Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung spreche ich die Glückwünsche des Hauses aus zum 60. Geburtstag dem Herrn Abgeordneten Wehking,
zum 70. Geburtstag dem Herrn Abgeordneten Dr. Leiske.
In der 60. Sitzung am 30. Januar ist der zur Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Kohlebergbau gestellte Antrag Umdruck 200 an den Außenhandelsausschuß - federführend - und an den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - überwiesen worden. Der Herr Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses hat mir inzwischen mitgeteilt, daß er wegen der Zielsetzung des Antrags Umdruck 200 die federführende Behandlung im Wirtschaftsausschuß für notwendig erachtet. Ausnahmsweise hat der Außenhandelsausschuß keine Bedenken dagegen. - Ich nehme an, daß das Haus mit dieser Änderung der Überweisung einverstanden ist.Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in dein Stenographischen Bericht aufgenommen:Am 31. Januar hat der Präsident des Bundestages in Begleitung der Vizepräsidenten Dr. Schmid, Dr. Jaeger und Dr. Preusker dem Herrn Bundespräsidenten die Glückwünsche des Hauses zu seinem 75. Geburtstag ausgesprochen und ihm ein Geschenk überreicht.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 6. Februar 1959 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Gesetz zur Abkürzung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher AufbewahrungsfristenGesetz über das Europäische Währungsabkommen vom 5. August 1955Gesetz über Rechte an LuftfahrzeugenGesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Abkommen vom 19. Juni 1948 über die internationale Anerkennung von Rechten an LuftfahrzeugenGesetz zu dem Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über dieGeltendmachung von Unterhaltsansprüchen im AuslandGesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen Gesetz zur Änderung des WasserhaushaltsgesetzesGesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 9. September 1957 zum Abkommen vom 15. Juli 1931 zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der ErbschaftsteuernGesetz zu dem Abkommen vom 31. März 1958 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über das deutsch-französische Forschungsinstitut Saint-Louis ,Gesetz zu den Vereinbarungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich, des Königreichs Dänemark, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Belgien über gegenseitige Hilfe gemäß Artikel 3 des Nordatlantik-VertragesGesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern vomRechnungsjahr 1958 an
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 27. Januar 1959 die Nrn. 6 und 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Inanspruchnahme von Leistungen durch Stationierungstruppen beantwortet. Sein Schreiben ist als zu Drucksache 756 verteilt.Der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes hat unter dem 30. Januar 1959 die Nrn. 2 bis 4 der Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Freimachung von bundeseigenen Liegenschaften für Zwecke der Bundeswehr beantwortet. Sein Schreiben ist als zu Drucksache 766 verteilt.Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 3. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Förderung des sozialen Wohnungsbaues 1959 beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 845 verteilt.Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 7. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Verhalten der Bundesregierung gegenüber Ministerialrat Dr. Strack beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 849 verteilt.Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt , Ruhnke, Margulies, Dr. Schild und Genossen betr. Raumordnung (Drucksache 808) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 851 verteilt.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 17. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fortdauernde Beschlagnahme von Wohnräumen durch die Stationierungstruppen beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 869 verteilt.Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 10. Februar 1959 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Absturz einer Maschine der Deutschen Lufthansa am 11. Januar 1959 in Rio de Janeiro beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 856 verteilt.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 31. Januar 1959 unter Bezug auf den Beschluß des Bundestages vom 29. Juni 1957 über die Freigabe des Reichssportfeldes berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 840 verteilt.Der Herr Präsident der Versammlung der Westeuropäischen Union hat dieEmpfehlung Nr. 30 betr. die Stationierungskosten und die Regelung der Verteidigungsausgaben in den WEU-StaatenEmpfehlung Nr. 29 betr. die Tätigkeit des Rüstungskontrollamtes und des Ständigen RüstungsausschussesEmpfehlung Nr. 28 betr. den gegenwärtigen Stand der europäischen Sicherheitsowie die Berichte des Ausschusses für Verteidigungs- und Rüstungsfragen, die die Begründungen zu diesen Empfehlungen enthalten, übersandt. Sie sind als Drucksache 839 verteilt worden.Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter fur die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat unter dem 8. August 1958, unter dem 22. Dezember 1958 und unter dein 29. Januar 1959 Gutachtenüber das Institut für Angewandte Geodäsie in Frankfurt einschließlich Außenstelle in Berlinüber die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnungund über die Organisation der „Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO"übersandt. Sie liegen im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 10. Februar 1959 die Empfehlung des Bundesrates zur Vierten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1959 übersandt, die als Anlage 2 dem heutigen Stenographischen Bericht beigefügt ist.Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 12. Februar 1959 auf Grund des Beschlusses des Bundestages in seiner 48. Sitzung über die Wohnungsversorgung junger Familien, die Durchführung des sozialen Wohnungsbaues und die Unter-
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3286 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Präsident D. Dr. Gerstenmaierbringung der Zuwanderer und Aussiedler berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 860 verteilt.Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 16. Februar 1959 gemäß § 20 Abs. 5 des Milch- und Fettgesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1952 die Verordnung M Nr. 1/59 über Preise für Milch übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 13. Februar 1959 unter Bezug auf § 17 Abs. 5 des Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1959 zur Kenntnisnahme übersandt, der im Archiv zur Einsichtnahme ausliegt.Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:Fragestunde .Vor Aufruf der ersten Frage muß ich mitteilen, daß mich der Haushaltsausschuß gebeten hat, die von Mitgliedern seines Ausschusses gestellten Fragen vorzuziehen, damit die Ausschußberatungen nicht aufgehalten würden. Ich bedaure, damit nicht verheimlichen zu können, daß ein Ausschuß wiederum während der Plenarsitzung tagt. Es ist der Haushaltsausschuß. Ich bedaure, sagen zu müssen, daß ich mich hier gewissermaßen vor einem Fall von höherer Gewalt sehe und deshalb von meinen Grundsätzen insoweit abweichen muß, als mir im Interesse des ganzen Hauses daran liegen muß, daß wir den Haushalt rechtzeitig verabschieden. Ich habe deshalb ausnahmsweise dem Haushaltsausschuß die Genehmigung erteilt, während der Plenarsitzung zu tagen. Er bittet mich jetzt, konsequenterweise nun auch die Fragen so vorzuziehen, daß seine Mitglieder an die Ausschußberatung gehen können. — Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß wir die Fragen vorziehen. Ich hoffe, daß dadurch die anderen Fragesteller nicht benachteiligt werden.Damit rufe ich die Frage 1 — des Herrn Abgeordneten Schneider — betreffend Beschäftigungsaussichten der Werften auf:Wie beurteilt der Herr Bundeswirtschaftsminister die weiteren Aussichten des Schiffbaues und damit die zu erwartende Beschäftigungslage auf den deutschen Werften?Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zur Zeit noch anhaltende Baisse auf dem Frachtenmarkt und die dadurch verminderte Rendite in der Schiffahrt veranlaßt die Reeder zur Zurückhaltung in der Vergabe von Schiffbauaufträgen. Dies wirkt sich jedoch nicht nur bei den deutschen Werften, sondern in gleicher Weise auch bei den ausländischen Werften durch das Ausbleiben von Anschlußaufträgen an den vorliegenden Auftragsbestand sowie durch Stornierungen und in einem gewissen Umfange auch durch Annullierungen von Neubauaufträgen aus. Im Jahre 1958 wurden bei den deutschen Werften Aufträge in einem Gesamtwert von rund 200 Millionen DM annulliert. Bei der Beurteilung der Beschäftigungslage der deutschen Werften ist zu berücksichtigen, daß der Schiffbau mit einem beachtlichen Prozentsatz seiner Kapazität vom internationalen Schiffbaumarkt abhängig ist. Die Entwicklung dieses Marktes, die wiederum von der des internationalen Frachtenmarktes abhängt, wird sich zu einem gewissen Umfang stets in der Beschäftigung der deutschen Werften widerspiegeln.
Die deutschen Werften verfügen zur Zeit über einen Auftragsbestand von etwa 3,5 Millionen Bruttoregistertonnen, der sich überwiegend auf die Großwerften verteilt und diese noch für eine längere Zeit beschäftigt, vielleicht für anderthalb bis zwei Jahre. Bei den mittleren und kleineren Werften dagegen wird sich bereits im Laufe dieses Jahres das Ausbleiben von Anschlußaufträgen auswirken. Eine Verbesserung des Auftragseinganges wird erst nach der Stabilisierung des Frachtenmarktes zu erwarten sein.
Deshalb ist zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem Bundesministerium für Verteidigung Einigung darüber erzielt worden, daß Aufträge aus dem Hilfsschiffsprogramm der Marine weitgehend den mittleren und kleinen Werften zufließen sollen. Im Laufe des Jahres wird aus diesem Programm, dessen Abwicklung sich über etwa drei Jahre erstrecken wird, mit der Vergabe entsprechender Aufträge durch die Bundesmarine begonnen werden.
Die Erhaltung der von den deutschen Werften erreichten Position auf dem Weltmarkt setzt voraus, daß Möglichkeiten für langfristige Exportfinanzierungen geschaffen werden. Es treten immer häufiger Forderungen nach längeren Zahlungszielen im Schiffbaugeschäft auf, nach denen 60 bis 70 % des Baupreises auf 8 bis 10 Jahre gestundet werden sollen. Da ausländische Werften mit Hilfe staatlicher Unterstützung vielfach auf derartige Forderungen eingehen können, ist der Konkurrenzkampf für die deutschen Werften erheblich erschwert worden; die zur Zeit durch die „Hermes" und die „Ausfuhr-Kredit A.G." gebotenen Finanzierungsmöglichkeiten reichen für langfristige Exportkredite des Schiffbaues nicht aus. Es sind deshalb zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und den entsprechenden Behörden der vier norddeutschen Küstenländer Gespräche aufgenommen worden, um zu untersuchen, auf welchem Wege die Konkurrenzlage der deutschen Werften verbessert werden kann.
Eine Zusatzfrage?
Ja. Herr Staatssekretär, können Sie Auskunft geben, ob damit zu rechnen ist, daß seitens der Bundesregierung Zinsverbilligungsmittel und Bundesbürgschaften bereitgestellt werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen mit den Schiffahrtindustrien anderer Länder herbeizuführen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde diese Frage im Ministerium eingehend untersuchen, möchte aber jetzt schon sagen, daß wir „Hermes"-Bürgschaften in besonderem Maße auch für solche Exportaufträge ins Auge gefaßt haben und durchführen werden, die sich auf Schiffsexporte beziehen.
Danke sehr. Darf ich noch eine weitere Zusatzfrage stellen?
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3287
Bitte sehr!
Herr Staatssekretär, führen Sie die Schwierigkeiten in der Schiffahrtindustrie — Gründe wurden von Ihnen schon genannt — mehr auf das derzeitige Lohnniveau bei den deutschen Werften zurück, oder hängen sie mit der Bereitstellung langfristiger Finanzierungen zusammen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, daß die Schwierigkeiten in der Hauptsache auf die Frachtenbaisse zurückgeführt werden müssen, die es den Reedern natürlich nahelegt, in ihrer Auftragserteilung zurückhaltend zu sein. Diese Baisse legt auch den Wunsch nahe, bereits erteilte Aufträge zeitlich zu verschieben.
Danke sehr.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß wir die Freude und die Ehre haben, fünf Mitglieder, Kollegen aus dem englischen Unter- und Oberhaus unter uns zu haben. Ich begrüße die Herren Kollegen.
Frage 5 — des Herrn Abgeordneten Ritzel — betreffend Vorschriften über das polizeiliche Meldewesen in Hotels:
Welche Vorschriften sind zur Zeit für das Meldewesen maßgeblich, wenn ein deutscher Staatsangehöriger oder ein Ausländer in einem deutschen Hotel übernachtet?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Das Meldewesen ist landesrechtlich geregelt. In Bayern gilt die Reichsmeldeordnung aus dem Jahre 1938 als Landesrecht weiter, in den übrigen Bundesländern ist in den Jahren 1949/50 eine Neuregelung erfolgt, die sich jedoch an die Bestimmungen der Reichsmeldeordnung anlehnt. Die Vorschriften des Melderechts stimmen also im Bundesgebiet im wesentlichen überein.
Die besondere Meldepflicht in Beherbergungsstätten ist im einzelnen wie folgt geregelt:
1. Die beherbergten Personen, und zwar Deutsche und Ausländer, haben einen besonderen Meldeschein auszufüllen und zu unterschreiben. In Bayern und im Saarland müssen Ausländer zusätzlich Nummer und Gültigkeitsdauer ihres Reisepasses in den Meldeschein eintragen.
2. Die Inhaber der Beherbergungsunternehmen sind verpflichtet, sich die Ausweispapiere aller Gäste vorlegen zu lassen und die Personalien mit den Eintragungen im Meldeschein zu vergleichen. Unvollständige oder unleserliche Angaben im Meldeschein müssen sie an Hand des Passes oder des Personalausweises ergänzen. Die ausgefüllten
Meldescheine sind binnen 24 Stunden bei der Meldebehörde abzuliefern. Weigert sich ein Gast, den Meldeschein auszufüllen oder zu unterschreiben, hat der Hotelier dies der Meldebehörde anzuzeigen. Keine Verpflichtung zur Vorlage der Ausweispapiere besteht in Bayern.
3. Die beherbergten Personen müssen in ein Fremdenverzeichnis eingetragen werden, das der Meldebehörde und der Polizei auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen ist.
Um völlige Rechtseinheit auf dem Gebiete des Meldewesens herzustellen, wurde in den letzten zwei Jahren der Entwurf eines neuen Meldegesetzes ausgearbeitet, der in mancher Hinsicht Vereinfachungen vorsieht. Die Konferenz der Innenminister der Länder hat dem Entwurf zugestimmt und den Landesregierungen empfohlen, ihn beschleunigt den Parlamenten zur Verabschiedung zuzuleiten.
Der ausgearbeitete Modellgesetzentwurf hält grundsätzlich an der besonderen Meldepflicht im Beherbergungsgewerbe fest. Deutsche und Ausländer müssen wie bisher einen besonderen Meldeschein ausfüllen und unterschreiben, und der Hotelier ist weiterhin verpflichtet, den vom Gast ausgefüllten Meldeschein binnen 24 Stunden bei der Meldebehörde abzuliefern. Wegfallen soll dagegen die Verpflichtung des Gastes, seinen Reisepaß oder Personalausweis vorzulegen.
Im Lande Rheinland-Pfalz und in Berlin sind inzwischen neue Meldegesetze in Kraft getreten, die dem von mir geschilderten Modellgesetzentwurf entsprechen. Hier ist also die Verpflichtung des Gastes, seinen Reisepaß oder Personalausweis vorzulegen, bereits weggefallen. Es ist damit zu rechnen, daß auch in den übrigen Bundesländern bald neue Meldegesetze verabschiedet werden, so daß die weniger strenge Regelung des Modellgesetzentwurfs allgemein wirksam wird.
Pruäsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß noch bis in die letzte Zeit hinein trotz der Tatsache, daß man heute ohne neuen gültigen Reisepaß über die Grenzen eines europäischen Staates in einen anderen gehen kann, in Deutschland noch gültige Reisepässe statt einer Kennkarte oder eines sonstigen Ausweises verlangt worden sind? Ich darf Sie auf Notizen in der Zeitung „Welt am Sonntag" vom 25. Januar 1959 und in der „Frankfurter Rundschau" vom 17. November 1958 aufmerksam machen.
Eine weitere Frage! Welche besonderen Maßnahmen gelten nach dem derzeitigen Recht für die Einwohner der Sowjetzone, und sollen sie auch nach diesem Modellgesetzentwurf weiter gelten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn in bestimmten Fällen ein Reisepaß verlangt wird und man sich bei Inländern — Ihre Frage bezieht sich wohl nur auf Inländer —
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3288 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Staatssekretär Ritter von Lexnicht mit einer Meldekarte oder einem sonstigen Ausweis begnügt, so liegt hier eine Überspitzung vor. Ich werde darauf achten, daß bei der Durchführung der Meldevorschriften davon abgesehen wird.Zu Ihrer zweiten Frage bezüglich der Bewohner der SBZ möchte ich sagen: ich nehme an, daß diese wie alle übrigen Deutschen bei uns behandelt werden.
Aber eine bestimmte Mitteilung können Sie im Augenblick nicht machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich im Moment nicht. Ich darf Ihnen die Antwort schriftlich unterbreiten.
Danke!
Keine weitere Zusatzfrage!
Frage 11 — des Abgeordneten Dr. Strecker — betreffend Verhütung von Rassendiffamierungen:
Welche Maßnahmen erwägt die Bundesregierung, um Rassendiffamierungen in Zukunft zu verhüten, wie sie sich am 4. Juli 1958 in Mainz ereignet haben, als ein Gastwirt zwei afrikanische Studenten der Mainzer Universität aus seinem Lokal verwies mit dem Bemerken, bei ihm würden keine „Schwarzen" bedient?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.
Wie dem Hohen Hause bekannt sein wird, hat die Bundesregierung am 14. Januar den Entwurf eines Gesetzes gegen Volksverhetzung verabschiedet, dem der Bundesrat am 6. Februar — von einer redaktionellen Änderung abgesehen — mit großer Mehrheit zugestimmt hat. Der Entwurf wird dem Hohen Hause demnächst zugehen. Er hat das Ziel, auch die Diffamierung rassischer Gruppen, wenn sie in schwerwiegenden Formen vor sicht geht und den öffentlichen Frieden gefährdet, unter schärfere Strafe zu stellen. Eine solche Gruppe stellen auch die in Deutschland lebenden Angehörigen der schwarzen Rasse dar. Das vorgeschlagene Gesetz würde allerdings nur dann eingreifen, wenn jemand gegen die Gruppe zum Haß aufstachelt, sie beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet. Werden einzelne Angehörige der Gruppe beleidigt, so stehen die geltenden Vorschriften des Strafgesetzbuches zur Verfügung. Der Rassenwahn als bloße Gesinnung kann allerdings nicht durch Strafgesetze verboten und aus der Welt geschafft werden. Bedauerliche Vorfälle wie der in Mainz sind, wenn keine Beleidigung festzustellen ist, nicht durch Gesetze zu bekämpfen, sondern nur durch Aufklärung des Volkes, durch Erziehung und besseres Vorbild. In dieser Richtung zu wirken ist schon von jeher das Bemühen der Bundesregierung.
Eine Zusatzfrage? — Offenbar nicht.
Frage Nr. 17 — des Herrn Abgeordneten Ritzel — betreffend Beförderung von Autos in Reise- und Güterzügen:
Ist die Bundesregierung bereit, in Verbindung mit der Deutschen Bundesbahn geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um auf den Hauptstrecken die Beförderung von Autos in Reise- und Güterzügen fahrplanmäßig nicht nur an den Endpunkten oder Ausgangsstationen, sondern auch an einigen größeren Zwischenstationen zu ermöglichen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin gerne bereit, Herr Kollege Ritzel, der Deutschen Bundesbahn zu empfehlen, geeignetere Maßnahmen durchzuführen, damit in Zukunft auf den Hauptstrecken die Beförderung von Autos in Reisezügen fahrplanmäßig auch auf Zwischenstationen ermöglicht wird. Es ist dazu allerdings notwendig, daß die Bahnsteige mit ihren Ausmaßen und ihrem Verkehrsaufkommen für das Befahren mit Personenkraftwagen geeignet gemacht werden, was leider aus örtlichen Gründen nicht überall durchführbar sein wird.Ferner ist es notwendig, daß die entsprechenden Züge zusätzliche Fahrzeuge mit sich führen, die es ermöglichen, die Kraftwagen ohne längere Aufenthalte und ohne besondere Hilfsmittel zu verladen oder auszuladen. Diese Spezialfahrzeuge wird die Deutsche Bundesbahn erst beschaffen müssen. Da sich der Preis eines solchen Spezialwagens auf 250 000 DM beläuft, sind bei der finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn einer schnellen Ausweitung dieses Sonderverkehrs Grenzen gesetzt. Spezialgüterwagen für Kraftwagenbeförderung sind leider für diesen Zweck nicht geeignet,' weil sie nach den Vorschriften in Schnellzügen nicht mitlaufen dürfen. Es sind aber Versuche angestellt worden, um die Lauf- und Bremseigenschaften dieser Off-Wagen zu verbessern und dadurch ihre Mitführung in Schnellzügen zu ermöglichen.Das Mitführen von Autos in Güterzügen, also getrennt von der Beförderung der Personen, hat sich bei den bisherigen Versuchen nicht bewährt, weil die Beförderungsdauer in Güterzügen in jedem Falle länger ist als die Reisezeit in Schnellzügen. Am Empfangsbahnhof muß andererseits das Fahrzeug sofort in Empfang genommen werden, da keine Aufbewahrungsmöglichkeit besteht. Die genaue Ankunftszeit der Güterzüge anzugeben, ist leider oft nicht möglich, so daß sich sehr ungünstige Wartezeiten ergeben können. Die Automobilverbände, die befragt wurden, haben mitgeteilt, daß an einer Beförderung von Autos in Güterzügen kein Interesse besteht.Es werden daher bei der Deutschen Bundesbahn alle Anstrengungen darauf gerichtet, eine Verbesserung und Ergänzung der Beförderung von Personenkraftwagen in Reisezügen zu ermöglichen.Wie ich bereits kürzlich ausführte, sind die bisher sechs Relationen in diesem Jahr verdoppelt und insgesamt acht Unterwegsbedienungen eingeführt worden. Die Auswahl erfolgte auf Grund eingehender Marktforschung nach Verhandlung mit dem Fahrplanausschuß des Deutschen Industrie- und
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3289
Bundesminister Dr. SeebohmHandelstages. Es ist zu hoffen, daß mit dieser Auswahl dem tatsächlichen Bedürfnis und den Wünschen zunächst Rechnung getragen werden kann. Durch Rückfragen in England und Frankreich konnte ich feststellen, daß man dort mit einer Unterwegsbediennung keine guten Erfahrungen gemacht hat und daher die Mitnahme von Autos im wesentlichen auf den Verkehr zwischen Anfangs- und Endstation beschränkt.
Zusatzfrage?
Würden Sie sich gleichwohl, Herr Bundesverkehrsminister, nicht für besser halten, sich an diesen Erfahrungen in Frankreich und England ,zu orientieren? Würden Sie bereit sein, auf die Schaffung sogenannter Zwischenstationen hinzuwirken, sagen wir, etwa in Frankfurt für die Richtung nach Süden? Ich könnte mir denken, daß dazu nicht der Personenbahnsteig benutzt werden muß, sondern daß dazu die Verladerampen des Güterwagenverkehrs dienen können.
Herr Kollege Ritzel, ich sagte Ihnen ja, ich werde die Bundesbahn gerne darauf hinweisen, daß sie geeignete Maßnahmen durchführt, um solche Möglichkeiten auch mit Unterwegsbedienung zu schaffen. Wir werden im übrigen aus den Erfahrungen dieses Jahres und dieses Fahrplans mit Unterwegsbedienung ersehen, wie stark die Benutzung ist. Falls man die Fahrzeuge bei Reisezügen mitnimmt, kann ja nur eine Aufnahme auf dem Bahnsteig und nicht I außerhalb des Bahnhofs erfolgen. Eine Mitnahme mit Güterzügen kann jederzeit geschehen. Ich habe aber dargelegt, welche Nachteile für den Reisenden damit verbunden sind und weshalb von dieser Möglichkeit nicht gern Gebrauch gemacht wird.
Danke sehr.
Keine Zusatzfrage! — Frage 22 — des Herrn Abgeordneten Windelen — betreffend Anrechnung von Wehrdienstzeit auf die Pflichtpraktika im Hochschulstudium:
Ist die Bundesregierung bereit, durch Verhandlungen mit den zuständigen Stellen zu ermöglichen, daß durch teilweise Anrechnung der Wehrdienstzeit auf die Pflichtpraktika im Hochschulstudium, z. B. beim Studium der Geodäsie in Vermessungseinheiten, beim Studium der Medizin in Sanitätseinheiten, beim Studium der Elektrotechnik in Fernmelde- und Radareinheiten usw. eine Verkürzung des Zeitverlustes durch Wehrdienst der Studenten erreicht wird?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort lautet: Die Bundesregierung ist bereit, entsprechende Verhandlungen mit den für diese Frage zuständigen Ländern aufzunehmen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Danke vielmals, ist erledigt.
Zur Frage 32 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer — betreffend Anrechnung der Zeit des zivilen Beschäftigungsverhältnisses als Kriegsgefangenschaft bei deutschen Soldaten, die in französischer Kriegsgefangenschaft waren — dieser Satz ist nicht eindeutig, aber er ist mir so hier an den Rand geschrieben worden —:
Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu ziehen, wonach bei deutschen Soldaten, die in französischer Kriegsgefangenschaft waren und die in ein ziviles Beschäftigungsverhältnis überführt wurden, die Zeit des zivilen Beschäftigungsverhältnisses als Kriegsgefangenschaft anerkannt wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Behörden, die das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz durchführen, besteht kein Zweifel darüber, daß das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 1958 — Vc 256/57 — in allen Fällen, über die noch nicht entschieden wurde, zu berücksichtigen ist. Die Bundesregierung prüft bereits, ob in den Fällen, die schon vor dem Bekanntwerden des genannten Urteils abgelehnt worden waren, das Verfahren wieder aufgenommen werden kann. Die Prüfung wird in Kürze, spätestens Ende dieses Monats, abgeschlossen sein.
Keine Zusatzfrage! — Wir kehren zurück zur Frage 2 — des Herrn Abgeordneten Schneider — betreffend Einstellungsbedingungen eines bundeseigenen Unternehmens in Nordhessen:
Entspricht es den Tatsachen, daß ein in Nordhessen angesiedelter Zweigbetrieb eines großen bundeseigenen Unternehmens nur Arbeitskräfte unter 45 Jahren einstellt, die außerdem nur höchstens 5 km vom Betriebssitz entfernt wohnen dürfen?
Zutreffendenfalls: Billigt der Herr Bundesarbeitsminister diese Praxis eines bundeseigenen Unternehmens?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für wirtschaftlichen Besitz des Bundes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage des Herrn Abgeordneten Schneider beantworte ich im Benehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wie folgt.Bei dem von Herrn Abgeordneten Schneider erwähnten Betrieb handelt es sich um das im Aufbau befindliche Zweigwerk der Volkswagenwerk GmbH in Altenbauna bei Kassel, das zur Zeit 855 Arbeitskräfte beschäftigt. In diesem Werk wird nahezu ausschließlich am Fließband gearbeitet. Diese Arbeit erfordert nach einem mir vorliegenden Bericht des Werkes vorwiegend jüngere Kräfte. Es sind bisher jedoch auch etwa 10 % ältere Arbeitskräfte eingestellt worden. Auch künftig sollen ältere Arbeitskräfte, soweit möglich, bei der Einstellung berücksichtigt werden.Zum zweiten Teil der Anfrage ist zu sagen, daß von den 855 Arbeitskräften rund 280 weiter als 5 km vom Werk entfernt wohnen, d. h. daß rund
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3290 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Bundesminister Dr. Lindrathein Drittel der Beschäftigten aus der weiteren Umgebung kommen. Die Verkehrsverhältnisse im Raum Kassel brachten es mit sich, daß zunächst Arbeitskräfte aus dem Stadtgebiet Kassel und den nahen Randgebieten entnommen werden mußten. Mit dem wachsenden Kräftebedarf erweitert sich das Einzugsgebiet.
Frage 3 — des Herrn Abgeordneten Schneider —betreffend Einschränkungen im Postdienst:
Hält der Herr Bundespostminister die vielfältigen drastischen Einschränkungen im Postdienst für vertretbar, die allenthalben den Unwillen der Offentlichkeit und der Wirtschaft hervorrufen? Ist der Herr Bundespostminister bereit, seine diesbezüglichen Maßnahmen im einzelnen noch einmal zu überprüfen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich die Frage des Herrn Abgeordneten Schneider wie folgt beantworte.
Wie Ihnen nicht unbekannt sein dürfte, haben alle in diesem Hohen Hause vertretenen Fraktionen durch die einhellige Verabschiedung des Postverwaltungsgesetzes im Jahre 1953 den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen zwingend verpflichtet, die der Deutschen Bundespost gestellten Aufgaben ausschließlich mit den Mitteln ihres Sondervermögens zu erfüllen. Die Deutsche Bundespost
muß also ihre gesamten Ausgaben aus eigener Wirtschaftskraft, d. h. aus den Gebühreneinnahmen, bestreiten. Diese Ausgaben sind infolge der Erhöhung des allgemeinen Preis- und Lohnniveaus in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Wenn es gleichwohl möglich war, die Postbenutzer vor einer allgemeinen Gebührenerhöhung zu bewahren, so ist dies nur den durch die Deutsche Bundespost erzielten Rationalisierungserfolgen zu verdanken. Diese Erfolge ersehen Sie klar und eindeutig daraus, daß es gelungen ist, den Anstieg des Verkehrsvolumens zwischen 1952 und 1957 in Höhe von 49,1 % mit einer Personalvermehrung von nur 12,2 % abzufangen.
