Protokoll:
3095

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 95

  • date_rangeDatum: 20. Januar 1960

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:03 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:39 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 95. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1960 Inhalt: Erklärung zu den antisemitischen Vorfällen Vizepräsident Dr. Schmid . . . . 5231 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Frau Dr. Gantenberg, Dr. Kreyssig, Koch, Maier (Freiburg), Fuchs, Hufnagel und Bundeskanzler Dr. Adenauer . . . 5232 A Abg. Dr. Hahne tritt als Nachfolger des Abg. Dr. Hellwig in den Bundestag ein . 5232 B Mandatsniederlegung des Abg. Walpert. Abg. Jungherz tritt als dessen Nachfolger in den Bundestag ein 5232 B Änderung der Tagesordnung 5233 B Entwurf eines Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen (WStrRG) (Drucksache 46); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft (Drucksache 1501) —Zweite und dritte Beratung — Dr. Winter (CDU/CSU) 5233 D Dr.-Ing. Seebohm, Bundesminister 5234 C Entwurf eines Gesetzes zu den Verträgen vom 3. Oktober 1957 des Weltpostvereins (Drucksache 1332) ; Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksache 1482) — Zweite und dritte Beratung — 5235 C Antrag betr. Erfassung der Kriegsteilnehmer durch die Bundeswehr (SPD) (Drucksache 1280); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 1423) —Erste Beratung —; und Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksache 1424) — Erste Beratung — Wienand (SPD) 5236 A Strauß, Bundesminister 5239 A Kreitmeyer (FDP) 5252 D Dr. Seffrin (CDU/CSU) 5253 C Berkhan (SPD) 5256 B Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) 5261 C Schultz (FDP) 5275 C Probst (Freiburg) (DP) 5278 D Erler (SPD) 5280 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 5280 C, 5281 A, C Merten (SPD) 5280 D Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . 5281 C Fragestunde (Drucksache 1536) Frage des Abg. Kalbitzer: Einreise des Ministerpräsidenten der Provisorischen Algerischen Regierung in die Bundesrepublik Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5264 C, D Kalbitzer (SPD) 5264 D II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1960 Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Verhalten von in den Entwicklungsländern tätigen Deutschen Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5265 A Frage des Abg. Kraft: Ausreise von Deutschen aus der Sowjetunion Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5265 C, D Kraft (CDU/CSU) . . . . . . . 5265 D Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen): Vorlage des Entwurfs eines Konsulargesetzes Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5266 A, B, C Schmitt (Vockenhausen) (SPD) . . 5266 A, B Frage des Abg. Kalbitzer: Überwachung des Hamburger Hafens Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5266 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 5266 D Frage des Abg. Dr. Bucher: Verhalten des deutschen Vertreters anläßlich der Rede von Außenminister Pella zur Südtirolfrage vor den UN Dr. van Scherpenberg, Staatssekretär 5267 A, B Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . 5267 B Frage des Abg. Dr. Arndt: Rückerwerb während der Nazizeit aus den Berliner Sammlungen ins Ausland veräußerter Kunstwerke Dr. Schröder, Bundesminister . . 5267 C, D Dr. Arndt (SPD) . . . 5267 C, D, 5268 A Frage des Abg. Reitz: Altersversorgung für die Pioniere des deutschen Luftverkehrs Dr. Schröder, Bundesminister . . 5268 B, D Dewald (SPD) . . . . . . . . . 5268 D Frage des Abg. Dr. Bucher: Teilnehmer an der Besprechung zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Vertretern des Deutschen Olympischen Komitees am 25. November 1959 Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5268 D, 5269 A Dr. Bucher (FDP) . . . . . . . . 5269 A Frage des Abg. Dr. Schmidt (Gellersen) : Einstellungsbedingungen bei den Europäischen Gemeinschaften Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5269 B Frage des Abgeordneten Lohmar: Finanzierung einer Heilstätte für an multipler Sklerose Erkrankte Dr. Schröder, Bundesminister . . . 5269 C Frage des Abg. Dr. Arndt: Bundespatentamt und Oberstes Bundesgericht Schäffer, Bundesminister . 5269 D, 5270 A Dr. Arndt (SPD) 5270 A Frage des Abg. Schmitt (Vockenhausen) : Befriedigung von Unterhaltsansprüchen umgesiedelter Kinder gegen die in dem unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten zurückgebliebenen Väter Schäffer, Bundesminister 5270 A Frage des Abg. Seuffert: Zusicherung der Zahlung der Soforthilfe nach § 141 BEG an rückkehrwillige Verfolgte Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5270 C, 5271 A Seuffert (SPD) . . . . 5270 C, 5271 A Frage des Abg. Reitzner: Stand der Verhandlungen mit Osterreich betr. Ansprüche der Umsiedler und Heimatvertriebenen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . 5271 B, C Reitzner (SPD) . . . . . . . . 5271 C Frage des Abg. Spitzmüller: Munitionslager bei der Stadt Villingen Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5271 D Frage des Abg. Schultz: Besatzungsfolgeschäden in der Gemeinde Drais Dr. Hettlage, Staatssekretär . . . 5272 A Schultz (FDP) . . . . . . . . 5272 C Frage des Abg. Brück: Zunahme der Unfälle der schweren Lastwagen Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister . 5272 C Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1960 III Frage des Abg. Dr. Brecht: Bekämpfung des Mietpreiswuchers Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister . 5273 B, D, 5274 A Dr. Brecht (SPD) 5273 C, D Frage des Abg. Bauer (Würzburg) : Sylvester-Anzeige des Bundeswirtschaftsministers Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister 5274 A, B Ritzel (SPD) 5274 B Frage des Abg. Cramer: Berechnung von Angestelltenversicherungsrenten beim Zusammentreffen mit Unfallrenten Blank, Bundesminister 5274 B, D Cramer (SPD) 5274 D Frage des Abg. Bals: Teilnahme von Bundeswehrangehörigen an Protestkundgebungen der Kriegsopferverbände gegen die Bundesregierung Strauß, Bundesminister . . . 5275 A, B Bals (SPD) 5275 A, B Frage des Abg. Lohmar: Vorlage des Entwurfs des sogenannten Traditionserlasses für die Bundeswehr Strauß, Bundesminister . . . . . 5275 B Entwurf eines Gesetzes über Personalvertretungen im Bundesgrenzschutz (Drucksache 1458) — Erste Beratung — . . . . 5282 A Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sowie zur Einführung der Vorschriften über die Gemeinlast und weiterer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland (Gesetz über Bundeszuschüsse und Gemeinlast) (Drucksache 1460) — Erste Beratung — . . . . . . 5282 B Entwurf eines Gesetzes über das Ausscheiden von nicht bergmännischen Betrieben aus der knappschaftlichen Versicherung (FDP) (Drucksache 1483) — Erste Beratung — 5282 B Entwurf eines Gesetzes über das Verbot des Schlachtens von Hunden und Katzen (Drucksache 1485) — Erste Beratung — 5282 C Entwurf eines Gesetzes über die Frist für die Anfechtung von Entscheidungen des Deutschen Patentamts (CDU/CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 1490 [neu]) — Erste Beratung — Jahn (Marburg) (SPD) 5282 D Entwurf eines Gesetzes über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit (BauStatGes) (Drucksache 1491) — Erste Beratung — 5283 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen . vom 12. August 1959 mit der Republik Island über den Luftverkehr (Drucksache 1507) — Erste Beratung — . . . . . . 5283 C Entwurf eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung (Getreidepreisgesetz 1960/61) (Drucksache 1508) — Erste Beratung — . . . . . 5283 D, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen (Drucksache 1511) — Erste Beratung — . . . . . . . . . 5284 A Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes (Abg. Memmel, Höcherl, Schlee, Frau Pitz-Savelsberg, Dr. Leiske, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache 1449) — Erste Beratung — 5284 A Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (FDP) (Drucksache 1443) — Erste Beratung — . . . 5284 B Antrag betr. Europäisches Abkommen über Weinerzeugung und Weinhandel (Abg. Jacobs, Lücker [München], Gerns u. Gen.); Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksachen 830, 1500) . . . . 5284 B Antrag betr. Bericht über die Lage der Mittelschichten (SPD) ; Schriftlicher Bericht des Mittelstandsausschusses (Drucksachen 712, 1516) 5284 C Antrag betr. Empfehlung des Europarates zur Berufsausbildung junger Flüchtlinge (Abg. Paul, Schütz [München] u. Gen.); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksachen 905, 1446, zu 1446) 5284 D IV Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1960 Entwurf einer Verordnung auf Grund des Artikels 79 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen; Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksachen 1497, 1538) . . . 5285 A Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung (Drucksachen 1143, zu 1143) ; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (FDP) (Drucksache 1527) — Erste Beratung — und Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (SPD) (Drucksache 1551) — Erste Beratung — . . . . . . . . 5285 B Antrag betr. junge Deutsche in der Fremdenlegion (SPD) (Drucksache 1463) . . . 5285 C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 453 [neu]) 5285 C Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal], Dr. Bergmeyer, Wacher, Dr. Preusker, Eberhard und Fraktionen der CDU/CSU, DP, FDP) (Drucksache 1468) — Erste Beratung — Dr. Atzenroth (FDP) 5285 D Antrag betr. Trockenheitsschäden (CDU/ CSU, SPD, FDP, DP) (Drucksache 1552) Dr. Mommer (SPD) 5286 A Nächste Sitzung 5286 C Anlage 5287 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 95. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1960 5231 95. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.03 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Bauer (Wasserburg) 23. 1. Bauer (Würzburg) * 23. 1. Frau Beyer (Frankfurt) 20. 1. Fürst von Bismarck * 23. 1. Blachstein * 23. 1. Frau Blohm 22. 1. von Bodelschwingh 20. 1. Caspers 20. 1. Corterier * 23. 1. Dr. Deist 21. 1. Dopatka 23. 1. Eberhard 23. 1. Dr. Furler * 23. 1. Gerns * 23. 1. D. Dr. Gerstenmaier 22. 1. Hahn 23. 1. Dr. Harm* 23. 1. Heye * 23. 1. Dr. Höck (Salzgitter) 20. 1. Hoogen 22. 1. Frau Dr. Hubert * 23. 1. Jacobs * 23. 1. Frau Klemmert 23. 1. Dr. Kopf * 23. 1. Kramel 23.1. Krammig 20. 1. Kühn (Köln) * 23. 1. Leber 22. 1. Dr. Leverkuehn * 23. 1. Lohmar 23. 1. Lulay 23. 1. Frau Dr. Maxsein * 23. 1. Dr. Mende * 23. 1. Dr. Menzel 21. 1. Dr. Meyer (Frankfurt) * 23. 1. Frau Meyer-Laule 23. 1. Müller (Erbendorf) 20. 1. Paul * 23. 1. Dr. Pferdmenges 23. 1. Dr. Pflaumbaum 23. 1. Prennel 23. 1. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Preusker 22. 1. Frau Dr. Rehling * 23. 1. Frau Renger * 23. 1. Dr. Rüdel (Kiel) 21. 1. Scheel 20. 1. Dr. Schmid (Frankfurt) * 23. 1. Schmücker 20. 1. Frau Seppi 23. 1. Dr. Serres * 23. 1. Dr. Steinmetz 22. 1. Dr. Wahl * 23. 1. Frau Dr. h. c. Weber (Essen) * 23. 1. Wehr 23. 1. Weinkamm 23. 1. Werner 20.1. Wienand * 23. 1. Dr. Zimmer * 23. 1. b) Urlaubsanträge Frau Albertz 29. 2. Altmaier * 29. 1. Deringer 26. 1. Dr. Dittrich 30. 1. Dowidat 6. 2. Even (Köln) 6. 2 Frau Friese-Korn 28. 1. Gaßmann 31. 1. Dr. Greve 31. 1. Dr. Gülich 16. 4. Höfler * 29. 1. Jacobi 25. 1. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Leukert 16. 2. Maier (Freiburg) 16. 4. Mauk 28. 1. Frau Pitz-Savelsberg 3. 2. Scharnowski 15. 2. Schneider (Bremerhaven) 8. 2. Seidl (Dorfen) * 29. 1. Dr. Starke 31. 1. Frau Welter (Aachen) 31.1. D. Willeke 1. 3. * für die Teilnahme an der Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Erklärung des Präsidenten
In der Weihnachtsnacht haben üble Gesellen das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde zu Köln mit Hakenkreuzen und antisemitischen Schmähungen beschmiert. Seitdem haben sich im Bundesgebiet weitere Fälle ähnlicher Sudeleien antisemitischen oder nazistischen Inhalts ereignet. Die Regierung wird dem Bundestag sicher in Kürze alles Material vorlegen.
Daß dies in unserem Lande geschehen konnte, ist eine Schande — eine Schande, die dadurch nicht geringer wird, daß auch in anderen Ländern Wände mit Hakenkreuzen und mit Schmähungen des jüdischen Volkes befleckt wurden. Wir Deutsche haben kein Recht, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Anderswo sind unter dem Hakenkreuz zwar Rüpeleien erfolgt, bei uns aber sind in seinem Zeichen sechs Millionen Juden ermordet worden. Darum ist, was in diesen Wochen geschah, bei uns schändlicher als anderswo. Darum muß bei uns die Reaktion dagegen moralisch und mit dem Liktorenbündel stärker sein und aus tieferen Einsichten kommen als bei den anderen.
Gewiß: es ist sicher, daß die Exzesse, deren wir uns schämen, recht verschiedene Ursachen und Urheber haben, In einigen Fällen mag herostratische Großmannssucht, der Wunsch, auch in die Wochenschau und in die Zeitung zu kommen, eine Rolle gespielt haben. In einigen Fällen war politisches Sektierertum am Werke, das dazuhin von irgendwoher gelenkt worden sein mag. In einigen Fällen hat sich Halbstarkentum breitgemacht. Wir sollten uns bei solchen Feststellungen nicht beruhigen. Daß diese Halbstarken, von denen die meisten 1945 keine zehn Jahre alt waren und noch keinen Juden von Angesicht zu Angesicht gesehen haben, sich nicht im Umwerfen von Autos und Einschlagen von Fenstern austobten, sondern in antisemitischen Sudeleien, zeigt, daß es bei vielen unter der Schwelle des Bewußtseins noch unaufgeräumte Unratecken gibt. Daran mögen Eltern schuld sein; daran mögen Lehrer schuld sein; daran mögen Minderwertigkeitsgefühle schuld haben. Vielleicht gibt es da und dort noch ein seelisches Klima, das solche Gespenster beruft.
Daß es so ist, geht uns alle an. Hier liegt für uns alle eine Aufgabe, und wenn wir mit dieser Aufgabe nicht fertig werden, wird unser Volk nicht gesunden. Solange bei uns einer sagen kann, ohne fürchten zu müssen, daß man ihm den Rücken kehrt: Das Verhalten des „Dritten Reiches" den Juden gegenüber sei eine schlimme Dummheit gewesen, habe es doch uns die ganze Welt zu Feinden gemacht, solange bei uns in der Absicht zu exkulpieren darüber diskutiert werden kann, ob sechs Millionen oder „nur" drei Millionen Juden ermordet worden sind, solange bei uns nicht jedes Kind darüber belehrt worden ist und begriffen hat, daß das Problem nicht ist, ob sechs oder drei Millionen, sondern ob null oder einer ermordet worden sind, so lange haben wir — auch jene in unserem Volk, die in der verruchten Zeit saubere Hände behielten — versagt. Vor allem aber werden wir versagen, solange wir, was an den Synagogen getan worden ist, in erster Linie nicht unter dem Aspekt der Moral, sondern unter dem Gesichtswinkel des möglichen Schadens betrachten, den die Bundesrepublik politisch erlitten haben mag.
Manche haben bedauert, daß die Presse von diesem Schmutze so viel Aufhebens gemacht habe — vor allem aber haben dies auch Vertreter der jüdischen Gemeinden getan. Sicher ist durch dieses Aufheben ein Dutzend Halbstarker mehr befeuert worden — vielleicht war dies aber gut: es gibt Lagen, in denen man die schlafenden Höllenhunde wecken muß, um an ihrem Gebelle innezuwerden, wie nahe wir der Hölle noch sind.
Nur indem wir jenes Finstere, das da und dort in unserem Volke noch sein Unwesen treibt, auflösen, werden wir es bannen. Freilich sollte man uns dabei auch von außen helfen: man sollte draußen nicht nur die Sudeleien sehen, sondern auch die Reaktion der unzähligen Menschen, vor allem der unzähligen jugendlichen Menschen unseres Volkes, die sich dagegen aufbäumen. Diesen gilt es Mut zu machen. Man darf diesen jungen Menschen nicht das Gefühl lassen, sie seien allein oder gehörten gar auch zu den Verfehmten. Man sollte sich ihnen brüderlich gesellen. Geschieht dies, dann werden auch bei uns die Gespenster weichen.
Bei den Dingen, von denen ich spreche, geht es um die Freiheit und um die Wahrheit — nicht in



Vizepräsident Dr. Schmid
einem nur theoretischen Sinn; es geht darum, diese Tugenden in uns lebendig zu machen, so etwa, wie Schiller es seinem Freunde Körner schrieb: „Das erste Gesetz ist: schone die fremde Freiheit. Das zweite Gesetz ist: zeige selbst Freiheit." Es gibt aber keine Freiheit außerhalb der Wahrheit, in die man sich je und je mit allem, was einem die Geschichte auf die Schultern geladen hat, stellt.

(Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Ehe ich in der Tagesordnung fortfahre, habe ich einige Glückwünsche auszusprechen, zunächst der Abgeordneten Frau Dr. Gantenberg,

(Beifall)

dann dem Abgeordneten Dr. Kreyssig, der 60 Jahre alt geworden ist,

(Beifall)

dem Abgeordneten Koch, der sich in der gleichen Lage befindet,

(Beifall und Heiterkeit)

dem Abgeordneten Maier (Freiburg), der 65 Jahre alt wurde

(Beifall)

und dem ich die guten Wünsche des Hauses zu seiner baldigen Genesung aussprechen zu dürfen bitte —

(erneuter Beifall)

er ist ja, wie Sie wissen, sehr krank —,
dem Abgeordneten Fuchs, der ebenfalls 60 Jahre alt geworden ist,

(Beifall)

dann dem Herrn Bundeskanzler, dessen Alter so bekannt ist, daß ich es nicht zu nennen wage,

(Beifall und Heiterkeit)

und dem Abgeordneten Hufnagel, der ein Jüngling von 60 Jahren ist.

(Beifall und Heiterkeit.)

Für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Hellwig ist mit Wirkung vom 7. Dezember 1959 der Abgeordnete Dr. Hahne in den Bundestag eingetreten. Ich wünsche ihm und uns Glück dazu.

(Beifall.)

Mit Wirkung vom 12. Januar 1960 hat der Abgeordnete Walpert sein Mandat niedergelegt. Als sein Nachfolger ist mit Wirkung vom 19. Januar 1960 der Abgeordnete Jungherz in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße auch ihn in unserer Mitte und wünsche auch ihm eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall.)

Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1959 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zu dem Berichtigungsprotokoll vorn 1. Juli 1955 zu dem Abkommen über das Zolltarifschema für die Einreihung der Waren in die Zolltarife
Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und hei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer
Gesetz über die Gewährung eines Darlehens an die Türkische Republik
Zehntes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung
Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes
Gesetz zu der Vereinbarung vom 6. Juni 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgensssenschaft über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden Zivilstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)

Gesetz zu dem Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland und Italiens zu den zwischen den Regierungen Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland geschlossenen und am 17. April 1950 in Brüssel unterzeichneten Übereinkommen über Grenzarbeitnehmer und über Gastarbeitnehmer
Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft
Gesetz über die Durchführung laufender Statistiken im Handel sowie über die Statistik des Fremdenverkehrs in Beherbergungsstätten (HFVStatG)

Viertes Bundesgesetz zur Änderung der Gewerbeordnung
Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz)

Überleitungsgesetz für die Bundesfernstraßen im Saarland
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst
Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Zweites Gesetz über die Anpassung der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen aus Anlaß der Veränderung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1959 (Zweites Rentenanpassungsgesetz — 2. RAG)

Gesetz zur Anpassung des Rechnungsjahres an das Kalenderjahr
Drittes Gesetz zur Änderung des Getreidegesetzes
Ferner hat der Bundesrat beschlossen, der Entschließung des Bundestages vom 2. Dezember 1959 zum
Dritten Gesetz zur Änderung des Getreidegesetzes beizutreten.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, hinsichtlich des
Gesetzes zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes
zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache 15 02 verteilt.
Das Auswärtige Amt hat unter dem 15. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Rechtssicherheit (Drucksache 1440) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1494 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 14. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Arndgen, Winkelheide, Katzer und Genossen betr. gleitende Arbeitswoche (Drucksache 1445) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1495 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 17. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wieninger, Dr. Dollinger und Genossen betr. Gründung landwirtschaftlicher Wegbau-Zweckverbände (Drucksache 1451) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1498 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 17. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Josten, Gibbert, Franzen und Genossen betr. Bau der Eifel-Autobahn (Drucksache 1450) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1499 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 21. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Winkelheide, Even, Wullenhaupt, Teriete und Genossen betr. Koalitionsfreiheit (Drucksache 1345) beantwortet. Sein Schreiben Ist als Drucksache 1505 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 16. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heye, Dr. Kliesing (Honnef), Gerns, Dr. Mende und Genossen betr. Empfehlung Nr. 35 der Versammlung der Westeuropäischen Union über den derzeitigen Stand der Europäischen Sicherheit (Drucksache 1354) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1506 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 22. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Stellenpläne der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost (Drucksache 1467) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1510 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 21. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kopf, Dr. Harm und Genossen betr. Vereinfachung der Grenzformalitäten (Drucksachen 1366) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1512 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Gleichbehandlung von privaten Alters- und Hinterbliebenenversicherungen mit der Sozialversicherung im Erbschaftsteuergesetz (Drucksache 1465) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1513 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Änderung des Bewertungsgesetzes und des Vermögensteuer-



Vizepräsident Dr. Schmid
gesetzes (Drucksache 1466) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1514 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Entschädigung für die Rückgabe sogenannter Überschußgüter (Drucksache 1469) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1515 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 31. Dezember 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Anwendung des j 14 des Gesetzes zur Förderung der Wirt-schalt von Berlin (West) in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 1959 (Drucksache 1480) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1521 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 6. Januar 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld), Frau Dr. Dr. h. c. Lüders und Genossen betr. Aufnahme Spaniens in die NATO (Drucksache 1488) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1523 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 12. Januar 1960 die Kleine Anfrage der Fraktion der DP betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs für die Schlußnovelle des Gesetzes zu Artikel 131 GG (Drucksache 1517) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1543 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat am 9. Dezember 1959 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 12. Juni 1959 über die Einstellung ehemaliger Berufssoldaten (Übergangsgehaltsempfänger) als Ergänzungsoffiziere oder -unteroffiziere in die Bundeswehr und in Organisationen des zivilen Bevölkerungsschutzes berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1489 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 8. Dezember 1959 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 8. April 1959 eine Ubersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen nach dem Stand vom 1. Oktober 1959 überreicht, die als Drucksache 1496 verteilt ist.
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hat am 16. Dezember 1959 unter Bezugnahme auf § 120 q der Gewerbeordnung mitgeteilt, daß auf Grund des § 120 e der Gewerbeordnung die Verordnung zur Aufhebung der Bekanntmachung betreffend die Einrichtung und den Betrieb gewerblicher Anlagen zur Vulkanisferung von Gummiwaren vom 1. März 1902 erlassen wurde. Seine Mitteilung ist als Drucksache 1504 verteilt.
Der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat unter dem 5. Januar 1960 Abdruck des zwischen dem Bund und dem Land Niedersachsen geschlossenen Vertrags über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk GmbH und über die Errichtung einer „Stiftung Volkswagenwerk" zur Kenntnisnahme übersandt. Sein Schreiben ist als Drucksache 1522 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 13. Ja-near 1960 auf Grund des Beschlusses des Bundestages am 25. Juni 1959 über den Wegfall der Ortsklasse B berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1544 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 14. Januar 1960 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundestages vom 14. Dezember 1956 den Bericht über den Fortgang der Arbeiten zur Schiffbarmachung der Mosel für das Jahr 1959 übersandt, der als Drucksache 1545 verteilt wird.
Die Fraktion der DP hat mit Schreiben vom 14. Januar 1960 ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Artikels 74 Nr. 13 des Grundgesetzes (Drucksache 60) und ihren Antrag betr. Errichtung eines Bundesministeriums für Wissenschaft, Unterricht und Erziehung (Drucksache 61) zurückgezogen.
Interfraktionell wurde vereinbart, die erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. .Schmidt (Wuppertal), Dr. Bergmeyer, Wacher, Dr. Preusker, Eberhard und Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes — Drucksache 1468 — noch auf die Tagesordnung zu nehmen. Ich gebe dazu bekannt, daß die Fraktion der FDP ihre Unterschrift unter diesen Gesetzentwurf mit Schreiben vom 19. Januar 1960 zurückgezogen hat. Ist das Haus mit der Aufsetzung der Drucksache 1468 einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann wird die Tagesordnung entsprechend ergänzt.
Weiter wurde interfraktionell vereinbart, den Antragstier Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betreffend Trockenheitsschäden — Drucksache 1552 — noch auf die Tagesordnung zu nehmen. Ist das Haus mit der Aufsetzung der Drucksache 1552 einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; dann wird die Tagesordnung entsprechend ergänzt.
Ferner wurde mir mitgeteilt, daß eine interfraktionelle Vereinbarung geschlossen worden ist, den
Punkt 17 der Tagesordnung, die erste Beratung des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes Saar —Drucksache 1541 — für heute abzusetzen und am kommenden Mittwoch zu beraten. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung — die Fragestunde wird heute nachmittag, als erster Punkt der Tagesordnung für Nachmittag, stattfinden —:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen (WStrRG) (Drucksache 46),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Atomkernenergie und Wasserwirtschaft (26. Ausschuß) (Drucksache 1501)

(Erste Beratung 6. Sitzung).

Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Winter. — Herr Abgeordneter Dr. Winter, verzichten Sie auf Berichterstattung? —

(Abg. Dr. Winter: Ich beziehe mich auf den Schriftlichen Bericht!)

Der Herr Berichterstatter verzichtet. Das Haus ist damit einverstanden.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Winter.

Dr. Friedrich Winter (CSU):
Rede ID: ID0309500100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs weiß dieses Haus, daß ich persönlich eine Stellung einnehme, die zu dem Gesetzentwurf negativ ist. Trotzdem hat der federführende Ausschuß mich zum Berichterstatter gemacht. Wenn Sie den Schriftlichen Bericht zur Hand nehmen — auf den ich Bezug genommen habe —, werden Sie mir sicherlich zugestehen, daß ich meinen Berichterstatterpflichten loyal nachgekommen bin.
Ich muß nun aber meinen persönlichen Standpunkt vertreten, der von dem offiziellen Standpunkt des Ausschusses abweicht.
Ich bin im federführenden Ausschuß und im Rechtsausschuß überstimmt, aber nicht überzeugt worden. Ich halte dieses Gesetz nach wie vor für verfassungswidrig. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, daß dieses Haus keine Kompetenz für dieses Gesetz hat. Der Bundestag hat nach Art. 75 Ziffer 4 des Grundgesetzes auf dem Gebiete des Wasserrechts ausschließlich eine Kompetenz für den Erlaß von Rahmenvorschriften.

(Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309500200
Ich bitte, die Sitzung unterbrechen zu dürfen. — Meine Damen und Herren! Ich bitte, Unterhaltungen außerhalb des Plenarsaales zu führen.

(Zurufe.)

— Meine Damen und Herren, ich bitte, Unterhaltungen außerhalb des Plenarsaales zu führen.




Dr. Friedrich Winter (CSU):
Rede ID: ID0309500300
Diese Kompetenz für eine Rahmengesetzgebung hat der Deutsche Bundestag vor etwa drei Jahren mit dem Erlaß des Wasserhaushaltsgesetzes in Anspruch genommen. Aus Art. 74 Ziffer 21 ergibt sich für meine Begriffe keine Erweiterung dieser Kompetenz, auch keine' auf das Gebiet der Bundeswasserstraßen beschränkte Erweiterung dieser Kompetenz.
Ich bin weiter der Überzeugung, daß die in dem Gesetz für die Bundesbehörden in Anspruch genommene Verwaltungsbefugnis nicht mit dem Grundgesetz im Einklang ist.
Ich bin aber vor allem der Überzeugung, daß dies, unabhängig von der Zulässigkeit, auch nicht vernünftig ist. Das Gesetz würde in der Form, in der es nun vorliegt, praktisch bedeuten, daß außer den elf Bundesländern auch die Bundesrepublik selbst ein Ausführungsgesetz zum Wasserhaushaltsgesetz erläßt,

(Abg. Wehner: Die Flüsse fließen nun mal durch Ländergrenzen!)

und würde für dieses Bundes-Ausführungsgesetz zum Wasserhaushaltsgesetz einen Geltungsbereich schaffen, der rechtlich einem zwölften Bundesland gleichkommt und der geographisch aus den schmalen Streifen der Bundeswasserstraßen, herausgeschnitten aus dem Geltungsbereich der Ländergesetze, besteht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dabei eine gesunde Verwaltung möglich ist. Niemand kann weder nach diesem Gesetzentwurf noch sonst nach irgendwelchen Grundsätzen für die Bundeswasserstraßen den Geltungsbereich dieses Gesetzes vom Geltungsbereich der Landwassergesetze echt abgrenzen. Wo dieses Gesetz angewendet wird, kann die Anwendung auf die Dauer nur zu unerträglichen Reibungen der beiderseitigen Behörden führen. Niemand wird an einer Bundeswasserstraße oder in ihrer Nähe noch verbindlich sagen können, ob eine wasserrechtliche Maßnahme auf dieses Gesetz oder auf das Gesetz des betreffenden Landes gestützt werden muß. Fast in allen Fällen werden sich Kompetenzstreitigkeiten, werden sich Reibungen an den Vollzug dieses Gesetzes knüpfen. Ich halte daher das Gesetz auch nicht für vollziehbar, jedenfalls nicht im Interesse der Reinhaltung unserer Gewässer.
Ich darf dabei noch ausdrücklich erklären, daß mir die Wichtigkeit des Anliegens des Gesetzes völlig klar ist. Ich glaube nicht, daß es hier jemanden gibt, der mehr als ich davon durchdrungen ist, daß die Reinhaltung unserer Gewässer schlechthin einschließlich der Bundeswasserstraßen für uns Staatsbürger eine der lebenswichtigsten Aufgaben ist. Ich halte nur den Weg, der hier vorgeschlagen ist, für nicht gangbar. Ich werde daher dem § 1 dieses Gesetzentwurfs nicht zustimmen, und diejenigen, die mit mir der gleichen Auffassung sind; werden ebenfalls gegen den § 1 stimmen. Um mir eine spätere Wortmeldung zu ersparen, darf ich gleich hinzufügen, daß das gleiche für die §§ 10, 11 und 33 gilt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309500400

( Bundesverkehrsminister. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der zur zweiten und dritten Lesung ansteht, ist das Ergebnis einer mehr als zehnjährigen Arbeit, die wir gemeinsam mit dem Bundestag in seiner 2. und 3. Legislaturperiode vollbracht haben. In der 2. Legislaturperiode hat der Bundestag auf Grund der Bundeszuständigkeit für die Rahmengesetzgebung das Wasserhaushaltsgesetz erlassen. Es war klar, daß dieses Wasserhaushaltsgesetz als Rahmengesetz durch entsprechende Gesetze ergänzt werden mußte, die für den Bereich zu erlassen waren, für den die Zuständigkeit bei den verschiedenen gesetzgebenden Instanzen liegt. Es besteht gar kein Zweifel darüber der Rechtsausschuß dieses Hohen Hauses hat das nach eingehenden Beratungen mit großer Mehrheit bejaht —, daß für die Bundeswasserstraßen die Gesetzgebungszuständigkeit und auch die Verwaltungszuständigkeit von dem Grundgesetzgeber für den Bund festgelegt ist. Also mußte auch auf diesem Gebiet der Bund den Rahmen des Wasserhaushaltsgesetzes ausfüllen. Aber nicht nur dies, sondern auch der sachliche Umfang ist es, der notwendigerweise eine Regelung verlangt. Wir dürfen ja nicht vergessen — und das muß ich im Gegensatz zum Herrn Kollegen Dr. Winter sagen —, daß die Bundeswasserstraßen eine Länge von 4350 km haben und daß daher in dem Wasserhaushaltsgesetz etwas nicht behandelt ist, das hier behandelt werden konnte und auch zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehört, das sind die Seewasserstraßen, für die das Wasserhaushaltsgesetz nicht gilt. Daß gerade auch bei den Seewasserstraßen das dringende Bedürfnis nach Reinhaltung besteht und daß dafür die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben ist, dürfte unbestritten sein. Der Herr Kollege Winter hat darauf hingewiesen, daß es schwierig sein würde, in der Verwaltung die Abgrenzung zu den Landeswasserstraßen zu finden. Ich darf mir erlauben zu bemerken, daß wir seit vielen Jahren eine Bundeswasserstraßenverwaltung haben, die mit den Ländern ausgezeichnet zusammenarbeitet, und daß die Abgrenzung der Zuständigkeiten hier praktisch niemals zu wirklich nennenswerten Schwierigkeiten geführt hat, so daß auch bei der Reinhaltung diese Schwierigkeiten nicht zu befürchten sein werden. Ich darf Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf hinweisen, daß es für die Länder praktisch gar nicht möglich ist, die Reinhaltungsvorschriften für eine Bundeswasserstraße zu erlassen. Sie müssen bedenken, daß vielfach das eine Ufer zu dem einen Land, das andere Ufer zu einem anderen Land gehört, daß z. B. die Weser in ihrem Lauf 27mal über deutsche Ländergrenzen wechselt und daß letzten Endes eine Verunreinigung nicht nur von den Ufern, sondern auch von den Geschehnissen des auf dem Strom ablaufenden Verkehrs, dessen Regelung zweifellos dem Bund zusteht, her erfolgt. Eine Zusammenfassung dieser Zuständig Bundesminister Dr.-Ing. Seebohm keiten in guter Zusammenarbeit mit den Ländern wird unser selbstverständliches Anliegen sein und, glaube ich, auch erreicht werden. Mein verehrter Herr Kollege Balke hat gerade vor wenigen Tagen in bewegenden Worten geschildert, wie schwer es ihm gemacht wird, seine Aufgabe zu erfüllen, weil die Ausführungsgesetze der Länder zum Wasserhaushaltsgesetz teils bisher noch nicht erlassen sind, ja, sich nicht einmal in Vorbereitung befinden, und teils außerordentlich große Unterschiede aufweisen, so daß die Anwendung dieser Landesgesetze auf die durchgehenden Bundeswasserstraßen einfach zu einer Unmöglichkeit wird. Herr Kollege Balke und ich sind deswegen der Auffassung, daß wir ein Gesetz, wie es Ihnen vorliegt, brauchen, um die Aufgaben, die in unserer gemeinsamen Zuständigkeit liegen, und die Aufgaben, die darüber hinausreichen und in seiner oder in meiner Zuständigkeit liegen, gut durchführen zu können. Ich glaube, daß die Bundesregierung nach langer Vorbereitung hier einen Vorschlag gemacht hat, der wirklich praktikabel ist. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie den Antrag des Herrn Kollegen Winter ablehnten. Sie dürfen überzeugt sein, daß die Ausführung dieses Gesetzes wie auch seine Konzeption zwischen Herrn Balke und mir niemals auch nur die geringsten Differenzen gebracht hat oder bringen wird. Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Paragraphen nicht vor. Ich lasse abstimmen. Wer § 1 zustimmen will, möge die Hand erheben. Gegenprobe! Wieviel Enthaltungen? Bei einer Enthaltung gegen acht Stimmen angenommen. Ich rufe auf die §§ 2, 3, 4, 5, 6, 7, - 8, 9, 9a. -Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, möge die Hand erheben. Gegenprobe! Enthaltungen? Bei einigen Enthaltungen angenommen. § 10! Wer dieser Bestimmung zustimmen will, möge die Hand erheben. Gegenprobe! Gegen einige Stimmen angenommen. Ich rufe weiter auf die §§ 11, 11a, 11b, 11 c, 11d, 12, 13, 14, 15, 16, 17, - 18, 19, 20, 21, 21a, 22 § 23 entfällt -, 24, 25, 26, 27. Angenommen. Ich rufe auf § 28. In § 28 Abs. 1 der Regierungsvorlage soll als redaktionelle Änderung vor dem Wort vorläufig das Wort für eingefügt werden. Ist das Haus einverstanden? § 28 ist in dieser Fassung beschlossen. § § 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, -36, 37, 38. Angenommen. Ich rufe auf § 39. Darin ist in der vorletzten Zeile das Wort „und" durch das Wort oder zu ersetzen. Ist das Haus einverstanden? § 39 ist so angenommen. § 40, 41, 42, 43, 44, 45, Einleitung und Überschrift. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben. Gegenprobe! Enthaltungen? Gegen wenige Stimmen und bei Enthaltungen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung. Ich rufe auf zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hierzu wird nicht gewünscht. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. Gegenprobe! Enthaltungen? Bei 2 Enthaltungen und einigen Gegenstimmen angenommen. Punkt 3 der Tagesordnung ist damit erledigt. Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 3. Oktober 1957 des Weltpostvereins Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Postund Fernmeldewesen Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Höck. Wünscht das Haus eine mündliche Berichterstattung? Offenbar nicht! Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Artikel 1, Artikel 2, Artikel 3, Einleitung und Überschrift. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der möge die Hand erheben, Gegenprobe! Enthaltungen? Ich stelle einstimmige Annahme fest. Die zweite Beratung ist beendet. Ich eröffne die dritte Beratung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zustimmen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: a)

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0309500500

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309500600

(Erste Beratung 91. Sitzung).

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 1423),
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksache 1424).
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sollen die Anträge unter Punkt 5 a, b und c zunächst eingebracht und begründet werden. Anschließend
det die Aussprache über sämtliche drei Teile dieses Punktes der Tagesordnung statt. Wer begründet Punkt 5 a? Das Wort hat der Abgeordnete Wienand,




Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0309500700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits am 18. Februar 1959 hatte die SPD-Fraktion den Antrag gestellt, die Bundesregierung möge von der Erfassung und Musterung des Geburtenjahrganges 1922 Abstand nehmen. Dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 8. April behandelt. Es zeigte sich in dieser Sitzung, daß die Regierungsmehrheit in diesem Hause nicht bereit war, unseren Antrag zu unterstützen. Wir haben deshalb der Überweisung des Antrages an den Verteidigungsausschuß zugestimmt.
Bei der Beratung dieses Antrages im Ausschuß erweckte ein Vertreter des Verteidigungsministeriums uns gegenüber den Eindruck, daß vor einer endgültigen Entscheidung über die Erfassung des Jahrganges 1922 zunächst eine Novelle zum Wehrpflichtgesetz beraten werden würde, welche unter anderem die Frage der Territorialverteidigung klären sollte. Deshalb wurde damals im Verteidigungsausschuß nach unserem Dafürhalten die weitere Behandlung unseres Antrages zurückgestellt, bis diese Novelle zum Wehrpflichtgesetz vorliegen würde.
Die Novelle zum Wehrpflichtgesetz liegt heute vor, und sie wird wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Verteidigungsausschuß zur Beratung überwiesen werden. Die Bundesregierung hat, ohne die Erörterung im Verteidigungsausschuß im Zusammenhang mit der Novelle zum Wehrpflichtgesetz bzw. im Zusammenhang mit der angekündigten Debatte über die Territorialverteidigung abzuwarten, mit der Erfassung begonnen.
Als wir nach Beginn der Erfassung, aus den Sommerferien zurückkehrend, im Verteidigungsausschuß erneut die Beratung unseres im Februar eingebrachten Antrages beantragten, lehnte die Regierungsmehrheit diese Beratung ab. Die SPD-Fraktion hat deshalb am 14. Oktober 1959 den Antrag Drucksache 1280, betreffend Erfassung der Kriegsteilnehmer durch die Bundeswehr, eingebracht. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
von der Erfassung, Musterung und Einziehung der Jahrgänge, die im zweiten Weltkrieg als Soldaten gedient haben, Abstand zu nehmen und bereits eingeleitete Maßnahmen aufzuheben.
Ich möchte hier nicht wieder die gesamte Debatte heraufbeschwören, die am 8. April stattgefunden hat. Es ist auch nicht unsere Absicht, eine Grundsatzdebatte über die Wehrpflicht zu führen. Wir möchten nur aufzeigen, welchen Weg diese Angelegenheit genommen hat, und noch einmal unser Anliegen erhärten, um heute in diesem Hause eine Mehrheit für unseren Antrag zu bekommen.
Ich sagte schon, daß wir keinen Wert auf eine allgemeine Wehrdebatte legen, es sei denn, daß sie von der Regierungsmehrheit oder von der Regierung gewünscht wird. Wir legen aber Wert darauf, unseren Standpunkt noch einmal zu betonen und festzustellen, daß all die Schwierigkeiten — die nicht nur psychologisch bedingt sind — nicht heraufbeschworen worden wären, wenn man sich früh genug mit der von uns entwickelten Alternative auseinandergesetzt hätte und auf unsere Vorschläge eingegangen wäre, die übernommenen Verpflichtungen mit länger dienenden Freiwilligen und und Berufssoldaten zu erfüllen. Statt dessen hat man geglaubt, die Erfüllung dieser Verpflichtungen mit der allgemeinen Wehrpflicht und mit der Erfassung und eventuell der Musterung und Einberufung auch der kriegsgedienten Jahrgänge erreichen zu müssen. Man sollte also der Opposition nicht unterstellen, daß sie mit ihren Anträgen die Verteidigungskraft der Bundesrepublik lähmen wolle. Wir sind der Überzeugung, daß die — wenn auch gegen unseren Willen übernommenen — vertraglichen Verpflichtungen sehr wohl auf der Basis der Freiwilligkeit der einzuziehenden Soldaten erfüllt werden können. Darauf basieren unsere Überlegungen, die im einzelnen für meine Fraktion vorzutragen ich die Ehre habe.
Das Wehrpflichtgesetz ist vor einigen Jahren gegen den Willen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion von der Regierungsmehrheit beschlossen warden. Wir haben schon damals in der Debatte um das Wehrpflichtgesetz um die Regelung der heute anstehenden Frage gerungen und eine Reihe von Anträgen dazu eingebracht, die alle abgelehnt worden sind. Diese Anträge zielten darauf ab, wenigstens diejenigen von der Wehrpflicht auszunehmen, die im Kriege gedient haben, insbesondere diejenigen, die gegen die Eingehung bestimmter Verpflichtungen aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden sind.
Wir haben es, als die Erfassung des Jahrganges 1922 eingeleitet wurde, erlebt, daß sich ein Widerstand bemerkbar machte, der nach unserem Dafürhalten die Bundesregierung und auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion beeindruckt hat. Ich darf als ein immerhin günstiges Ergebnis der bisherigen Debatte festhalten, daß ein Beamter des Verteidigungsministeriums vor einigen Wochen erklärte, man wolle zunächst davon Abstand nehmen, zu sagen, was jetzt weiter geschehen solle; der Minister wolle zunächst einmal die heutige Debatte abwarten. Das scheint mir ein Beweis dafür zu sein, daß auch der Minister in den letzten Monaten etwas gelernt hat. Wir würden uns glücklich schätzen, wenn wir nach der heutigen Debatte feststellen könnten, daß noch mehr dazugelernt worden ist, damit es nicht wieder zu solch unliebsamen Auseinandersetzungen kommt.

