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    Deutscher Bundestag 64. Sitzung Bonn, den 25. Februar 1959 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten und weiterer Mitglieder des argentinischen Abgeordnetenhauses 3411 A Abg. Lulay tritt für den ausgeschiedenen Abg. Kiesinger in den Bundestag ein . . 3411 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Arndgen 3411 B Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments (Drucksache 888) . . 3411 C Nachwahl eines Vertreters und von Stellvertretern der Bundesrepublik Deutschland zur Beratenden Versammlung des Europarates 3411 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Abg. Lücker [München], Kriedemann, Mauk, Dr. Elbrächter u. Gen.) (Drucksache 70); Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 881); Schriftlicher Bericht des Ernährungsauschusses (Drucksache 476 [neu]) — Zweite und dritte Beratung —Bading (SPD) 3412 A Dr. Pflaumbaum (CDU/CSU) . 3412 C Kriedemann (SPD) . . . 3412 D, 3413 C Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850, 863) ; in Verbindung mit Antrag betr. Arbeitserleichterung für die Landfrauen (FDP) ; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 208, 578) ; Antrag betr. Feststellung der Lage der Familienbetriebe im Grünen Bericht (DP) ; Schriftlicher Bericht des Ernährungsausschusses (Drucksachen 627, 790); Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung der Deutschen Anstalt für Agrarwerbung (FDP) (Drucksache 817) — Erste Beratung — Lücker (München) (CDU/CSU) . . 3414 A Kriedemann (SPD) 3420 A Bauknecht (CDU/CSU) 3425 A Köhler (FDP) . . . . . . . . 3428 C Logemann (DP) 3432 B Dr. h. c. Lübke, Bundesminister . 3437 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 3443 A Frau Dr. Pannhoff (CDU/CSU) . . . 3447 C Sühler (CDU/CSU) 3450 D Frehsee (SPD) 3453 B Wittmer-Eigenbrodt (CDU/CSU) . 3457 B Welslau (SPD) 3459 B II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Dr. Reinhard (CDU/CSU) 3460 A Bading (SPD) 3461 C Rehs (SPD) 3462 A Leukert (CDU/CSU) 3463 D Struve (CDU/CSU) 3464 D Frau Dr. Dr. h. c. Lüders (FDP) . 3465 B Antrag betr. Hilfe für politische Häftlinge aus der sowjetisch besetzten Zone (SPD) (Drucksache 800) . . . . . . . . . 3467 A Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1954 auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes; Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksachen 84, 815) . . . . 3467 B Antrag betr. Freigabe des Rasthauses am Chiemsee (Abg. Dr. Franz, Wieninger, Dr. Besold u. Gen.); Schriftlicher Bericht des Auswärtigen Ausschusses (Drucksachen 196, 825) 3467 C Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 3. November 1958 betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Zoglmann; Mündlicher Bericht des immunitätsausschusses (Drucksache 846) Ritzel (SPD) 3467 D Übersicht 5 des Rechtsausschusses über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 838) 3467 D Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 206 [neu]) 3468 A Entwurf eines Gesetzes zu den drei Abkommen vom 3. April 1958 mit der Portugiesischen Republik über deutsche Vermögenswerte in Portugal, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und über die Liquidation des früheren deutsch-portugiesischen Verrechnungsverkehrs (Drucksache 763) ; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 858) — Zweite und dritte Beratung - 3468 A Entwurf eines Gesetzes zu den zwei Abkommen vom 8. April 1958 mit Spanien über gewisse Auswirkungen des zweiten Weltkrieges und über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte (Drucksache 764); Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 859) — Zweite und dritte Beratung — . . . . 3468 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3468 D Anlagen 3469 A Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3411 64. Sitzung Bonn, den 25. Februar 1959 Stenographischer Bericht Beginn: 14.02 Uhr.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Frau Albertz 4. 4. Dr. Arndt 1. 3. Dr. Bärsch 28. 3. Dr. Bechert 27. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 9. 3. Berendsen 12. 3. Frau Blohm 27. 2. Börner 27. 3. Dr. Bucerius 27. 2. Conrad 26. 2. Dr. Deist 8. 3. Diebäcker 28. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 28. 2. Eilers (Oldenburg) 27. 2. Etzenbach 25. 2. Fuchs 28. 2. Geiger (München) 25. 2. Glahn 25. 2. Dr. Gleissner (München) 27. 2. Dr. Götz 15. 3. Dr. Greve 11. 4. Dr. Gülich 31. 3. Freiherr zu Guttenberg 12. 3. Hamacher 26. 2. Heinrich 16. 5. Hermsdorf 31. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 4. 4. Höcker 25. 2. Hoogen 25. 2. Jacobs 31. 3. Dr. Jaeger 28. 2. Jahn (Frankfurt) 31. 3. Dr. Jordan 26. 2. Kalbitzer 25. 2. Kramel 7. 3. Kunst 21. 4. Kunze 27. 2. Kurlbaum 8. 3. Leber 26. 2. Lenz (Brühl) 27. 2. Dr. Baron Manteuffel-Szoege 30. 4. Margulies 27. 2. Dr. Meyer (Frankfurt) 16. 3. Murr 28. 2. Paul 26. 2. Pietscher 14. 3. Ramms 28. 2. Frau Rösch 14. 3. Scharnowski 27. 2. Scheel 27. 2. Schneider (Bremerhaven) 25. 2. Schoettle 28. 2. Schröder (Osterode) 31. 3. Schwarz 2. 4. Storch 27. 2. Sträter 26. 2. Frau Strobel 27. 2. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Wagner 25. 2. Weinkamm 7. 3. Wieninger 28. 2. Wilhelm 27. 2. Dr. Will 27. 2. Frau Wolff (Berlin) 25. 2. b) Urlaubsanträge Dr. Baade 10. 4. von Bodelschwingh 4. 4. Gleisner (Unna) 10. 3. Lenze (Attendorn) 12. 4. Lohmar 5. 4. Odenthal 14. 3. Stahl 23. 3. Stenger 15. 3. Anlage 2 Umdruck 206 (neu) Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden gemäß § 99 Abs. 1 GO ohne Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Dr. Leverkuehn, Kalbitzer und Genossen betr. Hilfe für die minderentwickelten Gebiete - Drucksache 518 - an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten (f), an den Außenhandelsausschuß, an den Haushaltsausschuß 2. Antrag der Abgeordneten Jacobs, Lücker (München), Gerns und Genossen betr. Europäisches Abkommen über Weinerzeugung und Weinhandel - Drucksache 830 - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f), an den Außenhandelsausschuß 3. Antrag der Abgeordneten Lücker (München), Gerns, Jacobs und Genossen betr. Gegenseitige Anerkennung der Diplome landwirtschaftlicher Fach- und Hochschulen in den Mitgliedsländern des Europarates - Drucksache 831 - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bonn, den 24. Februar 1959 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion 3470 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Anlage 3 Umdruck 228 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, in sinnvoller Ergänzung des Grünen Planes ein wirtschaftliches Strukturprogramm vorzulegen, das die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben in den Landbezirken gewährleistet. Damit soll dem Mangel an produktiven Arbeitsplätzen in ländlichen Gebieten und der Konzentration von Wirtschaft und Menschen in den industriellen Ballungsräumen entgegengewirkt werden. Bonn, den 24. Februar 1959 Ollenhauer und Fraktion Anlage 4 Umdruck 230 Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur zweiten Beratung des von den Abgeordneten Lücker (München), Kriedemann, Mauk, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Mühlengesetzes (Drucksachen 70, 476 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In Artikel 1 Nr. 2 1. erhält § 7 Abs. 1 Nr. 5 folgende Fassung: „5. a) die in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnisse, soweit sich nicht aus Absatz 1 a etwas anderes ergibt, in der Mühle nicht mehr hergestellt werden können, b) die Stillegung für 30 Jahre durch Grundbucheintragung sichergestellt ist,"; 2. wird in § 7 hinter Absatz 1 folgender Absatz 1 a eingefügt: „(1 a) Von der Voraussetzung nach Absatz 1 Nr. 5 Buchstabe a ist abzusehen, soweit es sich um Vorrichtungen zur Herstellung von Futterschrot handelt, und wenn der Inhaber der Mühle sich bei der Vereinbarung des Pauschalbetrages verpflichtet, den Pauschalbetrag für den Fall zurückzuzahlen, daß diese Vorrichtungen zur Herstellung der in § 2 Abs. 1 genannten Erzeugnisse während der in Absatz 1 Nr. 5 Buchstabe b genannten Frist verwendet werden." Bonn, den 25. Februar 1959 Dr. Krone und Fraktion Anlage 5 Umdruck 231 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat die Erklärung der Bundesregierung sowie ihren Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen; er gibt seiner Genugtuung Ausdruck, daß die Auswirkungen der bisherigen Grünen Pläne im Rahmen der gesamten Agrarpolitik als Hilfe zur Selbsthilfe der Landwirtschaft und in Verbindung mit einer besseren Ernte zum ersten Male sichtbar zu einer Verbesserung der Lage der Landwirtschaft in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geführt haben. Der Bundestag begrüßt die Verlagerung der Mittel zugunsten der Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Er stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz mit der Maßgabe zu, daß die Mittel innerhalb der einzelnen Positionen austauschbar sind; er erwartet, daß die Richtlinien zur Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen im Benehmen mit den Ländern umgehend erlassen werden. Die Bundesregierung wird ersucht, ihre Anstrengungen im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung fortzusetzen, um im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes — insbesondere auch seiner Verpflichtungen gemäß § 1 — den Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand in den landwirtschaftlichen Betrieben zu erreichen. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen die Betriebsgruppen und Bodennutzungssysteme stärker gefördert werden, die in ihrer Entwicklung bisher zurückgeblieben sind. Bonn, den 25. Februar 1959 Dr. Krone und Fraktion Dr. Preiß und Fraktion Anlage 6 Umdruck 232 Antrag der Fraktion der DP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 850, zu 850). Der Bundestag wolle beschließen: Der Landwirtschaft ist über die Mittel im vorliegenden Grünen Plan hinaus aus ERP-Mitteln ein Rationalisierungskredit in Höhe von 250 Millionen DM im Grünen Plan 1959/60 zur Verfügung zu stellen. Die weiter erforderlichen Zinsverbilligungsmittel sind ebenfalls aus Einzelplan 10 — Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — oder aus dem Grünen Plan 1959/60 insofern bereitzustellen, daß der ERP-Kredit für die Endkreditnehmer 2,5 v. H. beträgt. Bonn, den 25. Februar 1959 Logemann Dr. Preiß und Fraktion Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3471 Anlage 7 Schriftliche Begründung der Abgeordneten Frau Korspeter zu dem Antrag der Fraktion der SPD betr. Hilfe für politische Häftlinge aus der sowjetisch besetzten Zone (Drucksache 800) Bereits 1954, als wir uns erstmalig in diesem Hause über die Hilfe für ehemalige politische Häftlinge aus der Zone auseinandersetzten, forderte die Bundestagsfraktion der SPD die Vorlage eines Gesetzentwurfs, der neben bestimmten Hilfsmaßnahmen auch eine Entschädigung für erlittene Haft regeln sollte. Die Bundesregierung legte 1955 dem Bundestag einen Gesetzentwurf vor, der die Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung, entsprechend den Bestimmungen des BVG, und die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige, entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen, regeln sollte. Darüber hinaus enthielt der Gesetzentwurf Vergünstigungen nach dem Heimkehrergesetz bei einem Gewahrsam, der länger als 12 Monate gedauert hat, und Haftbeihilfen in dem gleichen Umfang, wie sie im Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz vorgesehen sind. Leider konnten sich die Bundesregierung und auch die Regierungskoalition nicht dazu entschließen, entsprechend unserer Forderung einen Rechtsanspruch auf die Haftentschädigung festzulegen. Es wurde der sogenannte 10-Millionen-Fonds geschaffen, der den Betroffenen keinen Rechtsanspruch auf eine Haftentschädigung sicherte, sondern ihnen lediglich eine Beihilfe gewährte, wenn sie sich in einer wirtschaftlichen Notlage befanden. Meine Fraktion hat bereits damals eine solche Regelung sehr bedauert und sehr deutlich ausgesprochen, daß sie die Schaffung dieses Fonds nur als einen ersten Schritt betrachte und daß sie eine Entwicklung wünsche, bei der das menschliche und politische Opfer wirkungsvoller berücksichtigt werde. Trotz dieser Bedenken haben wir uns damals hinter diesen Gesetzentwurf gestellt, eben weil er als ein erster Schritt zu betrachten war. Aber wir haben immer wieder gemahnt, die Hilfebedürftigkeitsprüfung fallenzulassen und den ehemaligen politischen Häftlingen einen Rechtsanspruch auf die Haftbeihilfe zu sichern, das heißt, eine wiedergutmachende Entschädigung für die zu Unrecht erlittene Haft zu gewähren. Wir haben es begrüßt, daß bei der Beratung eines ersten Änderungsgesetzes zum Häftlingshilfegesetz im Jahre 1957 alle Fraktionen unserem Änderungsantrag — Häftlingsbeihilfe nunmehr ohne Hilfebedürftigkeitsprüfung zu gewähren und den Rechtsanspruch dafür zu sichern — ihre Zustimmung gaben. Das war sicher eine positive Entwicklung des Häftlingshilfegesetzes, die von allen anerkannt wurde. Leider ist es uns damals nicht gelungen, die soviel umstrittene und meiner Meinung nach auch unangebrachte Sechsmonatsfrist zu beseitigen. Diese Frist behindert auch heute noch jede Anerkennung, wenn der Häftling länger als ein halbes Jahr - gerechnet vom Tage seiner Entlassung an — in der Zone blieb, bevor er in die Bundesrepublik flüchtete. Aus einer uns vorgelegten Statistik von seiten des zuständigen Ministeriums ist zwar ersichtlich, daß zur Vermeidung unbilliger Härten bei Überschreitung dieser Sechsmonatsfrist von der Möglichkeit, den Härteparagraphen in Anspruch zu nehmen, Gebrauch gemacht wurde; trotzdem sollte auch dieser Stichtag verschwinden, da er menschlich und auch politisch nicht zu vertreten ist. Darüber hinaus besteht bei vielen, die sich mit den Hilfsmaßnahmen für ehemalige politische Häftlinge befaßt haben — insbesondere aber bei den Betroffenen selbst — der Wunsch nach einer grundsätzlichen Änderung des Häftlingshilfegesetzes. Diese Änderungswünsche sind von dem Gedanken getragen, daß — ich zitiere wörtlich aus den an den Herrn Bundestagspräsidenten gesandten Petitionen — „gleiche Schicksale, bedingt durch in ihren Methoden gleiche totalitäre Systeme, gleiche Maßnahmen erfordern." Meine Fraktion hat sich nach sehr sorgfältigen Überlegungen hinter diese Forderung gestellt und legt dem Bundestag, nachdem sie bereits am 7. Mai 1958 einen Änderungsantrag zum Häftlingshilfegesetz eingebracht hatte, der noch zur Beratung beim zuständigen Ausschuß liegt, nunmehr einen sehr konkret gehaltenen Antrag vor. Er strebt eine Regelung an, die den anerkannten Häftlingen aus der sowjetisch besetzten Zone für Schäden an Leben und Gesundheit infolge Freiheitsentziehung sowie für Schäden in der Ausbildung Leistungen nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes gewährt. Wir sind der Meinung, daß wir nur dann zu einer endgültigen Bereinigung dieses Problems kommen können, wenn die Leistungen dem Bundesentschädigungsgesetz entsprechen, da es in Deutschland kein anderes Gesetz gibt, das sich damit befaßt, Unrecht wiedergutzumachen, das aus der Verletzung menschlichen Rechtsgutes entstanden ist. Es handelt sich — vom Verfolgten her — um das gleiche Schicksal. Es gibt Menschen, die Buchenwald als Konzentrationslager zweimal erlebt haben und für die nicht einzusehen ist, daß für dieselben Leiden unterschiedliche Regelungen erfolgen. Gleichzeitig wollen wir damit aber auch deutlich machen, daß wir das Unrechtssystem in der Zone nicht anders beurteilen als das System, für das wir jetzt bereits Wiedergutmachung leisten. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß wir bewußt von einer Regelung für Berufs- und Vermögensschäden, wie sie im Bundesentschädigungsgesetz zu finden ist, abgesehen und unseren Antrag auf Personenschäden einschließlich Ausbildungsschäden beschränkt haben. Wir gehen von der Voraussetzung aus, daß die Höhe der Leistungen, die Bemessungsgrundlage, die Berechnungsmethode und auch die medizinische Begutachtung und Behandlung sich nach den Bestimmungen des Bundesentschädigungsgesetzes und nach der hieraus entwickelten Verwaltungspraxis richten. 3472 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Es ist von uns keineswegs daran gedacht, durch eine Novelle zum Bundesentschädigungsgesetz die Einbeziehung der ehemaligen politischen Häftlinge in dieses Gesetz zu vollziehen. Vielmehr ist es unsere Vorstellung, daß das jetzige Häftlingshilfegesetz aus der Beziehung zum Bundesversorgungsgesetz, Heimkehrergesetz und Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetz herausgenommen wird und daß die genannten Teile des Bundesentschädigungsgesetzes in ein neugestaltetes Häftlingshilfegesetz aufgenommen werden. Dabei denken wir vor allem an eine, dem politischen Widerstandskampf angemessene, Erhöhung der Haftbeihilfe auf einen Entschädigungssatz von 5 DM täglich; an eine der Schwere der Haft entsprechende großzügige Anerkennung der gesundheitlichen Schäden, insbesondere der Spätschäden; an eine bessere Gesundheitsfürsorge, an eine Regelung der Hinterbliebenen- und Beschädigtenrenten nach den Leistungen des Bundesentschädigungsgesetzes, sowie an eine ausreichende Ausbildungsbeihilfe zur Fortsetzung der durch die Inhaftierung unterbrochenen Ausbildung. Das Häftlingshilfegesetz in seiner jetzigen Form wird diesen Forderungen nicht gerecht. Es bringt keine gerechte und ausreichende Würdigung des erlittenen Unrechts. Wir sollten uns deshalb zusammenfinden, um zu einer Regelung zu kommen, die dem Charakter einer Wiedergutmachung entspricht. Wir sollten uns dabei auch von dem Gedanken leiten lassen, daß diese Änderungswünsche nicht nur vom materiellen Gesichtspunkt her gesehen werden dürfen, sondern daß in erster Linie politische und ideelle Gesichtspunkte dabei eine Rolle spielen. Die Männer und Frauen, die wegen ihrer demokratischen Gesinnung in der Zone inhaftiert wurden, haben ein Anrecht darauf, daß ihre Leiden nicht geringer gewertet werden als die der unter dem Naziregime Verfolgten. Ein erheblicher Teil der Geschädigten wurde in Haft genommen — und zwar viele Jahre ihres Lebens — und hat Schäden erlitten, weil sie im unfreien Teil Deutschlands für jene Grundsätze eingetreten sind, die das Fundament der Bundesrepublik bilden. Sie sind in Haft genommen worden, weil sie für ihre freiheitliche Gesinnung eingetreten sind, und sie haben damit der Demokratie und der Freiheit Opfer gebracht, die weit über das Normalmaß der allgemeinen Kriegsfolgeschäden hinausgehen. Diese Schäden müssen von uns wiedergutgemacht werden. Mit einer solchen Regelung würden wir zu erkennen geben, daß die Bundesrepublik bereit ist, jedem Opfer totalitärer Willkür eine Entschädigung für erlittenes Leid zu gewähren, und wir würden das Bewußtsein stärken, daß ein ganzes Volk dafür einstehen muß, wenn einem Teil des Volkes Unrecht durch Gewalt widerfährt. Wir hoffen sehr, daß die uns allen gestellte Aufgabe — ihre Erledigung ist gleichzeitig auch ein Ausdruck unseres gesamtdeutschen Wollens — nicht an finanziellen Überlegungen scheitert. Die Ausgaben, über die wir uns selbstverständlich Vorstellungen gemacht haben und auf die wir bei den anschließenden Beratungen näher eingehen können, sind nicht dergestalt, daß sie unsere menschliche und politische Verpflichtung zu überschatten vermögen. Was bis jetzt getan wurde, war zu wenig. Wir sollten bereit sein, nun schnell und umfassend eine bessere Regelung zu schaffen. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Eschmann (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 20): Wie erklärt es sich, daß die vorgesehene Rechtsverordnung zum Artikel 2 § 4 Abs. 2 Satz 2 des AngestelltenversicherungsNeuregelungsgesetzes immer noch nicht erlassen ist, obwohl in der Fragestunde der 30. Sitzung des Bundestages vom 12. Juni 1958 Staatssekretär Claussen vom Bundesarbeitsministerium erklärt hat, daß mit dem Erlaß der Rechtsverordnung nach den Sommerferien 1958 des Parlaments zu rechnen sei? Nach dem Stande der Vorarbeiten war im Juni vorigen Jahres damit zu rechnen, daß die Rechtsverordnung nach den Sommerferien hätte erlassen werden können. Im Zuge der Vorbereitung des Entwurfs sind jedoch — insbesondere infolge von Gesetzesänderungen auf anderen Rechtsgebieten — nachträglich Schwierigkeiten aufgetreten, die nunmehr im Wege von Besprechungen mit den beteiligten Bundesressorts beseitigt werden konnten. Es ist beabsichtigt, den jetzt erarbeiteten Entwurf im Laufe des kommenden Monats mit den Ländern sowie den Versicherungsträgern zu besprechen und sodann dem Bundesrat zur Zustimmung zuzuleiten. Blank Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Finanzen auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kroll (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 21) : Ist es richtig, daß die Verordnung zur Änderung "der Allgemeinen Zollordnung und der Post-Zollordnung vom 17. November 1958 (BGBl. I S. 741), die u. a. Erleichterung für die Einfuhr von Waren des Buchhandels bringt, nur für Päckchen und Drucksachen gilt, jedoch Postpakete und Warensendungen ausschließt? Durch die Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Zollordnung und der Post-Zollordnung vom 17. November 1958 ist der Katalog derjenigen ausländischen Postsendungen bedeutend erweitert worden, die den Empfängern ohne Einschaltung eines Zollamts von der Post ausgehändigt werden dürfen. Dieser Verzicht auf die Zollkontrolle und damit auf die Erhebung der Eingangsabgaben muß auf Sendungen beschränkt bleiben, die entweder keine Handelsware oder nur Handelsware geringen Umfanges und allenfalls geringer Abgabenbelastung enthalten. Diese Voraussetzung ist in der Regel aber nur bei den Briefsendungen, einschließlich der Päckchen und Drucksachen, nicht aber bei den Paketsendungen gegeben. Erfahrungsgemäß führt der Handel gerade hochwertige und hochbelastete Waren (z. B. optische Geräte, Textilien, Kosmetika Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3473 usw.) im großen Umfang auf dem Postwege ein. Wollte man also auch die Paketsendungen, die bis zu 20 kg schwer sein dürfen, von jeder Zollkontrolle befreien, so würde man den Postweg gegenüber anderen Einfuhrwegen ungerechtfertigt, begünstigen und ein Loch öffnen, durch das vor allem Handelswaren verschiedenster Art zum Schaden der deutschen Produktion ohne Erhebung der Eingangsabgaben und ohne Rücksicht auf Einfuhrbeschränkungen wirtschaftlicher, gesundheitspolizeilicher oder ähnlicher Art in den freien Inlandsverkehr gelangen würden. Eine so weitgehende Befreiung der Postsendungen von der Zollkontrolle konnte deshalb nicht ausgesprochen werden. Die Verpflichtung der Post, Postpakete usw. dem Zollamt vorzuführen, bedeutet nicht, daß in allen diesen Fällen Eingangsabgaben erhoben werden. Ergibt vielmehr die Zollkontrolle, daß die Waren nach den gesetzlichen Bestimmungen abgabenfrei sind und keinen Einfuhrverboten unterliegen, werden sie sofort freigegeben. In Vertretung Hartmann Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers der Finanzen auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Beyer (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 23): Ich frage die Bundesregierung, wann sie die von dem Relations Office in Wiesbaden eingenommenen Entschädigungen für die zu Übungszwecken in Anspruch genommenen Waldungen der Gemeinden Rodheim, Ober-Rosbach, Nieder-Rosbach, Ockstadt, Ober-Mörlen, Nieder-Mörlen und Langenhain-Ziegenberg, die sich inzwischen auf 146 774,40 DM belaufen, an die Gemeinden weiterleitet? Die von den amerikanischen Streitkräften für die Inanspruchnahme der fraglichen Waldungen zur Verfügung gestellten Beträge sind von dem Herrn Finanzminister des Landes Hessen im Einvernehmen mit dem Bundesrechnungshof zunächst nicht an die Eigentümer der Grundstücke ausgezahlt worden, weil den Eigentümern durch die Inanspruchnahme die Nutzung des Waldes nicht entzogen worden war. Die Eigentümer konnten vielmehr ihre beschlagnahmten Waldungen weiterhin bewirtschaften, Holz einschlagen und verwerten. Die zur Verfügung gestellten Beträge sind von dem Herrn Hessischen Minister der Finanzen vorerst auf Verwahrung genommen worden. Jedoch sind zur Abgeltung von Schäden, die durch die amerikanischen Streitkräfte an Wegen, Wasserabzugsgräben und Kulturen innerhalb der in Anspruch genommenen Waldungen verursacht worden sind, an die Gemeinden Ober-Rosbach, Nieder-Rosbach, Ober-Mörlen, Nieder-Mörlen und Rodheim bisher insgesamt 47 030,87 DM gezahlt worden. Ein Antrag auf Auszahlung der auf Verwahrung genommenen Beträge liegt dem Bundesministerium der Finanzen bisher nicht vor. Auf fernmündliche Rückfrage hat das hessische Finanzministerium mitgeteilt, daß am 27. November 1958 ein derartiger Antrag vom Landrat des Kreises Friedberg gestellt worden sei; der Antrag habe dem Bundesministerium der Finanzen noch nicht vorgelegt werden können, weil das Verteidigungslastenamt Hanau Ermittlungen über die Größe der einzelnen in Anspruch genommenen Flächen und der auf die Eigentümer entfallenden Anteile anstellen müsse. Die Unterlagen seien jedoch inzwischen zusammengestellt worden und würden dem Bundesministerium der Finanzen zusammen mit dem Antrag in Kürze zugeleitet werden. Das Bundesministerium der Finanzen wird über den Antrag unverzüglich befinden und Ihnen die getroffene Entscheidung schriftlich mitteilen. Eine endgültige Stellungnahme zu der Frage, wie über den Antrag entschieden werden wird, ist mir zu meinem Bedauern gegenwärtig noch nicht möglich. Schon jetzt kann jedoch gesagt werden, daß grundsätzliche Bedenken gegen den Antrag nicht bestehen dürften. Denn zur Zeit ist ein neuer Entwurf von Richtlinien für die Bemessung der Nutzungsvergütung bei forstwirtschaftlichen Flächen in Bearbeitung, in denen vorgesehen ist, daß eine gewisse Nutzungsvergütung auch dann gewährt werden kann, wenn durch die Inanspruchnahme dem Eigentümer die wirtschaftliche Nutzung des Forstes nicht entzogen ist. In Vertretung Hartmann Anlage 11 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Innern auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bauer (Würzburg). (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Frage 24): Gedenkt die Bundesregierung der vorn Bundesrechnungshof geäußerten Auffassung Rechnung zu tragen, die bisherigen Maßnahmen zur Förderung der fremdsprachlichen Ausbildung von Bundesbediensteten seien unzulänglich? Die Bundesregierung hält in Übereinstimmung mit dem Bundesrechnungshof eine Intensivierung der Maßnahmen zur Sprachausbildung der Bundesbediensteten für notwendig. Der Bedarf an Bediensteten mit fremdsprachlichen Kenntnissen hat in den letzten Jahren ständig zugenommen. Dies gilt sowohl für internationale Verhandlungen wie für die Entsendung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in internationale Organisationen und für den Austausch von Bediensteten mit anderen Ländern. Aus diesen Erwägungen ist die Bundesregierung bemüht, die Sprachausbildung der Bundesbediensteten in verstärktem Umfange zu fördern. In Vertretung Dr. Anders Anlage 12 Schriftliche Antwort des Bundesministers des Auswärtigen auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Kanka und 3474 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 Bauer (Würzburg) (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Fragen 25 und 28): Trifft die Meldung zu, daß die Deutsche Botschaft in Athen — im Gegensatz zur Behandlung eines gleichartigen Falles durch die Österreichische Botschaft — eine alsbaldige Intervention im Sinn persönlicher Bemühung eines Botschaftsangehörigen an Ort und Stelle unterlassen hat, um einen jungen deutschen Fremdenlegionär am Weihnachtsabend von einem einlaufenden holländischen Tanker zu übernehmen, obwohl die Ankunft der beiden blinden Passagiere durch Funk mitgeteilt worden war? Stimmt es, daß der österreichische Staatsangehörige von seiner Botschaft übernommen wurde, während das Schiff seine Fahrt mit dem Deutschen an Bord fortsetzte, und was ist über dessen weiteres Schicksal bekannt? Trifft der im Fränkischen Volksblatt vom 27. Januar 1959 unter Bezugnahme auf die Wiener Zeitung „HEUTE" wiedergegebene Bericht zu, nach dem sich am 24. Dezember 1958 in Athen die Österreichische Botschaft in vorbildlicher Weise eines aus der Fremdenlegion entwichenen Österreichers, während sich zur gleichen Zeit und am gleichen Ort in wenig vorbildlicher Weise die Deutsche Botschaft eines aus der Fremdenlegion entwichenen Deutschen angenommen hat? Wenn nein: In welchen Punkten weichen die Schilderungen und die Tatsachen voneinander ab? Wenn ja: was ist unternommen worden oder wird unternommen werden, um Verantwortliche zur Verantwortung zu ziehen? Den in den Fragen erwähnten Zeitungsmeldungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 24. Dezember 1958 gegen 9 Uhr wurde die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen von der holländischen Schiffsagentur (KNSM) in Piräus fernmündlich benachrichtigt, daß sich an Bond des am selben Tage um 18 Uhr in Piräus einlaufenden holländischen Dampfers „Tarakan" zwei entwichene Fremdenlegionäre befänden, von denen einer deutscher und der andere österreichischer Staatsangehöriger sei. Die Personalien des deutschen Staatsangehörigen seien im Gegensatz zu denen des Österreichers nicht bekannt. Ein Angehöriger der deutschen Botschaft begab sich daraufhin sofort nach Piräus, um bei der dortigen Fremdenpolizei die Erlaubnis zur Einreise des deutschen Staatsangehörigen zu erwirken. Nachdem diese Erlaubnis erteilt war — die Verhandlungen waren wegen der fehlenden Personalien sehr schwierig — wurde der holländische Schiffsagent, der gleichzeitig niederländischer Wahlkonsul ist, gebeten, den deutschen Staatsangehörigen in Empfang zu nehmen und für seine vorläufige Unterkunft zu Borden. Zu diesem Zweck wurden dem Agenten die notwendigen Geldmittel übergeben. Eine sofortige Heimschaffung des deutschen Legionärs war nicht möglich, weil wegen der fehlenden Personalien kein Reisepaß ausgestellt und das für eine Heimschaffung auf dem Landwege erforderliche jugoslawische Visum am 24. Dezember 1958 und an den beiden folgenden Feiertagen nicht mehr beschafft werden konnte. Eine Heimschaffung auf dem Seewege war ebenfalls unmöglich, weil sich zu dieser Zeit kein deutsches Schiff im Hafen von Piräus befand. Der Legionär, der — wie sich jetzt herausstellte — Heinz Werner Stamm hieß und am 21. Februar 1931 in Berlin geboren war, wurde vereinbarungsgemäß von dem niederländischen Schiffsagenten an Bord abgeholt und auf Kosten der deutschen Botschaft in einem Hotel in Piräus vorläufig untergebracht. Trotz aller Bemühungen der Botschaft wurde das jugoslawische Durchreisevisum erst am 30. 