Wie Herr Bundesminister Stücklen bereits bei der Beantwortung einer Frage des Herrn Abgeordneten Ritzel in der Fragestunde der 47. Sitzung des Hohen Hauses eingehend ausgeführt hat, sind trotz dieser Rationalisierungserfolge durch die Einführung der 45-Stunden-Woche im Bereich der Postverwaltung gewisse Einschränkungen der Dienstleistungen unumgänglich geworden. Gerade im Interesse der Stabilität der Tarife mußten einige betriebliche Veränderungen durchgeführt werden, die sich zum großen Teil auch schon dadurch angeboten haben, daß infolge des in der Wirtschaft sich immer mehr ausbreitenden freien Wochenendes und der Auswirkungen des Ladenschlußgesetzes sich eine Verlagerung des Verkehrsanfalls in vielen Dienstzweigen ergeben hat.
Alle in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen sind in ihren Grundzügen voher mit den maßgeblichen Verbänden, insbesondere auch mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag, eingehend besprochen worden und haben uneingeschränkte Billigung gefunden.
Die an sich geringfügigen Einschränkungen haben, wie die in diesen Tagen eingegangenen Erfahrungsberichte der Oberpostdirektionen beweisen, in der Offentlichkeit auch im allgemeinen Verständnis gefunden. Da und dort vereinzelt aufgetretene Schwierigkeiten ließen sich in der Regel befriedigend lösen.
Wie weitgehend bei allen Maßnahmen auf die Bedürfnisse der Allgemeinheit Rücksicht genommen worden ist, mögen Sie besonders deutlich am Beispiel des Postzeitungsdienstes sehen. Durch den Wegfall der Geschäftspost auf Grund des verlängerten Wochenendes ist im Beförderungsdienst der Anfall an Postsendungen für die Sonntagsfahrten einzelner Straßenposten so gering geworden, daß verschiedene Fahrten aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zu vertreten waren und ausfallen mußten. Obwohl der an diesen Sonntagsfahrten besonders interessierte Postzeitungsdienst einen jährlichen Zuschuß von über 100 Millionen DM erfordert, hat die Deutsche Bundespost sich mit Erfolg bemüht, in vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen den Oberpostdirektionen und den großen Verlagen alle Teile befriedigende Lösungen zu finden.
Ich danke.
Keine Zusatzfrage.
Frage 4 — des Herrn Abgeordneten Wienand --betreffend Aufhebung der Omnibushaltestelle Altenrath-Höherwiese.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Omnibushaltestelle Altenrath-Höherwiese an der Bundesautobahn Köln-Frankfurt aufgehoben werden soll, weil die Gemeinden Altenrath und Scheiderhöhe nicht in der Lage sind, die geforderte Finanzierung des verlangten Ausbaues der Omnibushaltestelle vorzunehmen?
Ist der Bundesregierung weiter bekannt, daß durch die Aufhebung der Omnibushaltestelle gerade die arbeitende Bevölkerung betroffen wird?
Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten und ist sie bereit, sich dafür einzusetzen, daß im Interesse der arbeitenden Bevölkerung dieser Gemeinden die Omnibushaltestelle erhalten bleibt?
Der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir schon vor einiger Zeit bekanntgeworden, daß die Omnibushaltestelle Altenrath-Höherwiese die sich auf dem Autobahnabschnitt Köln-Siegburg befindet, durch die zuständige Landesverkehrsbehörde aufgehoben werden soll, weil die beteiligten Gemeinden nicht in der Lage sind, die von der zuständigen Landesverkehrsbehörde geforderten Ausbaukosten zu übernehmen. Die zuständige Landesverkehrsbehörde, nämlich die Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen im Landschaftsverband Rheinland des Landes Nordrhein-Westfalen, hält die Haltestelle in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr für verkehrssicher. Es wird ein Ausbau für erforder-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3291
Bundesminister Dr. Seebohmlieh gehalten, dessen Kosten auf 35 000 DM veranschlagt wurden. Diese Kosten hat an sich nach den Bestimmungen des § 8 des Fernstraßengesetzes der Verkehrsunternehmer, in diesem Fall die Deutsche Bundesbahn, zu übernehmen. Zwischen ihr und den beteiligten Gemeinden sind jedoch schon früher Vereinbarungen getroffen worden, wonach die Deutsche Bundesbahn nur dann verpflichtet ist, die Haltestelle aufrechtzuerhalten, wenn die Gemeinden etwa auferlegte Kosten für den Ausbau der Haltestellen tragen. Die Gemeindevertretungen haben dieser Vereinbarung durch Beschluß von 25. Juni 1957 zugestimmt. Sicherlich haben sie aber bei diesem Beschluß nicht mit einer so hohen Summe gerechnet.Ich werde die Auftragsverwaltung veranlassen, zu prüfen, ob nicht eine einfachere Lösung gefunden werden kann, um die Omnibushaltestelle AltenrathHöherwiese zu erhalten, die täglich von etwa 100 Personen, davon 2 mit Schülermonatskarten und 65 mit Arbeiterrückfahrkarten, benutzt wird. Gegebenenfalls müßten die Reisenden aus dem engeren Bereich von Altenrath eine andere Haltestelle benutzen, die nicht nennenswert weiter von Altenrath entfernt ist als die Haltestelle bei Höherwiese, die jedoch in Richtung Köln eine etwas längere Fahrt bedingt.
Eine Zusatzfrage? — Nein.
Frage 6 — Herr Abgeordneter Dr. Czaja — betreffend Bundesbürgschaften für Einzelbauvorhaben:
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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3292 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3293
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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3294 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
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3296 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
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3298 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
— Mancher Minister könnte etwas straffen, gut, die Herren Minister haben das gehört. Wir werden auch das in unsere Erwägungen einbeziehen.Die nächste Fragestunde ist am Mittwoch, dem 18. März, Sperrfrist für eingehende Fragen: Donnerstag, 12. März, 12 Uhr.Punkt 2 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften ;a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 814) ;b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksache 794).
Zunächst der Bericht des Haushaltsausschusses. Ich frage, ob der Herr Berichterstatter Dr. Aigner das Wort zur Berichterstattung wünscht. — Ich höre keine Wortmeldung. Dann treten wir in die zweite Lesung ein. Ich rufe den Abschnitt I Artikel 1 auf. Hier liegt in Umdruck 208 ein Änderungsantrag vor.Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann. — Sie wünschen das Wort zu dem Änderungsantrag? — Ich muß in der zweiten Beratung jede einzelne Bestimmung aufrufen. Wir haben keine allgemeine Aussprache. Haben Sie zum Verfahren einen Vorschlag? — Bitte sehr!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielleicht, Herr Präsident, könnte es die Sache vereinfachen, wenn ich ganz kurz nur zu zwei Bestimmungen Stellung nehme.
Meine Herren, ich möchte doch bitten, daß die Gespräche jetzt abgebrochen werden. Herr Abgeordneter, begeben Sie sich bitte an Ihren Platz.
Fahren Sie bitte fort, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vom Finanzausschuß des Bundestages beschlossene Fassung des Gesetzentwurfs weicht erheblich vom Regierungsentwurf ab. Ich möchte aber hier nur zu zwei Fragen grundsätzlicher Art kurz Stellung nehmen. Es handelt sich um die Herabsetzung des Gesellschaftsteuersatzes und die Beseitigung der Versicherungsteuer auf Lebens- und Krankenversicherungen.
Der Herabsetzung des Gesellschaftsteuersatzes von 3 auf 1,5 v. H. und der entsprechenden Änderung des Wertpapiersteuersatzes für ausländische Gesellschaftsrechte hat der Bundesrat im ersten Durchgang wegen der Auswirkungen auf die Haushalte der Länder — ein solcher Ausfall würde etwa 45 Millionen DM betragen — widersprochen. Das Bundesfinanzministerium ist jedoch nach wie vor der Auffassung, daß diese Bedenken gegenüber den kapitalmarktpolitischen Gründen, die die Bundesregierung zu ihrem Änderungsvorschlag bewogen haben, zurücktreten sollten. Ich erlaube mir daher die Anregung, insoweit dem Beschluß des Finanzausschusses zu folgen.
Die vom Finanzausschuß beschlossene Befreiung der gesamten Lebens- und Krankenversicherung von der Versicherungsteuer würde für die Länder zu einem weiteren Steuerausfall von rund 30 Millionen DM führen, bei Berücksichtigung der vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen Steuerbefreiungen von etwa 22 Millionen DM. Der Bundesrat hat schon im ersten Durchgang erkennen lassen, daß er weitere Einnahmeausfälle für die Länder nicht für tragbar hält. Die Finanzminister haben das noch einmal dem Bundesfinanzministerium gegenüber ausdrücklich wiederholt. Auch das Bundesfinanzministerium hat Bedenken, ob den Ländern über den obengenannten Einnahmeausfall von 45 Millionen DM hinaus eine weitere Minderung ihres Steueraufkommens zugemutet werden kann. Das Bundesfinanzministeriums glaubt, da insoweit wohl mit einer Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat gerechnet werden müßte — es handelt sich ja um ein Zustimmungsgesetz —, daß es im Interesse der Beschleunigung und Vereinfachung des Gesetzgebungsverfahrens läge, wenn das Hohe Haus diesen Beschluß des Finanzausschusses noch einmal einer Prüfung unterzöge.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Staatssekretär sich schon in dieser etwas ungewöhnlichen Weise vor der Debatte, ehe das Haus selbst sich geäußert hat, zur Sache äußern wollte, hätte er wenigstens den Sachverhalt vollständig darstellen sollen.Bei der Versicherungsteuer wäre immerhin erwähnenswert gewesen, daß der Bundesrat bereits in der ersten Lesung Vorschläge und Anträge auf Herabsetzung der Versicherungsteuer bzw. auf Befreiung gewisser Versicherungen vorgelegt hat, denen nun wieder die Bundesregierung nicht entsprechen wollte.Herr Staatssekretär, es konnte Ihnen auch nicht verborgen sein, daß dem Hause ein Antrag vorliegt, die Herabsetzung der Gesellschaftsteuer nicht vorzunehmen. Man muß sich entscheiden, ob man die
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3299
SeuffertHerabsetzung der Gesellschaftsteuer oder die Befreiung der Lebensversicherungen für wichtiger hält. Das eine — die Herabsetzung der Gesellschaftsteuer — kostet die Länder 50 Millionen DM; das andere -- die Herabsetzung der Versicherungsteuer — kostet nur 20 Millionen DM. Das ist der Unterschied.Sie, Herr Staatssekretär, hätten also entweder abwarten sollen, bis sich das Haus zu dieser Frage an Hand des von uns vorgelegten Antrags geäußert hat, oder Sie hätten von vornherein klar darstellen sollen, daß es. sich in praxi um die Entscheidung: Herabsetzung der Gesellschaftsteuer oder Herabsetzung der Versicherungsteuer handelt.
Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs waren eine Art Prolog, eine Art allgemeine Aussprache zur zweiten Lesung. Die Regierung hat nach § 47 der Geschäftsordnung, wie Sie wissen, Herr Abgeordneter Seuffert, Anspruch, jederzeit gehört zu werden. Da ich außerdem nicht weiß, was sie sagt, kann ich auch nicht darauf einwirken.
Ich rufe nun zunächst den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 208 auf. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Corterier.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die Diskussion über diesen Änderungsantrag durch die beiden Herren Vorredner schon beinahe vorweggenommen worden ist , kann ich mich sehr kurz fassen; Sie werden mir das nicht übelnehmen.
Der Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auf Umdruck 208 geht dahin, die Ermäßigung des Kapitalverkehrsteuersatzes in § 9 des Gesetzes nicht vorzunehmen. Ich darf darauf hinweisen, daß der Bundesrat bereits beim ersten Durchgang die ersatzlose Streichung dieser Bestimmung beantragt hat. Er hat erklärt, die Haushalte der Länder könnten diesen Ausfall nicht ertragen; es handelt sich immerhin um einen Betrag von 50 Millionen DM. Der Bundesrat sagt, daß ihm aus diesem Grunde eine Zustimmung nicht möglich sei.
Meine Freunde und ich sind deswegen der Meinung, daß man sich doch überlegen sollte, ob es nicht möglich wäre, diese Schwierigkeiten von vornherein auszuräumen. Es geht bei der Vorlage nämlich um sehr viel mehr. Es werden nicht nur Änderungen bei den Kapitalverkehrsteuern, nämlich der Gesellschaftsteuer, der Wertpapiersteuer und der Börsenumsatzsteuer, sondern auch Änderungen und Ergänzungen des Wechselsteuergesetzes und des Versicherungsteuergesetzes beantragt.
Die besondere Vergünstigung, wie ich sie bezeichnen möchte, in § 4 Nr. 5 geht ja dahin, daß alle Versicherungen, durch die Ansprüche auf Kapital-, Renten- oder sonstige Leistungen im Falle des Erlebens, der Krankheit, der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, des Alters, des Todes oder in besonderen Notfällen begründet werden — allerdings mit Ausnahme der Unfallversicherung, der Haftpflichtversicherung und sonstiger Sachversicherungen —, von der Steuer frei werden. Diese Vergünstigung ist sehr wesentlich. Man darf mit Recht darauf hinweisen, daß an der Streichung der Versicherungsteuer und dem damit gebotenen Steuervorteil ein sehr viel größerer Personenkreis interessiert ist als an der Halbierung der Sätze der Gesellschaftsteuer.
Schon von Herrn Kollegen Seuffert und auch vom Herrn Staatssekretär ist gesagt worden — ich benutze dieses Argument auch für meine Begründung —, daß die Streichung der Versicherungsteuer nur etwa 25 Millionen DM koste, während die geplanten gesellschaftsteuerlichen Maßnahmen mehr als 50 Millionen DM kosten.
Wir sind im übrigen der Meinung, daß kein sachlicher Grund vorliegt, der eine Herabsetzung der Steuersätze in § 9 des Kapitalverkehrsteuergesetzes rechtfertigen könnte. Die Gesellschaften werden dadurch ihre notwendigen Transaktionen wahrscheinlich weder vergrößern noch vermindern. Es wäre höchstens eine negative Auswirkung der Senkung des Steuersatzes zu befürchten — das scheint mir nicht ganz unbedeutend zu sein —, daß nämlich unter Umständen der Konzentrationsbewegung noch Vorschub geleistet würde. Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, niemand in dein Hohen Hause wird diese Entwicklung in diesem Augenblick begünstigen wollen.
Ich darf Sie daher bitten, unserem Antrag auf Umdruck 208 Ihre Zustimmung zu geben.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß die Diskussion über diesen Antrag und über die anderen Anträge einzig und allein unter dem Gesichtspunkt des Steuerausfalls geführt wird. Für die Senkung des Satzes von 3 % auf 1,5 %„ haben wir gute Gründe. Wir alle sind an einer dynamischen Wirtschaft interessiert; das gilt für jeden einzelnen von uns. Eine dynamische Wirtschaft braucht Kapital. Schon wiederholt ist hier die Selbstfinanzierung über den Preis beanstandet worden. Es bleibt dann nur die Fremdfinanzierung oder die Finanzierung durch eigenhaftendes Kapital. Ein Gesetz, das die Finanzierung durch eigenhaftendes Kapital verteuert, ist doch ein Widerspruch zu den eben dargelegten Vorstellungen. Dabei kann es nicht entscheidend sein, ob es einen Ausfall bringt oder nicht, sondern wenn etwas krank ist, anomal ist, einen Anachronismus darstellt, muß man dem zu Leibe rücken, und erst dann kommt die Frage der Deckung. Das Fremdkapital wurde bisher nur mit 1,5 % besteuert, das eigenhaftende Kapital mit 3%. Das war, wie gesagt, geradezu ein Anachronismus Das wollen wir abstellen. Deshalb wollen wir die Aufbringung von eigenhaftendem Kapital in Zu-
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Neuburgerkunft mindestens nicht stärker mit dieser Steuer belasten als das Schuldkapital. An sich ist das Schuldkapital sowieso noch bevorzugt, weil die Zinsen auf das Schuldkapital steuerlich abzugsfähig sind, während die Dividenden auf das eigenhaftende Kapital zusätzlich der Besteuerung unterliegen.Der Ausschuß hat aus diesen Gründen die Gleichziehung der Besteuerung des eigenhaftenden Kapitals mit dem Schuldkapital mit Mehrheit beschlossen. Ich darf demgemäß das Hohe Haus bitten, den Änderungsantrag, der die alte Ungleichheit aufrechterhalten will, abzulehnen.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Herrn Kollegen Neuburger doch kurz auf diese Ausführungen antworten. Es würde ja als Antwort schon genügen, Herr Kollege Neuburger, wenn ich Sie noch einmal darauf hinweise, daß es vollständig aussichtslos ist, die notwendige Zustimmung des Bundesrats zu dieser Herabsetzung der Gesellschaftsteuer um 50 Millionen DM zu erhalten. Wenn Sie also überhaupt etwas mit diesem Gesetz erreichen wollen, wenn Sie insbesondere bezüglich der Versicherungsteuer auf Lebensversicherungen etwas tun wollen, so müssen Sie dieses Vorhaben hinsichtlich der Gesellschaftsteuer aufgeben. Es ist natürlich noch aussichtsloser, von den Ländern 50 Millionen DM
zur Herabsetzung der Gesellschaftsteuer und noch 20 Millionen DM zur Herabsetzung der Lebensversicherungsteuer zu erlangen. Da müssen Sie, wie ich vorhin schon andeutete, die Wahl treffen, wenn Sie überhaupt die Möglichkeit eines Kompromisses mit dem Bundesrat sehen, und da sprechen denn doch — das brauche ich, glaube ich, gar nicht weiter auszuführen — sehr viel wichtigere Gründe für eine Befreiung der Lebensversicherung von der Versicherungsteuer als für eine Herabsetzung der Gesellschaftsteuer.
Was nun diesen Gedanken einer Gleichziehung, wie Sie vorhin sagten, der Finanzierung über Fremdkapital und der Finanzierung über Eigenkapital anlangt, so sind die Dinge doch so: die hauptsächlichen Emissionskosten liegen bei der Ausgabe von Aktien in der Gesellschaftsteuer und bei der Ausgabe von Obligationen in den Bonifikationen, die Sie dort zu geben haben, die Sie bei den Aktienemissionen bei weitem nicht in diesem Ausmaß zu geben brauchen und die der Gesellschaftsteuer praktisch fast gleichkommen.
— Nein, Kosten des Instituts! Darauf kommt es an bei der Wahl zwischen Fremdfinanzierung und Eigenfinanzierung. Das entscheidet ja das Institut, ob es auf die eine oder die andere Weise finanziert. Die Kosten der Gesellschaftsteuer bekommen Sie heute — heute, Herr Kollege Neuburger; wir müssen immer den heutigen Zustand betrachten — bei den Aktienemissionen gern und gut vom Aktionär vergütet. Wir wissen, daß man heutzutage keine Aktien mehr zu 100 % oder zu 103 %, wie das üblich gewesen ist, ausgibt, sondern daß man allgemein wesentlich höhere Kurse festsetzt. Das ist keine Belastung für das Unternehmen. Bei den Obligationsemissionen zahlt selbstverständlich das Unternehmen das Disagio, die Bonifikation usw. In so einfacher Form, wie Sie es hier getan haben, können Sie den Vergleich zwischen den Kosten einer Finanzierung über Aktien und der über Obligationen also bei weitem nicht anstellen.
Auch dieser Grund zieht also nicht für die Herabsetzung der Gesellschaftsteuer in diesem Moment, ganz abgesehen davon, daß aus allgemeinen wirtschaftlichen Gründen und gerade bei den wirtschaftspolitischen Bestrebungen gegenüber Konzentrationen usw., die die Bundesregierung zur Zeit proklamiert, keinerlei Veranlassung besteht, eine Steuer auf Gesellschaftsgründungen und Kapitalerhöhungen zu ermäßigen, zumal nicht die geringste Aussicht besteht, dazu die Zustimmung des Bundesrats zu erhalten.
Herr Abgeordneter Di. Dahlgrün
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die einander entgegenstehenden Argumentationen der Herren Kollegen Neuburger und Seuffert laufen darauf hinaus, daß der eine sagt: „Wir können den Ländern den Steuerausfall nicht zumuten", während der andere mit sehr guten, gewichtigen Gründen die Maßnahme für notwendig hält, die den Steuerausfall herbeiführt, und sagt: „Der Ausfall muß getragen werden."Ich will hier keine Debatte über das entfesseln, was hinter diesen beiden gegensätzlichen Auffassungen steht. Das ist nämlich das Problem des horizontalen und des vertikalen Finanzausgleichs unter den Ländern und zwischen den Ländern und dem Bund. Meiner Ansicht nach ist es kein Argument, daß die Länder den Ausfall, der durch eine wirtschaftspolitisch für alle notwendige oder als notwendig erkannte Maßnahme entstände, nicht tragen können. So kommen wir meines Erachtens nicht weiter. Es muß notfalls auf der Linie des vertikalen Finanzausgleichs für eine Entlastung der Länder gesorgt werden. Bei einer solchen Maßnahme werden die Länder das dann einsehen.Ich glaube, ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß wir uns im Finanzausschuß sehr überlegt haben, ob wir nicht bei dieser Bereinigung der verkehrsteuerrechtlichen Vorschriften noch weiter gehen sollten oder weiter gehen müßten. Ich darf einmal daran erinnern, daß im Zeichen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unter Umständen in absehbarer Zeit der Zwang auf uns zukommt, gewisse den Börsenumsatz behindernde Steuern aufzuheben, weil es sie z. B. in Frankreich
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Dr. Dahlgrün oder Belgien nicht gibt und die Gefahr besteht, daß infolge dieser Steuerbelastung in Deutschland das Börsengeschäft aus Deutschland nach Frankreich abwandert. Dann werden wir Konsequenzen ziehen müssen, und ich glaube, niemand wird dagegen sein, das zu tun. Da können wir ja auch nicht sagen: „Die Länder können das nicht tragen." Dann muß eben bei dem großen, wichtigen Problem des Ausgleichs zwischen Bund und Ländern und unter den Ländern etwas getan werden, um das abzufangen.Ich bin aus den Gründen, die Herr Kollege Neuburger vorgetragen hat, nicht geneigt, dem Änderungsantrag der SPD zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 208. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 217 Ziffer 1. Das ist ein interfraktioneller Antrag. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Auf Begründung wird verzichtet. Wird zur Sache das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über Ziffer 1 des Änderungsantrages Umdruck 217, hinter Nr. 4 eine neue Nr. 4a einzufügen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Der Antrag ist einstimmig angenommen; Nr. 4a wird eingefügt.
Ich rufe auf von Art. 1 die Nummern 1, 2, 3, 4, 5 und 6. Bis dahin sind keine Änderungsanträge gestellt. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Nummern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf Nr. 6a. Dazu liegt der interfraktionelle Änderungsantrag Umdruck 217 Ziffer 2 vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Sache gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 6 a in der so geänderten Fassung, und zwar die §§ 18, 19, 20, 21, 22 und 23. Zu diesen Paragraphen liegen keine Änderungsanträge vor. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
§ 24. — Hier ist der interfraktionelle Änderungsantrag auf Umdruck 217 Ziffer 2 angenommen worden. Wer dem § 24 in der durch die Annahme dieses Änderungsantrages geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
§ 25. — Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Ich rufe auf die Nr. 6 b, die Nr. 7, den Art. 1 a und den Art. 2. — Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen. Damit sind die Abschnitte I und II erledigt.
Ich rufe auf den Abschnitt III, und zwar Art. 3, Art. 4, Art. 5, Art. 6, Art. 7, Art. 8, Einleitung und Überschrift. — Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer diesen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Damit ist das Gesetz in der durch die Annahme der interfraktionellen Anträge geänderten Fassung in zweiter Lesung angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zwei Enthaltungen angenommen.
Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksachen 842, zu 842)
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs nines Gesetzes zur Neuregelung des Kindergeldes (Drucksache 799)
c) .Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Gesetzes zur Auflösung und Abwicklung der Familienausgleichskassen .
Zunächst rufe ich Punkt 3 a auf. Ich nehme an, daß wir die Punkte 3 b und 3 c dann in der Beratung verbinden können.
Ich frage, ob der Berichterstatter des Ausschusses für Sozialpolitik das Wort wünscht. — Herr Abgeordneter Geiger als Berichterstatter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der Kindergeldgesetze auf Drucksache 666 liegt Ihnen auf der Drucksache 842 ein Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik vor. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf in der jetzt vorliegenden Fassung zuzustimmen und damit das Kindergeld ab 1. März 1959 von bisher 30 DM auf
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3302 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Geiger
40 DM pro Monat für jedes dritte und weitere Kind zu erhöhen. Gleichzeitig soll entsprechend der Veränderung der Verhältnisse die Beitragsfreigrenze für Selbständige von bisher 4800 DM auf 6000 DM erhöht werden. Ebenso sollen die landwirtschaftlichen Beiträge zu den Familienausgleichskassen nicht eingezogen werden, wenn ihre Höhe 12 DM nicht übersteigt. Der bisherige Satz betrug 10 DM. Hierüber bestand im Sozialpolitischen Ausschuß Einmütigkeit.Der mitberatende Ausschuß für Mittelstandsfragen legte dem Sozialpolitischen Ausschuß eine Empfehlung vor, das Gesetz, um eine zu starke Belastung der mittelständischen Wirtschaft zu vermeiden, entgegen der Regierungsvorlage nicht am 1. Januar 1959, sondern erst am 1. März 1959 in Kraft treten zu lassen. Der Ausschuß schloß sich dieser Empfehlung mit Mehrheit an.Die übrigen Empfehlungen des mitberatenden Ausschusses, nämlich 1. an einer Beitragsbelastung in Höhe von 1 v. H. der Lohnsumme festzuhalten und einen eventuellen Mehrbedarf aus dem Vermögen der Familienausgleichskassen oder aus Kassenkrediten des Bundes zu finanzieren, 2. die Bundesregierung zu ersuchen, bis zum 30. September 1959 einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den unter Änderung des Systems für die Aufbringung der Mittel eine geringere Belastung der lohnintensiven Betriebe ermöglicht würde, lehnte der Ausschuß mit Mehrheit ab. Desgleichen lehnte er einen ähnlich lautenden Antrag der Fraktion der SPD ab. Wegen der Verschiedenartigkeit der Auffassungen der Ausschußmitglieder kam auch kein gemeinsamer Entschließungsantrag zustande. Der Ausschuß erinnert die Bundesregierung jedoch an die gemeinsame Entschließung des Bundestages vom 15. Dezember 1955 und ,ebenso an die Ausführungen des Herrn Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung in der 50. Sitzung des 3. Bundestages, wonach die Frage geprüft werden sollte, wie die lohnintensiven Betriebe entlastet werden könnten. Bei der grundsätzlichen Diskussion war die Mehrheit des Ausschusses der Auffassung, daß sich das bisherige System der Kindergeldzahlung bewährt habe; sie lehnte eine entsprechende Änderung dieses Gesetzes ab.Die übrigen Beschlüsse und Überlegungen des Ausschusses, meine Damen und Herren, finden Sie im Schriftlichen Bericht niedergelegt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
Zur zweiten Lesung der Vorlage Drucksache 842 liegen Änderungsanträge zu Art. 1 vor.