(Beifall bei der SPD.)

Wer unseren Argumenten nicht zu folgen bereit ist, sollte zumindest einsehen, daß mit der Heranziehung dieses schwergeprüften Jahrganges 1922 und mit der eventuell beabsichtigten Heranziehung noch anderer kriegsgedienter Jahrgänge der Bundeswehr kein guter Dienst erwiesen worden ist bzw. erwiesen wird. Ich will nicht vom Emotionalen her all das heraufbeschwören, was fast alle Kollegen dieses Hauses in den Versammlungen, die auf Grund der Initiative der Angehörigen des Jahrgangs 1922 in den letzten Wochen und Monaten zustande gekommen sind, erlebt haben. Ich möchte es aber auch nicht verniedlichen und deshalb mit Nachdruck



Wienand
darauf hinweisen, daß hier gerade Gefühlsmomente mitspielen, die man nicht übersehen darf. Hier sprechen 37jährige Männer, Angehörige eines schwergeprüften Jahrganges, mit Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg, die wir ernst nehmen und nicht mit einer Handbewegung beiseite schieben sollten.
Wir sollten es auch nicht so darstellen, wie es hier und da geschehen ist und wie es — zumindest dem Eindruck nach — auch in einer Nummer des vom Bundespresseamt herausgegebenen Bulletins versucht worden ist, das alles sei kommunistisch gesteuert. Meine Damen und Herren, ich bin bereit, zuzugeben, daß die SED und die Bolschewisten auf Grund der instinktlosen und falschen psyschologischen Haltung der Bundesregierung in dieser Frage versucht haben, ihr politisches Süppchen daran zu kochen. Das werden wir auch in sehr vielen anderen Fragen erleben. Aber damit kann man doch nicht das Anliegen qualifizieren und unter Beweis stellen, das sei alles kommunistisch gesteuert. Wer, wie ich und gewiß auch die meisten von Ihnen, an einer Reihe solcher Versammlungen im eigenen Wahlkreis — ich betone: im eigenen Wahlkreis —teilgenommen hat, der weiß um den Ernst, mit dem gerade die Angehörigen dieses Jahrganges um das Problem gerungen haben; der weiß aber auch, wie sorgfältig sie bemüht waren, sich gegen Einflußnahmen abzuschirmen, die man als kommunistisch oder bolschewistisch bezeichnen kann. Wenn es hier und da zu solchen Einflußnahmen gekommen ist, dann kann man das nicht denen anlasten, die jetzt glaubten, ihrem Gewissen verantwortlich, Initiative entwickeln zu müssen. Ich werde nachher noch ein Beispiel für viele anführen, wie ernst man sich bemüht hat, dem gerecht zu werden, was man auch als
Auftrag auf Grund eigener Erfahrungen ansah und was man glaubte, auf Grund der Verantwortung, die man selbst mit übernehmen wollte, auch den anderen, auch der Öffentlichkeit, auch der Bundesregierung und uns hier in diesem Hause nahebringen zu müssen. Ich glaube also, daß es keine gute Sache war, wenn man versucht hat, die Dinge so darzustellen, als seien sie bolschewistisch oder kommunistisch gesteuert. Dabei will ich nicht behaupten, daß von dieser Seite, von der ich soeben sprach, nicht hier und da der Versuch unternommen worden ist, ein Süppchen daran zu kochen.
Bei sehr vielen dieses Jahrganges und der Jahrgänge, die als die kriegsgedienten Jahrgänge in Frage kommen, stellte sich folgende Frage, um deren Beantwortung sie gerungen haben. In den Protestversammlungen wurde immer mit großem Ernst darauf aufmerksam gemacht, daß diese Kriegsteilnehmer Erklärungen gegenüber Rußland bzw. Erklärungen gegenüber den Westmächten abgegeben haben, bevor sie aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden sind. Dieser Gewissensfrage stand zwar eine Erklärung, wenn ich nicht irre, des Verteidigungsministeriums oder der Bundesregierung entgegen, nach einer völkerrechtlichen Prüfung sei festgestellt worden, daß solche unter Zwang abgegebene Erklärungen nicht bindend seien. Es gibt aber eine ganze Reihe Angehörige dieses Jahrgangs und der anderen kriegsgedienten Jahrgänge, die heute noch darauf verweisen, daß sie damals diese Erklärungen nicht unter Druck abgegeben haben, sondern weil sie wirklich der Überzeugung waren, es müsse nun damit Schluß sein, und die sagen, daß sie sich noch heute an diese Erklärungen gebunden fühlen.
Sie werden mir doch zugeben: wenn der einzelne seine Erklärung heute noch als vor seinem Gewissen freiwillig abgegeben und für sich bindend betrachtet, dann kann man sie nicht mit völkerrechtlichen Erklärungen aus der Welt schaffen. Das Recht dazu muß man dem einzelnen einräumen, man muß diese Erklärungen ernst nehmen und darf nicht versuchen, sie pauschal abzutun.
Wir sollten also gerade dieser Frage ein besonderes Augenmerk widmen und uns bemühen, nicht Verhärtungen auftreten zu lassen, die den einzelnen dann an der Allmacht Staat zweifeln lassen würden.
Die Unruhe in den betroffenen Jahrgängen, bei den Männern gerade dieser Jahrgänge, ist nicht zuletzt durch die recht widerspruchsvollen Äußerungen der Bundesregierung und des Bundesverteidigungsministeriums über den Sinn der jetzt vorgesehenen Erfassung und später kommenden Musterung und über den Verwendungszweck derjenigen, die man auf diese Weise heranholen wollte, herbeigeführt worden.

( Hause, wenn ich mich recht erinnere, das einzige Argument. Das Verteidigungsministerium sprach bis zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Verwendung bei der Territorialverteidigung, beim Versorgungswesen und anderen Einrichtungen, wie es später der Fall war. Das Argument der Kriegserfahrung wurde nach unserem Dafürhalten aber sinnlos, als später — so in der Debatte am 8. April und auch in den Verlautbarungen des Verteidigungsministeriums im Laufe der Sommerund Herbstmonate — gesagt wurde, man benötige diese Jahrgänge für die Sicherung des Nachschubs, für das Funktionieren der Fernmeldeverbindungen, für die Aufrechterhaltung von Verkehrslinien usw. Es will mir nicht einleuchten, warum hier gerade spezielle Kriegserfahrungen des Jahrgangs 1922 oder anderer kriegsgedienter Jahrgänge erforderlich sind. Wenn ich nicht irre, erklärte in der Sitzung am 8. April der Herr Bundesverteidigungsminister, es sei nur daran gedacht, Unteroffiziere und Offiziere für eine militärische Verwendung heranzuholen. Wir haben das seinerzeit zur Kenntnis genommen. Eine Zeitschrift bezeichnete das damals folgendermaßen: der Verteidigungsminister habe uns eingewiegelt oder eingelullt. Das war nicht der Fall. Denn wir hatten uns darauf verlassen, daß es noch im Verteidigungsausschuß eine entsprechende Debatte über die Einzelheiten dieses Problems geben würde. Aber am 7. September 1959 erklärte das Verteidigungsministerium, man wolle mit Beförderungen Wienand nicht kleinlich sein, und beispielsweise könne einer, der die Gesellenprüfung habe, als Hauptgefreiter eingestuft werden. Das, meine Damen und Herren, hebt aber doch die zunächst abgegebene Erklärung wieder auf, daß man nur auf Unteroffiziere und Offiziere zurückgreifen wolle. Die Mitteilung, die von dem Herrn Minister am 8. April in diesem Hause gegeben wurde, wurde also mit der Erklärung des Verteidigungsministeriums, abgegeben am 7. September, praktisch wiederaufgehoben. Das ist natürlich in der Öffentlichkeit und gerade auch von den Betroffenen mit entsprechender Aufmerksamkeit registriert worden. Wir haben später noch weitere Erklärungen zu diesem Problemkreis gehört. Im Januar dieses Jahres wurde erklärt — und das habe ich vorhin schon als recht positiv herausgestellt —, daß über die weitere Verwendung wie Musterung usw. im Augenblick noch nichts gesagt werden könne, weil der Herr Minister zunächst die heutige Debatte abwarten wolle. Der Bundesverteidigungsminister hat jedoch meiner Erinnerung nach in einer Pressekonferenz auf dem Heuberg oder in Heuberg erklärt, die Angehörigen des Jahrgangs 1922 sollten zu keinem Waffendienst herangezogen werden. Am 7. September wurde auch diese Erklärung wieder hinfällig gemacht. Man kann also feststellen, daß die Begründungen gewechselt haben. Ich möchte nicht unterstellen, daß sie sich den jeweiligen Propagandabedürfnissen angepaßt haben; denn das wäre eine recht fatale und traurige Angelegenheit, da es hier um das Schicksal dieser kriegsgedienten Jahrgänge geht. Aber diese widersprüchlichen Erklärungen scheinen doch zu beweisen, daß man selbst noch nicht recht weiß, wozu man sie erfassen, mustern und einberufen will und welchen Verwendungszweck man jetzt gerade diesen kriegsgedienten Jahrgängen zugedacht hat. Ich sagte vorhin schon, daß hierdurch ein psychologischer Schaden entstanden ist, der gewiß höher einzuschätzen ist als der militärische Wert derjenigen Angehörigen des Jahrgangs 1922, die, wie später erklärt worden ist, zu 5 % zu einer vierwöchigen Übung eingezogen werden sollen. Diese 5 % von denen jetzt allgemein die Rede ist, hätten sich auch durch eine vernünftige, gezielte Freiwilligenwerbung erreichen lassen, zumal ja im Frühjahr des vergangenen Jahres erklärt wurde, daß eine große Anzahl von Freiwilligenmeldungen vorliege. Man hatte selbst beim Bundesverteidigungsministerium wohl den Eindruck, daß es an der Zeit sei, diese vielen Widersprüchlichkeiten aufzuklären, und so bekamen wir und bekam auch die Offentlichkeit im September des vergangenen Jahres eine Aufklärungsschrift des Verteidigungsministeriums mit dem Titel „Warum Jahrgang 1922?". Ich will mich mit dieser Schrift nicht polemisch auseinandersetzen, obwohl es schon auf der ersten Seite beanstandenswerte Dinge gibt. Dort wird recht einseitig eine politische Einflußnahme zugunsten der Bundesregierung und der von ihr vertretenen Politik versucht. Bemerkenswert ist aber, daß man mittlerweile erkannt hat, daß von den Männern des Jahrgangs 1922 und der anderen betroffenen Jahrgänge eine ganze Reihe sachlicher Fragen aufgeworfen worden sind, die einer Beantwortung harren. Eine Reihe dieser Fragen ist beantwortet worden. Im letzten Absatz ist von der sozialen Sicherung die Rede. Dem Leser fällt auf, daß man hier nur auf das Bundesversorgungsgesetz hinweist, daß man aber nicht, wie es sonst der Fall ist, die Sätze nennt, die der einzelne erhält, wenn er eine Wehrdienstbeschädigung erleidet. Ich kann das nur als eine Kaschierung des schlechten Gewissens im Hinblick auf die schlechte Kriegsopferversorgung bezeichnen; sonst hätte man diese Sätze mit aufgeführt. Das war ja auch ein Kriterium der Debatte am 8. April, und im Rahmen der Kriegsopferdebatte und der Neuregelung in den nächsten Monaten werden wir uns mit dieser Frage noch wiederholt befassen müssen. Obwohl diese Schrift eine Reihe von Fragen — aber nicht alle — beantwortet, obwohl, wie ich vielleicht einmal formulieren darf, eine kriegsstarke Kompanie, wenn nicht ein kriegsstarkes Bataillon von Beamten und Soldaten mit zur Aufklärung in Versammlungen, in denen ursprünglich Abgeordnete hatten Rede und Antwort stehen sollen, eingesetzt worden sind, ist es doch nicht gelungen, diese skeptischen, mit Recht skeptischen Jahrgänge — denn ihre Skepsis beruht auf einer Fülle von Erfahrungen — zu überzeugen. Wir haben uns heute wieder mit dem Gesamtkomplex zu befassen. Uns liegt daran, daß die Fehler, die in der jüngsten Vergangenheit gemacht worden sind, nicht wiederholt werden. Wir haben die ernste und dringende Bitte an die Regierungsmehrheit hier im Hause, unseren Argumenten zu folgen oder wenigstens zu versuchen, ihnen zu folgen. Wir haben die Bitte, von der Erfassung, Musterung und Einziehung der kriegsgedienten Jahrgänge Abstand zu nehmen. Ich will nicht im einzelnen ausführen, was zum Beispiel von dem Verband der Heimkehrer zu der Gesamtproblematik gesagt worden ist. Ich möchte aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sehr herzlich bitten: nehmen Sie die Argumente, die von der Opposition und die von den Männern dieses Jahrganges und der anderen kriegsgedienten Jahrgänge vorgebracht worden sind, nicht zu leicht. Schieben Sie diese Argumente nicht beiseite, und versuchen Sie erst recht nicht, sie als kommunistisch gesteuert zu bezeichnen. Unterstellen Sie auch nicht der SPDFraktion, daß sie damit ein politisches Süpplein kochen wollte. Hier geht es wirklich um mehr, und das sollten Sie erkennen. Wir möchten, daß heute über unseren Antrag abgestimmt wird. Wir versprechen uns nichts davon, diesen Antrag noch einmal an den Verteidigungsausschuß zu überweisen. Wir bitten deshalb die Mehrheit dieses Hauses, sich heute bereit zu finden, unserem Antrag zuzustimmen. Zur Begründung der Gesetzentwürfe unter Punkt 5b und 5c hat der Herr Bundesverteidigungsminister das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den Punkten 513 und 5c der Tagesordnung für die heutige Plenarsitzung ist die erste Lesung von zwei Novellen aufgeführt; es handelt sich dabei um eine Novelle zum Soldatengesetz und um eine Novelle zum Wehrpflichtgesetz. Ich will zuerst wenige Sätze zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes sagen. Angesichts des Inhaltes des Gesetzentwurfs und der schriftlichen Begründung ist eine eingehendere mündliche Begründung wohl nicht mehr notwendig. Der dem Hause vorliegende Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes will in einigen Punkten Mängel beseitigen, die sich während der dreieinhalbjährigen Handhabung des Soldatengesetzes gezeigt haben. Es handelt sich hier nicht um schwerwiegende Probleme, es handelt sich auch nicht um den Versuch, die Grundanlage, die Grundkonzeption des Gesetzes zu ändern, denn diese Konzeption hat sich bisher durchaus bewährt. Der Entwurf will vielmehr Mängel abstellen, die sich aus der allzu engen Anlehnung des Statusrechtes der Soldaten an die Formen des Beamtenrechtes ergeben. Einige Änderungen sind durch die Weiterentwicklung des Rechtes des öffentlichen Dienstes, die in der Zwischenzeit erfolgt ist, und dadurch notwendig geworden, daß sich der Aufbau der Bundeswehr über einen längeren Zeitraum erstreckt, als man bei Inkrafttreten des Soldatengesetzes im März 1956 voraussehen konnte. Außerdem dienen einige Bestimmungen der Klarstellung und Verbesserung der bisherigen Regelung. Ich bitte Sie, den Hauptgrund für die Änderung dieses Gesetzes unter dem Gesichtspunkt einer Hilfe für die Truppe und somit der Fürsorge für die Truppe im weiteren Sinne zu sehen. Der Entwurf enthält zwar keine schwerwiegenden Probleme, ist aber für die Truppe vor großer Bedeutung. Ich weise darauf hin, daß nach der derzeitigen Regelung Unteroffiziere auf Zeit, deren weiterer Verbleib in der Bundeswehr von ihnen selbst gewünscht wird und im dienstlichen Interesse als dringend notwendig bezeichnet werden muß, am 31. März 1960 nach dem jetzt geltenden Recht aus der Bundeswehr ausscheiden müßten, weil sie ihr 32. Lebensjahr vollendet haben und in der Zwischenzeit nicht als Berufssoldaten übernommen worden sind oder nicht bis dahin übernommen werden können. Ich gebe deshalb der Hoffnung Ausdruck, daß das Gesetz schnell verabschiedet werden kann, und bitte um eine möglichst rasche Beratung dieses Gesetzes. Ich darf einige Worte sagen in der Begründung zu der ersten Änderung des Wehrpflichtgesetzes, die dem Sinne nach gleichzeitig auch eine Zusammenfassung des Wehrpflichtgesetzes und des Dienstzeitdauergesetzes vornimmt; denn die Trennung dieser beiden Gegenstände und ihre Behandlung in zwei verschiedenen Gesetzen entsprach der damaligen politischen Problemstellung, der Notwendigkeit, das Wehrpflichtgesetz zwar rasch zu verabschieden, aber auch der Tatsache Rechnung zu tragen, daß man sich über die Dauer der Dienstzeit zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes noch nicht einig war. Mit der Wehrpflichtnovelle, die Ihnen die Bundesregierung vorgelegt hat, soll ein entscheidender Schritt zu einer Anpassung der Landesverteidigung an die durch die politische und technische Entwicklung eingetretenen Umstände erreicht werden. Es soll ein entscheidender Schritt zu einer modernen Form der Landesverteidigung getan werden. Es soll ein Schritt getan werden in Richtung auf die Bundesverteidigungspflicht, die von mehreren Seiten dieses Hauses — ich denke hier insbesondere an den Kollegen Dr. Erich Mende — mehrfach als Notwendigkeit erwähnt worden ist, eine Bundesverteidigungspflicht, die den zivilen Bevölkerungsschutz und seine umfassenden Aufgaben gleichrangig und gleichgewichtig neben den militärischen Schutz des Landes treten läßt, was die personelle Seite dieser Angelegenheit, die Feststellung des Kräftebedarfs und die Verteilung der vorhandenen Kräfte betrifft. Zugleich will der Gesetzentwurf, der das Ergebnis von mehr als drei Jahren Erfahrungen in der Durchführung der Wehrpflicht darstellt, die Grundlagen des staatsbürgerlichen Dienstes mit der Waffe so gestalten, daß sich die Lasten, die jedem einzelnen auferlegt werden müssen, in einen optimalen militärischen Nutzen verwandeln. Schließlich enthält das Gesetz eine Reihe von Bestimmungen, die notwendig sind, damit Vorarbeiten der Personalplanung für den Verteidigungsfall getroffen werden können. Bei diesem Gesetz geht es darum, den personellen Bedarf für die militärische Landesverteidigung, die auch nach unserer Überzeugung — wie ich nochmals betonen darf — nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtbegriff und der Gesamtaufgabe der Landesverteidigung darstellt, in einer elastischen, den tatsächlichen Bedürfnissen angepaßten Form decken zu können und für den Kräftebedarf im zivilen Bereich der Landesverteidigung Raum zu schaffen. Das geltende Recht mit seiner klassischen Konzeption der Wehrpflicht reicht nicht aus, um den unterschiedlichen Bedarf der verschiedenen militärischen Aufgabenbereiche, wie sie sich in der zweiten Phase des Aufbaus der Bundeswehr ergeben, sinnvoll zu decken. Angesichts der raschen Entwicklung in der Waffentechnik sind die in dieser Vorlage angeschnittenen Probleme fast in allen Ländern der Welt seit dem Zeitpunkt der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes in der Bundesrepublik Gegenstand eingehender Diskussionen geworden. Ich darf hier ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit nur an die Diskussionen denken, wie sie beispielsweise in Schweden stattfinden; ich darf an die Reform der Landesverteidigung denken, wie sie die dänische Regierung im Rahmen ihrer NATO-Aufgaben jetzt vorgelegt und großenteils auch durchgesetzt hat. Ich darf erinnern an die Schweizer Armeereform, A)





(Zustimmung bei der SPD)


(Beifall bei der SPD.)




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309500800
Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309500900



die tiefgreifende und einschneidende Änderungen gegenüber den früheren Formen mit sich gebracht hat. Es handelt sich hier um eine Planung, die, wie bei dem großen Umfang solcher Planungen natürlich, erst im Laufe einiger Jahre in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann. Ich darf an die Diskussion in Frankreich erinnern, wo damals der gegenwärtige Staatspräsident, wenn ich mich nicht irre, noch als Ministerpräsident, als Präsident des Rates, einen Entwurf über eine umfassende Änderung der Landesverteidigung im Sinne eines Zusammenwirkens aller Faktoren der Landesverteidigung vorgelegt hat, der dann in Kraft gesetzt worden ist. Ich darf ferner an die Diskussion über die im britischen Weißbuch der verschiedenen Jahre gestellten Probleme erinnern. Ich darf auch an die Diskussion anknüpfen, die, ebenso wie in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten von Amerika unter anderem über die militärisch-geographischen Verhältnisse seit geraumer Zeit im Gange ist.
Die Bundesregierung legt einen Entwurf vor, der auf die besondere politische, militärische, wirtschaftliche und geographische Situation der Bundesrepublik sowie auf die Erfordernisse unserer Bündnisverpflichtungen abgestellt ist.
Der Staatsbürger kann die Gewißheit haben, daß erstens die Bundesregierung für die Sicherung des Staates, für die Bewahrung von Frieden und Freiheit das Notwendige tut, daß zweitens dem Bürger nicht mehr Lasten im Rahmen der Gefahrengemeinschaft aller aufgebürdet werden, als erforderlich sind, daß drittens die Wirtschaft, die den fortschreitenden Wohlstand aller gewährleistet, keine unzumutbaren Belastungen erfährt.
In den wenigen Jahren des Bundeswehraufbaus, die hinter uns liegen, hat sich die Pflicht der Verteidigung des Landes als Prinzip unserer Wehrverfassung bewährt. Nur auf der Grundlage dieser i Verpflichtung konnten die Aufgaben, die wir im Rahmen des für die gesamte Gemeinschaft lebensnotwendigen Bündnisses übernehmen mußten, bisher unter Ausnutzung aller uns zu Gebote stehenden Möglichkeiten erfüllt werden.
Die zur Ableistung der Verteidigungspflicht aufgerufenen jungen Männer haben dafür Verständnis gezeigt und haben die Aufgaben, die ihnen gestellt worden sind, verantwortungsbewußt übernommen. Sie haben sie besser ausgeführt, als vorher von manchen Seiten, zum Teil nicht ohne einen gewissen Zweckoptimismus bzw. -pessimismus, vorausgesagt worden ist. Sie leisten ihren Dienst in einer Weise, der Anerkennung und Dank gezollt werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die klassische Vorstellung, daß nahezu alle tauglichen und verfügbaren Wehrpflichtigen in den Streitkräften dienen, wie sie Auffassungen des 19. Jahrhunderts entsprach, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch in allen Staaten die Regel war, ist allmählich einem Wandel unterworfen worden, der auf die durch die Entwicklung der Waffentechnik notwendig gewordenen Änderungen zurückgeht.
Der Gesetzentwurf trägt dieser Tatsache Rechnung. Er legt für die Wehrdienstzeiten einen Rahmen fest, der es ermöglicht, den Bedürfnissen der Truppe entsprechend Wehrpflichtige zur Dienstleistung von verschiedener Dauer heranzuziehen. Dabei ist die Gesamtdauer des Wehrdienstes, den jemand zu leisten hat, für gleiche Kategorien einheitlich festgelegt. Eine Veränderung der Gesamtdauer des Wehrdienstes gegenüber dem geltenden Gesetz ist nicht vorgesehen.
Schließlich sieht der Entwurf weitere Änderungen vor, die sich bei der Handhabung des Wehrpflichtgesetzes als zweckmäßig erwiesen haben.
Die bisher im Dienstzeitdauergesetz niedergelegten Bestimmungen sind in das Wehrpflichtgesetz übernommen worden.
Ich bemerke nunmehr im einzelnen zu den wesentlichen Bestimmungen des Ihnen vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes folgendes:
Zunächst ein Wort zum Wehrpflichtalter und zum Grundwchrdienstpflichtalter. § 5 Abs. 2 Satz 1 des geltenden Gesetzes ist gestrichen worden, so daß das Einberufungsalter zur Ableistung des Grundwehrdienstes nunmehr mit dem gesetzlich festgelegten Wehrpflichtalter, nämlich dem vollendeten 18. Lebensjahr, übereinstimmt. Hierdurch soll nicht die Absicht ausgedrückt werden, alle jungen Männer, sobald sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, gleichgültig, in welchem Berufsverhältnis oder welchem Stadium ihres Ausbildungsganges sie sich befinden, einzuziehen, sondern es soll nur die rechtliche Voraussetzung dafür geschaffen werden, daß die Wehrpflichtigen nach Abschluß eines bestimmten Abschnittes ihres Ausbildungsganges und vor Beginn eines weiteren wesentlichen Abschnittes einberufen werden können. Es handelt sich hierbei nicht nur um das Problem der Abiturienten und Studenten; es handelt sich hier genauso gut auch um die Lehrlinge, die in eine Facharbeiter- oder Gehilfenausbildung eintreten, und um die Besucher aller möglichen Schulen für technische oder nichttechnische Berufe. Es handelt sich auch darum, daß man denjenigen, die ein Arbeitsverhältnis auf längere Zeit begründen wollen — was wiederum den Wünschen der Wirtschaft weitgehend entspricht –, die Möglichkeit gibt, ihren Wehrdienst vor Beginn dieses Arbeitsverhältnisses abzuleisten, damit sie dann für eine längere Zeit ungestört ihrem Beruf nachgehen und sich ihrer Weiterbildung widmen können und andererseits auch die Wirtschaft die Gewißheit hat, daß ihr nicht Facharbeiter und sonstige wertvolle Arbeitskräfte — Arbeiter, Angestellte usw. — nach kurzer Einarbeitung im Betrieb wieder für die Ableistung des Wehrdienstes herausgezogen werden.
Ich darf dazu einige Überlegungen anführen. Zur Zeit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht waren die Abiturienten im allgemeinen zwischen 12 und 20 Jahre alt. Ein erheblicher Teil wurde somit erst mit Abschluß der Ausbildung an den höheren Schulen und Übergang zu den Universitäten grundwehrdienstpflichtig. In der Zwischenzeit haben sich die Verhältnisse geändert, ich möchte sagen: nor-



Bundesverteidigungsminister Strauß
malisiert. Did Reifeprüfung wird heute großenteils in einem Alter zwischen 18 und 19 Jahren, großenteils auch im Alter zwischen 19 und 20 Jahren abgelegt. Nach den geltenden Verwaltungsvorschriften für die Musterung und Einberufung ungedienter Wehrpflichtiger gilt bei Besuch einer Hochschule ein Ausbildungsabschnitt schon nach Abschluß von zwei Semestern als „weitgehend gefördert" im Sinne des § 12 Abs. 4 Nr. 3 des Wehrpflichtgesetzes. Die Abiturienten haben die Möglichkeit, in der Regel schon vor der Vollendung des 20. Lebensjahres manchmal ein Semester, häufig zwei oder mehr Semester zu absolvieren. Das hat zur Folge, daß sie bis zum Abschluß des Studiums zum Wehrdienst nicht herangezogen werden. Diese Wehrpflichtigen würden somit entweder erst als fertig ausgebildete Akademiker einberufen werden, was weder im Interesse der Bundeswehr noch in ihrem eigenen Interesse liegt, oder es würde für diese Schicht ein Privileg geschaffen werden, das naturgemäß mit Recht von anderer Seite kritisiert würde.
Andererseits kann nicht verkannt werden und ist nie verkannt worden. daß der Wunsch der Abiturienten, ein begonnenes Studium nicht durch Einberufung zur Bundeswehr unterbrechen zu müssen, berechtigt und verständlich ist — aus Gründen, die hier nicht im einzelnen erläutert zu werden brauchen, Dem kann aber nicht dadurch Rechnung getragen werden, daß den Abiturienten, die nach dem Abitur eine Hochschule besuchen wollen, ein besonderes Vorrecht eingeräumt wird, nämlich frei
zu bestimmen, wann sie den Grundwehrdienst ableisten wollen, ob sie ihn im Alter von 19 oder 20 Jahren oder im Alter von 25 Jahren ableisten wollen.
Die Frage des freien Wahlrechts der Studenten ist schon vor Erlaß des Wehrpflichtgesetzes eingehend geprüft worden, und die Forderungen und Wünsche, die hier auftraten, sind damals sowohl bei den Verhandlungen des Ministeriums mit den beteiligten Hochschulgremien als auch bei den Beratungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht aufgenommen worden. Aus diesem Grunde ist das Einberufungsalter so herabgesetzt worden, daß im Normalfall die Abiturienten nach Ablegung der Reifeprüfung einberufen werden können.
Da aber nach meiner Auffassung nicht nur zwei Semester, sondern auch bereits ein Semester, das nach dem Abitur vor der Ableistung des Grundwehrdienstes absolviert würde, praktisch eine verlorene Zeit und damit einen verlorenen Aufwand an Geld und auch an allen möglichen Leistungen und Anstrengungen, die die Familien für das Studium der Söhne aufbringen und unternehmen, bedeuten würde, wenn sich daran ein Wehrdienst von 12 Monaten, oder bei Reserveoffiziersanwärtern mit ihrem Einverständnis von 18 Monaten, anschließt, sollen diejenigen, die aus Gründen mangelnden Bedarfs nicht unmittelbar nach dem Abitur einberufen werden können und mit dem Hochschulstudium begonnen haben, gleichgültig, ob es sich um den Beginn des ersten oder eines weiteren Semesters handelt, überhaupt nicht mehr vor dem
normalen Abschluß ihres Studiums zur Ableistung des Wehrdienstes herangezogen werden.
Ich halte diese Regelung gegenüber der bisherigen Regelung, daß erst die Absolvierung von zwei Semestern als weitgehende Förderung eines Berufsausbildungsabschnitts gilt, für wesentlich besser. Denn wer das Studium an einer Hochschule oder einer gleichwertigen Anstalt oder einen gleichwertigen Ausbildungsgang begonnen hat, kann und wird bis zum normalen Ende dieses Studiums nicht mehr herangezogen werden — das kann natürlich nur für die Friedenszeit gelten —, so daß er seine persönlichen Dispositionen und all das, was damit zusammenhängt — oft von großer persönlicher Tragweite—, mit voller Sicherheit treffen kann. — Ich habe gesagt, daß das nur für den normalen Abschluß eines Studiums gilt. Denn der verschwindend kleine Prozentsatz derer, die die Zahl der Semester, gleichgültig aus welchen Gründen, verdoppeln, braucht hier nicht besonders in Rechnung gestellt zu werden.
Im übrigen werden die Abiturienten des Bundesgebietes mit Ausnahme Bayerns jeweils nur zu April eines jeden Jahres einberufen, die bayerischen Abiturienten jeweils zu Oktober; abgesehen natürlich von solchen, die zu anderen Terminen einberufen werden wollen.
Damit ist den Interessen der Abiturienten und Studenten, soweit überhaupt noch vertretbar, Rechnung getragen.
Der Beschluß der 43. Ordentlichen Delegiertenkonferenz des Verbandes Deutscher Studentenschaften, die vom 3. bis 6. Dezember 1959 in Berlin stattfand, und die Stellungnahme des Vorstandes des Verbandes vom 10. Dezember 1959 veranlassen mich zu einer Erklärung. Es ist mir unverständlich, daß dieser Verband erklärt, der gesamte Fragenkomplex Studium und Wehrdienst erfahre nicht die weitschauende und allseits verantwortliche Behandlung, die ihm gebühre. Die Hochschulen und Studentenschaften sowie die Kultusbehörden würden bedauerlicherweise nicht zu Zeitpunkten mit Plänen und Forderungen des Bundesministeriums für Verteidigung bekanntgemacht, an denen noch erfahrungsreiche Empfehlungen zu unterbreiten wären, sondern stets mit Besetz- oder verordnunggebenden Maßnahmen konfrontiert.
Ich tue nichts anderes, als der Wahrheit die Ehre zu geben, wenn ich diese Vorwürfe entschieden zurückweise und hier offiziell erkläre, daß sie unzutreffend sind. Mindestens ein Jahr vor der Behandlung des Wehrpflichtgesetzes in diesem Hohen Hause und mindestens ein halbes Jahr vor der Vorlage dieses Gesetzes durch das Verteidigungsministerium an das Kabinett haben die dafür zuständigen Stellen meines Hauses, die Abteilung für Verwaltung und Recht im besonderen, und in einigen besonderen Fällen auch ich persönlich und der Staatssekretär mit den hier genannten und in Betracht kommenden Persönlichkeiten gesprochen. Wenn ich auch nicht persönlich mit allen gesprochen habe, so habe ich doch eine ausführliche Unterredung mit dem Präsidenten der Rektorenkonferenz gehabt, ich habe drei oder vier Kultusminister, die



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auf Beschluß der Kultusministerkonferenz, speziell mit der Bearbeitung dieser Aufgabe beauftragt, bei mir gewesen sind, empfangen und mich mit ihnen stundenlang über die Zweckmäßigkeit oder Nichtzweckmäßigkeit der einen oder anderen Bestimmung unterhalten. Die Unterredungen mit diesen beiden Gremien, die ich persönlich geführt habe, weil sie um eine persönliche Unterredung mit mir nachgesucht hatten, haben dazu geführt, daß die Vorschläge von dieser Seite in dem einen oder anderen Punkt auch berücksichtigt wurden, allerdings nicht in allen Punkten.
Ich darf sagen, daß der Einberufung von Abiturienten besondere Beachtung geschenkt wird. Der die Abiturienten und Studenten berührende Fragenkomplex wurde bereits im Jahre 1955 bei der Vorbereitung des Wehrpflichtgesetzes mit den zuständigen Stellen erörtert. Der Bundestag hat bei der Beratung des Wehrpflichtgesetzes diese Fragen selber geprüft. Durch die geltenden Verwaltungsbestimmungen ist vielen Wünschen Rechnung getragen worden. Ich habe noch veranlaßt, daß — über die Verwaltungsbestimmungen hinaus — nicht erst zwei Semester, sondern bereits ein abgeschlossenes Semester als weitgehende Förderung eines Studienabschnittes zu betrachten ist und daß Wehrpflichtige, die ein Semester oder einen ähnlichen Ausbildungsteil hinter sich gebracht hatten, nicht mehr zum Grundwehrdienst herangezogen wurden. Ich habe in Einzelfällen, wo eine untere Verwaltungsbehörde diese Vorschrift aus irgendeinem Grund nicht beachtet hat, eingegriffen und die Nichteinberufung oder Wiederentlassung in den ersten Tagen verfügt. Ich darf aber bemerken, daß sich das nur in verschwindend wenigen Einzelfällen überhaupt zugetragen hat.
Der Gedankenaustausch über diese Fragen ist im Jahre 1958 fortgesetzt worden und hat außer zu den erwähnten Besprechungen zu einem ausgedehnten Schriftwechsel und zu Verhandlungen mit dem Präsidenten der Westdeutschen Rektorenkonferenz, dem Präsidenten der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder und dem Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Studentenschaften geführt. Diese Verhandlungen habe ich aus reinen Zeitgründen nicht persönlich geführt.
Auch die Frage der Herabsetzung des Grundwehrdienstpflichtalters auf das vollendete 18. Lebensjahr ist eingehend erörtert worden. Ich darf aus der Erörterung mal ein bestimmtes Problem herausgreifen, um darzulegen, wie die Unterhaltung mit dem Präsidenten der Rektorenkonferenz, Professor Dr. Jahrreiß, den ursprünglichen Entwurf beeinflußt hat. Wir hatten zuerst keine Änderung des Einberufungsalters vorgesehen, hatten also ursprünglich nicht beabsichtigt, den vorhin erwähnten Passus zu streichen, sondern die Abiturienten zu einer freiwilligen Ableistung des Grundwehrdienstes aufzurufen, uns dabei allerdings nicht zu verpflichten, diejenigen, die dieser Aufforderung zur freiwilligen Ableistung nicht Folge leisten, nicht während der Dauer ihres Studiums einzuberufen. Professor Dr. Jahrreiß hat diese Regelung mit einer halben Freiwilligkeit und einer gleichzeitigen Ankündigung möglicher unangenehmer
Folgen als unbefriedigend abgelehnt und erklärt, er setze sich zwar nicht für eine fakultative Lösung ein, daß sich der Student entscheiden könne, ob er den Wehrdienst vor oder nach dem Studium ableisten wolle, aber für eine einwandfreie rechtliche Regelung; entweder werde der Wehrpflichtige nach dem Abitur herangezogen das sei sein persönlicher Vorschlag und der des Gremiums — oder er solle, wenn er nicht herangezogen werden könne, im Frieden die Garantie haben, daß er sein Studium — für die Dauer eines normalen Studiums — nicht zu unterbrechen brauche.
Wir haben diesen Vorschlag der Rektorenkonferenz nach Überprüfung unseres eigenen Standpunktes für besser befunden und in den Gesetzentwurf eingebaut. Daß gegen diesen Vorschlag dann wieder von anderer Seite Bedenken erhoben wurden und noch andere Varianten kamen, ist nicht zu bestreiten. An der Gestaltung dieses Gesetzes sind natürlich sehr viele interessiert, und die Interessen sind so verschieden, mögen sie auch alle berechtigt sein — staatliche Interessen, wissenschaftliche Interessen, schulische Interessen, persönliche Interessen —, daß unmöglich alle Wünsche und Vorschläge auf einen Nenner gebracht und berücksichtigt werden können. Eine Entscheidung muß gerade bei einem solchen Gesetz für diese oder jene Lösung immer getroffen werden.
Es ist eine Tatsache, daß sich ein nicht unerheblicher Teil der Abiturienten zur vorzeitigen Ableistung des Grundwehrdienstes meldet. Diese Tatsache wird von denen als Argument benutzt, die sagen, man brauchte überhaupt keine Änderung des Einberufungsalters vorzusehen, denn es meldeten sich ohnehin genügend Abiturienten. Es ist erfreulich, daß sich im Jahre 1959 tatsächlich eine große Zahl von Abiturienten gemeldet hat und daß bisher für das Jahr 1960 bereits eine große Zahl von Meldungen von Abiturienten vorliegt. Ich tue denjenigen, die sich freiwillig melden, sicherlich nicht zu wenig Ehre an, wenn ich sage, daß eines der Motive, warum sie sich melden, durchaus gesund und berechtigt ist. Sie wollen ihren Wehrdienst zwischen Abitur und Studium ableisten, weil sie wissen, daß sie ihn eines Tages ableisten müssen. Sie haben aber den berechtigten Wunsch, daß ihr Studium dann nicht mehr unterbrochen werde. Ich möchte jedoch hier nicht auf weitere Argumente eingehen.
Es ist deshalb für uns aus sachlichen Gründen nicht verständlich, warum sich der Verband Deutscher Studentenschaften gegen die Herabsetzung des Grundwehrdienstpflichtalters wendet und für seinen Personenkreis ein besonderes Privileg verlangt. Ich gebe mich keinem Zweifel darüber hin, daß, wenn für diesen Personenkreis aus wie im einzelnen auch immer gearteten durchaus triftigen Gründen ein besonderes Privileg verlangt wird, dann mit genauso triftigen Gründen für einen anderen, in seiner Daseinsberechtigung und seinen Ausbildungswünschen nicht minder ernst zu nehmenden Personenkreis dasselbe Privileg verlangt wird, so daß es zum Schluß nur noch Privilegien gäbe.