12. 1958 erteilt. Noch am selben Tage erhielt Herr Stamm ein Zehrgeld und wurde auf Kasten der Botschaft nach Freilassing heimgeschafft. Herr Stamm hat sich über die Behandlung durch die deutsche Botschaft nie beklagt, sondern sich für die ihm zuteil gewordene Hilfe bedankt. Wie inzwischen festgestellt wurde, ist er — wie vorgesehen — in der Bundesrepublik eingetroffen. Hiernach hat die Deutsche Botschaft in Athen alles getan, was unter den gegebenen Umständen von ihr erwartet werden konnte. Sie hat sofort einen Beamten nach Piräus entsandt, um sicherzustellen, daß dem entflohenen Legionär die erforderliche Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Sie hat den Hilfsbedürftigen angemessen untergebracht und zum erstmöglichen Termin in das Bundesgebiet heimgeschafft. Der Botschaft kann daher in keiner Weise ein Vorwurf gemacht werden. Insbesondere hieße es die Anforderungen an die Betreuung hilfsbedürftiger Deutscher im Ausland überspannen, wollte man verlangen, daß jeder Hilfsbedürftige persönlich von einem Beamten der Botschaft am Hafen abgeholt würde. Es muß vielmehr genügen, wenn die Auslandsvertretung sofort die sachlichen Voraussetzungen schafft, um dem Hilfsbedürftigen die alsbaldige Rückkehr in das Bundesgebiet zu ermöglichen. Infolgedessen bedauere ich es sehr, daß eine Reihe deutscher Zeitungen sich diese z. T. unrichtigen und unvollständigen Meldungen ohne Nachprüfung zu eigen gemacht und gegen die deutsche Botschaft in Athen unbegründete Vorwürfe erhoben hat, zumal der Hilfsbedürftige schon längst heimgeschafft worden war. Ich darf noch bemerken, daß die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich gehalten sind, bei der Heimschaffung von hilfsbedürftigen Deutschen aus dem Ausland den billigsten Reiseweg zu wählen. v. Brentano Anlage 13 Schriftliche Antwort des Bundesministers für wirtschaftlichen Besitz des Bundes auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Voigt (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 26) : Trifft die Behauptung in dem Artikel „Wolfsburger Fehlleistung", abgedruckt in der Zeitung „Europa-Union" vom 23. Januar 1959, zu, wonach das Volkswagenwerk bei seiner großen Inseratenaktion zum Jahresende beträchtliche Summen in die Kassen der italienischen Kommunisten gelenkt haben soll? Welche Beweggründe haben die dafür Verantwortlichen veranlaßt, in großen kommunistischen Zeitungen Italiens ganzseitige Inserate aufzugeben? Es trifft nicht zu, daß das Volkswagenwerk Gelder in die Kassen italienischer Kommunisten gelenkt hat. Bei dem beanstandeten Inserat handelt es sich vielmehr um eine Anzeige, die der Generalimporteur des Volkswagenwerkes in Italien ohne Wissen des Volkswagenwerkes im Rahmen eines gegenseitigen Geschäftes in einer kommunistischen Zeitung veröffentlicht hat. Das Volkswagenwerk hat mit dieser Werbeaktion nichts zu tun, hat jedoch auf meine Veranlassung seinen Importeur gebeten, künftig von derartigen Anzeigen abzusehen. Dr. Lindrath Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959 3475 Anlage 14 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hansing (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 27): Ist die Bundesregierung in Anbetracht der angespannten Beschäftigungslage in der Werftindustrie bereit, im Interesse einer Förderung des deutschen Schiffsexportes die Laufzeit der von ihr übernommenen Sicherung und Gewährleistung für Ausfuhrgeschäfte (Hermes-Garantien) zu verlängern? Der angespannten Beschäftigungslage in der deutschen Werftindustrie hat die Bundesregierung seit geraumer Zeit insofern Rechnung getragen, als sie Bürgschaften und Garantien für Schiffsverkäufe in das Ausland auch dann übernimmt, wenn die Kaufpreise nicht bei Ablieferung der Schiffe voll bezahlt, sondern teilweise kreditiert werden. Dabei wird erwartet, daß der ausländische Käufer des Schiffes 20 bis 50 % des Kaufpreises bis zur Ablieferung, den Rest innerhalb von 3 bis 5 Jahren bezahlt. In Vertretung Westrick Anlage 15 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Verteidigung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Felder (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. Februar 1959, Drucksache 854, Frage 29): Was hält der Herr Bundesverteidigungsminister von dem Versuch des Presseoffiziers der 1. Gebirgsjäger-Division in Mittenwald, in eigenen Lehrgängen sogenannte Truppenberichterstatter auszubilden? Teilt der Herr Minister die in Pressekreisen herrschende Auffassung, daß eine verstärkte Public-Relations-Arbeit det Bundeswehr nach dieser Methode nur dann nicht in schädlichen Dilettantismus und in politische Einseitigkeit (s. frühere P.K.Berichter) ausartet, wenn die verantwortlichen Presseoffiziere den Truppenberichterstattern einen periodischen und unmittelbaren Kontakt zur politisch unabhängigen und zur parteigebundenen Presse (Besuch von Zeitungsverlagen, Vorträge von Berufsjournalisten u. a.) ermöglichen? Bisher wurden in zwei Divisionen des Heeres Kurzlehrgänge durchgeführt, um geeignete Soldaten für die Unterstützung der Presseoffiziere bei den Divisionen zu gewinnen. Für diese Kurzlehrgänge wurden Journalisten gewonnen, die die Lehrgangsteilnehmer in die Pressearbeit eingeführt haben. Außerdem wurden örtliche Zeitungsbetriebe besichtigt. Die ersten Lehrgänge haben ein überwiegend positives Echo in der Presse gefunden. Die wenigen negativen Äußerungen in der Presse beruhten offensichtlich auf Mißverständnissen, die inzwischen als ausgeräumt angesehen werden können. Ein abschließendes Urteil über die Truppenberichterstattung läßt sich erst auf Grund weiterer Erfahrungen fällen. Hierbei werden die von der Öffentlichkeit, insbesondere der Presse selbst gegebenen Anregungen berücksichtigt werden. Strauß Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Wirtschaft auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hansing (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Frage 34) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkung des geplanten Kohlezolls auf die wirtschaftliche Situation der Schifffahrt und der Werftindustrie? Teilt die Bundesregierung die Ansicht, daß die auf eine Drosselung der Kohleneinfuhr und damit auf eine Einschränkung der Kohlenfracht abzielende Maßnahme der Einführung eines Kohlenzolls zu einem Rückgang des Reparaturgeschäfts und zu Stornierungen von Kohlenfrachteraufträgen bei den Werften führen wird? Was gedenkt — falls diese Ansicht geteilt wird — die Bundesregierung in Anbetracht der ohnehin ernsten Beschäftigungslage der Werften hiergegen zu tun? Die mit der Einführung eines Kohlezolls angestrebte und wegen der Entwicklung der Feierschichten und der Halden an der Ruhr dringend notwendig gewordene Verminderung der Kohleeinfuhren wird sich bedauerlicherweise in einem gewissen Ausmaß auf die Beschäftigung der Schiffahrt auswirken. Es ist möglich, daß sich diese Situation auch auf die Beschäftigung der Werften auswirken wird, obwohl m. E. die Zurückhaltung der Reeder bei der Vergabe von Aufträgen viel mehr durch die lang andauernde Frachtenbaisse zu erklären ist. Soweit ich unterrichtet bin, liegen insbesondere bei schleswig-holsteinischen Werften in Kiel und Flensburg Neubauaufträge für Kohlentransportschiffe vor. Inwieweit diese bereits abgeschlossenen Aufträge durch einen Kohlezoll in ihrer Realisierung gefährdet sind, kann z. Z. nicht übersehen werden. Die vorliegende Anfrage kann heute nicht eingehender beantwortet werden, da die Untersuchungen, in welchem Umfang ein Kohlezoll sich auf die wirtschaftliche Situation der Schiffahrt und der Werftindustrie auswirken wird, wegen der Kürze der Zeit noch nicht abgeschlossen werden konnten. In Vertretung Westrick Anlage 17 Schriftliche Antwort des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Pohle (Fragestunde der 61. Sitzung vom 18. 2. 1959, Drucksache 854, Frage 37): Wie hoch werden nach dem gegenwärtigen Stande des Bundesversorgungsgesetzes die Einsparungen Im Kriegsopferhaushalt in den nächsten 5 Jahren voraussichtlich sein, wenn der zu erwartende natürliche Abgang von Versorgungsberechtigten als Grundlage der Schätzung verwandt wird? Auf Grund der gegenwärtig geltenden Fassung des Bundesversorgungsgesetzes werden in den nächsten 5 Jahren bei unveränderten wirtschaftlichen Verhältnissen voraussichtlich Minderausgaben, von Jahr zu Jahr errechnet, in Höhe von insgesamt 476 Millionen DM erwartet. Blank
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans August Lücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es ist immer eine mißliche Sache, wenn man eine Prognose stellen will. Aber mir will scheinen, daß die Aussprache über den Grünen Plan und den Grünen Bericht, alles in allem gesehen, in einer günstigeren Atmosphäre stattfinden kann und wird, als es in den vergangenen Jahren der Fall war.
    Wir haben in der vergangenen Woche aus dem Munde des Ministers Dr. Lübke die Erklärung der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft auf Grund des Grünen Berichts für das Wirtschaftsjahr 1957/58 gehört. Herr Minister Lübke konnte seine Ausführungen in der Erkenntnis zusammenfassen, daß nach den Ergebnissen des Grünen Berichts die Landwirtschaft im abgelaufenen Wirtschaftsjahr zweifellos einen erfreulichen Schritt nach vorn in der Gestaltung ihrer Einkommensverhältnisse und ihrer Lage ganz allgemein im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verzeichnen konnte. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß eine bessere Ernte als in den vergangenen Jahren an dieser Entwicklung einen wesentlichen Anteil hat.
    Ich erinnere mich dabei, daß ich bei früherer Gelegenheit Herrn Minister Lübke einmal sagte, unser Herrgott müsse ihn offensichtlich besonders lieb haben, da er ihn so züchtigte, weil der Minister seit der Übernahme des zweifellos dornenvollen Amtes als Landwirtschafts- und Ernährungsminister sich drei mißlichen Jahren mit drei schlechten Ernten gegenübergestellt sah. Ich darf das etwas ergänzein und sagen, daß der Herrgott auch eine Einsicht mit ihm gehabt hat; er hat ihm nach drei schlechten Ernten zur Abwechslung auch einmal eine bessere beschert, die ihm das Wirken und die Verantwortung in der deutschen Agrarpolitik sicher etwas leichter gemacht hat. Ich glaube aber, daß daran auch die Leistung und der Einsatz der Menschen, die in der deutschen Landwirtschaft tätig sind, ihren Anteil haben.
    Ich bin sicher, Sie sind mit mir der Meinung, daß aus den Aussagen und Zahlen des Grünen Berichts zweifellos das Bemühen unserer deutschen Landwirtschaft spricht, ihre Chancen mit aller Kraft zu nutzen, mit einem unerhört großen Willen mit dabeizusein, ihre Kraft selber zu mobilisieren, um den Anschluß an die allgemeine Entwicklung unserer Wirtschaft zu finden.
    Drittens haben die Agrarpolitik der Regierung und dieses Hauses, insbesondere auch der nimmermüde Einsatz unseres Bundesministers Dr. Lübke mit seinen Mitarbeitern, ein übriges dazu getan, um — wie er sich in der Regierungserklärung sehr bescheiden ausgedrückt hat — mit sehr viel Geduld und Zähigkeit dem landwirtschaftlichen Berufsstand und den Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Der schöne Sonnenschein heute reizt zu einem Vergleich, nachdem es um die Landwirtschaft, die ja sehr naturverbunden ist, geht. Ich habe den Eindruck, daß in den letzten anderthalb Jahren die Sonne der Erleuchtung auch ihren Teil dazu beigetragen hat, um die allgemeine Atmosphäre für die Agrarpolitik zu verbessern. Wenn wir uns an die Auseinandersetzungen vergangener Zeiten erinnern, so können wir dankbar feststellen, daß inzwischen in der geistigen Gestaltung unserer Agrarpolitik, in der Ideengestaltung des zweckmäßigsten und besten Weges unserer Agrarpolitik offensichtlich eine größere Einmütigkeit Platz gegriffen hat. Wir dürfen daher hoffen, daß wir mit gemeinsamen Kräften um so besser und schneller zum Ziele kommen.
    In der Tat weisen die Regierungserklärung und der Grüne Bericht in diesem Jahr an Hand von Zahlen besonders deutlich nach, daß die Landwirtschaft in der Bundesrepublik nach wie vor in einer sehr stürmischen Entwicklung begriffen ist und daß sie sich mit dem Einsatz aller Kräfte bemüht, nicht nur den Anschluß an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in unserem Lande zu finden, sondern auch mit Erfolg den großen Schritt zu tun, dessen Notwendigkeit sich aus dem Hineinwachsen der deutschen Landwirtschaft, der deutschen Wirtschaft in den gemeinsamen Europäischen Markt ergibt.
    Die Leistungen der deutschen Landwirtschaft, die in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht mehr aussagen als manche schönen Worte, die man häufig hört, und die sich in den nüchternen Zahlen des Grünen Berichts ausdrücken, zeugen dafür, daß die Landwirtschaft im letzten Jahr noch ,stärker als in den vergangenen Jahren zu dem gesamtwirtschaftlichen Aufstieg und zur Entwicklung unseres Wohlstandes beigetragen hat. Sie hat mit dem Abschluß dieses Wirtschaftsjahres einen Anstieg der Nahrungsmittelerzeugung um 36 % über das Vorkriegsniveau zu verzeichnen. Das ist angesichts der Verhältnisse in der Bundesrepublik sehr bemerkenswert. Ich verweise nur darauf, daß seit dem letzten Krieg 7, 8 oder sogar knapp 10 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen worden sind. Trotz dieses Verlustes an Fläche ist die Produktion um mehr als ein Drittel über die Vorkriegshöhe angestiegen. Damit ist ein Grad der Selbstversorgung erreicht worden, der von dem Bericht der Bundesregierung mit 78 % des eigenen Bedarfs im Lande ausgewiesen wird. Das ist ein Selbstversorgungsgrad, wie wir ihn in der Vorkriegszeit kannten; wir haben also trotz der Amputationen und schmerzlichen Ent-