Ich rufe Umdruck 207 — Änderungsantrag der Fraktion der FDP — auf. Ich frage, ob zur Begründung das Wort gewünscht wird. — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Spitzmüller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wenn man sich heute die verschiedenen Umdrucke ansieht, kommt man zu dem Eindruck, daß sich alle Fraktionen darin einig sind, daß an dem Kindergeldgesetz grundsätzlich etwas geändert werden muß. Wie Sie dem Bericht des Ausschusses für Mittelstandsfragen entnehmen konnten, hat dieser an den Sozialpolitischen Ausschuß eine einstimmige Empfehlung gerichtet. Ziel dieser Empfehlung war es, gesetzlich zu verankern, daß das Kindergeld von 30 auf 40 DM erhöht, jedoch eine Pflicht zur Beitragsleistung von über 1 % der Lohnsumme vermieden wird.Der vorgelegte Änderungsantrag von der FDP möchte dazu beitragen, das zu verwirklichen, was der Ausschuß für Mittelstandsfragen in seiner Empfehlung an den Sozialpolitischen Ausschuß zum Ausdruck gebracht hat. Wir sind der Meinung, daß bei Annahme dieses Antrages zweierlei eintritt: die für die kinderreichen Familien notwendige Angleichung wird gesichert; und es wird erreicht, daß die ungleiche Belastung vieler mittelständischer Betriebe nicht noch drückender wird.Wir sind uns darüber klar, daß auch bei Annahme der Drucksache 842 in der vorliegenden Form die gesamte Regelung ein Flickwerk bleibt. Das bestätigen auch die vielen Umdrucke und Empfehlungen, in denen die Regierung aufgefordert wird, ein neues Kindergeldgesetz mit grundsätzlich anderem Aufbau vorzulegen. Wir wollen heute nicht erneut den Streit um das System aufwerfen. Es ist schon so viel darüber gestritten worden, und vielleicht sind gerade wegen dieses Zuviels die Fronten verhärtet worden. Die Fronten zu verhärten, ist nicht unser Wunsch, sondern wir wollen ganz klar bekennen, daß wir für eine Reform sind. Wir haben auch in Drucksache 799 einen Gesetzentwurf vorgelegt, den zu begründen ich später noch die Ehre haben werde. Wir haben aber heute die Möglichkeit, die Weichen dafür zu stellen, wie das Kindergeldgesetz in Zukunft gestaltet sein soll. Die Reform, die unausweichlich auf uns zukommt, die Sie alle fordern, können wir jetzt schon in gewisse Bahnen bringen. Wir haben als Fraktion der FDP eine Fülle von Telegrammen und Zuschriften bekommen. Eines davon hat mich ganz besonders erfreut und überrascht. Ich fühle mit dem Kollegen Mensing aus der Fraktion der CDU und den Vereinigten Zentralverbänden des deutschen Handwerks sehr wohl, was sie bewegte; sie haben ihrem Unmut in einem Telegramm mit 191 Worten Luft gemacht. Diese Stellungnahme in dem Telegramm entspricht genau der Auffassung der Freien Demokraten. Auch wir setzen bei unserer Zustimmung zu einer Erhöhung des Kindergeldes voraus — ich darf nun das Telegramm zitieren —, „daß mit der Beschlußfassung über die Aufstockung der Kindergeldzahlungen effektive Maßnahmen für eine baldige Änderung des bisherigen Aufbringungssystems verbunden werden".Meine sehr geehrten Damen und Herren, befürchten Sie, wenn Sie unseren Antrag annehmen, keineswegs, daß der Haushaltsausschuß Einwendungen erheben könnte. Denn der Haushalt für das nächste Jahr ist noch nicht verabschiedet. Die Erhöhung tritt ab 1. März ein. Das Vermögen der Familienausgleichskassen beträgt nach dem letzten Geschäftsbericht über 200 Millionen DM. Wir werden also den Bund in keinem Falle noch in diesem
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Spitzmüller Haushaltsjahr in irgendeiner Form in Anspruch nehmen müssen.Ich möchte sogar sagen: unser Gesetzesänderungsantrag liegt mit dem Entschließungsantrag der großen Fraktion der CDU irgendwie gleich; es besteht nur der eine Unterschied, daß hinter unserem Antrag mehr Druck steht, mehr Druck auf die Regierung, schneller zu arbeiten, schneller zu handeln, sobald als möglich ein neues Kindergeldgesetz vorzulegen oder aber im Ausschuß zuzustimmen, daß unser Entwurf des Kindergeldgesetzes baldmöglichst behandelt wird.Wir wollen durch unseren Änderungsantrag erreichen, daß all die vielen Mittelständler, denen man so oft versprochen hat, die Aufbringungsform solle geändert werden, nun sehen: der Bundestag hat sich zu einem Entschluß durchgerungen, der Bundestag ist dabei, im Gesetz etwas zu verankern, was verhütet, daß wir weiterhin und noch stärker mit der bisherigen ungerechten und ungleichen Aufbringung belastet werden.Mit Annahme unseres Antrags ist aber auch sichergestellt, daß die kinderreichen Familien in den Besitz der 40 DM vom dritten Kind an kommen. Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Sie stellen damit die Weichen, daß das Kindergeldgesetz — wie Sie alle miteinander es fordern —geändert wird, und zwar sehr schnell.
Ich schlage
3 dem Hause vor, daß wir jetzt zunächst die Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 210 hören. — Herr Abgeordneter Regling!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Meinung, daß der Bundestag sich nicht mit den verschiedenen Hinweisen zufrieden geben sollte, die aus dem Hause bzw. vom Minister selber oder auch in der Begründung der Regierungsvorlage gegeben wurden, man sollte bei der jetzigen Leistungserhöhung und den damit verbundenen Mehrbelastungen keinen Anlaß sehen, in diesem Augenblick gleichzeitig das bisherige System zu ändern.Wir haben uns sehr häufig über dieses Gesetz unterhalten. Wir haben uns auch darüber unterhalten, daß es hinsichtlich der Aufbringung der Mittel geändert werden muß. Es sind Entschließungen gefaßt worden. Auch heute liegen wieder Entschließungen vor, die nicht viel anders aussehen als die vor einigen Jahren. Aber wir wissen doch, was mit Entschließungen passiert. Der Bundestag kann sie sogar einstimmig fassen, die Bundesregierung stört sich nicht allzusehr daran. Wenn dann nochmals eine Anfrage kommt, in der daran erinnert wird, heißt es wiederum: Wir werden es bald machen, unverzüglich — selbst diese Worte werden gebraucht —; aber es geschieht nichts. Im Gegenteil, wir müssen jetzt erleben, daß in der jetzigen Regierungsvorlage davon gesprochen wird, — und der Herr Bundesarbeitsminister hat es noch einmal bestätigt und besonders unterstrichen — es bestehegar kein Anlaß zur Änderung, im Gegenteil, es bestehe Anlaß, für das gute Funktionieren der bisherigen Familienausgleichskassen zu danken. -Daran zweifeln wir ja gar nicht, daß ein Apparat, wenn man ihn aufbaut und ihm auch Mittel an die Hand gibt, gut arbeitet; es wäre noch schlimmer, wenn er dann nicht gut arbeitete. Darum geht es gar nicht. So auszuweichen ist billig. Der Bundestag hat etwas anderes gewollt, und dazu hat die Bundesregierung bisher nicht Stellung genommen.Zweifellos wird das Haus der in der jetzigen Vorlage vorgesehenen Anhebung der Leistungen zustimmen. Die Bundesregierung muß jetzt die Gelegenheit wahrnehmen, um, wie soeben mein Herr Vorredner sagte, die Weichen zu stellen. Wir befürchten, daß bei so weichen Entschließungen wie den jetzt von der CDU/CSU vorgelegten jahrelang wieder nichts passiert. Dabei liegt eine gerade aus den Reihen der CDU/CSU stammende bindende Erklärung vor, daß der dritte Bundestag die Verpflichtung habe, hier endgültig die Weichen zu stellen. Fast die Hälfte der dritten Legislaturperiode ist verstrichen. In der Regierungsbegründung zu der Drucksache 666 steht, es liege kein Grund für eine Systemänderung vor. Das hat auch der Herr Bundesarbeitsminister in der ersten Lesung erklärt. Dazu muß ich sagen: Wir können nicht mehr warten und uns mit einfachen Entschließungen abfinden. Die Bundesregierung hat auch die Änderungswünsche des Bundesrats wieder beiseitegeschoben und sie nicht für so wichtig gehalten.Einen gewissen Lichtblick gaben uns die Äußerungen der CDU/CSU-Mitglieder im Mittelstandsausschuß, die sich ebenfalls, grundsätzlich für eine Änderung einsetzten wollten. Immerhin glaubten wir, das Eis sei gebrochen, und kamen somit zu dem einstimmigen Beschluß im Mittelstandsausschuß. Der Sozialpolitische Ausschuß hat uns diese vage Hoffnung wieder zunichte gemacht. Wir müssen jetzt einfach in der zweiten Lesung versuchen, bei Ihnen Verständnis dafür zu finden, daß es notwendig ist, jetzt etwas zu tun. Herr Kollege Schmücker hat sogar gesagt: Es ist unabwendbar; es muß etwas geschehen. Wir sind Ihnen, Herr Kollege Schmücker, für diese Feststellung dankbar. Sie sind sicher mit uns der Meinung, daß wir, wenn wir uns wieder auf eine Entschließung beschränken, in diesem Bundestag bestimmt nicht mehr zu einer grundsätzlichen Änderung kommen werden. Ich glaube, in Ihren Worten lag doch immerhin der Wille, recht bald etwas zu tun.Wir gehen deshalb in unserem Änderungsantrag Umdruck 210 noch einen Schritt weiter und sagen:Die durch die Erhöhung des Kindergeldes von 30 DM auf 40 DM monatlich entstehenden Mehraufwendungen werden vom Bund erstattet.Dabei kann eventuell passieren — der Einwand könnte kommen —, daß jetzt schon für die Beitragszahler Ermäßigungen herauskommen. Das wäre nicht sehr schlimm. Im Gegenteil, man wartet ja darauf. Zu diesem Beschluß brauchen wir auch nicht den Haushaltsausschuß und nicht den § 96 der Geschäftsordnung; denn es steht eindeutig fest, daß
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3304 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Reglinger nicht für bestehende Gesetze gilt. Also das ist kein Hinderungsgrund. Wir werden aber durch den Druck, den wir auf die Regierung ausüben, eher zum Ziele kommen, als wenn wir wie seit 1955 Entschließungen fassen und, wie jetzt, in etwas seltsamer Form Antwortbekommen.Wir bitten deshalb, unserem Änderungsantrag Umdruck 210 Ziffer 1 zuzustimmen, und hoffen, daß uns die Regierung sehr bald ein neues Gesetz vorlegen wird.
Nun zu den beiden Anträgen! In der Aussprache gebe ich zunächst Herrn Abgeordneten Schmücker das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin meinen beiden Vorrednern sehr dankbar für die Art, in der sie ihre Anträge begründet und unsere Stellungnahme im Mittelstandsausschuß hier bekanntgegeben haben. Man sieht doch, wenn man sich einige Male ausspricht, geht es auch auf diese freundliche Art und Weise.
Auch nach unserer Meinung hat sich inzwischen herausgestellt, daß die Aufbringung der Mittel größere Härten hervorruft, als wir ursprünglich angenommen hatten. Aber man darf die Vergleiche nicht einfach so ziehen, daß man sagt: hier Beitragsaufbringung nach Lohnsumme und dort Finanzierung durch den Staat. Wenn man Finanzierung durch den Staat fordert, muß man sich auch Gedanken darüber machen, wie er das Geld bekommt. Bezahlt werden muß in jedem Falle, und, Kollege Regling, ich darf schon jetzt sagen, daß darin die zeitweiligen Schwierigkeiten liegen; denn eine Endlösung ist nach unserer Auffassung nur in Verbindung mit etlichen steuerlichen Reformmaßnahmen zu finden.
Ich darf noch auf ein Weiteres hinweisen. Wenn wir einmal unterstellen, daß die Mittel für das Kindergeld durch die Umsatzsteuer aufgebracht werden — sie ist ja die Steuer, die uns im wesentlichen zur Verfügung steht —, dann kommen wir zu dem schmerzlichen Ergebnis, daß von der Umsatzsteuer genau die gleichen Kreise zum Nachteil betroffen werden wie von einer Beitragserhebung nach der Lohnsumme. Das würde also bedeuten, daß wir, wenn wir einfach von der Lohnsumme weg- und zur Umsatzsteuer hingehen, zwar die Methode etwas ändern, aber genau die gleichen Kreise treffen. Die Neuordnung des Kindergeldes steht also im engen Zusammenhang mit der Umsatzsteuerreform.
Das zweite, was ich sagen möchte, ist, daß sich eine Annahme, von der man bei der Schaffung des Ersten Kindergeldgesetzes ausging, nicht bewahrheitet hat. Das war die Annahme, man könne eine unnötige Ausweitung und Politisierung des Kindergeldes am besten durch die Selbstverwaltung verhindern. Jetzt zeigt sich im Gegenteil, daß wir allenthalben bekanntgeben: die Steuern sollen nicht erhöht werden, aber gleichzeitig ist man bereit, einmal Soziallasten und ein andermal Spezialsteuern zu erhöhen. Meine Damen und Herren, wir
müssen doch alles in allem nehmen. Wir stellen also fest, daß man zwar immer sehr fleißig gegen Steuererhöhungen spricht, aber in Spezialfällen immer wieder geneigt ist, einer Minderheit Belastungen zuzumuten. Im Einzelfall steht dann diese Minderheit stets gegen eine große Mehrheit. Diese Entwicklung war damals nicht vorauszusehen und sollte bei den kommenden Regelungen und überhaupt bei all dem, was wir hier tun, beachtet werden.
Nun zu dem Vorschlag der 1% igen Höchstgrenze, der sowohl vom Kollegen Spitzmüller wie vom Kollegen Regling hier aufgegriffen worden ist. Dieser Vorschlag ist auch in meinen Freundeskreisen sehr lange und auch in der Aussprache draußen vertreten worden. Wenn ich einen guten Weg sähe, dieses eine Prozent im Gesetz zu verankern, würde ich sehr gerne mitmachen.
Herr Spitzmüller, Sie haben hier ein Telegramm des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks zitiert. Gerade mit diesem Verband habe ich sehr häufig gesprochen, und es waren die Herren der Vereinigung der Fachverbände, die mir klarmachten: Nein, ihr dürft nicht 1 % hineinschreiben, weil dann die Selbstverwaltung so eingeengt wird, daß wir praktisch nichts mehr zu sagen haben. Ich wäre dennoch bereit gewesen, das zu tun. Aber die Familienausgleichskassen, die bereits eine Verrechnung mit dem Staat haben, teilen uns mit, diese Verechnung sei so unerhört schwierig, daß man sie anderen Kassen nicht zumuten sollte.
Meine Damen und Herren, wenn diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung für alle kommenden Jahre wäre, dann müßten wir sie näher untersuchen. Aber es geht hier doch um eine Regelung, die die Höhe des Kindergeldes betrifft. Wenn man die Entschließung ernst nehmen darf — und das tue ich —, sind wir uns im Hause darüber einig, daß eine Änderung des Systems kommen muß.
Man kann also mit guten Gründen sagen, daß man eine so schwierige Frage wie die Einfügung einer Prozentgrenze nicht nur für ein Dreivierteljahr vornehmen sollte.
Herr Spitzmüller sagte, sein Antrag setze etwas mehr Druck hinter dieses Bemühen. Das ist richtig; wir wollen das gar nicht bestreiten. Aber wenn der Antrag angenommen würde, so würde damit auch ein allgemeiner Rechtszustand geschaffen werden. Man muß sich also bei Beurteilung des Antrages über alle rechtlichen Konsequenzen und nicht nur über den Druck — den ich natürlich auch gern ausgeübt sehen möchte — im klaren sein.
Nun meinte Herr Regling, er habe nach der Resolution von 1956 kein großes Zutrauen dazu, daß der Herr Bundesarbeitsminister mit einer heutigen Resolution dazu veranlaßt werden könnte, die Reformgesetze vorzulegen. Das Verhältnis einer Regierungspartei einerseits und einer Oppositionspartei andererseits zur Regierung ist natürlich unterschiedlich, und die Aufgabe der Opposition ist es selbstverständlich nicht, der Regierung volles
Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode — 61. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3305
Schmücker
— Vielen Dank!
Ich bitte Sie, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen. Wir haben das Vertrauen zum Bundesarbeitsminister, daß er nach Vorlage der objektiven, von Wissenschaftlern erstellten Unterlagen an die von uns für unbedingt notwendig gehaltene Reform der Kindergeldgesetze herangeht.
Ich darf abschließend sagen, daß wir das Schwergewicht dieser Beratungen nicht auf die Erwähnung vieler Einzelmaßnahmen, sondern auf die Forderung nach Erarbeitung einer Grundlage gelegt sehen möchten, von der aus wir dann zu der Reform gelangen können, die auch wir für dringend notwendig halten.
Herr Abgeordneter Dr. Schild!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Vorredner für das Bekenntnis, daß das System geändert werden muß. Dieser Satz ist das Entscheidende aus den Ausführungen des Kollegen Schmücker. Aber auf diesem Standpunkt stehen ja nicht nur Sie, Herr Kollege Schmücker; ich bin vielmehr unterrichtet, daß auch der Herr Familienminister auf dem Standpunkt steht, das System könne so nicht mehr weiterlaufen. Damit stehen wir schon bei diesem Paragraphen vor einer entscheidenden Frage.Ich möchte namens meiner politischen Freunde erklären, daß wir dem Antrag der FDP zustimmen, weil wir in unserem Entschließungsantrag unter Ziffer 1 zwar nicht eine gesetzliche Regelung, aber wenigstens eine Regelung im Wege eines Verwaltungsabkommens zwischen der Regierung und den Familienausgleichskassen vorgeschlagen haben, die inhaltlich und materiell dasselbe bedeutet. Wir sind der Ansicht, daß man es natürlich auch in der Form der Einarbeitung in das Gesetz machen kann.Zur Grundsatzfrage noch einiges: Ich bin dankbar, daß wir endlich so weit sind, daß wir die Dinge fern von allen parteipolitischen Bestrebungen und Motiven sachlich erörtern können. Die drei Jahre haben bewiesen, daß wir uns für ein neues System interessieren müssen. Deshalb muß aber hinter die Änderung dieses Systems — da gebe ich Ihnen, Herr Kollege Schmücker, nicht ganz recht — doch etwas politischer Druck gesetzt werden. Wir haben schon oft gehört, daß der gute Wille vorhanden ist. Aber wir haben auch oft auf den guten Willen gewartet.Ich bezweifle, daß der Herr Bundesarbeitsminister und der Herr Bundeswirtschaftsminister, der ja vor einiger Zeit hier im Hause eine ähnliche Erklärung abgegeben hat, in der Lage sind, an Hand von Repräsentativmaterial die echten Alternativen zwischen lohnintensiven Betrieben und energieintensiven Betrieben zu erarbeiten. Wir haben darüber höchstens Repräsentativmaterial. Wir haben kein statistisches Material, welches für die einzelnen Branchen und Wirtschaftszweige einen Überblick über die Entwicklung der Technisierung und Automatisierung schafft. Wenn Sie den Präsidenten des Statistischen Bundesamtes nach solchem Material fragen, erhalten Sie eine völlig negative Antwort. Insofern bleibt es auch dem Herrn Bundesarbeitsminister oder irgendeinem anderen Ressort überlassen, nur an Hand von repräsentativen Beispielen die Verhältnisse zu untersuchen.Ich stelle fest, daß das nicht ausreicht. Wir müssen dieses Material in concreto für die gesamte gewerbliche Wirtschaft, soweit sie der Technisierung und Automatisierung unterliegt, haben. Nur dann können wir uns ein zutreffendes Bild machen.Insofern stößt Ihr Entschließungsantrag nach meiner Auffassung — über das, was wir vom Herrn Bundesarbeitsminister hinsichtlich der lohnintensiven Betriebe erwarten — verwaltungstechnisch gesehen in den luftleeren Raum. Der Herr Bundesarbeitsminister ist nämlich gar nicht in der Lage, diese Verhältnisse festzustellen, es sei denn, auf der Grundlage von repräsentativen Erhebungen.
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3306 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Dr. SchildWas liegt denn an Repräsentativmaterial vor? Ich kann feststellen, daß alle Gewinn- und Verlustrechnungen und alle Bilanzen der technisierten und automatisierten Wirtschaft über die Kernfragen nichts enthalten. Ich darf weiter feststellen, daß in den Geschäftsberichten dieser Unternehmungen die Kernfragen bis heute wohlweislich gar nicht erwähnt sind: Was ist an Energiekräften installiert? Was wird an Energiekräften verbraucht? Welche Kosten verursacht der Energieverbrauch in den einzelnen Betrieben im Verhältnis zur Lohnsumme? Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Wissenschaftler aus diesen Geschäftsberichten etwas entnimmt, was die Kontroversen zwischen lohnintensiven und energieintensiven Betrieben löst und die Alternativen klärt.Weil es so ist, bin ich der Auffassung, daß Ihr Entschließungsantrag dem Ziele nicht näherkommen wird. Deshalb müssen wir zunächst einmal unter allen Umständen einen Riegel vor eine weitere Beitragserhöhung legen. Den Riegel sehe ich deshalb als notwendig an, weil die Vertreter der Bundesregierung — im Mittelstandsausschuß zum mindesten, wie es im Sozialpolitischen Ausschuß war, weiß ich nicht — erklärt haben, wenn der Termin des 1. März eingehalten werde, brauchten die Familienausgleichskassen nach den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen wahrscheinlich keine Beitragserhöhung. Meine präzise. Frage, ob das eine Garantieerklärung sei, konnte nicht beantwortet werden. Es ist also keine Garantieerklärung, daß eine Beitragserhöhung nicht notwendig ist. Die Regierungsansicht beruht vielmehr auf einer Schätzung.Aber die Familienausgleichskassen sind im Sinne des Selbstverwaltungsrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen ja in der Lage, die Beiträge zu erhöhen, erst recht dann, wenn sie nach wie vor auch die gesetzlichen Reserven bilden müssen, die von ihnen nach dem Gesetz verlangt werden. Deshalb halte ich es für richtig, dem Antrag der FDP zu folgen, hier einen absoluten Riegel vor eine Beitragserhöhung zu legen, die gesetzlichen und freien Reserven zugunsten der Deckung des Kindergeldes mindestens einmal für ein Jahr mit in die Waagschale zu werfen und, falls das noch nicht ausreichen sollte, auch mit einem Kassenkredit der Bundesregierung nachzuhelfen.Diese drei Elemente bedeuten praktisch, daß die Bundesregierung mit Intensität an die Vorlage eines neuen Kindergeldgesetzes herangehen muß, wofür wir unter Ziffer 2 unseres Entschließungsantrags ganz bestimmte Grundsätze vorgeschlagen haben. Ich glaube deshalb, es ist wichtig, daß wir in diesem Augenblick den Antrag der FDP annehmen. Es ist deutlicher, er ist konkreter, er ist auch in finanzieller Hinsicht leichter zu verwirklichen als der Antrag der SPD, alle etwaigen Fehlbeträge unter Außerachtlassung der gesetzlichen und der freien Reserven von vornherein auf die Bundeskasse zu übernehmen.
Herr Abgeordneter Regling!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr erfreut, Herr Schmücker, daß Sie diese Erklärung so, wie Sie sie im Mittelstandsausschuß abgegeben haben, vor dem Hause wiederholt haben. Sie werden aber verstehen, daß es uns noch lieber gewesen wäre, wenn der Herr Arbeitsminister solche Worte hier gesprochen und eine solche Rede hier gehalten hätte. Dann wäre eine größere Garantie gegeben, als sie das darstellt, was er bisher an — ich kann es nicht anders nennen — ausweichenden Antworten auf die bisherigen Entschließungen und kleinen Anfragen gebracht hat.
Natürlich haben Sie darin recht, daß die Gesamtumstellung eine Reihe von Problemen mit sich bringt, wenn wir heute, nach fünf Jahren, umstellen. Deshalb haben wir heute auch nicht den Antrag auf völlige Umstellung gestellt. Das haben wir 1955 getan. Damals war es nötig, und damals wäre es mit einem Betrag von 60 Millionen für den Rest des Jahres 1955/56 möglich gewesen. Da lehnte man es ab, weil man das System so beibehalten wollte.
Inzwischen hat man wieder andere Gründe gefunden. Wir haben deshalb heute auch nur eine Teillösung vorgeschlagen. Die Probleme sind nicht von heute auf morgen und nicht bei diesem Gesetz zu lösen. Darin stimme ich voll und ganz mit Ihnen überein. Aber, den Anfang sollten wir machen, und deshalb unser Vorschlag, daß die Mehrbelastung vom Bund übernommen wird. Oder sind Sie der Meinung, daß man diese Mehrbelastung ohne weiteres auch wieder den bisherigen Beitragzahlern überlassen soll?
Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmücker, ich muß Sie doch an einige Tatbestände erinnern. Ich will nicht von Ihrem geflügelten Wort sprechen, von dem Sachverstand, durch den Sie sich nicht in Ihrer politischen Entscheidung beeinflussen lassen, sondern ich will von dem sprechen, was dieses Haus vor zweieinhalb Jahren auf Antrag Ihrer Fraktion beschlossen hat. Das möchte ich Ihnen vorlesen. Durch einen Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP wurde die Bundesregierung am 28. Juni 1956 beauftragt, einen Gesetzentwurf für die Neuregelung bis zum Oktober 1956 vorzulegen und dabei folgende Grundsätze zu berücksichtigen:Bei der Neuregelung sollen vor allem diejenigen Härten und Unbilligkeiten beseitigt werden, die nach den zur Zeit geltenden Bestimmungen bei der Beitragsfestsetzung und Beitragserhebung insbesondere bei den Selbständigen und freien Berufen entstanden sind.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3307
Dr. SchellenbergUnd dann heißt es weiter:In diesem Zusammenhang ausfallende Finanzierungsmittel sind gegebenenfalls auf den Bundeshaushalt zu übernehmen.Dieser Entschließungsantrag wurde im Juni 1956 angenommen.Es ist in dieser Hinsicht, insbesondere in bezug auf Bereitstellung von Bundesmitteln, aber in den vergangenen zweieinhalb Jahren nichts geschehen, und wir stehen heute noch vor demselben Problem wie damals. Deshalb, Herr Kollege Schmücker, können wir es Ihnen nicht abnehmen, wenn Sie nun wieder eine neue Entschließung einbringen, die noch viel weniger konkret gehalten ist als die damalige. Heute muß bei diesem Änderungsgesetz eine Entscheidung getroffen werden. Herr Kollege Schmükker, Sie sollten sich doch mindestens zu dem bekennen, was Ihre Kollegen im Mittelstandsausschuß mit beschlossen haben.
Herr Abgeordneter Stammberger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmücker hat mit Recht sein Bedauern darüber ausgedrückt, daß man aus dieser Angelegenheit immer ein Politikum macht. Das ist insofern bedauerlich, als wir uns über die Notwendigkeit des Kindergeldes und auch über die Höhe des Kindergeldes in diesem Hause völlig
einig sind und es einen Streit nur über die Frage des Verfahrens, der Technik, der Aufbringung der Mittel und dergleichen mehr gibt.
Zum erstenmal hat die Sache der jetzige Herr Bundesaußenminister von Brentano zu einem Politikum gemacht, der, damals noch Fraktionsvorsitzender Ihrer Partei, als wir uns erstmalig mit dem Kindergeld beschäftigten, der Opposition vorgehalten hat, sie sei eben gegen das Kindergeld, weil sie kein Verständnis für die Kinder habe. Ich muß sagen, es wirkte auf uns Familienväter etwas merkwürdig, daß das ein Mann sagte, der als Junggeselle selber keine Kinder hat, •— jedenfalls soweit der Opposition bisher bekannt.
Herr Kollege Dr. Atzenroth hat damals prophetische Worte gesprochen. Er sagte: Wir werden uns hier am laufenden Band mit neuen Gesetzen und Novellen zum Kindergeld zu beschäftigen haben. Daraufhin machte Herr Kollege Arndgen den Zwischenruf: Sie sind wohl ein Prophet geworden! Wirklich, er war ein Prophet, und er war ein guter Prophet. Es ist genau das eingetreten, was wir Ihnen damals prophezeit haben.
Nun redet alles wieder von einer Änderung. Wir haben eine große Anzahl von Entschließungsanträgen vorliegen, die uns die Notwendigkeit einer Änderung drastisch vor Augen stellen. Was es mit solchen Entschließungsanträgen, selbst wenn sie von der Regierungspartei kommen, auf sich hat, hat uns Herr Kollege Schellenberg bereits geschildert.
Herr Kollege Schmücker hat gesagt, wir müßten volles Vertrauen zum Herrn Bundesarbeitsminister haben. Nun, Herr Kollege Schmücker, wir mögen alle den Herrn Bundesarbeitsminister sehr gern. Aber er hat bei der ersten Lesung sehr offen erklärt, daß die Bundesregierung augenblicklich gar keinen Anlaß sehe, irgend etwas am Prinzip des Aufbringungsverfahrens für das Kindergeld zu ändern. Wenn er diese Erklärung für die Bundesregierung hier so deutlich und so offen abgegeben hat, dann fürchte ich, daß selbst ein Entschließungsantrag Ihrer Partei, auch wenn er einstimmig angenommen würde, sehr wenig Erfolg zeitigen wird.
Worauf wir Freien Demokraten nicht nur mit diesem Änderungsantrag, sondern auch mit unserem gesamten Gesetzentwurf, der nachher noch zur Debatte stehen wird, hinaus wollen, ist die Übernahme auf den Staat. Wir sagen Ihnen das ganz offen. Wir geben auch ganz offen zu, daß das Konsequenzen in steuerlicher Hinsicht haben könnte. Dabei befinden wir uns aber in guter Gesellschaft; denn auf dem gleichen Standpunkt wie wir steht ausgerechnet der Bund der Steuerzahler, der sonst mit Argusaugen darüber wacht, daß vom Staate nicht mehr ausgegeben wird, als unbedingt erforderlich ist. Der Bund der Steuerzahler hält übrigens von Ihren Entschließungsanträgen auch sehr wenig. Er hat erklärt, ein solcher Entschließungsantrag habe den gleichen Wert wie ein Heiratsversprechen im Karneval.
Herr Kollege Schmücker hat gesagt: Bezahlt werden muß es auf jeden Fall. Natürlich muß es bezahlt werden. Es fragt sich eben nur, von wem. Soll es über die Steuern, d. h. von der gesamten Bevölkerung, als ein wirklicher Familienlastenausgleich bezahlt werden, oder soll es lediglich von den Selbständigen bezahlt werden, d. h. in erster Linie vom Mittelstand, ohne Rücksicht auf die Möglichkeit der Aufbringung, ohne Rücksicht auf die zusätzliche finanzielle Belastung, die jeglicher — auch seitens der Bundesregierung immer wieder propagierten — Mittelstandspolitik letzten Endes ins Gesicht schlägt?
Aus diesen Erkenntnissen müssen wir nun allmählich die Konsequenzen ziehen. Diese können nicht darin bestehen, daß ein Entschließungsantrag eingebracht wird. Deshalb haben wir als einzige Fraktion dieses Hohen Hauses keinen gestellt. Die Konsequenzen können nur in dem liegen, was in unserem Änderungsantrag verlangt wird.