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Ich darf hier aber in aller Deutlichkeit feststellen, daß die von uns vorgeschlagene Regelung eine Besserung gegenüber dem geltenden Recht darstellt, weil allein der Beginn des Studiums oder einer gleichwertigen Ausbildung genügt, um für den normalen Ablauf dieses Ausbildungsganges eine Heranziehung zum Wehrdienst im Frieden zu verhindern und bis zum Abschluß hinauszuschieben.
Was für die Abiturienten gesagt ist, gilt mutatis mutandis für andere Ausbildungen einschließlich der Facharbeiter und derer, die eine Lehrlings- oder sonstige Berufsausbildung erhalten. Diese Wehrpflichtigen beenden heute im allgemeinen ihre Lehrlingszeit etwa um das 18. Lebensjahr. Wenn sie ihrer Wehrpflicht genügen müssen, ist es für sie und auch für die Wirtschaft zweckmäßiger, wenn sie ihren Wehrdienst unmittelbar nach Beendigung ihrer Lehrlingsausbildung ableisten können, statt erst ein neues Arbeitsverhältnis einzugehen und dann im zweiten oder dritten Jahr aus diesem wieder herausgerissen zu werden. Ich hoffe, daß sich auch der Rhythmus der Musterungen und der Einberufungen bei den jungen Jahrgängen in absehbarer Zeit an diesen sowohl von der Wirtschaft wie von den Betroffenen wie von uns gewünschten Zustand anpassen kann.
Zahlreiche Zuschriften von Wehrpflichtigen, die zum Teil auch an mich persönlich gerichtet sind, zeigen, daß sie nach Beendigung ihrer Lehrzeit erst dann einen Arbeitsplatz, ihn zumindest aber leichter finden können, wenn sie den Grundwehrdienst abgeleistet haben. Es ist auch für die Wirtschaft unangenehm, wenn ausgebildete Lehrlinge, die vielleicht im zweiten Jahr als Facharbeiter tätig sind, dem Betrieb wieder entzogen werden. Wir haben in all diesen Fällen bisher versucht, eine individuelle Lösung zu finden, insbesondere um bei den kleinen und mittleren Betrieben eine gleichzeitige Herauslösung mehrerer Facharbeiter eines und desselben .Jahrganges zu verhindern.
Nur um jeden Zweifel auszuschließen, möchte ich erwähnen, daß schon nach den jetzigen Bestimmungen der Verwaltungsvorschriften bei Wehrpflichtigen, die noch die höhere Schule besuchen oder noch in der Lehre stehen, die Voraussetzungen für eine Zurückstellung nach § 12 Abs. 4 Nr. 3 des Wehrpflichtgesetzes immer ipso facto als gegeben anzusehen sind, so daß auf keinen Fall diese Ausbildungsabschnitte durch Einberufung zum Wehrdienst unterbrochen werden.
Ich mache diese eigentlich entweder selbstverständliche oder überflüssige Bemerkung deshalb, weil auch das Bedenken und der Vorwurf oder der Verdacht damit verbunden worden ist, daß man die Herabsetzung des Einberufungsalters dann sinnvollerweise dazu benutzen wolle, um Wehrpflichtige mit der Vollendung des 18. Lebensjahres, auch wenn sie kurz vor dem Abitur stünden, aus der Schule herauszuholen und ihren Wehrdienst ableisten zu lassen. Ich bitte Sie, ein etwas hartes, aber harmlos gemeintes Wort nicht übelzunehmen. Dieses Gesetz ist ja nicht in böswilliger Weise und von völlig unverständigen Menschen gemacht worden und soll huch weder in maliziöser Weise angewendet noch sinnlos durchgeführt werden.
Lockere Aufteilung der Dienstzeiten: Das ist ein besonderes Problem dieses Gesetzes. In Frage kommen die §§ 5 und 6. Ausgehend von der Absicht, die Dauer des Grundwehrdienstes im Interesse des Wehrpflichtigen so kurz wie möglich zu halten, sie im übrigen aber mehr, als es das bisherige Recht zuläßt, auf die unbedingten Erfordernisse zur Erfüllung der verschiedenartigen militärischen Aufgaben abzustellen, wurde für die Ausbildung innerhalb der NATO-Verbände an der zwölfmonatigen Dauer des Grundwehrdienstes festgehalten. Ich möchte nur nebenbei bemerken, daß die Dauer des Grundwehrdienstes von 12 Monaten für die hohen Anforderungen einer modernen vollmotorisierten und volltechnischen Truppe in vielen Funktionen nicht ausreichend ist. Der Ausgleich kann nur dadurch gefunden werden, daß der Anteil der längerdienenden Freiwilligen erhöht wird. Wir werden insbesondere im Zusammenhang mit der Beratung des Soldatengesetzes dafür auch noch einen besonderen Vorschlag vorlegen.
Für den Bereich der territorialen Verteidigung, der Basisorganisation -- zweier unerläßlicher militärischer Aufgabengebiete, die für die Verwendungsfähigkeit, für die Mobilmachungsfähigkeit der Bundeswehr unerläßlich sind, deren Aufbau aber naturgemäß bei der Zuteilung der Prioritäten zunächst etwas zurückgestellt worden ist —, ferner für den Bereich des Sanitätsdienstes und des sonstigen Versorgungsdienstes ergeben sich Möglichkeiten, selbst von dem bisher festgelegten sechsmonatigen verkürzten Grundwehrdienst abzuweichen und hier eine noch weitere Auflockerung hinsichtlich der Länge des Wehrdienstes zu finden. Der Entwurf trägt dem Rechnung, indem er eine Benachteiligung für den längerdienenden Wehrpflichtigen beseitigt. Dem Wehrpflichtigen, der den verlängerten Grundwehrdienst von 18 Monaten ableistet, werden nunmehr die gesamten 6 Monate zusätzlicher Dienstzeit auf die Wehrübungen angerechnet.
Für die vorher erwähnten Einheiten der rückwärtigen •Dienste jedoch können in der Mehrheit kurz ausgebildete Soldaten vorgesehen werden, weil ihre zivilberuflichen Fähigkeiten für eine besondere Funktion auch besonders nutzbringend verwendet werden können. Die militärische Ausbildung kann für diese Wehrpflichtigen auf ein einfaches Maß und auf eine kurze Zeit bemessen werden. Die ersten Erfahrungen mit einer Kurzausbildung sind im letzten Jahre gesammelt worden. Weitere Kurzausbildungskompanien werden in den nächsten Monaten aufgestellt. Der Ihnen vorliegende Entwurf sieht vor, daß eine solche Kurzausbildung im Rahmen des verkürzten Grundwehrdienstes nun nicht starr 6 Monate zu dauern braucht, sondern je nach den Bedürfnissen der Ausbildung von 1 Monat bis zu 6 Monaten dauern kann.
Einige Bemerkungen zum Grundwehrdienst. Vollen Grundwehrdienst leisten Wehrpflichtige, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und nach dem 30. Juni 1937 geboren sind. Verlängerten Grundwehrdienst leisten Wehrpflichtige auf Grund



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freiwilliger Verpflichtung. Verkürzten Grundwehrdienst leisten ungediente Wehrpflichtige, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, vor dem 1. Juli 1937 geboren und noch nicht 35 Jahre alt sind, sowie solche Wehrpflichtige, die zwar für den vollen Grundwehrdienst zur Verfügung stehen, jedoch auf Grund der Einberufungsanordnungen des Bundesministeriums für Verteidigung hierzu nicht herangezogen werden.
Nach Vorschlag des Bundesrates, dem die Bundesregierung zugestimmt hat, können zum verkürzten Grundwehrdienst auch Wehrpflichtige herangezogen werden, deren Einberufung zum vollen Grundwehrdienst aus einem der in S 12 Abs. 4 Nr. la und 2 angegebenen Gründe eine besondere Härte bedeuten würde, eine Härte, die aber voraussichtlich durch eine Rückstellung nicht behoben werden könnte. Durch diese Regelung sollen Vor allem Bauern und Bauernsöhne, von deren Arbeitskraft die Bewirtschaftung eines Hofes abhängig ist, ihrer Wehrpflicht in einer Weise genügen können, die den Bedürfnissen der Landwirtschaft gerecht wird. Dieselbe Möglichkeit gilt für andere Berufsstände, wo sich eine solche Notlage zeigt.
Wehrpflichtige, die in der früheren Wehrmacht Wehrdienst geleistet oder außerhalb der früheren Wehrmacht eine militärische Grundausbildung erhalten haben, leisten keinen Grundwehrdienst.
Nach Vollendung des 35. Lebensjahres erlischt die Verpflichtung, im Frieden Grundwehrdienst zu leisten.
Einige Bemerkungen zu den Wehrübungen. Für Wehrpflichtige bis zum 25. Lebensjahr beträgt die Gesamtdauer der Wehrübungen bei Mannschaften und Unteroffizieren höchstens 9 Monate, bei Offizieren höchstens 18 Monate. Vom 25. bis zum 35. Lebensjahr beträgt die Gesamtdauer der Wehrübungen bei Mannschaften und Unteroffizieren höchstens 6 Monate, bei Offizieren höchstens 15 Monate. Nach Vollendung des 35. Lebensjahres dürfen Mannschaften und Unteroffiziere sowie ungediente Wehrpflichtige nur noch zu Wehrübungen von insgesamt 3 Monaten herangezogen werden.
Bei verkürztem Grundwehrdienst sowie bei Wehrpflichtigen, die für den vollen oder verkürzten Grundwehrdienst zur Verfügung stehen und auf Grund der Einberufungsanordnung des Bundesministeriums für Verteidigung nicht zum Grundwehrdienst herangezogen werden können, sondern nur Wehrübungen abzuleisten brauchen, verlängert sich die Gesamtdauer der Wehrübungen um die durch die Verkürzung gewonnene Zeit.
Einige Sätze zur Einführung eines Auswahlverfahrens bei der Einberufung von Wehrpflichtigen. Nach dem Entwurf wird die Reihenfolge in den Einberufungslisten durch das Los bestimmt. Eine Freilosung ist nicht vorgesehen. Das Losverfahren stellt keine Neuheit dar. Schon früher wandte man es in westeuropäischen Ländern, unter anderem in Frankreich, an, auch in den Vereinigten Staaten von Amerika. In Preußen wurde dieses Verfahren seit 1825 gehandhabt und im Deutschen Reich durch § 13 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 eingeführt. Näheres regelten die §§ 66 bis 68 der Wehrordnung vom 22. Juli 1901. Das durch die Novelle vorgeschlagene Losverfahren wird durch die Berücksichtigung der Berufszugehörigkeit der Wehrpflichtigen nach sachlichen Gesichtspunkten modifiziert. Außerdem ist unabhängig vom Los eine bevorzugte Einberufung dienstbereiter Wehrpflichtiger vorgesehen. Das Losverfahren hat den Vorzug, daß es an die Stelle eines außerordentlich breiten Ermessensspielraums, der dem Leiter jedes Kreiswehrersatzamtes zufallen würde, ein Verfahren setzt, das Parteilichkeit und Mißbrauch des Ermessens weitgehend ausschließt.
Ein Wort zur Unabkömmlichkeitsstellung. § 13 bleibt in seiner Grundkonzeption unverändert. Die bisherige Forderung, daß eine Unabkömmlichkeitsstellung in der Regel erst nach dem Grundwehrdienst geschehen soll, ist fallengelassen worden. Es ist ferner eine Uk-Stellung mit zeitlicher Einschränkung sowie zur Vermeidung zeitraubender und umständlicher Einzel-Uk-Verfahren durch Rechtsverordnung die Uk-Stellung ganzer Gruppen, z. B. der Angehörigen der Binnenschiffahrt, vorgesehen.
Einige Ausführungen zur Berücksichtigung der Belange des zivilen Bevölkerungsschutzes. Die von den zuständigen Behörden für die Dienstleistung im zivilen Bevölkerungschutz, insbesondere für den Luftschutz und allgemein für die Aufgaben des Katastrophenschutzes vorgesehenen Wehrpflichtigen werden vom Wehrdienst freigestellt. Der in Frage kommende Personenkreis ist durch Rechtsverordnung abzugrenzen. In dieser Rechtsverordnung ist auf Alter, berufliche Tätigkeit, militärischen Ausbildungsstand, Tauglichkeitsgrad sowie Ausbildung und vorgesehene Verwendung im zivilen Bevölkerungsschutz abzustellen. Es könnte etwa an folgende Abgrenzung gedacht werden:
Zum zivilen Bevölkerungsschutz dürfen nicht eingeteilt werden: Wehrpflichtige, die in der Bundeswehr den Grundwehrdienst oder eine Wehrübung besonderen Charakters abgeleistet haben, weil das, gemessen an dem Aufwand, der für diesen Zweck gemacht worden ist, nicht sinnvoll wäre; ferner ungediente Wehrpflichtige unter 25 Jahren, aber mit Ausnahme von Spezialisten im Brandschutzdienst, im Bergungsdienst, von Spezialisten, die im Luftschutzdienst ausgebildet sind oder eine entsprechende Berufsausbildung — z. B. Feuerwehr — haben, gleichgültig, ob berufsmäßig oder freiwillig, sowie beschränkt Taugliche, sofern sie in der Bundeswehr eine Wehrübung abgeleistet haben.
Es sollen nicht herangezogen werden wehrpflichtige Arbeiter, Angestellte und Beamte, die zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung gehören oder bei Dienststellen der Stationierungs- oder NATO-Streitkräfte beschäftigt sind.
Der gleiche Maßstab könnte auch in den zu erlassenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Grundsätze der Unabkömmlichstellung angewendet werden.
Ferner ist noch zu erwähnen, daß die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrats, nicht nur Wehrpflichtige, die dem Vollzugsdienst von Polizei-



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verbänden, sondern auch Wehrpflichtige, die dem Einzelvollzugsdienst der Polizei angehören, nicht zum Wehrdienst heranzuziehen, zugestimmt hat. Hierdurch wird die Erfüllung polizeilicher Aufgaben sichergestellt.
Ein Wort zur Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen auf dem personellen Sektor hinsichtlich der Einsatzbereitschaft! Das Wehrpflichtgesetz gibt in seiner geltenden Fassung nicht ausreichend die Möglichkeit einer Vorbereitung der Einsatzbereitschaft der gesamten Verteidigungskräfte für Spannungszeiten und den Verteidigungsfall. Durch Einführung des Bereitstellungsbescheids wird ermöglicht, Wehrpflichtige, die im Frieden zum Wehrdienst nicht einberufen werden können, bei Eintritt des Verteidigungsfalles in Anspruch zu nehmen, ohne daß noch besondere Ladungen nötig sind.
Die in § 47a vorgesehene Bestandsmusterung, von der ein sehr sparsamer Gebrauch gemacht werden soll, dient dazu, die ungedienten Wehrpflichtigen, die vor dem 1. 7. 1937 geboren sind, in einem vereinfachten Verfahren hinsichtlich ihrer voraussichtlichen Verwendbarkeit im Verteidigungsfalle zu prüfen und ihnen gegebenenfalls einen Bereitstellungsbescheid zu erteilen.
In diesem Zusammenhang darf ich bemerken, daß die Jahrgänge, die weder bei der früheren Wehrmacht gedient noch auf Grund des neuen Wehrpflichtgesetzes den vollen Grundwehrdienst abgeleistet haben — d. h. also die Jahrgänge von 1928 mit erster Hälfte von 1937 —, bevorzugt für die Ausbildung und Verwendung im zivilen Bevölkerungsschutz in Betracht kommen können. Hierdurch wird keine investierte Ausbildungskapazität ungenutzt gelassen. Auf der anderen Seite sollen gerade beim zivilen Bevölkerungsschutz auch Lebenserfahrung, Berufserfahrung und Berufskönnen angewendet werden; das ist nötig und muß eine besondere Rolle spielen. Schließlich sind die Zahlen, die uns von einigen Landesbehörden für die Notwendigkeiten im zivilen Bevölkerungsschutz allein für Teilaufgaben genannt worden sind, erschreckend hoch. Ich wäre sehr interessiert zu erfahren, wie diese Anforderungen auf dem Wege der völligen Freiwilligkeit erfüllt werden sollen, wenn allein eine deutsche Großstadt, deren verwaltungsmäßige Leitung nicht meiner politischen Partei nahesteht, für den Katastrophenschutz eine Mindestzahl von 24 000 ausgebildeten Helfern — eine Mindestzahl von 24 000 ausgebildeten Helfern! — angefordert hat, um alle die Aufgaben wenigstens einigermaßen zufriedenstellend erfüllen zu können, mit denen leider in einem solchen Falle gerechnet werden müßte.
Noch ein Wort zur Erfassung und Musterung von Wehrpflichtigen für bestimmte Aufgaben! Nach der bisherigen Rechtslage besteht die Wehrpflicht bis zum 45. Lebensjahre, für Unteroffiziere und Offiziere bis zum 60. Lebensjahre, im Verteidigungsfalle generell bis zum 60. Lebensjahre. Im Verband der Streitkräfte der Bundeswehr ist eine steigende Anzahl von Zivilbediensteten beschäftigt. In der deutschen Bundeswehr sind viele Funktionen in der Hand von Zivilbediensteten, die in anderen Ländern auch im Frieden von Soldaten wahrgenommen werden.
Wenn ich mich recht erinnere, war seinerzeit in diesem Hohen Hause bei der Beratung und Verabschiedung der Wehrgesetze der Grundsatz maßgebend, daß möglichst viele Funktionen von Zivilisten ausgeübt werden sollten, auch im Rahmen der Streitkräfte, und daß im Frieden nur derjenige den soldatischen Status bekommen sollte, der ihn unbedingt aus der Aufgabenstellung schon im Frieden haben müßte. Niemand wird sich aber der Einsicht verschließen, daß im Verteidigungsfall auch Stellen, die im Frieden mit Zivilbediensteten besetzt sind, mit Soldaten besetzt werden müssen. Wesentliche Einheiten der Bundeswehr hängen in ihrer Verwendungsfähigkeit davon ab, daß das bei ihnen tätige männliche Zivilpersonal auch in Spannungszeiten und im Verteidigungsfall zur Verfügung steht. Ich erwähne nur eine allen, die sich mit dem Aufbau der Bundeswehr beschäftigt haben, und auch darüber hinaus wohl weit bekannte Tatsache, wenn ich sage, daß unsere gesamte Luftwaffe, unser gesamtes Instandsetzungswesen, unser gesamtes Depotwesen, unser gesamtes Versorgungswesen von der Arbeitsleistung von Tausenden und aber Tausenden Zivilisten abhängt, deren Stärke und deren Einstufung ja dem jeweiligen Haushaltsplan zu entnehmen ist.
Wenn diese zivilen Bediensteten im Spannungsfalle aus irgendeinem Grunde ihre Tätigkeit einstellten, sei es ganz, sei es teilweise, dann wären beträchtliche, vielleicht gerade für die abschrekkende Wirkung, für die Kriegsverhinderung wesentliche Einheiten der Bundeswehr von vornherein lahmgelegt, wenn nicht die gesamte Bundeswehr in ihrer Aktionsfähigkeit einfach stillgelegt. Die Verwendungsfähigkeit eines modernen militarischen Apparates, dessen Aufgabe -- wie hier zum tausendsten Male gesagt und eigentlich nicht mehr wiederholt zu werden braucht -- darin besteht, einen Krieg verhindern zu helfen, beruht ja heute nicht mehr, wie in dem absolutistischen Zeitalter oder in den Anfängen des 19. Jahrhunderts, auf der bewaffneten Streitmacht, also auf denen, die die Uniform tragen, sondern beruht auf dem Zusammenwirken der vielen Komponenten, die jetzt eine so hochkomplizierte und überaus komplexe moderne Streitmacht überhaupt ausmachen; von deren Zusammenwirken hängt die Verwendungsfähigkeit überhaupt ab. Wenn dieses Zusammenwirken bei unseren Bündnispartnern nicht glaubhaft erscheint oder bei all denen, die eventuell böse Absichten gegen uns haben, nicht als sicher unterstellt werden kann, dann wäre es besser gewesen — ich sage das ganz laut und offen und deutlich —, überhaupt keinen Pfennig für die Bundeswehr auszugeben, weil die Bundeswehr dann einen reinen Parade-, Manöver- oder Musikkapellencharakter bekommen hätte, aber keinen ernsthaften Wert für den praktischen Zweck, für den sie zur Verfügung gestellt werden soll.
Der § 47c räumt deshalb die Möglichkeit ein, diese Personen bis zum vollendeten 60. Lebensjahr zu Soldaten zu machen, soweit sie im Verband der Streitkräfte tätig sind, und zwar auch, was nicht zu übersehen ist, zu ihrem eigenen völkerrechtlichen Schutz. Diese Männer sollen jedoch nicht als



Bundesverteidigungsminister Strauß
Infanteristen, Panzerjäger oder Panzerschützen Dienst tun, sondern sie sollen in Spannungszeiten und im Verteidigungsfall lediglich an der Stelle bleiben, an der sie jetzt tätig sind. Sie sollen nichts anderes tun als die Arbeit fortsetzen, die sie als Zivilbedienstete jahrelang ausgeübt haben.
Das Verteidigungsministerium hat seinerzeit — es war noch unter meinem Vorgänger — und auch in der folgenden Zeit den Wunsch des Parlaments respektiert, in Friedenszeiten nur diejenigen zu Soldaten zu machen, die auf Grund ihrer Funktion in jedem Falle Soldaten sein müssen. Aber es kann nicht darauf verzichten — ich darf das in allem Ernst und im vollen Bewußtsein der uns auferlegten Verantwortung sagen —, die volle Arbeitsfähigkeit und die weitere Dienstleistung der Zivilbediensteten im Rahmen der Streitkräfte für den Verteidigungsfall ,sicherzustellen, weil sonst die gesamte Bundeswehr wertlos wäre. Es muß die Möglichkeit geschaffen werden, diesen Personenkreis gezielt zu erfassen — das geschieht schon automatisch, weil man weiß, wer bei der Bundeswehr, den NATO- oder Stationierungsstreitkräften arbeitet —, gezielt zu mustern und gezielt einzuberufen.
Um darüber hinaus aber Lücken in den Streitkräften auf dem Gebiet der Technik, des Fernmeldewesens, der Instandsetzung und des Nachschubs zu füllen — nicht um neue Einheiten, neue Kampfeinheiten aufzustellen, etwa Reservebrigaden oder Reservedivisionen, was mit den heutigen Möglichkeiten und Notwendigkeiten nicht mehr vereinbar wäre —, muß die Bundeswehr im Verteidigungsfall und in der vorhergehenden Phase des Bereitschaftsfalles zusätzlich Kräfte für die genannten technischen Gebiete heranziehen. Sie benötigt Spezialisten. Die Zahl der Spezialisten, die zur Auffüllung der schon im Frieden vorhandenen, aber auf Grund der Arbeitsmarktlage nicht voll besetzbaren Planstellen in Betracht kommt, ist außerordentlich gering.
Ich darf ein praktisches Beispiel dazu sagen. Zur Zeit dauert die Wartung eines Flugzeugs, das von einem Flug zurückgekehrt ist und für den nächsten Flug startklar gemacht werden soll, wegen des Mangels an technischem Personal, das aus Gründen, die Ihnen sehr wohl bekannt sind, nur langsam aufgefüllt werden kann — der Staat kann mit der Wirtschaft nicht konkurrieren; bei der Gott sei Dank gegebenen Voll- bis Überbeschäftigung sind die Schwierigkeiten für uns naturgemäß doppelt so groß; aber lieber Voll- oder Überbeschäftigung als eine auch nur partielle Arbeitslosigkeit; darum müssen wir uns mit diesen Dingen selbstverständlich abfinden, müssen aber auf die Gefahren hinweisen, die hier entstehen —, dauert die Instandsetzung oder Wartung eines Flugzeugs von einem Flug zum andern eben eine wesentlich längere Zeit, weil die notwendige Zahl der — ich darf den Ausdruck einmal gebrauchen — Mann-Stunden auf weniger Kräfte verteilt werden muß. Deshalb erfordern die Wartung und die Startklarmachung längere Zeit. Im Spannungs- oder Ernstfall müßte diese Zeit auf das optimale technische Minimum verkürzt werden. Deshalb soll die Möglichkeit vorgesehen werden, bis unsere Planstellen voll aufgefüllt sind, für diesen kleineren, zahlenmäßig außerordentlich begrenzten Bereich noch eine zusätzliche Einberufung von Spezialisten — in dem Falle würde es sich um die Einberufung von Spezialisten aus der Flugzeug-, aus der Motoren- oder elektronischen Industrie handeln vorzusehen, durch die die Flugzeuge gepflegt, gewartet, repariert und wieder betriebsklar gemacht werden müssen.
Diese Spezialisten können für die genannten technischen Aufgaben ohne Erfassung und Musterung ganzer Jahrgänge einberufen werden — ein sehr schwerfälliges, ein sehr kostspieliges und überflüssiges Verfahren —, aber nur dann, wenn eine Bestimmung dieser oder ähnlicher Art geschaffen wird. Um jedoch alle Sicherheit zu geben — wir haben diese Frage im Bundesratsausschuß für Verteidigung ja eingehend diskutiert —, daß die zivile Verwaltung, die Wirtschaft, insbesondere der zivile Bevölkerungsschutz wegen ihrer besonderen Interessen nicht einseitig diese Last zu tragen haben, daß eine Abstimmung in der Verwendung stattfindet, bedarf es einer Rechtsverordnung, in der das Nähere geregelt werden soll. Vor Erlaß dieser Rechtsverordnung, die zudem noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, ist bei diesem Personenkreis nicht einmal die Erfassung ohne Jahrgangsaufruf möglich.
Ich hoffe, daß es gelingen wird, hinsichtlich aller Probleme des Entwurfs, die eine sorgfältige und gewissenhafte Erörterung im Gesetzgebungsverfahren erforderlich machen, durch gemeinsame Bemühungen zu gemeinsamen Auffassungen zu gelangen. Auch dieser Gesetzentwurf dient dem Ziele, die Freiheit und rechtsstaatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zusammen mit den freien Völkern der Welt und besonders mit den Partnern unserer Bündnisgemeinschaft zu bewahren und weiterhin zu sichern.
Es ist wohl anzunehmen, Herr Präsident, daß zu dem Antrag der SPD und zu den Ausführungen, die Herr Kollege Wienand zur Begründung des Antrags gemacht hat, die zuständige Stelle der Bundesregierung eine Stellungnahme abgibt. Ich weiß nicht, ob ich als Regierungsvertreter jetzt zur Diskussion sprechen kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309501000
Sie können als Regierungsvertreter nur den Standpunkt der Regierung vertreten.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309501100
Ich habe die Absicht, im allgemeinen nie einen anderen Standpunkt zu vertreten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309501200
Sie können das natürlich zu jedem Zeitpunkt tun, der Ihnen gefällt. Nach dem Grundgesetz können Sie jederzeit das Wort ergreifen. Zur Ordnung der Debatte würde ich nur empfehlen, daß zunächst einmal die Begründung abgeschlossen wird, ehe wir in die allgemeine Aussprache eintreten.
Strauß: Bundesminister für Verteidigung: Ich habe die Begründung abgeschlossen.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309501300
Sie wollen also als erster das Wort ergreifen?
Dann stelle ich fest, daß die Vorlagen eingebracht und begründet worden sind, ebenso der Antrag. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309501400
Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, die allgemeine Diskussion als erster zu eröffnen und auf alle die Dinge einzugehen, die in der Vergangenheit gesagt oder getan worden sind. Ich will auch nicht auf alle politischen Argumente eingehen, die hier von dem Kollegen gebraucht worden sind, der den Antrag der SPD begründet hat. Ich behalte mir vor, das eventuell im Verlaufe der weiteren Diskussion zu tun. Ich wollte nur den Rahmen aufzeigen, in dem sich das ganze Problem abspielt, denn dieser Rahmen hängt mit den Aufgaben und den Notwendigkeiten, von denen ich bei der Begründung der Novelle zum Wehrpflichtgesetz gesprochen habe, untrennbar zusammen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger.)

Der Kollege Wienand hat seiner Überzeugung Ausdruck gegeben — sie ist ja nicht neu —, daß man sämtliche militärischen Verpflichtungen der Bundesrepublik, wie sie gegen den Willen der Opposition eingegangen worden seien, daß man alle militärischen Pläne, wie sie gegen den Willen der Opposition erarbeitet worden seien, ausschließlich mit Freiwilligen — sei es Soldaten auf Zeit, sei es Berufssoldaten — erfüllen könne. Ich möchte hier nicht in eine astrologische Betrachtung eintreten und möchte auch nicht rein theoretische und hypothetische Dinge sagen. Tatsachen kann man nicht durch den Gebrauch bestimmter Worte ersetzen; mit diesen Worten schafft man in diesen Fällen auch noch keine Tatsachen.
Ich möchte nur eines hier feststellen: Das Mindestmaß der militärischen Verpflichtungen, die wir nicht im Interesse der NATO — ein völlig irreführender Ausdruck —, die wir vielmehr in unserem ureigenen Interesse — dafür ließen sich zahlreiche Gründe anführen — eingegangen sind, macht es uns unmöglich, auf die Verpflichtung des Bürgers zur Landesverteidigung zu verzichten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich möchte die militärischen, politischen und zum Teil auch technischen Argumente, über die in diesem Zusammenhang zu sprechen wäre, hier nicht behandeln, um die Diskussion nicht aufzuhalten. Ich möchte aber sagen, daß der Aufbau unserer zwölf Divisionen, der Aufbau der vorgesehenen Geschwader der Luftwaffe, der Aufbau der vorgesehenen Geschwader und Flottillen der Marine und der Aufbau des Apparates, der notwendig ist, um sie überhaupt verwendungsfähig und damit ernsthaft und glaubwürdig zu machen, allein auf dem Wege der Freiwilligenwerbung — obendrein noch im Zeitalter der Voll- und Überbeschäftigung -- einfach unmöglich ist.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wer dem Verteidigungsminister die Aufgabe stellt, unter Verzicht auf die Verteidigungspflicht den Notwendigkeiten nachzukommen, die sich aus seinem Auftrag und aus der politischen Situation ergeben, der verlangt von ihm eine völlige Unmöglichkeit. Es ist völlig irreal, es ist ein völliges Wunschdenken und stellt eine völlige Verkennung oder Unterdrückung der Tatsachen dar, wenn man glaubt, bei den gegebenen Umständen das Mindestmaß dessen, was wir zu tun haben, allein mit Freiwilligen abdecken zu können.
Ich möchte dabei auf die Problematik der Reichswehr der Weimarer Republik und die verschiedenen Wandlungen, die die demokratischen Sozialisten in ihrer Wehrkonzeption durchgemacht haben, nicht eingehen, weil das den Rahmen der Diskussion und meiner Stellungnahme überschreiten würde. Aber die Behauptungen — ich habe sie mitgeschrieben —, alle Verpflichtungen können auf freiwilliger Basis erfüllt werden, haben nur einen einzigen Sinn: Die Aneinanderreihung der Buchstaben, mit denen diese Worte geprägt sind; mit Tatsachen haben sie gar nichts zu tun, Herr Kollege Wienand.
Ich bin jetzt dreieinhalb Jahre in diesem Amt und habe manche Illusionen aufgegeben, habe manche Schwierigkeiten überwunden und bin mit manchen Schwierigkeiten nicht fertig geworden. Ich kämpfe mit ganz ernsthaften Schwierigkeiten, auch nur den geringeren Prozentsatz von Berufssoldaten und Freiwilligen zu bekommen, die wir im Rahmen der Wehrpflicht noch brauchen. Obwohl die Einstellung zum Wehrdienst sich gerade bei der jüngeren Generation grundlegend anders entwickelt hat, als man ursprünglich, wie das heute schon einmal angedeutet wurde, prophezeit hat, ist es bis jetzt noch nicht gelungen, alle Funktionsstellen, alle Spezialistenstellen zu besetzen und alle die Anwärter für die Unteroffiziers- und Offizierslaufbahn zu gewinnen, die innerhalb des Rahmens der Wehrpflicht noch notwendig sind, um ein dauerndes Kaderpersonal an länger dienenden Freiwilligen für Spezialisten-, für Unteroffiziers- und Offizierpositionen zu haben.
In unserer militärgeographischen Situation ist es auch nicht möglich, das Milizsystem anzuwenden, weder in dieser noch in jener Form der verschiedenen Definitionen. Denn unsere militärgeographische Lage in Verbindung mit der politischen Situation und den Pflichten, die wir innerhalb der NATO in unserem eigenen Interesse zu erfüllen haben, damit die anderen ihre Pflicht uns gegenüber erfüllen, erfordert es, daß ein gewisser Teil der Bundeswehr — nach Stärke, Ausrüstung und Ausbildung — ständig alarmiert werden kann. Wenn dieser Standard, wenn ich so sagen darf, wenn dieser Zustand, dem sich die amerikanische Armee unterworfen hat, dem sich die Engländer und die Belgier unterworfen haben, von der Bundeswehr nicht erreicht werden könnte, so wäre das bei den Maßstäben, mit denen wir gemessen werden, gleichbedeutend mit einer Verletzung oder Nichterfüllung unserer Bündnispflichten. Dann aber, wenn wir diese Voraussetzungen nicht erfüllen, können sich — mit diesem Satz möchte ich die poli-



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tusche Diskussion abschließen — hohe und verdiente Persönlichkeiten aus den Reihen der Opposition auch nicht auf die jederzeit todsichere Hilfe der Amerikaner, der Engländer und der anderen Bundesgenossen verlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darum hin ich auch der Meinung, daß wir uns in diesem Jahre der Entscheidungen, in diesem Jahre der Vorbereitung der internationalen Gespräche, in diesem Jahre, in dem vielleicht echte Entscheidungen über unser Schicksal getroffen werden, vielleicht zuerst über eine große Stadt, die uns allen am Herzen liegt, nicht auseinanderreden sollten, sondern daß Sie in dem Fall einsehen sollten, daß es am besten wäre, wir würden alle zusammen helfen, die Voraussetzungen zu schaffen, daß die Bundeswehr ihre Aufgabe tatsächlich auch erfüllen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe nicht die heutige Debatte abgewartet, um etwas hinzuzulernen; denn so groß sind meine Erwartungen nicht, die ich an Debatten knüpfe, weder an das, was anderen, noch an das, was mir selbst einfällt. Ich habe vielmehr erklärt, Herr Kollege Wienand, daß ich die Auswertung der Erfassung des Jahrgangs 1922 in sorgfältiger Weise vornehmen wolle, daß ich diese Auswertung nicht allein, sondern zusammen mit Fachleuten studieren wolle, um darin erst die Entscheidungen zu treffen, dite getroffen werden 'müssen. Ich habe nie gesagt: ich warte die Debatte ab, um mich dann zu entscheiden; denn die Debatte kann Pflichten weder beheben noch neue Pflichten begründen. Die Aufgabe besteht, und sie muß erfüllt werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich will bei diesem Anlaß jetzt nicht auf die Diskussion der letzten Monate eingehen, zu der manche Bemerkungen zu machen wären, die leider nicht in Übereinstimmung mit dem stehen, was Sie gesagt haben. Ich darf aber zur Aufgabe folgendes sagen. Man muß einen Unterschied machen — auch bei uns — zwischen einer Friedensbundeswehr und einer Bundeswehr für den Verteidigungsfall. Die Aufstellung der vollen Bundeswehr, die auch alle für den Verteidigungsfall notwendigen Kräfte einschließen würde, also sozusagen das ganze, gegenüber früher ohne Zweifel wesentlich geringere Mobilmachungsvolumen, würde eine Dauerstärke der Bundeswehr und eine dauernde materielle Ausstattung der Bundeswehr erfordern, die beide — sowohl der personelle Bedarf wie die materiellen Anforderungen — weit über das hinausgehen, was wir uns vorgenommen haben und was für den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik, für die ganze Produktionslage, aber auch für die finanziellen Grenzen des Verteidigungsbudgets erträglich wäre.
Ich darf das etwas erläutern; denn wir wollen hier doch zur Sache sprechen und uns nicht in Vorwürfen ergehen. Die Friedensbundeswehr sieht die Aufstellung der — ich bitte um Nachsicht, wenn ich den englischen Ausdruck gebrauche — assigned units vor. Das sind Einheiten, deren Aufstellung, deren Dislozierung, deren Aufteilung im Lande, deren Ausbildung, Ausrüstung und Führung bereits im Frieden praktisch in den Händen des NATO- Oberkommandos liegen. Der nationale Oberbefehl existiert praktisch nur für Aufstellung und materielle Ausrüstung, sowie für alles, was damit zusammenhängt. Praktisch sind diese Einheiten bereits im Frieden eine feste Quote der Gesamtverteidigungsstreitkraft, die dem NATO-Oberbefehlshaber und seinen untergeordneten Organen unterstellt ist, sonst würden wir unserem Grundsatz der intergrierten Verteidigung untreu werden. Das sind die bekannten zwölf Divisionen, nach oben gegliedert in drei Korps, nach unten in 34 oder 35 Brigaden; das sind die Luftwaffengeschwader, deren Zahl ja im großen und ganzen bekannt ist; das sind die Marinegeschwader und Marineflotillen; das sind die Einheiten, die dem NATO-Oberbefehlshaber jeweils dann, wenn sie eine bestimmte personelle Stärke, einen bestimmten materiellen Ausrüstungsstand und einen bestimmten Ausbildungsstand erreicht haben, zur Verfügung gestellt werden.
Ich glaube, wir wissen diesseits und jenseits der Grenze zwischen Regierung und Opposition, was erforderlich ist, um eine moderne Bundeswehr überhaupt in einem Mindestmaß einsatz- oder verwendungsfähig zu machen, — so daß man diese Dinge nicht unbedingt in der Öffentlichkeit breitzutreten braucht. Ich habe mich aber nie einem Zweifel darüber hingegeben, daß die Aufstellung dieser mobilen Einheiten, wenn ich einmal diesen Ausdruck gebrauchen darf, nicht ausreicht, um unsere Aufgaben für die Landesverteidigung im Rahmen der NATO, noch weniger etwa im Rahmen einer nationalen Landesverteidigung zu erfüllen.
Was als dauernde Einheiten aufgestellt wird und was dauernd auf einem bestimmten Stand der personellen Stärke, der Ausrüstung und der Ausbildung gehalten wird, sind die Feldeinheiten, die wir jetzt sogar von den Ausbildungsaufgaben entlasten wollen, um ihre Qualität zu steigern. Das sind die Einheiten, die jederzeit alarmbereit sein müssen, die mit dem, was sie bei sich haben, auch für eine kleine Störung oder Aktion ausreichend ausgestattet sind.
Aber nach den Maßstäben, die in allen Ländern, die über Streitkräfte verfügen, üblich sind, nach den Vorschriften und Verpflichtungen, die für alle NATO-Länder maßgebend sind, haben wir auch dafür zu sorgen, daß bestimmte Auffüllungen der mobilen Einheiten im Spannungsfalle vorgenommen werden. Wir haben ferner dafür zu sorgen, daß die territoriale Organisation, die im Frieden nur als Kaderpersonal bestehen kann — aus den Gründen, die ich vorher genannt habe —, zur vollen Wirksamkeit aufgefüllt wird, und wir haben darüber hinaus die Aufgabe, die sich daraus ergibt, daß das gesamte Gebiet der Versorgung und des Nachschubs in nationaler Zuständigkeit liegt. Leider liegt es, wie ich ausdrücklich sagen möchte, entgegen unseren Vorschlägen nicht in integrierter Zuständigkeit. Wir haben auch die Aufgabe, das ganze Gebiet der Versorgung und des Nachschubs so vorzubereiten, daß im Spannungsfall oder in einem bestimmten



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Punkt der Alarmierung dieser Apparat voll verwendungsfähig gemacht werden kann.
Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich hier im Plenum des Hauses die genauen Zahlen nicht nenne. Ich bin selbstverständlich bereit, in einer Geheimsitzung des Verteidigungsausschusses die Zahlen so genau zu geben, wie sie bisher — und wir können annehmen, in sehr zuverlässiger Weise — errechnet worden sind. Wenn Sie aber den Schlüssel nehmen, der bei allen Streitkräften der Welt, ob in Schweden, Dänemark, Großbritannien, den USA oder einem anderen Land, für das Verhältnis gilt zwischen den Soldaten, die für unmittelbare Feldeinheiten, für mobile Einheiten vorgesehen sind, und den Soldaten — zum Teil sind sie ja in Friedenszeiten Zivilisten —, die im Frieden und insbesondere im Ernstfalle benötigt werden, damit der Apparat der mobilen Einheiten überhaupt verwendungsfähig ist und einige Zeit bleibt, dann kommen Sie auf Zahlen, die zwar in den einzelnen Ländern je nach Komfort, Bequemlichkeit und Rationalisierung der Organisation verschieden sind, die aber doch heute schon bestimmte Größenordnungen erkennen lassen.
Wir müßten für den Verteidigungsfall bestimmte Einheiten der NATO-Verbände auffüllen. Das sind nicht die Kampfeinheiten, für die ausgebildete junge Reservisten der Bundeswehr zur Verfügung stünden, sondern die Einheiten, die insbesondere dem Instandsetzungswesen und dem Versorgungswesen, soweit dafür die Truppe bis zum Korps zuständig ist, dienen. Wir müssen in der Territorialorganisation die Bewegungsfreiheit der NATO- Verbände, der deutschen und der nichtdeutschen, sicherstellen. Diese Aufgabe ist uns ausdrücklich auferlegt, und auf ihre Erfüllung sind wir im Laufe des letzten Jahres von den Botschaftern der uns verbündeten Westmächte und den militärischen Instanzen der NATO in allem Ernst, mit aller Deutlichkeit und mit einer nicht zu verkennenden Ankündigung der Bedeutung und der Folgen einer Nichterfüllung dieser Verpflichtungen hingewiesen worden. Ich darf auch sagen, daß es mein Auftrag innerhalb der Verteilung der Regierungsgeschäfte ist, diese Dinge ohne Rücksicht auf all das, was gesagt wird, und auch ohne Rücksicht auf die zahlreichen Schmähungen, Verhöhnungen, Herabsetzungen, Diffamierungen in Wort und Bild auszuführen, weil wir eben diese Aufgabe übernommen haben und sie auch nach unserem Gewissen und nicht unter dem Gesichtspunkt der Popularitätshascherei erfüllen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das heißt, wir müssen Nachrichtenverbindungen außerhalb der mobilen Truppe schaffen, instandsetzen und instandhalten, wir müssen außerhalb der Einheiten, die die mobile Truppe aufstellt, Verkehrsverbindungen instandhalten, instandsetzen, notfalls schaffen. Wir müssen, angefangen von der Regelung des Verkehrs größerer Ströme — Sie wissen, woran hier zu denken ist, ohne daß ich es im einzelnen auszuführen brauche --, die Sicherung bestimmter Objekte gegen Sabotagetrupps, Kommandounternehmungen usw. übernehmen. Wir müssen dafür sorgen, daß nicht die hochwertigen NATO-Verbände ihre ohnehin zu geringen Einheiten noch für diese Art von Bewachungs- und Sicherungsaufgaben weiter schwächen müssen, indem sie dafür bestimmte Züge ihrer Kompanien oder Bataillone abzustellen gezwungen sind.
Diese Territorialorganisation, die jetzt etwa 15 000 Mann erreicht hat, die im Frieden nie stärker als 25 000, 26 000, vielleicht 30 000 Mann werden soll, wird natürlich für den Verteidigungsfall erheblicher Auffüllungen bedürfen. Man kann hier das Argument gebrauchen: wenn der Druckknopfkrieg beginnt, hat man doch keine fünf Sekunden Warnung mehr. Das wissen wir auch; aber ein Druckknopfkrieg war immer unwahrscheinlich, ist heute unwahrscheinlicher denn je und wird in Zukunft noch unwahrscheinlicher werden, als er heute schon ist. Wir können es nicht darauf abstellen, daß, weil eine mögliche Form des Beginns eines Krieges diese Arbeit sinnlos macht, deshalb alle übrigen, wahrscheinlichen Formen eines Konfliktes — den wir verhindern wollen — überhaupt nicht zu berücksichtigen sind. Ich hoffe, daß ich das mit diesen kurzen Worten deutlich genug gesagt habe.
Wir haben zusätzlich zur Auffüllung der mobilen Einheiten und der Territorialorganisation die Basis-, die Depotorganisation, die vorbereitende Rahmenorganisation für den gesamten Nachschub, der wegen der militärgeographischen Situation und der waffentechnischen Entwicklung über viele, viele Hunderte von Kilometern nach hinten zu Lande, zur See und in geringerem Umfang zur Luft organisiert werden muß, zu schaffen.
Wenn wir das alles auf dem Wege der Friedensbundeswehr schaffen würden, würde sie eine Stärke erreichen, die aus den Gründen, die ich vorhin genannt habe, nicht zweckmäßig ist. Sie würde aber auch ein Material beanspruchen, das jahrelang ungenützt stehenbleiben müßte, bloß für den Fall, daß es unter Umständen einmal benutzt werden muß.
Ich nenne Ihnen ein konkretes Beispiel, das das am besten erläutert: das Kraftfahrzeug. Wenn der ganze Transportraum, den man wegen der dann eintretenden Umstände braucht, im Frieden in Form von militärischen Kraftfahrzeugen dauernd bereitgestellt und bereitgehalten werden müßte — die mittleren, großen und auch schweren Lastkraftfahrzeuge —, so würde das eine ungeheure Verschwendung persönlicher, aber auch wirtschaftlicher und finanzieller Kapazität bedeuten. In diesem Falle müssen wir aber natürlich genauso wie jedes andere Land in der Welt — diesseits oder jenseits des Eisernen Vorhangs —, das sich mit diesen Fragen beschäftigt, bestimmte Vorsorge treffen, die personelle und die materielle Bereitstellung organisieren; oder wir verzichten auf Verteidigung überhaupt.
Ich bin — nehmen Sie mir das Wort nicht übel -gegen jede Form der Verwischung von Tatsachen, gegen jede Form der Vernebelung von Fakten, ich bin gegen jede Form der „Quasi"-, „Als-auch"-, und „Auch so-Verteidigung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.) Entweder ja oder nein!




