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ID0312818400

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    Deutscher Bundestag 128. Sitzung Bonn, den 21. Oktober 1960 Inhalt: Begrüßung von Abgeordneten aus den Parlamenten von Nigeria und Kenia . . . 7397 A Fragestunde (Drucksachen 2131 [neu], zu 2131 [neu]) Frage des Abg. Junghans: Rechtsverordnung betr. Sonntagsarbeit in der Eisen- und Stahlindustrie Blank, Bundesminister 7379 C Frage des Abg. Dürr: Wörterbücher für Sprachen der Entwicklungsländer Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 7379 D Frage des Abg. Dr. Kohut: Beteiligung des Bundesjustizministers an der „Deutschland-Fernseh-GmbH" Dr. Schröder, Bundesminister . . 7380 B, C, 7381 A, B, C Dr. Kohut (FDP) . . . . . . . . 7380 C Wittrock (SPD) 7380 C, D Jahn (Marburg) (SPD) 7381 A Erler (SPD) 7381 B Frage des Abg. Kurlbaum: Besprechung des Bundeskanzlers mit der Industrie, Frage der Umsatzausgleichsteuer Dr. Schröder, Bundesminister . . 7381 C, D, 7382 A Kurlbaum (SPD) . . . . . . . . 7381 C Dr. Mommer (SPD) . . . 7381 D, 7382 A Frage des Abg. Dr. Deist: Besprechung des Bundeskanzlers mit der Industrie in Abwesenheit des Bundeswirtschaftsministers Dr. Schröder, Bundesminister 3382 A, B, C, D, 7383 B Dr. Deist (SPD) . . . . . . . 7382 B, C Dr. Arndt (SPD) . . . . 7382 D, 7383 A Frage des Abg. Rehs: Auszählungen aus der statistischen Erfassung der Vertriebenenausweisanträge Dr. Schröder, Bundesminister . 7383 B, C Rehs (SPD) . . . . . . . . . 7383 C, D Frage des Abg. Hamacher: Auswertung der Ergebnisse in dem Ermittlungsverfahren gegen Eichmann Schäffer, Bundesminister . . . . 7384 A, C Hamacher (SPD) . . . . . . . . 7384 C II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1960 Frage des Abg. Windelen: Patentschutz für Erfindungen aus der Bundesrepublik in den Ostblockländern Schäffer, Bundesminister . . . . . 7384 C Frage des Abg. Windelen: Patentschutz für Anmeldungen aus den Ostblockländern Schäffer, Bundesminister . . . . . 7384 D Frage des Abg. Eschmann: Auflösung des Verwaltungsstabes für die deutschen Dienstgruppen bei der US-Luftwaffe Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 7385 A, B Eschmann (SPD) 7385 A Frage des Abg. Dröscher: Flugplatz bei Bad Kreuznach Dr. Hettlage, Staatssekretär 7385 B, C, D Dröscher (SPD) 7385 C, D Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Wertfortschreibungsgrenze im Bewertungsrecht Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 7386 A Frage des Abg. Ritzel: Ausprägung von Goldmünzen Dr. Hettlage, Staatssekretär 7386 B, C, D Ritzel (SPD) . . . . . . . 7386 C, D Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 7386 D Frage des Abg. Keller: Finanzierungshilfe für den Bau des Düsenverkehrsflugzeuges HBF 314 Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7387 A Keller (FDP) 7387 A Frage des Abg. Murr: Preisunterschiede bei Dieselkraftstoffen Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7387 B, C Murr (FDP) . . . . . . . . . 7387 C Frage des Abg. Murr: Preisunterschiede bei Düngemitteln Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 7387 C, 7388 A Murr (FDP) 7388 A Frage des Abg. Dr. Mommer: Ausführungen des Bundesernährungsministers über die Agrarpolitik Dr. Sonnemann, Staatssekretär 7388 A, B, C, 7389 A, C Dr. Mommer (SPD) 7388 B Frau Strobel (SPD) 7388 C Kriedemann (SPD) . . . 7388 D, 7389 B Frage des Abg. Murr: Standort der Bundesanstalt für Fleischforschung Dr. Sonnemann, Staatssekretär . . 7389 D, 7390 B, C, D, 7391 A, B Murr (FDP) 7390 B, D Herold (SPD) 7390 C Mattick (SPD) . . . . . . . . 7391 A, C Antrag betr. Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit (Drucksache 2072 [neu]) Leonhard (CDU/CSU) 7391 C Dr. Rutschke (FDP) . . . 7392 A, 7396 C Dr. Sonnemann, Staatssekretär . . 7396 A Dr. Bucher (FDP) . . . 7396 B, 7399 B Rimmelspacher (SPD) 7398 B Leicht (CDU/CSU) . . . 7398 C, 7399 D Mündlicher Bericht des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit gemäß § 113 Abs. 1 GO in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 23 (Drucksache 2062) und in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 24 des Ausschusses für Petitionen (Drucksache 2125) Spies (Emmenhausen) (CDU/CSU) 7400 A, 7403 D Memmel (CDU/CSU) 7403 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes (Drucksache 2037) - Erste Beratung — Schäffer, Bundesminister 7404 A Dr. Kanka (CDU/CSU) 7409 A Jahn (Marburg) (SPD) 7412 A Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . 7414 C Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1960 III Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. Dezember 1957 über Rüstungskontrollmaßnahmen der Westeuropäischen Union (Drucksache 2071) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 7418 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 29. April 1957 zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten (Drucksache 2081) — Erste Beratung • — 7418 C Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur" (Drucksache 2067) — Erste Beratung — . . . 7418 D Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes (Drucksache 2097 [neu]) — Erste Beratung — . . . . . 7418 D Antrag betr. Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks in Köln, Sachsenring 69, an die Firma Farbwerke Hoechst AG in Frankfurt (Main)-Hoechst (Drucksache 2064) 7418D Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betr. Rechnung und Vermögensrechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1957 — Einzelplan 20 — (Drucksache 1381, 2073) 7419 A Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1960 (Drucksache 2076, Umdruck 551 [neu]) 7419 A Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. Juli 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Afghanistan über den Luftverkehr (Drucksache 1830) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2083) — Zweite und dritte Beratung — 7419 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. September 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über den Luftverkehr (Drucksache 1832); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (Drucksache 2084) — Zweite und dritte Beratung — 7419 C Antrag betr. Ernteschäden 1960 (CDU/CSU) (Drucksache 2095) 7419 D Nächste Sitzung 7419 D Anlagen 7421 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 128. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Oktober 1960 7379 128. Sitzung Bonn, den 21. Oktober 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach 21. 10. Altmaier 23. 10. Dr. Atzenroth 21. 10. Bach 21. 10. Bauer (Wasserburg) 29. 10. Frau Berger-Heise 21. 10. Fürst von Bismarck 21. 10. Dr. Böhm 22. 10. Börner 21. 10. Frau Brauksiepe 21. 10. Dr. Brecht 21. 10. Dr. Burgbacher 21. 10. Demmelmeier 21. 10. Dr. Dollinger 21. 10. Dowidat 21. 10. Eberhard 21. 10. Eilers (Oldenburg) 21. 10. Engelbrecht-Greve 21. 10. Dr. Friedensburg 21. 10. Funk 21. 10. Dr. Furler 21. 10. Dr. Gleissner 21. 10. Dr. Götz 21. 10. Dr. Greve 21. 10. Freiherr zu Guttenberg 21. 10. Dr. Fleck (Rottweil) 21. 10. Frau Herklotz 21. 10. Höhmann 21. 10. Illerhaus 21. 10. Jacobi 22. 10. Dr. Jordan 21. 10. Jürgensen 31. 10. Frau Keilhack 21. 10. Kemmer 21. 10. Dr. Kempfler 21. 10. Kinat (Spork) 21. 10. Koenen (Lippstadt) 23. 10. Frau Korspeter 21. 10. Kramel 21. 10. Krammig 31. 10. Freiherr von Kühlmann-Stumm 21. 10. Lantermann 21. 10. Dr. Löhr 21. 10. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 21. 