    Lücker (München)

    wicklungen im Gefolge des letzten Krieges wieder einen Selbstversorgungsgrad wie in früheren Zeiten erreicht.
    An dieser Stelle sollte man einige Bemerkungen zu dieser Leistung anfügen. In der letzten Zeit ist nicht nur in unserer nationalen Agrarpolitik, sondern noch sehr viel stärker in der internationalen Agrarpolitik, insbesondere auch in den Diskussionen des Parlaments der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, häufig die Frage „Autarkie, ja oder nein" aufgetaucht. Es wird der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, aber auch zum Teil der deutschen Agrarpolitik von außen der Vorwurf gemacht, sie verfolge eine Politik der Autarkie oder der hermetischen Abschließung nach außen. Ich glaube, es ist notwendig, das zu unterstreichen, was dazu Minister Lübke im Namen der Regierung an dieser Stelle in der letzten Woche gesagt hat. Ich möchte aber auch auf die offiziellen Ausführungen hinweisen, die Präsident Hallstein und Vizepräsident Mansholt für die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verschiedentlich zu diesem Thema gemacht haben.
    Angesichts der allgemeinen politischen Verhältnisse in der Welt, auf die ich hier nicht näher eingehen will, angesichts dieser Situation, die gerade unserem Volk in der Bundesrepublik zu ganz besonderer Aufmerksamkeit und Wachsamkeit Anlaß gibt, sind wir, glaube ich, gut beraten, wenn wir uns immer der Tatsache bewußt bleiben, daß eine gute Agrarpolitik im Rahmen der Gesamtpolitik stets eine Politik der offenen Tür, eine Politik der Verständigungsbereitschaft, vor allem eine Politik der ständigen Zwiesprache mit den Völkern der Welt sein muß, die gleich uns bereit sind, ihre Existenz und ihre Freiheit mit allen Mitteln zu wahren und zu verteidigen. Das ist auch die Maxime für unser Denken in der Agrarpolitik. Wir sollten durch rechtzeitige Kontakte und Gespräche mit unseren Freunden und Partnern in der Welt zum Wohl aller Völker die Möglichkeiten ausloten, die nun einmal gegeben sind.
    Herr Minister Lübke hat in der Regierungserklärung in diesem Zusammenhang so etwas mit Wehmut auf seine Position bei den GATT-Verhandlungen in Genf hingewiesen. Er meinte, daß er mit seinen engeren Mitarbeitern gewissermaßen als einziger diese Position dort verteidige. Man konnte aus den Worten fast entnehmen, daß er dieses Alleinsein innerlich bedauerte. Nun, Herr Minister Lübke, ich glaube nicht nur von mir aus und im Namen meiner Freunde, sondern sicherlich auch im Sinne der Mehrheit dieses Hauses wenigstens sagen zu können: wir haben mit Anerkennung und Genugtuung zur Kenntnis genommen, welchen Standpunkt Sie — sicherlich nicht für sich oder für Ihre Funktion als Landwirtschafts- und Ernährungsminister, sondern für die gesamte Bundesregierung und für die Gesamtpolitik dieser Regierung - in den GATT-Verhandlungen in Genf vertreten haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sind der Meinung, daß Sie diesen Standpunkt nicht nur mit sehr großem Geschick und in einem Maße, das Anerkennung verdient, vertreten haben, sondern daß Sie diesen Standpunkt auch mit Erfolg — wenigstens bisher — vertreten konnten, im wohlverstandenen Interesse unserer Landwirtschaft und — ich möchte bewußt hinzufügen — auf lange Sicht gesehen wohl auch im wohlverstandenen Interesse sogar derer, die in der GATT-Konferenz glaubten, mit Recht oder mit guten Gründen den deutschen Standpunkt attackieren zu müssen.
    Sie haben sehr überzeugend dargelegt — das ist in Ihrer Regierungserklärung vielleicht etwas kurz behandelt worden —, daß der Handel, den unsere Bundesrepublik mit den europäischen Ländern und mit Übersee treibt, darauf fußt, daß wir zwei Drittel der gewerblichen Produktion der Bundesrepublik in die europäischen Länder ausführen und daß diese Länder im wesentlichen mit Agrareinfuhren bezahlen. Damit wird schon ein gewisser Grundmechanismus unserer Handelspolitik sichtbar, und Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es zu einer Verwirrung in den internationalen Handelsströmen führen müßte, wenn man etwas an diesem Grundgefüge änderte.
    Ich glaube also, daß es auf lange Sicht gesehen richtig ist — und es scheint sich ja nun auch anzubahnen —, wenn man innerhalb der GATT-Konferenz anerkennt, daß man die landwirtschaftlichen Produkte im internationalen Handel nicht so wie die Produkte der industriell-gewerblichen Wirtschaft behandeln kann. Hier herrschen nun einmal andere Bedingungen in der Produktion, auf dem Markt, im Absatz, und diesen Bedingungen muß man Rechnung tragen.
    Wenn ich die letzten Äußerungen maßgeblicher Persönlichkeiten über die Entwicklung der Dinge in der GATT-Konferenz richtig verstehe, dann scheint sich auch durchzusetzen, daß man sich in dieser Konferenz für Überlegungen und Gedanken aufgeschlossen zeigt, die Sie, Herr Minister Lübke, dort vorgetragen haben und die offensichtlich im Laufe der Zeit dort doch auf fruchtbaren Boden gefallen sind. Ich glaube, wir sollten Ihnen in unserer Gesamtheit auch für das Wohl der gesamten deutschen Wirtschaft ruhig mit auf den Weg geben, daß wir weder aus der nationalen, aber erst recht nicht aus der internationalen Sicht eine Veranlassung haben, die Marschroute und die Verhandlungslinie, den Standpunkt, den die Bundesrepublik bisher in der GATT-Konferenz bezogen und verteidigt hat, für die Zukunft aufzugeben.
    Wenn ich es richtig sehe, haben wir gerade in der jüngsten Zeit Gelegenheit genug gehabt, an Hand der praktischen Entwicklungstatbestände unserer Gesamtwirtschaft zu überlegen, ob wir nicht doch hier und dort mit anderen Methoden, mit anderen Überlegungen an die Meisterung der Aufgaben herangehen müssen, die uns gestellt sind.
    Wenn man die Diskussionen z. B. über die Kohlesituation, über die Textilsituation und — in den letzten Tagen beginnend — über die Stahl- und Eisensituation in diesem Hause und auch in den europäischen Gremien aufmerksam verfolgt, überkommt einen als Agrarpolitiker heute die Ver-

