gewächshäusern diese Krankheit vorhanden sei, und diese Meldung stammte aus der Bundesanstalt in Forchheim. Das war allerdings für mich keineswegs neu. Ich hoffe, daß mir Herr Bundesminister Schwarz Gelegenheit geben wird, mündlich die Angelegenheit noch einmal eingehend zu erörtern, die mit dem Fernsehgespräch zusammenhängt.
Meine Damen und Herren, wenn die Fraktion der FDP einen Ergänzungsantrag zur Drucksache 2072 eingebracht hat, der zum Ziele hat, daß man sich mit den Vorgängen in der Bundesanstalt für Tabakforschung und mit dem Verhalten von Ministerialbeamten im Bundesernährungsministerium befaßt, und damit die Forderung aufstellt, die Frage zu untersuchen, ob durch schuldhaftes Handeln von Bundesdienststellen die Katastrophe für den Tabakbau —zumindest im Hauptanbaugebiet — heraufbeschworen wurde, dann hat dies, wie gesagt, einen sehr realen Grund. Es handelt sich keinesfalls — ich betone das noch einmal ausdrücklich — etwa um Rechthaberei, sondern es handelt sich dabei ausschließlich um die Klärung der Frage, ob den Bund nicht nach den Grundsätzen der Schadenshaftung eine Rechtsverpflichtung trifft, die geschädigten Tabakpflanzer in vollem Umfange für den erlittenen Schaden zu entschädigen.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Dafür sind die Gerichte da!)

Diese Frage kann nur durch genaue und eingehende Klärung der von mir aufgezeigten Tatbestände entschieden werden. Das setzt aber voraus, daß alle, die zur Aufklärung der Sache beitragen können, insbesondere dann, wenn sie unter Umständen auch etwas Nachteiliges gegen Vorgesetzte aussagen müßten, unter einem gewissen Zwang zur Wahrheit stehen müssen, d. h. unter eidlichem Zwang.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich darf versichern, daß ich nicht nur einmal eindringlich gebeten wurde, die eine oder andere Tatsache zunächst nicht bekanntzugeben, weil man fürchtete, daß damit die Informationsquelle aufgedeckt wenden könne, und man fürchtete dann entsprechende Repressalien.
Zu diesen Befürchtungen hat offensichtlich auch das Verhalten eines Abteilungsleiters des Bundesernährungsministeriums, eines Ministerialdirektors, bei seinem Besuch in Karlsruhe beigetragen, als er im Auftrage des Ministers die durch die Perenospora tabacina vernichteten Tabakfelder besuchte. Nicht nur, daß er Journalisten in sehr herrischer Form abfahren ließ, nein, offensichtlich nahm er auch auf Beamte Einfluß und verbot ihnen, auch nur das geringste zu sagen, was auf die Fehlleistungen in Forchheim und Bonn hinwies. Ich selbst habe es erleben müssen, daß ein Beamter, der jedoch gleichzeitig hauptamtlicher Geschäftsführer eines Landesverbandes der Tabakpflanzer ist, nach dem Besuch dieses Regierungsvertreters so eingeschüchtert war, daß er nun auf einmal das Gegenteil der vorher freimütig geäußerten Meinung vertrat. Nun, Zivilcourage ist nicht jedermanns Sache. Es ist aber höchst bedauerlich und anfechtbar, wenn in diesem speziellen Falle ein Beamter veranlaßt wird, gegen die Interessen eines Tabakpflanzerverbandes sprechen zu müssen, dessen Geschäftsführer er ist, weil er als Beamter zu dieser Geschäftsführung abgeordnet wunde.

(Abg. Baier wahrscheinlich als Vormund!)

— Leider ist es so, daß man sich als Abgeordneter um diese Fragen genauso kümmern muß, Herr Kollege Baier, und nicht nur um andere Fragen.

(Abg. Baier Ihre Hilfe!)

Ich mußte ,es auch erleben, daß ein Angehöriger der Bundesanstalt, der einiges von dem Herrn Ministerialbeamten und Regierungsvertreter in Bonn einstecken mußte, nicht zu einem weiteren Gespräch zu bewegen war, obwohl er mit Sicherheit wußte, daß ein Gespräch mit mir ihm eher eine Rehabilitierung als einen Nachteil verschaffen würde. Offensichtlich sind bei nicht unmaßgeblichen Herren des Bundesernährungsministeriums noch antiquierte Vorstellungen von einer Führerautorität vorhanden, die sie wahren zu müssen glauben. Dies geschieht scheinbar zum Nutzen des Ministeriums, in Wirklichkeit aber zum Schaden der Demokratie.
Ich bitte namens meiner Fraktion den Herrn Bundesernährungsminister, alles zu tun, um eine restlose Aufklärung dieser sehr unerfreulichen Vorgänge herbeizuführen, die ich im Interesse der existenzbedrohten Tabakpflanzer vorbringen mußte. Es ist weiß Gott kein Vergnügen, hohe Ministerialbeamte beschuldigen zu müssen, es mit der Wahrheit nicht genau zu nehmen und Ungerechtigkeiten gegen Untergebene zu begehen, um ihnen genehme Personen auf Kosten anderer zu fördern.
Als Mitglieder dieses Hohen Hauses sind wir aber alle verpflichtet, den Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, die unter Umständen durch die Schuld anderer und in diesem Falle durch die Schuld Bundesbediensteter in Existenznot geraten sind. Im Interesse der Beamtenschaft, die korrekt und sauber ihr Amt führt, verwahren wir uns gegen solche, die durch ihr Handeln zu erkennen geben, daß sie ihre Person über ihr Amt stellen.

(Beifall bei der FDP.)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312815000
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten:

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312815100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf wohl um das Verständnis des Hohen Hauses dafür bitten, daß ich es mir in meiner Dienststellung versagen muß, auf eine ganze Reihe von unsachlichen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke einzugehen

(Beifall in der Mitte — Abg. Dr. Kohut: Erst prüfen, ...! — Gegenrufe von der Mitte)

und damit das zu tun, dessen Unterlassung der Herr Abgeordnete Rutschke in einer von mir nicht zu qualifizierenden Weise dem Bundesernährungsministerium eben vorgehalten hat.

(Abg. Dr. Kohut: Sie scheuen die Wahrheit!)

Ich glaube nicht, daß Sie diesen Vorwurf mir gegenüber außerhalb Ihrer Abgeordneteneigenschaft zu wiederholen wagen würden,

(Beifall in der Mitte — Zurufe rechts)

wie ich mir überhaupt manche Ihrer Ausführungen (zu dem Abgeordneten Dr. Rutschke) nur dadurch erklären kann, daß Sie unter dem Schutz der Immunität erfolgt sind.

(Zustimmung in der Mitte. — Zurufe rechts: Unerhört! Unverschämtheit! Demagoge! — Zuruf von der SPD: Der Herr Präsident läßt .das durchgehen!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312815200
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Ageordneten Dr. Bucher?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312815300
Bitte sehr.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0312815400
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es in diesem Hohen Hause üblich ist, Abgeordneten strafbare Handlungen vorzuwerfen?

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312815500
Ich darf die Frage an Sie richten: Glauben Sie, daß es in ,diesem Hause üblich ist oder ein guter Stil wäre, Ministern, leitenden Beamten und anderen Dienstangehörigen des Bundes unbewiesene Vorwürfe zu machen, die einen ehrabschneiderischen Inhalt haben?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312815600
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Rutschke?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312815700
Ich kann das nicht hindern.

Dr. Wolfgang Rutschke (FDP):
Rede ID: ID0312815800
Herr Staatssekretär, haben Sie überhört, daß ich gebeten habe, diese Vorwürfe, die ich nach meinen Erkundigungen erheben mußte, zu überprüfen, um die Wahrheit festzustellen?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312815900
Wenn Sie mich nicht unterbrächen, würden Sie hören, daß ich eigens deswegen um das Wort gebeten habe.

(Zurufe von der FDP. — Abg. Dr. Dresbach: Bringen Sie den Leutchen mal den Göttinger Komment bei!)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312816000
Darf ich als Präsident des Hauses eine Bitte äußern. Wir wollen die Dinge nicht verschärfen. Es ist natürlich unbestreitbar, daß ein Abgeordneter das Recht hat, Kritik zu üben, und daß er auch das Recht hat, zu fordern, daß bestimmte Vorgänge geprüft werden. Wir wollen leidenschaftslos und ruhig über diese Dinge sprechen.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312816100
Ich glaube, Herr Präsident, daß meine elfjährige Diensttätigkeit mich vor dem Vorwurf bewahrt, daß ich erstens nicht dem Hohen Hause den nötigen Respekt entgegenbrächte und zweitens dazu neigte, die mir gestellten Fragen in einer unsachlichen Weise zu beantworten.
Wenn Verschärfungen in diese Debatte hineingebracht worden sind, dann dadurch, daß ein ganzes Geprassel von unbewiesenen Vorwürfen ehrverletzender Art gegen meinen Minister und gegen mir unterstellte Beamte erhoben worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf rechts: Was heißt denn unbewiesen? — Zurufe von der SPD: Warum kommt der Herr Minister nicht? Da kann der Minister antworte)

Der Herr Bundesminister Schwarz nimmt heute an der Trauerfeier für einen verstorbenen leitenden Beamten des Landwirtschaftsministeriums in Kiel teil.
Ich bitte, mir nunmehr zu gestatten, kurz auf die Sache einzugehen.

(Zurufe von der SPD: Hoffentlich!)

In der Beantwortung der Kleinen Anfrage der FDP sind die biologischen und epidemiologischen Begleitumstände dieser sehr bedauerlichen Seuche — um nichts anderes handelt es sich — bereits dargestellt worden.




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312816200
Entschuldigen Sie bitte einen Augenblick, Herr Staatssekretär! In unserem Hause befinden sich Abgeordnete aus den Parlamenten von Nigeria und Kenia. Ich darf die Herren herzlich begrüßen.

(Lebhafter Beifall.)

Ich darf Ihnen danken für die Ehre Ihres Besuches und hoffen, daß Sie mit guten Eindrücken aus Deutschland zurückkehren.
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0312816300
Ich darf mir erlauben, auf die biologischen und epidemiologischen Begleitumstände dieser bis dahin in Europa unbekannten Seuche wie folgt einzugehen.
Die Peronospora tabacina war bis zum Vorjahr nur in den Tabakanbaugebieten Australiens und Amerikas bekannt. Entsprechend den dort ganz anders gelagerten klimatischen Voraussetzungen trat sie nur in Saatbeeten, aber nicht im Freiland auf; die Erreger verkümmerten im Freiland aus klimatischen Gründen. Im Jahre 1959 wurde diese Krankheit zum ersten Male nicht nur in der Umgebung von Forchheim, sondern auch in England und in den Niederlanden festgestellt. Wie in Forchheim trat sie im gleichen Jahre außerdem in Tübingen und Umgebung auf, und am 6. November wurde sie in der Nähe von Freiburg festgestellt.
Inzwischen hat sich die Krankheit über die Tabakanbaugebiete nicht nur der Bundesrepublik, sondern des gesamten europäischen Festlandes verbreitet. In allen Ländern werden pflichtgemäß Untersuchungen darüber angestellt, welche Bekämpfungsmethoden — andere als die in Australien und Amerika ausreichenden — unter den anders gelagerten klimatischen Bedingungen wie z. B. in der Bundesrepublik ergriffen werden müssen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke hat einen mir nicht ganz verständlichen Vergleich gebraucht. Er hat bemängelt, daß die Durchführung dieser Untersuchungen der Bundesforschungsanstalt für Tabakanbau übertragen worden sei. Er hat gesagt, die Betrauung der Bundesforschungsanstalt mit dieser Aufgabe sei ungefähr das gleiche, als wenn man eine Leprastation im Herzen einer Großstadt errichtete. Hier geht es nicht darum, eine Bundesforschungsanstalt neu zu errichten; hier wurde die dafür geschaffene Bundesforschungsanstalt, die allein für die Untersuchung zuständig war, mit der Aufgabe betraut. Die Bundesregierung hätte sich einer berechtigten Kritik ausgesetzt, wenn sie, nachdem sie viele Jahre hindurch eine Bundesforschungsanstalt für Tabakanbau unterhält, bei Auftreten einer unbekannten Seuche im Tabakanbau nicht diese Anstalt mit den notwendigen Untersuchungen beauftragt hätte.
Die Untersuchungen haben ergeben, daß in sehr dichter zeitlicher Reihenfolge der Blauschimmel in einer Reihe von Tabakanbaugebieten aufgetreten ist, die sehr weit von Forchheim entfernt liegen. Ich möchte mich jetzt sehr vorsichtig ausdrücken und vorbehaltlich des Ergebnisses einer abschließenden biologischen und epidemiologischen Untersuchung folgendes sagen: daß die Versuche von Forchheim oder deren mißbräuchliche Durchführung nicht die Ursache gewesen sein können, beweist das gleichzeitige Auftreten in weit voneinander entfernt liegenden Gebieten, z. B. im Norden und Nordwesten der Bundesrepublik. Das wird voraussichtlich das Ergebnis einer laufenden Untersuchung sein.
Nun ist in dem Zusatzantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei an die Bundesregierung das Ersuchen gerichtet worden,
die Umstände darzulegen, die zum Autreten der Peronospora tabacina bei der Tabakernte 1960 geführt haben.
Ich darf das Einverständnis der Herren Antragsteller dahin voraussetzen, daß wir nicht nur die Begleitumstände und die Ursachen untersuchen, die zum Auftreten im Jahre 1960 geführt haben, sondern selbstverständlich die Untersuchung zurückführen auf das Jahr 1959, in dem wir zum ersten Male mit dieser uns bis dahin völlig unbekannten Pflanzenseuche konfrontiert wurden.
Ich darf ferner nun meinerseits eine Frage an die Herren Antragsteller richten. In dem Antrag Umdruck 697, der heute morgen überreicht worden ist, ist die Bundesregierung aufgefordert worden, „die Berechtigung der in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang gegen Bedienstete zweier Bundesbehörden erhobenen Vorwürfe zu untersuchen". In der mündlichen Begründung dieses Zusatzes hat der Herr Abgeordnete Dr. Rutschke, wenn ich recht gehört habe, diese Vorwürfe auf eine Reihe von Beamten des Bundesernährungsministeriums ausgedehnt und auch die Untersuchung gegen diese Beamten gefordert.
Ich lasse es ganz dahingestellt, wie dieser Antrag auszulegen ist. Ich gebe dem Hohen Hause die Erklärung ab, daß nicht nur die Vorgänge in Forchheim, sondern auch die Vorgänge in unserem Hause in der von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei gewünschten Form untersucht werden.
Was die Untersuchung in Forchheim angeht, so darf ich darauf hinweisen, daß auf Veranlassung des Ministers und des leitenden Beamten des Bundesernährungsministeriums bereits vor Monaten eine disziplinarrechtliche Untersuchung begonnen worden ist. Diese Untersuchung ist nahezu abgeschlossen.
Dem Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke ist auch bekannt, daß eine solche Untersuchung stattfindet. Ich lasse es dahingestellt, ob es den aus dem Untersuchungsergebnis zu ziehenden Folgerungen rechtlicher Art, nämlich einer etwa darauf zu gründenden, gegen den Bund zu richtenden Schadensersatzforderung, dienlich ist, wenn zusammenhangloses Material, welches Gegenstand dieser amtlichen Untersuchung ist, jetzt in der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt wird.
Daß dieses Material in aller Breite dem Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke zur Verfügung gestanden hat, dürfte eine Widerlegung der Behauptung sein, daß die Dienstangehörigen der Bundesanstalt



Staatssekretär Dr. Sonnemann
unter einer Art Terror stünden und sich scheuten, wahrheitsgemäße Aussagen zu machen.
Ich darf mich darauf beschränken, darauf hinzuweisen, daß diese Untersuchung unter Einsetzung eines mit den Vorgängen sonst nicht beschäftigten Untersuchungsführers — nahe vor dem Abschluß steht. Ich hoffe, daß das Ergebnis dem Hohen Hause demnächst vorgelegt werden kann. Allerdings sind einige ergänzende Untersuchungen notwendig.
Es ist bemängelt worden, — unter häufiger Verwendung von Bezeichnungen wie „Protektionskind" —, daß das Bundesernährungsministerium die freigewordene Planstelle eines wissenschaftlichen Beamten bei der Bundesforschungsanstalt ausgeschrieben und auf den Text dieser Ausschreibung Einfluß genommen habe. Ich glaube nicht, daß es beanstandet werden kann, daß freie Planstellen öffentlich ausgeschrieben werden, und ich glaube nicht, daß es beanstandet werden kann, daß das verantwortliche Ministerium die an den Bewerber zu stellenden Anforderungen, die ja ein wesentlicher Bestandteil dieser Ausschreibung sind, überprüft und die Festsetzung dieser Bedingungen, die in der Ausschreibung dargelegt werden, nicht allein dem wissenschaftlichen Leiter einer Bundesforschungsanstalt überläßt, sondern sie auch unter verwaltungsmäßigen und rechtlichen Gesichtspunkten überprüft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!) Nichts anderes ist in diesem Falle geschehen.

Ich darf mich auf diese Ausführungen beschränken und darf in Aussicht stellen, daß der gewünschte Bericht, der seit langem — Herrn Abgeordneten Dr. Rutschke sicher nicht unbekannt -
in der Bearbeitung ist, in aller Kürze dem Hohen Hause zugänglich gemacht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312816400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rimmelspacher.

Hugo Rimmelspacher (SPD):
Rede ID: ID0312816500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Streit nicht fortsetzen, der soeben ein vorläufiges Ende durch die Erklärung des Herrn Staatssekretärs gefunden hat, daß eine umfassende Untersuchung der von Herrn Rutschke angesprochenen Umstände besonders im Tabakforschungsinstitut in Forchheim vorgenommen werden soll.
Das Anliegen, das in dem Antrag Drucksache 2072 vorgetragen wurde, betrifft Leute, die bisher versuchten, mit ihrer Arbeit die Existenz ihrer Familie zu begründen. Infolge der Katastrophe durch den Schimmelbefall können sie dieses Ziel im Jahre 1960 durch ihre eigene Arbeit nicht erreichen. Aus diesem Grunde schließt sich die SPD gerne dem Antragsbegehren an. Wir wünschen, daß den Betroffenen bald Hilfe gebracht wird, weil einwandfrei festgestellt wurde, daß die Herstellungskosten für Tabak etwa 8500 DM pro Hektar ausmachen, in diesem Jahre aber im günstigsten Fall ein Ertrag von vielleicht 3500 DM pro Hektar erzielt werden kann. Daraus ergibt sich, wie notwendig die Hilfe ist.
Ich wäre dankbar, wenn im Ernährungsausschuß und insbesondere im Haushaltsausschuß für diese Lage großes Verständnis aufgebracht würde, damit die Betroffenen aus Mitteln des Bundes eine baldige Unterstützung erfahren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312816600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leicht!