10. Maier (Freiburg) 31. 10. Margulies 21. 10. Dr. Martin 21. 10. Mengelkamp 21. 10. Mensing 21. 10. Dr. Menzel 22. 10. Mischnick 21. 10. Müller (Worms) 21. 10. Neuburger 21. 10. Dr. Pflaumbaum 21. 10. Pohle 31. 10. Frau Dr. Rehling 22. 10. Dr. Reinhard 21. 10. Dr. Reith 21. 10. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Reitz 21. 10. Sander 21. 10. Scheel 21. 10. Schlick 21. 10. Schneider (Hamburg) 21. 10. Dr. Schneider (Saarbrücken) 21. 10. Schultz 21. 10. Dr. Schwörer 21. 10. Seuffert 21. 10. Stahl 21. 10. Stenger 15. 11. Storch 21. 10. Sträter 22. 10. Struve 21. 10. Wacher 21. 10. Wagner 21. 10. Walter 21. 10. Weimer 21. 10. Weinkamm 21. 10. Dr. Winter 21. 10. Wittmer-Eigenbrodt 22. 10. b) Urlaubsanträge Frau Kettig 11. 11. Kraus 31. 10. Dr. Kreyssig 28. 10. Lermer 7. 11. Frau Schmitt (Fulda) 28. 10. Schütz (Berlin) 8. 11. Dr. Vogel 30. 10. Werner 28. 10. Anlage 2 Umdruck 697*) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Leicht, Leonhard, Baier (Mosbach), Neuburger, Knobloch, Höfler und Genossen betr. Schäden im deutschen Tabakbau infolge Auftretens der Blauschimmelkrankheit (Drucksache 2072 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: Nach Nummer 3 wird folgende Nummer 4 angefügt: „4. zu untersuchen a) die Umstände, die zum Auftreten der peronospora-tabacina bei der Tabakernte 1960 geführt haben, b) die Berechtigung der in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang gegen Bedienstete zweier Bundesbehörden erhobenen Vorwürfe." Bonn, den 20. Oktober 1960 Dr. Mende und Fraktion 1 Dieser Umdruck erhält als selbständiger Antrag die Drucksachennummer 2152.
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    Rede von Gerhard Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Strafprozeßordnung hat in den über 80 Jahren ihres Daseins einen recht leidvollen Weg hinter sich gebracht. Es sind vielfältige Versuche gemacht worden, sie zu ändern. Manchmal ist es so, daß man vieles von ihrer ursprünglichen Gestalt nicht mehr recht erkennt. Es war und ist aber durchaus notwendig, daß wir noch in dieser Legislaturperiode den Versuch machen, die heutige Fassung der Strafprozeßordnung den rechtsstaatlichen Anschauungen unserer Zeit anzupassen — dort, wo es geht —, ohne sie in ihrem Wesensgehalt grundsätzlich zu verändern.
    Aus diesen Überlegungen begrüßen wir den vorgelegten Entwurf der Bundesregierung, die damit einem Wunsche nachkommt, der in der juristischen Öffentlichkeit außerhalb dieses Hauses und von den Juristen dieses Hauses mehrfach und dringend geäußert worden ist. Wir begrüßen es um so mehr, als wir wissen, daß es nicht ganz aus eigener Initiative und Neigung der Bundesregierung zu diesem Entwurf gekommen ist. Wir meinen auch, daß er in seiner Gesamttendenz den Vorwurf, der draußen, insbesondere unter Richtern und Staatsanwälten, gelegentlich gegen ihn erhoben wird, er sei ein Entwurf ausschließlich zugunsten der Verteidiger, nicht verdient. Wer diesen Entwurf einmal in seiner Gesamtheit unvoreingenommen und ruhig prüft, wird sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, daß hier eine Fülle von Problemn aufgegriffen worden ist, die notwendigerweise aufgegriffen werden mußten, und daß damit selbstverständlich nicht — das sei ganz besonders betont — ein generelles Mißtrauen gegenüber den Gerichten und Staatsanwälten zum Ausdruck gebracht werden soll. Man kann die Frage, wie die Strafprozeßordnung in ihrer gegenwärtigen Gestalt zu bewerten ist, nicht allein vom Richtertisch her beurteilen. Es ist ganz nützlich, daß auch andere Gesichtspunkte in dieser Debatte berücksichtigt werden. Wir begrüßen deshalb grundsätzlich die Gesamttendenz des Entwurfs, wenn wohl auch zu einer Reihe von Vorschriften in den Ausschußberatungen noch eine Menge zu sagen sein wird.
    Ich möchte mich hier darauf beschränken, einige mir wesentlich erscheinende Punkte herauszugreifen, bei denen wir gewisse Vorbehalte machen müssen oder andersartige Überlegungen gegenüber dem Regierungsentwurf vorzutragen haben. Das bedeutet nicht, daß wir im übrigen den Entwurf in sämtlichen Einzelheiten pauschal für richtig halten; aber in der ersten Debatte mag es mit diesen wenigen Punkten sein Bewenden haben.
    In den vergangenen Jahren ist die Frage der Untersuchungshaft in zunehmendem Maße Gegenstand der öffentlichen Kritik gewesen. Herr Kollege Dr. Kanka hat mit Recht auf einen in der letzten Zeit besonders auffälligen Fall hingewiesen, an dem deutlich wird, daß es unbedingt erforderlich erscheint, auf dem Gebiet des Rechts der Untersuchungshaft zu neuen Regelungen zu kommen. Bei der Untersuchungshaft liegt das Problem im wesentlichen darin, daß die vorhandenen gesetzlichen Voraussetzungen eine recht weitgehende Auslegung erlauben und damit — ich will hier gar nicht im einzelnen darauf eingehen, aus welchen Überlegungen und Motiven im Einzelfall — die Gefahr besteht, daß allzu leicht einmal Untersuchungshaft auch dann angeordnet wird, wenn es vermeidbar ist. Wir begrüßen deshalb, daß in der Regierungsvorlage der Versuch unternommen wird, die gesetzlichen Tatbestände wesentlich einzuschränken, zu straffen und strenger zu fassen. Wir meinen aber, daß das noch nicht ausreicht. Im Ausschuß werden wir sehr eingehend zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen nicht noch enger gefaßt werden können. Im Hinblick auf den damit verbundenen weitgehenden Eingriff in die persönliche Freiheit des einzelnen erscheint es durchaus gerechtfertigt, nicht schon dann, wenn allgemein Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angenommen werden könnte, Untersuchungshaft zu verhängen, sondern erst dann, wenn eine dringende Gefahr besteht. Mit einer solchen Steigerung der Voraussetzungen würde eher die Möglichkeit gegeben sein, eine strengere Prüfung im Einzelfall anzustreben und zu erreichen.
    Auf das Problem der Untersuchungshaft beim Vorliegen der Verdunkelungsgefahr ist hier schon hingewiesen worden. Im Ausschuß wird noch einmal sorgfältig erwogen werden müssen, ob diese Voraussetzung der Untersuchungshaft überhaupt aufrechterhalten bleiben soll.
    Ein wesentlicher Fortschritt ist die Begrenzung der Untersuchungshaft generell auf sechs Monate. Schon durch diese zeitliche Verkürzung kommen wir bei der Bewältigung des Problems einen guten Schritt voran.
    Schwierigkeiten, glaube ich, werden wir aber dann zu erwarten haben, wenn wir der Regierungsvorlage folgen und die Entscheidung über die Frage der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus den Oberlandesgerichten bzw. dem Bundesgerichtshof in erster und letzter, alleiniger Instanz überlassen. Wir werden uns überlegen müssen, ob dieses Verfahren zweckmäßig ist und ob die nach den Vorstellungen der Bundesregierung damit verbundene Beschleunigung wirklich eintreten kann oder ob es nicht andere Wege gibt, das gleiche Ziel mit überzeugenderen Mitteln zu erreichen. Wenn man in der Richtung dessen, was jetzt in der Neufassung des § 121 steht, zu einer noch engeren Voraussetzung für die Fortdauer der Untersuchungshaft kommt, könnte ich mir vorstellen, daß man es durchaus dem bisherigen Haftrichter überlassen kann, darüber zu entscheiden; es könnte dann dem bisherigen Verlauf des Beschwerdeverfahrens überlassen werden, eine solche Entscheidung nachzuprüfen.
    Eine wesentliche Ursache dafür, daß das ganze Untersuchungsverfahren und das Haftprüfungsver-