Meine Damen und Herren, nun wird es für Sie alle heißen: Hic Rhodus, hic salta! Ich hoffe, daß nicht allzu viele von Ihnen einen „Hic Bonn, hic Salto" machen!
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Vorredner waren
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3308 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Schmückerso freundlich, meinen Namen so häufig zu erwähnen, daß man fast glauben könnte, ich täte in diesem Hause nichts anderes, als mich mit dem Kindergeld zu beschäftigen. Aber davon kann wirklich keine Rede sein; ich habe noch ein bißchen mehr zu tun.Was nun das Zitieren angeht: ich habe leider nicht das Material zur Hand, um unseren verehrten Herrn Vizepräsidenten wörtlich zu zitieren. Er hat einmal festgestellt: die Kunst des Zitierens besteht gerade darin, nicht das deutlich zu machen, was der ,andere sagen wollte, sondern ihn das sagen zu lassen, was man will, daß er es gesagt haben soll.Herr Kollege Schellenberg, Sie wissen ganz genau, es kam mir damals darauf an, klarzustellen, daß die Experten nicht den Vorrang vor dem politischen Gremium haben dürften. Sie müßten schon eine andere Auffassung von meiner Arbeit haben, wenn Sie meine Ausführungen anders auslegen wollen. Ich habe Ihnen kaum einen Grund zu der Annahme gegeben, daß ich der Auffassung sei, man solle sozusagen blind Politik machen und sich nicht von Experten beraten lassen. Es gibt dm übrigen viele Möglichkeiten, Ihnen das einmal recht deutlich an konkreten Beispielen zu beweisen. Im Sozialpolitischen Ausschuß war Frau Kollegin Korspeter so freundlich, mich einmal „fast" zu zitieren. Aber wir sind uns dann gegenseitig ins Lächeln gefallen, und damit war das Thema dann erledigt.Nun zur Sache selbst. Mein Herr Vorredner Dr. Stammberger hat es sich nach meiner Meinungetwas zu leicht gemacht. Wir sind uns darüber im klaren, daß das Gesetz geändert werden muß. Ich bedauere, daß wir bis heute noch nicht so weit sind. Er sagte, auch der Bund der Steuerzahler habe das unpopuläre Wort Steuererhöhung gebraucht. Aber „Hic Rhodos, hic salta! Sagen Sie, wie es gemacht werden soll! Sollen wir jetzt die Einkommensteuer erhöhen, von der wir nur ein Drittel haben? Sie werden sagen: Nein! Sollen wir die Umsatzsteuer — das ist jetzt unsere Steuerquelle — erhöhen? — Nein, das würde unser Gespräch über die Umsatzsteuerreform erheblich erschweren. Ich bedauere, daß es so ist. Aber wenn wir die staatliche Lösung wollen, müssen wir zunächst die Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Wenn wir es anders machen, meine Herren, machen wir es ohne Sachverstand!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache kein Hehl daraus, daß ich ein Anhänger des Antrags der FDP bin. Die heutige Konstruktion — und ich meine auch die Organisation — ist für mich ein Rudiment aus einer berufsständisch-solidarischen Ideologie, die aber in heutiger Zeit nicht mehr klappt.
Denn wir erleben es ja, daß von einem Zweig zum andern ausgeglichen werden muß.
Lieber Freund Horn, wenn ein solcher Ausgleich stattfinden muß, ist das nächstliegende, daß ihn der Staat und seine Verwaltungsorganisation vornimmt.
Was die Frage der sogenannten Selbstverwaltung angeht, so ist zu sagen: Es gibt keine Selbstverwaltung originärer Art mehr, sondern jegliche Selbstverwaltung bekommt die Machtausübung vom Staat delegiert.
Nun aber muß ich eine Frage an die Kollegen Stammberger usw. richten. Die Frage ist vom Kollegen Schmücker schon sehr gut gestellt worden — denken Sie jetzt aber nicht, daß ich abwechselnd mal Beifall von der CDU haben möchte —:
Welche Finanzmittel, welche allgemeinen Dekkungsmittel stehen zur Verfügung? Ich glaube, wenn wir das gegenwärtige System, das von den Zahlungspflichtigen als Besteuerung empfunden wird, abschaffen, werden wir allgemeine Deckungsmittel anwenden müssen, und es muß u. a. auch zur Erhöhung gewisser Steuern zur Abdeckung dieser Leistungen kommen. Das hat Herr Schmücker mit Recht herausgestellt.
Aber nun zur Organisation, Herr Stammberger. Die Finanzämter, die mir als Auszahlungsstellen willkommen sind, sind, was noch nicht in alle Köpfe eingegangen ist, Landesbehörden. Der verflossene Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Fritz Reinhardt, dem ich weiß Gott keine Träne nachweine, hatte ein gewisses Gefühl dafür, daß man die Finanzämter etwas populärer machen könnte, wenn man sie nicht nur zu nehmenden, sondern auch zu gebenden Behörden machte.
Da die Finanzämter ja nächst dem Bundestag das häufigste Objekt für die Witze des Karnevals hergeben, wäre es ein nettes Entgegenkommen gegenüber den Finanzbeamten und allem Volk, was dazugehört, wenn man ihnen auch eine gebende Funktion gäbe.
Aber nun zum Ernsten und damit zum Schluß. Wir müssen wissen, woran wir bei den Ländern sind. Sie haben es im 2. Bundestag abgelehnt, die Finanzämter mit dieser Funktion des Auszahlens zu betreuen. Herr Stammberger, ich habe mich mal an einen Vereinsbruder von Ihnen gewandt, Verzeihung: Parteifreund von Ihnen, den gegenwärtigen Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz, Herrn Minister Franck in Stuttgart, er möchte doch mal Klarheit schaffen, ob die Länder bereit seien, die Finanzämter für dieses Geschäft zur Verfügung zu stellen, oder nicht. Wenn die Antwort nein ist wie bisher, dann entfällt die ganze Diskussion über diese Dinge. Um diese Klarheit durch die Länder, zunächst durch die Länderfinanzministerkonferenz und dann durch den Bundesrat überhaupt, möchte ich bitten. Das ist mein Anliegen, was ich hier vorzubringen habe. Alles gut und wohl, aber wenn die Länder nicht wollen, Herr Stammberger, dann ist Ihr Vorbringen unnütz.
Herr Abgeordneter Stammberger!
Deutscher Bundestag - - 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3309
Ich möchte die an mich gestellte Frage kurz beantworten, Herr Kollege Dresbach. Was unseren neuen Gesetzentwurf betrifft, so wird dazu Herr Kollege Spitzmüller sprechen, dem ich nicht vorgreifen möchte. Ich möchte aber zur Deckung unseres jetzt vorliegenden Antrags sprechen, der heute schon Gesetz werden könnte, während das andere, unser eigentlicher Gesetzentwurf, heute noch in der ersten Lesung ist.
Wir haben vorhin bereits sehr deutlich gesagt, daß wir zuerst das Rücklagevermögen aufgebraucht haben wollen, das sich die Familienausgleichskassen heute bereits in Höhe von 220 Millionen DM angelegt haben.
— Möglich, aber wir wollen es eben hineinhaben. Wie Sie es bezeichnen, Herr Kollege, ist doch letzten Endes völlig gleichgültig.
Diese Rücklagen, wie immer Sie sie auch bezeichnen, Herr Kollege Winkelheide, sind höher als die Beträge, die nach den Behauptungen der Bundesregierung benötigt werden, um die Erhöhung von 30 auf 40 DM zu finanzieren. Wenn diese Mittel nicht mehr ausreichen, können wir uns im übernächsten Haushaltsjahr bei den Haushaltsberatungen sehr eingehend darüber unterhalten. Selbstverständlich werden wir uns auch schon vorher bei der Beratung des FDP-Gesetzentwurfs mit dieser Materie auseinandersetzen müssen. Aber die Übergangslösung des FDP-Antrags, der auf dem Umdruck gestellt worden ist und der im Fall der Annahme heute Gesetz wird, ist finanziell in voller Höhe gesichert.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen, zunächst über den Antrag Umdruck 207.
— Nein, meine Herren. Abstimmungsfolge: Erstens Umdruck 207, soweit er die Anfügung eines Abs. 4 vorschlägt. Zweitens Umdruck 210 Ziffer 1, da er weiter geht als Umdruck 207, soweit dieser die Einfügung eines Abs. 5 begehrt. — Herr Professor Schellenberg, sind wir darin einig? -- Drittens: Falls der Antrag Umdruck 210 Ziffer 1 abgelehnt wird, kommt Umdruck 207, soweit er die Anfügung eines Abs. 5 in § 11 betrifft.
In dieser Reihenfolge, meine Damen und Herren, wollen wir abstimmen.
Zunächst also Änderungsantrag Umdruck 207, soweit er die Anfügung eines Abs. 4 betrifft. Bitte machen Sie einen Strich; ich lasse jetzt über den Abs. 5 nicht abstimmen. — Herr Professor Schellenberg, sind Sie anderer Meinung? — Bitte sehr, belehren Sie mich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 210 Ziffer 1 geht meines Erachtens weiter als der Antrag 207 betreffend Abs. 5, Herr Präsident.
Sie meinen also, daß Umdruck 210 Ziffer 1 — —
Weiter geht! Denn nach diesem Antrag soll generell der Mehraufwand aus Bundesmitteln erstattet werden, während der Antrag Umdruck 207 nur gewissermaßen aushilfsweise Bundesmittel heranziehen will.
Herr Professor Schellenberg, dais stimmt mit dem überein, was ich gesagt habe.Die Annahme des Antrags Umdruck 210 Ziffer 1 würde Antrag Umdruck 207 betreffend Absatz 5 erledigen.
Sind wir uns darüber klar?
Dann stimmen wir also so herum ab. Änderungsantrag Umdruck 210 Ziffer 1, betreffend den Abs. 4. Wer zustimmen, will, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Zwei Enthaltungen. — Ich bin der Meinung, daß es bei der Gegenprobe die Mehrheit war. Sind Sie einig, meine Herren Kollegen, oder wollen wir wiederholen? — Es war die Mehrheit. Der Antrag Umruck 210 Ziffer 1 ist abgelehnt.Dann kann über den Antrag Umdruck 207 im ganzen abgestimmt werden. Ich bitte, einen Druckfehler zu korrigieren; es muß statt „Rechtsbedarf" „Restbedarf" heißen. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion FDP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich glaube, das sind die gleichen Mehrheitsverhältnisse wie vorhin.
— Es wird bezweifelt. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 207 ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Einer meiner Kollegen Schriftführer meldet jetzt Zweifel an, und deshalb gibt es einen Hammelsprung. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.— Ich bitte, die Auszählung zu beenden. —Ich bitte, die Türen zu schließen.Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Gegenstand der Abstimmung ist der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 207. Mit Ja haben gestimmt 210 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 183 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich 5. Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 207 ist angenommen.
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3310 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Präsident D. Dr. Gerstenmaier— Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte Platz.
— Ich möchte gern weitermachen, meine Damen und Herren. Ich bitte, Platz zu nehmen. Wir müssen in den Verhandlungen fortfahren.Ich rufe auf Art. 1 .in der durch die Annahme des Änderungsantrages der Fraktion der FDP geänderten Fassung. Wer dem Art. 1 in dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Art. 1 ist in der geänderten Fassung angenommen.Art. 2, Art. 2 a, Art. 2 b, Art. 3, Art. 4, Art. 5. —Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Artikeln zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Artikel sind angenommen.Art. 6! Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 210 Ziffer 2 vor. — Zur Begründung Frau Kollegin Korspeter!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Auftrage meiner Fraktion beantrage ich für Art. 6 die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Wir wollen also die Erhöhung des Kindergeldes ab 1. Januar 1959, nicht erst ab 1. März 1959, wie es der Mehrheitsbeschluß des Sozialpolitischen Ausschusses vorsieht.
Vielleicht ist es eine etwas merkwürdige Situation, daß die Opposition dieses Hauses die Wiederherstellung der Regierungsvorlage fordert. Aber wir sehen uns dazu veranlaßt, weil die Regierungsparteien nicht mehr zur Regierungsvorlage stehen und weil man mit der Festlegung des Termins in der Regierungsvorlage auf den 1. Januar 1959 den Kindergeldbeziehern praktisch ein Versprechen gegeben hat, das man unseres Erachtens nun auch halten sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, in diesem Hause gab es nach meiner Überzeugung schon weittragendere politische Entscheidungen. Ich würde doch bitten, sich jetzt zu beruhigen, damit wir fortfahren und die Frau Kollegin hören können. — Fahren Sie bitte fort.
Ich danke Ihnen sehr, Herr Präsident.
Auch Herr Minister Wuermeling hat alles getan, um in der Offentlichkeit bei den Betroffenen die Hoffnung zu erwecken, daß der in der Regierungsvorlage vorgesehene Termin eingehalten wird. Er hat den Herrn Bundeskanzler dazu bemüht, ja er ging sogar so weit, seinen Rücktritt anzudrohen, falls eine Terminverschiebung vorgenommen werden sollte. Nun, wir nehmen diese Erklärung von Herrn Minister Wuermeling nicht sehr ernst; wir haben solche Rücktrittsdrohungen
schon des öfteren gehört. Außerdem: diese Rücktrittsdrohungen des Herrn Familienministers lösen schließlich nicht das Problem.
Allerdings muß ich dem Herrn Minister Dr. Wuermeling mit allem Nachdruck sagen: Wir erwarten selbstverständlich, daß Sie den Antrag meiner Fraktion tatkräftig unterstützen, daß Sie Ihre Argumente nicht nur draußen in Versammlungen sagen, sondern sie dem Parlament vortragen,
damit wir mit Ihrer tatkräftigen Unterstützung unseren Antrag zur Annahme bringen können.
Ich bin nicht der Meinung, daß ein Inkrafttreten des Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1959 verwaltungstechnische Schwierigkeiten machen wird. Schließlich hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf dem Parlament erst am 21. November vorigen Jahres zugeleitet. Die Bundesregierung weiß aus langjähriger Erfahrung selber, daß einige Monate ins Land gehen, ehe ein solches Gesetz unter Dach und Fach gebracht ist. Die Bundesregierung selbst aber hat den 1. Januar 1959 vorgeschlagen, und sie mußte damit rechnen, daß wegen der Dauer der Beratungen in diesem Hause ein Gesetz mit rückwirkender Kraft verabschiedet werden würde.
Ich bezwecke mit dieser Bemerkung noch etwas anderes. Von draußen ist dem Mittelstandsausschuß vielfach Verzögerungstaktik vorgeworfen worden. Nach meiner Meinung ist das nicht gerechtfertigt, und ich möchte den Mittelstandsausschuß gegen diese Vorwürfe in Schutz nehmen.
Wir hoffen, daß unser Antrag — ganz besonders mit der tatkräftigen Unterstützung durch unseren Familienminister — Ihre Zustimmung finden wird.
Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben uns schon zu Beginn der Aussprache im 1. Deutschen Bundestag über Form, Art und Ziel der Kindergeldregelung — ebenso wie heute — für eine Lösung ausgesprochen, wie sie sich jetzt anbahnt. Der soeben von der Fraktion der SPD gestellte Antrag sollte aber nicht dazu veranlassen, das Spiel nun so zu treiben, daß der Artikel 6, den der Ausschuß wohlbegründet mit dem Hinweis auf die zu erwartenden außerordentlichen verwaltungstechnischen Schwierigkeiten abgelehnt hat, jetzt in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt wird. Ich glaube auch nicht, Frau Kollegin Korspeter, daß Sie damit den Empfängern von Kindergeld eine große Freude bereiten. Hier wie in allen anderen Fällen ist die Garantie der Zahlung des Kindergeldes nach einem gerechten System für alle Zukunft bedeutsamer als ein kurzer Erfolg, den Sie jetzt mit einem solchen Beschluß haben könnten. Es besteht gar kein Zweifel, daß wir, wenn wir das erhöhte Kindergeld ab
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3311
Frau Kalinke1. März zahlen, auch Zeit haben werden, bis zum neuen Haushalt die Vorbereitungen zu treffen, um die Aufbringung der Mittel und die Auszahlung der Leistungen ohne Erhöhungen von Beiträgen und Steuern zu garantieren, und darauf kommt es uns an. Wir werden den Antrag der SPD ablehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Artikel 6, Umdruck 210 Ziffer 2, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Herren Schriftführer können sich nicht einigen; wir müssen die Abstimmung wiederholen. — Wer für den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 210 Ziffer 2 ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Das war die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 210 Ziffer 2 ist abgelehnt.
Ich rufe auf Artikel 6 in der Fasssung des Ausschusses sowie Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, dein bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe? Enthaltungen? — Da kann ich nur feststellen, daß soundso viele Abgeordnete an der Abstimmung nicht teilgenommen haben. — Das erste war die Mehrheit; Artikel 6 in der Ausschußfassung sowie Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Zur dritten Lesung kann ich nicht aufrufen. Sie steht zwar auf der Tagesordnung, aber ich höre, daß sich die Fraktionen geeinigt haben, die dritte Lesung abzusetzen.
— Einen Augenblick, meine Damen und Herren! Desavouieren Sie nach Möglichkeit bitte nicht die Herren Fraktionsgeschäftsführer; denn in irgendeiner Form müssen wir ja auch noch während der Beratungen zusammenarbeiten können. — Herr Kollege Schellenberg, ist es notwendig, daß Sie jetzt sprechen? — Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können nach der Geschäftsordnung nicht Ihr Recht bestreiten, die dritte Lesung hinauszuschieben. Aber, meine Damen und Herren, ich darf Sie an die Entwicklung dieses Gesetzes erinnern. Ihr Minister, der Herr Bundesfamilienminister, hatte, als das Gesetz hier eingebracht wurde, vor der ersten Lesung den außergewöhnlichen Schritt unternommen, an alle Fraktionsvorsitzenden zu schreiben und zu bitten, das Gesetz unverzüglich zu verabschieden. Nach der 1. Lesung hat es lebhafte Auseinandersetzungen in der CDU um die Frage des Zeitpunktes für das Inkrafttreten gegeben. Dann haben wir im Sozialpolitischen Ausschuß den Gesetzentwurf unverzüglich beraten, ohne daß der Schriftliche Bericht des mitberatenden Ausschusses vorlag, und zwar auf die besondere Bitte vor allem der Kollegen der CDU/CSU-Fraktion hin. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, waren es, die im Ausschuß sogar anregten, diesen Gesetzentwurf sogleich nach Ausschußberatung ins Plenum zu bringen, ohne daß die Schriftlichen Berichte der Ausschüsse vorlagen. Nun wollen Sie der dritten Lesung widersprechen? Sie haben nach der Geschäftsordnung ein Recht dazu. Aber, meine Damen und Herren, der Sache, für die Sie selbst so lebhaft eingetreten sind, dient es nicht, wenn jetzt durch Widerspruch von Mitgliedern des Hauses heute die Verabschiedung dieses Gesetzes unterbleibt.
Ich habe Ihre Wortmeldung als eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung angesehen, Herr Abgeordneter Schellenberg.
Ich gebe noch einem Redner, der dagegen sprechen und ein ähnliches statement ausdrücken will, das Wort zur Geschäftsordnung, aber weiter erteile ich es nicht. Herr Abgeordneter Rasner zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir widersprechen der dritten Lesung. Wir waren uns ursprünglich zwischen den Fraktionen darüber einig, daß dies bei einer so weitgehenden Änderung, wie sie die Vorlage jetzt erfahren hat, notwendig ist. Im übrigen ist diese Vorlage durch die Annahme des FDP-Antrages ohnehin eine Finanzvorlage nach § 96 der Geschäftsordnung geworden.
Sie haben für die Fraktion der CDU/CSU gesprochen, Herr Abgeordneter Rasner. Dann brauche ich nicht abstimmen zu lassen. Herr Abgeordneter Schellenberg, 10 Stimmen genügen, die dritte Lesung zu verhindern, wenn in der zweiten Lesung Änderungen vorgenommen werden. Darüber sind wir uns einig. Ich brauche also nicht abstimmen zu lassen. Ich vertage die dritte Lesung. Der neue Termin wird im Ältestenrat festgelegt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zum nächsten Tagesordnungspunkt. Ich rufe Punkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Bundesrechtsanwaltsordnung ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 778).
Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Wagner, ob er das Wort zur Berichterstattung wünscht. — Das Wort ,als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß ich mich auf meinen Schriftlichen Bericht beziehe. Ich habe zu diesem nur zwei Ergänzungen vorzunehmen. Die eine bezieht sich auf § 3 Absatz 2. Ich muß sie im Zusammenhang mit
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3312 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
WagnerAbsatz 1 vortragen, damit es ganz klar wird. Dieser lautet:Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.Absatz 2 lautet:Sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden.
Dazu habe ich zu erklären, daß gemäß den Beschlüssen des Rechtsausschusses unter „Schiedsgerichten" nur zu verstehen sind Schiedsgerichte im Sinne der Zivilprozeßordnung, d. h. der §§ 1025 ff. ZPO.Die zweite Ergänzung bezieht sich auf § 64 Abs. 2. Er lautet:Der bei dem Prozeßgericht zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt darf in der mündlichen Verhandlung einem Rechtsanwalt, der nicht selbst zum Prozeßbevollmächtigten bestellt werden kann, die Ausführung der Parteirechte in seinem Beistand überlassen.Um alle Unklarheiten über die Bedeutung dieser Bestimmung zu beseitigen, möchte ich folgendes sagen. Die Bestimmung ist nicht etwa so zu verstehen, daß ein Rechtsanwalt, der, ohne am Prozeßgericht zugelassen zu sein, Ausführung der Parteirechte vornehmen will, das nur tun kann, wennder zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Anwalt persönlich anwesend ist. Vielmehr kann, wenn dieser zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Anwalt beispielsweise Untervollmacht an einen anderen bei dem gleichen Gericht zugelassenen Anwalt erteilt, die Ausführung der Parteirechte auch in dessen Beistand erfolgen. Um das noch etwas deutlicher zu machen, ein praktisches Beispiel: Vor dem Oberlandesgericht findet ein Prozeß statt. Ein beim Oberlandesgericht nicht zugelassener Rechtsanwalt will im Beistand des beim Oberlandesgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten. auftreten. Das darf er nach dieser Bestimmung. Er darf es aber auch dann, wenn der Prozeßbevollmächtigte, der beim Oberlandesgericht zugelassen ist, in Untervollmacht einen anderen Kollegen, der beim gleichen Oberlandesgericht zugelassen ist, aufgestellt hat. Die Worte „die Ausführung der Parteirechte in seinem Beistand überlassen" sind also nicht so aufzufassen, daß es nur der zum Prozeßbevollmächtigten Bestellte selber sein kann; vielmehr gilt dasselbe, wenn er durch Untervollmacht etwa im Falle seiner Verhinderung, z. B. durch Krankheit oder Urlaub, einem anderen bei dem Gericht zugelassenen Anwalt seine Stellvertretung übertragen hat.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Die ersten Bestimmungen, zu denen ein Änderungsantrag gestellt ist, sind die §§ 6 bis 17. Der Umdruck 222 ist, wie mir gesagt wurde, noch nicht verteilt, weil der Antrag eben erst eingereicht worden ist. Dieser
Antrag trägt eine Reihe von Unterschriften, die ich zwar zählen, aber nicht lesen kann. Ich weiß also nicht, von wem der Antrag ist. Ich kann nur sagen: es liegt ein Antrag vor, der von einer genügenden Anzahl von Unterschriften gezeichnet ist. Vielleicht kann dann das Haus ohne weitere Rücksicht auf die Person und die Zugehörigkeit der Antragsteller seine Entscheidung treffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß der Umdruck noch nicht verteilt ist. Ich kann ihn ganz kurz bekanntgeben und kurz begründen.
Es handelt sich um die Wiederherstellung der Regierungsvorlage in § 6. Der § 6 der Regierungsvorlage spricht vom Erfordernis des Anwärterdienstes, und zwar ist dort festgelegt, daß, wer seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen will, zur besonderen Vorbereitung auf die selbständige Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt einen Anwärterdienst zu leisten hat. In Abs. 2 heißt es:
Ein Bewerber, der zum Richter oder Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt oder bereits als Rechtsanwalt oder Notar tätig war, ist von dem Anwärterdienst befreit. Das gleiche gilt für einen ordentlichen öffentlichen Lehrer des Rechts an einer deutschen Universität.
Die folgenden Paragraphen, die ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gleich mit begründen möchte, behandeln die Dauer des Anwärterdienstes, den Antrag auf Zulassung zum Anwärterdienst, die Ablehnung des Antrags, die Leitung des Anwärterdienstes, den Beginn des Anwärterdienstes, die Aufsicht über den Anwaltsassessor, die Überweisung an einen Rechtsanwalt usw.
Der Rechtsausschuß ist mit einer Mehrheit von Stimmen zu dem Ergebnis gekommen, daß dieser Anwärterdienst gestrichen werden soll, daß also hinfort jeder, der die zweite, große juristische Staatsprüfung bestanden hat, sich als Anwalt niederlassen kann, ohne daß er vorher einen weiteren Vorbereitungsdienst ableisten muß. Die Antragsteller, die den Antrag übrigens, Herr Präsident, schon vor einiger Zeit eingereicht haben und es bedauern, daß er noch nicht verteilt ist — —
Herr Abgeordneter, maßgeblich ist der Eingang und nicht die Stellung des Antrags. Er ist erst jetzt eingegangen.
Ich bedaure außerordentlich, daß diese Sache passiert ist.
Es ist Sache der Antragsteller dafür zu sorgen, daß Anträge rechtzeitig eingehen.
Richtig, Herr Präsident! Ich kann das hier nur bedauern.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3313
Dr. DittrichDie Antragsteller sind der Ansicht, daß die Referendarzeit des jungen Juristen nicht ausreichend ist, ihn in die verantwortungsvolle Aufgabe eines Anwalts einzuführen.In den meisten Ländern ist die Referendarzeit so gestaltet, daß die Ausbildung beim Anwalt erst in der letzten Periode, d. h. unmittelbar vor dem Assessorexamen, erfolgt. Das führt selbstverständlich dazu, daß der Referendar sich nicht im wesentlichen auf die Tätigkeit eines Anwalts vorbereitet, sondern daß er in der Hauptsache seine Vorbereitungen auf das Examen trifft. Das sollte nach unserer Ansicht nicht dazu führen, daß er ohne die entsprechende Vorbereitung unmittelbar mit den Tätigkeiten eines Anwalts betraut werden kann. Die Besonderheiten des Anwaltsberufs vor allem in prozeßrechtlicher Hinsicht lernt der Referendar ebensowenig kennen wie die Erfordernisse eines Anwaltsbüros: die Organisation, den Arbeitsablauf, die Buchhaltung usw. Auch in die standesrechtlichen Fragen wird der Referendar, weil er sich eben unmittelbar vor dem großen juristischen Staatsexamen befindet, nicht in der Weise eingeführt, wie es notwendig ist, damit er später den Pflichten eines Anwalts nachkommen kann.Ich weiß, daß ein Teil dieses Hauses grundsätzlich die Regelung des Anwärterdienstes beibehalten möchte. Es sind aber gewisse Bedenken vorhanden, ob in dem einen Jahr die Vorbereitung wirklich so getroffen werden kann, daß für den kommenden Anwalt dabei etwas herausspringt. Das scheint mir keine Argumentation zu sein; denn ein Jahr sollte genügen, auch wenn der Anwalt, dem er zur Ausbildung gegeben ist, überbelastet ist. Er hat ja immerhin die Möglichkeit, sich im ganzen Bürobetrieb zu informieren, er hat die Möglichkeit, sich in der Literatur auch hinsichtlich der standesrechtlichen Fragen einzulesen und da und dort den Anwalt zu fragen, wo es Unklarheiten gibt.Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Entwurf des Richtergesetzes, der diesem Hause vorgelegt werden wird, eine mehrjährige Assessorenzeit vorsieht — und dies im Falle eines Richters, der ja immer die Möglichkeit hat, sich bei Kollegen zu erkundigen, mit Richterkollegen Rücksprache zu nehmen, während der Anwalt, wenn er einmal zugelassen ist, im großen und ganzen auf sich allein gestellt ist und die Rechtsinteressen seiner Auftraggeber wahrnehmen muß, und dazu benötigt er eine gewisse Ausbildung.Deshalb meinen wir, daß die §§ 6 und folgende bezüglich des Anwärterdienstes im Sinne der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden sollten, und ich bitte dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion widerspreche ich diesem Antrag und bitte Sie, ihn abzulehnen. Ich bedaure, daß der Kollege Dittrich und diejenigen Kolleginnen undKollegen, die diesen Antrag unterstützen, nicht Gelegenheit gehabt haben, die sehr eingehende Diskussion im Rechtsausschuß und auch das anzuhören, was die Sachverständigen, insbesondere der Hamburger Oberlandesgerichtspräsident, uns zu diesen Fragen gesagt haben. Dort ist doch bei sehr sorgfältiger Abwägung aller Argumente schließlich in sehr überzeugender Weise dargetan worden, daß unter den heutigen Verhältnissen und Bedingungen das Anwaltsassessorat keinen rechten Sinn mehr habe und daß deshalb — nicht nur deshalb, aber auch aus diesem Grunde — seine Einführung oder Wiedereinführung und Festlegung für die Zukunft unterbleiben sollte.Was kann denn in der Praxis wirklich bei diesem Anwaltsassessorat herauskommen? Ist es denn so, wie hier theoretisiert worden ist, daß der Anwaltsassessor tatsächlich eine Station der Ausbildung durchmache? Wird er denn tatsächlich von dem älteren Kollegenunterrichtet und in die spezifisch anwaltliche Tätigkeit eingeführt?Wer das ernstlich behauptet, scheint doch in entscheidender Weise an den tatsächlichen Verhältnissen vorbeizugehen. Ich gehöre zu denjenigen Anwälten, verehrter Herr Kollege Dittrich, die erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit diesen sogenannten Anwärterdienst hinter sich gebracht haben, und ich darf Ihnen eines sagen, ohne damit irgend jemandem zu nahe treten zu wollen: In diesem knappen Jahr, in dem ich das gemacht habe — und dieselbe Erfahrung haben die vielen Kollegen, mit denen ich in dieser Zeit darüber gesprochen habe, ebenfalls gemacht —, war ich, um es einmal sehr überspitzt und betont, aber deutlich auszudrücken, ein willkommener Hilfsarbeiter in dieser Anwaltspraxis.
