Protokoll:
2175

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 175

  • date_rangeDatum: 30. November 1956

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:42 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:24 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 175. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. November 1956 9683 175. Sitzung Bonn, Freitag, den 30. November 1956. Zur Tagesordnung: Vizepräsident Dr. Schneider . . . . 9684 B Vizepräsident Dr. Becker . 9715 A, C, 9717 C Mellies (SPD) 9715 B Rasner (CDU/CSU) 9715 C Geschäftliche Mitteilungen . . . . 9684 B, 9717 C (B) Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. Rehling 9684 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 294 und 298 (Drucksachen 2850, 2927; 2861, 2933) 9684 C Wahl eines Schriftführers 9684 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, FVP, DP betr. Einberufung des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Art. 106 des Grundgesetzes (Drucksache 2920) . . . . 9684 C Beschlußfassung 9684 D Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Drucksachen 2724, 2812); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Drucksache 2887, Umdrucke 849, 850) 9684 D Dr. Miessner (FDP) 9684 D, 9691 D Seuffert (SPD) . . . 9686 A, 9693 D, 9694 D, 9695 D Dr. Lindrath (CDU/CSU) 9688 D Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau . 9689 C, 9695 C, 9696 A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 9692 D Vizepräsident Dr. Schneider . . . . 9693 A Dr. Königswarter (SPD) 9693 B Dr. Czaja (CDU/CSU) 9694 C, D Dr. Wellhausen (CDU/CSU) (zur Abstimmung) 9696 B Abstimmungen 9696 A, C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 2136); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (Drucksache 2891, Umdruck 847) 9696 C, 9713 B Dr. Hellwig (CDU/CSU): als Berichterstatter 9696 D als Abgeordneter 9703 C, 9707 B, 9712 C, 9713 C Lange (Essen) (SPD) 9698 C, 9709 B, 9712 A, C Dr. von Merkatz, Bundesminister der Justiz . . . . 9701 D, 9706 A, 9712 B Illerhaus (CDU/CSU) 9702 C Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) 9704 B, 9711 B, 9712 A Dr. Arndt (SPD): zur Sache 9706 B, 9707 B, 9712 A zur Geschäftsordnung 9713 B Meyer-Ronnenberg (CDU/CSU) . . 9709 A Unterbrechung der Sitzung . . 9713 B Dr. Elbrächter (DP) 9713 D Rasner (CDU/CSU) 9714 B, 9715 C Dr. Deist (SPD) (zur Abstimmung) . 9714 C Abstimmungen 9712 D Namentliche Schlußabstimmung . 9714 D, 9724 Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksache 2781) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von den Abg. Höcherl, Krammig, Dr. Jaeger, Niederalt, Wacher (Hof), Leukert u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes und die Landeszentralbanken (Drucksache 2832) . . 9715 D Rasner (CDU/CSU) 9715 C Seuffert (SPD) 9715 D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (Schriftliche Stellungnahme) . . . 9719 B Höcherl (CDU/CSU) (Schriftliche Begründung) 9721 D Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 9717 C Nächste Sitzung 9717 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 9718 A Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Umdruck 849) 9718 D Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP, FVP zur dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Umdruck 850) 9718 D Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Umdruck 847) 9719 A Anlage 5: Stellungnahme des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft Dr. Westrick zum Entwurf eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksache 2781) 9719 B Anlage 6: Schriftliche Begründung des Abg Höcherl (CDU/CSU) zum Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes und die Landeszentralbanken (Drucksache 2832) 9721 D Zusammenstellung der namentlichen Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 2891) 9724 Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    *) Siehe Anlage 6. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 30. 11. Arndgen 30. 11. Dr. Atzenroth 30. 11. Dr. Bartram 30. 11. Behrisch 30. 11. Bender 30. 11. Frau Beyer (Frankfurt) 14. 12. Birkelbach 1. 12. Fürst von Bismarck 30. 11. Blachstein 30. 11. Dr. Blank (Oberhausen) 1. 12. Frau Dr. Bleyler 30. 11. Brandt 30. 11. Cillien 15. 12. Dannebom 30. 11. Dr. Deist 1. 12. Frau Dietz 13. 12. Dr. Dittrich 22. 12. Dr. Dollinger 1. 12. Dr. Dresbach 30. 12. Eberhard 8. 12. Dr. Elbrächter 30. 11. Engelbrecht-Greve 13. 12. Erler 30. 11. Eschmann 30. 11. Dr. Franz 30. 11. Franzen 13. 12. Dr. Friedensburg 30. 11. Fuchs 30. 11. Dr. Furler 1. 12. Gefeller 30. 11. Geiger 30. 11. D. Dr. Gerstenmaier 3. 12. Dr. Gille 30. 11. Dr. Gleissner (München) 30. 11. Dr. von Golitschek 30. 11. Grantze 22. 12. Günther 30. 11. Hansen 30. 11. Dr. Graf Henckel 1. 12. Herold 13. 12. Hilbert 30. 11. Höcker 30. 11. Höfler 30. 11. Hörauf 15. 12. Dr. Horlacher 1. 12. Huth 30. 11. Dr. Jaeger 30. 11. Karpf 30. 11. Kiesinger 3. 12. Dr. Klötzer 30. 11. Dr. Köhler 30. 11. Dr. Kopf 1. 12. Krammig 30. 11. Dr. Kreyssig 1. 12. Frau Dr. Kuchtner 30. 11. Kühn (Köln) 30. 11. Ladebeck 30. 11. Lenz (Brühl) 1. 12. Dr. Lenz (Godesberg) 30. 11. Majonica 15. 12. Massoth 13. 12. Mattick 30. 11. Mayer (Birkenfeld) 1. 12. Dr. Menzel 30. 11. Dr. von Merkatz 1. 12. Dr. Mommer 30. 11. noch Beurlaubungen Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Morgenthaler 30. 11. Müller-Hermann 30. 11. Neubauer 30. 11. Odenthal 31. 12. Dr. Oesterle 1. 12. Ollenhauer 15. 12. Onnen 30. 11. Pelster 1. 12. Dr. Pohle (Düsseldorf) 1. 12. Pöhler 13. 12. Frau Praetorius 30. 11. Dr. Preiß 30. 11. Dr. Dr. h. c. Pünder 30. 11. Raestrup 22. 12. Regling 30. 11. Frau Dr. Rehling 15. 12. Dr. Reichstein 5. 12. Richter 30. 11. Freiherr Riederer von Paar 30. 11. Sabaß 1. 12. Scheel 22. 12. Scheppmann 30. 11. Dr. Schild 30. 11. Schmücker 30. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 3. 12. Schoettle 30. 11. Dr. Schöne 1. 12. Seiboth 30. 11. Srock 1. 12. Dr. Starke 30. 11. Dr. Strosche 30. 11. Wagner (Ludwigshafen) 30. 11. Wehner 30. 11. Dr. Zimmermann 30. 11. Anlage 2 Umdruck 849 (Vgl. S. 9686 A, 9696 A) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Drucksachen 2887, 2812, 2724). Der Bundestag wolle beschließen: 1. In § 1 Nr. 1 wird der Buchstabe d gestrichen: Für den Fall der Ablehnung des Antrags unter Nr. 1: 2. In § 1 Nr. 1 Buchstabe d werden in dem in § 10 Abs. 3 Ziffer 3 Buchstabe c des Einkommensteuergesetzes anzufügenden Satz 2 nach den Worten „des sozialen Wohnungsbaus" die Worte ,,, soweit für ihn öffentliche Mittel nach § 6 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zur Förderung eingesetzt werden können," eingefügt. Bonn, den 28. November 1956 Mellies und Fraktion Anlage 3 Umdruck 850 (Vgl. S. 9688 D, 9696 B) Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU DP, FVP zur dritten Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Drucksachen 2887, 2812, 2724). Der Bundestag wolle beschließen: In § 1 Nr. 1 Buchstabe d wird dem in § 10 Abs. 3 Ziff. 3 Buchstabe c des Einkommensteuergesetzes anzufügenden letzten Satze folgender Halbsatz angefügt: ; soweit sie im Januar 1957 geleistet worden sind, werden sie wie Aufwendungen behandelt, die im Veranlagungszeitraum 1956 nach dem 6. Oktober 1956 geleistet worden sind. Bonn, den 29. November 1956 Dr. Krone und Fraktion Dr. Brühler und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 847 (Vgl. S. 9698 C, 9712 D) Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksachen 2891, 2136). Der Bundestag wolle beschließen: In Art. 1 erhält der § 2 a folgende Fassung: § 2a Preisüberhöhung (1) Wer vorsätzlich in befugter oder unbefugter Betätigung in einem Beruf oder Gewerbe für Gegenstände oder Leistungen des lebenswichtigen Bedarfs unangemessene Entgelte f ordert, verspricht, vereinbart, annimmt oder gewährt, kann mit einer Geldbuße bis zu einhunderttausend Deutsche Mark belegt werden. (2) Von der Einleitung eines Verfahrens ist abzusehen und ein bereits eingeleitetes Verfahren ist einzustellen, wenn kein öffentliches Interesse verletzt ist. Bonn, den 28. November 1956 Mellies und Fraktion Anlage 5 (Vgl. S. 9715 D) Stellungnahme des Staatssekretärs im Bundesministerium für Wirtschaft, Dr. Westrick, zur ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bundesbank (Drucksache 2781). Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung dieses Gesetzentwurfes bewußt, dessen Ziel es ist, die Sicherheit der Währung auch in Zukunft zu gewährleisten und damit letzten Endes einer freiheitlichen Verfassung von Staat und Gesellschaft zu dienen. Nach Meinung der Bundesregierung, die schon in der am Schluß der Drucksache 2781 abgedruckten Rede des Bundesministers Prof. Erhard vor dem Bundesrat dargelegt wurde, ist die Zeit reif für ein Bundesbankgesetz, um das Besatzungsrecht auf diesem Gebiet endlich durch Bundesrecht zu ersetzen. Dabei bietet sich die willkommene Gelegenheit, das Instrumentarium der Notenbank zur Bewältigung der vor ihr stehenden großen Aufgaben zu verstärken. Die Sicherheit unserer manipulierten Währung steht in unmittelbarem Zusammenhange mit der richtigen Dosierung der umlaufenden Geldmenge im Verhältnis zu der umlaufenden Gütermenge. Die Bundesregierung hat sich deshalb bemüht, die Bundesbank mit einem umfassenden und modernen Instrumentarium währungspolitischer Befugnisse zur Manipulierung der Geldmenge auszustatten. Die Einzelheiten hierzu sind in der Begründung des Entwurfs dargelegt. Der Gesetzentwurf enthält ein klares und unzweideutiges, in einer Reihe von konkreten Vorschriften verankertes Bekenntnis zur Unabhängigkeit der Notenbank. Dieses Bekenntnis sollte alle Zweifel an der Meinung der Bundesregierung in dieser Frage beseitigen. Wenn in der Vergangenheit Meinungsverschiedenheiten über die Währungspolitik der Bank deutscher Länder bestanden haben und etwa auch in der Zukunft aufkommen sollten, so ist das keineswegs als ein Symptom dafür anzusehen, daß man mit einer Kritik an der Währungspolitik der Notenbank gleichzeitig ihre Unabhängigkeit antasten will. Man vergleiche doch die Situation in anderen Demokratien, wie z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo noch im März d. J. sehr erhebliche und offen zum Ausdruck gekommene Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und dem Federal Reserve Board bestanden haben und wo die Regierung öffentlich erklärte, daß dieser Meinungsstreit natürlich kein Anlaß sei, die Unabhängigkeit der Notenbank in Zweifel zu ziehen. Die gleiche Stellungnahme ist in den Formulierungen des Gesetzentwurfes für die Notenbank enthalten. Auch im Zusammenhang mit den hartnäckigen Auseinandersetzungen über die Organisation der Bank wird manchmal von den Gegnern des Regierungsentwurfs der Verdacht geäußert, daß durch die Umwandlung des Landeszentralbanksystems zu einer Bundesbank die Unabhängigkeit der Notenbank infolge übergroßen Einflusses der Bundesregierung in Gefahr gerate. Das ist völlig ungerechtfertigt. Unzweifelhaft unterliegt nach dem Entwurf die Bundesbank keiner Weisung der Bundesregierung. Bei den oben erwähnten Sorgen bezüglich der Unabhängigkeit der Bundesbank ist offenbar an die Mitwirkung der Bundesregierung bei der Ernennung der Mitglieder des Direktoriums gedacht. Die Mitwirkung von Bundesinstanzen ist bei allen Bundeseinrichtungen eine organisatorische Notwendigkeit. Im Landeszentralbanksystem lag das Organisationsrecht bei den Ländern; für die Bundesbank soll es nunmehr auf den Bund übergehen. Warum sollte der Bund bei der Auswahl der leitenden Persönlichkeiten weniger objektiv sein, als es bisher die Länder waren? Diese Frage wird meistens beantwortet mit dem Hinweis auf den sogenannten Pluralismus der bisherigen Ernennungsinstanzen. Darauf ist zu antworten: Dieser Pluralismus ist kein Monopol des bisherigen Systems. Auch der Entwurf verteilt pluralistisch die Auswahl der leitenden Persönlichkeiten auf die Bundesregierung und den Bundesrat oder, da der Bundesrat die Landesregierungen anhören muß, praktisch auf die Bundesregierung und die Landesregierungen. Außerdem soll noch in jedem Falle das Direktorium der Bundesbank (Staatssekretär Dr. Westrick) angehört werden. Das ist doch ebenfalls Pluralismus! Bundesminister Erhard hat in seiner Ihnen vorliegenden Rede vor dem Bundesrat darauf hingewiesen, daß in den Bundesratsverhandlungen von dem Vertreter eines Landes beantragt wurde, diesen Pluralismus noch zugunsten der Länder zu verstärken. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß es den Kritikern des Regierungsentwurfs in Wahrheit weniger auf den Pluralismus und die Unabhängigkeit der Notenbank als vielmehr auf die Erhaltung der Landeszentralbanken ankommt. Mit der Frage der Unabhängigkeit zwar nicht identisch, aber eng verknüpft ist die weitere Frage nach dem Verhältnis der Währungspolitik der Notenbank zur Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Daß die Notenbank verpflichtet sein soll, „die Wirtschaftspolitik der Regierung im Rahmen ihrer Aufgabe zu unterstützen", ist eine Formulierung, die bereits durch das sogenannte Übergangsgesetz vom August 1951 bei Abschaffung der Weisungsrechte der Alliierten Bankkommission gegenüber der Bank deutscher Länder vom Bundestag beschlossen wurde. Diese Formel ist in § 3 Abs. 2 des Entwurfs übernommen worden. Sie enthält die wichtigen Worte „im Rahmen ihrer Aufgabe", was klarstellt, daß die Notenbank verpflichtet ist, die Wirtschaftspolitik der Regierung zu unterstützen, soweit und solange dies ihre Aufgabe, nämlich die Sicherung der Währung, erlaubt. Andererseits ist zu bedenken, daß die Sicherheit der Währung nicht nur von der Währungspolitik der Notenbank, sondern ebenso von der Politik der Regierung und aller sonst verantwortlichen Instanzen insbesondere auf dem Gebiet der Lohn-, Preis-, Handels- und Sozialpolitik, der allgemeinen Wirtschaftspolitik sowie der Finanzpolitik abhängt. Um dies klarzustellen und der Notenbank nicht die alleinige Verantwortung aufzubürden, betont § 3 Abs. 2 erstmalig in einem Gesetz, daß die Verantwortung der Bundesregierung für die Sicherheit der Währung unberührt bleibt. Durch diese Klarstellung werden die Befugnisse der Notenbank, die in dem Gesetz deutlich umrissen sind, in keiner Weise eingeschränkt. Bei der Vielfalt der für die Sicherheit der Währung wichtigen Faktoren kommt einer guten Zusammenarbeit zwischen Regierung und Notenbank eine besonders große Bedeutung zu. Deshalb enthält der Entwurf mehrere hier nicht im einzelnen zu erläuternde Bestimmungen, die diese Zusammenarbeit fördern sollen. Das Verhältnis zwischen Regierung und Notenbank in paragraphenmäßigen Formeln darzustellen, ist in allen Notenbankgesetzen der Welt verschiedenartig in einer mehr oder weniger befriedigenden Weise versucht worden. Die Bundesregierung hält die von ihr vorgeschlagenen Formeln für befriedigend. Sie ist sich aber darüber im klaren, daß es weniger auf solche Formeln als vielmehr auf äußerlich und innerlich unabhängige und nur dem Wohle des Ganzen dienende Persönlichkeiten ankommt, die die Verantwortung tragen. Was nun die so sehr im Vordergrund stehende Frage der Organisation angeht, so wird schon seit Jahren über die sogenannte zentrale oder dezentrale Konstruktion der Notenbank gestritten. Dieser Streit findet im übrigen eine interessante Parallele in der Entstehungsgeschichte der Reichsbank. Nach der Reichsgründung von 1871 mußten auch erst vier Jahre des Streites über die Organisationsfrage vergehen, bis es 1875 zur Errichtung der Reichsbank kam. Damals sträubte sich der preußische Finanzminister hartnäckig gegen die Umwandlung seiner Landeszentralbank, d. h. der Preußischen Bank, zur Reichsbank, und zwar bemerkenswerterweise gegen die Meinung Bayerns, Badens, Württembergs und Hessens, die alle für die Errichtung einer zentralen Notenbank eintraten. Im damaligen Bundesrat setzte sich Preußens Finanzminister durch. Aber der Reichstag, unterstützt von der öffentlichen Meinung, ging über diese Widerstände hinweg und gründete die Reichsbank. Diese Entstehungsgeschichte zeigt, daß in dem damaligen Föderalstaat eine zentrale Notenbank nicht als eine Beeinträchtigung der Länderrechte empfunden wurde. Damals herrschte allgemein die Einsicht, daß eine einheitliche Reichswährung auch eine einheitliche Reichswährungsbank erfordert. Es sind auch in der 70jährigen Geschichte der Reichsbank niemals Anstände von seiten der Länder laut geworden. Die Reichsbank hat sich der Refinanzierung blühender Regionalbanken und einer ausgleichenden Geldversorgung der Wirtschaft aller Bundesländer befleißigt. Sie war schließlich, ähnlich wie die Reichsbahn und die Reichspost, überall in das Bewußtsein der Deutschen eingedrungen und zur Selbstverständlichkeit geworden. Auch die Vorschriften des Reichsbankgesetzes über die Organisation und das Instrumentarium der Reichsbank galten im In- und Ausland als gut. Das Gegenteil wird nicht bewiesen durch kritische Hinweise auf die Deflationspolitik der Reichsbank und der Reichsregierung gelegentlich der Weltwirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre sowie auf die Inflationspolitik von 1938 bis 1945. Für jene Deflationspolitik war die damals noch unvollkommene Beherrschung des konjunkturpolitischen Instrumentariums und für die Inflation waren politische Umstände bestimmend wie die Kriegsfinanzierung, diktatorische Eingriffe usw., nicht aber die gesetzlichen Vorschriften über die Organisation und die Geld- und Kreditpolitik der Reichsbank. Nach dem Zusammenbruch des Reichs dezentralisierten die Besatzungsmächte die Reichsbank im Gebiet der Bundesrepublik in das Landeszentralbanksystem,bestehend aus den Landeszentralbanken und der Bank deutscher Länder. Das geschah bekanntlich in erster Linie aus politischen Gründen. Bei der Behandlung der Organisation der Bundesbank im vorliegenden Gesetzentwurf ließ sich die Bundesregierung von der Überzeugung leiten, daß eine Notenbank in einem einheitlichen Währungssystem überhaupt nur einstufig funktionieren kann. Das bisherige, von den Besatzungsmächten eingeführte zweistufige Landeszentralbanksystem hat nach Meinung der Bundesregierung nur deshalb funktioniert, weil es de facto wie ein einstufiges Filialsystem gehandhabt worden ist. Der Regierungsentwurf geht von dem Bestreben aus, die Organisation der Notenbank mit ihrer Funktionsweise in Einklang zu bringen. Über die Mängel des zweistufigen Landeszentralbanksystem sind in der Begründung des Regierungsentwurfs nähere Darlegungen enthalten. Allerdings hatte die Bundesregierung in der ersten Legislaturperiode einen Entwurf vorgelegt, der die Landeszentralbanken aufrechterhalten wollte. Dies war in dem Bestreben geschehen, den dringenden Wünschen der Länder entgegenzukommen, (Staatssekretär Dr. Westrick) unter Zugrundelegung einer damals vom Bundesrat formulierten verfassungsrechtlichen Auslegung und unter Zurückstellung auch schon damals vorhandener eigener schwerer Zweifel. Nach sorgfältiger Überprüfung ist die Bundesregierung aber zu der Überzeugung gelangt, daß neben den Erwägungen der Zweckmäßigkeit eine zwingende Verfassungsrechtslage zur Errichtung einer einstufigen Bundesbank führen muß. Wer aber die Ansicht der Bundesregierung über die Verfassungsrechtslage nicht teilt, wird doch zugeben müssen, daß die gegenteilige Meinung zumindest verfassungsrechtlich umstritten ist. Der Bundesregierung erscheint es aber aus staatspolitischen und ebenso aus währungspolitischen Gründen nicht verantwortbar zu sein, eine Notenbank auf verfassungsrechtlich umstrittener Grundlage zu errichten und damit die konkrete Gefahr für den rechtlichen Bestand eines solchen Instituts und seiner währungspolitischen Befugnisse in Kauf zu nehmen. Die Bundesregierung hat sich aus diesen Überlegungen nach sehr gewissenhafter Prüfung gezwungen gesehen, den ,anderen Weg zu gehen und eine einheitliche Bundesbank vorzuschlagen. Sie ist dabei aber in der inneren Organisation dieser Bank den Wünschen der Länder soweit wie möglich entgegengekommen. Die Bundesregierung glaubt, damit einen echten Kompromiß gefunden zu haben, der für alle Beteiligten tragbar sein müßte. Die Mehrheit des Bundesrats hat bisher diesem Kompromiß die Zustimmung nicht gegeben, sondern Abänderungsvorschläge gemacht, die im Ergebnis einen Gesetzentwurf unter Aufrechterhaltung der Landeszentralbanken darstellen. Außerdem ist kürzlich mit Drucksache 2832 von den Abgeordneten Höcherl und Genossen ein Gegenentwurf eingebracht worden, der in wesentlichen Punkten dem Vorschlag des Bundesrats etwa entspricht. Abgesehen von den schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Vorschläge hält die Bundesregierung auch die für die Beibehaltung der Landeszentralbanken vorgebrachten Zweckmäßigkeitsargumente nicht für überzeugend. Bundesminister Prof. Erhard hat bereits in seiner Ihnen vorliegenden Bundesratsrede die Hauptargumente, nämlich die „institutionelle Garantie der Unabhängigkeit", die „Wirtschaftsnähe und Elastizität der Landeszentralbanken" und die „Zweiteilung der Organe in Willensbildung und Willensausführung" gewürdigt. Dem sind zwei Bemerkungen hinzuzufügen. Erstens wird immer wieder gesagt, das Landeszentralbanksystem habe sich bewährt. Man identifiziert dabei kurzerhand die Politik des Zentralbanksystems mit seiner Organisation. Gewiß ist anzuerkennen, daß die Währungspolitik des Zentralbanksystems gut und erfolgreich war. Allerdings ist dabei gerechterweise zu bemerken, daß die übrigen Umstände, nämlich .die mit der Währungsreform dekretierte radikale Beschränkung der umlaufenden Geldmenge, die durch die Wirtschaftspolitik der Regierung, durch die ERP-Hilfe und die terms of trade geförderte ständige Aufwärtsentwicklung unserer Binnen- und Außenwirtschaft, sowie der durch ,die Finanzpolitik der Regierung gewährleistete andauernde Ausgleich des Etats wesentlich zur Stabilisierung der Währung beigetragen haben. Aus der Tatsache, daß die Währungspolitik gut und erfolgreich war, kann man aber doch nicht ohne weiteres die Behauptung oder gar den Beweis herleiten, daß die Konstruktion, d. h. die äußere und innere Organisation des Zentralbanksystems ein Optimum darstellte. Zweitens hört man manchmal die Behauptung, das Landeszentralbanksystem entspreche am besten der föderativen Struktur unseres Bundesstaates. Die förderative Struktur unseres Bundesstaates ist bekanntlich durch eine Verteilung der Verwaltungskompetenzen auf Bund und Länder gekennzeichnet. Nach Art. 83 unserer Verfassung gehören die Verwaltungskompetenzen grundsätzlich den Ländern und nur ausnahmsweise dem Bund. Zu diesen wenigen Ausnahmen gehört beispielsweise der Auswärtige Dienst, die Bahn, die Post und auch die Währungsbank. Für die Währungsbank ist das einleuchtend, weil die bundeseinheitliche Währung und die damit zusammenhängenden Probleme ihrer Natur nach über den Wirkungsbereich der Gliedstaaten hinausgehen. Deshalb ist die Organisation der Währungsbank in keinem einzigen föderativen Bundesstaat der Welt, z. B. auch nicht in der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika, Sache der Gliedstaaten, sondern überall Sache des Bundes. Ist es nicht wahrhaft föderalistisch, zu sagen: auch in der Bundesrepublik Deutschland muß man den Ländern geben, was ihnen gebührt, und dem Bunde, was des Bundes ist? Und sollten nicht gerade diejenigen, die mit besonderem und durchaus berechtigtem Eifer über die Kompetenzen der Länder wachen, es vermeiden, die verfassungsmäßigen Kompetenzen des Bundes zu bezweifeln? Natürlich schließt diese klare Anerkennung der Organisationskompetenz des Bundes für die Bundesbank nicht aus, demjenigen Bundesorgan eine weitgehende Mitwirkung einzuräumen, das dazu berufen ist, insbesondere die Interessen der Länder zu vertreten, nämlich den Bundesrat. Das aber gerade ist in dem Entwurf der Bundesregierung geschehen, und es ist deshalb ungerechtfertigt, zu behaupten, dieser Entwurf entspräche nicht der föderativen Struktur unseres Bundesstaates. Schließlich sei nur kurz bemerkt, daß die Bundesregierung sehr sorgfältig geprüft hat, ob ihr Entwurf der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Sie ist davon überzeugt, daß dies zu verneinen ist, und verweist dieserhalb auf die Entwurfsbegründung und die Replik. Die Bundesregierung glaubt aber, daß es zu einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung dieser Verfahrensfrage gar nicht kommen wird. Denn sie hofft nach wie vor, daß im Laufe der Parlamentsberatungen noch allseits erkannt und anerkannt werden wird, daß der vorgelegte Entwurf sowohl den staatspolitischen als auch den wirtschaftspolitischen Interessen aller Beteiligten in abgewogener Weise gerecht wird und daher Zustimmung verdient. Bonn, den 30. November 1956 Dr. Westrick Anlage 6 (Vgl. S. 9717 C) Begründung des Abgeordneten Höcherl (CDU/ CSU) zur ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes und die Landeszentralbanken (Drucksache 2832). Die Bundesregierung hat bereits in der 1. Wahlperiode mit Drucksache Nr. 4020 den Entwurf eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes vorgelegt, der nicht mehr zu Ende beraten (Höcherl) werden konnte. Interessant ist die Begründung zu diesem Entwurf, in der es u. a. heißt: Für die Errichtung der Bundesbank boten sich zwei Möglichkeiten. Die eine bestand in der Beibehaltung des nach 1945 auf Länderebene entstandenen Zentralbanksystems mit rechtlich und organisatorisch selbständigen Landeszentralbanken und der Bank deutscher Länder als Spitzeninstitut. Die andere Möglichkeit bestand darin, ein Zentralnotenbankinstitut mit eigenen Niederlassungen nach dem Vorbild der ehemaligen Reichsbank zu errichten. Der Entwurf hat sich im Grundsatz für die Beibehaltung der Bank deutscher Länder und Landeszentralbanken entschieden, weil sich dieses System seit der Währungsreform bewährt hat. Das ist genau die Auffassung, die die Antragsteller der Drucksache 2832 heute noch vertreten. Pikanterweise findet sich in dem neuen Regierungsentwurf eine vollständig entgegengesetzte Begründung. In langen und sehr eingehenden Darlegungen wird der Nachweis versucht, daß nur ein zentrales Notenbankinstitut nach dem Vorbild der früheren Reichsbank der Währungspolitik gerecht würde. Man kann sich nicht vorstellen, daß in den drei Jahren, die zwischen den beiden Entwürfen liegen, die Verhältnisse sich so gründlich gewandelt hätten, daß der Kurs um 180° gedreht wird. Soviel zahlreichen Unterhaltungen mit maßgebenden Leuten der Landeszentralbanken zu entnehmen war, ist die Situation so, daß eingefleischte Anhänger des „Reichsbanksystems" durch die ausgezeichneten Erfahrungen über die glückliche Zusammenarbeit im Zentralbankrat zu Anhängern des zweistufigen Systems bekehrt wurden. Das zweistufige System hat 1950 eine ernste Bewährungsprobe in der Korea-Krise glücklich bestanden, so daß die Feststellungen in der Begründung zum Regierungsentwurf der 1. Wahlperiode zusätzlichen Beweiswert bekommen. Die Widersprüche aus der Beurteilung über die Erprobung des bisherigen Systems wiederholen sich bei den Schlußfolgerungen zu Art. 88 GG. Der Regierungsentwurf der 1. Legislaturperiode enthält folgende Erläuterung: Aus der Fassung des Art. 88 GG, insbesondere den Worten „als Bundesbank", und aus der Stellung dieser Verfassungsvorschrift zu den Art. 87 bis 89 lassen sich keine entscheidenden Argumente dafür gewinnen, daß die Bundesbank nach dem Vorbild der früheren Reichsbank zu gestalten sei. Die Entstehungsgeschichte dieses Artikels läßt ebenfalls keine zwingenden Schlüsse auf die Organisation der Bundesbank zu. Aus dem Art. 88 ist lediglich zu entnehmen, daß die Währungs- und Notenbank als Einrichtung des Bundes zu organisieren ist. Es bleibt dem Bundesgesetzgeber überlassen, den Aufbau der Bundesbank als einer Bundeseinrichtung nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Der Vorschrift des Art. 88 widerspricht es daher nicht, wenn die Landeszentralbanken in das Bundesbanksystem eingegliedert werden, soweit die Einheitlichkeit des Systems dadurch nicht gefährdet wird. Dieser Voraussetzung hat der Entwurf durch die Bestimmung Rechnung getragen, daß die Bundesbank sich bei Erfüllung ihrer Aufgaben der Landeszentralbanken bedient. Bei allem Verständnis für Fortschritte in der Rechtsauslegung sind doch einige Zweifel am Platze, wenn sich aber innerhalb so kurzer Zeit die tatsächliche und die rechtliche Würdigung so auffallend widersprechen. Es ist auch nicht so, daß mit dem Entwurf Drucksache Nr. 2832 allein die weißblaue Fahne hochgehalten werden soll. Ein kurzer Blick in das Rubrum und in das Verzeichnis der Antragsteller hätte die voreiligen Kritiker sehr rasch davon überzeugen können, daß es sich nicht um eine bayerische Extratour handelt. Schließlich sind Namen wie der meines verehrten Freundes Krammig nicht gerade dafür bekannt, daß sie zur föderalistischen Vorhut zählen, im Gegenteil, ich möchte sie mehr in die föderalistische Nachhut einreihen. Andere Wirtschaftsliteraten haben beanstandet, daß der Entwurf im Organisatorischen haften bleibe. Ein genaues Studium hätte die eifrigen Rezensenten davon überzeugen können, daß auch in der Abgrenzung des Geschäftsbereichs wesentliche materielle Neuerungen vorgesehen sind. So war es uns ein wichtiges Anliegen, die Einlage der Kassenmittel der Länder in das Zentralbanksystem nur dann vorzuschreiben, wenn der Zentralbankrat aus dringenden währungspolitischen Gründen eine solche Anordnung trifft. Die Verwaltung der Kassenmittel ist Ausfluß der Haushaltssouveränität der Länder, in die nicht ohne dringenden Anlaß eingegriffen werden soll. Mit den Kassenmitteln, die z. B. in Bayern bei der Staatsbank deponiert wurden, ist gerade in den schwierigsten Jahren der Aufbauzeit eine große kreditpolitische Befruchtung vor allem revierferner Gebiete erreicht und der Wiederaufbau und der Aufbau der heimatvertriebenen Industrie finanziert worden. Die Länder, vor allem Bayern, können auch in der Zukunft auf diese Quelle nicht verzichten. In § 30 des Entwurfs ist die Mobilisierung der Ausgleichsförderung für Geschäfte am offenen Markt behandelt, die nach dem Regierungsentwurf das quotenmäßige Eintrittsrecht des Bundesfinanzministers ohne Zustimmung des Zentralbankrats vorsieht. Wir sind der Meinung, daß im Interesse einer einheitlichen Währungspolitik dieser Selbsteintritt an das Einvernehmen mit dem Zentralbankrat gebunden werden muß. Das sind nur zwei Beispiele zum materiellen Teil. Den Antragstellern lag besonders am Herzen, die auch im Regierungsentwurf eindeutig formulierte Unabhängigkeit der Bundesnotenbank ganz besonders deutlich zu machen, was in § 3 Abs. 1 in der prägnanten Form geschieht „daß die deutsche Bundesbank bei Durchführung ihrer Aufgaben von der Bundesregierung unabhängig ist". Dieses Prinzip ist der Kern jeder gesunden Währungspolitik. Die Notenbank wird dadurch gewissermaßen zur unabhängigen 3. Gewalt in der Wirtschafts- und Währungspolitik erhoben. Der Entwurf der CSU will auch die leidige Frage des Sitzes der Bundesnotenbank, die eine vorzeitige und unangebrachte Debatte ausgelöst hat, eindeutig dadurch klären, daß Frankfurt zum vorläufigen und Berlin zum endgültigen Sitz ausdrücklich erklärt wird. Der Bundesrat hat gegen den Regierungsentwurf sehr umfangreiche und starke Bedenken erhoben, die soweit gehen, daß die Einwendungen fast den Charakter eines selbständigen Entwurfes annehmen. In diesem Zusammenhang wurden auch unangenehme Zuständigkeitsfragen erörtert, die unter Umständen befürchten lassen, daß es darüber zu einem Verfassungsstreit kommt. Jeder andere Gegenstand erscheint eher geeignet für eine verfas- (Höfler) sungsrechtliche Entscheidung als gerade die Gesetzgebung über die Notenbank, bei der Vertrauen und Beständigkeit die wesentlichsten Lebenselemente darstellen. Ich will mich auf diese kurzen Bemerkungen beschränken und beantrage die Überweisung des Entwurfes an den Ausschuß für Geld und Kredit federführend und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik mitberatend. An und für sich hätte ich es lieber gesehen, daß zur Beschleunigung der Beratung dieses Grundgesetz für die Währungspolitik nur an den Ausschuß für Geld und Kredit verwiesen wird. Man hat in diesem Zusammenhang Gerüchte über personalpolitische Absichten gehört. Immerhin verlangt der Gegenstand der Beratung äußerste Behutsamkeit und die Vermeidung auch des geringsten Anscheins irgendwelcher Nebenabsichten. Nachdem jedoch im Ältestenrat eine Einigung über die Verweisung an die beiden Ausschüsse zustande gekommen ist, schließe ich mich dieser Vereinbarung an in der Hoffnung, daß die Beratungen so zügig vorangetrieben werden, daß das Gesetz noch rechtzeitig in dieser Wahlperiode verabschiedet wird. Bonn, den 30. November Höcherl Namentliche Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 2891) (Vgl. S. 9714 D) Name Abstimmung CDU/CSU Frau Ackermann . beurlaubt Dr. Adenauer. . . - Albers . . Ja Albrecht (Hamburg). Ja Arndgen Ja Baier (Buchen) Nein Barlage Ja Dr. Bartram beurlaubt Bauer (Wasserburg) Ja Bauereisen Bauknecht enthalten Bausch Ja Becker (Pirmasens). Ja Bender beurlaubt Berendsen Ja Dr. Bergmeyer Ja Fürst von Bismarck . . beurlaubt Blank (Dortmund) . . . Ja Frau Dr. Bleyler (Freiburg) beurlaubt Blöcker — Bock Ja von Bodelschwingh . . Ja Dr. Böhm (Frankfurt) . Ja Brand (Remscheid) . .. Ja Frau Brauksiepe . . . Ja Dr. von Brentano . . . - Brese — Frau Dr. Brökelschen . . — Dr. Brönner Ja Brookmann (Kiel). -- Brück Ja Dr. Bucerius Ja Dr. von Buchka . . Ja Dr. Bürkel Ja _ Burgemeister Ja Caspers * Cillien beurlaubt Dr. Conring Ja Dr. Czaja Ja Demmelmeier — Diedrichsen . Ja Frau Dietz beurlaubt Dr. Dittrich beurlaubt Dr. Dollinger beurlaubt Donhauser Ja Dr. Dresbach Ja Dr. Eckhardt — Eckstein — Ehren * Engelbrecht-Greve ... beurlaubt Dr. Dr. h. c. Erhard . . . — Etzenbach . Ja Even -- Name Abstimmung Feldmann . Ja Gräfin Finckenstein Ja Finckh — Dr. Franz beurlaubt Franzen beurlaubt Priese Ja Fuchs beurlaubt Funk Ja Dr. Furler beurlaubt Frau Ganswindt . . . Ja Frau Dr. Gantenberg . Ja Gedat Ja Geiger (München). . Ja Frau Geisendörfer . . . Gengler Ja Gerns. .. D. Dr. Gerstenmaier . beurlaubt Gibbert • Giencke . Ja Dr. Glasmeyer Ja Dr. Gleissner (München) beurlaubt Glüsing Ja Gockeln . — Dr. Götz J a Goldhagen Ja Gontrum -- Günther beurlaubt Haasler - enthalten Häussler Hahn Ja Harnischfeger Ja Heix Ja Dr. Hellwig Ja Dr. Graf Henckel . . . beurlaubt Dr. Hesberg Ja Heye * Hilbert beurlaubt Höcherl Ja Dr. Höck Ja Höfler beurlaubt Holla Ja Hoogen Ja Dr. Horlacher beurlaubt Horn Ja Huth beurlaubt Illerhaus Ja Dr. Jaeger beurlaubt Jahn (Stuttgart) . . . * Frau Dr. Jochmus . . Ja Josten Ja Kahn Ja Kaiser (Bonn) — Frau kaiser (Schwäbisch -Gmünd) . Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. 2. Deutscher Bundestag — 173. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1956 9725 Name Abstimmung Karpf beurlaubt Kemmer (Bamberg) . . Ja Kemper (Trier) . . . * Kiesinger beurlaubt Dr. Kihn (Würzburg) . Ja Kirchhoff Ja Klausner J a Dr. Kleindinst Ja Dr. Kliesing Ja Knapp — Knobloch — Dr. Köhler beurlaubt Koops — Dr. Kopf beurlaubt Kortmann Ja Kraft Ja Kramel Ja Krammig Ja Kroll Ja Frau Dr. Kuchtner . . beurlaubt Kühlthau Ja Kuntscher Ja Kunze (Bethel) Ja Lang (München) . . . Ja Leibing Ja Dr. Leiske * Lenz (Brühl) beurlaubt Dr. Lenz (Godesberg) . . Ja Lenze (Attendorn) . . Ja Leonhard Ja Lermer Ja Leukert Ja Dr. Leverkuehn. . Ja Dr. Lindenberg. . Ja Dr. Lindrath Ja Dr. Löhr Ja Lotze enthalten Dr. h. c. Lübke . . . . — Lücke — Lücker (München) Ja Lulay * Maier (Mannheim) . . enthalten Majonica beurlaubt Dr. Baron Manteuf fel Szoege Ja Massoth beurlaubt Mayer (Birkenfeld) beurlaubt Menke enthalten Mensing Meyer (Oppertshofen) Meyer-Ronnenberg . . Ja Miller Dr. Moerchel Ja Morgenthaler beurlaubt Muckermann Ja Mühlenberg — Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) Ja Müller-Hermann . . . beurlaubt Müser Ja Nellen Ja Neuburger Ja Niederalt Ja Frau Niggemeyer . . . Ja Dr. Dr. Oberländer. . — Dr. Oesterle beurlaubt Oetzel Ja Pelster beurlaubt Name Abstimmung Dr. Pferdmenges . . Ja Frau Pitz Ja Platner .. enthalten Dr. Pohle (Düsseldorf) . beurlaubt Frau Praetorius . .. Ja Frau Dr. Probst . .. * Dr. Dr. h. c. Pünder Ja Raestrup beurlaubt Rasner Ja Frau Dr. Rehling . . . beurlaubt Richarts Ja Frhr. Riederer von Paar Ja Dr. Rinke Ja Frau Rösch Ja Rösing Ja Rümmele — Ruf Ja Sabaß beurlaubt Sabel Ja Samwer Ja Schäffer — Scharnberg Ja Scheppmann beurlaubt Schill (Freiburg) . * Schlick Ja Schmücker beurlaubt Schneider (Hamburg) . * Schrader — Dr. Schröder (Düsseldorf) — Dr.-Ing. E. h. Schuberth Ja Schüttler Ja Schütz Ja Schulze-Pellengahr .. Ja Schwarz Ja Frau Dr. Schwarzhaupt Ja Dr. Seffrin Ja Seidl (Dorfen) Ja Dr. Serres Ja Siebel Ja Dr. Siemer Ja Solke Ja Spies (Brücken) .. Nein Spies (Emmenhausen) . Ja Spörl * Stauch — Frau Dr. Steinbiß .. Ja Stiller Ja Storch — Dr. Storm Ja Strauß — Struve Ja Stücklen Ja Teriete Ja Thies Ja Unertl Ja Varelmann Ja Frau Vietje Ja Dr. Vogel Ja Voß Ja Wacher (Hof) Ja Wacker (Buchen) . . . . * Dr. Wahl Ja Walz Ja Frau Dr. h. c. Weber (Aachen) Ja Dr. Weber (Koblenz) . Ja Wehking Ja *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Dr. Wellhausen . Ja Dr. Welskop Frau Welter (Aachen) Ja Dr. Werber * Wiedeck Ja Wieninger Ja Dr. Willeke Ja Winkelheide * Dr. Winter Ja Wittmann Nein Wolf (Stuttgart) . . Nein Dr. Wuermeling .. — Wullenhaupt Ja SPD Frau Albertz Nein Frau Albrecht (Mittenw.) Nein Altmaier Nein Dr. Arndt Nein Arnholz Nein Dr. Baade — Dr. Bärsch Nein Bals Nein Banse Nein Bauer (Würzburg). . . Nein Baur (Augsburg) . . . Nein Bazille Nein Behrisch beurlaubt Frau Bennemann . . . Nein Bergmann Nein Berlin Nein Bettgenhäuser . Nein Frau Beyer (Frankfurt) beurlaubt Birkelbach beurlaubt Blachstein Nein Dr. Bleiß — Böhm (Düsseldorf) . . Nein Bruse Nein Corterier Nein Dannebom beurlaubt Daum Nein Dr. Deist Nein Dewald — Diekmann Nein Diel Nein Frau Döhring Nein Dnnatka Nein Erler beurlaubt Eschmann beurlaubt Faller Nein Franke — Frehsee — Freidhof — Frenzel * Gefeller beurlaubt Geiger (Aalen) beurlaubt Geritzmann Nein Gleisner (Unna) .. — Dr. Greve Nein Dr. Gülich Nein Hansen (Köln) beurlaubt Hansing (Bremen) Nein Hauffe Nein Heide Nein Heiland Nein Heinrich Nein Hellenbrock — Name Abstimmung Frau Herklotz Nein Hermsdorf Nein Herold beurlaubt Höcker beurlaubt Höhne Nein Hörauf beurlaubt Frau Dr. Hubert . . . Nein Hufnagel Nein Jacobi — Jacobs Nein Jahn (Frankfurt) . .. — Jaksch Nein Kahn-Ackermann . . . — Kalbitzer Nein Frau Keilhack Nein Frau Kettig Nein Keuning Nein Kinat Nein Frau Kipp-Kaule . . . Nein Könen (Düsseldorf). . Nein Koenen (Lippstadt). . Nein Frau Korspeter .. Nein Dr. Kreyssig beurlaubt Kriedemann Nein Kühn (Köln) Nein Kurlbaum Nein Ladebeck beurlaubt Lange (Essen) Nein Leitow — Frau Lockmann . . . Nein Ludwig Nein Maier (Freiburg) .. Nein Marx * Matzner Nein Meitmann Nein Mellies Nein Dr. Menzel Nein Merten Nein Metzger — Frau Meyer (Dortmund) — Meyer (Wanne-Eickel). Nein Frau Meyer-Laule . . Nein MiBmahl Nein Moll Nein Dr. Mommer beurlaubt Müller (Erbendorf) . . . Nein Müller (Worms) . . . Nein Frau Nadig Nein Odenthal beurlaubt Ohlig * 011enhauer beurlaubt Op den Orth — Paul — Peters Nein Pöhler beurlaubt Pohle (Eckernförde). . Nein Dr. Preller Nein Prennel Nein Priebe Nein Pusch Nein Putzig Nein Rasch Nein Dr. Ratzel Nein Regling beurlaubt Rehs * Reitz Nein Reitzner Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Name Abstimmung Frau Renger Nein Richter beurlaubt Ritzel Nein Frau Rudoll Nein Ruhnke — Runge Nein Frau Schanzenbach . Nein Scheuren Nein Dr. Schmid (Frankfurt) . beurlaubt Dr. Schmidt (Gellersen) . Nein Schmidt (Hamburg) . . Nein Schmitt (Vockenhausen) . Nein Dr. Schöne beurlaubt Schoettle Nein Seidel (Fürth) Nein Seither — Seuffert Nein Stierle — Sträter Nein Frau Strobel Nein Stümer Nein Thieme Nein Wagner (Deggenau) . Nein Wagner (Ludwigshafen) beurlaubt Wehner beurlaubt Wehr * Welke Nein Weltner (Rinteln) . . Nein Dr. Dr. Wenzel Nein Wienand * Wittrock Nein 11 Zühlke Nein FDP Dr. Atzenroth beurlaubt Dr. Becker (Hersfeld) . . Nein Dr. Bucher Nein Dr. Czermak Nein Dr. Dehler Nein Dr.-Ing. Drechsel . Nein Eberhard beurlaubt Frau Friese-Korn Nein Frühwald Nein Gaul Nein Dr. von Golitscheck Nein Graaff (Elze) Nein Dr. Hammer Nein Held * Dr. Hoffmann * Frau Hütter . — Frau Dr. Ilk * Dr. Jentzsch — Kühn (Bonn) Nein Lenz (Trossingen) .. . Nein Dr. Dr. h. c. Prinz zu Lö wenstein Nein Margulies — Mauk Nein Dr. Mende Nein Dr. Miessner Nein Onnen beurlaubt Rademacher Nein Scheel beurlaubt Schloß * Schwann Nein Stahl * Name Abstimmung Dr. Stammberger . Nein Dr. Starke beurlaubt Weber (Untersontheim) Nein GB/BHE Elsner * Engell Nein Feller enthalten Frau Finselberger . enthalten Gemein ... enthalten Dr. Gille beurlaubt Dr. Kather Nein Dr. Keller enthalten Dr. Klötzer enthalten Kunz (Schwalbach) . enthalten Kutschera .. enthalten Dr. Mocker * Petersen enthalten Dr. Reichstein beurlaubt Seiboth beurlaubt Dr. Sornik enthalten Srock beurlaubt Dr. Strosche beurlaubt DP Becker (Hamburg). . . Nein Dr. Brühler Nein Eickhoff Nein Dr. Elbrächter Nein Fassbender — Frau Kalinke Ja Matthes Nein Dr. von Merkatz . Ja Müller (Wehdel) ... Nein Dr. Schild (Düsseldorf) . beurlaubt Schneider (Bremerhaven) Nein Dr. Schranz Nein Dr.-Ing. Seebohm . . . — Walter Ja Wittenburg Nein Dr. Zimmermann . . . beurlaubt FVP Dr. Berg . Nein Dr. Blank (Oberhausen) beurlaubt Dr. h. c. Blücher. . — Euler Nein Dr. Graf (München) Nein Gumrum Ja Hepp Nein Körner Ja Lahr Nein von Manteuffel (Neuß) Nein Neumayer Ja Dr. Preiß Nein Dr. Preusker — Dr. Schäfer Nein Dr. Schneider (Lollar) . Nein Fraktionslos Brockmann (Rinkerode) enthalten Stegner Nein *) Für Teile der Sitzung beurlaubt. Zusammenstellung der Abstimmung Abstimmung Abgegebene Stimmen 317 Davon: Ja 152 Nein 149 Stimmenthaltung. 16 Zusammen wie oben 317 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung CDU/CSU Dr. Friedensburg . beurlaubt Grantze beurlaubt Dr. Krone * Lemmer — Frau Dr. Maxsein . * Stingl * SPD Brandt (Berlin). . beurlaubt Frau Heise Nein Klingelhöfer Nein Dr. Königswarter. . Nein Name Abstimmung Mattick . beurlaubt Neubauer beurlaubt Neumann Nein Dr. Schellenberg . Nein Frau Schroeder (Berlin) . Nein Schröter (Wilmersdorf) . Nein Frau Wolff (Berlin) . . Nein FDP Frau Dr. Dr. h. c. Lüders Nein Dr. Reif Nein Dr. Will Nein FVP Dr. Henn — Hübner Nein Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen 12 Davon: Ja — Nein 12 Stimmenthaltung. — Zusammen wie oben 12 1 Für Teile der Sitzung beurlaubt.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217500000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß Ihnen die Tagesordnung der 175. Sitzung in einer nach den Vereinbarungen der gestrigen Sitzung des Ältestenrats geänderten Fassung vorliegt. Weiter darf ich noch bekanntgeben, daß die Sitzung des Haushaltsausschusses sofort nach Abschluß des Tagesordnungspunktes 3 beginnt.
Dann darf ich unserer Kollegin, der Abgeordneten Frau Dr. Rehling, zu ihrem heutigen, ich
möchte sagen, besonderen Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche dieses Hauses und auch meine eigenen aussprechen.