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0312816700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich zu den Antragstellern gehöre, brauche ich nicht zu betonen, daß mir dieses Anliegen für die Tabakbauern besonders am Herzen liegt. Ich darf aber im Namen meiner Freunde ein kurzes Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Rutschke sagen. Meine Damen und Herren, zumindest in den drei Jahren, in denen ich diesem Hohen Hause angehöre — ich glaube, das darf man in aller Ruhe feststellen -, sind solche Behauptungen und Vorwürfe nicht üblich gewesen. Nach meiner Überzeugung ist es das Recht des Parlamentariers, Herr Kollege Rutschke, solche Dinge einmal zur Sprache zu bringen. Aber in der Ausführlichkeit und mit der Vielzahl von Personen, die Sie hier mit Behauptungen beschuldigt haben, die den betreffenden Leuten gegenüber an Vorwürfe strafrechtlichen Charakters grenzen, habe ich es in diesem Parlament noch nicht erlebt. Ihre Beschuldigungen haben sich auch gegen die Bundesregierung gerichtet, aber der größte Teil der Beschuldigungen richtet sich gegen Beamte, gegen Einzelpersönlichkeiten.
Ich habe den Eindruck, Ihr Informant war schon vor Monaten bei mir in der Wohnung und bei einigen Kollegen, auch bei Kollegen von dieser Seite (zur SPD), und hat sich damals schon gegen gewisse Dinge mit Gründen gewandt, von denen wir nach Prüfung sagen mußten, daß nichts dahintersteckt.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das, Herr Kollege Rutschke, ist, glaube ich, ein schlechter Stil. Solche Vorwürfe, wie Sie sie hier, gegen Beamte und Persönlichkeiten gerichtet, vorgelesen haben, sollte man in diesem Hause nicht erheben.
Auch ich bin der Meinung, daß wir diese Geschichte untersuchen müssen. Ich bin sogar der Auffassung, daß der Antrag auf Untersuchung, den Sie gestellt haben, auf alle Persönlichkeiten ausgedehnt werden muß, die Sie hier beschuldigt haben. Das Protokoll wird ja dazu die Möglichkeit geben, so daß keiner vergessen zu werden braucht. Ich hoffe, wenn diese Untersuchung zu Ende ist, daß Sie, Herr Kollege Dr. Rutschke, dann auch den Mut haben werden, je nachdem wie sie ausgeht, sich zur Verfügung zu stellen, wenn man etwas gegen Sie unternehmen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Leicht
Ich darf zur Klarstellung und im Namen meiner Freunde noch einmal folgendes sagen: Es war nicht gut — und ich befinde mich da wohl in Übereinstimmung mit einer großen Zahl von Kollegen dieses Hauses, nicht nur meiner Fraktion —, daß man in dieser Art und Weise, wie es heute hier geschehen ist, die Sache aufgegriffen hat. Leider Gottes sind die Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit, die Sie heraufbeschworen haben, Herr Kollege Rutschke — ich habe sie verfolgt; ich war vielleicht der erste, der sich zumindest, soweit man dies an Hand von Pressemeldungen verfolgen konnte, um diese Geschichte gekümmert hat —, für die Tabakbauern nicht gerade zum Guten ausgeschlagen. Sie haben immer wieder die Frage der Schadenshaftung angeschnitten. Es wird Ihnen ja auch bekannt sein nach Ihren Gesprächen mit den Tabakbauverbänden und den Anwälten, die für diese Leute arbeiten — ich hoffe, Sie haben solche Gespräche geführt —, daß es für die Bauernschaft nicht besonders gut ist, immer wieder auf diesen Dingen herumzureiten. Dabei möchte ich klarstellen: wenn eine Schadenshaftung vorhanden sein sollte, —selbstverständlich! Aber uns geht es in erster Linie nicht um die Frage der Schadenshaftung, sondern in erster Linie, wie es auch der Kollege von der SPD betont hat, um die Hilfe im Augenblick.

(Beifall in der Mitte.)

Denn bis eine Schadenshaftung, wenn überhaupt eine in Frage kommt, geregelt ist, kommt die Hilfe zu spät.
Abschließend darf ich betonen: Wir als Fraktion der CDU stimmen der Überweisung Ihres Ergänzungsantrags an den Ausschuß zu. Wir wollen ihn aber nicht als Annex zu unserem Antrag beschlossen haben, weil wir befürchten müßten, daß auf Grund der Untersuchungen, die eingeleitet werden, die Möglichkeit, in positiver Weise über die ersten drei Punkte unseres Antrags zu entscheiden, genommen und die Hilfe zu spät kommen würde. Aus diesem Grund verlangen wir eine solche Handhabung.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312816800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0312816900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Rutschke hat hier Vorwürfe gegen hohe Bundesbeamte erhoben. Das ist sein Recht als Abgeordneter, und ich glaube, es ist seine Pflicht, wenn er diese Vorwürfe für richtig hält. Der Abgeordnete Leicht hat diese Vorwürfe für unberechtigt erklärt. Auch das ist sein Recht und seine Pflicht, wenn er davon überzeugt ist. Keinesfalls geht es aber an, in einer derart unerhörten Weise, wie es der Herr Staatssekretär im Bundesernährungsministerium getan hat,

(lebhafter Beifall bei der FDP und der SPD — Rufe in der Mitte: Na! Na!)

— in einer derart unerhörten Weise hier mit einem Abgeordneten umzuspringen.

(Erneute Zustimmung bei der FDP und der SPD. — Zuruf von der Mitte: Sie sind nur empfindlich, wenn es Sie angeht!)

Er hat gesagt, der Herr Abgeordnete Rutschke hätte diese Vorwürfe nicht erhoben, wenn er sich nicht unter dem Schutz der Immunität fühlte. Das bedeutet doch nicht anderes als den Vorwurf, der Herr Abgeordnete Rutschke erhebe hier leichtfertig oder vielleicht sogar vorsätzlich Anschuldigungen, weil er glaube, „mir kann keener". Mag auch der Herr Staatssekretär besondere Erfahrungen auf dem Gebiet der §§ 185 ff. StGB haben,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

so sollte ihn das veranlassen, besonders vorsichtig zu sein.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Keinesfalls geht es an, daß ein Staatssekretär, also ein Nichtmitglied dieses Hauses, hier Mitgliedern des Hauses strafbare Handlungen vorwirft.

(Zuruf von der SPD: Unerhört ist das!)

Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei verwahre ich mich hiergegen schärfstens.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312817000
Meine Damen und Herren, ich will jetzt ,diese Frage nicht zur Diskussion stellen. Wir könnten uns einmal über die Art. 38 und 46 des Grundgesetzes, über die Aufgaben und Rechte der Abgeordneten unterhalten.
Zur Behandlung der beiden Anträge: Der Abgeordnete Leicht erklärt, daß seine Fraktion bereit ist, dem Änderungsantrag der FDP als selbständigem Antrag zuzustimmen.

(Abg. Leicht: Der Überweisung!)

— Aber Sie wollen nicht, daß er dem Antrag der Abgeordneten Leicht und seiner Freunde angefügt wird. Anfrage an die Fraktion der FDP: Ist sie einverstanden, daß wir den Umdruck 697 als selbständigen Antrag behandeln, daß es also heißt: „Der Bundestag wolle beschließen, zu untersuchen a) . . . b) . . ."? — Einverständnis.
Es wird vorgeschlagen, die beiden Anträge an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Darf ich das Einverständnis feststellen? — Bitte, Herr Kollege Leicht.

Albert Leicht (CDU):
Rede ID: ID0312817100
Der zweite Antrag, Herr Präsident, müßte dann wohl nicht an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß, sondern an den Rechtsausschuß überwiesen werden.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312817200
Der Rechtsausschuß wird sich wohl kaum mit dieser Frage befassen können. Besteht Einverständnis, daß wir die beiden Anträge einheitlich behandeln? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung an die beiden genannten Ausschüsse erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung,



Vizepräsident Dr. Dehler
b) Beratung der Sammelübersicht 23 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache 2062),
c) Beratung der Sammelübersicht 24 des Ausschusses für Petitionen (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen und systematische Ubersicht über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 6. Oktober 1957 bis 30. September 1960 eingegangenen Petitionen (Drucksache 2125).
Das Wort hat ,der Berichterstatter, Abgeordneter Spies (Emmenhausen).

Josef Spies (CSU):
Rede ID: ID0312817300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause im Auftrage des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit in den vergangenen drei Jahren dieser Wahlperiode und insbesondere im Kalenderjahr 1960 zu berichten und zwei Sammelübersichten — Drucksachen 2062 und 2125 — mit den Ausschußempfehlungen für die Art der Erledigung von 557 Petitionen vorzulegen. Die Übersichten und Schaubilder am Ende der Drucksache 2125, auf die ich Ihre besondere Aufmerksamkeit lenken möchte und die ich noch erläutern werde, zeigen Ihnen einmal, in welchem Umfang und in welcher Art von dem Petitionsrecht in der Berichtszeit Gebrauch gemacht wurde, und zum anderen, wie umfangreich und vielgestaltig die Arbeit des Ausschusses, seiner Mitglieder und Verwaltungsangehörigen war und ist.
Dem Ausschuß obliegt bekanntlich die Tätigkeit, die sich aus der Anerkennung des Petitionsrechtes im Grundgesetz ergibt. Nach Art. 17 des Grundgesetzes darf sich jeder, der imstande ist, seine Gedanken in vernünftiger, verständlicher Form zu äußern, ohne Rücksicht auf Alter, Geschlecht, Beruf, Konfession, Nationalität einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen bittend oder beschwerdeführend an den Bundestag wenden. Voraussetzung ist allerdings, daß die Eingaben schriftlich, möglichst in deutscher Sprache, vorgebracht und eigenhändig unterschrieben werden. Der gelegentlich geäußerte Wunsch nach mündlichem Vortrag des Anliegens mußte und muß leider auch in Zukunft im Hinblick auf die große Zahl der Eingaben und auf die Notwendigkeit einer ungestörten Bearbeitung zurückgewiesen werden.
Die Eingaben sind an den Deutschen Bundestag, an seinen Präsidenten oder an den Ausschuß für Petitionen zu richten. Schreieben mit anderen Adressen, wie „Depositions"-, „Peditions"-, „Petenten"-, „Possitions"-, „Pelitarius"-, „Repitations"- „Deputations"-, „Präzisions"-, „Bitte-Bitte"-, „Speditions"-, „Kassations " -, „Spekulations"-, „Exekutions"-, „Patrizier"-, „Etepetete"-Ausschuß, „Lästerkasten"-, „Letzte Hilfe", „Nihibilianshof", „ Bundeskummerkasten" oder „Bittschriftenlinde von Bonn" — oft ohne weitere Anschrift — erreichen aber ebenfalls die richtige Stelle, wohl weil inzwischen allgemein bekannt ist, wer bei dieser Addressierung gemeint ist und wer sich der Nöte, Kümmernisse und Sorgen der Bevölkerung annimmt.
Der Ausschuß registrierte allein in der 3. Wahlperiode 322 973 Petitionen. In der 1. Wahlperiode waren es rund 27 000, in der 2. Wahlperiode rund 33 000. Der große Anstieg erklärt sich im wesentlichen durch den Eingang von 286 924 Eingaben zur Rot-Kreuz-Konvention gegen Atomwaffen. Auffallenderweise sind in den letzten beiden Jahren in größerem und zunehmendem Umfang Petitionen nicht nur zum Zwecke ,der Abhilfe persönlicher Beschwerden aus eigenem, sondern auch im allgemeinen Interesse eingereicht worden, die der Annahme, Ablehnung oder Abänderung von Gesetzen, der Einbringung von Anträgen, Entschließungen und anderen parlamentarischen Beschlüssen dienen. Überwiegend geschah dies in Form von Massenoder Sammelpetitionen, beispielsweise außer zur Rot-Kreuz-Konvention gegen Atomwaffen zum Notdienst-, Ladenschluß-, Jugendarbeitsschutz-, Lebensmittel-, Kriegsopferversorgungs- und Krankenversicherungsneuregelungs-Gesetz, zur 3. Novelle des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes und insbesondere zur Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen.
Den Sammel- und Massenpetitionen liegt meist die Absicht zugrunde, durch Massen von einzelnen Petitionen mit gleichem Anliegen und meist demselben Wortlaut oder durch Petitionen mit mehreren, oft Hunderten und Tausenden von Unterschriften einen größeren und nachhaltigeren Eindruck auf die Volksvertretung zu machen. Allerdings ist bei solchen Massen- und Sammelpetitionen immer die Gefahr vorhanden, daß viele Petenten unter dem Druck der verschiedensten Einflüsse, durch Zureden oder sogar unter der Einwirkung des Alkohols gegen ihre eigene Überzeugung oder in Unkenntnis des Gegenstandes die Petition unterschreiben. Dazu muß bemerkt werden, daß bei solchen Massen- und Sammelpetitionen die Unterschriftsangaben mit Wohnort, Straße und Nummer oft nicht stimmen und die Petenten nach diesen Angaben beim Einwohnermeldeamt nicht gemeldet sind.
In Kenntnis dieser Gefahrenmöglichkeiten und der Tatsache, daß die in der Form von Postkarten oder Briefen mit gedrucktem, vervielfältigtem oder handgeschriebenem Wortlaut an den Ausschuß gerichteten Masseneingaben zur Rot-Kreuz-Konvention gegen Atomwaffen einen politischen Inhalt haben und daß sie durch eine vom Arbeitsausschuß „Kampf dem Atomtod e. V." durchgeführte und gelenkte Aktion veranlaßt wurden, vertrat der Ausschuß trotz anfänglicher Zweifel einhellig die Ansicht, daß es sich um echte Einzelpetitionen handelt. Die Einsender begehrten — überwiegend mit übereinstimmendem Wortlaut —, die Bundesregierung aufzufordern, der Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft ihre Bereitschaft zu erklären, eine Einladung zu einer Konferenz der Rot-Kreuz-Signatarmächte mit dem Ziel anzuregen, die Genfer Konventionen auch auf die Achtung von Atomwaffen auszudehnen. Nach mehreren eingehenden Bera-



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tungen, zum Teil im Beisein von Vertretern des Auswärtigen Amts, stellte der Ausschuß fest, daß das Anliegen den Vorstellungen der Ausschußmitglieder und auch den Zielen und Bemühungen der Bundesregierung um eine allgemeine und kontrollierte Abrüstung entspricht, und beschloß einstimmig, die Eingaben der Bundesregierung zur Erwägung zu überweisen, damit dem Begehren zu gegebener Zeit möglichst Rechnung getragen werde.
Ohne Berücksichtigung dieser Masseneingaben waren 67,48 % aller bisherigen Bittsteller männliche, 31,27 % weibliche und 0,99 % juristische Personen, während 0,26 % der Zuschriften keinen Namen und Absender aufwiesen und daher nicht behandelt werden konnten. Das Verhältnis hat sich gegenüber dem letzten Bericht kaum verschoben.
Die meisten Eingaben kommen nach wie vor aus Nordrhein-Westfalen mit 53,41 %, Niedersachsen mit 13,61 %, Bayern mit 8,29 % und Baden-Württemberg mit 6,24 %.
Bei einer durchschnittlichen Auswertung der sogenannten Atom-Petitionen ergab sich, daß etwa 51,5 % der Einsender männlichen und etwa 48,5 % weiblichen Geschlechts waren und daß die Zuschriften zum weitaus größten Teil aus der Bundesrepublik — überwiegend aus den Räumen Frankfurt (Main), Hamburg, Dortmund mit Ruhrgebiet und München — stammten, aber auch aus der sowjetischen Besatzungszone und aus dem Ausland, und zwar aus fast allen europäischen Ländern, mit Ausnahme der Ostblockstaaten — bis auf eine aus Ungarn —, sowie aus Nord- und Südamerika und Afrika kamen.
Die sachliche Aufgliederung der Petitionen weist aus, daß die überwiegende Zahl der Eingaben, bedingt durch gelenkte Aktionen anläßlich der Debatten um die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen im vergangenen Jahr, den Verteidigungssektor betraf. Es sind 42,5 %. Danach folgen zahlenmäßig — wie bisher — die Anliegen zur Sozialversicherung mit 10,48 %, zum Lastenausgleich mit 7,11 %, zu den besonderen Verwaltungszweigen der inneren Verwaltung, wie Gesundheits-, Bauwesen, Sozialrecht, ziviler Bevölkerungsschutz usw., mit 6,16 % und zur Kriegsopferversorgung, Kriegsgefangenenentschädigung und zum Heimkehrerrecht mit 5,23 %.
In der Berichtszeit konnte der Ausschuß 321 145 Eingaben abschließend behandeln. 1828 bis zum 30. September dieses Jahres eingegangene Petitionen befanden sich zu diesem Zeitpunkt zur Bearbeitung im Büro, zur Überprüfung bei der Bundesregierung oder zur Berichterstattung bei den Mitgliedern des Ausschusses. 25,11 % der Eingaben eigneten sich nicht zur Beratung im Bundestag. Entweder wurden sie aus Zuständigkeitsgründen an die Volksvertretungen der Länder abgegeben — 18,31% —, oder es waren schwebende oder abgeschlossene Gerichtsverfahren Gegenstand der Petition — 4,04 % —, oder der Rechts- oder Instanzenweg war noch nicht betreten oder noch nicht erschöpft — 1,31 % —, oder die Eingaben enthielten keine neuen Tatsachen oder Beweismittel gegenüber früheren, erledigten Zuschriften der Einsender. Ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz der Eingaben — es sind 1,65 % —war wegen Anonymität, beleidigenden, verworrenen oder nicht erkennbaren Inhalts überhaupt nicht behandelbar.
Bei 17,27 % = 1107 aller zur Beratung im Bundestag geeigneten und sachlich behandelten Petitionen um Abhilfe persönlicher Beschwerden — insgesamt 6 407, das sind 3,23 % aller erledigten Eingaben — konnte dem Anliegen der Einsender in vollem Umfang entsprochen werden. Darüber hinaus wurde einer größeren Zahl von Petenten teilweise geholfen.
Zu 9,65 % wurden die Eingaben — außer den sogenannten Atom-Petitionen — der Bundesregierung zur Berücksichtigung, Erwägung, als Material oder zur Kenntnisnahme oder den zuständigen Fachausschüssen als Gesetzesmaterial zugeleitet. Dabei handelte es sich z. B. um Zuschriften, in denen auf die Notwendigkeit einer Neuregelung des in der Zwischenzeit vom Bundestag verabschiedeten Fremdrenten- und Auslandsrentenrechts, auf die Dringlichkeit einer gesetzlichen Regelung für die Abgeltung der Vermögensverluste durch Reparationen und Restitutionen nach § 3 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes oder einer Regelung der Ersatzansprüche gegen die aufgelösten NS-Einrichtungen im Rahmen des zur Zeit beim Bundesminister der Finanzen in Vorbereitung befindlichen NS-Abwicklungsgesetzes hingewiesen wurde.
Ein Bild über den Umfang der von den Ausschußmitgliedern und Verwaltungsangehörigen geleisteten Arbeit wird zahlenmäßig auch deutlich und abgerundet durch die Übersicht über den Postausgang. Hiernach verließen das Büro für Petitionen im Monat September dieses Jahres im Durchschnitt täglich etwa 139 Akten und Schreiben an Petenten, Abgeordnete, Ministerien und andere Stellen. In den übrigen Monaten mit Ausnahme der Parlamentsferienzeit Juli/August war und ist der Postausgang ähnlich hoch.
Angesichts dieses Arbeitspensums, insbesondere des Büropersonals, möchte ich auch an dieser Stelle betonen, daß es zur Wahrung der Grundrechte des Art. 17 des Grundgesetzes, zur weiteren Abkürzung und Beschleunigung des Petitionsverfahrens und im Interesse des einzelnen Petenten sowie nicht zuletzt mit Rücksicht auf das Ansehen dieses Hohen Hauses unbedingt notwendig ist, die Petitionsstelle mit ausreichendem und gutem Personal zu besetzen. Bei den Verwaltungsangehörigen liegt — ich stehe nicht an, dies hier zu erklären — das Schwergewicht der Bearbeitung der Petitionen und ihrer Vorbereitung für die Abgeordneten.
Der Ausschuß vertritt einmütig den Standpunkt, daß im Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1961 für die Petitionsstelle außer den vorhandenen Planstellen gesondert vorgesehen und ausgewiesen werden müßten eine Stelle der Besoldungsgruppe A 14, eine Stelle der Besoldungsgruppe A 13, eine Stelle der Besoldungsgruppe A 11, eine Stelle der Besoldungsgruppe A 10 und zwei Stellen der Vergütungsgruppe TO.A VII. Für einen geordneten,