Bundesverteidigungsminister Strauß
Ich kann auch nicht das, was an militärischer Verteidigungsvorbereitung zu schaffen ist, von dem politischen Wunschbild oder von dem politischen Zustand abhängig machen, den man nach einer Periode von Konferenzen oder einer optimistisch eingeschätzten Entwicklung in einigen Jahren oder Jahrzehnten erwartet. Ich bitte um nichts anderes als um Verständnis und nüchterne Würdigung der Argumente; und ich habe sehr nüchterne Argumente. Diese nüchternen Argumente werden mir jeden Tag bewußt, wenn ich zu Hause am Schreibtisch sitze oder im Auslande oder bei allen möglichen Konferenzen und Auseinandersetzungen. Ich muß die Aufgabe erfüllen, die jetzt gestellt ist, nicht eine Aufgabe, die man in harmloser Verkleinerung und Bagatellisierung des Problems

(Sehr gut! bei der CDU/CSU)

bei optimistischer Wunsch- oder Zweckvorausschau einer rosigen Zukunft zugrunde legt.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun, wenn diese Aufgabe erfüllt werden soll — Auffüllung der mobilen Einheiten, der Einheiten für Instandsetzungs- und Versorgungszwecke, Territorialorganisation, Nachschub- und Depotorganisation in dem Schlüssel nach Minimal-Maßstab, wie er sich aus der Erfahrung aller militärischen Experten in allen Ländern, ob in Schweden oder in Deutschland, of in England oder den USA, ob in Italien oder in Holland, ergibt — dann haben wir personell folgendes zu tun.
Wir brauchen Offiziere, wir brauchen Unteroffiziere, wir brauchen Mannschaften. Ich nenne bewußt die Zahlen nicht. Die Zahlen sind aber höher, als ich sie noch vor einem Jahr erwartet hatte; und diese Zahlen steigen bis zum Jahre 1964 jährlich noch an, wenn wir nicht in diesem Jahr beginnen, Abhilfe zu schaffen.
Was die Mannschaften betrifft, so ist die Deckung des Bedarfs überhaupt kein Problem. Wir haben jetzt etwa 90 000 ausgebildete Reservisten der Bundeswehr — in der Hauptsache im Mannschaftsdienstgrad —, die die Bundeswehr wieder verlassen haben, für die eine Bereitstellung bereits vorbereitet wird und die auch eine bestimmte Order haben. Wir haben eine geringere Zahl von Unteroffizieren und von Offizieren. Zum Teil haben wir auch durch die Wehrübungen eine Anzahl Unteroffiziere und auch Offiziere gewonnen, aber nicht in ausreichendem Maße.
Jetzt muß ich ein Argument widerlegen, Kollege Wienand, das Sie gebraucht haben. Für uns ist natürlich Freiwilliger nicht Freiwilliger. Insgesamt haben sich 250 000 ehemalige gediente Soldaten vom Gefreiten, Obergefreiten bis zum General, Generalintendanten und Generalapotheker usw. wieder gemeldet. Von diesen 250 000 ehemaligen gedienten Soldaten sind etwa 40 000 genommen worden. 210 000 mußten abgelehnt werden. Das lag zum großen Teil nicht an ihrer Person, sondern lag am gesunden Altersaufbau, an einer gesunden Zusammensetzung; es lag auch an der körperlichen Tauglichkeit und daran, daß sie noch anderen Maßstäben nicht genügten. Ich kann darüber hier nicht weitere
Ausführungen machen. Wir können den Bedarf aus den nicht zum Zuge gekommenen 210 000, die sich gemeldet haben, natürlich decken. Damit ist der Bedarf aber nur rein numerisch und nicht in der Sache gedeckt. Die Eigenart der Verwendung, wie sie in der Dreiteilung der Aufgaben liegt, die ich geschildert habe, setzt voraus, daß man in der Hauptsache bestimmte Unteroffiziers- und Offiziersdienstgrade braucht, im Normalfall höchstens bis zum Major — vielleicht in wenigen Fällen noch darüber —, aber in der Hauptsache Leutnante, Oberleutnante und Hauptleute, und setzt voraus, daß diese Leute eine bestimmte Berufsausbildung gerade für den berufsnahen Zweck, für den sie eingesetzt werden sollen, haben, eine Ausbildung für die besonderen Aufgaben, die sie erfüllen sollen bei Instandsetzung, Versorgung, Fernmeldeverbindungen, Verkehrsverbindungen, Nachschub und Depotwesen. Wir können dann nicht etwa einfach das gesamte Heer der ehemaligen gedienten Soldaten, die sich in gutem Glauben wieder gemeldet haben, in der reinen Form des Abzählens für diese Aufgaben einteilen. Zum großen Teil sind diese Personen auch zu alt. Der Prozentsatz derer, die aus Altersgründen abgelehnt werden mußten, ist erheblich.
Soweit wir für diesen Zweck Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere brauchen, darf ich sagen, daß das Problem hinsichtlich der Mannschaften heute im großen und ganzen als gelöst betrachtet werden kann. Jedes Vierteljahr verläßt eine beträchtliche Zahl von ausgebildeten Wehrpflichtigen oder Freiwilligen die Bundeswehr und wird für diesen Zweck, nicht nur für die Auffüllung der NATO-Einheiten, bereitgestellt, so daß auf dem Gebiete der Bereitstellung von Mannschaften für den Verteidigungsfall das Ministerium in diesem Jähr keine Sorgen mehr hat. Das ist bei Unteroffizieren und Offizieren nicht so. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder zu warten, bis genügend Unteroffiziere und Offiziere der jungen Jahrgänge aus der Bundeswehr herausgewachsen sind, oder aus den Berufssoldaten, die aus den mobilen Verbänden ausscheiden, den Bedarf für diesen Zweck zu decken. Dann wird die Verwendungsfähigkeit der Bundeswehr im heutigen Umfange — ich scheue mich nicht, die Zahl zu sagen, obwohl sie auf meinen Papieren unter „Geheim" läuft — nicht vor dem Jahre 1966 gegeben sein, und die Verwendungsfähigkeit der Bundeswehr in dem Ihnen bekannten Friedensumfang wird vor dem Jahre 1970 nur in Teilen und nicht voll gegeben sein.
Wenn ich den Auftrag erfüllen soll, nunmehr, nachdem wir einen bestimmten Stand des Aufbaus erreicht haben, die Bundeswehr in ihrem jeweiligen Umfang auch verwendungsfähig zu machen, indem die Grundlage, der Apparat dahinter und dazwischen aufgebaut wird, dann kann ich das nicht tun, indem ich darauf warte, bis die neuen Jahrgänge nachgewachsen sind; sonst muß ich die Jahre 1966, 1970 gelten lassen.
Es ist mir gesagt worden, es sei ein Erfordernis der Gerechtigkeit, die weißen Jahrgänge heranzuziehen. Ich brauche Ihnen den Terminus nicht zu er- läutern. Die gesamten weißen Jahrgänge von 1928



Bundesverteidigungsminister Strauß
bis 1937 gehören — das ist weder Verdienst noch Schuld — einer Altersklasse an, die keine militärische Ausbildung erfahren hat, wobei die Ausnahmen zahlenmäßig unbedeutend sind. Wenn wir also, um den Bedarf an Unteroffizieren und Offizieren zu decken, die Wehrpflichtigen aus den sogenannten weißen Jahrgängen heranholen wollten, wenn wir ihnen eine minimale Grundausbildung geben und sie in die Aufgabe einweisen wollten, dann überstiege das unsere Ausbildungskapazitäten. Wenn ich es versuchte, würde der Zeitraum, in dem es möglich wäre, fast nicht um ein Jahr besser sein, als wenn man die Auffüllungen mit den jungen, voll grundwehrdienstpflichtigen Jahrgängen vornähme.
Das sind die Grundüberlegungen, aus denen heraus man gezwungen ist, für einen bestimmten begrenzten Zeitraum, für bestimmte Aufgaben auf bestimmte Dienstgrade zurückzugreifen mit einer sehr eingeschränkten Verwendungsabsicht. Das hat mit Wunsch oder, wie Sie mir vorgeworfen haben, Ehrgeiz oder Prestige oder Hobby oder, Kollege Wehner, mit „stupiden Köpfen", die das erfunden haben — in Versammlungen sagt man ja viel , überhaupt nichts zu tun.
Wenn diese Auffüllung vorbereitet werden soll, wenn die Bundeswehr verwendungsfähig gemacht werden soll, wenn sie jetzt, wo sie in das fünfte Jahr ihres Aufbaus tritt, mit dem nun erreichten Aufbaustand auch mobilmachungsfähig werden soll, was ja dem Charakter einer Truppe entspricht und für das Wesen ihrer Aufgabe notwendig ist, weil man gerade damit das Gegenteil von dem erreichen
will, was man vorbereitet -- so paradox es klingt —, dann müssen wir auf diejenigen, allerdings in einem ganz geringen Umfang, den ich am Schluß meiner Ausführungen noch kurz erläutern darf, zurückgreifen, die bereits eine bestimmte militärische Erfahrung haben. Es brauchen nicht moderne Soldaten zu sein — das wissen wir auch —, wie uns immer wieder belehrend gesagt worden ist, die die modernen Panzer und Flugzeuge und Waffen usw. kennen. Dafür brauchen wir sie — das sei noch einmal ausdrücklich gesagt — nicht.
Aber es müssen Leute mit einer militärischen Grundausbildung sein. Es müssen Leute sein, die schon bestimmte militärische Führungsaufgaben in unteren Ebenen ausgeführt haben, also Unteroffiziere, vor allen Dingen Feldwebel, Oberfeldwebel, Hauptfeldwebel. Es müssen Offiziere sein, die schon einmal Einheiten geführt haben und in diesen Aufgaben irgendeine vom Militär und vom Beruf her kommende Erfahrung haben.
Dazu reicht es uns beim Jahrgang 1922 und bei den jüngeren Jahrgängen nicht. Die Behauptung, daß ältere Jahrgänge herangezogen werden sollen, ist, abgesehen von den Freiwilligen, falsch, und sie wird auch dadurch nicht richtig, wenn sie öfter wiederholt worden ist. Der gesamte Jahrgang 1922 —ich kann es Ihnen schwarz auf weiß zeigen — umfaßt zur Zeit im Inland und Ausland — die Sowjetzone ausgeschlossen — 320 000. Von diesen sind etwa 300 000 erfaßt worden. Die anderen waren auf Reisen, haben ihren Wohnsitz im Ausland oder sind erst in den folgenden Monaten hinzugekommen.
Die ausgegebenen Erfassungsscheine sind zu 98 % abgegeben worden. Ich rede jetzt nicht von denjenigen, die ein Formular für Wehrdienstverweigerer erbeten haben oder die sich vorsorglich nach den Möglichkeiten für die Zurückstellung oder nach anderen Möglichkeiten erkundigt haben. Von diesen 300 000 Erfaßten sind 30 000 im Sinne des BVG beschädigt, d. h. zu 30 "/o und mehr. 270 000 sind es dann offensichtlich nicht. Jetzt werden immer noch mühselig Berufsgruppen zusammengestellt; die Verwendungsmöglichkeiten für sie werden ermittelt. Darum ist die Vorlage einer letzten Planung jetzt noch nicht notwendig, wird aber sehr bald möglich sein.
Von diesen etwa 300 000 Erfaßten, von denen 30 000 Beschädigte — gleichgültig welchen Grades — von vornherein ausscheiden können, wenn sie wollen, werden für die Untersuchung, für die Musterung etwa 30 000 benötigt, in der Annahme, daß von den 30 000 jeder zweite für eine Dauer von 4 Wochen in eine bestimmte Funktion dieser Art eingewiesen werden soll.
Es gibt natürlich bei kämpfenden Truppen auch nicht kämpfende Verbände. Es gibt bei einer Division und bei einem Korps auch Teile, die zwar zu einer Feldeinheit, zu einer kämpfenden Truppe gehören, aber selbst nicht kämpfende Truppe sind. Ich habe für diesen Fall auch vorgesehen, daß diejenigen, die nicht zu einer Feldeinheit wollen, sei es aus diesem oder jenem Grund, für die Territorialorganisation und die Basis- und Depotorganisation eingeteilt werden sollen. Wir haben allerdings auf Grund vieler Zuschriften und vieler Mitteilungen die Erfahrung gemacht, daß mit dem Augenblick, wo die Betreffenden mit einer Erfassung und Einweisung in eine Funktion rechnen müssen, bei ihnen das Interesse viel größer ist, zu einer modernen Truppe zu kommen als — im Sprachgebrauch von früher — im rückwärtigen Gebiet eingesetzt zu werden. Den Begriff des „rückwärtigen Gebietes" gibt es heute, was das Risiko der Person anbetrifft, schon seit Jahren nicht mehr, und es wird ihn in Zukunft immer noch weniger geben.
Ich könnte meine Ausführungen in mancherlei Punkten, was die Darlegungen des Kollegen Wienand und die Polemik in der Offentlichkeit anbetrifft, noch ergänzen. Ich will das aber hier nicht tun, um die Debatte auf das Notwendige, das ich allerdings sehr ausführlich dargelegt habe, zu begrenzen. Ich möchte jedoch noch einmal ganz klar drei Fakten herausstellen.
Erstens. Ohne Verteidigungspflicht ist der Aufbau der Bundeswehr, sowohl ihrer mobilen Einheiten wie der Einheiten, die für die Auffüllung und für den Alarmfall notwendig sind, definitiv unmöglich.
Zweitens. Der Aufbau der mobilen Einheiten allein, d. h. der für die Unterstellung unter die NATO vorgesehenen Kontingente, stellt zwar den Aufbau von Divisionen, Geschwadern und Flottillen dar, aber er ermöglicht keine im Rahmen der NATO- Aufgaben und im Rahmen der Zuweisung und Abteilung der Aufgabengebiete einsatzfähige, verwendungsfähige Bundeswehr. Wer die Bundeswehr auf das beschränken will, was ich „Friedensbundeswehr"



Bundesverteidigungsminister Strauß
genannt habe, der muß so ehrlich sein zuzugeben, daß er nicht will, daß die Bundeswehr den Stand der Einsatzfähigkeit erreicht.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Drittens. Was die jungen wehrpflichtigen Jahrgänge betrifft, so wird es für den heutigen Umfang der Bundeswehr noch vier bis fünf Jahre, für den Endfriedensumfang der Bundeswehr noch neun bis zehn Jahre dauern, bis der Bedarf an Unteroffizieren und Offizieren, nicht an Mannschaften, gedeckt werden kann. Aus den gleichen Gründen löst man das Problem auch nicht durch die Heranziehung der weißen ungedienten Jahrgänge, weil man Dienstgrade und Spezialisten mit einer gewissen militärischen Erfahrung braucht. Demgemäß kann es, von der Aufgabe her gesehen, die man uns erleichtern und nicht erschweren sollte und wegen der man uns unterstützen, nicht verdammen und diffamieren sollte,

(Beifall bei der CDU/CSU)

nur so gemacht werden, wie ich es hier dargestellt habe.
Ich darf abschließend sagen, daß die ganze öffentliche Diskussion, nicht wie sie der Herr Kollege Wienand hier geführt hat, ohne Unterschied der Hintergründe — ich könnte sie nennen; wir haben sehr genaue Untersuchungen darüber angestellt —, nicht mehr darum ging, einen kriegsgedienten Jahrgang zu verschonen, sondern die öffentliche Diskussion ging mit ihren Hintermännern und ihren Hintertreppenargumenten darum, die Verteidigungspflicht in den Wurzeln zu beseitigen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die öffentliche Diskussion ging darum, die Verteidigung in ihrer militärischen Form überhaupt wieder entscheidend zu treffen. Die Diskussion ging nie darum, ob es eine andere, bessere Lösung gäbe, ob man es durch eine breitere Ausbildung der jungen Jahrgänge, durch ein System schnellerer Ausbildung oder durch eine improvisierte Ausbildung der weißen Jahrgänge schaffen könnte. Die Argumente gingen einheitlich dahin, die Bundeswehr zu treffen, die Tatsache der Existenz der Bundeswehr wieder aus der Welt zu schaffen.

(Widerspruch bei der SPD.) -- In der Öffentlichkeit ja.


(Zuruf von der SPD: Jetzt konstruieren Sie!)

— Ich kann Ihnen jeden Satz beweisen. Ich spreche jetzt von der öffentlichen Diskussion, von dem, was in den Versammlungen gesagt worden ist. Wir haben über die meisten Versammlungen genaue Berichte.

(Zuruf von der SPD: Geheimberichte!)

— Ich wußte nicht, daß in der Demokratie die Zeitungen geheim erscheinen!

(Heiterkeit in der Mitte.)

Die öffentliche Diskussion, so wie sie sich in der
Presse, in Flugschriften niedergeschlagen hat, ging
gegen die militärische Verteidigung überhaupt,
nicht gegen einen falschen Plan, etwa auf einem bestimmten Gebiet.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie das insgesamt?)

— In bezug auf die öffentliche Diskussion, wie sie in den Versammlungen geführt worden ist, die zum Teil mit diesem, zum Teil mit jenem Hintergrund einberufen worden sind. Es war ein Ratsherr Ihrer Partei, der Düsseldorfer Ratsherr Benda, der, wie ich zwei in der Presse erschienenen Versammlungsberichten entnehme, erklärt hat, daß die Angehörigen des Jahrgangs 1922 die Schutzengel für den Jahrgang 1939 werden müßten, daß der Jahrgang 1922 den Jahrgang 1939 davor bewahren müsse, wiederum in das Verderben zu rennen wie die 1922er, die Hitler hineingetrieben habe. Das, meine Damen und Herren, geht an die Wurzel unseres Staates,

(Beifall bei den Regierungsparteien)

das geht an die Wurzel unseres internationalen
Bündnissystems, und das geht an die Wurzel unserer Existenz als freies Deutschland im Jahre 1960.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309501500
Im Rahmen der verbundenen Aussprache zu den Punkten 5a, b und c der Tagesordnung hat das Wort der Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (FDP):
Rede ID: ID0309501600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn auch die Aussprache zu den Punkten 5a, b und c verbunden ist, so beziehen sich meine Ausführungen, die ich für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei zu machen die Ehre habe, doch nur auf Punkt 5a. Ich habe versprochen, nur 7 1/2 Minuten zu reden.
Ich darf mich zur Straffung der Diskussion darauf beschränken, mich unter Hinweis auf die Kritik, die wir hier bereits vor einem Jahr geübt haben, dem Sprecher der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei an die Seite zu stellen, was die Methoden anbelangt, Herr Bundesverteidigungsminister, mit denen die Erfassung eines Jahrgangs für den Wehrdienst oder für andere Dienste — das muß man nämlich gleich hinzufügen gehandhabt worden ist. Man kann zusammenfassend sagen: Sie waren weder überlegt noch sachlich genügend vorbereitet. Überlegt deshalb nicht, weil die Reaktion eine völlig falsche war. Das Ergebnis war durchaus positiv, indem 98% dem Erfassungsbescheid entsprochen haben, aber die Reaktion war eine völlig falsche, und das hätte man vermeiden können. Ich weiß, daß die einzelnen Schriftstücke, die verschickt worden sind, außerhalb der Kompetenz des Herrn Bundesverteidigungsministers liegen. Das kann ich ihm nicht 100%ig anlasten, sondern ist durch den Umstand bedingt, daß der Bundesverteidigungsrat, der hier in der Koordination bis in die Landes- und Kreisebene hinein erstmalig in Funktion treten mußte, versagt hat.



Kreitmeyer
Im übrigen zur Organisation: Herr Bundesverteidigungsminister, es ist Ihnen von uns mehrfach gesagt worden, es sei ein Unding, daß die ehemaligen Berufssoldaten immer noch beim Bundesinnenminister ressortiert seien. Selbst die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat uns zugegeben, man müsse in Erwägung ziehen, ob nicht auch die Kriegsopfer unter Ihre Obhut gestellt werden sollten. Wäre es nämlich schon geschehen, so wäre vermieden worden, daß Schwerkriegsbeschädigte einen Erfassungsbescheid zugestellt ,erhielten.

(Zuruf von der SPD.)

— Sie sind nicht ausgeräumt, und die Organisation ist nach wie vor so fehlerhaft, wie ich sie hier geschildert habe!
Und nun zu den Antragstellern! Wir können, wenn Sie darauf beharren, es jetzt zu einer Abstimmung kommen zu lassen, nicht zustimmen, weil
— wenn Sie Ihr Unterschriftsdatum, den 19. Oktober 1959, mit den heutigen Gegebenheiten noch einmal vergleichen wollen — es einfach nicht möglich ist, daß, wenn Sie die sinnvolle Landesverteidigung haben wollen, global auf diese Jahrgänge in der Form zu verzichten, wie Sie es hier vorhaben. Es führt vielleicht zu einem Irrtum, daß da oben steht: Erfassung durch die Bundeswehr. Nun, hoffentlich machen wir nicht eine Erfassung für die Bundeswehr, für die territoriale Verteidigung nationaler Prägung und noch für den zivilen Bevölkerungsschutz; denn dann hätten wir ja drei Organisationen, und wir können nur einmal erfassen! Ich habe keine Zweifel, daß sorgfältig ausgewertet
I) werden muß. Aber wir müssen erfassen.
Herr Bundesverteidigungsminister, die sozialdemokratische Fraktion hat hier besonders stark das Prinzip der Freiwilligkeit herausgestellt. Wir tun das genauso! Die Tatsache, daß sich 5000 Freiwillige melden und nur 900 verkraftet werden konnten, lassen uns die Dinge im derzeitigen Zustande vielleicht doch etwas hoffnungsvoller sehen.
Wir können also bestenfalls dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß zustimmen, und wir möchten das hier auch vorschlagen, wenn Sie auch angeblich schon die Hoffnung aufgegeben haben, da noch etwas Nutzbringendes zu erreichen. Ich glaube, daß ganz im Gegenteil der jetzige Zeitpunkt außerordentlich günstig ist, dem Prinzip der Freiwilligkeit trotzdem Raum zu geben.
Schließlich noch ein Wort zum Schluß, Herr Bundesverteidigungsminister! Sie sagten, die Berufsausbildung der ehemaligen Berufssoldaten -Offiziere wie Unteroffiziere -- reiche nicht aus, um noch bestimmte technische Funktionen in der Bundeswehr auszufüllen. Daran habe ich gelinde Zweifel, und ich bezweifle auch, ob das schon festgestellt worden ist; denn die Herren haben doch alle seit 15 Jahren einen Zivilberuf ausgeübt, und sicherlich auch in vielen Fällen einen technischen. Das sollte erst einmal geprüft werden, und es sollte auch erst einmal bewiesen werden, daß das überhaupt geprüft worden ist!
Zum zweiten! Es gibt keine Zweifel darüber, daß Sie bei einem derartigen Mangel an aktiven Offizieren für die Truppe noch manchen älteren ehemaligen aktiven Offizier oder Unteroffizier im unumgänglich notwendigen Bürodienst der aktiven Truppe als Ergänzungsoffizier oder -unteroffizier durchaus voll beschäftigen könnten, ohne daß es finanziell überdimensionierte Folgen hätte.
Das wollte ich doch noch anmerken, weil die einschlägigen Anträge hier seit Jahresfrist in der Diskussion stehen, einer Entscheidung bedürfen und wir uns letzten Endes alle nur einem einzigen Prinzip unterwerfen können: die Landesverteidigung potentiell so stark wie möglich und finanziell so rationell wie möglich zu machen. Hierzu kann der Appell an die Freiwilligkeit, an die Einsicht nicht oft genug erfolgen. Ihn zu tragen sind, glaube ich, alle Teile dieses Hauses bereit.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309501700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seffrin.

Dr. Roland Seffrin (CDU):
Rede ID: ID0309501800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 1280, den die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei eingebracht hat, hat zu einer Reihe von Ausführungen über unsere Bundeswehr geführt. Ich möchte dazu für die Fraktion der CDU/CSU folgendes sagen:
Die Ausführungen des Sprechers der Sozialdemokratischen Partei, des Kollegen Wienand, waren an sich keine unfreundliche Rede. Wir haben beinahe gewisse freundliche Töne herausgehört. Herr Kollege Wienand, Sie sagten, Sie wollten keine Grundsatzdebatte. Das ist eine erfreuliche Feststellung. Wir würden uns wirklich freuen, wenn diese Ihre Äußerung so zu verstehen wäre, daß Sie endlich die Grundsätze angenommen hätten, die wir hinsichtlich der Verteidigung und hinsichtlich der Bundeswehr schon lange haben. Dann wäre manche Debatte, die wir hier schon geführt haben und die nicht in diesen schönen Tönen gehalten wurde, überflüssig gewesen.

(Zuruf des Abg. Wienand.)

Zweitens haben Sie in Ihren einleitenden Sätzen gesagt, daß Sie mit dem Antrag Drucksache 1280 keine Lähmung der Verteidigungskraft der Bundesrepublik beabsichtigten. Auch das ist ein Satz, den wir gerne hören, für dessen Glaubwürdigkeit aber noch mancher Beweis anzutreten wäre, vor allen Dingen der Beweis, daß man das, was man sagt, auch mit seinen folgenden Unternehmungen unterstützt, und sei es eine Unternehmung wie dieser Antrag.
Allerdings muß ich auf der. anderen Seite auch feststellen, Herr Kollege Wienand, daß Ihre Ausführungen nicht überzeugend waren und daß man auch bei scharfem Hinhören kaum eine Begründung dafür bekam, warum Ihre Fraktion den Antrag überhaupt eingebracht hat.
Sie machten der Bundesregierung bzw. dem Bundesverteidigungsminister den Vorwurf, die Sache habe einen falschen Start gehabt. Diesen Vorwurf



Dr. Seffrin
hat auch der Kollege Kreitmeyer von der Freien Demokratischen Partei aufgenommen, der soeben behauptete, die Sache hätte psychologisch anders gemacht werden müssen.
Ganz allgemein darf dazu gesagt werden, daß die Erfassung Angelegenheit der Länder ist. Bezüglich solcher Dinge wie der Aufforderung an Schwerkriegsbeschädigte, sich zu melden, darf ich darauf hinweisen, daß in dem vom Bundesverteidigungsminister vorgesehenen Erfassungsformular so etwas von vornherein nicht enthalten war. Aber es ist andererseits so gewesen, daß die Länder, die ja die Exekutive haben, kein einheitliches Meldeformular für diesen Zweck gewünscht haben, wie es das Bundesverteidigungsministerium beabsichtigt hatte. Die Vorwürfe, daß die Sache psychologisch nicht richtig gestartet worden sei, gehen hier wirklich an die falsche Adresse. Aber selbst wenn ein psychologischer Fehler gemacht worden wäre — ich bestreite das im Hinblick auf die Exekutivaufgabe der Länder —, dann wäre dieser Fehler bei weitem nicht so groß wie der politische Fehler, den manche Leute und leider auch unsere Kollegen bzw. unsere politischen Mitstreiter und Mitarbeiter in der Bundesrepublik von der Sozialdemokratischen Partei dadurch gemacht haben, daß sie jene Kampagne entfesselten — das wurde von dem Herrn Minister schon ganz richtig gesagt —, die unter Bezug auf irgendwelche, an dem gesamten Projekt gemessen, unwesentliche und kleine Einzelheiten die Dinge in den großen politischen Rahmen hineingetrieben hat.
Herr Kollege Wienand, Sie sagten dann: dadurch, daß die Bundesregierung überhaupt mit der Erfassung des Jahrgangs 1922 herausgekommen sei und daß sie es so und so gemacht habe, habe sie — wie sagten Sie? — der SED, also sagen wir ruhig: der anderen Seite die Mittel an die Hand gegeben, einen politischen Kampf gegen uns aufzuziehen. Das ist genau eine dialektische Verdrehung. Denn man kann nicht sagen, daß die Bundesregierung der anderen Seite Material geliefert hat, und man kann nicht sagen, daß die andere Seite mit von der Bundesregierung geliefertem Material gegen uns politisch zu Felde gezogen sei oder hätte zu Felde ziehen können. Wenn wir so argumentierten, dann müßte bei jeder Angelegenheit, bei jedem politischen Gesetz, bei jedem politischen Vorgang, der bei uns ablaufen soll, vorher überlegt werden, ob damit nicht eventuell von der Gegenseite,

(Abg. Wienand: Sie polemisieren gegen etwas, was nicht gesagt wurde!)

von den Kommunisten etwas gegen uns verwendet werden könnte. Wir würden uns mit unserer politischen Arbeit restlos in die Abhängigkeit von Zustimmung oder Nichtzustimmung der kommunistischen Seite begeben. Das wäre der politische Selbstmord, Herr Kollege Wienand. Den wollen wir aber nicht begehen, sondern wir behalten uns vor, unsere Maßnahmen, unsere Gesetze und das, was sonst politisch wichtig ist, unter dem Gesichtspunkt zu tun, inwieweit diese Dinge für uns in der Bundesrepublik notwendig, wie weit sie politisch richtig und zweckmäßig sind.
Sie haben weiterhin darauf hingewiesen, daß bei den erwähnten Jahrgängen bestimmte Gedankengänge vorhanden gewesen seien. Sie haben darauf aufmerksam gemacht, daß unter den Angehörigen des Jahrgangs 1922 Leute seien, die bei der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft eine Verpflichtung unterschrieben hätten, daß sie nicht wieder Soldat werden, daß sie nicht wieder irgendwie in soldatischer Weise auftreten würden. Ich glaube, daß wir für die Angehörigen des Jahrgangs 1922, die sich persönlich durch eine solche Verpflichtung irgendwie gebunden fühlen, Verständnis haben sollten. Aber ich bin nicht der Meinung, daß wir in diesem Hause es einfach hinnehmen sollten, daß eine solche abgegebene Erklärung einen deutschen Menschen rechtlich, politisch irgendwie bindet. Wir haben die Verpflichtung in diesem Hause — ja, Herr Kollege Wienand, das haben Sie gesagt — darauf hinzuweisen, was einen Angehörigen der Bundesrepublik überhaupt binden kann. Denn völkerrechtlich sind solche Erklärungen, wenn sie unterschrieben wurden, nicht bindend, da sie nicht vom freien Willen des Kriegsgefangenen bestimmt waren.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309501900
Herr Abgeordneter Dr. Seffrin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wienand?

Dr. Roland Seffrin (CDU):
Rede ID: ID0309502000
Bitte schön!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309502100
Herr Abgeordneter Wienand zu einer Zwischenfrage!

Karl Wienand (SPD):
Rede ID: ID0309502200
Herr Kollege Dr. Seffrin, ich nehme nicht an, daß Ihnen entgangen ist, daß ich ausdrücklich auf die Fälle hingewiesen habe, in denen sich der einzelne darauf beruft, daß er diese Erklärung damals freiwillig abgegeben habe und sich heute noch daran gebunden fühle. Daran habe ich die Bemerkung geknüpft, daß man sie nicht durch völkerrechtliche Überlegungen pauschal beiseiteschieben könnte. Bitte, berücksichtigen Sie das und versuchen Sie, darauf konkret einzugehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309502300
Herr Kollege Wienand, ich glaube, daß das eigentlich keine Frage war.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)


Dr. Roland Seffrin (CDU):
Rede ID: ID0309502400
Ich danke Ihnen, Herr Präsident; genau dasselbe wollte ich sagen. Das war keine Frage, sondern nur eine Bestätigung dessen, was ich zunächst ausgeführt habe. Auch Sie haben den Fehler in dem, was Sie sagten, mittlerweile eingesehen. Denn wir haben die Verpflichtung, Leute, die zur Bundesrepublik gehören, die unsere Bürger sind, gegen Mißdeutungen oder Mißbräuche des Völkerrechts zu schützen und ihnen auch hier in diesem Hause zu sagen, was ihnen überhaupt vom Völkerrecht her auferlegt ist und auferlegt werden kann.
Die Gewahrsamsmacht ist nämlich verpflichtet, die Gefangenen nach Beendigung der Feindseligkeiten



Dr. Seffrin
nach Hause zu schicken. Macht sie die Entlassung abhängig von derartigen Erklärungen, wie sie im Rahmen der Erfassung des Jahrgangs 1922 zur Sprache kamen, dann verstößt die Gewahrsams-macht gegen die anerkannten Grundsätze des Völkerrechts. Ich bin im Augenblick nicht genau darüber unterrichtet, von welcher Gewahrsamsmacht bzw. von welchen Gewahrsamsmächten solche Erklärungen gefordert wurden.

(Zuruf von der SPD: Bei allen vier!) Das müßte noch geklärt werden.

Weiter muß festgestellt werden, daß eine solche Erklärung, die von einem Kriegsgefangenen abgegeben worden ist, für den Heimatstaat des Kriegsgefangenen nur dann bindend ist, wenn dieser Heimatstaat die Abgabe der Erklärung gestattet hat. Auf diesen Zusammenhang und auf diese Umstände muß man ganz deutlich hinweisen, damit hier keine Mißverständnisse entstehen.
Sie haben weiter gesagt, in dem Merkblatt der Bundesregierung „Warum Jahrgang 1922?" seien über die Versorgungsfrage keine genauen Ausführungen gemacht worden, und die soziale Sicherung sei nur am Rande dargestellt worden. Wir wissen alle, daß zu der Zeit, als die Erfassung des Jahrgangs 1922 zur Debatte stand und die Dinge mehr und mehr in die Öffentlichkeit kamen, die Novellierung der Kriegsopferversorgung im politischen und parlamentarischen Gespräch erörtert wurde. Man kann nicht erwarten, daß die Bundesregierung in einer solchen Situation besondere Vorschläge für Abänderungen irgendwelcher Art für ein Sondergebiet anregt oder vorträgt.
Immer wieder wird auch die Frage des Gewissens angesprochen. Ich glaube, daß wir uns da alle einig sind. Jedem Angehörigen des Jahrgangs 1922 steht das Recht nach dem entsprechenden Artikel unseres Grundgesetzes zu. Wir haben aus den Ausführungen des Herrn Ministers gehört, daß von diesem Recht auch Gebrauch gemacht worden ist. Wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, dann haben 1,67 % einen Antrag nach Artikel 4 Ziffer 3 des Grundgesetzes gestellt.
Die Fragen: „Warum nimmt man nicht die weißen Jahrgänge?" oder: „Warum stützt man sich nur auf Jahrgang 1922?" sind von dem Herrn Minister bereits entsprechend beantwortet worden. Der Grund, weshalb der Jahrgang 1922 herausgegriffen wurde, ist in den Ausführungen des Herrn Ministers sehr deutlich herausgestellt worden. Man kann nur unterstreichen, was am Schluß dieser Ausführungen zusammenfassend gesagt wurde: Ohne die Wehrpflicht wären wir nicht in der Lage, unser Vaterland zu verteidigen und unsere Aufgaben im Rahmen der Atlantischen Verteidigungsgemeinschaft zu erfüllen. Dabei ist der Gedanke zu betonen, daß es nicht möglich ist, die Aufgaben nur mit einer Bundeswehr zu erfüllen, die allein einen Friedenscharakter hat. Die für den Friedenszweck geschaffene Bundeswehr muß für den Verteidigungsfall entsprechend ausgerüstet, organisiert und aufgefüllt werden. Wenn man nämlich den zweiten Schritt nicht tut, war der erste Schritt praktisch umsonst gewesen.
Nun hat sich gezeigt, daß die Angehörigen des Jahrgangs 1922 weit mehr, ja unvergleichlich mehr Verständnis für diese Dinge gehabt haben, als das von gewissen Leuten und gewissen Steuermännern angenommen worden ist. Ich habe mich in Hamburg wiederholt Leuten des Jahrgangs 1922 gestellt und habe mit ihnen diskutiert. Ich kann nur unterstreichen, was schon gesagt worden ist. In der Regel —ich weiß eigentlich gar keine Ausnahme — waren die Angehörigen des Jahrgangs 1922 nicht in erster Linie um den Jahrgang 1922 besorgt, sondern es ging ihnen darum, die Angelegenheit „Jahrgang 1922" zum Ausgangspunkt einer politischen Diskussion zu machen.

(Zuruf von der SPD: Das ist gar nicht wahr!)

— Sie mögen es anders erlebt haben; ich kann nur das berichten, was ich erlebt habe. Die Diskussionen gingen mit der Frage „Jahrgang 1922" los, aber dann ging man sofort über zu dem Problem des Disengagement und warf die Frage auf, ob man das nicht überhaupt ganz anders machen könne, ob man nicht die Bundeswehr und die Wehrpflicht abschaffen und aus der NATO austreten könne. Dieser ganze Katalog, angefangen von der Gewaltlosigkeit, von der Ablehnung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen, aus politischen Gründen usw. bis hin zu der Parole „Deutsche an einen Tisch!" ist doch an solchen Abenden abgelaufen. Da hat man deutlichst erkannt, worum es ging. Ich habe das in Hamburg erlebt.
Diejenigen, die die Dinge inszenierten, waren meistens Angehörige der Internationale der Kriegsdienstgegner. Eine Delegation, die mich in meiner Wohnung besuchte, bestand überhaupt nur aus solchen Angehörigen der Internationale der Kriegsdienstgegner. Sie haben die Aktionen auch durchgeführt. Zuerst waren es, glaube ich, sieben Leute, die bei mir waren. Sie haben dann für den Jahrgang 1922 gesprochen. Überblickt man die Zusammenhänge genau oder vergleicht man einmal die Zahlen, dann kann man nur sagen: das ist wirklich nichts anderes gewesen als eine von einer bestimmten politischen Auffassung getragene kleine Gruppe, die sich in die Brust geworfen und anheischig gemacht hat, für den ganzen Jahrgang 1922 zu sprechen. Das ist aber auch gerade die Art und Weise, wie man in der kommunistischen Welt, wie man in der kommunistischen Dialektik vorzugehen pflegt. Auch hier gehen zwei, drei oder vier Leute hin und sagen: Wir sind das Komitee für das und das, wir sind der Aktionsausschuß für das und das, wir sind der Arbeitsausschuß für das und das; wir repräsentieren so ungefähr eine ganze Gruppe. Dabei stellen sie von dieser Gruppe vielleicht nur 0,001 % dar. Ich glaube, daß ich mit dieser Kennzeichnung die Dinge wirklich nicht übertreibe. Ich gebe sie so wieder, wie ich sie aus eigener Erfahrung kennengelernt habe.
Ich habe nur bedauert, daß immer wieder festzustellen war, daß auch die Sozialdemokratische Partei an dieser Geschichte beteiligt war. Wäre das anders, würden die Dinge heute vielleicht anders laufen. Ich will Ihnen um Gottes willen nicht unterstellen, daß Sie diese politischen Absichten hatten. Ich



Dr. Seffrin
will Ihnen sehr gern zugeben, daß für Sie vielleicht ganz andere Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind. Aber das kann uns nicht über die Feststellung hinweghelfen, daß auch in diesem Fall nun einmal — ich gebrauche das Wort, das ein Kollege von Ihnen kürzlich in einer Diskussion mit mir in Hamburg gebraucht hat — eine gewisse Affinität vorhanden ist oder vorhanden zu sein schien und daß diese Affinität beseitigt werden müßte.
Wenn man heute die Friedrich-Ebert-Allee hinuntergeht, kann man feststellen, daß Sie an Ihrer Parteizentrale das Spruchband mit der Parole gegen den Atomtod demontiert haben. Ich glaube, Sie sollten so, wie Sie dieses Spruchband demontiert haben, auch Ihren Widerstand gegen die Erfassung des Jahrgangs 1922 demontieren. In Ihrem Godesberger Programm steht:
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bekennt sich zur Verteidigung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung. Sie bejaht die Landesverteidigung.
Nun, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei: hic Rhodus — hic, SPD, salta!