    Lücker (München)

    suchung, zu sagen: Na, die Argumente, die heute hier vorgebracht werden, hast du doch schon einmal gehört; die hast du vielleicht in den letzten Jahren selbst schon häufig genug dargelegt und publiziert. Man hat die Argumente, die wir in den letzten Jahren für die Agrarpolitik häufig gebraucht haben, in dieser Zeit oft etwas abgetan, oder man wollte sie nicht für voll nehmen, weil man meinte, sie seien eine Sünde wider den Geist. Nun, heute, wo es um andere Produktionszweige unserer Wirtschaft geht, haben diese Argumente offensichtlich sehr viel von ihrer Attraktivität wiedergewonnen, und wir sehen sie heute auch für diese Produktionszweige angewendet.
    Ich richte mich nicht dagegen; ich halte sie für richtig. Aber ich glaube, wir sollten daraus auch die Nutzanwendung ziehen, daß wir sicherlich sehr viel besser fahren, wenn wir gegenseitig für die Besonderheiten unserer wirtschaftlichen Situation Verständnis zeigen und aus diesem Verständnis auch jene Kraft entfalten, die uns befähigt, gemeinsam diese Probleme zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Diese Argumente könnten wirklich der Agrarpolitik entliehen sein. Aber ich will hier kein geistiges Urheberrecht hierfür begründen. Wir können nur hoffen, daß sie im wohlverstandenen Interesse der Gesamtwirtschaft zum festen Allgemeingut werden. Man möge daraus erkennen, daß man, um praktische wirtschaftliche Aufgaben zu meistern, ab und zu schon einmal Abstriche von theoretischen Modellüberlegungen hinnehmen muß. Ich erinnere mich dabei recht gern eines Wortes des deutschen Philosophen Hegel. Er wurde einmal darauf angesprochen, daß seine Theorien mit der Praxis nicht immer übereinstimmten. Man sagte ihm: Das ist zwar sehr schön, was Sie sagen, aber das paßt doch nicht auf unsere Situation; die Tatsachen sind doch anders. Da soll er geantwortet haben: Um so schlechter für die Tatsachen. - In der Tat sind wir alle dazu verurteilt, aus den praktischen realen Gegebenheiten, aus dem, was ist, eine Lösung zu finden, die praktikabel erscheint.
    Ich sagte schon, daß es sehr starke Parallelen zwischen der agrarischen Urproduktion und den industriellen Grundstoffindustrien gibt, und daß man den Zusammenhang mit den handelspolitischen Strömen zwischen unserer Wirtschaft und den europäischen Ländern und der Welt sehen muß.
    Ich will damit wieder einmal von dieser Stelle aus deutlich machen, daß unsere Wirtschaft ein unteilbares Ganzes ist und daß es deshalb notwendig ist, eine Wirtschaftspolitik in ihrer Gesamtheit zu formulieren und zu praktizieren, die für alle Bereche der Wirtschaft Gültigkeit besitzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Daß sich die Landwirtschaft nicht etwa einem Dornröschenschlaf hingibt, zeigen wiederum die eindrucksvollen Zahlen des Grünen Berichts. Die in der Landwirtschaft tätigen Menschen haben seit dem Jahre 1950 ihre Leistung pro Kopf um 59 %
    gesteigert. Das ist eine für frühere Begriffe kaum glaubliche Steigerungsrate des Einsatzes menschlicher Arbeitskraft und ihrer Hilfsmittel. Wenn wir zu dieser Produktionssteigerung die Vergleichszahlen heranziehen und feststellen, daß die übrige Wirtschaft im gleichen Zeitraum ihre Leistung nicht um 59, sondern um 28 % steigern konnte, dann müssen alle diejenigen verstummen, die uns das Märchen weismachen wollen, daß die Landwirtschaft in einem Naturschutzpark lebe oder leben wolle, daß sie nicht ihre voll anzuerkennende Leistung im Rahmen der Gesamtwirtschaft erbringe. Die Zahlen sind der Ausdruck einer stürmischen Entwicklung, eines großen Einsatzwillens der Menschen in der Landwirtschaft, ihren vollgültigen Beitrag zu unserer gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu leisten.
    Auch im internationalen Vergleich können sich diese Zahlen durchaus sehen lassen. Sie stehen weder am Ende noch in der Mitte, sondern rangieren an der Spitze der Leistungen, die in anderen Ländern von der Landwirtschaft erzielt werden konnten.
    Zweifellos, mit diesen stolzen Zahlen ist ein schmerzlicher Prozeß angesprochen. Die Steigerung der Produktivität, die Steigerung der Einzelleistung in der Landwirtschaft hängt natürlich mit dem schmerzlichen Umstellungsprozeß zusammen, von dem so häufig in diesem Hause die Rede war. Wir haben uns daran gewöhnt, das mit dem Begriff eines tiefgreifenden Strukturwandels zu bezeichnen.
    Wir haben dem Grünen Bericht entnommen, daß in dem gleichen Zeitraum die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe unter 10 ha um rund 191 000 abgenommen hat. Erfreulicherweise hat die Zahl der Betriebe von 10 bis 20 ha in der gleichen Zeit um 19 000 und die der Betriebe von 20 ha an aufwärts um 7000 zugenommen. Was also aus der hauptberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit ausscheidet, kommt im wesentlichen jenen Betriebskategorien zugute, die wir im allgemeinen als das Rückgrat einer gesunden, landwirtschaftlichen Struktur unserer Familienbetriebe bezeichnen.
    In dem gleichen Zeitraum sind die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft weniger geworden. Wir hatten am Beginn dieser Entwicklung, im Jahre 1950, noch 3,7 Millionen Vollarbeitskräfte und stehen heute nach den Zahlen des Grünen Berichts bei 2,7 Millionen. In diesen 7 Jahren hat also die Zahl der Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft um 1 Million — das sind rund 27 % — abgenommen.
    Diese Zahlen sind sehr eindrucksvoll. Sie müssen nach zwei Seiten bewertet werden. Wir haben damit — um noch einmal die Leistung je Arbeitskraft zu unterstreichen — den Stand erreicht, daß die Fläche, die 1950 noch mit 28 Arbeitskräften bewirtschaftet wurde, heute mit 20 Arbeitskräften bewirtschaftet wird. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich eine ungeheure Leistung.
    In den Diskussionen der letzten Zeit auf nationaler und wieder auf internationaler Ebene wird

    Lücker (München)

    dieses Problem in den verschiedensten Variationen abgewandelt. Es werden Zahlen von Menschen genannt, die die Landwirtschaft auch in Zukunft noch verlieren müsse, und mitunter haben diese Zahlen, ich will mich vorsichtig ausdrücken: einen etwas unvorsichtigen Akzent. Wir bejahen im Prinzip diese gesunde Entwicklung, weil die Menschen, die aus der landwirtschaftlichen Erzeugung und Tätigkeit ausscheiden, nicht der Beschäftigungslosigkeit anheimfallen; vielmehr war es bei der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung möglich, diesen Menschen gleichzeitig, ja, ich möchte sogar sagen: vor ihrem Ausscheiden aus der hauptberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit eine andere Erwerbsquelle zu bieten, aus der sie ein gleiches oder häufig sogar ein besseres Einkommen erwirtschaften konnten. Darauf ist der Akzent zu legen. Wir möchten uns gegen alle Verleumdungen wenden, daß man hier bei uns eine Politik verfolge, die Bauern von ihrem Grund und Boden zu vertreiben, wie das in Propagandaorganen jenseits der Elbe behauptet wird.

    (Abg. Kriedemann: Aber leider nicht nur da!)

    — Leider nicht nur da. — Für uns liegt der Akzent darauf, daß diesen Menschen — und darauf kommt es letzten Endes an — bei der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit einer anderen, nicht geringer zu bewertenden Tätigkeit die Chance gegeben wird, sich ein soziales Lebensniveau zu sichern, das mit dem ihrer Mitmenschen verglichen werden kann. Daß wir jenen Menschen diese Hilfe leisten, das ist das Entscheidende. Ich glaube, es ist notwendig, hier zu sagen, daß in Zukunft durch die Verlagerung industrieller Produktionskapazitäten in die landwirtschaftlichen Sanierungsgebiete vielleicht noch mehr Hilfestellung als schon bisher gegeben wird.
    Selbstverständlich hat diese Entwicklung, die Freisetzung der Arbeitskräfte, Konsequenzen auf anderen Gebieten. Wir finden diese Konsequenzen am deutlichsten in der Investitionstätigkeit der Landwirtschaft, die sich in diesen Jahren abzeichnet, bestätigt. Die Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft hat in diesem gleichen Zeitraum pro anno eine Steigerung um rund 1 Milliarde DM erfahren, und sie steht heute bei etwa 2,4 Milliarden DM jährlich. Dabei sind insbesondere die Steigerungsraten der Investitionen für die Anschaffung von Maschinen als Ersatz für weggehende Arbeitskräfte und der Investitionen für den Neu- und Umbau von Gebäuden zu erwähnen.
    Herr Minister Lübke hat in seiner Regierungserklärung an zwei Beispielen deutlich gemacht, daß sich diese Investitionstätigkeit, die zu einem Strukturwandel und zu gesünderen Betriebsgrößen in der Landwirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe führt, nicht allein für den Betrieb und für die Betroffenen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft rentiert. Er konnte darauf hinweisen, daß die Rationalisierung in den Molkereien insbesondere im Süden unseres Bundesgebietes dazu geführt hat, daß den Erzeugern im dortigen Gebiet pro Liter abgelieferter Milch 21/4 Pf mehr ausgezahlt werden konnten. Der Mehrerlös pro Liter Milch mag bescheiden erscheinen. Es ist hier aber eine nennenswerte
    Chance gegeben, über diese Maßnahme das Einkommen der Landwirtschaft zu verbessern.
    In den letzten Wochen ist hier und dort gesagt worden, daß sich die Investitionen für den Maschinenpark der Landwirtschaft, gemessen an den Kosten für die menschliche Arbeitskraft, nicht rentierten. Auch dazu hat Herr Minister Lübke unter Bezugnahme auf den Grünen Bericht des letzten Jahres erklärt, daß sich die Maschinenkosten in der Landwirtschaft sehr wohl rentieren und damit volkswirtschaftlich zu Buch schlagen. Sie liegen nämlich pro Hektar Gott sei Dank niedriger als die Kosten der menschlichen Arbeitskraft. Das ist natürlich je nach Betriebsgröße und Betriebssystem verschieden. Aber im großen und ganzen ist diese Feststellung richtig.
    Wenn wir nun einen Blick auf die Verdienstseite werfen, auf das, was für die in der Landwirtschaft Tätigen herauskommt, so sehen wir, daß sich die Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft ebenfalls gebessert haben. Die Regierungserklärung stellt fest, daß sich die Differenz von 33 % auf 26 % verringert habe. Das Einkommen liegt also noch 26 % unterhalb des vergleichbaren gewerblichen Einkommens in den ländlichen Bezirken. Damit ist festgestellt — ich glaube, daß weder den Herrn Minister noch die Regierung diese Feststellung besonders überrascht —, daß das Ziel, das sich das Landwirtschaftsgesetz gestellt hat, noch nicht erreicht ist. Aber ich glaube, jeder, der schon bei Beginn der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes mit dabei war, weiß — alle anderen wissen das auch —, daß dieses Problem nicht in einem Jahr, nicht in zwei, auch nicht in drei, vier oder fünf Jahren befriedigend zu lösen ist. Das Entscheidende ist, daß eine Entwicklung gesichert ist, die schrittweise eine Lösung dieses Problems herbeiführt. Unser Wunsch geht natürlich dahin, daß das in möglichst kurzer Zeit der Fall ist. Es konnte ja auch nachgewiesen werden, daß die Entwicklung bereits schrittweise vorankommt, daß keine Rückschläge eingetreten sind und daß wir in diesem Jahr einen besonders großen Schritt nach vorne getan haben.
    Ich will hier sine ira et studio, nur um ein offenes Wort dazu zu sagen, folgendes aussprechen: Wenn man die Lohndifferenz auf die 2,7 Millionen Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft umrechnet, dann ergibt sich noch allein auf diesem Sektor eine Differenz, die zwischen 2 und 2,3 Milliarden DM liegt. Ich nenne diese Zahl nur, um deutlich zu machen, wie groß die Aufgabe ist, die nach wie vor noch vor uns steht. Daraus müssen wir die Verpflichtung ableiten, auf dem erfolgreich beschrittenen Weg weiterzufahren.
    Als Resümee darf ich folgendes sagen: Wenn man sich die Frage stellt, ob diese Agrarpolitik richtig oder falsch war, muß man sagen: sie erforderte und erfordert zwar sehr viel Geduld und sehr viel Zähigkeit, wie der Minister auch gesagt hat, aber sie war richtig. Ich weiß nicht, ob man diese Politik mit größeren und schnelleren Etappen hätte zum Erfolg führen können. Ich glaube daher, daß ich das
    3418 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode 64. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 25. Februar 1959
    Lücker (München)

    ) Wort, das ich eingangs gebrauchte, auch hier wieder verwenden darf.
    Ich komme zu der Frage, welche Gesichtspunkte von uns für den weiteren Weg herauszustellen sind. In der letzten Zeit hat es — auch im Zusammenhang mit der Diskussion um den Grünen Plan — mehr oder weniger heftige Auseinandersetzungen über das Verhältnis zwischen Preisen, Subventionen und Krediten gegeben. Das ist jener Dreiklang von Maßnahmen, mit denen man der Landwirtschaft helfen will; davon habe ich hier schon früher gesprochen. Man muß sich darüber im klaren sein, daß hier ein Zusammenhang besteht.
    Ich darf bei dieser Gelegenheit feststellen, daß auch auf dem Sektor der Preise in den vergangenen Jahren einiges getan wurde. Es war möglich, den Index der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in steter Aufwärtsentwicklung näher an den Index der industriellen Erzeugerpreise heranzuführen. Es ist aber gut, daß der Minister schon darauf hingewiesen hat, der Preis stelle nicht den einzigen und den allein seligmachenden Regulator der Verbrauchsentwicklung dar. Es wurde als Beispiel auf die Niederlande verwiesen; dort haben wir den niedrigsten Butterpreis, aber auch den niedrigsten Butterverzehr. Man kann auf Frankreich als weiteres Beispiel verweisen. Dort haben wir den höchsten Fleischpreis und trotzdem den höchsten Fleischverzehr pro Kopf.
    Ich will mit diesen Zahlen keineswegs dartun, daß alle volkswirtschaftlich-theoretischen Überlegungen in der Praxis auf den Kopf gestellt würden; aber man muß, wie es auch der Herr Minister gesagt hat, den Zusammenhang erkennen. Man muß sich darüber klarsein: je mehr man die Hilfen streicht — mag man sie nun Subventionen oder Beihilfen nennen —, desto mehr muß man auf dem Preissektor tun; das ist die Konsequenz einer solchen Politik. Nach der bisherigen Entwicklung brauchen wir keineswegs daran zu zweifeln, daß auch in Zukunft in Übereinstimmung mit den in § 1 des Landwirtschaftsgesetzes angeführten Verpflichtungen durch eine vernünftige, kühne und doch umsichtige Politik alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die der Markt bietet, damit sichergestellt ist, daß die vom Gesetz gestellte Aufgabe schrittweise gelöst wird.
    Wir werden uns in der Agrarpolitik wohl noch auf lange Zeit des Mittels der Subventionen bedienen müssen. Diese Hilfen zielen in erster Linie darauf ab, die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion zu senken. Wir wissen sehr genau, daß wir mit dieser Hilfe wesentlich dazu beitragen können, einen Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben in der Landwirtschaft herbeizuführen. Wir werden deshalb weiterhin von diesen Hilfen Gebrauch machen.
    Als Aufgabe für die Landwirtschaft steht vor uns — ich habe das bei allen Ausführungen in den vergangenen Jahren zu diesem Punkt gesagt —, wenn wir es finanzökonomisch sehen, ein sehr großes Investitionsprogramm. Diese Investitionen müssen finanziert werden.
    An dieser Stelle darf ich sagen, Herr Minister, ich war etwas überrascht, daß Sie in Ihren Ausführungen feststellten, Sie glaubten, daß das Investitionsprogramm für die Landwirtschaft auf diese Zukunft berechnet etwa ein Drittel bis zur Hälfte des Kapitalwerts der Landwirtschaft erfordere. Ich weiß nicht, Herr Minister, ob es nicht notwendig ist, diese Zahlen noch einmal auf Grund der Feststellungen der Sachverständigen und der Wissenschaftler zu überprüfen. Wenn ich deren Resultate richtig in Erinnerung habe, sprechen sie von einem Kapitalbedarf, der sich etwa zwischen der Hälfte und zwei Dritteln des Kapitalwerts der Landwirtschaft bewegt. Aber wie dem im einzelnen auch sei, auf jeden Fall handelt es sich um ein großes Investitionsprogramm, das finanziert werden muß. Es geht um die weitere Rationalisierung in der Landwirtschaft, es geht um die Verbesserung der strukturellen Grundlagen der Landwirtschaft, und auch die Ansiedlung industrieller Produktionsstätten in den sanierungsbedürftigen ländlichen Gebieten erfordert den Einsatz von Kapital. Ich glaube, daß deswegen ein Schwergewicht auf die Kapitalmarktpolitik gelegt werden muß, auf die Versorgung der Landwirtschaft mit Kapital, das auch in den Hergabebedingungen ihrer Ertragslage entspricht. Ich möchte insbesondere auf Grund der agrarpolitischen Diskussionen im Parlament der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf diesen Tatbestand hinweisen. Dort ist in allen bisherigen Diskussionen entscheidender Nachdruck auf diese Aufgabe gelegt worden.
    Dieses Investitionsprogramm ist nun durch den Fünfjahresplan erweitert worden, den Herr Minister Lübke in seiner Regierungserklärung für die Ansiedlung der Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge in der letzten Woche hier verkündet hat. Ich will dazu jetzt nicht im einzelnen sprechen — das werden sicher andere Kollegen tun —; aber ich möchte zusammenfassend darauf hinweisen, daß wir uns um diese Aufgabe rechtzeitig und mit allem Ernst bemühen müssen. Wenn auch gegenwärtig die kapitalmarktpolitische Situation etwas günstiger zu sein scheint, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß wir in relativ günstigen Zeiten rechtzeitig vorsorgen sollten, damit wir auch dann, wenn wieder einmal etwas rauheres Klima herrscht, nicht davor zurückweichen müssen, weiter kräftig an der Lösung dieser Aufgabe zu arbeiten.
    In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf ein Letztes hinweisen. Nachdem wir in diesem Jahre zum erstenmal im Grünen Bericht feststellen konnten, daß ein energischer Schritt nach vorn getan worden ist, ist es notwendig, auch hier noch einmal herauszustellen, daß das nicht zuletzt deswegen geschehen ist, weil in diesem Berichtsjahr gewisse Überhitzungserscheinungen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung gedämpft wurden, so daß wir von einer fast normalen Entwicklung der allgemeinen Konjunktur sprechen können. Ich bin sicherlich gegen den Verdacht gefeit, irgendwie Genugtuung darüber zu empfinden, daß diese Entwicklung vielleicht durch Tatbestände erzwungen wurde, die wir wahrscheinlich alle nicht wollen. Aber ich glaube, wenn wir uns die Tatbestände, die den Anlaß dazu