(Beifall.)

Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 28. November 1956 die Kleine Anfrage 294 der Abg. Albrecht (Hamburg) und Genossen betreffend Freigabe weiterer Weineinfuhr (Drucksache 2850) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2927 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 28. November 1956 die Kleine Anfrage 298 der Fraktion der SPD betreffend Kindergeldgesetz (Drucksache 2861) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2933 verteilt.
Meine Damen und Herren, wir haben vorab noch die
Wahl eines Schriftführers
zu vollziehen. Die sozialdemokratische Fraktion teilt mit, daß die Abgeordnete Frau Luise Albertz aus dem Vorstand des Bundestages ausscheidet. Als Nachfolger wird der Abgeordnete Banse benannt. Die Wahl ist nach § 3 unserer Geschäftsordnung zu vollziehen. Es liegt nur ein Wahlvorschlag vor; wir können also durch Handaufheben wählen. Wer mit dem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion, daß an Stelle der Abgeordneten Frau Albertz Herr Abgeordneter Banse in den Vorstand eintritt, einverstanden ist, gebe das Handzeichen. — Einstimmige Annahme.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, FVP, DP betreffend Einberufung des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Artikels 106 des Grundgesetzes (Drucksache 2920).
Ich glaube, der Antrag braucht nicht begründet zu werden. — Das Haus verzichtet.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 2920 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (Drucksachen 2724, 2812);
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Drucksache 2887, Umdrucke 849, 850).

(Erste Beratung: 164. Sitzung; zweite Beratung: 173. Sitzung.)

Wir treten in die allgemeine Aussprache der dritten Beratung ein. Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0217500100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs sind drei Dinge völlig klargestellt worden — ich beziehe mich dabei auch auf die Ausführungen des Berichterstatters in der zweiten Lesung —
1. Das Gesetz bedeutet eine unerhörte Komplizierung des Steuerrechts. Vier bis fünf neue Fragen sind in Millionen von Formularen aufzuneh-


(Dr. Miessner)

men und belasten damit Steuerpflichtige wie die Verwaltung in gleicher Weise.
2. Um jährlich einen Betrag von 200 Millionen DM Hypothekengeldern zu erzielen, wird ein Ausfall von 50 Millionen DM Steuergeldern in Kauf genommen.
3. Diese Steuervergünstigungen von 50 Millionen DM kommen allein Steuerzahlern mit einem Einkommen von über 30 000 DM zugute.
Damit stehen wir wieder einmal vor einem Steuergesetz, das uns weiter vom Wege abbringt. Wir sollten heute in der dritten Lesung schon einmal einen Blick in die Zukunft werfen und daran denken, wie das Gesetz wohl den Bundesrat passieren soll. Leider waren auch schon bei der Verabschiedung der letzten Steuergesetze die Dinge so schlecht wie möglich geregelt. Von verschiedenen Möglichkeiten, die der Bundestag hatte, hat er immer ausgerechnet die schlechtesten Wege gesucht. Erfreulicherweise wurden die Dinge beim letzten Mal durch den Bundesrat, ich möchte sagen, durch die Vernunft des Bundesrates korrigiert.
Zu dem ersten Punkt, der Steuerkomplizierung, möchte ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten das verlesen, was kürzlich der Finanzminister des größten Bundeslandes, Nordrhein-Westfalen, über unsere Steuersituation geäußert hat:
Unsere derzeitige steuerliche Situation ist erschreckend. Der Steuerzahler, dem Wust von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Verwaltungserlassen schon längst nicht mehr gewachsen, ist nicht mehr in der Lage, den Umfang seiner steuerlichen Verpflichtungen und
selbst die zu seinen Gunsten bestehenden steuerlichen Möglichkeiten einigermaßen zutreffend zu beurteilen. ... Die Finanzämter, in gleicher Weise überlastet, vermögen auf der Grundlage der zahlreichen komplizierten Vorschriften, deren gleichzeitige Erfassung menschliches Begriffsvermögen übersteigt, eine einigermaßen gleichmäßige Besteuerung nicht mehr zu gewährleisten.
Dies ist auf folgendes zurückzuführen. Unser Steuerrecht war, wenn wir von den Verzerrungen des Dritten Reiches absehen, bis zum Zusammenbruch im Kern gesund. Die Komplizierung nahm ihren Anfang erst mit der Währungsreform, als es galt, unter der Herrschaft der ungeheuerlichen Steuertarife der Kontrollratsgesetzgebung den Wiederaufbau der darniederliegenden Wirtschaft durchzuführen. ... War somit die Komplizierung des Steuerrechts zunächst unvermeidbar, so setzte jedoch die entscheidende Fehlentwicklung des Steuerrechts in jenen Jahren ein, als es mit der fortschreitenden Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse möglich wurde, zwar die erhöhten Steuertarife zu senken, man es aber versäumte, gleichzeitig die unsystematischen gezielten Maßnahmen abzubauen, und sogar den Fehler beging, außer den bereits bestehenden steuerlichen Vergünstigungen noch weitere unsystematische Regelungen im Interesse verschiedenster wirtschaftspolitischer Zielsetzungen einzuführen.
Meine Damen und Herren, dies ist ein Stimmungsbericht, ich möchte sagen, ein vorausschauender Bericht über die Ansicht maßgebender Vertreter des Bundesrates. Ich kann nur sagen: wir begehen, wenn wir dieses Gesetz heute verabschieden, offensichtlich denselben Fehler, der vom Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Weyer, aufgezeigt wird. Ich darf mein Bedauern darüber aussprechen, daß eine große Zahl derjenigen CDU/ CSU-Mitglieder dieses Hohen Hauses, die erst kürzlich einen Antrag auf Steuervereinfachung eingebracht und unterschrieben haben und die ich in der zweiten Lesung namentlich zitiert habe, entgegen ihrer schriftlich niedergelegten Auffassung diesem Gesetz in der namentlichen Abstimmung in der zweiten Lesung zugestimmt haben. Wie sich das miteinander verträgt, das mögen die Damen und Herren, die so widerspruchsvoll gehandelt haben, selber beurteilen.
Nun zu dem zweiten und dritten Punkt meiner eingangs getroffenen Feststellungen. Um 200 Millionen zu erzielen, wird ein Ausfall von 50 Millionen in Kauf genommen. Ich muß dazu sinngemäß wiederholen, was ich in der zweiten Lesung gesagt habe. Wie sollen wir jemals in der deutschen Steuergesetzgebung zu einer entscheidenden Tarifsenkung für alle kommen, wenn wir uns durch solche Steuergeschenke an einzelne die Möglichkeit dazu immer wieder verbauen! Bei einem radikalen Abbau aller Sondervergünstigungen, die nach 1945 eingeführt wurden und die damals aus der Notlage heraus ihre Berechtigung hatten, könnten wir zum 1. Januar 1957 den Steuertarif, ohne damit das Steueraufkommen insgesamt zu mindern, also ohne irgendwie mit unserem Haushaltsrecht in Konflikt zu kommen, um etwa 20 bis 25 % senken. Durch solche Gesetze aber kommen wir dem Ziel der Steuersenkung für alle nicht näher. Wir, die Fraktion der Freien Demokraten, halten diesem Gesetz den klaren Grundsatz entgegen: Tarifsenkung für alle ist besser als Sondervergünstigungen für einzelne.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)

Wir wollen dem Wohnungsbau gern helfen und würden jedem Vorschlag der Bundesregierung zustimmen, der eine Finanzierung des Wohnungsbaus mit weiteren Mitteln aus dem Bundeshaushalt vorsieht. Es muß aber ein gerechter Weg gefunden werden. Es darf nicht sein, daß einige wenige aus diesem Geld unverhältnismäßig hohe Steuervorteile zu Lasten der Allgemeinheit, also zu Lasten aller übrigen Steuerzahler ziehen. Die FDP muß daher im Interesse der Gesamtheit aller Steuerzahler dieses Gesetz ablehnen.
Ich darf zum Schluß in diesem Zusammenhang aber auch noch einen besonderen Appell an die Offentlichkeit richten. Es ist nicht damit getan, nur immer über die hohen Steuersätze zu schimpfen; man muß sich in der Öffentlichkeit auch überlegen, woher die hohen Steuersätze kamen und warum sie bis heute noch nicht abgebaut worden sind. Und dann muß man auch den Mut haben, einmal Steuergeschenke für bestimmte Sonderzwecke abzulehnen, seien sie auch in noch so schönem Weihnachtskarton verpackt. Bevor wir dazu nicht kommen, meine Damen und Herren, werden wir auch nicht eine entscheidende Steuersenkung erreichen.

