Protokoll:
3064

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 64

  • date_rangeDatum: 25. Februar 1959

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:02 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:09 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 64. Sitzung Bonn, den 25. Februar 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und weiterer Mitglieder des argentinischen Abgeordnetenhauses 3411 A Abg. Lulay tritt für den ausgeschiedenen Abg. Kiesinger in den Bundestag ein . . 3411 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Arndgen 3411 B Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments (Drucksache 888) . . 3411 C Nachwahl eines Vertreters und von Stellvertretern der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates 3411 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Abg. Lücker [München], Kriedemann, Mauk, Dr. Elbrächter u. Gen.) (Drucksache 70); Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 881); Schriftlicher Bericht des Ernährungsauschusses (Drucksache 476 [neu]) — Zweite und dritte Beratung —Bading (SPD) 3412 A Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) . 3412 C Kriedemann (SPD) . . . 3412 D, 3413 C Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850, 863) ; in Verbindung mit Antrag betr. Arbeitserleichterung für die Landfrauen (FDP) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 208, 578) ; Antrag betr. Feststellung der Lage der Familienbetriebe im Grünen Bericht (DP) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksachen 627, 790); Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der Deutschen Anstalt für Agrarwerbung (FDP) (Drucksache 817) — Erste Beratung — Lücker (München) (CDU/CSU) . . 3414 A Kriedemann (SPD) 3420 A Bauknecht (CDU/CSU) 3425 A Köhler (FDP) . . . . . . . . 3428 C Logemann (DP) 3432 B Dr. h. c. Lübke, Bundesminister . 3437 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 3443 A Frau Dr. Pannhoff (CDU/CSU) . . . 3447 C Sühler (CDU/CSU) 3450 D Frehsee (SPD) 3453 B Wittmer-Eigenbrodt (CDU/CSU) . 3457 B Welslau (SPD) 3459 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Dr. Reinhard (CDU/CSU) 3460 A Bading (SPD) 3461 C Rehs (SPD) 3462 A Leukert (CDU/CSU) 3463 D Struve (CDU/CSU) 3464 D Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . 3465 B Antrag betr. Hilfe für politische Häftlinge aus der sowjetisch besetzten Zone (SPD) (Drucksache 800) . . . . . . . . . 3467 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1954 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 84, 815) . . . . 3467 B Antrag betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Abg. Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold u. Gen.); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 196, 825) 3467 C Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 3. November 1958 betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Zoglmann; Mündlicher Bericht des immunitätsausschusses (Drucksache 846) Ritzel (SPD) 3467 D Übersicht 5 des Rechtsausschusses über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 838) 3467 D Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 206 [neu]) 3468 A Entwurf eines Gesetzes zu den drei Abkommen vom 3. April 1958 mit der Portugiesischen Republik über deutsche Vermögenswerte in Portugal, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und über die Liquidation des früheren deutsch-portugiesischen Verrechnungsverkehrs (Drucksache 763) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 858) — Zweite und dritte Beratung - 3468 A Entwurf eines Gesetzes zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 mit Spanien über gewisse Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte (Drucksache 764); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 859) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 3468 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3468 D Anlagen 3469 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3411 64. Sitzung Bonn, den 25. Februar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 14.02 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 4. 4. Dr. Arndt 1. 3. Dr. Bärsch 28. 3. Dr. Bechert 27. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Berendsen 12. 3. Frau Blohm 27. 2. Börner 27. 3. Dr. Bucerius 27. 2. Conrad 26. 2. Dr. Deist 8. 3. Diebäcker 28. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 28. 2. Eilers (Oldenburg) 27. 2. Etzenbach 25. 2. Fuchs 28. 2. Geiger (München) 25. 2. Glahn 25. 2. Dr. Gleissner (München) 27. 2. Dr. Götz 15. 3. Dr. Greve 11. 4. Dr. Gülich 31. 3. Freiherr zu Guttenberg 12. 3. Hamacher 26. 2. Heinrich 16. 5. Hermsdorf 31. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 4. 4. Höcker 25. 2. Hoogen 25. 2. Jacobs 31. 3. Dr. Jaeger 28. 2. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Dr. Jordan 26. 2. Kalbitzer 25. 2. Kramel 7. 3. Kunst 21. 4. Kunze 27. 2. Kurlbaum 8. 3. Leber 26. 2. Lenz (Brühl) 27. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 4. Margulies 27. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 16. 3. Murr 28. 2. Paul 26. 2. Pietscher 14. 3. Ramms 28. 2. Frau Rösch 14. 3. Scharnowski 27. 2. Scheel 27. 2. Schneider (Bremerhaven) 25. 2. Schoettle 28. 2. Schröder (Osterode) 31. 3. Schwarz 2. 4. Storch 27. 2. Sträter 26. 2. Frau Strobel 27. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Wagner 25. 2. Weinkamm 7. 3. Wieninger 28. 2. Wilhelm 27. 2. Dr. Will 27. 2. Frau Wolff (Berlin) 25. 2. b) Urlaubsanträge Dr. Baade 10. 4. von Bodelschwingh 4. 4. Gleisner (Unna) 10. 3. Lenze (Attendorn) 12. 4. Lohmar 5. 4. Odenthal 14. 3. Stahl 23. 3. Stenger 15. 3. Anlage 2 Umdruck 206 (neu) Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Dr. Leverkuehn, Kalbitzer und Genossen betr. Hilfe für die minderentwickelten Gebiete - Drucksache 518 - an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten (f), an den Außenhandelsausschuß, an den Haushaltsausschuß 2. Antrag der Abgeordneten Jacobs, Lücker (München), Gerns und Genossen betr. Europäisches Abkommen über Weinerzeugung und Weinhandel - Drucksache 830 - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f), an den Außenhandelsausschuß 3. Antrag der Abgeordneten Lücker (München), Gerns, Jacobs und Genossen betr. Gegenseitige Anerkennung der Diplome landwirtschaftlicher Fach- und Hochschulen in den Mitgliedsländern des Europarates - Drucksache 831 - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bonn, den 24. Februar 1959 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 3470 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Anlage 3 Umdruck 228 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, in sinnvoller Ergänzung des Grünen Planes ein wirtschaftliches Strukturprogramm vorzulegen, das die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben in den Landbezirken gewährleistet. Damit soll dem Mangel an produktiven Arbeitsplätzen in ländlichen Gebieten und der Konzentration von Wirtschaft und Menschen in den industriellen Ballungsräumen entgegengewirkt werden. Bonn, den 24. Februar 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 230 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Lücker (München), Kriedemann, Mauk, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Drucksachen 70, 476 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 2 1. erhält § 7 Abs. 1 Nr. 5 folgende Fassung: „5. a) die in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnisse, soweit sich nicht aus Absatz 1 a etwas anderes ergibt, in der Mühle nicht mehr hergestellt werden können, b) die Stillegung für 30 Jahre durch Grundbucheintragung sichergestellt ist,"; 2. wird in § 7 hinter Absatz 1 folgender Absatz 1 a eingefügt: „(1 a) Von der Voraussetzung nach Absatz 1 Nr. 5 Buchstabe a ist abzusehen, soweit es sich um Vorrichtungen zur Herstellung von Futterschrot handelt, und wenn der Inhaber der Mühle sich bei der Vereinbarung des Pauschalbetrages verpflichtet, den Pauschalbetrag für den Fall zurückzuzahlen, daß diese Vorrichtungen zur Herstellung der in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnisse während der in Absatz 1 Nr. 5 Buchstabe b genannten Frist verwendet werden." Bonn, den 25. Februar 1959 Dr. Krone und Fraktion Anlage 5 Umdruck 231 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat die Erklärung der Bundesregierung sowie ihren Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen; er gibt seiner Genugtuung Ausdruck, daß die Auswirkungen der bisherigen Grünen Pläne im Rahmen der gesamten Agrarpolitik als Hilfe zur Selbsthilfe der Landwirtschaft und in Verbindung mit einer besseren Ernte zum ersten Male sichtbar zu einer Verbesserung der Lage der Landwirtschaft in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geführt haben. Der Bundestag begrüßt die Verlagerung der Mittel zugunsten der Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Er stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz mit der Maßgabe zu, daß die Mittel innerhalb der einzelnen Positionen austauschbar sind; er erwartet, daß die Richtlinien zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen im Benehmen mit den Ländern umgehend erlassen werden. Die Bundesregierung wird ersucht, ihre Anstrengungen im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung fortzusetzen, um im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes — insbesondere auch seiner Verpflichtungen gemäß § 1 — den Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand in den landwirtschaftlichen Betrieben zu erreichen. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen die Betriebsgruppen und Bodennutzungssysteme stärker gefördert werden, die in ihrer Entwicklung bisher zurückgeblieben sind. Bonn, den 25. Februar 1959 Dr. Krone und Fraktion Dr. Preiß und Fraktion Anlage 6 Umdruck 232 Antrag der Fraktion der DP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850). Der Bundestag wolle beschließen: Der Landwirtschaft ist über die Mittel im vorliegenden Grünen Plan hinaus aus ERP-Mitteln ein Rationalisierungskredit in Höhe von 250 Millionen DM im Grünen Plan 1959/60 zur Verfügung zu stellen. Die weiter erforderlichen Zinsverbilligungsmittel sind ebenfalls aus Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — oder aus dem Grünen Plan 1959/60 insofern bereitzustellen, daß der ERP-Kredit für die Endkreditnehmer 2,5 v. H. beträgt. Bonn, den 25. Februar 1959 Logemann Dr. Preiß und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3471 Anlage 7 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Korspeter zu dem Antrag der Fraktion der SPD betr. Hilfe für politische Häftlinge aus der sowjetisch besetzten Zone (Drucksache 800) Bereits 1954, als wir uns erstmalig in diesem Hause über die Hilfe für ehemalige politische Häftlinge aus der Zone auseinandersetzten, forderte die Bundestagsfraktion der SPD die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der neben bestimmten Hilfsmaßnahmen auch eine Entschädigung für erlittene Haft regeln sollte. Die Bundesregierung legte 1955 dem Bundestag einen Gesetzentwurf vor, der die Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung, entsprechend den Bestimmungen des BVG, und die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige, entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen, regeln sollte. Darüber hinaus enthielt der Gesetzentwurf Vergünstigungen nach dem Heimkehrergesetz bei einem Gewahrsam, der länger als 12 Monate gedauert hat, und Haftbeihilfen in dem gleichen Umfang, wie sie im Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz vorgesehen sind. Leider konnten sich die Bundesregierung und auch die Regierungskoalition nicht dazu entschließen, entsprechend unserer Forderung einen Rechtsanspruch auf die Haftentschädigung festzulegen. Es wurde der sogenannte 10-Millionen-Fonds geschaffen, der den Betroffenen keinen Rechtsanspruch auf eine Haftentschädigung sicherte, sondern ihnen lediglich eine Beihilfe gewährte, wenn sie sich in einer wirtschaftlichen Notlage befanden. Meine Fraktion hat bereits damals eine solche Regelung sehr bedauert und sehr deutlich ausgesprochen, daß sie die Schaffung dieses Fonds nur als einen ersten Schritt betrachte und daß sie eine Entwicklung wünsche, bei der das menschliche und politische Opfer wirkungsvoller berücksichtigt werde. Trotz dieser Bedenken haben wir uns damals hinter diesen Gesetzentwurf gestellt, eben weil er als ein erster Schritt zu betrachten war. Aber wir haben immer wieder gemahnt, die Hilfebedürftigkeitsprüfung fallenzulassen und den ehemaligen politischen Häftlingen einen Rechtsanspruch auf die Haftbeihilfe zu sichern, das heißt, eine wiedergutmachende Entschädigung für die zu Unrecht erlittene Haft zu gewähren. Wir haben es begrüßt, daß bei der Beratung eines ersten Änderungsgesetzes zum Häftlingshilfegesetz im Jahre 1957 alle Fraktionen unserem Änderungsantrag — Häftlingsbeihilfe nunmehr ohne Hilfebedürftigkeitsprüfung zu gewähren und den Rechtsanspruch dafür zu sichern — ihre Zustimmung gaben. Das war sicher eine positive Entwicklung des Häftlingshilfegesetzes, die von allen anerkannt wurde. Leider ist es uns damals nicht gelungen, die soviel umstrittene und meiner Meinung nach auch unangebrachte Sechsmonatsfrist zu beseitigen. Diese Frist behindert auch heute noch jede Anerkennung, wenn der Häftling länger als ein halbes Jahr - gerechnet vom Tage seiner Entlassung an — in der Zone blieb, bevor er in die Bundesrepublik flüchtete. Aus einer uns vorgelegten Statistik von seiten des zuständigen Ministeriums ist zwar ersichtlich, daß zur Vermeidung unbilliger Härten bei Überschreitung dieser Sechsmonatsfrist von der Möglichkeit, den Härteparagraphen in Anspruch zu nehmen, Gebrauch gemacht wurde; trotzdem sollte auch dieser Stichtag verschwinden, da er menschlich und auch politisch nicht zu vertreten ist. Darüber hinaus besteht bei vielen, die sich mit den Hilfsmaßnahmen für ehemalige politische Häftlinge befaßt haben — insbesondere aber bei den Betroffenen selbst — der Wunsch nach einer grundsätzlichen Änderung des Häftlingshilfegesetzes. Diese Änderungswünsche sind von dem Gedanken getragen, daß — ich zitiere wörtlich aus den an den Herrn Bundestagspräsidenten gesandten Petitionen — „gleiche Schicksale, bedingt durch in ihren Methoden gleiche totalitäre Systeme, gleiche Maßnahmen erfordern." Meine Fraktion hat sich nach sehr sorgfältigen Überlegungen hinter diese Forderung gestellt und legt dem Bundestag, nachdem sie bereits am 7. Mai 1958 einen Änderungsantrag zum Häftlingshilfegesetz eingebracht hatte, der noch zur Beratung beim zuständigen Ausschuß liegt, nunmehr einen sehr konkret gehaltenen Antrag vor. Er strebt eine Regelung an, die den anerkannten Häftlingen aus der sowjetisch besetzten Zone für Schäden an Leben und Gesundheit infolge Freiheitsentziehung sowie für Schäden in der Ausbildung Leistungen nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes gewährt. Wir sind der Meinung, daß wir nur dann zu einer endgültigen Bereinigung dieses Problems kommen können, wenn die Leistungen dem Bundesentschädigungsgesetz entsprechen, da es in Deutschland kein anderes Gesetz gibt, das sich damit befaßt, Unrecht wiedergutzumachen, das aus der Verletzung menschlichen Rechtsgutes entstanden ist. Es handelt sich — vom Verfolgten her — um das gleiche Schicksal. Es gibt Menschen, die Buchenwald als Konzentrationslager zweimal erlebt haben und für die nicht einzusehen ist, daß für dieselben Leiden unterschiedliche Regelungen erfolgen. Gleichzeitig wollen wir damit aber auch deutlich machen, daß wir das Unrechtssystem in der Zone nicht anders beurteilen als das System, für das wir jetzt bereits Wiedergutmachung leisten. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß wir bewußt von einer Regelung für Berufs- und Vermögensschäden, wie sie im Bundesentschädigungsgesetz zu finden ist, abgesehen und unseren Antrag auf Personenschäden einschließlich Ausbildungsschäden beschränkt haben. Wir gehen von der Voraussetzung aus, daß die Höhe der Leistungen, die Bemessungsgrundlage, die Berechnungsmethode und auch die medizinische Begutachtung und Behandlung sich nach den Bestimmungen des Bundesentschädigungsgesetzes und nach der hieraus entwickelten Verwaltungspraxis richten. 3472 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Es ist von uns keineswegs daran gedacht, durch eine Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz die Einbeziehung der ehemaligen politischen Häftlinge in dieses Gesetz zu vollziehen. Vielmehr ist es unsere Vorstellung, daß das jetzige Häftlingshilfegesetz aus der Beziehung zum Bundesversorgungsgesetz, Heimkehrergesetz und Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz herausgenommen wird und daß die genannten Teile des Bundesentschädigungsgesetzes in ein neugestaltetes Häftlingshilfegesetz aufgenommen werden. Dabei denken wir vor allem an eine, dem politischen Widerstandskampf angemessene, Erhöhung der Haftbeihilfe auf einen Entschädigungssatz von 5 DM täglich; an eine der Schwere der Haft entsprechende großzügige Anerkennung der gesundheitlichen Schäden, insbesondere der Spätschäden; an eine bessere Gesundheitsfürsorge, an eine Regelung der Hinterbliebenen- und Beschädigtenrenten nach den Leistungen des Bundesentschädigungsgesetzes, sowie an eine ausreichende Ausbildungsbeihilfe zur Fortsetzung der durch die Inhaftierung unterbrochenen Ausbildung. Das Häftlingshilfegesetz in seiner jetzigen Form wird diesen Forderungen nicht gerecht. Es bringt keine gerechte und ausreichende Würdigung des erlittenen Unrechts. Wir sollten uns deshalb zusammenfinden, um zu einer Regelung zu kommen, die dem Charakter einer Wiedergutmachung entspricht. Wir sollten uns dabei auch von dem Gedanken leiten lassen, daß diese Änderungswünsche nicht nur vom materiellen Gesichtspunkt her gesehen werden dürfen, sondern daß in erster Linie politische und ideelle Gesichtspunkte dabei eine Rolle spielen. Die Männer und Frauen, die wegen ihrer demokratischen Gesinnung in der Zone inhaftiert wurden, haben ein Anrecht darauf, daß ihre Leiden nicht geringer gewertet werden als die der unter dem Naziregime Verfolgten. Ein erheblicher Teil der Geschädigten wurde in Haft genommen — und zwar viele Jahre ihres Lebens — und hat Schäden erlitten, weil sie im unfreien Teil Deutschlands für jene Grundsätze eingetreten sind, die das Fundament der Bundesrepublik bilden. Sie sind in Haft genommen worden, weil sie für ihre freiheitliche Gesinnung eingetreten sind, und sie haben damit der Demokratie und der Freiheit Opfer gebracht, die weit über das Normalmaß der allgemeinen Kriegsfolgeschäden hinausgehen. Diese Schäden müssen von uns wiedergutgemacht werden. Mit einer solchen Regelung würden wir zu erkennen geben, daß die Bundesrepublik bereit ist, jedem Opfer totalitärer Willkür eine Entschädigung für erlittenes Leid zu gewähren, und wir würden das Bewußtsein stärken, daß ein ganzes Volk dafür einstehen muß, wenn einem Teil des Volkes Unrecht durch Gewalt widerfährt. Wir hoffen sehr, daß die uns allen gestellte Aufgabe — ihre Erledigung ist gleichzeitig auch ein Ausdruck unseres gesamtdeutschen Wollens — nicht an finanziellen Überlegungen scheitert. Die Ausgaben, über die wir uns selbstverständlich Vorstellungen gemacht haben und auf die wir bei den anschließenden Beratungen näher eingehen können, sind nicht dergestalt, daß sie unsere menschliche und politische Verpflichtung zu überschatten vermögen. Was bis jetzt getan wurde, war zu wenig. Wir sollten bereit sein, nun schnell und umfassend eine bessere Regelung zu schaffen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Eschmann (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 20): Wie erklärt es sich, daß die vorgesehene Rechtsverordnung zum Artikel 2 § 4 Abs. 2 Satz 2 des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes immer noch nicht erlassen ist, obwohl in der Fragestunde der 30. Sitzung des Bundestages vom 12. Juni 1958 Staatssekretär Claussen vom Bundesarbeitsministerium erklärt hat, daß mit dem Erlaß der Rechtsverordnung nach den Sommerferien 1958 des Parlaments zu rechnen sei? Nach dem Stande der Vorarbeiten war im Juni vorigen Jahres damit zu rechnen, daß die Rechtsverordnung nach den Sommerferien hätte erlassen werden können. Im Zuge der Vorbereitung des Entwurfs sind jedoch — insbesondere infolge von Gesetzesänderungen auf anderen Rechtsgebieten — nachträglich Schwierigkeiten aufgetreten, die nunmehr im Wege von Besprechungen mit den beteiligten Bundesressorts beseitigt werden konnten. Es ist beabsichtigt, den jetzt erarbeiteten Entwurf im Laufe des kommenden Monats mit den Ländern sowie den Versicherungsträgern zu besprechen und sodann dem Bundesrat zur Zustimmung zuzuleiten. Blank Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kroll (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 21) : Ist es richtig, daß die Verordnung zur Änderung "der Allgemeinen Zollordnung und der Post-Zollordnung vom 17. November 1958 (BGBl. I S. 741), die u. a. Erleichterung für die Einfuhr von Waren des Buchhandels bringt, nur für Päckchen und Drucksachen gilt, jedoch Postpakete und Warensendungen ausschließt? Durch die Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Zollordnung und der Post-Zollordnung vom 17. November 1958 ist der Katalog derjenigen ausländischen Postsendungen bedeutend erweitert worden, die den Empfängern ohne Einschaltung eines Zollamts von der Post ausgehändigt werden dürfen. Dieser Verzicht auf die Zollkontrolle und damit auf die Erhebung der Eingangsabgaben muß auf Sendungen beschränkt bleiben, die entweder keine Handelsware oder nur Handelsware geringen Umfanges und allenfalls geringer Abgabenbelastung enthalten. Diese Voraussetzung ist in der Regel aber nur bei den Briefsendungen, einschließlich der Päckchen und Drucksachen, nicht aber bei den Paketsendungen gegeben. Erfahrungsgemäß führt der Handel gerade hochwertige und hochbelastete Waren (z. B. optische Geräte, Textilien, Kosmetika Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3473 usw.) im großen Umfang auf dem Postwege ein. Wollte man also auch die Paketsendungen, die bis zu 20 kg schwer sein dürfen, von jeder Zollkontrolle befreien, so würde man den Postweg gegenüber anderen Einfuhrwegen ungerechtfertigt, begünstigen und ein Loch öffnen, durch das vor allem Handelswaren verschiedenster Art zum Schaden der deutschen Produktion ohne Erhebung der Eingangsabgaben und ohne Rücksicht auf Einfuhrbeschränkungen wirtschaftlicher, gesundheitspolizeilicher oder ähnlicher Art in den freien Inlandsverkehr gelangen würden. Eine so weitgehende Befreiung der Postsendungen von der Zollkontrolle konnte deshalb nicht ausgesprochen werden. Die Verpflichtung der Post, Postpakete usw. dem Zollamt vorzuführen, bedeutet nicht, daß in allen diesen Fällen Eingangsabgaben erhoben werden. Ergibt vielmehr die Zollkontrolle, daß die Waren nach den gesetzlichen Bestimmungen abgabenfrei sind und keinen Einfuhrverboten unterliegen, werden sie sofort freigegeben. In Vertretung Hartmann Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Finanzen auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Beyer (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 23): Ich frage die Bundesregierung, wann sie die von dem Relations Office in Wiesbaden eingenommenen Entschädigungen für die zu Übungszwecken in Anspruch genommenen Waldungen der Gemeinden Rodheim, Ober-Rosbach, Nieder-Rosbach, Ockstadt, Ober-Mörlen, Nieder-Mörlen und Langenhain-Ziegenberg, die sich inzwischen auf 146 774,40 DM belaufen, an die Gemeinden weiterleitet? Die von den amerikanischen Streitkräften für die Inanspruchnahme der fraglichen Waldungen zur Verfügung gestellten Beträge sind von dem Herrn Finanzminister des Landes Hessen im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof zunächst nicht an die Eigentümer der Grundstücke ausgezahlt worden, weil den Eigentümern durch die Inanspruchnahme die Nutzung des Waldes nicht entzogen worden war. Die Eigentümer konnten vielmehr ihre beschlagnahmten Waldungen weiterhin bewirtschaften, Holz einschlagen und verwerten. Die zur Verfügung gestellten Beträge sind von dem Herrn Hessischen Minister der Finanzen vorerst auf Verwahrung genommen worden. Jedoch sind zur Abgeltung von Schäden, die durch die amerikanischen Streitkräfte an Wegen, Wasserabzugsgräben und Kulturen innerhalb der in Anspruch genommenen Waldungen verursacht worden sind, an die Gemeinden Ober-Rosbach, Nieder-Rosbach, Ober-Mörlen, Nieder-Mörlen und Rodheim bisher insgesamt 47 030,87 DM gezahlt worden. Ein Antrag auf Auszahlung der auf Verwahrung genommenen Beträge liegt dem Bundesministerium der Finanzen bisher nicht vor. Auf fernmündliche Rückfrage hat das hessische Finanzministerium mitgeteilt, daß am 27. November 1958 ein derartiger Antrag vom Landrat des Kreises Friedberg gestellt worden sei; der Antrag habe dem Bundesministerium der Finanzen noch nicht vorgelegt werden können, weil das Verteidigungslastenamt Hanau Ermittlungen über die Größe der einzelnen in Anspruch genommenen Flächen und der auf die Eigentümer entfallenden Anteile anstellen müsse. Die Unterlagen seien jedoch inzwischen zusammengestellt worden und würden dem Bundesministerium der Finanzen zusammen mit dem Antrag in Kürze zugeleitet werden. Das Bundesministerium der Finanzen wird über den Antrag unverzüglich befinden und Ihnen die getroffene Entscheidung schriftlich mitteilen. Eine endgültige Stellungnahme zu der Frage, wie über den Antrag entschieden werden wird, ist mir zu meinem Bedauern gegenwärtig noch nicht möglich. Schon jetzt kann jedoch gesagt werden, daß grundsätzliche Bedenken gegen den Antrag nicht bestehen dürften. Denn zur Zeit ist ein neuer Entwurf von Richtlinien für die Bemessung der Nutzungsvergütung bei forstwirtschaftlichen Flächen in Bearbeitung, in denen vorgesehen ist, daß eine gewisse Nutzungsvergütung auch dann gewährt werden kann, wenn durch die Inanspruchnahme dem Eigentümer die wirtschaftliche Nutzung des Forstes nicht entzogen ist. In Vertretung Hartmann Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Innern auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bauer (Würzburg). (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Frage 24): Gedenkt die Bundesregierung der vorn Bundesrechnungshof geäußerten Auffassung Rechnung zu tragen, die bisherigen Maßnahmen zur Förderung der fremdsprachlichen Ausbildung von Bundesbediensteten seien unzulänglich? Die Bundesregierung hält in Übereinstimmung mit dem Bundesrechnungshof eine Intensivierung der Maßnahmen zur Sprachausbildung der Bundesbediensteten für notwendig. Der Bedarf an Bediensteten mit fremdsprachlichen Kenntnissen hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Dies gilt sowohl für internationale Verhandlungen wie für die Entsendung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in internationale Organisationen und für den Austausch von Bediensteten mit anderen Ländern. Aus diesen Erwägungen ist die Bundesregierung bemüht, die Sprachausbildung der Bundesbediensteten in verstärktem Umfange zu fördern. In Vertretung Dr. Anders Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Auswärtigen auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Kanka und 3474 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Bauer (Würzburg) (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Fragen 25 und 28): Trifft die Meldung zu, daß die Deutsche Botschaft in Athen — im Gegensatz zur Behandlung eines gleichartigen Falles durch die Österreichische Botschaft — eine alsbaldige Intervention im Sinn persönlicher Bemühung eines Botschaftsangehörigen an Ort und Stelle unterlassen hat, um einen jungen deutschen Fremdenlegionär am Weihnachtsabend von einem einlaufenden holländischen Tanker zu übernehmen, obwohl die Ankunft der beiden blinden Passagiere durch Funk mitgeteilt worden war? Stimmt es, daß der österreichische Staatsangehörige von seiner Botschaft übernommen wurde, während das Schiff seine Fahrt mit dem Deutschen an Bord fortsetzte, und was ist über dessen weiteres Schicksal bekannt? Trifft der im Fränkischen Volksblatt vom 27. Januar 1959 unter Bezugnahme auf die Wiener Zeitung „HEUTE" wiedergegebene Bericht zu, nach dem sich am 24. Dezember 1958 in Athen die Österreichische Botschaft in vorbildlicher Weise eines aus der Fremdenlegion entwichenen Österreichers, während sich zur gleichen Zeit und am gleichen Ort in wenig vorbildlicher Weise die Deutsche Botschaft eines aus der Fremdenlegion entwichenen Deutschen angenommen hat? Wenn nein: In welchen Punkten weichen die Schilderungen und die Tatsachen voneinander ab? Wenn ja: was ist unternommen worden oder wird unternommen werden, um Verantwortliche zur Verantwortung zu ziehen? Den in den Fragen erwähnten Zeitungsmeldungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 24. Dezember 1958 gegen 9 Uhr wurde die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen von der holländischen Schiffsagentur (KNSM) in Piräus fernmündlich benachrichtigt, daß sich an Bond des am selben Tage um 18 Uhr in Piräus einlaufenden holländischen Dampfers „Tarakan" zwei entwichene Fremdenlegionäre befänden, von denen einer deutscher und der andere österreichischer Staatsangehöriger sei. Die Personalien des deutschen Staatsangehörigen seien im Gegensatz zu denen des Österreichers nicht bekannt. Ein Angehöriger der deutschen Botschaft begab sich daraufhin sofort nach Piräus, um bei der dortigen Fremdenpolizei die Erlaubnis zur Einreise des deutschen Staatsangehörigen zu erwirken. Nachdem diese Erlaubnis erteilt war — die Verhandlungen waren wegen der fehlenden Personalien sehr schwierig — wurde der holländische Schiffsagent, der gleichzeitig niederländischer Wahlkonsul ist, gebeten, den deutschen Staatsangehörigen in Empfang zu nehmen und für seine vorläufige Unterkunft zu Borden. Zu diesem Zweck wurden dem Agenten die notwendigen Geldmittel übergeben. Eine sofortige Heimschaffung des deutschen Legionärs war nicht möglich, weil wegen der fehlenden Personalien kein Reisepaß ausgestellt und das für eine Heimschaffung auf dem Landwege erforderliche jugoslawische Visum am 24. Dezember 1958 und an den beiden folgenden Feiertagen nicht mehr beschafft werden konnte. Eine Heimschaffung auf dem Seewege war ebenfalls unmöglich, weil sich zu dieser Zeit kein deutsches Schiff im Hafen von Piräus befand. Der Legionär, der — wie sich jetzt herausstellte — Heinz Werner Stamm hieß und am 21. Februar 1931 in Berlin geboren war, wurde vereinbarungsgemäß von dem niederländischen Schiffsagenten an Bord abgeholt und auf Kosten der deutschen Botschaft in einem Hotel in Piräus vorläufig untergebracht. Trotz aller Bemühungen der Botschaft wurde das jugoslawische Durchreisevisum erst am 30. 12. 1958 erteilt. Noch am selben Tage erhielt Herr Stamm ein Zehrgeld und wurde auf Kasten der Botschaft nach Freilassing heimgeschafft. Herr Stamm hat sich über die Behandlung durch die deutsche Botschaft nie beklagt, sondern sich für die ihm zuteil gewordene Hilfe bedankt. Wie inzwischen festgestellt wurde, ist er — wie vorgesehen — in der Bundesrepublik eingetroffen. Hiernach hat die Deutsche Botschaft in Athen alles getan, was unter den gegebenen Umständen von ihr erwartet werden konnte. Sie hat sofort einen Beamten nach Piräus entsandt, um sicherzustellen, daß dem entflohenen Legionär die erforderliche Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Sie hat den Hilfsbedürftigen angemessen untergebracht und zum erstmöglichen Termin in das Bundesgebiet heimgeschafft. Der Botschaft kann daher in keiner Weise ein Vorwurf gemacht werden. Insbesondere hieße es die Anforderungen an die Betreuung hilfsbedürftiger Deutscher im Ausland überspannen, wollte man verlangen, daß jeder Hilfsbedürftige persönlich von einem Beamten der Botschaft am Hafen abgeholt würde. Es muß vielmehr genügen, wenn die Auslandsvertretung sofort die sachlichen Voraussetzungen schafft, um dem Hilfsbedürftigen die alsbaldige Rückkehr in das Bundesgebiet zu ermöglichen. Infolgedessen bedauere ich es sehr, daß eine Reihe deutscher Zeitungen sich diese z. T. unrichtigen und unvollständigen Meldungen ohne Nachprüfung zu eigen gemacht und gegen die deutsche Botschaft in Athen unbegründete Vorwürfe erhoben hat, zumal der Hilfsbedürftige schon längst heimgeschafft worden war. Ich darf noch bemerken, daß die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich gehalten sind, bei der Heimschaffung von hilfsbedürftigen Deutschen aus dem Ausland den billigsten Reiseweg zu wählen. v. Brentano Anlage 13 Schriftliche Antwort des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Voigt (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 26) : Trifft die Behauptung in dem Artikel „Wolfsburger Fehlleistung", abgedruckt in der Zeitung „Europa-Union" vom 23. Januar 1959, zu, wonach das Volkswagenwerk bei seiner großen Inseratenaktion zum Jahresende beträchtliche Summen in die Kassen der italienischen Kommunisten gelenkt haben soll? Welche Beweggründe haben die dafür Verantwortlichen veranlaßt, in großen kommunistischen Zeitungen Italiens ganzseitige Inserate aufzugeben? Es trifft nicht zu, daß das Volkswagenwerk Gelder in die Kassen italienischer Kommunisten gelenkt hat. Bei dem beanstandeten Inserat handelt es sich vielmehr um eine Anzeige, die der Generalimporteur des Volkswagenwerkes in Italien ohne Wissen des Volkswagenwerkes im Rahmen eines gegenseitigen Geschäftes in einer kommunistischen Zeitung veröffentlicht hat. Das Volkswagenwerk hat mit dieser Werbeaktion nichts zu tun, hat jedoch auf meine Veranlassung seinen Importeur gebeten, künftig von derartigen Anzeigen abzusehen. Dr. Lindrath Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3475 Anlage 14 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hansing (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 27): Ist die Bundesregierung in Anbetracht der angespannten Beschäftigungslage in der Werftindustrie bereit, im Interesse einer Förderung des deutschen Schiffsexportes die Laufzeit der von ihr übernommenen Sicherung und Gewährleistung für Ausfuhrgeschäfte (Hermes-Garantien) zu verlängern? Der angespannten Beschäftigungslage in der deutschen Werftindustrie hat die Bundesregierung seit geraumer Zeit insofern Rechnung getragen, als sie Bürgschaften und Garantien für Schiffsverkäufe in das Ausland auch dann übernimmt, wenn die Kaufpreise nicht bei Ablieferung der Schiffe voll bezahlt, sondern teilweise kreditiert werden. Dabei wird erwartet, daß der ausländische Käufer des Schiffes 20 bis 50 % des Kaufpreises bis zur Ablieferung, den Rest innerhalb von 3 bis 5 Jahren bezahlt. In Vertretung Westrick Anlage 15 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verteidigung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 29): Was hält der Herr Bundesverteidigungsminister von dem Versuch des Presseoffiziers der 1. Gebirgsjäger-Division in Mittenwald, in eigenen Lehrgängen sogenannte Truppenberichterstatter auszubilden? Teilt der Herr Minister die in Pressekreisen herrschende Auffassung, daß eine verstärkte Public-Relations-Arbeit det Bundeswehr nach dieser Methode nur dann nicht in schädlichen Dilettantismus und in politische Einseitigkeit (s. frühere P.K.Berichter) ausartet, wenn die verantwortlichen Presseoffiziere den Truppenberichterstattern einen periodischen und unmittelbaren Kontakt zur politisch unabhängigen und zur parteigebundenen Presse (Besuch von Zeitungsverlagen, Vorträge von Berufsjournalisten u. a.) ermöglichen? Bisher wurden in zwei Divisionen des Heeres Kurzlehrgänge durchgeführt, um geeignete Soldaten für die Unterstützung der Presseoffiziere bei den Divisionen zu gewinnen. Für diese Kurzlehrgänge wurden Journalisten gewonnen, die die Lehrgangsteilnehmer in die Pressearbeit eingeführt haben. Außerdem wurden örtliche Zeitungsbetriebe besichtigt. Die ersten Lehrgänge haben ein überwiegend positives Echo in der Presse gefunden. Die wenigen negativen Äußerungen in der Presse beruhten offensichtlich auf Mißverständnissen, die inzwischen als ausgeräumt angesehen werden können. Ein abschließendes Urteil über die Truppenberichterstattung läßt sich erst auf Grund weiterer Erfahrungen fällen. Hierbei werden die von der Öffentlichkeit, insbesondere der Presse selbst gegebenen Anregungen berücksichtigt werden. Strauß Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hansing (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Frage 34) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung des geplanten Kohlezolls auf die wirtschaftliche Situation der Schifffahrt und der Werftindustrie? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die auf eine Drosselung der Kohleneinfuhr und damit auf eine Einschränkung der Kohlenfracht abzielende Maßnahme der Einführung eines Kohlenzolls zu einem Rückgang des Reparaturgeschäfts und zu Stornierungen von Kohlenfrachteraufträgen bei den Werften führen wird? Was gedenkt — falls diese Ansicht geteilt wird — die Bundesregierung in Anbetracht der ohnehin ernsten Beschäftigungslage der Werften hiergegen zu tun? Die mit der Einführung eines Kohlezolls angestrebte und wegen der Entwicklung der Feierschichten und der Halden an der Ruhr dringend notwendig gewordene Verminderung der Kohleeinfuhren wird sich bedauerlicherweise in einem gewissen Ausmaß auf die Beschäftigung der Schiffahrt auswirken. Es ist möglich, daß sich diese Situation auch auf die Beschäftigung der Werften auswirken wird, obwohl m. E. die Zurückhaltung der Reeder bei der Vergabe von Aufträgen viel mehr durch die lang andauernde Frachtenbaisse zu erklären ist. Soweit ich unterrichtet bin, liegen insbesondere bei schleswig-holsteinischen Werften in Kiel und Flensburg Neubauaufträge für Kohlentransportschiffe vor. Inwieweit diese bereits abgeschlossenen Aufträge durch einen Kohlezoll in ihrer Realisierung gefährdet sind, kann z. Z. nicht übersehen werden. Die vorliegende Anfrage kann heute nicht eingehender beantwortet werden, da die Untersuchungen, in welchem Umfang ein Kohlezoll sich auf die wirtschaftliche Situation der Schiffahrt und der Werftindustrie auswirken wird, wegen der Kürze der Zeit noch nicht abgeschlossen werden konnten. In Vertretung Westrick Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Frage 37): Wie hoch werden nach dem gegenwärtigen Stande des Bundesversorgungsgesetzes die Einsparungen Im Kriegsopferhaushalt in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich sein, wenn der zu erwartende natürliche Abgang von Versorgungsberechtigten als Grundlage der Schätzung verwandt wird? Auf Grund der gegenwärtig geltenden Fassung des Bundesversorgungsgesetzes werden in den nächsten 5 Jahren bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen voraussichtlich Minderausgaben, von Jahr zu Jahr errechnet, in Höhe von insgesamt 476 Millionen DM erwartet. Blank
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0306400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich den Vorzug, Ihnen mitteilen zu können, daß der Herr Präsident des Abgeordnetenhauses der Argentinischen Republik uns die Ehre seiner Anwesenheit gibt. Er befindet sich auf der Tribüne.

(Lebhafter Beifall.)

Ich begrüße ihn und seine Kollegen herzlich und danke ihnen allen dafür, daß sie uns die Freude machen wollen, unseren Beratungen — eine Weile wenigstens — beizuwohnen.
Meine Damen und Herren! Für den ausgeschiedenen Abgeordneten Ministerpräsident Kiesinger ist der Abgeordnete Lulay mit Wirkung vom 23. Februar in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße unseren neuen Kollegen, den wir ja kennen und der schon einmal unser Kollege war, in unserer Mitte und bin sicher, daß die Zusammenarbeit mit ihm stets so gut sein wird wie einst.

(Beifall.)

Ich habe einen Geburtstagswunsch auszusprechen. Gestern ist der Kollege Arndgen unbemerkterweise 65 Jahre alt geworden.

(Heiterkeit und Beifall.)

Ich glaube, das Haus ermächtigt mich, ihm zu diesem Tag ganz besonders herzliche Glückwünsche auszusprechen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 18. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Ruhnke, Margulies, Dr. Schild und Genossen betr. Vorschriften über die Düngung mit gesundheitsschädlichen Abwässern (Drucksache 809) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 882 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 19. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Paßerteilung für von Leers (Drucksache 805) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 887 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 18. Februar 1959 die mit Schreiben vom 25. November 1958 — Drucksache 677 — angekündigte Wahlkreiskarte mit den alten und den vorgeschlagenen Wahlkreiseinteilungen übersandt, die als zu Drucksache 677 verteilt wird.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments (Drucksache 888).
Es liegt ein interfraktioneller Antrag vor; Sie finden ihn auf Drucksache 888. Zwar sind Wahlen nach der Geschäftsordnung im allgemeinen mit verdeckten Zetteln vorzunehmen; bei diesem Antrag glaube ich das jedoch nicht für notwendig halten zu sollen. Ist das Haus damit einverstanden, daß wir in der üblichen Weise über den Antrag Drucksache 888 abstimmen? — Ich höre keinen Widerspruch. Wer den Antrag Drucksache 888 annehmen, d. h. die darin vorgeschlagenen Abgeordneten wählen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Ich stelle einstimmigen Beschluß fest.
Wir haben noch weitere Wahlen vorzunehmen, und zwar zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Nachwahl eines Vertreters und von Stellvertretern der Bundesrepublik Deutschland zur
Beratenden Versammlung des Europarates.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 23. Februar als ordentliches Mitglied für den ausscheidenden Abgeordneten Kalbitzer den Abgeordneten Kühn (Köln), der bisher stellvertretendes Mitglied gewesen ist, benannt, weiter als stellvertretende Mitglieder für den letztgenannten und für die ausscheidenden Abgeordneten Kurlbaum, Metzger und Birkelbach die Abgeordneten Corterier, Harm, Frau Renger und Wienand. Meine Damen und Herren, auch hier müßte eigentlich mit Zetteln und Urnen gewählt werden. Ich glaube, wir können fast als Gewohnheitsrecht annehmen, daß man in solchen Fällen in der üblichen Weise abstimmt. Ist das Haus damit einverstanden?

(Zustimmung.)

Wer diese Ihnen bekannten Damen und Herren wählen will, der möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit sind der Abgeordnete Kühn (Köln) als Vertreter und die Abgeordneten Corterier, Harm, Frau Renger und Wienand als Stellvertreter der Bundesrepublik Deutschland in der Beratenden Versammlung des Europarats gewählt.
Ich ,rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Lücker (München), Kriedemann,
Mauk, Dr. Elbrächter und Genossen einge-

Vizepräsident Dr. Schmid
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Drucksache 70);
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 881),
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Drucksache 476 [neu]).

(Erste Beratung: 6. Sitzung.)

Wird ein mündlicher Bericht gewünscht? —

(Zuruf des Abg. Bading.)

— Sie möchten ihn erstatten? Dann gebe ich das Wort dem Abgeordneten Bading als Berichterstatter.

Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0306400100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt die Drucksache 476 (neu) vor. Ich möchte lediglich darauf aufmerksam machen, daß darin einige Änderungen gegenüber der Drucksache 476 enthalten sind.
Der Gesetzentwurf ist im Haushaltsausschuß behandelt worden. Dabei sind Bedenken darüber laut geworden, ob er mit dem Grundgesetz übereinstimmt. Auch der Rechtsausschuß hat sich mit dem Gesetzentwurf befaßt und sich, wenn auch mit einer sehr geringen Mehrheit, mit ihm einverstanden erklärt.
Es ist aber auch noch eine sachliche Änderung zu bemerken, und zwar ist der Abgabesatz — ich verweise auf den § 7 Abs. 6 — mit Rücksicht auf die Kassenlage des Bundes von 2 DM auf 2,20 DM je Tonne Brotgetreide erhöht worden.
Ferner bitte ich noch eine Änderung zur Kenntnis zu nehmen. In meinem Bericht zu § 7 Abs. 9 bis 12 muß es im vorletzten Absatz heißen:
Da außer der Körperschaftsteuer solche körperschaftsteuerpflichtigen Betriebe auch noch die Gewerbesteuer zu entrichten haben, ergibt sich ...
Die Worte „und das ,Notopfer Berlin." sind zu streichen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0306400200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Herr Abgeordneter Brese, wollen auch Sie Ihren Bericht mündlich erstatten oder ergänzen?

(Abg. Brese: Ich verzichte!)

— Sie verzichten. — Das Haus verzichtet ebenfalls
auf die Entgegennahme eines mündlichen Berichtes.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Sie wird ein wenig kompliziert sein, weil zu Art. 1 eine Reihe von Änderungsanträgen gestellt sind. Ich rufe deswegen Art. 1 nach Punkten auf.
Zunächst rufe ich auf Art. 1 Nr. 1. — Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Art. 1 Nr. 2. Hier liegen Änderungsanträge vor. Ich rufe zunächst auf den Änderungsantrag auf Umdruck 230 Ziffer 1. Er bezieht sich
auf den § 7 Abs. 1 Ziffer 5 der Vorlage in der
Ausschußfassung. Wer begründet den Antrag? —
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pflaumbaum.

Dr. Walter Pflaumbaum (CDU):
Rede ID: ID0306400300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Antrag auf Umdruck 230 Ziffer 1 ist die CDU/CSU-Fraktion dem Hohen Hause eine Begründung schuldig, da die in ihm angeschnittene Frage wegen der Eilbedürftigkeit der Vorlage im Ernährungsausschuß nicht mehr abschließend verhandelt werden konnte. Durch die Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs soll nunmehr nach langwierigen Verhandlungen das, was mit dem Mühlengesetz vom Juni 1957 erreicht werden sollte, verwirklicht werden. Nach dem Gesetz ist Voraussetzung für die Stillegung der Betriebe und die Verwendung öffentlicher Mittel dafür, daß Mehl, Backschrot und Grieß nicht mehr hergestellt werden können, d. h., daß die Einrichtungen dafür aus diesen Betrieben entfernt werden müssen.
Bei der Beratung der Vorlage im Ernährungsausschuß ergab sich folgendes Problem. In die Stillegungsaktion sind nach dem Gesetz Backschrotmühlen einbezogen. Backschrot wird in Schrotmühlen hergestellt, die dazu mit gewissen Reinigungsaggregaten versehen sind. Würde man die Entfernung der Schrotmühlen schlechthin verlangen, so würde man dem Eigentümer die Möglichkeit nehmen, Futterschrot herzustellen, und damit in unzulässiger Weise in seine Rechte eingreifen.
Deshalb beantragen wir unter Ziffer 1 unseres Antrags auf Umdruck 230 für diesen Fall — Backschrotmühlen — eine Ausnahme von der Forderung der restlosen Entfernung der Mühleneinrichtung und unter Ziffer 2, daß die Stillegung der Backschrotmühlen dadurch gewährleistet werden soll, daß der Inhaber der Mühle sich bei der Vereinbarung des Pauschalbetrages verpflichtet, „den Pauschalbetrag für den Fall zurückzuzahlen, daß diese Vorrichtungen zur Herstellung der in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnisse während der in Abs. 1 Nr. 5 Buchstabe b genannten Frist verwendet werden".
Ich bitte Sie, die von mir soeben geschilderten Verhältnisse zu berücksichtigen und dem Änderungsantrag der CDU/CSU die Zustimmung nicht zu versagen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0306400400
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0306400500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich im 2. und 3. Bundestag die Ehre und das sehr zweifelhafte Vergnügen hatte, dem Unterausschuß vorzusitzen, der die Aufgabe hatte, sich mit den Problemen der Mühlenwirtschaft und den entsprechenden Gesetzentwürfen zu beschäftigen, halte ich mich auf Grund der Kenntnis der jahrelangen Beratungen und nicht zuletzt unter dem Eindruck der Besprechung dieses Problems in der letzten abschließenden Beratung im Ernährungsausschuß für verpflichtet, dem Hause zu sagen, daß



Kriedemann
dieser Antrag sachlich ungerechtfertigt ist und zu unerträglichen Folgen führt.
Ich will das Haus nicht mit den technischen Einzelheiten aufhalten, um die wir uns in der jahrelangen Beratung bemüht haben. Ich will nur folgendes sagen. Hier wird der Versuch gemacht — und noch dazu mit so einem kleinen Schlenker einer besonders sozialen Geste für die armen kleinen Leute, die da nur Backschrot herstellen und denen man gern besonders entgegenkommen möchte , dieses in seinem wirtschaftspolitischen Effekt ohnehin schon zweifelhafte Gesetz noch zweifelhafter zu machen und eine Lücke aufzureißen, deren Folgen jetzt niemand absehen kann.
Ich halte, um es ganz deutlich zu sagen, das Bemühen nicht für redlich,

(Sehr richtig! bei der SPD)

das der CDU/CSU-Fraktion — so möchte ich es mir zu sagen erlauben — im letzten Augenblick unter die Weste geschoben worden ist, — wenn das ein parlamentarischer Ausdruck ist, Herr Präsident; sonst bitte ich von vornherein um Entschuldigung.
Wir waren uns noch in der vergangenen Woche bei der abschließenden Beratung des Gesetzes durchaus darüber im klaren, daß in Einzelfällen, in denen ein veraltetes Aggregat, das zweifellos sowieso nicht mehr zur Herstellung von Nahrungsmitteln benutzt werden kann, in dein Betrieb verbleiben kann, auch wenn dafür eine Abfindung gezahlt wurde. Seinerzeit ist dem Initiator, dem Sprecher dieser Interessenten nahegelegt worden, das im Wege eines Entschließungsantrages noch einmal klarzustellen. Stattdessen haben wir jetzt einen solchen Antrag. Ich unterstelle bei niemandem derjenigen, die sich diesen Antrag zu eigen machen, also niemandem aus der CDU/CSU-Fraktion, irgendeine böse Absicht; denn ich kann es gerade auf Grund der Kenntnisse der schwierigen technischen Fragen niemandem übelnehmen, wenn er keine Zeit gefunden hat, sich zwischen gestern und heute selbst genügend zu informieren.
Ich beneide die Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion, an der Spitze den Kollegen Pflaumbaum, die an den Beratungen teilgenommen haben und, wie gesagt, in der vergangenen Woche noch unserer Ansicht waren, nicht um ihre Situation und nicht um die Verantwortung, die sie sich hier aufladen.
Um das Verfahren zu kennzeichnen, wird sich meine Fraktion ausdrücklich und demonstrativ an der Abstimmung über diesen Antrag nicht beteiligen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0306400600
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir stimmen zunächst über Umdruck 230 Ziffer 1 ab. Wer zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Hat sich Ihre Begründung auch auf Ziffer 2 bezogen, Herr Dr. Pflaumbaum? Oder wollen Sie den Antrag noch besonders begründen?