Aber es ist in dieser Zeit kein Versuch gemacht worden, mich wirklich ernsthaft an die anwaltliche Praxis heranzuführen. Ich habe die Sachen, die mir zugeteilt wurden, meine Klagen, meine Strafverteidigungen und was sonst anfiel, völlig selbständig gemacht und ohne daß mir irgendeine Hilfestellung geleistet wurde.Sie haben die Frage der Standes- oder, ich möchte lieber sagen, Berufspflichten angeschnitten. Ich muß Ihnen sagen, daß mir bis heute noch niemand etwas darüber gesagt hat. Als ich aber meine Zulassung als Anwalt bekam, ist mir eine Schrift der Anwaltskammer darüber zugegangen, und die habe ich mir sehr genau angesehen. Ich glaube, heute weiß ich, auch ohne daß ich in aller Form unterwiesen worden bin, was ich tun darf und was ich lassen muß. Man muß sich von den Vorstellungen frei machen, daß das zweite Staatsexamen etwas ist, das man in dieser Form hier abwerten kann. Die entscheidende Prüfung für den jungen Juristen ist sein zweites Staatsexamen. Damit erwirbt er die Befähigung zum Richteramt und zum höheren Verwaltungsdienst; damit muß er auch die Qualifikation für die Ausübung des Anwaltsberufes haben. Mit mir haben zahllose Kollegen es immer als eine ungerechte Benachteiligung empfunden, daß wir, wenn wir als junge Anwaltsassessoren zum Gericht gingen, dort
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3314 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Jahn
nicht einmal selbständig auftreten durften und wir uns einführen lassen mußten, während die Kollegen, die mit uns zusammen Examen gemacht hatten, zu dieser Zeit schon als Richter oder als Staatsanwälte mit vollen Rechten dort saßen und arbeiten konnten und niemand irgendwelche Vorbehalte angemeldet hat.
Welcher Sinn soll eigentlich darin liegen, hier eine Art Ausnahmerecht für den jungen Juristen zu schaffen, der Anwalt werden will? Ich gebe Ihnen völlig recht: die Ausbildung der Referendare hat viele Mängel und ist sicherlich nicht eine umfassende und ausreichende Vorbereitung auf die Praxis. Aber das gilt doch nicht nur für die Anwälte, sondern das gilt gleichermaßen für die Richter, für die angehenden Staatsanwälte, für die Männer, die in die Verwaltung gehen. Ein vernünftiger Grund dafür, eine Sonderregelung für die Anwälte, einen anwaltlichen Probedienst zu schaffen, ist nicht vorhanden, es sei denn — dann sollten wir es allerdings offen aussprechen —, daß man auf diese Art und Weise den Versuch machen will, sich in größerem Umfange einen allzu stark nachdrängenden Nachwuchs vom Halse zu halten bzw. jungen Nachwuchs auf diese Weise einige Jahre als billige Hilfsarbeiter zu erhalten. Solche Argumente, glaube ich, sollten wir nicht hinnehmen, und sie sollten daher hier keine Rolle spielen.
In der Diskussion über diese Frage ist immer wieder darauf hingewiesen worden, daß im Grunde auch der junge Anwaltsassessor, der angehende Anwalt, ein Bedürfnis habe, sich ausbilden zu lassen und in die anwaltliche Praxis hineingeführt zu werden. Ich habe gerade heute ein Schreiben des Bundesreferendarverbandes bekommen, also des Verbandes der jungen Juristen, die in absehbarer Zeit vor der Entscheidung stehen werden, welchen Beruf sie einschlagen. Sie haben in aller Deutlichkeit gesagt, sie legten Wert darauf, daß es bei dem bleibe, was der Rechtsausschuß beschlossen habe, nämlich daß der anwaltliche Probedienst, der Anwärterdienst, fortfalle.Wenn dann jemand vor der gewiß nicht einfachen Entscheidung steht, nach Absolvierung des zweiten Staatsexamens die Wahl zu treffen, ob er Anwalt werden will oder nicht, und er als einzelner noch nicht entschlossen ist und glaubt, noch eine Hilfestellung zu brauchen, dann steht nichts entgegen, daß er sich mit einem älteren Kollegen in einer Sozietät verbindet oder für eine begrenzte Zeit in ein Anstellungsverhältnis geht. Aber wir sollten die Entscheidung darüber nicht hier treffen, sondern sie dem einzelnen überlassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden damit einverstanden sein, daß ich mich ganz kurz fasse. Ich kann das um so mehr tun, als der Kollege Jahn eine Reihe der wesentlichen Argumente, die für die Abschaffung des Anwärterdienstes sprechen, hier bereits vorgetragen hat.Niemand unterstellt natürlich — auch der Kollege Jahn hat das sicherlich nicht tun wollen —, daß diejenigen, die sich für die Beibehaltung des Anwärterdienstes einsetzen, das aus irgendwelchen Konkurrenzgründen tun. Ich glaube nicht, daß Kollege Jahn sich in diesem Sinne hat ausdrücken wollen. Herr Kollege Dr. Dittrich, in dieser Beziehung verstehen wir uns vollkommen richtig.Ich möchte klarstellen, daß der Kollege Dr. Dittrich nur für einen Teil meiner Fraktionskollegen gesprochen hat. Im Rechtsausschuß waren die Meinungen innerhalb unserer Fraktion durchaus geteilt. Man kann aber, glaube ich, sagen, daß sich eine gute Mehrheit der Kollegen unserer Fraktion in dem gleichen Sinne ausgesprochen hat, wie das Kollege Jahn mit seinen Argumenten eben getan hat.Die Argumente sind, wenn ich sie mit drei Stichworten wiederholen darf, folgende: Erstens die Befürchtung der Relativierung des Zweiten Staatsexamens. Kollege Jahn hat davon gesprochen. Wir wollen an dem Grundsatz festhalten, daß das Zweite juristische Staatsexamen die Möglichkeit des Zugangs zu allen juristischen Berufen ohne Einschränkung eröffnet.Der zweite Gesichtspunkt ist der, daß, wenn man einen Anwärterdienst für notwendig hielte, das geforderte eine Jahr für die Ausbildung wahrscheinlich nicht ausreichend wäre, sondern daß man dann eine längere Zeit mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten ins Auge fassen müßte.Das dritte Bedenken des einen oder anderen Kollegen, das ich nicht für schwerwiegend halte, das aber doch verdient, in der Debatte vorgebracht zu werden, ist dies, ob nicht durch die Einführung oder Beibehaltung eines solchen Anwärterdienstes der Zugang zu einem juristischen Beruf in einem verfassungsrechtlich immerhin problematischen Sinne eingeengt würde. Ich wiederhole: ich halte dieses Argument nicht für durchschlagend, aber immerhin für erwähnenswert.Abschließend darf ich Sie bitten, auch ein praktisches Argument zu berücksichtigen. Der Rechtsausschuß hat sich mit den Einzelvorschriften, die den Anwärterdienst betreffen, überhaupt nicht beschäftigt, und zwar deswegen, weil er ja grundsätzlich den Anwärterdienst abschaffen will. Wenn sich das Haus jetzt im Sinne des Antrags des Herrn Kollegen Dr. Dittrich entschiede, hätte das zwangsläufig zur Folge, daß wir mindestens in diesem Punkt die Beratung der Rechtsanwaltsordnung heute nicht fortsetzen könnten, sondern den Rechtsausschuß mit einer erneuten Prüfung beauftragen müßten, weil die Formulierungen des Regierungsentwurfs von uns nicht unbesehen angenommen werden könnten.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3315
BendaWir würden damit die Verabschiedung verzögern; das kann, glaube ich, nicht bestritten werden.
— Ich möchte aber darauf aufmerksam machen — ich glaube, ich muß das tun —, daß der Rechtsausschuß in diesem Dutzend Paragraphen den Regierungsentwurf nicht im einzelnen geprüft hat. Wir müßten dann über einen immerhin sehr wichtigen Teil des Gesetzentwurfs abstimmen, den der Rechtsausschuß nicht beraten hat. Ich möchte meinen, daß uns auch dieses rein praktische Argument veranlassen sollte, der Empfehlung eines großen Teils meiner Fraktionskollegen zu folgen und den Antrag des Kollegen Dr. Dittrich abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich sehe, außer den Kollegen Anwälten befinden sich jetzt auch noch andere Abgeordnete im Saale, so daß wir vielleicht doch eine parlamentarische und keine berufsständische Abstimmung bekommen. Ich begrüße das.
Wir haben zunächst über den Antrag abzustimmen, in den §§ 6 bis 17 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Zu § 19 ist eine Reihe von Änderungsanträgen gestellt, zunächst auf Umdruck 215 Ziffern 1, 2 und 3, sodann auf Umdruck 220 und schließlich auf Umdruck 222.
— Das ist an sich jetzt gegenstandslos; die ganzen Anträge auf Umdruck 222 Ziffer 2 sind nunmehr gegenstandslos.
— Sie ziehen sie zurück. Die Antragsteller sind insgesamt einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch.
Der erste Antrag, über den abgestimmt werden müßte, ist wohl Umdruck 215 Ziffer 1. Es heißt dort: „In § 19 erhält Nr. 6 folgende Fassung:..."
— Der Antrag Umdruck 220 schlägt die Streichung von Nr. 6 vor; der geht weiter.
— Das ist der Antrag, den ich hier habe, Umdruck 224.
— Er ist noch nicht verteilt; aber umgedruckt ist er. Als Hauptantrag ist der Antrag auf Streichung gestellt.
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordneter Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits dargestellt, daß wir dem Antrag, der auf Ihren Tischen liegt, eine neue Fassung gegeben haben: In erster Linie Streichung dieser sogenannten politischen Klausel und als Eventualantrag die Fassung, die Ihnen vorliegt.Ich darf vielleicht für die Damen und Herren des Hauses, denen der Begriff „politische Klausel" nicht so vertraut ist, ein Wort der Erläuterung sagen. Der Ausschuß hat in leichter Abänderung der Regierungsvorlage beschlossen, daß zur Anwaltschaft nicht zuzulassen ist, wer die demokratische Grundordnung bekämpft. Wahrscheinlich wird manches Mitglied dieses Hauses und insbesondere jeder, dem es mit der demokratischen Grundordnung, ihrem Schutz und ihrer Verteidigung ernst ist, zunächst meinen, eine solche Klausel sei gut. Aber wir haben sehr erhebliche Einwendungen. Wir halten nämlich diese sogenannte politische Klausel für überflüssig und in den Händen mancher, die diese Klausel vielleicht nicht für überflüssig halten, sogar für gefährlich.Das Grundgesetz bietet die Möglichkeit, denen, die Grundrechte mißbrauchen, diese Grundrechte durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuerkennen. Ferner ist es eine legitime Aufgabe des Strafgesetzes, den Staat und seine Organe und die demokratische Grundordnung zu schützen. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß in dem Gesetz, um das es heute geht, eine solche Schutzbestimmung aus vielfältigen Gründen hier nichts zu suchen hat.Man muß sich folgendes einmal ganz klarmachen. Entweder führt ein staatsfeindliches Verhalten zu einer strafgerichtlichen Verurteilung, nämlich dann, wenn gegen die Vorschriften eines Strafgesetzes verstoßen wird. Aus einer solchen strafgerichtlichen Verurteilung kann sich im Einzelfall nach den Zulassungsbestimmungen, die Sie in dem Entwurf vorfinden, die Konsequenz ergeben, daß eine Zulassung nicht möglich ist. Oder es kommt nicht zu einer Verurteilung. Dann, meine Damen und Herren, ist nicht ersichtlich, warum berufsrechtliche Konsequenzen zu ziehen sein sollten.Diese Überlegung zeigt, daß die politische Klausel überflüssig ist. Wer trotz dieser Überlegungen eine politische Klausel will, der will Fälle erfassen, die das Strafgesetz nicht erfaßt. Und das wiederum bedeutet praktisch: die Träger unbequemer politischer Meinungen sollen von der Anwaltschaft ferngehalten werden. Die politische Klausel ist nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion eine Sondervorschrift gegen unbequeme Leute.Man sage nun nicht, mit der politischen Klausel solle das Eindringen totalitärer Bestrebungen in die Anwaltschaft verhindert werden. Daß man das nicht sagen kann, dafür hier ein Beispiel. Sie wis-
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3316 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Wittrocksen, es gibt ein Paßgesetz. Dieses Paßgesetz enthält eine politische Klausel. Aber jeder hier im Hause weiß, daß trotz dieser politischen Klausel ein früher sehr maßgeblicher Träger der politischen Ideologie des Nationalsozialismus, der sich zur Zeit in Ägypten aufhält — ich will den Namen dieses Herrn gar nicht nennen —, einen Paß erhalten hat.Wenn man sich das vergegenwärtigt und wenn man im übrigen gewisse Erscheinungsformen der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik betrachtet, dann muß man zu dem Ergebnis kommen: eine solche Klausel wäre politisch gefährlich. Sie ist um so gefährlicher, als wir gerade in letzter Zeit auch bei Bundesministern eine zunehmende Aggressivität gegen die demokratische Opposition festzustellen haben.
— Wenn Sie das für gesund halten, Herr Kollege Kanka, dann kann ich nur sagen, das ist sehr bedauerlich. Ich glaube, daß mancher, der Sie aus früherer politischer Tätigkeit kennt, über eine solche Bemerkung sehr erstaunt ist.Meine Damen und Herren! Wir haben gegen diese politische Klausel nicht nur politische, sondern auch verfassungsrechtliche Bedenken. Sie stellt, wie ich hier auszuführen bemüht war, eine Sanktionsmöglichkeit gegen Träger unbequemer Meinungen dar. Das heißt, sie richtet sich gegen Meinungsäußerungen. Und hier erhebt sich das Problem einer Verletzung des Grundrechtes der freien Meinungsäußerung.Ein Ehrengericht bei der Anwaltskammer in Berlin hat aus diesen Erwägungen gegen eine im Wortlaut fast übereinstimmende politische Klausel erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Dieses Ehrengericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich aus dem Art. 18 des Grundgesetzes eine besondere Rechtsgarantie für das Recht auf freie Meinungsäußerung ergibt.Wir meinen, daß diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden können, und alle diejenigen, welche mit der Beibehaltung einer solchen politischen Klausel spielen, mögen sich die Frage stellen, ob sie es auch in der Bundesrepublik auf einen Streit über die Verfassungsgemäßheit einer solchen Bestimmung ankommen lassen wollen.Man sage übrigens nicht — das sage ich hier, gerade weil ich von dem Ehrengericht bei der Anwaltskammer in Berlin gesprochen habe —, die politische Situation, die gegenwärtige Lage erfordere eine solche Schutzvorschrift. Es muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden, daß sich gerade die Berliner Anwaltschaft mit sehr großem Nachdruck gegen eine solche Klausel gewandt hat. Ich glaube, daß die Berliner Anwälte die politische Situation besonders gut kennen, weil gerade sie ernsten politischen Geschehnissen sehr nahestehen.
Die Berliner Anwaltschaft hat — Herr Kollege Dr. Weber! — eine derartige politische Klausel mit 850 gegen 6 Stimmen abgelehnt. Ich glaube, eine eindeutigere Ablehnung einer solchen Vorschrift ist nicht denkbar. Ich glaube nicht, daß die politische Situation dabei völlig unberücksichtigt geblieben ist. Ich bin überzeugt, daß dieses eindeutige Votum sich besonders aus der Sorge erklärt, die hinsichtlich der Wahrung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung bestehen muß.Gerade Anwälte müssen dann, wenn es um die Wahrung, um die Durchsetzung und um die Garantierung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung geht, besonders empfindlich reagieren. Wir meinen, es kommt gerade für den Anwalt entscheidend darauf an, daß er seinen Beruf frei von Sanktionsmöglichkeiten und frei von Beschränkungen ausüben kann, sofern sich diese Beschränkungen nicht aus den Strafgesetzen ergeben. Dem Anwalt muß als einem Organ der Rechtspflege eine freie Entfaltung seiner Meinung gewährleistet sein. Da darf es keine Sanktionsmöglichkeiten geben. Ebenso darf es keine Sanktionsmöglichkeiten wegen bestimmter Meinungen für diejenigen geben, die erst die Zulassung zur Anwaltschaft erstreben.Aus diesen Erwägungen lehnen wir diese Bestimmung ab. Wir halten sie politisch für gefährlich. Wir glauben, daß hier kein Anfang mit einer Entwicklung gemacht werden darf, über deren Konsequenzen man sich heute noch keine Vorstellungen machen kann. Politische Klauseln, politische Einflüsse auf einem solchen Rechtsgebiet sind immer gefährlich. Wir sind der Meinung: man muß den Anfängen wehren. Im übrigen haben wir auch verfassungsrechtliche Bedenken und sind deshab der Auffassung, daß diese Vorschrift gestrichen werden sollte.Wenn sich das Haus dem Streichungsantrag nicht anschließen sollte, halten wir es im Interesse der Wahrung eines größtmöglichen Maßes von Rechtssicherheit für erforderlich, daß zumindest eine strafgerichtliche Verurteilung wegen einer Verletzung der in unserem Antrag genannten Paragraphen vorliegen muß. Nur im Falle einer solchen Verurteilung kann eine derartige Klausel in Betracht kommen. Das gebietet die Rechtssicherheit. Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich die Fraktion der SPD ebenfalls dazu entschlossen hat, den Streichungsantrag einzubringen, und diesen Antrag bereits begründet hat, brauche ich zu unserem gleichlautenden Antrag nicht mehr viel zu sagen. Auch wir halten diese politische Klausel für überflüssig und für bedenklich.Wir legen den Nachdruck auf die Überflüssigkeit. Dazu nur noch wenige Bemerkungen. Zunächst wird mit einer Verurteilung wegen einer Tätigkeit, die
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3317
Dr. Buchersich gegen die freiheitliche Grundordnung richtet, meistens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden sein; zumindest wird in dem Urteil die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter ausgesprochen werden. Das bedeutet, daß der betreffende Bewerber bereits nach Nr. 2 oder, wenn er die Grundrechte verwirkt hat, sogar nach Nr. 1 nicht zugelassen werden darf. Solange noch ein Ermittlungsverfahren schwebt, ist nach § 22 das Zulassungsverfahren auszusetzen. Aber selbst wenn nun kein strafrechtlicher Tatbestand vorliegt, haben wir noch die Bestimmung in Nr. 5, wo es heißt, daß die Zulassung eines Bewerbers versagt werden kann, wenn er sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn des Anwaltsberufs unwürdig erscheinen läßt. Ich muß offen sagen, diese Nr. 5 ist mir zu unbestimmt und gummiartig gefaßt, aber sie kann jedenfalls für solche Fälle, die unter Nr. 6, also unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, nicht zu erfassen sind, immer noch dienen.Wir legen aber aus folgendem Grunde den Nachdruck auf die Überflüssigkeit dieser Bestimmung und nicht ,auf die Bedenklichkeit. Wenn man nämlich Bedenken hat, wie sie der Kollege Wittrock vorgetragen hat — und man kann sie nicht wegwischen —, daß mit der Nr. 6 in der jetzigen Fassung Mißbrauch getrieben werden könnte, so könnten die gleichen Bedenken auch für Nr. 5 gelten. Darüber bin ich mir im klaren.Ich kann mir aber nicht vorstellen, für welche Fälle außer denen, in denen auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter erkannt wird, ein Bedürfnis, jemanden auf Grund der Nr. 6 nicht zuzulassen, vorliegen sollte.Ich darf noch erwähnen, daß auf dem 29. Deutschen Anwaltstag 1957 in Hamburg ein Referat des Rechtsanwalts Roesen allgemeine Zustimmung gefunden hat, das sich in derselben Richtung ausgesprochen hat. Ich betone das deshalb, weil aus der Begründung der Bundesregierung der Eindruck entstehen könnte, daß es sich hier um eine Einzelstimme, eben die des Herrn Roesen gehandelt hat. Vielmehr war es, wie gesagt, eine Äußerung, die mit Zustimmung des Deutschen Anwaltstages gefallen ist.Zum Problem der Bedenklichkeit dieser Bestimmung darf ich mich auf den Kommentator der alten Rechtsanwaltsordnung Max Friedlaenderbeziehen, der in der Juristenzeitung von 1955 hierzu Ausführungen gemacht hat, deren Zitierung ich mir hier der Beschleunigung wegen ersparen darf.Jedenfalls ist die Bestimmung, daß derjenige nicht zugelassen wird, der die freiheitliche Grundordnung bekämpft, besser als die, die im Entwurf enthalten war. Der Rechtsausschuß hat sich sehr lange damit befaßt, aber die Bestimmung scheint mir noch nicht justitiabel. Es ist nicht klar faßbar, was das für ein Tatbestand sein soll, und deshalb ziehe ich dieser Bestimmung immer noch die Konkretisierung vor, wie sie in dem Eventualantrag der SPD enthalten ist. Diesem Antrag würden wir, falls unser Streichungsantrag abgelehnt wird, zustimmen.Wir halten es aber für besser, daß die Bestimmung,weil sie überflüssig ist, überhaupt gestrichen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Benda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, mich auch bei diesem Punkt nur in aller Kürze mit den vorgetragenen Argumenten auseinandersetzen zu sollen. Kollege Wittrock, es ist doch nicht so, daß wir hier mit Gedanken spielen. Ich glaube nicht, daß man diesen Ausdruck bei einem Problem anwenden kann, das den Rechtsausschuß doch sehr intensiv beschäftigt hat, einem Problem, bei dem, das kann man wohl sagen, auch nach dem Ergebnis der Schlußabstimmung in der zweiten Lesung im Rechtsausschuß die Meinungen innerhalb Ihrer Fraktion durchaus geteilt waren. Es hat auf beiden Seiten manchen gegeben, der gegen die Fassung des Regierungsentwurfs erhebliche und sicherlich auch durchsgreifende Bedenken hatte. Es hat viele gegeben, die dann nach den Formulierungen des Rechtsausschusses gesagt haben, daß die vorgetragenen Bedenken bei dieser Fassung nicht mehr durchgreifen.Zunächst möchte ich einiges zu dem sagen, was der Kollege Wittrock und auch Herr Dr. Bucher vorgetragen haben. Ich glaube, daß ein sehr großer Teil der Bedenken, die in der Öffentlichkeit erhoben worden sind, auch in der Anwaltschaft, auf den Juristentagen und bei anderen Gelegenheiten, sich gegen die Fassung des Regierungsentwurfs gewendet haben. Die Gegenüberstellung in der Ihnen vorliegenden Drucksache ergibt aber — auch für diejenigen, die sich mit dem Problem nicht näher beschäftigt haben —, daß hier ein ganz wesentlicher Unterschied vorliegt. Die Regierungsvorlage spricht in einer, wie ich gern zugeben will, nicht ganz unbedenklichen weiten Fassung von einer möglicherweise bestehenden Besorgnis, jemand werde sich so verhalten, daß dies und jenes eintreten würde. Die Fassung des Rechtsausschusses in der rechten Spalte sagt knapp und ganz konkret: es liegt dann ein Ausschließungsgrund vor, „wenn der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft".Ich darf Ihnen sagen, auch als Angehöriger der Berliner Anwaltschaft, die der Kollege Wittrock hier zitiert hat, woher wir diese Formulierung haben. Ich glaube, es war der Herr Kollege Dr. Kanka, der den Antrag im Rechtsausschuß gestellt hatte. Die Formulierung geht von der Rechtsanwaltsordnung aus, die zur Zeit in Berlin gilt; es ist die Fassung des Jahres 1952, die das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen aller Parteien, auch Ihrer Partei , damals verabschiedet hat. Unsere Fassung ist dieser Berliner Fassung gegenüber sogar noch enger, enger in Ihrem Sinne, noch einschränkender und bietet noch mehr Sicherheit gegen mögliche Mißbräuche. Wir haben in den Beratungen wiederholt gehört, auch von den Herren, die Berlin von seiten des Bundesrates im Aus-
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Bendaschuß vertreten haben, daß das Land Berlin und die Berliner Justizverwaltung den größten Wert auf eine solche Vorschrift legen — in der Fassung, wie sie vom Rechtsausschuß jetzt vorgeschlagen wird —, besonders weil Berlin vor der Möglichkeit häufigerer praktischer Anwendung dieser Bestimmung stehe.Abschließend darf ich noch ein anderes Argument vortragen. Herr Kollege Wittrock hat gesagt -- ich will darauf jetzt im einzelnen nicht eingehen —, es bestehe die Gefahr, daß eine solche Klausel in den Händen von Personen einer von ihm gesehenen Entwicklung mißbraucht werden könne. Ich möchte doch darauf aufmerksam machen: es wird vielfach verkannt, daß sich diese Bestimmung — wenn man überhaupt die Gefahr einer bedenklichen Entwicklung sieht — nicht nach einer Seite richtet, um mit Schlagworten zu reden, nach links, sondern daß sie sich in gleichem Maße nach rechts richtet, gerade bezüglich der Gefahren, von denen Herr Kollege Wittrock hier gesprochen hat.Im übrigen, wenn man wirklich solche Befürchtungen haben sollte, wie sie Herr Kollege Wittrock vorgetragen hat, wäre es eine Illusion, anzunehmen, daß das Fehlen einer solchen Vorschrift eine derartige Entwicklung verhindern oder daß das Vorhandensein einer solchen Vorschrift eine derartige Entwicklung fördern könnte.Der Rechtsausschuß hat sich mit diesem schwierigen Problem — ich gebe zu, daß es nicht einfach ist — sehr eingehend, man kann wohl sagen, tagelang beschäftigt, in zwei Lesungen, und ist wohl zu einem Ergebnis gekommen, von dem man sagen kann, daß es allen rechtsstaatlichen Erfordernissen Genüge trägt, daß es — Kollege Wittrock — justitiabel ist, weil der Tatbestand von allen Gerichten nachgeprüft werden kann. Man sollte deshalb die hier geäußerten Bedenken zurückstellen, Bedenken, die allenfalls gegen den Regierungsentwurf vorgetragen werden können, und von dem ist überhaupt nicht mehr die Rede. Ich und meine Fraktion meinen, daß man der Fassung des Rechtsausschusses zustimmen sollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mir eine Zeitlang überlegt, ob ich zu diesem Punkt sprechen soll. Ich hatte nämlich noch nicht die Ehre, im Rechtsausschuß mitzuarbeiten, als dieser Teil des Gesetzes behandelt wurde. Gegen die ursprüngliche Fassung der Regierungsvorlage hätte ich von vornherein ganz entscheidende Bedenken gehabt, und auch die jetzt vom Rechtsausschuß gefundene Fassung: „wenn der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft" kann mich nicht befriedigen.
Man muß sich einmal die praktische Anwendung vorstellen. Ein junger Mann, der das Staatsexamen bestanden hat, will Rechtsanwalt werden und reicht sein Gesuch um Zulassung ein. Diejenigen, die dann zu prüfen haben, sagen sich: Aha, die Zulassung ist zu versagen, wenn — Nr. 6 —der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft. Wenn sie wirklich ihre Pflicht tun wollen, können sie diese Mußvorschrift nicht einfach übersehen, sondern müssen sich schon Mühe geben, herauszufinden, ob es sich um einen Kandidaten handelt, der die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft.
Also wird man herumhorchen.
Man wird — entschuldigen Sie, wenn ich das so formuliere — nach der politischen Gesinnung des Betreffenden schnüffeln. Falls der Kandidat in der Vergangenheit bereits die demokratische Grundordnung entscheidend bekämpft hat, wird das längst offenbar geworden sein; dann wird man ihn längst durch die Staatsanwaltschaft oder sonstwo erwischt und vielleicht sogar verurteilt haben.
Eine solche Formulierung ist gefährlich, und ich habe dagegen die gleichen Bedenken wie der Herr Kollege Wittrock. Ich freue mich, daß der Streichungsantrag gestellt worden ist. Wir werden ihm zustimmen. Man sollte endlich einmal damit aufhören, der Schnüffelei eine Tür zu öffnen. Namentlich in einem solchen Gesetz darf für eine Schnüffelei nach der politischen Gesinnung am Anfang der Laufbahn eines Menschen kein Platz sein.