(Abg. Lücke: Und wie wollen S i e dem sozialen Wohnungsbau helfen?)

— Durch Mittel aus dem allgemeinen Haushalt, wie ich schon sagte, Herr Kollege Lücke.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217500200
Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Wir treten in die Einzellesung in der dritten Beratung ein, soweit sie notwendig ist. Ich rufe § 1 auf und dazu die Umdrucke 849 und 850. Wer begründet Umdruck 849*)? — Abgeordneter Seuffert!

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0217500300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe unseren Antrag zu begründen, in § 1 Nr. 1 dieses Änderungsgesetzes den Buchstaben d zu streichen, der ja der Kernpunkt des Gesetzes ist. Ich habe in der Generaldebatte nicht Stellung genommen, weil wir, wenn unserem Antrag nicht stattgegeben werden sollte, das Gesetz wegen dieses Kernpunktes zwar ablehnen werden, auf der andern Seite aber durchaus erkennen, daß gewisse Bestimmungen des Gesetzes, z. B. die Ziffer 2 des § 1 und anderes, notwendig sind.
Wenn ich zu Buchstabe d und unserem Änderungsantrag spreche, so bitte ich mir vorweg eine Bemerkung dazu zu gestatten, warum wir zu Buchstabe a — der Neufassung der Ziffer 4 des Abs. 1 des § 10 des Einkommensteuergesetzes — keinen Änderungsantrag gestellt haben. Hier ist eine redaktionelle Neufassung vorgenommen worden. Ich möchte klarstellen, daß die Antragsteller im Ausschuß mit Zustimmung der Ministerien festgestellt haben, daß diese Neufassung es nicht ausschließt, durch Rechtsverordnung Sparverträge, die mit Wohnungsunternehmen, insbesondere mit gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, zum Zwecke der Ansammlung von Wohnungsbaumitteln abgeschlossen ) werden, steuerlich zu begünstigen. Im Ausschuß ist auch die Zusage sowohl des Wohnungsbauministeriums als auch des Finanzministeriums gegeben worden, daß eine entsprechende Rechtsverordnung ergehen wird. — Ich sehe Zustimmung sowohl auf der Regierungsbank als auch bei den Antragstellern. Ich möchte das hiermit festgestellt haben und hoffe, daß die Konsequenzen gezogen werden.
Nun, meine Damen und Herren, zu unserem Änderungsantrag zu Buchstabe d. Was hier vorgesehen ist — darüber gibt es gar keinen Zweifel, auch nicht bei den Antragstellern —, ist eine Steuerbegünstigung, von der nur die Bezieher von relativ recht hohen Einkommen — 50 000 DM oder, wenn sie mit kleinen Vorteilen noch rechnen wollen, vielleicht 30 000 DM im Jahre — Gebrauch machen können; das ist unbestritten. Ebenso unbestritten ist, daß etwas Derartiges ungerecht und unsozial ist. Es ist ferner — Sie haben das vom Herrn Wohnungsbauminister selbst gehört — unbestritten, daß, wenn ungefähr 200 Millionen DM hier aufkommen sollten, das den Steuerfiskus 50 Millionen DM zugunsten der eben genannten Personen kosten werde. Da das eine ziemlich kleine Gruppe ist und da sie zahlenmäßig ungefähr bekannt ist — es können nicht mehr als etwa 50 000 Steuerpflichtige sein —, kann man sich ziemlich genau ausrechnen, was im Schnitt auf den Kopf dieser Steuerpflichtigen an Begünstigung gewährt wird: es wird etwas mehr als 1000 DM pro Kopf ausmachen. Ob in diesem oder im nächsten Jahre aus dieser Manipulation 200 Millionen DM aufkommen können, ist recht fraglich. Der Herr Wohnungsbauminister bezweifelt es; ich bezweifle es noch mehr. Dabei muß aber einmal gefragt werden, ob der Gedanke über-
*) Siehe Anlage 2. haupt erträglich ist — das Haus ist sehr unruhig, Herr Präsident —,

(Glocke des Präsidenten)

daß in einem Augenblick, wo bei den breiten Massen unter dem Eindruck der Preisentwicklung und vor allem unter dem Eindruck der vollständigen Untätigkeit der Regierung gegenüber dieser Preisentwicklung die Spartätigkeit sehr fühlbar nachläßt, eine so kleine Gruppe von Steuerpflichtigen und Einkommensbeziehern über das, was sie an und für sich spart und was sie an und für sich an Kapital anreichert, hinaus eine Summe dieser Größenordnung, wenn man ihr entsprechende Steuerbegünstigungen anbietet, noch zusätzlich sparen kann.

(Abg. Dr. Keller: Weihnachtsgeld!) Das ist die eine Seite der Dinge.

Es wird gesagt: das ist eine notwendige Hilfsmaßnahme für den Wohnungsbau, und es wird gesagt: für den sozialen Wohnungsbau. Nun, wie ist die Situation beim Wohnungsbau? Wir haben sie ebenfalls mit dürren Worten vom Herrn Wohnungsbauminister gehört. Beim Wohnungsbau fehlen rund 1,2 Milliarden DM in der ersten Hypothek. Das macht das rund Dreifache an Wohnungsbauvolumen des nächsten Jahres aus, was im Augenblick nicht zu finanzieren ist, was nicht zu planen ist, was ungesichert ist, und das ist mehr als ein Drittel des gesamten Wohnungsbauprogramms. Das ist die Situation, mit der man mit dieser Lückenbüßerei fertig werden will.
Daß dem so ist, Herr Wohnungsbauminister, liegt allerdings nicht daran, daß in diesem Hause über Rentenreform gesprochen wird. Das ist nicht der Grund, auf gar keinen Fall der einzige Grund. Wenn der Kapitalmarkt, wenn der Pfandbriefmarkt in Ordnung wäre, Herr Wohnungsbauminister, so könnten die Sozialversicherungsträger, ganz gleich, welche Ausgaben sie im nächsten Jahre haben, ihr Geld inzwischen leicht und gerne, ebenso wie sie es sonst getan haben, in Pfandbriefen anlegen, statt daß sie es in der Größenordnung von 600 bis 800 Millionen DM auf Termin bei den Banken liegen haben, weil sie dort wenigstens eine Kursgarantie haben. Das liegt also nicht an dem Gespräch über die Rentenreform, sondern die Situation ist durch einen vollständigen Verfall des Kapitalmarktes, wie wir ihn, was die Rentenpapiere anlangt, festzustellen haben, entstanden, dieses Kapitalmarktes, den man wenigstens im Augenblick den 8% igen Industrieobligationen ohne Widerstand überlassen hat, und natürlich insbesondere durch einen vollständigen Verfall des Pfandbriefmarktes. Diese Situation ist das Ergebnis davon, daß man von der Regierung und von der Mehrheit aus jahrelang trotz aller Warnungen der Opposition versucht hat, den Kapitalmarkt einseitig durch Steuerbegünstigungen aufzupäppeln, insbesondere durch Steuerbegünstigungen für sehr hohe Privateinkommen, statt den alten Satz zu befolgen, daß man einen gesunden Kapitalmarkt nur durch Pflege der Massenkaufkraft und der Massensparkraft erhalten kann, daß die Investition auf der einen Seite und die Massenkaufkraft und die Massensparkraft auf der andern Seite im Gleichgewicht sein müssen und daß man eine entschlossene Zinspolitik führen muß, wenn man sich um den Kapitalmarkt kümmern will. So ist es gekommen, daß in einem bestimmten Augenblick fast von allen Seiten der Kapitalmarkt und der Pfand-


(Seuffert)

briefmarkt bedrängt und schließlich ruiniert worden sind.
In einem Augenblick ist der Druck des Selbstfinanzierungssystems aus den übermäßigen degressiven Abschreibungen heraus, aus der verfehlten Steuerpolitik heraus auf das Zinsniveau nach oben zum Tragen gekommen; der Auslauf von Steuervergünstigungen hat sich ebenso ausgewirkt, und in diesem gleichen Augenblick ist infolge der Maßnahmen der BdL eine temporäre Geldverknappung und eine entsprechende Erhöhung der Geldmarktzinsen eingetreten. Dazu kamen die Preisentwicklung und die vom Rüstungsetat ausgehenden inflatorischen Tendenzen. Das hat den Kapitalmarkt ruiniert. In diesem Augenblick nämlich hat die an sich richtige, an sich heilsame Politik der Zentralbank in keiner Weise die notwendigen Ergänzungen und Gegenwirkungen seitens der Regierung gefunden. Sie hat sich dadurch höchst einseitig ausgewirkt, und nunmehr allerdings, fürchte ich, hat auch die Politik der Zentralbank — indem sie in überspitzter Weise jede Rücksicht auf den Wertpapiermarkt vermissen ließ — zusammen mit der andauernden Preisentwicklung und infolge des Fehlens jeder Gegenwirkung als Folge des Kursverfalles am Rentenmarkt zusätzliche Geldströme von der Sparanlage weg zum Konsum gedrängt und infolgedessen entgegen ihren eigenen Absichten weitere Verflüssigungstendenzen am Geldmarkt hervorgerufen.
Der Pfandbriefabsatz stockt. Er ist praktisch zum Erliegen gekommen. Die Pfandbriefe sind in Millionenbeträgen zu den Pfandbriefbanken zurückgeflossen.
Das ist die Situation, vor der wir heute stehen: das Ergebnis — ich wiederhole es — einer langwierigen fehlerhaften Politik und nicht das Ergebnis eines Gespräches über die Rentenreform.

(Beifall bei der SPD.)

Denn der Urgrund dieser Dinge ist doch die jahrelang festgehaltene These, über deren Zynismus man sich offenbar gar nicht klarwerden will, die These: wenn man etwas für den Kapitalmarkt tun will, so kommen ja nur die reichen Leute mit den hohen Einkommen in Frage, die irgend etwas für ihn tun können, die etwas sparen können, und diesen muß man durch Steuerbegünstigungen das Geld herauslocken.
Der Zynismus und die Falschheit dieser These, auf der unsere ganze Kapitalmarktpolitik seit Jahren beruht, ist der Grund der Kalamität, in der wir stecken. Um es noch einmal zu sagen: es wird nicht eingesehen, daß ein gesunder Kapitalmarkt nur — wie in allen anderen Ländern — auf einer ausgedehnten Massensparkraft und Massenkaufkraft beruhen kann.
Das ist das Problem, vor dem wir heute stehen. Ein Drittel des Wohnungsbauprogramms hängt in der Luft. Und was tut man für diese 1,2 Milliarden, die allein in der ersten Hypothek fehlen? 200 Millionen DM sind aus Beträgen, die man hier und da im Bundeshaushalt vorgefunden hat — siehe da, „vorgefunden hat"! —, aus Beträgen, die bis 1959 noch nicht ausgegeben zu werden brauchen, vorfinanziert worden. Ich glaube, es ließen sich bei richtiger Durchsicht noch einige Beträge mehr im Haushalt „vorfinden",

(Sehr richtig! bei der SPD)

die man einstweilen nicht ausgeben muß — ganz
abgesehen davon, in welchem Lichte Behauptungen,
die uns noch vor wenigen Monaten vorgehalten worden sind, erscheinen, daß der Bundeshaushalt defizitär und ungedeckt sei.
200 Millionen werden also aus dem Bundeshaushalt zusammengekratzt. Dann könnten vielleicht 200 Millionen auf Grund dieses Gesetzes unter großen Kosten für den Steuerzahler aufkommen. Wahrscheinlich werden sie nicht aufkommen. Diese außerdem aufkommenden 200 Millionen sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes — so, wie man jetzt die Möglichkeiten ausgebaut hat — vielleicht 140 Millionen, nämlich allenfalls 70 % im Schnitt für den Wohnungsbau. Und für welchen Wohnungsbau, meine Damen und Herren? Hier greife ich auf unseren Eventualantrag vor. Was Sie hier zunächst hineingeschrieben haben, betrifft ja nicht denjenigen sozialen Wohnungsbau, der uns in erster Linie am Herzen liegt, nämlich den sozialen Wohnungsbau für die wirklich Minderbemittelten. Das, was in Ihrer Fassung steht, schließt eine Menge Wohnungsbauvorhaben ein, die auf recht frei finanzierte Art und Weise zustande kommen und die für die Minderbemittelten, für diejenigen, die es brauchen, noch nicht von Bedeutung sind. Und deswegen wird in unserem Eventualantrag, um das hier zu begründen, — —

(Abg. Lücke: Steht auch nicht in dem Antrag!)

— Aber ja doch!

(Abg. Lücke: Für Minderbemittelte steht auch nicht in Ihrem Antrag!)

— Es steht in unserem Antrag, Herr Kollege Lücke, daß als sozialer Wohnungsbau hier nur diejenigen Vorhaben in Frage kommen können, für die nach § 6 öffentliche Mittel eingesetzt werden können. Das ist etwas weniger und etwas enger gefaßt als das, was in § 1 allgemein als sozialer Wohnungsbau bezeichnet wird.

(Abg. Lücke: Das ist richtig!)

Nach diesem Eventualantrag ist nicht verlangt, daß öffentliche Mittel wirklich eingesetzt sind. Projekte, die sich in diesem Rahmen halten, aber aus Unternehmensmitteln oder auf andere Weise ohne Inanspruchnahme von öffentlichen Mitteln finanziert sind, sollten in gleicher Weise begünstigt sein. Aber dieser Rahmen sollte festgelegt sein. Ich hoffe, Sie werden einsehen, daß das wenigstens geschehen müßte.
Sie haben jetzt in dieser Fassung die Möglichkeit vorgesehen, auch über Sparguthaben die Steuerbegünstigung zu erlangen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nichts gegen die Organisation unserer Sparkassen, nichts gegen ihre Tätigkeit, die so vielfach mit unserem ganzen Kommunalleben verknüpft ist. Aber eine unsoziale Steuerbegünstigung wird nicht sozialer dadurch, daß man sie über Sparguthaben erreichen kann; sie wird bloß — und das ist vollständig klar — wirkungsloser für ihren Zweck, nämlich für den sozialen Wohnungsbau.
Jetzt haben Sie auch noch eine Begünstigung für gewisse landwirtschaftliche Pfandbriefe eingesetzt. Das Problem der landwirtschaftlichen Umschuldung kann man auch nicht so nebenbei mit so einem kleinen Brocken abspeisen. Machen Sie das bloß, weil Sie im Augenblick eine 7,5% ige Anleihe der Rentenbank unterbringen wollen? Mit einer solchen Brockenverteilung — Brockensammlung ist das ja gar nicht mehr — kann man doch derartige Probleme nicht abspeisen.


(Seuffert)

Gestatten Sie mir die Frage: zu welchen Formulierungen wollen Sie denn sonst noch kommen, um sich für diese Steuerbegünstigung eine Mehrheit, ich möchte fast sagen: zusammenzukaufen ohne Rücksicht auf den vorgegebenen Zweck der ganzen Angelegenheit? Denn mit allen diesen Ausdehnungen, die Sie gemacht haben, können ja nicht einmal die 140 Millionen, die ich vorhin genannt habe, annähernd in den Wohnungsbau kommen, der doch die große Flagge für diese ganze Manipulation abgeben soll.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Auf dieses Problem des Wohnungsbaues möchte ich aber noch einmal nachdrücklich hingewiesen haben; das ist sogar ein zentrales Problem.
Gestern hat der Herr Wohnungsbauminister mit Emphase auf unsere großen Leistungen im Wohnungsbau hingewiesen und betont, daß wir mehr als andere Länder geleistet haben. Aber wir haben auch sehr viel mehr Bedarf und sehr viel mehr Ausfall vorher gehabt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Die einfache Tatsache ist doch die, daß wir zwar sehr viel gebaut haben, vielleicht auch mehr als andere Länder, daß wir aber noch lange nicht so viel gebaut haben, wie wir brauchen.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Ja, natürlich!)

Das aber, was bisher geplant worden ist, hängt zu einem Drittel im Augenblick in der Luft. D a s ist das Problem des Wohnungsbaues und des sozialen Wohnungsbaues. Das ist wirklich ein Problem, das man nicht so in einer „Gürzenich-Akustik" behandeln kann,

(Heiterkeit)

wo immer bloß das gehört und das gesagt wird, was gerade zu hören und zu sagen bequem ist. Das ist kein Problem, das man so mit der Politik der Ministererklärungen hin und her behandeln kann, wo dann schließlich und endlich die Einheit des Kabinetts sich immer nur auf dem Punkt herstellt, wo Minister gegen Minister sich null zu null aufhebt.

(Heiterkeit.)

Das ist ein Problem, das ernsthaft angefaßt werden muß, das in der ganzen Größe besteht, wie es der Herr Wohnungsbauminister hier selbst dargelegt hat, und das nicht nur zum Vorspann einer kleinen Steuerbegünstigung gemacht und in dieser Weise bagatellisiert werden kann.
In der zweiten Lesung dieses Gesetzes ist mehrfach die Frage nach unseren positiven Vorschlägen gestellt worden. Ich werde Ihnen kurz zwei Gründe sagen, warum wir in dieser Debatte über den Ablehnungsantrag, den wir Ihnen hier vorlegen, keine Änderungsvorschläge machen können: erstens deswegen, weil hier das Thema die erste Hypothek ist und weil im Wohnungsbau außerhalb des Bereichs der ersten Hypothek, wie mein Freund Jacobi in der zweiten Lesung bereits dargelegt hat, noch einiges zu besprechen und noch einiges besser zu machen ist, und zweitens, weil es auf diesem Wege der Steuerbegünstigung und der Steuergesetze unserer Ansicht nach überhaupt nicht geht.

(Abg. Jacobi: Sehr richtig!)

Wir müssen uns deshalb hier auf den Streichungsantrag beschränken. Wir werden Ihnen aber mit
entsprechenden Anträgen Gelegenheit geben, hier
in der nächsten Zeit eine ganz ausführliche Wohnungsbaudebatte zu führen, und zwar mit konkreten Anträgen, die dem Problem. wie es besteht, auch tatsächlich gerecht werden.
Das Problem ist, daß eine Stabilisierung des Wohnungsbaues eine Stabilisierung des entsprechenden Kapitalmarktes voraussetzt und daß dem Wohnungsbau nicht mit Steuerbegünstigungen, sondern nur durch angemessenen Einsatz von Haushaltsmitteln geholfen werden kann. Im Haushalt sind mehr als die zeitweilig vorfinanzierten 200 Millionen DM für diesen Wohnungsbau zu finden, wenn man mit richtiger Zielsetzung und mit richtiger Terminsetzung vorgeht. Wenn ein privater Beitrag für den Wohnungsbau und für den Kapitalmarkt noch gewünscht wird — und er ist erwünscht —, so können wir dem Herrn Finanzminister eine ganze Reihe von Steuersenkungen empfehlen, die aus der Masse heraus die Kapitalbildung fundieren können, statt der sozial einseitigen Maßnahmen, die getroffen worden sind.
Bei dieser Vorlage handelt es sich um eine unsoziale Steuersenkung unter der falschen Flagge des Wohnungsbaues. Der Wohnungsbau wird hier in zweierlei Weise mißbraucht. Erstens wird er als Vorspann für eine steuerlich schlechte und für den Wohnungsbau wirkungslose Maßnahme benutzt, und zweitens geschieht dem Wohnungsbau Unrecht, wenn sein Problem in dieser Weise verniedlicht und bagatellisiert werden soll. Das darf nicht sein. So kann ihm nicht geholfen werden. Die hier vorgesehene Größenordnung ist dem außerordentlich ernsten Problem, das hier vorliegt, nicht adäquat. Dem Wohnungsbau muß anders geholfen werden; dies hier ist ein Ablenkungsmanöver, das zu der wirklichen Krise in gar keinem Verhältnis steht. Deswegen unser Streichungsantrag, und deswegen würden wir das Gesetz, wenn Sie unserm Antrag nicht folgen würden, ablehnen müssen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217500400
Herr Abgeordneter Dr. Lindrath zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 850*).

Dr. Hermann Lindrath (CDU):
Rede ID: ID0217500500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert hat soeben ausgeführt, er habe Zweifel daran, daß das Aufkommen aus diesem Gesetz so erschöpfend sein werde, wie es erwartet werde. Wir haben wiederholt erklärt, daß wir noch in diesem Jahr etwa 200 Millionen DM aus diesem Gesetz erwarten. Er war der Meinung, die Spartätigkeit könne nicht so groß sein, daß aus diesem Gesetz so viel Mittel aufkämen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Monatsbericht der Bank deutscher Länder vom Oktober hinweisen. Darin hat die Bank deutscher Länder — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zwei Sätze daraus vorlesen — folgendes festgestellt:
Auf der anderen Seite ist der starke Termineinlagenzugang der letzten Monate jedoch insofern positiv zu bewerten, als er anzeigt, daß die volkswirtschaftliche Ersparnis in Wirklichkeit weit größer ist, als man auf Grund der Ziffern des Wertpapierabsatzes, auf Grund des Absatzes von Pfandbriefen und Kommunalobligationen und auf Grund der Entwicklung der Spareinlagen annehmen müßte. Den gleichen Eindruck vermittelt übrigens auch die Kapital-
*) Siehe Anlage 3.


(Dr. Lindrath)

bildung, die sich nicht über den Bankenapparat
vollzieht und deshalb von der Bankenstatistik
gar nicht oder nur unvollkommen erfaßt wird.
Gerade die Ausgabe anderer Obligationen, die einen entsprechenden Anreiz haben, hat gezeigt, daß der Kapitalmarkt keineswegs so unergiebig ist, wie immer behauptet wird. Wir sind daher der Auffassung, daß, wenn wir hier mit diesem Gesetz einen Anreiz geben, auch die Mittel fließen werden.
Dieses Gesetz ist keineswegs ein „steuerlicher Vorspann", wie gesagt worden ist, für den Wohnungsbau,

(Abg. Seuffert: Umgekehrt ist es!)

sondern es ist umgekehrt: wir wollen den sozialen Wohnungsbau fördern und müssen ihm mehr Anreize geben.
Der Hinweis auf den Haushalt, Herr Kollege Seuffert, geht insoweit fehl, als der Haushalt doch nur Mittel geben kann, wenn er die Gewähr dafür hat, daß er sie zu der Zeit auch zurückerhält, wo sie benötigt werden, weil sie im Haushalt eingeplant sind. Dem sozialen Wohnungsbau sind aus dem Haushalt bereits Mittel zugeflossen.

(Abg. Seuffert: Zuwenig!)

Sie haben es ja selbst gesagt, Herr Seuffert. Nur insoweit kann der Wohnungsbauminister die Gewähr dafür geben, daß die Beträge in der erforderlichen Zeit zurückfließen werden.
Deshalb müßte nach anderen Wegen gesucht werden. Wir haben den Kritikern immer wieder die Frage gestellt, wie sie sich denn die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus vorstellen. Von allen Seiten hat man die Bedeutung des Wohnungsbaues anerkannt. Ich habe mich darüber gefreut, daß auch Sie, Herr Kollege Seuffert, die Bedeutung des Wohnungsbaues unterstrichen haben. Dann müssen wir natürlich auch Mittel und Wege suchen, ihn wirklich durchzuführen, und dürfen ihn nicht bewußt in eine Krise hineinführen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir haben den Mut, etwas zu tun, was vielleicht nicht in jeder Beziehung schön ist. Auch wir wissen durchaus um die Schwierigkeiten dieses Gesetzes. Aber wir haben den Willen, dem Wohnungsbau voranzuhelfen.

(Abg. Jacobi: Wir auch!)

Deswegen wollen wir dieses Gesetz durchführen, und deswegen nehmen wir auch Schwächen in Kauf.
Wir machen darauf aufmerksam, daß es sich in diesem Fall um etwas Vorübergehendes handelt, um ein Gesetz, das nur noch vier Monate Gültigkeit hat.

(Abg. Dr. Miessner: Dadurch wird es nicht besser!)

-- Gewiß wird es dadurch nicht besser. Aber es ist immer noch besser als Ihre Anregung, Herr Kollege Miessner, für den sozialen Wohnungsbau gar nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Miessner: Aus dem allgemeinen Haushalt!)

— Sie haben nicht hingehört; ich habe dazu soeben etwas gesagt.
Da dieses Gesetz mit einer gewissen Verspätung kommt, müssen wir, um die Steuerersparnis noch für das Jahr 1956 als Anreiz gewähren zu können, die Möglichkeit geben, daß alle Zahlungen bis zum 31. Januar 1957 steuerrechtlich gesehen als Zahlungen für 1956 gelten und daß demzufolge die bis zum Ende Januar 1957 geleisteten Zahlungen noch im Jahre 1956 steuerlich abgezogen werden können; die Zahlungen im Februar und März des Jahres 1957 gelten für 1957. Das ist ein Provisorium. Wir werden uns bemühen, dieses Provisorium, auch im Sinne der Förderung der allgemeinen Spartätigkeit, schon in Kürze in eine endgültige Regelung überzuführen.
Ich bitte Sie daher, unserem Änderungsantrag auf Umdruck 850 zuzustimmen und den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 849 sowohl zu Ziffer 1 als auch zu Ziffer 2 abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217500600
Das Wort hat der Herr Wohnungsbauminister Dr. Preusker.

Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0217500700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe von allen Sprechern der Opposition immer wieder gehört, wie sehr ihnen daran liege, alles für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus zu tun.

(Abg. Jacobi: Des sozialen Wohnungsbaus!)

Aber zugleich habe ich das Nein zu der einen Maßnahme gehört, die im Augenblick geeignet ist, die Lücken in der erststelligen Finanzierung des Jahres 1957 zu schließen, die ja nicht erst im nächsten Jahr irgendwann mit zu geeigneter Zeit eingebrachten Vorlagen geschlossen werden können, sondern die jetzt geschlossen werden müssen, damit wir im Jahre 1957 zu entsprechender Bautätigkeit kommen können. Leider habe ich dazu immer nur das Nein gehört.
Ich glaube, alles, was hier an steuersystematischen Überlegungen vorgebracht worden ist, hätte durchaus seine Berechtigung, wenn es in diesem Falle wirklich um eine gesetzgeberische Maßnahme ginge, die auf lange Zeit berechnet wäre. Dann könnte man wahrscheinlich überlegen, warum man in den Jahren bis Ende 1954 eine sogar noch viel weiter gehende steuerliche Begünstigung für das Sparen — nämlich 15 und 30 % relative Obergrenze unbegrenzt — eingeräumt hat und warum man es jetzt nicht mehr tun will. Aber hier handelt es sich doch — und deswegen, Herr Kollege Miessner, sind all diese Überlegungen, ob dadurch eine allgemeine Tarifsenkung irgendwie verhindert oder verzögert werden könnte, völlig müßig — um eine ausschließlich auf das Jahresende 1956 und den Jahresbeginn 1957 abgestellte spezielle Hilfsmaßnahme für den Wohnungsbau.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Zum zweiten — das möchte ich auch einmal sagen —: Wenn man schon erklärt, wir haben noch nicht genügend Wohnungen gebaut — und das ist ja das, was uns veranlaßt, hier diese Überlegungen einer besonderen steuerlichen Begünstigung für das Sparen in erststelligen Hypotheken zum Wohnungsbau 1957 anzustellen —: wir wissen, wie viel Not noch bei unendlich vielen Familien des-


(Bundeswohnungsbauminister Dr. Preusker)

wegen vorhanden ist, weil sie noch keine Wohnung haben. Bei dieser Sachlage ist doch wohl die Berechtigung dafür gegeben, auch einmal außergewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn es im Augenblick keine anderen Mittel mehr gibt. Und niemand hat ja bisher andere Mittel vorgeschlagen. Die Wohnungsnot rechtfertigt bestimmt außerordentliche Überlegungen und außerordentliche Mittel, zumal wenn man davon überzeugt sein kann, daß es sich auch im ganzen um eine einmalige Angelegenheit handeln wird.
Zum dritten: Denken Sie doch auch daran, daß nicht gebaute Wohnungen nicht nur die Beseitigung der Wohnungsnot hinausschieben, sondern daß unter den Bauarbeitern, unter den Gewerbebetrieben des Bauhandwerks eine ganz erhebliche Arbeitslosigkeit hervorgerufen würde, die nicht notwendig ist, weil wir durchaus die Mittel bereitstellen können, um dieser Situation ein Ende zu bereiten.