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reibungslosen Arbeitsablauf und zur Erhaltung der Gesundheit der Verwaltungsangehörigen müßten der Petitionsstelle dringend außer den zwei auszutauschenden Räumen zusätzlich drei Räume zur Verfügung gestellt werden. Die derzeitige Unterbringung ist auch unter Berücksichtigung aller Provisorien hier in Bonn meines Erachtens völlig unzulänglich.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, sich den Wünschen des Ausschusses mit Rücksicht auf das Ansehen dieses Hohen Hauses insbesondere bei den Haushaltsberatungen nicht zu verschließen.
Die Vielgestaltigkeit der Tätigkeit des Ausschusses möchte ich Ihnen noch an einigen Beispielen aus verschiedenen Sachgebieten darlegen.
Ein Petent beantragte aus der Angestelltenversicherung — § 39 Abs. 3 AVG -- die Weitergewährung des Kindergeldes für seine über 18 Jahre alte Tochter mit der Begründung, daß sie zur Vorbereitung auf ihren künftigen Beruf als Auslandskorrespondentin und zur Vervollkommnung ihrer englischen Sprachkenntnisse als Haushaltshilfe in England tätig sei und die Abendschule besuche. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung lehnten den Antrag ab, weil der Besuch der Abendschule in England neben einer Tagestätigkeit im Haushalt keine Schulausbildung im Sinne des Gesetzes sei. Hierdurch würden die Arbeitskräfte des Kindes nicht ausschließlich oder überwiegend in Anspruch genommen. Außerdem fehle es an einem ordnungsgemäßen Ausbildungsverhältnis, wie etwa einem Lehrlingsverhältnis.
Unter Hinweis auf das im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlichte Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 22. Mai 1959, nach dem unter den gleichen Voraussetzungen bei Auslandsaufenthalt im Rahmen einer fremdsprachlichen Ausbildung eines Kindes Kinderzuschlag nach § 18 des Bundesbesoldungsgesetzes gewährt werden soll, vertrat der Ausschuß einhellig die Meinung, daß die Angestellten Beamten gegenüber nicht benachteiligt werden dürften, 'daß die Bundesregierung zu dieser Frage eine einheitliche Ansicht vertreten und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eine den Verwaltungsvorschriften des Bundesministers des Innern ähnliche Vorschrift erlassen sollte. Der Ausschuß überwies daher die Eingabe der Bundesregierung zur Berücksichtigung mit der Bitte, ihm über die Ausführung des Beschlusses Auskunft zu geben. Diese Auskunft steht bis heute noch aus.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Das Informationsrecht des Bundestages und seiner Ausschüsse zu Auskünften über Petitionen wird aus dem Recht abgeleitet, die Anwesenheit jedes Mitglieds der Bundesregierung zu verlangen. Dem steht die Pflicht der Bundesregierung gegenüber, diese Auskunft zu erteilen. Vergleichen Sie hierzu auch § 115 der Geschäftsordnung in Verbindung mit § 11 des Besonderen Teils der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien. Die Auskunft ist bisher, insbesondere in der dritten Wahlperiode, ausnahmslos und mit besser werdendem Zusammenspiel der Bundesministerien und des Ausschusses bereitwilligst, erschöpfend und in letzter Zeit in größerem Maße vorbildlich erteilt worden. Zur Abkürzung und Beschleunigung des Petitionsverfahrens wäre es lediglich wünschenswert, daß einzelne Ministerien die Auskünfte trotz der bekannten Notwendigkeit von Rückfragen bei Unterbehörden noch kurzfristiger und schneller geben.

(Beifall bei der FDP.)

In dem Recht auf Auskunfterteilung liegt der eigentliche staatsrechtliche Inhalt des Petitionsrechts des Art. 17 des Grundgesetzes, das die verfassungsmäßige Aufgabe des Bundestages enthält, über die Ausführung des Grundgesetzes, über die Wahrung der im Grundgesetz garantierten staatsbürgerlichen Rechte zu wachen und demgemäß alle Mißbräuche des Regierungsrechts zu rügen und für ihre Abstellung zu sorgen. In der Überweisung zur Berücksichtigung oder zur Erwägung ist neben dem Ersuchen des Bundestags zugleich ein Urteil über die Berechtigung des vorgetragenen Anliegens und — bei Beschwerden wegen der Handlung oder Unterlassung von Bundesbehörden — eine vom Bundestag bzw. vom Ausschuß geübte Kritik am Verfahren dieser Bundesbehörden eingeschlossen.
Aus langjähriger Erfahrung als Mitglied des Ausschusses für Petitionen kann ich sagen, daß der Ausschuß nur in verhältnismäßig wenigen Fällen Anlaß hatte, eine derartige Kritik zu üben. In dieser Wahlperiode war dies bis jetzt bei etwa 60 Eingaben der Fall. Der Ausschuß wird dem Hohen Hause in Kürze, erstmalig seit Bestehen des Bundestages, einen entsprechenden Bericht vorlegen, den in der Weimarer Zeit regelmäßig die Reichsregierung dem Reichstag erstattete.
Meist konnten die Eingaben bereits auf Grund eines ersten Berichts der Bundesregierung abschließend behandelt oder es konnte den Anliegen Rechnung getragen werden. Auch bei Überweisungen von Petitionen zur Berücksichtigung oder zur Erwägung schloß sich die Bundesregierung wiederholt den Anregungen und Empfehlungen des Ausschusses an, obwohl sie rechtlich nicht verpflichtet ist, dem mit der Überweisung verbundenen Ersuchen des Ausschusses und des Bundestages durch Berücksichtigung oder Erwägung des Anliegens zu entsprechen.
Ein weiteres Beispiel aus der Arbeit des Ausschusses: Ein Einsender aus Freudenstadt im Schwarzwald hielt es angesichts der günstigen Wirtschaftskonjunktur und des erheblichen Mangels an Arbeitskräften für bedenklich, daß in vielen Fällen Arbeitslose, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres von ihren Betrieben entlassen worden sind und Altersruhegeld beziehen, Arbeitslosengeld erhalten, obwohl sie meist nicht bereit sind, sich vermitteln zu lassen. Demgegenüber wies der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung — wohl mit Recht — darauf hin, daß zwischen Arbeitslosen über oder unter 65 Jahren grundsätzlich kein Unterschied hinsichtlich der Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe — insbesondere Erfüllung der Anwartschaftszeit und Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung — bestehe und daß das Arbeitslosengeld eine echte Versicherungsleistung sei



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und nicht von Bedürftigkeit ,abhängig gemacht werden könne. Immerhin sind meines Erachtens beide Standpunkte vertretbar. Das Beispiel zeigt, daß das Petitionsrecht die Möglichkeit einer politischen Mitarbeit und Mitverantwortung des einzelnen Staatsbürgers und seiner Einflußnahme auf die parlamentarische Tätigkeit eröffnet.
Eine Petentin, die einen Fernseh-, aber keinen Tonrundfunkempfänger betrieb, war auf Grund der Bestimmungen über die Befreiung von der Fernsehrundfunkgebühr aus sozialen Gründen von der Fernsehgebühr, nicht aber von der Tonrundfunkgebühr befreit worden. Ihr Fall veranlaßte den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, alle Oberpostdirektionen des Bundesgebietes anzuweisen, in ähnlich gelagerten Fällen eine Befreiung auch von der Tonrundfunkgebühr auszusprechen, da andernfalls der Zweck der Gebührenbefreiung, dem Begünstigten eine gebührenfreie Teilnahme am Fernsehrundfunkempfang zu ermöglichen, nicht erreicht würde.
Eine „Rosina" aus Bayern gibt dem Bundestag zur Kenntnis, daß „der gütige Gott, Herr des Himmels und der Erde", sie zum Diktator für die ganze Welt ernannt habe; damit sei sie unumschränkter Herrscher, enthebe den Bundesverteidigungsminister mit sofortiger Wirkung aller Ämter mit der weiteren Bestimmung, daß niemand an seine Stelle treten dürfe, und entbinde die Angehörigen der Bundeswehr ihres Fahneneids.
Ein Petent ruft den Bundestag mit seinem „Programm der sozialen Volksgemeinschaft" unter dem Motto „Es soll was Gutes, Bleibendes geschehen! Wer macht mit? Völkergemeinschaft Weltgemeinschaft!" auf.
Ein anderer Einsender wurde wiederholt vorstellig mit der Forderung auf Entschädigung wegen Benutzung der angeblich von ihm erfundenen Panzerbekämpfungswaffen „Panzerfaust" und „Panzerschreck" durch die Bundeswehr. Der Antrag konnte vom zuständigen Minister nicht bearbeitet werden, da ein entsprechender Nachweis durch Vorlage gültiger Urheberrechte nicht geführt wurde.
Wiederholt wandten sich Eltern, deren noch minderjährige Söhne ohne ihre Zustimmung in die französische Fremdenlegion eingetreten waren, um Hilfe an den Ausschuß. Leider sind die bisherigen Bemühungen des Ausschusses und der Bundesregierung, die französische Regierung zu einer Haltung im Sinne des deutschen Rechtsstandpunktes zu bewegen, Einstellungsverträge Minderjähriger in die Fremdenlegion nur dann vorzunehmen, wenn die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegt, an der kompromißlosen Haltung der französischen Regierung gescheitert. Der Ausschuß bittet daher die Bundesregierung, ihre Bemühungen in dieser Richtung fortzusetzen.
Auf Veranlassung des Ausschusses wurde die Rentenangelegenheit einer Petentin wegen der von ihr geltend gemachten Ansprüche gegen die Versorgungsanstalt deutscher Bezirksschornsteinfegermeister überprüft und ein entsprechender Anspruch auf Witwengeld festgestellt. Danach erhielt die Petentin eine Nachzahlung in Höhe von 20 737,50 DM und eine laufende Jahresrente von 3000 DM.
Meine Damen und Herren, wenn auch nicht allen Anliegen dieser Erfolg beschieden ist und sein kann, so hoffe ich, auf Grund meiner Ausführungen und an Hand der Beispiele — trotz mancher an den Ausschuß herangetragener kurioser Fälle von Weltverbesserern, religiösen Fanatikern, Querulanten und Vielschreibern — dargelegt zu haben, daß das Petitionsrecht zu einem festen Bestandteil unseres jungen demokratischen Staatswesens geworden und aus ihm nicht fortzudenken ist.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie abschließend, die in den Sammelübersichten 23 und 24, Drucksachen 2062 und 2125, enthaltenen Anträge zu Petitionen anzunehmen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312817400
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich glaube, wir haben darüber hinaus allen Anlaß, den Mitgliedern des Petitionsausschusses für ihre sehr verantwortungsvolle und opfervolle Tätigkeit zu danken.

(Beifall.)

Wir treten in die Aussprache über alle drei Punkte — a, b, c, — ein. Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0312817500
Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat in dankeswerter Weise die vom Ausschuß in beiden Drucksachen gestellten Anträge begründet. Ich entnehme der Seite 18 der Drucksache 2125, daß 42,50 % aller Eingaben den Bereich der Verteidigung betreffen, nämlich 15 322 Petitionen. Es wäre mir lieb, wenn der Herr Berichterstatter — oder die Ausschußvorsitzende — dazu Stellung nehmen könnte, ob nicht schon die Vielzahl dieser Petitionen darauf schließen läßt, daß sie vielleicht bestellt sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312817600
Wird dazu das Wort gewünscht?-Herr Abgeordneter Spies.

Josef Spies (CSU):
Rede ID: ID0312817700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Frage, Herr Kollege, kann ich dahin gehend beantworten, daß diese Massenpetitionen im allgemeinen gelenkte Petitionen von irgendeiner Organisation sind. Dabei hat der Ausschuß nicht geprüft, ob diese Lenkung aus dem Osten oder bei uns erfolgt oder ob eine Infiltration aus dem Osten vorliegt. Die Tatsache, daß die Petenten solcher Massenpetitionen — das stellt sich heraus, wenn man einmal beim Einwohnermeldeamt anfragt — vielfach gar nicht gemeldet sind, spricht dafür, daß es bestellte Petitionen sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau wie bei der Sonntagsheiligung!)

— Ja, so ähnlich mag es sich verhalten!




Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312817800
Ich schließe die Beratung. Ich nehme an, daß das Haus den Anträgen in den beiden Drucksachen 2062 und 2125 zustimmt. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich stelle die Annahme dieser beiden Anträge fest.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (StPÄG) (Drucksache 2037).
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0312817900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, Ihnen heute, wenn auch in etwas später Stunde, den Entwurfeines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vorlegen zu können. Bereits in der großen Justizdebatte im Januar 1959 hatte ich Gelegenheit, Ihnen Gedanken zur Reform des Strafverfahrens vorzutragen. Einige Reformprobleme, so sagte ich damals, müßten schon vor einer umfassenden Reform unserer Strafprozeßordnung einer vordringlichen Lösung zugeführt werden. Der jetzt fertiggestellte Entwurf soll dieses Anliegen erfüllen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn unsere Vorschläge möglichst bald Gesetz würden.

(Abg. Jahn [Marburg] : Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist mit Ihnen sicher darin einig, daß das geltende Strafverfahrensrecht im Rahmen der gesamten strafrechtlichen Reformarbeit einer sorgfältigen, umfassenden Überprüfung bedarf. Wir stimmen durchaus darin überein, daß dies eine der wichtigsten rechtspolitischen Aufgaben unserer Zeit ist. Damit meine ich jedoch nicht, daß die geltende Strafprozeßordnung insgesamt unmodern und unbrauchbar sei. Sie stammt zwar aus dem Jahre 1877, wir dürfen aber nicht vergessen, daß diese Strafprozeßordnung die Frucht eines ernsten Bemühens um eine rechtsstaatliche Gestaltung des Verfahrens war.
Die Problematik des Strafverfahrensrechts ist es von jeher gewesen, einen gerechten Ausgleich zwischen zwei sich widerstreitenden Interessen zu finden: dem Interesse des Staates an einer Verfolgung und Bestrafung des schuldigen Verbrechers stehen die schutzwürdigen Belange des einzelnen gegenüber, der in ein Strafverfahren verwickelt wird und möglicherweise unschuldig ist. Ein gerechter Ausgleich dieses Interessentenstreites kann verfahrensmäßig in ganz verschiedener Weise gesucht werden, wie ein Vergleich mit dem anglo-amerikanischen Strafverfahrenssystem zeigt. Die Verfahrensregeln der geltenden Strafprozeßordnung sind aber meiner Überzeugung nach durchaus von rechtsstaatlichem Geist getragen. Es ist allerdings erforderlich, mit Sorgfalt im Großen und in allen Einzelheiten zu prüfen, in welcher Weise das Verfahren aus der Sicht unserer neugeschaffenen, verfeinerten und freiheitlichen Ordnung und nicht zuletzt unter Berücksichtigung der Menschenrechtskonvention des Europarats geändert und verbessert werden kann. Diese eingehende Überprüfung des gesamten Strafverfahrensrechts kann nur im Rahmen einer großen Strafverfahrensreform vorgenommen werden. Unabhängig vonl dieser Gesamtreform kann die vorliegende No-volle nur in einigen besonders vordringlichen Punkten eine rechtsstaatliche Verbesserung des Verfahrens erstreben.
Die Frage einer Neugestaltung des Strafverfahrens hat Wissenschaft und Praxis seit langer Zeit beschäftigt. Auch die Ihnen jetzt vorliegende Novelle knüpft in vielen Einzelheiten an frühere Vorschläge an.
Ich möchte jetzt auf die Geschichte dieser Reformarbeiten nicht im einzelnen eingehen. Eine der ersten und wichtigsten Aufgaben der Bundesgesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts war es, noch vorhandene Verfahrensvorschriften nationalsozialistischer Prägung zu beseitigen und die Einheit des Strafverfahrensrechts in der Bundesrepublik wiederherzustellen. Da diese Aufgabe drängte, mußten Reformanliegen in diesem Zeitpunkt grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Das sogenannte Vereinheitlichungsgesetz vom 12. September 1950 stellt daher im wesentlichen nur den Rechtszustand wieder her, der vor den Notverordnungen von 1930 und 1932 bestanden hat.
Sieht man von einigen Ergänzungen und Änderungen der Strafprozeßordnung in den letzten zehn Jahren ab, so beruht unser heutiges Strafverfahrensrecht also auf diesem Vereinheitlichungsgesetz und damit im wesentlichen auf der Strafprozeßordnung, wie sie seit der Emminger-Verordnung im Deutschland der 20er Jahre galt.
Bei den im Jahre 1954 aufgenommenen Arbeiten an einer umfassenden Reform des Strafrechts konnte die Reform des Strafverfahrensrechts nicht den Vorrang einnehmen. Diese Gesamtreform muß sich auf das materielle Strafrecht, das Strafverfahrensrecht, die Strafgerichtsverfassung sowie auf den Strafvollzug erstrecken. Bereits in der großen Justizdebatte habe ich darauf hingewiesen, daß dem materiellen Strafrecht hierbei der Vorrang gebührt, weil die Reform des Strafgesetzbuchs weitgreifende Auswirkungen auf die Neugestaltung des Strafverfahrens hat. Die Gesamtreform des Strafverfahrensrechts kann also in umfassender Weise erst dann gefördert werden, wenn die Beratungen des inzwischen von der Bundesregierung verabschiedeten Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuchs weiter vorangeschritten sind. Dieses Strafgesetzbuch wird in der laufenden Wahlperiode leider nicht mehr verabschiedet werden können.
In diesem Stadium der Gesamtreform kommt auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechts nur eine Sofortnovelle in Betracht, mit der gewisse wenige Reformanliegen vorweg verwirklicht werden sollen. Die Auswahl dieser Reformpunkte ist äußerst schwierig gewesen. Manche Reformwünsche, die über den Rahmen des Ihnen nun vorliegenden Entwurfs hinausgehen, mußten schon deshalb zurückgestellt werden, weil nur eine sinnvolle Beschränkung es ermöglichen dürfte, den Entwurf noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Andere Forderungen glaubten wir im gegenwärtigen Zeit-