    Lücker (München)

    gegeben haben und über deren Beseitigung wir uns heute alle die Köpfe zerbrechen, vor Augen führen, dann müssen wir auch hieraus wieder die Erkenntnis ableiten, daß wir im Hinblick auf unsere gesamtvolkswirtschaftliche Entwicklung gut beraten sind, wenn wir von vornherein durch eine entsprechende Steuerung unserer gesamtwirtschaftlichen konjunkturellen Entwicklung, insbesondere bei der Lohn- und Preisentwicklung in den Bereichen, die in bezug auf die Chancen, ihre Produktivität zu steigern, besonders begünstigt sind, aber darüber hinaus für alle Bereiche der Wirtschaft ein Tempo finden, das es auch den weniger begünstigten Bereichen der Wirtschaft ermöglicht, mit der allgemeinen Entwicklung Schritt zu halten. Der diesjährige Grüne Bericht ist die Bestätigung dafür, daß das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes um so schneller und um so zufriedenstellender erreicht werden kann, je besser es uns gelingt, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von vornherein richtig zu steuern und zu sichern und sie uns nicht erst durch Tatsachen oktroyieren zu lassen, die wir eigentlich selbst bedauern.
    Aber noch eine andere Frage muß hier angeschnitten werden. Ist die Agrarpolitik, wie sie sich in den Aussagen des Grünen Berichts und des Grünen Plans niederschlägt, geeignet, ohne nennenswerten Bruch 'in die Zukunft weiterzuführen, die durch die Entwicklung zum europäischen Gemeinsamen Markt gekennzeichnet ist?
    Der Minister hat in seiner Regierungserklärung dazu einiges gesagt. Man wird wohl mit Recht glauben dürfen, daß die Konzeption der deutschen Agrarpolitik ohne wesentlichen Bruch in die gemeinsame europäische Agrarpolitik einmünden kann. Ich will mich hier sehr vorsichtig ausdrücken.
    Meine verehrte Kollegin Frau Strobel und Kollege Schmidt argwöhnen in den Diskussionen in Brüssel und in Straßburg immer, wir könnten zu sehr Gefahr laufen, die Agrarpolitik der Bundesregierung Europa überzustülpen. Ich bin nicht so ängstlich. Ich bin der Meinung, was an unserer Agrarpolitik gut ist, wird für die gemeinsame europäische Agrarpolitik nicht schlecht sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Unsere gemeinsame europäische Agrarpolitik wird um so besser sein, je mehr es uns gelingt, die besten Ideen und die besten Überlegungen aus der Agrarpolitik aller beteiligten Länder in einer Einheit zu verschmelzen, die allen Beteiligten tatsächlich zum Segen und zum Vorteil gereicht. Unlösbar ist diese Aufgabe nicht. Sie erfordert ebenfalls viel Geduld, große Zähigkeit und einiges Kopfzerbrechen, aber sie ist zu lösen. Wenn ich mir die Ideen, die noch in etwas nebulosem Zustand um das kreisen, was einmal gemeinsame europäische Agrarpolitik sein wird, vergegenwärtige, dann darf ich wohl heute bereits sagen, daß auch die deutsche Agrarpolitik durchaus in der Lage ist, zu der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik einen wesentlichen Beitrag zu leisten und ein Baustein zu sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube auch an dieser Stelle Ihnen, Herr Minister, ein Wort der Anerkennung sagen zu müssen, daß Sie sowohl in der Konferenz von Stresa als auch in den vielen Agrarministerkonferenzen des Gemeinsamen Marktes von seiten der Regierung einen entscheidenden Beitrag für die ideenmäßige Gestaltung der zukünftigen gemeinsamen europäischen Agrarpolitik geleistet haben. Wir alle sind dazu aufgerufen, auch unseren Beitrag hierzu zu leisten.
    Es sind im Grunde genommen die gleichen Probleme und die gleichen Aufgaben. Ich möchte annehmen, es werden deswegen auch die Methoden, die wir anwenden müssen, um die gemeinsame europäische Aufgabe zu lösen, nicht sehr unterschiedlich sein können. In diesem Sinne sollten wir auch unsere Aufgabe hier betrachten.
    Was mich an dieser Stelle heute auszusprechen bewegt — ich darf zusammenfassen —, sind im wesentlichen die Gedanken, daß wir auf dem so erfolgreich begonnenen Weg unserer deutschen Agrarpolitik mit Mut und Kühnheit umsichtig fortfahren sollen. Der Weg war richtig, er ist richtig, und er wird auch für die überschaubare Zukunft richtig bleiben. Wir werden unsere Anstrengungen auf dem Gebiete der Rationalisierung unserer Landwirtschaft fortsetzen. Wir werden den Strukturwandel unserer Landwirtschaft weiterhin begünstigen, indem wir noch besser als bisher die Möglichkeiten ausschöpfen, die sich uns bieten, um den Menschen, die im Zuge der Entwicklung — nicht weil wir es ihnen durch Gesetz oktroyieren, sondern, und das ist uns das Wesentliche, weil sie sich in freier, eigenverantwortlicher Entscheidung dazu bekennen — aus der Landwirtschaft freigestellt werden, zu helfen, diesen Schritt zu vollziehen. Wir werden ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, die es ihnen gestatten, sei es allein auf Grund dieser neuen Beschäftigung oder in Verbindung mit einer landwirtschaftlichen Betätigung, ein ausreichendes Einkommen zu finden.
    Wir werden sowohl auf dem Gebiete der Preise als auch durch Beihilfen, Subventionen in der landwirtschaftlichen Produktion sowie auf dem Gebiete der landwirtschaftlichen Betriebsmittel weiterhin unserer Landwirtschaft helfen und ihr jene Kapitalsummen zur Verfügung stellen müssen, die sie braucht, um ihre Aufgaben auf die Dauer voll erfüllen zu können.
    Wenn wir auf diese Weise in bescheidenem Umfang unseren Beitrag für das Gelingen einer gemeinsamen europäischen Agrarpolitik leisten, haben wir, glaube ich, die Pflicht, die uns unsere Verantwortung auferlegt, zufriedenstellend erfüllt. Wir haben damit das Unsere getan, um der deutschen und zugleich auch der europäischen Landwirtschaft eine gesicherte Zukunft zu gewährleisten, damit sie ihren Beitrag im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und auch zur Mehrung des Wohlstandes unserer Bevölkerung leisten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)






Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Herbert Kriedemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige grundsätzliche Ausführungen zu der heutigen Debatte über den Grünen Plan und den Grünen Bericht machen, während einige meiner Kollegen noch zu Einzelfragen Stellung nehmen werden. Ich möchte auch darauf verzichten, den Grünen Bericht hier noch einmal in Kurzfassung vorzutragen. Er ist seit über einer Woche in den Händen der Öffentlichkeit, der Minister hat ihn hier erläutert, und ich gehe von der Voraussetzung aus, daß die in ihm festgestellten Tatsachen und Zahlen schon Allgemeingut sind.
    Ich freue mich, auch in diesem Jahre feststellen zu können, daß der Bericht offensichtlich in der Methodik Fortschritte gemacht hat. Das bedeutet natürlich immer noch nicht, daß er sozusagen die ganze nackte Wahrheit über die Lage der Landwirtschaft enthält. Es wird ja immer noch so argumentiert, daß dieser Grüne Bericht Unterlagen für ganz konkrete Forderungen in Mark und Pfennigen enthalte. Er enthält dagegen immer noch — und das ist vielleicht überhaupt nicht zu vermeiden —starke Verallgemeinerungen. In ihm kommen immer noch nicht andere, zum Teil sehr wesentliche Einnahmen der Landwirtschaft aus Nebenbetrieben, aus Wald- einschließlich Jagdpacht in die Rechnung, über deren Erhöhung ja immer so bewegt geklagt wird.
    Darum ist unserer Ansicht nach eine weitere Verfeinerung der Methode notwendig. Wir müssen uns vor allen Dingen immer noch um die Vergleichbarkeit von Jahr zu Jahr bemühen, wie wir das schon im vergangenen Jahr hier dargelegt haben. Ich weiß, es gibt Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Methodik. Aber ich weiß auch, daß es eine Übereinstimmung unter denen, die mehr in die Zusammenhänge hineinschauen, darin gibt, daß der Bericht — vielleicht sogar notwendigerweise — methodische Fehler enthält, die seine Beweiskraft eben doch stark beeinträchtigen.
    Sie finden dafür ein Beispiel auf den Seiten 17 und 18, wo festgestellt wird, man wisse nun, daß man in den vergangenen Berichten den Lohnaufwand falsch eingeschätzt habe. Das ist keine Schande. Das ist auch sicherlich nicht böswillig geschehen, ganz bestimmt nicht. Neuere Überlegungen und eine Verfeinerung der Methode haben eben zu dieser Erkenntnis geführt. Das beweist jedoch zugleich, daß gewisse Schlußfolgerungen, die man in den vergangenen Jahren auf Grund einer anderen Einschätzung gezogen hat, nicht richtig sind und daß man eigentlich alle zurückliegenden Grünen Berichte noch einmal nach dieser neuen Methode überarbeiten müßte, wenn wirklich alles einwandfrei sein sollte.
    Es scheint mir unbedingt notwendig, daß wir sobald wie möglich in eine Überprüfung der Erfahrungen mit dem Gesetz eintreten, daß jetzt schon eine Reihe von Jahren besteht. Ich würde es dankbar begrüßen, wenn dieses Haus seinem zuständigen Ausschuß einen solchen Auftrag ausdrücklich
    erteilte. Heute ist das ja kein Tabu und kein Glaubensbekenntnis mehr. Wir haben das Landwirtschaftsgesetz im besten Willen gemeinsam gemacht, und jeder Vernünftige kann leicht einsehen, daß im Laufe der Jahre, im Laufe der Anwendung eines Gesetzes, mit dem man doch im besten Sinne des Wortes Neuland betreten hat, Erfahrungen gemacht wurden, die ausgewertet werden sollten, und zwar nicht nur von den Technikern, sondern auch unter politischen Gesichtspunkten.
    Wir haben uns das im vergangenen Jahr aus Anlaß einiger Anträge im Ernährungsausschuß vorgenommen. Leider aber haben wir bei der Arbeitseinteilung dieses Hohen Hauses für diese, wie mir scheint, sehr wichtige Aufgabe keine Zeit gefunden. Deswegen spreche ich die Hoffnung aus, daß es uns diesmal gelingt und wir recht bald damit anfangen können. Das gibt uns dann vielleicht auch die Möglichkeit, an dem Gesetz das eine und andere zu ändern, wo jetzt doch eher die Gefahr besteht, daß es zu einer Farce wird.
    In weiten Kreisen besteht immer noch der Eindruck, der Grüne Plan sei eine zusätzliche Leistung der Bundesregierung für die Landwirtschaft. In Wirklichkeit ist es ganz anders: Der Grüne Plan ist nicht etwa das Resultat der Untersuchungen über die Lage der Landwirtschaft. Als die Bundesregierung im Sommer des vergangenen Jahres den Haushaltsplan, der jetzt in der Beratung ist, verabschiedete, stand im Einzelplan 10 schon ganz genau, was für den Grünen Plan ausgegeben wird. Ich will es Ihnen offen sagen: Gerade weil mir am Landwirtschaftsgesetz liegt, ist es mir ein bißchen lächerlich vorgekommen, daß nun die Aufschlüsselung des Betrages von 3 Millionen DM so gehandhabt wurde wie in einer spießbürgerlichen Familie die Weihnachtsbescherung. Erst als der Minister hier stand und den Bericht interpretierte, wurde die Drucksache verteilt, aus der dann das Geheimnis hervorging. Wir wußten doch alle schon, daß man, um die optische Illusion möglichst nicht zu stören, im Haushaltsplan ganz bestimmte Dinge weggelassen hatte, um sie in den Grünen Plan zu verweisen. Irgendwie mußte man ja mit dem von vornherein festgesetzten Betrag über die Runden kommen und wollte doch noch den Eindruck einer Sonderleistung, den Eindruck von etwas Besonderem, etwas Zusätzlichem erhalten.
    Ich finde, das ist der Bedeutung dieser Angelegenheit nicht angemessen. Wir sollten uns also im Zusammenhang mit der Erörterung über Verbesserungen der Methodik auch einmal die Frage stellen, ob das nicht ein bißchen reeller, ein bißchen nüchterner und ein bißchen vernünftiger gemacht werden kann. Es würde der Sache sicherlich nur dienen, wenn ein solcher Auftrag des Hauses erteilt würde oder wenn sich der Ernährungsausschuß aus eigenem Entschluß dazu aufraffte. Das wäre auch die einzige Möglichkeit, mit solchen Vorstellungen wie „Sonder-Grüner-Plan" oder „Sonderbericht für Familienbetriebe" usw. usw. auf eine solide Weise fertig zu werden. Wir alle sind doch darum bemüht, dieses ernste und schwierige Problem, mit dem wir uns in dem agrarischen Teil unserer Wirtschaft heute beschäftigen müssen, auf