(Abg. Jacobi: Das ist doch einfach nicht wahr!)

Ich darf einmal einen Mann zitieren, der der Opposition bestimmt näher steht als der Bundesregierung, nämlich den Herrn Dr. Brecht vom Gesamtverband der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen. Er hat in seinem letzten Heft einen dringenden Appell an den Bundestag gerichtet, zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus etwas Außergewöhnliches zu tun. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich einige Sätze daraus wörtlich zitieren. Er schreibt:
Es wäre sehr einfach, aber politisch und auch volkswirtschaftlich unreal, die notwendigen Hilfsmaßnahmen nur darin zu sehen, daß mehr öffentliche Mittel für den sozialen Wohnungsbau gefordert werden.
Er schreibt weiter:
Es wird wieder eine relative Begrenzung des Einkommens von 10 bzw. 15 % erforderlich sein, wenn die Vorschrift des § 10 nennenswert zur Anreizung des Sparwillens, zur Eindämmung des Verbrauchs und damit zur Anreicherung des Kapitalmarkts beitragen soll.
Er schreibt schließlich — ich will nur noch diesen einen Satz zitieren —:
Es mag manchem Steuersystematiker unsympathisch sein, gerade wieder diese Grenze zu lockern. Aber die Not der Wohnungsbaufinanzierung und die unmittelbare Gefahr, daß der soziale Wohnungsbau rapid und gewaltig absinkt, ist härter und verlangt gebieterisch auch Maßnahmen, die vielleicht der Steuertheorie und Steuersystematik nicht 100% ig entsprechen.

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Ich wollte Ihnen nur einmal diesen Appell des Herrn Dr. Brecht in die Erinnerung zurückrufen. Herr Dr. Brecht hätte das sicher nicht geschrieben, wenn er nicht davon überzeugt wäre, daß es notwendig ist.
Die öffentlichen Haushalte für das Jahr 1957 sind wirklich schon ausgeschöpft worden, soweit es nur irgendwie möglich gewesen ist.

(Abg. Jacobi: Das meinen Sie!)

— Ja, das meine ich, und ich meine es auch mit gutem Gewissen.

(Abg. Lücke: Sehr gut!) Denn —ich darf es noch einmal kurz vorlesen— 200 Millionen, das bedeutet eine allgemeine Erhöhung der Mittel für die nachstellige Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus von 500 auf 700 Millionen. 40 Millionen macht die Erhöhung der Prämienmittel von 60 auf 100 Millionen aus. Dazu kommen rund 10 Millionen aus der Erhöhung und Zusammenkratzung aller Rückflüsse, also eine Viertelmilliarde. Dann sind für den Bergarbeiterwohnungsbau in den letzten Tagen noch einmal 50 Millionen aus Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt worden. Obendrein sind im Haushaltsplan 1957 in der Summe 30 Millionen für die Ersetzung von Baracken und noch einmal 50 Millionen für den Sowjetzonenflüchtlingswohnungsbau, also zusammen 80 Millionen, enthalten. In der Anmerkung ist eine Bindungsvorzusage mit einer Vorfinanzierungszusage — „ab 1. April 1958 Bedienung in vollem Umfange" — des Finanzministers in Höhe von weiteren 150 Millionen für den Sowjetzonenflüchtlingswohnungsbau enthalten. Schließlich sind die von Herrn Seuffert schon erwähnten 200 Millionen in Vorfinanzierungsaktionen für erststellige Hypotheken im sozialen Wohnungsbau, und zwar ausschließlich für Minderbemittelte, im Rahmen der Kassenmöglichkeiten des Bundes mobilisiert worden. Das ist zusammen aus reinen Haushaltsmöglichkeiten — ich rede jetzt nur vom Haushalt — immerhin ein Betrag von rund 750 Millionen DM, einer Dreiviertelmilliarde, der zusätzlich auf der Bundesebene mobilisiert worden ist. Das ist völlig unbestreitbar.

Wir müssen dann noch die Differenz zwischen den 0,7 Milliarden und den 1,2 Milliarden mit Steuermitteln zu schließen versuchen. Darum geht es, nicht um den Gesamtbetrag; denn darüber, daß man den damit nicht hätte decken können, sind wir uns wohl alle im klaren. Aber das können wir zu einem erheblichen Maße schaffen. Es ist ja auch nicht nur die Rede von den 200 Millionen DM gewesen, sondern der Finanzminister hat, wie Sie wissen, uns immer wieder berichtet, daß er sogar zweimal 200 Millionen DM erwartet. Ich persönlich bin leider pessimistischer; ich habe nur 300 Millionen DM angenommen. Aber auch 300 Millionen DM sind eine ganz entscheidende Hilfe, um hier eine Situation abzuwenden, die gar nicht einzutreten braucht. Die Situation ist in diesem Umfange durch die Unklarheiten über das Aussehen der Rentenreform entstanden, durch die bei der bisherigen Finanzierung durch die Rentenversicherungsträger möglicherweise steigende Ausfälle zu erwarten sind,

(Abg. Frau Kalinke: Sehr richtig!)

die dann, wenn die Rentenreform sich klar übersehen läßt, eventuell in anderer Form gedeckt werden müssen. Die Bundesregierung hat jedenfalls stets und zuletzt auch im Konjunkturprogramm vom Juni ihrem Willen Ausdruck gegeben, daß sie das, was sie den Rentnern nun an in Milliarden gehenden Beträgen mehr gibt, auf der anderen Seite durch zusätzliche Sparanreize von denen hereinzuholen gedenkt — vom kleinen Mann bis zum großen Mann —, die es können.
Herr Kollege Seuffert, Sie haben von dem völligen Verfall des Kapitalmarktes und von der falsch angelegten steuerlichen Begünstigung gesprochen. Ich darf dem Hohen Hause einmal darlegen, was der Kapitalmarkt in den vergangenen Jahren für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt hat. 1951 waren es erst 1,223 Milliarden DM, 1952 bereits 1,97


(Bundeswohnungsbauminister Dr. Preusker)

Milliarden DM, 1953 3,199 Milliarden DM, 1954 4,97 Milliarden DM, 1955 5,67 Milliarden DM, und wenn wir dieses Gesetz hier beschließen, werden es auch 1956 wenigstens über 5 Milliarden DM sein, also immer noch das Fünffache dessen, was im Jahre 1951 zur Verfügung gestellt werden konnte. Vielleicht hören Sie sich dazu auch noch einmal die Zahlen an, was die steuerliche Begünstigung des kleinen Sparers dazu geleistet hat. Ich nehme nur einmal das Aufkommen durch Gewährung von Sparprämien des Wohnungsbausparprämiengesetzes. Das betrug 1951 323 Millionen DM, 1955 aber bereits 1,6 Milliarden DM, und in den ersten neun Monaten ist es nicht etwa abgesunken, sondern im Gegenteil sogar noch um 20 % höher gewesen als im vergangenen Jahr und hat bereits 1,385 Milliarden DM betragen; das sind also nur noch 2 Millionen DM weniger als das Gesamtaufkommen des vergangenen Jahres. Wenn man sich das überlegt, dann erkennt man doch wohl, wo die Hauptquelle der Finanzierung für die wachsenden Wohnungsbauleistungen gelegen hat: gerade bei der günstigen Entwicklung der Spartätigkeit, bei den steuerlichen Anreizen gerade auch für den kleinen Mann, die hier gegeben worden sind. Wir brauchen deshalb auf diese Entwicklung im ganzen nicht etwa mit Beschämung zurückzublicken, sondern wir können voll Stolz darauf zurückblicken.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eine Bemerkung machen. Sie haben — das nehme ich Ihnen nicht übel, denn das ist schließlich das Recht der Oppositionsparteien, die nein zu den Wehrvorlagen gesagt haben — auf den Rüstungsetat und seine Einflüsse hingewiesen. Aber daß bis zu dem Termin, um den es sich jetzt handelt, der Rüstungsetat den Wohnungsbau nicht im mindesten beeinträchtigt hat, das mag das deutsche Volk, das mögen Sie auch aus der Tatsache entnehmen, daß bis vor 14 Tagen — das sind die letzten Zahlen, die uns zur Verfügung stehen — ganze 200 Millionen daraus verausgabt worden sind. Sie hätten uns tatsächlich nicht helfen können; denn ich habe von dem Herrn Verteidigungsminister für reine Wohnungszwecke schon wesentlich mehr an Mitteln für den Wohnungsbau bekommen, als er bisher zum Schutz unseres Vaterlandes überhaupt hat ausgeben können.

(Abg. Jacobi: Das sind die Gelder, die liegengeblieben sind!)

— Sie wissen, daß wir wirklich das Äußerste an Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Ich erinnere mich noch genau, wie gestern ein Sprecher der Opposition sogar Kritik daran geübt hat, daß 2,2 Milliarden DM aus den Kassenresten der Vergangenheit für andere Zwecke mitverwandt worden sind.

(Abg. Dr. Gülich: Weil sie für dauernde Ausgaben verwendet werden sollen, denen keine dauernden Einnahmen gegenüberstehen!)

Nun darf ich zu Ihrem anderen Antrag kommen, Herr Kollege Seuffert. Auf Umdruck 849 Ziffer 2 beantragen Sie, anzufügen:
soweit für ihn öffentliche Mittel nach § 6 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes zur Förderung eingesetzt werden können.
Ich bitte doch, von diesem Antrag abzusehen. Ich verstehe, was Sie damit beabsichtigen, aber Sie schaffen auf alle Fälle noch größere Unklarheiten, die Sie selber sicher gar nicht wollen. In § 6 heißt es nämlich ausdrücklich:
Nicht als öffentliche Mittel im Sinne dieses Gesetzes gelten insbesondere
a) die nach dem Lastenausgleich als Eingliederungsdarlehen bestimmten Mittel . . .
Das heißt, daß in diesem Fall alle Vertriebenen außerhalb der Förderungsmöglichkeiten bleiben,

(Abg. Jacobi: Die bekommen sowieso nichts davon!)

soweit sie ihre Wohnungsbauten nur mit Aufbaudarlehen finanzieren wollen. Dann folgen in § 6 die als Prämien an Wohnbausparer gewährten Mittel — wiederum die kleinen Leute —, dann die nach § 7c gewährten Mittel. Das würde einen wesentlichen Teil gerade des Bergarbeiterwohnungsbaus und andere Wirtschaftszweige betreffen, die unter Umständen ohne öffentliche Mittel finanzieren, bloß weil hier steht: „ . . .öffentliche Mittel nach § 6 ... eingesetzt werden können". In § 6 sind leider alle diese Dinge, Aufbaudarlehen, 7-c-Mittel usw. ausdrücklich als nichtöffentliche Mittel bezeichnet.
Um Zweifelsfälle gar nicht erst auftreten zu lassen, halte ich es für dringend geboten, dem Antrag der Opposition nicht zuzustimmen. Ich möchte im Gegenteil die Opposition bitten, ihn selbst zurückzuziehen; denn das, was Sie hier vielleicht sagen wollten, ist nicht gerechtfertigt und würde wahrscheinlich auch gegen Ihre eigenen Intentionen ausschlagen.
Ich darf aus den neuesten Berichten der Länder gerade auch den Herren der Opposition einiges zur Kenntnis geben, wo denn bis jetzt Mangel an ersten Hypotheken in Erscheinung getreten ist. Die Länder haben übereinstimmend berichtet, daß bei der Finanzierung von Eigenheimen bis jetzt keine bzw. nur geringe Schwierigkeiten bei der Beschaffung von ersten Hypotheken bestehen, daß aber der Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge und insbesondere in den Zonenrandgebieten schon erhebliche Schwierigkeiten bereitet, zumal die Sozialversicherungsträger kaum mehr Darlehenszusagen geben, ja nicht einmal früher befristete Zulagen verlängert werden. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich das noch einmal überlegen und wenn Sie sich noch einmal vor Augen führen, daß es sich hier um eine einmalige Maßnahme handelt, die nur über dieses Jahresende den Wohnungsbau, und zwar ausschließlich den sozialen Wohnungsbau für 1957, sicherstellen soll, dann sollte man doch gegenüber dem, worum es hier geht, nämlich Beseitigung der Wohnungsnot, Beschäftigung von Bauarbeitern und Arbeit für die Betriebe der baugewerblichen Wirtschaft, die Bedenken, die ich unter dem Gesichtspunkt der Steuersystematik durchaus verstehe, zurückstellen. Not, die hier tatsächlich besteht und durchaus überbrückt werden kann, rechtfertigt — und das ist ja auch die Überzeugung der Wohnungswirtschaft durchweg, das habe ich Ihnen vorhin vorgelesen — auch einmal diese besondere Maßnahme. Den Ertrag wird das deutsche Volk wesentlich mehr schätzen als das Beharren auf systematischen Bedenken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217500800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0217500900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß der Bundeswohnungsbau-


(Dr. Miessner)

minister die Ausführungen gemacht hat, die wir soeben gehört haben, das wollen wir ihm vielleicht gar nicht so sehr verübeln.

(Lachen in der Mitte.)

Ich bin durchaus bereit, Herrn Dr. Preusker für seine Ausführungen mildernde Umstände zuzubilligen.

(Große Unruhe und Lachen bei den Regierungsparteien. — Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Herr Miessner, durch Sie besonders wirksam! — Weitere Zurufe. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

— Meine Damen und Herren, das ist ganz sachlich und nüchtern gemeint. Es ist nur zu gut verständlich, daß der Wohnungsbauminister sich aus seinem Ressortinteresse hier hinstellt und eine schlechte Sache zu verteidigen sucht.

(Erneute Zurufe von der Mitte.)

Es ist nun einmal so: Herr Dr. Preusker fühlt sich für sein Ressort verantwortlich, und da stellt er eben sein Ressortinteresse über die Fragen der Allgemeinheit,

(lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien — Pfui-Rufe in der Mitte)

über die Frage des allgemeinen Steuerdrucks

(Abg. Lücke: Ist für Sie der Wohnungsbau keine Sache der Allgemeinheit?)

und über den Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit und der gleichmäßigen steuerlichen Behandlung aller Staatsbürger. Das sei ihm hier sehr großzügig verziehen.

(Erneuter Widerspruch und Lachen bei den Regierungsparteien. — Anhaltende Unruhe. — Abg. Lücke: Eine Zwischenfrage!)

— Nein. Aber nun zu Herrn Lindrath!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217501000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0217501100
Nein!

(Lachen und Zurufe von der Mitte.)

Meine Damen und Herren, es hat ja keinen Zweck,
die Dinge hier auf das falsche Gleis zu schieben.

(Zustimmung bei der SPD.)

Es handelt sich um ein Gesetz zur Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts. Ich möchte mich nun mit den Ausführungen des Steuerexperten der CDU, Herrn Lindrath, befassen.

(Abg. Lücke: Sie fürchten also jede Frage, Herr Miessner!)

Herr Lindrath, Sie haben zunächst einmal meine Weissagung voll erfüllt. Ich hatte nämlich gesagt: an jedem Tag, an dem wir dieses Gesetz behandeln, kommt aus den Reihen der Antragsteller ein neuer Änderungsantrag. Das ist auch heute wieder geschehen, und wenn wir das Gesetz heute nicht verabschiedeten, würde Ihnen beim nächsten Mal wieder einfallen, daß das Gesetz noch immer nicht in Ordnung ist und daß Sie wiederum noch eine Änderung bringen müssen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Heute bringen Sie nun die Änderung, daß auch Beträge, die nach Jahresschluß noch geleistet werden, kraft einer Fiktion noch für das vorangegangene Jahr gelten sollen. Also steuerlich gesehen so: Dazu, daß der Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit aufs schwerste verletzt wird, wollen Sie nun auch weiter, daß hier allgemeine steuerliche Bestimmungen einfach über den Haufen geworfen werden, nur damit die Gelder, die jetzt zu Weihnachten irgendwie vereinnahmt werden, bei den Betreffenden auch noch für das Jahr 1956 zum Abzug gebracht werden können. Meine Damen und Herren, das ist eine solche Respektlosigkeit vor den primitivsten Grundsätzen des Steuerrechts,

(Zustimmung bei der SPD)

daß man dafür überhaupt keine Worte mehr finden kann.

(Beifall bei der FDP und bei der SPD. — Abg. Dr. Dresbach: Sehr richtig!)

— Meine Damen und Herren, das Wort „Sehr richtig!" stammte aus der Mitte des Saales, das möchte ich sagen; es stammte weder von der linken noch von der rechten Seite der Opposition dieses Hauses. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie scheuen sich aber auch nicht im geringsten, jedes Prinzip kurzerhand über den Haufen zu werfen, um diese Sache durchzuboxen.

(Abg. Lücke: Wir wollen dem sozialen Wohnungsbau helfen, Herr Miessner! Reden Sie dazu!)

Herr Lindrath hat versucht, seine Kollegen aus der eigenen Fraktion, von denen er weiß, daß sicherlich eine große Zahl — ich will es hoffen — seine Auffassung nicht teilt, und das Hohe Haus dadurch zu locken, daß er sagte: Na ja, es ist ein schlechtes Gesetz, das wissen wir ja selbst, aber es soll ja auch nur für kurze Zeit gelten. Es muß nun jeder mit sich selber abmachen, ob er sich dadurch zur Annahme eines schlechten Gesetzes bewegen läßt, daß ihm gesagt wird: Na ja, es soll ja nur für kurze Zeit gelten!
Ich kann nur wiederholen: diejenigen, die dieses Gesetz annehmen — ich nehme den Wohnungsbauminister wegen seines Ressortinteresses aus —, geben damit zu erkennen, daß sie keinerlei Bedenken haben, jegliche Grundsätze des Steuerrechts, insbesondere den obersten Grundsatz der steuerlich gleichmäßigen Behandlung aller Steuerzahler, in leichtfertiger Weise über Bord zu werfen.

(Beifall bei der FDP und der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217501200
Das Wort hat der Abgeordnete Königswarter. — Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, der Herr Staatssekretär des Finanzministeriums hatte sich noch gemeldet. Herr Staatssekretär Hartmann!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217501300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Darlegungen des Herrn Abgeordneten Miessner darf ich folgendes fesstellen: Herr Abgeordneter Miessner hat erklärt, daß der Herr Wohnungsbauminister hier nur seine Ressortinteressen sehe und verteidige. Ich möchte dazu feststellen, daß dieser Gesetzentwurf in seinen Grundzügen vom Bundeskabinett gebilligt worden ist, und er wäre als Regierungsvorlage eingebracht worden, wenn man nicht die Zeit hätte sparen


(Staatssekretär Hartmann)

wollen. Ein Teil der Zeit ist allerdings inzwischen verlorengegangen.

(Abg. Seuffert: In welcher Form? In der heute vorliegenden Form?)

— Die Form, in der das Kabinett den Entwurf beraten hat, Herr Abgeordneter Seuffert, ging noch weiter; sie enthielt nämlich gleitende Beträge vom Einkommen, und das ist dasselbe, was Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard schon im Sommer im Rahmen des Konjunkturprogramms namens der Bundesregierung hier bekanntgegeben hatte.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Dieser Entwurf hier ist also eingeschränkter als das, was das Bundeskabinett Anfang September gebilligt hatte.
Ich durfte schon bei der letzten Beratung ausführen, daß wir die Finanzminister der Länder befragt haben, ob sie Bedenken gegen diesen Gesetzentwurf erheben würden. Sie konnten natürlich das Plenum des Bundesrates nicht festlegen. Auch sie hatten die bekannten systematischen Bedenken. Aber sie haben ausdrücklich erklärt, und zwar einstimmig, daß sie im Hinblick auf die Zielsetzung dieses Entwurfs bereit seien, die Bedenken unter zwei Voraussetzungen zurückzustellen: erstens zeitliche Begrenzung, zweitens Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217501400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Königswarter.

(Zurufe von der SPD: Wird er noch einmal weggeschickt?)

— Nein, ich bitte um Verzeihung, daß mir dieser Lapsus passiert ist. Es war nicht meine Absicht, jedenfalls keine diskriminierende Absicht.

Dr. Wilhelm Königswarter (SPD):
Rede ID: ID0217501500
Meine Damen und Herren, ich glaube nur, daß man nach der Geschäftsordnung auch zum Wort kommen müßte, nachdem man einmal aufgerufen ist. Die Regierungsbank hatte sich erst gemeldet, während ich meine vielleicht zu große Masse hier langsam zum Rednerpult bewegte.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217501600
Ich darf mich berichtigen, Herr Abgeordneter. Der Herr Staatssekretär hatte sich lange vor Ihnen gemeldet.

(Zurufe von der SPD: Herr Dr. Königswarter ist aber aufgerufen worden!)

— Ich habe es ja auch zugegeben, meine Damen und Herren. Ich habe mich dafür entschuldigt.

(Erneute Zurufe von der SPD.)


Dr. Wilhelm Königswarter (SPD):
Rede ID: ID0217501700
Meine Damen und Herren! Ich darf nun zur Sache sprechen. Ich muß dem Kollegen Miessner, dem ich sonst in allen Punkten recht geben muß, in einem Punkte widersprechen. Er hat gesagt, dieses Gesetz gelte nur für ca. 50 000 Menschen. Ich habe bereits in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß der Kreis der Personen, für den dieses Gesetz Begünstigungen gibt, noch wesentlich kleiner ist. Denn wer kann — ich wiederhole, was ich schon früher gesagt habe — 12 000 DM im Jahre 1956 sparen, wenn er erst am 1. Dezember von dieser Sparmöglichkeit erfährt?

(Abg. Dr. Hellwig B i s zu 12 000 DM sparen!)

— Ja, bis zu 12 000 DM.

(Abg. Dr. Hellwig: Das heißt, er kann auch kleinere Beträge sparen!)

— Sicherlich; aber ich sage Ihnen, daß es nur ein ganz geringer Bruchteil ist und daß Sie mit Ihren Vorausberechnungen, damit 200 Millionen DM für den Wohnungsbau zu erhalten, meines Erachtens auf sehr falschem Pfade sind oder aber dieses nur vorwenden, wie ich in der zweiten Lesung ausgeführt habe, um dieses Steuergeschenk an gewisse Kreise machen zu können. Ich habe auch die Gründe dafür angedeutet, und darauf tönten mir die nicht ganz menschlichen Laute entgegen.
Ich möchte aber auf eins hinweisen. Sie rechnen mit einem Steuerausfall — ich nehme jetzt beide Jahre zusammen — von 100 Millionen DM und glauben, damit 400 Millionen DM bekommen zu können. Meine Damen und Herren, versuchen Sie bitte einmal, mir in der Rechnung zu folgen; Sie werden dann sehen, daß Sie mit einer, sagen wir mal, Zinsbegünstigung von Pfandbriefen von 3 %, einem Zuschuß in irgendeiner Form mit dem hier eingesetzten Steuerausfall gedeckt, eine Milliarde auf drei Jahre decken könnten.

(Zuruf rechts: Und die nächsten Jahre?)

— Und wo bleiben die nächsten Jahre, verehrter Herr Zwischenrufer — ich habe nicht gesehen, wer es gewesen ist —, wo bleiben die nächsten Jahre bei diesem Sparen? Glauben Sie nicht, daß Ihnen die Sparbeträge nach drei Jahren prompt wieder abgezogen werden? Und glauben Sie, daß in drei Jahren der Kapitalmarkt in Ordnung ist? Dann sind Sie sehr optimistisch. Ich glaube es nicht, nachdem ich gesehen habe, mit welchen Mitteln wir versucht haben, ihn zu stützen, und welche Wirkungen das gehabt hat. Ich sage also nochmals: Sie verschwenden das Geld, mit dem Sie sich eine Milliarde beschaffen könnten, um ein Steuergeschenk an einen ganz beschränkten Kreis von Personen mit gewissen Zielen zu machen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217501800
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0217501900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bedenken zunächst, die der Herr Wohnungsbauminister gegen unseren Eventualantrag vorgebracht hat, sind mir nicht recht verständlich. In § 6 des Wohnungsbaugesetzes steht, in welchen Fällen — es ist ein bestimmter, begrenzter Rahmen — öffentliche Mittel eingesetzt werden können. Es steht außerdem darin, welche Mittel nicht als öffentliche Mittel in diesem Sinne gelten, d. h. welche Mittel, die aus gewissen Fonds usw. stammen, auch in anderen Fällen angesetzt werden können. Das besagt doch nichts dagegen, daß auch in solchen Fällen, in denen außerdem ein Lastenausgleichsdarlehen oder sonstwas eingesetzt wird, falls der Rahmen gegeben ist, auch öffentliche Mittel eingesetzt werden können, d. h. daß in diesem bestimmten Rahmen ein Vorhaben von der Begünstigung betroffen würde, ganz gleichgültig, ob es vom Lastenausgleich, aus Unternehmensmitteln oder durch öffentliche Mittel gefördert wird.


(Seuffert)

Ich verstehe deswegen den Einwand nicht und bitte deshalb nochmals, unserem Eventualantrag Folge geben zu wollen, wenn es Ihnen wirklich auf denjenigen sozialen Wohnungsbau ankommt, bei dem die Schwierigkeiten bestehen; denn, nebenbei bemerkt, hat ja der Herr Wohnungsbauminister soeben vorgetragen, daß z. B. beim Eigenheimbau die Schwierigkeiten bei der ersten Hypothek gar nicht so bestehen.

(Abg. Lücke: Diese Statistik der Länder stimmt nicht!)

— Das hat er aber vorgetragen.
Was den Antrag der Koalitionsparteien anlangt, den Herr Kollege Lindrath hier begründet hat, so ist vollständig klar, daß er eine weitere Komplikation, die im übrigen in ihrer Bedeutung durch den Herrn Kollegen Miessner schon vollkommen treffend gekennzeichnet worden ist, bedeutet, eine weitere, sehr erhebliche und ganz außergewöhnliche Komplikation, eine Verlängerung des Fragebogens um ein paar Fragen usw. usf., und das nur zu dem Zwecke, damit diejenigen Leute, die sich das Geld nicht schnell genug im Dezember pumpen können oder die sich die Zinsen dafür sparen wollen, es im Januar noch mit Wirkung für 1956 und für ihre Vorauszahlungen machen können.

(Abg. Lücke: Weil die SPD der dritten Lesung widersprochen hat und dadurch die Verzögerung eintritt! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— „Die SPD der dritten Lesung widersprochen hat"?

(Abg. Lücke: Dadurch ist Zeitverlust eingetreten!)

— Zeitverlust ist eingetreten z. B. durch eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten bei Ihnen. Ich will auf einiges, was hier in der Zwischenzeit gesagt worden ist, nur kurz eingehen, z. B. auf die interessanten Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Hartmann, aus denen hervorgeht, welche Pläne die Bundesregierung selbst hatte und wie es sich herausgestellt hat, daß sie für diese Pläne jedenfalls nicht einmal in diesem Hause annähernd eine Mehrheit bekommen kann. Derartige Untersuchungen und Feststellungen z. B., Herr Kollege Lücke, machen Zeitverlust aus.

(Abg. Neuburger: Wir sind eben auf die Souveränität des Hauses bedacht!)