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und Zurufe von der SPD.)

Ich darf noch hinzufügen, daß wir den Antrag auf eine möglichst sofortige Abstimmung über den Antrag der SPD, den Herr Kollege Wienand gestellt hat, nicht unterstützen, sondern Überweisung an den
B zuständigen Ausschuß, den Ausschuß für Verteidigung, beantragen. Ich bitte also, in diesem Sinne zu votieren.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309502500
Das Wort hat der Abgeordnete Berkhan.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0309502600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich ebenfalls auf den Punkt 5b der Tagesordnung beschränken. Bevor ich aber zu meinem eigentlichen Thema komme, erlauben Sie mir bitte, daß ich eine kleine Bemerkung zu dem „Salto" mache, der hier soeben gesprungen wurde.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Dr. Seffrin, wir beide sind Hamburger Abgeordnete, und Sie sind, wenn ich richtig informiert bin, lange Zeit hindurch auch hamburgischer Staatsbeamter gewesen. Daher werden Sie die Bemerkung, die ich jetzt mache, so auffassen, wie sie in Hamburg aufgefaßt wird.
Sie haben hier meinem Kollegen Karl Wienand unterstellt, er habe dem Sinne nach etwa ausgeführt, man dürfe die Erfassung des Jahrganges 22 nicht vornehmen, weil daraus jenseits des Eisernen Vorhangs, im Osten, politisches Kapital geschlagen werden würde. Was hat Karl Wienand hier wirklich gesagt? Er hat gesagt: Obgleich wir — z. B. wir Sozialdemokraten — in der Gefahr sind, daß jenseits des Eisernen Vorhangs vielleicht einige Leute wohnen, die aus der jetzigen Diskussion, welche wir mit Ihnen und mit der Regierung führen, politisches Kapital zu schlagen versuchen, muß das hier ausgesprochen werden. Also genau das Gegenteil von dem, was Sie hier zitiert haben!

(Abg. Dr. Seffrin: Ich werde das Protokoll nachlesen!)

— Das wird das Protokoll nachweisen.
Sie wissen sicher, was der Hamburger Straßenjunge, der am Hafen steht, dem Sprecher, der dem Fremdling an Bord des Schiffes der „Hafen-Rundfahrt" erklärt, was im Hafen alles geschieht, zuruft.
— Ich weiß, daß hinter mir der Präsident dieses Hauses sitzt, und weise deshalb nur darauf hin.

(Heiterkeit.)

— Sie kennen diesen Ruf; diejenigen, die ihn nicht kennen, mögen sich bei Hamburgern erkundigen.

(Erneute Heiterkeit.)

Mein lieber Herr Dr. Seffrin, in Hamburg würde
man Ihnen gerade in dieser Frage sagen: „Dor hett
een Uhl seeten!" Sie haben genau vorbeigeschossen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Seffrin: Unbewiesene Behauptungen!)

— Lesen Sie das Protokoll nach! Hoffentlich werden Sie dann immer noch so freundlich lächeln wie jetzt; dann können wir ja diesen Streit freundlich lächelnd begraben.
.Jetzt will ich mich meinem eigentlichen Thema zuwenden. Ich habe hier auch nicht über den Grundsatz zu sprechen. Sie, Herr Dr. Seffrin, waren ebenso freundlich, einen ,entscheidenden Grundsatz meiner Partei wörtlich aus dem Grundsatzprogramm, und zwar richtig,

(Heiterkeit bei der SPD)

zu zitieren. Ich brauche das also nicht zu wiederholen.
Wenn hier über die Novellierung eines ordentlich, wenn auch gegen die Stimmen meiner Partei zustande gekommenen Gesetzes gesprochen wird, so ist auch eine Oppositionspartei verpflichtet, Stellung zu nehmen; denn es ist ja die Aufgabe einer Oppositionspartei, an der weiteren Gestaltung eines Gesetzes mitzuwirken, auch wenn sie das Gesetz in seinem Wesensgehalt aus politischen und militärischen Gründen bei seinem Zustandekommen abgelehnt hat. Unsere Auffassung ist damals nicht so falsch gewesen, wie sie häufig hier und draußen in der öffentlichen Diskussion dargestellt wird. Kann man doch schon in der Begründung zur Gesetzesänderung den Satz leisen:
Die bisher gewonnenen Erfahrungen sprechen aber dafür, sie
— das heißt: die Wehrpflicht —elastischer zu gestalten und den mannigfaltigen
Aufgaben der Landesverteidigung anzupassen.
Der Minister war so freundlich, das Gesetz hier sehr detailliert, bis in viele Einzelheiten hinein, zu begründen. Ich kann sagen, daß man ihm in vielen Fragen nur zustimmen kann. Wer aber die Debatten der vergangenen Jahre nachliest, wird fest-



Berkhan
stellen, daß das von den Sprechern der Sozialdemokratie und der FDP — ich denke insbesondere an den Kollegen Mende — damals schon hier in diesem Hause gesagt worden ist, und damals, Herr Minister Strauß, waren ,es die Vertreter Ihrer Partei, die meinten, eine zwölfmonatige Dienstzeit sei viel zu kurz. Wir haben Ihnen immer gesagt: Die Dienstzeit ist nicht absolut zu setzen, sondern sie hängt davon ab, welche Aufgaben man diesem oder jenem Soldaten zuweist. Wir haben also immer gesagt: Nicht so!
Nach unserer Auffassung ist z. B. ziviler Bevölkerungsschutz ein wesentlicher Bestandteil der Landesverteidigung. Sie haben uns freundlicherweise auf den § 13a hingewiesen. Ich möchte hier feststellen, daß es in dem § 13a z. B. heißt:
Wehrpflichtige, die von der zuständigen Behörde für Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungsschutz vorgesehen sind, werden nicht zum Wehrdienst herangezogen, solange sie für die Verwendung im zivilen Bevölkerungsschutz zur Verfügung stehen.
Hier in diesem Gesetz bleibt völlig unklar, was damit überhaupt gemeint ist. Im Gesetz über den Zivilschutz vom 9. Oktober 1957 ist der Personenkreis der gemeint sein könnte, nur sehr undeutlich abgegrenzt. Es ist dort auch lediglich vom Luftschutzdienst, also von Warn- und Alarmdie nst en, die Rede. Völlig offen bleibt alles andere, z. B. die Frage des Sanitätsdienstes, die Frage der öffentlichen Versorgung, die Frage der lebenswichtigen
Betriebe, und was alles mehr es Notfalle geben wird. Haben wir hier keine Regelung, so gibt es auch keine Gewähr dafür, daß durch den § 13a der zivile Bevölkerungsschutz zu seinem Recht und — das gehört ja auch dazu — zu seiner haushaltsmäßigen Verankerung, also zu dem notwendigen Geld kommt.
Welche Lagen im Ernstfalle angenommen werden müssen und angenommen werden, muß die Bundesregierung, muß der Verteidigungsminister viel besser wissen als ich. Aus verständlichen Gründen möchte ich hier nur als Stichworte die Kartenspiele „Lion noir", „Lion bleu" und auch „Sidestep" nennen. Sie selbst wissen besser als ich, was für Lagen man angenommen hat und was für Möglichkeiten man also berücksichtigen muß. Bis heute ist nirgends festgestellt, Herr Minister Strauß, was in diesen Fällen Dienstleistungen im zivilen Bevölkerungsschutz sind. Das kann doch unmöglich durch eine Rechtsverordnung unter der Federführung des Verteidigungsministeriums geregelt werden. Wer soll denn da entscheiden, auf welchem Platz dieser oder jener Fachmann, dieser oder jener Wasserwerker, Gaswerker, Omnibusfahrer, oder was es dergleichen mehr gibt, notwendig ist?
Es bleibt völlig unklar, welche Behörden z. B. im Abs. 3 des § 13a mit „zuständig" gemeint sind. Wir würden gern einmal hier oder, wenn nicht hier, dann zum mindesten im Ausschuß von Ihnen erfahren, wer eigentlich für den zivilen Bevölkerungsschutz zuständig ist, welche Behörden gemeint sind und mit wem wir dort rechnen müssen.
Die Wehrpflicht -so sagten Sie — soll elastischer gestaltet werden. Hier beim zivilen Bevölkerungsschutz scheint mir, daß die Wehrpflicht so elastisch gestaltet worden ist, daß man damit alles und nichts anfangen kann. Die Zivilbevölkerung wird durch den § 13a nicht mehr geschützt als zuvor. Es fehlen z. B. erstens das Notdienstgesetz und zweitens eventuelle Novellierungen des Bundesleistungsgesetzes.

(Abg. Strauß: Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?)

— Selbstverständlich, Herr Minister!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309502700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Abg. Berkhan: Bitte sehr!)

Herr Minister Strauß als Abgeordneter zu einer Zwischenfrage!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309502800
Herr Kollege Berkhan, darf ich aus Ihren Worten, die einer tiefen Sorge und einer auch mir bekannten Kritik entspringen, entnehmen, daß Sie auch Ihrerseits die Verabschiedung eines zivilen Notdienstgesetzes fordern, weil die verfassungsmäßige Grundlage nur ein Wehrpflichtgesetz, aber kein ziviles Dienstpflichtgesetz ohne weiteres ermöglicht?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0309502900
Herr Minister Strauß, das wird davon abhängen, was man uns in den Ausschüssen und in diesem Hause vorlegt. Bisher wissen wir nicht, was die Regierung in ein solches Gesetz hineinschreiben wird. Wir sind nicht gegen ein Gesetz wegen seines Namens, sondern wir interessieren uns für den Inhalt eines Gesetzes.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Da fehlt uns bisher alles. Vorerst erscheint mir die ganze Konstruktion so wie bei einem Brückenbau, bei dem versucht wird, den Mittelteil einer Brücke einzuhängen, ohne daß bisher die Pfeiler in den Strom gesetzt worden sind.

(Beifall bei der SPD.)

Ich darf mich also — um nicht zu lang zu werden — der Frage des Beginns des Grundwehrdienstes zuwenden. Er soll nicht mehr, wie bisher, beim 20. Lebensjahr, sondern zwei Jahre früher, beim vollendeten 18. Lebensjahr liegen. Somit würden Abiturienten gleich nach der Schulzeit und Volksschüler gleich nach der Lehrzeit dienen müssen. Wieso diese Lösung elastischer sein soll als die bisherige bei der man sich vom vollendeten 18. Lebensjahr an freiwillig melden kann und mit Vollendung des 20. Lebensjahres wehrpflichtig wird , vermag ich nicht einzusehen. Für die jungen Männer, die zum Wehrdienst heranstehen, ist die vorgesehene Lösung auf jeden Fall nicht elastischer, sondern starrer.
Ich meine auch, Herr Minister, die Änderung ist nicht notwendig. Wir erreichen heute, wie Sie selber ausgeführt haben, die nötigen Zahlen schon auf der Grundlage der Freiwilligkeit, z. B. bei den Abiturienten.



Berkhan
General Panitzki hat bei der Pressekonferenz am 15. Juli 1959 sogar davon gesprochen, daß man gar nicht alle sich freiwillig meldenden Abiturienten aufnehmen könne, sonst hätten wir eine Intelligenzarmee, und die wäre nicht einsatzfähig. —Das können Sie im Protokoll der Pressekonferenz nachlesen; auch „Die Welt" hat es, glaube ich, zwei Tage später vermerkt.
Ich bin anderer Auffassung als General Panitzki. Ich glaube, wir brauchen heute intelligente Soldaten, sehr intelligente Soldaten. Mir wäre es also häufig lieber, Sie hätten ein höheres Maß an Intelligenz in der Bundeswehr, eine „Intelligenzarmee". Ich weiß nicht, ob Herr General Panitzki das abwertend gemeint hat, oder welche Sorge ihn bewegt.

(Abg. Strauß: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?)

— Aber selbstverständlich, Herr Minister!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309503000
Herr Abgeordneter Berkhan, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Strauß?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0309503100
Bitte!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309503200
Gestatten Sie, daß ich Sie frage, Kollege Berkhan, ob Ihnen bekannt ist, daß dieses Wort von General Panitzki — das nicht vergiftend wirken soll — ausschließlich in dem Sinne gemeint war — ich kenne ja die Vorgeschichte —, daß man allen Abiturienten, die man einberuft, gleichermaßen die Möglichkeit geben will, Reserveoffizier zu werden, und nicht mehr Abiturienten einberufen will, als man eventuell zu Reserveoffizieren machen kann, um zu verhindern, daß dem einen die Chance gegeben und dem anderen ungerechterweise, mangels Kapazität der Bundeswehr, die Chance dafür versperrt wird?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0309503300
Herr Minister, Ihre Erklärung war mir nicht vollinhaltlich bekannt. Aber wenn Sie genau zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, daß auch ich den Begriff „Intelligenzarmee" nicht gehässig und abwertend gemeint habe. Vielleicht sollten wir aber doch einmal im Ausschuß darüber sprechen — und wir haben ja schon darüber gesprochen —, ob wirklich das Abitur so entscheidend für die Heranbildung von Reserveoffizieren ist, ob wir nicht andere Qualitäten in der Bundeswehr viel nötiger brauchen als die, die durch das Abitur angeblich nachgewiesen werden.

(Beifall bei der SPD.)

Damit habe ich, wie ich feststellen möchte, als Lehrer — wir sind ja in gewissem Sinne Kollegen, wir beide sind Lehrer, jedenfalls haben Sie sich einige Male als Philologen bezeichnet -- natürlich nichts Abwertendes gegen das Abitur gesagt. Aber der moderne Soldat, der moderne Offizier muß unter Umständen Qualitäten aufweisen, die nicht ohne weiteres aus dem Abitur abzuleiten sind. Man muß sicher aus einer größeren Zahl von Abiturienten
die geeigneten Reserveoffiziers- und Offiziersbewerber herauslesen. -- Ich sehe, daß Sie nicken.
Ich darf dieses Gebiet verlassen, möchte nur noch sagen, daß die Auffassung des Herrn Panitzki mir bei einigen Kreiswehrersatzämtern der Freien und Hansestadt Hamburg bestätigt worden ist. Auch dort sagen die Sachbearbeiter, man habe schon eine so große Zahl von Abiturienten, daß man sie nicht alle — wie es so schön heißt — „verkraften" könne. Da frage ich mich, Herr Minister: Warum soll hier nun gegen die Auffassung des Verbandes Deutscher Studentenschaften und gegen die Auffassung des Bundesjugendringes etwas durch Gesetz geregelt werden, was bereits freiwillig gegeben wurde? Wir sollten uns doch freuen, daß die Männer der betreffenden Jahrgänge in solcher Zahl freiwillig für die Landesverteidigung eintreten. Das spricht ja auch für die These der Opposition.
Für Mittelschüler — eine erhebliche Zahl, es ist in den Ländern unterschiedlich, der Anteil liegt zwischen 12 und 20 O/ trifft das Argument ohnehin nicht zu, weil die Mittelschüler nach Abschluß der Berufsausbildung ohne Frage älter als 18 Jahre sind. Sie sind beim Abschluß der Lehre 19, wenn nicht gar 20 Jahre alt.
Was die Volksschüler betrifft, so ist man in allen Ländern mehr oder weniger stark für das neunte Schuljahr. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen ist es schon obligatorisch. Ich habe mir sagen lassen, daß es im nächsten Jahr in Niedersachsen obligatorisch wird. Ich weiß, daß auch einige Kultusminister der CDU sehr ernsthaft Liber das neunte Schuljahr diskutieren. In meiner Vaterstadt z. B. haben wir die ersten Versuche mit einem zehnten Volksschuljahr. Die Volksschüler werden also in erheblichem Umfange älter sein, wenn sie aus der Schule kommen, und haben dann eine dreijährige bzw. dreieinhalbjährige Lehrzeit in den qualifizierten Facharbeiterberufen vor sich. Man wird also annehmen können, daß die Lehrzeit mit dem 19. Lebensjahr abgeschlossen ist.
Nun frage ich Sie: Wenn diese jungen Menschen direkt nach der Lehrzeit zur Armee einberufen wer-. den, woher sollen dann die vielen Spezialisten kommen, die angefordert werden? Das mit den Spezialisten ist keine Erfindung von mir hier am Mikrophon. Sie müssen sich mal so eine Anforderungsliste vorlegen lassen. Darauf stehen 20, 22 Berufe, nicht nur z. B. Elektriker, sondern noch aufgegliedert in Starkstrom-, Schwachstrom-, Autoelektriker und dergl. mehr. Woher sollen diese Spezialisten kommen? Keiner von uns in diesem Saale, der etwas Ahnung von beruflicher Ausbildung hat, wird behaupten, daß einer nach dreieinhalbjähriger Lehrzeit ohne Gesellenzeit, ohne Facharbeitertätigkeit, also ohne selbständige Arbeit, schon als Spezialist anzusprechen sei. Woher wollen wir dann die Spezialisten nehmen, um die in so erheblichem Maße gestellten Anforderungen zu erfüllen? Sie haben von der optimalen militärischen Lösung gesprochen. Ich meine, die optimale militärische Lösung verlange bei technischen Truppenteilen einfach, daß der junge Soldat bereits während einer gewissen Zeit im Betrieb technische Grundkenntnisse und Erfah-



Berkhan
rungen gesammelt hat. Dann sparen wir bei der Ausbildung in der Truppe nicht nur Zeit. sondern auch Geld. Was die Industrie, was das Handwerk, was die Wirtschaft geleistet hat, brauchen dann nicht die technischen Schulen der Bundeswehr, brauchen nicht die Ausbildungsbataillone, braucht nicht die Bundeswehr schlechthin zu leisten.
Ich meine daher, daß der Satz, den ich in der Begründung gelesen habe, mit der Einberufung mit 18 Jahren sei den Bedürfnissen der Bundeswehr und den Belangen der Wehrpflichtigen am besten Rechnung getragen, mit einem Fragezeichen zu versehen ist.
Auf einen anderen Satz sind Sie nicht eingegangen; aber ich will hier darauf eingehen. In der Begründung steht, daß Ärzte und Pädagogen keine Bedenken geäußert, vielmehr diese Lösung, die Wehrpflichtigen mit dem 18. Lebensjahr einzuziehen, im Hinblick auf die Persönlichkeitsbildung begrüßt hätten.
Eine so ernste Sache wie der Waffendienst sollte nach meiner festen Überzeugung — und das ist auch die Überzeugung meiner Fraktion — in einem Lebensalter liegen, in dem die Persönlichkeitsbildung einen gewissen Abschluß erfahren hat. Ich weiß natürlich, daß sich Persönlichkeitsbildung über das ganze Leben vollzieht. Ich meine auch nur, daß ein gewisser Abschluß erreicht sein sollte. Sicher wird das, Herr Minister, aus vielerlei Gründen nicht immer möglich sein.
Aber wie sehen denn nun die maßgeblichen Pädagogen in Deutschland den 18 ahri en jungen Menschon? Gestatten Sie mir ein Zitat: „Körperlich zwei Jahre zu früh, seelisch bis zu vier Jahren zu spät. Das ergibt eine Pubertätsspanne his zu sechs Jahren. Erst vorn 19. bis zum 21. Lebensjahr bahnt sich ein Ausgleich an." So schreibt Albert Huth in „Die veränderte Leistungsfähigkeit der heutigen Jugend". Sie können das in den „Beiträgen zur Begegnung von Kirche und Welt", 1957, nachlesen, herausgegeben von der Diözese Rottenburg.
Waffendienst ist aber nicht allein eine Frage der körperlichen Kräfte. Der Waffendienst fordert die ganze Person: auch geistige und insbesondere Gernütskräfte werden dabei angesprochen. Der junge Soldat ist immer gleichzeitig in der Ausbildung und in Bereitschaft. Jeder hofft, daß diese Bereitschaft den Ernstfall ausschließt. Der Gesetzgeber muß aber bis an die Grenzen der Möglichkeiten denken. Können wir diese eventuelle Belastung dem jungen Mann zumuten? Das ist meine Frage. Können wir sie ihm mit 18 Jahren zumuten, nachdem uns ernsthafte Pädagogen so etwas sagen?
In der Regierung sitzt ein Minister, der bezüglich der Frage der sittlichen Reife der 18jährigen mit uns eine Auffassung hat - er behandelt allerdings ein anderes Gebiet —: es ist Ihr Kollege Dr. Seebohm. Er ist nicht anwesend; er konnte nicht wissen, daß er hier zitiert wird. Er beschäftigt sich nämlich damit, ob das Mindestalter für die Erteilung des Führerscheins nicht vom 18. Lebensjahr auf das 20. Lebensjahr heraufgesetzt werden sollte. In der Begründung hierfür heißt es nämlich, daß den 18jährigen die sittliche Reife fehle, um verantwortungsbewußt ein Kraftfahrzeug lenken zu können.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun, Herr Minister, wir reden hier über die 18jährigen. Ich will mich befleißigen, nicht unfreundlich zu sein, aber ich bedauere es, daß der Minister, der für die 18jährigen kraft seines Ressorts zuständig ist, Herr Wuermeling, nicht anwesend ist.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Unertl: Der hat nur für die ganz Kleinen zu sorgen!)

— Herr Kollege, auch für die ganz Kleinen! Aber wissen Sie, für die ganz Kleinen ist nach Auffassung der Sozialdemokratischen Partei die Mutti zuständig und nicht auch Herr Wuermeling.

(Beifall bei der SPD. — Bundesminister Strauß: Aber dann die Partei von der Wiege bis zur Bahre!)

— „Von der Wiege bis zur Bahre" — ist das wieder eine Anspielung auf die SED, oder wen meinen Sie damit? Die deutschen Sozialdemokraten nehmen nur erwachsene Menschen auf und beschäftigen sich nur mit erwachsenen Menschen.
Während den 18jährigen jungen Männern, die zum Wehrdienst eingezogen werden, die sittliche Reife abgesprochen wird, ein Kraftfahrzeug zu führen, verlangen wir von ihnen die sittliche Reife, moderne Waffen zu handhaben, schwere Fahrzeuge einschließlich Panzern zu fahren, verlangen wir von ihnen, im Wartungsdienst und Betriebsdienst hochqualifizierter Waffenträger — Flugzeuge und dergleichen — tätig zu sein. Ich meine, Herr Minister Strauß, das ist eine sehr ernste Sache. Wir sollten das nicht zu leicht nehmen und sollten vielleicht im Ausschuß noch einmal darüber reden.

(Beifall bei der SPD.)

Sie haben hier etwas über Zahlen gesagt. Ich habe hier auch einige Zahlen. Etwas habe ich weggestrichen, weil ich respektiere, daß gewisse Zahlen in der Öffentlichkeit vielleicht nicht Bekanntwerden sollen. Aber diejenigen Zahlen, die ich jetzt nenne, können Sie aus jeder öffentlichen Statistik ablesen und auch in Zeitungen finden.
Bei den Jahrgängen 1937, 1938 und 1939 handelt es sich für diesen Fall, den wir hier diskutieren, um zweieinhalb Jahrgänge, weil die eine Hälfte des Jahrgangs 1937 überhaupt nicht zur Debatte steht. So finden wir im Jahre 1937 217 000, 1938 455 000 und 1939 481 000 junge Männer, die für diesen Waffendienst in Frage kommen. Es sind insgesamt, rund gerechnet, 1,15 Millionen. Wenn Sie annehmen, daß nur etwa 60 % dieser jungen Männer tauglich sind, stehen etwa 700 000 hierfür zur Verfügung. Von diesen Jahrgängen sind aber, wenn meine Zahlen richtig sind, etwa 200 000 einberufen oder noch einzuberufen. Sie haben also schon in diesen zweieinhalb Jahrgängen eine nicht ausgeschöpfte, nicht einberufene Reserve von etwa einer halben Million Mann.
Nun werfe ich einen Blick in die Zukunft. Ich bitte Sie, mir dabei zuzubilligen, daß alle Prognosen eben nur die Tendenzen andeuten können und die Zah-



Berkhan
len hinterher nicht absolut richtig sein müssen. Vom Jahrgang 1940 stehen 485 000 und vom Jahrgang 1941 445 000 Männer zur Verfügung. Das sind wiederum 930 000. Wenn ich davon wieder 60 % als tauglich annehme, so sind dies 600 000 Männer. Wenn ich weiter annehme, daß aus den Jahrgängen 1940 und 1941 jeweils 100 000 Mann einberufen werden, so verbleibt wieder eine nicht ausgeschöpfte Reserve von 400 000 Mann. Das sind zusammen in 4 1/2 Jahren 900 000 taugliche, nicht einberufene Männer der Jahrgänge 1937 bis 1941. Herr Minister Strauß, wir haben eine Zahl von waffenfähigen jungen Männern, die heute schon durch das Gesetz verpflichtet sind, diesen Dienst zu tun; eine Zahl, die durchaus ausreicht, um die Aufgaben zu erfüllen, die Sie hier angedeutet haben. Sie haben vielleicht noch etwas in der Kanone, was Sie nicht abgeschossen haben.

(Heiterkeit.)

Das tun Sie dann bitte im Ausschuß. Wir werden uns über diese Frage genauer unterhalten.
Ich kann die Reserven nur schätzen und einen Stand angeben, wie ich ihn in der Zeitung gelesen habe. Am 1. April 1961 werden 348 000 Mann im Dienst sein — es kommt auf die letzten Tausend gar nicht an; ob nun 340 000 oder 350 000 ist nicht entscheidend; aber etwa in dieser Größenordnung ist eine Zahl vorgesehen — eine große Zahl von diesen Männern wird älter sein und zu den vor 1937 Geborenen gehören. Ich kann aus der Zahl der einberufenen und noch einzuberufenden Soldaten ) rückwärts schließen, daß eine Reserve von etwa 300 000 Mann zur Verfügung stehen wird. Herr Minister Strauß, in bezug auf Waffen und Ausrüstung und von der, wie es heißt, Möglichkeit des Verkraftens her müßte die Zahl von 300 000 Reservisten ausreichen.

(Bundesverteidigungsminister Strauß: Wofür, Herr Berkhan?)

-- Für die Auffüllung der mobilen Verbände — jetzt zwingen Sie mich bitte nicht, die Zahlen zu nennen — und auch für gewisse Aufgaben in der Territorialverteidigung, die noch zu lösen sind. — Sie sagen nein. Wir werden sicher im Ausschuß Gelegenheit haben, darüber zu reden. Dann muß man genau wissen, was Sie bezwecken und vorhaben; das haben Sie uns bisher immer noch nicht gesagt.
Mich hat das Argument der Reserven, das gleich am Anfang der Begründung steht, nicht vollauf überzeugen können. Daß auch gewisse andere Auffassungen dabei eine Rolle spielen, hat ein hoher Soldat der Bundeswehr, der zufällig heute im Saale ist und genau kontrollieren kann, ob ich ihn richtig zitiere, in der „Jugendpost" der Deutschen Angestelltengewerkschaft Nr. 1/1960 festgestellt. Auf die Frage der Redakteure der „Jugendpost", was eigentlich damit bezweckt werden solle, Soldaten schon mit dem 18. Lebensjahr einzuberufen, antwortete Herr Heusinger:
Es hat uns eine Fülle von Wünschen erreicht, daß doch die Ableistung des Grundwehrdienstes bereits mit dem 18. Lebensjahre erfolgen solle. Sie wissen selbst, daß nur sehr wenige in
der Lage und bereit sind, sich freiwillig zu etwas zu entschließen, das ihnen nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Ich will diesen Satz nicht analysieren, aber ich kann nicht begreifen, daß jemand den Wunsch äußert, mit 18 Jahren einberufen zu werden, und daß derselbe sich nicht den inneren Ruck geben will, sich mit dem 18. Lebensjahr zu melden, das kann er nach dem heutigen Gesetz. Dann geht es weiter:
Es ist also in erster Linie unser Bemühen, den jungen Menschen zu helfen, wobei ich nicht abstreiten will, daß andererseits ein gewisses Interesse der Bundeswehr vorliegt, Nachwuchs zu werben, und ich glaube, daß sie dazu auch ein gutes Recht hat.
Herr Minister Strauß, ich kann Ihnen nur sagen, Ihr Haus ist nicht zuständig; um der Jugend zu helfen, dafür haben wir einen Minister. Ich habe ihn schon genannt.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Die Jugendhilfe ist ganz klar beim Familienminister verankert.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

Ich will gar nicht bestreiten, daß ich auch den Familienminister nicht sehr liebe. Aber immerhin: er hat die Aufgabe, die Jugend zu fördern. Es wäre ganz gut, wenn Sie Herrn Heusinger einmal sagten: Deine Aufgabe ist nicht Jugendhilfe, deine Aufgabe ist Landesverteidigung.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) Dann schließt Herr Heusinger ab:

Im übrigen wird durch diese Novelle nicht auf jeden Fall der 18jährige zur Ableistung des Grundwehrdienstes einberufen, sondern wir sind dann variabel und haben die Möglichkeit, z. B. bei den geburtenschwachen Jahrgängen, auch 19jährige zusammen mit 20jährigen einzuberufen.
Nun kommt der interessanteste Satz:
Vorläufig zumindest wird sich aber an der augenblicklichen Situation nichts ändern, selbst wenn die Novelle in absehbarer Zeit vom Bundestag verabschiedet werden sollte.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Nun frage ich Sie, Herr Minister: Warum sollen wir eine Novelle verabschieden, wenn sich doch nichts ändert? Ich würde sagen, dann lassen wir es so, wie es heute ist.
Ich sehe, daß der Uhrzeiger voranschreitet und daß viele Abgeordnete Hunger haben.

(Abg. Strauß: Eine Zwischenfrage?)

— Bitte!

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309503400
Zu einer Zwischenfrage der Herr Abgeordnete Strauß.

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309503500
Kollege Berkhan, darf ich daraus entnehmen, Sie wären damit einverstanden, daß die gegenwärtige rechtliche Regelung, wonach



Bundesverteidigungsminister Strauß
jemand bis zum Abschluß des zweiten Semesters eingezogen werden kann, beibehalten bliebe und daß wir unter Beibehaltung der gegenwärtigen Neuregelung nicht die Vergünstigung gewährten, vom Beginn des ersten Semesters bis zum Abschluß des Studiums vor jeder weiteren militärischen „Christenverfolgung" gesichert zu sein?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0309503600
Herr Minister Strauß, es gibt nur eine optimale Lösung, keine absolute Lösung.

(Abg. Strauß: Ist Ihnen das lieber?)

— Ich will Ihnen gerade eine Antwort geben; wenn Sie bitte etwas Geduld aufbringen möchten! — Es sind ja nicht nur Studenten, die einberufen werden, sondern es gibt auch andere junge Leute darunter, und das ist die größere Zahl.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Minister Strauß, ich weiß, daß es für einen Studenten mißlich ist, nach dem zweiten Semester aus seinem Studium herausgerissen zu werden; das bestreite ich nicht. Aber wir werden immer irgendwo einen Schnitt machen müssen. Ich bin bereit, diesen Schnitt hinzunehmen, weil dann dieser junge Mann in einer Zeit, ,in der er im ganzen gereifter ist, als Dienstpflichtiger der Bundeswehr zur Verfügung steht.
Gestatten Sie mir, Herr Bundesverteidigungsminister, daß ich Sie zum Abschluß noch auf etwas aufmerksam mache, was Ihnen vielleicht noch gar
nicht aufgefallen ist. In der Bundeswehr gibt es keine berittenen Truppen mehr. Schon zur Reichswehrzeit habe ich mir sagen lassen, daß die letzten Lanzenreiter im Jahre 1927 unter dem Kommando stecht Lanzen in den Sand! abgesessen sind. Danach hat es nur noch bespannte Truppen und Meldereiter gegeben. Aber in Ihrer Bürokratie reiten gewisse Leute immer noch den Amtsschimmel.

(Heiterkeit bei der SPD.)

In dem zur Zeit gültigen Gesetz heißt es jeweils mit Bindestrich: Bundes- Wehrersatzamt, BereichsWehrersatzamt, Bezirks- Wehrersatzamt, KreisWehrersatzamt. Und nun, Herr Minister Strauß, heißt es in dem Entwurf auf einmal ohne Bindestrich: Bundeswehrersatzamt, Bereichswehrersatzamt, usw. Der Bindestrich muß weg!, sagt man. Ich habe aus den mir zur Verfügung stehenden Informationsquellen auch erfahren, wer dahinter steckt: ein von mir sehr geschätzter und hochgeachteter Beamter Ihres Ministeriums in sehr hoher Stellung.
Diese Bindestrich-Beseitigungsaktion will mir nicht schmecken. Sie könnte uns ganz egal sein, wenn nicht Kasten damit verbunden wären. Jetzt muß alles geändert werden: Amtsschilder, Hinweisschilder, Gummistempel, Dienstsiegel. Ich habe mir ausrechnen lassen — auch wiederum von einem Beamten, nicht Ihres Ministeriums, aber Ihrer Kommandogewalt —, daß das etwa 100 000 his 120 000 DM kostet. Das ist nicht viel Geld, gemessen an dem Umfang Ihres Etats. Aber für den Steuerzahler ist das eine erhebliche Summe. Ich wäre froh, Herr
Minister Strauß, wenn Sie wenigstens hier erklären könnten: der Bindestrich bleibt bestehen!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

und wenn Regierung und Opposition sich wenigstens in diesen Falle einig wären: das eingesparte Geld werden wir dazu verwenden, etwas für die Betreuung unserer bereits dienenden Soldaten zu tun.

(Lebhafter Beifall bei der SPD. — Beifall bei Abgeordneten der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309503700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0309503800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einem Brauch dieses Hohen Hauses entsprechend fällt es mir als dem nachfolgenden Redner zu, das Hohe Haus darauf aufmerksam zu machen, daß — sofern meine Informationen richtig sind — der Kollege Berkhan soeben seine Jungfernrede gehalten hat. Ich möchte anerkennend und beglückwünschend sagen, daß er die Zahl der Redner in diesem Hause erhöht hat, die in der Lage sind, der Debatte eine aufgelockerte und gelegentlich auch humoristisch getönte Form zu geben.

(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir dann noch eine kurze Bemerkung zum Problem der Erfassung, weil es mir nämlich nach allem, was man gelesen und gehört hat, so erscheint, als seien der Begriff und der Sinn der Erfassung nicht überall klar. Jeder Staat, der sich mit Problemen der Verteidigung befaßt, benötigt gewisse jahrgangmäßig geordnete statistische Unterlagen über den männlichen Teil seiner Bevölkerung. Jeder Staat hat diese Unterlagen, mit Ausnahme der Bundesrepublik — aus bekannten und durchaus verständlichen Gründen. Nun geht es bei der Erfassung zunächst einmal nur darum, den Staat in den Besitz dieser Unterlagen zu bringen. Ich möchte das an einem konkreten Beispiel noch kurz erläutern:
Wir haben im vorigen Sommer die Abschrift eines Briefes erhalten, den die ÖTV betreffs Wehrdienstbefreiung von Polizeiangehörigen des Jahrgangs 1922 an den Bundesverteidigungsminister gesandt hat. Ich glaube, im Zusammenhang mit alledem, was über die zivile Verteidigung gesagt worden ist, ist es durchaus klar und sinnvoll, Polizeibeamte des Vollzugsdienstes nicht zur Bundeswehr einzuberufen, sondern sie entsprechend dem Anliegen dieser Gewerkschaft der zivilen Verteidigung zur Verfügung zu stellen. Darüber sind wir uns mit der Bundesregierung auch einig.
Daß aber die ÖTV in diesem Briefe nun gleichzeitig die Bitte ausspricht, die Polizeibeamten des Jahrgangs 1922 auch bereits von der Erfassung auszunehmen, ist insofern fehl am Platze, als diese Erfassung zunächst einmal notwendig ist, um überhaupt festzustellen, wer von den 22ern zur Polizei gehört und also mit in den Bereich des zivilen Bevölkerungsschutzes, der zivilen Verteidigung fällt.



Dr Kliesing (Honnef)

Sehen Sie, das ist der Sinn der Erfassung oder wie Sie es nennen mögen!
Gerade Herr Kollege Berkhan hat uns eben mit einigem Pathos darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, etwas für die zivile Verteidigung zu tun. Kollege Berkhan, wie wollen Sie eine zivile Verteidigung und meinetwegen auch eine territoriale Verteidigung in Gang bringen, wie wollen Sie das personelle Problem dieser Frage lösen, wenn Sie der Bundesregierung das Recht verweigern, sich die dafür notwendigen statistischen Unterlagen und Voraussetzungen zu beschaffen? Das ist doch zunächst einmal der Sinn der Sache, und deshalb möchte ich hier der Hoffnung und der Erwartung Ausdruck geben, daß Sie sich im Ausschuß vielleicht doch bereit finden, wenigstens diesen Punkt Ihres Antrags zurückzunehmen.
Nun aber zu den Fragen der Wehrpflichtnovelle. Das Charakteristikum dieser Novelle ist zweifellos, daß sich angesichts der Entwicklung der militärischen und technischen Gegebenheiten und Notwendigkeiten auch auf dem Gebiete der Wehrverfassung eine Entwicklung von der Wehrpflicht im herkömmlichen Sinne weg zur allgemeinen Verteidigungspflicht hin vollzieht, welche dann ihrerseits die mannigfachen Aufgaben militärischer und ziviler Verteidigung umfaßt. Dieses Charakteristikum findet seinen Niederschlag vor allen Dingen in zwei Beziehungen in dieser Novelle: erstens in der engen Verzahnung von Wehrpflicht und ziviler Verteidigung an verschiedenen Stellen der Vorlage und zweitens im Aufbau eines Systems von Möglichkeiten des Grundwehrdienstes und der Wehrübungen, das zwar notwendigerweise etwas kompliziert ist, uns aber wegen seiner Elastizität und Anpassung an die berechtigten Interessen der Staatsbürger sehr begrüßenswert erscheint.
Es ist nun nicht die Aufgabe der ersten Lesung, auf alle Einzelheiten einzugehen, aber gestatten Sie mir doch einige Hinweise. Ich möchte sagen, daß eine ganze Reihe von Bestimmungen in dieser Novelle enthalten ist, die ich durchaus begrüße. Da ist zunächst schon einmal die erwähnte großzügige Auflockerung des Systems der Wehrübungen. Man sollte aber auch nicht außer acht lassen, daß die Ersetzung des Begriffes „Schwerkriegsbeschädigte" in § 11 durch den umfassenderen Begriff „Schwerbeschädigte" einen deutlichen und klaren Fortschritt darstellt.
Insbesondere möchte ich die Vertreter der Grünen Front in diesem Hohen Hause auf eine weitere Bestimmung aufmerksam machen, die zweifellos ihr Interesse finden wird. Wir wissen, daß eine Anzahl von sogenannten Härtefällen den Musterungsausschüssen und Musterungskammern bisher sehr große Sorge gemacht haben: das waren jene einzigen Bauernsöhne, denen die Hauptsorge um die häusliche Wirtschaft oblag und die als Wehrpflichtige zur Ableistung des Wehrdienstes herangezogen werden sollten. Da es sich nicht um einen vorübergehenden Notstand handelte und da sie über kurz oder lang ihren Wehrdienst doch hätten ableisten müssen, sahen sich die Musterungsausschüsse und die Musterungskammern in solchen Fällen genötigt, ein klares Nein zu dem Anliegen zu sagen.
Die Novelle in der uns jetzt vorliegenden Fassung macht es möglich, in solchen Fällen den Wehrpflichtigen erstens zum verkürzten Wehrdienst heranzuziehen, und zweitens kann er diesen verkürzten Wehrdienst während der Wintermonate ableisten, was, wie ich glaube, eine bedeutsame Verbesserung des bisherigen Zustandes ist.
Ich habe es ebenfalls als sehr erfreulich empfunden, daß man bei den jungen Zonenflüchtlingen die Zeit, die sie im Durchgangslager verbringen müssen, nicht wie bisher auf die bereits bestehende einjährige Karenzzeit anrechnet, sondern daß man diese Karenzzeit um jene Zeit verlängert, die sie im Durchgangslager verbringen mußten. Das erleichtert es den jungen Menschen zweifellos, sich bei uns in der Bundesrepublik einzuleben, und trägt der Sorge um den Aufbau und die Sicherung ihrer neuen Existenz Rechnung. Alles das sind Momente, die wir nicht ganz übersehen sollten.
Ein paar Worte auch zu dem sehr umkämpften Satz in § 5. Kollege Berkhan hat sich bereits eingehend damit befaßt. Ich meine, es läge im Interesse einer sorgfältigen und sachlichen Prüfung, einer Abwägung der berechtigten Interessen des Staates und derjenigen der Bürger gegeneinander, daß man hier alle sogenannten Knalleffekte und jede dramatisierende Wirkung vermeidet.
Kollege Berkhan, Sie haben insbesondere von der Frage der technischen und beruflichen Erfahrungen gesprochen, und Sie haben von dem Urteil von Ärzten und Pädagogen berichtet. Ich glaube, wir sollten uns darüber einig sein, daß in diesen Fragen Ärzte und Pädagogen je nach ihrer wissenschaftlichen Herkunft, ihrer weltanschaulichen oder vier leicht auch sonstigen Einstellung immer wieder zu sehr geteilten Meinungen kommen werden. Das befreit uns natürlich nicht von der Pflicht, diese Dinge zu prüfen und uns im Ausschuß eingehend una ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen.
Sie haben dann auf das neunte und zehnte Schuljahr hingewiesen. Auch an diese Frage wird man natürlich denken müssen. Auch der Bundesverteidigungsminister hat kein Interesse an einer gesetzlichen Regelung, die die Bürokratie durch Zurückstellungsbescheide usw. für ganze Jahrgänge belastet. Zweifellos tritt durch die Einführung des neunten und erst recht des zehnten Schuljahres eine Phasenverschiebung in der beruflichen Entwicklung des jungen Menschen ein. Es ist selbstverständlich, daß man derartige Folgen bei der Festlegung gesetzlicher Normen in die Überlegungen mit einbeziehen muß.
Dann ein Wort zu den Abiturienten! Herr Minister, Sie sind meines Erachtens in Ihrem Versprechen, ein angefangenes Studium unter keinen Umständen zu unterbrechen, etwas großzügig gewesen. Ich meine das deshalb, weil mit Ihrem Versprechen vielleicht ein gewisser Mißbrauch getrieben werden könnte. Man soll den Abiturienten, die es ablehnen, nach Ablegung ihres Abiturs sofort den Grundwehrdienst abzuleisten, klar sagen, daß sie dann gefälligst dafür sorgen sollten, ihr Studium bis zur



Dr. Kliesing (Honnef)

Vollendung ihres 24. Lebensjahres zu beenden, weil sie sonst nämlich eingezogen werden müßten. Man sollte diese Freistellung nicht als ein Mittel ansehen, durch ein verlängertes Studium über das vollendete 25. Lebensjahr noch hinwegzukommen, um dann vom Grundwehrdienst, im wesentlichen jedenfalls frei zu sein.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309503900
Herr Abgeordneter Kliesing, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0309504000
Herr Dr. Kliesing, Sie wissen doch, daß es nach der Novelle für Abiturienten gar keine Möglichkeit gibt, den Wehrdienst abzulehnen?