    Jahn (Marburg)

    fahren soviel Zeit in Anspruch nimmt, liegt einfach in technischen Problemen. Wir haben uns vor kurzer Zeit in der Fragestunde schon einmal darüber unterhalten. Es müßte mit den modernen Vervielfältigungsmitteln, die uns heutzutage zur Verfügung stehen, sehr bald durchsetzbar sein, daß in den Fällen der Untersuchungshaft doppelte Akten geführt werden. Mit Hilfe dieser doppelten Akten könnte dann auf der einen Seite die Arbeit der Staatsanwaltschaft bei der Ermittlung fortgeführt werden, während auf der anderen Seite das Haftprüfungs-
    oder Haftbeschwerdeverfahren nicht zu leiden brauchte. Diese Dinge werden wir vielleicht nicht gesetzlich regeln können; aber sie stehen in Zusammenhang mit dieser Sache. Die Lösung dieser Probleme wird eine Antwort auf die Frage bringen, ob die Beschleunigung nicht auch auf eine andere Art und Weise möglich ist, als sie in dem Entwurf der Bundesregierung vorgesehen ist.
    Eine recht überflüssige Sache ist nach unserer Auffassung auch das absolute Nebeneinanderbestehen des Haftprüfungs- und des Haftbeschwerdeverfahrens. Der Regierungsentwurf bringt erste Ansätze dazu, daß die Haftbeschwerde nicht durchgeführt wird und nicht zulässig ist, wenn bereits ein Haftprüfungsverfahren anhängig ist. Ich glaube, wir sollten uns einmal überlegen, ob wir es nicht dabei bewenden lassen, auch den Angeklagten als einen mündigen Bürger zu behandeln, dem es überlassen bleiben kann, innerhalb einer angemessenen Frist darüber zu entscheiden, ob er Beschwerde gegen seine Haft einlegen will oder nicht. Erst nach Ablauf einer gewissen Zeit sollte dann von Amts wegen die Haftprüfung vorgenommen werden. Wenn wir schon an die Neuregelung der Haftprüfungs- bzw. Haftbeschwerdebestimmungen herangehen, sollten wir versuchen, auch zu einer Vereinfachung zu kommen. Es ist nämlich durchaus gerechtfertigt, wenn seitens der Staatsanwaltschaft der Wunsch geäußert wird, daß sie innerhalb des Ermittlungsverfahrens dann, wenn Haftfälle vorliegen, wenigstens bestimmte Zeiten zur Verfügung hat, in denen sie in Ruhe die Ermittlungen vornehmen kann.
    Einer der Kernpunkte des Regierungsentwurfs behandelt die Neuregelung des Zwischenverfahrens. Hier sind gewiß sehr begrüßenswerte Ansätze vorhanden. Das gilt um so mehr, als wir alle wissen, daß allein die Erhebung der Anklage heute in der Öffentlichkeit unter Umständen für den Betroffenen sehr weitgehende Folgen haben kann. Wir werden uns deshalb mit diesem Punkt besonders sorgfältig auseinandersetzen müssen. Ich frage mich aber, ob es eigentlich bei dem sehr umständlichen und im Grunde nach wie vor zweispurigen Verfahren bleiben muß, in dem einmal das Schlußgehör durch die Staatsanwaltschaft eingeführt wird und daneben weiterhin aufrechterhalten bleiben soll die Eröffnung bzw. in Zukunft die Zulassung der Anklage durch den Eröffnungsbeschluß bei dem einzelnen Gericht. Wir sollten versuchen, zu einem Ergebnis dahingehend zu kommen, daß diese beiden Regelungen in einen einzigen Vorgang dadurch zusammengefaßt werden, daß man die Staatsanwaltschaft nach Abschluß ihrer Ermittlungen entscheiden läßt, ob sie Anklage erheben will oder nicht, die Frage aber, ob die Anklage zugelassen werden soll oder nicht, dann einem besonderen Gericht — über dessen Zusammensetzung man noch sprechen muß
    überläßt. Denn wir müssen uns doch fragen, ob die Staatsanwaltschaften nicht überfordert sind, wenn sie nach Abschluß der Ermittlungen noch einmal ein besonderes Schlußgehör durchführen sollen. Wir meinen, daß die Staatsanwälte, die Ermittlungen zu führen haben und deren Aufgabe es nicht in erster Linie ist, sich mit den Argumenten der Verteidigung des Angeklagten auf Grund der Ermittlungen auseinanderzusetzen, überfordert sind, wenn man ihnen das Schlußgehör überträgt.
    Es wird deshalb zu prüfen sein, ob man nicht zu einem gleichen und vielleicht besseren Ergebnis kommt, wenn man eine Sicherheit, einen Abschnitt in das Verfahren vor der Durchführung der Hauptverhandlung an anderer Stelle einordnet, dadurch eben, daß man diese Prüfung, diese Abwägung der Argumente der Staatsanwaltschaft und der Argumente der Verteidigung im Rahmen einer ersten Auseinandersetzung mit der Anklageschrift einem Eröffnungsgericht oder einem Eröffnungsrichter überträgt.
    Über die Verbesserung der Rechte der Verteidigung, über die stärkere Betonung der Notwendigkeit des rechtlichen Gehörs und über die Umgestaltung des Revisionsverfahrens will ich im einzelnen hier nichts sagen über das hinaus, was von Herrn Kollege Kanka schon erörtert worden ist.
    Aber ich möchte bei dieser Gelegenheit noch auf einen Punkt hinweisen, der bedauerlicherweise in dieser Regierungsvorlage nicht enthalten ist. Das ist deshalb unverständlich, weil dieser Punkt bereits Gegenstand sehr eingehender Erörterungen in diesem Hause war. Ich erinnere daran, daß wir uns in der 62. Sitzung anläßlich der zweiten und dritten Lesung der Bundesrechtsanwaltsordnung hier sehr gründlich über die Frage auseinandergesetzt haben: Unter welchen Voraussetzungen und wann kann das Gericht einen Verteidiger von der Verteidigung im konkreten Einzelfall ausschließen? Damals ist uns gesagt worden — obwohl wir der Meinung waren und sind, daß es sich um eine generelle Frage der Tätigkeit des Anwalts handelt —: Das ist ein spezielles Problem des Strafprozesses und kann deshalb nur und muß in diesem Zusammenhang geregelt werden. Wir hätten eigentlich erwartet, daß die eingehende Diskussion, die damals geführt worden ist, für die Bundesregierung Grund genug gewesen wäre, nun bei der Vorlage der ersten Reform des Strafprozesses dieses Problem zu berücksichtigen und ihrerseits Vorschläge zu machen. Wir können nur mit größtem Bedauern feststellen, daß die Bundesregierung es nicht einmal für notwendig befunden hat, zu dem Problem in diesem Zusammenhang überhaupt Stellung zu nehmen. Es ist wohl — wie das offenbar zur ständigen Praxis dieser Bundesregierung gehört — nach ihrer Auffassung nicht notwendig, da es sich ja bloß um eine Anregung, einen Wunsch der Opposition handelt,