Falls der Streichungsantrag abgelehnt werden sollte, müßte nach Meinung meiner politischen Freunde allerdings unbedingt der sozialdemokratische Eventualantrag Umdruck 224 angenommen werden; denn damit wird dann wenigstens der Nr. 6 eine konkrete Bestimmung gegeben, der für jeden verständlich und auch anwendbar ist. Aber wir sollten wegen der Gefährlichkeit auch dieser Fassung die ganze politische Klausel streichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Heinemann.
Ich freue mich über die soeben von Herrn Schneider abgegebene Erklärung. Wenn ich gleichwohl das Wort nehme, so deshalb, weil die Abstimmung jetzt noch nicht gut zu taxieren ist und ich es nicht unterlassen möchte, den Ausführungen der Herren Schneider und Wittrock noch etwas hinzuzufügen. Es gibt noch mehr Gründe gegen die politische Klausel als die bisher genannten.Die gesetzestechnische Beurteilung dessen, was uns der Ausschuß vorschlägt, ist nur angetönt, recht flüchtig. Was heißt denn in diesem Zusammenhang „freiheitliche demokratische Grundordnung"? Wo ist hier die tatbestandsmäßige Bestimmtheit dieses Begriffs? Was soll dazugehören? Was gehört nicht mehr dazu? Was heißt „bekämpfen"? Wer die freiheitliche demokratische Grundordnung mit strafbarer Handlung bekämpft, hängt ja in den §§ 88 ff.
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Dr. Dr. HeinemannL) des Strafgesetzbuches, wer sie standeswidrig bekämpft, hängt in der Nr. 5 des § 19. Wer sie durch Meinungsäußerung bekämpft, kann nicht durch die Anwaltsordnung in irgendwelche Nachteile versetzt werden; denn irgendwelche Nachteile wegen eines Verstoßes gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit können erst entstehen, wenn das Bundesverfassungsgericht gesprochen hat.Mit anderen Worten: ich stehe noch viel krasser als Herr Wittrock auf dem Standpunkt, daß das, was uns hier der Rechtsausschuß vorschlägt, verfassungswidrig ist.
Ich möchte noch etwas deutlicher als Herr Wittrock darauf hinweisen, daß der in Berlin seit sechs Jahren anhängige Rechtsstreit gerade um die Verfassungsgültigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Berliner politischen Klausel geht. In erster Instanz ist diese Klausel für verfassungswidrig erklärt worden. Die erste Instanz ist das Ehrengericht der Berliner Anwaltskammer. Sie hat als Anwaltskammer darüber entscheiden müssen, weil das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe diese Sache, die ihm schon unterbreitet wurde, nach Berlin zurückgab unter Hinweis darauf, daß es keine Gerichtsbarkeit in oder über Westberlin ausüben könne. Infolgedessen hat nun das Ehrengericht der Anwaltskammer erstinstanzlich selber die Verfassungsfrage behandelt und entschieden, daß die politische Klausel verfassungswidrig ist.Ich lese aus der 13 Seiten langen Begründung des Urteils vom 18. Januar vorigen Jahres nur den Schlußabsatz vor:Das Ehrengericht ist der Auffassung, daß gerade bei einem Berufsstand, der seiner Art nach außerordentlich stark in das Publizistische hinauswirkt, das Problem der freien Meinungsäußerung ein besonders schwieriges und heikles ist. Die Anwaltschaft bildet einen freien Stand, der im allgemeinen Interesse unter Umständen sagen muß und sagen kann, was nicht gern gehört wird. Das sich hieraus ergebende Recht der freien Meinungsäußerung darf nur so weit eingeschränkt werden, wie es das Bonner Grundgesetz vorsieht, und nicht darüber hinaus durch eine landesgesetzliche Bestimmung.Das Entsprechende würde hier die bundesrechtliche Anwaltsordnung sein.Meine Damen und Herren, wenn das, was der Rechtsausschuß hier vorschlägt, Gesetz werden sollte, wird es auch in der Bundesrepublik in dem ersten Fall praktischer Anwendung der Nr. 6 des § 19 einen Verfassungsstreit bis zum Bundesverfassungsgericht geben.Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, daß wir doch als Anwälte — entschuldigen Sie, wenn ich jetzt aus dem eigenen Berufsstand spreche — darauf hinzielen, endlich wieder in ganz Deutschland die freie Berufsausübung vor allen Gerichten, insonderheit allen Strafgerichten, zu erreichen.
Tun wir uns in diesem uns doch sicher allseitig verbindenden Bestreben einen guten Dienst, wenn wir in eine Bundesrechtsanwaltsordnung eine politische Klausel einfügen? Ich finde es tief beklagenswert, daß in den entsprechenden Regelungen der DDR politische Klauseln enthalten sind, daß man drüben nach der Verordnung über die Bildung von Kollegien der Rechtsanwälte vom 15. Mai 1953 in diese für die wirtschaftliche Existenz der Anwälte wichtigen Kollegien nur aufgenommen werden kann, wenn man die Gewähr dafür bietet, daß man seine Tätigkeit in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der demokratischen Gesetzlichkeit und im Interesse des sozialistischen Aufbaus auszuüben gewillt ist.Diese politische Klausel geht — freilich nicht nur unter umgekehrtem Vorzeichen — noch etwas weiter. Das ist klar. Aber das, was wir erreichen wollen, ist doch, daß Anwälte, wo immer sie zugelassen sind, Strafverteidigungen insbesondere vor allen deutschen Gerichten sollen führen können. Gegenwärtig gibt es das nicht. Anwälte, die hier zugelassen sind, können drüben nicht verteidigen, und Anwälte, die drüben zugelassen sind, können hier nicht verteidigen.
— Herr Rösing, ich komme sofort darauf; ich kann nur nicht alles im ersten Teil des Satzes sagen. — Eine Ausnahme gilt lediglich für die spärliche Gruppe derjenigen Anwälte, die in gleicher Weise in West- und Ostberlin zugelassen sind. Der berühmte Fall Dr. Kaul gehört also zu dieser Sondergruppe. Im übrigen ist es wirklich so, daß keiner von uns Anwälten drüben eine Verteidigung führen kann. Ich habe das ja wiederholt versucht und bin immer an den gegenteiligen Bestimmungen drüben gescheitert. Es kann aber auch kein Kollege von drüben hier verteidigen. Das wollen wir doch beseitigen.
— Er kann hier nicht als Strafverteidiger auftreten!
Die Sondergruppe der Berliner doppelseitig zugelassenen Anwälte kommt hier zum Zuge. Wenn wir das hier nachahmen, indem auch wir eine politische Klausel — wenngleich anderen Inhalts — in die Anwaltsordnung einfügen, tun wir das Gegenteil von dem, was wir im gesamtdeutschen Rechtsinteresse erreichen müssen.Meine Bitte ist also die: Lassen Sie es bei der dreifachen Hürde bewenden, die ja unumstritten in den § 19 hinein soll, bei der Hürde aus dem allgemeinen Strafrecht, bei der Hürde aus dem Verfassungsrecht, bei der Hürde aus dem Standesrecht. Es bedarf nicht einer vierten Hürde in Gestalt einer politischen Klausel.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß sich um diese Frage eine so lange Debatte entsponnen hat. Die Ausführungen, die von meinen Vorrednern gemacht worden sind, zwingen mich leider, eine kurze Erwiderung zu geben.
Nach meiner Meinung wird hinter der Bestimmung des § 19 Nr. 6 zuviel gesucht. Sie ersehen aus dieser meiner Zitierung, daß ich den Ausdruck „politische Klausel" ganz bewußt vermeide, weil das, was der Rechtsausschuß jetzt geschaffen hat, keine politische Klausel mehr ist. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine Bestimmung zum Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung; das ist es, was wir schützen müssen,
und das ist das Anliegen, das hier angesprochen wird. All die Einwände, die hier erhoben worden sind, treffen, wie Herr Kollege Benda schon hervorgehoben hat, weitgehend auf die Fassung zu, die in der Regierungsvorlage enthalten war und gegen die auch wir uns gewandt haben.
Die Anwaltsordnung hat ja eine leidvolle Geschichte. Sie ist jetzt in der dritten Wahlperiode zum drittenmal eingebracht worden. Im ersten Regierungsentwurf war eine derartige politische Klausel nicht enthalten. Der Bundesrat war es, und zwar einheitlich unter Einschluß der Länder, in denen Ihre Partei die Mehrheit hat, der die Einfügung einer derartigen politischen Klausel nachdrücklich verlangte, und diesem Verlangen hat sich die Bundesregierung bei der dritten Einbringung schließlich nicht mehr entgegengestellt. Ich darf an die erste Lesung im 2. Bundestag erinnern. Ich habe das Zitat leider nicht hier, weiß aber sehr wohl, daß damals gerade Ihr Sprecher, Herr Kollege Wagner, sich in sehr scharfer Form gegen diejenigen gewandt hat, die die politische Klausel — wie man damals noch sagte — bekämpften, und gesagt hat, darin komme eine reaktionäre Gesinnung zum Ausdruck.
Wir waren mit der ursprünglichen Bestimmung ja auch nicht zufrieden. Ich gebe gern zu, daß ich persönlich lange geschwankt habe. Aber aus den Erfahrungen heraus, die wir in den vergangenen Jahren in bezug auf die Methoden gemacht haben, mit denen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft wurde, haben wir uns dann zu der Schutzbestimmung in der jetzigen Form entschlossen.
Die freiheitliche demokratische Grundordnung ist im Grundgesetz verankert und ist infolgedessen auch justitiabel. Der Begriff wird auch im Strafrecht verwendet. Man kann also nicht sagen, es handele sich um etwas Vages, Unbestimmtes. Die Bestimmung wendet sich gegen diejenigen, die diese Grundordnung aktiv bekämpfen und denen nachgewiesen wird, daß sie sie bekämpfen. Diese Personen können eine Nachprüfung in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren beantragen.
— Gleich! Ich will den Gedankenfluß nicht gerade hier unterbrechen, weil ich auf einen besonderen Gesichtspunkt hinweisen möchte.
In § 38 ist der Eid des Anwalts vorgesehen. Der Anwalt hat bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden zu schwören, die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren. Ich frage Sie nun: Wie kann jemand, der den Tatbestand des § 19 Nr. 6 verwirklicht, die freiheitliche demokratische Grundordnung also bekämpft, mit gutem Gewissen diesen Eid leisten? In diese Verlegenheit soll er gar nicht kommen können, und das ist auch einer der Zwecke, die mit § 19 Nr. 6 verfolgt werden. Gewiß, Herr Kollege Heinemann, auch wir werden es begrüßen, wenn endlich wieder, wie Sie gesagt haben, Anwälte freizügig in ganz Deutschland auftreten können. Sie haben ja Erfahrungen auf diesem Gebiete. Ihnen ist es untersagt worden --- obwohl man gegen Ihre Anschauung von drüben her sicherlich vielfach wenig einwenden kann —, z. B. in Magdeburg, als Sie für den dortigen Bischof auftreten wollten, die Verteidigung zu übernehmen.
Ich widerspreche Ihrer Auffassung, daß nur die Ostberliner Kollegen in der Bundesrepublik noch als Verteidiger auftreten können. Derjenige, der vor 1945 Anwalt war oder es nach 1945 ordnungsgemäß geworden ist, kann nach meiner Meinung auch vor jedem westdeutschen Gericht als Strafverteidiger auftreten.
Aber weshalb tut er es nicht? Er tut es deshalb nicht, weil das System drüben das nicht duldet und weil er, wenn er hier aufträte, sich drüben dafür verantworten müßte. Er kann hier nicht mehr auftreten, und das bedauern wir sehr.
Auch wir wären sehr froh, wenn wir wieder die Einreisegenehmigung von drüben bekämen, um dort verteidigen zu können. Das ist uns versagt. Von uns aus würde jedenfalls niemand daran gehindert werden. Genauso sieht es mit den Reisebeschränkungen aus. Jeder kann, was uns angeht, von drüben ungehindert einreisen, aber niemand kann von uns drüben einreisen.
Wollen Sie die Frage zulassen?
Bitte sehr!
Ich muß zuerst einen Einleitungssatz sagen, damit der Anknüpfungspunkt da ist. Ich bitte, das zu gestatten, Herr Präsident.Herr Kollege Dr. Weber, Sie haben mit so großem Nachdruck davon gesprochen, daß die hier umstrittene Nummer des § 19 nur die Fälle umfassen soll, bei denen der Tatbestand des Bekämpfen eindeutig festgestellt ist.
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WittrockMeine Frage ist: Gibt es außer einer strafgerichtlichen Feststellung eines Bekämpfens der demokratischen Grundordnung — der Fall der Staatsgefährdung oder der Fall des Hochverrats — noch andere Fälle, die durch § 19 Nr. 6 erfaßt werden sollen?
Herr Kollege Wittrock, dieses Anliegen wird in Ihrem Eventualantrag behandelt. Auch dazu sage ich noch einige Worte. Es würde zu lange dauern, zu warten, bis das Strafverfahren durchgeführt ist und der Betreffende in dem Strafverfahren verurteilt worden ist. Weshalb kann es nicht auch ebenso bei der Zulassung in einem gerichtlich geordneten Verfahren nachgeprüft werden? Es sind nach meiner Meinung Fälle denkbar, bei denen eine echte Staatsgefährdung nicht vorliegt, aber der Bewerber trotzdem in seinem ganzen Verhalten die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpft hat.
Ich glaube, daß wir angesichts der Auswüchse, die doch nur dem System drüben zu verdanken sind, auf eine solche Klausel nicht verzichten können, genauso wie man in Berlin — Herr Kollege Benda hat es aus seiner Berliner Erfahrung soeben ausgeführt — nicht auf eine solche Regelung verzichten kann.
Wir bitten deshalb, die Bestimmung, die nicht verfassungswidrig ist, in der vorliegenden Form B) anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung. Herr Kollege Dr. Weber, bei einem Beamten, der gegen die Vorschriften des Strafgesetzbuches über Staatsgefährdung verstößt, muß zuerst das Strafverfahren durchgeführt werden. Dann erst kann es zu disziplinarrechtlichen Folgen kommen. Daraus ergibt sich, Herr Kollege Dr. Weber — hören Sie bitte einmal einen Augenblick zu, wenn ich Ihre Aufmerksamkeit einmal erbitten darf —, daß Sie die Anwälte schlechter stellen wollen als die Beamten.
Herr Abgeordneter Benda!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte lieber eine Frage gestellt, aber, Herr Kollege Wittrock, Sie sind schon fertig. Dann kann ich es von hier aus tun.
Herr Kollege Wittrock, sehen Sie nicht, daß ein Unterschied doch insofern besteht, als es hier nicht darum geht, jemanden — jetzt rede ich einmal von einem Beamten — aus einem Amt zu entfernen, daß es vielmehr um die Frage geht, ob jemand, allgemein gesagt, in eine Rechtsposition einrücken
darf? Der Vergleichsfall wäre der — wenn Sie meinen, daß es vergleichbar ist —, daß jemand Beamter werden will und dann die Frage auftaucht, ob der Betreffende nicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch sein Verhalten bekämpft. Ich möchte einmal die Behörde im Bund oder in den Ländern sehen, die jemanden, von dem ein solches Verhalten bekannt ist, zum Beamten ernennt und ihn den Eid aufs Grundgesetz schwören läßt! So ist doch der Vergleich zu ziehen.
Das Wort hierzu wird offenbar nicht weiter gewünscht. Wir stimmen dann über den weitergehenden Antrag Umdruck 224, der mit dem Antrag Umdruck 220 identisch ist, ab. Wer diesem Antrag, wonach in § 19 die Nr. 6 gestrichen werden soll, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich glaube, das ist eindeutig klar; der Antrag ist abgelehnt. Damit sind die Anträge auf den Umdrucken 220 und 224 erledigt.
Nun der Eventualantrag auf Umdruck 224: „§ 19 Nr. 6 erhält folgende Fassung: ..." Dieser Antrag liegt Ihnen vor. Wer dafür zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Auch das ist die Mehrheit; der Antrag ist mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nun zu dem Antrag Umdruck 215 Ziffer 2, wonach in § 19 die Nr. 8 gestrichen werden soll. Ich bitte um die Begründung dieses Antrags.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Sätze zur Begründung: Wir glauben, daß diese Nr. 8 in § 19 schlecht und daß sie vor allen Dingen überflüssig ist. Schlecht deshalb, weil hier eine Wertung hineingebracht wird, die offenbar darauf hinausläuft, dem anwaltlichen Beruf eine Sonderposition einzuräumen und andere Berufe demgegenüber schlechter zu werten. Hier wird die Gefahr sichtbar, daß unter Umständen ein durchaus ehrbarer anderer Beruf schlechthin für unvereinbar mit der Tätigkeit eines Anwalts erklärt wird.Es ist durchaus eine Situation denkbar, wo sich ein junger Anwalt, der gerade eben zugelassen wurde, aus seiner anwaltlichen Tätigkeit noch nicht ernähren kann, noch nicht die genügende Existenzgrundlage darin findet und deshalb darauf angewiesen ist, nebenbei noch in einem anderen Beruf etwas zu verdienen. Warum soll ihm diese Möglichkeit mit der sehr leicht zu konstruierenden Begründung, daß die Tätigkeit, die er ausübt, mit dem Beruf des Rechtsanwalts oder dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar ist, verbaut werden? Soweit er etwas tut, was sich mit dem Ansehen der Anwaltschaft nicht verträgt, kann Nr. 5 in § 19 angewendet werden, die durchaus ausreicht. Dort heißt es:Die Zulassung . . . ist zu versagen, wenn derBewerber sich eines Verhaltens schuldig ge-
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Vizepräsident Dr. Preuskermacht hat, das ihn unwürdig erscheinen läßt,den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben.Wenn es also darum geht, unwürdiges Verhalten, unwürdige Tätigkeiten auszuschließen, reicht die Nr. 5 aus; die Nr. 8 brauchen wir nicht. Deshalb beantragen wir die Streichung dieser Nr. 8.
Herr Kollege Kanka!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir widersprechen der Streichung der Nr. 8. Wer die §§ 1 und 2, die wir bereits beschlossen haben, ernst nimmt, muß daraus die Konsequenz ziehen, die Nr. 8 im § 19 bestehen zu lassen.
In den §§ 1 und 2 proklamieren wir die Rechtsanwaltschaft als ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Vom Beruf des Rechtsanwalts sagen wir, er sei ein freier Beruf. Die Konsequenz aus dieser Auffassung, die wir von der Rechtsanwaltschaft und von der Figur des Rechtsanwalts haben, die bewahrt bleiben soll, ist, daß die Vorschrift des § 19 Nr. 8 erhalten bleiben muß.
Diese Vorschrift ist im übrigen bereits seit 1878 für unsere deutsche Rechtsanwaltschaft geltendes Recht. Wenn wir einen unabhängigen freien Rechtsanwalt, der ein unabhängiges freies Organ unserer Rechtsprechung sein soll, haben wollen, dürfen wir in die Rechtsanwaltschaft denjenigen nicht aufnehmen, der eine Tätigkeit ausübt, die mit solcher Art des Berufes oder auch mit dem Ansehen des Rechtsanwaltes nicht vereinbar ist.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung und die Gegenstellungnahme gehört.
Wir können dann abstimmen über den Antrag auf Umdruck 215 Ziffer 2, die Nr. 8 in § 19 zu streichen. Wer für diesen Streichungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; § 19 Nr. 8 bleibt erhalten.
Ein weiterer Änderungsantrag zu § 19 liegt auf Umdruck 215 Ziffer 3 vor. Soll er begründet werden? — Offenbar nicht. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 215 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nr. 10 bleibt also in der Ausschußfassung erhalten.
Weitere Änderungsanträge zu § 19 liegen nicht vor. Wer dem § 19 in der Fassung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 19 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich bin inzwischen darüber unterrichtet worden, daß über die §§ 1 bis 18 noch nicht abgestimmt wurde. Ich darf diese Abstimmung nachholen und bitte um Ihr Einverständnis; es ist nach der Geschäftsordnung notwendig. Änderungsanträge zu diesen Paragraphen sind nicht angenommen worden.
Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
Der Vereinfachung wegen lasse ich über die folgenden Paragraphen zusammen abstimmen. Wer den §§ 2, 3, 4, 5 — die §§ 6 bis 17 entfallen — und 18 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit.
Ich rufe § 20 auf. Hierzu liegt auf Umdruck 218 Ziffer 1 ein interfraktioneller Änderungsantrag vor. Ich glaube, er wird nicht besonders begründet. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Offenbar einstimmig angenommen. Damit sind in den Absätzen 3 und 4 die Worte „drei Monaten" ersetzt durch die Worte „zwei Monaten".
Wer dem § 20 in der soeben geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Er ist mit der zuvor beschlossenen Änderung angenommen.
Zu § 21 liegt kein Änderungsantrag vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke, das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
Zu § 22 liegt der interfraktionelle Antrag auf dem Umdruck 218 Ziffer 2 vor.
— Es ist eine Richtigstellung. Sie haben den Antrag vor sich. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke; angenommen. Wer nunmehr dem ganzen § 22 in der soeben geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist ebenfalls die Mehrheit; angenommen.
Zu § 23 liegen wieder Änderungsanträge vor, einmal auf Umdruck 215 Ziffer 4 auf Ersetzung des Wortes „Ehrengerichtshof" durch „Berufsobergericht", sodann der Antrag auf Umdruck 221 Ziffer 1; dieser Antrag betrifft allerdings eine andere Materie; danach sollen in Abs. 3 die Worte „ohne zureichenden Grund" gestrichen werden.
Darf ich fragen, ob zu dem Antrag unter Ziffer 4 des Umdrucks 215 das Wort zur Begründung gewünscht wird? — Herr Abgeordneter Jahn .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, daß in dieser Bestimmung und in allen anderen Bestimmungen, in denen vom „Ehrengericht" bzw. „Ehrengerichtshof" die Rede ist — ich darf es gleich in einem begründen —, diese Worte durch die Bezeichnung „Berufsgericht" bzw. Berufsobergericht ersetzt werden.
Es geht uns nicht nur um die äußere Bezeichnung, um den Namen dieses Gerichts, sondern wir möch-
Jahn
ten damit etwas Weiteres zum Ausdruck bringen, nämlich, daß wir nicht etwa grundsätzlich den Vorstellungen zustimmen, die von den verschiedensten Seiten an uns herangetragen werden — und die Bundesrechtsanwaltsordnung soll nicht ein Präzedenzfall sein, auf den man sich bei diesen Vorstellungen berufen könnte —, daß es sich um ein Sonder- oder Standesrecht handle. Wir sind der Meinung, daß für die Anwaltschaft nicht ein Berufsordnungsgesetz, sondern daß mit der Anwaltsordnung ein Rechtspflegegesetz geschaffen wird. Im Grunde wird damit ein Teil der gesamten Gerichtsverfassung geregelt. Nicht um die standesrechtlichen Interessen der Anwälte zu wahren, sondern um die Unabhängigkeit des Anwalts als eines Organs der Rechtspflege sicherzustellen, ist es notwendig, eine besondere Gerichtsbarkeit zu schaffen. Das hat nichts zu tun mit einer Standes- oder Ehrengerichtsbarkeit, wie sie von verschiedenen Seiten gefordert wird.
Wir meinen, dies werde äußerlich dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir das Wort „Ehrengericht" durch die Bezeichnung „Berufsgericht" ersetzen. Wir sind nicht auf die Bezeichnung „Berufsgericht" versessen, sondern lassen darüber durchaus mit uns reden. Wenn Sie einen besseren Namen vorschlagen können, sind wir gerne bereit, dem zuzustimmen.
— Nein, Sie haben keinen; denn das, was Sie wollen, Herr Kollege Kanka, ist ja nur die Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes, nämlich weiterhin „Ehrengericht" zu sagen. Damit sind nach unserer Meinung zwei Gefahren verbunden, einmal, daß man uns das falsch auslegt, zum andern, daß man von den verschiedensten Seiten ebenfalls eine Ehrengerichtsbarkeit fordert.
Das gilt es zu verhindern. Das wird nicht allein damit erreicht, daß wir diesen Gerichten eine andere Bezeichnung geben; das wissen wir auch. Aber wir sollten doch auch den Versuch machen, nach außen hin abzugrenzen und klarzustellen, was wir hier in der Anwaltsordnung anders haben wollen, weil wir es anders sehen, daß es also nicht das ist, was sonst unter der Bezeichnung „Ehren-" oder „Standesgerichtsbarkeit" gefordert wird.
Meine Damen und Herren, ich habe soeben festgestellt, daß die gleiche Bezeichnung noch bei den Ziffern 6, 9, 10, 13, 15, 17, 18, 19 und 20 des gleichen Antrags Umdruck 215 steht, also bei Anträgen zu verschiedenen anderen Paragraphen. Wenn das Haus damit einverstanden ist, möchte ich gleich an dieser Stelle die grundsätzliche Entscheidung auch für die anderen Paragraphen mit einbeziehen, ob hier nun „Ehrengericht" bzw. „Ehrengerichtshof" oder „Berufsgericht" bzw. „Berufsobergericht" stehen soll.
Herr Abgeordneter Weber!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr
Kollege Jahn, Sie haben Pech gehabt; Sie sind ein bißchen zu spät gestartet. Sie haben dem Ehrengerichtshof mit allen Ihren Stimmen bereits bei § 21 zugestimmt.
Aber das macht nichts; deswegen können wir die grundsätzliche Frage ja noch einmal behandeln.
Auch der Kollege Jahn hat ausgeführt, daß es bei der Schaffung der sogenannten Ehrengerichtsbarkeit nicht um eine besondere Berufsgerichtsbarkeit für einen Beruf geht. Wenn man das nicht will, soll man aber auch den Schein vermeiden; dann darf man nicht von „Berufsgerichten" und, noch viel schrecklicher, horribile dictu, „Berufsobergerichten" sprechen. Wenn man schon etwas Neues schaffen will, sollte man auch wirklich etwas Besseres an die Stelle setzen — Sie haben uns .ja gerade dazu aufgerufen —, und wenn man nichts Besseres an die Stelle zu setzen hat, sollte man es nach meiner Meinung bei der alten, guten, überkommenen Bezeichnung belassen, die jedes Mißverständnis beseitigt und für alle die Kreise, die es angeht, das Anliegen klarstellt. So schlagen wir Ihnen vor, daß wir es bei den „Ehrengerichten" und den „Ehrengerichtshöfen", die seit 1878 in der Anwaltsordnung stehen, belassen, und bitten deshalb, die Änderungsanträge der SPD abzulehnen.
Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine Frage stellen. Wie wollen Sie dann die Wünsche nach einer Ehrengerichtsbarkeit bei den übrigen Berufen abwehren, wenn selbst aus Ihrer Fraktion erklärt wird, daß eine solche Ehrengerichtsbarkeit bei den übrigen Berufen nicht denkbar sei? Das ist die Frage, die Sie auch noch zu beantworten haben.
Herr Abgeordneter Weber!
Herr Kollege Lange, ich bedaure, daß Sie Ihrem eigenen Redner sehr schlecht zugehört haben. Er hat Ihnen nämlich gerade klargemacht, daß es sich hier nicht um die Ordnung eines Berufs handelt, sondern daß die Bundesrechtsanwaltsordnung ein Teil der Gerichtsverfassung ist. Ursprünglich, im Jahre 1878, als die Entwürfe der Reichsjustizgesetze geschaffen wurden, war auch keine besondere Anwaltsordnung vorgesehen, sondern die Bestimmungen über die Anwaltschaft, die, wie wir eben bei § 1 einstimmig beschlossen haben, ein Organ der Rechtspflege, also ein Teil der rechtsprechenden Gewalt ist, waren in der Gerichtsverfassung enthalten. Infolgedessen ist
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3324 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Dr. Weber
die Lage hier eine ganz andere als bei den anderen Berufen, die Berufsgesetze verlangen.
Damit, meine Damen und Herren, ist auch hier das Pro und Kontra erörtert worden. Wir sind uns also einig darüber, daß diese Abstimmung gleichzeitig über die von mir vorhin aufgeführten Ziffern entscheiden soll, in denen praktisch dasselbe begehrt wird. — Wer für die Ersetzung des Wortes „Ehrengerichtshof" durch das Wort „Berufsobergericht" in § 23 gemäß dem Antrag Ziffer 6 ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letzte ist die Mehrheit.
Damit ist dieser Antrag auf Umdruck 215 abgelehnt. Es bleibt also an dieser wie an allen weiteren Stellen bei der Bezeichnung „Ehrengerichtshof" oder „Ehrengericht".
Das Wort hat Herr Abgeordneter Winter zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 221.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, sich einen Augenblick anzuhören, um was es sich dabei handelt. Ich fürchte nämlich, daß diejenigen, die die bisherigen Beratungen im Rechtsausschuß nicht mitgemacht haben, aus der Formulierung des Antrags gar nicht ersehen können, was das hier angesprochene Problem ist.