(Abg. Dr. Pflaumbaum: Nein!) — Das wird wohl kaum notwendig sein.

Wir stimmen nunmehr ab über Ziffer 2. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ein Teil der Mitglieder des Hauses hat sich an der Abstimmung nicht beteiligt.
Wir stimmen nunmehr über Art. I — Nr. 2 in der abgeänderten Fassung — ab. Wer diesem Artikel zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
Art. I a! Kein Änderungsantrag, — Art. II, — Art. II a, — Art. III, — Einleitung Lund Überschrift. — Wer diesen Bestimmungen seine Zustimmung geben will, der möge das Handzeichen geben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen? — Das Wort zur allgemeinen Aussprache hat der Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0306400700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur eine kurze Erklärung zur Abstimmung abgeben. Meine Fraktion wird sich der Stimme enthalten. Sie sieht sich nicht in der Lage, diesem Gesetz zuzustimmen, nachdem die Mühlenabgabe erhöht worden ist. Wir möchten uns weder die Verantwortung dafür aufladen, daß diese erhöhte Mühlenabgabe eines schönen Tages den Verbraucher liber den Brot- und Mehlpreis trifft, noch möchten wir die Verantwortung dafür übernehmen, daß diese erhöhte Mühlenabgabe bei einer entsprechenden Marktlage in die ohnehin schon schlechte Kalkulation der Mühlen eingeht.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0306400800
Keine Wortmeldungen? — Ich schließe die allgemeine Aussprache und rufe zur Abstimmung im ganzen auf. Es liegen keine Änderungsanträge mehr vor. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, der möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 4 auf:
a) Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850, 863),
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Arbeitserleichterung für die Landfrauen (Drucksachen 208, 578),
c) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und

Vizepräsident Dr. Schmid
Forsten (19. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Feststellung der Lage der Familienbetriebe im Grünen Bericht (Drucksachen 627, 790),
d) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung der Deutschen Anstalt für Agrarwerbung (Drucksache 817).
Heute haben wir uns auf die Aussprache über den vorgelegten Bericht zu beschränken. Der Bericht wurde in der 62. Sitzung erstattet. Das Wort in der Aussprache hat der Abgeordnete Lücker.

Hans August Lücker (CSU):
Rede ID: ID0306400900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist immer eine mißliche Sache, wenn man eine Prognose stellen will. Aber mir will scheinen, daß die Aussprache über den Grünen Plan und den Grünen Bericht, alles in allem gesehen, in einer günstigeren Atmosphäre stattfinden kann und wird, als es in den vergangenen Jahren der Fall war.
Wir haben in der vergangenen Woche aus dem Munde des Ministers Dr. Lübke die Erklärung der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft auf Grund des Grünen Berichts für das Wirtschaftsjahr 1957/58 gehört. Herr Minister Lübke konnte seine Ausführungen in der Erkenntnis zusammenfassen, daß nach den Ergebnissen des Grünen Berichts die Landwirtschaft im abgelaufenen Wirtschaftsjahr zweifellos einen erfreulichen Schritt nach vorn in der Gestaltung ihrer Einkommensverhältnisse und ihrer Lage ganz allgemein im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verzeichnen konnte. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß eine bessere Ernte als in den vergangenen Jahren an dieser Entwicklung einen wesentlichen Anteil hat.
Ich erinnere mich dabei, daß ich bei früherer Gelegenheit Herrn Minister Lübke einmal sagte, unser Herrgott müsse ihn offensichtlich besonders lieb haben, da er ihn so züchtigte, weil der Minister seit der Übernahme des zweifellos dornenvollen Amtes als Landwirtschafts- und Ernährungsminister sich drei mißlichen Jahren mit drei schlechten Ernten gegenübergestellt sah. Ich darf das etwas ergänzein und sagen, daß der Herrgott auch eine Einsicht mit ihm gehabt hat; er hat ihm nach drei schlechten Ernten zur Abwechslung auch einmal eine bessere beschert, die ihm das Wirken und die Verantwortung in der deutschen Agrarpolitik sicher etwas leichter gemacht hat. Ich glaube aber, daß daran auch die Leistung und der Einsatz der Menschen, die in der deutschen Landwirtschaft tätig sind, ihren Anteil haben.
Ich bin sicher, Sie sind mit mir der Meinung, daß aus den Aussagen und Zahlen des Grünen Berichts zweifellos das Bemühen unserer deutschen Landwirtschaft spricht, ihre Chancen mit aller Kraft zu nutzen, mit einem unerhört großen Willen mit dabeizusein, ihre Kraft selber zu mobilisieren, um den Anschluß an die allgemeine Entwicklung unserer Wirtschaft zu finden.
Drittens haben die Agrarpolitik der Regierung und dieses Hauses, insbesondere auch der nimmermüde Einsatz unseres Bundesministers Dr. Lübke mit seinen Mitarbeitern, ein übriges dazu getan, um — wie er sich in der Regierungserklärung sehr bescheiden ausgedrückt hat — mit sehr viel Geduld und Zähigkeit dem landwirtschaftlichen Berufsstand und den Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der schöne Sonnenschein heute reizt zu einem Vergleich, nachdem es um die Landwirtschaft, die ja sehr naturverbunden ist, geht. Ich habe den Eindruck, daß in den letzten anderthalb Jahren die Sonne der Erleuchtung auch ihren Teil dazu beigetragen hat, um die allgemeine Atmosphäre für die Agrarpolitik zu verbessern. Wenn wir uns an die Auseinandersetzungen vergangener Zeiten erinnern, so können wir dankbar feststellen, daß inzwischen in der geistigen Gestaltung unserer Agrarpolitik, in der Ideengestaltung des zweckmäßigsten und besten Weges unserer Agrarpolitik offensichtlich eine größere Einmütigkeit Platz gegriffen hat. Wir dürfen daher hoffen, daß wir mit gemeinsamen Kräften um so besser und schneller zum Ziele kommen.
In der Tat weisen die Regierungserklärung und der Grüne Bericht in diesem Jahr an Hand von Zahlen besonders deutlich nach, daß die Landwirtschaft in der Bundesrepublik nach wie vor in einer sehr stürmischen Entwicklung begriffen ist und daß sie sich mit dem Einsatz aller Kräfte bemüht, nicht nur den Anschluß an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande zu finden, sondern auch mit Erfolg den großen Schritt zu tun, dessen Notwendigkeit sich aus dem Hineinwachsen der deutschen Landwirtschaft, der deutschen Wirtschaft in den gemeinsamen Europäischen Markt ergibt.
Die Leistungen der deutschen Landwirtschaft, die in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht mehr aussagen als manche schönen Worte, die man häufig hört, und die sich in den nüchternen Zahlen des Grünen Berichts ausdrücken, zeugen dafür, daß die Landwirtschaft im letzten Jahr noch ,stärker als in den vergangenen Jahren zu dem gesamtwirtschaftlichen Aufstieg und zur Entwicklung unseres Wohlstandes beigetragen hat. Sie hat mit dem Abschluß dieses Wirtschaftsjahres einen Anstieg der Nahrungsmittelerzeugung um 36 % über das Vorkriegsniveau zu verzeichnen. Das ist angesichts der Verhältnisse in der Bundesrepublik sehr bemerkenswert. Ich verweise nur darauf, daß seit dem letzten Krieg 7, 8 oder sogar knapp 10 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen worden sind. Trotz dieses Verlustes an Fläche ist die Produktion um mehr als ein Drittel über die Vorkriegshöhe angestiegen. Damit ist ein Grad der Selbstversorgung erreicht worden, der von dem Bericht der Bundesregierung mit 78 % des eigenen Bedarfs im Lande ausgewiesen wird. Das ist ein Selbstversorgungsgrad, wie wir ihn in der Vorkriegszeit kannten; wir haben also trotz der Amputationen und schmerzlichen Ent-



Lücker (München)

wicklungen im Gefolge des letzten Krieges wieder einen Selbstversorgungsgrad wie in früheren Zeiten erreicht.
An dieser Stelle sollte man einige Bemerkungen zu dieser Leistung anfügen. In der letzten Zeit ist nicht nur in unserer nationalen Agrarpolitik, sondern noch sehr viel stärker in der internationalen Agrarpolitik, insbesondere auch in den Diskussionen des Parlaments der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, häufig die Frage „Autarkie, ja oder nein" aufgetaucht. Es wird der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aber auch zum Teil der deutschen Agrarpolitik von außen der Vorwurf gemacht, sie verfolge eine Politik der Autarkie oder der hermetischen Abschließung nach außen. Ich glaube, es ist notwendig, das zu unterstreichen, was dazu Minister Lübke im Namen der Regierung an dieser Stelle in der letzten Woche gesagt hat. Ich möchte aber auch auf die offiziellen Ausführungen hinweisen, die Präsident Hallstein und Vizepräsident Mansholt für die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verschiedentlich zu diesem Thema gemacht haben.
Angesichts der allgemeinen politischen Verhältnisse in der Welt, auf die ich hier nicht näher eingehen will, angesichts dieser Situation, die gerade unserem Volk in der Bundesrepublik zu ganz besonderer Aufmerksamkeit und Wachsamkeit Anlaß gibt, sind wir, glaube ich, gut beraten, wenn wir uns immer der Tatsache bewußt bleiben, daß eine gute Agrarpolitik im Rahmen der Gesamtpolitik stets eine Politik der offenen Tür, eine Politik der Verständigungsbereitschaft, vor allem eine Politik der ständigen Zwiesprache mit den Völkern der Welt sein muß, die gleich uns bereit sind, ihre Existenz und ihre Freiheit mit allen Mitteln zu wahren und zu verteidigen. Das ist auch die Maxime für unser Denken in der Agrarpolitik. Wir sollten durch rechtzeitige Kontakte und Gespräche mit unseren Freunden und Partnern in der Welt zum Wohl aller Völker die Möglichkeiten ausloten, die nun einmal gegeben sind.
Herr Minister Lübke hat in der Regierungserklärung in diesem Zusammenhang so etwas mit Wehmut auf seine Position bei den GATT-Verhandlungen in Genf hingewiesen. Er meinte, daß er mit seinen engeren Mitarbeitern gewissermaßen als einziger diese Position dort verteidige. Man konnte aus den Worten fast entnehmen, daß er dieses Alleinsein innerlich bedauerte. Nun, Herr Minister Lübke, ich glaube nicht nur von mir aus und im Namen meiner Freunde, sondern sicherlich auch im Sinne der Mehrheit dieses Hauses wenigstens sagen zu können: wir haben mit Anerkennung und Genugtuung zur Kenntnis genommen, welchen Standpunkt Sie — sicherlich nicht für sich oder für Ihre Funktion als Landwirtschafts- und Ernährungsminister, sondern für die gesamte Bundesregierung und für die Gesamtpolitik dieser Regierung - in den GATT-Verhandlungen in Genf vertreten haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wir sind der Meinung, daß Sie diesen Standpunkt nicht nur mit sehr großem Geschick und in einem Maße, das Anerkennung verdient, vertreten haben, sondern daß Sie diesen Standpunkt auch mit Erfolg — wenigstens bisher — vertreten konnten, im wohlverstandenen Interesse unserer Landwirtschaft und — ich möchte bewußt hinzufügen — auf lange Sicht gesehen wohl auch im wohlverstandenen Interesse sogar derer, die in der GATT-Konferenz glaubten, mit Recht oder mit guten Gründen den deutschen Standpunkt attackieren zu müssen.
Sie haben sehr überzeugend dargelegt — das ist in Ihrer Regierungserklärung vielleicht etwas kurz behandelt worden —, daß der Handel, den unsere Bundesrepublik mit den europäischen Ländern und mit Übersee treibt, darauf fußt, daß wir zwei Drittel der gewerblichen Produktion der Bundesrepublik in die europäischen Länder ausführen und daß diese Länder im wesentlichen mit Agrareinfuhren bezahlen. Damit wird schon ein gewisser Grundmechanismus unserer Handelspolitik sichtbar, und Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es zu einer Verwirrung in den internationalen Handelsströmen führen müßte, wenn man etwas an diesem Grundgefüge änderte.
Ich glaube also, daß es auf lange Sicht gesehen richtig ist — und es scheint sich ja nun auch anzubahnen —, wenn man innerhalb der GATT-Konferenz anerkennt, daß man die landwirtschaftlichen Produkte im internationalen Handel nicht so wie die Produkte der industriell-gewerblichen Wirtschaft behandeln kann. Hier herrschen nun einmal andere Bedingungen in der Produktion, auf dem Markt, im Absatz, und diesen Bedingungen muß man Rechnung tragen.
Wenn ich die letzten Äußerungen maßgeblicher Persönlichkeiten über die Entwicklung der Dinge in der GATT-Konferenz richtig verstehe, dann scheint sich auch durchzusetzen, daß man sich in dieser Konferenz für Überlegungen und Gedanken aufgeschlossen zeigt, die Sie, Herr Minister Lübke, dort vorgetragen haben und die offensichtlich im Laufe der Zeit dort doch auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Ich glaube, wir sollten Ihnen in unserer Gesamtheit auch für das Wohl der gesamten deutschen Wirtschaft ruhig mit auf den Weg geben, daß wir weder aus der nationalen, aber erst recht nicht aus der internationalen Sicht eine Veranlassung haben, die Marschroute und die Verhandlungslinie, den Standpunkt, den die Bundesrepublik bisher in der GATT-Konferenz bezogen und verteidigt hat, für die Zukunft aufzugeben.
Wenn ich es richtig sehe, haben wir gerade in der jüngsten Zeit Gelegenheit genug gehabt, an Hand der praktischen Entwicklungstatbestände unserer Gesamtwirtschaft zu überlegen, ob wir nicht doch hier und dort mit anderen Methoden, mit anderen Überlegungen an die Meisterung der Aufgaben herangehen müssen, die uns gestellt sind.
Wenn man die Diskussionen z. B. über die Kohlesituation, über die Textilsituation und — in den letzten Tagen beginnend — über die Stahl- und Eisensituation in diesem Hause und auch in den europäischen Gremien aufmerksam verfolgt, überkommt einen als Agrarpolitiker heute die Ver-

Lücker (München)

suchung, zu sagen: Na, die Argumente, die heute hier vorgebracht werden, hast du doch schon einmal gehört; die hast du vielleicht in den letzten Jahren selbst schon häufig genug dargelegt und publiziert. Man hat die Argumente, die wir in den letzten Jahren für die Agrarpolitik häufig gebraucht haben, in dieser Zeit oft etwas abgetan, oder man wollte sie nicht für voll nehmen, weil man meinte, sie seien eine Sünde wider den Geist. Nun, heute, wo es um andere Produktionszweige unserer Wirtschaft geht, haben diese Argumente offensichtlich sehr viel von ihrer Attraktivität wiedergewonnen, und wir sehen sie heute auch für diese Produktionszweige angewendet.
Ich richte mich nicht dagegen; ich halte sie für richtig. Aber ich glaube, wir sollten daraus auch die Nutzanwendung ziehen, daß wir sicherlich sehr viel besser fahren, wenn wir gegenseitig für die Besonderheiten unserer wirtschaftlichen Situation Verständnis zeigen und aus diesem Verständnis auch jene Kraft entfalten, die uns befähigt, gemeinsam diese Probleme zu lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Diese Argumente könnten wirklich der Agrarpolitik entliehen sein. Aber ich will hier kein geistiges Urheberrecht hierfür begründen. Wir können nur hoffen, daß sie im wohlverstandenen Interesse der Gesamtwirtschaft zum festen Allgemeingut werden. Man möge daraus erkennen, daß man, um praktische wirtschaftliche Aufgaben zu meistern, ab und zu schon einmal Abstriche von theoretischen Modellüberlegungen hinnehmen muß. Ich erinnere mich dabei recht gern eines Wortes des deutschen Philosophen Hegel. Er wurde einmal darauf angesprochen, daß seine Theorien mit der Praxis nicht immer übereinstimmten. Man sagte ihm: Das ist zwar sehr schön, was Sie sagen, aber das paßt doch nicht auf unsere Situation; die Tatsachen sind doch anders. Da soll er geantwortet haben: Um so schlechter für die Tatsachen. - In der Tat sind wir alle dazu verurteilt, aus den praktischen realen Gegebenheiten, aus dem, was ist, eine Lösung zu finden, die praktikabel erscheint.
Ich sagte schon, daß es sehr starke Parallelen zwischen der agrarischen Urproduktion und den industriellen Grundstoffindustrien gibt, und daß man den Zusammenhang mit den handelspolitischen Strömen zwischen unserer Wirtschaft und den europäischen Ländern und der Welt sehen muß.
Ich will damit wieder einmal von dieser Stelle aus deutlich machen, daß unsere Wirtschaft ein unteilbares Ganzes ist und daß es deshalb notwendig ist, eine Wirtschaftspolitik in ihrer Gesamtheit zu formulieren und zu praktizieren, die für alle Bereche der Wirtschaft Gültigkeit besitzt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Daß sich die Landwirtschaft nicht etwa einem Dornröschenschlaf hingibt, zeigen wiederum die eindrucksvollen Zahlen des Grünen Berichts. Die in der Landwirtschaft tätigen Menschen haben seit dem Jahre 1950 ihre Leistung pro Kopf um 59 %
gesteigert. Das ist eine für frühere Begriffe kaum glaubliche Steigerungsrate des Einsatzes menschlicher Arbeitskraft und ihrer Hilfsmittel. Wenn wir zu dieser Produktionssteigerung die Vergleichszahlen heranziehen und feststellen, daß die übrige Wirtschaft im gleichen Zeitraum ihre Leistung nicht um 59, sondern um 28 % steigern konnte, dann müssen alle diejenigen verstummen, die uns das Märchen weismachen wollen, daß die Landwirtschaft in einem Naturschutzpark lebe oder leben wolle, daß sie nicht ihre voll anzuerkennende Leistung im Rahmen der Gesamtwirtschaft erbringe. Die Zahlen sind der Ausdruck einer stürmischen Entwicklung, eines großen Einsatzwillens der Menschen in der Landwirtschaft, ihren vollgültigen Beitrag zu unserer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu leisten.
Auch im internationalen Vergleich können sich diese Zahlen durchaus sehen lassen. Sie stehen weder am Ende noch in der Mitte, sondern rangieren an der Spitze der Leistungen, die in anderen Ländern von der Landwirtschaft erzielt werden konnten.
Zweifellos, mit diesen stolzen Zahlen ist ein schmerzlicher Prozeß angesprochen. Die Steigerung der Produktivität, die Steigerung der Einzelleistung in der Landwirtschaft hängt natürlich mit dem schmerzlichen Umstellungsprozeß zusammen, von dem so häufig in diesem Hause die Rede war. Wir haben uns daran gewöhnt, das mit dem Begriff eines tiefgreifenden Strukturwandels zu bezeichnen.
Wir haben dem Grünen Bericht entnommen, daß in dem gleichen Zeitraum die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe unter 10 ha um rund 191 000 abgenommen hat. Erfreulicherweise hat die Zahl der Betriebe von 10 bis 20 ha in der gleichen Zeit um 19 000 und die der Betriebe von 20 ha an aufwärts um 7000 zugenommen. Was also aus der hauptberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit ausscheidet, kommt im wesentlichen jenen Betriebskategorien zugute, die wir im allgemeinen als das Rückgrat einer gesunden, landwirtschaftlichen Struktur unserer Familienbetriebe bezeichnen.
In dem gleichen Zeitraum sind die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft weniger geworden. Wir hatten am Beginn dieser Entwicklung, im Jahre 1950, noch 3,7 Millionen Vollarbeitskräfte und stehen heute nach den Zahlen des Grünen Berichts bei 2,7 Millionen. In diesen 7 Jahren hat also die Zahl der Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft um 1 Million — das sind rund 27 % — abgenommen.
Diese Zahlen sind sehr eindrucksvoll. Sie müssen nach zwei Seiten bewertet werden. Wir haben damit — um noch einmal die Leistung je Arbeitskraft zu unterstreichen — den Stand erreicht, daß die Fläche, die 1950 noch mit 28 Arbeitskräften bewirtschaftet wurde, heute mit 20 Arbeitskräften bewirtschaftet wird. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine ungeheure Leistung.
In den Diskussionen der letzten Zeit auf nationaler und wieder auf internationaler Ebene wird

Lücker (München)

dieses Problem in den verschiedensten Variationen abgewandelt. Es werden Zahlen von Menschen genannt, die die Landwirtschaft auch in Zukunft noch verlieren müsse, und mitunter haben diese Zahlen, ich will mich vorsichtig ausdrücken: einen etwas unvorsichtigen Akzent. Wir bejahen im Prinzip diese gesunde Entwicklung, weil die Menschen, die aus der landwirtschaftlichen Erzeugung und Tätigkeit ausscheiden, nicht der Beschäftigungslosigkeit anheimfallen; vielmehr war es bei der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung möglich, diesen Menschen gleichzeitig, ja, ich möchte sogar sagen: vor ihrem Ausscheiden aus der hauptberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit eine andere Erwerbsquelle zu bieten, aus der sie ein gleiches oder häufig sogar ein besseres Einkommen erwirtschaften konnten. Darauf ist der Akzent zu legen. Wir möchten uns gegen alle Verleumdungen wenden, daß man hier bei uns eine Politik verfolge, die Bauern von ihrem Grund und Boden zu vertreiben, wie das in Propagandaorganen jenseits der Elbe behauptet wird.

(Abg. Kriedemann: Aber leider nicht nur da!)

— Leider nicht nur da. — Für uns liegt der Akzent darauf, daß diesen Menschen — und darauf kommt es letzten Endes an — bei der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit einer anderen, nicht geringer zu bewertenden Tätigkeit die Chance gegeben wird, sich ein soziales Lebensniveau zu sichern, das mit dem ihrer Mitmenschen verglichen werden kann. Daß wir jenen Menschen diese Hilfe leisten, das ist das Entscheidende. Ich glaube, es ist notwendig, hier zu sagen, daß in Zukunft durch die Verlagerung industrieller Produktionskapazitäten in die landwirtschaftlichen Sanierungsgebiete vielleicht noch mehr Hilfestellung als schon bisher gegeben wird.
Selbstverständlich hat diese Entwicklung, die Freisetzung der Arbeitskräfte, Konsequenzen auf anderen Gebieten. Wir finden diese Konsequenzen am deutlichsten in der Investitionstätigkeit der Landwirtschaft, die sich in diesen Jahren abzeichnet, bestätigt. Die Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft hat in diesem gleichen Zeitraum pro anno eine Steigerung um rund 1 Milliarde DM erfahren, und sie steht heute bei etwa 2,4 Milliarden DM jährlich. Dabei sind insbesondere die Steigerungsraten der Investitionen für die Anschaffung von Maschinen als Ersatz für weggehende Arbeitskräfte und der Investitionen für den Neu- und Umbau von Gebäuden zu erwähnen.
Herr Minister Lübke hat in seiner Regierungserklärung an zwei Beispielen deutlich gemacht, daß sich diese Investitionstätigkeit, die zu einem Strukturwandel und zu gesünderen Betriebsgrößen in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe führt, nicht allein für den Betrieb und für die Betroffenen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft rentiert. Er konnte darauf hinweisen, daß die Rationalisierung in den Molkereien insbesondere im Süden unseres Bundesgebietes dazu geführt hat, daß den Erzeugern im dortigen Gebiet pro Liter abgelieferter Milch 21/4 Pf mehr ausgezahlt werden konnten. Der Mehrerlös pro Liter Milch mag bescheiden erscheinen. Es ist hier aber eine nennenswerte
Chance gegeben, über diese Maßnahme das Einkommen der Landwirtschaft zu verbessern.
In den letzten Wochen ist hier und dort gesagt worden, daß sich die Investitionen für den Maschinenpark der Landwirtschaft, gemessen an den Kosten für die menschliche Arbeitskraft, nicht rentierten. Auch dazu hat Herr Minister Lübke unter Bezugnahme auf den Grünen Bericht des letzten Jahres erklärt, daß sich die Maschinenkosten in der Landwirtschaft sehr wohl rentieren und damit volkswirtschaftlich zu Buch schlagen. Sie liegen nämlich pro Hektar Gott sei Dank niedriger als die Kosten der menschlichen Arbeitskraft. Das ist natürlich je nach Betriebsgröße und Betriebssystem verschieden. Aber im großen und ganzen ist diese Feststellung richtig.
Wenn wir nun einen Blick auf die Verdienstseite werfen, auf das, was für die in der Landwirtschaft Tätigen herauskommt, so sehen wir, daß sich die Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft ebenfalls gebessert haben. Die Regierungserklärung stellt fest, daß sich die Differenz von 33 % auf 26 % verringert habe. Das Einkommen liegt also noch 26 % unterhalb des vergleichbaren gewerblichen Einkommens in den ländlichen Bezirken. Damit ist festgestellt — ich glaube, daß weder den Herrn Minister noch die Regierung diese Feststellung besonders überrascht —, daß das Ziel, das sich das Landwirtschaftsgesetz gestellt hat, noch nicht erreicht ist. Aber ich glaube, jeder, der schon bei Beginn der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes mit dabei war, weiß — alle anderen wissen das auch —, daß dieses Problem nicht in einem Jahr, nicht in zwei, auch nicht in drei, vier oder fünf Jahren befriedigend zu lösen ist. Das Entscheidende ist, daß eine Entwicklung gesichert ist, die schrittweise eine Lösung dieses Problems herbeiführt. Unser Wunsch geht natürlich dahin, daß das in möglichst kurzer Zeit der Fall ist. Es konnte ja auch nachgewiesen werden, daß die Entwicklung bereits schrittweise vorankommt, daß keine Rückschläge eingetreten sind und daß wir in diesem Jahr einen besonders großen Schritt nach vorne getan haben.
Ich will hier sine ira et studio, nur um ein offenes Wort dazu zu sagen, folgendes aussprechen: Wenn man die Lohndifferenz auf die 2,7 Millionen Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft umrechnet, dann ergibt sich noch allein auf diesem Sektor eine Differenz, die zwischen 2 und 2,3 Milliarden DM liegt. Ich nenne diese Zahl nur, um deutlich zu machen, wie groß die Aufgabe ist, die nach wie vor noch vor uns steht. Daraus müssen wir die Verpflichtung ableiten, auf dem erfolgreich beschrittenen Weg weiterzufahren.
Als Resümee darf ich folgendes sagen: Wenn man sich die Frage stellt, ob diese Agrarpolitik richtig oder falsch war, muß man sagen: sie erforderte und erfordert zwar sehr viel Geduld und sehr viel Zähigkeit, wie der Minister auch gesagt hat, aber sie war richtig. Ich weiß nicht, ob man diese Politik mit größeren und schnelleren Etappen hätte zum Erfolg führen können. Ich glaube daher, daß ich das
3418 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959
Lücker (München)

) Wort, das ich eingangs gebrauchte, auch hier wieder verwenden darf.
Ich komme zu der Frage, welche Gesichtspunkte von uns für den weiteren Weg herauszustellen sind. In der letzten Zeit hat es — auch im Zusammenhang mit der Diskussion um den Grünen Plan — mehr oder weniger heftige Auseinandersetzungen über das Verhältnis zwischen Preisen, Subventionen und Krediten gegeben. Das ist jener Dreiklang von Maßnahmen, mit denen man der Landwirtschaft helfen will; davon habe ich hier schon früher gesprochen. Man muß sich darüber im klaren sein, daß hier ein Zusammenhang besteht.
Ich darf bei dieser Gelegenheit feststellen, daß auch auf dem Sektor der Preise in den vergangenen Jahren einiges getan wurde. Es war möglich, den Index der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in steter Aufwärtsentwicklung näher an den Index der industriellen Erzeugerpreise heranzuführen. Es ist aber gut, daß der Minister schon darauf hingewiesen hat, der Preis stelle nicht den einzigen und den allein seligmachenden Regulator der Verbrauchsentwicklung dar. Es wurde als Beispiel auf die Niederlande verwiesen; dort haben wir den niedrigsten Butterpreis, aber auch den niedrigsten Butterverzehr. Man kann auf Frankreich als weiteres Beispiel verweisen. Dort haben wir den höchsten Fleischpreis und trotzdem den höchsten Fleischverzehr pro Kopf.
Ich will mit diesen Zahlen keineswegs dartun, daß alle volkswirtschaftlich-theoretischen Überlegungen in der Praxis auf den Kopf gestellt würden; aber man muß, wie es auch der Herr Minister gesagt hat, den Zusammenhang erkennen. Man muß sich darüber klarsein: je mehr man die Hilfen streicht — mag man sie nun Subventionen oder Beihilfen nennen —, desto mehr muß man auf dem Preissektor tun; das ist die Konsequenz einer solchen Politik. Nach der bisherigen Entwicklung brauchen wir keineswegs daran zu zweifeln, daß auch in Zukunft in Übereinstimmung mit den in § 1 des Landwirtschaftsgesetzes angeführten Verpflichtungen durch eine vernünftige, kühne und doch umsichtige Politik alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die der Markt bietet, damit sichergestellt ist, daß die vom Gesetz gestellte Aufgabe schrittweise gelöst wird.
Wir werden uns in der Agrarpolitik wohl noch auf lange Zeit des Mittels der Subventionen bedienen müssen. Diese Hilfen zielen in erster Linie darauf ab, die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion zu senken. Wir wissen sehr genau, daß wir mit dieser Hilfe wesentlich dazu beitragen können, einen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben in der Landwirtschaft herbeizuführen. Wir werden deshalb weiterhin von diesen Hilfen Gebrauch machen.
Als Aufgabe für die Landwirtschaft steht vor uns — ich habe das bei allen Ausführungen in den vergangenen Jahren zu diesem Punkt gesagt —, wenn wir es finanzökonomisch sehen, ein sehr großes Investitionsprogramm. Diese Investitionen müssen finanziert werden.
An dieser Stelle darf ich sagen, Herr Minister, ich war etwas überrascht, daß Sie in Ihren Ausführungen feststellten, Sie glaubten, daß das Investitionsprogramm für die Landwirtschaft auf diese Zukunft berechnet etwa ein Drittel bis zur Hälfte des Kapitalwerts der Landwirtschaft erfordere. Ich weiß nicht, Herr Minister, ob es nicht notwendig ist, diese Zahlen noch einmal auf Grund der Feststellungen der Sachverständigen und der Wissenschaftler zu überprüfen. Wenn ich deren Resultate richtig in Erinnerung habe, sprechen sie von einem Kapitalbedarf, der sich etwa zwischen der Hälfte und zwei Dritteln des Kapitalwerts der Landwirtschaft bewegt. Aber wie dem im einzelnen auch sei, auf jeden Fall handelt es sich um ein großes Investitionsprogramm, das finanziert werden muß. Es geht um die weitere Rationalisierung in der Landwirtschaft, es geht um die Verbesserung der strukturellen Grundlagen der Landwirtschaft, und auch die Ansiedlung industrieller Produktionsstätten in den sanierungsbedürftigen ländlichen Gebieten erfordert den Einsatz von Kapital. Ich glaube, daß deswegen ein Schwergewicht auf die Kapitalmarktpolitik gelegt werden muß, auf die Versorgung der Landwirtschaft mit Kapital, das auch in den Hergabebedingungen ihrer Ertragslage entspricht. Ich möchte insbesondere auf Grund der agrarpolitischen Diskussionen im Parlament der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf diesen Tatbestand hinweisen. Dort ist in allen bisherigen Diskussionen entscheidender Nachdruck auf diese Aufgabe gelegt worden.
Dieses Investitionsprogramm ist nun durch den Fünfjahresplan erweitert worden, den Herr Minister Lübke in seiner Regierungserklärung für die Ansiedlung der Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge in der letzten Woche hier verkündet hat. Ich will dazu jetzt nicht im einzelnen sprechen — das werden sicher andere Kollegen tun —; aber ich möchte zusammenfassend darauf hinweisen, daß wir uns um diese Aufgabe rechtzeitig und mit allem Ernst bemühen müssen. Wenn auch gegenwärtig die kapitalmarktpolitische Situation etwas günstiger zu sein scheint, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß wir in relativ günstigen Zeiten rechtzeitig vorsorgen sollten, damit wir auch dann, wenn wieder einmal etwas rauheres Klima herrscht, nicht davor zurückweichen müssen, weiter kräftig an der Lösung dieser Aufgabe zu arbeiten.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf ein Letztes hinweisen. Nachdem wir in diesem Jahre zum erstenmal im Grünen Bericht feststellen konnten, daß ein energischer Schritt nach vorn getan worden ist, ist es notwendig, auch hier noch einmal herauszustellen, daß das nicht zuletzt deswegen geschehen ist, weil in diesem Berichtsjahr gewisse Überhitzungserscheinungen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung gedämpft wurden, so daß wir von einer fast normalen Entwicklung der allgemeinen Konjunktur sprechen können. Ich bin sicherlich gegen den Verdacht gefeit, irgendwie Genugtuung darüber zu empfinden, daß diese Entwicklung vielleicht durch Tatbestände erzwungen wurde, die wir wahrscheinlich alle nicht wollen. Aber ich glaube, wenn wir uns die Tatbestände, die den Anlaß dazu

Lücker (München)

gegeben haben und über deren Beseitigung wir uns heute alle die Köpfe zerbrechen, vor Augen führen, dann müssen wir auch hieraus wieder die Erkenntnis ableiten, daß wir im Hinblick auf unsere gesamtvolkswirtschaftliche Entwicklung gut beraten sind, wenn wir von vornherein durch eine entsprechende Steuerung unserer gesamtwirtschaftlichen konjunkturellen Entwicklung, insbesondere bei der Lohn- und Preisentwicklung in den Bereichen, die in bezug auf die Chancen, ihre Produktivität zu steigern, besonders begünstigt sind, aber darüber hinaus für alle Bereiche der Wirtschaft ein Tempo finden, das es auch den weniger begünstigten Bereichen der Wirtschaft ermöglicht, mit der allgemeinen Entwicklung Schritt zu halten. Der diesjährige Grüne Bericht ist die Bestätigung dafür, daß das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes um so schneller und um so zufriedenstellender erreicht werden kann, je besser es uns gelingt, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von vornherein richtig zu steuern und zu sichern und sie uns nicht erst durch Tatsachen oktroyieren zu lassen, die wir eigentlich selbst bedauern.
Aber noch eine andere Frage muß hier angeschnitten werden. Ist die Agrarpolitik, wie sie sich in den Aussagen des Grünen Berichts und des Grünen Plans niederschlägt, geeignet, ohne nennenswerten Bruch 'in die Zukunft weiterzuführen, die durch die Entwicklung zum europäischen Gemeinsamen Markt gekennzeichnet ist?
Der Minister hat in seiner Regierungserklärung dazu einiges gesagt. Man wird wohl mit Recht glauben dürfen, daß die Konzeption der deutschen Agrarpolitik ohne wesentlichen Bruch in die gemeinsame europäische Agrarpolitik einmünden kann. Ich will mich hier sehr vorsichtig ausdrücken.
Meine verehrte Kollegin Frau Strobel und Kollege Schmidt argwöhnen in den Diskussionen in Brüssel und in Straßburg immer, wir könnten zu sehr Gefahr laufen, die Agrarpolitik der Bundesregierung Europa überzustülpen. Ich bin nicht so ängstlich. Ich bin der Meinung, was an unserer Agrarpolitik gut ist, wird für die gemeinsame europäische Agrarpolitik nicht schlecht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Unsere gemeinsame europäische Agrarpolitik wird um so besser sein, je mehr es uns gelingt, die besten Ideen und die besten Überlegungen aus der Agrarpolitik aller beteiligten Länder in einer Einheit zu verschmelzen, die allen Beteiligten tatsächlich zum Segen und zum Vorteil gereicht. Unlösbar ist diese Aufgabe nicht. Sie erfordert ebenfalls viel Geduld, große Zähigkeit und einiges Kopfzerbrechen, aber sie ist zu lösen. Wenn ich mir die Ideen, die noch in etwas nebulosem Zustand um das kreisen, was einmal gemeinsame europäische Agrarpolitik sein wird, vergegenwärtige, dann darf ich wohl heute bereits sagen, daß auch die deutsche Agrarpolitik durchaus in der Lage ist, zu der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik einen wesentlichen Beitrag zu leisten und ein Baustein zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich glaube auch an dieser Stelle Ihnen, Herr Minister, ein Wort der Anerkennung sagen zu müssen, daß Sie sowohl in der Konferenz von Stresa als auch in den vielen Agrarministerkonferenzen des Gemeinsamen Marktes von seiten der Regierung einen entscheidenden Beitrag für die ideenmäßige Gestaltung der zukünftigen gemeinsamen europäischen Agrarpolitik geleistet haben. Wir alle sind dazu aufgerufen, auch unseren Beitrag hierzu zu leisten.
Es sind im Grunde genommen die gleichen Probleme und die gleichen Aufgaben. Ich möchte annehmen, es werden deswegen auch die Methoden, die wir anwenden müssen, um die gemeinsame europäische Aufgabe zu lösen, nicht sehr unterschiedlich sein können. In diesem Sinne sollten wir auch unsere Aufgabe hier betrachten.
Was mich an dieser Stelle heute auszusprechen bewegt — ich darf zusammenfassen —, sind im wesentlichen die Gedanken, daß wir auf dem so erfolgreich begonnenen Weg unserer deutschen Agrarpolitik mit Mut und Kühnheit umsichtig fortfahren sollen. Der Weg war richtig, er ist richtig, und er wird auch für die überschaubare Zukunft richtig bleiben. Wir werden unsere Anstrengungen auf dem Gebiete der Rationalisierung unserer Landwirtschaft fortsetzen. Wir werden den Strukturwandel unserer Landwirtschaft weiterhin begünstigen, indem wir noch besser als bisher die Möglichkeiten ausschöpfen, die sich uns bieten, um den Menschen, die im Zuge der Entwicklung — nicht weil wir es ihnen durch Gesetz oktroyieren, sondern, und das ist uns das Wesentliche, weil sie sich in freier, eigenverantwortlicher Entscheidung dazu bekennen — aus der Landwirtschaft freigestellt werden, zu helfen, diesen Schritt zu vollziehen. Wir werden ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, die es ihnen gestatten, sei es allein auf Grund dieser neuen Beschäftigung oder in Verbindung mit einer landwirtschaftlichen Betätigung, ein ausreichendes Einkommen zu finden.
Wir werden sowohl auf dem Gebiete der Preise als auch durch Beihilfen, Subventionen in der landwirtschaftlichen Produktion sowie auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Betriebsmittel weiterhin unserer Landwirtschaft helfen und ihr jene Kapitalsummen zur Verfügung stellen müssen, die sie braucht, um ihre Aufgaben auf die Dauer voll erfüllen zu können.
Wenn wir auf diese Weise in bescheidenem Umfang unseren Beitrag für das Gelingen einer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik leisten, haben wir, glaube ich, die Pflicht, die uns unsere Verantwortung auferlegt, zufriedenstellend erfüllt. Wir haben damit das Unsere getan, um der deutschen und zugleich auch der europäischen Landwirtschaft eine gesicherte Zukunft zu gewährleisten, damit sie ihren Beitrag im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und auch zur Mehrung des Wohlstandes unserer Bevölkerung leisten kann.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0306401000
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0306401100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige grundsätzliche Ausführungen zu der heutigen Debatte über den Grünen Plan und den Grünen Bericht machen, während einige meiner Kollegen noch zu Einzelfragen Stellung nehmen werden. Ich möchte auch darauf verzichten, den Grünen Bericht hier noch einmal in Kurzfassung vorzutragen. Er ist seit über einer Woche in den Händen der Öffentlichkeit, der Minister hat ihn hier erläutert, und ich gehe von der Voraussetzung aus, daß die in ihm festgestellten Tatsachen und Zahlen schon Allgemeingut sind.
Ich freue mich, auch in diesem Jahre feststellen zu können, daß der Bericht offensichtlich in der Methodik Fortschritte gemacht hat. Das bedeutet natürlich immer noch nicht, daß er sozusagen die ganze nackte Wahrheit über die Lage der Landwirtschaft enthält. Es wird ja immer noch so argumentiert, daß dieser Grüne Bericht Unterlagen für ganz konkrete Forderungen in Mark und Pfennigen enthalte. Er enthält dagegen immer noch — und das ist vielleicht überhaupt nicht zu vermeiden —starke Verallgemeinerungen. In ihm kommen immer noch nicht andere, zum Teil sehr wesentliche Einnahmen der Landwirtschaft aus Nebenbetrieben, aus Wald- einschließlich Jagdpacht in die Rechnung, über deren Erhöhung ja immer so bewegt geklagt wird.
Darum ist unserer Ansicht nach eine weitere Verfeinerung der Methode notwendig. Wir müssen uns vor allen Dingen immer noch um die Vergleichbarkeit von Jahr zu Jahr bemühen, wie wir das schon im vergangenen Jahr hier dargelegt haben. Ich weiß, es gibt Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Methodik. Aber ich weiß auch, daß es eine Übereinstimmung unter denen, die mehr in die Zusammenhänge hineinschauen, darin gibt, daß der Bericht — vielleicht sogar notwendigerweise — methodische Fehler enthält, die seine Beweiskraft eben doch stark beeinträchtigen.
Sie finden dafür ein Beispiel auf den Seiten 17 und 18, wo festgestellt wird, man wisse nun, daß man in den vergangenen Berichten den Lohnaufwand falsch eingeschätzt habe. Das ist keine Schande. Das ist auch sicherlich nicht böswillig geschehen, ganz bestimmt nicht. Neuere Überlegungen und eine Verfeinerung der Methode haben eben zu dieser Erkenntnis geführt. Das beweist jedoch zugleich, daß gewisse Schlußfolgerungen, die man in den vergangenen Jahren auf Grund einer anderen Einschätzung gezogen hat, nicht richtig sind und daß man eigentlich alle zurückliegenden Grünen Berichte noch einmal nach dieser neuen Methode überarbeiten müßte, wenn wirklich alles einwandfrei sein sollte.
Es scheint mir unbedingt notwendig, daß wir sobald wie möglich in eine Überprüfung der Erfahrungen mit dem Gesetz eintreten, daß jetzt schon eine Reihe von Jahren besteht. Ich würde es dankbar begrüßen, wenn dieses Haus seinem zuständigen Ausschuß einen solchen Auftrag ausdrücklich
erteilte. Heute ist das ja kein Tabu und kein Glaubensbekenntnis mehr. Wir haben das Landwirtschaftsgesetz im besten Willen gemeinsam gemacht, und jeder Vernünftige kann leicht einsehen, daß im Laufe der Jahre, im Laufe der Anwendung eines Gesetzes, mit dem man doch im besten Sinne des Wortes Neuland betreten hat, Erfahrungen gemacht wurden, die ausgewertet werden sollten, und zwar nicht nur von den Technikern, sondern auch unter politischen Gesichtspunkten.
Wir haben uns das im vergangenen Jahr aus Anlaß einiger Anträge im Ernährungsausschuß vorgenommen. Leider aber haben wir bei der Arbeitseinteilung dieses Hohen Hauses für diese, wie mir scheint, sehr wichtige Aufgabe keine Zeit gefunden. Deswegen spreche ich die Hoffnung aus, daß es uns diesmal gelingt und wir recht bald damit anfangen können. Das gibt uns dann vielleicht auch die Möglichkeit, an dem Gesetz das eine und andere zu ändern, wo jetzt doch eher die Gefahr besteht, daß es zu einer Farce wird.
In weiten Kreisen besteht immer noch der Eindruck, der Grüne Plan sei eine zusätzliche Leistung der Bundesregierung für die Landwirtschaft. In Wirklichkeit ist es ganz anders: Der Grüne Plan ist nicht etwa das Resultat der Untersuchungen über die Lage der Landwirtschaft. Als die Bundesregierung im Sommer des vergangenen Jahres den Haushaltsplan, der jetzt in der Beratung ist, verabschiedete, stand im Einzelplan 10 schon ganz genau, was für den Grünen Plan ausgegeben wird. Ich will es Ihnen offen sagen: Gerade weil mir am Landwirtschaftsgesetz liegt, ist es mir ein bißchen lächerlich vorgekommen, daß nun die Aufschlüsselung des Betrages von 3 Millionen DM so gehandhabt wurde wie in einer spießbürgerlichen Familie die Weihnachtsbescherung. Erst als der Minister hier stand und den Bericht interpretierte, wurde die Drucksache verteilt, aus der dann das Geheimnis hervorging. Wir wußten doch alle schon, daß man, um die optische Illusion möglichst nicht zu stören, im Haushaltsplan ganz bestimmte Dinge weggelassen hatte, um sie in den Grünen Plan zu verweisen. Irgendwie mußte man ja mit dem von vornherein festgesetzten Betrag über die Runden kommen und wollte doch noch den Eindruck einer Sonderleistung, den Eindruck von etwas Besonderem, etwas Zusätzlichem erhalten.
Ich finde, das ist der Bedeutung dieser Angelegenheit nicht angemessen. Wir sollten uns also im Zusammenhang mit der Erörterung über Verbesserungen der Methodik auch einmal die Frage stellen, ob das nicht ein bißchen reeller, ein bißchen nüchterner und ein bißchen vernünftiger gemacht werden kann. Es würde der Sache sicherlich nur dienen, wenn ein solcher Auftrag des Hauses erteilt würde oder wenn sich der Ernährungsausschuß aus eigenem Entschluß dazu aufraffte. Das wäre auch die einzige Möglichkeit, mit solchen Vorstellungen wie „Sonder-Grüner-Plan" oder „Sonderbericht für Familienbetriebe" usw. usw. auf eine solide Weise fertig zu werden. Wir alle sind doch darum bemüht, dieses ernste und schwierige Problem, mit dem wir uns in dem agrarischen Teil unserer Wirtschaft heute beschäftigen müssen, auf