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Stimmt gar nicht!)




    Jahn (Marburg)


    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Es ist doch auch unser Anliegen!)

    und deshalb ist dieses Anliegen „nicht wert", in die Arbeiten und Überlegungen der Bundesregierung einbezogen zu werden.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Das Anliegen ist auch ein Anliegen der CDU! Das haben wir damals zugesagt!)

    — Nun, Sie können sich ja für Ihre Fraktion gesondert zur Wehr setzen. Der Vorschlag ist hier von uns gemacht worden, Herr Kollege Weber, und Sie haben damals auf die Strafprozeßordnung verwiesen. Ich habe aber ,den Eindruck, Sie haben bisher nicht daran gedacht; denn Herr Kollege Kanka hat über dieses Problem kein Wort verloren. Es wäre sehr gut, wenn Sie Ihre Meinung dazu ebenfalls an die Adresse der Bundesregierung richteten.
    Schließlich noch ein Wort zu dem Art. 11 über die Zulassung des Funks, des Fernsehens und des Films in den Gerichtssaal. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Problem ist gewiß dringend einer Regelung bedürftig. Aber wie schwierig es ist, das zeigt sich schon an den Unterschieden in den Auffassungen der Bundesregierung und des Bundesrates. Das Problem ist viel zu schwierig, viel zu vielschichtig, als daß es, wie es gelegentlich in unserer jüngsten Vergangenheit vorgekommen ist, im Rahmen von Fest- und Begrüßungsreden so mit I der linken Hand erörtert und in den Raum gestellt werden könnte. Ich meine, wir brauchen dazu sehr viel Zeit und sehr viel sorgsame Arbeit, um zu einer Lösung zu kommen, die uns allen vertretbar und sinnvoll erscheint. — Herr Kollege Kanka, Sie machen ein so kritisches Gesicht. Ich darf doch einmal drauf hinweisen, daß, wie mir nicht ganz zu Unrecht erscheint, hier auch gewisse verfassungsrechtliche Überlegungen angestellt werden müssen, ob eine so weitgehende Regelung in der einen oder anderen Richtung mit dem Grundsatz der Meinungs- und Informationsfreiheit so recht zu vereinbaren ist.

    (Abg. Dr. Weber [Koblenz] : Ebenso wie Würde der Persönlichkeit!)

    — Gerade deshalb! Herr Kollege Weber, Sie nehmen mir das weitere Argument vorweg. Eben darin liegt die ganze Schwierigkeit des Problems, dieses Grundrecht gegen das Grundrecht der Wahrung der Würde der Persönlichkeit abzuwägen. Deshalb meine ich, wir können es nicht so beiläufig erledigen. Wir brauchen dazu eine sehr sorgfältige Untersuchung. Wir müssen uns auch einmal ansehen, wie das in anderen Ländern, die darüber Erfahrungen haben, geregelt worden ist und gemacht wird.
    Ich habe das Gefühl, daß eine so weitgehende Regelung, wie sie hier getroffen wird, oder überhaupt eine Regelung auf diesem Gebiet den Rahmen einer kleinen Strafprozeßreform — mehr soll es ja nach unser aller Wunsch nicht sein — bei weitem sprengt. Wir werden uns also zu überlegen haben, ob wir nicht besser daran tun, die Arbeiten an der kleinen Reform nicht dadurch zu belasten, daß wir dieses Problem noch mit hineinbringen und damit unter Umständen die rechtzeitige Verabschiedung dieses Entwurfs noch in dieser Legislaturperiode überhaupt in Frage stellen. Wir werden jedenfalls in dieser Richtung im Ausschuß Anträge stellen und hoffen, damit einen Beitrag dazu leisten zu können, daß gerade diese schwierige Frage die ihr gebührende Würdigung auch im Ausschuß erfährt. Dabei möchte ich es bewenden lassen.
    Lassen Sie mich zum Abschluß noch einmal folgendes betonen. Wir begrüßen im wesentlichen den Entwurf, wir begrüßen seine Gesamttendenz. Wir sind uns der Schwierigkeiten bewußt, die einer umfassenden Reform des Strafprozeßrechtes entgegenstehen. Wir möchten aber keine Unklarheit darüber lassen — und ich freue mich, feststellen zu können, daß auch der Bundesjustizminister diese Auffassung teilt -, daß wir uns mit dieser kleinen Reform nicht von der weiteren, größeren, notwendigen Arbeit einer umfassenden Reform unseres Strafverfahrensrechtes überhaupt entlasten.