Bundesminister Schäffer
punkt nicht berücksichtigen zu können, weil sie das Grundsystem des geltenden Strafverfahrensrechts berühren oder weil sie in ihren vielfältigen Auswirkungen im Augenblick noch nicht zu überschauen sind. Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, daß übereilte Änderungen sich in verhängnisvoller Weise auf die Strafrechtspflege auswirken.
Ich bitte Sie daher eindringlich, sich diese Umstände vor Augen zu halten, wenn Sie den Ihnen vorliegenden Entwurf kritisch auf den Umfang seiner Änderungen hin durchsehen. Ich werde die Arbeiten an der Reform des Strafverfahrensrechts in meinem Hause weiter fördern. Noch vor der großen Strafprozeßreform werden durch den Entwurf eines Einführungsgesetzes zu dem neuen Strafgesetzbuch bedeutsame Änderungen des Verfahrensrechts vorgeschlagen werden können.
Bevor ich nunmehr Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen des neuen Entwurfs machen darf, möchte ich einige Worte zu den Vorarbeiten sagen, die dazu in meinem Hause geleistet worden sind. Es scheint mir von Bedeutung zu sein, daß der Entwurf seit über einem Jahr unter ständiger Fühlungnahme mit den Standesorganisationen der Richter und der Rechtsanwälte, mit der Rechtslehre, mit den Landesjustizverwaltungen, mit dem Bundesgerichtshof und mit dem Generalbundesanwalt erarbeitet und verbessert worden ist. Anregungen und Unterstützung durch Praxis und Lehre haben die Novelle entscheidend mitbestimmt. Besonderen Dank schulde ich den Strafrechtsausschüssen der Bundesrechtsanwaltskammer und des Deutschen Richterbundes, die den Entwurf in mehreren Sitzungen eingehend beraten haben. Daß auch die Landesjustizverwaltungen bei diesen Beratungen nicht nur maßgeblich beteiligt waren, sondern auch mit ihren Auffassungen wesentlich Ausmaß und Umfang der Reform mitbestimmt haben, wird sicher Ihre Zustimmung finden. Denn die Länder werden die Hauptlast der praktischen Auswirkungen der Novelle zu tragen haben.
Darf ich nun eine kurze Übersicht über die einzelnen Artikel geben. Der Entwurf ändert zunächst in Art. 1 das Recht der Untersuchungshaft in mehrfacher Hinsicht. Er will damit die Anordnung und die Dauer der Untersuchungshaft so weit einschränken, wie es kriminalpolitisch vertretbar ist. Ich habe bereits bei der großen Justizdebatte im Januar 1959 auf diesen Punkt besonders hingewiesen. Der Entwurf schränkt zunächst die Voraussetzungen, unter denen die Untersuchungshaft verhängt werden kann, in mehrfacher Hinsicht ein. Das gilt in erster Linie für die Verdunklungsgefahr. Hier darf in Zukunft nur noch dann ein Haftbefehl ergehen, wenn sich diese Gefahr aus dem Verhalten des Beschuldigten oder seinen besonderen Verhältnissen ergibt.
Daneben wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in § 112 Abs. 2 der Strafprozeßordnung ausdrücklich verankert. Er bedeutet, daß die Untersuchungshaft ganz allgemein nicht angeordnet werden darf, wenn ohne weiteres feststeht, daß sie außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache oder der zu erwartenden Strafe steht. Gerade hiervon verspreche ich mir einen nachhaltigen Einfluß auf die Praxis der Staatsanwaltschaften und Gerichte.
Dagegen hat sich die Bundesregierung nicht entschließen können, den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, wie von verschiedener Seite gewünscht wurde, ganz fallen zu lassen. Es wird Sie vielleicht interessieren, daß nur etwa 5 % aller Haftbefehle auf diesen Haftgrund gestützt sind.
Um die Untersuchungshaft einzuschränken, erweitert der Entwurf die Möglichkeit, den Vollzug der Haft durch schonende Maßnahmen abzuwenden. Sie finden die Einzelheiten in dem neuen § 116. Während bisher der Vollzug der Untersuchungshaft nur ausgesetzt werden konnte, wenn der Haftbefehl lediglich wegen Fluchtverdachts gerechtfertigt war, soll die Aussetzung in Zukunft auch bei Verdunkelungsgefahr möglich sein.
Besondere Bedeutung haben auch die neuen Bestimmungen der §§ 121 und 122 der Strafprozeßordnung. Hiernach ist der Haftbefehl aufzuheben, wenn die Untersuchungshaft sechs Monate gedauert hat, falls nicht bis dahin durch Urteil auf Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten erkannt worden ist. Allerdings kann dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gelten. Es liegt auf der Hand, daß eine starre zeitliche Begrenzung der Haftdauer kriminalpolitisch nicht durchführbar wäre. Es gibt nämlich Fälle, in denen so schwierige Untersuchungen im In- und Ausland notwendig sind, daß es ein schlechter Dienst für die Sache wäre, wenn man eine Hauptverhandlung erzwingen würde, ohne daß der Fall genügend aufgeklärt ist.
Deshalb sieht der Entwurf die Möglichkeit vor, die Untersuchungshaft in besonderen Fällen auch über sechs Monate hinaus anzuordnen. Voraussetzung hierfür ist aber, daß die Schwierigkeit der Untersuchung oder wichtige Belange der Strafrechtspflege die Fortdauer der Haft unumgänglich notwendig machen. Damit wird verhindert, daß nicht der Verhaftete darunter zu leiden hat, wenn ein Strafverfahren unangemessen lange dauert.
Der Entwurf trägt damit zugleich dem Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention Rechnung, wonach der Beschuldigte Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens hat.
Eine weitere Sicherung in dieser Richtung sieht die Bundesregierung in der Einschaltung des Oberlandesgerichts. Ist der Haftbefehl vom Amts- oder Landgericht erlassen, so soll nur dieses Hohe Gericht — das Oberlandesgericht — über die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft entscheiden können. Denn die zusätzlichen Haftvoraussetzungen setzen ihrer Art nach in so hohem Maße eine justizpolitische Beurteilung des Falles voraus, daß es schon allein deshalb geboten ist, ihre Prüfung dem Oberlandesgericht vorzubehalten. Dadurch wird auch die erforderliche Einheitlichkeit in der Rechtsprechung erreicht. Und schließlich wird das Oberlandesgericht mit seiner Entscheidung in der Regel eine kritische Würdigung des bisherigen Verfahrens verbinden. Gerade davon verspreche ich mir Auswirkungen auf die schnellere Behandlung der Haftsachen durch die unteren Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden.



Bundesminister Schäffer
Ich habe diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit ,gewidmet, weil der Bundesrat beschlossen hat, statt des Oberlandesgerichts das allgemein für Haftentscheidungen zuständige Gericht auch für die Entscheidung nach § 121 der Strafprozeßordnung vorzusehen. Gerade im Interesse einer wirksamen Beschleunigung des Verfahrens glaubt aber die Bundesregierung, aus den angeführten Gründen diesem Vorschlag nicht beitreten zu können.
Auf die weiteren Änderungen der Bestimmungen über Untersuchungshaft, die auch zu einer neuen Fassung der §§ 112 bis 126 a der Strafprozeßordnung geführt haben und die insbesondere das Haftprüfungsverfahren einfacher und dadurch wirkungsvoller gestalten sollen, möchte ich im einzelnen nicht eingehen; ich bitte, auf die Begründung der Regierungsvorlage verweisen zu können.
Das zweite Kernstück der Novelle, das Schlußgehör, finden Sie in Artikel 2 des Entwurfs. Dabei handelt es sich um eine persönliche Anhörung des Beschuldigten durch den Staatsanwalt, die in bedeutsamen Fällen zwingend vorgeschrieben ist und die in anderen Fällen vom Staatsanwalt nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird. Dadurch soll die Verteidigung des Beschuldigten erleichtert werden. Der Beschuldigte und auch sein Verteidiger werden umfassend über die bisherigen Ermittlungen und die Auffassung des Staatsanwalts unterrichtet. Auf diese Weise erhalten Beschuldigter und Verteidiger die Möglichkeit, durch entlastende Ausführungen und Anträge auf die Entschließung des Staatsanwalts Einfluß zu nehmen, ob, mit welchem strafrechtlichen Vorwurf und bei welchem Gericht er die öffentliche Klage erheben soll. Mit diesem Schlußgehör, das auf frühere Reformvorschläge zurückgeht, wird die Rechtsstellung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren in entscheidender Weise verbessert. Deshalb glaubt die Bundesregierung, die damit verbundene Verzögerung des Verfahrens wenigstens bei der schweren Kriminalität in Kauf nehmen zu können. Der Beschuldigte hat nach dem Entwurf einen Anspruch auf das Schlußgehör in allen Sachen, die im ersten Rechtszug zur Zuständigkeit des Landgerichts oder eines höheren Gerichts gehören. Damit wird auch berücksichtigt, daß gegen die Urteile dieser Gerichte keine Berufung zulässig ist, also nur eine Tatsacheninstanz zur Verfügung steht. Wir haben uns trotz sorgfältiger Prüfung nicht entschließen können, das Schlußgehör allgemein auf Strafverfahren vor den Amts- oder Schöffengerichten auszudehnen. Hier soll der Staatsanwalt nur dann das Schlußgehör gewähren, wenn es mit Rücksicht auf Art und Umfang der Beschuldigung oder aus anderen Gründen zweckmäßig erscheint.
Der Art. 3 des Entwurfs soll die Stellung des Verteidigers im Strafverfahren wesentlich verbessern und verstärken. Zunächst wird die notwendige Verteidigung ausgedehnt. In Zukunft soll jeder Angeklagte, gegen den die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder einem höheren Gericht stattfindet, durch einen Verteidiger vertreten sein, und zwar schon bei dem Schlußgehör, also schon vor der Erhebung der Anklage.
Weiter soll der Verteidiger grundsätzlich befugt sein, alle Akten einzusehen, die dem Gericht vorliegen oder diesem später vorgelegt werden sollen. Der neue § 147 der Strafprozeßordnung spricht also erstmalig aus, daß der Verteidiger auch im Vorverfahren grundsätzlich das Recht hat, die Ermittlungsakten jederzeit einzusehen. Die Akteneinsicht darf dem Verteidiger nach Abschluß der Ermittlungen überhaupt nicht mehr versagt werden und vor diesem Zeitpunkt auch nur dann, wenn durch Gewährung der Akteneinsicht der Zweck des Verfahrens gefährdet werden könnte. Der Entwurf befriedigt ein weiteres Anliegen der Anwaltschaft, wenn er vorschreibt, daß einem Antrag des Verteidigers, ihm die Akten in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung zur Einsicht mitzugeben, grundsätzlich entsprochen werden soll.
Auch der freie Verkehr des Verteidigers mit dem verhafteten Beschuldigten wird durch die neue Fassung des § 148 erweitert. Die Bundesregierung konnte sich aber nicht dazu entschießen, diesen Verkehr völlig freizugeben. Für besondere Ausnahmefälle muß bei Verdunklungsgefahr die Möglichkeit der Überwachung erhalten bleiben. Der Entwurf betont aber diesen Ausnahmecharakter deutlicher als bisher. Er verlangt, daß bestimmte Tatsachen vorliegen müssen, die befürchten lassen, daß der Verkehr des Beschuldigten mit seinem Verteidiger dazu mißbraucht werden könnte, die Sache zu verdunkeln und dadurch den Untersuchungszweck zu gefährden.
In Art. 4 schreibt der Entwurf vor, daß jeder Beschuldigte schon im Ermittlungsverfahren vernommen werden muß, wenn das Verfahren nicht zur Einstellung führt. Für die Vernehmung selbst sehen die neuen Bestimmungen wesentliche Verbesserungen der Stellung des Beschuldigten vor. In Anlehnung an das französische Recht muß der Beschuldigte bei Beginn seiner ersten Vernehmung deutlicher als bisher darauf hingewiesen werden, daß es ihm nach dem Gesetz freisteht, ob er aussagen oder schweigen will. Neu ist weiter, daß eine derartige Belehrung nicht nur dem Richter, sondern auch dem Staatsanwalt und jedem Polizeibeamten zur Pflicht gemacht wird. Diese Beamten müssen in Erweiterung des geltenden Rechts in Zukunft auf ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht ausdrücklich hinweisen. Diese neuen Vorschriften erfüllen eine rechtsstaatliche Forderung, die in der Gesetzgebung der letzten Zeit immer deutlicher hervortritt. Der Beschuldigte, aber auch alle Personen, die gesetzlich verpflichtet sind, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen, sollen über ihre Rechte und Pfilchten deutlich und loyal aufgeklärt werden.
Art. 5 sieht zunächst vor, daß die Richter bei der Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen sind, die bei der Sachentscheidung in dem früheren Verfahren mitgewirkt haben. Wenn der Verurteilte andere Richter als in dem früheren Verfahren vor sich sieht, wird er leichter von ihrer Unbefangenheit überzeugt sein können, als wenn die früheren Richter erneut über die Sache zu entscheiden haben. Für den Fall einer Zurückverweisung durch das Revisionsgericht sieht der Entwurf



Bundesminister Schäffer
keine entsprechende Regelung vor. Ich glaube, das nicht ausdrücklich begründen zu müssen.
Die Neufassung des § 25 der Strafprozeßordnung erweitert das Recht des Angeklagten, den Richter in der Hauptverhandlung wegen Befangenheit abzulehnen: In Zukunft kann ein Ablehnungsgrund unter bestimmten Voraussetzungen noch in der Beweisaufnahme, ja selbst noch beim letzten Wort des Angeklagten geltend gemacht werden. Dadurch soll eine Ablehnung ermöglicht werden, wenn sich erst aus der Verhandlungsführung des Richters oder aus seinem Verhalten außerhalb der Hauptverhandlung ein Grund für die Ablehnung ergibt.
Art. 6 bringt eine Vorschrift, die für die Praxis von erheblicher Bedeutung sein wird und zur Vereinfachung einer großen Zahl von Strafverfahren beitragen kann: Es handelt sich um den neuen § 154 a, der es ermöglichen soll, daß sich Staatsanwaltschaft und Gericht bei der Ermittlung und bei der Entscheidung auf die wesentlichen Teile der Straftat und auf die tragenden rechtlichen Gesichtspunkte beschränken können. Unwesentliche Teile einer Tat sollen im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens ausgeschieden, unwesentliche Gesetzesverletzungen unberücksichtigt bleiben.
Art. 7 sieht gewisse Änderungen des Eröffnungsverfahrens und der Hauptverhandlung vor. Die Bundesregierung ist sich darüber klar, daß es sich hier nur um vorläufige Maßnahmen handeln kann. Eine umfassende Neugestaltung des Zwischenverfahrens würde den Rahmen einer kleinen Verfahrensreform sprengen. Der Entwurf hält deshalb an der Einrichtung des Eröffnungsbeschlusses fest. Das Gericht hat danach wie bisher zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft den Tatverdacht zu Recht bejaht hat.
Eine wesentliche Neuerung ist es jedoch, daß das Gericht unter diesen Voraussetzungen nicht selbst den hinreichenden Verdacht ausspricht, sondern nur die erhobene Klage zur Hauptverhandlung zuläßt. Dadurch kann der rechtsunkundige Angeklagte nicht mehr zu der irrigen Annahme gelangen, das Gericht habe sich in der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung seines Falles schon mehr oder weniger festgelegt. Im übrigen bestimmt nunmehr der Inhalt der gerichtlich zugelassenen Anklage den Prozeßstoff: die vom Gericht zugelassene Anklage soll zu Beginn der Hauptverhandlung vom Staatsanwalt verlesen werden. Damit werden zugleich die Rollen der Prozeßbeteiligten in der Hauptverhandlung besser als bisher verteilt.
Der Entwurf sieht weiter vor, daß Vorstrafen in der Hauptverhandlung nur noch insoweit festgestellt werden sollen, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Damit soll einer vermeidbaren Bloßstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung begegnet werden.
Art. 8 des Entwurfs sichert das rechtliche Gehör vor Gericht in jedem Abschnitt des Strafverfahrens. Die neue Vorschrift des § 33 verwirklicht den Verfassungsgrundsatz des Art. 103 des Grundgesetzes im Bereich der Strafprozeßordnung, und zwar in enger Anlehnung an die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zu dieser Vorschrift schon entwickelt hat.
Art. 9 betrifft das Revisionsverfahren. Allerdings muß sich der Entwurf auch hier auf zwei Änderungen beschränken. Dabei verkennt die Bundesregierung nicht, daß sich gerade gegen die Revision in ihrer derzeitigen Gestalt vielfache Angriffe aus Wissenschaft und Praxis richten. Aber hier gilt das, was ich bereits früher ausgeführt habe: Es ist nicht möglich, die schwierige Frage des Instanzenzuges, insbesondere der zweiten Tatsacheninstanz und der Neugestaltung der Revision, losgelöst von einer Gesamtreform des Strafverfahrens und der Strafgerichtsverfassung zu entscheiden. Der Entwurf beschränkt sich daher auf zwei Punkte: Zunächst sieht er vor, daß die Revisionsbegründungsfrist in allen Verfahren, die im ersten Rechtszug vom erweiterten Schöffengericht oder vom Landgericht verhandelt werden, von zwei Wochen auf einen Monat verlängert wird. Damit erfüllt der Entwurf auch einen Wunsch der Anwaltschaft.
Nach § 349 Abs. 2 der Strafprozeßordnung kann das Revisionsgericht die Revision durch Beschluß verwerfen, wenn es das Rechtsmittel für offensichtlich unbegründet erachtet. Dieses vereinfachte Verfahren muß im Interesse der Arbeitsfähigkeit unserer Revisionsgerichte erhalten bleiben. Im Interesse des Beschuldigten soll aber verhindert werden, daß der Beschwerdeführer durch eine derartige Entscheidung überrascht wird. Der neue § 349 bindet das Revisionsgericht daher zunächst an einen Antrag der Staatsanwaltschaft: nur dann, wenn auch diese die Revision als offensichtlich unbegründet ansieht, soll das Gericht ohne Hauptverhandlung durch Beschluß entscheiden können. Die Staatsanwaltschaft hat aber einen entsprechenden Antrag dem Beschwerdeführer mitzuteilen und soll dazu, falls sachdienlich, eine kurze Begründung geben. So erhält der Angeklagte nochmals Gelegenheit, sich zu äußern.
Art. 10 bringt im wesentlichen Änderungen technischer Art.
Der Art. 11 wird das besondere Interesse bei der Aussprache finden. Sie haben sicher die Erörterungen in der Presse verfolgt, die mit dem von der Bundesregierung vorgesehenen Verbot von Rundfunk-, Fernseh- und Filmaufnahmen in der Hauptverhandlung zusammenhängen. Die Bundesregierung hat versucht, die kriminalpolitischen Notwendigkeiten, die sie zu diesem Schritt zwingen und die von den Standesorganisationen der Richter, der Staatsanwälte und der Rechtsanwälte einheitlich und voll anerkannt werden, gegen das berechtigte Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit abzuwägen. Sie schlägt daher vor, daß während des Ganges der Hauptverhandlung Rundfunk-, Film- und Fernsehaufnahmen ohne Ausnahme unzulässig sein sollen, daß aber für die Verkündung des Urteils aus wichtigen Gründen eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann.
Kurz die Gründe: Die Sendung von Ton- und Bildaufnahmen über Ausschnitte aus der Hauptverhandlung hat schon seit längerer Zeit die schweren Bedenken offenbar werden lassen, die gegen diese Art der Berichterstattung bestehen. Ähnliches gilt