Ich will nicht weiter auf die von Herrn Kollegen Lindrath zitierten Ausführungen der BdL in ihrem Oktober -Bericht eingehen, aus denen hervorgeht, daß diejenigen Leute, die ihr Geld auf Termin bei der Bank zu legen pflegen — und wir wissen, daß das nicht gerade der kleine Sparer in der breiten Masse ist —, zur Zeit noch etwas mehr Geld haben, als auf der Pfandbriefseite fehlt. Das tut wenig zur Sache. Ich möchte mich aber einmal ganz grundsätzlich dagegen wenden, daß diejenigen Bedenken, die von der Steuerseite her gegen derartige Manipulationen vorgebracht werden, immer mit dem Stempel „steuersystematische Bedenken" bedacht werden. Das sind keine steuersystematischen Bedenken, das sind einfach Bedenken der Gerechtigkeit und der Rücksichtnahme auf die notwendigsten sozialen Dinge.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)

Es hat doch keinen Sinn — um auch das kurz zu sagen, Herr Wohnungsbauminister Preusker —, die Summen des Kapitalmarkts in den letzten Jahren zusammenzurechnen; denn Sie wissen doch genau wie jedermann sonst, daß diese Beträge in der großen Masse von Kapitalsammelstellen aufgebracht worden sind, für die Steuerbegünstigungen vollständig unerheblich sind. Sie wissen doch ganz genau, daß die Beträge der Kapitalmarktzufuhr von Leuten, für die die Steuerbegünstigungen, mit denen Sie immer gearbeitet haben, von Bedeutung sind, wenige Prozente des Gesamtvolumens ausmachen. Es hat infolgedessen doch wirklich keinen Sinn, dem Hause einfach Zahlen vorzutragen, in denen die Beträge der Sozialversicherungsträger und der anderen Kapitalsammelstellen mit Spezialbesteuerung eine außerordentliche Rolle spielen.
Ferner, Herr Bundeswohnungsbauminister, hat es keinen Sinn, alle möglichen Leistungen aus öffentlichen Haushalten für alle möglichen Zwecke hier zusammenzurechnen. Wir haben Ihnen bereits gesagt — und Sie wissen es —, daß es im sozialen Wohnungsbau außerhalb der ersten Hypothek an allen Ecken und Enden fehlt. In der ersten Hypothek allein fehlen 1,2 Milliarden DM. Außerdem fehlt noch eine ganze Menge. Für die ersten Hypotheken allein tun Sie fast nichts, da bleibt das große Loch. Uns nun noch alle möglichen Summen, die für andere Zwecke gegeben werden und die auch nicht zureichen, aufzuzählen, hat doch keinen Sinn, Herr Bundeswohnungsbauminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217502000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0217502100
Herr Kollege Seuffert, ist Ihnen nicht bekannt, daß erhebliche Mittel, die der Bundesfinanzminister zur Verfügung gestellt hat, in den Ländern deshalb festgefroren sind, weil es an ersten Hypotheken fehlt, 'daß also die Schwierigkeiten bei den ersten Hypotheken und nicht bei den nachrangigen Mitteln liegen?

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0217502200
Aber lieber Herr Kollege, ist Ihnen nicht verständlich, daß wir darüber die ganze Zeit reden?

(Beifall bei der SPD und FDP.)

Ist Ihnen denn nicht verständlich, Herr Kollege — um zuerst diese Frage zu beantworten —, daß wir darüber reden, daß 1,2 Milliarden DM bei der ersten Hypothek fehlen, daß infolgedessen Projekte im Umfang von 3 bis 4 Milliarden DM einschließlich der allenfalls dafür zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel für die nachstellige Finanzierung brachliegen? Darüber reden wir doch.

(Abg. Lücke: Wenn Sie das Gesetz annehmen, geht es nur noch um 500 Millionen DM, Herr Seuffert! Es geht doch um 500 Millionen DM und nicht um 1,2 Milliarden DM, wenn Sie das Gesetz annehmen!)

Noch eine Frage?

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0217502300
Herr Kollege Seuffert, ist es Ihnen entgangen, daß Sie vorher betont haben, daß es sich nicht nur um erste Hypotheken, sondern auch um öffentliche Mittel handelt?

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0217502400
Herr Kollege, nicht n u r um erste Hypotheken, aber um erste Hypotheken im Umfang von 1,2 Milliarden, derentwegen allein


(Seuffert)

3 bis 4 Milliarden Gesamtwohnungsbauvolumen brachliegen. Außerdem fehlt au c h noch eine ganze Menge. Das ist der einfache Tatbestand. Ich glaube, das ist verständlich.
Meine Damen und Herren, mein Kollege Königswarter — um jetzt noch einmal auf Ihre Zahl zurückzukommen, Herr Kollege Lücke — hat Sie bereits darauf hingewiesen, daß Sie nach Ihren Angaben 50 Millionen DM aus dem Steuerfiskus ausgeben, um vielleicht einen Effekt von 200 Millionen DM zu bekommen. Dabei bedeutet aber dieses Volumen von 200 Millionen vielleicht 70 oder etwas mehr Prozent für den Wohnungsbau, ja, angesichts Ihrer 7,5% igen Rentenbankanleihen vielleicht gar nichts; denn wer wird dann etwas anderes nehmen als 7,5% ige Rentenbankanleihen? Ein großer Teil dieses Volumens von 200 Millionen DM wird außerdem ja darin bestehen, daß jemand Pfandbriefe alten Typs verkauft, um sich steuerbegünstigte Pfandbriefe neuen Typs zu kaufen. Ich bezweifle sehr, daß Sie mit diesen 50 Millionen überhaupt etwas Nennenswertes für den Wohnungsbau machen können.
Aber wenn Sie sie schon ausgeben wollen, ohne die Nebenzwecke von sonstigen Steuerbegünstigungen zu verfolgen, wieviel könnten Sie denn — rechnen Sie doch einmal nur auf zwei oder drei Jahre — z. B. mit Zinssubventionen in dieser Höhe für den Wohnungsbau sichern? Denn alles das, was Sie hier hereinholen, kommt Ihnen doch nach drei Jahren wieder vor den Schalter!

(Beifall bei der SPD.)

Das sind doch alles kurzfristige Finanzierungen.

(Abg. Lücke: Sie haben doch keinen Kapitalmarkt!)

— Sie haben doch mit Ihren ständigen Steuerbegünstigungen erreicht, daß Sie die angeblich untergebrachten Pfandbriefe heute zu Hunderten von Millionen wieder bei den Hypothekenbanken liegen haben!

(Abg. Lücke: Aber Zinssubventionen setzen doch Kapitalmarkt voraus!)

— Und Kapitalmarkt setzt auf diesem Gebiet Zinssubventionen voraus; denn wenn man 8% ige Obligationen, Herr Kollege Lücke, von den Leuten, die es zahlen können, auf den Kapitalmarkt losläßt, dann muß man eben auch den Wohnungsbau in die Lage versetzen, entweder diese Zinsen zu zahlen oder auf anderem Wege direkt aus den Haushaltsmitteln sein Geld zu bekommen.
Abschließend, meine Damen und Herren: Wenn hier von der Bedeutung des Wohnungsbaus gesprochen worden ist, so sind wir eben der Ansicht, daß dieses Steuergesetz der Bedeutung des Wohnungsbaus und seiner Probleme in keiner Weise gerecht wird. Wenn wir bereit sind, alles für den sozialen Wohnungsbau zu tun, so sind wir deswegen noch lange nicht bereit, alles mitzumachen, was unter der Flagge des sozialen Wohnungsbaus propagiert wird und ihm nichts hilft.

(Beifall bei der SPD und FDP. — Abg. Lücke: Dann müssen Sie aber andere Vorschläge machen!)

— Sie fragen nach unseren Vorschlägen. Ich habe Ihnen vorhin schon einmal gesagt, daß im Rahmen einer Steuerdebatte und eines Steuergesetzes diese Probleme unserer Ansicht nach überhaupt nicht diskutiert werden können, weil Steuerbegünstigungen hier nicht das richtige Mittel sind. Wir werden Ihnen Gelegenheit geben, eine wirkliche Wohnungsbaudebatte in nächster Zeit abzuhalten. Auf der andern Seite, meine Damen und Herren, vermisse ich immer wieder von der Regierung die Antwort auf die Frage, wie sie ihre Kapitalmarktpolitik in den letzten Jahren rechtfertigen will und welche andere sie einschlagen will. Ich vermisse immer wieder die Antwort auf die Frage, ob sie nun wirklich ausreichende Haushaltsmittel für den Wohnungsbau einsetzen will oder nicht. Das ist es, was wir wissen wollen.

(Beifall bei der SPD und FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217502500
Das Wort hat der Bundeswohnungsbauminister.

Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0217502600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, nur einige kurze Antworten. Die Bundesregierung hat ihre Einsätze an Haushaltsmitteln für den sozialen Wohnungsbau von Jahr zu Jahr vergrößert. Sie hat inzwischen einen Betrag von fast 2 1/2 Milliarden einschließlich der Mittel des Lastenausgleichs oder 1 1/2 Milliarden ohne diese Mittel für diese Zwecke zur Verfügung gestellt, — und wir haben einmal mit ganzen 500 Millionen vor einigen Jahren angefangen.

(Zuruf des Abg. Jacobi.)

Die äußerste Grenze wird hier jeweils ausgeschöpft.

(Zuruf von der SPD: Das mußten Sie ja!)

Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, daß eine vorübergehende Beschränkung der Möglichkeiten am Kapitalmarkt dazu führen sollte, einen 8% igen Zinsfuß gewissermaßen noch dadurch als Dauerzinsfuß zu unterstützen und zu fördern, daß ausgerechnet der soziale Wohnungsbau auf dieser Grundlage finanziert werden soll,

(Zurufe von der SPD)

sondern die Bundesregierung ist umgekehrt der Meinung, daß auch hier eine vorübergehende Entwicklung nur mit vorübergehenden Mitteln aufgefangen werden sollte. Darüber hinaus ist allgemein bekannt, daß Zinssubventionen auf eine lange Zeit von Jahren ein Vielfaches der Kapitalsubventionen erfordern.
Dann noch ein Letztes. Sie sprachen immer wieder davon, daß bestenfalls 70 % statt 90 % für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung kämen. Herr Kollege Seuffert, es ist wiederholt gesagt worden, hier sei eine so hohe Einkommensgrenze zugrunde gelegt worden, daß nur ganz wenige davon Gebrauch machen könnten, und das würden in der Regel nicht die Sparkassenkunden sein. Wenn dieses Argument zutrifft, dann sind mindestens 90 % der aufkommenden Beträge, nämlich bei Versicherungen und in der Anlage als Pfandbriefe, für den sozialen Wohnungsbau verfügbar. Sie können doch nicht jeweils einmal so und einmal so argumentieren und dann aus dem ganzen Kuchen jeweils aus den negativen Argumenten einen einzigen Brei zusammenrühren wollen.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0217502700
Herr Kollege Preusker, ganz gleich, wieviel Geld Sie anzulegen haben: würden Sie nicht zu Ihrer Sparkasse statt zu Ihrer Bank gehen, wenn Sie die Wahl haben, und den Betrag, den Sie steuerbegünstigt anlegen wollen, auf Spar-


(Seuffert)

guthaben legen, wo Sie wenigstens eine Kursgarantie haben, und es den Banken überlassen, Pfandbriefe mit den unsicheren Kursen zu kaufen?

Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0217502800
Ich glaube, Herr Kollege Seuffert, daß darüber doch letzten Endes die individuellen Anlagewünsche entscheiden werden. Ich bin überzeugt davon, daß vielleicht ein sehr erheblicher Teil Ihren Überlegungen folgt, daß aber wahrscheinlich ein größerer Teil in die Pfandbriefe geht, weil es in der Bundesrepublik Gott sei Dank noch eine Fülle von Optimisten gibt, die davon überzeugt sind, daß dieses Gesetz — wenn es von diesem Hohen Hause akzeptiert wird —, mag es steuersystematisch auch nicht exakt sein, so doch wohnungspolitisch berechtigt ist. Durch dieses Gesetz bleibt weiterhin eine volle Beschäftigung der deutschen Wirtschaft gesichert, und das ist auch die beste Grundlage, um auf die Dauer Kapitalmarkt, Kurse und Zinsfuß wieder in Ordnung zu bringen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217502900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst ab über den Antrag auf Umdruck 849 Ziffer 1*). Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme dann zu dem Eventualantrag auf Umdruck 849 Ziffer 2. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 85**). Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Wer nun in der dritten Lesung dem § 1 in der so abgeänderten Form zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.
Damit wäre ich, da weitere Änderungsanträge nicht vorliegen, mit der Einzelberatung in der dritten Lesung zu Ende.
Bevor ich zur Schlußabstimmung komme, erteile ich dem Abgeordneten Wellhausen das Wort zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0217503000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir Ende 1954 dem Wiederaufleben der Begünstigungen in feierlicher Form, wenn ich so sagen darf, abgeschworen haben, und nachdem wir es weiter erlebt haben, daß verschiedene Versuche auch von mir gemacht worden sind, dieses Gesetz zu entkomplizieren, es aber statt dessen immer komplizierter geworden ist,

(Sehr wahr! bei der SPD)

fühle ich mich verpflichtet, mir hier das Recht zu sichern, auch nach dieser Abstimmung in einen Spiegel schauen zu können. Ich werde deswegen nicht den bequemen Weg des Herausgehens aus
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3. diesem Hohen Hause wählen, sondern gegen das Gesetz stimmen.

(Beifall bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217503100
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen möchte, erhebe sich bitte vom Platz. — Gegenprobe bitte? — Ich darf die Abstimmung wiederholen. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich vom Platz erheben. — Gegenprobe bitte! — Meine Damen und Herren, der Vorstand ist sich nicht einig. Wir müssen auszählen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.

(Wiedereintritt und Zählung.)

Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 194 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 164. Enthalten haben sich 6 Abgeordnete. Damit ist das Gesetz in dritter Lesung mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 unserer heutigen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (Drucksache 2136);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (21. Ausschuß) (Drucksache 2891, Umdruck 847).
Berichterstatter: Abgeordneter Lenz (Brühl) (Erste Beratung: 138. Sitzung.)
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Hellwig, als Vertreter des Abgeordneten Lenz (Brühl).

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0217503200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Lenz ist infolge seiner Anwesenheit beim Montanparlament nicht in der Lage, diesen mündlichen Bericht vorzutragen. Daher darf ich an seiner Stelle den Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik vorbringen.
Der Beratung im Ausschuß für Wirtschaftspolitik lagen in dieser Angelegenheit der Antrag der SPD-Fraktion betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes und der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes als Vorlage der Bundesregierung zugrunde. Beide Vorlagen wurden zur Mitberatung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen.
Die Vorlage der Bundesregierung wurde von dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik in seiner Mehrheit mit einigen Änderungen angenommen. Sie gliedert sich in vier Artikel.
Art. 1 bringt eine Strafvorschrift gegen Preisüberhöhung als § 2 a in das Wirtschaftsstrafgesetz von 1954.
Art. 2 enthält die redaktionelle Anpassung von Vorschriften des Wirtschaftsstrafgesetzes, deren Notwendigkeit sich aus der Einfügung des § 2 a


(Dr. Hellwig)

sowie daraus ergab, daß das im § 1 Nr. 7 des Wirtschaftsstrafgesetzes genannte Gesetz inzwischen außer Kraft getreten ist und das dort unter Nr. 4 genannte Gesetz inzwischen verlängert wurde. Ferner enthält Art. 2 die Verlängerung der Geltungsdauer des Wirtschaftsstrafgesetzes, das andernfalls am 31. Dezember 1956 auslaufen würde, bis zum 31. Dezember 1958.
Art. 3 ist die bekannte Berlin-Klausel.
Art. 4 enthält die Vorschrift über das Inkrafttreten.
Gegen die Artikel 2, 3 und 4 sind weder vom Bundesrat noch von den mitberatenden Ausschüssen des Bundestages Bedenken erhoben worden. Auf Vorschlag der Bundesregierung ist lediglich bei Art. 2 vom Ausschuß für Wirtschaftspolitik eine redaktionelle Änderung vorgenommen worden, weil nach der Vorlage des Entwurfs der Bundesregierung auch das in § 1 Nr. 1 des Wirtschaftsstrafgesetzes genannte Gesetz außer Kraft getreten ist.
Der von der SPD-Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf beschränkt sich darauf, die von der Regierung in Art. 1 vorgeschlagene Preisüberhöhungsvorschrift neu einzufügen. Die Vorlage der SPD-Fraktion unterschied sich von der Regierungsvorlage im wesentlichen im folgenden. Die Voraussetzung für die Einleitung des Verfahrens soll lediglich das Fehlen eines wirksamen freien Wettbewerbs sein, während die Regierung außerdem die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage als weitere Voraussetzung für ein Eingreifen vorsah. Die Vorlage der SPD-Fraktion brachte ferner in einem besonderen Absatz eine Definition des Begriffs „Entgelt". Nach der SPD-Vorlage soll es sich weiterhin nur um eine Ordnungswidrigkeit, nicht aber um eine Zuwiderhandlung im Sinne des Wirtschaftsstrafgesetzes handeln. Im übrigen sollen nur Geldstrafen verhängt werden, während nach der Regierungsvorlage Vergehen auch als Straftaten geahndet werden können.
Nach der Vorlage der SPD-Fraktion soll sodann das Verfahren, das nach ihrer Vorstellung von jedermann eingeleitet werden kann, eingestellt werden, wenn kein öffentliches Interesse verletzt ist. Ob eine Verletzung des öffentlichen Interesses vorliegt, wird von den Gerichten entschieden. Die Regierungsvorlage dagegen möchte, um Bagatellfälle auszuschließen, nur der fachlich zuständigen obersten Landesbehörde ein Antragsrecht zur Einleitung eines Verfahrens geben und darüber hinaus der Bundesregierung die Möglichkeit geben, durch eine Einzelweisung an die oberste Landesbehörde die Stellung oder die Zurücknahme von Anträgen oder die Einleitung von Verfahren zu veranlassen, um auf diese Weise eine einheitliche Preispolitik zu wahren.
Die Beratung der Gesetzentwürfe hat sich in den Ausschüssen des Bundestages im wesentlichen auf Art. 1 beschränkt. Zu § 2 a Abs. 1, der auf der Grundlage der Regierungsvorlage beraten wurde, ist vom federführenden Ausschuß für Wirtschaftspolitik eingehend geprüft worden, ob der dort formulierte Preisüberhöhungstatbestand wirtschaftspolitisch und rechtspolitisch brauchbar ist. So wurde vor allem die Frage erörtert, ob auch Entgelte erfaßt werden sollen, die infolge der Ausnutzung einer Mangellage unangemessen hoch sind. Es wurde die Meinung vertreten, daß Preise, die infolge einer Mangellage gestiegen seien, sich doch nach den Gesetzen des Wettbewerbs, also im Verhältnis von Angebot und Nachfrage marktgerecht gebildet hätten. Preisentwicklungen dieser Art könnte dann aber nur mit besonderen gesetzlichen Maßnahmen, z. B. durch die gesetzliche Einführung von Höchstpreisen, entgegengetreten werden. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich jedoch der Überlegung an, daß Vorschriften über Höchstpreise beim Auftreten von Mangellagen für die Bekämpfung von Preisüberhöhungstendenzen oft zu spät kommen könnten.
Im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht wie auch im Ausschuß für Wirtschaftspolitik wurde das Bedenken, das schon 1954 zur Streichung der Preisüberhöhungsvorschrift im Wirtschaftsstrafgesetz durch den Bundestag geführt hatte, wieder laut, bei den unbestimmten, ausfüllungsbedürftigen Begriffen des Abs. 1 seien die Verwaltungsbehörden und Strafgerichte überfordert. Es setzte sich jedoch die Auffassung durch, daß gewisse rechtspolitische Bedenken, die gegen die Vorschrift sprechen mögen, gegenüber der wirtschaftspolitischen Notwendigkeit, ungerechtfertigte Preisssteigerungen gegebenenfalls auch mit den Mitteln des Strafrechts bekämpfen zu können, zurücktreten müssen. Auch sei die vorbeugende Wirkung einer solchen Vorschrift nicht gering zu achten. Nach eingehender Erörterung aller mit den Tatbestandsmerkmalen des genannten § 2 a Abs. 1 zusammenhängenden Probleme ergab sich in den Ausschüssen eine Mehrheit für die Auffassung, daß die Vorschrift im ganzen genommen denjenigen Sachverhalt richtig wiedergibt, der als ungerechtfertigte Preisüberhöhung mit den Mitteln des Strafrechts bekämpft werden sollte. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat die Vorschrift im Grundsatz ebenfalls gebilligt.
Abs. 2 des § 2 a ist vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht abgelehnt worden; folgerichtig ist auch Abs. 3 des § 2 a von ihm gestrichen worden. Maßgebend hierfür waren rechtspolitische Gesichtspunkte, und zwar die Überlegung, daß es ungewöhnlich und wohl auch unerwünscht sei, den Verfolgungszwang, d. h. das Legalitätsprinzip, in der Weise einzuschränken, daß den Verwaltungsbehörden ein Antragsrecht und damit die Entscheidung darüber zugestanden werde, ob eine Verfolgung stattfinden soll oder nicht. Auch wäre bei einem Antragsrecht der Behörde die Gefahr einer ungleichen Behandlung der Zuwiderhandlungen in den einzelnen Bundesländern geschaffen.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat statt dessen dem Abs. 2 die Fassung gegeben, die der Abs. 3 des § 2 a nach dem Antrag der SPD-Fraktion — Drucksache 1674 — erhalten sollte. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hingegen hat sich für das Antragserfordernis des Abs. 2 ausgesprochen und geglaubt, die rechtspolitischen Bedenken des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zurückstellen zu können, weil nicht jede geringfügige und wirtschaftspolitisch unerhebliche Preisüberhöhung verfolgt werden sollte. Er hat infolgedessen den Abs. 2 in der Fassung der Regierungsvorlage mit der Maßgabe beschlossen, daß die Worte „oder der von ihr bestimmten höheren Verwaltungsbehörde" gestrichen werden. Hier handelte es sich darum, daß die fachlich zuständigen obersten Landesbehörden ihrerseits eine weitere Verwaltungsbehörde be-


(Dr. Hellwig)

stimmen konnten, die für die Verfolgung zuständig werden konnte.
Im Gegensatz zu dem Regierungsentwurf und zu der Auffassung des Bundesrates, der die Zuständigkeitsregelung im Falle einer Delegation überhaupt den Ländern überlassen möchte, hat sich also der Ausschuß für Wirtschaftspolitik dafür ausgesprochen, daß das Antragsrecht auf die fachlich zuständigen obersten Landesbehörden beschränkt bleiben müsse, damit Preisüberhöhungen in den wirtschaftspolitisch notwendigen und wichtigen Fällen und nicht nach dem Ermessen unterer Behörden strafrechtlich verfolgt werden. Mit dem Antragserfordernis soll zugleich erreicht werden, daß die zuständige Behörde ihre Entscheidung über die Stellung des Antrags oder, falls sie bei Ordnungswidrigkeiten für die Verfolgung zuständig ist, über die Einleitung des Verfahrens gemäß § 61 des Wirtschaftsstrafgesetzes binnen einer Frist von drei Monaten treffen muß.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat § 2 a Abs. 3 in der Fassung der Vorlage der Bundesregierung — wie schon vor ihm der Bundesrat -- für verfassungswidrig erachtet. Die Mehrheit des Ausschusses hat die Auffassung vertreten, die Handhabung des Antragrechts bei Straftaten könne nicht als in Art. 84 Abs. 5 des Grundgesetzes bezeichneter besonderer Fall angesehen werden. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei dieser Vorschrift Fälle anderer Art vorgestellt.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat diesem Bedenken Rechnung getragen und hat infolgedessen Abs. 3 der Regierungsvorlage abgelehnt. Der Ausschuß hat jedoch in seiner Mehrheit bedauert, daß dieser Absatz gestrichen werden mußte, da er Wert auf eine Einschaltung der Bundesregierung zur Wahrung einer einheitlichen Preispolitik und einer einheitlichen Durchführung dieses Gesetzes legte. Er hat deshalb die Frage geprüft, ob hierzu im Gesetz ein Anhörungsrecht der Bundesregierung verankert werden könne. Es ergab sich jedoch, daß ein solches Verfahren ungewöhnlich ist. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß davon abgesehen, die Anhörung der Bundesregierung im Wege der Einzelweisung gesetzlich zu verankern. Er geht aber davon aus, daß die Anhörung im Verwaltungswege gewährt werden kann.
An Stelle des § 2 a Abs. 3 der Regierungsvorlage wurde nach all diesen Erwägungen der Abs. 3 des SPD-Antrags Drucksache 1674 übernommen. Hiernach soll von der Einleitung eines Verfahrens abgesehen und ein bereits eingeleitetes Verfahren eingestellt werden, wenn kein öffentliches Interesse verletzt ist. Die Entscheidung darüber, ob kein öffentliches Interesse verletzt ist, liegt bei den ordentlichen Gerichten.
Zum Schluß darf noch darauf hingewiesen werden, daß die Verabschiedung des Gesetzentwurfs so rasch wie möglich erfolgen muß. Zumindest muß das Gesetz so rechtzeitig verkündet werden, daß ein Außerkrafttreten des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 am 31. Dezember 1956 vermieden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217503300
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Einzelberatung der zweiten Lesung ein. Ich rufe -auf Art. 1 des Gesetzes und dazu den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei auf Umdruck 847*). Wer begründet ihn? — Bitte, Herr Abgeordneter Lange!

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0217503400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in diesem Zusammenhang der Genugtuung meiner politischen Freunde darüber Ausdruck geben, daß der Grundsatz der Ahndungswürdigkeit des Tatbestandes „Preisüberhöhung" in diesem Hause jetzt uneingeschränkt anerkannt ist. Wir haben aber trotz allem hinsichtlich der jetzigen Ausschußvorlage Bedenken, und zwar dergestalt, ob diese Formulierungen für die Ahndung der Preisüberhöhung wirksam genug sind und ob die damit befaßten Stellen nicht überfordert werden. Mit dem anerkanten Grundsatz der Ahndungswürdigkeit des Tatbestandes „Preisüberhöhung" ist auch, glaube ich, eindeutig zugegeben, daß es nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch politisch allgemein wünschenswert ist, den Preisauftriebstendenzen entgegenzuwirken. Preisauftriebstendenzen mit unterschiedlichen Ursachen sind denkbar. Eine davon ist der Tatbestand der Preisüberhöhung. Ich darf daran erinnern, daß schon zur konjunkturpolitischen Debatte des vergangenen Jahres der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Ergänzung des Wirtschaftsstrafgesetzes vorgelegen hat. Unser Antrag ist vom 16. September 1955 datiert. Zu dem gleichen Zeitpunkt, als die konjunkturpolitische Debatte in Berlin abrollte, ist seitens der Bundesregierung und wohl auch seitens des Bundeswirtschaftsministers anerkannt worden — die nachherige Vorlage des entsprechenden Gesetzentwurfs vom 28. Februar 1956 ist der Beweis dafür —, daß gegen Preisüberhöhungen eine Handhabe bestehen muß. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Auseinandersetzungen von 1954/55 über die Frage der Preisüberhöhung erinnern. Schon damals hatte die Bundesregierung — sowohl das Wirtschaftsministerium wie das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Bundesregierung insgesamt --- die Auffassung vertreten; das, was im früheren § 19 des Wirtschaftsstrafgesetzes enthalten war, brauchen wir in modifizierter Form, auf die dann vorhandenen Bedürfnisse abgestellt, erneut, um ein Mitel in der Hand zu haben, gegen mögliche Wünsche ungerechtfertigter Preiserhöhungen vorgehen zu können. Nach den damaligen Darstellungen des Ernährungsministers, die auch vom Wirtschaftsminister im wesentlichen bestätigt worden sind, hat die Existenz dieses Paragraphen allein genügt, in Unterhaltungen mit verantwortlichen Leuten aus den verschiedenen Verbänden und Organisationen ungerechtfertigte Preisüberhöhungen, d. h. Preiserhöhungen in den Fällen, in denen sich die Kostenfaktoren nicht geändert haben, zurückzudrängen. Einen solchen Dolch im Gewande, wie der Paragraph seitens der Regierung immer wieder bezeichnet worden ist, wünschten auch wir damals bei der von der Regierung ursprünglich eingebrachten Novelle zum Wirtschaftsstrafgesetz, dem damaligen § 3.

(Abg. Illerhaus: Es braucht aber kein Atomdolch zu sein!)

— Ist ja auch kein Atomdolch, Herr Illerhaus! Wenn Sie sich solche Wirkungen vorstellen, sind Sie völlig im Irrtum. Das sagt Ihnen erstens einmal der Wortlaut unseres Antrages, und das sagen Ihnen zweitens alle Äußerungen, die wir damals in der Debatte in diesem Hause auch in den Ausschüssen dazu gemacht haben.
*) Siehe Anlage 4.