Kriedemann
eine möglichst ernste und ordentliche Weise sachlich zu lösen. Ich habe das so ausführlich gesagt, weil ich Angst habe, daß es uns eines schönen Tages mit dem Landwirtschaftsgestz genauso gehen wird wie mit der Marktordnung. Wenn wir den Kritikern, denen, die so etwas aus Grundsatz kritisieren, weil sie es eben nicht wollen, die Kritik zu leicht machen, wenn wir ihnen zu viele Ansatzpunkte für ihre mehr oder weniger freundlichen Bemerkungen geben, dann wird es sehr schwer sein, den nützlichen, wesentlichen und verteidigungswürdigen Kern dieses Gesetzes zu verteidigen. Machen wir uns doch bitte immer wieder klar: die Haushaltslage wird schwieriger, die Düsenjäger werden teurer, die Notwendigkeit, nach Einsparungsmöglichkeiten zu suchen, wird immer größer. Dann bieten sich solche Einrichtungen geradezu dazu an.
Bei aller Einschränkung, die man bezüglich des Aussagewertes des Berichts mit seinen verallgemeinernden Feststellungen nun einmal machen muß, möchte ich doch sagen, daß er ein erfreuliches Bild bietet. Die Landwirtschaft ist ein gutes Stück aufgerückt, mindestens in bestimmten, nicht sehr kleinen Bereichen. Die gute Ernte im Berichtsjahr, die stetige Aufwärtsentwicklung der Preise und die Strukturverbesserung haben das bewirkt. Dabei handelt es sich allerdings um zwei unsichere Faktoren: Gute Ernten kann man nicht planen, und daß die Möglichkeit, Erzeugerpreise noch weiter zu steigern — soweit sie überhaupt noch besteht —, außerordentlich gering ist, hat sich ja mittlerweile in weiten Kreisen herumgesprochen.
Um so wichtiger ist es, daß wir die als dritten Faktor genannte Strukturverbesserung mit allem Eifer und mit allem Nachdruck betreiben. Ich bin sehr dankbar dafür, daß hierzu im Grünen Bericht klare Aussagen darüber gemacht worden sind, wie sehr die Verringerung der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen und die Verringerung der Zahl der zu kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu der Verbesserung des Pro-Kopf-Einkommens beigetragen haben. Ich weiß, es ist gefährlich, das zu sagen, und es gehört Mut dazu; ich habe das oft genug am eigenen Leibe verspüren müssen, wenn allein die Feststellung dieser Tatsache zu mehr als nur gehässigen Unterstellungen führte. Ich verlasse mich aber darauf, Herr Minister, daß die Front der Menschen, die intelligent und anständig sind, zum Schluß für die Landwirtschaft mehr erreichen wird, als mit allen möglichen Versprechungen, die nachher doch nicht realisiert werden können, selbst wenn sie von der Regierungspartei abgegeben werden, erreicht werden kann. Die Entwicklung kann eben niemand aufhalten, es sei denn um den Preis einer allgemeinen Katastrophe. Aber mit den Folgen von Entwicklungen kann man fertig werden, wenn man sie beherzt ins Auge faßt und nicht die Augen vor ihnen verschließt.
Ich habe sehr gern gehört, daß heute vom Herrn Kollegen Lücker der gleiche Mut vor diesem Problem bezeugt worden ist, und ich habe auch gern
gehört, daß er dem Minister Anerkennung für seine Agrarpolitik, die diese Entwicklung unterstützt hat, gezollt hat. Nur hoffe ich, daß alles, was jetzt im Grünen Bericht steht und was der Kollege Lücker heute gesagt hat, auch in die Vortragsmanuskripte eingeht; denn wir haben es in den Verbandsorganen schon anders gelesen, und ich fürchte, Herr Minister, Sie haben es noch öfter ganz anders gehört.
Wie die Disparität innerhalb der Landwirtschaft wächst, erkennen wir aus dem Bericht gerade dadurch deutlich, daß sich eine Verbesserung in weiten Bereichen der Landwirtschaft abzeichnet. Die Disparität wächst zum Nachteil bestimmter Bereiche. Dabei handelt es sich sowohl um Betriebsgrößen wie um Betriebstypen wie um Betriebe, die sehr marktfern gelegen sind. Das können Sie auf der Seite 53, soweit die dort aufgeführten Zahlen mit denen des vergangenen Jahres vergleichbar sind, ganz deutlich und erschreckend klar sehen. Hier ist die Tatsache zu unterstreichen, daß wir es eben in erster Linie mit einem Strukturproblem zu tun haben.
Was haben denn unsere leistungsstarken Nachbarn uns an natürlichen Bedingungen voraus? Ich denke an Holland und Belgien. Unsere Menschen sind nicht weniger tüchtig als die, die dort Landwirtschaft betreiben. Sie haben uns in Wirklichkeit nur eine lange Tradition nüchterner, sachlich orientierter Agrarpolitik, eine bessere Struktur ihrer Landwirtschaft und eine bessere Organisation voraus. Diese innere Disparität kann man nicht dadurch beseitigen, daß man Subventionen gibt oder eine Preispolitik betreibt, mit der man die Einkommen zu steigern sucht. Hier kann man vielmehr wirklich nur mit gezielten Maßnahmen etwas erreichen. Das ist ja nicht mehr nur eine sozialdemokratische Erkenntnis — wir haben in dieser Erkenntnis allerdings eine gewisse Priorität, auf die wir zu Recht stolz sein können —, sondern der ganze Bundestag hat in zwei Entschließungen im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht, daß eben hier und da und dort angepackt werden muß mit den Mitteln, die hier und da und dort die geeigneten Mittel sind.
Die globalen Subventionen sind nun einmal ungerecht, ganz egal, um welche es sich dabei handelt, ob etwa um die Düngemittel- oder die Milchsubvention. Man braucht noch nicht einmal das extreme Beispiel eines großen Unternehmens heranzuziehen, das Zuckerrüben nicht nur verarbeitet, sondern auch erzeugt und neben einer hohen Dividende, die es ausschüttet — sehr erfreulich für die Aktionäre —, noch Hunderttausende von Mark an Düngersubventionen bekommt, was man sich aus der Rübenanbaufläche dieses Unternehmens sehr leicht errechnen kann. Sehr viel sinnvoller sind solche globalen Subventionen auch bei der Milch nicht. Vergleichen Sie jemanden, der seine Milch in Nordrhein-Westfalen absetzt und Trinkmilch produziert — weil er so marktnahe liegt — und dessen Auszahlungspreis nahe an die 40 Pfennig herankommt, mit einem, der sich in marktferner Lage befindet, etwa im Allgäu, und der noch nicht einmal 30 Pfennig erzielt! Beiden soll geholfen werden, indem man ihnen pro Liter Milch 3 Pfennig zuzahlt, dem einen, der es entbehren kann, der darauf keinen



Kriedemann
Anspruch erheben kann, und dem anderen, für den das weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein ist!
Daß diese Ungerechtigkeiten bestehen, kann man nicht wegdiskutieren oder mit verallgemeinernden Tabellen widerlegen, auch nicht mit solchen verschleiernden Behauptungen wie der, daß das ja eigentlich eine Leistung zugunsten des Verbrauchers sei, wie ich es neulich aus dem Munde von Herrn Lübke gehört habe, als er sich über die Milchsubventionen äußerte. Der Verbraucher braucht doch nicht dafür besonders zu bezahlen, daß er Milch aus gesunden Beständen bekommt! Das ist vielmehr sozusagen sein ursprüngliches Recht, damit fängt die ganze Sache erst an. Wenn die Landwirtschaft instand gesetzt werden muß, frühere Versäumnisse nachzuholen, damit sie jenem natürlichen Anspruch genügen kann, sind Subventionen durchaus am Platz; aber das sind dann eben Subventionen zugunsten der Erzeuger, zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, — höchst notwendige Maßnahmen, wenn wir nicht eines schönen Tages erleben wollen — und im Gemeinsamen Markt werden sich dazu von Jahr zu Jahr größere Chancen bieten —, daß nur unsere Konkurrenten solche einwandfreie Ware ohne Mehrpreis auf den Markt bringen; und das wäre doch sehr peinlich.
Es handelt sich dabei nicht um Anpassungsmaßnahmen. Der Minister hat gesagt: Warum sollen wir nicht das tun, was später einmal die Europäische Kommission sicherlich tun wird, nämlich Subventionen gewähren, um einer bestimmten Betriebsgruppe eine Hilfe zu geben oder eine bestimmte Umstellungsmaßnahme zu fördern? Jawohl! Aber das haben wir ja bisher leider nicht gemacht, wie Sie alle wissen. Es ist ja sicherlich nicht ein Zufall, daß nun ein praktischer Anfang mit dem Abbau der Subventionen gemacht wird. Darüber hinaus hat der Minister ja schon angekündigt, daß es mit der Düngersubvention noch ernster werden soll.
Aber lassen Sie mich das sagen: es dreht sich für uns bei der Kritik an den Subventionen auch heute nicht — ebensowenig wie in den vergangenen Jahren — etwa um die Höhe des Betrages. Wir haben bei der Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes ganz deutlich gesagt, es sei uns klar, daß erhebliche Mittel eingesetzt werden müßten, um unsere Landwirtschaft an die neuen Verhältnisse Anschluß finden zu lassen. Es dreht sich immer nur darum, wie dieser Betrag verteilt wird, wie er eingesetzt wird, um dieses Ziel zu erreichen, nicht um seine Höhe, sondern nur um die Methode.
Dabei bin ich mir im klaren, daß darüber hinaus Subventionen für lange Zeit in all den Bereichen notwendig sein werden, in denen sich die nötigen strukturellen Anpassungen nicht oder erst in einem sehr langen Zeitraum durchsetzen lassen. Wir haben — nicht wir, sondern die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung — in der Richtung sicherlich viel versäumt. Sie werden mir zugeben, daß dies gerade in den Jahren der Hochkonjunktur bezüglich der Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Räumen der Fall gewesen ist, in denen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft wegen der technischen Entwicklung, wegen all der Dinge, die Herr Kollege Lücker vorhin so treffend dargestellt hat, abwandern müssen und nun auf eine neue produktive Arbeit warten. Ich würde es ganz gerecht finden, wenn sich die Strafe für dieses Versäumnis in einem bestimmten Betrag im Haushalt niederschlüge, nämlich als Subvention an diejenigen, die ohne eigene Schuld — es sei denn, daß sie eine falsche Partei gewählt haben — Opfer dieser Versäumnisse geworden sind und die wir, jedenfalls wir Sozialdemokraten, nicht hilflos auf der Strecke lassen wollen, ebensowenig wie wir die Kasten für die Versäumnisse etwa den Verbrauchern aufgebürdet sehen wollen.
Mit großer Genugtuung konstatieren wir also einen ersten Schritt in der immer von uns geforderten Richtung: weniger an Subventionen und mehr für die Maßnahmen zur Strukturverbesserung. Denjenigen, die sich hier schon als Kritiker dieser Entwicklung angemeldet haben, sollten wir sagen, sie mögen sich mit ihrer Kritik möglichst zurückhalten. Sie waren doch früher immer so stolz und haben gesagt, sie wollten sich nichts schenken lassen. Sollen sie sich doch jetzt auf ihren Stolz besinnen, damit sie nicht in den Verdacht geraten, daß es ihnen damals mit ihren Protesten nicht so ernst war.
Ich will mich nicht auf Einzelheiten über die Strukturfragen einlassen; darüber wird später gesprochen werden. Aber ich möchte eines ganz deutlich sagen. Der im Grünen Plan vorgesehene größere Betrag ist unserer Überzeugung nach im vollen Umfange auch erforderlich. Ich sage das deshalb, weil ich den leisen Verdacht habe, daß er möglicherweise von hinten herum — mindestens in gewissen Teilen — zweckentfremdet werden könnte. In der Aufzählung der Aufgaben finden sich einige Positionen, die nachher in der Addition nicht wiederkehren. Ich denke dabei an die Alterssicherung für die Landwirtschaft; der Betrag darf unter gar keinen Umständen etwa von den für die Aufstockung und Aussiedlung und Flurbereinigung vorgesehenen Mitteln abgezogen werden, ebensowenig wie etwa irgendeine Hilfe für die weichenden Erben auf diese Weise finanziert werden könnte. Ich sage das mit allem Nachdruck. Das erste ist schon deswegen nicht zumutbar, weil Sie — die Mehrheit meine ich — schon damals so leidenschaftlich dagegen gekämpft haben, daß wir in den Katalog der Mittel zur Durchführung des Landwirtschaftsgesetzes die Sozialpolitik hineinnehmen wollten. Wir sind davon überzeugt, daß eine sozialpolitische Maßnahme von diesem Rang und dieser Bedeutung auch etatmäßig dahin gehört, wo die anderen sozialpolitischen Maßnahmen stehen. Darüber müßten Sie sich dann vielleicht mit Ihrem Finanzminister oder mit Ihrem Sozialminister noch einmal auseinandersetzen. Hier dürfen diese Mittel jedenfalls nicht weggenommen werden, wenn man sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, daß man nur so tut, als ob man täte, daß man so tut, als täte man mehr für die Struktur, während man in Wirklichkeit weniger dafür tut,



Kriedemann
weil man unter der irreführenden, mißbräuchlichen Bezeichnung „Strukturpolitik" alles mögliche andere unterbringen will.
Das gilt auch für die Überlegungen bezüglich einer Entschädigung für die weichenden Erben. Es ist unser gemeinsames Ziel, daß kein Hof zerschlagen wird, auch dann nicht, wenn er im Erbgang an einen anderen übergeht. Aber wie sich die Familie darüber auseinandersetzt, muß sie selber wissen. Darüber kann in einem auf Privateigentum gegründeten Rechtsstaat niemand anders befinden. Wahrscheinlich kommt es doch für niemanden, auch für niemanden von der Mehrheit in Frage, etwa Steuermittel für die Abfindung von Erben aufzuwenden, die dann von Leuten aufgebracht werden müssen, die in ihrer großen Mehrheit gar nichts zu vererben haben.
Noch einmal also: dieser größere Betrag ist für die beiden Aufgaben, für die er im Grünen Plan angesetzt ist, absolut notwendig.
Darüber hinaus scheint es uns noch einige andere Aufgaben zu geben, über die, wie gesagt, nachher noch gesprochen werden wird. Ich will hier nur feststellen: soweit wir größere Aufwendungen wünschen, werden wir uns auch — und wir werden uns darum sowohl im Ernährungsausschuß wie im Haushaltsausschuß bemühen — um die Deckung kümmern. Unserer Überzeugung nach kann eine weitere Verbesserung des Strukturprogramms durch Einsparungen bei der Einfuhr- und Vorratstelle für Getreide sehr leicht und mit bestem Gewissen gedeckt werden. Darüber hinaus wird es nach unserer ) Meinung auch gar nichts schaden, wenn der erste kleine Schritt auf dem Wege zum Abbau der ungerechten und, wie mir scheint, wirklich unsinnigen Düngersubvention gleich noch ein bißchen größer gemacht wird. Um so schneller gewöhnen sich die Leute an die neuen Zeiten, an die Wirklichkeit.
Nun möchte ich noch ein paar Bemerkungen zur allgemeinen Agrarpolitik am Anfang der EWG machen. Vor allem möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Gemeinsame Markt ja schon begonnen hat. Man sollte endlich aufhören, immer mit der „Schonfrist", mit den „langen Fristen" zu operieren, die wir da haben. Nein, nein, wir haben keinen Tag und keine Stunde zu verlieren.
Ich bin sehr dankbar, daß der Minister auch hier auf die Verpflichtungen, die für uns bestehen, und auf unsere wirkliche Interessenlage hingewiesen hat. Ich meine die Stelle seiner Rede, wo er darauf aufmerksam machte, was die Aufrechterhaltung unserer Handelsbeziehungen für unseren Lebensstandard und damit für die landwirtschaftlichen Absatzchancen bedeutet. Ich will hier meine vorhin ausgesprochene Hoffnung noch einmal ausdrücken, Herr Kollege Lücker. Ich hoffe, daß alle diese Erkenntnisse, wie gesagt, in alle Rednermanuskripte eingehen, damit wir uns dann leichter darüber verständigen können.
Ich möchte jetzt keine Getreidedebatte vom Zaun brechen, obwohl ja die Frage nach dem richtigen Getreidepreis sicher alle Gemüter bewegt, und ich hoffe, daß wir uns darüber sehr bald unterhalten
können. Aber wir haben das Getreidepreisgesetz, und da scheint mir der richtige Platz dafür zu sein. Nur das wollte ich sagen: Der Minister hat hier an einer Stelle seiner Erklärung dargestellt, wie wir mit höheren Kosten für Futtergerste wirtschaftlicher liegen als unsere Konkurrenten. Das wäre ja eigentlich geradezu eine Veranlassung, nicht nur keine Angst vor einer Senkung der Futtergerstepreise zu haben, sondern wäre eigentlich geradezu ein Anlaß, zu sagen: Wollen wir schnell damit herunter, damit wir unsere Marktchancen noch wesentlich verbessern. Aber, wie gesagt, das wollen wir im einzelnen bei anderer Gelegenheit behandeln. Wir werden aber jetzt schon jeden bitten müssen, sich seine eigenen Gedanken über die Getreidepreisfrage zu machen, um wohlvorbereitet in die Debatte zu kommen, nachdem wir wissen, daß wir demnächst anfangen, wegen unserer hohen Getreidepreise die Franzosen zu subventionieren. Was bisher im Wege der Abschöpfung dem Finanzminister zugute kam — und das war schon höchst bedauerlich —, kommt nun, wenn wir uns nicht schnellstens einem einheitlichen Getreidepreisniveau nähern, mehr und mehr denjenigen zugute, die unter Inanspruchnahme ihrer Rechte aus dem EWG-Vertrag billiges Getreide nach Deutschland liefern, ohne Rücksicht darauf, ob wir es brauchen oder nicht. Aber es ist nun einmal so, die Frage lautet nicht mehr: Brauchen wir das?, sondern nur: Was ergibt sich zwingend aus dieser Marktgemeinschaft, und wie werden wir damit fertig?
Mir ist bei der Meinung des Herrn Kollegen Lücker, daß das, was für Deutschland gut ist, auch für Europa nicht schlecht sein kann — so eine Art Globalempfehlung unserer Marktordnung für den größeren Raum —, eine Redensart eingefallen, die von irgendeinem wohlsituierten amerikanischen Minister stammt, der gesagt hat: Was für General Motors gut ist, ist auch für die Vereinigten Staaten gut.

(Heiterkeit.)

Das hat dort schon nicht gestimmt, und es stimmt auch in diesem Zusammenhang nicht. Ich will jedenfalls keinen Zweifel daran lassen, daß unbeschadet unseres Bekenntnisses zur Marktordnung auch unsere Kritik an der Marktordnung aufrechterhalten wird und daß wir uns, ehe wir die deutsche Marktordnung so als ein europäisches Modell empfehlen können, ernsthaft bemühen müssen, die Marktordnung von den Fehlern, Schwächen und Mißbräuchen zu befreien, unter denen wir sehr erheblich zu leiden haben. Ich bin also immer begierig, darüber einmal etwas vom Minister zu hören. Der Herr Minister hat neulich hier wieder behauptet, daß die Marktordnung keineswegs nur der Preisstützung und der Marktentlastung zugunsten der Erzeuger diene, sondern daß auch die Verbraucher etwas davon hätten. — Herr Minister, Sie sagten schon so, aber nehmen Sie bitte nicht einen solchen Fall, bei dem einmal notgedrungenerweise Fleischkonserven unter die Leute gebracht werden mußten, weil sie sonst verrostet oder verschimmelt wären. Das ist nicht das, was der Verbraucher von der Marktordnung zu erwarten hat. Im übrigen warten wir ja immer noch auf die von der Regierung im 2. und 3. Bundestag

Kriedemann
angekündigte Reorganisation dieser Einrichtungen. Wenn wir das rechtzeitig tun und uns selber rechtzeitig über die Unzulänglichkeiten, über das Übertriebene usw. im klaren werden, haben wir vielleicht eine größere Chance, unseren europäischen Nachbarn ein solches Modell anzubieten.
Wir stehen eben vor der Notwendigkeit einer völligen geistigen Neuorientierung. Von den Vorstellungen, daß die Landwirtschaft das Volk ernähre, von den Vorstellungen der Autarkie müssen wir Abschied nehmen. Wir müssen uns mit der Notwendigkeit vertraut machen, die Erzeugung dem Verbrauch anzupassen. Dazu haben wir uns ja in mehr oder weniger feierlicher Form wiederholt im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Markt verpflichtet. Wir müssen dabei die Einfuhren berücksichtigen, die sich nicht etwa aus einer Unterversorgung auf Grund ungenügender deutscher Produktion, sondern aus der Notwendigkeit ergeben, Äquivalente für unseren Export zu schaffen. Der Herr Minister hat deutlich gesagt — Sie finden das auf Seite 3353 des Stenographischen Berichts —, was dieser Export für unseren Lebensstandard und damit auch für die Verkaufschancen der Landwirtschaft bedeutet. Sicher wollen wir die pflanzliche Bodenproduktion rentabel erhalten. Aber wir werden ernsthaft zu prüfen haben, in welchem Umfang das möglich ist. Wir müssen uns dabei von der Vorstellung frei machen, daß das z. B. hohe Getreidepreise bedeutet. Mindestens einige von Ihnen wissen, daß die dänische Landwirtschaft ihre Veredelungsproduktion keineswegs etwa in vollem oder nur in großem Umfang auf der Basis eingeführten Futtergetreides betreibt. Sie hat ihre Bodenproduktion rentabel gestaltet bei Preisen für Veredelungserzeugnisse, von denen wir durchaus noch etwas lernen können. Wenn neulich aus der Rede des Ministers der Eindruck entstanden sein sollte, daß wir mit unseren höheren Futtergetreidepreisen, unseren höheren Kosten also, mit den Preisen für Veredelungsprodukte etwa da liegen, wo die anderen sind, dann ist es, glaube ich, fair und notwendig, zu sagen, daß wir das nicht auf die Kosten oder auf die Preise bei Einfuhren abstellen können. Denn wir wissen ja, wie sehr unser Einfuhrsystem dazu beiträgt, die Preise zu steigern, wenn wir einführen müssen, — auch eine Frage, die im Zusammenhang mit der Handhabung der Marktordnung diskutiert werden sollte.
Zum Schluß folgendes. Der Minister hat neulich eine Bemerkung über die Notwendigkeit der Schonung der Kaufkraft gemacht. Mir scheint, daß das eine richtige und wichtige Erkenntnis ist, die hier mit allem Nachdruck unterstrichen werden muß. Sie scheint mir eine ausgezeichnete Richtschnur für die Agrarpolitik zu sein, die wir heute zu treiben verpflichtet sind, wenn wir über die Runden kommen wollen. Diese Erkenntnis bedeutet nämlich, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Maßstäbe auch für die Landwirtschaft gelten müssen.
Diejenigen, die mit der Praxis des landwirtschaftlichen Berufs vertraut sind, haben mitunter ein sehr ungutes Gefühl, wenn allzusehr betont wird, wie sehr man von Wind und Wetter abhänge und so weiter. So ist es ja auch nicht mehr, wie es zu Olims
Zeiten war. Wir haben doch durch die Technik und durch die Erweiterung unseres Wissens von allen möglichen Vorgängen in der Natur auch hier schon mehr Einfluß auf den Gang der Dinge als früher, wo einem nichts anderes übrigblieb, als zu säen und darum zu beten, daß es eine gute Ernte geben möge. In der Tatsache, daß die landwirtschaftliche Produktivität, die Leistung der Landwirtschaft, so gesteigert werden konnte, wie es im Grünen Bericht steht, was sicherlich jeder schon gelesen hat — anderenfalls hat er es von dem Kollegen Lücker noch einmal vorgetragen bekommen —, liegt in erster Linie der Beweis dafür, wie groß die unaufgeschlossenen Reserven dort noch gewesen sind. Es ist völlig klar, daß der Fortschritt in den Bereichen, wo es solche Reserven gibt, viel größer ist als in den Bereichen, in denen man schon immer gezwungen war, alles herauszuholen, was nur irgendwie möglich war. Ich sage das deshalb, damit nirgendwo der Eindruck entsteht, es gehe mit der Landwirtschaft jetzt erfreulicherweise in rasendem Tempo bergauf, während unsere gewerbliche Wirtschaft Ermüdungserscheinungen in ihrer Aufwärtsentwicklung erkennen läßt.
Die richtige agrarpolitische Zielsetzung ist für den allgemeinen Leistungsstand der Gesamtwirtschaft außerordentlich wichtig. Ein möglichst hoher Leistungsstand der Gesamtwirtschaft ist die beste Garantie dafür, daß die Landwirtschaft eine gesicherte Zukunft hat. Auch in diesem Zusammenhang dürfen wir die drohenden Zeichen der Zeit nicht übersehen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß derjenige, der zu viel verteidigt, meistens alles verliert. Wenn wir unsere gesamtwirtschaftliche Leistung und Produktivität nicht ständig steigern, werden wir unseren Lebensstandard nicht halten können und in der Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Wirtschaftssystemen zum Schluß unsere Freiheit verlieren. Das würde die Landwirtschaft am schmerzlichsten treffen. Wenn wir sie dagegen sichern wollen, dann am besten durch eine Agrarpolitik, die für die Landwirtschaft dieselben Maßstäbe gelten läßt wie für alle anderen Wirtschaftsbereiche.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß dazu Hilfen notwendig sind, daß das nicht allein aus der eigenen Kraft der bäuerlichen Bevölkerung geschehen kann. Diese Hilfen müssen aus öffentlichen Mitteln gegeben werden. Sie müssen nach intelligenteren Verfahren gegeben werden, z. B. über eine bessere Kreditversorgung. Zur Vermeidung von Fehlinvestitionen und von Reinfällen auf irgendwelche Propaganda von Leuten, die irgendeine neue Maschine verkaufen wollen, sollte man diese Kreditversorgung möglichst dadurch sichern. daß man sie mit einer .entsprechenden Beratung koppelt.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaie r.)

Diese Beratung hat allerdings nur dann einen Sinn, wenn sie Stück einer zeitgemäßen, auf die Zukunft gerichteten, auf die neuen Bedingungen, unter denen wir hier leben und arbeiten müssen, abgestellten Agrarpolitik ist.

(Beifall bei der SPD.)





Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306401200
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0306401300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz nicht so sehr zum Grünen Bericht als vielmehr zu den Maßnahmen des Grünen Plans Stellung nehmen.
Einige Vorbemerkungen zum Grünen Bericht. Es ist ohne Zweifel so, daß er in seiner Erstellung von Jahr zu Jahr unanfechtbarer und besser wurde. Er gibt ein getreues Spiegelbild der Lage der deutschen Landwirtschaft nach Betriebsgrößenklassen und nach Wirtschaftstypen. Damit wird er den §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes gerecht. Das entscheidende Moment, nämlich der Vergleich der Einkommen der bäuerlichen Betriebe mit den Einkommen vergleichbarer Gruppen in der gewerblichen Wirtschaft, könnte meines Erachtens auf eine noch etwas verfeinerte Grundlage gestellt werden.
Herr Minister Lübke hat darauf hingewiesen, daß sich die Ertragslage gebessert hat. In der Zeit, für die die letzten drei Grünen Berichte erstellt wurden, mußte man im Durchschnitt mit einer Lohndisparität von minus 33 % rechnen. Im vergangenen Jahr hat sich die Lage so gebessert, daß sich die Einkommensdisparität auf 22 % verringert hat.
Nun kann man sich fragen, ob es richtig war, die Gruppen zum Vergleich heranzuziehen, die herangezogen worden sind. Die Diskussionen darüber gehen weiter, ob man nur die gewerblichen Arbeiter heranziehen darf, die auf dem Dorf wohnen und I Tür an Tür mit den Bauern hausen, oder ob man nicht vielleicht auch die Industriearbeiter der Stadt heranziehen sollte. Wenn man nämlich deren Einkommen vergleicht — ich will jetzt auf Einzelheiten nicht eingehen —, bekommt man ein anderes Bild. Dann ergäbe sich, weil die Löhne der Industriearbeiter zusammen mit den Fremdarbeiterlöhnen im letzten Jahr nicht stillgehalten haben, sondern gestiegen sind, heute noch eine Lohndisparität von 30 %; im letzten Jahr würde sie 33 % betragen haben. Ich stelle anheim, darüber Überlegungen anzustellen.
Eine weitere Frage ist die, ob man den Jahresarbeitsverdienst oder den Stundenarbeitsverdienst heranziehen soll. Sie wissen, daß die zusätzliche Arbeit auf dem Bauernhof in Gestalt zahlreicher Überstunden, die über die 2700 Stunden im Jahr hinaus geleistet werden, ebensowenig zum Vergleich herangezogen wurde wie etwa die in den kritischen Sommermonaten notwendige Sonntagsarbeit.
Schließlich ist noch zu fragen, ob es richtig ist, die Arbeitskraft der Bäuerin je verpflegte Person im Haushalt mit etwa 0,20 Vollarbeitskräften anzusetzen. Ich gebe zu bedenken, Herr Minister, ob das möglich ist. Ich habe gehört, daß zur Zeit Untersuchungen laufen, die darauf abzielen, diese Dinge zu verbessern. Wir begrüßen das.
Nun zu den Ergebnissen! Schon lange Monate vor Veröffentlichung des Grünen Berichtes konnte man in allen Zeitungen lesen, daß sich der Unterschied zwischen Ertrag und Aufwand, also der Unterschied
zwischen den Verkaufserlösen und den tatsächlichen Betriebsausgaben im Jahre 1957/58, für das die Ergebnisse jetzt vorliegen, um 800 Millionen DM gebessert habe. Das ist sicher ein recht erfreuliches Ergebnis. Aber wenn wir eine Untersuchung darüber anstellen wollen, ob die Maßnahmen des Grünen Plans in der Vergangenheit richtig waren und ob die des vorliegenden Grünen Planes richtig sind, müssen wir nachforschen, woher das Plus von 800 Millionen DM rührt. Wir erkennen dann folgende Ursachen — teilweise sind sie durch meine Vorredner schon genannt worden —: ein höheres Ernteergebnis des Jahres 1957, ferner Mehreinnahmen bei Sonderkulturen, vor allen Dingen bei Hopfen; diese wurden mit eingerechnet. Im Gegensatz zu manchen anderen vertrete ich die Ansicht, daß das Mehr außerdem eine unmittelbare Auswirkung der sogenannten globalen Förderhilfen bei den künstlichen Düngemitteln und bei der Milch ist. Mit dieser Auffassung stehe ich nicht allein. Im vergangenen Jahre betrug die Hilfe bei Dünger 56 Millionen DM mehr als im Jahre 1956/57. Bei der Milch fiel die Hilfe erstmals im vergangenen Jahr entscheidend ins Gewicht; denn im Jahre 1956/57 kam die damalige Hilfe von 4 Pf je Liter nur für ein Vierteljahr in Anrechnung. Für das ganze Rechnungsjahr 1956/57 war aber ein Betrag von 480 Millionen DM aufgewendet worden. Auf das Dreivierteljahr kann man daher mit 360 Millionen DM rechnen. Wenn Sie an Hopfenmehreinnahmen 150 Millionen DM berücksichtigen, haben Sie bereits 566 Millionen DM. Es bleiben für die höhere Ernte danach noch 240 Millionen DM übrig. Tatsächlich war aber das Mehrergebnis bei Getreide 212 Millionen DM und bei Zuckerrüben 200 Millionen DM. Man kann damit nachweisen, daß das Plus durch diese globalen Hilfen mit bedingt war.
Ich darf darauf hinweisen, daß das bekannte Ifo-Institut in München bereits Ende Oktober des vergangenen Jahres zu den gleichen Feststellungen gekommen ist. Dieses Institut hat in einem Gutachten erklärt, man komme, wenn man diese zusätzliche Hilfe abrechne, zu dem Ergebnis, daß sich die Lage der Landwirtschaft nicht gebessert habe, sondern gleichgeblieben sei, wenn sie sich nicht sogar verschlechtert habe.
In dem vorliegenden Grünen Plan ist bei diesen globalen Maßnahmen erstmals ein gewaltiger Abstrich vorgenommen worden. Bei der Milch sind es 24 Millionen DM, bei Dünger ist es nahezu ein Drittel der bisherigen Mittel.
Meine Damen und Herren, ich möchte die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur keineswegs als zweitrangig hinstellen; im Gegenteil, ich halte sie für eine Grundlage zur Besserung der Verhältnisse. Aber ich darf darauf hinweisen, daß das Landwirtschaftsgesetz vor vier Jahren mit deshalb geschaffen wurde, weil die Marktordnungsgesetze und der sogenannte Lübke-Plan nicht ausgereicht hatten. Der Herr Bundesernährungsminister Lübke hatte diesen Plan bei seinem Amtsantritt im Herbst 1953 verkündet; er befaßte sich insbesondere mit agrarstrukturellen Maßnahmen. Bei der Schaffung des Landwirtschaftsgesetzes stand der Gedanke



Bauknecht
im Vordergrund, daß die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft gebessert werden müsse.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß kürzlich im Ernährungsausschuß bei der Diskussion, ob es möglich sei, die Familienbetriebe aus den allgemeinen Testbetrieben herauszukristallisieren, die Frage gestellt wurde, wie es sich mit diesen Testbetrieben verhält. Da wurde seitens des Ministeriums zur Antwort gegeben, daß die Testbetriebe in ihrer erdrückenden Masse strukturell gesund seien. Das heißt, daß es den Betrieben, die agrarstrukturell krank sind, also den ganz kleinen oder denen, deren Fluren noch nicht bereinigt sind, noch schlechter geht, als der letzte Grüne Bericht ausweist.
Nun haben meine Kollegen schon auf die leidige Tatsache aufmerksam gemacht — und hier gebe ich Herrn Kriedemann völlig recht —, daß schon vor Verkündung des Grünen Berichts für die Hilfen im Grünen Plan eine Grenze nach oben vorgesehen war. Man mußte sich offenbar nach der Decke strecken. Das heißt, dem Bundesernährungsminister wurden nicht mehr Mittel bewilligt, als im Jahre zuvor für den Grünen Plan ausgegeben wurden oder, besser gesagt, nicht für den Grünen Plan, sondern für den Gesamtetat seines Ministeriums. Nun hat sich der Herr Bundesernährungsminister, der in seinem Etat schon einige zwangsläufige Mehrausgaben hatte, dadurch geholfen, daß er einige namhafte Positionen aus dein Etat 10 herausgenommen und in den Grünen Plan hineingepackt hat. Nach außen hin sieht es nun so aus, als bekäme die Landwirtschaft wieder 1,314 Milliarden wie im Jahre zuvor; aber in Wirklichkeit ist es erheblich weniger.
Bei den Rücksprachen darüber ist seitens der Landwirtschaft erklärt worden, es sei anzuerkennen, daß die Disparität noch vorhanden sei, daß das Einkommen niedriger liege und daß man versuchen müsse, das Fehlende auf dem Markt zu beschaffen. Nun, meine Damen und Herren, wie liegen die Dinge auf dem Markt? Wir haben vorhin gehört, daß wir uns in den Anfangsstadien der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und damit auch eines gemeinsamen Agrarmarkts befinden. Man hat schon sehr offene Diskussionen über den kommenden Getreidepreis und das gesamte Agrarpreisniveau des europäischen Marktes gehört. Nachdem wir bei Getreide, Zuckerrüben und Trinkmilch schon eine bestimmte Preishöhe erreicht haben, die zum Teil wesentlich über der anderer Länder liegt, und da es sich hier um feste Preise handelt, muß man sich fragen, was denn auf diesem Markt noch zu holen ist. Da ist keinerlei Chance, daß wir durch Erhöhung der Getreidepreises, der Rübenpreise oder der Trinkmilchpreise noch etwas herausholen könnten. Nur auf dem Markt für Rinder, Kälber und Schweine gelang es in den letzten Monaten, etwas aufzuholen und damit das Schlimmste zu verhüten, damit sich die Lage der Landwirtschaft nicht erneut verschlechterte.
Die Lage auf dem Markt der Milchprodukte ist wohl zur Genüge bekannt. Die eigene Produktion an Butter deckt heute den Bedarf der Bevölkerung auch bei steigendem Konsum vollauf. In diesem Zusammenhang möchte ich einer Behauptung, die immer wieder in der Öffentlichkeit gemacht wird, entgegentreten. Man sagt nämlich — man konnte das in dieser Woche in führenden Zeitungen der Bundesrepublik lesen —, die Milchprämie habe sich als Bumerang erwiesen, weil die Erzeugung nunmehr den Bedarf übersteige und dadurch die deutschen Milchpreise in Gefahr kämen. Ich möchte dieser Behauptung mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Man sollte doch wissen, daß der Milchpreis in Deutschland entscheidend durch die Importe beeinflußt wird. Im vergangenen Jahr wurden importiert allein an Käse 88 000 t, an Vollmilchpulver 13 000 t und darüber hinaus noch ganz beträchtliche Mengen von Kondensmilch. Meine Damen und Herren, diese Importe haben den Milchpreis bestimmt, aber nicht etwa eine deutsche Produktion, die am Markt vorbeigegangen wäre. Man redet von einer „Erzeugung am Markte vorbei". Wenn man aber in Europa zu einer Wirtschaftsgemeinschaft kommen will, darf man die Dinge nicht einseitig sehen. Man darf nicht sagen: Deutschland produziert am Markte vorbei, während es seinen eigenen Bedarf noch nicht gedeckt hat und es unseren Nachbarländern, vor allen Dingen unseren Freunden in Holland, gestattet sein soll, sehr viel mehr zu produzieren; sie produzieren ja wesentlich am Markte vorbei.

(Abg. Kriedemann: In der EWG gibt es keine nationale Autarkie mehr, Herr Kollege Bauknecht!)

- Wir wollen keine Autarkie. Aber wir wollen dasselbe Recht. Wir wollen nicht, daß wir beschimpft werden, wir produzierten am Markte vorbei, während wir die Überschüsse der anderen Länder, die Agrarsubventionen gewähren, aufnehmen müssen. Dagegen wehren wir uns.

(Abg. Kriedemann: Es ist jetzt ein gemeinsamer Markt!)

— Es wird ein gemeinsamer Markt, aber dann auch die gleichen Methoden!
Es muß gesagt werden, daß die Dinge durchaus nicht in Ordnung sind. Alle Länder des Westens, angefangen von Osterreich, über die Schweiz, Frankreich, Belgien, Holland bis hin zu England, garantieren ihren Milcherzeugern feste Preise. Die Überschüsse dieser Länder werden dann immer zum Schaden der deutschen Landwirtschaft nach Deutschland exportiert.
Die Preise sind bekannt. Ich will es mir ersparen, darauf einzugehen. Aber auf eines darf ich hinweisen, wenn man sagt, wir wendeten mit den globalen Hilfen zuviel für unsere Landwirtschaft auf: Unser Nachbarland Holland — das wird von niemandem bestritten — hat nach eigenen Veröffentlichungen der holländischen Staatsorgane im Jahre 1958 zwischen 8 und 9 Pf die Milchpreise auf Staatskosten aufgepolstert bis auf einen Erzeugerpreis, der um 30 Pf liegt. Das muß gesagt werden, wenn man es bei uns als unverantwortlich bezeichnet, die Milchprämie von 3 Pf weiter zu zahlen. Der Plan für 1959, der im holländischen Parlament



Bauknecht
bereits seine Billigung gefunden hat, sieht mit geringen Abstrichen an der Spitze — wer über eine gewisse Menge hinaus liefert, muß selber etwas dazu beitragen — ungefähr dasselbe vor.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen noch zwei andere Beispiele nennen, vor allen Dingen die Schweiz. In der Öffentlichkeit ist nicht so sehr bekannt, was dort manchmal vorgeht. Die Schweizer haben einen großen Überschuß an Emmentaler Käse gehabt. Diesen Käse wollte man nach Deutschland exportieren. So kamen Ende des vergangenen Jahres 800 t Emmentaler Käse nach Deutschland herein, und zwar, verzollt, zu einem Preise von 2,47 DM je Kilogramm. Das läßt einen Verwertungspreis von sage und schreibe 13 Rappen oder 13 Pf in der Schweiz zu. Trotzdem bekam der schweizerische Bauer den staatlich garantierten Mindestpreis von 43 Rappen gleich 43 Pf je Kilogramm Milch ausbezahlt.
Es geht nicht an, daß es dort erlaubt ist, solche Maßnahmen zu ergreifen. Bei uns will man selbst die niedrigen Entwicklungshilfen oder Förderhilfen bekritteln.
Im Augenblick entstehen wieder neue Gefahren auf dem Käsemarkt. Die Holländer haben am 6. Februar ihre Exportpreise für ihre Käsesorten bedeutend herabgesetzt. Im letzten Jahre sind sie im Monat April dazu übergegangen und haben uns bis zum vergangenen Herbst schwerste Sorgen bereitet. Man hat davon in weiten Teilen der Bundesrepublik nichts gemerkt. Aber in den reinen Werkmilchgebieten und den reinen Käsereigebieten sind die Erzeugerpreise für die Milch, wie sich gezeigt hat, ohne Stützung monatelang um mehr als 8 Pf gesunken.
Herr Bundesminister, ich darf Sie wirklich herzlich darum bitten, alles zu tun, damit sich ein solches Desaster in diesem Frühjahr und Sommer nicht wiederholt. Sie haben die Möglichkeit, solche Pannen zu vermeiden. Sie haben die Möglichkeit, entweder Käse und Vollmilchpulver, das dazugehört, zu entliberalisieren oder aber Mindestpreise zu fordern. Wir haben ja einen solchen Vorgang schon beim Malz. Bei Malz wurde ein Mindestpreis in der EWG eingeführt, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, daß der deutsche Braugerstenpreis nicht mehr zu halten gewesen wäre. Ähnlich ist es — das habe ich vorhin schon angedeutet — beim Vollmilchpulver. Hier wurden die Importe im Laufe des letzten Jahres zu Preisen getätigt, die einer Verwertung zum Preise von zwischen 13 und 16 Pf in dem betreffenden Erzeugerland gleichkamen. Davon bekamen jedoch die Erzeuger in Frankreich, Osterreich, Belgien, Holland oder England gar nichts zu spüren, weil ihnen der Staat den sicheren Erzeugerpreis gewährte. Die deutsche Regierung hat dagegen bisher keinen Finger krumm gemacht. Ich darf Sie, Herr Minister, bitten, dem mehrmaligen Beschluß des Bundestages in dieser Sache nachzukommen und auch hier Maßnahmen nach § 1 des Landwirtschaftsgesetzes zu ergreifen.
Herr Bundesfinanzminister Etzel hat in seiner Rede neulich unmißverständlich auf die sogenannten Subventionen, die man nachher viel richtiger als Entwicklungshilfen bezeichnet hat, hingewiesen und dabei besonders die Hilfen herausgestellt, die die Landwirtschaft erhält. Wir haben ihn dann gebeten, doch auch einmal sämtliche offenen und versteckten Subventionen für andere Berufsstände zusammenzustellen, damit nicht einseitig die Landwirtschaft diskriminiert werde.
Noch ein paar allgemeine Bemerkungen zu den Maßnahmen nach dem Grünen Plan selber. Nach mir werden dazu noch andere Redner im einzelnen Stellung nehmen.
Bei den sogenannten gezielten Maßnahmen sind eine Reihe von Kürzungen vorgenommen worden, und zwar vielfach dort, wo die Beträge Wirtschaftstypen zugute gekommen wären, die der Hilfe bedürfen und die in sämtlichen Grünen Plänen, auch im neuen, hintanstehen. Ich denke hier u. a. an die Förderhilfen für den Obstbau, die von 3 auf 2 Millionen DM herabgesetzt worden sind, ferner insbesondere an die Mittel zur Einrichtung von technischen Anlagen in Futterbaubetrieben, also für Silobauten und Unterdachtrocknungsanlagen — eine bedeutende Angelegenheit! —, die von 25 auf 15 Millionen DM herabgesetzt worden sind. Auch die Mittel für die Gemeinschaftsmaschinen wurden von 15 auf 10 Millionen DM herabgesetzt. Außerordentlich beklagen wir auch, daß die Mittel für die Einrichtungen zur Gewinnung einer besseren Milch auf dem Hof, also für Kühl- und Melkeinrichtungen, von 10 auf 6 Millionen DM heruntergesetzt wurden. Die Mittel für die von Ihnen sehr verehrter Herr Bundesminister, so gepriesenen — notwendigen — Maßnahmen zur Verbesserung der Molkereiwirtschaft wurden von 15 auf 10 Millionen DM ermäßigt.
Auf meine kürzlichen Vorstellungen sagten Sie mir, das liege daran, daß diese Mittel im vergangenen Jahr nicht in vollem Maße ausgeschöpft worden seien. Das mag sein; ich bezweifle das gar nicht. Aber das liegt dann eben daran, daß die Richtlinien nicht entsprechend abgefaßt waren, so daß ein sehr großer Teil derer, die der Hilfe bedurften, diese Hilfe nicht erhalten konnten. Ich darf Sie dringend bitten, bei der Aufstellung der neuen Richtlinien hierauf Rücksicht zu nehmen.

(Abg. Kriedemann: Wir brauchen vor allen Dingen mehr Geld!)

— Wir haben einen Antrag gestellt, Herr Kollege , Kriedemann, der darauf abzielt, daß die Mittel des Grünen Plans austauschbar sind, so daß man, wenn irgendwo ein Überschuß bleibt, die Möglichkeit hat, ihn an anderer Stelle einzusetzen und die Mittel auf bestimmte Punkte zu konzentrieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Gellersen].)

— Herr Schmidt, es wird sich zeigen, daß nicht überall — man kann das nicht so vorausberechnen — alles gebraucht wird. Dann muß man die Möglichkeit haben, da zu helfen, wo es sich als notwendig erweist.
Zum Schluß noch ein ganz kurzes Wort zu dem kommenden europäischen Markt. Mein Kollege



Bauknecht
Lücker hat schon darauf hingewiesen und hat Ihnen die Notwendigkeit aufgezeigt, daß die deutsche Konzeption im wesentlichen mit in den europäischen Markt übernommen wird. Sie wissen alle, daß der Angelpunkt für die ganze Preisgestaltung und damit für das gesamte Agrarpreisniveau der Getreidepreis sein wird.
Man sagt uns, daß bei Übernahme der deutschen Preise die Gefahr bestünde, daß es in Europa zu einem baldigen Zeitpunkt zu einer Überproduktion kommt. Ich glaube das nicht, zunächst einmal deshalb nicht, weil wir bei Futtergetreide noch eine Einfuhrlücke von rund 7 Millionen t haben, die sich wahrscheinlich noch vergrößern wird, da der Bedarf an Futtergetreide bei zunehmendem Lebensstandard infolge stärkeren Verzehrs von tierischen Veredelungsprodukten zunimmt. Hier liegen noch einige Möglichkeiten, vor allen Dingen in Italien, zum Teil auch bei uns. Ich möchte hier nicht näher darauf eingehen. Sie wissen alle, worum es sich handelt.
Wir sollten diese Gefahr auch aus folgendem Grund nicht so groß sehen. Sicher meint man mit dem großen Reservoir Frankreich. Wo es aber in Frankreich eine gute Getreideproduktion gibt, im Nordwesten und in der Gegend südlich von Paris, sind bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Dort hat man Hektarerträge, die zum großen Teil über den deutschen liegen. In den anderen Gegenden gibt es zum größten Teil arme Böden und ganz mangelhafte Niederschläge. Deshalb glaube ich, daß hier nicht so viel mobilisiert werden kann, daß große Gefahren entstehen.
Wir sollten es einmal mit dem deutschen Getreidepreis versuchen, weil mit ihm der Preis für Hackfrüchte gekoppelt ist und auch der Preis für die Verwertung des Grünlandes, d. h. mit anderen Worten, der gesamte Wert der Bodenproduktion. Dieser Auffassung sind auch Sie, Herr Minister.
Es entsteht aber noch eine andere Gefahr, nämlich die Gefahr der Überproduktion bei den tierischen Veredelungsprodukten und damit die Gefahr eines Preiszusammenbruchs. Wir haben das schon im letzten Jahr bei unseren dänischen Nachbarn erleben können. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß bei sehr niedriger Festsetzung der Futtergetreidepreise in Deutschland eine Überproduktion bei Butter und Fleisch, bei Eiern und Geflügel anhebt.
Wir werden keinerlei oder nur einen sehr geringen Einfluß auf die Kostensenkung ausüben können. Die Preise unserer Produktionsmittel liegen zum größten Teil fest, oder sie zeigen steigende Tendenz, ob das die Löhne sind, der Dünger — das erleben wir immer wieder — und die Landmaschinen, oder aber die Instandsetzungskosten für alles, was der Bauer auf seinem Hofe braucht. Niemand wird behaupten, daß es möglich wäre, die in der Entwicklung begriffenen sozialen Hilfen, die auch als fixe Kosten bezeichnet werden müssen, in irgendeiner Weise zu ändern.
Schließlich müssen wir mit einem Blick auf die übrige Welt noch daran denken, daß von der einen Milliarde Menschen, die in den Entwicklungsländern leben, etwa 85 % Bauern sind. Es wird mil entscheidend sein, welcher Lebensform sich diese Menschen zuwenden, dem Kollektiv oder den bäuerlichen Familienbetrieb. Das ist heute in keiner Weise entschieden. Wenn Europa eine Attraktion bildete und diese Länder den bäuerlichen Familienbetrieb für ihre Landwirtschaft wählten, müßte das auch für uns sehr interessant sein; denn wenn sie das Kollektiv wählen und damit die Freiheit verlören, wäre es wahrscheinlich auch um uns geschehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306401400
Herr Abgeordneter Köhler!

Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0306401500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vierte Grüne Bericht brachte abgesehen von dem kaum noch gedämpften Optimismus des Herrn Bundes ernährungsministers keinerlei Überraschungen. Durch die Presse waren wir bereits über alle seine wichtigen Einzelheiten unterrichtet.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

— Sehr richtig! Deswegen betone ich es auch. Die vier Grünen Berichte kommen per saldo alle zu demselben Ergebnis: Der Abstand zwischen Einnahmen und Ausgaben wechselt zwar, aber die große Disparität ist geblieben, eine Disparität, die immerhin schon zehn Jahre erkennbar ist und zu deren Beseitigung das Landwirtschaftsgesetz und nicht zuletzt die Grünen Pläne dienen sollen.
Der Unterschied zwischen dem Lohn der land wirtschaftlichen Arbeiter und dem Vergleichslohn in der übrigen Wirtschaft hat sich erstmalig verringert. Aber er liegt immer noch bei 1 DM pro Stunde, wenn wir von der Stundenlohnrechnung ausgehen. Er liegt meinetwegen bei 82 %, wenn wir von der Jahreslohnrechnung ausgehen.
Aber hierzu muß noch etwas anderes gesagt werden. Der Stundenlohn für die Familienarbeitskräfte kann nur dann gezahlt werden, wenn wir auf jegliche Verzinsung des Grundkapitals verzichten. Darüber werden kaum noch Worte verloren, das ist offenbar schon ganz selbstverständlich geworden. Wo in der übrigen Wirtschaft gibt es das? Das kann es gar nicht geben, weil es gegen jedes privatwirtschaftliche Denken verstößt.
Anders allerdings ist die Frage zu beurteilen, ob es vertretbar ist, daß in derselben Zeit, in der 94 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche keinerlei Verzinsung des Grundkapitals haben, in bedeutenden Teilen der industriellen Wirtschaft die Verzinsung noch von Jahr zu Jahr steigt und jetzt bei den Aktiengesellschaften etwa zwischen 9 und 10 % liegen dürfte. Diese Verzinsung wurde bekanntlich ermöglicht, nachdem gewaltige Investitionen aus überhöhten Preisen finanziert worden waren. Hier wird nicht mit dem gleichen Maß gemessen. Das ist unsozial und muß verbittern.
Die Einkommensteigerung um 3,1 % ist zum größeren Teil durch eine höhere Ernte erzielt worden. Hierauf kann man keine Betrachtung für die Zu-



Köhler
kunft aufbauen. Wir wissen doch, daß die Ernte 1958/59 an die des Vorjahres nicht mehr herankommen wird. In einigen Ländern, z. B. in Schleswig-Holstein, beträgt der Mindererdrusch etwa 25 bis 30 °/0 beim Brotgetreide.