Bundesminister Schäffer
auch bei Filmaufnahmen über Vorgänge in der Hauptverhandlung und ihre Vorführung, z. B. in der Wochenschau. Rundfunk-, Fernseh- und Filmaufnahmen im Gerichtssaal gehen über die in § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes gewährleistete Öffentlichkeit der Hauptverhandlung weit hinaus. Sie gefährden nicht nur die Wahrheitsfindung, sondern beeinträchtigen auch die Verteidigung des Angeklagten. Derartige Aufnahmen bergen die große Gefahr in sich, daß der Angeklagte und der Verteidiger wegen der Scheu vor einem unbeschränkten, unübersehbaren und unsichtbaren Zuhörerkreis ihre Aussagen und Erklärungen nicht so unbefangen gestalten, wie es das Interesse der Verteidigung erfordert. Ähnliches gilt für die Zeugen und Sachverständigen. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, daß dieselbe Überzeugung auch der Deutsche Richterbund ausgesprochen und gerade aus diesen Gründen ein generelles Verbot derartiger Aufnahmen gefordert hat.
Obwohl bereits die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Möglichkeiten bietet, Mißbräuche zu verhüten, hält die Bundesregierung es für geboten, für Rundfunk-, Fernseh- und Filmaufnahmen ein gesetzliches Verbot vorzusehen. Es bedeutet nämlich in der Regel eine Überforderung des Vorsitzenden und der Verfahrensbeteiligten, wenn sie selbst durch ihre Zustimmung oder Ablehnung über die Zulassung einer solchen Aufnahme entscheiden sollen. Das gesetzliche Verbot des Art. 11 ist zugleich eine Auswirkung der durch Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes aller staatlichen Gewalt auferlegten Pflicht, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen.
Wie ich bereits erwähnt habe, sieht der Regierungsentwurf die Möglichkeit vor, daß der Vorsitzende für die Verkündung des Urteils aus wichtigen Gründen Ausnahmen zuläßt. Grundgedanke ist, daß in Einzelfällen ein Interesse bestehen kann, die Urteilsverkündung selbst, wenn sie von besonderer, außerordentlicher Bedeutung ist, der Öffentlichkeit auch auf diese Weise vorzuführen. Ich bemerke, daß der Bundesrat eine strengere Handhabung und den ausnahmslosen Ausschluß solcher Aufnahmen verlangt.
Art. 12 betrifft die Stellung des Bundeskriminalamtes. Nach dem Entwurf soll in das Gerichtsverfassungsgesetz eine Vorschrift eingefügt werden, die dem Bundeskriminalamt die Möglichkeit gibt, in den zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs gehörenden Staatsschutzverfahren Ermittlungsersuchen des Generalbundesanwalts und des Untersuchungsrichters des Bundesgerichtshofs auszuführen. Schon seit längerer Zeit besteht das dringende Bedürfnis, dem Generalbundesanwalt zur schlagkräftigen Aufklärung der Staatsschutzdelikte ein für das gesamte Bundesgebiet zuständiges, zentrales Ermittlungsorgan zur Verfügung zu stellen. Ich brauche nicht zu betonen, daß es sich bei hochverräterischen Unternehmen, staatsgefährdenden Umtrieben und landesverräterischen Agentennetzen regelmäßig um von zentraler Stelle gesteuerte, weitverzweigte und alle Landesgebiete des Bundes umfassende Gesamtunternehmen handelt. Eine erfolgreiche Aufklärung verlangt daher ein Ermittlungsorgan, das einen umfassenden Überblick über
diese Bestrebungen hat, über große Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt und Einblick in andere Verfahrenszusammenhänge besitzt.
Eine gesetzliche Zuständigkeit des Bundeskriminalamts für Ermittlungen auf Ersuchen des Generalbundesanwalts und des Untersuchungsrichters des Bundesgerichtshofs besteht zur Zeit nicht. Das Bundeskriminalamt wird zwar schon bisher auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Bundesjustizminister und den Innenverwaltungen der Länder in den Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts tätig, jedoch nur im Einvernehmen und im Zusammenwirken mit den Innenverwaltungen und Polizeibehörden der Länder. Dabei sind den Landespolizeibeamten alle Ausführungsmaßnahmen vorbehalten, die eine Exekutivbefugnis voraussetzen. Die Beamten des Bundeskriminalamts können insoweit nur unterrichtend und koordinierend wirken. Diese Vereinbarung war nur als Notlösung für eine Übergangszeit bis zu einer gesetzlichen Regelung gedacht, die den Erfordernissen einer schlagkräftigen Bekämpfung Rechnung trägt. Diese gesetzliche Regelung soll durch den vorgeschlagenen § 134 b nunmehr erreicht werden.
Der Bundesrat schlägt die Streichung dieser Bestimmung vor. Er äußert verfassungsrechtliche Bedenken. Die Bundesregierung vermag die vom Bundesrat gegen Art. 12 des Entwurfs erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht als berechtigt anzuerkennen. Sie hält nachdrücklich an der Auffassung fest, daß die vorgeschlagene Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ich verweise auf die Ihnen in der Bundestagsdrucksache 2037 vorliegende schriftliche Stellungnahme der Bundesregierung und glaube deshalb, nähere Ausführungen nicht machen zu sollen.
Was die Zweckmäßigkeit und die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Vorschrift anlangt, so glaube ich, daß sie nicht bestritten werden kann. Wenn sich nämlich das Bundeskriminalamt erst mit einer Reihe von Landeskriminalämtern oder sonstigen Polizeibehörden in Verbindung setzen und deren Exekutivhandlungen koordinieren muß, so ergibt sich daraus oftmals eine Verzögerung des Zugriffs, die gerade bei den Straftatbeständen, die hier in Frage kommen — des Hochverrats, der Staatsgefährdung und des Landesverrats —, besonders gefährliche Folgen haben kann. Solche Folgen müssen aber durch einen schnellen, umfassenden Zugriff verhütet werden.
Die übrigen Vorschriften des Entwurfs bedürfen sonst keiner näheren Ausführungen. Sie sehen nur ergänzende Bestimmungen und Übergangsregelungen vor, die ohne grundsätzliche Bedeutung sind.
Meine Damen und Herren, im Strafverfahren sind die Stellung des Beschuldigten und die des Verteidigers Brennpunkte der Rechtsstaatlichkeit. An ihnen setzt die vorliegende Prozeßnovelle an. Die vorgeschlagenen Änderungen der Strafprozeßordnung zielen nahezu ausnahmslos darauf ah, die Stellung des Beschuldigten und die des Verteidigers zu stärken. Wenn Sie, meine Damen und Herren, bedenken, daß dieser „kleinen Reform" aus verschiedenen Gründen notwendig enge Grenzen gesetzt



Bundesminister Schäffer
sind, so werden Sie mir zugeben, daß die Bundesregierung ihr Möglichstes getan hat, um die berechtigten Anliegen für eine Verbesserung und für eine Beschleunigung des Strafverfahrens zu erfüllen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312818000
Der Entwurf der Regierung ist begründet.
Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kanka.

Dr. Karl Kanka (CDU):
Rede ID: ID0312818100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hochgeschätzte Hinterbliebene aus diesem Hohen Hause, die sich noch nicht auf- und davongemacht haben! Meine Damen und Herren, es ist unerhört, daß bei der Beratung einer Materie von solchem Gewicht für die Öffentlichkeit, für unser ganzes deutsches Volk, das in dieser bundesrepublikanischen Ordnung eine saubere Ordnung auch des Rechtswesens finden soll, das Parlament so schlecht besetzt ist.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sehr richtig!)

Das möchte ich vorausgeschickt haben. Es erweckt erhebliche Zweifel am rechten Beruf unserer Zeit für die Gesetzgebung. Wir reden fast nur noch für das Protokoll. So sollte es aber nicht sein.
Von welcher Bedeutung der Stoff ist, um den es hier geht, zeigt uns ein nüchterner Blick auf die Statistik. Im Jahre 1957 hat die Bundesrepublik 42 Millionen Einwohner gezählt, die über 14 Jahre alt, also fähig waren, in ein Strafverfahren verwikkelt zu werden. Die Statistik zeigt nun, daß in diesem Jahre 1957 von den Amts- und Staatsanwaltschaften, die die Rechtssachen auf strafrechtlichem Gebiet zuerst in Empfang nehmen, 3 Millionen Fälle bearbeitet worden sind. Das ist schon eine entsetzliche Zahl. Sie verliert aber etwas von ihrem Erschreckenden, wenn man sich darauf besinnt, daß vermutlich mehr als 1 Million — vielleicht 1 1/2 Millionen — Fälle mit den Verkehrsdelikten zusammenhängen. Von den 3 Millionen sind 1 150 000 durch richterliche Strafverfügung erledigt worden. Das werden im wesentlichen Verkehrsübertretungen gewesen sein. 650 000 sind durch Strafbefehle, also mit einer Strafmaßnahme etwas schwereren Gewichts, erledigt worden. Auch hierunter dürften noch sehr viele Verkehrsdelikte gewesen sein. 350 000 sind aber zu förmlichen Anklagen gediehen. 350 000 förmliche Anklagen gegenüber 42 Millionen Bundesbürgern, die in ein Strafverfahren verwikkelt werden können!
Die Statistik gibt uns noch einige andere Zahlen. Zu Hauptverhandlungen auf Anklage oder auf Einspruch gegen eine Strafverfügung oder einen Strafbefehl hin ist man im Jahre 1957 520 000mal gekommen, und zwar zu Hauptverhandlungen vor den Amtsgerichten und vor den Schöffengerichten, in den unteren Instanzen. Vor der Großen Strafkammer und vor den Jugendkammern der Landgerichte kamen 13 000 Fälle zur Verhandlung. Auch das ist eine ganz beachtliche Zahl, aber sie ist schon beruhigender. Vor den Schwurgerichten, vor denen die ganz schweren Verbrechen behandelt werden, waren es 400 Fälle. In Hoch- und Landesverratssachen minderen Gewichts bei den Oberlandesgerichten waren es 200 Fälle, und bei den Hoch- und Landesverratssachen ganz schweren Gewichts beim Bundesgerichtshof waren es 38 Fälle.
Von den rund 520 000 erstinstanzlichen Hauptverhandlungen des Jahres 1957 haben etwa 500 000 mit einem Urteil geendet. Davon waren 50 000 freisprechende Urteile und 450 000 Verurteilungen zur Strafe — darunter dann wiederum wegen Vergehen, also schwerer wiegenden Verletzungen, auf dem Gebiete des Straßenverkehrs ungefähr die Hälfte, nämlich 240 000.
Zum Schluß noch einige weitere Zahlen: 50 000 Berufungen gegen erstinstanzliche Urteile sind in diesem einen Beispieljahr eingelegt worden und 12 000 Revisionen, davon die Hälfte gegen Berufungsurteile, die andere Hälfte unmittelbar gegen erstinstanzliche Urteile.
Das alles sind beachtliche Zahlen, die zeigen, welche Bedeutung einer guten Regelung unseres Strafverfahrens zukommt. Dabei darf bei allem, was wir in bezug auf die Reform unseres Strafverfahrensrechtes tun, nicht außer acht gelassen werden, daß unsere Strafrechtspflege zwar nicht zuletzt den Beschuldigten und späteren Angeklagten vor einem ihn unnötig diffamierenden Verfahren und vor einem Fehlurteil bewahren soll, daß eine nicht minder wichtige Aufgabe der Strafrechtspflege aber darin besteht, die Verletzten, die öffentliche Ordnung und den Staat zu schützen. Wir werden deshalb bei unserer Reformaufgabe nicht so tun können — und auch diejenigen, die von Berufs wegen Rechtsanwälte sind, werden nicht so tun —, als ob alle Angeklagten Unschuldslämmer, alle Verteidiger nur reine Schutzengel seien und als ob die bösen Leute nur auf den Sitzen der Staatsanwälte und der Gerichte säßen. So ist es nicht. Die meisten von denen, die mit einer Hauptverhandlung zu tun haben, sind sogar schuldig. Trotzdem muß die immerhin vorhandene Gefahr eines Fehlurteils in Rechnung gestellt werden. Schon der Umstand, daß auf Berufungen und Revisionen hin immer wieder Änderungen vorkommen, zeugt davon, daß über die Schuldfrage und über die angemessene Bestrafung Streit bestehen kann.
Die Gefahr eines oder einer sonstigen
Fehlentscheidung, eines unnützen Inhaftnehmens und Inhafthaltens muß nach Möglichkeit zurückgedämmt werden; es muß unsere Hauptsorge sein, dafür die rechtlichen Vorkehrungen zu treffen.
Der Herr Justizminister hat bereits vorgetragen, daß unser Strafverfahrensrecht, das in seinen Grundlinien seit dem 1. Oktober 1879, also seit nunmehr etwas mehr als 80 Jahren, in Kraft ist, noch nicht sehr tiefgreifenden Verbesserungen unterworfen worden ist. Ich glaube, man kann sogar sagen, das formelle Strafrecht ist im Gegensatz zum materiellen Strafrecht, das angepaßt worden ist, in diesen inzwischen verflossenen 80 Jahren stiefmütterlich behandelt worden.