    (Allgemeiner Beifall.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Emmy Diemer-Nicolaus


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten noch hier gebliebenen Abgeordneten! Als letzte Sprecherin bei der Stellungnahme zu der Regierungsvorlage bin ich in einer etwas schwierigen Situation, weil natürlich vieles, was ich sagen wollte und könnte, schon von meinen Vorrednern und auch vom Herrn Bundesjustizminister gesagt worden ist. Wenn es normalerweise auch „20 Juristen, 50 Meinungen" heißt und wenn auch normalerweise in einem Parlament Regierungsparteien und Oppositionsparteien in vielen Fragen nicht der gleichen Auffassung sind, so hat doch schon die bisherige Stellungnahme ergeben, daß weitgehende Übereinstimmung zwischen allen Parteien und auch der Regierung über die Notwendigkeit einer derartigen kleinen Reform besteht. Es hat mich gefreut, daß die Regierung diese Reform noch in Angriff genommen hat.
    Ich will nicht wiederholen, worauf schon hingewiesen wurde, daß die jetzige Strafprozeßordnung nahezu hundert Jahre alt ist und daß sich vor allen Dingen der Kreis der Personen, die heute mit den Strafgesetzen in Konflikt kommen können, sehr gewandelt hat. Außerdem hat sich die Stellung des einzelnen zum Staat sehr gewandelt. Gerade auch im Strafverfahren gilt es, dieser gewandelten Auffassung über die Wahrung der Freiheitsrechte des einzelnen gegenüber dem Machtanspruch des Staates Rechnung zu tragen.
    Eine Bemerkung zu dem Kreis derjenigen, der mit dem Strafgesetz in Konflikt kommt! In den letzten Tagen war eine Juristentagung des ADAC in München; in der Berichterstattung darüber hieß es — angesichts der erschreckend hohen Zahlen, die Herr Kollege Kanka auf Grund der Statistiken bekanntgegeben hat —, man könnte meinen, daß das deutsche Volk ein Volk der Verbrecher geworden wäre, was aber ganz bestimmt nicht der Fall ist. Es ist



    Urau Dr. Diemer-Nicolaus
    vielmehr so: Während es früher, in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, als das Strafverfahren geregelt wurde, grundsätzlich doch asoziale Elemente waren, die mit dem Strafgesetz in Konflikt kamen, ist heute eine sehr große Ausdehnung der Fahrlässigkeitsdelikte zu verzeichnen, nicht allein im Verkehr, sondern im ganzen Bereich der Technik infolge der Entwicklung, die sich dort vollzogen hat. Ich erinnere an die Haftpflichtfragen, die da auftreten: Wer trägt beim Versagen einer Maschine, das Grund für einen tödlichen Unfall ist, bei einem Stromkurzschluß die Verantwortung? Wer trägt die Verantwortung bei den Eisenbahnunglücken, bei Betriebsunfällen?
    Heute kommt deshalb auch ein Personenkreis mit dem Strafrecht in Berührung, der keinesfalls als asozial zu bezeichnen ist. Aber das Strafverfahren, das damals für im Grundsätzlichen absolut asoziale Elemente geschaffen wurde, gilt heute auch noch für diesen anderen Personenkreis. Hier gilt es jetzt, das richtige Recht auch für das Strafverfahren zu finden.
    Gerade in den letzten Jahren hat es sich immer mehr gezeigt, daß die Reform nicht länger hinausgeschoben werden kann. Ich darf an den Anwaltstag im Mai 1959 erinnern, der sich speziell mit der Notwendigkeit der Strafverfahrensreform befaßte. Ich darf an den Richtertag im Oktober 1959 in Würzburg erinnern, der sich von seiner Sicht aus mit diesen Fragen befaßte. Ich darf daran erinnern, daß die entsprechenden Organisationen — der Deutsche Richterbund, Anwaltskammern, Anwaltsvereine -
    auf diesem Gebiet weitergearbeitet haben, und ich darf doch auch daran erinnern, daß gerade in den letzten Jahren verschiedene Strafverfahren in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt und dazu geführt haben, daß die Reform allgemein, auch in der Presse, als notwendig erachtet wird.
    Ich habe Verständnis dafür, daß seitens der Regierung gesagt wurde, sie wolle jetzt nur ein Mindestmaß dessen, was reformbedürftig ist, vorlegen, so wenig, daß es auf alle Fälle noch verabschiedet werden könne. Ich fürchte aber, Herr Justizminister, Sie sind in Ihrer Bescheidenheit etwas zu weit gegangen. Auch wir Freien Demokraten behalten uns vor, bei den Ausschußberatungen noch einzelne Punkte zur Sprache zu bringen.
    Ich möchte jetzt nicht den Wortlaut des Entwurfs wiederholen, wie er uns vorliegt, muß aber doch zu einigen Punkten Stellung nehmen.
    Es ist durchaus verständlich, daß gerade die Reform der Untersuchungshaft in dem Gesetzentwurf besonders ausführlich behandelt wird. Herr Kollege Kanka hat schon auf den Entwurf hingewiesen, den wir vor einigen Monaten hierzu eingebracht haben, und ich hoffe, daß unser Entwurf bei den Beratungen im Rechtsausschuß mit herangezogen wird.
    Es fragt sich, ob die Bestimmungen, die jetzt vorgesehen sind, wirklich in vollem Umfang ausreichen, um die notwendige Garantie gegen eine zu schnelle und zu lange Untersuchungshaft zu geben. Wenn auch, wie Herr Kollege Kanka gesagt hat, der Prozentsatz der Fälle, in denen die Untersuchungshaft sehr lang dauert, relativ klein ist, so darf das doch unser Gewissen nicht beruhigen. Insofern gebe ich Herrn Kanka vollkommen recht. Die Anordnung einer Untersuchungshaft ist nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für seine Familie mit schweren Konsequenzen und oft auch mit schwerster Existenznot verbunden. Die Anordnung einer Untersuchungshaft wird als ein wichtiger Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses angesehen. Sie führt dazu, daß die Familie von einem Tag zum anderen ohne Existenzgrundlage ist. Ich habe mit Erschrecken in einem Aufsatz über Revisionen beim Bundesgerichtshof gelesen, daß es sogar Untersuchungshaft von vierjähriger Dauer gegeben hat, und zwar deshalb, weil nach einer erstinstanzlichen Verhandlung die Sache an den Bundesgerichtshof ging, vom Bundesgerichtshof zurückverwiesen wurde und wieder an den Bundesgerichtshof kam, ohne daß inzwischen die Untersuchungshaft aufgehoben wurde. Diese Fälle muß man hier mit bedenken.
    Sehr eingehend muß im Ausschuß die heute in der Diskussion kaum behandelte Frage erörtert werden, wieweit Richter, die schon in dem Verfahren tätig waren, zuständig für das Untersuchungshaftverfahren bleiben sollen. Die Reformvorschläge der Regierung schließen nicht aus, sondern erhalten ausdrücklich den Rechtszustand aufrecht, daß nach einer Verurteilung in der ersten Instanz das Revisionsgericht nicht ohne weiteres auch über eine Aufhebung oder Aussetzung der Untersuchungshaft befindet. Dies geschieht vielmehr nur, wenn es gleichzeitig das erstinstanzliche Urteil aufhebt. Das dauert aber zu lange.
    Ich gehe davon aus, daß jeder Richter nach bestem Wissen und Gewissen urteilt. Er hat das Urteil in der Überzeugung gesprochen, daß es dem Recht und der Gerechtigkeit entspricht. Die Strafe, die er verhängt hat, ist vielleicht sehr schwer. Nun wird Revision gegen dieses Urteil eingelegt. In diesem Fall entscheidet das gleiche Gericht, die gleiche Kammer, der gleiche Richter darüber, ob die Untersuchungshaft fortdauern soll oder nicht. Ich bin der Auffassung, daß hier der Richter einfach psychologisch überfordert ist. Es ist nicht zumutbar, daß ein Richter, der eine schwere Freiheitsstrafe verhängt hat, die Untersuchungshaft aufhebt, zumal wenn es sich um Delikte handelt, die als Verbrechen qualifiziert sind. Tatsache ist aber, daß auch derartige Urteile immer wieder Abänderungen und Aufhebungen erfahren.
    Ich gehe nicht davon aus, daß hier eine Befangenheit des Richters vorliegt, sondern ich sage mit voller Absicht, daß es sich um eine psychologische Überforderung handelt. Das gilt auch, wenn nach einer Zurückverweisung im Revisionsverfahren nach wie vor das gleiche erstinstanzliche Gericht über den gleichen Fall verhandeln soll. Ich bin der Auffassung, daß grundsätzlich das Verfahren an ein anderes Gericht kommen muß, genauso wie das jetzt dankenswerterweise für das Wiederaufnahmeverfahren ausgesprochen worden ist. Die Sätze, die Sie, Herr Bundesjustizminister, insofern für das Wiederaufnahmeverfahren in der Begründung gebraucht haben, sprechen hundertprozentig dafür, daß eine entsprechende Regelung auch bei