(Zuruf von der CDU/CSU: In Bayern gerade umgekehrt!)

— Freuen Sie sich, daß Sie in Bayern wohnen und nicht in Schleswig-Holstein!
Das Lohngefälle von der industriellen Wirtschaft zur Landwirtschaft hat die Abwanderung aus der Landwirtschaft nicht zur Ruhe kommen lassen. Neuerdings gilt die noch weiter fortschreitende Abwanderung als d a s Rezept für die Wiederherstellung der Rentabilität. Ich möchte den Theoretikern, die diese Auffassung vertreten, sagen, daß das ein gewaltiger Irrtum ist. Die Zahl der Bauernhöfe, die mit Arbeitskräften absolut unterversorgt sind, ist sehr viel größer, als sich das Außenstehende vorstellen, und die Zahl der Bauersfrauen, die ohne jegliche Hilfe sind, geht in die Hunderttausende. Die Arbeitsleistung, die deshalb von diesen Menschen mehr erbracht werden muß und auch erbracht worden ist, ist noch von keinem Grünen Bericht erfaßt worden. Soll ich noch näher ausführen, was die ungeheure Belastung der Bauersfrauen bedeutet? Ich habe hierzu schon einmal gesprochen und möchte mich nicht wiederholen. Aber das eine will ich hier noch feststellen: daß das Betriebsklima, die Atmosphäre auf einem Bauernhof unerträglich wird, wenn die Arbeit keinen Anfang und kein Ende hat. Das ist bei der Bauersfrau der Fall. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen vor Überanstrengung, Überbeanspruchung und Ausnutzung immer mehr geschützt werden — und das mit Recht. Wer aber schützt die deutschen Bauersfrauen?

(Beifall bei der FDP.)

Zu viele Arbeitskräfte auf einem Bauernhof schmälern ganz bestimmt den Ertrag, zuwenig Arbeitskräfte aber schmälern ihn noch viel mehr. Es führt kein Weg an der Tatsache vorbei, daß sich die Landwirtschaft von einem Jahr zum andern dahinquält. Daran ändern keine schönen Worte etwas. Das muß dann unerträglich werden, wenn auch in den kommenden Jahren nicht mit einer Besserung der Lage gerechnet werden kann. Hierüber einige Betrachtungen anzustellen, dürfte der Bedeutung dieser Stunde angemessen sein.
Was die Landwirtschaft selbst tun konnte, um durch eigene Anstrengung ihre Lage zu verbessern, ist in einem großen Maß geschehen. Ob es sich um die Steigerung der Erzeugung handelt, um die Verbesserung der Qualität, um die Technisierung und Rationalisierung der Betriebe: überall wurden Leistungen vollbracht, die selbst das überschreiten, was so mancher Ratgeber aus der übrigen Wirtschaft mit erhobenem Zeigefinger von ihr forderte. Die praktische Landwirtschaft hat ihr Soll erfüllt. Selbstverständlich wird sie sich weiter bemühen: in der Qualitätsverbesserung, in der Absatzverstärkung, in der Werbung. Es gibt keinen Stillstand. Aber damit ist das, was sie selbst tun kann, auch erschöpft. Auch der letzte Bauer weiß, daß das alles nicht ausreicht, wenn nicht die Wirtschaftspolitik ganz allgemein und die Agrarpolitik im besonderen ihm zu Hilfe kommt.
Ich will darauf verzichten — obgleich es nicht oft genug gesagt werden kann —, noch einmal die Ursachen der absolut vermeidbar gewesenen Diskrepanz in der Einkommensentwicklung zwischen industriell-gewerblicher Wirtschaft und Landwirtschaft herauszustellen. Ich will mich nicht wiederholen; ich habe hierüber bereits vor einem Jahr gesprochen. Es handelt sich um eine Diskrepanz, die nicht erst seit Bestehen des Grünen Plans sichtbar geworden ist, sondern die mindestens seit 1950 besteht.
Wir haben uns schon daran gewöhnt, daß es dem Wesen der Agrarhilfen, soweit sie überhaupt kommen, entspricht, daß sie viel Zeit brauchen. Das ist in allen Ländern der Welt so, und die Bundesrepublik bildet keine Ausnahme. Nicht ganz ohne Neid haben wir gesehen, mit welchem Tempo die Feuerwehr anrückt, wenn es einmal in einem Wirtschaftszweig brennt, der von einer sogenannten labilen Bevölkerungsschicht getragen wird. Dann werden von einem Tag zum andern Freihändler zu Hochschutzzöllnern und soziale Marktwirtschaftler zu Interventionisten.

(Beifall bei der FDP. — Heiterkeit bei der SPD.)

Manchmal könnte einem hierbei der Gedanke kommen, es wäre für die Landwirtschaft besser gekommen, wenn sie auch ein wenig labiler gewesen wäre. Wenn ich hierbei auf die Ruhr hindeute, so möchte ich betonen, daß niemand mehr Verständnis für die Lage der Bergarbeiter hat als der Bauer, nicht nur wegen der vielen Parallelen zwischen Bergbau und Landwirtschaft, sondern auch weil die wirtschaftlichen Sorgen der Bergarbeiter und der Bauern dieselben geworden sind.
Ich müßte jetzt eigentlich einiges zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers sagen, soweit er sich in der Haushaltsrede mit den landwirtschaftlichen Subventionen beschäftigt hat. Aber es genügt wohl die Feststellung, daß die Landwirtschaft noch zu keiner Zeit eine reine Freude über die Subventionen empfunden hat, die dazu geführt haben, daß der Charakter der Agrarpreise bis auf den heutigen Tag als der politischer Preise erhalten geblieben ist. Die Subventionen waren der bequemste Weg, sie waren der Weg des geringsten Widerstandes, und nun hängen die Subventionen der Landwirtschaft wie ein Bleigewicht an, auch wenn die Tatsache ihres lästigen Vorhandenseins von dem Herrn Bundesfinanzminister mit noch so freundlichen Worten umschrieben wird.
Meine Fraktion hat von jeher davor gewarnt, die Landwirtschaft von Subventionen abhängig zu machen. Jetzt ist ein Abbau nur noch möglich, wenn ein Ausgleich geschaffen wird, ein Ausgleich, der nicht unbedingt und nur in höheren Erzeugerpreisen gesucht werden muß, sondern auch durch eine Verbilligung der Produktionsmittel gefunden werden könnte. Aber wie lange ist das schon angestrebt?! Jahr um Jahr hören wir das, ohne daß



Köhler
außer den Hilfen des Grünen Plans, die zweifellos Erleichterungen geschaffen haben, auch nur der bescheidenste Erfolg sichtbar geworden ist. Allmählich wird der Glaube schwach.
Ich habe eingangs die Frage aufgeworfen, ob überhaupt noch mit einer Besserung der Lage der Landwirtschaft gerechnet werden kann. Mir scheint diese Frage sehr aktuell zu sein. Damit stellt sich automatisch die, Frage, was die Landwirtschaft von der EWG zu erwarten hat. Wenn dieser Vertrag so weiterentwickelt wird, wie es seine Bestimmungen vorsehen — -davon müssen wir wohl ausgehen —, wird er für keinen Wirtschaftszweig von so einschneidender, ja schicksalhafter Bedeutung sein wie für die Landwirtschaft. Ich glaube, das ist unbestritten.
Der Herr Bundesernährungsminister stellte kürzlich ein begeistertes Mitgehen der Bauern mit der EWG fest. Von ein paar Ausnahmen abgesehen, die der sehr wirkungsvollen Propaganda für die EWG erlegen sind, habe ich solche Bauern nicht kennengelernt. Ich wüßte auch wirklich nicht, womit man eine solche Begeisterung begründen sollte. Sich zu begeistern ohne Ursache, ist das Privileg von Ignoranten.

(Beifall bei der FDP.)

Den erhofften Vorteilen, von denen immer nur ganz allgemein gesprochen wird, weil sie niemand umreißen kann, ja weil sie überhaupt fraglich sind, stehen ganz handgreifliche außerordentliche Gefahren gegenüber. Diese Gefahren ergeben sich aus dem unverhüllten Drang der Partnerländer, ihre Agrarerzeugnisse ungehindert auf dem deutschen Markt unterzubringen, und aus der sehr großen Wahrscheinlichkeit eines Abgleitens der Preise ohne Äquivalent auf der Kostenseite. Durch die EWG wird nicht ein einziges unserer bisherigen Probleme gelöst oder auch nur gemildert — man nenne mir eines! —, sondern es kommen neue und immer schwierigere Probleme hinzu. Ein Land wie die Bundesrepublik, das eine Agrareinfuhr von etwa 10 Milliarden DM hat und das sich in einer wirtschaftlichen Prosperität befindet,

(Zuruf von der Mitte)

— bitte, sagen Sie es lauter, ich will gern antworten; wenn Sie sich nur laut unterhalten, brauche ich das nicht zu berücksichtigen — hat alle Möglichkeiten, auch seiner Landwirtschaft wirtschaftliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Wenn diese Möglichkeiten in der Vergangenheit nicht genügend genutzt worden sind, so ist das unsere eigene Schuld. Von nun an geht die Einflußmöglichkeit der Bundesregierung immer mehr zurück, und sie wird eines Tages gänzlich aufhören. Ich hoffe immer noch, der Herr Bundesernährungsminister werde darum kämpfen, daß das deutsche Agrarpreisniveau in der EWG möglichst erhalten wird. Wir können ihm und uns nur wünschen, daß er dabei Erfolg hat. Jedes auch nur teilweise Nachgeben muß zu unabsehbaren Folgen führen. Jede weitere Verschlechterung der Einnahmen, die nach dem Grünen Bericht ohnehin nicht ausreichen, muß dann zu einer Katastrophe führen, wenn nicht gleichzeitig auf der Ausgabenseite in mindestens dem gleichen Umfange Einsparungen gemacht werden. Das ist aber nicht zu erwarten. Im Gegenteil, die bisherige jährliche Unkostensteigerung im Agrarsektor von 6 bis 70/o wird sich fortsetzen; heute sind es die Produktionsmittel, morgen die Löhne und übermorgen sind es wieder andere Ausgaben. Ein Anheben der Preise im EWG-Raum auf das deutsche Preisniveau bedeutet aber eine Produktionszunahme in denjenigen EWG-Ländern, die von einer Preissteigerung profitieren und noch die Möglichkeit einer Produktionsausweitung haben. Wenn Frankreich und Italien über zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche des gesamten EWG-Raumes verfügen und die Produktionskraft dieser Länder noch längst nicht ausgeschöpft ist, so bedeutet das auf einigen Gebieten die Gefahr einer Überproduktion und auf anderen Gebieten, daß wir uns schnell der Bedarfsdeckungsgrenze auch dort nähern, wo bisher noch ein Erzeugungsdefizit war.
So kommen wir von einem Dilemma ins andere. Wir können nur noch das kleinere Übel wählen, und das heißt, bei Aufrechterhaltung der deutschen Agrarpreise eine Steigerung der Produktion im EWG-Raum in Kauf nehmen. Eine Produktionssteigerung wird immerhin ihre Zeit brauchen und läßt sich jedenfalls teilweise durch geeignete Maßnahmen abfangen.
Es ist z. B. nicht einzusehen, warum der deutsche Agrarexport, der schon jetzt etwa eine Milliarde D-Mark ausmacht, ohne daß viel für ihn getan wurde, sich nicht noch weiter steigern lassen sollte, und sei es unter Schmerzen. Wir können nicht dauernd Enthaltsamkeit üben, wenn man in den anderen Ländern in der Anwendung der Mittel zur Steigerung des Agrarexports gar nicht kleinlich ist.

(Sehr gut! bei der FDP.)

Der umgekehrte Weg, der viel propagiert wird, durch niedrigere Preise die Erzeugung bei uns zu stoppen und bei den EWG-Partnern zumindest nicht zu fördern, bedeutet für die deutsche Landwirtschaft auf jeden Fall noch nie gekannte Schwierigkeiten und wird die Staatsführung noch vor sehr schwierige Probleme stellen.
Diese Überlegungen treffen ganz besonders für den Getreidepreis zu. Der Getreidepreis und insbesondere der Futtergetreidepreis werden der Prüfstein für die Agrarpolitik im EWG-Raum werden. Der Futtergetreidepreis wird nicht nur über die Höhe des Brotgetreidepreises entscheiden, sondern auch über das Preisniveau aller Bodenfrüchte wie auch über das der Veredelungswirtschaft. Ein niedriger Futtergetreidepreis muß eine ungesunde Ausdehnung der Veredelungswirtschaft zu Folge haben.
Im EWG-Raum besteht die Gefahr einer Überproduktion von Futtergetreide vorerst jedoch noch nicht; wohl aber ist eine solche Gefahr für Veredelungsprodukte bereits gegeben.
Für eine unseren Vorstellungen entsprechende Getreidepreispolitik kann es nicht schwierig sein, die Hilfe jedenfalls einiger EWG-Länder — ich denke an Frankreich und Italien — zu gewinnen. Der Widerstand der Niederländer ist zweifellos

Köhler
größer; aber die Niederländer werden einsehen müssen, daß ein niedriger Futtergetreidepreis dann kein Privileg ihres Landes allein mehr ist, sondern im ganzen EWG-Raum Gültigkeit haben wird. — Ich glaube, daß die Niederländer diese Überlegung bisher nicht angestellt haben. — Dadurch muß zwangsläufig der niederländischen exportausgerichteten Veredelungswirtschaft eine Konkurrenz entstehen, die ruinös wirken muß.
Wer den Weg des Kompromisses gehen will, muß sich darüber klar sein, daß er mit ihm neben dem Preiseinbruch in Deutschland zugleich die Mehrerzeugung von Futtergetreide und Veredelungsprodukten im EWG-Raum erreicht. Dieser Weg ist also zweifellos der schlechteste von allen; aber offenbar hat gerade er die größte Chance. Die Ausführungen des Herrn Bundesernährungsministers zum Grünen Bericht deuten darauf hin, daß der Minister unter Umständen bereit ist, ihn zu gehen.
Die großen Möglichkeiten, die wir im Ölfruchtanbau noch haben, habe ich hier bereits im Juli näher erläutert. Ich glaube, auf diesem Gebiet haben wir noch sehr gute Möglichkeiten. Im EWG-Raum ist der Bedarf nur zu 56 % gedeckt, und wir wissen alle, welche sehr fruchtbaren Auswirkungen gerade der vermehrte Ölfruchtanbau auf die allgemeine Fruchtfolge hat.
Ich glaube mit diesen wenigen Sätzen dargelegt zu haben, daß die deutsche Landwirtschaft in jedem Fall der Leidtragende im EWG-Raum sein wird. Es ist kaum zu verstehen, daß immer wieder hypothetische Behauptungen aufgestellt werden wie die, daß die Absatzmöglichkeiten in einem Raum von 160 Millionen Menschen das alles aufwiegen würden. Ein angesehener agrarökonomischer Wissenschaftler, der zugleich Mitglied dieses Hohen Hauses ist, hat kürzlich eine sehr zutreffende Diagnose aufgestellt. Er spricht von einem atemberaubenden Experiment, dem die Landwirtschaft durch die EWG ausgesetzt ist, und von einer sehr ernsten Lage. Mit seiner Therapie kann ich mich allerdings nicht befreunden. Er will die Parität nicht liber den Preis erreichen, sondern hält sie nur noch durch eine weitere Einschränkung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte um ein Drittel für möglich. Er meint, daß ein planvoller und vorausschauender Ausbau einer neuen und leistungsfähigeren deutschen Landwirtschaft erfolgen müsse.
Herr M a n s h o l t sagt die Stillegung einer großen Zahl unrentabler Bauernhöfe voraus. Viele ähnliche Prognosen können wir täglich lesen. Im Grunde genommen offenbaren sie alle eine tiefgehende Ratlosigkeit angesichts der Schwere der vor uns liegenden Aufgabe.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesen lagen, als es sich um die Stillegung von nur vier Randzechen in Belgien handelte, gehört, daß es dort zu Ausschreitungen gekommen ist, daß man sich fragte, ob etwa ein Generalstreik ausgerufen werden solle. Hier handelte es sich um ganze 1600 Arbeiter, die entlassen werden sollten. Ich möchte nur angesichts dieser Tatsache alle diejenigen, die mit einem großen Recht, aber auch mit viel Übertreiburig immer wieder davon sprechen, daß die Landwirtschaft um Millionen von Arbeitskräften erleichtert werden muß, um endlich rentabel zu werden, warnen, diese Dinge nicht auf die Spitze zu treiben. Das ist nicht nur eine wirtschaftliche, ökonomische Frage; es ist in der Landwirtschaft auch eine politische Frage.

(Beifall bei der FDP.)

Leider enthält die Stresa-Resolution, wonach der Familienbetrieb erhalten bleiben muß, die Grundlage im EWG-Landwirtschaftsraum bleiben soll, keine klare Begriffsbestimmung. Noch niemand hat den Begriff „Familienbetrieb" klar erläutert, aber er ist in aller Munde. Jeder versteht etwas anderes darunter. Manchmal ist die Bezeichnung „Familienbetrieb" deshalb so sympathisch, weil man den Familienarbeitskräften jeden Lohn zumuten kann, wie es ja auch dieser Grüne Bericht wieder zeigt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306401600
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0306401700
Bitte sehr.

Gerhard Wacher (CSU):
Rede ID: ID0306401800
Herr Kollege, warum haben Kollegen der FDP und wohl auch Sie den Verträgen von Rom zugestimmt, wenn Sie der Meinung sind, daß die Landwirtschaft die Leidtragende des Gemeinsamen Marktes sein werde?

(Lachen bei der FDP.)


Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0306401900
Die Antwort darauf werde ich Ihnen zum Schluß erteilen, falls Sie dann noch nicht zufrieden sind. Erinnern Sie mich bitte daran.
Ich meine, daß hier beizeiten aufgepaßt werden muß und daß es Zeit wird, den Begriff „Familienbetrieb" näher zu erläutern. Es ist müßig, die Frage zu stellen, ob es notwendig war, die deutsche Landwirtschaft durch den EWG-Vertrag in diese Lage zu bringen. Der EWG-Vertrag ist eine Tatsache. Wir nehmen von dieser Tatsache Kenntnis. Er ist ein Wirtschaftsvertrag, der zu einem hohen politischen Ziel führen soll. Wenn das Ziel der Integration Europas mit ihm erreicht wird, rechtfertigen sich manche Opfer. Leider ist dieses Ziel sehr in Frage gestellt. Erklärungen de Gaulles dürften bereits manche Illusionen zerstört haben. Die Integration Europas wird nur erreicht werden, wenn alle Beteiligten erkennen, daß es um nicht mehr und nicht weniger als um die Selbsterhaltung geht.

(Zustimmung bei der FDP.)

Europa muß vorbehaltlos gewollt sein. Manchmal will es mir scheinen, daß man schon in der Vorstufe zu Europa, der EWG, weniger das große politische Ziel anstrebt als lediglich egoistische wirtschaftliche Pläne verfolgt, zu denen nicht zuletzt die Öffnung der deutschen Agrarmärkte gehört. Die Bundesrepublik, ihre Wirtschaft und insbesondere ihre Landwirtschaft müssen große Vorleistungen und Opfer bringen. Es wäre eine Tragik, wenn diese Opfer umsonst getragen werden müßten.



Köhler
So steht der diesjährige Grüne Bericht ganz und gar im Schatten des EWG-Vertrages. Wir werden hier, da sich die deutsche Landwirtschaft in der Vergangenheit nicht genügend für diese neuen Aufgaben rüsten konnte und die Nachholmöglichkeiten immer mehr eingeengt werden, mit den Mitteln des Grünen Plans vorsichtig verfahren müssen. Meine Fraktion wird sich gegen alle Bestrebungen wenden, Mittel für Zwecke zur Verfügung zu stellen, die mit dem Grünen Plan überhaupt nichts zu tun haben.
Die FDP könnte es sich leicht machen. Sie hat weder den EWG-Vertrag noch die Agrarpolitik mit ihren unbefriedigenden Ergebnissen zu verantworten. Sie denkt jedoch nicht daran, zu resignieren, zumal ihre Oppositionsstellung sie nicht blind macht gegenüber den Schwierigkeiten, die der amtlichen Agrarpolitik, die doch bessere Ergebnisse erreichen will, im Wege stehen. Die FDP würde es begrüßen, wenn sie die Überzeugung gewinnen könnte, daß sie von dem Herrn Bundesernährungsminister nicht nur als lästig empfungen wird — was sie sicher auch ist und auch sein soll; ein gütiges Geschick möge sie davor bewahren, von Ihnen einmal als eine „gedämpfte Oppositionspartei" bezeichnet zu werden —,

(Heiterkeit rechts)

sondern wenn ihre Opposition mehr als bisher genutzt wird, um den berechtigten agrarpolitischen Belangen ein größeres Gewicht zu verleihen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306402000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306402100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich eingehend mit dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan von 1959 befassen. Ich habe den Eindruck, daß der Grüne Bericht 1959 in seinem Material weitgehend verbessert ist. Wir haben in diesem Bericht gute Tabellen. Ich habe auch den Eindruck bekommen, daß jetzt eine Ausrichtung und Bewertung der Testbetriebe nach einem einheitlichen System möglich geworden ist. Der Grüne Bericht 1959 entspricht also mehr den an ihn gestellten Anforderungen als seine Vorgänger.
Trotz alledem sind wir der Auffassung, daß dieser Grüne Bericht doch noch verbesserungsbedürftig ist. In der Öffentlichkeit wird immer wieder die Auffassung vertreten, die Lage der Landwirtschaft werde trotz der vielen Grünen Berichte und trotz aller Verbesserungen nicht richtig erkannt. In den Zeitungen konnten Sie seit Wochen lesen: „Den Bauern geht es besser", und gleichzeitig wurde hinzugefügt: „Mehr grüne Milliarden für die Landwirtschaft". Wir sehen die Ursache dieser Pressemeldungen vor allen Dingen darin, daß der Grüne Bericht eben nur eine Zusammenfassung der finanziellen Leistungen des Bundes bringt, ohne dabei eine zusammenfassende Zahl über die AufwandsErtrags-Differenzen der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe bekanntzugeben. Es fehlt also nach unserer Auffassung in der Öffentlichkeit der rich-
tige Maßstab für die Einschätzung der Maßnahmen für die Landwirtschaft. Die Öffentlichkeit muß irritiert werden, wenn sie z. B. liest, daß die Mittel des Grünen Plans von 827,5 Millionen DM im Jahre 1953 auf 3 001 730 000 DM im Jahre 1958 gestiegen sind, und wenn gleichzeitig dazu geschrieben wird, der Landwirtschaft gehe es besser.
Wir meinen — und wir haben versucht, in einem Antrag der Deutschen Partei dieses Anliegen auch parlamentarisch zum Zuge zu bringen —, daß es notwendig ist, Herr Minister, auch den Gesamtabstand zu nennen. Der Ernährungsausschuß ist uns hierbei weitgehend gefolgt. Ich möchte noch einmal an Sie appellieren: Bitte, nennen Sie entweder zwei Zahlen oder nennen Sie gar keine Zahl!
Ein anderer Mangel, den wir im Grünen Bericht sehen, ist der, daß immer wieder auch in der Presse der Eindruck entsteht, das Berichtsergebnis werde durch die Einbeziehung von landwirtschaftlichen Kleinbetrieben beeinflußt. So schrieb kürzlich eine große Zeitung, dieses Berichtsergebnis sei durch 2 Millionen landwirtschaftliche Kleinbetriebe gedrückt, die weder leben noch sterben könnten. Künftig sollte immer wieder ein Hinweis darauf gebracht werden, daß landwirtschaftliche Testbetriebe strukturell gesunde und förderungswürdige Betriebe sind. Auch die Forderung, die § 4 des Landwirtschaftsgesetzes aufstellt, sollte im Bericht noch klarer zum Ausdruck kommen. Auch auf die Lage der bäuerlichen Familienbetriebe sollte der Bericht in einem Sonderbeitrag eingehen. Der Begriff „bäuerlicher Familienbetrieb" ist hier schon erörtert worden. Dieser Begriff kommt — von Stresa ausgehend auch für- Europa — immer mehr in die öffentliche Diskussion hinein. Wir sind der Meinung, daß gerade der Familienbetrieb zum Richtbetrieb der europäischen Agrarpolitik werden wird. Wir möchten ihn als Richtbetrieb, wenn ich so sagen darf, zwischen Farm und Kolchose. Vor allen Dingen muß man den agrarpolitischen Auftrag erkennen, den Richtbetrieb gesund zu erhalten. Geschieht das, meine Damen und Herren, dann brauchen wir uns auch um den Kleinbetrieb nicht zu sorgen. Dann haben die Kleinbetriebe und gleichzeitig auch die größeren Betriebe eine Chance.
Ich darf noch einen letzten Wunsch zum Grünen Bericht anmelden. Es handelt sich wiederum um ein Anliegen unserer Partei schon aus dem letzten Jahr, nämlich um unsere Forderung, den Grünen Bericht statt am 15. Februar schon am 15. Januar dem Parlament vorzulegen. Wir sind der Auffassung, daß Grüner Bericht, Grüner Plan und Landwirtschaftsetat zusammen beraten werden sollten. In den letzten Monaten hat sich immer wieder gezeigt, daß die Beratungen des Etats, in den nur der Grüne Plan global eingesetzt worden war, wobei man also die Beträge des Plans ausklammern mußte, sehr schwierig sind. Ich halte es auch nicht für gut, wenn hier schon vorweg eine globale Zahl für den Grünen Plan genannt wird, die man im Etat nicht mit beraten kann.
Herr Minister, dann noch eine Bitte, die ich in diesem Zusammenhang vorbringen darf. Mir wurde bei den Beratungen im Ernährungsausschuß erklärt,

Logemann
es sei technisch nicht möglich gewesen, den Grünen Bericht früher Vertigzustellen; man hätte ihn beim besten Willen nicht früher vorlegen können. Nun ist für uns interessant, daß die Presse schon am 20. November 1958 über gewisse Zahlen des Grünen Berichts informiert wurde. Das Parlament bekam den Grünen Bericht am 17. und 20. Februar 1959. Herr Minister, wenn schon Zahlen veröffentlicht werden, dann bitten wir, diese Zahlen gleichzeitig dem Parlament bekanntzugeben.
Nun zu dem Ergebnis des Berichtes. Hier ist entscheidend — das haben auch schon verschiedene Redner zum Ausdruck gebracht — die Erhöhung des Differenzbetrages, also der erwirtschafteten Barmittel des letzten Jahres. Diese Erhöhung beträgt laut Grünem Bericht netto 791 Millionen DM. Ich möchte dabei ausdrücklich sagen — das zeigt der Grüne Bericht deutlich —, daß alle Betriebsgrößen von dieser Erhöhung profitiert haben. Ich komme nachher noch auf den Einwand von Herrn Kriedemann zurück.
Man sollte jedoch auch die Ursachen dieser Verbesserung nachprüfen. Es ist hier schon zum Ausdruck gebracht worden — Herr Kollege Bauknecht hat es gesagt —, daß vor allen Dingen zwei Gründe für diese Verbesserung zu nennen sind, einmal die gute Ernte — sie hat etwa zu 78 v. H. zu der Verbesserung beigetragen — und zweitens Preisverbesserungen; dabei haben einige Produkte wie Hopfen und Zuckerrüben sehr stark zu dem günstigen Ergebnis beigetragen. Ich möchte meinen, daß noch eine dritte Ursache angegeben werden muß; auf sie muß man ganz besonders hinweisen: das ist der Rückgang der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, der dieses günstige Ergebnis mit bewirkt hat.
Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang — ich bin dem Herrn Minister dankbar, daß er das auch getan hat — auf die starke Produktivitätssteigerung pro Kopf der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte hinzuweisen. Die Zahlen aus dem Grünen Bericht besagen, daß die Landwirtschaft mit 25 v. H. weniger Arbeitskräften gegenüber den Vorjahren eine um 30 v. H. höhere Erzeugung erreicht hat. Das ist sehr beachtlich, und dieses Ergebnis wird von anderen Wirtschaftszweigen bei weitem nicht erreicht. Ich glaube, daß vor allen Dingen die Senkung der Lohnausgaben mit zu diesem günstigeren Ergebnis beigetragen hat. Dafür schulden wir einen besonderen Dank den fremden und den familieneigenen Mitarbeitern in der Landwirtschaft. Wir sollten ihnen Dank dafür sagen, daß sie bereit sind, trotz des großen Lohnabstandes die landwirtschaftliche Arbeit weiter mit uns zusammen zu leisten. Vor allen Dingen muß betont werden, daß gerade durch die vermehrte Leistung der familieneigenen Arbeitskräfte die Rentabilität in der Landwirtschaft leicht gebessert werden konnte. Besonders will ich den weiblichen Mitarbeitern und unseren Landfrauen danken. Ich möchte wiederholen: der beste Dank, Herr Minister, wäre, wenn Sie sich bemühten, die Landfrauen im Grünen Bericht nun endlich mit dem vollen Arbeitslohn für ihre schwere Arbeit einzusetzen.

(Beifall bei der DP.)

Nun ein kurzer Hinweis auf die kalkulatorische Rechnung, auf die sogenannte Vergleichsrechnung. Ich möchte mich darauf beschränken, hier festzustellen, wie das Herr Dr. Richnow vom Bundesernährungsmnisterium auch getan hat, daß der Abstand des Lohnes der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zum sogenannten Vergleichslohn nach wie vor sehr groß ist. Wir sind dem Vergleichslohn in diesem Jahr zwar etwas näher, aber noch nicht sehr viel nähergekommen. Ich halte es für wichtig, das herauszustellen. Ich will hier keine globale Disparitätsrechnung aufmachen, aber doch soviel sagen: der Eindruck, den ich aus dem Bericht gewonnen habe, ist der, daß kaum eine nennenswerte Lohnverbesserung vorhanden ist, wenn wir mit dem Stundenlohn vergleichen. Die Vergleichslohnrechnung ist nach unserer Auffassung für die Landwirtschaft sehr ungünstig, weil man immer noch mit dem Jahreslohn statt mit dem Stundenlohn vergleicht. Beim Jahreslohn wird nämlich die verlängerte Arbeitszeit in der Landwirtschaft nicht berücksichtigt. Der Grüne Bericht räumt das auch in etwa .ein. Ich meine, daß es notwendig ist, in den Berechnungen künftig mehr als bisher die lange Arbeitszeit in der Landwirtschaft einzukalkulieren.
Gestatten Sie mir nun ein paar Bemerkungen zum Grünen Plan 1959, und zwar zunächst zur Frage der Subventionen. Die Deutsche Partei hat in einer Kleinen Anfrage vom Bundesfinanzminister eine Klarlegung aller Subventionen verlangt. Dieser hat allerdings die Fraktion der Deutschen Partei darum gebeten, die Frist zur Beantwortung um 14 Tage zu verlängern; denn zur Klarlegung der Subventionen müsse sehr viel Material überprüft werden.
Ich bin mit Herrn Minister Lübke im Grunde darin einig, daß es sich nicht um eigentliche Subventionen, sondern um Förderungsmittel handelt, die der Landwirtschaft als Anpassungs- und Entwicklungshilfen gewährt werden. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft diese Subventionen nicht gewünscht hat. Für uns hat nach wie vor das agrarische Preisniveau den Vorrang. Wir sind der Auffassung, daß sich alle Maßnahmen der Agrarpolitik an § 1 des Landwirtschaftsgesetzes ausrichten müssen. Aus den Erfahrungen in der Vergangenheit
darüber ist hier schon gesprochen worden — wissen wir nur zu gut, wie leicht die Förderbeträge, die wir für Milch bekommen, durch die Handelspolitik wieder weggenommen werden können. Die Bauern aus dem Allgäu konnten im letzten Sommer ein Lied davon singen; denn sie haben durch die liberalisierte Einfuhr von Käse sehr viel mehr verloren, als ihnen der Grüne Plan an Fördermitteln für die Milch gebracht hat.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Milcherzeugerpreise in der Landwirtschaft allgemein hinweisen. Es ist festzustellen, daß bei dem jetzigen Butterpreis die Erzeugerpreise für Milch um etwa 21/2 bis 3 Pf unter denen des Vorjahres liegen. Die Fördermittel sind also kein Allheilmittel. Vorrang muß nach wie vor der § 1 des Landwirtschaftsgesetzes behalten.
Ich möchte mich hier noch kurz mit den Ausführungen von Herrn Kriedemann befassen. Er

Logemann
meinte, die Subventionen seien in der Landwirtschaft sehr ungerecht verteilt worden. Ich kann nur erwidern, Herr Kriedemann, daß laut Grünem Bericht die Subventionen allen landwirtschaftlichen Betrieben zugute gekommen sind.

(Abg. Kriedemann: Das sollte ja auch bewiesen werden, obwohl es nicht stimmt!)

— Das ist bewiesen. Ich möchte die Angaben des Grünen Berichts als wahr unterstellen. Der Grüne Bericht zeigt eindeutig, daß die Subventionen allen Betrieben zugute gekommen sind.
Herr Kriedemann, Sie behaupten alle Jahre wieder, daß die Verteilung der Subventionen ungerecht vorgenommen werde. Ich möchte in Übereinstimmung mit Herrn Minister Lübke noch einmal ausdrücklich sagen, daß es sich bei der Milch nicht um eine Subvention, sondern um ein Förderungsmittel handelt, mit dem eine Qualitätsverbesserung erstrebt wird. Wir hätten diese Mittel — und das haben Sie schon einmal vorgeschlagen, Herr Kriedemann — der Landwirtschaft auch auf andere Weise zukommen lassen können.

(Abg. Kriedemann: Anders wäre es richtiger und anständiger gewesen!)

— Einen Augenblick, Herr Kriedemann, ich komme darauf zurück. In erster Linie geht es ja um die Tbc-Freimachung. Sie soll zu einer Qualitätsverbesserung führen; ich meine die Tbc-Freimachung, die die Bauern unter dem Strich etwa 6 bis 7 Milliarden DM gekostet hat. Sie haben seinerzeit, Herr Kriedemann, den Vorschlag gemacht, im Etat erhebliche Mittel für die Tbc-Freimachung der Rinder bereitzustellen.

(Abg. Kriedemann: Sie haben es mit abgelehnt!)

Meine Frage, Herr Kriedemann, ist die: Hätten Sie, wenn die Mittel bewilligt worden wären, für die Rinder im Rheinland weniger gegeben als für die Rinder in marktfernen Gebieten?

(Abg. Kriedemann: Das hat damit doch überhaupt nichts zu tun!)

— Das hat sehr wohl mit der Verteilung der Mittel zu tun. Ich möchte nur sagen, wie schwierig es eigentlich ist, hier zu differenzieren. Man kann hier unmöglich bis ins einzelne gerecht werden, und ich meine, das sollte man erkennen. Man muß hier die allgemeinen Richtlinien wirken lassen, und die gestatten nicht eine so weitgehende Differenzierung, wie Sie sie sehen.

(Abg. Kriedemann: Aber, Herr Kollege Logemann, Sie können doch nicht Äpfel und Birnen zusammenzählen!)

— Das will ich gar nicht!

(Abg. Kriedemann: Es handelt sich um zwei völlig verschiedene Methoden!)

— Es sind keine verschiedenen Methoden! Es wären so oder so Mittel zu verteilen gewesen.

(Abg. Kriedemann: Nicht: so oder so, sondern: so oder anders!)

— Aber, Herr Kriedemann, ich möchte weitergehen. Ich weiß nicht, ob Sie für die SPD insgesamt sprechen. Ich habe den Eindruck, daß die Auffassungen in bezug auf die Subventionen bei Ihrer Fraktion sehr unterschiedlich sind. Aber ich möchte Sie fragen, ob Sie es bei der Landwirtschaft so halten wollen, wie es sich z. B. aus dem Antrag ergibt, den Sie kürzlich in der Kohledebatte eingebracht haben. Darin hatten Sie beantragt:
Die Bundesregierung wird ersucht,
dem Bundestag unverzüglich einen Gesetzentwurf zuzuleiten, auf Grund dessen den Unternehmen des Kohlebergbaus die aus der Einführung der 5-Tage-Woche sich ergebenden finanziellen Belastungen insoweit erstattet werden, als das einzelne Unternehmen sie nachweislich nicht tragen kann.
Herr Abgeordneter Kriedemann, warum messen Sie hier mit zweierlei Maß?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306402200
Herr Abgeordneter Logemann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306402300
Bitte sehr.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0306402400
Herr Logemann, Sie haben den Antrag ja vor sich liegen. Können Sie vielleicht den Unterschied zwischen den globalen Subventionen und der Forderung erkennen, den Betrieben zu helfen, die nachweislich nicht in der Lage sind, die ihnen durch Gesetz auferlegten Belastungen zu tragen? Das eine ist eine globale Maßnahme und, wie mir scheint, eine schlechte, falsche, törichte Maßnahme, und das andere, was wir beantragt haben, ist eine gezielte Maßnahme. Können Sie den Unterschied erkennen?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306402500
Herr Kriedemann, daß da ein Unterschied ist, sehe ich durchaus ein. Aber ich finde, Sie legen dann bei der Verteilung der Fördermittel einen sehr harten Maßstab an. Wir müssen doch die Landwirtschaft mit ähnlichen Maßstäben messen!

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Herr Logemann, können Sie sich kein anderes System vorstellen?)

— Ein anderes System der Verteilung der Fördermittel kann ich mir im Augenblick gar nicht vorstellen. Ich möchte es auch gar nicht haben; denn der Grüne Bericht zeigt eindeutig, daß die Mittel bei diesem Verteilungssystem gleichmäßig allen Betrieben zugute gekommen sind.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306402600
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306402700
Bitte sehr.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0306402800
Herr Logemann, halten Sie ein Verfahren für richtig, das völlig eindeutig solchen Betrieben Subventionen zukommen läßt, die ausweislich des Grünen Berichts sehr weit über dem Strich liegen?


Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306402900
Herr Kriedemann, dazu darf ich sagen, daß ausweislich des Grünen Berichts 6,4 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche bisher das „Klassenziel" des Landwirtschaftsgesetzes erreicht haben

(Zuruf von der SPD: Weit überschritten!)

und daß andere Gruppen diesem Ziel zumindest sehr nahekommen. Solange also der Prozentsatz der landwirtschaftlichen Nutzfläche, der das „Klassenziel" des Landwirtschaftsgesetzes erreicht hat, nicht größer ist, ist nach meiner Auffassung eine Aufteilung der Subventionen nicht notwendig.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306403000
Gestatten Sie noch eine Frage?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306403100
Bitte sehr!

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0306403200
Halten Sie ein Unrecht oder einen Unsinn für kein Unrecht und für keinen Unsinn, wenn das Unrecht nur zugunsten von sechs oder wieviel Prozent geschieht?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306403300
In dieser Form können wir die Dinge jetzt doch nicht klären! Diese Klärung müssen wir im Ernährungsausschuß versuchen; ich möchte mich darauf jetzt nicht weiter einlassen. — Also weiter zum Grünen Plan!
Hier ist nach meiner Auffassung noch ein Hinweis angebracht, der heute noch nicht gekommen ist, daß nämlich die Mittel des Grünen Plans sehr stark durch Fremdmittel aufgebläht sind, die nicht allein der Landwirtschaft nutzen, sondern die einen mehr allgemeinen Nutzen haben. Ich darf z. B. aufführen: Mittel für Abwässerbeseitigung, für Wasserversorgung, für Vorratshaltung, für Naturschutzgebiete. Alle diese Beträge, die ,allgemeinen Zwecken dienen, machen nach Auffassung des Deutschen Bauernverbandes zusammen fast 1 Milliarde DM aus. Ich bitte, diese Beträge doch so aufzuführen, daß klar erkennbar wird, daß die Mittel nicht der Landwirtschaft zugute kommen.
Ich möchte nun noch kurz etwas zur Verteilung der Mittel nach dem Grünen Plan sagen. Die Mittel werden in diesem Jahr mehr für die Verbesserung der Agrarstruktur und weniger für sogenannte einkommenverbessernde Maßnahmen eingesetzt. Dabei bitte ich zu bedenken, daß die Mittel nach unserer Auffassung nicht ohne Folgen verschiebbar sind. Wir wünschen durchaus mehr Mittel für das Agrarstrukturprogramm. Aber ich möchte doch meinen, daß die Mittel unter I und II, also für einkommenverbessernde und strukturverbessernde Maßnahmen, sich weitgehend überschneiden. Eine Senkung der Mittel für einkommenverbessernde Maßnahmen trifft also gleichzeitig auch solche Betriebe, die auf eine Strukturverbesserung vordringlich angewiesen sind. Auch das muß man bei solchen Verschiebungen sehen. Wenn man gesunde Betriebe nicht wettbewerbsfähig erhält, können bei einer solchen Agrarpolitik Betriebe mit Vorbelastungen niemals gesunden.
Das ist besonders bei der Eingliederung von Vertriebenen zu berücksichtigen, die nach einem neuen Plan erfolgen soll. Dieses Bemühen wird auch von uns durchaus unterstützt. Aber wir meinen, daß es wichtig ist, auch für Vertriebene und Siedler so zu sorgen, daß sie wirklich wettbewerbsfähig sind.
Weiter zum Strukturprogramm! Ich darf hierzu noch auf einen interfraktionellen Vorstoß bei den Etatberatungen hinweisen, Herr Minister Lübke, der auch von uns ausging und der eindeutig zeigt, wie großen Wert wir auf eine verstärkte Verbesserung der Agrarstruktur legen.
Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die wesentlichen Punkte des Antrags Umdruck 149 verlesen und dabei gleich sagen, daß der Entschließungsantrag von allen Fraktionen angenommen worden ist. Er wurde der Bundesregierung am 1. Juli 1958 zugeleitet. In der Entschließung wird der Bundesregierung empfohlen:
bei landwirtschaftlichen Betrieben in Gebieten, die durch naturbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten benachteiligt oder deren Absatzverhältnisse durch die Entfernung vom Markt beeinträchtigt sind, die bisher von ihr getroffenen Maßnahmen im Rahmen des ,Grünen Planes zu verstärken. Zu diesen Gebieten sind vorab die Gebirgslagen, die Mittelgebirgslagen und die Küstengebiete zu zählen. Die Maßnahmen haben sich zu erstrecken auf
a) Flurbereinigung, Aufstockung, Aussiedlung und wasserwirtschaftliche Maßnahmen unter Berücksichtigung der naturbedingten Vorbelastungen und der besonderen Notlagen,
b) Erleichterungen bei den Vermögensabgaben,
c) zusätzliche Zinsverbilligung bei Darlehensaufnahmen,
d) Verbesserung der landwirtschaftlichen Ausbildungsmöglichkeiten,
e) Ausstattung der Betriebe mit baulichen Anlagen und technischen Arbeitshilfsmitteln zur Förderung der Arbeitsproduktivität.
Herr Minister, was ist im Sinne dieses Entschließungsantrages bisher geschehen? Welche :Mittel haben Sie zum Einsatz in der Richtung, wie sie dieser Entschließungsantrag angibt, vorgesehen?

(Abg. Kriedemann: Herr Logemann, der Minister hat diese Frage nicht gehört! Stellen Sie sie bitte noch einmal!)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306403400
Einen Augenblick!
Meine Herren Kollegen, bringen Sie mich doch nicht immer in Verlegenheit! Dieses Diskutieren an der Regierungsbank können wir nicht haben, das ist ein ganz schlechter Stil. Ich habe es neulich schon einmal etwas diskreter und zurückhaltender gesagt. Diesmal habe ich es nicht gesehen. Aber ich würde bitten, das zu unterlassen. Die Herren Minister müssen doch auf jedes Wort aufpassen, das hier gesprochen wird.
Sprechen Sie weiter, Herr Abgeordneter!




Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0306403500
Herr Minister, ich habe vorhin den Entschließungsantrag Umdruck 149 vorgelesen. Ich möchte Sie bitten, in Ihrer Antwort nachher zu sagen, was Ihr Haus, was die Bundesregierung entsprechend dem Verlangen des Antrags in der Zwischenzeit vorgesehen hat.
Wir verfolgen die Entwicklung der Landwirtschaft in sogenannten landwirtschaftlichen Notstandsgebieten mit großer Sorge. Ich könnte Ihnen diese Gebiete aufzählen. Es gibt sie in Schleswig-Holstein. Dort hatte man im letzten Jahr schlechte Ernten. Ich denke auch an den Stader Raum, an die Überschwemmungsgebiete an den niedersächsischen Flußläufen, wo die Lage der Landwirtschaft vor allen Dingen durch Hochwasserschäden immer wieder verschlechtert worden ist. Ich möchte Sie bitten, künftig zu versuchen, in solchen Gebieten Sondermaßnahmen zur Sanierung der so stark verschuldeten Betriebe durchzuführen.
In diesem Zusammenhang darf ich gleich auf einen Entschließungsantrag hinweisen, den die Fraktion der Deutschen Partei heute eingebracht hat. Ich bitte das Hohe Haus um Unterstützung dieses Antrages, in dem wir verlangen, daß der Landwirtschaft künftig noch zusätzliche Rationalisierungskredite zur Verfügung gestellt werden. Herr Minister Lübke, aus dem Grünen Bericht geht ganz eindeutig hervor, daß die Technisierung, also der Ersatz menschlicher Arbeitskraft durch die Maschine, in der Landwirtschaft die Rentabilität des Betriebes nicht immer günstiger gestaltet, sondern bei den heutigen Zinssätzen sehr oft zu einer bedrohlichen Verschuldung der Betriebe führt. Wir bitten Sie also, künftig noch zusätzliche Rationalisierungskredite für die Technisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen.
Wir sind weiter der Meinung, daß es nicht richtig wäre, Mittel aus dem Grünen Plan für die Sanierung der landwirtschaftlichen Altershilfe zur Verfügung zu stellen. Wir verlangen vielmehr, daß diese Beträge zusätzlich zu den Mitteln des Grünen Plans bereitgestellt werden.
Nun noch einige ganz kurze Bemerkungen zur Agrarpolitik allgemein. Ich darf zunächst sagen, daß unsere Sorge um den Erzeugungsraum der Landwirtschaft, um den wir angesichts der Entwicklung zur EWG seit langem besorgt sind, durch Herrn Minister Lübke abgemildert worden ist, der kürzlich bei der Einbringung des Grünen Berichts und des Grünen Plans selbst festgestellt hat, daß für die Bedarfsdeckung noch ein beachtlicher Teil der deutschen landwirtschaftlichen Produktion auszunutzen sei. Herr Minister Lübke, ich darf auch aus der Beantwortung unserer Anfrage entnehmen, daß Sie hier doch der landwirtschaftlichen Produktion den Vorrang vor Importen geben, daß Sie also weiterhin den Vorrang der Eigenproduktion sicherstellen wollen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf Ihre Handelspolitik zu sprechen kommen. Herr Minister, Sie haben neulich versucht, hier an Hand von Prozentzahlen nachzuweisen, daß die Importe auf dem Gebiete der Landwirtschaft im letzten Jahr
doch nicht sehr hoch gewesen seien. Dazu darf ich sagen: nach meiner Auffassung ist es nicht entscheidend, ob 5 oder 10 % eingeführt werden; entscheidend ist vielmehr die Aufnahmefähigkeit des Marktes zum jeweiligen Zeitpunkt der Einfuhren. Leider bringen eben Einfuhren in Höhe von 1 %, wenn sie zum ungünstigen Zeitpunkt kommen, oftmals schon das Faß zum. Überlaufen.
Wenn hier an die Landwirtschaft appelliert wird, sie solle nicht am Markt vorbeiproduzieren und eine bessere Marktpflege betreiben, so sagen wir dazu durchaus ja. Voraussetzung für eine gute Marktpflege und dafür, daß nicht am Markt vorbeiproduziert wird, ist aber doch eine dem Markt angepaßte Einfuhrpolitik. Herr Minister Lübke, wir sind der Meinung, daß nicht wir — die Landwirtschaft — am Markt vorbeiproduziert haben, sondern daß man am Markt vorbeiimportiert hat. Gerade jetzt sind wir in besonderer Sorge wegen des Abschlusses langfristiger und mengenmäßig erhöhter Einfuhrverträge u. a. mit Polen und Rußland. Bei uns besteht die Befürchtung, daß statt Kohlen nunmehr mehr landwirtschaftliche Produkte eingeführt werden. Frage also an Sie: Halten Sie diese neu abgeschlossenen Einfuhrverträge nicht doch für bedenklich und sind Sie nicht der Meinung, daß sie zu einer Einengung der landwirtschaftlichen Produktion führen?
Herr Minister Lübke, in diesem Zusammenhang vielleicht noch ein Hinweis auf ein landwirtschaftliches Erzeugnis, das uns im Augenblick sehr große Sorge macht, nämlich das Ei. Meine Damen und Herren, Sie können im Grünen Bericht nachlesen, daß für die eigene Landwirtschaft auf dem Gebiete der Eiererzeugung an sich noch ein sehr großer Absatzraum vorhanden ist. Wir befürchten aber, Herr Minister, daß uns dieser Absatzraum in allernächster Zeit genommen wird, wenn nicht versucht wird, hier zu einer Regelung zu kommen, die eine Überschwemmung der deutschen Märkte verhindert. Ich frage also: wollen Sie nicht versuchen, Mindestpreise für Eier einzuführen, wie sie der Vertrag von Rom zuläßt, um uns damit diesen Erzeugungsraum für Eier noch weiterhin zu sichern? Ich bin der Meinung, daß gerade die Geflügelwirtschaft besonders im bäuerlichen Betrieb noch weiter ausbaufähig ist und daß wir damit auch in landwirtschaftlichen Notstandsgebieten noch zusätzliche Einnahmequellen schaffen können.
Nun noch ein paar Worte zur EWG. Herr Minister, ich bin neulich in Sorge gekommen, als Sie in Ihrer Rede andeuteten, daß man in der EWG mit einer Senkung der Futtergetreidepreise zu rechnen habe. Ich fürchte, daß in anderen Ländern in solchen Äußerungen schon Vorleistungen gesehen werden. Deshalb richte ich hier den Appell an Sie, Herr Minister: gefährden Sie nicht das deutsche Getreidepreisniveau, auch nicht das Futtergetreidepreisniveau! Hier bitte keine Aufweichung und keine Experimente!
Wenn wir bei Futtergetreide im Preis nachgeben, gefährden wir damit unsere Roggen- und Kartoffelböden, mit denen wir so reich gesegnet sind. Westdeutschland ist in der EWG das größte Anbaugebiet von Roggen und Kartoffeln. Wir müssen diese
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3437
Logemann
Früchte anbauen, weil wir den leichten Boden haben. Ich bin in großer Sorge wegen Ihrer kürzlichen Äußerungen zum Grünen Bericht.
Ich darf noch etwas zu den Ausführungen von Herrn Kriedemann sagen. Herr Kriedemann, wenn ich Sie recht verstanden habe, verlangen Sie eine Senkung der Futtergetreidepreise. Sie führten zum Vergleich das Land Dänemark an, das mit solch niedrigen Futtergetreidepreisen ausgezeichnet zurecht gekommen sei. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß die dänische Landwirtschaft ganz andere Möglichkeiten zur Erzeugung von Veredelungsprodukten hat als die deutsche und ihr solche auch eingeräumt werden. In Dänemark wurden im letzten Jahr je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 162,2 kg Schweinefleisch erzeugt, in der Bundesrepublik 84,6 kg. Die Buttererzeugung lag in Dänemark bei 53,7 kg, bei uns bei 21 kg. Bei solchen Erzeugungsmöglichkeiten sieht die Situation doch ganz anders aus. Für die EWG ist nach meiner Ansicht wichtig und entscheidend, daß bei uns die Bodenproduktion rentabel gehalten wird. Wir dürfen beim Futtergetreidepreis nicht nachgeben, weil auch in Zukunft der Roggen weitgehend als Futtergetreide verwendet werden wird.
Ich möchte damit abschließen und Sie bitten, auch weiterhin eine Agrarpolitik zu unterstützen, wie sie § 1 des Landwirtschaftsgesetzes vorschreibt. Weiterhin möchte ich Sie bitten, sich mit uns darum zu bemühen, daß wir künftig dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes in den landwirtschaftlichen Betrieben näherkommen.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306403600
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0306403700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird natürlich etwas schwierig sein, alle Einwendungen, die von den verschiedenen Diskussionsrednern gemacht worden sind, einigermaßen organisch miteinander. zu behandeln. Ich will das versuchen, es wird mir sicherlich nicht in allen Fällen glücken.
Ich darf zunächst die Frage der sogenannten Subventionen erwähnen, weil das eine wesentliche Frage ist, die mehrere Redner angeschnitten haben. Ich habe mehrfach gesagt, auch wieder in meinen letzten Ausführungen, daß ich einen Teil der Subventionen, nämlich die Handelsdüngerverbilligung, als Unkostensenkung ansehe, zum Ersatz von Ermäßigungen, die wir von der Industrie erhalten zu können glaubten.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Außerdem sollte es eine Erziehungsmaßnahme sein, um den Verbrauch von Handelsdünger in denjenigen Bezirken zu erhöhen, in denen der Verbrauch weit unter dem üblichen Maß lag.

(Zurufe von der SPD.)

Wenn wir fragen, wie hoch unter den früheren Verhältnissen etwa die jährliche Steigerung des Handelsdüngerverbrauchs gewesen ist, dann müssen wir antworten, daß sie im Durchschnitt etwa bei 6 %gelegen hat. Es wird nun gesagt, die großen, die intensiven Betriebe, die es gar nicht nötig hätten, bekämen auch diese Handelsdüngerverbilligung, und daraus ersehe man doch, daß dies ungerecht sei. Darauf darf ich Ihnen sagen, daß diese modernen landwirtschaftlichen Betriebe hauptsächlich in den Gebieten Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens liegen.
Nun hören Sie sich doch bitte einmal die Steigerungszahlen an. Sie betragen bei Stickstoff in Schleswig-Holstein 24,4, in Niedersachsen 12,7, in Nordrhein-Westfalen 13, in Hessen 17, in Rheinland-Pfalz 20,6, in Baden-Württemberg 30,6 und in Bayern 35,3 %. Das ist doch ein Beleg dafür, daß der Verbrauch derjenigen, die schon immer sehr intensiv mit Verwendung von Handelsdünger gewirtschaftet haben, weniger zugenommen hat als in den übrigen Gebieten, die unter diesem Durchschnitt lagen.
Trotzdem können Sie sagen, daß solche intensive Betriebe darunter sein werden. Natürlich sind solche darunter. Aber man kann gleichzeitig sagen, daß sie bei weitem nicht in dem Umfang zu finden sind, den Sie vermuten; sonst müßte der Steigerungssatz überall gleich hoch sein.

(Abg. Kriedemann: Natürlich nicht! Die anderen haben schon immer richtig gedüngt und brauchten nicht erzogen zu werden!)

— Ja, dann sind sie bei den Steigerungsbeträgen auch nicht berücksichtigt und sind entsprechend schlechter weggekommen.

(Abg. Kriedemann: Herr Lübke, die verbrauchen heute noch mehr als die anderen und haben mehr Geld davon! — Lachen bei der SPD.)

— Die allgemeine Fröhlichkeit dabei kann die Beweiskraft durchaus nicht steigern.

(Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Kriedemann: Aber das viele Drumherumreden auch nicht, Herr Lübke!)

Die Steigerung beim Phosphatverbrauch betrug in Schleswig-Holstein 17 %, in Niedersachsen mit Bremen 6,5 % — war hier also außerordentlich niedrig —, in Nordrhein-Westfalen 8,8 %, und dann kommen die Zahlen der süddeutschen Länder mit 31,7, 33,4, 42,1 und Bayern mit 52,9 %.
Ähnlich liegt es auch beim Kali. Ich will Sie mit weiteren Zahlen verschonen. Aber wenn man mit dieser Verbilligung von Handelsdünger eine Erziehung zum Mehrverbrauch beabsichtigt — das war ja ein wesentlicher Grund neben der Verbilligung —, dann glaube ich sagen zu können, daß er in vollem Umfang erreicht worden ist.

(Abg. Kriedemann: Nur bei Zuckerrübenbetrieben ist das überflüssigerweise versucht worden!)


Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
— Sie wissen, darüber haben wir uns öfter gestritten, Herr Kollege. Ich kann doch nicht auf jeden Hof einen Aufpasser setzen, der den Verbrauch von Handelsdünger überwacht. — Sie schütteln so heftig den Kopf, Herr Kollege, nicht Sie, Herr Kriedemann, sondern der Abgeordnete, der hinter Ihnen sitzt. Wenn das so einfach wäre, dann würde ich an Ihrer Stelle doch einmal einen gut ausgearbeiteten technischen Plan vorlegen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar!

(Abg. Kriedemann: Das haben wir bei der Einführung der Düngersubvention vergeblich versucht, Herr Lübke!)

— Sie haben diesen Plan nicht fertigbekommen, Herr Kriedemann!

(Abg. Kriedemann: Nein, wir konnten Sie nicht davon überzeugen!)

— Nein, Sie konnten mich von dem Grundsatz nicht überzeugen, und Sie haben die Technik nicht hinbekommen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU.)

Ich darf in diesem Zusammenhang noch auf die Milchprämie eingehen. Nach den amtlichen Berichten aus den süddeutschen Bereichen hat gerade die Milchprämie eine ganz ausgezeichnete Wirkung gehabt. Erst durch diese Milchprämie ist bei uns ein allgemeiner Standard des Milchpreises erreicht worden, wie er bis dahin überhaupt nicht möglich gewesen ist. Wir hatten 1951, als der Besuch in Rhöndorf war, einen Milchpreis von etwas über 25 Pf. Es ist jahrelang darüber geklagt worden, daß die damals aufgezeigten Erwartungen nicht in Erfüllung gingen, weil die Milchpreise nur sehr langsam anstiegen. Im vergangenen Wirtschaftsjahr hatten wir einen Durchschnittspreis von nicht ganz 35 Pf, der jetzt vielleicht bei etwas über 33 Pf liegen wird.
Die Holländer haben demgegenüber nicht nur sehr stark subventioniert, sondern ihren Preis sogar garantiert. Alles, was sie nach Deutschland und in andere Bezirke verkaufen, wird ohne Rücksicht darauf verkauft, ob sie mit den Preisen unter den holländischen Preisen liegen. Es wird einfach damit gerechnet, daß die Verluste, die dadurch entstehen, von der holländischen Regierung aus der Staatskasse gedeckt werden. Nun hörte ich, daß sich das ändern sollte. Man erzeugt in Holland 5,180 Milliarden Liter Milch. Man hat vor, in Zukunft nur 5 Milliarden Liter zu subventionieren, d. h. also ganze 180 Millionen Liter weniger. Das bedeutet praktisch, daß dieses Verfahren fortgesetzt wird. Das ist für uns eine sehr schädliche Beeinflussung, weil uns dadurch, wie Herr Bauknecht erwähnt hat, das Vollmilchpulver und der Käse in den verschiedensten Sorten so billig vor die Haustür geschoben werden, daß unsere Molkereien dagegen nicht ankommen. Und das alles geschieht auf Kosten des holländischen Staates, der seinerseits einen Milchpreis von 32 Pfennig garantiert hat, ohne Rücksicht darauf seine Exporte durchführt und es uns überläßt, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden.
Ich habe nunmehr den Holländern nochmals nahegelegt, dieses Verfahren zu ändern, jedenfalls nicht
nach Deutschland subventionierte Ware zu schicken, weil ich sonst Gegenmaßnahmen ergreifen müßte — ich sage das hier in aller Öffentlichkeit —, obwohl das für das Anlaufen des europäischen Marktes gar kein gutes Zeichen ist. Aber es ist nicht möglich, sich monatelang ein solches Verfahren anzusehen, sich von der Landwirtschaft mit Recht erhobene Vorwürfe machen zu lassen und zu sagen: ich kann daran nichts ändern. Ich habe deswegen Vollmilchpulver und Käse aus der Konsolidierung der liberalisierten Produkte herausgelassen, so daß ich auch noch den umgekehrten Weg gehen kann.

(Zuruf rechts: Ausgezeichnet!)

Wenn das von Verbraucherseite z. B. als ein Unrecht am Verbraucher bezeichnet wird, dann beruht das auf einem völligen Mißverstehen der gesamten Situation. Wenn der Verbraucher Käse und sonstige Milchprodukte aus dem Ausland auf der Basis des dort üblichen Kostenstandards ohne künstliche Verbilligung bekommt, kann man dagegen nichts sagen; darauf müssen wir uns einstellen. Wenn wir diese Produkte dann verteuerten, müßten schon wichtige Gründe vorliegen, mit denen wir das dem Verbraucher gegenüber vertreten könnten. Es wäre aber ungerecht, vertreten zu wollen, daß Produkte, die mit Regierungssubventionen künstlich verbilligt sind, in Deutschland verkauft werden dürfen und die deutsche Landwirtschaft gezwungen wird, damit zu konkurrieren.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Kriedemann: Wir sind gegen alle Subventionen, auch die holländischen!)

— Wir haben solche Subventionen im wesentlichen bei den Holländern; wir haben sie zwar auch bei den Franzosen — und auch von andern Ländern sind solche zu melden —, doch ist bei den Franzosen in letzter Zeit ein starker Rückgang auf diesem Gebiet festzustellen, und wie wir gesehen haben, haben die Dänen, die ihrerseits auf Grund eigener Kosten diese holländischen Preise noch unterschreiten, das nur sehr zögernd getan. Ich hoffe also, daß wir, wenn die holländische Regierung von der Schädlichkeit dieses Verfahrens überzeugt werden kann, in dem ganzen Bereich zu einer Bereinigung kommen.

(Abg. Kriedemann: Wir sind gegen alle Subventionen, auch gegen die holländischen!)

— Mit Recht!

(Abg. Kriedemann: Dann sind wir uns wieder mal einig!)

— Ja, hier können also Familien Kaffee kochen. (Heiterkeit.)

Ich darf bezüglich der Subventionen noch einen Punkt berühren, den zuletzt Herr Logemann und wohl auch Herr Köhler angeschnitten hat. Diejenigen, die glauben, es wäre richtig, die Subventionen ganz ohne Rücksicht auf die Lage der Landwirtschaft abzubauen, würden sich wundern, wenn sie diese Betrage von den Überschüssen, die im letzten Jahr eine Höhe von 4,26 Milliarden DM hatten, abziehen müßten.

(Abg. Köhler: Das habe ich nie gesagt!)




Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
— Ich habe sie gar nicht gemeint, Herr Köhler. Ich habe nur gesagt, ich wolle auf Äußerungen zurückkommen, die Sie, Herr Logemann und andere gemacht haben, weil Sie auf diese Dinge angespielt haben. Sie haben nicht gefordert, daß die Subventionen beseitigt werden, aber Sie haben auch die sogenannten Subventionen angesprochen, und deshalb: 4,26 Milliarden weniger 1,2 Milliarden würden uns auf einen Stand zurückbringen, den wir 1952 und 1953 auch gehabt haben.
Die Zeit, seit der das Landwirtschaftsgesetz existiert, in der wir also die Mittel aus dem Grünen Plan jährlich zur Verbesserung der Verhältnisse einsetzen können, ist noch viel zu kurz, da er erst seit drei Jahren wirklich wirksam werden konnte. Es ist deshalb viel zu früh, über diese Auswirkungen zu sprechen. Es konnte ja gar nicht das notwendige Fett angesetzt werden, damit sich hieraus ein Erfolg entwickeln konnte. Darum wäre es viel zu früh, daran zu denken, in vollem Umfang an den Abbau der sogenannten Subventionen heranzugehen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Herr Lücker hat die Verbesserung der Gesamtsituation draußen mit sehr freundlichen Worten bedacht und von der guten Atmosphäre in der gesamten praktischen Landwirtschaft gesprochen. Ich will da nicht von den Organisationen sprechen, weil ich nicht über die Organisationen zu klagen habe — im Augenblick.

(Heiterkeit.)

Aber das kann sich ja jeden Moment ändern.

(Erneute Heiterkeit.)

In der praktischen Landwirtschaft ist die Stimmung deshalb so gut, weil sie inzwischen gespürt hat, daß über das Landwirtschaftsgesetz und über den Grünen Plan eine effektive Verbesserung möglich ist. Damit hat die Landwirtschaft ihren Glauben an die Wirksamkeit dieses Gesetzes gewonnen und geht deshalb willig mit. Damit ist der Erfolg praktisch erst gesichert.

(Abg. Struve: Sehr gut!)

Die eigene Beteiligung der Landwirtschaft an den notwendigen Investitionen habe ich in meinen Ausführungen vor etwa einer Woche eingehend dargestellt. Ich brauche das nicht zu wiederholen. Ich hatte vor einer Woche zu erwähnen vergessen, daß wir seit dem vorigen Jahr und im kommenden Jahr die Roggenlieferprämie nicht mehr auszahlen. Davon sind die Roggenböden, die im Mittelgebirge liegen, besonders betroffen. Wir überlegen uns alle, sowohl im Ernährungsausschuß wie auch in der Regierung, wie man das für die am schwersten betroffenen Familienbetriebe in den höheren Lagen etwas abmildern könnte. Ausreichende Vorschläge sind auf diesem Gebiete noch nicht gemacht worden. Wir werden aber im wesentlichen Vorschläge für die Kartoffelwirtschaft machen müssen, indem wir Möglichkeiten geben, die Silierungsanlagen zu verbessern und zu erweitern, um auf diese Weise Mastbetriebe aus der eigenen Kartoffelproduktion aufbauen zu helfen.
Herr Kriedemann hat sodann grundsätzliche Ausführungen zur Verbesserung des Grünen Berichtes gemacht und daran erinnert, daß die Einnahmen aus Wald-, aus Jagdpacht usw. nicht mitberücksichtigt seien. Die bisherige Berechnungsmethode ist von Anfang an vom Beirat gutgeheißen worden. Ich glaube nicht, daß es das Bild verbessert, wenn man diese Positionen mit einbezieht; sie würden es nur verwirren. Wir haben nur den rein landwirtschaftlichen Betrieb genommen und haben die anderen Betriebe herausgelassen. Man sagt ja: es gibt neben der normalen landwirtschaftlichen Fruchtfolge noch eine andere „Fruchtfolge", die also z. B. Jagdpacht, Manöverschäden und den Verkauf von Bauplätzen einschließt.

(Heiterkeit.)

Auch das ist eine „Fruchtfolge", die wollen wir aber in den Grünen Plan nicht einführen.

(Abg. Kriedemann: Aber zur Lage der Landwirtschaft gehört es eigentlich!)

— Ich glaube, das würden wir besser dann hier nicht erörtern.

(Abg. Kriedemann: Einverstanden! Es bleibt ja unter uns! — Heiterkeit.)

Die Feststellungen über die landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte auf den Seiten 17/18, Herr Kriedemann, sind lediglich Feststellungen des Statistischen Bundesamtes. Wenn wir gezwungen sind, die Unterlagen des Statistischen Bundesamtes zugrunde zu legen, kann man uns nicht verübeln — wir konnten diese Dinge ja nicht selbständig feststellen —, daß wir bis zu der Änderung selbst an den alten Zahlen festgehalten haben und erst, nachdem die neuen Ergebnisse herauskamen, diese sofort in Rechnung gestellt haben.

(Abg. Kriedemann: Gut, ich bin auch einverstanden!)

Das bedeutet natürlich eine entsprechende Besserstellung; sie ist aber in vollem Umfange berücksichtigt.

(Abg. Kriedemann: In diesem Jahr!)

— Diese Feststellung ist auch nicht eher gekommen.

(Abg. Kriedemann: Aber die Tatsache haben Sie vorher gekannt!)

— Wir haben uns im übrigen immer an die Testbetriebe gehalten.
Herr Logemann hat beanstandet, daß z. B. die Zahlen über die Ernteverkäufe schon im November bekanntgegeben worden sind. Das hatte mit unseren Testbetrieben gar nichts zu tun, sondern war lediglich eine Feststellung aus den allgemeinen Angaben über die Verkäufe an den Märkten. Wir haben aber auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes die Aufgabe, die Angaben der Testbetriebe auszuwerten.
Wenn die Zahlenangaben darüber, was in diesem Jahr der Landwirtschaft zugute kommen sollte, vorher feststanden — Sprecher mehrerer Fraktionen haben das beanstandet —, und zwar sowohl die Zahlen des ordentlichen Etats, wie auch die des



Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
Grünen Plans, hatte das folgenden Grund. Schon lange, bevor die Beratungen über die Neufestsetzung des Haushaltsplans in Gang kamen, wurde mir gesagt, daß wir in diesem Jahr erhebliche Abstriche an unserem Grünen Plan machen müssen. Es wurden da Zahlen genannt, die recht erschütternd waren. Ich habe immer gesagt: Warten Sie doch mal mit diesen ganzen Ankündigungen, bis die Grundlagen des Berichts sichtbar werden. Wir haben so lange gewartet, und dann bin ich mit diesen Grundlagen beim Finanzminister gewesen und habe mich mit ihm darüber geeinigt, daß wenigstens der Etat des Vorjahrs gehalten wird, trotz einer Verbesserung der landwirtschaftlichen Situation.
Es ist die Frage, ob das richtig war. Wir haben dabei natürlich eine ganze Menge Erhöhungen vornehmen müssen und haben andere Positionen wieder abgebaut. Wir haben im ordentlichen Etat Flurbereinigungsmittel in Höhe von 37 Millionen DM. Wir haben im Grünen Plan weiterhin die Flurbereinigungsmittel noch einmal um 43 Millionen DM erhöht, so daß wir praktisch im Grünen Plan allein für die Flurbereinigung 80 Millionen DM mehr haben. Bei der Wasserwirtschaft haben wir eine Erhöhung um 15 Millionen DM. Außerdem haben wir für die Alterssicherung eine Ausgabe, die sich etwa bei 10 bis 15 Millionen DM bewegen wird, und zwar für diejenigen Betriebe, die ihr Land zur Strukturverbesserung abgeben, also ihren Betrieb auflösen, und dann ohne Sicherung sind. Da die Agrarstrukturverbesserung durch die Auflösung dieser Betriebe Fortschritte macht, habe ich zugesagt, diese Lasten auf den Grünen Plan zu übernehmen. Ich glaube, das ist recht und billig, und man kann es jedem gegenüber vertreten. Deshalb nehmen wir hierfür Mittel aus der Strukturbereinigung.
Darüber hinaus kommen zu den Positionen I und II 130 Millionen DM bereitgestellter zinsverbilligter Kredite aus dem Kapitalmarkt. Zum Wirtschaftswegebau kommen noch einmal 50 Millionen DM und zu den Wasserversorgungsmaßnahmen und einigen anderen noch einmal 45 Millionen DM aus ERP-Mitteln, so daß zu den 173 Millionen DM in I — Strukturmaßnahmen — noch einmal 225 Millionen DM dazukommen. Man kann nun wirklich nicht mehr in der Öffentlichkeit sagen, die Strukturmaßnahmen seien nicht genügend verstärkt worden!

(Zustimmung in der Mitte.)

Die Bereitstellung all dieser Mittel geht zu Lasten der sogenannten Subventionen — hauptsächlich der Handelsdüngerverbilligung — und ein wenig zu Lasten der Milchprämie. Insgesamt sind es 110 Millionen DM.
Herr Kriedemann meinte in diesem Zusammenhang, wir sollten nicht so geheimnisvoll mit unseren Zahlen tun. Wir tun das jedes Jahr, Herr Kriedemann, das gewöhnt man sich schließlich an.

(Heiterkeit.)

Wie die Mittel verwendet werden, ist ja das Interessante, nicht das Endergebnis.

(Abg. Kriedemann: Das entspricht aber nicht dem Landwirtschaftsgesetz!)

— Ja, das entspricht dem Landwirtschaftsgesetz. Wir können uns unter keinen Umständen gefallen lassen, daß die Zahlen schon verrissen werden, bevor ich sie hier im Parlament bekanntgebe. Es geht mir ja hier sowieso schon schlecht genug. Ein wenig kann ich ja auch zur Verbesserung der eigenen Gesundheit tun.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kriedemann: Aber nicht mit Zahlenkunststücken, Herr Lübke!)

— Nein, das sind keine Zahlenkunststücke. Ich habe Ihnen soeben klar gesagt, wie diese Zahlen entstanden sind. Das hat nichts mit Kunststücken zu tun.
Man sagt, die Subvention für die Milch komme auch den Verbrauchern zugute. Sicher kommt sie letztlich ganz den Verbrauchern zugute, denn die Milch wird infolge der Anforderungen, die wir an ihre Qualität stellen, jedes Jahr besser. Die Verteuerung der Trinkmilch um einen Pfennig in diesem Jahr ist ja nicht auf die Landwirtschaft, sondern auf die Handelsspannen zurückzuführen. Darum glaube ich, daß letzten Endes die sich ständig verbessernde Qualität der Trinkmilch ohne Verteuerung dem Verbraucher zugute gekommen ist. Das gleiche gilt für die Butter, und das gleiche gilt auch für den Käse. Es geschieht auf diesem Gebiet sehr viel, was Sie im Grünen Plan und im normalen Etat kaum finden.
Wir geben Anpassungsbeihilfen, um unsere landwirtschaftlichen Betriebe aus der sehr schweren Situation der Tierseuchen herauszubringen. In den Großbetrieben fällt es schwerer als in den Kleinbetrieben, die Bang- und Tbc-Krankheiten zu bekämpfen. Wir haben Großbetriebe, die darunter jahrelang außerordentlich gelitten haben und ihre gesamten Reserven in Anspruch nehmen mußten, um die schweren Verluste abzudecken. In den Betrieben, die drei bis fünf Kühe halten, ist die Bekämpfung in der Regel einfacher. Da ist z. B. der Tuberkelbazillus kaum vertreten. Manche Veterinäre sagten in früheren Zeiten, als die Tbc-Bekämpfung noch nicht so allgemein bekannt war: In diesen dunklen Ställen, die vielfach in ganz dichtgedrängten Dörfern stehen, ist die Luft so schlecht, daß selbst die Tuberkelbazillen das nicht aushalten können.

(Heiterkeit.)

Es wurde gesagt, es müßte dafür gesorgt werden, daß in allen Bereichen, in denen die bäuerliche Bevölkerung dicht beeinandersitzt, gewerbliche Unternehmen in stärkerem Umfang angesiedelt werden. Zwischen dem Wirtschaftsministerium, dem Landwirtschaftsministerium und der deutschen Industrie besteht auf diesem Gebiet eine enge Zusammenarbeit. In der letzten Zeit ist auch zusammen mit dem zuständigen Ausschuß allerlei geleistet worden. Der zuständige Ausschuß wird in Zukunft mit uns auf diesem Gebiet in enger Verbindung bleiben. Der Ausschuß ist für die sogenannten Sanierungsgebiete eingesetzt, und es wird gut sein, diese Zusammenarbeit weiter energisch zu betreiben. Also, Herr Kriedemann, auf diesem


(Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke)

Gebiet ist eine ganze Menge geschehen. Allerdings halten sich die Mittel, die dafür zur Verfügung gestellt werden, in sehr engen Grenzen.
Ferner wurde gebeten, die Methoden zu verändern, auf denen sich unsere Arbeiten aufbauen und die schon seit Jahren in der Erörterung stehen. Der Beirat für den Grünen Bericht hat sich mit den Dingen eingehend befaßt — Herr Bauknecht. Ihr Nachbar wird Ihnen das bestätigen können —, und er hat an dem jetzigen Verfahren festgehalten. Er hat jedenfalls keine Veranlassung gesehen, z. B. auf Stundenlöhne und ähnliche Änderungen einzugehen. Ich will die Gründe dafür gar nicht im einzelnen anführen. Ganz sicher aber bringen uns in der Berechnung Stundenlöhne nicht weiter, sondern nur das Jahreseinkommen.
Herr Bauknecht sagte, es werde behauptet, man produziere an dem Markt vorbei; in Wirklichkeit seien die Einfuhren schuld daran, daß bei uns in Deutschland die Preise sänken. Das ist zweifellos richtig. Aber es ist auch ebenso richtig, daß Sie die Einfuhren nicht ständig nach dem Stand des Verbrauchs oder der landwirtschaftlichen Produktion einrichten können. Denken Sie an die Ernteschwankungen oder an den Schweinezyklus! Wenn wir unsere Einfuhren danach einrichten wollten, bekämen wir keinen einzigen Handelsvertrag fertig. Das ist unzumutbar. Sie wissen genau, in welchem Umfang wir von der Einfuhr abhängig sind. Ich sage das auch all denen, die nicht wissen, wie gering die Prozentsätze der Einfuhren sind, die noch aus dem Ausland zu uns hereingekommen sind. Diese Prozentzahlen — Herr Köhler, ich glaube, Sie sagten es — .sind verhältnismäßig klein. Sie sind aber gerade bei Rindfleisch am größten, und bei Rindfleisch ist die Steigerung der Preise am auffälligsten. Es kommt also gar nicht auf die Prozentsätze oder auf die Größe der Einfuhr an, sondern darauf, daß die deutsche Ernte oder die deutsche Produktion nicht mit der Einfuhr zusammentreffen darf. Das zu manipulieren ist ganz außerordentlich schwer, wenn nicht unmöglich.
Wenn man nun von den mancherlei Nachteilen spricht, die uns durch das Ausland zugefügt werden, dann müssen wir gerechterweise auch sagen, in welchen Sparten wir günstiger als das Ausland liegen — ich will mich damit heute nicht befassen, das müßte eigentlich das Haus mal von sich aus tun —, wieviel billiger wir das eine oder andere Produktionsmittel bekommen als das Ausland oder wo wir auch in unseren Verkäufen besser liegen. Ich werde das von mir aus nicht tun. Aber gerechterweise müßte man beides nebeneinander stellen. Sonst sieht das so aus, als ob nur die Regierung blind wäre.

(Heiterkeit.)

Nun zu den Silos und Unterdachtrocknungsanlagen! Herr Bauknecht, die angesetzten Summen entsprechen den Abrufen des letzten Jahres. Wir haben im letzten Jahr 25 Millionen DM angesetzt, und verbraucht sind bis heute 15 Millionen DM. Das kann daran liegen, daß zu den Futterbaubetrieben nur diejenigen gerechnet werden, die
66 °/o Grünland haben. Dias ist ja die Definition der Futterbaubetriebe. Ich bin aber der Meinung, daß der Futterbaubetrieb nicht nach dieser Definition bestimmt zu werden braucht. Man könnte einen Betrieb als Futterbaubetrieb meinetwegen auch bei geringerem Futterflächenanteil gelten lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir wollen uns damit befassen, um festzustellen, ob es nicht auch noch bei 60 % geht. Dann werden die Unterdachtrocknungsanlagen wahrscheinlich etwas rascher verkauft werden. Daran sind wir alle interessiert, weil das ein wirkliches Hilfsmittel ist.
Bei den Zuschüssen für Siloanlagen aber über die Ställe mit 10 Kühen hinauszugehen, das habe ich immer abgelehnt, und das muß ich auch jetzt ablehnen. Der Kleinbetrieb muß für seinen Silo mit einem geringeren Inhalt pro Kubikmeter 15 DM mehr an fixen Kosten zahlen als der größere Betrieb. Diese 15 DM ersetzen wir, weiter nichts. Das muß so bleiben, wie es ist.
Herr Köhler meinte zur Einführung, es sei alles über den Grünen Bericht und Grünen Plan bekannt. Ja, wenn wirklich alles bekannt gewesen wäre, Herr Kollege, hätten wir uns ja besser unsere Reden geschenkt. Dann hätten wir wahrscheinlich allen Zuhörern im Bundestag mit Ausnahme derjenigen, die auf den Tribünen sitzen, eine große Freude gemacht.

(Heiterkeit.)

Herr Köhler meinte, es wäre besser gewesen, wenn man bei der Berechnung der Steigerung der Einnahmen die gute Ernte vorher abgesetzt und sie nicht in den Bericht aufgenommen hätte.

(Abg. Köhler: Der Optik wegen!)

Ich frage: was sollen wir dann bei schlechten Ernten machen? Sollen wir sie auch absetzen?

(Heiterkeit.)

Das wird also nicht gehen. Wir wollen ein Bild von der wirklichen Lage haben.
Dann fragten Sie sehr bewegt: Wer schützt die Bauersfrauen? Dazu sind zunächst einmal die Männer da!

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause.)

Infolge der guten Ernte, infolge der Maßnahmen des Grünen Planes und infolge der stabilen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland konnten die Einnahmen der Landwirtschaft wesentlich gesteigert werden. Die Landwirtschaft hat von den Mehreinnahmen 2,35 Milliarden DM in Investitionen angelegt. Diese Investitionen sind zu einem guten Teil auch der Hausfrau zugute gekommen.

(Abg. Köhler: Trotz allem!)

Wenn man in einem Jahr 2,35 Milliarden DM für Investitionen anlegen kann, dann kann man nicht sagen, es bleibe alles beim alten.

(Abg. Köhler: Die Arbeitszeit der Betriebe ist zu lang!)




Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
— Es gibt sicher Betriebe, bei denen das so ist. Sie müssen jede Möglichkeit ausnutzen, mehr zu arbeiten, damit sie auch etwas mehr verdienen. Es gibt aber auch Betriebe— ich kenne persönlich eine Reihe solcher Betriebe —, die sich schon auf den 8-Stundentag eingerichtet haben und entsprechend wirtschaften. Es gibt also beide Arten. Bei manchen Betrieben handelt es sich zum Teil um Gewohnheit, zum Teil allerdings auch um Not.
Sie sagten dann, die Lage der Landwirtschaft habe sich im Grunde nicht gebessert. Herr Köhler, mit dieser Behauptung tun Sie dem Landwirtschaftsgesetz und auch dem Grünen Plan Unrecht. Ich glaube, Sie tun auch Ihren Landsleuten Unrecht. Schleswig-Holstein hat zwar durch seine marktferne Lage gewisse Sondernachteile zu tragen. Denken Sie einmal an die schwarze Fahne von vor 30 Jahren zurück!

(Abg. Köhler: Ich habe sie nicht getragen!)

— Ja, ich weiß. Aber Sie erinnern sich doch noch sehr gut an diese Zeit. Wenn Sie heute diese schwarze Fahne ergriffen und vorwegzögen, würden Sie keine Gefolgschaft finden.

(Abg. Köhler: Sagen Sie das nicht!)

— Nein, ganz sicher nicht. Der Landwirt betrachtet diese Dinge kühl und rechnerisch. Der Landwirt sagt heute nicht: Wir haben im ersten und zweiten Jahr der Geltung des Landwirtschaftsgesetzes noch nicht viel von einer Besserung gemerkt. Wenn er das sagte, könnte man annehmen, daß er auch bereit wäre, in einem schlechten Jahr zu demonstrieren. Der Landwirt sieht aber, daß sich bereits im dritten Jahr des Wirksamwerdens des Gesetzes die Verhältnisse gebessert haben. Das fühlt jeder, und das wird auch für jeden sichtbar. Deshalb trägt er auch keine schwarze Fahne mehr.
Diesen tiefgehenden Pessimismus, Herr Köhler, den Sie gezeigt haben, möchte ich kritisieren. Er ist meines Erachtens in diesem Jahr nicht am Platze. Wir müssen uns darauf einstellen, in diesem Jahre dem Landwirt die Sicht für die Entwicklung in der EWG zu öffnen. Sie haben das am Schluß Ihrer Ausführungen auch erwähnt.
Sie haben mich weiter gefragt, ob Sie eine gedämpfte oder eine aggressive Oppositionsrede gehalten hätten. Ich muß mich da mehr für eine „gedämpfte" entscheiden; ich bin viel Schlimmeres gewohnt.

(Heiterkeit.)

Herr Logemann und Herr Köhler fragten dann wieder wegen der Familienbetriebe. Ich persönlich bin der Meinung, daß sich der Familienbetrieb gar nicht nach der Größenklasse einordnen läßt. Nach der Definition ist der Familienbetrieb ein Betrieb, der im wesentlichen mit familieneigenen Arbeitskräften wirtschaftet und nur gelegentlich Aushilfe braucht, wobei im übrigen ein Lebensstandard erreicht werden kann, der mit dem im gewerblichen Sektor vergleichbar ist. Der Familienbetrieb ist in der Lüneburger Heide oder in der Eifel oder im Sauerland oder in den Alpenvorbergen oder in Schleswig-Holstein auf der Geest ganz anders als in der Soester Börde oder etwa im braunschweigischen oder im Hildesheimer Bezirk oder in der Kölner Bucht. Darum ist es sehr schwer, ihn nach Größenklassen einzuordnen. Nur wenn ich den Betrieb kenne, kann ich sagen: das ist ein Familienbetrieb, oder: das ist keiner. Infolgedessen kann man vom Familienbetrieb sprechen, auch wenn man ihn nicht statistisch einordnen kann.
Die Produktionsreserven, die bei uns bestehen, erlauben noch eine gewisse Steigerung der Produktion; da gebe ich Herrn Logemann ganz recht. Ich möchte aber sagen, daß diese Produktionsreserven verhältnismäßig gering sind; sie bewegen sich bei den meisten Produkten zwischen Null und 10 °/o. Man braucht sich nur einmal anzusehen, welche Produktionsreserven im einzelnen vorhanden sind, um sich eine Vorstellung darüber zu bilden, inwieweit Produktionssteigerungen möglich sind.
Herr Logemann hat auch die Eierproduktion angesprochen. Ich muß darauf erwidern, daß wir in der Eierproduktion praktisch mit dem Ausland konkurrieren können und im Jahresdurchschnitt im großen ganzen die Auslandspreise bekommen. Wir haben den Ausgleich für die verteuerten Futtermittel durch das Gesetz zur Förderung der deutschen Eierwirtschaft. Man kann also nicht sagen, daß da ein Nachteil gegenüber dem Ausland vorliege. Außerdem haben wir auf diesem Gebiet noch einen gewissen Zollschutz. Ihre Bemerkungen sind insoweit also nicht begründet.
Sie sagten dann, ich hätte von der Senkung des Futtergetreidepreises gesprochen. Ich habe ausdrücklich gesagt: Ich bin der erste gewesen, der in öffentlicher Diskussion dafür eingetreten ist, daß die pflanzliche Produktion rentabel gehalten wird. Ich hatte darüber vorher mit Herrn Mansholt in Brüssel Fühlung aufgenommen und dann auf der Wiener Tagung der europäischen Bauernverbände die Rentabilität der pflanzlichen Produktion gefordert, woraus sich sowohl preislich wie auch für die Rentabilität der Veredelungsproduktion praktisch alles weitere ergibt. Allerdings ergibt sich daraus kein bestimmter Preislevel. Nehmen Sie aber an — und das habe ich in meiner letzten Rede gesagt, Herr Logemann —, wir würden uns in Europa auf den deutschen Weizenpreis einigen können. Auch dann würde der deutsche Futtergetreidepreis heruntergehen, weil wir nämlich ganz allgemein, international ein unter den Weizenpreisen liegendes Futtergetreidepreisniveau haben, und darauf würden sich sämtliche übrigen Länder automatisch einstellen. Auch wir würden es tun müssen, sonst würden wir bei uns die Veredelungsproduktion benachteiligen. Das können wir nicht.

(Zuruf rechts.)

— Nein, das können wir nicht. Wenn wir ein gemeinsames Getreide- und Veredelungsproduktenpreisniveau haben, können wir nicht in Deutschland ein anderes Futtergetreidepreisniveau haben; sonst würden wir jeden, der Veredelungsproduktion betreibt, benachteiligen.
Ich muß noch zu der Drucksache vom 1. Juli 1958 Stellung nehmen, die Herr Logemann angesprochen hat. Die Verbesserungsmaßnahmen sollen sich er-

Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
strecken auf Flurbereinigung usw., auf Erleichterungen bei den Vermögensabgaben, auf zusätzliche Zinsverbilligung, auf Verbesserung der landwirtschaftlichen Ausbildungsmöglichkeiten und auf Ausstattung der Betriebe mit baulichen Anlagen und technischen Arbeitshilfsmitteln. Herr Logemann, ich kann es kurz machen. Wir haben in sämtlichen Punkten, die hier angeführt sind, wesentliche Beiträge geleistet, so daß wirklich die Bundesregierung den Anforderungen des Bundestages von A bis Z Folge geleistet hat.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306403800
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt (Gellersen) !

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0306403900
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem allgemeinen Teil der Debatte darf ich nunmehr in der zweiten Runde auf einige spezielle Fragen eingehen. Ich möchte wie im vergangenen Jahre die Fragen der Agrarstruktur behandeln. Diese Fragen sind für uns die Kernfragen der gegenwärtigen Agrarpolitik oder sollten es zumindest sein. Weil wir diese Erkenntnis für uns in Anspruch nehmen, stellen wir das immer wieder in den Vordergrund.
Ich möchte feststellen, daß nach dem Grünen Plan die Mittel für die Aufstockung und Aussiedlung wie für die Flurbereinigung erhöht worden sind, und möchte hinzufügen, daß die Regierung hier Erkenntnisse gewonnen hat, die sie im vergangenen Jahre noch nicht hatte. Unser ständiges Trommeln seit Jahren und unsere Reden im vergangenen Jahre haben also doch etwas genützt. Wir hoffen, daß das auch in diesem Jahre der Fall sein wird. Wenn ich diese Anerkennung für die Vermehrung der Mittel ausspreche, dann bedeutet das aber nicht, daß wir kritiklos alles gutheißen, was im Rahmen der Agrarstruktur geschieht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zuerst einige Worte zur Flurbereinigung sagen. Die Zahlen dafür sind gerade nicht ermutigend. Wir haben im Jahre 1958 praktisch nicht mehr Flächen bereinigt als im Jahre 1957. Das haben wir vorausgesehen. Wir haben Ihnen im vergangenen Jahre in diesem Hause gesagt, daß man, wenn man dafür nicht mehr Mittel bereitstellt, auch nicht mehr Leistungen erwarten kann. Im vergangenen Jahre konnte ich erwähnen, daß unsere Behörden, die die Flurbereinigung durchführen, mit den verbesserten Apparaten usw. in der Lage sind, jährlich 300 000 bis 350 000 ha zu bereinigen. Und wo stehen wir? Wir stehen auch im Jahre 1958 bei 200 000 ha. Das befriedigt uns nicht. Hinzu kommt, daß die leichten Fälle erledigt sind, während es sich bei den Dörfern, die jetzt bereinigt werden sollen, um schwierigere Fälle handelt, die natürlich andere Überlegungen erfordern.
Ich meine, wir müßten unsere Maßnahmen hier an die veränderte Lage anpassen, und ich wiederhole deshalb unsere drei Vorschläge vom vergangenen Jahre. Damals haben wir den Antrag eingereicht, ein Zehnjahresprogramm zu entwickeln. Dieser Antrag ist angenommen und der Regierung überwiesen worden. Wir sind aber nicht sicher, daß in
Ihrem Hause, Herr Minister, an diesem Plan ge- arbeitet wird. Ich habe hintenherum gehört, daß man der Ansicht ist, das sei ein wohlgemeinter Antrag aber man brauche ihn wohl nicht zu verwirklichen Ich richte deshalb noch einmal den Appell an Sie, Herr Minister, diesen. Zehnjahresplan — hoffentlich schon in den nächsten Monaten — auf den Tisch des Hauses zu legen, damit wir darüber reden können.
In den anderen westeuropäischen Ländern gibt es solche langfristigen Pläne in der Flurbereinigung. Es wäre schon im Interesse der EWG notwendig und wünschenswert, daß sie ebenfalls einen solchen Plan entwickelt.
Die zweite Forderung im Rahmen der Flurbereinigung ist, das Verfahren zu ändern. Wir brauchen ein schnelleres Verfahren. Ich habe schon im vergangenen Jahr ausführen können, daß wir die Wartezeiten in den Gemeinden verkürzen müssen. Das können wir nur, wenn wir an dem Verfahren einiges ändern. Vielleicht sollten wir uns einmal überlegen, ob man das Gesetz in dieser Richtung ergänzen kann.
Eine dritte Forderung, auch im vergangenen Jahr gestellt, ist die Frage der Vorfinanzierung der Kosten, die dem Landwirt bei der Flurbereinigung entstehen. Die Kosten sind teilweise sehr erheblich. Gerade die kleinen Landwirte sind nicht in der Lage, sie auf einen Anhieb zu leisten. Sie müssen Kredite zu ungünstigen Bedingungen aufnehmen. Wir erschweren mit all dem den ganzen Fragenkomplex. Es wäre wünschenswert, daß wir zu einem Vorfinanzierungssystem kommen, so wie es in Holland, in Frankreich, in Belgien und neuerdings auch in Italien gang und gäbe ist. Ich verstehe Sie einfach nicht, Herr Minister, warum Sie sich nicht in Ihrem Hause dazu durchringen können, auch bei uns ein solches Vorfinanzierungssystem einzuführen.
Wenn Sie es nicht für möglich halten, wenn Sie meinen, man könne das nicht auf einmal in Angriff nehmen, dann machen wir doch einmal eine Probe, versuchen wir es in einem kleinen Bereich! Dann werden wir sehen, ob die Vorfinanzierung der Flurbereinigung nicht das ganze Vorhaben erträglicher macht.
Zum Abschluß dieses Kapitels darf ich an Sie, Herr Minister, noch einmal den Appell richten, an die Gesetzgebung zu denken, die der Bundestag schon im Jahre 1952 einstimmig gefordert hat. Wir haben damals eine Entschließung gefaßt, eine Zerschlagung der neugeschaffenen Betriebseinheiten zu verhindern. Wir haben bis zur Stunde noch keine rechtliche Handhabe, eine kaum bereinigte Fläche vor der Zerschlagung zu bewahren. Diese Anregung sollten wir endlich einmal aufgreifen.
Nun darf ich mich dem Thema Aufstockung und Aussiedlung zuwenden. Ich gebe zu, daß das Ziel dabei unverändert ist. Ich bin auch erfreut darüber, daß für die Aufstockung und Aussiedlung mehr Mittel bereitgestellt sind.
Aber eines gefällt mir nicht. In Ihrer Darstellung des Grünen Plans sprechen Sie auf Seite 18 davon, daß man die Altershilfe aus diesen Mitteln sanieren müsse und könne. Herr Minister, Sie schummeln da



Dr. Schmidt (Gellersen)

in den Grünen Plan eine Maßnahme hinein, die mit dem Grünen Plan nichts zu tun hat und nichts zu tun haben darf. Wir würden der ganzen Sache den schlechtesten Dienst erweisen, wenn wir in den Grünen Plan Mittel für die Altershilfe einbauen wollten. Das ist ein Kuckucksei, ja, ein verfaultes Kuckucksei. Das sollten wir nachher im Plenum aus unserem Nest einfach hinauswerfen. Es gehört nämlich nicht dort hinein.
Was ich im vergangenen Jahr über die Mittel gesagt habe, die vom Kapitalmarkt kommen, möchte ich nur mit einem Satz wiederholen. Ich brauche das nicht zurückzunehmen. Es ist, auf die Dauer gesehen, unmöglich und unhaltbar, daß wir die Mittel für Strukturverbesserungsmaßnahmen aus dem Kapitalmarkt nehmen. Auf die Dauer wird es sich als besser erweisen, dafür Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen.
Was ist das Ergebnis gewesen? In einer Schrift der Forschungsstelle für bäuerliche Familienwirtschaft, und zwar in Heft Nr. 2 mit der Überschrift „Förderung bäuerlicher Selbsthilfe bei der Verbesserung der Agrarstruktur", gibt es zwei wunderbare Schaubilder, ein Schaubild über die Aussiedlungen und ein Schaubild über die erzielten Aufstockungen. Wenn man sich die beiden Schaubilder ansieht, wird einem klar, daß hier in der Praxis eine Maßnahme durchgeführt wird, die mit der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes nicht ganz übereinstimmt. Das geht besonders aus dem Schaubild über die Aufstockungen hervor. Da finden Sie die schwarzen Kleckse nicht im Süden und im Südwesten, also dort, wo die Aufstockung notwendig wäre; nein, Sie stellen fest, daß die größte Zahl der Aufstockungen im nordwestdeutschen Raum zu verzeichnen ist, also in einem Raum, der hinsichtlich der Struktur an sich schon viel besser dran ist als der süddeutsche Raum.
Die Zahl der Aufstockungen hat im letzten Jahre zugenommen. Das ist erfreulich. Der Durchschnittssatz von 1,2 ha ist zwar nicht sehr hoch, aber wir sehen aus den beigefügten Tabellen in diesem Heft, daß z. B. die durchschnittlichen Kosten je Hektar steigend sind.
Aus diesen Darstellungen möchte ich drei Folgerungen ziehen. Ich möchte aus ihnen erstens folgern, daß die Aufstockungs- und die Aussiedlungsmaßnahmen nur sehr langsam zum Ziel führen. Es ist ein sehr langwieriger Prozeß, der ganz entscheidend von unserer industriellen Konjunktur abhängt. Das müssen wir erkennen, und aus diesem Grunde wird es sicher sehr nützlich sein, daß die Landwirtschaft ein sehr, sehr großes Interesse an den Geschehnissen im Bergbau und anderswo nimmt; denn von der Entwicklung auf diesen Gebieten ist sie auf die Dauer gesehen auch abhängig.
Eine zweite Konsequenz! Die steigenden Bodenpreise müssen uns aufhorchen lassen. Wir müssen Mittel und Wege finden, das Steigen zu verhindern. Denn je mehr Aufstockungsland gesucht wird, um so höher werden die Bodenpreise steigen und um so höhere Kredite werden wir dann den Landwirten zur Verfügung stellen müssen.
Und eine dritte Konsequenz! Wenn es so langsam geht, wenn es wahrscheinlich über Generationen geht, werden wir alles frei werdende Land sehr sorgfältig, sehr behutsam und sehr haushälterisch verwahren müssen. Wir werden also nicht damit umspringen können wie mit einer x-beliebigen vermehrbaren Ware. Aus diesem Grunde halte ich das Grundstücksverkehrsgesetz für so wichtig. Wir drängen die Regierung schon seit vielen, vielen Jahrein ich glaube, bereits seit sieben oder acht Jahren —, ein solches Grundstücksverkehrsgesetz vorzulegen. Sie hat uns am Ende der zweiten Legislaturperiode eines vorgelegt, und sie hat uns zu Anfang der dritten Legislaturperiode eines vorgelegt. Als wir an die Beratung herangehen wollten, Herr Minister, da wurde von Ihrem Hause erklärt, daß wir mit der Beratung so lange warten könnten, bis das neue Siedlungsgesetz vorliege. Wir haben daraufhin die Beratung aufgeschoben. Vor wenigen Wochen wurde nun von Ihrem Hause erklärt, daß wir mit einem Siedlungsgesetz gar nicht mehr rechnen könnten. Jetzt tragen wir also die Schuld daran, daß wir so lange mit der 'Beratung des Grundstücksverkehrsgesetzes gewartet haben. Ich meine, Herr Minister, Sie sollten auch Ihre Fraktion — der Sie ja auch angehören — darauf aufmerksam machen, daß es höchste Eisenbahn ist, dieses Gesetz zu verabschieden.
Die Aussiedlung habe ich vorhin schon kurz erwähnt. Auch sie hat natürlich zwei Seiten, und wenn man in die Dörfer geht, in denen ausgesiedelt worden ist, wird man manche Klage darüber hören. Aber ich will die Beispiele, die ich hier im vergangenen Jahr angeführt habe, nicht wieder erwähnen. Ich möchte an die Ergebnisse des letzten Jahres einige Erwartungen knüpfen und sie dem Herrn Bundesminister mit auf den Weg geben. Wir wünschen, Herr Minister, eine bessere Verteilung der dafür bereitgestellten Mittel, d. h. wir wünschen eine Änderung der Richtlinien vom 15. April vergangenen Jahres. Diese Richtlinien haben teilweise zu Differentialgewinnen geführt, die man im Interesse der Sache einfach nicht mehr verantworten kann.
Ich habe hier die Notiz eines sehr bekannten Siedlungsfachmannes aus dem südwestdeutschen Raum. Er schreibt, daß es bisher nur einem bestimmten Kreis wirtschaftlich gutgestellter Betriebe möglich gewesen ist, eine Aussiedlung vorzunehmen. 'Besonders in Gebieten mit kranker Agrarstruktur kommen die aufstockungsbedürftigen Betriebe nicht zum Zuge, da die für die Aufstockung erforderlichen Mittel noch zusätzlich aufgebracht werden müssen. Das ist ein sehr hartes Urteil, aber es ist ein richtiges Urteil; denn die Betriebe, die am ehesten aufzustocken wären, verfügen einfach nicht über die notwendigen Mittel.
Ich darf Ihnen deshalb einige Vorschläge zur Abänderung der Richtlinien unterbreiten. In diesen Richtlinien wird vorgeschrieben, daß Baudarlehen nur dann gegeben werden, wenn die Baukosten einen Betrag von 75 000 DM nicht überschreiten. Herr Minister, Sie wissen genauso wie ich, daß die



Dr. Schmidt (Gellersen)

Bauformen in der deutschen Landwirtschaft sehr verschieden :sein müssen. Sie sind in einem Grünlandbetrieb ganz anders als in einem Getreidebetrieb und in einem Futterbaubetrieb wieder anders. Ein bißchen Beweglichkeit ist schon erforderlich, und die starre Grenze der 75 000 DM Baukosten ist einfach, auf die Dauer gesehen, untragbar. Hinzu kommt, daß die Baukosten, wie man aus diesem Bericht ersehen kann, heute wesentlich höher liegen. Die privaten Berater, die Ihnen, Herr Minister, einreden, daß man mit solchen Mitteln auskommen könne, liegen, glaube ich, nicht ganz richtig. Denn die Gebäude, die diese Herren hier in Ihrem Lande Nordrhein-Westfalen erstellt haben, brechen heute schon fast wieder zusammen.