Dr. Kanka
Es waren Zeiten der Not und Zeiten des Krieges, in denen starke Eingriffe in das Strafverfahrensrecht vorgenommen wurden, durch die Emmingersche Justiz-„Reform", die auf Grund eines Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich, auf Grund eines Ermächtigungsgesetzes, erlassen worden ist, und dann während des „Dritten Reiches" durch nationalsozialistische Änderungen, die allerdings durch die „Denazifizierung" dieses Teils unserer Gesetzgebung nach 1949 wieder herausgenommen worden sind. Aber zu einer echten Reform, über die Wiederherstellung der Rechtseinheit hinaus — die zunächst einmal notwendig war —, ist man noch nicht gekommen.
Auch zwischen den beiden Weltkriegen gab es nur ein einziges Mal ein echtes Reformgesetz. Das war das Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom Dezember 1926, durch das das Haftprüfungsverfahren bei der Untersuchungshaft eingeführt worden ist. Da mußte erst ein ehemaliger Minister in der Untersuchungshaft sterben, und es mußten einige andere Skandalfälle aufkommen, ehe sich der Gesetzgeber dazu entschloß, auf diesem Gebiet eine Besserung herbeizuführen.
Meine Fraktion begrüßt, daß sich die Bundesregierung entschlossen hat, schon jetzt mit einer kleinen Strafverfahrensreform herauszukommen. Im Jahre 1959 hat die Bundesregierung noch den Gedanken gehabt, man könne den Beginn der Strafverfahrensreform bis zum Erlaß des Einführungsgesetzes für das neue Strafgesetzbuch verschieben. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß dafür dieses Parlament die Zeit nicht mehr haben wird; und wir haben uns jetzt doch mit einer sehr kleinen, sehr bescheidenen Strafverfahrensreform zu befassen.
Wir begrüßen auch die Auswahl der Gegenstände der Reformbemühungen: Reform der Vorschriften über die Untersuchungshaft, Reform der Vorschriften über das Verhältnis des Staatsanwalts zum Beschuldigten, Reform der Vorschriften über die Verteidigung, Entlastung des Verfahrens durch die stärkere Ausscheidung von Unwesentlichem, Verbesserung der Vorschriften über die Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet, Verbesserung der Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens, Ausschluß der Richter, die bei den früheren Verfahren beteiligt waren, sowie schließlich die gesetzliche Neuregelung des Verhältnisses von Film und Funk zur Hauptverhandlung.
Zu den Einzelheiten will ich hier in dieser späten Stunde

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Spät?)

und in der ersten Lesung, die nur dem Grundsätzlichen gewidmet sein soll, nicht Stellung nehmen. Ich will nur eines sagen. Wenn sich irgendwo im Rechtswesen ein Mißstand zeigt, muß er nicht immer gleich im Gesetz begründet sein. Er kann vielmehr seinen Grund auch darin haben, daß das vorhandene Gesetz nicht richtig angewandt wird oder daß für die Anwendung des Gesetzes nicht das nötige Personal vorhanden ist oder die mit der Anwendung des Gesetzes befaßten Kräfte nicht das nötige Material, die nötigen Hilfsmittel haben. Das
muß man schon bei den Überlegungen über die Reform des Haftverfahrens bedenken.
Die Fraktion der Freien Demokraten hat im vorigen Jahr einen Antrag eingebracht, der darauf hinwirken sollte, daß die Untersuchungshaft möglichst abgekürzt wird. Das war so ein bißchen Eisenbartkur, was nach diesem Antrag dem Strafprozeß verordnet worden wäre. Die Untersuchungshaft sollte nach dem besagten Antrag prinzipiell auf zwei Monate beschränkt werden; nur bei Verbrechen sollte die Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung und dann vielleicht einer nochmaligen zweimonatigen Verlängerung zugelassen werden.
Für diesen Entwurf bin ich als Berichterstatter des Rechtsausschusses bestellt worden. Daraufhin habe ich mir wieder einmal die Statistik angesehen und habe festgestellt, daß unsere Justizstatistik noch nicht ganz vollständig ist. Sie müßte noch stärker ausgearbeitet werden. Über die Leistungen der Wirtschaft können wir der Statistik viel mehr entnehmen als über die Leistungen der „wohledlen Dame Justitia". Ich mußte mich auf zwei Jahrbücher von Bayern und Nordrhein-Westfalen beschränken, aus denen ich etwas über die Zahl der Haftbefehle und über die Dauer der Untersuchungshaft erfahren konnte. Ich glaube aber, das, was in Bayern und Nordrhein-Westfalen ziemlich übereinstimmend gilt, wird für die ganze Bundesrepublik zutreffen.
In beiden Ländern beträgt die Dauer der Untersuchungshaft in etwa 75 % der Haftfälle weniger als drei Monate, in etwa 20 % der Haftfälle liegt die Dauer der Untersuchungshaft zwischen drei und sechs Monaten, und nur in etwa 4 % der Fälle liegt die Dauer der Untersuchungshaft zwischen sechs Monaten und einem Jahr; nur in knapp 1 % dauert die Untersuchungshaft länger als ein Jahr.
Das darf uns aber nicht beruhigen, und es darf uns auch nicht beruhigen, daß etwa in Bayern, wo in diesen drei Jahren — 1956, 1957 und 1958 —25 000 Haftbefehle ergangen sind, in diesen selben drei Jahren Entschädigungen wegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft nur in 23 Fällen gezahlt wurden, also in einem Satz von einem Promille. Das darf uns nicht beruhigen.

(Abg. Memmel: Aber es ist schön!)

Denn unter den 25 000 Haftbefehlen war auch der Haftbefehl gegen den sozialdemokratischen ehemaligen Nürnberger Stadtrat Karl Kapp. Ich zitiere nach der Zeitung: Es ist der Fall des Nürnberger Stadtrats Karl Kapp, der zwölf Jahre seines Lebens im Konzentrationslager, drei Jahre in den Kerkern des NKWD, fünf Jahre in sibirischen Lagern und nach seiner Rückkehr — nachdem er 20 Jahre seines Lebens in nationalsozialistischen und kommunistischen Lagern verbracht hat — noch anderthalb Jahre bei uns in der Bundesrepublik in Untersuchungshaft verbrachte und dem dann nach der Hauptverhandlung in der vergangenen oder vorvergangenen Woche vom Gerichtsvorsitzenden bescheinigt wurde — er ist wegen erwiesener Unschuld freigesprochen —, daß er als Lagerältester ein guter Kamerad und ein Mann ohne Furcht und Tadel gewesen sei.



Dr. Kanka
Dieser Fall hätte bereits nach unserer bisherigen Strafprozeßordnung nicht vorzukommen brauchen.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sehr richtig!)

Wir wollen hoffen, daß solchen Fällen durch die Reform restlos der Garaus gemacht wird.

(Abg. Memmel: Das sind Ausnahmefälle!)

— Es sind Ausnahmefälle, aber Ausnahmefälle, die zeigen, daß bei dieser verantwortlichen Tätigkeit des Verhaftens vielleicht doch nicht immer so ganz vorsichtig vorgegangen wird — schon nach dem jetzigen Gesetz nicht. Ich habe vor kurzem ein Gespräch mit einem alten Praktiker gehabt; es war kein Rechtsanwalt, sondern ein Mann von der „anderen" Seite, von der Anklagebehörde. Er sagte mir, nach seiner Überzeugung sei schon jetzt nach dem Gesetz ein großer Teil der Fälle, in denen Untersuchungshaft verhängt wird, nicht mehr zu vertreten; denn unsere jetzige Strafprozeßordnung bestimme, daß die Untersuchungshaft wegen Verdunkelungsgefahr nur dann zulässig ist, wenn „bestimmte Tatsachen" vorliegen, die eine ganz konkrete Gefahr der Verdunkelung begründen, die vom Angeklagten oder Beschuldigten ausgehen kann. Statt dessen werde in der Praxis schon oft genug die Dunkelheit, die noch über der Sache liegt, weil sie noch nicht genügend aufgeklärt oder der Mann nicht geständig ist, für einen Haftbefehl als hinreichend angesehen.
Auch die anderen Themen, die in dem Reformgesetz angeschnitten werden, sind es wert, daß man sich mit ihnen beschäftigt. Das gilt beispielsweise von den Vorschriften über Verteidigung. Darüber will ich jedoch nichts sagen. Das ist ein sehr weites und auch ein sehr schwieriges Feld. Ich möchte mich hier darauf beschränken, die gute Meinung anzuerkennen, von der sich das Justizministerium bei der Formulierung dieser Vorschriften hat leiten lassen.
Zu begrüßen ist auch, daß nun Vorschriften über die Ausschließung von Richtern von Entscheidungen über die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gesetzt werden sollen, nämlich die Ausschließung von Richtern, die in Vorverfahren an den Entscheidungen des nun winde raufzunehmen den Verfahrens teilgenommen haben. Damit wird im übrigen ein viel weitschichtigeres und viel tiefschichtigeres Problem — sehr sorgsam und behutsam — angeschnitten, über das in den weiteren Bemühungen um die Reform noch einiges zu sagen sein wird.
Auch die Vorschriften, durch die die Verwerfung der Revision als unbegründet von der vorherigen Mitteilung des dahin gehenden und begründeten Antrags der Staatsanwaltschaft abhängig gemacht werden soll, sind zu begrüßen. Es wäre noch zu überlegen, ob man nicht auch gewisse Revisionen der Staatsanwaltschaft der Verwerfung als „offensichtlich unbegründet" aussetzen sollte, so wie es nach dem geltenden Recht ist, wie es aber nach der neuen Bestimmung nicht mehr sein soll. Wenn das Haus nicht schon im Aufbruch wäre, würde ich einige Fälle anführen, die den Bundesgerichtshof beschäftigt haben und von denen man sagen kann: die waren es wirklich nicht wert, daß man fünf hochgelahrte Bundesrichter damit beschäftigte.
Zum Schluß noch ein Wort über das Verhältnis des Films und des Funks zur Hauptverhandlung. Der Bundesrat meint, man solle Film und Funk, vor allem Fernsehen, schlankweg von der Hauptverhandlung ausschließen, und zwar von allen Teilen der Hauptverhandlung, auch von der Urteilsbegründung. Die Regierungsvorlage meint, bei der Urteilsverkündung solle es dem Vorsitzenden erlaubt sein, „aus wichtigen Gründen" Ausnahmen zuzulassen. Es ist eine sehr schwierige Frage, die damit aufgeworfen wird. In meiner Fraktion hat man sich darüber, welcher der beiden Meinungen der Vorzug zu geben sei, noch nicht abschließend unterhalten. Ich will aber mit meiner Meinung hier nicht hinter dem Berge halten. Ich ziehe bier ausnahmsweise einmal die Stellungnahme des Bundesrates der Meinung der Bundesregierung vor. Die wohledle Dame Justitia braucht das Licht der Öffentlichkeit. Sie soll nicht in irgendwelchen Dunkelkammern Kabinettsjustiz treiben. Sie braucht das Licht der Öffentlichkeit für ihr Leben. Aber das Licht der Jupiterlampen ist zu kraß. Durch Film und Rundfunk kann der Strafprozeß sehr leicht zum Schauprozeß gemacht werden.

(Abg. Memmel: Sehr richtig!)

Schauprozesse sollten aber nicht in einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Ordnung ihre Heimat haben; die haben ihre Heimat in totalitären Staaten und in revolutionären Zeiten.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Zu den angeschnittenen Themen ist noch vieles zu sagen. Wir werden im Rechtsausschuß eine verantwortungsvolle Arbeit zu leisten haben. Ich hoffe, daß wir es fertigbringen, die Reform auf möglichst breiter Grundlage noch zu verabschieden, bevor wir im nächsten Jahr auseinandergehen. Zuvor werden wir die Staatsanwälte, die Richter und die Rechtsanwälte zu hören haben. Aber die letzte Verantwortung tragen wir, und ich hoffe, daß es nicht nur den Juristen überlassen wird, diese Verantwortung zu tragen, sondern daß sich dieses Hohe Haus in corpore der Verpflichtung, an einer solchen gesetzlichen Regelung mitzuarbeiten, besser bewußt wird, als es nach dem heutigen Eindruck hier der Fall zu sein scheint. Ich hoffe sogar, daß dieser Eindruck von unserem Plenum nur ein falscher Eindruck ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312818200
Meine Damen und Herren, Herr Dr. Kanka hat das, was uns allen schmerzhaft sichtbar ist — die schlechte Besetzung unseres Hauses —, in tadelnde Worte gefaßt. Der Gerechtigkeit wegen möchte ich darauf verweisen, daß die deutsch-afrikanische Woche heute vormittag eine Anzahl von parlamentarischen Delegationen aus Afrika in unsere Stadt geführt hat und daß eine große parlamentarische Kundgebung in der Beethovenhalle stattfindet, so daß eine erhebliche Anzahl



Vizepräsident Dr. Dehler
von Kollegen aus wirklich stichhaltigen Gründen der Repräsentationspflicht den Verhandlungen augenblicklich nicht beiwohnen können.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : die Juristen müßten aber hier sein!)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn (Marburg).

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0312818300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Strafprozeßordnung hat in den über 80 Jahren ihres Daseins einen recht leidvollen Weg hinter sich gebracht. Es sind vielfältige Versuche gemacht worden, sie zu ändern. Manchmal ist es so, daß man vieles von ihrer ursprünglichen Gestalt nicht mehr recht erkennt. Es war und ist aber durchaus notwendig, daß wir noch in dieser Legislaturperiode den Versuch machen, die heutige Fassung der Strafprozeßordnung den rechtsstaatlichen Anschauungen unserer Zeit anzupassen — dort, wo es geht —, ohne sie in ihrem Wesensgehalt grundsätzlich zu verändern.
Aus diesen Überlegungen begrüßen wir den vorgelegten Entwurf der Bundesregierung, die damit einem Wunsche nachkommt, der in der juristischen Öffentlichkeit außerhalb dieses Hauses und von den Juristen dieses Hauses mehrfach und dringend geäußert worden ist. Wir begrüßen es um so mehr, als wir wissen, daß es nicht ganz aus eigener Initiative und Neigung der Bundesregierung zu diesem Entwurf gekommen ist. Wir meinen auch, daß er in seiner Gesamttendenz den Vorwurf, der draußen, insbesondere unter Richtern und Staatsanwälten, gelegentlich gegen ihn erhoben wird, er sei ein Entwurf ausschließlich zugunsten der Verteidiger, nicht verdient. Wer diesen Entwurf einmal in seiner Gesamtheit unvoreingenommen und ruhig prüft, wird sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, daß hier eine Fülle von Problemn aufgegriffen worden ist, die notwendigerweise aufgegriffen werden mußten, und daß damit selbstverständlich nicht — das sei ganz besonders betont — ein generelles Mißtrauen gegenüber den Gerichten und Staatsanwälten zum Ausdruck gebracht werden soll. Man kann die Frage, wie die Strafprozeßordnung in ihrer gegenwärtigen Gestalt zu bewerten ist, nicht allein vom Richtertisch her beurteilen. Es ist ganz nützlich, daß auch andere Gesichtspunkte in dieser Debatte berücksichtigt werden. Wir begrüßen deshalb grundsätzlich die Gesamttendenz des Entwurfs, wenn wohl auch zu einer Reihe von Vorschriften in den Ausschußberatungen noch eine Menge zu sagen sein wird.
Ich möchte mich hier darauf beschränken, einige mir wesentlich erscheinende Punkte herauszugreifen, bei denen wir gewisse Vorbehalte machen müssen oder andersartige Überlegungen gegenüber dem Regierungsentwurf vorzutragen haben. Das bedeutet nicht, daß wir im übrigen den Entwurf in sämtlichen Einzelheiten pauschal für richtig halten; aber in der ersten Debatte mag es mit diesen wenigen Punkten sein Bewenden haben.
In den vergangenen Jahren ist die Frage der Untersuchungshaft in zunehmendem Maße Gegenstand der öffentlichen Kritik gewesen. Herr Kollege Dr. Kanka hat mit Recht auf einen in der letzten Zeit besonders auffälligen Fall hingewiesen, an dem deutlich wird, daß es unbedingt erforderlich erscheint, auf dem Gebiet des Rechts der Untersuchungshaft zu neuen Regelungen zu kommen. Bei der Untersuchungshaft liegt das Problem im wesentlichen darin, daß die vorhandenen gesetzlichen Voraussetzungen eine recht weitgehende Auslegung erlauben und damit — ich will hier gar nicht im einzelnen darauf eingehen, aus welchen Überlegungen und Motiven im Einzelfall — die Gefahr besteht, daß allzu leicht einmal Untersuchungshaft auch dann angeordnet wird, wenn es vermeidbar ist. Wir begrüßen deshalb, daß in der Regierungsvorlage der Versuch unternommen wird, die gesetzlichen Tatbestände wesentlich einzuschränken, zu straffen und strenger zu fassen. Wir meinen aber, daß das noch nicht ausreicht. Im Ausschuß werden wir sehr eingehend zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen nicht noch enger gefaßt werden können. Im Hinblick auf den damit verbundenen weitgehenden Eingriff in die persönliche Freiheit des einzelnen erscheint es durchaus gerechtfertigt, nicht schon dann, wenn allgemein Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angenommen werden könnte, Untersuchungshaft zu verhängen, sondern erst dann, wenn eine dringende Gefahr besteht. Mit einer solchen Steigerung der Voraussetzungen würde eher die Möglichkeit gegeben sein, eine strengere Prüfung im Einzelfall anzustreben und zu erreichen.
Auf das Problem der Untersuchungshaft beim Vorliegen der Verdunkelungsgefahr ist hier schon hingewiesen worden. Im Ausschuß wird noch einmal sorgfältig erwogen werden müssen, ob diese Voraussetzung der Untersuchungshaft überhaupt aufrechterhalten bleiben soll.
Ein wesentlicher Fortschritt ist die Begrenzung der Untersuchungshaft generell auf sechs Monate. Schon durch diese zeitliche Verkürzung kommen wir bei der Bewältigung des Problems einen guten Schritt voran.
Schwierigkeiten, glaube ich, werden wir aber dann zu erwarten haben, wenn wir der Regierungsvorlage folgen und die Entscheidung über die Frage der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus den Oberlandesgerichten bzw. dem Bundesgerichtshof in erster und letzter, alleiniger Instanz überlassen. Wir werden uns überlegen müssen, ob dieses Verfahren zweckmäßig ist und ob die nach den Vorstellungen der Bundesregierung damit verbundene Beschleunigung wirklich eintreten kann oder ob es nicht andere Wege gibt, das gleiche Ziel mit überzeugenderen Mitteln zu erreichen. Wenn man in der Richtung dessen, was jetzt in der Neufassung des § 121 steht, zu einer noch engeren Voraussetzung für die Fortdauer der Untersuchungshaft kommt, könnte ich mir vorstellen, daß man es durchaus dem bisherigen Haftrichter überlassen kann, darüber zu entscheiden; es könnte dann dem bisherigen Verlauf des Beschwerdeverfahrens überlassen werden, eine solche Entscheidung nachzuprüfen.
Eine wesentliche Ursache dafür, daß das ganze Untersuchungsverfahren und das Haftprüfungsver-