In den Bestimmungen über das Zulassungsverfahren ist vorgesehen, daß der Bewerber auch dann das gerichtliche Zulassungsverfahren einleiten kann, wenn sein Zulassungsantrag von der Behörde überhaupt nicht beschieden wird; und zwar kann er das — § 23 Abs. 3 —, wenn die Behörde drei Monate lang ohne zureichenden Grund nicht entschieden hat. Das würde bedeuten, daß die Frage, ob die Behörde einen zureichenden Grund für die Nichtverbescheidung hatte oder nicht, erst im ehrengerichtlichen Verfahren auf Kasten und zu Lasten des Bewerbers ausgetragen werden müßte.
Wenn Sie unserem Vorschlage folgen und die Worte „ohne zureichenden Grund" streichen, dann wird es an der Behörde sein, wenn sie einen zureichenden Grund hat, ihn dem Bewerber vor Ablauf der drei Monate bekanntzugeben, damit er sich schlüssig werden kann, ob er trotz dieses Grundes einen Antrag auf ehrengerichtliche Entscheidung stellen will.
Wir werden uns später, wenn wir zum § 53 kommen, nochmals mit einem Teil dieses Problems beschäftigen müssen. Aber für die jetzige Abstimmung genügt, glaube ich, was ich Ihnen gesagt habe. Ich möchte vermeiden, daß die Frage, ob eine Behörde einen zureichenden Grund für die Unterlassung einer Verbescheidung hat, auf dem Rücken und auf Kosten des Bewerbers ausgetragen wird.
Herr Abgeordneter Weber!
Ich bedaure, Herrn Kollegen Winter widersprechen zu müssen. Ich bin zwar der Meinung, daß es kaum einen „zureichenden Grund" gibt, diese Dinge hier länger auszuspinnen. Die Frage, die hier entschieden werden soll, ist an dieser Stelle, nämlich für die Anwaltsordnung, nicht von so entscheidender Bedeutung. Sie ist aber von weittragender Bedeutung für andere Gesetze. Der Rechtsausschuß ist gerade mit der Beratung der Verwaltungsgerichtsordnung beschäftigt. Sie hat den Innenausschuß schon passiert. In beiden Ausschüssen ist bisher — in der Verwaltungsgerichtsordnung in § 76 — die gleiche Regelung vorgesehen worden, d. h. daß die Klage dann gegeben ist, wenn der Antragsteller ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von drei Monaten beschieden ist. Deswegen sollten wir auch schon im Interesse der gleichartigen Ordnung hier an dieser Formulierung festhalten.
Es trifft auch nicht zu, Herr Kollege Winter, daß der Rechtsstreit etwa auf Kosten und auf dem Rücken des Bewerbers ausgetragen würde. Wenn die Landesjustizverwaltung überhaupt keinen Bescheid erteilt hat, kann der Bewerber die Klage einreichen. Gibt sie dann im Verfahren Gründe an und erkennt der Bewerber sie als „zureichend" an, dann ist die Hauptsache für erledigt zu erklären und dann werden nach § 91a ZPO demjenigen, der den Prozeß bei Durchführung verloren hätte, die Kosten auferlegt. Wenn der Bewerber klagt, obschon ihm Gründe angegeben worden sind, dann trägt er das Risiko, ob diese Gründe zureichend waren oder nicht.
Nach meiner Meinung sollten wir also schon im Interesse der gleichartigen Gestaltung der Prozeßordnungen es hier bei der Formulierung des Ausschusses belassen. Ich bitte deshalb, den Änderungsantrag abzulehnen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 221 Ziffer 1, nach dem die Worte „ohne zureichenden Grund" in § 23 Abs. 3 gestrichen werden sollen. — Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wer dem § 23 in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.Zu § 24 liegt kein Änderungsantrag vor. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.§ 25. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ebenfalls angenommen.Zu § 26 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 215 Ziffer 5 vor, nach dem die Worte „Richter oder Beamten" in die Worte „Richter, Beamten oder Berufssoldaten" geändert werden sollen. Soll das
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Vizepräsident Dr. Preuskerbegründet werden? — Nein. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.Wer den §§ 26 und 27 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.§§ 28 und 29. — Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.Zu § 30 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 218 Ziffer 3 vor. Nach diesem Antrag sollen hinter dem Wort „Gericht" die Worte ,.der ordentlichen Gerichtsbarkeit" eingefügt werden. Es handelt sich wieder um einen interfraktionellen Antrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Offenbar einstimmig angenommen.Wer dem § 30 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Er ist so angenommen.Zu den §§ 31 und 32 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer diesen beiden Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.Wer den §§ 33 und 34 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.Zu § 35 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 213 Ziffer 1 vor. Nach diesem Antrag soll der § 35 die auf Umdruck 213 vorgesehene Fassung erhalten. Soll dieser Antrag begründet werden? — Herr Abgeordneter Bucher zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Simultan- oder der Nichtsimultanzulassung ist neben der politischen Klausel der Hauptstreitpunkt in diesem Gesetz. Trotzdem brauchen Sie nicht zu befürchten, daß ich hierzu zu ausführlich sprechen werde. Wir haben ja die vielen Argumente, die hierzu vorgetragen werden, im Rechtsausschuß sehr eingehend geprüft. Ich habe sowieso den Eindruck, daß wir hier heute abend ein erweiterter Rechtsausschuß unter der gütigen Leitung des Herrn Präsidenten sind. Ich möchte hier also nicht allzu vieles von dem wiederholen, was schon gesagt worden ist, sondern mich auf eine ganz kurze Begründung beschränken.Dabei befinde ich mich allerdings in der merkwürdigen Lage, daß ich hier die Argumente für die Separatzulassung anführen muß, also die Argumente, die ich dann anschließend bekämpfen will. Diese Tatsache zeigt schon, daß eigentlich das Normale, das unserer Auffassung von freiheitlicher Anwaltschaft Entsprechende, die allgemeine Zulassung ist, wie sie z. B. in Strafsachen oder vor Verwaltungsgerichten besteht, und daß eine Separatzulassung — die natürlich durchaus möglich ist; ich will keineswegs etwa sagen, daß sie verfassungswidrig ist — doch eigentlich schon denkgesetzlich eine Ausnahme ist. Eine solche Ausnahme haben wir —unbestritten — schon einmal bei der Zulassung zum Bundesgerichtshof.Man hat nun leider aus dieser Frage einen Dogmenstreit gemacht, und es werden von beiden Seiten sehr dogmatische Auffassungen vertreten. Aber gerade, wenn wir die Stellungnahmen betrachten, die uns zugegangen sind und von deren Zitierung ich absehen möchte — es sind darunter sehr beachtliche Äußerungen, aber wir wollen hier nur fragen, was dem Wohl der Rechtspflege dienlich ist —, stellen wir fest, daß im allgemeinen — soweit die Stellungnahmen von anwaltschaftlicher Seite kommen — die Tendenz herrscht, überall in den verschiedenen Gebieten den Zustand zu behalten, den man hat. Deshalb ist es eigentlich nicht richtig, die Sache allzu grundsätzlich zu behandeln.Meiner Ansicht nach gibt es im wesentlichen vier Argumente gegen die Simultanzulassung. Diese Argumente halte ich für unrichtig. Den Anhängern der Separatzulassung bleibt es selbstverständlich unbenommen, mich zu berichtigen und hier mehr Argumente aufzuzählen und sie besser aufzuzählen, als ich es tue. Soweit ich sehe, sind es jedenfalls die folgenden vier Argumente. 1. Die getrennte Zulassung ermöglicht einen leichteren Geschäftsablauf bei den Oberlandesgerichten; 2. wenn bei den Oberlandesgerichten weniger Anwälte auftreten, ist die Zusammenarbeit mit diesen Gerichten besser; 3. dadurch wird auch eine Verbesserung der Rechtsprechung erreicht; 4. die sogenannte Theorie von den zwei neuen Augen. Das klingt etwas nach chinesischer Lyrik; es steckt auch einige Lyrik darin. Ich komme darauf später noch zu sprechen.
— Zwei neue Augen, sage ich.
— Richtig, ich muß mich also verbessern. Man läßt sich doch in außerjuristischen Dingen manchmal gern berichtigen.Das erste Argument, der leichtere Geschäftsablauf bei den Oberlandesgerichten, wird heute wohl auch von den Anhängern der getrennten Zulassung nicht mehr als besonders gewichtig betrachtet. Es war in früheren Zeiten wichtig, als wir noch nicht die Verkehrsmöglichkeiten hatten, die wir heute haben. Freilich ist es heute noch für ein Oberlandesgericht nicht so bequem, wenn es sich mit einer großen Zahl von Anwälten befassen muß. Ich darf aber immerhin darauf hinweisen, daß es heute den SelbstwählFernsprechverkehr gibt und ähnliche Einrichtungen. Ich brauche also zu diesem Argument wohl nichts weiter zu sagen.Das zweite, daß weniger OLG-Anwälte eine bessere Zusammenarbeit und damit auch eine bessere Rechtsprechung garantieren, ist ein Argument, das ich in mancher Hinsicht für bedenklich halte. Man kann nämlich andererseits sagen, wenn ein Anwalt nur mit einem Gericht zu tun hat und auf dieses eine Gericht sozusagen angewiesen ist, können daraus auch gewisse Gefahren für die anwaltschaftliche, ich will nicht sagen Unabhängigkeit, aber
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3326 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Dr. BucherSelbständigkeit in der Berufsausübung entstehen, und ich halte es ganz im Gegenteil für durchaus positiv, wenn möglichst viele Anwälte aus dem Lande mit ihrem Oberlandesgericht in Berührung kommen.Daß drittens die Qualität der Rechtsprechung verbessert wird, wenn die vielen Provinzanwälte vom Oberlandesgericht ferngehalten werden, ist eine Behauptung, für die ein Beweis bis jetzt nicht vorgetragen ist. Jedenfalls geht es, wie ich schon sagte, in der Strafrechtspflege, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit durchaus mit der allgemeinen Zulassung.Nun wird oft gesagt, die OLG-Anwälte, die also nur beim OLG tätig sind, kennten die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts, und wer beim Oberlandesgericht auftreten wolle, müsse diese Rechtsprechung kennen, diese Möglichkeit habe aber ein Landgerichtsanwalt nicht in dem Umfang, er könne also seine Klienten vor dem Oberlandesgericht nicht richtig beraten. Dieses Argument ist doch sehr theoretischer Art. Denn einmal ist die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts — genauer gesagt: die Rechtsprechung des bestimmten Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk der Prozeß stattfindet — nicht etwa in weiten Teilen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegensätzlich. Es sind vielmehr einzelne Punkte, in denen die Oberlandesgerichte verschiedene Ansichten haben, einzelne Punkte, die dann oft später, eigentlich zwangsläufig, im Vorlageverfahren geklärt werden und dann zu einer einheitlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führen. Daß wegen solcher einzelner Punkte eine besondere Kenntnis der Rechtsprechung nötig ist, bestreite ich nicht, aber diese Kenntnis muß doch auch der verantwortungsbewußte Landgerichtsanwalt haben. Denken Sie z. B. nur an den § 48 des Ehegesetzes, an die Rechtsprechung der Gerichte zur Ehescheidungsklage ohne Verschulden nach dreijähriger Trennung. Ich kann als Landgerichtsanwalt doch niemals mit gutem Gewissen eine Klage einreichen — sofern es nicht ein ganz glatter Fall ist —, wenn ich mir nicht darüber im klaren bin, wie mein Oberlandesgericht hierzu denkt und welche Aussichten meine Klage, wenn ich in erster Instanz damit abgewiesen wurde oder wenn die Gegenpartei Berufung einlegt, in der Berufungsinstanz hat. Diese einzelnen Punkte, in denen Oberlandesgerichte besondere Meinungen vertreten, muß der pflichtbewußte Landgerichtsanwalt auch kennen.Nun zu der Theorie der neuen Augen; es sind tatsächlich vier. Man sagt, der Prozeß müsse in zweiter Instanz von jemand anderem angesehen, durchdacht werden, von jemandem, der unbefangen von der Durchführung der ersten Instanz sei; nur das gewährleiste eine sachgemäße Behandlung. Das ist sicher in vielen Fällen richtig. Es wird schon von selbst Fälle geben, in denen eine Prozeßpartei in der zweiten Instanz einen anderen Anwalt beauftragt, etwa weil sie in der ersten Instanz mit ihrem Anwalt nicht zufrieden war oder auch weil sie eine solche grundsätzliche Überlegung angestellt hat. Dann ist es ihr unbenommen, das zu tun.Aber es ist doch auch umgekehrt denkbar — und das dürfte sehr häufig vorkommen —, daß jemand einen Prozeß in erster Instanz durch einen Anwalt seines Vertrauens geführt hat, vielleicht sogar durch einen Anwalt, mit dem er schon lange Jahre verkehrt, etwa ein geschäftliches oder gewerbliches Unternehmen, daß er diesen Prozeß gewonnen hat — daß jedenfalls der Anwalt ihn zu seiner vollsten Zufriedenheit geführt hat -- und daß die Gegenpartei Berufung einlegt, was er ja nicht verhindern kann. Nun soll dieser Mann gezwungen sein, den Anwalt seines Vertrauens nicht mit der Führung des Prozesses in der zweiten Instanz zu beauftragen, sondern einen ihm mehr oder weniger fremden Anwalt zu nehmen und mit diesem auch noch vor einem ihm nicht so gut bekannten Gericht wie dem der ersten Instanz aufzutreten. Ich sehe also wirklich nicht ein, warum wir die Prozeßparteien — das kann jeder Bürger sein — in der Weise bevormunden sollen, daß wir vorschreiben: Du mußt deinen Prozeß durch einen neuen Mann ansehen lassen. Wir sollten das doch jedem selber überlassen. In den Gebieten mit Simultanzulassung — wie in der Gegend, aus der ich komme, in der wir sie nun seit Jahren haben — hat sich das bis jetzt auch bewährt. Mir sind keine Klagen bekanntgeworden, die sich daraus ergeben hätten.Der Anwalt der ersten Instanz kennt doch den Fall am besten. Er hat die Zeugenvernehmungen mitgemacht; er weiß nicht nur, was im Protokoll steht, sondern hat auch einen persönlichen Eindruck von den Zeugen. Er war, wenn es sich z. B. um einen Verkehrsunfall handelt, zur Augenscheinseinnahme am Tatort. Er kennt die gesamten Tatsachen in einer Weise, wie sie der in der zweiten Instanz neu beauftragte Anwalt auf gar keinen Fall kennen kann. Alle diese Gründe sprechen dafür, daß die Simultanzulassung die bessere Lösung ist.Ich darf nochmals betonen, daß wir bis jetzt verschiedene Lösungen im Bundesgebiet haben und daß im allgemeinen jeder Bereich seine Lösung behalten will. Ich halte dies gar nicht für ein so großes Unglück. Wohl soll durch die Rechtsanwaltsordnung das Anwaltsrecht endlich wieder vereinheitlicht werden — das ist dringend notwendig —, aber die Einheitlichkeit des Rechts gerade in diesem Punkt scheint mir nun kein besonders vordringliches Gebot zu sein. Was macht es denn aus, wenn es in verschiedenen Gegenden verschiedene Lösungen gibt? Es kann ja niemand, der aus einem anderen Land heraus einen Prozeß führt, vor unangenehme Überraschungen gestellt werden. Ich hätte also für den Fall, daß unser Antrag angenommen wird, nichts dagegen einzuwenden, daß in § 240 entsprechende Ausnahmen geschaffen werden. Nur eine Lösung halte ich eigentlich für die schlechteste — sie besteht zur Zeit in manchen Gegenden —, nämlich die, daß die Landgerichtsanwälte am Sitz des Oberlandesgerichts simultan zugelassen sind. Das scheint mir doch sehr ungerecht zu sein. Dann lieber konsequent überhaupt nur separate Zulassung! Man kann sie ja nicht danach gruppieren, ob sie nun am Oberlandesgericht oder anderswo sitzen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3327
Dr. BucherUm Sie nicht nachher nochmals zu belästigen, darf ich gleich unsere Anträge unter den Ziffern 2 und 3 begründen. Es ergibt sich von selbst, daß § 37 wegfällt, wenn der § 35 so gefaßt wird, wie wir es vorschlagen, wobei es natürlich gleich ist, ob man dem Vorschlag einiger Kollegen von der CSU zustimmt, wonach in § 37 geregelt werden soll, was wir in § 35 unterbringen wollen. Nach unserem Vorschlag müßte § 240 an sich wegfallen; aber ich hätte nichts dagegen einzuwenden, daß hier neue Übergangsbestimmungen vorgesehen werden.Falls unser Antrag abgelehnt wird, werden wir dem Antrag der SPD zustimmen, der die Assoziation zwischen Landgerichts- und Oberlandesgerichtsanwälten verbietet. Wenn man schon die getrennte Zulassung will, sollte man auch hier konsequent sein und keine Umgehungen zulassen. Aber das zu begründen, wird Sache der SPD-Fraktion sein.
Sie haben die Begründung zum Antrag Umdruck 213 gehört. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Demmelmeier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bucher hat das Thema schon im großen und ganzen behandelt, so daß eigentlich nur noch wenige Gesichtspunkte übrigbleiben.
Wir Anwälte sind alle der Meinung, daß nur eine freie Anwaltschaft in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben und der Rechtspflege zu dienen. Keine Einigkeit besteht aber über das Verlangen, daß nur ein Teil der Anwälte bei dem Oberlandesgericht zugelassen wird, während ein anderer Teil diese Zulassung nicht erhält. Gewiß wollen diejenigen Rechtsanwälte, die bisher beim Oberlandesgericht zugelassen waren, diese Stellung und diesen Besitz erhalten. Das nehmen wir ihnen, sofern sie ganz berechtigte und ausschließliche Grunde haben, gar nicht übel. Aber die Herren Kollegen, die beim Oberlandesgericht zugelassen sind, wissen doch, daß schon seit Jahren Stimmen laut geworden sind, daß auch die anderen Anwälte ein Recht haben, beim Oberlandesgericht zugelassen zu werden, und zwar einfach deshalb, weil sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen und keine Gründe vorhanden sind, aus denen man ihnen diese Gleichberechtigung entziehen könnte.
Nun wird von den Kollegen, die beim Oberlandesgericht zugelassen sind, gesagt: Diese Übung besteht seit dem Jahre 1878. Das mag richtig sein. Außerdem wird vorgebracht — was auch der Kollege Bucher schon gesagt hat —, dadurch, daß in der zweiten Instanz andere Richter und andere Rechtsanwälte aufträten, sei eine bessere Rechtspflege gewährleistet und werde die Qualität der Rechtsprechung erhöht.
Welches ist denn die Aufgabe des Richters, und welches ist die Aufgabe des Rechtsanwalts? Der Richter hat auf der Grundlage des Rechts die Tatbestände zu würdigen und ein gerechtes Urteil zu fällen. Die Aufgabe des Anwalts besteht darin, auch auf der Grundlage des Rechts einer Partei, die er vertritt, zum Siege zu verhelfen. Das ist eine davon nicht verschiedene Aufgabe, aber die Richtung, die das Gericht vertritt, und die Richtung, die der Anwalt für sich in Anspruch nimmt, sind verschieden.
Wenn Sie das Pech haben, daß Sie einen Prozeß führen müssen, werden Sie sich natürlich zunächst fragen, zu welchem Rechtsanwalt Sie gehen sollen. Sie werden zu dem Rechtsanwalt in Ihrem Ort gehen, zu dem Sie Vertrauen haben. Sie werden mit diesem Rechtsanwalt alles besprechen und alle Tatbestände ergründen, um den Prozeß vorzubereiten. Der Prozeß wird beim Landgericht angestrengt. Die Partei gewinnt den Prozeß. Schließlich erfährt der Anwalt, daß die Gegenpartei mit diesem Urteil nicht einverstanden ist und daß sie Berufung gegen das Urteil des Landgerichts einlegt. Das wird man seiner Partei mitteilen müssen. Die Partei kommt. Man wird ihr sagen müssen: „Sie haben den Prozeß zwar gewonnen, aber ich muß Ihnen leider mitteilen, daß die Gegenpartei mit dem Urteil nicht einverstanden war und deshalb Berufung beim Oberlandesgericht eingelegt hat." Schon das bedeutet einen gewissen Schreck für die Partei. Gleichzeitig muß ich sagen: Damit ist es nun nicht getan, Sie müssen sich einen anderen Anwalt nehmen. In meiner langen Erfahrung habe ich nur zur Kenntnis nehmen müssen, daß der zweite, größere Schreck darin besteht, daß nun ein Anwaltswechsel eintreten muß. Entsprechend dem Gefühl der Parteien, die doch von vornherein alle Sachverhalte mit dem Anwalt besprochen haben, haben wir es jedenfalls nach unserer Erfahrung für zweckmäßiger gehalten, daß ein solcher Anwaltswechsel nicht eintritt, und zwar — das hat Herr Kollege Bucher schon gesagt — aus sehr einfachen Gründen. Der Rechtsanwalt in der ersten Instanz kennt seine Partei, kennt ihre persönlichen und sachlichen Verhältnisse. Die Partei kann sich am besten mit diesem Anwalt unterhalten. Nun ist die Partei gezwungen, sich einen anderen Anwalt zu nehmen, der beim Oberlandesgericht zugelassen ist. Da ist es mir wiederholt vorgekommen, daß gesagt wurde: „Da gehe ich nicht hinauf; ich kenne den Anwalt nicht, ich müßte alles von neuem mit ihm besprechen; dieser Anwalt ist mir vollständig fremd. Sie müssen also mit dem Anwalt, den Sie auswählen — welchen, ist mir gleichgültig — korrespondieren und den Prozeßstoff für die zweite Instanz von neuem vorbereiten." So entsteht, wenn nicht der Oberlandesgerichtsanwalt oder die Partei reisen, die Notwendigkeit neuer Reisen und neuer Informationen. Infolgedessen ist es doch zweckmäßiger, daß derjenige Anwalt, der den Sachgegenstand kennt, der den Prozeß vorbereitet hat, der bei der Beweisaufnahme zugegen war, der eine unmittelbare Anschauung von dem ganzen Prozeßstoff, von der Beweiswürdigung, von der Einstellung des Richters bekommen hat, die Möglichkeit hat, seine Partei auch im Prozeß vor dem Oberlandesgericht zu vertreten.
Ich bin in meinem Beispiel davon ausgegangen, daß die Partei den Prozeß in der ersten Instanz gewonnen hat. Wenn die Partei nun den Prozeß vor dem Oberlandesgericht verliert, geht sie natürlich
Demmelmeier
wiederum zu ihrem Anwalt der ersten Instanz und sagt: „Habe ich es Ihnen nicht gleich gesagt! Hätten Sie meinen Prozeß beim Oberlandesgericht vertreten, hätte ich ihn nicht verloren!"
Wenn die Partei gezwungen wird, den Anwalt zu wechseln, wird es ihr in der Regel gar nicht einfallen, zu dem Anwalt beim Oberlandesgericht zu fahren. Infolgedessen muß ein Korrespondenzanwalt bestellt werden, es entstehen neue Gebühren. Der Korrespondenzanwalt, der in der Regel der Anwalt ist, der die Partei in erster Instanz vertreten hat, muß wieder alles neu besprechen, muß die Tatsachen, die sich in der Zwischenzeit ergeben haben, neu aufnehmen, muß den Schriftsatz abfassen und einreichen. Und was kann der Oberlandesgerichtsanwalt aus dem Schriftsatz machen? So sehr viel Möglichkeiten unterschiedlicher Argumentationen lassen doch die Gesetze nicht. Ich habe in meinem Leben eine große Anzahl von Prozessen geführt und habe nicht erlebt, daß die Prozesse, die ich beim Landgericht geführt habe, beim Oberlandesgericht immer anders ausgegangen sind. Wir haben sie in der ersten Instanz eben so geführt, daß der Oberlandesgerichtsanwalt nicht viel anderes mehr vorbringen konnte, so daß das Gericht dieselben Gründe angenommen und wiederum das gleiche Urteil gefällt hat.
Es ist bisher nicht dargetan worden, daß die Qualität der Rechtspflege gehoben werden könnte, indem man einen Wechsel der Anwälte beim Übergang des Prozesses an das Oberlandesgericht vorschreibt. Aber auf der anderen Seite wird das Vertrauensverhältnis, das zwischen dem Anwalt der ersten Instanz und der Partei besteht, nicht in der Weise aufrechterhalten, wie es zur zweckentsprechenden Durchführung eines Prozesses erforderlich ist. Wenn eine Partei mit dem Anwalt der ersten Instanz nicht einverstanden ist — der Herr Kollege Bucher hat das mit Recht gesagt —, steht es ihr ja frei, einen Anwalt des Oberlandesgerichts zu nehmen. Wenn das bisher der Fall gewesen wäre, wenn die Parteien von sich aus immer Anwälte des Oberlandesgerichts genommen hätten, brauchten sich die Herren, die am Oberlandesgericht zugelassen sind, gar nicht dagegen zu wehren, daß die Simultanzulassung eingeführt wird. Die Rechtsprechung wird dadurch im Ergebnis nicht besser. Man kann nicht sagen, der Landgerichtsanwalt, bei dem die gleichen Voraussetzungen vorliegen, sei nicht in der Lage, seinen Prozeß vor dem Oberlandesgericht zu führen.
Andererseits entstehen höhere Kosten, nicht nur Kosten, sondern auch Reise- und Informationsgebühren. Eventuell muß ein Korrespondenzanwalt genommen werden. Alle diese Auslagen entstehen nicht, wenn wir die Sache vereinfachen. Dann entstehen der Partei jedenfalls keine größeren Schwierigkeiten, keine größeren Nervenanstrengungen.
Infolgedessen ist der Wunsch derjenigen Anwälte, die bisher nur bei einem Landgericht oder Amtsgericht zugelassen waren, berechtigt, daß alle Anwälte, bei denen die gleichen Voraussetzungen vorliegen, bei allen Zivilgerichten zugelassen werden, wie sie andererseits auch bei allen Strafgerichten Amtsgerichten, Schöffengerichten, Schwurgerichten — zugelassen werden können.
Gleichheit vor dem Gesetz ist die Grundlage auch unserer Demokratie. Darum hat sich beispielsweise die Anwaltskammer in München schon vor einigen Jahren — Herr Kollege Kanka, Sie schütteln den Kopf; ich kann mir auch denken, daß Sie ihn schütteln — —
Herr Abgeordneter Demmelmeier, ich bitte doch, weniger auf das Kopfschütteln als auf die Sache einzugehen.
Ich habe bloß eine einzelne Bemerkung gemacht, Herr Präsident.
Zum Abschluß möchte ich noch folgendes sagen. Die Anwaltskammer in München hat vor einigen Jahren einstimmig den Beschluß gefaßt — und zwar mit Zustimmung auch der Anwälte, die Oberlandesgerichtsanwälte sind —, daß es zweckmäßig, richtig und gerecht sei, alle Anwälte bei den Oberlandesgerichten zuzulassen, d. h. die Simultanzulassung im Gesetz niederzulegen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn .
Meine Damen und Herren, wir bitten, den Antrag auf Wiedereinführung der Simultanzulassung abzulehnen. Ich möchte versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten, daß wir bis 21 Uhr mit der zweiten und der dritten Lesung des Gesetzes noch fertig werden, und mich auf wenige Bemerkungen beschränken.So, wie Herr Kollege Demmelmeier es getan hat, geht es wirklich nicht. Wenn man ihm zugehört hat, bekam man den Eindruck, daß es in Bayern in allen Prozessen auf beiden Seiten nur Sieger gibt, nicht einmal zweite Sieger. Denn wie es zugeht, wenn der Anwalt in der ersten Instanz den Prozeß verloren hat, was Sie dann mit Ihrem Mandanten in der zweiten Instanz machen, das Geheimnis haben Sie uns leider nicht verraten.Ich frage mich auch, wie Sie es ihm klarmachen wollen, wenn Sie zum Bundesgerichtshof gehen müssen. Da brauchen Sie ebenfalls einen anderen Anwalt. Oder wollen Sie jetzt mit der Simultanzulassung auch gleich noch die Zulassung aller Anwälte beim Bundesgerichtshof einführen? Verehrter Herr Kollege Demmelmeier, diese Frage muß man in diesem Zusammenhang einmal klipp und klar stellen und vor allen Dingen auch beantworten. Schließlich habe ich bei der Fülle Ihrer sonstigen Argumente eigentlich nur noch das Argument der Gebührenordnung vermißt. Das hat dabei völlig gefehlt.Meine verehrten Damen und Herren, wir haben uns im Rechtsausschuß lange und eingehend mit diesen Fragen auseinandergesetzt, und wir haben uns darum bemüht, einen der Rechtspflege dienen-
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Jahn
den sachlichen Entschluß zu fassen. Wir sind der Auffassung, genauso wie in einem Prozeß in einer neuen Instanz neue Richter dazu da sind, um die Sache neu zu durchdenken, soll sich auch im Interesse der Rechtspflege und damit vor allen Dingen im Interesse der Rechtsuchenden in der neuen Instanz auch ein neuer Anwalt mit der Sache beschäftigen. Wir erleben es immer wieder, daß in der zweiten Instanz vom selben Anwalt allzu leicht die alten Argumente wiederholt werden. Die subjektive Möglichkeit des einzelnen, sich in einer neuen Instanz etwas ganz Neues einfallen zu lassen, ist doch — und das ist nur natürlich — begrenzt. Es hat sich jedenfalls dort, wo wir die Singularzulassung haben, immer als nützlich und gut herausgestellt, wenn man in einer neuen Instanz einen neuen Anwalt in Anspruch nimmt.Wenn Sie auch einmal darauf hören, was die Anwaltskollegen dazu sagen, die unter der Singularzulassung arbeiten, was Ihnen von den Richtern gesagt wird, dann werden Sie die Fülle der Argumente für die Singularzulassung sehr viel erdrückender finden als die Gründe für die Simultanzulassung. Wir glauben, daß es im Interesse der Rechtspflege notwendig ist, für die Singularzulassung einzutreten, dann allerdings — dazu werde ich nachher noch einige Sätze sagen — in voller Konsequenz.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bis jetzt ein bißchen Buch geführt und habe festgestellt, daß jetzt 23 Kollegen zu dem Thema Bundesrechtsanwaltsordnung gesprochen haben, und von diesen 23 Kollegen waren 22 Anwälte. Von einem weiß ich es nicht, es war der Kollege Lange. Ich halte es deshalb, um mit der Zivilprozeßordnung zu reden, nicht für untunlich, wenn jetzt auch einmal ein Nichtrechtsanwalt zu diesem Thema etwas sagt.