(Widerspruch und Zurufe von der Mitte).

Mit solchen Mitteln kann man einfach nicht auskommen. Ich wünschte, daß man diese starre Bedingung — Baukosten nicht höher als 75 000 DM — aufgibt.
Nun ein zweiter Vorschlag! Es wird notwendig sein, daß wir den Betrieben bei der Aussiedlung und Aufstockung auch etwas Geld für eine zusätzliche Inventarisierung geben. Die Betriebe, die ausgesiedelt werden, kommen doch meistens aus sehr engen Lagen, wo sie einfach verschiedene technische Einrichtungen nicht hatten und nicht anschaffen konnten. Jetzt kommen sie in ein modernes Gebäude, das auch moderne Anlagen braucht. Es wäre wünschenswert, daß man den Betrieben eine solche zusätzliche Hilfe gäbe, damit die kleinen Betriebe keine Angst vor einer solchen Aussiedlung und Aufstockung zu haben brauchen.
Und ein weiterer Vorschlag. Die Aufstockungsmaßnahmen sind bisher an den Fall gebunden, daß der Betrieb mit dieser einen Aufstockung die volle Ackernahrung erhält. Auch das scheint mir nicht ganz richtig zu sein. Schließlich müssen wir dem Menschen, der auf dem Lande leben will, die Chance geben, auch in zwei oder drei Stufen zu einem vollwertigen Betriebe zu kommen. Diese Chance ist heute nicht gegeben, und es wäre wünschenswert, daß sie in den Richtlinien zum Ausdruck käme.
Nun ein weiterer Punkt. Herr Minister, sicher ist — und darin werden wir uns einig sein —, daß man bei der Aussiedlung vor allen Dingen im Interesse der öffentlichen Mittel einen scharfen Maßstab anlegen muß. Ich glaube, man muß einen schärferen Maßstab als bisher anlegen, um auch im Lande die Unstimmigkeiten nicht aufkommen zu lassen. Ich möchte nicht in den Streit eingreifen, ob behördliche oder außerbehördliche Verfahren richtig sind. Das ist eine andere Sache. Jedenfalls ist dieser Streit noch nicht ausgestanden. Aber es ist auch nicht wünschenswert, daß man von amtlicher Seite zu dem einen oder anderen Fall sich so oder so äußert. Ich wünschte mir, daß wir diese Entwicklung offenlassen, damit sowohl bei den Siedlungsgesellschaften wie auch im außerbehördlichen Verfahren bewiesen werden kann, wer auf die Dauer besser und billiger arbeitet.
Wir haben zu dem ganzen Komplex der Aussiedlung und Aufstockung und zur Flurbereinigung ein
neues Verfahren anzumelden. Im vergangenen Jahr konnte ich Ihnen sagen, daß es wünschenswert wäre, wenn man sich Gedanken über den Verbleib der Höfe in den alten Dörfern machte. Wir können es auf die Dauer doch nicht zulassen, daß man für die Höfe, die in den alten Dörfern verbleiben müssen, einfach nichts tut. Es wird notwendig sein, daß wir auch für diese Altdorfsanierung einen gewissen Betrag im Grünen Plan einstellen. Meine Fraktion wird einen diesbezüglichen Antrag stellen. Beginnen wir einmal mit 20 Millionen DM und sammeln wir Erfahrungen; dann können wir weiter sehen, wie diese Maßnahme fortgesetzt werden soll. Jedenfalls ist sie zur Gesundung des Landes erforderlich. Ich glaube, wenn man das nicht tun würde, dann würde eine große Mangellage entstehen.
Die Strukturmaßnahmen, von denen ich gerade gesprochen habe, werden alle immer nur als ein Erfolg der Bundesregierung dargestellt. So ist es nicht ganz. Wenn unsere Länder nicht einen erheblichen Teil zuschießen würden, sähe es nicht ganz so aus. Es war peinlich, als ein Vertreter Ihres Hauses, Herr Bundesminister, vor der Hessen-Wahl auf einer Pressekonferenz den Ländern absprach, daß sie entsprechende Leistungen vollbracht haben. Gerade Hessen hat doch in der Aufstockung, Aussiedlung und Flurbereinigung Hervorragendes geleistet. Es kann nicht angehen, daß ein sehr verantwortlicher Beamter Ihres Hauses die gute Atmosphäre, die dabei zwischen Bund, Ländern und Bauern notwendig ist, auf diese Art und Weise zerstört.
Ein Wort zu dem Kapitel des Wegebaus! Auch hierzu haben wir einiges anzumelden. Wir sind nicht der Meinung, daß die 50 Milionen DM ausreichen. Das haben wir schon im vergangenen Jahr betont. Wir werden auch wieder einen ähnlichen Antrag stellen. Hinzu kommt, daß eine Änderung der Richtlinien für die Vergabe der Wegebaumittel notwendig ist. Herr Bundesminister, welche Gemeinden haben heute den Vorteil beim Wegebau? Diesen haben doch nur diejenigen Gemeinden, die bereits über ein hohes Steueraufkommen verfügen und an sich in der Lage wären, den Wegebau durchzuführen. Aber die Gemeinden, die Dörfer, die ganz abseits vom Schuß liegen — gehen Sie in die Rhön, in die hessischen Berge, gehen Sie nach Nordrhein-Westfalen oder in die Berge von Niedersachsen, wo die Dörfer weit voneinander entfernt liegen und wo kein Gewerbesteueraufkommen vorhanden ist —, gehen leer aus, weil sie das erforderliche Drittel einfach nicht aufbringen können.
Es wäre wünschenswert, daß wir die Richtlinien nach langen Bemühungen nun endlich ändern, damit von der Drittelung auf Bund, Länder und Gemeinden abgesehen wird. Wir können den armen Gemeinden, die ihre Wege kaum erhalten können, doch nicht zumuten, große Schulden aufzunehmen, damit sie vielleicht einmal einen halben Kilometer Weg neubauen können. So geht es einfach nicht weiter. Wir müssen uns bei der Beratung der Richtlinien zu einer neuen Lösung durchringen.
Damit, meine Damen und Herren, wäre ich an sich am Ende. Aber ich möchte doch noch einmal auf einige Zahlen zu sprechen kommen, die hier in



Dr. Schmidt (Gellersen)

Zusammenhang mit den Strukturmaßnahmen genannt werden wurden und von erheblicher Bedeutung sind. Hier ist heute mit Stolz davon gesprochen worden, daß im letzten Jahr wiederum 114 000 Familienarbeitskräfte und 24 000 fremde Arbeitskräfte abgewandert sind Ich will nur feststellen, daß die Abnahme im letzten Jahr geringer ist als in der vorangegangenen Zeit, und ich bin sicher, daß, wenn die Konjunktur in der Industrie weiterhin nachläßt, wenn es sogar zu einer Krise käme, die Abwanderung gestoppt würde. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf unsern Antrag Umdruck 228, durch den die Bundesregierung beauftragt werden soll, in sinnvoller Ergänzung des Grünen Plans ein wirtschaftliches Strukturprogramm vorzulegen, das die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben in den Landbezirken gewährleistet. Der Herr Minister hat vorhin davon gesprochen. Wir halten das für eine vordringliche Maßnahme und würden uns freuen, wenn der Antrag angenommen würde.
Ein letztes Wort noch zur Zahl der Betriebe. Ein Wissenschaftler hat einmal gesagt, daß sich die Landwirtschaft gesundschrumpfen müsse. Nun, dieser Schrumpfungsprozeß ist eingetreten. Wir haben in den Jahren seit 1949, wie Herr Lücker bereits gesagt hat, 191 000 Betriebe in der Größengruppe von 2 bis 40 Morgen eingebüßt. Dafür sind in der Größengruppe von 10 bis 20 ha 19 000 und in der von 20 bis 50 ha und darüber rund 6000 Betriebe statistisch neu entstanden. Ich mache auf den Tatbestand aufmerksam, daß diese Entwicklung sich im letzten Jahr ganz erheblich verlangsamt hat. Die Gründe liegen einmal in einer Abschwächung der Konjunktur, zum andern aber auch in der Tatsache, daß es einfach nicht mehr so viele Betriebe gibt, deren Inhaber bereit wären, ihren Arbeitsplatz mit einem in der Industrie zu tauschen.
Es ist gesagt worden, daß diese Entwicklung ein Erfolg der Agrarpolitik der Bundesregierung sei. Nun gut! Aber es sind ja nicht nur kleinst- und kleinbäuerliche Betriebe verschwunden, die nur im Nebenerwerb betrieben wurden; es ist auch eine ganze Anzahl von hauptberuflich bewirtschafteten Betrieben verschwunden, und das läßt mich nicht ganz froh werden.
Zu der Frage der Existenz des Kleinbauerntums hat vor einiger Zeit ein sehr bekannter und liberaler Wissenschaftler, Professor Niehaus von der Universität Bonn, auf einer Tagung der Gesellschaft für Agrarsoziologie einige Ausführungen gemacht. Ich darf daraus mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren, weil sie uns vor einigen extremen Forderungen bewahren. In den Ausführungen des Professors Niehaus heißt es:
Ob die Existenz eines Kleinbauern wirtschaftlich, sozial und kulturell sinnvoll ist, läßt sich durch allgemeine Merkmale nicht entscheiden, sondern nur vom einzelnen Betrieb und von den Menschen her, die darin leben. Weippert hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es von großer Bedeutung für die noch tragbare Betriebsgröße ist, ob die Kleinbauernfamilie sich
in ihrem Wirkungskreis wohl fühlt Oder ob sich Ressentiments wegen wirklicher oder vermeintlicher Benachteiligung gegenüber anderen Berufen und Lebensformen einstellen. Dann ist entweder etwas mit den Betrieben oder mit den Menschen nicht in Ordnung. Über eine längere zeitliche Distanz gesehen werden die Familien mit den Ressentiments vom Lande abwandern und den Boden abgeben an die, die eine härtere Lebensführung noch ertragen. Ressentiment aber steckt an und wird gefördert, wenn man dauernd mit Paritätsstatistiken auf die Menschen einredet. Man kann auf diese Weise auch ein noch in guter sozialer und kultureller Lage lebendes Bauerntum in Unruhe versetzen und ihm das Selbstvertrauen und richtige Augenmaß nehmen. Ich darf dazu einen Redner auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik im Jahre 1884 zitieren:
Dieser Redner von damals, ein Professor Conrad aus Halle, sagte:
Nichts wäre falscher, aber auch nichts gefährlicher, als dem Landwirt den Glauben beizubringen, er sei innerlich krank, und ihm das Selbstvertrauen zu nehmen. Darin liegt die große Gefahr jeder öffentlichen Diskussion, auch unserer über die vorliegenden Fragen, und die große Verantwortlichkeit, die wir auf uns nehmen. Denn der Landwirt ist allerdings rettungslos dem Siechtum verfallen, wenn er nicht mehr auf die eigene Kraft vertraut, sondern sich auf die Hilfe von außen verläßt.
Das hat man also nicht etwa neuerdings gesagt, sondern das ist sehr alt, das ist schon mindestens 70 Jahre her. Sie sehen daraus, daß man sich auch damals bereits mit den Fragen des Kleinbauerntums befaßt hat. Die Meinung des Professors Conrad stimmt mit der von Professor Niehaus vollkommen überein.
Lassen Sie mich aber hinzufügen, daß natürlich niemand, auch ich nicht, etwas dagegen hat, wenn ein Landwirt sein Land aufgibt, verkauft oder verpachtet. Aber sehen Sie sich einmal an, an wen das Land gegangen ist! Auf diese Entwicklung möchte ich das Haus in dieser Stunde in allem Ernst hinweisen. In den letzten zehn Jahren haben die Betriebe unter 10 ha, d. h. unter 40 Morgen, 600 000 ha, das sind 2 400 000 Morgen, verloren. Es ist gut, daß die Betriebe von 10 bis 20 ha 275 000 ha gewonnen haben. Das ist hervorragend, das ist eine gute Entwicklung. Aber ich frage Sie einmal mit allem gebotenen Ernst: kann es richtig sein, daß auch die Betriebe über 20 ha, die also bereits eine volle Existenz haben, in den zehn Jahren 190 000 ha hinzubekommen haben? Das sind 760 000 Morgen! Herr Minister, das ist eine Entwicklung, die ich nicht verantworten möchte. Hier ist der Geldbeutel entscheidend gewesen. Der, der Geld hat, kann sich das freiwerdende Land kaufen. Ich meine, das ist nicht ganz in Ordnung.

(Zuruf von der Mitte.)

Der Geldbeutel als ein Ordnungsfaktor in der
Bodenpolitik, Herr Kollege, ist ein schlechter Fak-



Dr. Schmidt (Gellersen)

tor; Geld in der Bodenpolitik hat nicht Ordnung, sondern nur Unordnung gebracht. Aber, wie gesagt, diese Politik verantworten nicht wir, die verantworten allein die Regierung und die Koalition.
Ich möchte hinzufügen, daß das Vertrauen der Kleinbauern und der Mittelbauern in eine solche Politik nicht sehr groß ist. Sie fühlen sich heute — gehen Sie einmal zu den Bauern hinaus! — praktisch aufgegeben, abgeschrieben. Wir können das einfach nicht so hinnehmen. Niemand von uns, auch ich nicht, möchte den Betriebsbestand für ewig schützen. Niemand möchte eine Betriebsgröße oder einen Betrieb auf die Dauer konservieren. Aber diese Entwicklung kann man teilweise nicht gutheißen, wenn man sieht, daß Hunderttausende Existenzen da sind, die mehr Land brauchen, die Land nötig haben, während die Betriebe, die Land nicht nötig haben, 760 000 Morgen hinzubekommen haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0306404000
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter!
Ehe ich abgelöst werde, meine Damen und Herren, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß wir zu diesem Punkt der Tagesordnung noch elf Redner auf der Liste haben. Es ist nun 18.35 Uhr. Ich möchte eigentlich an Sie appellieren, den Herrn Vizepräsidenten einigermaßen rechtzeitig zu seinem Geburtstags-Abendessen zu entlassen.

(Beifall.)

Ich muß für das Haus meinerseits an einem anderen Abendessen teilnehmen, das ist auch eine Pflicht, und einen weiteren Vizepräsidenten haben wir heute nicht mehr zur Verfügung. Morgen nachmittag sollen das Kindergeld und eine andere wichtige Sache behandelt werden. Heute muß also dieser Gegenstand fertig beraten werden, d. h. auch die Punkte b, c und d.
Ich möchte also das Haus bitten — obwohl es eine höchst wichtige Materie ist —, sich so kurz zu fassen, daß die Beratung etwa bis 21 Uhr abgeschlossen ist.
Bitte, fahren Sie fort.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Preusker.)


Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0306404100
Meine Damen und Herren, ich habe nur noch zwei Sätze zu sagen: Die Konsequenz aus dem Dargelegten ist, daß das Haus Ordnungselemente in der Bodenpolitik setzen muß. Es ist notwendig, ein sehr langfristiges Programm für alle Strukturmaßnahmen zu entwikkeln, damit wir im Hinblick auf die EWG und die sonstige Entwicklung hier bestehen können. Dieses langfristige Programm muß natürlich in Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Grünen Berichts gebracht werden. Das ist schon deshalb notwendig, damit wir auch dem Landwirtschaftsgesetz in seiner Konsequenz voll gerecht werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306404200
Das Wort hat nunmehr Frau Pannhoff.

Dr. Maria Pannhoff (CDU):
Rede ID: ID0306404300
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan, die heute hier zur Debatte stehen, liegt, wie wir jetzt oft gehört haben, das Landwirtschaftsgesetz zugrunde. Die Zielsetzung dieses Gesetzes ist, erstens die Landwirtschaft innerhalb unserer modernen Industriegesellschaft am allgemein wachsenden Wohlstand teilnehmen zu lassen — deswegen heißt dieses Gesetz ja auch Landwirtschaftsgesetz —, aber zweitens auch die bestmögliche Versorgung der Verbraucher mit Ernährungsgütern zu gewährleisten. Nachdem meine Freunde aus ihrer Sicht zum Grünen Plan Stellung genommen haben, erlauben Sie mir einige Ausführungen zum Thema „Versorgung der Bevölkerung mit Ernährungsgütern".
Zunächst muß festgestellt werden, daß es nicht leicht sein kann, beiden im Gesetz gestellten Forderungen Rechnung zu tragen, weil beides in einer Hand, nämlich in der Hand unseres Ernährungsministers, vereint liegt. Gegensätzliche Forderungen zu vereinen, scheint mir im Leben sehr schwer zu sein. So ist es wohl zu erklären, daß unser Landwirtschaftsminister oft im Kreuzfeuer des Bauernverbandes und auch von Frauenkreisen stand, die nicht mit dem zufrieden waren, was sie in der Wirklichkeit vorfanden.
Seit dem Erlaß des Landwirtschaftsgesetzes liegt jetzt der vierte Bericht vor. Wir überschauen einen Zeitraum von drei Jahren. Der Grüne Bericht stellt fest, daß die deutsche Landwirtschaft seit der Währungsreform beachtliche Produktionserfolge aufweisen kann. — Darüber haben verschiedene Herren bereits ihre Ausführungen gemacht. — Vor dem letzten Weltkrieg erzeugte das Deutsche Reich mit den Ostgebieten 85 % des Nahrungsbedarfs in Eigenproduktion. Heute produziert unsere Landwirtschaft innerhalb der Bundesrepublik mit einer prozentual stark angewachsenen Bevölkerung 78 % des Bedarfs im Inland. Angesichts der Schwierigkeiten, die unsere Landwirtschaft seit 1945 zu überwinden hatte, ist das eine beachtliche Leistung. Diese Steigerung der Produktivität ist dank dem Fleiß der deutschen Bauern und Bäuerinnen und dank den Starthilfen, die auf Grund des Landwirtschaftsgesetzes von der Bundesregierung gewährt worden sind, gelungen.
Die Maßnahmen der Bundesregierung dienten zu einem großen Teil der Rationalisierung und der Konzentrierung der Arbeit in den landwirtschaftlichen Betrieben. Die rationelle Gestaltung der Erzeugung durch Förderung der Strukturverbesserung, der Umsiedlung, der Wasserversorgung und des Wegebaus, weiter Förderungsbeiträge für den Gartenbau sowie Beihilfen für den Bau von Grünfuttersilos und Trocknungsanlagen haben die Disparität zwischen Industrie und Landwirtschaft verringert, aber sie haben auch gleichzeitig den Verbrauchern Nutzen gebracht.
Von den 2,1 Milliarden DM, die in den vergangenen drei Jahren seit Erlaß des Landwirtschaftsgesetzes zur Steigerung der Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft eingesetzt wurden, entfallen 1,15 Milliarden auf Qualitätsverbesserung und



Frau Dr. Pannhoff
rationelle Gestaltung von Erzeugung und Absatz. Der Absatz von Obst, Gemüse, Blumen und Zierpflanzen wurde gesteigert und qualitativ verbessert, weil geeignete Arten und Sorten nach Handelsklassen sortiert und gekennzeichnet und zweckmäßig gelagert zur richtigen Zeit dem Frischmarkt oder der Verwertungsindustrie zugeführt werden konnten. Die von den Verbraucherkreisen geforderte Qualitätskontrolle für Obst, Gemüse und Kartoffeln wird durch zweckgebundene Bundesmittel gefördert. um die Durchführung der freiwilligen Kontrolle bei den Erzeugern im Interesse der Verbraucher einzuführen.
Dem Zweck der Qualitätssteigerung dienen auch — wie bereits vorhin von dem Herrn Landwirtschaftsminister unterstrichen wurde — die Förderungszuschläge für Qualitätsmilch. Der Zuschuß zum Auszahlungspreis in den Etatjahren 1957 und 1958 beträgt insgesamt 800 Millionen DM. Da 75 % aller Milchkühe in Betrieben unter 20 ha stehen, haben diese Gelder die Ertragslage der Klein- und Mittelbetriebe günstig beeinflußt. Die Zuschüsse zum Milchauszahlungspreis sind eigentlich Zuschüsse an die Verbraucher; denn diese Gelder werden nur dann ,ausgezahlt, wenn die Länder bestimmte Verordnungen für Milch erlassen. Es wird eine Einteilung in drei Güteklassen gefordert, und zur Feststellung der Güte werden untersucht — es ist wichtig, das einmal festzustellen —: 1. die Reinheit der Milch durch Filtrieren mit geeigneten Filtern, 2. der Grad des Frischezustandes — es wird der PH-Ionen-Konzentrations-Befund erhoben —, 3. die bakteriologische Beschaffenheit — es wird auf Tbc und Bang untersucht mit doppelter Alkoholprobe oder mit den Alizarol-Proben —, 4. die Sauberkeit der Milchkannen und Transportgefäße. Alles, was die Ärzteschaft seit 30 Jahren an Qualität bei der Milch forderte, wird jetzt gewährleistet.
In unmittelbarem Zusammenhang hiermit stehen die Zuschüsse der Bundesregierung zur Sanierung der Rindertuberkulose und Brucellose. 80 % unserer Milchkühe sind zur Zeit Tbc-frei.
Hier muß auch ein Wort zur Schulmilchspeisung gesagt werden. Wir freuen uns darüber und begrüßen es, daß die Bundesregierung in diesem Haushaltsjahr den Zuschuß für die Schulmilchspeisung von 6 auf 10 Millionen DM erhöht hat. Es ist nicht nur von der ärztlichen Seite zu begrüßen, sondern es ist auch volkswirtschaftlich bedeutungsvoll, daß unsere Jugend in allen Schulen bis zur Universität durch tägliches Angebot eines Milchfrühstücks an den Milchverzehr gewöhnt wird. Milch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel, das sämtliche lebensnotwendigen Aufbau- und Erhaltungsstoffe enthält. Wir sind sicher, daß die Regierung diese Position auch in Zukunft noch erhöhen wird, wenn sich die Notwendigkeit zur Erhöhung ergeben sollte.
Ich stelle fest, daß es der Regierung weitgehend gelungen ist, die im Landwirtschaftsgesetz miteinander verbundenen, an sich gegensätzlichen Forderungen der wirtschaftlichen Besserstellung der Landwirtschaft und der bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu koordinieren. Das stellen wir mit Freude und Dankbarkeit fest. Wir sind nicht irgendwie eitel und vermessen, zu sagen, wir seien am Ziel. Wir sagen in aller Bescheidenheit, aber auch in Sicherheit: Wir sind auf dem richtigen Weg, und wir danken unserem Landwirtschaftsminister.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Der Kanzler hat in seiner Regierungserklärung 1957 den Landfrauen Hilfe zur Erleichterung bei ihrer schweren Arbeit versprochen. Damit komme ich zum Thema. Was bringt der Grüne Bericht der Landfrau? Ich würde etwas Wichtiges unterlassen, wenn ich hierüber nicht ein paar Worte sagte. Es ist bekannt, daß die Landfrauen nicht nur schwer arbeitende Frauen sind, sondern daß sie auch einen langen Arbeitstag haben. Der Tag fängt morgens in aller Frühe an, meist um 5 Uhr, und ist nicht beendet, wenn die Männer bei Sonnenuntergang von den Feldern heimkehren. Dann muß noch die Hausarbeit erledigt werden. Die Landfrauen haben kein garantiertes Wochenende und keinen freien Sonntag.
Die Arbeitsphysiologen sagen, daß die Landfrauen gesundheitlich weit überlastet seien. Die Landfrauen sind überlastet durch das Tragen von Lasten, durch Bücken — beobachten Sie einmal: alle Arbeiten, bei denen Bücken verlangt wird, werden von den Frauen auf dem Lande ausgeführt - und durch lange Wege. Die Arbeitphysiologen haben weiter erklärt, daß die Landfrauen die kürzeste Lebenserwartung von allen Frauen hätten. Die Landfrauenverbände, Ärzte und die Agrarpolitiker suchen gemeinsam nach Hilfe bringenden Erleichterungen.
Aber es muß auch ausgesprochen werden, daß die Voraussagen der Arbeitsphysiologen nicht ganz zu stimmen scheinen. Wir sind dabei, sorgfältige Erhebungen anzustellen, um diesen Gesamtkomplex der Gesundheit der Bäuerin wirklich festzulegen. Mir selber ist folgendes passiert. Nach einer Versammlung bei den Landfrauen, in der ich über Gesundheitsfragen des Landvolks gesprochen hatte, kam eine alte Bäuerin zu mir und sagte: „Es war alles richtig, was Sie gesagt haben. Wir sind sehr schwer mit Arbeit zugedeckt. Es stimmt alles. Aber Sie haben etwas vergessen, und das sollten Sie bei Ihren Ausführungen zu diesem Thema nie zu sagen unterlassen. Auch ich habe schwer gearbeitet. Ich bin jetzt weit über 60. Meinen Hof führt mein Sohn. Ich war noch keine 40 Jahre alt, als ich meinen Mann durch einen Unglücksfall verlor. Ich habe fünf Kinder, die jetzt alle groß sind. Ich sage", so führte die alte Bäuerin aus, „daß ich schwer gearbeitet habe. Während ich unter der Kuh saß zum Melken, stand ein Kind im Kinderwagen neben mir, und eines spielte auf der Wiese. Ich mußte auf beide achten. Mein Leben war hart und schwer, aber es war schön. Es war einmalig schön, auf dem Hof der Eltern zu leben, für diesen Hof und für meine Familie sorgen zu können. Dieser Hof gehörte auch meinen Großeltern und meinen Urgroßeltern. Ich gebe ihn weiter an meinen Sohn. Diese Freude,

(Beifall bei der CDU/CSU)




Frau Dr. Pannhoff
die wir bei unserer harten und schweren Arbeit haben, ist etwas so Wichtiges", sagte mir diese alte Frau, „daß Sie das niemals bei Ihren Ausführungen als Ärztin zu sagen unterlassen sollten."
Diese Frau war alt. Sie war weißhaarig, sie hatte klare Augen, und sie stand stolz und sehr aufrecht vor mir, keineswegs gebückt oder gebrochen oder durch Arbeit oder Alter verbraucht.
Die Arbeit ist hart. Arbeit ist im Landhaushalt anders als dm Stadthaushalt. Damit will ich nicht sagen, daß nicht auch in der Stadt viele Frauen nach der Auffassung der Arbeitsphysiologen überlastet sind. Nach der Meinung der Arbeitsphysiologen ist eine Frau in einem Stadthaushalt von fünf Personen, den sie ohne Hilfe besorgt, ebenfalls überlastet. Ich möchte hier nur sagen: Der Landhaushalt stellt andere Forderungen als der Stadthaushalt; er ist anders. Der bäuerliche Haushalt erfordert Arbeiten, die der Stadthaushalt nicht kennt. Das sind jene Arbeiten, die sich aus der weitgehenden Selbstversorgung, der Notwendigkeit einer umfangreichen Vorratswirtschaft und der Verwendung noch nicht aufbereiteter Nahrungsmittel ergeben. Garten und Geflügelhof sind Bestandteile des Landhaushalts und werden von der Hausfrau versorgt. In vielen Bauernhaushaltungen wird geschlachtet und gebacken, und dadurch ergibt sich mancherlei Mehrbelastung.
Hinzu kommt noch, daß die Frauen auf dem Lande nicht über eine Ausstattung des Haushalts mit modernen Hilfsmitteln zu ihrer Erleichterung verfügen, wie es in der Stadt selbstverständlich ist. Es gibt immer noch zahlreiche bäuerliche Betriebe ohne Stromanschluß, und es gibt viele Höfe ohne selbsttätige Wasserversorgung, auch ohne Badeofen. Die meisten Frauen arbeiten beim Kochen und Heizen mit festen Brennstoffen und nicht wenige mit solchen, die der Hof als Abfallholz oder Reisig abwirft. Zentral- und Mehrraumheizungen werden langsam eingeführt.
Nach dem Grünen Bericht machen die Höfe unter 10 ha 67 % und die unter 20 ha 89 % aller Höfe aus. In rund 90 % aller Betriebe arbeiten die Frauen im Haushalt und im Betrieb. Deswegen darf gesagt werden, daß es, wie der Herr Landwirtschaftsminister vorhin ausführte, dann, wenn es dem Betrieb gut geht, auch den Frauen besser geht. Es muß weiter gesagt werden, daß alle Maßnahmen, die den Betrieben auf dem Wege der Rationalisierung und der Konzentrierung der Arbeit zugute kommen, auch Erleichterungen für die Arbeit der Landfrau bedeuten, ob ich da an die Maßnahmen der Bundesregierung zur Elektrifizierung, zur Verbesserung der Wasserversorgung und der Kanalisation, zur Umsiedlung und nicht zuletzt an all jene Maßnahmen denke, die den Landarbeiterwohnungsbau und die Landarbeitersiedlung betreffen. Dafür wurden im Grünen Plan 1957 10 Millionen und 1958 25 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, daß durch das Zweite Wohnungsbaugesetz und die Erstellung von Ersatzwohnungen für fremdbelegte landwirtschaftliche Werkwohnungen die Seßhaftmachung von verheirateten Landarbeitern gefördert wurde.
Die Seßhaftmachung von Landarbeitern ist besonders für die mittel- und großbäuerlichen Betriebe wichtig, weil die früher vorhandenen ledigen Landarbeiter nicht zu haben sind und auch die weiblichen Kräfte mit Vorliebe in die Städte abwandern.
Den Landfrauen kommen alle Maßnahmen zugute, die den Betrieb rationalisieren. Ihnen dienen Abhilfen, die sich besonders in folgenden Formen auswirken: erstens in einer Technisierung des Haushaltes, zweitens in einer Hinausverlagerung von periodisch anfallenden Arbeiten wie Backen, Waschen und Konservieren aus dem Haushalt und drittens in der Umstellung der Betriebe von ledigen auf verheiratete Arbeitskräfte. Die Bundesregierung hat für diese Umstellungsmaßnahmen kreditverbilligte Beihilfen gewährt. Man muß es aber dem einzelnen Betriebsinhaber und seiner Frau überlassen, wie sie die vielen Möglichkeiten, die dargeboten werden, im Einzelfall sinnvoll anwenden. Wir werden auf diesem Wege, der erfolgversprechend ist, weiter fortfahren.
Nun wäre noch nach der Bedeutung des Grünen Berichtes für die städtischen Haushaltungen zu fragen. In der Bundesrepublik werden 40 °/o des Volkseinkommens für die Ernährung ausgegeben. 780/o des gesamten Nahrungsbedarfs werden von der deutschen Landwirtschaft produziert.
Aus dem Grünen Bericht ergibt sich, daß seit der Währungsreform der Fleischverbrauch und der Zuckerverbrauch ständig zugenommen haben und daß der Verbrauch von Getreideerzeugnissen um 19 % und von Kartoffeln um 15 % abgenommen hat. Man darf also wohl sagen, diese Zahlen weisen aus, daß unsere Bevölkerung sich qualitativ gut ernährt. Kartoffeln, früher eines unserer wichtigsten Volksnahrungsmittel, werden heute im veredelten Zustand — wie man sich in der Fachsprache bei uns hier ausdrückt —, nämlich als Koteletts verzehrt. Ob der Fleischverbrauch weiter zunehmen wird, hängt natürlich weitgehend von der Entwicklung der Preise und der Massenkaufkraft ab.
Die Hausfrauen wünschen insgesamt qualitativ gute Waren. Diesen berechtigten Wünschen kommt die Bundesregierung mit ihren Maßnahmen bewußt entgegen. Ich wies schon auf die Qualitätsförderung durch die Bundesregierung hin.
Die Bevölkerung in den Städten bezieht nur einen Teil ihrer Nahrung von den Frischmärkten, den größeren Teil aus den Lebensmittelgeschäften; dort kauft sie industriell verarbeitete Lebensmittel ein. Sie bezieht also auch Nahrungsmittel über die Lebensmittelindustrie. Bei den industriellen Betrieben, die Lebensmittel verarbeiten, herrscht noch weitgehend Empirie. Den in der Ernährungsindustrie beschäftigten 87 000 Arbeitern und Angestellten stehen nach den vorliegenden Berichten der Professoren Diemair und Souci nur 150 bis 200 Wissenschaftler gegenüber. Verglichen mit den umfangreichen, sich schnell entwickelnden Aufgaben auf dem Gebiete der gesamten Ernährungswissenschaft — der Technologie, der Physiologie, der Toxikologie und der Hauswirtschaft — ist die Zahl der Institute und Wissenschaftler zu gering. Es



Frau Dr. Pannhoff
wäre notwendig und wünschenswert, wenn die für diese Fragen zuständigen Stellen der Regierung der Förderung der Forschung auf dem Gebiete der Ernährung große Beachtung schenkten.
Dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unterstehen eine Reihe von Bundesanstalten mit verschiedenen Zielsetzungen der Forschungsgebiete. Diese Bundesanstalten werden gefördert. Für die Forschung wurden von der Bundesregierung im Jahre 1957 27,2 Millionen DM und im Jahre 1958 30,6 Millionen DM ausgegeben.
Im Zusammenhang mit der Forschung steht die Verbraucheraufklärung, die Werbung, die .Ausbildung und die Wirtschaftsberatung. Ich möchte glauben, daß die Verbraucheraufklärung und die Werbung intensiviert werden müßten. Die Werbung wäre wahrscheinlich bei Milch sehr erfolgreich. Man könnte z. B. Milchstuben auf den Bahnhöfen einrichten. Ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren; aber auf dem Gebiet der Werbung und der Aufklärung scheinen noch einige Aufgaben vor uns zu liegen.
Die Notwendigkeit der verstärkten Förderung von Forschung und Verbraucheraufklärung wurde bei den Beratungen über die Fremdstoffnovelle des Lebensmittelgesetzes im vergangenen Jahr offenkundig. Es wurde viel vom „Gift in der Nahrung" gesprochen, draußen bei den Frauen und auch bei uns im Ausschuß. Die Frage, was dieses „Gift in der Nahrung" sei, blieb mehr oder weniger offen. Wir haben die Fremdstoffnovelle erlassen, und das ist auch gut so. Aber ich möchte an I dieser Stelle mit allem Nachdruck sagen: Unsere Nahrung ist nicht vergiftet. Dafür sorgen die Deutsche Forschungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit der herstellenden und verarbeitenden Industrie und die Bundesregierung mit ihrer Gesetzgebung.
Gestatten Sie mir zum Schluß ein paar persönliche Worte im Rahmen meiner Stellungnahme zu den Fragen der Ernährung anläßlich der Debatte zum Grünen Plan 1959. Ernährung ist nicht nur ein Akt der Nahrungsaufnahme zum Zweck der Dekkung des Bedarfs an Kalorien für Wärme und Arbeit und zur Erhaltung der physiologischen Lebensvorgänge — so sagt man wissenschaftlich —, sondern Ernährung ist ein Akt tiefer sozial- und kulturpsychologischer Symbolik, wie die Worte Gastmahl und Liebesmahl aussagen. Bei uns Menschen, die wir weder Automaten noch Roboter, sondern Wesen aus Leib und Seele sind, gehen unterbewußte Seelenströmungen in die Haltung zum Essen ein. Bei vielen Menschen ist Essen ein Teil der Weltanschauung. Mehr Menschen, als es wissen, lassen sich beim Essen von Glaubenssätzen leiten. Es hat sich ein bedeutungsvoller Wandel seit jenen frühen Zeiten der Menschheitsgeschichte vollzogen, als der wilde Jäger sein erlegtes Wild am Jagdspieß briet und damit den ersten Aufstieg nach oben vollzog, oder seit jenen Zeiten der alten Babylonier und Ägypter, die es übrigens auch schon verstanden, aus gegorenem Gerstensaft helles und dunkles Bier zu brauen;

(Heiterkeit und Beifall) sie führten also die Veredelung ein.

Die voraufgegangenen Generationen haben, wie die alten Chroniken ausweisen, unvorstellbar viel gegessen; sie haben zuviel gegessen, sagen wir heute. Sie machten sich aber damals keine Sorgen darüber; sie waren vital, lebensbejahend und auf keinen Fall ängstlich. Der Mensch besitzt die Freiheit der Willensentschlüsse und kann deshalb auf allen Gebieten seines Lebens Exzesse treiben.
Bei uns modernen Menschen ist die Sache in das Gegenteil umgeschlagen, wenigstens in weiten Kreisen der Bevölkerung. Die Frucht vom Baum der Erkenntnis ist in die Diätküche gewandert und wird uns heute gerieben serviert. Während voraufgegangene Generationen fröhlich getafelt haben, betrachten wir modernen Menschen den mit hochwertigen Speisen gefüllten Teller mit den mißtrauischen Blicken des Ernährungstheoretikers und fragen nach Aufbaustoffen, nach Vitaminen und Spurenelementen. Essen ist bei uns zur Medizin geworden, der ehemals Genießende zum Patienten, der nach Diätverordnungen und Ernährungstabelle fragt. Am Ende steht dann die genormte Tabelle. Wie ängstlich sind wir geworden! Das Gebiet der modernen Ernährung ist umfangreich und kompliziert geworden wie die ganze Welt, die uns umgibt. Aber wir nehmen die Nahrung zu uns, die unserer Situation angepaßt ist. Wir brauchen nicht alle Diät zu essen. Wir lassen uns, weil wir in weiten Kreisen instinktunsicher geworden sind, von der modernen medizinischen Wissenschaft und den Erfahrungen guter Ärzte leiten. Kranke Menschen werden auf Anordnung des Arztes Diät essen müssen; aber Gott sei Dank sind nicht alle krank, sondern bei weitem die meisten sind gesund. Weil aber auch heute noch das Wort des alten Weisen Hippokrates gilt, daß das, was unser Leben erhält, auch krank machen kann, müssen sich die Frauen heute Erkenntnisse auf dem Gebiet der Ernährung erwerben. Ich sage „Erkenntnisse" und nicht „Glaubenssätze" oder irgendwelche „Meinungen". Man soll vor allen Dingen nicht gesunden Mitmenschen seine eigene Meinung aufzureden versuchen, wenn man selber zu irgendwelchen Diätanweisungen aus irgendwelchen Gründen sich gezwungen glaubt. Aber es gibt wie auf allen Gebieten auch auf dem Gebiete der Ernährung unbelehrbare Fanatiker. Diese halte ich für die gefährlichsten Leute, da mit ihnen kein klärendes Gespräch möglich ist. Die Bundesregierung wird durch verstärkte Verbraucheraufklärung auch auf diesem Gebiete der Information alles Notwendige für unsere Frauen und Familien tun. Dann mag jeder seine Auswahl treffen. Der Tisch in der Bundesrepublik ist reichlich gedeckt!

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306404400
Meine Damen und Herren! Ich darf noch einmal an die Bitte des Präsidenten erinnern, auch auf dem Gebiete des Redens sich möglichst von Exzessen freizuhalten.

(Heiterkeit und Beifall.)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Sühler.