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    einer Zurückverweisung im Revisionsverfahren Platz greifen muß.
    Eine weitere Frage ist die Neuerung des Schlußgehörs. Herr Kollege Jahn hat diese Sache etwas skeptisch beurteilt, Ich sehe das Schlußgehör unter einem etwas anderen Gesichtspunkt als Sie, Herr Kollege Jahn, und zwar aus folgendem Grund. Wir haben gerade bei den schwereren Delikten heutzutage doch nur ,die eine Tatsacheninstanz — Schwurgericht, Große Strafkammer —, dagegen ist keine Berufung mehr möglich, sondern nur Revision. Häufig ergibt die Hauptverhandlung, daß gewisse Aufklärungen tatbestandlicher Art im Ermittlungsverfahren nicht ausreichend genug getroffen wurden, vielleicht deshalb nicht, weil der Beschuldigte und sein Verteidiger nicht die Möglichkeit hatten, vor der Anklageerhebung entsprechende Anträge bei der Staatsanwaltschaft oder dem Untersuchungsrichter zu stellen. Ich betrachte das Schlußgehör als einen Fortschritt auf dem Wege, zu versuchen, wenn man schon nur eine Tatsacheninstanz hat, ein Hauptverfahren bei den Vorermittlungen tatbestandsmäßig so gründlich vorzubereiten, und zwar auch zugunsten des betroffenen Beschuldigten, daß eine größere Garantie gegeben ist, zu einem wirklich richtigen Tatbestand nachher in der Hauptverhandlung zu kommen.
    Dieses Schlußgehör wird uns aber nicht davor bewahren, sehr eingehend zu prüfen — allerdings nachher im Rahmen der großen Strafverfahrensreform —, inwieweit wir tatsächlich daran festhalten können, bei den leichteren Delikten zwei Rechtsmittelinstanzen zu haben, Berufung und Revision, und ausgerechnet bei den schweren Delikten, die für die Betroffenen ja viel einschneidender sind, es bei nur einer Tatsacheninstanz bewenden zu lassen. Die Fragen, die damit angeschnitten werden, sind aber so außerordentlich schwierig und vielschichtig, daß ihre Lösung nicht in ,die kleine Verfahrensreform hineingehört.
    Weiterhin wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß ,die vorgeschlagene Reform davon ausgeht, dem Beschuldigten und dem Verteidiger eine bessere Stellung zu geben. Ich erkenne durchaus an, was in dieser Hinsicht auch zugunsten der Verteidigung getan wurde und daß berechtigten Wünschen Rechnung getragen wurde. Ich konnte überhaupt feststellen, daß gerade auch die Vorschläge der Anwaltskammern vom Justizministerium sehr weitgehend berücksichtigt worden sind.
    Aber ich kann mich nicht mit allem einverstanden erklären, vor allen Dingen damit nicht, daß bis zu dem Abschluß der Ermittlungen ein Richter gegebenenfalls nach wie vor die Anordnung treffen kann, daß ein Beschuldigter mit seinem Verteidiger nur in Gegenwart eines Richters sprechen kann. Ich bin der Auffassung, das entspricht nicht unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen. Vielmehr muß stets der Beschuldigte in dem Augenblick, in dem er in Untersuchungshaft kommt, mit seinem Verteidiger allein sprechen können. Ein Verteidiger, ein Anwalt darf nichts tun, was irgendwie zuungunsten seines Mandanten sein könnte. Deswegen ist ein Verteidiger, wenn er eine Unterredung mit seinem Mandanten nur in Gegenwart eines Richters vornehmen kann, außerordentlich stark gehemmt. Der Verteidiger kann z. B. seinem Mandanten in Gegenwart des Richters nicht sagen: Hör mal, was du da jetzt sagst, kann nicht so gewesen sein, das stimmt nicht, das wird dir wahrscheinlich nicht abgenommen; denn die und die Indizien sind doch da. Er kann ihn nicht darauf hinweisen: Wenn etwas gewesen ist, dann ist es besser, du gestehst es. Das kann er nicht tun, wenn der Richter dabei ist. In dem Falle würde er als Verteidiger zugeben, daß er selbst seinem Mandanten nicht glaubt. Das würde ihm schaden. Die Beibehaltung des § 148 Abs. 3 StPO betrachte ich als ein unberechtigtes Mißtrauen gegenüber der Anwaltschaft.
    Sehr begrüße ich die Vereinfachung, die darin liegt, daß Unwesentliches gegebenenfalls ausgeschieden werden kann und daß auch nicht mehr sämtliche rechtlichen Gesichtspunkte erörtert werden müssen.
    Ich möchte weiterhin zu dem sehr umstrittenen Problem, wie weit Rundfunk, Fernsehen und Film in Verhandlungen eingeschaltet werden können, nicht ausführlich Stellung nehmen. Nach meiner persönlichen Auffassung reichen an und für sich schon heute die Bestimmungen aus, so daß der Vorsitzende eines Gerichtes es verhindern kann, einen Prozeß nicht zu einem Schauprozeß werden zu lassen. Meine persönliche Auffassung geht aber über die in der Regierungsvorlage enthaltenen Vorschriften hinaus. Läßt man schon nicht zu, daß die Angeklagten während der eigentlichen Hauptverhandlung an den Pranger gestellt werden — etwas anderes ist es ja gegebenenfalls nicht —, dann darf man dies um so weniger in dem Augenblick zulassen, in dem das Urteil gesprochen wird. Man darf nicht zulassen, daß dann das Scheinwerferlicht auf die betreffenden Angeklagten gerichtet wird, um zu sehen, welches Gesicht sie bei der Verkündung des Urteils machen. Das, finde ich, geht zu weit. Wir werden über diese Dinge noch sprechen müssen. Ich bin aber nicht der Auffassung des Herrn Kollegen Jahn, das Problem sei so schwierig, daß es im Zusammenhang mit dieser kleinen Reform überhaupt nicht abschließend behandelt werden könne.
    Zu den Wünschen, die wir im Rechtsausschuß noch von seiten der FDP-Fraktion vorbringen werden, darf ich stichwortartig auf folgendes hinweisen. Wir halten es genauso wie Herr Kollege Jahn, der dieses Problem berührt hat, für notwendig, daß auch die Frage, wann ein Verteidiger von der Verteidigung ausgeschlossen werden kann, im Rahmen der kleinen Reform gesetzlich geregelt wird.