Jahn (Marburg)

fahren soviel Zeit in Anspruch nimmt, liegt einfach in technischen Problemen. Wir haben uns vor kurzer Zeit in der Fragestunde schon einmal darüber unterhalten. Es müßte mit den modernen Vervielfältigungsmitteln, die uns heutzutage zur Verfügung stehen, sehr bald durchsetzbar sein, daß in den Fällen der Untersuchungshaft doppelte Akten geführt werden. Mit Hilfe dieser doppelten Akten könnte dann auf der einen Seite die Arbeit der Staatsanwaltschaft bei der Ermittlung fortgeführt werden, während auf der anderen Seite das Haftprüfungs-
oder Haftbeschwerdeverfahren nicht zu leiden brauchte. Diese Dinge werden wir vielleicht nicht gesetzlich regeln können; aber sie stehen in Zusammenhang mit dieser Sache. Die Lösung dieser Probleme wird eine Antwort auf die Frage bringen, ob die Beschleunigung nicht auch auf eine andere Art und Weise möglich ist, als sie in dem Entwurf der Bundesregierung vorgesehen ist.
Eine recht überflüssige Sache ist nach unserer Auffassung auch das absolute Nebeneinanderbestehen des Haftprüfungs- und des Haftbeschwerdeverfahrens. Der Regierungsentwurf bringt erste Ansätze dazu, daß die Haftbeschwerde nicht durchgeführt wird und nicht zulässig ist, wenn bereits ein Haftprüfungsverfahren anhängig ist. Ich glaube, wir sollten uns einmal überlegen, ob wir es nicht dabei bewenden lassen, auch den Angeklagten als einen mündigen Bürger zu behandeln, dem es überlassen bleiben kann, innerhalb einer angemessenen Frist darüber zu entscheiden, ob er Beschwerde gegen seine Haft einlegen will oder nicht. Erst nach Ablauf einer gewissen Zeit sollte dann von Amts wegen die Haftprüfung vorgenommen werden. Wenn wir schon an die Neuregelung der Haftprüfungs- bzw. Haftbeschwerdebestimmungen herangehen, sollten wir versuchen, auch zu einer Vereinfachung zu kommen. Es ist nämlich durchaus gerechtfertigt, wenn seitens der Staatsanwaltschaft der Wunsch geäußert wird, daß sie innerhalb des Ermittlungsverfahrens dann, wenn Haftfälle vorliegen, wenigstens bestimmte Zeiten zur Verfügung hat, in denen sie in Ruhe die Ermittlungen vornehmen kann.
Einer der Kernpunkte des Regierungsentwurfs behandelt die Neuregelung des Zwischenverfahrens. Hier sind gewiß sehr begrüßenswerte Ansätze vorhanden. Das gilt um so mehr, als wir alle wissen, daß allein die Erhebung der Anklage heute in der Öffentlichkeit unter Umständen für den Betroffenen sehr weitgehende Folgen haben kann. Wir werden uns deshalb mit diesem Punkt besonders sorgfältig auseinandersetzen müssen. Ich frage mich aber, ob es eigentlich bei dem sehr umständlichen und im Grunde nach wie vor zweispurigen Verfahren bleiben muß, in dem einmal das Schlußgehör durch die Staatsanwaltschaft eingeführt wird und daneben weiterhin aufrechterhalten bleiben soll die Eröffnung bzw. in Zukunft die Zulassung der Anklage durch den Eröffnungsbeschluß bei dem einzelnen Gericht. Wir sollten versuchen, zu einem Ergebnis dahingehend zu kommen, daß diese beiden Regelungen in einen einzigen Vorgang dadurch zusammengefaßt werden, daß man die Staatsanwaltschaft nach Abschluß ihrer Ermittlungen entscheiden läßt, ob sie Anklage erheben will oder nicht, die Frage aber, ob die Anklage zugelassen werden soll oder nicht, dann einem besonderen Gericht — über dessen Zusammensetzung man noch sprechen muß
überläßt. Denn wir müssen uns doch fragen, ob die Staatsanwaltschaften nicht überfordert sind, wenn sie nach Abschluß der Ermittlungen noch einmal ein besonderes Schlußgehör durchführen sollen. Wir meinen, daß die Staatsanwälte, die Ermittlungen zu führen haben und deren Aufgabe es nicht in erster Linie ist, sich mit den Argumenten der Verteidigung des Angeklagten auf Grund der Ermittlungen auseinanderzusetzen, überfordert sind, wenn man ihnen das Schlußgehör überträgt.
Es wird deshalb zu prüfen sein, ob man nicht zu einem gleichen und vielleicht besseren Ergebnis kommt, wenn man eine Sicherheit, einen Abschnitt in das Verfahren vor der Durchführung der Hauptverhandlung an anderer Stelle einordnet, dadurch eben, daß man diese Prüfung, diese Abwägung der Argumente der Staatsanwaltschaft und der Argumente der Verteidigung im Rahmen einer ersten Auseinandersetzung mit der Anklageschrift einem Eröffnungsgericht oder einem Eröffnungsrichter überträgt.
Über die Verbesserung der Rechte der Verteidigung, über die stärkere Betonung der Notwendigkeit des rechtlichen Gehörs und über die Umgestaltung des Revisionsverfahrens will ich im einzelnen hier nichts sagen über das hinaus, was von Herrn Kollege Kanka schon erörtert worden ist.
Aber ich möchte bei dieser Gelegenheit noch auf einen Punkt hinweisen, der bedauerlicherweise in dieser Regierungsvorlage nicht enthalten ist. Das ist deshalb unverständlich, weil dieser Punkt bereits Gegenstand sehr eingehender Erörterungen in diesem Hause war. Ich erinnere daran, daß wir uns in der 62. Sitzung anläßlich der zweiten und dritten Lesung der Bundesrechtsanwaltsordnung hier sehr gründlich über die Frage auseinandergesetzt haben: Unter welchen Voraussetzungen und wann kann das Gericht einen Verteidiger von der Verteidigung im konkreten Einzelfall ausschließen? Damals ist uns gesagt worden — obwohl wir der Meinung waren und sind, daß es sich um eine generelle Frage der Tätigkeit des Anwalts handelt —: Das ist ein spezielles Problem des Strafprozesses und kann deshalb nur und muß in diesem Zusammenhang geregelt werden. Wir hätten eigentlich erwartet, daß die eingehende Diskussion, die damals geführt worden ist, für die Bundesregierung Grund genug gewesen wäre, nun bei der Vorlage der ersten Reform des Strafprozesses dieses Problem zu berücksichtigen und ihrerseits Vorschläge zu machen. Wir können nur mit größtem Bedauern feststellen, daß die Bundesregierung es nicht einmal für notwendig befunden hat, zu dem Problem in diesem Zusammenhang überhaupt Stellung zu nehmen. Es ist wohl — wie das offenbar zur ständigen Praxis dieser Bundesregierung gehört — nach ihrer Auffassung nicht notwendig, da es sich ja bloß um eine Anregung, einen Wunsch der Opposition handelt,

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Stimmt gar nicht!)




Jahn (Marburg)


(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Es ist doch auch unser Anliegen!)

und deshalb ist dieses Anliegen „nicht wert", in die Arbeiten und Überlegungen der Bundesregierung einbezogen zu werden.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Das Anliegen ist auch ein Anliegen der CDU! Das haben wir damals zugesagt!)

— Nun, Sie können sich ja für Ihre Fraktion gesondert zur Wehr setzen. Der Vorschlag ist hier von uns gemacht worden, Herr Kollege Weber, und Sie haben damals auf die Strafprozeßordnung verwiesen. Ich habe aber ,den Eindruck, Sie haben bisher nicht daran gedacht; denn Herr Kollege Kanka hat über dieses Problem kein Wort verloren. Es wäre sehr gut, wenn Sie Ihre Meinung dazu ebenfalls an die Adresse der Bundesregierung richteten.
Schließlich noch ein Wort zu dem Art. 11 über die Zulassung des Funks, des Fernsehens und des Films in den Gerichtssaal. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Problem ist gewiß dringend einer Regelung bedürftig. Aber wie schwierig es ist, das zeigt sich schon an den Unterschieden in den Auffassungen der Bundesregierung und des Bundesrates. Das Problem ist viel zu schwierig, viel zu vielschichtig, als daß es, wie es gelegentlich in unserer jüngsten Vergangenheit vorgekommen ist, im Rahmen von Fest- und Begrüßungsreden so mit I der linken Hand erörtert und in den Raum gestellt werden könnte. Ich meine, wir brauchen dazu sehr viel Zeit und sehr viel sorgsame Arbeit, um zu einer Lösung zu kommen, die uns allen vertretbar und sinnvoll erscheint. — Herr Kollege Kanka, Sie machen ein so kritisches Gesicht. Ich darf doch einmal drauf hinweisen, daß, wie mir nicht ganz zu Unrecht erscheint, hier auch gewisse verfassungsrechtliche Überlegungen angestellt werden müssen, ob eine so weitgehende Regelung in der einen oder anderen Richtung mit dem Grundsatz der Meinungs- und Informationsfreiheit so recht zu vereinbaren ist.

(Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Ebenso wie Würde der Persönlichkeit!)

— Gerade deshalb! Herr Kollege Weber, Sie nehmen mir das weitere Argument vorweg. Eben darin liegt die ganze Schwierigkeit des Problems, dieses Grundrecht gegen das Grundrecht der Wahrung der Würde der Persönlichkeit abzuwägen. Deshalb meine ich, wir können es nicht so beiläufig erledigen. Wir brauchen dazu eine sehr sorgfältige Untersuchung. Wir müssen uns auch einmal ansehen, wie das in anderen Ländern, die darüber Erfahrungen haben, geregelt worden ist und gemacht wird.
Ich habe das Gefühl, daß eine so weitgehende Regelung, wie sie hier getroffen wird, oder überhaupt eine Regelung auf diesem Gebiet den Rahmen einer kleinen Strafprozeßreform — mehr soll es ja nach unser aller Wunsch nicht sein — bei weitem sprengt. Wir werden uns also zu überlegen haben, ob wir nicht besser daran tun, die Arbeiten an der kleinen Reform nicht dadurch zu belasten, daß wir dieses Problem noch mit hineinbringen und damit unter Umständen die rechtzeitige Verabschiedung dieses Entwurfs noch in dieser Legislaturperiode überhaupt in Frage stellen. Wir werden jedenfalls in dieser Richtung im Ausschuß Anträge stellen und hoffen, damit einen Beitrag dazu leisten zu können, daß gerade diese schwierige Frage die ihr gebührende Würdigung auch im Ausschuß erfährt. Dabei möchte ich es bewenden lassen.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch einmal folgendes betonen. Wir begrüßen im wesentlichen den Entwurf, wir begrüßen seine Gesamttendenz. Wir sind uns der Schwierigkeiten bewußt, die einer umfassenden Reform des Strafprozeßrechtes entgegenstehen. Wir möchten aber keine Unklarheit darüber lassen — und ich freue mich, feststellen zu können, daß auch der Bundesjustizminister diese Auffassung teilt -, daß wir uns mit dieser kleinen Reform nicht von der weiteren, größeren, notwendigen Arbeit einer umfassenden Reform unseres Strafverfahrensrechtes überhaupt entlasten.

(Allgemeiner Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312818400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0312818500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten noch hier gebliebenen Abgeordneten! Als letzte Sprecherin bei der Stellungnahme zu der Regierungsvorlage bin ich in einer etwas schwierigen Situation, weil natürlich vieles, was ich sagen wollte und könnte, schon von meinen Vorrednern und auch vom Herrn Bundesjustizminister gesagt worden ist. Wenn es normalerweise auch „20 Juristen, 50 Meinungen" heißt und wenn auch normalerweise in einem Parlament Regierungsparteien und Oppositionsparteien in vielen Fragen nicht der gleichen Auffassung sind, so hat doch schon die bisherige Stellungnahme ergeben, daß weitgehende Übereinstimmung zwischen allen Parteien und auch der Regierung über die Notwendigkeit einer derartigen kleinen Reform besteht. Es hat mich gefreut, daß die Regierung diese Reform noch in Angriff genommen hat.
Ich will nicht wiederholen, worauf schon hingewiesen wurde, daß die jetzige Strafprozeßordnung nahezu hundert Jahre alt ist und daß sich vor allen Dingen der Kreis der Personen, die heute mit den Strafgesetzen in Konflikt kommen können, sehr gewandelt hat. Außerdem hat sich die Stellung des einzelnen zum Staat sehr gewandelt. Gerade auch im Strafverfahren gilt es, dieser gewandelten Auffassung über die Wahrung der Freiheitsrechte des einzelnen gegenüber dem Machtanspruch des Staates Rechnung zu tragen.
Eine Bemerkung zu dem Kreis derjenigen, der mit dem Strafgesetz in Konflikt kommt! In den letzten Tagen war eine Juristentagung des ADAC in München; in der Berichterstattung darüber hieß es — angesichts der erschreckend hohen Zahlen, die Herr Kollege Kanka auf Grund der Statistiken bekanntgegeben hat —, man könnte meinen, daß das deutsche Volk ein Volk der Verbrecher geworden wäre, was aber ganz bestimmt nicht der Fall ist. Es ist



Urau Dr. Diemer-Nicolaus
vielmehr so: Während es früher, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als das Strafverfahren geregelt wurde, grundsätzlich doch asoziale Elemente waren, die mit dem Strafgesetz in Konflikt kamen, ist heute eine sehr große Ausdehnung der Fahrlässigkeitsdelikte zu verzeichnen, nicht allein im Verkehr, sondern im ganzen Bereich der Technik infolge der Entwicklung, die sich dort vollzogen hat. Ich erinnere an die Haftpflichtfragen, die da auftreten: Wer trägt beim Versagen einer Maschine, das Grund für einen tödlichen Unfall ist, bei einem Stromkurzschluß die Verantwortung? Wer trägt die Verantwortung bei den Eisenbahnunglücken, bei Betriebsunfällen?
Heute kommt deshalb auch ein Personenkreis mit dem Strafrecht in Berührung, der keinesfalls als asozial zu bezeichnen ist. Aber das Strafverfahren, das damals für im Grundsätzlichen absolut asoziale Elemente geschaffen wurde, gilt heute auch noch für diesen anderen Personenkreis. Hier gilt es jetzt, das richtige Recht auch für das Strafverfahren zu finden.
Gerade in den letzten Jahren hat es sich immer mehr gezeigt, daß die Reform nicht länger hinausgeschoben werden kann. Ich darf an den Anwaltstag im Mai 1959 erinnern, der sich speziell mit der Notwendigkeit der Strafverfahrensreform befaßte. Ich darf an den Richtertag im Oktober 1959 in Würzburg erinnern, der sich von seiner Sicht aus mit diesen Fragen befaßte. Ich darf daran erinnern, daß die entsprechenden Organisationen — der Deutsche Richterbund, Anwaltskammern, Anwaltsvereine -
auf diesem Gebiet weitergearbeitet haben, und ich darf doch auch daran erinnern, daß gerade in den letzten Jahren verschiedene Strafverfahren in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt und dazu geführt haben, daß die Reform allgemein, auch in der Presse, als notwendig erachtet wird.
Ich habe Verständnis dafür, daß seitens der Regierung gesagt wurde, sie wolle jetzt nur ein Mindestmaß dessen, was reformbedürftig ist, vorlegen, so wenig, daß es auf alle Fälle noch verabschiedet werden könne. Ich fürchte aber, Herr Justizminister, Sie sind in Ihrer Bescheidenheit etwas zu weit gegangen. Auch wir Freien Demokraten behalten uns vor, bei den Ausschußberatungen noch einzelne Punkte zur Sprache zu bringen.
Ich möchte jetzt nicht den Wortlaut des Entwurfs wiederholen, wie er uns vorliegt, muß aber doch zu einigen Punkten Stellung nehmen.
Es ist durchaus verständlich, daß gerade die Reform der Untersuchungshaft in dem Gesetzentwurf besonders ausführlich behandelt wird. Herr Kollege Kanka hat schon auf den Entwurf hingewiesen, den wir vor einigen Monaten hierzu eingebracht haben, und ich hoffe, daß unser Entwurf bei den Beratungen im Rechtsausschuß mit herangezogen wird.
Es fragt sich, ob die Bestimmungen, die jetzt vorgesehen sind, wirklich in vollem Umfang ausreichen, um die notwendige Garantie gegen eine zu schnelle und zu lange Untersuchungshaft zu geben. Wenn auch, wie Herr Kollege Kanka gesagt hat, der Prozentsatz der Fälle, in denen die Untersuchungshaft sehr lang dauert, relativ klein ist, so darf das doch unser Gewissen nicht beruhigen. Insofern gebe ich Herrn Kanka vollkommen recht. Die Anordnung einer Untersuchungshaft ist nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für seine Familie mit schweren Konsequenzen und oft auch mit schwerster Existenznot verbunden. Die Anordnung einer Untersuchungshaft wird als ein wichtiger Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses angesehen. Sie führt dazu, daß die Familie von einem Tag zum anderen ohne Existenzgrundlage ist. Ich habe mit Erschrecken in einem Aufsatz über Revisionen beim Bundesgerichtshof gelesen, daß es sogar Untersuchungshaft von vierjähriger Dauer gegeben hat, und zwar deshalb, weil nach einer erstinstanzlichen Verhandlung die Sache an den Bundesgerichtshof ging, vom Bundesgerichtshof zurückverwiesen wurde und wieder an den Bundesgerichtshof kam, ohne daß inzwischen die Untersuchungshaft aufgehoben wurde. Diese Fälle muß man hier mit bedenken.
Sehr eingehend muß im Ausschuß die heute in der Diskussion kaum behandelte Frage erörtert werden, wieweit Richter, die schon in dem Verfahren tätig waren, zuständig für das Untersuchungshaftverfahren bleiben sollen. Die Reformvorschläge der Regierung schließen nicht aus, sondern erhalten ausdrücklich den Rechtszustand aufrecht, daß nach einer Verurteilung in der ersten Instanz das Revisionsgericht nicht ohne weiteres auch über eine Aufhebung oder Aussetzung der Untersuchungshaft befindet. Dies geschieht vielmehr nur, wenn es gleichzeitig das erstinstanzliche Urteil aufhebt. Das dauert aber zu lange.
Ich gehe davon aus, daß jeder Richter nach bestem Wissen und Gewissen urteilt. Er hat das Urteil in der Überzeugung gesprochen, daß es dem Recht und der Gerechtigkeit entspricht. Die Strafe, die er verhängt hat, ist vielleicht sehr schwer. Nun wird Revision gegen dieses Urteil eingelegt. In diesem Fall entscheidet das gleiche Gericht, die gleiche Kammer, der gleiche Richter darüber, ob die Untersuchungshaft fortdauern soll oder nicht. Ich bin der Auffassung, daß hier der Richter einfach psychologisch überfordert ist. Es ist nicht zumutbar, daß ein Richter, der eine schwere Freiheitsstrafe verhängt hat, die Untersuchungshaft aufhebt, zumal wenn es sich um Delikte handelt, die als Verbrechen qualifiziert sind. Tatsache ist aber, daß auch derartige Urteile immer wieder Abänderungen und Aufhebungen erfahren.
Ich gehe nicht davon aus, daß hier eine Befangenheit des Richters vorliegt, sondern ich sage mit voller Absicht, daß es sich um eine psychologische Überforderung handelt. Das gilt auch, wenn nach einer Zurückverweisung im Revisionsverfahren nach wie vor das gleiche erstinstanzliche Gericht über den gleichen Fall verhandeln soll. Ich bin der Auffassung, daß grundsätzlich das Verfahren an ein anderes Gericht kommen muß, genauso wie das jetzt dankenswerterweise für das Wiederaufnahmeverfahren ausgesprochen worden ist. Die Sätze, die Sie, Herr Bundesjustizminister, insofern für das Wiederaufnahmeverfahren in der Begründung gebraucht haben, sprechen hundertprozentig dafür, daß eine entsprechende Regelung auch bei