Gustav Sühler (CSU):
Rede ID: ID0306404500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte des heutigen Tages zeigt mit aller Deutlichkeit, daß zu einzelnen Fragen der



Sühler
Agrarpolitik zwar verschiedene Auffassungen vorhanden sind, daß aber alle Überlegungen ihren Ausgangspunkt im Grünen Bericht der Bundesregierung haben. Damit darf auch ich bekräftigen, daß mit dem Landwirtschaftsgesetz des Jahres 1955 eine entscheidende Wende in den Bemühungen um die deutsche Agrarpolitik eingetreten ist. Nachdem in früheren Zeiten derartige Debatten entweder aus dem Gefühl heraus oder aus lokaler Kenntnis der Dinge oder an Hand von Unterlagen aller möglichen Stellen geführt werden mußten, sind wir heute einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Über 8000 landwirtschaftliche Testbetriebe liefern das Material für diesen Bericht. Sie sind sorgfältig ausgesucht worden — ich bin allerdings der Meinung, daß gerade die Aussagen der unteren Betriebsgrößen leicht über dem allgemeinen Durchschnitt stehen —, und sie sollen die vielschichtige Struktur der deutschen Landwirtschaft repräsentativ zum Ausdruck bringen.
Die Seiten 32 bis 55 des Grünen Berichts beweisen eindeutig, daß man sich bei der Beurteilung der Ertragslage der deutschen Landwirtschaft hüten sollte, globale Aussagen zu machen. In diesem Lichte betrachtet scheint auch die Forderung bestimmter Kreise nach einer Globalsumme nicht das erstrangige Problem zu sein. Ich bin sogar der Meinung, daß es wahrscheinlich manchem „ins Auge gehen" würde, wenn wir die Globalsumme schaffen wollten. Richtiger scheint mir zu sein, sich allmählich Gedanken darüber zu machen, welche Konsequenzen auf Grund des Grünen Berichts und seiner Feststellungen zu ziehen sind, und zwar mit der Zielsetzung, die zur Verfügung gestellten Mittel des Grünen Plans so einzusetzen, daß damit der größte Effekt zu erzielen ist. Ich will damit nicht sagen, daß sich die bisherigen globalen Maßnahmen nicht auch allgemein günstig ausgewirkt hätten. Wir wissen, daß gerade der Qualitätszuschlag zur Milch sowie die Subventionierung des Handelsdüngers in starkem Maße jener großen Gruppe landwirtschaftlicher Betriebe zugute kamen, um die wir uns heute beträchtliche Sorgen machen. Weil wir nun wollen — und damit sprechen wir ein politisches Bekenntnis aus —, daß die deutsche Landwirtschaft auf einer breiten Basis gesunder, lebensfähiger Betriebe aufgebaut ist, müssen wir in der zukünftigen Ausrichtung unserer Agrarpolitik, und zwar immer mehr von Jahr zu Jahr, je mehr der Gemeinsame Markt auf uns zukommt, unser Hauptaugenmerk auf jene starke Gruppe landwirtschaftlicher Betriebe richten, die sich heute an der unteren Grenze der Existenz einer bäuerlichen Familie bewegen. Wenn ich das verlange, so geschieht es nicht aus einer sentimentalen Einstellung, verbunden mit bäuerlicher Romantik und Blut-undBoden-Ideologie heraus, auch nicht um einen Zustand künstlich zu konservieren, der in diesem technisch-modernen Zeitalter nicht aufrechtzuerhalten wäre. Es geht hier nur um die Umsetzung jener Forderungen und Zielsetzungen, die, angefangen von der Agrarministerkonferenz in Stresa, über die CEA-Tagung in Wien bis zur kleinsten Bauernversammlung irgendwo draußen im Lande heute die Gemüter bewegen, in die Praxis. Wir sind alle aufgerufen, durch Taten zu beweisen, daß der Ruf nach
Erhaltung und Stärkung des bäuerlichen Familienbetriebes nicht zum Schlagwort wird.
Meine Damen und Herren, es wird viel Zeit darauf verwendet, mit echt deutscher Gründlichkeit eine genaue Definition des Begriffes „bäuerlicher Familienbetrieb" zu erarbeiten. Man bemüht sich darum, die untere Grenze festzustellen und auch die Abgrenzung nach oben hin zu präzisieren. Es ist gar nichts dagegen zu sagen. Auch die Wissenschaft wird sich in der Zukunft verstärkt der Probleme der Landwirtschaft annehmen müssen.
Ich meine allerdings, wenn wir über den bäuerlichen Familienbetrieb sprechen, dann wissen wir, worum es uns geht. Wir wissen, daß es sich um das Gros der landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik handelt und daß nebenbei die Tendenz festgestellt werden muß, daß im Zusammenhang mit einer sinnvollen Mechanisierung die Anzahl dieser Betriebe in der Zukunft noch zunehmen wird. Mit der Blickrichtung auf den bäuerlichen Familienbetrieb, der groß genug sein muß, den notwendigen Arbeitskräften ein entsprechendes Arbeitseinkommen zu bieten, der in der Lage sein muß, den Altenteilern einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten und der heranwachsenden Jugend die Chancen einer gründlichen Allgemein- und Berufsausbildung zu bieten, muß zukünftig auch der Grüne Plan zugeschnitten werden. Noch einmal darf ich ausdrücklich betonen: nichts gegen die globalen Hilfsmaßnahmen, auch nichts gegen das Agrarstrukturprogramm, das in seiner Zielsetzung ja auf den gesunden, lebensfähigen Betrieb hinausläuft, auch nicht die Kleinen gegen die Großen ausspielen wollen, sondern einzig und allein konsequent zu einer klaren Zielsetzung stehen!
Das wird für uns in der zukünftigen Arbeit hier im Deutschen Bundestag bedeuten, daß wir uns stärker als bisher mit den Ergebnissen der Testbetriebe zu befassen haben, daß wir daraus gewisse Konsequenzen ziehen und daß wir zuweilen den Mut aufbringen müssen, regionale Abgrenzungen vorzunehmen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Ich bin mir der Schwierigkeiten voll bewußt, die bei dieser Forderung auftauchen. Ich weiß genau, daß dabei Härten entstehen werden und vermutlich auch allerhand Staub aufgewirbelt wird. Es wird uns aber kaum ein anderer Weg bleiben, als mit zusätzlichen, gezielten Maßnahmen des Grünen Planes den Hebel anzusetzen.
Wie aber müßte das aussehen? Ich bin mir darüber klar, daß ein System geschaffen werden müßte, das, fußend auf den Aussagen des Grünen Berichtes, eine Koordinierung der Wirtschaftsberatung mit den neuesten Forschungsergebnissen und staatlichen Hilfsmaßnahmen zu der Selbsthilfe des Berufsstandes darstellen würde. Nur im Zusammenwirken aller Kräfte könnte der Erfolg liegen.
Ich habe vorhin schon die Wirtschaftsberatung erwähnt. Dabei darf ich von der Praxis her sagen, daß auf diesem Sektor erfreuliche Fortschritte festzustellen sind. Wir sind allmählich auf dem besten



Sühler
Wege, das lebendige Verhältnis zwischen Beratung und Praxis herzustellen. Bedauerlich ist nur, daß bisher die im Zusammenhang mit der starken Mechanisierung auftretenden Probleme von beiden Seiten aus nicht befriedigend gelöst werden konnten. Wir müssen immer wieder feststellen, daß leider Gottes nach wie vor Fehlinvestitionen getätigt werden, die vermieden werden könnten.
In diesem Zusammenhang muß auch ein ernstes Wort über den Einsatz von Gemeinschaftsmaschinen gesagt werden. Ich bin der Meinung, daß wir noch nicht ganz auf dem richtigen Wege sind. Notwendig scheint mir vor allen Dingen zu sein, an Hand von praktischen Beispielen zu erproben, welche Maschinen für den Gemeinschaftseinsatz tatsächlich geeignet sind. Ich könnte mir dabei vorstellen, daß hier eine große Aufgabe der ländlichen Genossenschaften vorliegt, über das Geld- und Kreditgeschäft hinaus neue Formen des Gemeinschaftsgeistes zu entwickeln. Auf jeden Fall verdient das Problem des Maschineneinsatzes im bäuerlichen Familienbetrieb auch in Zukunft stärkste Beachtung.
Meine Damen und Herren, es geht mir immer wieder um den bäuerlichen Familienbetrieb. Ich habe eingangs schon zum Ausdruck gebracht, daß wir uns in unserer zukünftigen Agrarpolitik darauf einzustellen haben. Dabei wissen wir nur zu gut, daß wir nicht mit dirigistischen Maßnahmen in diesen Prozeß eingreifen dürfen. Trotzdem aber wird es ohne die behutsam lenkende und ordnende Hand nicht gehen. Der Wandlungsprozeß, in dem die deutsche Landwirtschaft steht — es ist eine stürmische Entwicklung ohnegleichen —, erfordert zum mindesten eine gewisse Orientierung. Wir sind uns alle darüber im klaren, daß dem bäuerlichen Familienbetrieb nicht mit schönen Worten und auch nicht allein mit ethischen und soziologischen Mitteln geholfen ist. Entscheidend wird es darauf ankommen, das Arbeitseinkommen der notwendigen Arbeitskräfte zu heben. Das bedeutet, daß auch in Zukunft die Veredelungswirtschaft primär die Einkommensgrundlage des bäuerlichen Familienbetriebes darstellen muß.
Wenn ich diese Feststellung treffe, geschieht das nicht, ohne daß ich gewisse Befürchtungen anklingen lasse. Wir haben es in der vergangenen Zeit zuweilen erleben müssen, daß wir in der Veredelungsproduktion an der obersten Grenze der Aufnahmefähigkeit des Marktes angelangt waren. Wir wissen zudem heute noch nicht, wie sich die Dinge im gemeinsamen europäischen Markt entwickeln werden. Sollten wir uns angesichts dieser Situation nicht Gedanken über eine vorsichtige und behutsame Steuerung der Produktion machen? Sollten wir nicht vielleicht versuchen, dem größeren Betrieb Auswegmöglichkeiten zu verschaffen, die in der Erhöhung der Rentabilität der Bodenproduktion liegen müßten? Wäre es z. B. nicht endlich an der Zeit, eine Lösung des Problems des Rapsanbaues herbeizuführen? Ich meine, hier eröffnen sich doch Aspekte, hier ergeben sich Möglichkeiten, die wahrzunehmen wären!
Ich freue mich, immer wieder feststellen zu können, daß im ganzen Lande Gespräche zwischen der
Landwirtschaft und der Industrie stattfinden. Sollte es nicht z. B. möglich sein, mit der Margarineindustrie zu einer Klärung zu kommen? Diese und andere Fragen — ich darf nur an das Problem der Kartoffelstärke erinnern — sollten uns Fingerzeig genug sein, um — gestatten Sie, meine Damen und Herren, das zu sagen — mehr „Flexibilität" in der Agrarpolitik wirksam werden zu lassen. Das gilt aber im gleichen Maße auch für alle diejenigen, die für die Aktivierung der Selbsthilfe verantwortlich sind.
Lassen Sie mich zum Abschluß auch mein bayerisches Herz offenbaren. Der Grüne Bericht bringt auf den Seiten 192 bis 205 die Ergebnisse bayerischer Testbetriebe. Zum besseren Verständnis darf ich dabei bemerken, daß Bayern hinsichtlich seiner Struktur ein klassisches Land der bäuerlichen Familienbetriebe ist. Beim Ertrag-Aufwand-Vergleich der erfaßten Bodennutzungssysteme und der Betriebsgrößen muß festgestellt werden, daß nur eine Gruppe über dem Strich steht, und zwar die der Hackfruchtbaubetriebe zwischen 20 und 25 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Ziehen wir einen Vergleich zu den Ergebnissen des vergangenen Berichtsjahres, so fällt auf, daß die allgemeine Feststellung einer verbesserten Ertragslage der deutschen Landwirtschaft für die bayerische Landwirtschaft nicht getroffen werden kann.
Das sollte uns sehr zu denken geben. Das ist nicht Rückständigkeit, sondern das zeigt erneut, wie notwendig es ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie den landwirtschaftlichen Betrieben in den schwierigen Lagen in der Bundesrepublik zusätzlich geholfen werden kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch ein Wort über den Wegfall der Roggenlieferprämie sagen. Angesichts der Entwicklung der Verbrauchergewohnheiten hat die Roggenlieferprämie natürlich ihre Berechtigung verloren. Schmerzlich rist dabei nur, daß hier zwei Dinge zusammenfallen. Es kommt nämlich die Tatsache hinzu, daß der Roggen das Getreide des leichten Bodens ist und daß in den Roggenanbaugebieten — das zeigt ein Vergleich der Betriebsgrößen — der kleinere Betrieb überwiegt.
Der Deutsche Bundestag hat diese Zusammenhänge schon im vergangenen Jahr erkannt und die Bundesregierung beauftragt, nach dem Wegfall der ersten Hälfte der Roggenlieferprämie um einen entsprechenden Ausgleich besorgt zu sein. Leider müssen wir feststellen, daß es nicht möglich war, einen gangbaren Weg zu finden, um diesen Ausgleich durchzuführen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Gedanken vortragen, die ausgesprochen werden müssen, wenn man über die Probleme der deutschen Landwirtschaft diskutiert. Ich sehe immer die Gefahr, daß man vor lauter Wirtschafts- und Agrarpolitik, vor Zahlen und statistischem Material den Menschen vergißt.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)




Sühler
Um den Menschen des Landes geht es im letzten. Er darf nicht das Gefühl haben, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Er muß wissen, daß alle Bemühungen um ihn im letzten darauf gerichtet sind, seine Freiheit und Selbständigkeit auch in der Zukunft zu gewährleisten.
Seit Jahren diskutiere ich mit jungen Menschen des Landes über die Probleme unseres Berufsstandes. Ich weiß aus der eigenen Erfahrung, wie schwierig es ist, den jungen Menschen in dieser Zeit der Wandlung zu einem klaren Bekenntnis zu seinem Berufsstand gerade in einer Zeit zu bringen, in der das materielle Denken und der materielle Vergleich tagtäglich auf der Hand liegen. Wir sollten uns natürlich darüber im klaren sein, daß der Grüne Bericht z. B. mit seinem Vergleichslohn gewisse Gefahrenmomente tin sich birgt.
Ich bin sehr dankbar dafür, daß der Grüne Plan auch Mittel für die Betreuung der Landjugend enthält. Hier liegt eine enorme Aufgabe vor: die Förderung der Allgemeinbildung, die Hebung des Fachwissens und viele ,andere Aufgaben. Vor allem anderen sollte dabei herausgestellt werden, daß über die Landjugendarbeit die Begegnung mit den jungen Menschen anderer Bereiche unseres Volkes gefördert wird. Über die junge Generation muß das gegenseitige Verständnis für die Sorgen und Nöte des einzelnen hergestellt werden. Die junge Generation muß beginnen, eine Hypothek abzutragen, die lange Zeit hindurch eine sachliche Diskussion über die Probleme der Landwirtschaft verhinderte. Das wäre wirklich ein neuer Beginn.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306404600
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0306404700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit besonderer Genugtuung ist hier heute von allen Seiten auf den erfreulichen Anstieg der Arbeitsproduktivität und auf den Umstand hingewiesen worden, daß er in der Landwirtschaft sehr viel größer war als in der gewerblichen Wirtschaft. In der Landwirtschaft betrug er in den letzten vier Jahren 20 %, in der gewerblichen Wirtschaft nur 13 %. Nun gibt es sicherlich niemanden in diesem Hause, ganz gleich auf welcher Seite, der sich nicht über diesen Umstand freut. Diese Erhöhung der Arbeitsproduktivität ist sicher nicht allein auf die Verringerung des Arbeitskräftebesatzes in den landwirtschaftlichen Betrieben zurückzuführen, sondern — und ich möchte die betreffende Stelle des Grünen Berichts ausdrücklich unterstreichen — dazu hat neben der betrieblichen Rationalisierung und Mechanisierung auch die Verbesserung des Ausbildungs- und Leistungsstandes der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte beigetragen.
Der Grüne Plan hat sicherlich einen gewissen Anteil an dieser Verbesserung des Ausbildungs-und Leistungsstandes. In der Gruppe der Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und der landwirtschaftlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse haben die Grünen Pläne von Anfang an einen Titel für Forschung, Ausbildung, Beratung und Aufklärung enthalten, der von 10 Millionen DM im Jahre 1956 über 15 Millionen DM im Jahre 1957 auf 20 Millionen DM im Jahre 1958 erhöht worden ist. Der Grüne Plan 1959 sieht wiederum 20 Millionen DM für diese Zwecke vor.
In diesem Betrag sind auch Förderungsmittel für die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung enthalten. Erstmalig ist vor nun etwa drei Jahren in Niedersachsen die Erkenntnis gewonnen worden, daß die ständige Verringerung des landwirtschaftlichen Arbeitskräftepotentials eine Hebung des Leistungsstandes der verbleibenden Arbeitskräfte zwingend erforderlich macht.
Seit etwa einem Jahr sind sich die Sozialpartner und die Landwirtschaftskammern, ich kann sagen, auf Bundesebene darüber einig geworden, daß die Facharbeiterausbildung eine wichtige Aufgabe im Hinblick auf die notwendige Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen landwirtschaftlichen Betriebe mit denen anderer EWG-Länder darstellt. Ganz im Gegensatz zur Industrie — das muß ganz klar gesehen werden — brauchen wir in der Landwirtschaft eine Allround-Ausbildung, und die Hebung des Leistungsstandes der gesamten Landarbeiterschaft muß das Ziel der landwirtschaftlichen Facharbeiterausbildung sein.
Nachdem diese Facharbeiterausbildung in Niedersachsen besonders entwickelt worden ist, ist zu hoffen, daß sich nun alle Länder der Bundesrepublik dieser wichtigen und dringenden Aufgabe aktiv unterziehen werden. In den nördlichen Ländern sind schon einige Fortschritte erzielt worden, in den süddeutschen Ländern steckt eine derartige Ausbildung noch in den allerersten Anfängen. Niedersachsen und Hessen bemühen sich um die Bereitstellung entsprechender Ausbildungsstätten. Landwirtschaftliche Facharbeiterschulen — heute werden sie auch Landarbeitsschulen genannt — müssen sich wegen ihrer besonderen Aufgabenstellung, nämlich vor allen Dingen praktische, technische und handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, von den Landwirtschaftsschulen grundlegend unterscheiden. Es wäre sehr zu wünschen und läge durchaus im Interesse der Bemühungen um die Verbesserung der Agrarstruktur, wenn die Bundesregierung und die Grünen Pläne die Anstrengungen unterstützten, die in dieser Richtung gemacht werden. Der bisherige Widerstand der Bundesregierung gegen die Errichtung einer Landarbeitsschule in Niedersachsen, die von der Landwirtschaftskammer Hannover seit langem beantragt ist, ist eigentlich nicht verständlich, da im Grünen Plan gesagt wird, daß die Erhöhung der Arbeitsproduktivität wesentlich auch auf die Erhöhung des Leistungsstandes der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte zurückzuführen sei. Das muß also auch als eine wichtige Aufgabe angesehen werden, und sie muß von allen Seiten mit allen Mitteln gefördert werden.
Zur Verbesserung der Agrarstruktur gehört unabdingbar auch die Verbesserung der landwirtschaftlichen Arbeitskräftestruktur. Hierbei meine ich jetzt nicht die Verringerung des Arbeitskräftebesatzes — darüber ist heute schon genug gesprochen worden —, sondern denke an eine grundlegende Änderung



Frehsee
der landwirtschaftlichen Lohnarbeitsverfassung. Die gegenwärtige Lohnarbeitsverfassung ist immer noch ungesund. Sie ist immer noch weitgehend eine Gesindearbeitsverfassung. Auf Seite 98 des Grünen Berichts steht, daß es 333 000 sogenannte ständige Lohnarbeitskräfte, die sich in Kost und Wohnung befinden, und 167 000 sonstige ständige Lohnarbeitskräfte gibt. Das bedeutet nach unserem Sprachgebrauch — übrigens sehr im Gegensatz zu dem Grünen Bericht 1958; ich fand diese Zahlen außerordentlich überraschend und befremdlich —, daß zwei Drittel der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte noch ledige Landarbeiter, sogenannte Gesindekräfte sind. Nur ein Drittel sind nach den Zahlen auf Seite 98 des Grünen Berichts verheiratete Landarbeiter und Landarbeiterinnen. Angesichts dieser Tatsache ist es besonders zu begrüßen, daß der Grüne Plan die Umstellung von ledigen auf verheiratete Arbeitskräfte so nachhaltig und sicherlich teilweise auch schon erfolgreich gefördert hat. Ich habe gewisse Zweifel in bezug auf die Zahlen erkennen lassen, die ich da zitiert habe. Ich glaube gar nicht einmal, daß es so schlimm ist, wie es der Grüne Bericht darstellt. Es ist also zu begrüßen, daß die Maßnahme, die Frau Dr. Pannhoff soeben angesprochen hat, die Seßhaftmachung verheirateter Landarbeiter im Zuge des Landarbeiterwohnungsbaues, nachhaltig gefördert wird. Das Verfahren zur Durchführung dieser Maßnahme, das mit den Richtlinien vom 30. Mai 1958 festgelegt worden ist, hat sich inzwischen konsolidiert, nachdem es 1957 einige Gegensätze in bezug auf Verfahrensweg und Methode gegeben hat. Man sollte daher an dem Verfahren, bei dem das Schwergewicht auf die Errichtung von Landarbeitereigenheimen gelegt wird, nichts ändern und die Richtlinien für das Rechnungsjahr 1959/60 verlängern, damit keine Verzögerung eintritt.
Ganz im Gegensatz zum Vorjahr — meine Damen und Herren, heute haben Sie das nicht wieder gehört, was Sie in den Debatten über den Grünen Bericht der vergangenen Jahre eigentlich immer wieder mit sehr viel Nachdruck vorgetragen bekommen haben — wurde 1958 in den landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr so nachdrücklich über den landwirtschaftlichen Arbeitskräftemangel geklagt. Das ist zweifellos auf das günstige Herbstwetter, das keine Arbeitsspitzen gebracht hat, sicherlich aber auch auf die in diesem Jahre erstmalig in vollem Ausmaß erkennbar gewordene Wirkung der Technisierung und Mechanisierung zurückzuführen.
Ob die landwirtschaftlichen Betriebe allerdings richtig beraten sind, wenn sie, wie es alljährlich geschieht, zum Winter eine so große Anzahl landwirtschaftlicher Lohnarbeitskräfte entlassen — die Arbeitslosenzahl ist vom November zum Dezember um 1501)/o angestiegen —, möchte ich dahingestellt sein lassen. Man sollte dieses Problem gerade im Zusammenhang mit den Klagen über die ungeheure Belastung der Landfrau, der Bäuerin, und vielleicht auch im Zusammenhang mit jener Feststellung sehen, wonach die Zahl der Landwirtschaftslehrlinge um 3,8% zurückgegangen sei. Wenn nach dem Grund gefragt wird, wird gesagt: Wir können unsere Söhne nicht mehr in die Lehre schicken, weil wir auf
ihre Arbeitskraft angewiesen sind. Wenn schon jetzt wegen der fehlenden Landarbeiter auf die ordnungsmäßige Berufsausbildung der künftigen Betriebsleiter verzichtet werden muß, dann ist bereits heute ein kritisches Stadium erreicht, das unsere volle Aufmerksamkeit erfordert.

(Abg. Schröter [Berlin] : Das kann man wohl sagen!)

Sehen Sie das auch im Zusammenhang mit dieser Frage.
In unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitskräfteentwicklung stehen die landwirtschaftlichen Lohnprobleme. Nach dem Grünen Bericht haben sich die Wochenverdienste der Industriearbeiter um 5 % erhöht, die landwirtschaftlichen Tariflöhne um 8 %. Ganz abgesehen davon, daß Tariflöhne nicht mit Effektivverdiensten verglichen werden können — dazu besteht auch gar kein Anlaß, da neuerdings die Arbeiterverdienste in der Landwirtschaft regelmäßig, in den vergangenen zwei Jahren im März und September, ab 1959 im September, ermittelt werden —, bedeutet diese Entwicklung lediglich, daß der Abstand zwischen den Industriearbeiterlöhnen und den Landarbeiterlöhnen sich nicht vergrößert hat; verringert hat er sich nicht. Denn 5% von dem dem durchschnittlichen Wochenverdienst eines Industriearbeiters zugrunde liegenden Bruttostundenverdienst von 2,20 DM im Jahre 1957/58 sind 11 Pfennig, und 8 % von den 1.42 DM Bruttoverdienst eines Landarbeiters sind 11,2 Pfennig. Der Abstand hat sich insofern nicht verringert. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen — was heute wiederholt gesagt worden ist —, daß die Arbeitsverdienste von Industrie und Gewerbe in einer gegenüber der Landwirtschaft um 21/2 Stunden wöchentlich kürzeren Arbeitszeit erzielt worden sind.
Auch addiert das Statistische Bundesamt auf Grund der Ergebnisse der Lohnstrukturerhebung vom Jahre 1953 immer noch einen ominiösen Betrag von 8 Pfennig zu den festgestellten Effektivverdiensten der Landarbeiter. Mit diesen 8 Pfennig soll der sogenannte versteckte Lohnanteil abgegolten werden, der sich aus dem verbilligten Bezug von Sachleistungen und Naturalien ergibt. Die Naturalentlohnung der Stundenlöhner — genauer gesagt der verheirateten Landarbeiter, denn nur für sie kommt das überhaupt in Frage, und diese machen, wie ich vorhin sagte, nur ein Drittel der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte aus — ist seit 1953 unter bewußter Förderung durch beide Sozialpartner derart zurückgegangen, daß der Betrag von 8 Pfennig, Herr Kollege Bauknecht, der in den 1,43 DM steckt, nicht gerechtfertigt erscheint. Das ist ein Tip für Sie. Ich schließe mich durchaus den Argumenten an, die Sie vorhin in dieser Richtung vorgetragen haben.
Wenn man von dem im Grünen Bericht auf Seite 114 angeführten durchschnittlichen Vergleichslohn für Männer mit 5126 DM ausgeht und ihm einen durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst eines Landarbeiters gegenüberstellt, der — das wollen wir einmal annehmen — durchgehend beschäftigt



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ist und 2500 Arbeitsstunden erreicht, also sehr viel mehr als ein Industriearbeiter im Durchschnitt, so beträgt der Unterschied, auch wenn wir bei dem Landarbeiter die 1,43 DM zugrunde legen, in denen die dubiosen 8 Pfennig enthalten sind, 1550 DM. Das sind 30 Vo des Vergleichslohns. Das bedeutet, daß der Landarbeiterlohn um 43 % erhöht werden müßte, wenn der Vergleichslohn erzielt werden sollte.
Der Lohnabstand beträgt danach je Stunde 60 Pfennig. Aber es Ist richtig, was von anderer Seite gesagt wonden ist, daß das nicht der Unterschied zwischen den Effektivverdiensten der Landarbeiter rund der Industriearbeiter ist. Der liegt tatsächlich bei etwa einer Mark. Im übrigen beträgt der Abstand der deutschen Landarbeiterlöhne zu denen der Landarbeiter in den westlichen EWG-Ländern etwa 50 Pfennig. Er ist nicht etwa auf Grund der Wechselkurse errechnet, sondern unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten und unter Berücksichtigung der Kaufkraft. Es könnte passieren, daß in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der Vorwurf eines Lohndumpings erhoben wird. Der Vorwurf eines Dumpings wird ja auf verschiedenen anderen Gebieten sehr häufig erhoben. Es könnte passieren, daß er auch hier eines Tages erhoben wird. Dann würde sich dieser Vorwurf gegen Italien und gegen die Bundesrepublik Deutschland richten. Es muß daher außer Zweifel stehen, daß die Landwirtschaft rechtzeitig Anstrengungen zur Harmonisierung der Löhne — natürlich 'im Sinne einer Heraufziehung des deutschen Lohnniveaus auf das der anderen Länder — unternehmen muß.

(Abg. Bauknecht: Und des Agrarpreisniveaus!)

Vor wenigen Tagen ist bei einem Besuch des für die sozialen Fragen in der EWG-Kommission zuständigen Herrn bei dem Herrn Bundesminister Blank klargestellt worden, daß Harmonisierung der Löhne nicht bedeuten kann, daß die Länder, in denen sie Spitzenstellungen haben, nun so lange stillhalten und warten, bis die anderen herangekommen sind.
In diesem Jahr sind besonders günstige Voraussetzungen für einen kräftigen Schritt auf dem Wege zur Lohnangleichung vorhanden. Darunter sind nicht nur die verhältnismäßig günstige Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe, der Betriebs- und Arbeitseinkommen, der Verkaufserlöse und die gute Ernte zu verstehen, sondern auch der Umstand, auf den der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 18. Februar hingewiesen hat. Vielleicht haben Sie das gelesen. Danach haben seit etwa einem halben Jahr wesentliche Lohnerhöhungen im gewerblichen und industriellen Bereich bei uns nicht stattgefunden, und für die meisten Wirtschaftszweige stehen sie nicht bevor, wenigstens nicht unmittelbar. Es besteht also zur Zeit die in diesem Umfang noch niemals gegebene günstige Gelegenheit, die ich geradezu als eine Chance für die Landwirtschaft bezeichnen möchte, jetzt einen kräftigen Schritt zur Lohnangleichung zu machen. Landwirtschaftliche Lohnerhöhungen werden in diesem Jahre in besonderem Umfang differenzverringernd wirken. Die Landwirtschaft sollte diese Chance nutzen.
Im Gegensatz zu den meisten der vergangenen „Grünen Debatten" war diesmal nicht wieder die Rede davon — wie früher zu meinem Kummer regelmäßig —, daß die Lohnerhöhungen die Mehreinnahmen der landwirtschaftlichen Betriebe immer aufzehrten. Herr Kollege Bauknecht, ich habe Ihnen damals gesagt, ich würde Sie mal daran erinnern; ich kann mir das nicht ganz versagen.

(Abg. Schröter [Berlin] : Das stört die Harmonie nicht!)

— Das stört die Harmonie sicherlich nicht. — Sie haben vor zwei Jahren gesagt, die Lohnerhöhung koste 300 Millionen DM; sie hat dann nur 140 Millionen gekostet. Die Erhöhung der Sozialausgaben sollte 150 bis 200 Millionen DM kosten; sie kostete nur 44 Millionen DM, wie jetzt der Grüne Bericht ausweist; wenn er korrigiert worden ist, kann ich nichts dafür.
Aber wenn auch davon nicht die Rede war, der Grüne Bericht enthält diesmal wieder einige tendenziöse Zahlen, die im Interesse seiner Glaubhaftigkeit in Zukunft fortgelassen werden sollten. Was soll denn bloß — so frage ich die dafür verantwortlichen Herren des Bundesernährungsministeriums — die Aufteilung des landwirtschaftlichen Tariflohnindexes in einen Barlohnindex und in einen Gesamtlohnindex? Wo gibt es das sonst noch in der Lohnstatistik irgendwo auf der Welt, daß ein Index für einen Teil des Lohnes berechnet wird, der übrigens nirgends Parallelen hat und deshalb auch absolut keinen Vergleichswert besitzt. Dieser Index ist wirklich ganz tendenziös erfunden worden, um eine Entschuldigung für die Entwicklung der landwirtschaftlichen Preise und des Indexes der Verkaufserlöse zu finden, deren es gar nicht bedarf. Der Index ist eine reine Zweckerfindung. Das Ministerium sollte von dieser für meine Begriffe unwürdigen Methode endlich Abstand nehmen. Das gilt auch für den seltsamen Mischindex für die Preise der landwirtschaftlichen Betriebsmittel und für die Bruttobarlöhne. Natürlich muß man einen Kostenindex haben; man darf aber nicht diese Mischung zwischen Barlöhnen und Betriebsmitteln schaffen, weil das einen optisch wirksamen Index geben soll.

(Unruhe und Zurufe in der Mitte.)

Sie haben den Index für die landwirtschaftlichen Betriebsmittel, und Sie haben den Index für die landwirtschaftlichen Löhne. Diese Indizes muß man einzeln darstellen. Jedem Statistiker ist klar, daß man nicht mischen darf, weil es auf die Masse dessen ankommt, was man mit dem Index ausdrücken will.
Der Index auf der Basis von 1938 ist ohnehin zweifelhaft. Soll etwa das damalige Verhältnis zwischen landwirtschaftlichen Preisen, Verkaufserlösen und Löhnen — Löhnen, die im „Dritten Reich" mit Hilfe des Arbeitszwanges und des Lohnstopps künstlich niedergehalten worden sind — als


Frehsee
ideal, unveränderbar und endgültig hingestellt werden?

(Erneute Zurufe von der Mitte.)

Sehr sonderbar ist auch, daß man im Grünen Bericht den Durchschnittsverdienst eines ledigen Landarbeiters — in Hausgemeinschaft also — in Betrieben über 50 ha mit 205 DM angeführt hat. Diese Leute sind überwiegend in Betrieben bis 20 ha tätig. Ich finde dafür keine Erklärung. Deren Verdienste, die Verdienste also der Masse der ledigen Landarbeitskräfte, sind nicht genannt, nur die Verdienste der in Großbetrieben ganz vereinzelt vorkommenden ledigen Landarbeiter, die vielleicht einen höheren Lohn haben. Diese Tendenzen sind an und für sich bedauerlich. Der landwirtschaftlichen Lohnpolitik kommt im Rahmen der zu entwickelnden gemeinsamen europäischen Agrarpolitik wachsende Bedeutung zu, und deswegen muß sie auf reellen, sehr exakten, einwandfreien und objektiven Grundlagen betrieben werden.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß nach dem Grünen Bericht im Durchschnitt Arbeitseinkommen erzielt werden, die um 22 % unter dem Vergleichslohn liegen, während der Landarbeiterjahresverdienst um 30 % unter dem Vergleichslohn liegt. Das bedeutet: Der Grüne Bericht 1959 weist aus, daß die Arbeitseinkommen der Familienarbeitskräfte die Jahresverdienste der landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte eindeutig überschreiten.
Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Sie ist
übrigens heute auch schon zitiert worden. Der Herr Minister hat sich in seiner Antwort auf die Redner der ersten Runde schon dazu geäußert. Ich möchte doch noch einmal darauf zurückkommen. Wenn Sie beim Studium des vorliegenden Grünen Berichts den Grünen Bericht 1958 zum Vergleich herangezogen haben, dann haben Sie festgestellt, daß die Lohnkosten erheblich berichtigt worden sind. Allein bei den Bruttobarlöhnen für fremde Arbeitskräfte und dem Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung sind diesmal 553 Millionen DM weniger eingesetzt als im Grünen Bericht 1958 für 1956/57. Das ist, wie im Grünen Bericht erklärt wird, auf die Berichtigung der Arbeitskräftezahl zurückzuführen. Der Herr Minister hat gesagt, er trage keine Schuld daran, schuld habe das Statistische Bundesamt. Die Statistiker hätten ihm die Zahlen gegeben, und er müsse sie seinen Berechnungen zugrunde legen. — Damit will ich mich auch gar nicht auseinandersetzen. Das ist doch gar nicht das Entscheidende. Entscheidend ist aber, daß dieser Betrag als solcher dagewesen ist. Bei den Einnahmen ist er ja in Erscheinung getreten, und irgendwo muß er auch bei den Ausgaben in Erscheinung treten; wenn nicht bei den Lohnarbeitskräften, dann ist er irgendwo anders in Erscheinung getreten und ist also den Einkommen der Familienarbeitskräfte im Wirtschaftsjahr 1956/57 zuzurechnen, und das Verhältnis war insofern günstiger.

(Abg. Bauknecht: Das Einkommen der Familienarbeitskräfte war auch ein jämmerliches!)

— Nun gut, nur meine ich, damit wir das noch einmal in aller Klarheit feststellen: Diese 553 Millionen wurden den Landarbeitern zu Unrecht angeschrieben, und daraus wurde ihr Verdienst errechnet. Das ist irrig gewesen, weil die Grundlage, die Arbeitskräftezahl, nicht stimmte. Wären die 553 Millionen damals nicht dagewesen, würde sich also der Überschuß von 780 Millionen um diese 553 Millionen erhöhen müssen. Das ist aber nicht der Fall. Sie sind also irgendwo in der Landwirtschaft gewesen.
Es ist verständlich, daß die landwirtschaftliche Presse, insbesondere die Bauernverbandspresse, jede Zahl begeistert aufgreift, die geeignet erscheint, dem speziellen Gruppeninteresse zu dienen. Das gilt natürlich besonders für die Entlohnung der Familienarbeitskräfte. Da sollte man eins nicht tun, man sollte nicht bei der Berechnung der Entlohnung der Familienarbeitskräfte den Bruttoüberschuß durch die Zahl der Familienarbeitskräfte dividieren und dann, wie es geschieht, einen Zuschlag für Wohnung und Unterkunft — diese fast 1200 DM jährlich — für die Vollarbeitskräfte anrechnen. Dann muß man natürlich die Gesamtzahl der Familienangehörigen zugrunde legen, die in den landwirtschaftlichen Betrieben wohnen, natürlich auch dort essen und nur in seltenen Ausnahmefällen dafür etwas bezahlen. Da muß man also die Gesamtzahl der Familienangehörigen zugrunde legen und nicht die Zahl der Vollarbeitskräfte. Das geht doch gar nicht; das ist unmöglich.

(Widerspruch in der Mitte.)

— Ich darf noch einmal wiederholen. (Abg. Dr. Pflaumbaum: Bitte!)

Es wird also bei der Berechnung der Einkommen
der Familienarbeitskräfte das Bruttobareinkommen
— die Differenz zwischen Verkaufserlösen und Ausgaben — dividiert durch die Zahl der Vollarbeitskräfte. Da haben wir also den Lohnanteil je Vollarbeitskraft. Das ist korrekt.

(Abg. Dr. Pflaumbaum: Ja!)

Und dann wird hinzugerechnet der Betrag von 1200 DM jährlich, ebenfalls mal der Zahl der Vollarbeitskräfte. Es wird aber nicht berücksichtigt, daß noch eine große Anzahl von Familienangehörigen vorhanden ist, außer der Zahl der Vollarbeitskräfte; bei den Vollarbeitskräften handelt es sich ja um eine statistisch festgestellte Zahl. Die Gesamtzahl der Familienangehörigen muß bei dieser Berechnung — —

(Abg. Dr. Pflaumbaum: Das hat aber doch mit dem Lohn der Vollarbeitskräfte nichts zu tun!)

— Nein, das hat nur mit dem Gesamteinkommen etwas zu tun. Es kommt ja eine ganz neue Zahl heraus. Ich will sie hier gar nicht errechnen, aber es kommt eine neue Zahl heraus, die dann durch eine andere Zahl dividiert werden muß.
Im Abschnitt A des Grünen Plans wird im Überblick über die agrarpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung im Jahre 1958 darauf hingewiesen, daß

Frehsee
zur Angleichung der sozialen Verhältnisse der in der Landwirtschaft Tätigen — das ist das Postulat des Landwirtschaftsgesetzes: die Angleichung an die sozialen Verhältnisse vergleichbarer Berufsgruppen — auch der dem Bundetag vorliegende Gesetzentwurf für das neue Jugendarbeitsschutzgesetz beitragen werde, das die Einbeziehung der jugendlichen Landarbeiter in den gesetzlichen Jugendarbeitsschutz vorsieht. Dieser Entwurf enthält wieder eine Reihe von Ausnahmebestimmungen, von denen ich zum Teil sagen muß, daß sie nicht naturbedingt sind. An diesem Beispiel zeigt sich, wie schwer es manchmal der Regierung fällt, dem Willen des Gesetzgebers zu folgen, und wie schwer es dem Gesetzgeber, also uns selber, die wir das Landwirtschaftsgesetz geschaffen haben, fällt, das Postulat zu beachten, das wir dort gesetzt haben, nämlich die soziale Lage der in der Landwirtschaft Tätigen an die vergleichbarer Berufsgruppen anzugleichen und eben keine anderen als die unbedingt naturnotwendigen Ausnahmen im Jugendarbeitsschutzgesetz vorzusehen. Jede über wirklich naturbedingte Notwendigkeiten hinausgehende Ausnahmebestimmung für Kinder und Jugendliche in der Landwirtschaft bedeutet einen Verstoß gegen den Geist des Landwirtschaftsgesetzes und sein Postulat nach sozialer Gleichstellung. Wenn Sie das so auslegen, wie wir es damals ausgelegt haben, dann soll zweifellos soziale Gleichstellung erzielt werden. Es ist erfreulich, daß die Landwirtschaft überhaupt einbezogen wird. Man bemüht sich aber von seiten der Verbände sehr intensiv darum, die Kinderarbeit wieder zuzulassen und die Jugendlichenarbeit in bestimmten Fällen wieder zuzulassen. Das ist keine soziale Gleichstellung. Ich meine, wir sollten uns in der Forderung nach sozialer Gleichstellung einig sein und nirgends Einbrüche zulassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auf dem Lande sieht es anders aus als in der Stadt!)

— Die soziale Gleichstellung der in der Landwirtschaft Tätigen muß erfolgen.

(Weitere Zurufe von der Mitte.)

Sie muß erfolgen, wenn die Landwirtschaft mit der gewerblichen Wirtschaft gleichziehen, in ihrer Struktur in Ordnung kommen und mit den Landwirtschaften anderer europäischer Länder wettbewerbsfähig werden will.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306404800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittmer-Eigenbrodt.

Kurt Wittmer-Eigenbrodt (CDU):
Rede ID: ID0306404900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Telegrammstil einige Bemerkungen. — Herr Frehsee, Sie kennen mich und meinen Betrieb zur Genüge, um zu wissen, daß ich kein Interesse an Lohndruck habe. Aber eines darf ich wohl ganz kurz sagen. Daß sich die Zahl der Betriebe über 100 ha um 7,8 % vermindert hat, hat seine Ursache in der Illiquidität. Wenn man diesen Betrieben ermöglichen will, höhere Löhne zu zahlen — uns interessieren hier hauptsächlich die Fremdarbeitskräfte —, dann muß man
auch dafür sorgen, daß sie liquide genug sind, sie zu zahlen. Damit reimt sich allerdings nicht zusammen, daß Ihre Partei auf der anderen Seite verhindern hilft, daß die Betriebe die nötigen Einnahmen haben.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Sie kamen soeben ganz kurz auf das Jugendarbeitsschutzgesetz und auf die Solidarität in der Sozialauffassung zu sprechen. Ich darf mich hier dem anschließen, was vorhin Frau Dr. Pannhoff gesagt hat. Ich glaube, bisher sind wir alle, die wir in der Landwirtschaft groß geworden sind, noch nicht dadurch verdorben, daß wir in unserer Jugend gelernt haben, mitzuarbeiten und Freude an der Arbeit zu haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Das, was wir heute auf dem Lande machen, bringt keinen Segen für diese Kinder. Denn unsere Kinder haben Gott sei Dank noch Freude, wenn sie mithelfen und mitwirken und sich auch mal ein kleines Taschengeld verdienen können.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Das tut ihnen bestimmt nichts. Aber ihnen künstlich beizubringen, daß sie gewissermaßen Angst und Scheu vor der Arbeit haben müssen, das mögen andere sozial nennen; ich tue es jedenfalls nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ganz kurz, Herr Dr. Schmidt, zu dem, was Sie zur Flurbereinigung sagten. Herr Minister Lübke hat vorhin sehr richtig darauf hingewiesen, daß wir in diesem Jahr gewaltige Mittel für Strukturmaßnahmen, nämlich 798 Millionen DM, im Grünen Plan haben. Kommen die ordentlichen Haushaltsmittel hinzu, ist die Milliardengrenze überschritten. Es ist daher verwunderlich, daß sich Teile von Presse und Rundfunk darüber beschweren und sagen, daß das noch nicht genug sei. Es kommt schließlich nicht nur auf das Bewilligen an, sondern auch darauf, daß diese Mittel ordnungsmäßig und voll wirksam angewandt werden. In diesem Zusammenhang komme ich zu Ihrer Flurbereinigung. In den vergangenen drei Jahren sind mit 232 Millionen DM rund 610 000 ha bereinigt worden. In diesem Jahr ist eine Aufstockung um 80 % vorgenommen worden, und es müßten dem entsprechend 360 000 ha umgelegt werden. Herr Schmidt (Gellersen) sagt, das wäre heute eine Kleinigkeit für die Behörden. Nun, er steht damit in absolutem Gegensatz zu diesen Behörden und zu den Experten, die auch heute auf dem Standpunkt stehen, daß im günstigsten Falle trotz Rationalisierung und automatischen Rechenmaschinen nicht mehr als 250 000 ha geschafft werden könnten.
Es scheint mir wesentlich zu sein, daß Sie, Herr Minister, daran denken, nunmehr einem alten Wunsch der Landwirtschaft zu entsprechen und neben dem behördlichen Verfahren wenigstens zu einem erheblichen Teil auch das außerbehördliche Verfahren zuzulassen. Wir wollen nicht noch 15 Jahre auf das Ende der Flurbereinigung warten. Die Zulassung des außerbehördlichen Verfahrens ermöglicht die Mobilisierung der Brachländereien



Wittmer-Eigenbrodt
durch die ortskundigen, noch landwirtschaftswilligen Bauern usw., und es kann da sehr viel mehr geschafft werden. Ich glaube vor allen Dingen der öffentlichkeit gegenüber betonen zu dürfen, daß dies ein ganz klarer Beweis für die Bereitschaft des Berufsstandes ist, die Strukturverbesserung mit allen Mitteln zu fördern. Ich befinde mich da etwas im Gegensatz zu Herrn Kriedemann, der meinte, dieser Wille sei nicht in dem notwendigen Umfang vorhanden. Sie, Herr Schmidt (Gellersen), sagten vorhin, daß im norddeutschen Raum in dieser Hinsicht so viel mehr getan werde als in dem bedürftigeren süddeutschen Raum. Dazu darf ich allerdings auf das Gebiet der Aufstockung und Aussiedlung hinweisen und feststellen, daß in dem norddeutschen Raum das außerbehördliche Verfahren sehr viel mehr Platz gegriffen hat. In Hessen konnte leider — ich erkenne ohne weiteres an, daß die Regierung dort sehr aktiv ist — nicht dasselbe Ergebnis erzielt werden.
Es ist ganz klar, daß die Umschichtung im Bereich der Landwirtschaft durch die Disharmonie zwischen Besatz mit Vollarbeitskräften und Betrieb hervorgerufen worden ist. Aus diesem Grunde sind in erster Linie die Kleinsiedler und Kleinbauern ausgewandert. Wir haben es heute — das ist meines Erachtens noch nicht in genügender Klarheit herausgestellt worden — mit zwei vollkommen gegensätzlichen Bereichen zu tun. Das eine ist der Industriebereich und das andere der industrieferne Mittelgebirgsbereich. In dem einen Teil haben wir die Masse derer, die in andere Berufe abgewandert sind.
In diesem Bereich haben wir auch den Großteil dieser ungeheuerlichen Sozialbrache, die man heute ,auf mindestens 130 000 ha schätzt. Davon wären wenigstens noch zwei Drittel unbedingt bebauungswürdig. Ich brauche hierfür keine näheren Belege anzuführen. Es mag genügen, darauf hinzuweisen, daß es im Kreise Altena in Westfalen der deutschen Bauernsiedlung schon vor Jahren gelungen ist, ein Drittel der gesamten Nutzfläche des Kreises aufzukaufen. In diesen Bezirken ist die Sozialbrache deshalb so stark, weil die ursprünglichen Eigentümer kein Geld brauchen — das kann man ruhig sagen — und das Land als einen Wert und als ein Spekulationsobjekt festhalten.
Hier ist — den Wunsch darf ich äußern, Herr Minister — eine großzügige Anpassung der Maßnahmen von Bund und Ländern an die Wünsche der bisherigen Eigentümer notwendig. Bei den auslaufenden Betrieben hat man durch Lösung der Wohnraumfrage und der Altersversorgung schon recht gute Erfolge erzielt. Die Bedingungen für Geld
und Sachwertabfindungen für die Brachländereien müßten wohl etwas reizvoller werden. Herr Kollege Wacher hat in dieser Hinsicht sehr bemerkenswerte Vorschläge gemacht und hat darüber bereits sowohl mit Ihnen wie mit Herrn Minister Lindrath gesprochen. Er schlägt vor, dort, wo es gewünscht wird, die Sachwertgegenleistung in Form von Kleinaktien oder in Form von Eigentumswohnungen in Städten zu gewähren.
Viel schwieriger liegen die Verhältnisse in den anderen Gebieten, man kann ruhig sagen: den Notstandsgebieten, den Gebieten, die industriefern gelegen sind, in den Berglandgebieten mit schiefen Hängen, die nur eine ,geringe Anwendung der Technik zulassen, den Gebieten mit kargen Böden, rauhem Klima und kurzer Vegetationszeit. Bei den Betrieben, die wir hier finden, handelt es sich meistens um Futterbaubetriebe. Trotzdem finden wir hier wenig Sozialbrache. Ich denke zum Beispiel an den Vogelsberg in der Rhön, den Bayerischen Wald, an die Hocheifel und andere Gebiete. Hier kämpfen Bauer und Bäuerin einen verzweifelten Existenzkampf.
Das Schlimme ist, daß für diese Gebiete die allgemeinen Maßnahmen, und zwar die Globalmaßnahmen, allein nicht ausreichen. Hier muß etwas anderes geschehen. Man kann auf den Gedanken kommen, den der Herr Kollege Sühler hier vorgetragen hat, daß gezielte Sondermaßnahmen ergriffen werden müssen. Ich stimme ihm zu. Ich befürchte aber, daß auch diese gezielten Sondermaßnahmen ein sehr großes Ausmaß haben müßten, um wirksam zu werden. Also damit allein ist nicht zu helfen. Das Problem reicht hier über den Rahmen der Landwirtschaft hinaus. Hier müssen sich das Landwirtschaftsministerium, das Wirtschaftsministerium und das Sozialministerium zusammenfinden, um einen weiteren Ausgleich zu schaffen. Bei der Kapitalarmut dieser Gebiete muß mit allen Mitteln — ich stimme dem, was hierzu gesagt wurde, vollkommen zu; wir stimmen ja in vielen Dingen sehr weitgehend überein — für die Ansiedlung mittlerer Industrie gesorgt werden. Noch besser wäre vielleicht eine großzügige Förderung des Pendlerverkehrs zur Industrie hin.
Diese Gebiete müssen aber auch mehr als bisher für die Erholung des Städters erschlossen werden. Hier decken sich die Interessen von Stadt und Land. Wir wissen doch alle — auch die Gewerkschaften sind darüber im Bilde —, daß die Menschen zwar älter werden als früher, daß aber ihre Leistungsfähigkeit früher nachläßt, so daß wir in Zukunft mit vielen leistungsunfähigen Rentnern zu rechnen haben. Hier tut die systematische Modernisierung der Althöfe und die gleichzeitige Erschließung für den Fremdenverkehr not. Fremdenverkehrsgewerbe und Grünlandwirtschaft sind eine denkbar gute Kombination.
Bei der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse ist ein Raumordnungsgesetz unbedingt notwendig. Ich bin froh darüber, daß der Landwirtschaft bei dieser Forderung immer mehr Hilfsstellung geleistet wird, selbst von solchen, die das früher nicht taten. Auch das Wohnungsbauministerium steht heute auf diesem Standpunkt; Raumordnung liegt sowohl im Interesse der Industrie als auch des Städtebaus. Der Mittelstand fordert seit langem das Raumordnungsgesetz. Wir sollten dieses Gesetz in absehbarer Zeit schaffen.
Auf die Althofsanierung will ich nicht weiter eingehen, auch nicht auf andere Fragen der Agrarstruktur. Nur das eine will ich sagen: die Althofsanierung ist von besonderer Bedeutung für die



Wittmer-Eigenbrodt
Bäuerin. 77,5% der familieneigenen Arbeitskräfte sind Frauen. Wir wissen alle, daß auf der Landfrau heute wirklich die größte Last liegt, ihr kann durch die Althofsanierung am meisten geholfen werden. Man kann ihr damit, wie festgestellt ist, die Arbeit bis zu 50% erleichtern.
Ich möchte noch kurz hervorheben, daß die Beratung und der Unterricht eine wesentliche Rolle spielen. Ich darf von dieser Stelle aus unseren Landwirtschaftslehrern und Landwirtschaftsberatern unseren herzlichen Dank dafür sagen, daß sie dazu beigetragen haben, die Entwicklung unserer Landwirtschaft so voranzutreiben. Ich möchte nur noch die Anregung geben, diesen Beruf auch finanziell so reizvoll zu gestalten, daß ihn auch wirklich tüchtige Menschen ergreifen.
Meine Ausführungen sind nun doch länger geworden. Herr Rösing schaut mich an. Ich bedauere es, daß man die Dinge nicht zu Ende erörtern kann; es ist nicht meine Schuld. Ich möchte nur noch kurz darauf hinweisen, wie notwendig bei der neuen peinlichen Scheidung zwischen Baugesetz und Grundstücksverkehrsgesetz eine gute Zusammenarbeit ist.
Zum Schluß möchte ich nur das eine sagen: Was wir hier beschließen, dient nicht nur dazu, dem einen oder anderen in der Landwirtschaft zu helfen, sondern dient letztlich der Erhaltung des Bauernstandes an sich und damit auch der Erhaltung der Freiheit. Wenn für irgend jemanden der Satz gilt, dann für den europäischen Menschen: Eine Kultur reicht so weit, wie die Bauernhöfe reichen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306405000
Meine Damen und Herren, ich darf ganz kurz auf die Geschäftslage hinweisen. Es ist 8 Uhr, also eine Stunde vor dem vorgesehenen Schluß der Sitzung. Ich habe zur Zeit noch neun Wortmeldungen vorliegen.
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Welslau.