(Lange [Essen])

Da sich die Preisentwicklung in der Zwischenzeit nicht beruhigt hat — es kommen von außen wirkende Faktoren hinzu — —

(Abg. Dr. Hellwig: Aber verzeihen Sie, wollen Sie diese mit Ihrem Paragraphen treffen?)

— Entschuldigen Sie; lassen Sie mich doch aussprechen, ich habe den Satz doch noch gar nicht zu Ende gesprochen, Herr Hellwig! — Da sich die Preisentwicklung noch nicht beruhigt hat, bleibt also auch für den gegenwärtigen Zeitpunkt die Notwendigkeit eines solchen Instruments ohne weiteres bestehen. Wir dürfen vielleicht noch darauf hinweisen, daß im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Preisentwicklung auf dem Gebiet der Grundnahrungsmittel in diesem Hause und auch im Bundesrat ganz bestimmte Erkenntnisse gewonnen worden sind, nämlich dahingehend, daß hinsichtlich der Preisüberhöhung ein wirksames Instrument in die Hand der verantwortlichen Stellen gegeben werden muß. Ich darf hier noch auf die Entschließung des Bundesrates verweisen, die am 9. November im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung über die Preisüberhöhung für Grundnahrungsmittel gefaßt worden ist und deren Ziffer 6 besagt, daß mit Rücksicht auf die Preisentwicklung der letzten Monate zu prüfen ist, ob nicht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf einer Bestimmung gegen Preisüberhöhungen — § 2 a des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 — durch wirksamere Vorschriften ersetzt werden muß.
Wir haben auch in den Beratungen im Ausschuß festgestellt, daß hinsichtlich der drei Tatbestandsmerkmale, die gegenwärtig in der Vorlage enthalten sind, erhebliche Bedenken bestehen. Die Bedenken richten sich auf ihre Wirksamkeit, wie ich eingangs schon sagte, weil angenommen wird — das wird von uns vermutet, auch nach den bisherigen Praktiken —, daß die Tatbestandsmerkmale „einer Beschränkung des Wettbewerbs oder infolge der Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage" eine Überforderung derjenigen darstellen, die mit diesen Dingen zu tun haben und über sie entscheiden sollen.
Die Frage, die sich für uns stellt, ist folgende. Es hat sich durch die Existenz des alten § 19 hinsichtlich der Formulierung „unangemessene Entgelte" eine ganz bestimmte Praxis, eine ganz bestimmte Judikatur ergeben.

(Abg. Illerhaus: Aber keine gute!)

— Dazu will ich mich jetzt nicht äußern; das ist eine subjektive Auffassung. Ich könnte im Gegenteil der Meinung sein: dem, was Sie mit Ihrer Bemerkung „Aber keine gute!" ausdrücken wollen, wird mit unserem Abs. 2 begegnet!
Da diese Judikatur vorhanden ist und da jede Einfügung bestimmter Tatbestandsmerkmale für die Beurteilung komplizierend wirkt — auch solcher, wie sie in der ursprünglich vorgelegenen Regierungsfassung von 1954 enthalten waren und wie wir sie in die ursprüngliche Vorlage Drucksache 1674 übernommen haben, d. h. unangemessene Entgelte für den Fall, daß ein wirksamer und freier Leistungswettbewerb nicht besteht —, andererseits dieser Tatbestand der unangemessenen Entgelte weitgehend umrissen ist, sollte man auf solche Einschränkungen, die eine Erschwerung der Handhabung bedeuten, verzichten.
Deshalb haben wir mit unserer Vorlage Umdruck 847 unseren alten Abs. 1 ohne die Einfügung des freien und wirksamen Leistungswettbewerbs wieder aufgenommen, haben aber darüber hinaus, statt uns nur auf das Ordnungswidrigkeitengesetz, das eine Höchstgeldbuße von 50 000 DM vorsieht, zu beziehen, diese Geldbuße auf 100 000 DM erhöht; dazu sind wir nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz imstande. Wir sind nämlich der Meinung, daß mit der dort vorgesehenen Grenze dem Tatbestand der Preisüberhöhung und den Motiven, die dahinter stehen können, nicht genügend entsprochen wird. Durch die Einfügung der 100 000 DM ist eine wesentliche Verschärfung eingetreten. Man muß ergänzend sagen, daß der aus der Preisüberhöhung unrechtmäßig erlangte Gewinn nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten sowieso abgeschöpft, also eingezogen wird und darüber hinaus noch eine Versteuerung dieses eingezogenen Gewinns vorgenommen wird. Der Versuch der Preisüberhöhung soll also mit einem wirksamen Griff in das Portemonnaie desjenigen geahndet werden, der die Preisüberhöhung vornimmt.
Wir haben in diesem Zusammenhang auch auf die Wiedereinfügung des ursprünglichen Abs. 2 unserer Vorlage verzichtet, die erläutert, was unangemessene Entgelte in der Regel sind. Wir glaubten, darauf verzichten zu können, weil über eine solche Auffassung bei denen, die mit der Handhabung des Gesetzes zu tun haben, weitgehende Übereinstimmung vorhanden ist. Diese, wenn Sie so wollen, einengende Bestimmung erschien also nicht erforderlich.
Wir haben aber eine andere Bestimmung wieder hineingenommen, die wir auch im ursprünglichen Entwurf hatten und in der Ausschußvorlage Abs. 3 ist. Wir haben das Verfahren aus guten Gründen auf solche Fälle beschränkt, in denen das öffentliche Interesse verletzt ist. Damit glauben wir den Beschwerden und Klagen entgegenwirken zu können, die hinsichtlich des alten § 19 immer wieder aufgekommen sind. Unter dem alten § 19 haben nämlich im wesentlichen die kleinen und mittleren Selbständigen gelitten, und die Großen. die sich auch noch die Kostspieligkeit einer Rechtsvertretung, eines Anwalts, leisten konnten, sind in erheblichem Umfang fast immer ungeschoren. jedenfalls im Verhältnis nicht so geschoren wie die Kleinen, davongekommen. Es gab gewiß etliche Fälle solcher Art. Um solche Unzuträglichkeiten auszuschließen, ist von uns aus gesehen ein wesentliches Erfordernis für die Einleitung oder die Durchführung eines schon eingeleiteten Verfahrens das Vorhandensein des öffentlichen Interesses. Auch wir sind nicht daran interessiert, daß die wirtschaftlich Schwächeren in dem Sinne unseres alten Sprichwortes ..Die Kleinen henkt man, die Großen läßt man laufen" verfolgt werden, während die anderen mit wenig Schrammen davonkommen.
Es ist vielleicht erforderlich, noch etwas zur Frage der Ordnungswidrigkeit zu sagen, ohne jetzt in juristische Überlegungen einzutreten. Mit dem Ordnungswidrigkeitenverfahren ist an sich ein schnelles und wirksames Verfahren gegeben. Damit ist gleichzeitig erreicht, da ja in Abs. 2 das öffentliche Interesse festgelegt ist, daß die dafür zuständigen Behörden mit diesem Bußgeldverfahren keinen Mißbrauch treiben können im Sinne der


(Lange [Essen])

Beschwerden gegen den alten § 19. So kann nach unserer Überzeugung schnell und wirksam gehandelt werden. Es kommt unserer Meinung nach darauf an, dem Betreffenden, der sich entsprechend benommen hat, die 100 000 DM nicht erst in drei Jahren, sondern möglicherweise unmittelbar nach seinem Verhalten aus der Tasche zu ziehen. Uns kommt es darauf an, daß das Bußgeldverfahren mit der Verschärfung auf 100 000 DM durchgeführt wird. Es besteht auf diesem Wege unter Umständen auch die Möglichkeit, das zu erreichen, was mit der ursprünglichen Formulierung des Abs. 3 in der Regierungsvorlage beabsichtigt war, d. h. es kann auf dem Verwaltungswege und auf dem Wege der Verständigung zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und den einzelnen Wirtschaftsministerien der Länder und den nachgeordneten Behörden eine verhältnismäßig einheitliche Handhabung dieses Gesetzes erzielt werden. Die wirksame Verfolgung der Preisüberhöhung schien uns wesentlicher zu sein als eine mehr oder minder umstrittene Lösung, solches Verhalten auch nach strafrechtlichen Gesichtspunkten zu ahnden.
Weiterhin glauben wir, daß wir mit einer solchen Regelung den Stellen, die mit der Durch- und Ausführung beauftragt sind, ein Mittel an die Hand geben, dem aus psychologischen Gründen weit weniger Widerstand geleistet wird, als er gegen eine Bestimmung geleistet würde, die im Grunde ja nur als eine nebenstrafrechtliche angesehen würde. Wie das Nebenstrafrecht von Juristen im allgemeinen gehandhabt wird, wissen wir außerdem.
Diese Unzulänglichkeit der Formulierungen hat uns veranlaßt, eine einfachere, klarere, die Verantwortlichkeit der damit befaßten Stellen allerdings erhöhende Fassung vorzuschlagen.
Unbestritten ist — das sage ich noch einmal —, daß wir gegen Preisüberhöhungen vorgehen müssen. Daß Preisauftriebstendenzen bestehen und bekämpft werden müssen, ist allgemein und uneingeschränkt anerkannt. Ich will Ihnen allerdings gerne zugeben, daß dieses Wirtschaftsstrafgesetz mit einer Bestimmung gegen die Preisüberhöhung nicht das einzige Mittel darstellt, den Preisauftriebstendenzen zu begegnen. Ich bin mir darüber klar, daß es erforderlich ist — fassen Sie das in diesem Falle als eine Bitte oder einen Wunsch auf; wahrscheinlich werden wir diesen Wunsch alle gemeinsam haben —, so schnell wie möglich ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu verabschieden; wir haben es ja bereits in Beratung und haben uns bisher schon sehr intensiv damit auseinandergesetzt. Denn dieser eine Pfennig, um den der Benzin- oder allgemein der Treibstoffpreis erhöht worden ist, um dieses Beispiel zu nehmen, läßt sich ja vielleicht noch nicht einmal ohne weiteres kalkulatorisch nachrechnen. Nach meiner Überzeugung würde das allerdings darunter fallen. Wenn sich aber die Unternehmen der Mineralölwirtschaft damit ausreden, daß die Preiserhöhung kalkulatorisch begründet wäre, dann wäre doch mindestens noch eine Möglichkeit des Einschreitens nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegeben. Auch wenn man an zwei verschiedenen Tagen diese Preiserhöhung an den Tankstellen vorgenommen hat, so ist es doch innerhalb von 24 Stunden geschehen und stellt ein kartellmäßiges und damit ein den Wettbewerb einschränkendes Verhalten dar, das zu einem Preisauftrieb geführt hat.
Ich will mich jetzt gar nicht dazu äußern, wie diese Dinge zu beurteilen sind. Angeblich ist die Preiserhöhung erforderlich im Hinblick auf die Steigerung der Frachtkosten für die Öltransporte, die in einigen Wochen im Austausch für 01 aus dem Vorderen Orient dann aus Venezuela bei uns eintreffen werden. Ich weiß nicht, ob deswegen jetzt schon die Preiserhöhung erforderlich ist. Wenn man die Kostenrechnung zugrunde legen würde, sähe das jedenfalls etwas anders aus. Könnte man ein solches Verhalten unter § 2 a der Gesetzesvorlage bringen oder könnte man es auf der andern Seite mit den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen erfassen — ich darf da nicht zuletzt auf die Vorschläge hinweisen, die Herr Professor Böhm unterbreitet hat, ebenso auf seine Ausführungen hier im Plenum und im Ausschuß —, dann wäre es jedenfalls möglich, dieses kartellmäßige Verhalten zu ahnden.
Ich darf einen anderen Fall bringen. Auf einer Gemüseversteigerung wird ein ganz bestimmter Preis festgestellt, nicht von denjenigen, die an der Versteigerung beteiligt sind, sondern von denjenigen, die später die Verbraucher sind, und auf einem nur wenige Kilometer entfernten Wochenmarkt einer Großstadt stellt man dann ein Mehrfaches des auf der Gemüseversteigerung erzielten Preises fest. Die Beispiele sind zu belegen. Ich will mich aber jetzt im einzelnen nicht in Zahlen ergehen. Die Frage ist, ob ein Transport von wenigen Kilometern eine solche Verteuerung rechtfertigt. Auch da wäre es nach unserer Überzeugung wünschenswert, daß das Ministerium wieder einen solchen Dolch im Gewande hätte, um die Wiederholung solcher Erscheinungen zu vermeiden.
Ich will hier nur noch die öffentliche Auseinandersetzung im Vorjahre um den Kohlkopf in Erinnerung rufen, in dem ein Zettel des Erzeugers mit dem ihm gezahlten Preis gesteckt hatte und bei dem es sich herausstellte, daß er auf dem Markte das Zehnfache kostete. Dabei war allerdings die Entfernung ein wenig größer, als sie in dem vorigen Beispiel war; das gebe ich auch zu.

(Abg. Dr. Hellwig: Es stand auch nicht dabei, wie viele Kohlköpfe weggeworfen wurden!)

— Auch das nicht. Darum sage ich: man muß in solchen Fällen die Möglichkeit der Überprüfung haben. Ich habe nicht gesagt, daß das schon den Tatbestand erfüllt.
Hier geht es aber auch darum, Herr Meyer-Ronnenberg — lassen Sie mich das noch sagen —, daß alle diese Dinge unsere Hausfrauen, die Verbraucher, berühren. Uneingeschränkt — das betone ich jetzt noch einmal — ist anerkannt, daß man auch ob der psychologischen Wirkungen solcher Mittel ein Instrument haben muß, das die Regierung oder die für die Wirtschaftspolitik verantwortlichen Stellen in die Lage setzt, bei gegebenen Preisauftriebstendenzen einzugreifen, zu prüfen, gegebenenfalls zu ahnden, wenn das nach den Vorschlägen, die wir hier gemacht haben, erforderlich ist.

(Abg. Dr. Hellwig: Aber Ihr Antrag überläßt es nicht der Regierung, sondern jedermann!)

— Entschuldigen Sie! Daß jedermann auch ein Interesse daran haben kann, ist völlig klar. Aber hinsichtlich der Ahndung, d. h. des tatsächlich zu erteilenden Bußgeldbescheides, ist ja nicht jedermann


(Lange [Essen])

zuständig, sondern dafür ist die betreffende Stelle zuständig, insoweit liegt also die Entscheidung dort. Wir hatten ja von vornherein hinsichtlich des Antragserfordernisses unsere Bedenken angemeldet. Wir wollten ja umkehren und auf unseren ursprünglichen Entwurf zurückgehen, der 1954 schon einmal eine Rolle gespielt hat.

(Abg. Meyer-Ronnenberg: Herr Kollege, ich darf Ihnen aber folgendes sagen: Gerade das Beispiel Kohlköpfe hat sich als nicht richtig erwiesen; die Nachprüfung hat ergeben, daß alle diese Behauptungen nicht zu Recht bestanden!)

— In diesem Falle hat sich das nicht so abgespielt, wie Sie sagen, sondern das mit dem Kohlkopf, dem Zettel und dem erhöhten Preis ist in der Tat so gewesen, wie geschildert. Daß es darüber hinaus Behauptungen in der Welt gegeben hat, die nicht den Nachprüfungen standgehalten haben, ist völlig klar. Sie können aber nicht von mir oder von einem meiner Fraktionskollegen — ich darf vielleicht nachher noch ein Beispiel bringen — sagen, daß wir Behauptungen in die Welt gesetzt hätten, die der Nachprüfung nicht standgehalten hätten.
Soll ich Ihnen noch das Argument in Erinnerung rufen, das der Ernährungsminister für die Regierungsvorlage gebracht hat? Denken Sie daran, wie sich die Milchpreiserhöhung ausgewirkt hat! Obwohl der Werkmilchpreis in dem Zusammenhange nicht erhöht worden ist, sind die Preise der aus der Werkmilch hergestellten Produkte, nachdem § 19 gefallen und § 3 der damaligen Regierungsvorlage von 1954 abgelehnt worden war, in die Höhe gegangen, und sie sind bis heute nicht heruntergegangen. Nach der Aussage des Ministeriums sind diese Preiserhöhungen ungerechtfertigt gewesen. Auch das muß man hier noch einmal sagen. Man kann doch nicht so tun, als ob all das, was draußen auch unsere Menschen bewegt, einfach mit einer Handbewegung beiseite zu schieben wäre. Insoweit, meine ich, ist es erforderlich, daß die in unserem Antrag vorgesehenen Maßnahmen ergriffen werden. Dabei wollen wir nicht die Kleinen treffen, bei denen kein öffentliches Interesse vorliegt. Allerdings dürfen sie dann nicht solche Scherze machen wie nach dem Fall des § 19, daß sie sich darüber verständigen, schlagartig ihre Preise hochzusetzen, wie das in München geschehen ist. Ich brauche jetzt nicht zu sagen, um wen es sich handelt; sonst würde ich vielleicht Herrn Holla oder Herrn Eickhoff hier heraufholen müssen. Diese Herren waren aber dafür nicht verantwortlich.

(Abg. Dr. Hellwig: Haben Sie dieses Problem auch bei der Landesregierung in München in Angriff genommen?)

— Das ist ja damals auch geschehen, das wissen Sie genausogut wie ich.

(Abg. Dr. Hellwig: Da haben Sie doch die Hand am Drücker, da können Sie ganz anders eingreifen!)

Vor allem ist da aber nur so weit etwas zu machen, wie eine gesetzliche Grundlage dafür gegeben ist, und die gesetzliche Grundlage war nach dem Fall des § 19 und der Ablehnung des § 3 der damaligen Regierungsvorlage nicht mehr gegeben. Das Entscheidende ist doch insoweit, daß man darauf gewartet hat, daß gewisse Hemmungen beseitigt werden, um dann in irgendeiner Weise preislich an- oder nachziehen zu können.
Ich würde also sagen: Es sollte keiner hier im Hause den Versuch unternehmen — und auch Sie nicht, Herr Dr. Hellwig —, irgend etwas zu rechtfertigen, was niemand im Grunde rechtfertigen möchte.

(Abg. Arnholz: Sehr gut!)

Darauf kommt es doch an; dann sind wir doch einig.

(Abg. Dr. Hellwig: Warum apostrophieren Sie gerade mich?)

— Weil Sie auf die Landesregierung verwiesen haben

(Abg. Dr. Hellwig: Ja, bitte!)

in einem Punkt, in dem auch diese Landesregierung keine gesetzliche Handhabe zur Verfügung hat.

(Abg. Dr. Hellwig: Verzeihung, deswegen möchte ich ja gerade die fachlich zuständige oberste Landesbehörde hier ganz besonders ansprechen!)

— Wenn wir von dem öffentlichen Interesse ausgehen — und darüber sind wir uns einig —, dann wird auch dieser Wunsch und diese Forderung, die auch die unsere ist, bei der Verfolgung weitgehend berücksichtigt werden können. Daran habe ich gar keinen Zweifel. Das hat sich ja auch in der Praxis
— auch nach den Darstellungen der Regierungsvertreter — so ausgewirkt.
Entscheidend ist nur eines: Wir dürfen hier nicht mit irgendwelchen Formulierungen, wie sie jetzt beim Ausschußbeschluß festliegen, die aber sehr auslegungsfähig sind, die Menschen draußen glauben machen, daß wir den für die Wirtschaftspolitik Verantwortlichen hier wirksame Instrumente in die Hand geben; in Wirklichkeit können sie damit all diesen Dingen nicht begegnen. Insoweit will ich damit zum Ausdruck bringen, daß es keinen Zweck hat, hier etwas zu tun, was nach unserer Überzeugung Augenauswischerei, weiße Salbe oder Sand-in-die-Augen-Streuen ist und Hoffnungen erweckt, die nicht erfüllt werden können. Das ist auch für die verantwortlichen Stellen von Nachteil. Sonst entsteht nämlich in der Öffentlichkeit der Eindruck, daß diese Stellen jetzt eine gesetzliche Regelung haben, während sie — jetzt hätte ich beinahe einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht; den darf ich nicht gebrauchen — nicht in der Lage sind, diese Bestimmungen auch anzuwenden. Das sollten wir dadurch vermeiden, daß wir ein Instrument schaffen, das übersichtlich und in der Handhabung einfach und wirksam ist.
Insoweit, meine Damen und Herren, darf ich Sie namens der sozialdemokratischen Fraktion bitten, diesem unserem Änderungsvorschlag zuzustimmen, weil damit nach unserer Überzeugung das in diesem Hause allgemein anerkannte Erfordernis wirksam berücksichtigt wird.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217503500
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0217503600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dafür eintreten, es bei der Regierungsvorlage bzw. bei der Ausschußvorlage zu belassen. Der


(Bundesjustizminister Dr. von Merkatz)

wesentliche Unterschied des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion gegenüber der Regierungsvorlage und der Ausschußvorlage liegt vor allem in folgendem. Regierungs- und Ausschußvorlage erfassen in § 2 a Abs. 1 nur diejenigen Preise, die infolge eines gestörten Marktes unangemessen hoch sind. Beispiele eines gestörten Marktes sind folgende: die Beschränkung des Wettbewerbs und die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung oder einer Mangellage. Diese drei Tatbestandsmerkmale sind alternativ und abschließend eingeführt worden, und zwar in Anbetracht der Schwierigkeiten, die sich bei der Rechtsprechung nach § 19 'des alten Wirtschaftsstrafgesetzes ergeben haben. Unter „Beschränkung des Wettbewerbs" würden auch die von Herrn Kollegen Lange angedeuteten Kartellabsprachen fallen. Ist der Markt nicht gestört, so kann der Preis im Sinne dieser Vorschriften nicht unangemessen hoch sein. Völlig anders der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion; er geht sehr viel weiter. Auch bei einem nicht gestörten Markt und bei ausgeglichener Marktlage kann eine Verfolgung und Bestrafung stattfinden mit der Begründung, der Preis ist unangemessen, z. B. weil die Gewinnspanne zu hoch ist. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ermöglicht also eine Nachprüfung des Kostenpreises, ebenso wie das in § 19 des Wirtschaftsstrafgesetzes von 1949 der Fall war. Gerade dieser § 19 und die Nachprüfung des Kostenpreises, indem man dem Richter hier etwas anlastete, was seine Möglichkeiten überstieg, ist damals der Hauptangriffspunkt gegen die früheren Preistreibereivorschriften gewesen. Das zu der juristischen Tragweite.
Zweitens. Der sozialdemokratische Antrag macht alle Tatbestände zu Ordnungswidrigkeiten, selbst wenn es sich um schwere Fälle handelt, die mit einem Bußgeld bis zu 100 000 DM geahndet werden sollen. Anders der § 3 des Wirtschaftsstrafgesetzes von 1954, in dem zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten unterschieden ist. Was als Straftat anzusehen ist, das ist in § 3 ganz konkret normiert worden. Die Zuwiderhandlung ist eine Straftat, wenn die Tat ihrem Umfang oder ihrer Auswirkung nach geeignet ist, die Ziele der Wirtschaftsordnung, insbesondere einer geltenden Marktordnung oder Preisregelung, erheblich zu beeinträchtigen, oder wenn der Täter die Zuwiderhandlung hartnäckig wiederholt, gewerbsmäßig, aus verwerflichem Eigennutz oder sonst verantwortungslos handelt und durch sein Verhalten zeigt, daß er das öffentliche Interesse an dem Schutz der Wirtschaftsordnung, insbesondere einer geltenden Marktordnung oder Preisregelung, mißachtet. Diese Qualifikationen machen eine solche Zuwiderhandlung zu einer Straftat. In allen anderen Fällen ist die Zuwiderhandlung eine Ordnungswidrigkeit.
Ich wiederhole, daß in dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion dagegen allgemein auch die schweren Fälle nach § 3, die ich hier erwähnt habe — Fälle, die mit bis zu 100 000 DM geahndet werden sollen —, als einfache Ordnungswidrigkeiten bezeichnet werden. Das ist nach Ansicht der Regierungsvorlage und nach der auch im Ausschuß zum Ausdruck gebrachten Ansicht unangemessen, weil in schweren Fällen das Bedürfnis selbst nach einer Freiheitsstrafe oder der Umwandlung einer Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe und auch nach einer Eintragung ins Strafregister besteht. Im übrigen würde ein Mißverhältnis entstehen zu den Zuwiderhandlungen nach § 2 des Wirtschaftsstrafgesetzes, der Preisvorschriften aller Art schützt und auf den die Abgrenzungsformel des § 3 des Wirtschaftsstrafgesetzes auch anwendbar ist.
Ich möchte hierbei zum Ausdruck bringen, daß in solchen schweren Fällen bei einer Ahndung bis zu 100 000 DM der Strafrichter und das ordentliche Strafverfahren auch im Hinblick auf die rechtsstaatlichen Garantien, die es enthält, eine Notwendigkeit sein dürften. Ich darf also wiederholen: namens der Bundesregierung möchte ich aus den dargelegten Gründen für eine Ablehnung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion eintreten.

(Zustimmung bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217503700
Meine Damen und Herren, wir stehen also jetzt in der Debatte zu Art. 1 in der Ausschußfassung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Illerhaus.

Joseph Illerhaus (CDU):
Rede ID: ID0217503800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stehen heute zum zweiten Male in dieser Sitzungsperiode in der Diskussion um den jetzigen § 2 a; vor zwei Jahren hieß er § 3. Schon damals haben wir die Unzulänglichkeit des ehemaligen § 19 hier sehr stark zum Ausdruck gebracht. Dieser § 19 hatte ja — und ich glaube, sicherlich nicht zu Unrecht — im Volksmund den Namen „Schnüffelparagraph" bekommen. Wir haben diesen § 19 damals im ganzen Hause abgelehnt, weil wir der Meinung waren, daß man den Richter überfordere, wenn man von ihm verlange, festzustellen, ob ein Preis, der sich nach Angebot und Nachfrage gebildet habe, angemessen oder unangemessen sei. Die Mehrheit dieses Hauses hat damals die Wiedereinführung des § 3 abgelehnt.
Nun sagt Herr Kollege Lange soeben, die Preisauftriebstendenzen der letzten Zeit seien so stark geworden, daß unbedingt ein neuer Paragraph geschaffen werden müsse. Sicherlich haben wir in der letzten Zeit Preisauftriebstendenzen zu verzeichnen, aber, verehrter Herr Lange, ich glaube nicht, daß diese Preisauftriebstendenzen irgendwie auf ungerechtfertigt gebildeten Preisen beruhen. Ich glaube vielmehr, daß sie in einem viel höheren Umfang, als Sie es soeben gesagt haben, auf Kosten beruhen, die von außen her an den Verteiler, an den Verkäufer herangetragen worden sind. Deswegen muß man sehr genau überlegen, welche Formulierung man dem jetzt hier zur Beratung stehenden Paragraphen geben soll.
Ich bin der Meinung, daß auch die Formulierung, die Sie in Ihrem Antrag auf Umdruck 847 vorschlagen, wieder dazu führt, daß diese Vorschrift ein Schnüffelparagraph allererster Ordnung wird. Gerade das wollen wir nicht. Wir wollen den obersten Landesbehörden eine Möglichkeit geben, in das Wirtschaftsgefüge einzugreifen, wenn bei der Produktion, beim Großhandel oder beim Einzelhandel überhöhte Preise sichtbar werden. Man kann aber nicht, wie Sie es in Ihrem Antrag tun, einfach global sagen: Wenn diese Preiserhöhungen sichtbar werden, kann eingegriffen werden. Wir sind vielmehr der Meinung, daß die drei Kautelen, die im Regierungsentwurf vorgesehen sind, notwendig sind.
Die Anwendung dieser Vorschrift ist danach erstens möglich, wenn sich infolge der Beschränkung des Wettbewerbs ein ungerechtfertigter Preis


(Illerhaus)

bildet. Wir stehen im Augenblick und standen sicherlich in den letzten Jahren sehr stark im Wettbewerb. Bei vielen Artikeln des täglichen Bedarfs liegt ein Überangebot vor. Solange ein Überangebot da ist, solange also das Warenangebot die Nachfrage übersteigt, kann sich eigentlich gar kein unangemessen hoher Preis bilden, es sei denn, daß der Preis unangemessen wird, weil zu hohe neue Kosten auf ihn aufgeschlagen werden müssen.
Die zweite Voraussetzung, die wir in die Vorschrift eingebaut haben, ist, daß die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung vorliegen muß. Es ist durchaus möglich, daß beispielsweise die Benzinpreiserhöhung der vergangenen Woche oder der letzten Wochen die Ausnutzung einer Machtstellung bedeutet. Das ist möglich, sage ich. Im allgemeinen kann man das aber bei den Gütern des täglichen Bedarfs sicherlich nicht behaupten.
Zum dritten sagen wir, daß ein Eingreifen möglich ist, wenn eine Mangellage vorliegt.
Wenn eine dieser drei Voraussetzungen vorliegt, wollen wir den obersten Landesbehörden eine Möglichkeit des Eingriffs geben. Wir wollen ihnen durch die Wiedereinführung des § 2 a nach der Regierungsvorlage die Möglichkeit geben, die wirklich Schuldigen festzustellen und sichtbar und wirkungsvoll einzugreifen.
Verehrter Herr Lange, wir haben in den letzten zwei Jahren keinen Wirtschaftsstrafparagraphen dieser Art gehabt. Sicherlich sind in dieser Zeit Preiserhöhungen vorgekommen. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, daß in dieser Zeit auch Preise in ganz erheblichem Umfange gesenkt worden sind. Es wäre sicherlich interessant, würde aber zu weit führen, wenn wir hier einmal eine Gegenüberstellung vornähmen, welche Preise in den letzten Jahren gestiegen sind und welche gesunken sind.