    Kriedemann
    eine möglichst ernste und ordentliche Weise sachlich zu lösen. Ich habe das so ausführlich gesagt, weil ich Angst habe, daß es uns eines schönen Tages mit dem Landwirtschaftsgestz genauso gehen wird wie mit der Marktordnung. Wenn wir den Kritikern, denen, die so etwas aus Grundsatz kritisieren, weil sie es eben nicht wollen, die Kritik zu leicht machen, wenn wir ihnen zu viele Ansatzpunkte für ihre mehr oder weniger freundlichen Bemerkungen geben, dann wird es sehr schwer sein, den nützlichen, wesentlichen und verteidigungswürdigen Kern dieses Gesetzes zu verteidigen. Machen wir uns doch bitte immer wieder klar: die Haushaltslage wird schwieriger, die Düsenjäger werden teurer, die Notwendigkeit, nach Einsparungsmöglichkeiten zu suchen, wird immer größer. Dann bieten sich solche Einrichtungen geradezu dazu an.
    Bei aller Einschränkung, die man bezüglich des Aussagewertes des Berichts mit seinen verallgemeinernden Feststellungen nun einmal machen muß, möchte ich doch sagen, daß er ein erfreuliches Bild bietet. Die Landwirtschaft ist ein gutes Stück aufgerückt, mindestens in bestimmten, nicht sehr kleinen Bereichen. Die gute Ernte im Berichtsjahr, die stetige Aufwärtsentwicklung der Preise und die Strukturverbesserung haben das bewirkt. Dabei handelt es sich allerdings um zwei unsichere Faktoren: Gute Ernten kann man nicht planen, und daß die Möglichkeit, Erzeugerpreise noch weiter zu steigern — soweit sie überhaupt noch besteht —, außerordentlich gering ist, hat sich ja mittlerweile in weiten Kreisen herumgesprochen.
    Um so wichtiger ist es, daß wir die als dritten Faktor genannte Strukturverbesserung mit allem Eifer und mit allem Nachdruck betreiben. Ich bin sehr dankbar dafür, daß hierzu im Grünen Bericht klare Aussagen darüber gemacht worden sind, wie sehr die Verringerung der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen und die Verringerung der Zahl der zu kleinen landwirtschaftlichen Betriebe zu der Verbesserung des Pro-Kopf-Einkommens beigetragen haben. Ich weiß, es ist gefährlich, das zu sagen, und es gehört Mut dazu; ich habe das oft genug am eigenen Leibe verspüren müssen, wenn allein die Feststellung dieser Tatsache zu mehr als nur gehässigen Unterstellungen führte. Ich verlasse mich aber darauf, Herr Minister, daß die Front der Menschen, die intelligent und anständig sind, zum Schluß für die Landwirtschaft mehr erreichen wird, als mit allen möglichen Versprechungen, die nachher doch nicht realisiert werden können, selbst wenn sie von der Regierungspartei abgegeben werden, erreicht werden kann. Die Entwicklung kann eben niemand aufhalten, es sei denn um den Preis einer allgemeinen Katastrophe. Aber mit den Folgen von Entwicklungen kann man fertig werden, wenn man sie beherzt ins Auge faßt und nicht die Augen vor ihnen verschließt.
    Ich habe sehr gern gehört, daß heute vom Herrn Kollegen Lücker der gleiche Mut vor diesem Problem bezeugt worden ist, und ich habe auch gern
    gehört, daß er dem Minister Anerkennung für seine Agrarpolitik, die diese Entwicklung unterstützt hat, gezollt hat. Nur hoffe ich, daß alles, was jetzt im Grünen Bericht steht und was der Kollege Lücker heute gesagt hat, auch in die Vortragsmanuskripte eingeht; denn wir haben es in den Verbandsorganen schon anders gelesen, und ich fürchte, Herr Minister, Sie haben es noch öfter ganz anders gehört.
    Wie die Disparität innerhalb der Landwirtschaft wächst, erkennen wir aus dem Bericht gerade dadurch deutlich, daß sich eine Verbesserung in weiten Bereichen der Landwirtschaft abzeichnet. Die Disparität wächst zum Nachteil bestimmter Bereiche. Dabei handelt es sich sowohl um Betriebsgrößen wie um Betriebstypen wie um Betriebe, die sehr marktfern gelegen sind. Das können Sie auf der Seite 53, soweit die dort aufgeführten Zahlen mit denen des vergangenen Jahres vergleichbar sind, ganz deutlich und erschreckend klar sehen. Hier ist die Tatsache zu unterstreichen, daß wir es eben in erster Linie mit einem Strukturproblem zu tun haben.
    Was haben denn unsere leistungsstarken Nachbarn uns an natürlichen Bedingungen voraus? Ich denke an Holland und Belgien. Unsere Menschen sind nicht weniger tüchtig als die, die dort Landwirtschaft betreiben. Sie haben uns in Wirklichkeit nur eine lange Tradition nüchterner, sachlich orientierter Agrarpolitik, eine bessere Struktur ihrer Landwirtschaft und eine bessere Organisation voraus. Diese innere Disparität kann man nicht dadurch beseitigen, daß man Subventionen gibt oder eine Preispolitik betreibt, mit der man die Einkommen zu steigern sucht. Hier kann man vielmehr wirklich nur mit gezielten Maßnahmen etwas erreichen. Das ist ja nicht mehr nur eine sozialdemokratische Erkenntnis — wir haben in dieser Erkenntnis allerdings eine gewisse Priorität, auf die wir zu Recht stolz sein können —, sondern der ganze Bundestag hat in zwei Entschließungen im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht, daß eben hier und da und dort angepackt werden muß mit den Mitteln, die hier und da und dort die geeigneten Mittel sind.
    Die globalen Subventionen sind nun einmal ungerecht, ganz egal, um welche es sich dabei handelt, ob etwa um die Düngemittel- oder die Milchsubvention. Man braucht noch nicht einmal das extreme Beispiel eines großen Unternehmens heranzuziehen, das Zuckerrüben nicht nur verarbeitet, sondern auch erzeugt und neben einer hohen Dividende, die es ausschüttet — sehr erfreulich für die Aktionäre —, noch Hunderttausende von Mark an Düngersubventionen bekommt, was man sich aus der Rübenanbaufläche dieses Unternehmens sehr leicht errechnen kann. Sehr viel sinnvoller sind solche globalen Subventionen auch bei der Milch nicht. Vergleichen Sie jemanden, der seine Milch in Nordrhein-Westfalen absetzt und Trinkmilch produziert — weil er so marktnahe liegt — und dessen Auszahlungspreis nahe an die 40 Pfennig herankommt, mit einem, der sich in marktferner Lage befindet, etwa im Allgäu, und der noch nicht einmal 30 Pfennig erzielt! Beiden soll geholfen werden, indem man ihnen pro Liter Milch 3 Pfennig zuzahlt, dem einen, der es entbehren kann, der darauf keinen



    Kriedemann
    Anspruch erheben kann, und dem anderen, für den das weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein ist!
    Daß diese Ungerechtigkeiten bestehen, kann man nicht wegdiskutieren oder mit verallgemeinernden Tabellen widerlegen, auch nicht mit solchen verschleiernden Behauptungen wie der, daß das ja eigentlich eine Leistung zugunsten des Verbrauchers sei, wie ich es neulich aus dem Munde von Herrn Lübke gehört habe, als er sich über die Milchsubventionen äußerte. Der Verbraucher braucht doch nicht dafür besonders zu bezahlen, daß er Milch aus gesunden Beständen bekommt! Das ist vielmehr sozusagen sein ursprüngliches Recht, damit fängt die ganze Sache erst an. Wenn die Landwirtschaft instand gesetzt werden muß, frühere Versäumnisse nachzuholen, damit sie jenem natürlichen Anspruch genügen kann, sind Subventionen durchaus am Platz; aber das sind dann eben Subventionen zugunsten der Erzeuger, zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit, — höchst notwendige Maßnahmen, wenn wir nicht eines schönen Tages erleben wollen — und im Gemeinsamen Markt werden sich dazu von Jahr zu Jahr größere Chancen bieten —, daß nur unsere Konkurrenten solche einwandfreie Ware ohne Mehrpreis auf den Markt bringen; und das wäre doch sehr peinlich.
    Es handelt sich dabei nicht um Anpassungsmaßnahmen. Der Minister hat gesagt: Warum sollen wir nicht das tun, was später einmal die Europäische Kommission sicherlich tun wird, nämlich Subventionen gewähren, um einer bestimmten Betriebsgruppe eine Hilfe zu geben oder eine bestimmte Umstellungsmaßnahme zu fördern? Jawohl! Aber das haben wir ja bisher leider nicht gemacht, wie Sie alle wissen. Es ist ja sicherlich nicht ein Zufall, daß nun ein praktischer Anfang mit dem Abbau der Subventionen gemacht wird. Darüber hinaus hat der Minister ja schon angekündigt, daß es mit der Düngersubvention noch ernster werden soll.
    Aber lassen Sie mich das sagen: es dreht sich für uns bei der Kritik an den Subventionen auch heute nicht — ebensowenig wie in den vergangenen Jahren — etwa um die Höhe des Betrages. Wir haben bei der Verabschiedung des Landwirtschaftsgesetzes ganz deutlich gesagt, es sei uns klar, daß erhebliche Mittel eingesetzt werden müßten, um unsere Landwirtschaft an die neuen Verhältnisse Anschluß finden zu lassen. Es dreht sich immer nur darum, wie dieser Betrag verteilt wird, wie er eingesetzt wird, um dieses Ziel zu erreichen, nicht um seine Höhe, sondern nur um die Methode.
    Dabei bin ich mir im klaren, daß darüber hinaus Subventionen für lange Zeit in all den Bereichen notwendig sein werden, in denen sich die nötigen strukturellen Anpassungen nicht oder erst in einem sehr langen Zeitraum durchsetzen lassen. Wir haben — nicht wir, sondern die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung — in der Richtung sicherlich viel versäumt. Sie werden mir zugeben, daß dies gerade in den Jahren der Hochkonjunktur bezüglich der Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Räumen der Fall gewesen ist, in denen Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft wegen der technischen Entwicklung, wegen all der Dinge, die Herr Kollege Lücker vorhin so treffend dargestellt hat, abwandern müssen und nun auf eine neue produktive Arbeit warten. Ich würde es ganz gerecht finden, wenn sich die Strafe für dieses Versäumnis in einem bestimmten Betrag im Haushalt niederschlüge, nämlich als Subvention an diejenigen, die ohne eigene Schuld — es sei denn, daß sie eine falsche Partei gewählt haben — Opfer dieser Versäumnisse geworden sind und die wir, jedenfalls wir Sozialdemokraten, nicht hilflos auf der Strecke lassen wollen, ebensowenig wie wir die Kasten für die Versäumnisse etwa den Verbrauchern aufgebürdet sehen wollen.
    Mit großer Genugtuung konstatieren wir also einen ersten Schritt in der immer von uns geforderten Richtung: weniger an Subventionen und mehr für die Maßnahmen zur Strukturverbesserung. Denjenigen, die sich hier schon als Kritiker dieser Entwicklung angemeldet haben, sollten wir sagen, sie mögen sich mit ihrer Kritik möglichst zurückhalten. Sie waren doch früher immer so stolz und haben gesagt, sie wollten sich nichts schenken lassen. Sollen sie sich doch jetzt auf ihren Stolz besinnen, damit sie nicht in den Verdacht geraten, daß es ihnen damals mit ihren Protesten nicht so ernst war.
    Ich will mich nicht auf Einzelheiten über die Strukturfragen einlassen; darüber wird später gesprochen werden. Aber ich möchte eines ganz deutlich sagen. Der im Grünen Plan vorgesehene größere Betrag ist unserer Überzeugung nach im vollen Umfange auch erforderlich. Ich sage das deshalb, weil ich den leisen Verdacht habe, daß er möglicherweise von hinten herum — mindestens in gewissen Teilen — zweckentfremdet werden könnte. In der Aufzählung der Aufgaben finden sich einige Positionen, die nachher in der Addition nicht wiederkehren. Ich denke dabei an die Alterssicherung für die Landwirtschaft; der Betrag darf unter gar keinen Umständen etwa von den für die Aufstockung und Aussiedlung und Flurbereinigung vorgesehenen Mitteln abgezogen werden, ebensowenig wie etwa irgendeine Hilfe für die weichenden Erben auf diese Weise finanziert werden könnte. Ich sage das mit allem Nachdruck. Das erste ist schon deswegen nicht zumutbar, weil Sie — die Mehrheit meine ich — schon damals so leidenschaftlich dagegen gekämpft haben, daß wir in den Katalog der Mittel zur Durchführung des Landwirtschaftsgesetzes die Sozialpolitik hineinnehmen wollten. Wir sind davon überzeugt, daß eine sozialpolitische Maßnahme von diesem Rang und dieser Bedeutung auch etatmäßig dahin gehört, wo die anderen sozialpolitischen Maßnahmen stehen. Darüber müßten Sie sich dann vielleicht mit Ihrem Finanzminister oder mit Ihrem Sozialminister noch einmal auseinandersetzen. Hier dürfen diese Mittel jedenfalls nicht weggenommen werden, wenn man sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, daß man nur so tut, als ob man täte, daß man so tut, als täte man mehr für die Struktur, während man in Wirklichkeit weniger dafür tut,