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
einer Zurückverweisung im Revisionsverfahren Platz greifen muß.
Eine weitere Frage ist die Neuerung des Schlußgehörs. Herr Kollege Jahn hat diese Sache etwas skeptisch beurteilt, Ich sehe das Schlußgehör unter einem etwas anderen Gesichtspunkt als Sie, Herr Kollege Jahn, und zwar aus folgendem Grund. Wir haben gerade bei den schwereren Delikten heutzutage doch nur ,die eine Tatsacheninstanz — Schwurgericht, Große Strafkammer —, dagegen ist keine Berufung mehr möglich, sondern nur Revision. Häufig ergibt die Hauptverhandlung, daß gewisse Aufklärungen tatbestandlicher Art im Ermittlungsverfahren nicht ausreichend genug getroffen wurden, vielleicht deshalb nicht, weil der Beschuldigte und sein Verteidiger nicht die Möglichkeit hatten, vor der Anklageerhebung entsprechende Anträge bei der Staatsanwaltschaft oder dem Untersuchungsrichter zu stellen. Ich betrachte das Schlußgehör als einen Fortschritt auf dem Wege, zu versuchen, wenn man schon nur eine Tatsacheninstanz hat, ein Hauptverfahren bei den Vorermittlungen tatbestandsmäßig so gründlich vorzubereiten, und zwar auch zugunsten des betroffenen Beschuldigten, daß eine größere Garantie gegeben ist, zu einem wirklich richtigen Tatbestand nachher in der Hauptverhandlung zu kommen.
Dieses Schlußgehör wird uns aber nicht davor bewahren, sehr eingehend zu prüfen — allerdings nachher im Rahmen der großen Strafverfahrensreform —, inwieweit wir tatsächlich daran festhalten können, bei den leichteren Delikten zwei Rechtsmittelinstanzen zu haben, Berufung und Revision, und ausgerechnet bei den schweren Delikten, die für die Betroffenen ja viel einschneidender sind, es bei nur einer Tatsacheninstanz bewenden zu lassen. Die Fragen, die damit angeschnitten werden, sind aber so außerordentlich schwierig und vielschichtig, daß ihre Lösung nicht in ,die kleine Verfahrensreform hineingehört.
Weiterhin wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß ,die vorgeschlagene Reform davon ausgeht, dem Beschuldigten und dem Verteidiger eine bessere Stellung zu geben. Ich erkenne durchaus an, was in dieser Hinsicht auch zugunsten der Verteidigung getan wurde und daß berechtigten Wünschen Rechnung getragen wurde. Ich konnte überhaupt feststellen, daß gerade auch die Vorschläge der Anwaltskammern vom Justizministerium sehr weitgehend berücksichtigt worden sind.
Aber ich kann mich nicht mit allem einverstanden erklären, vor allen Dingen damit nicht, daß bis zu dem Abschluß der Ermittlungen ein Richter gegebenenfalls nach wie vor die Anordnung treffen kann, daß ein Beschuldigter mit seinem Verteidiger nur in Gegenwart eines Richters sprechen kann. Ich bin der Auffassung, das entspricht nicht unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen. Vielmehr muß stets der Beschuldigte in dem Augenblick, in dem er in Untersuchungshaft kommt, mit seinem Verteidiger allein sprechen können. Ein Verteidiger, ein Anwalt darf nichts tun, was irgendwie zuungunsten seines Mandanten sein könnte. Deswegen ist ein Verteidiger, wenn er eine Unterredung mit seinem Mandanten nur in Gegenwart eines Richters vornehmen kann, außerordentlich stark gehemmt. Der Verteidiger kann z. B. seinem Mandanten in Gegenwart des Richters nicht sagen: Hör mal, was du da jetzt sagst, kann nicht so gewesen sein, das stimmt nicht, das wird dir wahrscheinlich nicht abgenommen; denn die und die Indizien sind doch da. Er kann ihn nicht darauf hinweisen: Wenn etwas gewesen ist, dann ist es besser, du gestehst es. Das kann er nicht tun, wenn der Richter dabei ist. In dem Falle würde er als Verteidiger zugeben, daß er selbst seinem Mandanten nicht glaubt. Das würde ihm schaden. Die Beibehaltung des § 148 Abs. 3 StPO betrachte ich als ein unberechtigtes Mißtrauen gegenüber der Anwaltschaft.
Sehr begrüße ich die Vereinfachung, die darin liegt, daß Unwesentliches gegebenenfalls ausgeschieden werden kann und daß auch nicht mehr sämtliche rechtlichen Gesichtspunkte erörtert werden müssen.
Ich möchte weiterhin zu dem sehr umstrittenen Problem, wie weit Rundfunk, Fernsehen und Film in Verhandlungen eingeschaltet werden können, nicht ausführlich Stellung nehmen. Nach meiner persönlichen Auffassung reichen an und für sich schon heute die Bestimmungen aus, so daß der Vorsitzende eines Gerichtes es verhindern kann, einen Prozeß nicht zu einem Schauprozeß werden zu lassen. Meine persönliche Auffassung geht aber über die in der Regierungsvorlage enthaltenen Vorschriften hinaus. Läßt man schon nicht zu, daß die Angeklagten während der eigentlichen Hauptverhandlung an den Pranger gestellt werden — etwas anderes ist es ja gegebenenfalls nicht —, dann darf man dies um so weniger in dem Augenblick zulassen, in dem das Urteil gesprochen wird. Man darf nicht zulassen, daß dann das Scheinwerferlicht auf die betreffenden Angeklagten gerichtet wird, um zu sehen, welches Gesicht sie bei der Verkündung des Urteils machen. Das, finde ich, geht zu weit. Wir werden über diese Dinge noch sprechen müssen. Ich bin aber nicht der Auffassung des Herrn Kollegen Jahn, das Problem sei so schwierig, daß es im Zusammenhang mit dieser kleinen Reform überhaupt nicht abschließend behandelt werden könne.
Zu den Wünschen, die wir im Rechtsausschuß noch von seiten der FDP-Fraktion vorbringen werden, darf ich stichwortartig auf folgendes hinweisen. Wir halten es genauso wie Herr Kollege Jahn, der dieses Problem berührt hat, für notwendig, daß auch die Frage, wann ein Verteidiger von der Verteidigung ausgeschlossen werden kann, im Rahmen der kleinen Reform gesetzlich geregelt wird.

(Abg. Jahn [Marburg] : Durch das Gericht!)

Eine eingehende Judikatur über die hierbei anzuwendenden Grundsätze liegt vor. Es ist deshalb nicht schwierig, durch eine gesetzliche Formulierung endlich einmal Klarheit zu schaffen.
Sehr begrüßt es die FDP weiterhin, daß die Verteidigung im weitgehenden Umfang als notwendig anerkannt wurde. Es muß aber im Ausschuß noch darüber gesprochen werden, ob nicht gerade auch in den Revisionsverfahren die Verteidigung als notwendig anzuerkennen ist. Gerade eine Revision



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
richtig und sachgemäß einzulegen, geht einfach über das Fassungsvermögen eines nicht juristisch vorgebildeten Verurteilten hinaus. Auch die entsprechenden Urkundsbeamten sind bei all ihrer sonstigen Qualifikation sicherlich nicht in der Lage, eine juristisch einwandfreie Revision aufzunehmen.
Gute, sachgemäße Revisionsvorschriften sind schwierig. Ich habe es deshalb sehr begrüßt, daß von seiten der Bundesregierung den Wünschen der Anwaltschaft Rechnung getragen wurde, daß die Revisionsfrist erst nach der Zustellung des Urteils zu laufen beginnt. Es war nicht gut, daß bisher die Revision innerhalb kürzester Frist eingelegt werden mußte, ohne daß das Protokoll, ohne daß die Urteilsbegründung vorlag. Sobald die Revision eingelegt war, dauerte es nachher bei großen Verfahren gegebenenfalls Monate, bis das Urteil abgesetzt wurde. Es wurde dann von dem erkennenden Gericht, dessen Urteil mit der Revision angefochten wurde, nach Möglichkeit revisionssicher gemacht. Jetzt wird insofern der Rechtsstaatlichkeit Rechnung getragen, als gesagt wird: zuerst Protokoll, dann Zustellung des Urteils, dann Beginn der Laufzeit der Revisionsfrist.
Grundsätzlicher Natur ist die Frage des gesetzlichen Richters. Ursprünglich war im Strafverfahrensrecht keine Bestimmung enthalten, nach der die Staatsanwaltschaft bei dem einen oder anderen Gericht Anklage erheben kann, je nachdem, wie schwerwiegend sie den Fall beurteilt. Wir müssen die Frage, ob diese Wahlmöglichkeit tatsächlich das Richtige und Gebotene ist, erneut prüfen. Insofern liegen Vorschläge vor. Auch diese Wahlmöglichkeit könnte meines Erachtens ausgeschaltet werden, ohne daß sich die kleine Reform verzögern müßte.
Schwieriger ist die Frage, ob in diese kleine Reform die Bildung der besonderen Kammern für die Eröffnung des Hauptverfahrens einbezogen werden kann. Diese Frage ist, wenn ich mich recht erinnere, auch von Ihnen, Herr Kollege Jahn, angeschnitten worden. Auch hier spielt wieder das Moment der psychologischen Überforderung des Richters eine Rolle. Wenn der Richter, wie es jetzt im Entwurf vorgesehen ist, darüber zu entscheiden hat, ob auf Grund des Ermittlungsergebnisses ein für die Zulassung der Anklage hinreichender Verdacht vorliegt, so erfordert diese Entscheidung bereits eine Beurteilung des Streitstoffes, und damit ist die Gefahr einer psychologischen Befangenheit gegeben. Ich möchte dies aber heute nicht weiter ausführen. Ich möchte auch von mir aus heute nicht die Frage entscheiden, ob dieses Problem unbedingt schon jetzt abschließend gelöst werden muß oder ob es bis zu einer großen Strafverfahrensreform zurückgestellt werden kann.
Das gleiche gilt für die Frage, inwieweit eine Hauptverhandlung gegebenenfalls in zwei Abschnitte aufzugliedern ist.
Der Regierungsentwurf enthält eine weitere Neuerung, die ich sehr begrüße. Sie ist heute noch nicht zur Sprache gekommen. Ich meine die Neuerung, daß Vorstrafen nicht mehr in vollem Umfang erörtert werden sollen, sondern nur, soweit sie für die Beurteilung der betreffenden Tat von Bedeutung sind, und daß es dem Richter überlassen bleiben soll, wann er diese Vorstrafen zur Sprache bringen will.
Das bedeutet — ich vermute, daß dieser Gedankengang mit im Hintergrund steht — eine gewisse Annäherung an das amerikanische Verfahrensrecht, nach dem zuerst nur über die Schuldfrage, also über die Frage, ob die betreffende Tat tatsächlich begangen wurde, entschieden wird und erst dann, wenn das „Schuldig" ausgesprochen ist, in einem zweiten Teil des Verfahrens geklärt wird, welche Strafe angemessen ist. Erst dann werden die einschlägigen Vorstrafen erörtert. Auch hier das berechtigte Anliegen, den Richter bei der Wertung von Indizien möglichst unbeeinflußt zu lassen, in diesem Fall unbeeinflußt durch die Tatsache, daß unter Umständen eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn zumindest in den Beratungen zum Ausdruck käme, daß die Erörterung von Vorstrafen nicht am Anfang, sondern erst dann stattfinden sollte, wenn es sich um die Strafzumessung handelt.
Eine weitere für ein ordnungsgemäßes Verfahren wichtige Frage ist auch, in welcher Form die Protokolle abgefaßt werden sollen. Ich erinnere daran, daß die Formalprotokolle bei den schweren Delikten mit nur einer Tatsacheninstanz außerordentlich heftig angegriffen werden, zumal durch sie die Möglichkeiten der Revision manchmal sehr stark beschnitten werden, weil der festgestellte Tatbestand auch für die Revisionsentscheidung gilt. Auch hier die Frage: Muß auch dies noch als vordringlich mitbehandelt werden, oder kann es bis zur großen Reform zurückgestellt werden?
Ein weiteres Problem ist, ob der Unterschied zwischen dem Freispruch mangels Beweises und dem Freispruch wegen erwiesener Unschuld aufrechterhalten bleiben soll. Herr Kollege Kanka hat hervorgehoben, daß es nur sehr wenige Freisprüche wegen erwiesener Unschuld gibt. Ja, aber jeder Anwalt weiß doch, daß ein Freispruch wegen erwiesener Unschuld fast unmöglich ist und daß meistens wegen Mangels an Beweisen freigesprochen wird, zumal dann die entsprechenden Folgen, wie Kostenerstattung, Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft usw., nicht eintreten. Aus diesem Grunde neigt erfahrungsgemäß das Gericht, wenn es um das eine oder das andere geht, dazu, nur mangels Beweises freizusprechen. Aber auch ein Freispruch mangels Beweises kann dazu führen, eine Persönlichkeit in ihrem beruflichen Leben, in ihrer gesellschaftlichen Stellung vollkommen unmöglich zu machen.
Das waren nur einige Gesichtspunkte zu den Problemen, die wir als Freie Demokraten im Rechtsausschuß noch zur Sprache bringen werden. Wir haben aber noch ein ganz großes Anliegen. Die Arbeit der Großen Strafrechtskommission wurde gerade in letzter Zeit auch von Ihnen, Herr Bundesjustizminister, sehr gelobt. Es war für mich überraschend, als ich kürzlich bei der IPU in Japan war, auch von der dortigen Botschaft zu hören, daß die Protokolle der Großen Strafrechtskommission in Japan gar nicht abgewartet werden können, daß dauernd danach



Frau Dr. Diemer-Nicolaus
gefragt wird, weil die Japaner — das ist nun einmal das Land, wo ich es zufällig erfahren habe — an dem Material, das hier geschaffen worden ist, derart interessiert sind, daß sie nicht schnell genug davon Kenntnis erhalten können.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

Seit 1957 habe ich — allerdings als Abgeordnete und damit nicht zu den tragenden Persönlichkeiten der Strafrechtskommission gehörend — die Beratungen mit angehört. Ich habe selten eine derart qualifizierte Diskussion, ein derart konzentriertes Arbeiten in einer Tiefe und Gründlichkeit gesehen, wie das gerade bei der Großen Strafrechtskommission auf allen Seiten der Fall gewesen ist. Das gilt auch von den Herren des Bundesjustizministeriums — das möchte ich hier einmal mit aller Deutlichkeit aussprechen —, die damit eine große zusätzliche Arbeitslast auf sich genommen und hervorragende Arbeit geleistet haben, genauso wie die Professoren, die Richter und die Vertreter der Länder. Ich bin der Auffassung, daß diese Arbeit jetzt ihre Früchte getragen hat, und ich hoffe, daß der nächste Bundestag gleich zu Beginn die Strafrechtsreform in Angriff nimmt.
Unabhängig hiervon ist es notwendig, daß eine Große Strafverfahrenskommission gebildet wird, damit in gleicher oder ähnlicher Weise die Probleme des Strafverfahrensrechts von Grund auf behandelt werden. Insofern muß ich der Begründung in dem Entwurf widersprechen. Ich halte es nicht für möglich, diese Vorarbeiten zurückzustellen, bis die Strafrechtsreform unter Dach und Fach ist. Die Vorarbeiten werden sehr umfangreich sein. Es wird sich um grundsätzliche Fragen handeln, z. B. ob angloamerikanisches oder kontinentaleuropäisches Prozeßverfahren. Ich bin für das kontinentaleuropäische; das möchte ich nachdrücklich sagen.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sie sind also Europäerin!)

Man sollte sich aber bemühen, gewisse Vorzüge, die das andere Verfahren hat, mit einzubauen. Das erfordert eine gründliche Arbeit. Deswegen werden wir gleich am Anfang der Beratungen im Rechtsausschuß den Antrag stellen, möglichst bald eine Große Strafverfahrenskommission zu bilden.
Diese Arbeiten dürfen nicht an den Kosten scheitern. Wenn ich mehr Staatsanwälte, mehr Richter brauche, um die eine oder andere notwendige Reform durchzuführen, darf ich nicht mit dem Rechenstift arbeiten und sagen: Das kostet gegebenenfalls soundso viel mehr an Personalaufwand. Es gibt vielmehr bestimmte Gebiete, bei denen sich die Zahl der Personen, die wir brauchen, nach den Bedürfnissen richtet. Wieviel Lehrer wir brauchen, richtet sich nach der Zahl der Kinder, und wieviel Richter und Staatsanwälte wir brauchen, wird sich letzten Endes danach richten, was notwendig ist, um ein wirklich richtiges Verfahrensrecht und ein wirklich richtiges materielles Recht für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates zu finden.
Ich möchte zum Schluß an ein Wort erinnern, das Theodor Heuss, als er zum erstenmal Bundespräsident wurde, am Anfang seiner Amtstätigkeit ausgesprochen hat und das uns bei diesen Reformen Richtschnur sein sollte: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk".

(Beifall.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0312818600
Ich schließe die erste Beratung. Es ist Überweisung an den Rechtsausschuß beantragt. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1957 über Rüstungskontrollmaßnahmen der Westeuropäischen Union (Drucksache 2071).
Eine Aussprache ist nicht gewünscht. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung — federführend — und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — vorgeschlagen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 29. April 1957 zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (Drucksache 2081).
Ohne Aussprache? — Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend —, weiterhin an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Höck (Salzgitter), Seidl (Dorfen), Draeger, Oetzel und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" (Drucksache 2067).
Ohne Aussprache? — Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Mittelstandsfragen — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

(Drucksache 2097 Ohne Aussprache? — Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Wiedergutmachung. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks in Köln, SachVizepräsident Dr. Dehler senring 69, an die Firma Farbwerke Hoechst AG in Frankfurt Der Antrag soll ohne Aussprache an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Es ist so beschlossen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses Es liegt ein Schriftlicher Bericht vor. — Das Wort wird nicht gewünscht. — Ich stelle den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2073 zur Abstimmung. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses Das Wort wird nicht gewünscht? — Ich stelle den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2076 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Afghanistan über den Luftverkehr Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Postund Fernmeldewesen Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe in der zweiten Beratung die Art. 1, — 2, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung. Ich eröffne die dritte Beratung. Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen. Sodann rufe ich den Tagesordnungspunkt 13 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. September 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über den Luftverkehr Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Postund Fernmeldewesen Der Schriftliche Bericht liegt Ihnen vor; auf eine mündliche Ergänzung wird verzichtet. Ich rufe auf in zweiter Beratung Art. 1 und 2 sowie Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung: a)





(Erste Beratung 118. Sitzung).


(Erste Beratung 118. Sitzung).

b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Ausgleich der Getreideernteschäden (Drucksache 2144).
Es ist vorgesehen, die Anträge ohne Aussprache an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — sowie gemäß § 96 (neu) der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Besteht Einverständnis? — Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Mittwoch, den 26. Oktober 1960, 14.30 Uhr, und schließe die Sitzung.