(Abg. Wittrock: Können Sie uns das nicht einmal schwarz auf weiß zuschicken?)

Ich möchte auf das Beispiel mit Ihrem berühmten Weißkohl zurückkommen. Wenn man einen Preis überprüfen will, darf man nicht den Einzelpreis überprüfen, sondern muß die Durchschnittskalkulation in dem betreffenden Betrieb überprüfen. Ich kenne zuwenig von den Dingen auf dem Obst- und Gemüsemarkt. Aber es wird Ihrer eigenen Frau bekannt sein, verehrter Herr Lange, daß weiß Gott wie oft der Obst- und ,Gemüsehändler noch mittags um 12 oder um 1/2 1 Uhr auf dem Wochenmarkt seine vollen Kisten mit Kirschen, Erdbeeren und sonstigem Obst stehen hat, das unverkäuflich ist. Daran hat er dann mehr Geld verloren, als er vielleicht an dem einen Kohlkopf, von dem Sie sprechen, verdient hat. Wenn es im ganzen so wäre, wie Sie sagen, müßte jeder Obst- und Gemüsehändler einen Mercedes 300 fahren, und das werden Sie sicherlich nicht behaupten können.
Man muß also — und das ist eben die Aufgabe der Behörde — überprüfen, wie ,die gesamte Durchschnittskalkulation dieses Betriebes aussieht.
Ich bin der Meinung, wir sollten der Regierung die Möglichkeit geben, die Dinge so zu handhaben, und sollten die Regierungsvorlage in der vom Ausschuß geänderten Fassung annehmen. Ich bitte Sie daher, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 847 abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217503900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0217504000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion darf ich noch folgendes bemerken. Ich hatte aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Lange nicht gerade den Eindruck, daß hier eine brauchbare Richtlinie gegeben wird, um zwischen Preiserhöhungen und ungerechtfertigten Preisüberhöhungen zu unterscheiden. Er hat Beispiele gebracht und er hat als Motive, die zu Preiserhöhungen führen können, auch solche Dinge erwähnt, die im Grunde genommen Preisauftriebstendenzen ganz allgemeiner Art betreffen, ohne deutlich zu machen, wo die ungerechtfertigte Preisüberhöhung liegt. Die Problematik, zwischen der ungerechtfertigten Preisüberhöhung und der Preiserhöhung aus gerechtfertigten Gründen zu unterscheiden, wird durch den Antrag der SPD-Fraktion keinesfalls gelöst. Wir haben diese Problematik im Ausschuß eingehend erörtert. Auch Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion haben dort größte Bedenken angemeldet, ob diese Problematik überhaupt in einem solchen Gesetzesparagraphen gelöst werden könne. Wir sind dann in weitgehender Übereinstimmung zu der Meinung gekommen, daß die Einleitung des Verfahrens bei einer Stelle liegen sollte, von der wir zumindest etwas mehr volkswirtschaftliche Einsicht in die Motive zu Preisbewegungen erwarten könnten, nämlich bei der fachlich zuständigen obersten Landesbehörde.
Nun bedeutet aber der Antrag der SPD, daß praktisch jedermann einen Antrag auf Strafverfolgung stellen kann, der subjektiv den Eindruck hat, daß ihm ein unangemessener Preis abverlangt werde. Das bedeutet eine volle Breitseite gegen die Marktwirtschaft und Wettbewerbswirtschaft; denn der einzelne wird im allgemeinen nicht in der Lage sein, zu beurteilen, was eine unangemessene Preisbewegung ist. Gerade diese von uns zwingend vorgeschriebene Einschaltung der fachlich zuständigen obersten Landesbehörde in Verbindung mit dem, was Sie von der sozialdemokratischen Fraktion mit dem öffentlichen Interesse gemeint hatten, schien uns diesem Gesichtspunkt zu entsprechen, daß wir wirklich nach einer volkswirtschaftlich vernünftigen Prüfung der Dinge den Behörden dieses Instrument zur Verfolgung geben wollten. Sie sprechen von dem berühmten Dolch im Gewande. Diesen „Dolch im Gewande" soll der für die Wirtschaftspolitik Verantwortliche haben, aber nicht jeder einzelne, weil sonst unter Umständen die gesamte Marktwirtschaft von dem einzelnen vor dem Kadi gebracht werden könnte, und ich glaube, das wollten auch Sie nicht.
Ich erkenne Ihre Überlegung hinsichtlich der Merkmale, die für eine unangemessene Preisüberhöhung herangezogen werden, durchaus an. Sie wissen, daß auch wir im Ausschuß nicht glücklich darüber waren, daß hier eine Aufzählung bestimmter Merkmale gebracht wurde. Ich glaube aber, daß die Aufzählung, die nunmehr in der Vorlage enthalten ist, nämlich zum ersten das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung, zum zweiten die Ausnutzung einer Machtstellung und zum dritten die Ausnutzung einer Mangellage, sich an das wirkliche Problem weit mehr und positiver heranarbeitet als die allgemeine Formulierung, die Sie in Ihrem Antrag wieder zur Diskussion stellen.


(Dr. Hellwig)

Ich darf hier noch etwas zu der Art des Verfahrens sagen. Wenn man auf diese Beschränkung auf die fachlich zuständige oberste Landesbehörde verzichtete, würde der Fall eintreten, daß auch überall dort, wo gar kein öffentliches Interesse besteht, von irgend jemand, der sich aus irgendwelchen Gründen betroffen fühlt, der Versuch gemacht wird, ein Verfahren einzuleiten; und es können ganz subjektive Gründe und Motive sein, die den einzelnen dazu veranlassen. Die Prüfung, ob das öffentliche Interesse vorliegt, wird, wie Sie selbst gesagt haben, erst beim Gericht erfolgen. Wenn dieses Antragsrecht der fachlich zuständigen obersten Landesbehörde gegeben wird, erfolgt die Prüfung, ob ein öffentliches Interesse verletzt worden ist, bereits vor der Einleitung eines Verfahrens. Das ist, glaube ich, ein sehr wesentlicher Unterschied, der um so wesentlicher sein muß, als allein die Tatsache, daß ein Verfahren anhängig gemacht wird, unter Umständen für denjenigen, der von einem solchen Verfahren betroffen wird, bereits eine Benachteiligung seines Rufes sein kann. Wir meinen, daß diese ungerechtfertigte Benachteiligung seines Rufes keinesfalls in das Belieben der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer gestellt werden kann.
Ich glaube daher nach all den reiflichen Überlegungen -- wir haben uns im Ausschuß sehr gründlich über die Dinge unterhalten, und die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion haben uns in den Bedenken gegen diesen Antrag durch ihre eigenen Diskussionsbeiträge erheblich bestärkt —,

(Abg. Meyer-Ronnenberg: Sehr richtig!)

man sollte dem Antrag des Ausschusses zustimmen und von der Ausdehnung, deren justitiable Anwendungsmöglichkeit sehr umstritten ist, Abstand nehmen.
Ich darf wiederholen, was ich schon in Vertretung des Berichterstatters vorzutragen Veranlassung hatte: Ich bitte, dem Ausschußantrag zu folgen und den Antrag der SPD-Fraktion an dieser Stelle abzulehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217504100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Böhm.

Dr. Franz Böhm (CDU):
Rede ID: ID0217504200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man den Text des Antrags der SPD mit dem Text des Regierungsentwurfs in der Ausschußfassung vergleicht, zeigen sich zwei Unterschiede. Der Bundesjustizminister hat schon darauf hingewiesen, daß sich der SPD-Antrag mit der unangemessenen Höhe eines Preises begnügt, ohne weitere Tatbestandsmerkmale wie etwa das einer Störung des Marktes aufzustellen. Das ist der eine Unterschied. Der andere Unterschied ist, daß an die Stelle eines Strafverfahrens ein Bußgeldverfahren gesetzt wird, in dem in erster Instanz von Verwaltungsstellen Bußen verhängt werden können, an denen auch nicht das Odium eines kriminellen Delikts oder einer wirtschaftsstrafrechtlichen Verfehlung klebt. Dafür können aber sehr hohe Geldstrafen verhängt werden.
Ich möchte beide Gesichtspunkte einer Kritik unterziehen, wobei ich allerdings zugeben muß, daß sich die Kritik, die ich an dem materiellen Tatbestand zu üben habe, auch auf den Regierungsentwurf erstreckt.
Der Bundesjustizminister hat gesagt, nach dem Regierungsentwurf werde die unangemessene Preisüberhöhung nur bestraft, wenn sie in Ausnutzung einer gestörten Marktlage erfolge. Das trifft zweifellos zu für die Tatbestände 1 und 2, d. h. für die Ausnutzung eines nicht oder nicht genügend vorliegenden Wettbewerbs und für die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung. Es trifft aber nicht für den dritten Tatbestand zu, nämlich für die Ausnutzung einer Mangellage. Denn hier braucht in gar keiner Weise ein gestörter Markt vorzuliegen. Was hier vorliegt, ist sozusagen ernster als bloß ein gestörter Markt. Darüber haben wir uns im Ausschuß unterhalten und waren auch einer Meinung. Es kann in Fällen wie der Koreakrise, der Suezkrise oder irgendeiner anderen derartigen Krise eintreten, daß auf funktionierenden Märkten bei vollständig funktionierenden marktwirtschaftlichen Reaktionen das Ergebnis der marktmäßigen, also der legitimen Preisbildung ein unsozialer Preis ist, ein Preis, den wir aus irgendeinem Grunde nicht wollen.
Ich habe schon im Ausschuß den Gedanken vertreten, daß dann die Regierung eingreifen und an die Stelle des Marktpreises einen befohlenen Preis setzen muß. Erst die Überschreitung dieses befohlenen Preises kann dann bestraft werden. Wenn aber kein Preis festgesetzt wird, dann tun die Unternehmer etwas, was unsere Wirtschaftsordnung erlaubt; mögen die Preise noch so hoch sein, es sind echte Marktpreise oder können echte Marktpreise sein. Die Verantwortung dafür, dieses Ergebnis zu korrigieren, müßte die Regierung übernehmen. Dann kann man die Bürger, die sich an diesen Befehl nicht halten, mit der Schärfe des Schwertes treffen. Wenn wir aber hier ein Strafgesetz machen, nach dem Leute für etwas bestraft werden, was kraft einer Fiktion legitim ist, wälzen wir die Verantwortung für ein politisches Eingreifen oder für ein bestimmtes politisch gebotenes Verhalten von der Regierung auf den einzelnen Bürger ab.
Das ist mein großes Bedenken, das mich veranlaßt hat, auch im Ausschuß dagegen zu stimmen, solange das Tatbestandsmerkmal „Ausnutzung einer Mangellage" in diesem Gesetz ist.
Nun haben die Regierungsvertreter allerdings gesagt, sie stellten sich darunter eigentlich die Fälle vor, die wir in der Koreakrise erlebt haben und die bei einer Zuspitzung der jetzigen Krise eintreten können, nämlich das panikartige In-dieHöhe-Schnellen von Preisen und die Ausnutzung einer solchen Panikstimmung durch die Anbieter. Hier will man nun, obwohl man sich ganz klar darüber ist, daß die Frage sehr problematisch wird, wenn es zum Gerichtsverfahren kommt, die scharfe Waffe eines strafrechtlichen Verbotes haben. Dieses strafrechtliche Verbot richtet sich nicht gegen asoziale Elemente im üblichen Sinne, sondern es richtet sich gegen jedermann, weil jedermann —vor allen Dingen auch die Konsumenten, die hier nicht gepackt werden — in solchen Momenten in der Versuchung ist, sich gemeinschaftswidrig zu verhalten. Man will hier eine Gegenmotivation. Die Pläne und das Verhalten der Wirtschaftstätigen werden durch eine politische Panik in Bewegung gesetzt. Dem will man das starke Gegenmotiv der Furcht vor einer Verstrickung in ein kriminelles Verfahren entgegensetzen.
Ich habe mich davon überzeugt, daß, soweit die Regierungsvertreter lediglich oder in erster Linie


(Dr. Böhm [Frankfurt])

an diesen Tatbestand denken, ein Sonderfall getroffen werden soll, nämlich, ich möchte es in einer unjuristischen Sprache sagen, die Panikmacherei. Das ist durchaus verständlich. Ich würde sozusagen den Mißbrauch von Strafrechtsnormen, die, wenn sie vor den Richter gebracht werden, kaum richtig justitiabel und auslegungsfähig sind, zur rein psychologischen Prophylaxe bei so gefährlichen Lagen, wie wir sie in der Koreakrise gehabt haben und wie wir sie jetzt jederzeit bekommen können, eventuell in Kauf nehmen können, aber nicht mit ganz gutem gesetzgeberischem Gewissen, namentlich deswegen nicht, weil ja die Nachfrage hier der Hauptsünder ist. Warum gehen denn die Preise in einer politischen Krise hoch? Weil die Nachfragenden, die Konsumenten und die nachfragenden Betriebe, ihre Nachfrageportionen enorm ausweiten. Das In -die-Höhe-Gehen der Preise ist eine ganz marktgerechte Antwort auf diese panikartig erhöhte Nachfrage. Aber das wird von schlauen Anbietern ganz bewußt und bösartig — das erleben wir auch in jeder solchen Krise — ausgenützt, aber nicht einmal so sehr von denjenigen, die dann mit ihren Preisen übermäßig in die Höhe gehen, als von denjenigen, die in dieser Zeit überhaupt keine Ware mehr verkaufen, sondern ihre Ware zurückhalten und dadurch das Angebot noch weiter verknappen. Nachher werden von unserem Gesetz nur diejenigen erfaßt, die wenigstens noch Ware auf den Markt bringen und sich dadurch einigermaßen nützlich verhalten. Diese werden also bestraft, weil sie mit ihren Preisen der Verknappung der Ware, die von denen verschuldet worden ist, die die Ware überhaupt nicht auf den Markt gebracht haben, Rechnung getragen haben. Die Hauptsünder sitzen nachher im Trocknen und werden nicht bestraft.
Juristisch und wirtschaftspolitisch spruchreif sind die beiden ersten Tatbestände, also wenn kein Wettbewerb oder eine Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung vorliegt. Beim dritten Tatbestand haben wir alle zusammen aber den Fall noch nicht so genau durchdacht und wissen nicht, ob wir ein Strafgesetz vorlegen, das wir wirklich verantworten können. Der einzige Grund, der mich in diesem Augenblick zur Zustimmung bewegen könnte — aber auch nur unter dem Vorbehalt, daß wir möglichst bald in eine Diskussion über eine Änderung eintreten —, wäre die gegenwärtige Lage am Suezkanal und im Vorderen Orient, die gerade diesen Tatbestand wieder hervorrufen kann. Da sollten wir allerdings der Regierung ein Schwert an die Hand geben. Dann müßten wir aber wohl bei den drei Ausnahmetatbeständen bleiben und in erster Linie nicht auf das Vorliegen der Mangellage, sondern auf die Ausnützung der Mangellage, und zwar, wie ich hinzufügen möchte, in panikmacherischer Weise, abstellen. Das würde ich dann weit dem Text des SPD-Antrags vorziehen, obwohl der Text des SPD- Antrags in dieser Beziehung für mich etwas Sympathisches hat. Wenn die Gerichte auslegen sollten, was ein unangemessenes Entgelt ist, müßten sie sich mit der Frage befassen, welches Kriterium wir in einer Marktwirtschaft für die Unangemessenheit von Preisen haben. Dann würden sie sagen müssen: In der Marktwirtschaft ist jeder Preis angemessen, der sich unter den marktwirtschaftlichen Formen aus dem Spiel von Angebot und Nachfrage ergibt. Derselbe Grund, aus dem mir eventuell die SPD-Fassung sympathisch wäre, ist aber eigentlich ein Gegengrund für die Antragsteller; denn wenn die Gerichte so entschieden, würde praktisch eigentlich niemals oder kaum jemals der Fall des unangemessenen Preises vorkommen, und dann wäre es ein Schlag ins Wasser. Aber wir alle wollen mindestens den Fall der Panikmacherei treffen und wollen dafür eine Gegenwirkung.
Da möchte ich nun zu dem zweiten Punkt der SPD sprechen. Sosehr es mir einleuchtet, daß wir ein einfaches Verfahren machen müssen, also etwa ein Bußgeldverfahren, das verwaltungsmäßig in Gang gebracht wird, wobei wir dann auf die diskriminierende Wirkung verzichten, dafür aber hohe Geldstrafen vorsehen, so muß ich doch sagen, daß wir im Falle der Panikmacherei, wenn wir einen psychologischen Erfolg erzielen wollen, auf die Furcht vor der diskriminierenden Wirkung von Kriminalstrafen abstellen müssen. Das zeigt sich bei der amerikanischen Wirtschaft ganz deutlich. Die Furcht, vor den Staatsanwalt, vor den Strafrichter zu kommen, ist viel größer als die Furcht, zur Zahlung von 100 000 DM verpflichtet zu werden.

(Abg. Dr. Hellwig: Sehr richtig!)

Wenn wir gegen die Panikmacherei eine psychologische Schockwirkung erreichen wollen, müssen wir beim Strafverfahren bleiben und dürfen nicht auf das relativ harmlose, objektivierte Bußgeldverfahren zurückgehen, obwohl das Bußgeldverfahren schneller wirkt.
Im übrigen ist noch ein anderer Tatbestand der, den wir gegenwärtig in der Hochkonjunktur erleben. Die Preiserhöhungen in einer solchen Konjunktur sind doch wohl nach der Meinung der meisten Leute von der Geldseite und nicht von der Warenseite her bedingt. Ihnen müßte durch entsprechende Bremsung bei der Geldversorgung entgegengewirkt werden. Ich würde die allergrößten Bedenken haben, auch für solche Tatbestände den bequemen Ausweg der Schaffung eines Strafgesetzes zu nehmen und sozusagen die wirtschaftspolitische Verantwortung auf die Richter zu überwälzen.
Um es noch einmal zu sagen: nur unter der Voraussetzung, daß die Ausnützung der Mangellage — im wesentlichen nur in Fällen der Panikmacherei — durch die antragstellende Stelle angesprochen wird, könnte ich mich mit dem Gesetz überhaupt befreunden. In diesem Fall würde aber die Fassung der Regierungsvorlage die wirksamere und zweckmäßigere sein. Ich gebe natürlich Herrn Lange durchaus zu, daß die Richter hier überfordert werden. Auf der anderen Seite aber vermeiden Sie die Überforderung der Richter dadurch, daß Sie die Sache an eine Verwaltungsbehörde gelangen lassen und dem Ermessen einen Spielraum einräumen, der meine juristischen Haare zu Berge stehen läßt. Es ist praktischer, aber es ist gesetzgeberisch nicht so solide.
Aus diesem Grunde würde ich mich schweren Herzens jetzt allerdings dazu bereit finden können, dem Regierungsentwurf zuzustimmen. Aber ich würde bitten, den Antrag der SPD aus den Gründen, die ich genannt habe, abzulehnen.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217504300
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.


Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0217504400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht aufhalten, aber mit Rücksicht darauf, daß die in diesem Hause fallenden Äußerungen für die Auslegung und das Anwenden der Bestimmungen ihre Bedeutung haben werden, muß auf das, was Herr Kollege Böhm gesagt hat, etwas erwidert werden.
Sicherlich haben Sie recht, Herr Kollege Böhm, daß die beiden Tatbestände der Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit und der Ausnutzung einer Machtlage, einer Monopolstellung — ganz oder teilweise — sich wesentlich von einer Mangellage unterscheiden. Sie haben nun die Mangellage, die Sie als einen Tatbestand bezeichnen, den es auch in einem ungestörten Markt geben kann — das ist ein mehr theoretischer Streit, den ich hier nicht vertiefen möchte —, darauf abgestellt — und das war das Wesentliche —, es müsse die Qualifikation der Panikmache zu dem Ausnutzen einer solchen, gewissermaßen natürlichen Störung des Marktes hinzukommen.
Vom Standpunkt der Regierungsvorlage, der vom Ausschuß geteilt worden ist, möchte ich dazu sagen, daß der Schwerpunkt der drei Tatbestandsmerkmale wobei die beiden ersten gewissermaßen künstlich sind und das dritte, die Mangellage, eine natürliche Störung ist — auf der Ausnutzung liegt, d. h. auf dem ausbeuterischen, sozialethisch verwerflichen Verhalten. Das allein wird von dem Tatbestandsmerkmal einer Panikmache — es gibt auch noch andere Möglichkeiten — nicht gedeckt. Ich wollte das nur, Herr Kollege Böhm, zur Klarstellung der großen Problematik sagen. Wir sind uns bewußt, seit 25 Jahren, solange es diese Art Bestimmungen gibt, welch große Problematik darin steckt und was der Praxis der Rechtsprechung damit angelastet wird. Wir haben versucht, durch die beiden künstlichen und den einen natürlichen Tatbestand der Störung der Marktlage das Problem einzuengen und die Ausnutzung in ihrem sozialethisch verwerflichen, ausbeuterischen Verhalten als eine Strafhandlung zu umgrenzen.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217504500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0217504600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hätte hoffen sollen und können, daß der sozialdemokratische Antrag die Grundlage für eine gemeinsame Plattform abgeben durfte. Ich habe diese Hoffnung immer noch nicht aufgegeben und bedauere deshalb um so mehr, daß der sozialdemokratische Antrag von den Herren Kollegen Illerhaus und Hellwig so außerordentlich mißverstanden worden ist und daß man versucht hat, ihm mit Argumenten entgegenzutreten, die mir keineswegs stichhaltig erscheinen.
Herr Kollege Illerhaus hat gemeint, daß bei einer funktionierenden Wettbewerbswirtschaft, insbesondere wenn ein Käufermarkt besteht, ein unangemessener Preis überhaupt nicht gebildet werden kann. Nun, ich will das einmal unterstellen, es mag sogar weitgehend richtig sein. Gerade dann ist ja nicht einzusehen, warum Sie die Formulierung des Unangemessenen befürchten zu müssen glauben. Das Unangemessene wird eben immer — und es kann gar nicht anders sein — ein Symptom der Störung des Marktes darstellen, so daß, wie Herr
Kollege Böhm mit Recht ausgeführt hat, die zuständige Behörde und das dann das behördliche Ermessen kontrollierende Gericht in der Tat Erwägungen anzustellen haben werden, warum eine Störung vorliegt und wie sie von dem, der einen unangemessenen Preis gefordert hat, mißbraucht worden ist. Denn es ist keineswegs so — und da möchte ich Herrn Kollegen Hellwig mit aller Deutlichkeit entgegentreten —, daß jede Preiserhöhung, die durchaus unter Umständen einmal geboten sein kann — sogar der Bundestag selber hat schon Preiserhöhungen beschlossen —, ein unangemessener Preis ist. „Unangemessener Preis" heißt stets, daß er ein rechtswidrig unangemessener Preis sein muß oder, um einen Ausdruck des Herrn Bundesministers der Justiz aufzugreifen, ein ausbeuterisch unangemessener Preis. Aber der Spielraum dessen, was rechtswidrig unangemessen oder ausbeuterisch unangemessen ist und dadurch ein Unrecht darstellt, läßt sich nicht auf die drei Begriffe, die in der Regierungsvorlage stehen, einengen. Ich glaube, das hat mein Kollege Erwin Lange doch sehr deutlich dargestellt. Ich muß mich nur dagegen wenden, daß der Begriff des Unangemessenen hier so aufgeweicht wird, wie Sie es tun, gerade auch weil das für die Auslegung in der Praxis bedenklich sein könnte.
Ich muß mich nun mit Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz auseinandersetzen. Ich bitte, es nicht als persönliche Kritik aufzufassen, Herr Minister von Merkatz, wenn ich auch an Sie als den dritten Inhaber dieses Amtes von dieser Stelle aus die Bitte richte, doch mehr zu uns in den Ausschuß zu kommen. Ich weiß nicht, ob Sie bei der Beratung dieser Vorlage, wie es sicher möglich ist, dringend verhindert waren. Die Plenarauseinandersetzungen würden aber wesentlich leichter sein, wenn sich der zuständige Minister bei solchen Gesetzen auch jeweils an der Ausschußarbeit beteiligte.
Sie haben hier ausgeführt, der sozialdemokratische Antrag würde dem Richter, wie Sie sagten, etwas anlasten, was er nicht bewältigen könnte. Ich bin genau entgegengesetzter Überzeugung. Sie dürfen ja nicht bloß den Begriff des Unangemessenen den Begriffen in der Regierungsvorlage gegenüberstellen, auf die ich noch kommen werde, sondern Sie müssen noch berücksichtigen, daß der sozialdemokratische Antrag den Weg der Ordnungswidrigkeit als des geeigneten Mittels, um Preisüberhöhungen entgegenzutreten, gehen will und nicht die von Ihnen verteidigte Möglichkeit auch der strafrichterlichen Entscheidung. Worin besteht denn der Unterschied? Er besteht darin, daß bei der Ordnungswidrigkeit die Verfolgung im Ermessen, aber im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde liegt.
Die Ermessensbegriffe, ob wir nun „unangemessen" sagen oder uns selbst auf den Standpunkt der Regierungsvorlage stellen würden, erfordern zunächst einmal eine Instanz, bei der es angebracht ist, ihr ein Ermessen in die Hand zu legen. Für den Strafrichter sind Ermessensbegriffe grundsätzlich unangebracht; das wird noch zu erörtern sein. Es ist eine typische Aufgabe der Verwaltung, das Ermessen walten zu lassen, und keineswegs, Herr Kollege Hellwig, liegt darin, daß nun jeder Verwaltungsbeamte, um mit Shakespeare zu sprechen, anfangen könnte zu donnern, sondern gerade wenn es nach dem Wirtschaftsstrafgesetz eine Aufgabe der Verwaltungsbehörde ist, in jedem Falle der Preisüberhöhung nach ihrem pflichtgemäßen Er-


(Dr. Arndt)

messen vorzugehen, ist es nach der Eigenart der Verwaltung nicht nur möglich, sondern geboten, daß die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden von der obersten Landesbehörde gesteuert wird. Es ist ja das Wesen der Verwaltung, daß sie elastisch ist; es ist das Wesen der Verwaltung, weisungsgebunden zu sein, so daß ihr jeweils wechselnde Richtlinien erteilt werden können. Es ist sogar durchaus denkbar und zulässig, daß aus besonderem Anlaß die Oberste Behörde eines Landes die Weisung gibt, daß vor der Einleitung eines Verfahrens erst an sie zu berichten und ihre Zustimmung einzuholen ist.
Sie sind völlig im Irrtum, Herr Kollege Hellwig, mit dem, was Sie hier über die Unmöglichkeit einer verwaltungsmäßen Steuerung gesagt haben. Das ist objektiv unrichtig und stimmt mit dem Zustand, in dem sich die Verwaltungsbehörden befinden, nicht überein. Genauso irrig ist es, wenn Sie sagen, es sei dem Anzeigenden in die Hand gegeben, nun jedweden Menschen, wie Sie sich geäußert haben, vor den Kadi zu schleppen. Das ist keineswegs der Fall. Erstens einmal entscheidet der Anzeigende ja nicht, ob die Verwaltungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen ein Verfahren einleitet, noch weniger entscheidet der Anzeigende, ob das von der Verwaltungsbehörde eingeleitete Verfahren dann auch zu der Folge eines Bußgeldes führt. Sie stellen es also in einer sehr unsachlichen Weise so dar, daß nun der Kaufmann dem Anzeigenden ausgeliefert sei. Dann könnte ich ja auch behaupten, ich sei jedem ausgeliefert, der mich wegen Mordes, Betrugs, Unterschlagung oder Kuppelei anzeigt. Das ist nicht der Fall. Das Anzeigen bedeutet noch gar nichts. Sie dürfen auch nicht übersehen, daß es eine Vorschrift im Strafgesetzbuch gibt, nämlich die des § 164, daß man für leichtfertig oder wider besseres Wissen erstattete Anzeigen haftet, abgesehen davon, daß man sich unter Umständen auch zivilrechtlich schadenersatzpflichtig macht.
Also, solche Argumente sollte man hier nicht bringen; die ziehen und stechen einfach nicht. Hier handelt es sich darum, daß eine dafür geignete Verwaltungsbehörde einen nur für sie anwendbaren Ermessensbegriff zur Anwendung bringt, und zwar selbstverständlich gesteuert von der weisungsbefugten Obersten Landesbehörde, und daß sich in diesem Falle die richterliche Kontrolle auf die Frage des Ermessensmißbrauchs beschränkt. Aber die Verantwortlichkeit, der Sinn für das, was hier rechtswidrig unangemessen oder ausbeuterisch unangemessen ist, muß zunächst einmal bei der Verwaltungsbehörde liegen. Die Gerichtsbarkeit wird weitgehend dadurch entlastet, daß sie nur den Ermessensmißbrauch zu überprüfen hat.