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0309504100
Das ist eine andere Frage. Ich denke jetzt zunächst, Herr Berkhan, an die Studenten, die bereits studieren. Ob diese Fälle hinterher so ausgeschlossen sein würden, wage ich auch noch zu bezweifeln. Aber darüber können wir uns selbstverständlich im Ausschuß unterhalten.
Ich bin der Auffassung, daß von den drei Möglichkeiten, die es für die Abiturienten gibt, den Wehrdienst abzuleisten, a) unmittelbar nach dem Abitur, b) während des Studiums, c) nach Abschluß des Studiums zweifellos die erstgenannte die bessere oder, wenn Sie wollen, das kleinere Übel ist. Es liegt nicht nur im Interesse der Bundeswehr,
sondern meines Erachtens noch viel mehr im Interesse des Abiturienten selbst.
Aber ich weiß nicht, ob bei der Ausarbeitung dieser Vorlage die notwendigen statistischen Unterlagen vorgelegen haben. Ich möchte Sie sehr bitten, Herr Minister, dafür Sorge zu tragen, daß für die Beratung im Ausschuß von den Schulabteilungen der Kultusministerien der Länder die Unterlagen über das Durchschnittsalter der Abiturienten angefordert werden. Zweifellos werden sie uns eine sehr wesentliche Arbeitsunterlage sein. Denn ich habe den Satz in der Begründung der Gesetzesvorlage mit einem Fragezeichen versehen, der da lautet: „Die Abiturienten, die heute in der Mehrzahl der Fälle in ihrem neunzehnten Lebensjahr oder kurze Zeit nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres die Reifeprüfung ablegen, .... Das ist meiner Ansicht nach sachlich nicht richtig. Das kann man sich zwar nicht an den zehn Fingern ausrechnen, weil es dreizehn Schuljahre gibt, aber bitte überlegen Sie einmal selbst: Der Sechsjährige beginnt mit dem ersten Schuljahr in der Grundschule. Kommt er glatt durch, dann sind es dreizehn Jahre, und dann hat er immerhin schon das neunzehnte Lebensjahr vollendet. Bedenken Sie, daß heute bereits im allgemeinen 75 % der Schulneulinge im siebten Lebensjahr stehen, bedenken Sie weiterhin — ich spreche aus beruflicher Erfahrung —, daß bekanntlich ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz von Schülern auf dem Wege zum Abitur unterwegs einmal eine Pause von einem Jahr macht

(Zuruf des Abg. Berkhan) — ich spreche aus beruflicher Erfahrung, nicht aus meiner Erfahrung als Schüler, Herr Berkhan —, und bedenken Sie drittens bitte auch, daß der Prozentsatz der Schüler, die erst nach fünfjährigem Besuch der Grundschule zum Gymnasium gehen, von Jahr zu Jahr steigt.


(Abg. Memmel: Gott sei Dank!)

-- Gott sei Dank, selbstverständlich. Aber wir
werden das bei der Festlegung des Durchschnitts-
alters der Abiturienten mit berücksichtigen müssen.
Ich persönlich möchte nach den mir vorliegenden Unterlagen behaupten, daß das Durchschnittsalter der Abiturienten heute mindestens 19 1/2 Jahre beträgt. Nun lesen wir in der bisherigen Fassung unseres § 5 den Satz: „Der Grundwehrdienst beginnt in der Regel in dem Kalenderjahr, in dem der Wehrpflichtige das zwanzigste Lebensjahr vollendet." Ich behaupte, daß sich der größte Teil der Abiturienten bereits in dem Kalenderjahr befindet, in dem er das zwanzigste Lebensjahr vollendet.

(Bundesverteidigungsminister Strauß: Sagen wir 19 statt 20; dann stimmt's!)

Fragen wir uns nun, wie man zu diesem — an sich berechtigten — Anliegen des Verteidigungsministeriums ,gekommen ist. Ich glaube, die Lösung liegt in Folgendem. Nach den gesetzlichen Bestimmungen sollte in diesem Jahre an sich der Jahrgang 1940 eingezogen werden, denn er vollendet im Jahre 1960 das zwanzigste Lebensjahr. Herr Minister, Sie ziehen aber in diesem Jahre den Jahrgang 1939 ein. Ich habe das deswegen etwas ausführlicher erwähnt, um zu zeigen, wie sehr wir uns noch mit diesem Problem befassen müssen.
Da die Denkschrift des Verbandes der Deutschen Studentenschaften hier angeführt wurde, möchte ich auch ,dazu ein Wort sagen. In dieser Denkschrift werden Sie, Herr Minister, gebeten, Sie möchten zur Klärung derartiger und weiterer künftiger Fragen einen Hochschulbeirat für Ihr Ministerium berufen. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, Herr Minister; Sie haben nichts dazu gesagt. Ich möchte dringend vor einer Berücksichtigung dieser Forderung warnen. Damit würde nämlich ein Präzedenzfall geschaffen. Es würden dann weitere Organisationen mit mindestens dem gleichen, wenn nicht sogar mit besserem Recht dieselbe Forderung aufstellen. Wir hätten dann ein Nebeneinander und Durcheinander von Beiräten. Eine klare Linie in der Regierungsführung könnte nicht mehr eingehalten werden, und man wüßte nicht, wo der Lobbyismus aufhört.

(Allgemeiner Beifall.)

Schließlich ein Wort zu § 13a, der sich mit dem zivilen Bevölkerungsschutz befaßt. Wir begrüßen diesen Paragraphen sehr, weil er die Bedeutung der zivilen Verteidigung anerkennt. Ich möchte Sie bitten, Herr Kollege Berkhan, diesen Paragraphen nicht als nebensächlich beiseite zu schieben. Das wäre nicht richtig. Angesichts der Verklammerung von ziviler und militärischer Verteidigung, wie sie an dieser und an anderen Stellen deutlich wird, sehen wir, wie notwendig es ist, neben diesem



Dr. Kliesing (Honnef)

Gesetz, das die Ableistung der Wehrpflicht in der Bundeswehr regelt, noch Gesetze zu schaffen, die das System der zivilen Verteidigung ordnen. Deshalb möchte ich im Namen meiner Fraktion auch in diesem Zusammenhang die Erwartung aussprechen, die Bundesregierung möge bald diese Gesetzentwürfe vorlegen. Ich weiß, die Gesetze gehören nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich, Herr Minister Strauß; ich wende mich deshalb auch nicht an Sie, sondern ganz allgemein an die Bundesregierung. Ich tue das besonders auch deshalb, weil aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrates — Ziffer 16 — hervorgeht, daß die Bundesregierung offensichtlich der gleichen Auffassung ist. Dort heißt es nämlich:
Auch nach Auffassung der Bundesregierung muß der Personalbedarf des zivilen Bevölkerungsschutzes, abgesehen von § 13a des Gesetzentwurfs, durch besondere gesetzliche Maßnahmen gesichert werden.
Ich möchte wünschen, daß diesem Anliegen sehr bald entsprochen wird.
Abschließend darf ich für die Fraktion der CDU/CSU feststellen, daß wir den vorliegenden Entwurf als einen wesentlichen Beitrag zur Modernisierung des Wehrwesens und damit zur Erhöhung unserer Verteidigungsbereitschaft wie auch zur Wahrung der berechtigten Interessen des Staatsbürgers ansehen. Wir begrüßen daher die Novelle. Bezüglich der von mir bereits angesprochenen Einzelprobleme werden wir die Novelle in den Ausschössen eingehend und sorgfältig prüfen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309504200
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kliesing dafür, daß er seine Rede auf den Glockenschlag 1 Uhr beendet hat.
Die Sitzung wird um 15 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Um 16 Uhr nehmen wir die jetzt unterbrochene
Debatte auf. Dazu liegen bis jefzt die Wortmeldungen der Abgeordneten Schultz und Frau Probst vor.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 13 bis 15.05 Uhr.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309504300
Meine Damen und Herren! Vereinbarungsgemäß soll die Nachmittagssitzung mit der Fragestunde beginnen, also mit Punkt 2 der Tagesordnung:
Fragestunde (Drucksache 1536)

Die nächste Fragestunde soll am 17. und 19. Februar sein. Sperrfrist für eingehende Fragen Donnerstag, 11. Februar, 12 Uhr.

(Abg. Dr. Mommer: Herr Kalbitzer vertritt ihn!)

betreffend Einreise des Ministerpräsidenten der Provisorischen Algerischen Regierung in die Bundesrepublik:

(lic Bundesregierung dem Ministerpräsidenten der Provisorischen Algerischen Regierung, Herrn Ferhat Abbas, die Einreise in die Bundesrepublik verweigert und ihn am Verlassen des Flughafens Frankfurt Ist die Bundesregierung bereit, dem Ministerpräsidenten die Einreise in die Bundesrepublik zur Behandlung durch deutsche Ärzte zu gestatten? Herr Staatssekretär, Sie werden die Frage wohl beantworten. Zu dem Teil a)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309504400
Die Bundesregierung hat die Provisorische Algerische Regierung nicht anerkannt. Sie mußte damit rechnen, daß Herr Ferhat Abbas sich während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik politisch betätigen würde, was mit der Tatsache der Nichtanerkennung der Provisorischen Algerischen Regierung nicht zu vereinbaren gewesen wäre.
Zu dem Teil b) der Frage: Die Bundesregierung ist bereit, die Frage der Gestattung der Einreise des Vorgenannten in die Bundesrepublik zum Zwecke der Behandlung durch deutsche Spezialärzte unter der Voraussetzung zu prüfen, daß .sichergestellt wird, daß Herr Ferhat Abbas sich während seines Aufenthalts im Bundesgebiet jeder politischen Tätigkeit enthält.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309504500
Eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Kalbitzer!

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0309504600
War es nicht so, Herr Staatssekretär, daß Herr Ferhat Abbas einen gültigen tunesischen Paß hatte, den die Bundesregierung nach den Verabredungen mit Tunesien nicht zu visieren hatte, die Frage seiner eventuellen politischen Tätigkeit also gar nicht zur Diskussion stand, sondern daß einfach das Paßabkommen mit Tunesien verletzt worden ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309504700
Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, jeden Inhaber eines gültigen Passes in die Bundesrepublik einreisen zu lassen. Im übrigen beruht die Entscheidung, die getroffen worden ist, auf § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchstabe a der Ausländerpolizeiverordnung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309504800
Eine zweite Zusatzfrage!

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0309504900
Ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß es natürlicherweise zu Vergeltungsmaßnahmen kommen wird und andere Regierungen dann mit derselben fadenscheinigen Begründung Deutsche nicht hereinlassen werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309505000
Der Fall liegt schon mehrere Monate zurück. Die Bundesregierung hat alle möglichen Folgen sorgfältig geprüft, bevor sie diese Maßnahme ergriffen hat.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309505100
Damit ist dieser Punkt erledigt.
Wir kommen zur Frage des Abgeordneten Bauer (Würzburg) vertreten durch den Abgeordneten Ritzel — betreffend das Verhalten von in Entwicklungsländern tätigen Deutschen:
Sind dem Auswärtigen Amt die in den abgelaufenen Monaten sowohl im Inland wie im Ausland berichteten Ungeschicklichkeiten bekanntgeworden, die hinsichtlich der Menschenbehandlung durch Personen aus dem Gebiet der Bundesrepublik zu verzeichnen waren, die — u. a. bei der Errichtung von Industrieanlagen — in neutralen bzw. „unterentwickelten" Ländern tätig sind bzw. tätig geworden sind?
Sind Maßnahmen vorgesehen bzw. schon Vorkehrungen getroffen worden in der Richtung, solche für längere Zeit in den erwähnten Ländern eingesetzte Personen mit aufklärendem Informationsmaterial auszustatten, das dem Ansehen der Bundesrepublik und einer ihr dienlichen freundlichen Atmosphäre durch ein den jeweiligen Gegebenheiten angepaßtes Auftreten und .Verhalten auch für die fernere Zukunft durch entsprechende Hinweise nützlich ist?
Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309505200
Ich nehme an, daß sich die Anfrage auf Berichte bezieht, die vor einiger Zeit in einigen Presseorganen erschienen sind und in denen Fälle angeblich ungeschickter Menschenbehandlung durch Personen aus der Bundesrepublik, die in den Entwicklungsländern tätig geworden sind, zur Sprache gebracht werden. Die Meldungen werden zur Zeit auf ihre Richtigkeit geprüft.
Die Bundesregierung tut alles in ihren Kräften Stehende, um nur geeignete Personen zu entsenden und diese über das Verhalten aufzuklären, das von ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben erwartet wird. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß es sich bei den in der Presse erwähnten Fällen durchweg um Angestellte privater Firmen handelt, auf deren Auswahl die Bundesregierung keinen Einfluß nehmen kann.
Unsere Missionen sind ständig bemüht, den in ihren Amtsbezirken tätigen Deutschen bei der Verwirklichung ihrer Aufgaben mit Rat und Tat an die Hand zu gehen.
Ganz allgemein möchte ich bei dieser Gelegenheit aber sagen, daß nach allen uns vorliegenden Berichten das Verhältnis unserer in diesen Ländern arbeitenden Landsleute zu ihren einheimischen Partnern und zu der dort ansässigen Bevölkerung gut, meistens sogar sehr gut ist. Die harmonische Zusammenarbeit unserer Vertreter, Ingenieure, Monteure usw. mit den lokalen Kräften wurde wiederholt von amtlicher und privater Seite des betreffenden Landes mit hohem Lob anerkannt. Es ist aber eine alte Erfahrungstatsache, daß es irgendwo immer einmal schwarze Schafe gibt und daß Fehler und Sünden einzelner rasch bekannt und an die große Glocke gehängt werden, daß aber sorgfältige und tadellose Arbeit und ebensolches Verhalten als selbstverständlich angesehen und daher nicht weiter erwähnt werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309505300
Keine Zusatzfrage! Dann ist die Frage erledigt.
Die nächste Frage, gestellt von dem Abgeordneten Kraft, betrifft die Ausreise von Deutschen aus der Sowjetunion.
Kann die Bundesregierung Nachrichten bestätigen, wonach vielen Deutschen in der Sowjetunion besonders Memeldeutschen, welche am 21. Juni 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und demnach auf Grund der deutsch-sowjetischen Vereinbarungen vom 8. April 1958 ein Recht auf Ausreise aus der Sowjetunion haben, die Ausreise aus der Sowjetunion nicht ermöglicht wird, weil ihnen Originalurkunden über die deutsche Staatsangehörigkeit fehlen?
Bejahendenfalls: Was tut die Bundesregierung, um diesen Deutschen zu ihrem Recht gemäß der deutsch-sowjetischen Vereinbarung vom 8. April 1958 zu verhelfen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309505400
Herr Präsident! Es trifft zu, daß die sowjetischen Behörden in letzter Zeit in verstärktem Maße dazu übergegangen sind, Anträge Deutscher zur Ausreise aus der Sowjetunion mit der Begründung abzulehnen, die ,deutsche Staatsangehörigkeit des Ausreisewilligen sei nicht durch Urkunden nachgewiesen.
Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau ist wegen dieses ungerechtfertigten und mit den sowjetischen Erklärungen vom 8. April 1958 nicht zu vereinbarenden Verhaltens sowjetischer Behörden wiederholt im sowjetischen Außenministerium vorstellig geworden und hat in Verbalnoten, Notizen und Einzelbesprechungen auf die dringende Notwendigkeit einer sofortigen Abhilfe hingewiesen.
Bei der letzten derartigen Besprechung im sowjetischen Außenministerium gegen Ende des vergangenen Jahres brachte der Sprecher des Außenministeriums zum Ausdruck, die sowjetischen Milizbehörden hätten volles Verständnis dafür, daß die Antragsteller die Urkunden zum Nachweis ihrer deutschem Staatsangehörigkeit durch Kriegseinwirkungen verloren hätten. Im Falle der Nichtbeibringung irgendeines Nachweises jedoch könnten auch die Milizbehörden die Ausreise nicht gestatten.
Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschand in Moskau steht im übrigen mit allen rückkehrwilligen Deutschen in der Sowjetunion in ständiger Verbindung und wird jeden Fall, in dem die Ausreise aus irgendwelchen unberechtigten Gründen erschwert oder abgelehnt wird, aufgreifen und bei den zuständigen :sowjetischen Behörden entsprechende Gegenvorstellungen erheben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309505500
Eine Zusatzfrage? — Bitte!

Waldemar Kraft (CDU):
Rede ID: ID0309505600
Ist sich die Bundesregierung genau wie die Regierung der Sowietunion bei Abschluß der Vereinbarung mit der Sowjetunion vom 8. April 1958 nicht darüber im klaren gewesen, daß den in Frage kommenden Personen im allgemeinen die Originalurkunden über die deutsche Staatsangehörigkeit abhanden gekommen sein müssen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309505700
Wir waren uns bei Abschluß der Vereinbarungen sicher darüber klar, daß Schwierigkeiten dieser Art auftauchen würden. Wie aus meiner Erklärung hervorgeht, werden diese Schwierigkeiten auch von sowjetischer Seite anerkannt; und praktisch ist es so ich möchte den Satz wie-



Staatssekretär Dr. van Scherpenberg
derholen, den ich vorhin vorgetragen habe —, daß nur im Falle der Nichtbeibringungirgendeines Nachweises" auch die Milizbehörden die Ausreise nicht gestatten können. Es sind also Ersatzmöglichkeiten vorgesehen. Unsere Demarchen wenden sich eben dagegen, daß hier die Sache zu hart und unelastisch gehandhabt wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309505800
Die Frage ist erledigt.
Nächste Frage — gestellt vom Abgeordneten Schmitt (Vockenhausen) --- betreffend Vorlage des Entwurfs eines Konsulargesetzes.
Wann beabsichtigt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag den Entwurf eines neuen Konsulargesetzes vorzulegen, nachdem sich seit Erlaß des mit wenigen Änderungen noch heute geltenden Konsulargesetzes vom 8. November 1867 die Struktur des deutschen Auswärtigen Dienstes und der Aufgahenkreis der Auslandsvertretungen wesentlich geändert haben und verschiedene Bestimmungen des Gesetzes überholt oder sogar gegenstandslos geworden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309505900
Herr Präsident! Es kann damit gerechnet werden, daß der Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsstellung und die Befugnisse der Konsuln der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn der nächsten Wahlperiode des Deutschen Bundestages den gesetzgebenden Körperschaften vorgelegt werden wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309506000
Eine Zusatzfrage.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0309506100
Ist der Herr Bundesaußenminister bereit, in diesem Entwurf die vom Bundestag bereits mehrfach, insbesondere auch in der Sitzung vom 7. April 1954, geforderte Übertragung weiterer konsularischer Funktionen auf Beamte des gehobenen Dienstes vorzusehen, um damit Beamte des höheren Dienstes für Aufgaben frei zu machen, die ihnen nach Vorbildung und Besoldung zukommen, und ist der Herr Bundesaußenminister nicht der Auffassung, daß damit auch dem ständig wachsenden Arbeitsanfall durch eine Verlagerung der Arbeiten gesteuert werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309506200
Diese Zusatzfrage geht sehr auf die Details des Entwurfs, der sich erst in der Ausarbeitung befindet, ein. Ich kann daher diese Anfrage im Augenblick nicht im einzelnen beantworten, glaube aber sagen zu können, daß das Problem, das hier angeschnitten worden ist, bei der Bearbeitung des neuen Gesetzes bestimmt sorgfältig berücksichtigt werden wird; denn es ist eine Frage, die uns natürlich auch von der praktischen Seite her im Rahmen der gesamten Dienstarbeit sehr berührt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309506300
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0309506400
Herr Staatssekretär, da Sie ohnehin bei der Vorbereitung dieses Gesetzes sind, möchte ich Sie mit einer Zusatzfrage auf ein weiteres Detail wie Sie sagen -- aufmerksam machen, das Bedeutung haben kann. Es ist notwendig, daß dann auch die üblichen international bekannten und verständlichen Funktionsbezeichnungen für diesen Beamtenkreis eingeführt werden, um ihn auch nach außen hin entsprechend zu legitimieren. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch das bei der kommenden Gesetzgebungsarbeit entsprechend berücksichtigten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309506500
Ich nehme diese Anregung gern zur Kenntnis.

(Abg. Schmitt [Vockenhausen]: Danke schön!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309506600
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — des Abgeordneten Kalbitzer — betrifft die Überwachung des Hamburger Hafens.
Weshalb hat der Herr Bundeskanzler bei seinem Besuch Anfang Dezember 1959 in Paris der französischen Regierung versprochen, zweckdienliche Maßnahmen zu ergreifen, um den Hamburger Hafen schärfer zu überwachen?
An welche Überwachungsmaßnahmen ist gegebenenfalls gedacht, und auf welche Rechtsgrundlagen sollen sich diese Maßnahmen stützen?
Soll durch diese Überwachung verhindert werden, daß die französische Terrororganisation „Role Hand" Haftminen an deutsche Schiffe anbringen kann?
Sollen diese Maßnahmen auch französische Handels- und Verkehrsspionage im Hamburger Hafen unterbinden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309506700
Herr Präsident! Ich kann diese Frage dahin beantworten, daß der Herr Bundeskanzler ein solches Versprechen nicht abgegeben hat. Ich glaube, daß sich dadurch die übrigen Fragen i erledigen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309506800
Eine Zusatzfrage.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0309506900
Ich bin leider nicht in der angenehmen Lage wie der Herr Staatssekretär, bei meinen Fragen sitzen zu können. — Ich möchte bemerken, daß da nach meinen Informationen der Herr Bundeskanzler es doch gesagt hat — auch wenn der Herr Staatssekretär es nicht weiß —, ich aus Ihrer Antwort entnehme, daß diese Überwachung jetzt nicht stattfinden soll! Oder was soll Ihre Antwort sonst bedeuten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309507000
Ich glaube, mich mit dem Hause in Übereinstimmung zu befinden, wenn ich sage, daß die Bundesregierung alles Erforderliche tut, um internationalen Waffenschiebungen vorzubeugen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309507100
Eine weitere Zusatzfrage.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0309507200
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Gefahr im Hamburger Hafen nicht die des Waffenschmuggels ist, sondern die, daß deutsche Schiffe durch Haftminen vernichtet werden, daß dies also überwacht werden müßte, wenn der Herr Bundeskanzler überhaupt etwas Besonderes überwachen will?




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309507300
Ich hoffe, daß für diese Überwachung die Hafenpolizei ausreicht.

(Zurufe und Lachen bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309507400
Die Frage ist erledigt.
Frage des Abgeordneten Dr. Bucher betreffend Verhalten des deutschen Vertreters anläßlich der Rede von Außenminister Pella zur Südtirolfrage vor der UN:
Ist die Meldung des Corriere della Sera" vom 24. September 1959 unter der Überschrift „Applaudita replica dell'on. Pella allinammissibile tesi di Kreisky" richtig, wonach der italienische Außenminister Pella am 23. September 1959 am Schluß seiner Rede vor den Vereinten Nationen eingehend auf die Südtirolfrage zu sprechen gekommen sei und sich dabei gegen die Ausführungen des österreichischen Ministers Kreisky gewandt und behauptet habe, Italien habe das De Gasperi-Gruber-Abkommen von 1956 erfüllt, außerdem hätten die Bewohner von Südtirol sich im Jahre 1939 bereits in einer freien Volksabstimmung mit großer Mehrheit für die Übersiedlung in das nazistische Deutschland, entschieden?
Billigt die Bundesregierung das Verhalten ihres Vertreters, der nach dieser Rede zusammen mit Vertretern anderer Länder dem Außenminister Pella gratuliert haben soll?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309507500
Herr Präsident! Zu dieser Anfrage möchte ich in zwei Punkten Stellung nehmen.
Die Meldung über die Rede des italienischen Außenministers vor den Vereinten Nationen ist richtig, soweit sie sich auf den Inhalt der Rede bezieht. I Nicht richtig ist dagegen der Teil der Meldung, in dem behauptet wird, der Vertreter der Bundesregierung habe dem italienischen Außenminister zu seinen Ausführungen über Südtirol gratuliert.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309507600
Zusatzfrage?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0309507700
Darf ich das so auffassen, daß nicht nur kein ausdrücklicher Glückwunsch zu dieser Rede, sondern auch nicht ein Glückwunsch in anderer Form, etwa durch Händedruck, erfolgt ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309507800
Dazu kann ich folgendes sagen: Während der 14. Vollversammlung der Vereinten Nationen hat der Vertreter der Bundesrepublik Herrn Pella nur einmal — am 23. September — kurz angesprochen, um ihm für seine Ausführungen in der voraufgegangenen Generaldebatte zugunsten der Wiedervereinigung Deutschlands und der Aufrechterhaltung der Freiheit West-Berlins zu danken.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309507900
Die Frage ist erledigt, Nächste Frage — des Abgeordneten Dr. Arndt — betreffend Rückerwerb von während der Nazizeit aus den Berliner Sammlungen ins Ausland veräußerten Kunstwerken:
Hält die Bundesregierung es für eine Ehrenpflicht des Bundes und für eine Art der notwendigen Wiedergutmachung, deß der Bund solche Kunstwerke aus den Sammlungen der deutschen Hauptstadt, die von den nationalsozialistischen Machthabern aus Vertolgunqsgründen ins Ausland veräußert wurden, hei sich bietender Gelegenheit für die deutsche Hauptstadt zurückerwirbt, und zwar zusätzlich zu den laufenden Leistungen des Bundes für die Berliner Kunstsammlungen?
Hatte .der Bund keine Möglichkeit, am 27. November 1959 in Bern das für die Berliner Nationalgalerie (Kronprinzenpalais) früher repräsentative Bild von Emil Nolde „Christus und die Sünderin" zu dem Versteigerungspreis von etwa 130 000 DM zurückzuerwerben?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309508000
Herr Präsident! Die Antwort auf diese Frage lautet wie folgt. Die Bundesregierung wird die Bemühungen der Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" um Rückerwerb der veräußerten Kunstwerke für die Berliner Sammlungen nach Kräften unterstützen. In dem besonderen Fall ist zu sagen: Um den Rückerwerb des Gemäldes von Emil Nolde „Christus und die Sünderin" hat sich der Generaldirektor der ehemaligen staatlichen Museen in Berlin, Professor Reidemeister, durch Verhandlungen mit dem damaligen Eigentümer des Bildes, Professor Fehr, unmittelbar, aber leider erfolglos, bemüht. Der Erwerb auf der Versteigerung ging über die gegebenen Möglichkeiten hinaus.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309508100
Zusatzfrage?

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0309508200
Herr Bundesminister, wenn es nach Ihrer Auffassung „über die gegebenen Möglichkeiten" hinausging, einmal ausnahmsweise den Betrag von 100 000 DM aufzubringen, obwohl ja etwa zur gleichen Zeit aus zwingenden Gründen unvorhergesehen ein sogar noch höherer Betrag von 136 000 DM wegen des in der Tschechoslowakei angerichteten Schadens aufgebracht werden mußte, konnten Sie dann nicht auf den Gedanken kommen, etwa das Beispiel des Geheimrats Bode in Berlin nachzuahmen und sich von kunstliebenden Kreisen die Summe von ungefähr 100 000 DM zu erbitten, damit Herr Direktor Reidemeister die Möglichkeit bekam, das Bild in Bern zu ersteigern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309508300
Herr Kollege Arndt, ich weiß nicht im einzelnen, was Professor Reidemeister außer dem, was ich geschildert habe, noch versucht hat. Bei der derzeitigen Lage auf dem Kunstmarkt ist es aber außerordentlich schwierig, solche Rückerwerbungen in einem Umfang, der als einigermaßen angemessen angesehen werden kann, zu tätigen. Es gibt mit anderen Worten keine unbegrenzten Möglichkeiten, die gewaltigen Preissteigerungen auf dem Kunstmarkt mit öffentlichen Mitteln durchzuhalten. In demselben Augenblick, in dem Sie größere öffentliche Mittel dafür einsetzen, wenden Sie nur einen weiteren Preisauftrieb bewirken. Das wird das Ergebnis sein, ohne daß man den gewünschten Erfolg erzielen kann. Deswegen ist, meine ich, der Rückerwerb in all solchen Fällen nur individuell und nur auf diese Weise durchzuführen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309508400
Weitere Zusatzfrage?

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0309508500
Ich möchte meine Frage --- sie geht an Sie ganz persönlich wiederholen, ob nicht Sie als der zuständige Minister des Bundes die Möglichkeit sahen, sich so, wie es seinerzeit Geheimrat Bode gemacht hat, bei kunstliebenden wohlhabenden Kreisen in der Wunderwirtschaftsrepublik diese 100 000 DM zusammenzuerbitten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309508600
Herr Kollege Arndt, ich habe zufällig die Unterlagen bei



Bundesminister Dr. Schröder
mir. Sie sind in dieser Sache bei dem für diese Frage zuständigen Referenten meines Hauses, Ministerialrat Dr. Gussone, vorstellig geworden mit einem Schreiben vom 23. November; das war genau vier Tage vor der Versteigerung. So hatte ich gar keine Möglichkeit, die Sache noch vor .der Versteigerung zu regeln. Wären Sie an mich unmittelbar herangetreten, so möchte ich nicht ausschließen, daß der von Ihnen aufgezeigte Weg gangbar gewesen wäre. Aber Sie sehen aus den 'beiden Daten, die ich genannt habe, daß das offensichtlich ausgeschlossen war.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0309508700
Dann erbitte ich es fürs nächste Mal.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309508800
Die Frage ist erledigt. Wir kommen zur Frage des Abgeordneten Reitz, vertreten durch den Abgeordneten Dewald.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309508900
Herr Präsident, die Antwort auf diese Frage ist leider etwas länger.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309509000
Die Frage des Abgeordneten Reitz betrifft die Altersversorgung für die Pioniere des deutschen Luftverkehrs:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Pioniere des deutschen Luftverkehrs im Höchstfalle ein Ruhegeld von 168 DM monatlich nach den Renlenumstellungs- und Anpassungsgesetzen erhalten?
Besteht begründete Aussicht, daß die Deutsche Lufthansa AG, die in der Anlage A zum G 131 nicht aufgenommen wurde, in der Dritten Novelle Berücksichtigung findet?
Wenn dies nicht möglich sein sollte, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit dem Standpunkt des Herrn Innenministers — wie er im Rundschreiben des Staatssekretärs des Bundeskanzleramtes -- (3 - 22113 - 2645/52) an alle obersten Bundesbehörden zum Ausdruck kommt der neuen Lufthansa gegenüber zugunsten der ehemaligen Besatzungen Geltung verschafft wird?
Welche andere Wege hält die Bundesregierung für gangbar, um den Pionieren des deutschen Luftverkehrs endlich eine ausreichende Altersversorgung zu sichern?
Es läßt sich manchmal nicht vermeiden, Antworten länger werden zu lassen, aber es ist nicht immer nötig, sie lang werden zu lassen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309509100
Herr Präsident, ich habe mir die größte Mühe gegeben und ich habe die Mittagspause sozusagen darauf verwendet, die vorliegenden Entwürfe auf ein erträgliches Maß zu bringen. Aber bei diesem Gegenstand ist es mir nicht gelungen; Sie werden es gleich sehen.
Das in der Anfrage erwähnte monatliche Ruhegeld wird von der Versorgungskasse für die Deutsche Luftfahrt in Köln gezahlt. Diejenigen Angehörigen der früheren Lufthansa, die seinerzeit sozialversicherungspflichtig gewesen sind, erhalten bei Vorliegen der Voraussetzungen außerdem Renten aus der Sozialversicherung. Nach einer mir vorliegenden Übersicht ergeben sich in derartigen Fällen Monatsbezüge, die wesentlich über dem Betrag von 168 DM liegen.
Es besteht keine Aussicht, daß die frühere Deutsche Lufthansa durch die Dritte Novelle zum 131erGesetz in dieses Gesetz einbezogen wird. Art. 131 des Grundgesetzes erstreckt sich nur auf Angehörige des öffentlichen Dienstes. Das Personal der früheren Lufthansa gehört, wie das Bundesverfassungsgericht in einem vergleichbaren Fall bestätigt hat, nicht zum öffentlichen Dienst im Sinne dieses Artikels.
Die von dem Herrn Staatssekretär des Bundeskanzleramts in dem erwähnten Rundschreiben aufgegriffene Anregung meines Hauses ist von der neuen Lufthansa durch Wiedereinstellung von früheren Angehörigen der alten Lufthansa weitgehend berücksichtigt worden. Zur Zeit sind 31 % des Personals des Jahrgangs 1915 und der älteren Jahrgänge frühere Angehörige der alten Lufthansa. In den gehobenen Stellungen haben Mitte des Jahres 1956, ein Jahr nach Betriebsaufnahme, 61,6 % und Ende des Jahres 1959 38,1 % der Stelleninhaber der alten Lufthansa angehört. Vom fliegenden Personal stammten Mitte des Jahres 1956 71,1 % und Ende des Jahres 1959 9 % aus der ehemaligen Lufthansa. Die Verminderung im Laufe dieser Jahre ist auf altersmäßigen Abgang, Tod usw. zurückzuführen. Für die wiederverwendeten Personen ist die Versorgung durch das Beschäftigungsverhältnis bei der neuen Lufthansa sichergestellt.
Verbesserungsbedürftig erscheint danach nur die Versorgung derjenigen früheren Angehörigen der ehemaligen Lufthansa, die ausschließlich auf die erwähnten Zahlungen von der Versorgungskasse für die Deutsche Luftfahrt, Köln, angewiesen sind. Die Bundesregierung wird erneut prüfen, ob und wie in diesen Fällen eine andere Regelung herbeigeführt werden kann.

Georg Dewald (SPD):
Rede ID: ID0309509200
Herr Bundesminister, könnte man vielleicht erfahren, bis zu welchem Termin diese Leute unter Umständen eine Nachricht darüber erhalten, daß sich ihre Bezüge verbessern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309509300
Ich kann darüber, Herr Kollege, jetzt keine definitive Auskunft geben. Ich will das aber gern prüfen und das Ergebnis Ihnen und den anderen Interessierten bekanntgeben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309509400
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — des Abgeordneten Dr. Bucher — betrifft die Teilnahme an der Besprechung zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Vertretern des Deutschen Olympischen Komitees am 25. November 1959:
Warum wurde der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen zu der Besprechung zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Vertretern des Deutschen Olympischen Komitees am 25. November 1959 nicht zugezogen, obwohl die dabei behandelte Frage der Flagge für die deutsche olympische Mannschaft in seinen Geschäftsbereich fällt und er kurz zuvor mit Vertretern aller Fraktionen und dem Präsidenten des Deutschen Sporthundes diese Frage erörtert hatte?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309509500
Diese Antwort, Herr Präsident, kann erfreulich kurz gehalten werden.
An der Besprechung habe ich als der für den Sport, für die Olympischen Spiele und für Flaggen-



Bundesminister Dr. Schröder
fragen zuständige Bundesminister teilgenommen. Es ist. nicht üblich, die Teilnahme oder Nichtteilnahme anderer Minister an einer Besprechung bei dem Herrn Bundeskanzler besonders zu begründen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309509600
Eine Zusatzfrage?

Dr. Ewald Bucher (FDP):
Rede ID: ID0309509700
Herr Minister, ich bezweifle Ihre Zuständigkeit für Sport, Spiele und Flaggenfragen nicht. Aber erlauben Sie doch die Frage: Wozu hat man dann einen Minister für gesamtdeutsche Fragen, wenn er bei dieser doch sehr gesamtdeutschen Frage nicht zugezogen wird?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309509800
Das Aufgabengebiet des Ministers für gesamtdeutsche Fragen geht weit über das hinaus, was Sie, Herr Kollege, jetzt ins Auge gefaßt haben.

(Abg. Dr. Bucher: Aber sie erfaßt doch das! — Heiterkeit.)

Ich sage noch einmal, ich kann nicht bestätigen,
daß es korrekt sei, zu sagen, daß es das umfaßt. Ich wiederhole: es ist nicht üblich, die Teilnahme oder Nichtteilnahme weiterer Minister an einer Besprechung bei dem Herrn Bundeskanzler besonders zu begründen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309509900
Der Punkt ist erledigt. Die nächste Frage — des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen) — betrifft die Einstellungsbedingungen bei den Europäischen Gemeinschaften.
Ist der Bundesregierung bekannt, ob hei Einstellung von Bediensteten des mittleren und höheren Dienstes in die Dienststellen der drei Europäischen Gemeinschaften, des Europäischen Parlaments, sowie des Sekretariats der Ministerräte ausreichende Kenntnisse in zwei oder mehreren Sprachen der Gemeinschaft Voraussetzung sind?
Ist der Bundesregierung bekannt, ob die Dienstangehörigen der genannten Stellen verpflichtet sind, entsprechende Sprachkurse mit .Abschluß innerhalb einer bestimmten Frist nachzuweisen, falls Kenntnisse in zwei oder mehreren Sprachen der Gemeinschaft nicht bestehen?
Ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Weise die Sprachenregelung im internen Schriftverkehr der Dienststellen der Gemeinschaften vereinbart ist, nachdem in der ant Grund des § 217 des EWG-Vertrages erlassenen Ministerrats-Verordnung Nr. 1 vom 15. April 1958 die Sprachenregelung nur für den Schriftverkehr zwischen rien Dienststellen geregelt ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309510000
Diese Antwort Herr Präsident, ist leider wieder eine jener längeren. Die Antwort gliedert sich in drei Teile.
Zum ersten Teil der Frage: Bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft wird zur Zeit noch das Personalstatut der Montanunion angewendet. Danach müssen für die Einstellung in den gehobenen und höheren Dienst die Bewerber gründliche Kenntnisse in einer Sprache der Gemeinschaften, — also Deutsch, Französisch, Italienisch oder Holländisch — und ausreichende Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Gemeinschaften besitzen. Dies gilt auch für das Europäische Parlament und das Sekretariat der Ministerräte. Bei der Besetzung einer Stelle sind die Sprachkenntnisse der Bewerber zu berücksichtigen.
Die Antwort zum zweiten Teil der Frage: Meines Wissens wird eine Verpflichtung, Sprachkurse zu absolvieren, nicht auferlegt, da Bewerber, die bereits Kenntnisse in zwei oder mehr Sprachen der Gemeinschaften besitzen, in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.
Zum dritten Teil der Frage: Soweit bekannt, besteht eine ausdrückliche Regelung für den Sprachgebrauch im internen Schriftverkehr der Europäischen Gemeinschaften nicht. In der Praxis können die Bediensteten im allgemeinen ihre Muttersprache anwenden. Je nach der Muttersprache oder den Kenntnissen des Empfängers fügen sie auch eine Übersetzung bei und bedienen sich unter Umständen auch der Sprache des Empfängers.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309510100
Keine Zusatzfrage mehr? — Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage des Abgeordneten Lohmar,
vertreten durch den Abgeordneten Dr. Mommer — betrifft die Finanzierung einer Heilstätte für an multipler Sklerose Erkrankte.
Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend den Anregungen des Deutschen Caritasverbandes und der Multiple-Sklerose-Gesellschaft (vgl. „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 9. Januar 1960) die dringend benötigte Heilstätte für an multipler Sklerose erkrankte Mitbürger zu finanzieren und entsprechende Schritte von sich aus zu unternehmen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309510200
Die Bundesregierung wird prüfen, unter welchen Voraussetzungen der geplante Neubau einer Spezialklinik für Multiple-Sklerose-Kranke aus Bundesmitteln unterstützt werden kann.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0309510300
Danke sehr!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309510400
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — des Abgeordneten Dr. Arndt — betrifft das Bundespatentamt und das Oberste Bundesgericht.
Wird die Bundesregierung mit den Fraktionen des Bundestages in Verbindung treten, uni mit ihnen zu erörtern, ob und welche Änderung des Grundgesetzes dadurch erforderlich geworden ist, daß das Bundesverwaltungsgericht feststellte, das Bundespatentamt sei eine Verwaltungsbehörde?
Wird zugleich mit den Fraktionen auch die Änderung und Ausführung des Artikels 95 GG besprochen und vorbereitet werden, nachdem der Bundestag zweimal einstimmig eine solche Gesetzgebung gefordert hat und jetzt auch der Deutsche Anwaltverein am 13. Oktober 1959 diese Gesetzgebung, um die Einheit der Rechtsprechung zu wahren, als dringlich bezeichnete?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0309510500
Herr Präsident, mein Haus hat Überlegungen über die rechtlichen Folgerungen, die aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der Rechtsstellung des deutschen Patentamtes zu ziehen sind, sowie über die Gestaltung des nach Artikel 95 des Grundgesetzes zu errichtenden Obersten Bundesgerichtes unmittelbar vor Weihnachten abgeschlossen.
Ich werde innerhalb der nächsten Wochen der Bundesregierung entsprechende Gesetzentwürfe zur Beschlußfassung zuleiten. Ich bin aber gerne bereit, bereits jetzt den Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages über die von mir beabsichtigten Vorschläge zu unterrichten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309510600
Eine Zusatzfrage!




Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0309510700
Herr Minister, meine Frage geht dahin, ob Sie nicht bereit sein wollen, eine interfraktionelle Erörterung Ihrer konkreten Entwürfe zu ermöglichen, ehe Sie sie dem Kabinett vorlegen.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0309510800
Ich habe bereits erklärt, daß ich bereit bin, die Vorschläge jederzeit, also auch bevor die Vorlage ins Kabinett kommt, im Rechtsausschuß zur Erörterung zu stellen.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0309510900
Ich danke.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309511000
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage -- des Abgeordneten Schmitt (Vockenhausen) — betrifft die Befriedigung von Unterhaltsansprüchen umgesiedelter Kinder gegen die in den unter polnischer Verwaltung stehenden Ostgebieten zurückgebliebenen Väter.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß unter den Umsiedlern aus den unter polarischer Verwaltung stehenden Ostgebieten sich auch Kinder befinden, die Unterhaltsansprüche gegen Väter haben, die dart verblieben sind?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit diese Unterhaltsansprüche erfüllt werden können?

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0309511100
Herr Präsident, Fälle der in der Anfrage bezeichneten Art sind der Bundesregierung zwar nur vereinzelt bekannt geworden, jedoch dürfte damit zu rechnen sein, daß sie — trotz der Bemühungen um die Familienzusammenführung — mitunter auch weiterhin vorkommen.
Das Kind muß in derartigen Fällen, falls nicht bereits ein vollstreckbarer Titel eines polnischen Gerichtes vorliegt, seine Unterhaltsansprüche durch Klage vor dein zuständigen polnischen Gericht geltend machen. Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen vor polnischen Gerichten ist möglich und wird dem Kinde dadurch erleichtert, daß ihm für die Unterhaltungsklage das Armenrecht gewährt werden kann. Die Gegenseitigkeit bei der Bewilligung des Armenrechts ist im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen tatsächlich verbürgt.
Der Bundesregierung ist nicht bekannt geworden, daß sich bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche von Aussiedlern vor polnischen Gerichten in den letzten Jahren Schwierigkeiten ergeben haben. Die Bemühungen, den zwischen der Bundesrepublik und Polen seit Ende 1955 auf vertragsloser Grundlage wiederaufgenommenen Rechtsverkehr in Zivilsachen weiter zu erleichtern, werden ständig fortgesetzt. Insbesondere wird gegenwärtig geprüft, ob Armenrechtsgesuche und Unterhaltsklagen, die vor einem polnischen Gericht erhoben werden sollen, am Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten aufgenommen und an das polnische Gericht weitergeleitet werden können.
Schwierigkeiten ergeben sich offenbar nur auf Grund der polnischen Devisenbestimmungen, da nach polnischem Devisenrecht der Transfer von Unterhaltsleistungen nach dem Ausland einer devisenrechtlichen Genehmigung bedarf und Polen solche
Genehmigungen mit Rücksicht auf seine Devisenlage nur mit großer Zurückhaltung erteilt. Bemühungen, eine großzügigere Handhabung zu erreichen, sind bisher erfolglos geblieben. Die Bundesregierung wird dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit widmen und wird insbesondere auch prüfen, ob der Transfer von Unterhaltszahlungen gelegentlich handelspolitischer Besprechungen mit Polen geregelt werden kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309511200
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — des Abgeordneten Seuffert — betrifft die Zusicherung der Zahlung der Soforthilfe nach § 141 BEG an rückkehrwillige Verfolgte:
Welche Anweisungen sind an die Wiedergutmachungsbehörden ergangen, um sicherzustellen, daß ein rückkehrwilliger Verfolgter vor seinem endgültigen Entschluß zur Rückkehr sich die Gewißheit verschaffen kann, daß er im Falle der endgültigen Wohnsitznahme in der Bundesrepublik die Soforthilfe nach § 141 BEG erhalten wird und daß die Soforthilfe nach dei Wohnsitznahme auch unverzüglich ausgezahlt werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309511300
Herr Abgeordneter Seuffert, wie Sie wissen, wird das Bundesentschädigungsgesetz ausschließlich von Landesbehörden durchgeführt. Die Bundesregierung kann den Landesbehörden keine Anweisungen darüber geben, wie sie bei der Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes verfahren sollen.
Das Gesetz enthält auch keine Ermächtigung an die Bundesregierung, durch eine Rechtsverordnung die Voraussetzungen und das Verfahren für die Auszahlung einer Soforthilfe zu regeln.
Wir haben trotzdem Gelegenheit genommen, die Landesbehörden darauf hinzuweisen, daß die Anträge auf Soforthilfe nach § 141 BEG bevorzugt und schnell bearbeitet werden sollen, damit die festgesetzten Beträge unverzüglich ausgezahlt werden können, sobald der Rückwanderer seinen endgültigen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik genommen hat. Wir haben bisher im Bundesfinanzministerium nicht feststellen können, daß bei den Landesbehörden Schwierigkeiten oder gröbliche Verzögerungen bei der Bearbeitung von Soforthilfeanträgen von Rückwanderern eingetreten sind.
Da die Soforthilfe nach dem Gesetz von einer Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen abhängt, kann jedenfalls in der Regel einem Rückwanderungswilligen schon vor seiner Rückwanderung keine endgültige und hinreichend zuverlässige Auskunft über seinen Anspruch auf Soforthilfe gegeben werden. Solche Fälle kommen natürlich vereinzelt vor. Im allgemeinen lassen sich die Rückwanderungswilligen durch die deutschen diplomatischen Vertretungen beraten. Es besteht ein Kontakt zwischen den diplomatischen Vertretungen und den Landesentschädigungsbehörden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309511400
Eine Zusatzfrage!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0309511500
Sind Sie nicht der Ansicht, Herr Staatssekretär, daß ein Eventualbescheid mit dem Inhalt, außer der Wohnsitznahme seien alle Vor-



Seuffert
aussetzungen für die Auszahlung der Soforthilfe geklärt, nicht nur möglich, sondern auch zur praktischen Durchführung der Soforthilfe im Sinne des Gesetzes erforderlich ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309511600
Herr Abgeordneter Seuffert, wenn feststeht, daß alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Auszahlung der Soforthilfe vorliegen und nur noch kein endgültiger Wohnsitz im Bundesgebiet begründet ist, bestehen nach meiner Meinung keine Bedenken gegen einen solchen Zwischenbescheid, der die Voraussetzungen klärt.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0309511700
Würden Sie, Herr Staatssekretär, den Landesregierungen diese Ihre Auffassung und auch den Hinweis darauf, daß es notwendig ist, erforderlichenfalls solche Besehende zu erlassen, noch einmal nahebringen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309511800
Ich habe keine Bedenken, das zu tun.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309511900
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — des Abgeordneten Reitzner — betrifft die Verhandlungen mit Osterreich über die Ansprüche der Umsiedler und Heimatvertriebenen:
Welche Meinung äußert die Bundesregierung zu der Kritik
B) des Abgeordneten Toncic im Wiener Parlament, daß die deutsche Bundesregierung nicht den Willen habe, die Verhandlungen mit Österreich über die Ansprüche der Umsiedler und Heimatvertriebenen zu einem positiven Ergebnis zu führen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309512000
Die Frage des Herrn Abgeordneten bezieht sich auf eine Äußerung des österreichischen Nationalratsmitglieds Toncic. Ich darf im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt eine kurze Unterrichtung über diese deutsch-österreichischen Verhandlungen geben.
Beim Abschluß des Vermögensvertrags mit Osterreich hat die Bundesregierung in einem Schriftwechsel auf dringenden Wunsch der österreichischen Seite zugesagt, das Problem der in Österreich lebenden Heimatvertriebenen und Umsiedler mit Vertretern der österreichischen Regierung zu besprechen. Bei Übergabe des entsprechenden deutschen Schreibens ist eindeutig erklärt worden, daß man deutscherseits keine Hoffnungen auf ein positives Ergebnis dieser Besprechungen machen könne, und zwar im wesentlichen aus Rechtsgründen. Diese Besprechungen werden seit Sommer 1958 zwischen Delegierten und Sachverständigen der beiden Regierungen geführt. Die deutsche Seite hat bei die-
. sen Erörterungen niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß sie die Sorge für die in Osterreich lebenden Heimatvertriebenen und Umsiedler und deren Eingliederung in die österreichische Wirtschaft nicht als eine Aufgabe der Bundesrepublik ansehe. Angebliche Rechtsansprüche der österreichischen Seite wurden und mußten abgelehnt werden.
Unbeschadet dieses Rechtsstandpunkts wird von deutscher Seite erwogen, auf freiwilliger Grundlage zu einer Lösung des Problems der in Osterreich lebenden Vertriebenen beizutragen. Im Rahmen soh cher Überlegungen hat die Bundesregierung der österreichischen Delegation einen Diskussionsvorschlag über einen deutschen Beitrag unterbreitet, für dessen Bemessung die Zahl der deutschen Staatsangehörigen unter diesen Vertriebenen in Osterreich maßgebend sein sollte. Dieser Vorschlag wurde von der österreichischen Seite abgelehnt. Ein österreichischer Gegenvorschlag ist bisher nicht gemacht worden.
Nach diesem Sachverhalt meine ich, daß die Ausführungen des österreichischen Abgeordneten, auf die Sie, Herr Abgeordneter, sich bezogen haben, in wesentlichen Punkten unrichtig sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309512100
Eine Zusatzfrage!

Richard Reitzner (SPD):
Rede ID: ID0309512200
Herr Staatssekretär, die Informationen sind recht wertvoll, aber die eine Frage ist nicht klar beantwortet worden: Sind die Verhandlungen unterbrochen worden oder werden sie fortgeführt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309512300
Sie werden fortgeführt!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309512400
Dieser Punkt ist erledigt. Dann die Frage — des Abgeordneten Spitzmüller — betreffend das Munitionslager bei der( Stadt Villingen:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich ein großer Teil der Einwohner der Stadt Villingen durch ein unweit der Stadt liegendes Munitionslager ständig bedroht fühlen muß, da die Sprengung dieses Depots — dessen Areal seit seiner erneuten Anlage um das Zehnfache vergrößert wurde — gegen Ende des Krieges großen Schaden anrichtete, so daß die Einwohner der unmittelbar benachbarten Wohngebiete auch heute in ständiger Angst vor einer Explosion leben, insbesondere da weder Menge noch Art der dort gelagerten Munition bekannt ist? Ist die Bundesregierung bereit, dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung der Stadt Villingen Rechnung zu tragen und dem Wunsche der Stadtverwaltung auf eine Verle-gong des Munitionslagers zu entsprechen?
Zur Beantwortung Herr Staatssekretär Dr. Hettlage!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309512500
Ich darf die Frage nach dem Munitionslager bei der Stadt Villingen kurz beantworten.
Das Munitionslager dient den französischen Streitkräften und liegt im Stadtwald bei Villingen. Die französischen Streitkräfte behaupten, dieses Lager nach wie vor zu benötigen. Entsprechend dem Gefährlichkeitsgrad der dort niedergelegten Munition sind die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zu den bewohnten Gebieten der Stadt Villingen und der Gemeinde Pfaffenweiler sind gewahrt. Obwohl also eine Bedrohung der Bewohner objektiv nicht vorliegt, ist die Bundesregierung dennoch bereit, sich beim Oberkommando der französischen Streitkräfte in Deutschland für eine Verlegung des Munitionslagers einzusetzen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß das Land Baden-Württemberg ein



Staatssekretär Dr. Hettlage
Ersatzgelände ausfindig macht, dem die französischen Streitkräfte zustimmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309512600
Eine Zusatzfrage?

(Abg. Spitzmüller: Nein, ich danke!)

Dann die Frage — des Abgeordneten Müller-Hermann! — Der Abgeordnete ist nicht anwesend; die Antwort wird schriftlich gegeben werden.
Nun die Frage — des Abgeordneten Schultz — betreffend Besatzungsfolgeschäden in der Gemeinde Drais:
Wann kann die Gemeinde Drais damit rechnen, daß die am 13. Januar 1959 vom Amt für Verteidigungslasten in Mainz in Aussicht gestellte Behebung der durch die Panzerstraße MainzGonsenheim-Oberolmer Wald hervorgerufenen Wasserschäden durchgeführt wird? Ist der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes bereit, die Wertminderung von durch den Bau der Panzerstraße unwirtschaftlich gewordenen Restgrundstücken gesondert zu vergüten?
Bitte, Herr Staatssekretär Dr. Hettlage!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309512700
Die Frage des Herrn Abgeordneten Schultz betrifft gewisse Schäden, die in Zusammenhang mit einer Panzerstraße in der Nachbarschaft von Mainz-Gonsenheim entstanden sind. Das Finanzministerium bedauert zunächst, diese Frage aus eigenen Unterlagen nicht beantworten zu können. Wir haben die kurze Zeit, die uns zu Rückfragen bei der Landesregierung zur Verfügung stand, benutzt, uns nach besten Möglichkeiten zu unterrichten, haben aber telefonisch keine so zuverlässige Information bekommen, daß ich sie Ihnen hier auf Ihre Frage mündlich erteilen könnte. Ich bitte, das schriftlich nachholen zu dürfen.
Und nun zu der Frage, ob und inwieweit Restgrundstücke bei Enteignungen mit angekauft werden sollen und inwieweit das in diesem Falle geschehen ist. Zum Sachverhalt konnten zuverlässige Feststellungen nicht getroffen werden. Zur Rechtslage darf ich darauf hinweisen, daß solche Anträge auf Vergütungen bisher bei den Kaufverhandlungen nicht gestellt worden sind, obwohl Teilgrundstücke auch hier beim Bau der Panzerstraße veräußert worden sind.
Daraus könnte vielleicht geschlossen werden, daß Wertminderungen an Restgrundstücken nicht eingetreten sind. Vielleicht werden in einzelnen Fällen Entschädigungsanträge wegen Wertminderung nachträglich gestellt. Über die Erfolgsaussichten solcher Anträge kann ich infolge des Fehlens ausreichender Informationen im Augenblick nichts sagen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß bei abgeschlossenen Kaufverträgen eine etwaige Wertminderung des Restgrundstückes später in der Regel nicht berücksichtigt werden kann, weil es sich um eine Änderung eines Vertrages zum Nachteil des Bundes, und zwar eine einseitige Änderung handeln würde, die nach den Wirtschaftsbestimmungen im allgemeinen nicht möglich ist. Sollten solche Entschädigungsanträge nachträglich gestellt werden, so werden sie von uns natürlich sorgfältig geprüft werden.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309512800
Eine Zusatzfrage?

Fritz-Rudolf Schultz (FDP):
Rede ID: ID0309512900
Ich darf also aus Ihren Ausführungen entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie die Angelegenheit weiter verfolgen, und darf vielleicht noch hinzufügen, daß ich mit dein Ausdruck „Gemeinde Drais" nicht die Selbstverwaltungskörperschaft, sondern die Bürger der Gemeinde Drais meine.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309513000
Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — Herr Abgeordneter Brück — betrifft die Zunahme der Unfälle der schweren Lastwagen:
Stimmt die Nachricht in der Tageszeitung Die Welt vom 30. Dezember 1959, wonach ein Abteilungsleiter des Bundeswirtschaftsministeriums u. a. folgende Erklärung abgegeben haben soll: Besonders stark haben sich die Unfälle der schweren Lastwagen vermehrt. Während auf 1000 Pkw zur Zeit im Jahre 260 Schadensfälle entfallen, verursachen 1000 schwere Lkw mit über 6 Tonnen Eigengewicht 2200 Schäden im Jahr."?
ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Personen in den
260 bzw. 2200 Schadensfällen verletzt oder getötet wurden?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0309513100
Die von Ihnen wiedergegebene Nachricht trifft im wesentlichen zu. Der Leiter der Grundsatzabteilung meines Hauses hat in einer Pressekonferenz erklärt, daß sich seit der letzten Festsetzung des Einheitstarifs für Kraftfahrtversicherungen im Jahre 1952 die Anzahl der Schadensfälle vermehrt hat. Die Schadenshäufigkeit der einzelnen Fahrzeuggruppen wird in der Kraftfahrtversicherung jeweils danach gemessen, wieviel Schadensfälle auf je 1000 Fahrzeuge entfallen, die während des ganzen Jahres versichert waren.
Im Jahre 1958 entfielen auf 1000 Personenwagen über 260 Schadensfälle und auf 1000 Lastkraftwagen im Güterfernverkehr mit mehr als 6 t Nutzlast über 2200 Schadensfälle.
Aus den Unterlagen über die Schadenshäufigkeit isst der Bundesregierung nicht bekannt, wieviel getötete oder verletzte Personen den oben nachgewiesenen Schadensfällen zuzurechnen sind. Aus der amtlichen Straßenverkehrsunfallstatistik ergibt sich jedoch folgendes: Im Jahre 1958 wurden bei Unfällen, bei denen ein Personenkraftwagen allein oder ein Personenkraftwagen und ein weiterer Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, 5166 Personen getötet, darunter 455 bei Beteiligung von Personenkraftwagen und Lastkraftwagen. Angesichts eines Bestandes von knapp 3 Millionen Kraftwagen entfallen also auf je 1000 Personenkraftwagen 1,8 Verkehrstote.
Bei Unfällen, bei denen ein Lastkraftwagen allein oder ein Lastkraftwagen und ein weiterer Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, wurden 2319 Personen getötet, darunter die bereits obenerwähnten 455 bei Unfällen zwischen Lastkraftwagen und Personenkraftwagen. Angesichts eines Bestandes von rund 600 000 Lastkraftwagen entfallen also auf je 1000 Lastkraftwagen 3,8 Verkehrstote. Dabei ist zu berücksichtigen, daß diese Verhältniszahl mit der zunehmenden Schwere des Fahrzeugs steigt. Bei Lastkraftwagen mit über 9 t Gesamtgewicht entfallen auf 1000 Fahrzeuge sogar 13,1 getötete Personen. Entsprechende Angaben über die im Straßenverkehr



Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard
verletzten Personen liegen ebenfalls vor; ich bitte jedoch damit einverstanden zu sein, wenn ich mit Rücksicht auf die gebotene Kürze von der Verlesung dieser Zahlen Abstand nehme.
Die vorstehenden Zahlen geben die Beteiligung an Unfällen mit Getöteten wieder, erlauben aber keine Aussage über die Verursachung oder gar über ein Verschulden der Fahrer. Die von der Bundesregierung und den Landesregierungen gemeinsam durchgeführte Umstellung des statistischen Erhebungsverfahrens im Jahre 1959 wird in den kommenden Jahren Aussagen über die Verursacher ermöglichen. Auch bleibt unberücksichtigt, daß die Fahrleistungen bei, den einzelnen Kraftfahrzeugarten sehr verschieden sind; die Zahlen werden einen erhöhten Erkenntniswert gewinnen, sobald die Ergebnisse der zur Zeit laufenden Fahrleistungsstatistik vorliegen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309513200
Keine Zusatzfrage. Die Frage ist erledigt.
Die nächste Frage — des Herrn Abgeordneten Dr. Brecht — betrifft die Bekämpfung deis Mietpreiswuchers.
Hält die Bundesregierung die geltenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und des Wirtschaftsstrafgesetzes für ausreichend, um die Zunahme des Mietpreiswuchers, namentlich bei Untermietverhältnissen, wirksam zu bekämpfen?
Ist es nach Ansicht der Bundesregierung nicht notwendig, gegen den Mietpreiswucher schärfer vorzugehen?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0309513300
Zur Zeit unterliegt die Vermietung von Wohnraum noch in ganz überwiegendem Maße den Preisvorschriften. Daß diese in nennenswertem Umfang von Vermietern mißachtet würden, ist nicht bekanntgeworden. Ein Bedürfnis, für diesen Wohnraum über die Strafvorschriften des § 2a des Wirtschaftsstrafgesetzes und des § 302e des Strafgesetzbuches hinaus zusätzliche Strafbestimmungen zur Verfolgung etwaiger Preisverstöße vorzusehen, erscheint danach nicht gegeben. Auch vom Bundestag ist diese Frage bei der Verabschiedung des Ersten Bundesmietengesetzes geprüft und verneint worden. Es darf nicht übersehen werden, daß der Mieter gegenüber überhöhten Mietforderungen schon durch § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches stark geschützt ist. Hiernach ist die Vereinbarung eines Mietzinses insoweit unwirksam, als sie gegen die Preisvorschriften verstößt. Eine Mehrzahlung kann der Mieter zurückfordern.
Soweit eine Preisbindung nicht besteht -- dies trifft im wesentlichen für frei finanzierte Wohnungen und für Geschäftsräume zu —, versagt allerdings der zivilrechtliche Schutz des § 134 BGB. Infolge der anhaltend hohen Bautätigkeit in den vergangenen Jahren haben sich die Spannungen zwischen Angebot und Nachfrage aber bereits fühlbar verringert, und es steht zu erwarten, daß sich die Lage im Zuge des vorgesehenen Abbaues der Wohnungszwangswirtschaft in Verbindung mit einer weiterhin hohen Bautätigkeit noch mehr ausgleichen wird.
Solange die Entscheidung des Gesetzgebers über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft noch aussteht, dürfte es nicht angebracht sein, in die im Fluß befindliche Entwicklung durch neue Strafvorschriften einzugreifen. Soweit die Mangellage in einzelnen Fällen durch Vereinbarung unangemessen hoher Mieten ausgenutzt worden ist, sind Preisbehörden und Staatsanwaltschaft hiergegen im übrigen schon auf Grund der bestehenden Straf- und Bußgeldvorschriften, insbesondere auf Grund des § 2a des Wirtschaftsstrafgesetzes, eingeschritten, wenn deren sonstige Voraussetzungen vorlagen. Abgesehen davon wird der Mieter gegen Wucher auch zivilrechtlich durch die Vorschrift des § 138 BGB geschützt.
Ob im Zusammenhang mit dem weiteren Abbau der Wohnungszwangswirtschaft weitere Maßnahmen gegen den Mietwucher erforderlich sein werden, bedarf noch sorgfältiger Überlegungen. Die Frage dürfte bei der Beratung des dem Hohen Hause vorliegenden Gesetzentwurfs sicherlich zur Erörterung kommen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309513400
Zusatzfrage?

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0309513500
Ist Ihnen, Herr Minister — oder Ihren Beamten —, bei dieser langen Beantwortung entgangen, daß meine Anfrage sich insbesondere auf die Untermietverhältnisse erstreckt? Es heißt hier ausdrücklich: „namentlich bei Untermietverhältnissen". Ist Ihnen nicht bekannt, daß gerade in Hamburg in einer ganzen Reihe von Fällen derartiger Mietwucher bei Untermietverhältnissen, wo keine Preisbindung mehr besteht, vorgekommen ist?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0309513600
Für Untermietverhältnisse gelten meine Ausführungen sinngemäß. Soweit es sich um preisgebundenen Wohnraum handelt, sind die Parteien eines Untermietverhältnisses bei der Vereinbarung des Mietzinses zwar freier gestellt als bei einem Hauptmietverhältnis; der Untermieter kann sich jedoch durch einseitige Erklärung auf den Schutz der Preisvorschriften berufen und damit gegen Überforderungen schützen.
Nur ein Teil der Untermieter genießt keinen Mieterschutz, nämlich alleinstehende Personen, welche die Räume nicht selbst ganz oder überwiegend mit Einrichtungsgegenständen ausgestattet haben. Diese Untermieter können sich durch Abschluß eines länger befristeten Mietvertrages vor kurzfristigen Kündigungen schützen.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0309513700
Eine zweite Frage. Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß die nicht preisgeschützten Untermietverhältnisse zahlreicher und bedeutsamer sind? Sollte deshalb nicht doch noch einmal geprüft werden, ob im Hinblick auf diese nicht preisrechtlich geschützten Untermietverhältnisse etwas gegen den Mietwucher geschehen muß?




Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0309513800
Ich werde die Frage prüfen und Ihnen schriftlich Antwort zukommen lassen.

Dr. Julius Brecht (SPD):
Rede ID: ID0309513900
Danke.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309514000
Der Punkt ist erledigt.
Die nächste Frage — des Abgeordneten Bauer (Würzburg), vertreten durch Herrn Abgeordneten Ritzel — betrifft die Sylvesteranzeige des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
Wie hoch beziffern sich die Kosten für die durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister weithin in der deutschen Presse veröffentlichte Sylvester-Anzeige insgesamt, und wie wurde sie finanziert?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0309514100
Wie Sie wissen, erscheinen seit einigen Jahren in einer gewissen Regelmäßigkeit Anzeigen mit meiner Unterschrift in der deutschen Presse. Mit diesen Anzeigen wird das Ziel verfolgt, die Bevölkerung mit aktuellen oder auch grundlegenden Fragen der Wirtschaftspolitik, insbesondere auch mit meinen wirtschaftspolitischen Ansichten vertraut zu machen.
Die Anzeigen verfolgen somit einen staatsbürgerlichen Zweck. Sie werden indessen nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert. Die Mittel werden von einem privaten Fördererkreis aufgebracht, der sich darum bemüht, die Idee der sozialen Marktwirtschaft zu verwirklichen. Diese Aufklärungsarbeit hat sich durchaus bewährt. Da diese Mittel weder von mir noch von irgendeiner anderen Stelle des Wirtschaftsministeriums verwaltet werden, sehe ich mich außerstande, weitergehende Fragen zu beantworten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309514200
Eine Zusatzfrage!

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0309514300
Herr Wirtschaftsminister, ist Ihre Antwort dahin zu verstehen, daß für die Finanzierung dieser Inseratenkampagne auch keine Mittel aus dem Geheimfonds im Rahmen des Etats des Presse- und Informationsamtes verwendet werden?

Dr. Ludwig Erhard (CDU):
Rede ID: ID0309514400
Nein, nicht ein Pfennig, Herr Abgeordneter.

(Abg. Ritzel: Danke!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309514500
Die Frage ist erledigt. Es folgt die nächste Frage — des Herrn Abgeordneten Cramer — betreffend Berechnung von Angestelltenversicherungsrenten beim Zusammentreffen mit Unfallrenten:
Hält die Bundesregierung für richtig -- bzw. was gedenkt sie eu tun —, daß nach § 55 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes unter gewissen Voraussetzungen die Renten aus der Angestelltenversicherung gekürzt werden und die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung die jährlichen Erhöhungen nur auf die gekürzten Renten zahlt?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0309514600
Trifft eine Versichertenrente aus der Rentenversicherung der Angestellten - für die beiden anderen Rentenversicherungszweige gilt Entsprechendes — mit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammen, so ruht sie nach § 55 Abs. 1 des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes insoweit, als sie zusammen mit der Verletztenrente sowohl 85 v. H. des der Berechnung der Verletztenrente zu Grunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes als auch 85 v. H. der für ihre Berechnung maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage übersteigt. Ohne diese Vorschrift könnte das Einkommen des Versicherten aus Renten über sein früheres Arbeitseinkommen hinausgehen. Ein solches Ergebnis wäre mit dem Gedanken der Lohnersatzfunktion aller Renten aus der Sozialversicherung nicht zu vereinbaren.. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht in der Lage, dem Gedanken einer ersatzlosen Beseitigung dieser Ruhensvorschrift, deren finanzielle Auswirkungen von allen Versicherten getragen werden müßten, näherzutreten.
An der Anpassung der laufenden Renten nach dem Ersten Rentenanpassungsgesetz vom 21. Dezember 1958 sowie nach dem Zweiten Rentenanpassungsgesetz vom 21. Dezember 1959 nehmen auch die Bezieher von Renten, auf die § 55 AVG Anwendung findet, teil. Daß sich bei ihnen die Rentenanpassung nicht in gleicher Weise auswirkt wie bei den übrigen Rentenberechtigten, hat seinen Grund darin, daß die Reform der gesetzlichen Unfallversicherung noch nicht durchgeführt ist. Eine andere als die gegenwärtige Regelung würde die Bezieher von Unfallrenten, die zugleich Anspruch auf eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, in einer nicht zu vertretenden Weise gegenüber allen Beziehern von Unfallrenten bevorzugen.
Der Entwurf eines Unfallversicherunggesetzes, den die Bundesregierung dem Bundestag bereits vorgelegt hat, sieht vor, daß auch die Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung an der Anpassung der laufenden Renten teilnehmen sollen. Mit der Verabschiedung dieses Entwurfs wird der Einklang zwischen der Unfallversicherung und der Rentenversicherung wiederhergestellt sein und das angesprochene Problem seine Erledigung gefunden haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309514700
Eine Zusatzfrage!

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0309514800
Herr Bundesarbeitsminister, ist Ihnen bekannt, daß bei Anwendung der gegenwärtig geltenden Bestimmungen ein Rentner, der vor vielen Jahren einen Unfall gehabt hat, heute schlechter gestellt ist als einer, der keinen Unfall gehabt hat?

Theodor Blank (CDU):
Rede ID: ID0309514900
Nein, ein derartig grotesker Fall ist mir nicht bekannt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nähere Einzelheiten unterbreiteten.

Johann Cramer (SPD):
Rede ID: ID0309515000
Ich werde Ihnen das unterbreiten, Herr Minister!




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309515100
Diese Frage ist erledigt. Die nächste Frage -- des Herrn Abgeordneten Bals — betrifft die Teilnahme von Bundeswehrangehörigen an Protestkundgebungen der Kriegsopferverbände:
Trifft es zu, daß das Bundesverteidigungsministerium die Standortoffiziere über die Wehrkreiskommandos anwies, darauf hinzuwirken, daß Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften den Protestkundgebungen der Kriegsopferverbände gegen die Bundesregierung fernbleiben?
Ist das Bundesverteidigungsministerium der Meinung, daß das Soldatengesetz die Teilnahme an solchen Protestkundgebungen nicht zuläßt?
Der Herr Bundesverteidigungsminister!

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309515200
Es gibt keine Anweisung des Bundesministeriums für Verteidigung an die Standortoffiziere, darauf hinzuwirken, daß Soldaten der Bundeswehr eventuellen Protestkundgebungen fernbleiben sollen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309515300
Eine Zusatzfrage?

Hans Bals (SPD):
Rede ID: ID0309515400
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, die Wehrkreisbefehlshaber anzuweisen, daß die Bundeswehr an solchen Kundgebungen teilnehmen kann?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309515500
Die Frage ist in sich unlogisch; ich kann sie deshalb nicht beantworten.

Hans Bals (SPD):
Rede ID: ID0309515600
Eine weitere Zusatzfrage! Herr Bundesminister, wie erklären Sie sich, daß der Wehrkreis VI zu der Auffassung kommt, Soldaten könnten an solchen Kundgebungen nicht teilnehmen?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309515700
Ich kenne die Unterlagen nicht, die Sie zu der Schlußfolgerung geführt haben, daß der Wehrkreis VI dieser Ansicht ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309515800
Nächste Frage — des Abgeordneten Lohmar — betreffend Vorlage des Entwurfs des sogenannten Traditionserlasses für die Bundeswehr:
Bis zu welchem Zeitpunkt gedenkt die Bundesregierung dem Ausschuß für Verteidigung den endgültigen Entwurf des sogenannten Traditionserlasses für die Bundeswehr vorzulegen?

Dr. Franz Josef Strauß (CSU):
Rede ID: ID0309515900
Der Entwurf des sogenannten Traditionserlasses ist vom Führungsstab der Bundeswehr überarbeitet und mir etwa im September vorgelegt worden. Es handelt sich hier um eine für das innere Gefüge der Bundeswehr und deren Stellung im Staat auf der einen Seite bedeutsame, auf der anderen Seite hinsichtlich des Termins des Erlasses nicht vordringliche Angelegenheit. Ich habe mir deshalb eine persönliche gründliche Prüfung des Entwurfs vorbehalten. Sobald diese Prüfung abgeschlossen ist, werde ich dem Verteidigungsausschuß Gelegenheit geben, sich mit dem Entwurf zu befassen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0309516000
Keine Zusatzfrage? — Dann ist die Fragestunde erledigt. Sie findet ihre Fortsetzung übermorgen, Freitag, 9 Uhr vormittags.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Becker.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309516100
Meine Damen und Herren! Ich rufe erneut Punkt 5 der Tagesordnung auf. Wir fahren in der Debatte von heute früh fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Schultz.

Fritz-Rudolf Schultz (FDP):
Rede ID: ID0309516200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich dem eigentlichen Punkt, zu dem ich zu sprechen habe, nämlich der Wehrpflichtnovelle, zuwende, möchte ich noch etwas zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion bezüglich der Erfassung der kriegsgedienten Jahrgänge sagen. Daß es damit soviel Schwierigkeiten gegeben hat, liegt wohl auch daran, daß die Erfassung als solche von den Ländern durchgeführt werden muß. Das Bundesverteidigungsministerium hat nicht erreichen können, daß das Formular für die Erfassung einheitlich abgefaßt wird. Bei der Betrachtung dieser Frage muß man sich einmal ansehen, welche Länder der Bundesrepublik irgendwelche Schwierigkeiten oder Versammlungen gehabt haben. Wenn Sie das tun, werden Sie merken, daß da, wo man eigentlich die meisten Schwierigkeiten hätte vermuten können, keine aufgetreten sind. Nur diese kurze Bemerkung zu dieser Frage.
Nun zur Wehrpflichtnovelle, die uns heute zur ersten Beratung vorliegt. Ich darf Ihnen dazu so kurz wie möglich den Standpunkt der freien demokratischen Fraktion darlegen. Es hat mich — wahrscheinlich auch meine Freunde — mit einiger Befriedigung erfüllt, daß sowohl von dem Bundesverteidigungsminister wie auch vom Kollegen Berkhan Herr Dr. Mende zitiert worden und daß damit auf die Diskussion bei der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes im Jahre 1956 zurückgeschaltet worden ist. Herr Dr. Mende hatte damals gesagt: Wehrpflicht ja, aber nicht so und nicht heute. — Schon damals hatte er in einer langen Rede ausgeführt, daß die Wehrpflicht im alten Sinn den heutigen Erfordernissen nicht mehr entspreche, daß sich die militärpolitischen Verhältnisse geändert hätten, daß zwischen „Militär" und „Zivil" kein solcher Trennungsstrich wie in früheren Zeiten gezogen werden könne.
Es hat mich auch gefreut, daß Herr Kollege Kliesing heute vormittag ebenfalls darauf abgehoben hat, daß die neue Novelle, die uns jetzt vorliegt, diesen Gedanken Rechnung trage, daß man im Verteidigungsbereich nicht sagen könne: hier Zivil, dort Militär, sondern daß beide Dinge miteinander verzahnt seien. Es freut mich, daß sich etwa 31/4 Jahre nach der Debatte anscheinend doch allmählich vernünftige Ansichten überall durchgesetzt haben.
Wir sprachen damals davon, daß es sich nicht um Wehrpflicht handeln könne, sondern daß eine allgemeine Verteidigungsdienstpflicht eingeführt werden müsse. Wir haben gerade diese Formel in unser Parteiprogramm, das 1956 in Berlin verabschiedet worden ist, aufgenommen. Ich darf heute auch dar-



Schultz
auf einmal hinweisen. Unser Konzept von 1956 sah vor: möglichst schneller Aufbau der Kaderverbände, dann Auffüllen der Verbände unter gleichzeitigem Ausbau der territorialen Verteidigung und zivilen Landesverteidigung, dazu ein Gesetz über die allgemeine Kriegsdienstpflicht. Das vermutliche Ergebnis unserer damaligen Überlegungen wäre gewesen: eine organisch gewachsene Landesverteidigung, die uns ein ausreichendes Maß an militärischer Sicherheit gegeben hätte. Ich wage nämlich zu bezweifeln, ob die Verteidigungskonzeption, der wir augenblicklich anhängen, uns in ausreichendem Maße diese Sicherheit gibt.
Der Auseinandersetzung mit der Novelle muß eine Lagebeurteilung vorausgehen. Wo stehen wir denn in diesem Augenblick, da wir das Wehrpflichtgesetz von 1956 novellieren wollen? Das NATO- Soll an aktiven Truppen ist zu etwa 60 % erfüllt. Der Geist der Truppe ist gut, worauf Herr Minister Strauß mit Recht hingewiesen hat. Die Soldaten gehen mit Freude an ihre Aufgabe heran. Wir sollten das begrüßen.
Gleichzeitig müssen wir aber beobachten, daß eine starke Überlastung der Führer sowohl des Offizierkorps als auch des Unteroffizierkorps eingesetzt hat, die nur unter Schwierigkeiten ihren Aufgaben gerecht werden können. Insbesondere gibt das Fehl an Personal im Unteroffizierkorps zu Befürchtungen Anlaß. Wir stehen hier vor Schwierigkeiten, die überwunden werden müssen. Auch bei dem Personal für die Wartung der Flugzeuge besteht ein beängstigendes Fehl, worauf Herr Minister Strauß ebenfalls hingewiesen hat.
Ich glaube nicht, daß uns die Wehrpflichtnovelle von diesem Fehl herunterbringen wird, zumindest zunächst nicht. Man kann vielleicht hoffen, daß sich die Verhältnisse ändern, aber ich glaube, daß andere Maßnahmen notwendiger sind, die in das Gebiet insbesondere des Haushaltsrechtlichen und Besoldungsrechtlichen hinübergreifen. Der Prozeß des Zusammenwachsens der Bundeswehr ist durch die dauernd fortgeführten Neuumstellungen empfindlich gestört. Kommandierungen, Versetzungen sind an der Tagesordnung und müssen bei dem Tempo, in dem die Aufstellung der Divisionen, der Geschwader der Luftwaffe und der Marine vorangeht, die natürliche Folge sein. Man muß das in Kauf nehmen, wenn man der Meinung ist, daß die aktiven Truppen, die assigned forces, eben in der angegebenen Zeit aufgestellt werden müssen. Man muß sich aber auf der anderen Seite auch darüber klar sein, daß das den Kampfwert dieser Kräfte nicht hebt, sondern daß ihre Verwendungsfähigkeit darunter leidet.
Neben den assigned forces, um das schöne englische Wort zu gebrauchen, gibt es die Territorialorganisation und mit ihr die Basisorganisation, die für den Nachschub der kämpfenden Truppe sorgen soll. Ich glaube, wir müssen auch heute wieder feststellen, daß eben auf Grund der Verteidigungskonzeption der Bundesregierung oder vielleicht der NATO diese doch außerordentlich wichtigen Organisationen immer noch ein Mauerblümchendasein fristen. Ich habe heute früh aufmerksam zugehört und habe wieder gehört, daß Minister Strauß sagte, die Aufstellung der mobilen, aktiven Truppen habe eben die Priorität. Auf der anderen Seite hat e] beklagt, daß die Voraussetzungen, um die kämpfende Truppe versorgen zu können, eben dadurch, daß die Territorialorganisation fehlt oder nicht genügend entwickelt ist, bisher noch nicht erfüllt sind.
Ich frage mich immer wieder: Was für einen Sinn hat es eigentlich, eine militärische Forderung anzunehmen, die im Grunde mit den militärischen Gegebenheiten nicht im Einklang steht? Es müßte doch bei unseren Verbündeten und deren Generalstäben oder auch bei der NATO in Paris rein aus militärischen Überlegungen Verständnis dafür geweckt werden können, daß wir mindestens soviel für die NATO täten, wenn wir die Territorialorganisation nachzögen, als wenn wir in dem bisherigen Rhythmus in der Aufstellung der mobilen Einheiten fortfahren und dann eben eine Truppe erhalten, die nicht voll einsatzbereit ist. Heute früh wurde z. B. auch von dem Transportraum gesprochen, der notwendig sei, um die Aufgaben der Nachschuborganisation und der Territorialorganisation zu erfüllen. Ich muß feststellen, daß die Wehrpflichtnovelle, die wir hier beraten, dieses Problem in keiner Weise löst, sondern daß dazu eine ganz andere Gesetzgebung notwendig ist, die auch in einem anderen Ministerium ressortiert.
Wenn man den heutigen Zustand unserer Verteidigungskräfte betrachtet, muß noch zu einem anderen Problem zum mindesten eine Anmerkung gemacht werden. Wir haben uns alle dazu bekannt, daß das Militär, der Soldat, kein Eigenleben mehr führen soll, sondern daß er von dem Politiker unter Kontrolle gehalten werden soll, oder freundlicher ausgedrückt: daß sozusagen der Politiker dem Soldaten sagen soll, was er zu tun hat und wofür er da ist. Ich glaube, daß wir auch mit der Kontrolle durch das Parlament, durch den Verteidigungsausschuß, mit der Kontrolle aller Vorgänge in der Bundeswehr durchaus einverstanden sind. Draußen in der Praxis hat sich aber eine etwas andere Handhabung herausgebildet. In der zweiten Säule neben der militärischen Säule im Bundesverteidigungsministerium und in der Bundeswehr überhaupt, nämlich der zivilen Säule, ist man sich manchmal nicht ganz klar darüber, daß man eigentlich dem Soldaten zu helfen hat, daß das die erste Aufgabe der zivilen Verwaltung ist. Manche untergeordneten Geister glauben, sie müßten sozusagen die Kontrolle über das ausüben, was die Bundeswehr tut, bis hinunter in die kleinsten Einheiten und die kleinsten Standorte. Ich glaube, wir müssen uns davor hüten, daß das Wort „politische Kontrolle der Soldaten" von untergeordneten Beamten und Angestellten mißverstanden wird.
Noch etwas anderes — es hängt mit dem Fehl an Unteroffizieren zusammen, das ich vorhin beklagt habe — müßte bei der Lagebeurteilung in Betracht gezogen werden: Die Deklarierung des Soldatenberufes als Job wie jeder andere Beruf hat meiner Ansicht nach nicht dazu beigetragen, Kräfte zu gewinnen, die sich für die ideellen Werte der