Heinrich Welslau (SPD):
Rede ID: ID0306405100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Förderung der Einkommen der landwirtschaftlichen Bevölkerung sind die Mittel für die technischen Anlagen, insbesondere für die Futterbaubetriebe, von bisher 25 Millionen DM um 10 Millionen DM auf 15 Millionen DM gekürzt worden. Weiterhin .sind die Mittel für Gemeinschaftsmaschinen von bisher 15 Millionen DM um 5 Millionen DM auf nur 10 Millionen DM gekürzt worden. Der Grüne Bericht weist jedoch aus, daß beim Bau von Grünfuttersilos mit einer Erhöhung des Bauvolumens gegenüber 1957 um etwa 60 % gerechnet wird. Bei Unterdachtrocknungsanlagen wird ebenfalls mit einer Erhöhung gegenüber 1957 um 50 %gerechnet. Für Maschinen wird mit einer Erhöhung um 400 Anschaffungen gerechnet. Im Grünen Bericht wird weiterhin festgestellt, daß sich durch die Veränderung der Agrarstruktur insbesondere die Betriebe in der Größenklasse von 10 bis 20 ha vermehrt haben. Im Hinblick darauf ist es doch wohl nicht tragbar, gerade die Mittel zu kürzen, die für diese kleinen Familienbetriebe vorgesehen sind. Die Aufstockung hat ohnehin schon Belastungen für diese Betriebe gebracht, so daß für die technischen Anlagen und für die Anschaffung von Gemeinschaftsmaschinen ausreichende Beihilfen zur Verfügung gestellt werden müssen.
Das Betriebseinkommen je Arbeitskraft wird nur dann erhöht werden können, wenn auch in diesen kleinen Betrieben eine weitgehende rentierliche Mechanisierung und Technisierung durchgeführt wird. Daß die Bedeutung der Grünfuttersilos und der Unterdachtrocknungsanlagen von der Landwirtschaft erkannt wird, zeigt die ständige Steigerung in der Inanspruchnahme der bisher bereitgestellten Mittel.
Die Einrichtung der Maschinenstationen hat sich ebenfalls bewährt. Für die stärkere Ansiedlung der vertriebenen Landwirte wird der Anschaffung von Gemeinschaftsmaschinen besondere Bedeutung zukommen. Es sollen daher auch weiterhin gerade für diese Gemeinschaftseinrichtungen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Auf diesem Gebiet erbringen insbesondere die bestehenden Ackerbauvereine und Genossenschaften einen überzeugenden Beweis. Die bisherigen zinsverbilligten Darlehen reichen nicht aus, eine gute Starthilfe für diese bäuerlichen Betriebsgemeinschaften zu erreichen. Es ist auch zu prüfen, ob die einzelnen Zuschüsse nicht erhöht werden können. Auf alle Fälle muß sichergestellt sein, daß die eingesetzten Mittel austauschbar sind.
Meine Damen und Herren! Da gerade die aufgestockten Betriebe in vielen Fällen bauliche Veränderungen vornehmen müssen, ist ihre Finanzkraft stark beansprucht, so daß auch aus diesem Grunde eine besondere Starthilfe erforderlich sein wird. Wir sollten daher dafür sorgen, daß die Mechanisierung und die Technisierung dieser Betriebe erweitert wird, insbesondere wenn wir berücksichtigen, daß diese Betriebe durch Agrarstrukturmaßnahmen, Bodenmeliorationen usw. auf Jahre hinaus zusätzliche Lasten auf sich nehmen müssen. Nur wenn diesen an sich lebensfähigen Betrieben auch die Gewähr gegeben wird, daß das Einkommen je Kopf der Familienarbeitskräfte dem Einkommen in der übrigen Wirtschaft angepaßt wird, werden wir die Existenz dieser bäuerlichen Familien erhalten. Es ist daher im Interesse dieser kleinen Familienbetriebe notwendig, daß die Ansätze zumindest wieder auf die Ansätze von 1958 gebracht werden.
Der Herr Minister hat vorhin bereits angekündigt, daß er für eine Verbesserung der Richtlinien eintreten werde. Durch eine Verbesserung der Richtlinien wird auch der Kreis der erfaßten Betriebe erweitert, so daß zwangsläufig auch die Mittel vermehrt werden müßten.
In der heutigen Debatte sind auch die Landfrauen vielfach lobend erwähnt worden. Wenn wir die Mittel, die bereitgestellt sind, zugunsten solcher kleinen bäuerlichen Betriebe erhöhen, ist eine Möglichkeit gegeben, gerade diesen bäuerlichen Betrieben und somit indirekt auch der Landfrau zu helfen. Ich möchte daher der Hoffnung Ausdruck geben, daß bei den Beratungen im Ausschuß im



Welslau
Interesse der kleinen bäuerlichen Betriebe, für die sich heute viele meiner Kollegen eingesetzt haben, gerade unsere Anträge berücksichtigt werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306405200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reinhard.

Dr. Carl Reinhard (CDU):
Rede ID: ID0306405300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Öffentlichkeit wird immer der Anschein erweckt — auch Herr Kollege Schmidt (Gellersen) hat mit erhobenem Zeigefinger etwas in dieser Richtung gesprochen —, die Bundesregierung und die CDU/CSU ließen die Strukturverbesserungsmaßnahmen im Grünen Plan nur so mitlaufen und seien auf der anderen Seite viel mehr auf die globalen Entwicklungshilfen bedacht. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Für den kleinbäuerlichen und mittelbäuerlichen Besitz in ungünstigen Lagen sind sie der Angelpunkt jeder Landwirtschaftsförderung. Auf lange Sicht werden sie sich auch für diese Betriebe sicher wirksamer darstellen als die im Augenblick notwendigen Entwicklungshilfen. Wir glauben allerdings, daß wir im Augenblick auf die Entwicklungshilfen noch nicht verzichten können.
Aber die deutsche Landwirtschaft hat den Beweis erbracht, daß sie die Hilfen richtig verwendet. Das sehen Sie an dem Tempo der Rationalisierung der Landwirtschaft. Der Bauer hat den Mehrerlös, der ihm im vergangenen Jahr zugeflossen ist, nicht zum persönlichen Verbrauch, sondern zur Verbesserung der Betriebe verwendet. Die Hilfe ist also wirklich eine Hilfe zur Selbsthilfe gewesen.
Ich kann den Worten von Herrn Kollegen Köhler nicht beipflichten, der sagte: Die Landwirtschaft hat alles getan; jetzt, Staat, hilf! Die Landwirtschaft hat tatsächlich alles getan. Sie wird auch weiter alles tun, was nötig ist. Auch der Bund wird helfen, soweit es nötig ist.
Herr Kollege Wittmer-Eigenbrodt hat schon über die Flurbereinigung gesprochen und auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt (Gellersen) erwidert.
Um ihre Aufmerksamkeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen, möchte ich nur über die Aufstockung und die Aussiedlungsprechen. Es ist zu begrüßen, daß für Aussiedlung und Aufstockung bäuerlicher Familienbetriebe in diesem Jahre genau wie 'bei den anderen strukturverbessernden Mitteln erhöhte Beträge zur Verfügung gestellt werden konnten.
Herr Schmidt (Gellersen) hat an den neuen Richtlinien Kritik geübt. Bis zum vorigen Jahre war es unter den guten Bedingungen leicht möglich auszusiedeln. Die Richtlinien vom 15. April haben eine Erschwerung gebracht; das ist nicht zu bestreiten. Die Art und Weise, wie sie sich ausgewirkt haben, war nicht immer im Sinne des Erfinders. Aber die Richtlinien waren unbedingt nötig.
Der Betrag der Baukosten, die sich bei den Aussiedlern besonders schwer auswirken, hat sich als außerordentlich preiswirkend erwiesen. Zahlreiche Siedlungsgesellschaften mußten sich nunmehr veranlaßt sehen, ihre Verfahren, Methoden und Kalkulationen zu überprüfen. Das hat sich ganz gut entwickelt. Man konnte der Entwicklung der Baukosten nicht freien Lauf lassen.
Die Aussiedlungen, die die Deutsche Bauernsiedlung durchgeführt hat, haben gezeigt, daß es durchaus möglich ist, für den 75-ha-Betrieb einen allen Erfordernissen der neuzeitlichen Landwirtschaft entsprechenden Hof zu erstellen. Es ist nicht so, daß, wie Herr Schmidt (Gellersen) sagt, in Westfalen Siedlungen entstanden sind, die bereits zuzusammenbrechen. Aber ich muß zugeben, daß bei steigender Betriebsgröße das Bauvolumensteigt, und damit steigen auch die Baukosten. Nach Angaben der Forschungsstelle für bäuerliche Familienwirtschaft betrugen die Baukosten im Jahre für den 10- bis 15-ha-Betrieb 75 000 DM, für den 15-bis 20-ha-Betrieb 85 000 DM, für den 20- bis 25-haBetrieb 112 000 DM. Das ist leider nicht zu bestreiten. Bei grundsätzlicher Anerkennung der Baukostenhöchstgrenze von 75 000 DM für den 15-haBetrieb sollte für das Verfahren unter erschwerten Bedingungen vielleicht eine den verschiedenen Betriebsgrößen entsprechende Skala eingeführt werden.
Die Kredithöchstgrenze von 45- bzw. 52 000 DM hat zur Folge — ich muß Ihnen da recht geben —, daß die leistungsstarken Betriebe eher zum Zuge kommen als die Betriebe, die, weil sie strukturkrank sind, eben keine Mittel haben. Auch hier wird man sich überlegen müssen, wie man die Richtlinien den Verhältnissen anpassen kann. Unter guten Verhältnissen ist es vielleicht möglich, Jahresbelastungen von 180, DM je Hektar zu tragen. Unter ungünstigen Bedingungen — ich denke an Berg- oder Hanglagen — ist das nicht möglich. Ich möchte deshalb anregen, wenn eine Erhöhung des Kreditsatzes nicht möglich ist, zumindest die jährliche Leistung herabzusetzen.
Herr Schmidt hat die außerbehördlichen Verfahren etwas kritisiert. Ich gebe ihm recht darin, daß bei diesem Verfahren die Ansiedlung vielleicht in stärkerem Maße in der Nähe des Dorfes durchgeführt wird als bei der Flurbereinigung, wo in die Feldmark gebaut wird. Auch hier müssen wir uns überlegen, was zu bessern ist.
Aber die Richtlinien waren nötig. Denn die Siedlungsgesellschaften haben nach meiner Ansicht und auch nach Ansicht meiner Freunde doch nicht so kalkuliert, wie man hätte kalkulieren können. Diese neuen Richtlinien haben sich außerordentlich befruchtend ausgewirkt.
Zur Aufstockung möchte ich folgendes sagen. Ich sehe selbstverständlich ein, daß man aus den nicht lebensfähigen Betrieben lebensfähige Betriebe machen muß. Man sollte jedoch keine Grenze setzen und sollte nicht sagen: über 20 ha ist das nicht erwünscht. Man sollte keine Kluft zwischen dem kleinbäuerlichen Landwirt, dem bäuerlichen Landwirt und dem Großbauern aufreißen. Wir müssen alle an einem Strang ziehen.
Was den Wirtschaftswegebau angeht, so möchte ich die Anregung geben, mehr als bisher darauf



Dr. Reinhard
bedacht zu sein, die Mittel in die leistungsschwachen Gemeinden zu leiten. Bisher war es oft so, daß nicht nur die Eigenmittel nicht aufgebracht werden konnten, sondern daß auch die Aufsichtsbehörden die Genehmigung zur Aufnahme von Krediten nicht geben konnten. Also liier sollte man besonders an die leistungsschwachen Gemeinden, die Bauerngemeinden, die nur auf die Grundsteuer A angewiesen sind, denken. Eine Verteilung der Mittel nach der Steuerkraft würde eine wesentlich zweckentsprechendere Lenkung der Mittel sein.
Diese wenigen Anregungen wollte ich zum Strukturverbesserungsprogramm geben.
Grundsätzlich müssen wir es begrüßen, daß die Richtlinien geschaffen worden sind. Wir müssen auf den Erfahrungen des vergangenen Jahres aufbauen. Ich glaube, daß wir dann zu etwas Gutem kommen.
Herr Kollege Köhler hat vorhin gesagt — darauf möchte ich noch etwas antworten —, daß meine Fraktion den Gemeinsamen Markt enthusiastisch begrüße. Ich glaube, da irren Sie sich; das tun wir nicht. Die Probleme, die auf uns zukommen, sind erkannt. Sie sind nicht einfach zu lösen. Ich glaube jedoch, wir können zu unseren Agrarpolitikern das Vertrauen haben, daß sie diese schweren Probleme so gut wie möglich lösen werden.
Herr Schmidt hat gesagt, das Kleinbauerntum habe kein Vertrauen zur Agrarpolitik des Bundes. Ich glaube, dem ist nicht so. In den Strukturverbesserungsmaßnahmen sind wir im großen und ganzen einer Meinung. Aber, Herr Schmidt, wenn Sie den Kleinbauern sagen, daß die Entwicklungshilfe schnell abgebaut werden müsse und daß sich der Preis, wie wir ihn jetzt haben, einfach dem Weltmarktpreis anpassen soll, ohne daß etwas geschieht,

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Habe ich nicht gesagt!)

dann werden gerade die Kleinbauern sagen: Wir haben Vertrauen zu der Agrarpolitik der Bundesregierung.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Wann habe ich denn das von den Weltmarktpreisen gesagt?)

— Herr Schmidt, ich bin nicht dafür verantwortlich, daß es in Ihrer Fraktion verschiedene Ansichten gibt. Ein Experte jedenfalls — Herr Kriedemann wird das wohl gar nicht bestreiten — hat gesagt, man müsse die Getreidepreise sich den Weltmarktpreisen anpassen lassen.

(Abg. Kriedemann: Herr Reinhard, Sie müssen doch, wenn Sie schon etwas erzählen, wenigstens vorher zugehört haben! Kein Wort ist davon gesagt worden!)

— Herr Kriedemann, was haben Sie auf der SPDAgrarpolitiker-Tagung in Dortmund gesagt? Da haben Sie das gesagt.

(Abg. Kriedemann: Sind Sie denn dabeigewesen? Ich habe es nicht gesagt!)

— Ich habe es gelesen.

(Abg. Kriedemann: Sie müssen nicht den dummen Quatsch glauben, den Ihre Verbandsleute erzählen!)

— Außerdem hat Herr Professor Baade gesagt, das Gesetz von Angebot und Nachfrage müsse sich durchsetzen.

(Zuruf von der SPD: Das wird es auch tun!)

Danach wird der Kleinbauer wissen, wem er zu vertrauen hat, und wird weiterhin der Bundesregierung die Treue halten.

(Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Kriedemann: Sie wollten wohl eine Wahlrede halten! Beim erstenmal muß man sich intelligenter benehmen! Abg. Schröter Das war der Jungfer Kern!)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306405400
Das Wort hat der Abgeordnete Bading.

Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0306405500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich kann mich kurz fassen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß Herr Präsident Wittmer-Eigenbrodt zugegeben hat, daß mit den Globalmaßnahmen einem großen Teil von mitteldeutschen Bauern nicht zu helfen ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Mitteldeutschen!)

Er forderte Sondermaßnahmen für sie, d. h. man sollte besonders bestrebt sein, diesen Leuten ein größeres Einkommen zu verschaffen. Diesen Sinn hat ja auch der Ihnen vorgelegte Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, daß sich die Bundesregierung stärker als bisher und in Ergänzung des Grünen Planes um eine Vermehrung der gewerblichen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Lande kümmern soll.
Ich kann nicht den Optimismus von Herrn Wittmer-Eigenbrodt teilen, daß sich die Bundesregierung darum in absehbarer Zeit kümmern und dabei Erfolg haben wird. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten das Regierungsbulletin zitieren, in dem die Bundesregierung vor fast einem Jahre erklärt hat:
Die Bundesregierung strebt an:
1. die Einsetzung eines Sachverständigenausschusses zur Erarbeitung von Richtlinien und Leitbildern für die Koordinierung der von der Bundesregierung zu treffenden raumbedeutsamen Maßnahmen;
2. die Bildung eines interministeriellen Ausschusses für Raumordnung zur praktischen Koordinierung der anfallenden raumrelevanten Maßnahmen der Bundesressorts;

(Zuruf von der SPD: Das ist wie ein schwer beladener Erntewagen!)

3. die Errichtung eines interministeriellen Ausschusses für die Raumordnung bei dem für die Raumordnung federführenden Bundesminister sowie

Bading
4. den Abschluß eines Verwaltungsabkommens zwischen dem Bund und den Ländern über die Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Raumordnung.
Das alles hat die Bundesregierung vor einem Jahr angestrebt. Wir werden uns erlauben, in den nächsten Tagen eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu richten, was in diesem einen Jahre geschehen ist und welche positive Arbeit, die von allen Parteien des Hauses als notwendig anerkannt wird, die Bundesregierung auf diesem Gebiet geleistet hat. Ich würde mich freuen, Herr Minister Lübke, wenn Sie diesen im Interesse der kleinbäuerlichen Bevölkerung in den Mittelgebirgen so außerordentlich wichtigen Maßnahmen erhöhte Aufmerksamkeit schenkten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306405600
Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0306405700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, ich kann es Ihnen nicht ersparen, daß auch ich noch das Wort nehme. Der Fünfjahresplan zur weiteren Eingliederung der vertriebenen Landwirte erfordert jedoch einige Feststellungen heute und von dieser Stelle aus, damit sich nicht falsche Vorstellungen festsetzen und die Entwicklung nicht einen unerwünschten Verlauf nimmt.
Der Kollege Lücker hat im Hinblick auf dieses Problem davon gesprochen, daß man sich mit allem Ernst und rechtzeitig um diesen Teil der Bevölkerung und um die Lösung dieses Teils des gesamten Problems bemühen müsse. Das war ein gutes Wort. Aber wenn man es wahrmachen will, erfordert es Objektivität; das heißt, daß man sich nichts darüber vormacht, was ist und was wirklich geschieht. Dazu gehört, daß man bereit ist, sich einzugestehen, was der sogenannte Fünfjahresplan enthält, was er bringt und was er nicht bringt.
Ich will durchaus nichts schmälern, weder an dem positiven Teil seines Inhalts noch an dem Verdienst, daß er — wenn aber auch nur in der vorliegenden Gestalt — überhaupt zustande gekommen ist. Jeder Interessierte weiß, welche Widerstände dabei zu überwinden waren und daß das Vertriebenenministerium hierbei einen zähen Kampf geführt hat. Gerade weil ich sonst von dieser Stelle aus oft sehr kritische Worte an dieses Ministerium habe richten müssen, möchte ich dieses hier betont zum Ausdruck bringen.
Ich möchte auch durchaus nicht, Herr Minister Lübke, Ihre freundlichen und bejahenden Worte übergehen, die Sie in Ihren Erläuterungen zu dem Grünen Bericht dem Siedlungsproblem gewidmet haben. Ich bin nie bereit gewesen — ich möchte auch dieses noch einmal sagen —, an Ihrer persönlichen bona fides in dieser Sache zu zweifeln. Ein Minister ist ja zu einem großen Teil auf die Unterlagen und auf das angewiesen, was ihm vorgelegt wird. Leider haben wir feststellen müssen, daß in der Vergangenheit der Rückgang der Vertriebenensiedlung zu einem entscheidenden Teil darauf zurückzuführen ist, daß Ihr Haus jahrelang den Gedanken der Erstellung einer langfristigen Planung abgelehnt hat, daß es dem Ernährungsministerium an der Bereitschaft mangelte, die Mittelbereitstellung den Erfordernissen des Grundstücksmarkts anzupassen, und daß Mängel in der Kontrolle über den Einsatz der Bundesmittel und insbesondere auch der Verteilung der Siedlerstellen nach dem Schlüssel des BVFG vorhanden waren. Alles das waren wesentliche Ursachen für die unglückliche Entwicklung.
Wenn ich nun den Fünfjahresplan betrachte, habe ich Zweifel, ob diese hemmenden Einstellungen der Vergangenheit wirklich völlig überwunden sind und ob dieser sogenannte Plan jene Grundlage für eine neue Phase, für einen neuen Start in der bäuerlichen Siedlung der Vertriebenen ist, die die Betroffenen insbesondere nach der Godesberger Erklärung erwartet haben.
Ich möchte es noch einmal ausdrücklich sagen: Ich sehe das Positive, das dieser Plan bringt, durchaus. Ich bin bereit, zuzugeben, daß damit nach einer Richtung hin ein großer Fortschritt erzielt ist, nämlich nach der Richtung, die Sie in Ihren Erläuterungen zum Grünen Bericht aufgezeigt haben: daß dadurch eine größere Stetigkeit in der Siedlungsvorausplanung und -durchführung erzielt wird, daß die Finanzierung besser gesichert ist, daß damit ferner eine bessere Ausnutzung der Möglichkeiten der Landbeschaffung usw. erreicht wird. Andererseits, Herr Minister, ist Ihnen ja aber auch nicht entgangen, was letzten Endes der Kern der Godesberger Erklärung gewesen ist, nämlich die Absicht und das Bemühen, eine verstärkte Förderung der Eingliederung der vertriebenen Landwirte herbeizuführen. Die Erklärungen, die damals von allen politischen Gruppen abgegeben worden sind, lassen hieran keinen Zweifel.
Wenn man den sogenannten Fünfjahresplan daraufhin betrachtet, dann muß man, wenn man sich nichts vormachen will, feststellen, daß die in Godesberg zum Ausdruck gebrachte Absicht durch diesen Plan niemals realisiert werden kann. Die ersten vier Punkte der Vorlage enthalten überhaupt nichts Konstruktives. Sie sind Deklarationen von Dingen, die sich aus § 46 des Vertriebenengesetzes an sich ganz von selbst verstehen. Da wird in einer sehr schönen und gewichtig erscheinenden Auseinanderziehung von Selbstverständlichkeiten der Eindruck erweckt, als ob das etwas sei, was schon von sich aus allein Wert habe. Ich will gar nicht die Bedeutung der Erklärung der Bundesregierung mindern, daß sie nun wenigstens auf einen längeren Zeitraum hinaus das tun will, was im Gesetz steht. Aber es versteht sich doch eigentlich von selbst, daß die Bundesregierung nicht bereit ist, ein erlassenes Gesetz nicht zu erfüllen; und das ist eben alles, was in den ersten 4 Ziffern dieses sogenannten Plans gesagt wird.
Und nun zur Ziffer 5, dem einzigen Punkt, der etwas materiell Entscheidendes enthält! Was kann denn mit diesem Betrag von jährlich 500 Millionen DM praktisch unter dem Gesichtspunkt „ ver -



Rehs
stärkte Förderung der Siedlung und Eingliederung" erreicht werden? Dieses Volumen liegt ja nur ganz gering über dem in den letzten Jahren ohnehin angesetzten Betrag von 400 bis 500 Millionen DM, und bei diesem fast gleichbleibenden Betrag ist der Siedlungseffekt von 1955 an Jahr für Jahr zurückgegangen. Damals waren es noch 14 500 Eingliederungen, und 1958 waren es kaum noch 10 000. Wer glaubt denn, daß angesichts der steigenden Boden- und Baupreise, angesichts des zunehmenden Landverzehrs, wie man geradezu sagen muß, durch die Industrie und angesichts des Landbedarfs der Bundeswehr diese rückläufige Entwicklung im Stellenergebnis bei gleichbleibendem Geldvolumen sich ändern wird! Das ist nicht anzunehmen. Die geringe Anhebung, die jetzt vorgesehen ist, wird durch die Erhöhung der Kosten pro Stelle von rund 28 000 DM im Jahre 1955 auf rund 40 000 im Jahre 1957 nicht nur aufgezehrt, sondern sie reicht nicht einmal aus, um die Kostensteigerung aufzufangen.
Bei objektiver und illusionsloser Betrachtung muß man also zu dem Ergebnis gelangen, daß außer der Anerkennung der Verpflichtung, in den weiteren Jahren das bestehende Gesetz zu erfüllen, auch in diesem Punkt nichts drin ist, d. h. daß auch nach dieser Ziffer alles beim alten bleibt. Ja mit diesem praktisch gleichgebliebenen Geldvolumen wird man bei einer gleichbleibenden Zahl von Siedlungsbewerbern nur eine von Jahr zu Jahr sinkende Zahl von Eingliederungen finanzieren können.
Wenn Sie dabei den weiteren Zustrom der Bauern aus Mitteldeutschland in Rechnung stellen, dann fehlt nichts zu der Feststellung, daß wir bei der Eingliederung dieser Personenkreise in die Landwirtschaft nicht nur weiter auf der Stelle treten, sondern im Gesamtergebnis wahrscheinlich zurückfallen werden. Da ist doch die Frage berechtigt: War das denn das Ziel der Erklärung von Godesberg, der Erklärung, hinter die sich der Bundeskanzler gestellt hat und die er durch seine eigene Erklärung auch zu einer Verpflichtung der Regierung — und also auch des Ernährungsministeriums — gemacht hat?
Es kommt hinzu, daß für diesen Plan beim Ernährungsministerium sogar noch die Vorstellung bestand, daß nur die Förderung von 500 Vollbauernstellen und im übrigen 9500 Nebenerwerbsstellen vorgesehen werden sollte, eine Zahl, die vielleicht noch durch teilweise Übernahme bestehender Betriebe — statt Errichtung teurer Nutzbauten — etwas angehoben werden könnte. Diese Überlegung, die ja auch noch hinter diesem Plan steht, zwingt zu der Feststellung, daß das Godesberger Ziel mit diesem Plan — bei Anerkennung der darin enthaltenen positiven Momente — unter dem Gesichtspunkt der Verstärkung der Eingliederung praktisch nicht erreicht ist, sondern die Entwicklung auf den Status quo zurückgedrängt worden ist.
Ich will nicht mehr auf weitere Einzelheiten eingehen. Es wäre durchaus zu prüfen, warum nicht der Forderung einer Gesamtfinanzierung entsprochen wird, warum nicht Maßnahmen vorgesehen sind, die dem einzelnen vertriebenen Bauern unmittelbar eine Hilfe bringen, warum im Rahmen dieser Planung nicht die Verteilung von Siedlungsmitteln und Siedlungsland entsprechend der gesetzlichen Grundlage sichergestellt worden ist usw. usw. Eine Vielzahl von Fragen ist offengeblieben. Zu einer wirklich durchkonstruierten Gesamtplanung, der das Einzelschicksal des vertriebenen Bauern zugrunde liegt, hat man sich offenbar nicht durchringen können.
Ich bin zu dem Resultat gekommen, daß die Feststellung, die die Agrar-Soziale Gesellschaft in ihrem Rundbrief vom 20. Februar hierzu getroffen hat, richtig ist. Weder die Konkurrenzfähigkeit der Vertriebenen auf dem Grundstücksmarkt noch die Zusammenfassung der Siedlungsmittel, noch die Vollfinanzierung des Einzelfalles, noch die Fragen der Betreuung und Beratung, der Aufklärung und Werbung, noch das Problem der immer drängender werdenden Alterssicherung der vertriebenen alten Bauern, noch die Jugendausbildung usw. sind in diesem Plan auch nur angesprochen. Ich frage mich: warum nicht? Die Generallösung des Problems, die wir und die Betroffenen davon erhofft haben, bringt dieser Plan also nicht. Wir werden genötigt sein, über diese Dinge weiterzureden, auch in diesem Hause. Ich fürchte, wenn sich der erste Enthusiasmus gelegt hat, werden wahrscheinlich die Enttäuschungen bei den Betroffenen groß sein, und wir werden dann gezwungen sein, uns hier über diese Sorgen weiter sehr ernsthaft und eingehend zu unterhalten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306405800
Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.

Edmund Leukert (CSU):
Rede ID: ID0306405900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Rehs hat soeben eine Frage angesprochen, die — ich darf es wohl sagen — das ganze Haus von rechts bis links bisher immer sehr einmütig behandelt und auch immer als eine gemeinsame Sorge dieses Hauses betrachtet hat. Herr Kollege Rehs hat die Dauer des von der Bundesregierung vorgelegten fünfjährigen, also langfristigen Eingliederungsplans, den sie dem Bundestag in Zusammenhang mit dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan zugeleitet hat, beanstandet. Ich darf Herrn Kollegen Rehs wohl darauf antworten, daß es gemeinsames Bemühen Ihrer und unserer Seite gewesen ist, von den sogenannten alljährlichen Maßnahmen zur Eingliederung abzukommen. Wir haben deshalb immer die Bitte an die Bundesregierung gerichtet, sie möge uns einen Plan oder meinetwegen eine systematische Grundlage für eine materielle und finanzielle Eingliederung unserer heimatvertriebenen Bauern zur Verfügung stellen. Das hat nun die Bundesregierung in diesem Jahr mit dem Grünen Bericht das erste Mal getan, und ich glaube, wir müssen der Bundesregierung und den beiden Ministern, den Herren Lübke und Oberländer, dafür danken.
Wir dürfen auch nicht übersehen, Herr Kollege Rehs, daß die Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern — jeder, der in der Praxis steht, weiß es — in sachlicher, organisatorischer und auch materiel-



Leukert
ler Hinsicht eine sehr schwierige Angelegenheit ist. Wir haben immerhin im Verlauf der Jahre von 1948 bis jetzt über 100 000 Siedlerstellen — wobei ich das Problem der Siedlerstellen an sich zunächst einmal offenlasse — geschaffen. Für diese Siedlerstellen haben wir immerhin fast eine halbe Million Hektar Land bereitgestellt und wir haben einer halben Million Menschen auf diesen Stellen wieder eine Heimat gegeben.

(Beifall in der Mitte.)

Die Bundesregierung, der Bundesausgleichsfonds und die Länder haben mitgeholfen, diese Maßnahmen zu finanzieren. Wir haben allein für diesen Zweck bis zum 30. Juni des vergangenen Jahres erfreulicherweise 2602 Millionen DM zur Verfügung stellen können.
Wenn man eine sinnvolle Maßnahme zur Eingliederung der vertriebenen und geflüchteten Bauern ergreifen will, muß man es von der organisatorischen Seite her begrüßen, daß wir endlich für die nächsten fünf Jahre ein konkretes Ziel haben und die Mittel zum Erreichen dieses Zieles von der Bundesregierung auch beim Ausfall der Lastenausgleichsaufbaudarlehen haben werden, so daß wir über die jährlichen Schwierigkeiten, die bisher bestanden, gut hinwegkommen dürften.
Die Frage des Landes allerdings, Herr Kollege Rehs, müssen wir uns wahrscheinlich gemeinsam noch einmal überlegen. Wie man nämlich an neue Landquellen herankommen kann, darf nicht nur eine Sorge der Bundesregierung sein, sondern es muß meines Erachtens auch eine Sorge aller Landesregierungen sein. Hier müssen gemeinsam Mittel und Wege organisatorischer, technischer Natur gefunden werden. Man müßte auch überlegen, ob es nicht zweckmäßig ist, im Wege der Übernahme nach § 41 neue Anreize für die Gewinnung neuer Höfe zu schaffen. Ich denke daran, daß man wie bei den Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur die sogenannte Bearbeitungsgebühr auch hier vielleicht einmal wird erhöhen müssen, damit die Mittel, die der vertriebene Bauer heute noch zuschießen muß, wegfallen.
Es darf wohl festgestellt werden, daß die Vorlage dieses Fünfjahresplanes - der nicht nur eine deklamatorische Angelegenheit ist, Herr Kollege Rehs, sondern sehr sachliche und materiell und finanziell fundierte Vorschläge zur Lösung des Problems der Eingliederung der heimatvertriebenen Bauern enthält — für uns ein sehr erfreuliches und positives Ereignis darstellt, das wir recht herzlich begrüßen.
Allerdings hat der Kollege Rehs auch eine Frage angeschnitten, die es wohl wert ist, noch einmal angesprochen zu werden, weil ich glaube, daß sie neben diesen Maßnahmen zur Lösung ansteht: die Altersversorgung der heimatvertriebenen und geflüchteten Landwirte. Dieses Problem stellt sich deswegen so ernstlich, weil diejenigen heimatvertriebenen Bauern, die 1945 aus ihrer Heimat vertrieben wurden, nur ganz kurze Zeit in einem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis standen, so daß sie nicht die Anwartschaftszeit hinter sich gebracht haben. Wenn sie inzwischen wieder kurze Zeit auf einem selbständigen Hof standen, dürften sie wahrscheinlich auch nicht recht mit ihrer Altersversorgung zu Rande kommen, einerseits weil die Jungen, die den Hof dann übernehmen, die Lasten nicht tragen können, andererseits weil sie wahrscheinlich infolge ihres hohen Alters auch nicht in die rechte Versorgung hineinkommen.
Zum Schluß möchte ich noch ein anderes Problem ansprechen. Die Konsolidierung der Betriebe, die inzwischen bereits festen Boden gefaßt haben, aber durch die Investitionen in kurzfristige Verschuldung gekommen sind, ist bereits eingeleitet. Man sollte sich wirklich darüber Gedanken machen und die Verfahrensfrage so regeln, daß den Menschen rechtzeitig geholfen wird. In diesem Sinne wollen wir die Bundesregierung bitten und auch unterstützen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306406000
Meine Damen und Herren, wir nähern uns damit dem Ende der Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft. Zum Punkt 4 a) der Tagesordnung liegen drei Anträge vor; zwei davon darf ich gleich erledigen.
Bei dem Antrag der Fraktion der DP Umdruck 232 handelt es sich eindeutig um eine Haushaltsvorlage, die nach § 96 (neu) unserer Geschäftsordnung vorweg an den Haushaltsausschuß überwiesen werden muß. Ich darf das hiermit rein geschäftsordnungsmäßig erledigen.

(Zuruf von der Mitte: Mitberatend an den Ernährungsausschuß!)

— Zunächst muß erst einmal der Haushaltsausschuß
rein geschäftsordnungsmäßig dazu Stellung nehmen.
Ferner liegt ein Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 228 vor. Dazu wird Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten notwendig sein; ein entsprechender Antrag liegt mir noch nicht vor. Zum zweiten muß der Antrag der Fraktion der SPD auch an den Wirtschaftsausschuß überwiesen werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Federführung an den Wirtschaftsausschuß, Mitberatung an den Ernährungsausschuß!)

— Gut, an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Überweisung ist erfolgt.
Ich erteile nunmehr dem Abgeordneten Struve das Wort zur Begründung des Entschließungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und der DP, Umdruck 231.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0306406100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Fraktionen der CDU/CSU und der DP kommt es bei dem Entschließungsantrag darauf an, daß den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zugestimmt wird, allerdings mit der Maß-



Struve
gabe, daß die Mittel innerhalb der einzelnen Positionen austauschbar sind.
Zum zweiten haben wir den Wunsch, daß der Herr Bundesminister im Benehmen mit den Ländern umgehend die Richtlinien erläßt, damit die einzelnen Maßnahmen weiterlaufen oder, soweit es sich um neue handelt, anlaufen können.
Drittens haben wir den Wunsch, daß die Bundesregierung ihre Bemühungen verstärkt fortsetzt, vor allen Dingen die im § 1 des Landwirtschaftsgesetzes angeführten Grundsätze zum Tragen bringt und durch eine aktive und konstruktive Agrarpolitik in Verbindung mit den Grünen Plänen den bisher beschrittenen Weg weitergeht. Wir bitten deshalb das Hohe Haus um Annahme des Entschließungsantrags Umdruck 231.
Zu Punkt 4 b) unserer heutigen Tagesordnung empfiehlt der Haushaltsausschuß, den Antrag Drucksache 208 der Bundesregierung als Material zu überweisen. Ich bitte das Hohe Haus, sich dem Ausschußantrag anzuschließen.
Zu Punkt 4 c) — Feststellung der Lage der Familienbetriebe im Grünen Bericht — darf ich auf den Ausschußantrag verweisen. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag — Drucksache 627 — abzulehnen, da eine klare Abgrenzung der Familienbetriebe nicht möglich ist.
Unter Punkt 4 d) unserer heutigen Tagesordnung liegt ein Antrag der FDP-Fraktion über die Errichtung der Deutschen Anstalt für Agrarwerbung vor. Ich möchte dem Hohen Hause vorschlagen, daß dieser Antrag dem Ernährungsausschuß als federführendem Ausschuß und dem Rechtsausschuß zur Mitberatung überwiesen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306406200
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Entschließungsantrags und auch gleich die Stellungnahme zu den Punkten 4 b), c) und d) gehört. Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag Umdruck 231 der Fraktionen der CDU/CSU und DP zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Damit ist Punkt 4 a) — Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft — erledigt. Wir haben nunmehr noch die Punkte 4 b), c) und d) zu erledigen. Zu Punkt 4 b) — Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der FDP — hatte sich Frau Abgeordnete Lüders noch zu Wort gemeldet.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0306406300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kein langer Vortrag! Wir sind uns alle über die Bedeutung der Landwirtschaft klar. Wir wissen alle und hegen keinen Zweifel daran, daß sie völlig andere Betriebs- und Arbeitsverhältnisse als jeder andere Beruf hat. Es besteht kein Zweifel daran, daß die technischen und mechanischen Betriebsmittel für die Durchführung der notwendigen Arbeiten in der Landwirtschaft begrenzt sind, es besteht auch kein Zweifel daran, daß die Durchführung der Arbeiten in großem Umfang dem menschlichen Willen entzogen ist — warum, brauche ich nicht zu sagen —, sowohl der Art wie der Zeit nach. Es gibt auch keinen Zweifel, daß die landwirtschaftliche Arbeit erhebliche körperliche Kräfte und sehr viel Übung verlangt und daß deshalb Ersatz und zusätzliche Kräfte schwer zu beschaffen sind. Um so mehr Bedeutung kommt selbstverständlich jeder vorhandenen Arbeitskraft zu. Das trifft vor allem für die große Zahl der bäuerlichen Familienbetriebe mit den darin arbeitenden Familienangehörigen zu.
Aber wie sieht nun die Mithilfe der sogenannten mithelfenden Angehörigen aus? Was leisten die Frauen in dieser „Mithilfe" unter dieser etwas euphemistischen Bezeichnung, und was leiden sie unter ihr? Welches sind die Wirkungen auf die gesundheitliche und bevölkerungspolitische Situation für diese Millionen Arbeitskräfte? Die statistischen Erhebungen sprechen von einer täglichen Arbeitszeit der familienbetrieblich tätigen Bäuerinnen von 14 bis 16 Stunden! Das ist bei der Schwere der Arbeit noch schlimmer, als es sowieso schon durch die Länge der Arbeitszeit ist.
Wie kommt es zu so überlangen Arbeitszeiten mit viel zu kurzen Ruhepausen — auch Ruhepausen sind notwendig —? Die Ursache liegt selbstverständlich in der Besonderheit der haus- und landwirtschaftlichen Arbeit dieser Frauen überhaupt. Was müssen sie leisten? Erstens Hauswirtschaft, zweitens Haushalts- und Betriebsführung, dazu Hofwirtschaft und schließlich noch Versorgung der Familie, insbesondere der Kinder. Auch von der letzteren Arbeit können sie sich nicht freimachen. Die Frauen haben allein in der Hofwirtschaft fast halb soviel Arbeit wie die männlichen Arbeitskräfte zu leisten. Zusätzliche Arbeitskräfte sind, wie wir alle wissen, schwer oder gar nicht zu bekommen. Im Gegenteil, sie laufen zu einem großen Teil fort, weil die Arbeitsbedingungen zu schwer sind und die Arbeitszeit zu lang ist.
Was diese in der Landwirtschaft tätigen Frauen leisten, wurde eben gesagt. Aber was leiden sie unter dieser freundlich klingenden Eingruppierung als „mithelfende Familienangehörige"? Wir haben sehr objektive Statistiken zur Beurteilung dieser Frage vor uns. Eine solche Statistik, deren Objektivität nicht in Zweifel gezogen werden kann, stammt z. B. vom Müttergenesungswerk der Elly-HeußKnapp-Stiftung. Daraus geht hervor, daß bei den in der Landwirtschaft arbeitenden Frauen schon mit 50 Jahren eine übergroße Sterblichkeit einsetzt. Die Sterblichkeit in dieser Bevölkerungsschicht ist bei den Frauen um 25 % höher als bei den Männern. Außer in der Landwirtschaft ist die Zahl der Frauen über 65 Jahren in allen anderen Berufszweigen erheblich größer als die der Männer, weil die Frauen in der Landwirtschaft sehr viel früher sterben. Das ist kein Wunder, denn diese schwere Arbeit hält auf die Dauer kein Mensch aus. Die Frauen in der



Frau Dr. Dr. h. c. Lüders
Landwirtschaft können sich infolge der Überbelastung viel zu selten und meist erst viel zu spät die notwendige Erholungszeit gönnen. Sie haben auch häufig kein Geld dafür, denn diese Familienbetriebe sind nicht gerade auf Rosen gebettet.
Das Müttererholungswerk sagt dazu: 80 % der verschickten Landfrauen haben zum erstenmal in ihrem Leben überhaupt eine geschlossene, wenn auch kurze Erholungszeit gehabt. Es ist ferner festgestellt worden, daß diese Frauen, die vom Erholungswerk der Elly-Heuß-Knapp-Stiftung aufgenommen worden sind, die „erschöpftesten" Frauen sind, daß sie die „verbrauchtesten" Frauen sind, daß sie an- Herz- und Kreislaufstörungen so schwer leiden, wie das in keinem anderen Beruf der Fall ist. Sie entschließen sich sehr häufig erst, wenn die Krankheiten lange verschleppt sind, sich überhaupt eine Erholung zu gönnen. Infolgedessen leiden sie an sehr schweren Schäden der inneren Organe.
Das ist nicht gleichgültig, es handelt sich hier nicht um Kleinigkeiten. Das alles hat doch Folgen, und zwar nicht nur für die betroffenen Frauen und die Betriebe, in denen sie arbeiten, sondern es hat ernste Folgen für die Bevölkerung allgemein und für die Familien und vor allem für die Kinder dieser Frauen, die viel zu kurz kommen. Es fehlt — das brauche ich hier nicht auszuführen — bekanntlich an sogenannten sozialen Einrichtungen für die Kinder zur Entlastung der Mütter auf dem Lande in hohem Maße. Ich will das gar nicht irgendjemandem zur Last legen. Aber die Zeiten, wo man von dem schönen gesunden Landleben der Kinder sprach, sind nur zu oft nicht mehr da. Die Frauen selber kommen zu kurz. Leider kommen auch die Männer zu kurz. Meine Herren, durch so überarbeitete und so kaputtgerackerte Frauen ist sehr viel Anlaß gegeben, daß es in der Ehe zu Auseinandersetzungen kommt, denn es geht den Frauen auch auf die Nerven. Das glauben Sie zwar nicht; aber erkundigen Sie sich einmal draußen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß technische Mittel und finanzielle Hilfen allein nicht genügen, um Abhilfe zu schaffen. Vielmehr muß die hygienische, die allgemeine gesundheitliche und die soziale Lage dieser Bauersfrauen und auch der übrigen Frauen in der Landwirtschaft von Grund auf mit wirksamen Mitteln geändert werden. Diese Hilfe muß die Landfrau ebenso als Frau und Mutter wie als Arbeiterin bekommen. In der gewerblichen Wirtschaft gilt das als ganz selbstverständlich. Ich will von Arbeitszeit, von Ruhetagen, von Betriebsferien und alle dem gar nicht reden; das kommt für diese Frauen überhaupt nicht in Betracht.
Ich bin fest davon überzeugt — deshalb wollte ich zum Schluß Ihre Aufmerksamkeit noch außer auf den Antrag Drucksache 208 meiner Fraktion darauf lenken —, daß technische, mechanische und finanzielle Hilfe allein — z. B. arbeitssparende Einrichtungen im Haushalt und Umbauten von Küchen und Heizungsanlagen — für diese Bevölkerungsschicht nicht ausreichen. Jede Verzögerung bei der Einleitung und Durchführung der notwendigen Hilfe für diesen großen Kreis arbeitender Frauen wird die ganze Bevölkerung eines Tages bitter bereuen.
Die städtische Frau und der städtische Mann sollten sich jederzeit klarmachen: die Existenz von uns, die in Städten leben, ist ganz wesentlich aufgebaut auf der Arbeit nicht nur der Männer in der Landwirtschaft, sondern mindestens ebenso stark auch der Frauen. , Das sollten wir uns immer wieder zu Gemüte führen. Jeder von uns, der irgendwie die Möglichkeit hat, auf Städter einen aufklärenden Einfluß auszuüben, sollte dem Städter immer wieder klarmachen, was für ihn selber auf dem Spiel steht, wenn fortgefahren wird, so an Millionen in der Landwirtschaft arbeitender Frauen Raubbau zu treiben.
Die Hilfe ist besonders notwendig für die bäuerlichen Familienbetriebe; denn diese sind ernstlich gefährdet, wenn es so weitergeht, wie es bisher gegangen ist. Es wird die ganze Bevölkerung gefährdet. Meine lieben Städter und Städterinnen, machen wir uns klar, daß alles, was uns das Leben erhält, von diesen Frauen mit erarbeitet wird! Wir Städter machen uns mitschuldig, wenn weiterhin so Raubbau an den Frauen getrieben wird wie bisher.

(Beifall.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306406400
Meine Damen und Herren, ich bitte nunmehr diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 578 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. Angenommen.
Zu Punkt 4 c liegt Ihnen der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu Drucksache 627 auf der Drucksache 790 vor. Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Auf Drucksache 817 liegt Ihnen der Antrag der Fraktion der Freien Demokraten über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der Deutschen Anstalt für Agrarwerbung vor. Es handelt sich um die erste Beratung. Die antragstellende Fraktion hat auf die Begründung verzichtet. Es ist nunmehr über die Überweisung abzustimmen. Da besteht im Augenblick noch eine kleine Differenz. Herr Abgeordneter Struve, Sie haben Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten -
federführend — und an den Rechtsausschuß — mitberatend — beantragt. Im Altestenrat war Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend - und an den Wirtschaftsausschuß — mitberatend — vereinbart worden. Mir ist soeben gesagt worden, daß der Wirtschaftsausschuß darauf auch Wert lege. Ich glaube, wir sollten im Augenblick nur einmal die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Wirtschaftsausschuß — mitberatend — beschließen. Sollte es sich als notwendig erweisen, daß der Rechtsausschuß gutachtlich gehört wird, so mag das vom federführenden Ausschuß beschlossen werden. Wenn Sie damit einverstanden sind, bitte ich um das Handzeichen. — Das ist dann so beschlossen.
Ich muß noch einmal auf die Entschließung Umdruck 231 zurückkommen. Hier bin ich darauf auf-

Vizepräsident Dr. Preusker
merksam gemacht worden, daß die Entschließung nicht einstimmig, sondern nur mit großer Mehrheit angenommen worden ist.
Dann möchte ich auf den Antrag Umdruck 232 zurückkommen. Diesen können wir an den Haushaltsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — überweisen. Wer dem in Korrektur des Beschlusses vorhin zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich kann die Sitzung nun leider noch nicht schließen, sondern muß Sie gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung bitten, noch ein paar Tagesordnungspunkte ohne Debatte abzuwickeln. Inzwischen ist allerdings auch noch ein Punkt mit einem kurzen Bericht hinzugekommen.
Ich rufe auf Punkt 5:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betr. Hilfe für politische Häftlinge aus der
sowjetisch besetzten Zone (Drucksache 800).
Auf Begründung wird verzichtet. Es ist beantragt Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend —. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1954 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes (Drucksache 84, 815).
Auf mündliche Berichterstattung wird verzichtet.
Der Antrag des Ausschusses gliedert sich in vier Ziffern:
Erstens. Die vom Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen festgestellten Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben sollen nachträglich genehmigt und die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes für erledigt erklärt werden. Wer dieser Ziffer des Antrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Zweitens. Die Bundesregierung soll wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1954 gemäß § 108 der Reichshaushaltsordnung entlastet werden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Drittens. Der Deutsche Bundestag nimmt von der Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Kenntnis.
Viertens. Der Bundestag stimmt dem Entschließungsantrag zu a), b) und c) zu.
Wer den Ziffern 3 und 4 des Ausschußantrages zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Ich rufe auf Punkt 7:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold und Genossen betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Drucksachen 196, 825).
Die Bundesregierung wird danach ersucht, in Verhandlungen zu erreichen, daß das Rasthaus am Chiemsee möglichst vollständig freigegeben wird. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich auf Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuß) (Immunitätsangelegenheiten) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Zoglmann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 3. November 1958 (Drucksache 846).
Herr Abgeordneter Ritzel, ich bitte um die Berichterstattung an Stelle des verhinderten Abgeordneten Wittrock.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0306406500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hatte sich mit dem Ersuchen betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Zoglmann zu befassen. In der eingehenden Beratung wurde festgestellt, daß es sich um eine Beleidigung politischen Charakters handelt. Nach der ständigen Praxis des Deutschen Bundestages wird aus diesem Anlaß die Immunität nicht aufgehoben. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, in diesem Sinne zu beschließen, also die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Zoglmann nicht zu erteilen.

Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0306406600
Sie haben den Bericht des Herrn Kollegen Ritzel gehört. Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist entsprechend dem Ausschußantrag beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9:
Beratung der Ubersicht 5 des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 838).
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen, von einer Äußerung hierzu abzusehen.
Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.



Vizepräsident Dr. Preusker Ich rufe auf Punkt 10:
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 206 [neu]).
Wer entsprechend diesem interfraktionellen Antrag überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den drei Abkommen vom 3. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik über deutsche Vermögenswerte in Portugal, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und über die Liquidation des früheren deutschportugiesischen Verrechnungsverkehrs (Drucksache 763);
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß) (Drucksache 858).

(Erste Beratung: 55. Sitzung.)

Auf eine mündliche Berichterstattung wird verzichtet.
Ich rufe in der Fassung der Zusammenstellung durch den 14. Ausschuß auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Art. 5, — Art. 6, — Art. 7, — Art. 8, — Art. 9, — Art. 10, — Art. 11, — Art. 12, — Einleitung und Überschrift. — Wer diesen Artikeln in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe damit zur
dritten Beratung
den soeben in zweiter Beratung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu den drei Abkommen auf. Wer dem Gesetz in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte
um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über gewisse Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und über die, Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte

(Drucksache 764) ;

Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß) (Drucksache 859).

(Erste Beratung: 55. Sitzung.)

Der Antrag des Ausschusses lautet, der Bundestag wolle beschließen, den Gesetzentwurf — Drucksache 764 — unverändert anzunehmen.
In der zweiten Beratung rufe ich auf Art. 1, — Art. 2, — Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist offensichtlich die große Mehrheit. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe den soeben in zweiter Beratung beschlossenen Gesetzentwurf zur
dritten Beratung
auf. Wer dem Gesetzentwurf zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich darf um die Gegenprobe bitten. — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 26. Februar 1959, 15 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.