    (Abg. Jahn [Marburg] : Durch das Gericht!)

    Eine eingehende Judikatur über die hierbei anzuwendenden Grundsätze liegt vor. Es ist deshalb nicht schwierig, durch eine gesetzliche Formulierung endlich einmal Klarheit zu schaffen.
    Sehr begrüßt es die FDP weiterhin, daß die Verteidigung im weitgehenden Umfang als notwendig anerkannt wurde. Es muß aber im Ausschuß noch darüber gesprochen werden, ob nicht gerade auch in den Revisionsverfahren die Verteidigung als notwendig anzuerkennen ist. Gerade eine Revision



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    richtig und sachgemäß einzulegen, geht einfach über das Fassungsvermögen eines nicht juristisch vorgebildeten Verurteilten hinaus. Auch die entsprechenden Urkundsbeamten sind bei all ihrer sonstigen Qualifikation sicherlich nicht in der Lage, eine juristisch einwandfreie Revision aufzunehmen.
    Gute, sachgemäße Revisionsvorschriften sind schwierig. Ich habe es deshalb sehr begrüßt, daß von seiten der Bundesregierung den Wünschen der Anwaltschaft Rechnung getragen wurde, daß die Revisionsfrist erst nach der Zustellung des Urteils zu laufen beginnt. Es war nicht gut, daß bisher die Revision innerhalb kürzester Frist eingelegt werden mußte, ohne daß das Protokoll, ohne daß die Urteilsbegründung vorlag. Sobald die Revision eingelegt war, dauerte es nachher bei großen Verfahren gegebenenfalls Monate, bis das Urteil abgesetzt wurde. Es wurde dann von dem erkennenden Gericht, dessen Urteil mit der Revision angefochten wurde, nach Möglichkeit revisionssicher gemacht. Jetzt wird insofern der Rechtsstaatlichkeit Rechnung getragen, als gesagt wird: zuerst Protokoll, dann Zustellung des Urteils, dann Beginn der Laufzeit der Revisionsfrist.
    Grundsätzlicher Natur ist die Frage des gesetzlichen Richters. Ursprünglich war im Strafverfahrensrecht keine Bestimmung enthalten, nach der die Staatsanwaltschaft bei dem einen oder anderen Gericht Anklage erheben kann, je nachdem, wie schwerwiegend sie den Fall beurteilt. Wir müssen die Frage, ob diese Wahlmöglichkeit tatsächlich das Richtige und Gebotene ist, erneut prüfen. Insofern liegen Vorschläge vor. Auch diese Wahlmöglichkeit könnte meines Erachtens ausgeschaltet werden, ohne daß sich die kleine Reform verzögern müßte.
    Schwieriger ist die Frage, ob in diese kleine Reform die Bildung der besonderen Kammern für die Eröffnung des Hauptverfahrens einbezogen werden kann. Diese Frage ist, wenn ich mich recht erinnere, auch von Ihnen, Herr Kollege Jahn, angeschnitten worden. Auch hier spielt wieder das Moment der psychologischen Überforderung des Richters eine Rolle. Wenn der Richter, wie es jetzt im Entwurf vorgesehen ist, darüber zu entscheiden hat, ob auf Grund des Ermittlungsergebnisses ein für die Zulassung der Anklage hinreichender Verdacht vorliegt, so erfordert diese Entscheidung bereits eine Beurteilung des Streitstoffes, und damit ist die Gefahr einer psychologischen Befangenheit gegeben. Ich möchte dies aber heute nicht weiter ausführen. Ich möchte auch von mir aus heute nicht die Frage entscheiden, ob dieses Problem unbedingt schon jetzt abschließend gelöst werden muß oder ob es bis zu einer großen Strafverfahrensreform zurückgestellt werden kann.
    Das gleiche gilt für die Frage, inwieweit eine Hauptverhandlung gegebenenfalls in zwei Abschnitte aufzugliedern ist.
    Der Regierungsentwurf enthält eine weitere Neuerung, die ich sehr begrüße. Sie ist heute noch nicht zur Sprache gekommen. Ich meine die Neuerung, daß Vorstrafen nicht mehr in vollem Umfang erörtert werden sollen, sondern nur, soweit sie für die Beurteilung der betreffenden Tat von Bedeutung sind, und daß es dem Richter überlassen bleiben soll, wann er diese Vorstrafen zur Sprache bringen will.
    Das bedeutet — ich vermute, daß dieser Gedankengang mit im Hintergrund steht — eine gewisse Annäherung an das amerikanische Verfahrensrecht, nach dem zuerst nur über die Schuldfrage, also über die Frage, ob die betreffende Tat tatsächlich begangen wurde, entschieden wird und erst dann, wenn das „Schuldig" ausgesprochen ist, in einem zweiten Teil des Verfahrens geklärt wird, welche Strafe angemessen ist. Erst dann werden die einschlägigen Vorstrafen erörtert. Auch hier das berechtigte Anliegen, den Richter bei der Wertung von Indizien möglichst unbeeinflußt zu lassen, in diesem Fall unbeeinflußt durch die Tatsache, daß unter Umständen eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn zumindest in den Beratungen zum Ausdruck käme, daß die Erörterung von Vorstrafen nicht am Anfang, sondern erst dann stattfinden sollte, wenn es sich um die Strafzumessung handelt.
    Eine weitere für ein ordnungsgemäßes Verfahren wichtige Frage ist auch, in welcher Form die Protokolle abgefaßt werden sollen. Ich erinnere daran, daß die Formalprotokolle bei den schweren Delikten mit nur einer Tatsacheninstanz außerordentlich heftig angegriffen werden, zumal durch sie die Möglichkeiten der Revision manchmal sehr stark beschnitten werden, weil der festgestellte Tatbestand auch für die Revisionsentscheidung gilt. Auch hier die Frage: Muß auch dies noch als vordringlich mitbehandelt werden, oder kann es bis zur großen Reform zurückgestellt werden?
    Ein weiteres Problem ist, ob der Unterschied zwischen dem Freispruch mangels Beweises und dem Freispruch wegen erwiesener Unschuld aufrechterhalten bleiben soll. Herr Kollege Kanka hat hervorgehoben, daß es nur sehr wenige Freisprüche wegen erwiesener Unschuld gibt. Ja, aber jeder Anwalt weiß doch, daß ein Freispruch wegen erwiesener Unschuld fast unmöglich ist und daß meistens wegen Mangels an Beweisen freigesprochen wird, zumal dann die entsprechenden Folgen, wie Kostenerstattung, Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft usw., nicht eintreten. Aus diesem Grunde neigt erfahrungsgemäß das Gericht, wenn es um das eine oder das andere geht, dazu, nur mangels Beweises freizusprechen. Aber auch ein Freispruch mangels Beweises kann dazu führen, eine Persönlichkeit in ihrem beruflichen Leben, in ihrer gesellschaftlichen Stellung vollkommen unmöglich zu machen.
    Das waren nur einige Gesichtspunkte zu den Problemen, die wir als Freie Demokraten im Rechtsausschuß noch zur Sprache bringen werden. Wir haben aber noch ein ganz großes Anliegen. Die Arbeit der Großen Strafrechtskommission wurde gerade in letzter Zeit auch von Ihnen, Herr Bundesjustizminister, sehr gelobt. Es war für mich überraschend, als ich kürzlich bei der IPU in Japan war, auch von der dortigen Botschaft zu hören, daß die Protokolle der Großen Strafrechtskommission in Japan gar nicht abgewartet werden können, daß dauernd danach