    Kriedemann
    weil man unter der irreführenden, mißbräuchlichen Bezeichnung „Strukturpolitik" alles mögliche andere unterbringen will.
    Das gilt auch für die Überlegungen bezüglich einer Entschädigung für die weichenden Erben. Es ist unser gemeinsames Ziel, daß kein Hof zerschlagen wird, auch dann nicht, wenn er im Erbgang an einen anderen übergeht. Aber wie sich die Familie darüber auseinandersetzt, muß sie selber wissen. Darüber kann in einem auf Privateigentum gegründeten Rechtsstaat niemand anders befinden. Wahrscheinlich kommt es doch für niemanden, auch für niemanden von der Mehrheit in Frage, etwa Steuermittel für die Abfindung von Erben aufzuwenden, die dann von Leuten aufgebracht werden müssen, die in ihrer großen Mehrheit gar nichts zu vererben haben.
    Noch einmal also: dieser größere Betrag ist für die beiden Aufgaben, für die er im Grünen Plan angesetzt ist, absolut notwendig.
    Darüber hinaus scheint es uns noch einige andere Aufgaben zu geben, über die, wie gesagt, nachher noch gesprochen werden wird. Ich will hier nur feststellen: soweit wir größere Aufwendungen wünschen, werden wir uns auch — und wir werden uns darum sowohl im Ernährungsausschuß wie im Haushaltsausschuß bemühen — um die Deckung kümmern. Unserer Überzeugung nach kann eine weitere Verbesserung des Strukturprogramms durch Einsparungen bei der Einfuhr- und Vorratstelle für Getreide sehr leicht und mit bestem Gewissen gedeckt werden. Darüber hinaus wird es nach unserer ) Meinung auch gar nichts schaden, wenn der erste kleine Schritt auf dem Wege zum Abbau der ungerechten und, wie mir scheint, wirklich unsinnigen Düngersubvention gleich noch ein bißchen größer gemacht wird. Um so schneller gewöhnen sich die Leute an die neuen Zeiten, an die Wirklichkeit.
    Nun möchte ich noch ein paar Bemerkungen zur allgemeinen Agrarpolitik am Anfang der EWG machen. Vor allem möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Gemeinsame Markt ja schon begonnen hat. Man sollte endlich aufhören, immer mit der „Schonfrist", mit den „langen Fristen" zu operieren, die wir da haben. Nein, nein, wir haben keinen Tag und keine Stunde zu verlieren.
    Ich bin sehr dankbar, daß der Minister auch hier auf die Verpflichtungen, die für uns bestehen, und auf unsere wirkliche Interessenlage hingewiesen hat. Ich meine die Stelle seiner Rede, wo er darauf aufmerksam machte, was die Aufrechterhaltung unserer Handelsbeziehungen für unseren Lebensstandard und damit für die landwirtschaftlichen Absatzchancen bedeutet. Ich will hier meine vorhin ausgesprochene Hoffnung noch einmal ausdrücken, Herr Kollege Lücker. Ich hoffe, daß alle diese Erkenntnisse, wie gesagt, in alle Rednermanuskripte eingehen, damit wir uns dann leichter darüber verständigen können.
    Ich möchte jetzt keine Getreidedebatte vom Zaun brechen, obwohl ja die Frage nach dem richtigen Getreidepreis sicher alle Gemüter bewegt, und ich hoffe, daß wir uns darüber sehr bald unterhalten
    können. Aber wir haben das Getreidepreisgesetz, und da scheint mir der richtige Platz dafür zu sein. Nur das wollte ich sagen: Der Minister hat hier an einer Stelle seiner Erklärung dargestellt, wie wir mit höheren Kosten für Futtergerste wirtschaftlicher liegen als unsere Konkurrenten. Das wäre ja eigentlich geradezu eine Veranlassung, nicht nur keine Angst vor einer Senkung der Futtergerstepreise zu haben, sondern wäre eigentlich geradezu ein Anlaß, zu sagen: Wollen wir schnell damit herunter, damit wir unsere Marktchancen noch wesentlich verbessern. Aber, wie gesagt, das wollen wir im einzelnen bei anderer Gelegenheit behandeln. Wir werden aber jetzt schon jeden bitten müssen, sich seine eigenen Gedanken über die Getreidepreisfrage zu machen, um wohlvorbereitet in die Debatte zu kommen, nachdem wir wissen, daß wir demnächst anfangen, wegen unserer hohen Getreidepreise die Franzosen zu subventionieren. Was bisher im Wege der Abschöpfung dem Finanzminister zugute kam — und das war schon höchst bedauerlich —, kommt nun, wenn wir uns nicht schnellstens einem einheitlichen Getreidepreisniveau nähern, mehr und mehr denjenigen zugute, die unter Inanspruchnahme ihrer Rechte aus dem EWG-Vertrag billiges Getreide nach Deutschland liefern, ohne Rücksicht darauf, ob wir es brauchen oder nicht. Aber es ist nun einmal so, die Frage lautet nicht mehr: Brauchen wir das?, sondern nur: Was ergibt sich zwingend aus dieser Marktgemeinschaft, und wie werden wir damit fertig?
    Mir ist bei der Meinung des Herrn Kollegen Lücker, daß das, was für Deutschland gut ist, auch für Europa nicht schlecht sein kann — so eine Art Globalempfehlung unserer Marktordnung für den größeren Raum —, eine Redensart eingefallen, die von irgendeinem wohlsituierten amerikanischen Minister stammt, der gesagt hat: Was für General Motors gut ist, ist auch für die Vereinigten Staaten gut.

    (Heiterkeit.)

    Das hat dort schon nicht gestimmt, und es stimmt auch in diesem Zusammenhang nicht. Ich will jedenfalls keinen Zweifel daran lassen, daß unbeschadet unseres Bekenntnisses zur Marktordnung auch unsere Kritik an der Marktordnung aufrechterhalten wird und daß wir uns, ehe wir die deutsche Marktordnung so als ein europäisches Modell empfehlen können, ernsthaft bemühen müssen, die Marktordnung von den Fehlern, Schwächen und Mißbräuchen zu befreien, unter denen wir sehr erheblich zu leiden haben. Ich bin also immer begierig, darüber einmal etwas vom Minister zu hören. Der Herr Minister hat neulich hier wieder behauptet, daß die Marktordnung keineswegs nur der Preisstützung und der Marktentlastung zugunsten der Erzeuger diene, sondern daß auch die Verbraucher etwas davon hätten. — Herr Minister, Sie sagten schon so, aber nehmen Sie bitte nicht einen solchen Fall, bei dem einmal notgedrungenerweise Fleischkonserven unter die Leute gebracht werden mußten, weil sie sonst verrostet oder verschimmelt wären. Das ist nicht das, was der Verbraucher von der Marktordnung zu erwarten hat. Im übrigen warten wir ja immer noch auf die von der Regierung im 2. und 3. Bundestag

    Kriedemann
    angekündigte Reorganisation dieser Einrichtungen. Wenn wir das rechtzeitig tun und uns selber rechtzeitig über die Unzulänglichkeiten, über das Übertriebene usw. im klaren werden, haben wir vielleicht eine größere Chance, unseren europäischen Nachbarn ein solches Modell anzubieten.
    Wir stehen eben vor der Notwendigkeit einer völligen geistigen Neuorientierung. Von den Vorstellungen, daß die Landwirtschaft das Volk ernähre, von den Vorstellungen der Autarkie müssen wir Abschied nehmen. Wir müssen uns mit der Notwendigkeit vertraut machen, die Erzeugung dem Verbrauch anzupassen. Dazu haben wir uns ja in mehr oder weniger feierlicher Form wiederholt im Zusammenhang mit dem Gemeinsamen Markt verpflichtet. Wir müssen dabei die Einfuhren berücksichtigen, die sich nicht etwa aus einer Unterversorgung auf Grund ungenügender deutscher Produktion, sondern aus der Notwendigkeit ergeben, Äquivalente für unseren Export zu schaffen. Der Herr Minister hat deutlich gesagt — Sie finden das auf Seite 3353 des Stenographischen Berichts —, was dieser Export für unseren Lebensstandard und damit auch für die Verkaufschancen der Landwirtschaft bedeutet. Sicher wollen wir die pflanzliche Bodenproduktion rentabel erhalten. Aber wir werden ernsthaft zu prüfen haben, in welchem Umfang das möglich ist. Wir müssen uns dabei von der Vorstellung frei machen, daß das z. B. hohe Getreidepreise bedeutet. Mindestens einige von Ihnen wissen, daß die dänische Landwirtschaft ihre Veredelungsproduktion keineswegs etwa in vollem oder nur in großem Umfang auf der Basis eingeführten Futtergetreides betreibt. Sie hat ihre Bodenproduktion rentabel gestaltet bei Preisen für Veredelungserzeugnisse, von denen wir durchaus noch etwas lernen können. Wenn neulich aus der Rede des Ministers der Eindruck entstanden sein sollte, daß wir mit unseren höheren Futtergetreidepreisen, unseren höheren Kosten also, mit den Preisen für Veredelungsprodukte etwa da liegen, wo die anderen sind, dann ist es, glaube ich, fair und notwendig, zu sagen, daß wir das nicht auf die Kosten oder auf die Preise bei Einfuhren abstellen können. Denn wir wissen ja, wie sehr unser Einfuhrsystem dazu beiträgt, die Preise zu steigern, wenn wir einführen müssen, — auch eine Frage, die im Zusammenhang mit der Handhabung der Marktordnung diskutiert werden sollte.
    Zum Schluß folgendes. Der Minister hat neulich eine Bemerkung über die Notwendigkeit der Schonung der Kaufkraft gemacht. Mir scheint, daß das eine richtige und wichtige Erkenntnis ist, die hier mit allem Nachdruck unterstrichen werden muß. Sie scheint mir eine ausgezeichnete Richtschnur für die Agrarpolitik zu sein, die wir heute zu treiben verpflichtet sind, wenn wir über die Runden kommen wollen. Diese Erkenntnis bedeutet nämlich, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Maßstäbe auch für die Landwirtschaft gelten müssen.
    Diejenigen, die mit der Praxis des landwirtschaftlichen Berufs vertraut sind, haben mitunter ein sehr ungutes Gefühl, wenn allzusehr betont wird, wie sehr man von Wind und Wetter abhänge und so weiter. So ist es ja auch nicht mehr, wie es zu Olims
    Zeiten war. Wir haben doch durch die Technik und durch die Erweiterung unseres Wissens von allen möglichen Vorgängen in der Natur auch hier schon mehr Einfluß auf den Gang der Dinge als früher, wo einem nichts anderes übrigblieb, als zu säen und darum zu beten, daß es eine gute Ernte geben möge. In der Tatsache, daß die landwirtschaftliche Produktivität, die Leistung der Landwirtschaft, so gesteigert werden konnte, wie es im Grünen Bericht steht, was sicherlich jeder schon gelesen hat — anderenfalls hat er es von dem Kollegen Lücker noch einmal vorgetragen bekommen —, liegt in erster Linie der Beweis dafür, wie groß die unaufgeschlossenen Reserven dort noch gewesen sind. Es ist völlig klar, daß der Fortschritt in den Bereichen, wo es solche Reserven gibt, viel größer ist als in den Bereichen, in denen man schon immer gezwungen war, alles herauszuholen, was nur irgendwie möglich war. Ich sage das deshalb, damit nirgendwo der Eindruck entsteht, es gehe mit der Landwirtschaft jetzt erfreulicherweise in rasendem Tempo bergauf, während unsere gewerbliche Wirtschaft Ermüdungserscheinungen in ihrer Aufwärtsentwicklung erkennen läßt.
    Die richtige agrarpolitische Zielsetzung ist für den allgemeinen Leistungsstand der Gesamtwirtschaft außerordentlich wichtig. Ein möglichst hoher Leistungsstand der Gesamtwirtschaft ist die beste Garantie dafür, daß die Landwirtschaft eine gesicherte Zukunft hat. Auch in diesem Zusammenhang dürfen wir die drohenden Zeichen der Zeit nicht übersehen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß derjenige, der zu viel verteidigt, meistens alles verliert. Wenn wir unsere gesamtwirtschaftliche Leistung und Produktivität nicht ständig steigern, werden wir unseren Lebensstandard nicht halten können und in der Auseinandersetzung zwischen den beiden großen Wirtschaftssystemen zum Schluß unsere Freiheit verlieren. Das würde die Landwirtschaft am schmerzlichsten treffen. Wenn wir sie dagegen sichern wollen, dann am besten durch eine Agrarpolitik, die für die Landwirtschaft dieselben Maßstäbe gelten läßt wie für alle anderen Wirtschaftsbereiche.
    Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß dazu Hilfen notwendig sind, daß das nicht allein aus der eigenen Kraft der bäuerlichen Bevölkerung geschehen kann. Diese Hilfen müssen aus öffentlichen Mitteln gegeben werden. Sie müssen nach intelligenteren Verfahren gegeben werden, z. B. über eine bessere Kreditversorgung. Zur Vermeidung von Fehlinvestitionen und von Reinfällen auf irgendwelche Propaganda von Leuten, die irgendeine neue Maschine verkaufen wollen, sollte man diese Kreditversorgung möglichst dadurch sichern. daß man sie mit einer .entsprechenden Beratung koppelt.

    (Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaie r.)

    Diese Beratung hat allerdings nur dann einen Sinn, wenn sie Stück einer zeitgemäßen, auf die Zukunft gerichteten, auf die neuen Bedingungen, unter denen wir hier leben und arbeiten müssen, abgestellten Agrarpolitik ist.

    (Beifall bei der SPD.)