Ich möchte von vornherein sagen, daß die jetzige Regelung absolut unbefriedigend ist. Wenn Sie, meine Damen und Herren, eine Bundesrechtsanwaltsordnung machen, kann man nicht so vorgehen, wie der Kollege Bucher meint, daß für jedes Land eine Extralösung getroffen wird. Dann könnte ich auch hergehen und könnte ein bayerisches oder ein nordrhein-westfälisches Gerichtsverfassungsgesetz oder so etwas Ähnliches machen.
Die Bundesrechtsanwaltsordnung soll doch ein Bestandteil der Rechtspflege und aller sonstigen Justizgesetze sein. Also so, wie es jetzt ist, kann man es nicht lassen. Wenn man eine Bundesrechtsanwaltsordnung macht, muß diese Ordnung einheitlich sein.Die jetzige Regelung ist unbefriedigend. Das ist ganz klar. Das stelle ich auch fest, wenn ich an meine bayerischen Verhältnisse denke. Warum kann ein sehr gut qualifizierter Anwalt in Würzburg nicht am Oberlandesgericht in Bamberg auftreten? Wohl aber kann am Oberlandesgericht in Bamberg ein Anwalt auftreten, der meinetwegen ein schlechtes Examen gemacht hat und auch sehr jung ist und kein Probejahr gemacht hat. — Das macht mich besonders stutzig, nachdem das Probejahr auch gefallen ist. — Dieser Anwalt kann dort nach fünf Jahren auftreten und dort tätig werden. Es ist eine Ungerechtigkeit, daß man auf den Wohnoder Kanzleisitz abstellt.Ich meine folgendes: Am Oberlandesgericht sind Richter tätig, die qualifiziert sind und die auch nicht sofort nach dem Examen zum Oberlandesgericht abgestellt werden, sondern sie haben eine hinreichende Praxis und ein gewisses Alter erreicht, bevor sie zum Oberlandesgericht als Richter kommen. Die Richter am Oberlandesgericht stellen eine gewisse Elite dar, denen auch eine gewisse Elite der Anwälte gegenüberstehen sollte. Ich meine, durch die Singularzulassung am Oberlandesgericht wird erreicht, daß sich eine gewisse Elite herausbildet.Nun sagt man mir, bei kleineren Oberlandesgerichten würde der Anwalt nicht zurecht kommen, würde nicht genügend verdienen, wenn er nur Oberlandesgerichtsanwalt ist. Ich halte dieses Argument nicht für richtig. Auch das andere Argument, es seien dann zuwenig Anwälte für das rechtsuchende Publikum vorhanden, wenn die Singularzulassung gilt, halte ich nicht für richtig, weil doch nach der Übergangslösung alle diejenigen ihren Besitzstand behalten sollen, den sie bis jetzt hatten. Wir haben eine ganze Menge, die zugelassen sind. In München z. B. sind es wirklich mehr als genug. Wenn man vom Standpunkt der Gerechtigkeit ausgeht, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder die Simultanzulassung, d. h., jeder Anwalt ist an jedem Gericht seines Bezirkes zugelassen, oder aber die Singularzulassung, d. h. der Anwalt ist nur am Oberlandesgericht und sonst nirgends zugelassen. Vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus sind das die zwei sauberen Lösungen. Wenn man vom Standpunkt des Richters ausgeht, der mit den Anwälten auch einiges zu tun hat, dann darf ich noch einmal wiederholen, was ich vorhin von der Elite sagte. Auch das rechtsuchende Publikum hat auf diese Elite ein gewisses Anrecht.Ich sehe eine gewisse Gefahr — ich möchte keinem, der nicht am Oberlandesgericht zugelassen ist, zu nahe treten — in folgendem. Wenn ein Rechtsanwalt in Volkach am Einmann-Gericht einen großen Prozeß hat und es fraglich ist, ob er Berufung einlegen soll, dann wird er aus dem Gesichtspunkt, daß er selber tätig werden kann, in einem solchen Falle die Entscheidung zugunsten der Berufungseinlegung treffen. Es werden also vielleicht Berufungen eingelegt, die nicht ganz notwendig sind. Das ist ein Argument, das sicherlich kommen wird.Im anderen Falle ist gewährleistet, daß der Rechtsanwalt, der nur am Oberlandesgericht zugelassen ist, der die Rechtsprechung dort kennt, es von vornherein sagen wird, wenn eine Berufung sinnlos ist. Das Gericht wird dadurch ein bißchen vor solchen Dingen bewahrt.
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MemmelEs wurde dann auf die Kosten hingewiesen und gesagt, man müßte zwei Anwälte bezahlen. Das ist ein kleiner Irrtum. Wenn ich denselben Anwalt habe, muß ich ihn auch zweimal bezahlen; ich muß auch ihm die Oberlandesgerichtskosten zahlen. Dann die Abwesenheit! Wenn ein Rechtsanwalt aus Aschaffenburg oder aus Hof nach Bamberg zum Termin fahren muß, weil er jetzt am Oberlandesgericht zugelassen worden ist, wird er auch sein Abwesenheitsgeld in Höhe von 100 DM oder vielleicht auch mehr verlangen. Die Kosten werden also die gleichen sein, wie wenn ein Korrespondenzanwalt genommen wird.Man sagt nun, der Mann, der in erster Instanz am Landgericht verloren habe, müsse sich am Oberlandesgericht einen Anwalt suchen. So ist das nicht. Meine Herren Rechtsanwälte, geben Sie mir doch zu, wenn Sie einen Prozeß am Landgericht geführt haben und er ist schief gegangen und Sie wollen Berufung einlegen und sehen, daß die Berufung einen Sinn hat, dann sagen Sie Ihrem Klienten: Wir nehmen den und den Anwalt, denn jeder Anwalt am Landgericht hat am Sitz des Oberlandesgerichtes einen Berufungsanwalt. Diesen Anwalt sucht e r und nicht die Partei aus. Es ist also nicht so, daß die arme Partei hilflos dasteht und —sagen wir einmal — nach München fahren muß, um sich unter den 2200 zugelassenen Rechtsanwälten am Oberlandesgericht einen herauszusuchen, der die Sache dann vertritt.Ich würde dafür plädieren, den Antrag, wonach der Anwalt, der am Landgericht zugelassen ist, auf Antrag zugleich beim Oberlandesgericht zugelassen wird, abzulehnen. Wenn dieser Antrag nicht abgelehnt wird, wäre ich dafür, daß man die Frist von fünf Jahren — unter Berücksichtigung der Tatsache, daß das Anwärterjahr weggefallen ist — meinetwegen auf acht oder zehn Jahre erhöht.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich heute etwas erschrocken, als ich in die Plenarsitzung kam und sah, daß zu diesem Gesetzentwurf, den der Rechtsausschuß ein Jahr lang beraten hat, in zweiter Lesung immerhin noch 77 Änderungsanträge gestellt wurden. Das könnte den Eindruck hervorrufen, daß wir im Ausschuß schlechte Arbeit geleistet hätten. Wir waren alle der Meinung, daß wir einigermaßen gute Arbeit geleistet haben.
— Das ist die Berufungsinstanz.Es sind sehr viele Argumente pro et contra vorgetragen worden. Herr Kollege Bucher hat zu der Frage Simultan- oder Singularzulassung dankenswerterweise die Argumente beider Richtungen dargelegt. Da ich annehmen möchte, daß Sie alle den Ausführungen, die hier gemacht worden sind, sehr aufmerksam zugehört haben, möchte ich mich kurz fassen und den meiner Meinung nach entscheidenden Gesichtspunkt herausstellen, auf den es bei der Entscheidung dieser Frage ankommt.Der Herr Kollege Memmel hat soeben gesagt, es komme darauf an, eine saubere Lösung zu finden.
— Sie haben recht, Herr Kollege Jahn, diese saubere Lösung suchen wir. Deswegen müssen wir, glaube ich, zunächst einmal alle Argumente ausscheiden, die reine Zweckmäßigkeitsargumente sind, weil es sich um eine Frage handelt, die von sehr grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität unserer Rechtspflege ist; so meinen wir jedenfalls.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959 3331
— Nein, das ist keine Konsequenz. Der Bundesgerichtshof ist in Zivilsachen ein Revisionsgericht, die Oberlandesgerichte sind Tatsacheninstanzen, und daß hier Ungleiches für Ungleiches zu gelten hat, das ist durchaus logisch; dagegen ist nichts
einzuwenden.
Ferner: Es ist selbstverständlich, daß nicht alle Prozesse gewonnen werden, sondern zwangsläufig gehen auch Prozesse verloren, auch unter dem milden weiß-blauen bayerischen Himmel. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß in diesem Falle jeder das legitime Recht hat, sich einen andern Anwalt zu wählen. Ich kann mir denken, daß der Anwalt in einem solchen Falle dem Klienten sogar selber den Rat gibt — ich habe das jedenfalls schon getan —: „Nehmen Sie für die zweite Instanz einen anderen Anwalt, ich bin jetzt sozusagen festgerannt." Das kommt vor.
Man kann aber doch nun nicht allgemein sagen, wie Sie es getan haben, Herr Kollege Jahn, man müsse sich in der zweiten Instanz unbedingt etwas Neues einfallen lassen. Nehmen Sie mal an, daß ein Rechtsanwalt — was auch vorkommt — eine Partei vertritt, die einwandfrei recht hat. Er kann sich ja nichts Neues einfallen lassen; er kann sich nur das zur Verteidigung des Rechts Richtige einfallen lassen. Das ist dann in der ersten Instanz das Richtige und auch in der zweiten. Es gibt Fälle, wo man umschalten und auf etwas Neues kommen muß. Aber daß man sich in der zweiten Instanz durchaus etwas Neues einfallen lassen müsse, das ist nicht richtig.
Man müßte die Konsequenzen Ihrer Auffassung auch nach der anderen Seite weitertreiben und auch die Zulassung zwischen Amtsgerichten und Landgerichten und vor allem in Strafsachen trennen. Mir scheint, das einzige Argument, das hier überhaupt maßgebend ist, ist kein Argument aus dem Interesse der Rechtsanwälte oder aus der Arbeitsbelastung der Gerichte, sondern ein Interesse der Rechtspflege selber, also ein öffentlich-rechtliches Interesse. Dieses öffentlich-rechtliche Interesse ist beim Strafrecht noch unvergleichlich größer als beim Zivilrecht. Die Logik würde erfordern, daß man auch hier eine Trennung durchführt. Deshalb ist die Sache auch gar nicht logisch.
Herr Memmel hat dann von der Elite gesprochen, die sich bei den Oberlandesgerichtsanwälten dadurch bilde. Ich möchte eigentlich glauben, daß selbst die Befürworter der getrennten Zulassung nicht meinen, das sei ein Plus und ein Minus, was hier geschaffen werde, zwei Kategorien von Anwälten, bessere Anwälte bei den Oberlandesgerichten, die Elite, und das Fußvolk bei den Landgerichten. Vielmehr soll doch wohl ein Aliud geschaffen werden, also nicht ein Qualitätsunterschied. Denn auch hierin läge eine gewisse Ungerechtigkeit gegenüber dem Anwalt, der sich aus seinem ganzen Lebenskreis veranlaßt sieht, sich in einer Provinzstadt, in einer Amtsgerichts- oder Landgerichtsstadt, niederzulassen, und für den es rein praktisch ein sehr gewagter Sprung wäre, nun plötzlich ans Oberlandesgericht zu gehen.
Im übrigen wäre ich Herrn Kollegen Memmel dankbar, wenn er mir das Gericht nennte, bei dem man 100 DM Abwesenheitsgeld bekommt. Ich würde mich dann gern bei diesem Amtsgericht niederlassen und auf jegliche Simultanzulassung bei höheren Gerichten verzichten.
Wenn Sie, Herr Memmel, hier den unitarischen Gedanken vertreten haben, daß man keine Separatlösungen für die Länder machen sollte, so bin ich damit einverstanden. Wir haben ja zunächst nur unseren Antrag zu § 35 gestellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Winter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, daß ich jetzt noch einmal das Wort ergreife.
— Oder nehmen Sie es mir meinetwegen auch übel. Daran liegt mir auch nichts; ich bin Kummer gewohnt auf diesem Gebiet.Ich fühle mich doch verpflichtet, zur Aufklärung einmal zu sagen, daß der Änderungsantrag Umdruck 221 Ziffer 2 das gleiche Anliegen hat wie der Antrag der FDP Umdruck 213. Ich möchte also für den Antrag der FDP sprechen, weil es nur eine Formulierungsfrage ist, ob das so oder so erledigt wird. Das ist also die gleiche Sache.Zur Sache selber möchte ich folgendes sagen. Wir haben mit Recht etwas mehr Zeit für die Besprechung dieser Frage aufgewandt. Denn es handelt sich hier wirklich um die Kernfrage des Gesetzes.
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3332 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Dr. WinterIch akzeptiere das Argument, daß eine einheitliche Regelung wünschenswert ist. Die einheitliche Regelung ist jedoch nicht durchzuführen. Das zeigt Ihnen ein Blick auf den § 240, wo wir für Berlin und das Saarland Ausnahmen gemacht haben, und zwar nicht etwa deshalb, weil es sich dort um ein Provisorium handelt,
sondern weil mindestens nach dieser Formulierung
— Politische Erwägungen, gewiß. Aber wir haben endgültige Ausnahmen gemacht, die dagegen sprechen, daß man die einheitliche Regelung unter allen Umständen durchführt.
Es ist auch mit der einheitlichen Regelung so eine Sache. Diese Regelung bedeutet an den wenigen Oberlandesgerichten, wo sie jetzt schon gilt, nichts Neues. An allen anderen Oberlandesgerichten, wo sie bisher nicht gilt, bedeutet sie — ich möchte, daß Sie alle darüber Klarheit gewinnen — eine grundsätzliche soziale Umschichtung, eine grundsätzliche Neuordnung der sozialen Einstufung des gesamten Anwaltstandes. Das ist sicher so; und darüber müßten sich die Leute klarwerden, die hier abstimmen wollen. Es ist durch die Übergangsvorschriften selbstverständlich dafür gesorgt, daß sich das nicht von heute auf morgen auswirkt, weil ja nach den Vorschlägen des Rechtsausschusses denjenigen, die jetzt eine doppelte Zulassung haben, diese nicht genommen werden soll. Die sollen also aussterben dürfen. Die soziale Umschichtung, die das Gesetz im Gefolge hat, vollzieht sich in etwa, sagen wir, einem Menschenalter, in etwa 30 Jahren allmählich. Aber sie vollzieht sich. Und darüber muß man sich im klaren sein, ob man das will.
Ich darf ein Zweites sagen, was hier auch schon angeklungen ist. Es sind eine ganze Reihe von Sachverständigen gehört worden. Es haben sich aber auch eine ganze Reihe von Sachverständigen gemeldet. Ich habe noch sehr deutlich in Erinnerung die Sitzung, die seinerzeit im Rechtsausschuß anberaumt wurde, als die verschiedenen Länderminister — zunächst einmal nur der von Ba-den-Württemberg — den Wunsch hatten, angehört zu werden. Ich erinnere mich, daß dann alle anwesenden Länderminister sehr nachdrücklich vor der Lösung der isolierten Zulassung, der Singularzulassung, gewarnt haben. Ich entsinne mich sehr deutlich, daß einer der Minister als die Konsequenz der jetzt geplanten Lösung, der Singularzulassung, nicht das Entstehen einer Elite erwartet, sondern eine negative Auslese der Anwälte am Oberlandesgericht befürchtet hat. Ich erinnere mich sehr deutlich, daß einer der Minister das damals ausdrücklich gesagt hat. Das hat auch seine Gründe. Wir haben das auch an einer anderen Stelle bemerkt. Der Kollege Jahn, der jetzt so heftig mit dem Kopf schüttelt, wird gleich merken, daß er selber in die Verlegen-hat kommt, diese Argumente gebrauchen zu müssen. Man hat nämlich im Rechtsausschuß nicht gewagt, dieses Prinzip wirklich echt durchzuführen. Man hat es nicht riskiert, diese Notwendigkeit der Neuordnung wirklich sicherzustellen, sondern hat den Antrag — der von Ihrer Seite kam —, die Assoziierung zu verbieten — der die Konsequenz ist —,
mit der gleichen Mehrheit abgelehnt, mit der man diese Lösung jetzt wünscht. Ich habe gar nichts dagegen. Wenn das Haus wirklich die isolierte Zulassung beschließen sollte, bin ich dafür, daß das dann auch konsequent durchgeführt wird.
Dann haben die Vertreter, die dieser Sache zugestimmt haben, auch für das geradezustehen, was sie zur Folge hat. Denn daß man ein Prinzip einführt, nur um ein Prinzip zu haben, ein Prinzip, das man dann auf dem Umweg über die Bildung von Anwaltsgemeinschaften doch umgehen kann, dafür können wir doch nicht da sein.Ich möchte also ausdrücklich sagen: Die Lösung der Singularzulassung bedeutet, ein Prinzip, das bisher für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Anwaltschaft galt, historisch ist und sich vielleicht dort auch bewährt hat, auf den Großteil der Anwaltschaft in der ganzen Bundesrepublik auszudehnen, ohne daß dafür ein zwingender Grund besteht und ohne daß die Verfechter dieser Meinung wirklich bereit sind, die letzten Konsequenzen aus diesem Prinzip zu ziehen.
Herr Abgeordneter Winter, ich habe Ihren Worten entnommen, daß mit der Abstimmung über Ziffer 1 des Änderungsantrags Umdruck 213 gleichzeitig über Ihren Antrag Umdruck 221 Ziffer 2 entschieden werden kann.
— Danke.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Liste der Nichtadvokaten in dieser Debatte etwas verlängern. Ich habe diesem hochwohllöblichen Stande noch niemals angehört. Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Herr Kollege Hoogen, hier in sehr beredten Worten den Eindruck hervorzurufen versucht hat, als sei im Rechtsausschuß alles in herrlicher Einigkeit für die Singularzulassung gewesen.Ich muß Ihnen dazu sagen, daß wir in Hamburg ausnahmslos — das ist nun wirklich ausnahmslos — dagegen sind. Die Industrie- und Handelskam-
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Dr. Dahlgrünmer, die Anwaltskammer, die Präsidenten unserer Gerichte und der hamburgische Oberlandesgerichtspräsident warnen vor der Singularzulassung.
— Das stimmt!
Auch die Landesjustizverwaltung — der hamburgische Justizsenator — ist nicht für die Singularzulassung. Es ist also nicht alles in Einigkeit dafür.
— Nein.
Herr Abgeordneter Weber!
Nur wenige Sätze! Herr Kollege Dahlgrün ist offenbar falsch unterrichtet. Einer der Sachverständigen, die im Ausschuß gehört worden sind, war der Hamburger Oberlandesgerichtspräsident Ruscheweyh. Er hat sich eindeutig für die Singularzulassung ausgesprochen.
Ich wäre in der Lage, Ihnen die Stellungnahmen sämtlicher Gerichtshöfe von Hamburg vorzulegen. Sie alle haben sich für die Singularzulassung ausgesprochen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dahlgrün?
Bitte.
Herr Kollege, ich kann persönlich die Singularzulassung für richtig und gut halten. Das tut Herr Oberlandesgerichtspräsident Dr. Ruscheweyh.
Auf Grund großer Erfahrung! Richtig!
Aber ist Ihnen nicht bekannt, daß er sie für Hamburg und Bremen nicht für durchführbar hält?
Diese Frage hat auch der Rechtsausschuß eingehend behandelt. Der Herr Oberlandesgerichtspräsident Ruscheweyh hat dargelegt, er sei der Meinung, daß sich eine selbständige Oberlandesgerichtsanwaltschaft in Hamburg nicht bilden würde. Dieser Frage sind wir nachgegangen. Im Ausschuß haben wir jedenfalls vorerst eine andere Entscheidung getroffen. Diese Frage kommt später bei § 240, wo bereits ein entsprechender Antrag vorliegt, zur Sprache und zur
Abstimmung. Sie gehört aber nicht zu der jetzt behandelten Grundsatzfrage.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 213 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt. Damit sind gleichzeitig der Antrag auf Umdruck 221 Ziffer 2 und — nach den Ausführungen des Abgeordneten Bucher — der Antrag auf Umdruck 213 Ziffer 2 erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 35 und 36 in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Sie sind angenommen.
Ich rufe auf § 37. Nach Erledigung der anderen Anträge liegt hierzu nur noch der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 215 Ziffer 7 vor. — Herr Abgeordneter Jahn zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es mir einfach machen. Der Herr Kollege Winter war vorhin so freundlich, den wesentlichen Teil der Begründung bereits vorwegzunehmen.
Ich darf noch einmal auf folgendes hinweisen. Wir wünschen die Anfügung eines neuen Abs. 2 an § 37, der lauten soll:
Der bei einem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsanwalt darf sich mit dem bei einem Amts-
oder Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt nicht zur gemeinsamen Berufsausübung oder zu einer Bürogemeinschaft zusammenschließen.
Ich unterstreiche noch einmal: wenn man die Singularzulassung will, muß man sie ganz wollen. Wenn wir uns im Ausschuß und wenn Sie, meine Damen und Herren, sich eben in der Abstimmung zum Grundsatz der Singularzulassung bekannt haben, müssen wir auch so konsequent sein, sie bis zum letzten Punkt durchzuführen. Andernfalls bietet man die Möglichkeit einer Umgehung. Man läßt nicht nur ein Hintertürchen, sondern eine große Hintertür offen. Dann schließen sich in der Praxis mehrere Anwälte, die bei verschiedenen Gerichten zugelassen sind, zusammen, und damit ist dann de facto der gleiche Zustand erreicht, den wir bei der Simultanzulassung hätten.
Wer also für die Singularzulassung ist, muß konsequenterweise für das Verbot eines Zusammenschlusses sein, wie es in unserem Antrag, dem § 37 einen Abs. 2 einzufügen, zum Ausdruck kommt.
Herr Abgeordneter Kanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche dem Antrag des Herrn Kollegen Jahn auf das entschiedenste.
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3334 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 61. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. Februar 1959
Dr. KankaEs ist zuzugeben, daß Mißbrauch getrieben werden kann
insofern, als der singular am Oberlandesgericht zugelassene Anwalt nicht persönlich auftritt, sondern irgendeinen anderen Anwalt auftreten läßt, ihm vielleicht seine Unterschrift und seinen Stempel für eine Berufungsbegründung und dergleichen mehr leiht. Dieser Mißbrauch ist in der Tat möglich, diesem Mißbrauch muß man auch begegnen. Ein solcher Mißbrauch ist sogar bei dem einen oder anderen Gericht eingerissen. Da ist er ein Brauch, dessen Bruch mehr ehrt als seine Befolgung. Dem Brauch kann von den Gerichten und von den Rechtsanwälten selbst entschieden entgegengetreten werden.Was Sie hier vorschlagen, schießt weit über das Ziel hinaus und trifft es noch nicht einmal richtig. Es schießt insofern weit über das Ziel hinaus, als Sie etwas in das Gesetz einführen wollen, dessen Verfassungsmäßigkeit äußerst zweifelhaft ist. Warum wollen Sie einem Menschen, der Rechtsanwalt am Oberlandesgericht ,ist,
die Assoziierung mit einem Rechtsanwalt am Landgericht verbieten? Das geht irgendwie gegen die Freiheit einer solchen Verbindung, die keineswegs standeswidrig ist. Herr Jahn, Sie haben vorhin beim § 19 Ziffer 8 dafür plädiert, daß der Rechtsanwalt in seiner Person den Beruf des Rechtsanwalts und irgendeinen anderen Beruf soll vereinigen können.
Sie haben dafür plädiert, daß er das kann. Warum plädieren Sie nun dagegen, daß sich der Rechtsanwalt, der am Oberlandesgericht zugelassen ist, mit einem zweiten Rechtsanwalt zur gemeinsamen Ausübung seines Berufes soll vereinigen können?Denken Sie doch auch an den Rechtsanwalt, der einen jüngeren Kollegen zu sich in die Praxis aufnehmen will, damit er, nachdem er die fünf Jahre abgeleistet hat, zu ihm, dem Oberlandesgerichtsanwalt, in seine oberlandesgerichtliche Anwaltspraxis eintritt.
— Doch, das wollen Sie verhindern, denn solange er die fünf Jahre nicht hinter sich hat, kann er sich ja mit dem Anwalt, den er in seiner Praxis unterstützen will, nach Ihrem Vorschlag gar nicht verbinden. Sie schießen über das Ziel hinaus, und Sie treffen sogar daneben.
Herr Kollege Kanka, das ist eigentlich sehr logisch!
Ja, gut, sehr logisch. Sie treffen sogar sehr weit daneben.
Denn es gibt noch eine andere Form des Mißbrauchs. Der Mißbrauch setzt ja gar nicht voraus, daß der Oberlandesgerichtsanwalt mit einem anderen Anwalt assoziiert ist. Wir wissen von Mißbräuchen, die gerade bei Anwälten vorkommen, die keineswegs mit anderen Anwälten assoziiert sind und ihren Stempel oder ihre Unterschrift für die Berufung hergeben, die ein anderer nur am Landgericht zugelassener Rechtsanwalt eingelegt hat.
— Es ist nicht schwerer!
Wenn eine saubere Sozietät besteht — wenn Landgerichtsanwalt und Oberlandesgerichtsanwalt vereinigt sind —, dann wird ohnedies eine klare Trennung der Arbeit und der Zuständigkeit gegeben sein. Gerade diesen sauberen Sozietäten, die anständig sind, die das Gesetz nicht umgehen, wollen Sie mit Ihrem Antrag den Garaus machen.
Sie haben zum anderen selber anerkannt, daß Sie in die bestehenden Sozietäten wahrhaftig nicht eingreifen können. Sie haben deshalb mit Ziffer 29 in § 240 einen neuen Abs. 8 anfügen wollen, in dem Sie die bestehenden Sozietäten sichern wollen. Diese Regelung ist sehr schlecht. Sie ist die Folge der schlechten Regelung, die Sie in § 37 Abs. 2 treffen wollen. Denn es ist schlecht, wenn Sie die bereits bestehenden Sozietäten zwingen, weiter bestehenzubleiben. Das ist irgendwie unsauber und gesetzlich in keiner Weise zu vertreten. Ich bin deshalb der Auffassung, daß mit § 37 Abs. 2 eine Klärung der Situation hinsichtlich der Singularzulassung mit einem Mittel angestrebt wird, dessen Wirkung viel zu weit geht und das verfassungsmäßig bedenklich ist, zumal es das Ziel, das damit erreicht werden soll, doch nicht erreicht. Ich bitte daher, den Vorschlag zu § 37 Abs. 2 abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß wir nach Vereinbarung heute unter allen Umständen die Sitzung um 21.00 Uhr beenden.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD Umdruck 215 Ziffer 7, dem § 37 einen neuen Abs. 2 anzufügen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Zur Erleichterung der Abstimmung bitte ich diejenigen, die dem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Meine Damen und Herren, wir sind uns leider nicht einig; ich muß Sie bitten, den Plenarsaal zum Hammelsprung zu verlassen. — Ich bitte die Herren Schriftführer, ihre Plätze ein-
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Vizepräsident Dr. Preuskerzunehmen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, die Türen zu öffnen und mit der Auszählung zu beginnen. — Die Auszählung ist beendet; ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, mir das Ergebnis mitzuteilen. —Meine Damen und Herren, mir ist das Ergebnis soeben gemeldet worden. Dabei stellt sich heraus, daß das Haus nicht beschlußfähig ist. Zusammen mit dem Präsidium sind nur 177 Mitglieder an derAbstimmung beteiligt gewesen. Es hätten 249 sein müssen. Das Haus ist somit nicht beschlußfähig.Ich hebe zu meinem Bedauern die Sitzung auf und berufe die nächste Sitzung ein auf Donnerstag, den 19. Februar 1959, 15 Uhr. Wir setzen dann die zweite und dritte Beratung der Bundesrechtsanwaltsordnung fort.Die Sitzung ist geschlossen.