Schultz
Verteidigung entsprechend eingesetzt hätten. Ich möchte damit ausdrücken, wir sollten darauf achten, daß nicht das materielle Denken die Idee als solche völlig überwuchert.
Auch verschiedene andere Dinge — mangelhafte Kriegsopferversorgung, ungerechte Behandlung des ehemaligen Unteroffizierkorps im 131er-Gesetz —haben ohne Zweifel dazu beigetragen, daß die Meldungen für die Laufbahnen des Berufsoffiziers und ,des Berufsunteroffiziers — ohne die wir ja schließlich nicht auskommen — nicht die Zahlen erreicht haben, die man sich hätte wünschen mögen.
Was sind nun die Folgerungen aus dieser Lagebeurteilung? Wir sind der Auffassung, daß der Sicherung der Verteidigungsbereitschaft im Raum der Bundesrepublik ein befristeter Stop in der Aufstellung weiterer aktiver Einheiten guttäte, daß gleichzeitig damit die Territorialorganisation und die Basisorganisation für die Abstützung der aktiven Einheiten im Aufbau nachgezogen werden sollten und daß letzten Endes gleichzeitig damit die Zivilverteidigung aufgebaut und gesetzlich untermauert werden sollte. Das ist der Bereich: Schutz der Zivilbevölkerung, der notwendigen Betriebe, Sicherstellung des Weiterlaufens von Transport und Verkehr, Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Konsumgütern, Kriegsbedarf für die Front, Vorsorge bei Flüchtlingsbewegungen, und was alle diese Probleme sind, die landläufig mit der Bezeichnung „Notstandsgesetzgebung" umrissen werden.
Statt nun einen Generalplan für die Landesverteidigung zu erhalten, haben wir jetzt wieder ein neues Einzelgesetz bekommen, das in einem bestimmten Bereich wieder versucht, die Dinge zu regeln und auch — was ich durchaus anerkennen möchte — weiterzuentwickeln. Aber es ist doch die Frage zu stellen: Wäre es nicht wichtiger, daß wir zu einer Gesamtabstimmung in der Verteidigungskonzeption kämen und daß man — was auch im Verteidigungsausschuß iimmer wieder vorgebracht wird, was Kollege Kliesing auch heute früh angedeutet hat — zu einer Koordinierung der Verteidigungsanstrengungen käme? Sollte das nicht endlich einmal angepackt und geregelt werden?
Ich möchte fragen: Was ist eigentlich die Tätigkeit des Bundesverteidigungsrates? Was macht eigentlich sein Vorsitzender an Koordinierung der Aufgaben, die auf die verschiedenen Ressorts der Bundesregierung verteilt sind? Ich glaube nicht, daß mit einem Notstandsgesetz-Entwurf, wie er uns vorgestern bekanntgeworden ist, die materiellen Dinge geregelt werden. Mir scheint es notwendig zu sein, daß eine Regelung erfolgt, daß Vorsorge für den Verteidigungsfall getroffen wird. Wenn man glaubt, daß man das erst im Verteidigungsfall regeln kann, wird man notwendigerweise eine sehr schlechte Erfahrung machen.
Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt in den verschiedenen Paragraphen durchaus die Problematik an, die in dem Konzept der Gesamtverteidigung eines Landes liegt. Von meinen Vorrednern ist schon auf die verschiedenen wichtigen Paragraphen hingewiesen worden. Deswegen möchte ich es mir ersparen, alles wieder aufzuzählen. Aber einige Bemerkungen möchte ich trotzdem machen.
Wenn ich z. B. § 13a — Ziviler Bevölkerungsschutz — ansehe, so weiß ich nicht so recht — ich kann es der Begründung des Entwurfs nicht entnehmen, auch nicht dem, was der Bundesverteidigungsminister heute früh gesagt hat —, wie nun eigentlich die Abgrenzung zwischen den militärischen Erfordernissen der Bundeswehr und den zivilen Erfordernissen sein soll. Man kann einen solchen Paragraphen eigentlich nicht beraten, wenn man nicht daneben die Vorstellung des Herrn Bundesinnenministers über den zivilen Bevölkerungsschutz kennt. Selbstverständlich muß darüber gesprochen werden, welche Organisationen inbegriffen sind. Der Verteidigungsminister hat einige angedeutet. Müssen eventuell neue geschaffen werden? Diese Fragen werden im Verteidigungsausschuß beraten werden müssen. Aber ich weiß nicht, ob wir im Verteidigungsausschuß sehr weit kommen, wenn wir nicht gleichzeitig den Innenausschuß zur Hilfe haben.
§ 21a Abs. 3 bestimmt: „Ein Bereitstellungsbescheid ist nicht zu erteilen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Wehrpflichtige im Verteidigungsfall nicht zur Verfügung stehen wird." Ich bin wirklich gespannt, zu erfahren, wie bei der derzeitigen Lage die Chefs der Kreiswehrersatzämter diese Bestimmung durchführen sollen; so wie die Dinge augenblicklich liegen, müßten sie der Gilde der Hellseher angehören.
§ 47c betrifft die Erfassung und Musterung von Wehrpflichtigen für bestimmte Aufgaben. Auch das greift nach meiner Meinung und der Meinung meiner Parteifreunde tief in den zivilen Bereich ein. Auch hier ist die Frage zu stellen, wie die Abgrenzung gefunden werden soll. Zu § 47c ist noch etwas anderes Interessantes zu bemerken, was uns wahrscheinlich auch im Ausschuß beschäftigen wird. Es wird da von den Wehrpflichtigen gesprochen, die bei den Stationierungsstreitkräften Dienst tun. Damit sind wohl die zivilen Bediensteten bei den Alliierten und die Dienstgruppen gemeint. Aus der Bestimmung geht ohne Zweifel hervor, daß ihr Vorhandensein als notwendig anerkannt wird; sonst müßten sie ja nicht im Verteidigungsfall einen Bescheid bekommen, daß sie an ihrer Stelle zu bleiben haben. Ich frage mich nur: Wenn diese Männer im Verteidigungsfall als notwendig angesehen werden, warum macht man in ihrem Status heute so komische Saltos mortali? Warum ist es da nicht heute schon möglich, die Leute voll in deutsche Oberhoheit zu nehmen und sie an die Alliierten auszuleihen, d. h. sie ihnen eben zur Verfügung zu stellen? Ich sehe nicht ganz ein, womit gerade bei diesem Paragraphen die für die Betroffenen doch recht unangenehme zwitterhafte Stellung, wie sie augenblicklich noch besteht, begründet werden kann.
§ 48 gibt eine Zusammenfassung der Rechtsverordnungen die zu dieser Wehrpflichtsnovelle zu
erlassen sind. Wenn man sie zusammenzählt, kommt
man auf elf Stück. Wenn man die in der Wehrpflichtsnovelle sonst genannten Rechtsverordnungen



Schultz
hinzunimmt, die also in diesem Paragraphen nicht besonders erfaßt sind, wo aber auch gesagt wird: „Das Nähere regelt eine Rechtsverordnung", dann kommt man ungefähr auf die Zahl 20.
Ich muß sagen, wir haben ein etwas ungutes Gefühl, wenn so viel durch Rechtsverordnungen geregelt werden muß.

(Abg. Merten: Sehr richtig!)

Ich fände es viel angenehmer, wenn wir eben diese Probleme im Ausschuß unter Mitarbeit der Abgeordneten aller Parteien und unter Nutzbarmachung ihrer Erkenntnisse diskutierten. Dann kann es in dieser Frage zwischen der Regierung und der Opposition vielleicht viel weniger zu Reibungen kommen.

(Abg. Dr. Seffrin: Das tun wir doch, Herr Schultz!)

— Herr Kollege Seffrin, wir tun es, selbstverständlich. Es gibt aber auch Figura von Beispielen, wo eine Rechtsverordnung ergangen ist, die hinterher großen Staub aufgewirbelt hat. Erst dann wurde der Ausschuß damit beschäftigt, und darauf wurden die Dinge wieder einigermaßen geradegebogen. Ich finde, man kann das vermeiden, so etwas ist nicht unbedingt notwendig.
Ich möchte zusammenfassend sagen, daß wir den Bemühungen des Bundesverteidigungsministeriums, im Rahmen seiner Möglichkeiten an der Weiterentwicklung der Bundeswehr zu den Verteidigungsaufgaben hin zu arbeiten, positiv gegenüberstehen. Aber wir müssen sagen, daß damit das Ausfüllen der Lücken auf dem zivilen Sektor einhergehen muß. Das muß geschehen, so unangenehm es vielleicht auch ist, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen; sonst wird auch diese Wehrpflichtnovelle Stückwerk bleiben und uns unbefriedigt lassen.
Ich weiß, daß wir sehr stark im Ressort-Denken verhaftet sind, daß sich die Zuhörer aus dem Hause des Bundesverteidigungsministeriums jetzt vielleicht sagen können: „Wozu erzählt er das eigentlich alles? Das geht uns ja gar nichts an." Ich betone noch einmal ausdrücklich, daß ich die Arbeit des Ministeriums durchaus für richtig und gut halte, und ich möchte gerade mit dem Appell, daß eben auf dem zivilen Sektor das gleiche getan werden muß, die Arbeit des Verteidigungsministers und seines Hauses unterstützen.
Ich meine, daß wir durch die Beratungen, die wir im Verteidigungsausschuß letzte Woche gehabt haben, und durch den Vortrag des Generalinspekteurs über die strategische Weltlade sowie die anschließende Besprechung der NATO-Übung „Side Step" einen guten Einblick in das bekommen haben, was not tut. Ein prominenter Abgeordneter sagte zu einem der vortragenden Herren nach Schluß der Sitzung: „Das müßten Sie eigentlich alles einmal dem Herrn Bundeskanzler erzählen."

(Lachen bei der SPD.)

Wir können gar nicht scharf genug darauf hinweisen, daß die koordinierende Hand des Herrn Bundeskanzlers als Vorsitzenden des Bundesverteidigungsrats außerordentlich notwendig ist. Er hat
ja auf den verschiedensten Gebieten Beweise dafür erbracht, wessen er fähig ist.

(Erneutes Lachen bei der SPD.)

Also sei er aufgerufen, sich auch hier entsprechend zu betätigen.
Wir werden Gelegenheit haben, bei der Beratung dieser Novelle immer wieder auf die einzelnen Probleme, die ich angedeutet habe, einzugehen. Ich darf für die Freien Demokraten erklären, daß wir hinter dem, was ich soeben gesagt habe, vollinhaltlich stehen und daß wir auch im Ausschuß die Ziele, die ich eben genannt habe, verfolgen werden.
Es sah zunächst so aus — ich hatte mir noch die Notiz gemacht —, als ob nach der Veröffentlichung des Notstandsgesetzentwurfs die Beratung heute etwas stürmischer werden würde. Aber es war anscheinend alles auf Moll gestimmt. Ich halte das für gut so; denn ich bin der Meinung, daß man hier nur sachlich diskutieren und keine parteipolitischen Gegensätze austragen kann. Wir sind froh darüber und sind dankbar dafür, daß sich in parteipolitischer Hinsicht alle Sprecher der Mäßigung befleißigt haben. Nachdem ich heute in der Zeitung gelesen habe, daß mit dem Notstandsgesetz alles nicht so schlimm war, wie es aussah, glaube ich, daß wir auch im Verteidigungsausschuß über alle Parteien hinweg Gelegenheit haben werden, diese Novelle in Ruhe und Sachlichkeit zu diskutieren. Die Hilfe der Freien Demokraten dazu soll sicher sein.

(Beifall bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309516300
Das Wort hat der Abgeordnete Probst.

Wilhelm Probst (DP):
Rede ID: ID0309516400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei wird der Überweisung der beiden Regierungsvorlagen an den Ausschuß zustimmen, weil sie dem wesentlichen Anliegen unserer Partei entsprechen, daß die Pflicht zur Verteidigung eine Pflicht für jeden Bundesbürger ist und daß aus dieser Pflicht niemand entlassen werden kann, wenn auch die Form, in der dieser Verteidigungspflicht oder Wehrpflicht nachgekommen werden kann, in diesen Vorlagen in erfreulicher Weise modulationsfähig ist und den jeweiligen Fällen individuell angepaßt werden kann.
Die Ausführungen des Kollegen Wienand von der Sozialdemokratischen Partei zur Begründung des Antrages betreffend den Jahrgang 1922 muß ich allerdings etwas ausführlicher besprechen. Herr Kollege Wienand, Sie haben heute früh festgestellt, daß das Anliegen des Jahrgangs 1922 aus der Gewissensverantwortung heraus zur Sprache gebracht worden ist. Wir haben aber heute früh in der Diskussion in sehr gründlicher Analyse festgestellt, daß wir klar auseinanderhalten müssen, wo das echte Anliegen dieses Jahrganges endet und wo der Mißbrauch dieses Anliegens durch bestimmte Kräfte eingesetzt hat.

(Abg. Frau Kalinke: Sehr richtig!)


Probst (Freiburg)

Auch meine Erfahrungen auf diesem Gebiet gehen eindeutig dahin; insbesondere gilt das für das Material, das mir aus solchen Versammlungen zugänglich gemacht worden ist. Hier haben sich Kräfte, die etwas ganz anderes verfolgten, dieses ohne Zweifel legalen Anliegens bemächtigt. Das hat aber bereits heute früh ausführlich den Gegenstand der Diskussion gebildet. Ich möchte nur die Gewissensverantwortung des Jahrganges 1922, die hier angeführt worden ist, etwas näher untersuchen.
Gewiß, der Jahrgang 1922 gehört zu denjenigen, die die Last- des vergangenen Krieges am schwersten getragen haben. Ich bin aber nicht der Meinung, daß wir heute in der aufgabenteiligen Gesellschaft so weit gehen können, daß wir sagen: „Die Verteidigung ist ausschließlich die Aufgabe der Bundeswehr, und selbst dieser vertikale Schnitt genügt noch nicht; die Verteidigung ist nur Aufgabe bestimmter Jahrgänge, daß wir also durch vertikale oder horizontale Schnitte den Bürger aus der Gesamtverpflichtung zur Verteidigung entlassen.
Wir sprechen von der Gewissensverantwortung des Jahrganges 1922 und leiten daraus für diesen Jahrgang bestimmte Rechte ab. Gestatten Sie mir, auch dazu noch ein paar Gedanken auszusprechen. Ich habe den Eindruck, daß wir auf dem besten Wege sind, den Staatsbürger immer und immer nur darauf hinzuweisen, daß er in diesem Staat Rechte hat, unbeschränkte Rechte, denen nicht ein Gewicht von Pflichten gegenübersteht. Nur so können wir die ganze Entwicklung verstehen, die bei uns Raum greift: daß alle vom Staat nur noch fordern, daß Interessenvertretungen sehr präzise Forderungen stellen, daß unsere Demokratie zur Gefälligkeitsdemokratie entartet, weil Interessengesichtspunkte dem Gemeinwohl übergeordnet werden. Hier müssen wir ganz klare Grenzen ziehen. Wir können keinen Einbruch in die Verteidigungspflicht jedes einzelnen Bürgers schlechthin dulden.
Darüber hinaus gelange ich beim Abwägen der Gewissensverantwortung zu der Ansicht, daß dem Jahrgang 1922 Pflichten obliegen, die mit der Formulierung „nun muß dieser Jahrgang in der Bundeswehr Dienst tun" nicht umrissen sind. Seit 1945 ist ein wesentlicher und erfreulicher Wandel in der öffentlichen Meinung über den Soldaten und über die Aufgabe der Verteidigung eingetreten. Der Bürger Professor Dr. Theodor Heuss hat in seinem Buch Soldatentum während seiner Amtszeit als Bundespräsident gerade die Einstellung zu den Soldaten nach 1945 kritisiert. Er sagt — ich darf mit der Zustimmung des Herrn Präsidenten zitieren —, daß der Unfug der alliierten Sieger, den deutschen Berufssoldaten als solchen zu einer Art von nichtswürdigem Verbrecher zu erklären, dann zu dem Ohne-mich-Standpunkt geführt habe, daß aber heute doch auch wieder andere Gesichtspunkte für die Beurteilung dieser Frage bei uns in der Öffentlichkeit aufkämen. Daß sich der Jahrgang 1922 trotz jener Verhetzungsversuche von bestimmter Seite zu 98 % dem Anliegen des Verteidigungsministeriums gefügt hat, führe ich -- auch wieder mit Professor Heuss — nicht allein auf den Gehorsam gegenüber dem Staat, sondern auch darauf zurück, daß sich Einsicht geltend macht. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Satz von Professor Heuss wörtlich zitieren, weil er so klassisch ist:
Es gibt bei den Deutschen, auch bei den Kindern dieser verworrenen Zeit, nicht nur den Straf- und Drohzwang des Gesetzes, sondern auch einen ganz elementaren Pflichtsinn.
Ich glaube, daß gerade in diesem elementaren Pflichtsinn des Jahrgangs 1922 die Ursache dafür zu suchen ist, daß er den Verführungskünsten, durch die er auf eine ganz andere Ebene herabgezogen werden sollte, erfolgreich widerstanden hat.
Der Jahrgang 1922 bekommt, wenn er seine kurzfristigen Übungen in der Bundeswehr oderbesser gesagt in der Verteidigungsiorganisation macht, eine zusätzliche Aufgabe, die die jüngeren Jahrgänge noch nicht haben; ich meine die Aufgabe, in der Bundeswehr die Kontinuität oder — um ein abgegriffenes Wort zu gebrauchen. — die Tradition zu pflegen. Die Leistungen der Armee in beiden Weltkriegen, insbesondere der Armee des zweiten Weltkriegs, sind über jeden Zweifel erhaben. Es wird die Aufgabe des Jahrgangs 1922 sein, die Tradition der Leistung die neue Bundeswehr hineinzutragen. Ich habe durch Zufall das Ergebnis einer Umfrage bei führenden Schriftstellern, Journalisten, Generälen usw, in der ganzen freien Welt in die Hand bekommen, die sich darüber äußern sollten, wie sie die Qualitäten der einzelnen Armeen einstufen. Interessanterweise rangiert für ,den ersten und zweiten Weltkrieg die deutsche Armee mit 86 bzw. 93 von 100 möglichen Punkten ,an der Spitze, während in der jetzigen Situation die Armee der Sowjetunion als beste der Welt beurteilt wird. Gerade diese Beurteilung durch die Weltöffentlichkeit gibt auch .dem 22er Jahrgang einen ganz klaren Auftrag, die Leistungstradition in die Bundeswehr hineinzutragen.
Darüber hinaus muß ich mich auch noch mit einem Argument des Kollegen Wienand auseinandersetzen, der meinte, daß die unmittelbare Kriegserfahrung nicht so notwendig sei, wenn der Jahrgang 22 nur in den rückwärtigen Diensten eingesetzt werde. Ich bin nicht der Meinung, daß Kriegserfahrung nur das ist, was sich im Handwerklichen niederschlägt, in der Handhabung der Waffen oder des Geräts, sondern daß Kriegserfahrung doch sehr viel mehr ist: die ganze Formung, die ,der Mensch dabei erlebt, der Gehorsamsanspruch, nachdem er schon einmal gedient hat, das Einfügen in eine Organisation und darüber hinaus auch — und das sage ich in ,erster Linie an die Offiziere gerichtet, die im Jahrgang 1922 wieder in die Bundeswehr kommen — die Überlieferung der Führungstradition. Was ich damit meine, will ich an einem Beispiel klarmachen.
Wir hatten in der deutschen Armee eine ganz klare Auftragstaktik. Es wurde der Auftrag gegeben, und wie der Auftrag ,ausgeführt werden sollte, hatte der Autfragsempfänger selber zu bestimmen. Wir sind also mit dieser Führungstradi-
5280 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 95. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1960
Probst
tion, die größtmögliche Selbständigkeit zu erzielen, wohl am weitesten von allen Armeen gegangen. Das zeigte sich, wenn man einmal einen erbeuteten Befehl irgendeines unserer damaligen Feinde in die Hände bekam. Führungstradition und die Tradition der Leistung zu übermitteln sehe ich als die erste Aufgabe des 22er Jahrgangs in der Bundeswehr an.
Es kommt aber noch ein Gesichtspunkt hinzu, der es angeraten erscheinen läßt, hier keine Sonderregelung zu treffen. Ich meine, daß man einen Jahrgang auch dadurch benachtedligen kann, daß er nicht mehr zu den Verteidigungsaufgaben herangezogen wird. Ich glaube, daß wir uns von den Vorstellungen frei machen müssen, daß nur der Soldat an der Front gefährdet ist, daß wir uns völlig von den Vorstellungen lösen müssen, daß es eine Front, ein rückwärtiges Operationsgebiet oder ein rückwärtiges Armeegebiet und Nachschubräume in einem künftigen Kriege, sofern es sich nicht nur um den subversiven Krieg handelt, gibt. Es kann praktisch sogar so sein, daß an der Front der sicherste Platz ist. Es kann sein, daß in der Nachschuborganisation, in der territorialen Verteidigungsorganisation mindestens soviel Mut und Tapferkeit gebraucht wird wie an der Front. Deshalb ist es eben auch notwendig, daß gerade in diese rückwärtigen Dienste erfahrene Soldatem kommen, die, mit der Gefahr vertraut, auch von sich aus die notwendige Ruhe ausstrahlen, um das Ausbrechen von Paniken, wie wir sie auch an der Front erlebt haben und wie wir sie insbesondere in der Zivilbevölkerung befürchten müssen, nach Möglichkeit zu verhindern.
Die ganze heutige Diskussion hat einen erfreulichen Grad von Sachlichkeit erreicht. Genauso wie wir das Anliegen des Jahrgangs 1922 durch diese Analyse versachlicht haben, so wollen wir auch die künftige Behandlung dieses Problems versachlichen, und auch hier hat uns die Bundeswehr, so jung sie ist, schon ein gutes Beispiel gegeben. Ich denke z. B. an den Kommißstiefel. Der Kommißstiefel war nach dem ersten Weltkriege das Symbol einer verachtenswerten Geisteshaltung und eines verachtungswürdigen Berufsstandes in der Polemik bestimmter politischer Kräfte. Nun hat die Bundeswehr mit dem Kommißstiefel kurzerhand das getan, was eigentlich damit getan werden mußte: sie hat ihn als Ausrüstungsstück wieder an die Füße der Soldaten gebracht, und das halte ich für sehr vernünftig. Das entspricht einfacher, nüchterner Überlegung und ist — fern von jeder Polemik — das Zweckmäßigste gewesen.
Ich halte es deshalb auch in diesem Falle für das Zweckmäßigste, die Gedanken, die uns die Sozialdemokratische Partei in ihrem Antrag nahegebracht hat und die heute in allen Diskussionsbeiträgen gegeben worden sind, nicht weiter zu verfolgen, sondern mit Rücksicht auf den Pflichtbegriff für jeden Bürger auch den Jahrgang 1922 so zu behandeln wie jeden anderen auch.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309516500
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

(1 worden, den Antrag der SPD betreffend Erfassung der Kriegsteilnehmer durch die Bundeswehr an den Ausschuß für Verteidigung zu überweisen. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir dieses Problem hier in aller Breite ausdiskutiert haben und nachdem ein auf einen einzigen Jahrgang beschränkter Antrag sich immer noch im Ausschuß für Verteidigung befindet und von diesem nie wieder an das Plenum zurückgereicht worden ist, wäre es sinnlos, diesem Antrag nun einen anderen einfach nachzuschicken, damit auch er dort in den Untergründen verschwindet. Ich meine vielmehr, wir sollten heute über diese Sache entscheiden. Die Sache ist entscheidungsreif. Abgeordneter Dr. Jaeger! Namens der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union muß ich der Meinung des Kollegen Erler widersprechen. Wir halten unseren Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung aufrecht, weil ein zwar nicht genau gleicher, aber sehr ähnlicher Antrag bereits im Verteidigungsausschuß liegt und behandelt wird. Wenn er bis jetzt nicht behandelt wurde, so liegt das allein daran, daß die Mitglieder der SPD in diesem Ausschuß beantragt haben, den Antrag bis zur Beratung der Wehrpflichtnovelle zurückzustellen, und diesem Wunsch der Antragsteller haben wir entsprochen. Wir bleiben also dabei, daß dieser Antrag an den Ausschuß überwiesen werden sollte, und ich bitte Sie dem zu entsprechen, damit dann beide Stellungnahmen dem Hause zur gegebenen Zeit vorgelegt werden können. Das Wort hat der Abgeordnete Merten. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einiges richtigstellen. In der ersten Sitzung nach den Sommerferien habe ich im Verteidigungsausschuß namens der SPD beantragt, den vor den Sommerferien zurückgestellten Antrag nunmehr auf die Tagesordnung zu setzen, und zwar mit der Begründung, daß von einer Wehrpflichtnovelle nach so vielen Monaten weit und breit noch nichts zu sehen sei. Diese Wiederaufnahme des alten Antrags ist von der Mehrheit des Verteidigungsausschusses abgelehnt worden. Dadurch mußte der eindeutige Eindruck entstehen, daß man, soweit es die Mehrheit des Ausschusses angeht, offenbar nicht gewillt ist, diesen Antrag im Plenum das Licht der Welt wieder erblicken zu lassen. Das war auch der Merten Grund dafür, hier einen neuen Antrag zu stellen, um im Plenum über diese Dinge zu reden. Es wäre sinnlos, einem verschwundenen Antrag einen zweiten nachzuschicken. Das wäre ja genauso, wie wenn man Briefe in einen Briefkasten steckt, der nie geleert wird. Das Wort hat der Abgeordnete Jaeger. — Ich darf bitten, daß nach dem zweimaligen Kugelwechsel dann Schluß ist. Herr Präsident, wir schießen im Augenblick nicht scharf, sozusagen nur mit Übungsmunition. Meine Damen und Herren! Wenn, wie Herr Kollege Merten hier richtig ausgeführt hat, der Ausschuß nach den Sommerferien mit Mehrheit beschlossen hat, es bei der Zurückstellung des Antrags zu belassen, so hat er damit die ursprüngliche Meinung der Kollegen von der SPD berücksichtigt und ihren Gesinnungswandel, oder sagen wir: Sinneswandel — „Gesinnungswandel" könnte man nicht sagen — nicht berücksichtigt. Aber dieser Streit ist völlig überflüssig, denn die Wehrpflichtnovelle liegt nun vor und wird in wenigen Minuten dem Ausschuß überwiesen werden. Damit wird auch der eigentlich eingeeiste ursprüngliche Antrag zur Behandlung frei und wird mit der Wehrpflichtnovelle diesem Hause vorgelegt. Sie können also ruhig auch den neuen Antrag dem Verteidigungsausschuß überweisen. Es liegen also zwei Anträge vor: der erste Antrag ist der auf Überweisung — er ist der weitergehende und geht vor —, und der zweite Antrag verlangt, daß der Antrag Drucksache 1280 angenommen wird. Ich stelle den ersten Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung zur Abstimmung. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Ich bin im Zweifel. Ich bitte diejenigen, die für die Überweisung sind, sich zu erheben. — Danke schön. Ich bitte diejenigen, welche dagegen sind, sich zu erheben. — Das Präsidium ist sich uneinig. Wir müssen auszählen. — Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Mit Ja haben 184 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 113. Mit einer Stimmenthaltung wurden zusammen 298 Stimmen gezählt. Der Antrag auf Überweisung ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung zu Punkt 5b der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes — Drucksache 1423 —. Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung, und zwar federführend, und an den Ausschuß für Inneres vorgeschlagen. Werden weitere Anträge hierzu gestellt? — Das ist nicht (C der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen. Ich rufe zur Abstimmung Punkt 5c auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes. Auch hier ist Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung — federführend — und an den Ausschuß für Inneres vorgeschlagen. Herr Kollege Jaeger hat das Wort. : Meine Damen und Herren, ich bitte, es bei diesem Gesetz bei der Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung zu belassen. Im Unterschied zum Wehrpflichtgesetz ist der Ausschuß für Inneres der Materie nach nicht beteiligt. Auch das Soldatengesetz ist seinerzeit nur im Ausschuß für Verteidigung gewesen. Die Beratung dieses Gesetzentwurfs wird sich so beschleunigen lassen, ohne daß dabei irgendwelche Interessen verletzt werden. Ich bleibe also bei meinem Antrag, den Entwurf lediglich dem Ausschuß für Verteidigung zu überweisen. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner befindet sich in einem grundlegenden Irrtum. Durch dieses Gesetz wird das Beamtenrechtsrahmengesetz geändert, Herr Kollege Jaeger, und damit ist selbstverständlich der Beamtenrechtsausschuß, der in den Ausschuß für Inneres aufgegangen ist, beteiligt. In dem Gesamtentwurf werden eine Reihe von Fragen behandelt, die im Zusammenhang mit dem Beamtenrecht stehen. Es wäre ungut, wenn in einer so wichtigen Frage der Ausschuß, der die gesamten Beamtenrechtsfragen koordiniert, nicht gehört würde. Ich bitte daher dringend, auch im Einvernehmen mit den Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion aus dem Innenausschuß, die Vorlage ebenfalls an den Ausschuß für Inneres — mitberatend — zu überweisen, wie es ursprünglich mit Recht vorgesehen war. Es besteht also offensichtlich Übereinstimmung dahin, daß unter allen Umständen an den Ausschuß für Verteidigung überwiesen werden soll und daß, falls noch eine weitere Überweisung beschlossen werden sollte, der Ausschuß für Verteidigung federführend sein soll. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? — Das ist nicht 'der Fall; dann ist so beschlossen. Wir kommen zur zweiten Frage, ob zugleich auch an den Ausschuß für Inneres überwiesen werden soll. Wer dem Antrag auf gleichzeitige Überweisung an den Ausschuß für Inneres zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um Vizepräsident Dr. Becker die Gegenprobe. — Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Inneres zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Wir müssen auszählen. — Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt: Abgestimmt haben 277 Abgeordnete. Mit Ja haben 136 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 140; eine Enthaltung. Es bleibt also bei der Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung. Damit ist Punkt 5 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Personalvertretungen im Bundesgrenzschutz Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen — liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und den Ausschuß für Arbeit vorgeschlagen. Werden andere Anträge gestellt oder wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer der Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Ausschuß für Arbeit zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sowie zur Einführung der Vorschriften über die Gemeinlast und weiterer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht . der Fall. Wortmeldungen — liegen nicht vor. Es ist beantragt, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik, zugleich aber gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Werden weitere Überweisungsanträge gestellt? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?—Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Ausscheiden von nicht bergmännischen Betrieben aus der knappschaftlichen Versicherung Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen -liegen nicht vor. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Werden weitere Anträge gestellt? — Das ist nicht der Fall. Wer dieser Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot des Schlachtens von Hunden und Katzen Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen — liegen auch hierzu nicht vor. Es ist vorgeschlagen, diese Vorlage an den Rechtsausschuß zu überweisen. Werden weitere Anträge hierzu gestellt? — Das ist nicht der Fall. Wer der Überweisung an den Rechtsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen. (Zuruf von der SPD: Ich wundere mich, daß der Ernährungsausschuß nicht protestiert! — Heiterkeit.)


(Abg. Erler: Zur Abstimmung!) — Bitte, Herr Kollege Erler.

Fritz Erler (SPD):
Rede ID: ID0309516600

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309516700
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309516800

(Zurufe von der SPD.)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309516900
Hans Merten (SPD):
Rede ID: ID0309517000



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309517100

(Heiterkeit.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309517200

(Erneute Heiterkeit.)


(Heiterkeit)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309517300
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0309517400
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309517500
Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0309517600
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309517700




(Heiterkeit.)

Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung. Dazu darf ich darauf verweisen, daß die nach der. gedruckten Tagesordnung vorgesehene zweite und dritte Beratung heute nicht stattfinden soll. Ich rufe also nur auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Frist für die Anfechtung von Entscheidungen des Deutschen Patentamts (Drucksache 1490 [neu]).
Es ist vorgesehen, die zweite und dritte Lesung übermorgen stattfinden zu lassen.
Wird zur Begründung des Antrags das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (SPD):
Rede ID: ID0309517800
Ich habe die Ehre, diesen interfraktionellen Antrag zu begründen. Es geht um folgende Frage. Bisher war man überwiegend der Auffassung, daß die Entscheidungen des Patentamtes oder seiner Beschwerdesenate endgültig und unanfechtbar seien. Durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni des vergangenen Jahres ist nun festgestellt worden, daß das Patentamt keine endgültig rechtskräftigen Entscheidungen fällen kann, sondern daß dagegen Rechtsmittel vor den Verwaltungsgerichten gegeben sind.
Wenn man es bei diesem jetzt geschaffenen Rechtszustand beließe, würde das bedeuten, daß in etwa 25 000 verschiedenen Fällen ein erhebliches



Jahn (Marburg)

Maß an Rechtsunsicherheit darüber bestände, ob gegen die Entscheidungen des Patentamtes noch in der einen oderanderen Form Klagen vor den Verwaltungsgerichten zu erwarten sind oder nicht.
Um ein möglichst großes Maß an Rechtssicherheit zu schaffen, ist es notwendig, für die vor dem 13. 6. 59 ergangenen Entscheidungen eine Übergangsregelung zu treffen, die den Zustand bis zu dem Zeitpunkt klären soll, zu dem die Bundesregierung einen bereits angekündigten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Entscheidungsbefugnisse des Patentamtes vorlegen wird.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine Frist gesetzt werden, innerhalb deren die bisher ergangenen Entscheidungen des Patentamtes sollen angefochten werden können. Wenn diese Frist abgelaufen ist -- ein Monat nach Inkrafttreten erscheint ausreichend —, sollen die bisher ergangenen Entscheidungen des Patentamtes bzw. der Beschwerdesenate endgültig rechtskräftig und ein Rechtsmittel dagegen nicht mehr gegeben sein.
In diesem Zusammenhang muß die weitere Frage geregelt werden, was aus den Fällen werden soll, in denen Patente bisher versagt worden sind und im Vertrauen auf diese Versagung andere die zum Patent angemeldeten Erfindungen verwandt haben. Hier muß ein gewisser Vertrauensschutz gewährleistet werden. Deshalb sieht eine weitere Regelung in Abs. 2 vor, daß diejenigen, die im Vertrauen darauf, daß das Patent rechtskräftig versagt worden ist, die Erfindung benutzt haben, sie auch dann weiter benutzen können, wenn zu einem späteren Zeitpunkt auf Grund einer Klage vor einem Verwaltungsgericht das Patent doch erteilt wird; sie müssen dann allerdings, wenn eine entsprechende rechtskräftige Entscheidung ergehen sollte, eine Entschädigung zahlen.
Es handelt sich um eine dringliche Maßnahme. Ich habe vorhin die Zahl von 25 000 Fällen genannt. Wir bitten deshalb, den Gesetzentwurf zunächst dem Rechtsausschuß noch einmal zu überweisen, der sehr schnell darüber beraten wird, um ihn dann am Freitag in zweiter und dritter Lesung endgültig verabschieden zu können.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309517900
Wird weiterhin das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Sie haben den Antrag auf Überweisung an den Rechtsausschuß gehört. Weitere Anträge werden nicht gestellt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Rechtsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. -- Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung von Statistiken der Bautätigkeit (BauStatGes) (Drucksache 1491).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das
ist nicht der Fall. Wortmeldungen — liegen nicht
vor. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht vorgesehen.
Darf ich hier eine Anregung einschalten. Ich bin daran erinnert worden, daß der Geschäftsordnungsausschuß einmal den Wunsch geäußert habe, bei solchen Gesetzentwürfen möge im Bericht des Ausschusses angegeben werden, welche neuen Behörden notwendig werden, welche Kosten entstehen und wem sie entstehen, dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden.

(Zurufe.)

-- Ich wollte nur daran erinnern, wollte das nur als Anregung weitergeben.
Ich stelle nun den Antrag auf Überweisung dieser Vorlage an den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht zur Abstimmung. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke schön. Die Überweisung ist beschlossen. Vielleicht kann auch mal festgestellt werden, das wievielte Statistikgesetz wir dann angenommen haben. Ich glaube, eine Jubiläumszahl dürfte bald herauskommen.

(Heiterkeit.)

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island über den Luftverkehr (Drucksache 1507).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. Weitere Überweisungsanträge liegen nicht vor. Wer der Überweisung an den genannten Ausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1960/61) (Drucksache 1508).
Ich darf fragen, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall. — Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht vor. Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten -- federführend — und an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Weitere Überweisungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend -- und an den Wirtschaftsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Danke schön.

Vizepräsident Dr. Becker
Ich bitte um die Gegenprobe. -- Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld-
und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen (Drucksache 1511).
Zur Begründung wird das Wort nicht gewünscht. Aus dem Hause liegen Wortmeldungen nicht vor. Vorgeschlagen ist Überweisung der Vorlage an den Rechtsausschuß. Weitere Überweisungsanträge sind nicht gestellt. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Überweisung an cien Rechtsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Memmel, Höcherl, Schlee, Frau Pitz-Savelsberg, Dr. Leiske, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes (Drucksache 1449) .
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen aus dem Hause liegen auch nicht vor. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Rechtsausschuß. Andere Überwei sungsanträge liegen auch hier nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung: Wer der Überweisung an den Rechtsausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 de: Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1443).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? —Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht. vor Vorgeschlagen ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Fersten. Weitere Anträge liegen hierzu nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. -- Enthaltungen? --- Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 17 der Tagesordnung ist abgesetzt. Wir kommen zu Punkt 18:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Jacobs, Lücker (München), Gerns und Genossen betr. Europäisches Abkommen über Weinerzeugung und Weinhandel (Drucksachen 830, 1500).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Gibbert. Wird von ihm das Wort gewünscht? — Der Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht vor.
Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag — Drucksache 830 -- für erledigt zu erklären, da dem Anliegen des Antrages, ein Expertengremium zusammenzurufen, in der Zwischenzeit entsprochen worden ist.
Wer diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Mittelstandsfragen (18. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Bericht über die Lage der Mittelschichten (Drucksachen 712, 1516).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Burgemeister.

(Abg. Burgemeister: Ich verweise auf den Bericht!)

— Herr Abgeordneter Burgemeister verweist auf den Schriftlichen Bericht. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich darf mir gestatten, auch meinerseits auf den formulierten Antrag zu verweisen. Er ist so lang, daß ich Ihnen und mir das Vorlesen ersparen möchte. Auch hier wäre die Frage aufzuwerfen, was die Durchführung dieses Antrags auf Grund einer statistischen Untersuchung kosten kann.
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (21. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Paul, Schütz (München) und Genossen betr. Empfehlung des Europarates zur Berufsausbildung junger Flüchtlinge (Drucksachen 905, 1446, zu 1446).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Schneider (Hamburg). Der Berichterstatter verweist wohl inkognito auf den Schriftlichen Bericht. Wir sind damit einverstanden. Wortmeldungen liegen nicht vor. Der
Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Antrag — Drucksache 905 — zuzustimmen.
Ver diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Dann ist auch dieser Antrag des Ausschusses angenommen.



Vizepräsident Dr. Becker
Ich rufe nunmehr auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Kenntnisnahme vorgelegten Entwurf einer Verordnung auf Grund des Artikels 79 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen (Drucksachen 1497, 1538).

(Abg. Rösing: Ich verweise auf den Bericht!)

— Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Er verweist auf den Schriftlichen Bericht. Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses. Dieser Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Verordnungsentwurf — Drucksache 1497 — zur Kenntnis zu nehmen.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht und Kenntnis nehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 22. Soll er heute verhandelt werden?

(Zurufe: Ja!)

a) Rückverweisung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen Volksverhetzung (Drucksachen 1143, zu 1143) ;
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (Drucksache 1527) ;
c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur

(Drucksache 1551)

Wird zur Begründung zu Punkt 22b und c das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen aus dem Hause liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu Punkt 22a ist Überweisung an den Rechtsausschuß vorgeschlagen. Wer dem zuzustimmen wünscht, bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Zu Punkt 22b ist der gleiche Antrag auf Überweisung an den Rechtsausschuß gestellt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Angenommen.
Zu Punkt 22c ist ebenfalls Überweisung an den Rechtsausschuß vorgeschlagen. Wer hier zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? -- Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 23 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. junge Deutsche in der Fremdenlegion (Drucksache 1463).
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann zur Abstimmung. Eine Überweisung an ,den Ausschuß ist nicht vorgesehen. Wir kommen also zur Abstimmung in der Sache selbst. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich darf feststellen, daß dieser Beschluß einstimmig gefaßt worden ist.
Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 453 [neu]).
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer der Überweisung von Anträgen gemäß dem interfraktionellen Antrag Umdruck 453 (neu) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen nunmehr zu den beiden nachträglich auf die Tagesordnung gesetzten Punkten. Ich rufe zunächst auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Dr. Bergmeyer, Wacher, Dr. Preusker, Eberhard und Fraktionen der CDU/CSU, DP, FDP vorgelegten Antrages betr. Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 1468).
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wird das Wort in der Aussprache gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (FDP):
Rede ID: ID0309518000
Herr Präsident, ich möchte nur bemerken, daß die FDP ihre Unterschrift unter diesem Gesetzentwurf zurückgezogen hat.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309518100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist vorgesehen Überweisung an den Finanzausschuß — federführend — und an den Wirtschaftausschuß. Weitere Überweisungsanträge werden nicht gestellt. Wer der beantragten Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Gegen zwei Stimmen angenommen.
Ich rufe auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betr. Trockenheitsschäden (Drucksache 1552).
Wortmeldungen? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.




Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0309518200
Herr Präsident, wir müssen wohl so verfahren, daß wir zunächst über Ziffer 1 in der Sache abstimmen und damit den Beschluß des Hauses vom 11. Dezember 1959 aufheben und dann Ziffer 2 zur Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überweisen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0309518300
Das Haus ist mit diesem Verfahren einverstanden. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wer Ziffer 1 des Antrages Drucksache 1552 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ziffer 1 des Antrages ist angenommen.
Zu Ziffer 2, und zwar Abs. 1 und 2, schlägt der Ältestenrat Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft. und Forsten — federführend — und an den Haushaltsausschuß vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 25 der Tagesordnung soll am 22. Januar beraten werden. Wir sind also am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Unterstützung bei der beschleunigten Abwicklung der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 22. Januar 1960, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.