    Frau Dr. Diemer-Nicolaus
    gefragt wird, weil die Japaner — das ist nun einmal das Land, wo ich es zufällig erfahren habe — an dem Material, das hier geschaffen worden ist, derart interessiert sind, daß sie nicht schnell genug davon Kenntnis erhalten können.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Hört! Hört!)

    Seit 1957 habe ich — allerdings als Abgeordnete und damit nicht zu den tragenden Persönlichkeiten der Strafrechtskommission gehörend — die Beratungen mit angehört. Ich habe selten eine derart qualifizierte Diskussion, ein derart konzentriertes Arbeiten in einer Tiefe und Gründlichkeit gesehen, wie das gerade bei der Großen Strafrechtskommission auf allen Seiten der Fall gewesen ist. Das gilt auch von den Herren des Bundesjustizministeriums — das möchte ich hier einmal mit aller Deutlichkeit aussprechen —, die damit eine große zusätzliche Arbeitslast auf sich genommen und hervorragende Arbeit geleistet haben, genauso wie die Professoren, die Richter und die Vertreter der Länder. Ich bin der Auffassung, daß diese Arbeit jetzt ihre Früchte getragen hat, und ich hoffe, daß der nächste Bundestag gleich zu Beginn die Strafrechtsreform in Angriff nimmt.
    Unabhängig hiervon ist es notwendig, daß eine Große Strafverfahrenskommission gebildet wird, damit in gleicher oder ähnlicher Weise die Probleme des Strafverfahrensrechts von Grund auf behandelt werden. Insofern muß ich der Begründung in dem Entwurf widersprechen. Ich halte es nicht für möglich, diese Vorarbeiten zurückzustellen, bis die Strafrechtsreform unter Dach und Fach ist. Die Vorarbeiten werden sehr umfangreich sein. Es wird sich um grundsätzliche Fragen handeln, z. B. ob angloamerikanisches oder kontinentaleuropäisches Prozeßverfahren. Ich bin für das kontinentaleuropäische; das möchte ich nachdrücklich sagen.

    (Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Sie sind also Europäerin!)

    Man sollte sich aber bemühen, gewisse Vorzüge, die das andere Verfahren hat, mit einzubauen. Das erfordert eine gründliche Arbeit. Deswegen werden wir gleich am Anfang der Beratungen im Rechtsausschuß den Antrag stellen, möglichst bald eine Große Strafverfahrenskommission zu bilden.
    Diese Arbeiten dürfen nicht an den Kosten scheitern. Wenn ich mehr Staatsanwälte, mehr Richter brauche, um die eine oder andere notwendige Reform durchzuführen, darf ich nicht mit dem Rechenstift arbeiten und sagen: Das kostet gegebenenfalls soundso viel mehr an Personalaufwand. Es gibt vielmehr bestimmte Gebiete, bei denen sich die Zahl der Personen, die wir brauchen, nach den Bedürfnissen richtet. Wieviel Lehrer wir brauchen, richtet sich nach der Zahl der Kinder, und wieviel Richter und Staatsanwälte wir brauchen, wird sich letzten Endes danach richten, was notwendig ist, um ein wirklich richtiges Verfahrensrecht und ein wirklich richtiges materielles Recht für den Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates zu finden.
    Ich möchte zum Schluß an ein Wort erinnern, das Theodor Heuss, als er zum erstenmal Bundespräsident wurde, am Anfang seiner Amtstätigkeit ausgesprochen hat und das uns bei diesen Reformen Richtschnur sein sollte: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk".

    (Beifall.)