(Abg. Dr. Hellwig: Gestatten Sie eine Frage?) Bitte schön, Herr Kollege Hellwig.


Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0217504700
Sie sprechen davon, daß Sie den „rechtswidrig unangemessenen Preis" treffen wollen. Darf ich um Aufklärung bitten, wo hier bestimmte gesetzliche Grundlagen für den angemessenen Preis vorliegen, so daß festgestellt werden könnte, wann sie verletzt sind und damit ein rechtswidrig unangemessener Preis vorhanden ist?

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0217504800
Aber Herr Kollege Hellwig, wenn in einem Gesetz steht, daß wegen der Unangemessenheit eines Preises für lebenswichtigen Bedarf eine Geldbuße verhängt werden kann, so heißt das nach jedweder gesetzgeberischen Systematik selbstverständlich, daß das ein rechtswidrig unangemessener Preis ist. Wodurch ein Preis rechtswidrig unangemessen werden kann, bedarf dann eben jeweils bei der Verwaltungsbehörde Erwägungen über Störungen des Marktes, z. B. durch eine politische Panik, die ausgebeutet wird, oder auf andere Arten, die Herr Kollege Lange Ihnen ausgeführt hat. Mit Ihren Beschränkungen des Wettbewerbs, wirtschaftlicher Machtstellung und Mangellage bringen Sie ja im wesentlichen auch nichts anderes, nur daß Sie eine Einengung versuchen und dadurch unter Umständen wesentliche Möglichkeiten einer rechtswidrigen Unangemessenheit oder einer ausbeuterischen Unangemessenheit frei lassen. Herr Kollege Böhm hat ja gerade dieses Beispiel gebildet, daß z. B. infolge einer Suez-Krise eine künstliche Panik erzeugt wird. Bitte, der Wettbewerb war noch nicht beschränkt, wirtschaftliche Machtstellung ist sehr zweifelhaft, eine Mangellage war in Wirklichkeit gar nicht da, sie wurde aber künstlich durch die Panikmache subjektiv in die Vorstellungen der Käufer projiziert, und das wurde rechtswidrig und unangemessen ausgebeutet. Also solche Beispiele lassen sich durchaus bilden. Selbstverständlich muß sich die Verwaltungsbehörde überlegen, worauf die Unangemessenheit beruht. Das ist doch kein Freibrief, der in dem Begriff „Unangemessenheit" steckt.
Es steht unter richterlicher Kontrolle, ob die Verwaltungsbehörde ihr Ermessen mißbraucht. Was hier benötigt wird, ist ein preispolitisches Steuerungsinstrument gegenüber Auswüchsen, die Sie sowenig wollen sollten, wie wir sie wollen. Die Methode des sozialdemokratischen Antrages ist es, diese Regelungen in die Hand einer dafür geeigneten Instanz zu geben, und das ist die nach pflichtgemäßen Ermessen vorgehende und richterlicher Kontrolle hinsichtlich eines Mißbrauchs des Ermessens unterstellte Verwaltungsbehörde.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217504900
ja, wir wollen zwar den Tatbestand so einschränken, daß dabei möglichst wenig herauskommt, dafür aber wollen wir die große Androhung des Strafrichters bringen. Herr Kollege Böhm hat zu meinem Befremden gesagt, es komme eben darauf an, durch die Furcht vor dem Strafrichter eine psychologische Schocktherapie zu treiben. Ich glaube, Herr Kollege Böhm, damit tun Sie der Justiz keinen Gefallen; denn die Justiz ist nicht der Wauwau oder der Klabautermann, die dazu da wären, durch Schocktherapie Leute in — vermeintlich — Angst und Schrecken zu setzen. Das, was hier geschieht, ist: der Strafrichter wird überfordert, er wird überfordert durch Ermessensbegriffe, die zwar eine mit Wirtschaftsfragen vertraute Verwaltungsbehörde unter der Weisungsanleitung ihrer obersten Dienststelle anwenden kann und bei denen dann nachher die Grenzen des Mißbrauchs richterlich nachgeprüft werden. Das ist möglich. Aber daß Sie dem Strafrichter jetzt die Entscheidung darüber geben wollen, daß er solche Begriffe wie Beschränkung des Wettbewerbs, wirtschaftliche Machtstellung, Unangemessenheit infolge einer Mangellage strafrichterlich entscheidet, ist weder mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Strafrechts vereinbar, noch ist das etwas, was in den Aufgabenbereich eines Strafrichters fällt.
Meine Damen und Herren, wir haben doch die Erfahrung seit 1915. Was ist die Folge eines solchen Mißbrauchs des Strafrechts und einer Überforde-


(Dr. Arndt)

rung der Justiz? Die Folge ist, daß diese Vorschriften mehr oder minder gar nicht angewendet werden, weil die Richter sich mit Recht scheuen, hier Strafen auf Grund einer so ungewissen und für Strafrecht unzureichenden Grundlage auszusprechen. Die Folge ist dann das allgemeine Geschimpfe auf die Justiz, der man Weltfremdheit, Obstruktion, Sabotage usw. vorwirft, während der gesetzgeberische Fehler hie r gemacht worden ist, indem man den Strafgerichten etwas anlastet, wozu sie nicht da sind und wozu sie ihrer ganzen Struktur nach nicht geeignet sind.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217505000
das darf den Strafgerichten nicht angetan werden, was hier — ich möchte fast sagen — als Augenpulver gemacht wird. Denn Sie wollen auf der einen Seite einen möglichst kastrierten Tatbestand, bei dem nichts herauskommt, und auf der andern Seite sagen Sie: da wird mit dem Staatsanwalt gedroht, und davor haben die Geschäftsleute psychologisch Angst. — Es ist auf der einen Seite sowenig richtig wie auf der andern Seite, daß man etwas Derartiges tut; denn Grundlage für ein kriminelles Strafrecht sind diese Ermessensbegriffe auch nicht unter Zuhilfenahme der Definition der Zuwiderhandlung und ihrer Abgrenzung von Ordnungswidrigkeit und Straftat. Ich bin ja selber daran betiligt gewesen, diese Definition im Wirtschaftsrat auszudenken. Sie mag für manche andere Gebiete des Wirtschaftsstrafrechts noch hingehen, aber hier, glaube ich, versagt sie. Hier kann man sich darauf nicht verlassen.
Nun haben Sie sich hier deshalb, weil Sie sich ja selber unsicher sind und weil Sie selber merken, daß hier etwas geschieht, was man eigentlich gesetzgeberisch nicht verantworten kann, noch eine Eselsbrücke gebaut. Ich bedaure abermals, daß sich der Herr Bundesminister der Justiz hier nicht den Erwägungen des Bundestagsausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht angeschlossen hat. Sie sagen nämlich, daß insbesondere auch eine strafrechtliche Verfolgung nur auf Antrag der Obersten Landesbehörde stattfinden soll. Das ist schon deshalb falsch, weil dieser sogenannte Antrag gar kein Antrag ist. Man spricht im Strafrecht von einem Antrag nur, wenn jemand als Person oder Institution verletzt worden ist und als Verletzter die Verfügungsmacht über das angetastete Rechtsgut besitzt. Verletzt ist der in seiner Ehre Gekränkte — er ist auch verfügungsbefugt —, verletzt ist der in seinem Hausfrieden Gestörte, verletzt ist unter Umständen auch eine Regierungsinstanz hinsichtlich eines Geheimnisses, das sie zu wahren und zu schützen hat, worüber sie aber auch verfügen kann.
Wenn ein solcher Verletzter hinsichtlich eines ihm zustehenden Rechtsgutes, das angetastet worden ist, dann auch mit Rücksicht auf seine Verfügungsberechtigung eine Mitentscheidung darüber hat, ob ein Strafverfahren stattfinden soll oder nicht, dann alleine spricht man — und darf man sprechen — von einer Antragsbefugnis. Das liegt hier gar nicht vor; denn hier ist ja die Verwaltungsbehörde nicht verfügungsberechtigt darüber, ob die Allgemeinheit, die Bevölkerung, durch überhöhte Preise ausgebeutet werden kann und darf oder nicht. Das ist kein Rechtsgut, über das die Verwaltungsbehörde verfügen dürfte und durch dessen Antastung sie als Verwaltungsbehörde verletzt wird.
Hier soll etwas ganz anderes geschehen. Hier soll die Regelung eingeführt werden, daß ein Strafverfahren nur — wie man es in früheren Gesetzen genannt hat — „auf Verlangen" stattfindet. Das ist etwas ganz anderes. Wir haben eine Strafvorschrift in der Zeit der Geldhortung gehabt; da hieß es, daß nur „auf Verlangen" des Finanzministers wegen Geldhortung strafrechtlich vorgegangen werden dürfe. Das ist selbst bei einer Bestimmung wie bei der über die Geldhortung schon eine zweifelhafte Sache. Unter keinen Umständen geht es hier bei einer so allgemeinen Vorschrift wie bei dieser Vorschrift gegen Preisüberhöhungen. Denn es bedeutet nichts anderes, als daß entgegen dem Grundgesetz der Verwaltungsbehörde ein Mitentscheidungsrecht über die Bestrafung gegeben wird. Einer insofern unverantwortlichen Verwaltungsbehörde wird die Befugnis mit in die Hand gelegt, darüber zu urteilen, ob ein Straftatbestand erfüllt ist oder nicht. Der Bundestagsausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat, zusammengesetzt aus Mitgliedern sämtlicher Fraktionen, sich einstimmig dahin schlüssig gemacht, daß eine derartige Regelung verfassungswidrig ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Mich wundert es gar nicht, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik schon wieder mit leichter Hand darüber hinweggeht. Meine Damen und Herren, wir kommen im Rechtsausschuß auch nur selten zu einstimmigen Beschlüssen. Aber jedesmal, wenn einer unserer einstimmigen Beschlüsse über die Verfassungswidrigkeit nachher vom Plenum nicht beachtet wurde, hat das Bundesverfassungsgericht die Auffassung des Rechtsausschusses bestätigt. Dann jammern Sie über die Aufhebung des Apothekenstoppgesetzes und noch einiger anderer Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht. Sie werden dasselbe hier erleben, weil es verfassungsrechtlich einfach nicht zulässig ist, es in das Belieben einer Verwaltungsbehörde zu stellen, zu sagen: der Schulze soll bestraft werden; der paßt mir nämlich nicht; der hat nicht das richtige Parteibuch, oder der hat das falsche Gesangbuch, oder der ist mir aus irgendwelchen Gründen sonstwie nicht angenehm. Aber d e r , das ist ein wichtiger Exportkaufmann, und bei dem kauft die Regierung mit ein, und der ist mir politisch oder sonstwie sympathisch; da wollen wir ein Exempel statuieren. — Mit einer solchen Justiz dürften wir kaum noch um Haaresbreite von dem entfernt sein, was drüben in der Zone als Tarnjustiz geschieht.
Ich warne Sie davor, einen solchen Weg zu beschreiten. Ja, Herr Hellwig, Sie schütteln den Kopf. Wir sind uns im Rechtsausschuß darüber einig gewesen. Ich weiß, daß die Wirtschaftler manchmal glauben, sie könnten über die Substanz rechtlicher und rechtsstaatlicher Bedenken mit leichter Hand hinweggehen. Aber Sie werden nachher wieder das Malheur beim Bundesverfassungsgericht erleben. So geht es nicht. Mit diesem Scheinantragsrecht können Sie nicht helfen. Das ist kein echtes Antragsrecht. Es ist eine verfassungswidrige Institution, weil Sie einer Verwaltungsbehörde die unverantwortliche Mitentscheidung darüber überlassen, ob nach dem Opportunitätsprinzip, das niemand kontrolliert, der eine bestraft werden soll und der andere nicht.
Auch aus dem Grunde gehört diese ganze Regelung in das Ordnungswidrigkeitsverfahren hinein, wo die Verwaltungsbehörde als die geignete nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln hat. Der Ver-


(Dr. Arndt)

waltungsbehörde allerdings kann man anvertrauen, diese Fragen unter richterlicher Kontrolle zu entscheiden, ob eine Preisüberhöhung rechtswidrig, d. h. ausbeuterisch, unangemessen ist oder nicht.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217505100
Auf der Rednerliste stand Herr Meyer-Ronnenberg. Ich gebe ihm das Wort.

Rudolf Meyer-Ronnenberg (CDU):
Rede ID: ID0217505200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich haben den Eindruck, daß das öffentliche Interesse, von dem in diesem Hause so oft die Rede ist, gerade hier in keinem Maße verletzt sein dürfte. Das, was wir hier unter öffentlichen Interessen verstehen, bedingt ja auch wohl die Anteilnahme unserer Kollegen, und hiermit kommt wohl zum Ausdruck, was immer wieder im Hintergrund der Debatte steht, daß wir noch gar keinen rechten Anlaß haben, ein Gesetz mit einem Wirtschaftsstrafparagraphen zu machen. Was Herr Kollege Lange vorhin wiederholt angeführt hat, sind diese alten Fälle aus unserer Wirtschaftsgeschichte, die zu gelegener Zeit immer wieder aufgewärmt werden und mit denen bewiesen werden soll, daß wir wirklich Preisüberhöhungen auf allen Gebieten hätten oder mindestens Gefahr liefen, sie zu bekommen.
Das bekannte Beispiel von dem Kohlkopf will ich gar nicht mehr aufgreifen; ich habe schon erwähnt, es ist völlig aus den Fingern gesogen. Man hat seinerzeit festgestellt, daß es eben nicht so war, wie behauptet wurde. Herr Kollege Lange, Sie haben auf die Erhöhungen der Käsepreise aus Anlaß der geringen Erhöhungen bei Trinkfrischmilch hingewiesen. Auch das fällt nicht unter die Dinge, die wir hier zu berücksichtigen haben. Wir waren uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß darüber klar

(Abg. Lange [Essen] : Irrtum, Herr MeyerRonnenberg, daß das nicht darunter fällt! Das ist eines der Argumente des Ernährungsministeriums gewesen!)

— Herr Lange, ich darf Sie darauf hinweisen, daß das Ernährungsministerium auch schon in anderen Fragen seine Meinung berichtigen mußte. Gerade auf diesem Gebiet müßte die Öffentlichkeit einmal darüber aufgeklärt werden, was wirklich los ist. Es bleibt nämlich hier immer unberücksichtigt, was z. B. im Lebensmitteleinzelhandel vorgeht. Im Lebensmitteleinzelhandel haben wir seit zwanzig Jahren eine Unterkalkulation des Umsatzanteils von 35 0/o. Der Lebensmitteleinzelhandel hat es in diesen zwanzig Jahren nicht fertigbekommen, diese Unterkalkulation aufzuheben, d. h. seinen kleinen, schmalen Verdienstsatz auch nur annähernd irgendwie aufzubessern. Das ist doch wohl ein Beweis dafür, daß auf diesem Sektor überhaupt keine Befürchtungen bestehen.
Was wir verhindern wollen und was wir möglicherweise verhindern können, liegt auf einem ganz anderen Sektor. Auf diesem Sektor wollen wir ganz bewußt Einschränkungen vorsehen. Hier wollen wir die oberste Landesbehörde einschalten. Die oberste Landesbehörde -- und darin kann ich Herrn Kollegen Dr. Arndt keinesfalls recht geben
— hat die Möglichkeit, gerade den vagen Begriff „unangemessen" in Ihrem Sinne vorzuklären. Das wollten wir ja gerade dem Richter ersparen. Wir können Ihrem Antrag nicht zustimmen, weil sonst
der Riegel, den wir den Ungerechtigkeiten vorschieben wollen, wieder beseitigt wird.

(Abg. Lange [Essen]: Nein, das ist auch nicht wahr!)

— Doch, denn mit Ihrem letzten Absatz, mit der Verletzung des öffentlichen Interesses, können Sie das nicht lösen.

(Abg. Lange [Essen]: Doch!)

Es muß eine kleine Einschränkung vorhanden sein. Darum haben wir im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gekämpft. Gerade im Wirtschaftspolitischen Ausschuß waren Ihre Kollegen größtenteils unserer Meinung. Wir hatten mit Ihnen eine weitgehende Übereinstimmung in den Argumenten erzielt. Ich wundere mich, daß Sie jetzt auf einmal wieder von dieser mühsam gefundenen Linie abgehen wollen und einen Antrag stellen, der alle unsere Überlegungen über den Haufen wirft. Damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Wir wollen einen Wirtschaftsstrafparagraphen schaffen, um den äußersten Notfällen begegnen zu können, nicht aber um ein längst überholtes System von Preisüberwachungskünstlern wieder ans Tageslicht zu holen, wie es früher einmal bestanden hat. Unter diesem System ging man nicht von den Gesamtkalkulationen in den Betrieben aus, sondern man ging willkürlich nach dem auf unterster Ebene gewonnenen Ermessen gegen die kleinen Leute, gegen die kleinen Ladeninhaber vor.
Ich glaube, wir erweisen unserer Marktwirtschaft keinen guten Dienst, wenn wir weiterhin immer wieder betonen, daß sie in Wirklichkeit keine freie Marktwirtschaft sei, sondern eine immer mehr gelenkte Marktwirtschaft werden sollte. Das würden wir durch Annahme des SPD-Antrages erreichen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217505300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0217505400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich müßte jetzt eigentlich zunächst einmal den Kollegen Meyer-Ronnenberg fragen, ob er gemeint hat, daß wir zwangswirtschaftliche Maßnahmen wollen. Wenn er das gemeint hat, weiß er ganz genau, daß er das wider besseres Wissen gesagt hat. Also mit solchen propagandistischen Mätzchen sollten Sie hier nicht kommen!

(Sehr gut! bei der SPD.)

Auf der anderen Seite ist folgendes festzustellen. Wir müssen auch hier der Legendenbildung vorbeugen. Darf ich dem Hause noch einmal in Erinnerung rufen, wie sich die Debatte im Ausschuß vollzogen hat. Die Debatte entzündete sich — und das hat Professor Böhm schon dargestellt — an der Ausweitung der Tatbestandsmerkmale gegenüber der Regierungsvorlage von 1954. Die Debatte war gewissermaßen auf ihrem Höhepunkt bei der Auseinandersetzung um den Begriff der Mangellage. Man war sich einig, daß dieser Begriff eigentlich kein justitiabler Begriff sei. Auf die Mangellage allein — —

(Abg. Dr. Hellwig: Die Sie aber drin haben wollten!)

— Moment, Herr Hellwig, immer mit der Geduld! Ich komme noch dazu. Sie wissen ja, daß ich Ihnen kein X für ein U vormachen will.


(Lange [Essen])

Wir sind dann im Ausschuß sogar noch einen Schritt weitergegangen. Wenn ich nicht irre, war es der Vorsitzende — und wenn ich nicht irre, war das Herr Dr. Hellwig —, der erklärte, daß wir uns auf Grund dieser Diskussion in immer stärkerem Maße der ursprünglichen Regierungsvorlage von 1954 -- Drucksache 478 — nähern.

(Abg. Dr. Hellwig: Ich muß das berichtigen: bei dieser Ausschußberatung führte Ihr Fraktionskollege Dr. Schöne den Vorsitz!)

— An dieser Stelle ist eine solche Äußerung gefallen, und wenn es Schöne gesagt haben sollte, so ist das gleichgültig. Jedenfalls ist es ohne Widerspruch im Ausschuß festgestellt worden und ebenso in der weiteren Diskussion in einer neuen Sitzung. Ich will das jetzt nicht vertiefen, das könnten wir an Hand des Protokolls genau feststellen. Aber das ist jetzt kein Streitpunkt für uns. Fest steht nur, daß das — um es ganz vorsichtig zu sagen — von dem amtierenden Vorsitzenden geäußert worden ist. Fest steht, daß dann in der nächsten Sitzung nicht mehr die Neigung bestand, in der ursprünglichen Diskussionsrichtung fortzufahren.
Darauf kam natürlich unsererseits die Reaktion: Wenn man hier eines der Merkmale aus dem Gesetz herausbringen will, haben auch wir Bedenken, und dann helfen wir lieber mit, daß es erst einmal in dieser Form durchgeht, damit der Grundsatz der Ahndungswürdigkeit von Preisüberhöhungen überhaupt anerkannt wird. Das habe ich vorhin in der Begründung schon einmal gesagt. Insofern gibt es hier keine andere Auslegungsmöglichkeit unseres Verhaltens. Wir haben immer wieder den Versuch unternommen — auch nachdem der Rechtsausschuß sich geäußert hat —, Sie auf die ursprüngliche Regierungsvorlage, jetzt in der Gestalt der SPD-Vorlage, hinüberzubewegen. Ich glaube, das können Sie nicht bestreiten. Insoweit war klar zu erkennen, daß wir im wesentlichen auf unserer ursprünglichen Auffassung beharrten.
Wir hatten im Verlauf der Auseinandersetzung auch zu erkennen gegeben, daß es notwendig sei, wenn man die Mangellage und die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtstellung aus dem Gesetz herausbringe, auch die Beschränkung des Wettbewerbs herauszubringen.

(Abg. Samwer: Aber im Ausschuß haben Sie für die Beibehaltung der „Mangellage" gestimmt!)

Und genau das ist die Vorlage, die wir Ihnen heute auf den Tisch legen. Insoweit liegt also bei uns keinerlei Inkonsequenz vor. Insofern besteht auch kein Anlaß zu einer Bestärkung Ihrer Bedenken. Was im übrigen die rechtspolitische und verfassungsrechtliche Seite anbetrifft, kann ich getrost auf das verweisen, was hier mein Kollege Adolf Arndt zum Ausdruck gebracht hat.
Wir haben uns in einem anderen Zusammenhang, und zwar bei der Beratung des Sicherstellungsgesetzes, über den Begriff der sozialen Marktwirtschaft unterhalten. Dabei ist aber im Hinblick auf den Preis, auf das Spiel von Angebot und Nachfrage immer nur auf die Marktwirtschaft schlechthin abgehoben. Nach den Aussagen, die in der Debatte um das Sicherstellungsgesetz gemacht worden sind, weiß ich, daß für die Regierungskoalition der politische Begriff der sozialen Marktwirtschaft entscheidend ist. Ich darf jetzt den Herrn Minister von Merkatz und den Herrn Kollegen von Merkatz auf einen anderen Tatbestand hinweisen, nämlich auf die ursprüngliche Vorlage vom 24. April 1954. Dort war selbst die Regierung der Überzeugung, daß eine Zuwiderhandlung dann vorliegt, wenn für Gegenstände oder Leistungen, „für die ein wirksamer und freier Leistungswettbewerb nicht besteht", unangemessene Entgelte gefordert werden. Ein Entgelt ist nach der damaligen Regierungsvorlage in der Regel insbesondere dann unangemessen, „wenn gesunkene Preise für die Wiederbeschaffung oder Wiedererzeugung nicht berücksichtigt sind oder bei gestiegenen Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Gewinn- oder Handelsaufschlag im Hundertsatz nicht ausreichend gesenkt ist".
Das war einmal einheitliche Auffassung, aber das scheint heute nicht mehr der Fall zu sein. Das heißt doch, daß Sie selbst einmal der Meinung waren, daß man noch kalkulieren muß und nicht einfach einen Preis nehmen darf, den man bekommen kann. Was den Preis, den man bekommen kann, anbetrifft, hat auch Professor Böhm etliche Unterscheidungen gemacht.
Die Abgrenzung dieser Dinge ist sehr schwierig, und bei der von Ihnen beabsichtigten Regelung wird der Richter in der Tat überfordert. Dieses Problem wird auch nicht durch die Vorschaltung des fiktiven Antragsrechts — um es jetzt einmal so auszudrücken — der fachlich zuständigen obersten Landesbehörde gelöst.
Insoweit treffen auch Ihre vorhin geäußerten Befürchtungen, die sich auf eine angebliche „volle Breitseite gegen die Marktwirtschaft" beziehen, hier nicht zu, es sei denn, Sie geben jetzt Ihrer Marktwirtschaft eine andere Auslegung.
Auch Kostenveränderungen von außen, sehr verehrter Herr Illerhaus, oder Wirkungen von außen, die zu Kostenveränderungen im Innern führen, sind kalkulierbar. Kein Mensch — und das hat Herr Dr. Arndt hier auch ausgeführt — wird von „unangemessen" reden, wenn eine solche Wirkung vorangegangen ist, die in der Tat zu einer Veränderung der Kostensituation geführt hat. Das würde ich aber für den Augenblick, in dem beispielsweise der Preis für Vergaserkraftstoff heraufgegangen ist, noch bestreiten; denn da war alles das, was auch Sie in einem Ihrer drei Kriterien erfassen wollen, noch nicht eingetreten. Es ist zu bestätigen, daß längst nicht alle Preiserhöhungen — ich will noch einmal unterstreichen, was Kollege Dr. Arndt dargelegt und was auch Kollege Illerhaus gesagt hat — Preisüberhöhungen sind. Aber wir müssen zu sauberen betrieblichen Kostenrechnungen und sauberer Kalkulation kommen können; das ist auch ein volkswirtschaftliches und betriebswirtschaftliches Erfordernis, dem selbst die eingeschworensten Verfechter der Marktwirtschaft nicht widersprechen werden. Insoweit ist in der Tat, meine ich, was Wirksamkeit und schnelle Ahndung anbetrifft, der Vorschlag, den wir hier unterbreitet haben, entscheidend.
Es ist auch mit keinem Wort unsererseits nur auf den Lebensmitteleinzelhandel mit der Unterkalkulation, von der Sie, Herr Meyer-Ronnenberg, gesprochen haben, abgehoben. Auch dort, wo veränderte Kostenfaktoren vorhanden sind, wo eine veränderte Kostensituation gegeben ist, wo sich eine andere Kalkulationsgrundlage ergibt, wird kein Mensch von unangemessenen Preisen reden können. Insoweit sind also alle diese Dinge ausgeräumt. Und die Behörden, die in der Tat fachlich


(Lange [Essen])

zuständig sind — es wird nicht, wie Sie meinen, daraus ein neuer Schnüffelparagraph —, die also von Berufs oder Amts wegen mit der Wirtschaftspolitik zu tun haben, dürften sich j a auch über allgemeine volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Erfordernisse und Grundsätze im klaren sein. Daher sind alle Bedenken, die Sie jetzt gegen unseren Vorschlag erheben, unberechtigt, sie gehen von falschen Voraussetzungen aus, von Voraussetzungen, die sich auf den alten § 19 und die damals zu meisternde Situation beziehen, so daß hier in der Tat von völlig verschiedenen Ebenen aus argumentiert wird. Man macht hier den Versuch, etwas, was wirksam ist, abzulehnen und dafür mit Ihrem Vorschlag oder mit der Ausschußformulierung etwas zu bekommen, was — ich will jetzt nicht das Wort Gewissen gebrauchen — Sie aber in Ihrer wirtschaftspolitischen, volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Auffassung beruhigt und was Ihnen auch geeignet erscheint, die Leute draußen zu beruhigen. Uns scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein. Ich sage hier noch einmal, was ich vorhin gesagt habe und was auch Kollege Dr. Arndt gesagt hat: die Vorlage, wie sie jetzt der Ausschuß dargeboten hat, ist Augenauswischerei, ist kein wirksames Mittel, den Preisüberhöhungen zu begegnen. Die sich daraus ergebende psychologische Belastung in der öffentlichen Meinung gegenüber den zuständigen und verantwortlichen Behörden, Gerichten usw. wird so unangenehm sein, daß diese Dinge einfach nicht standhalten werden. Überprüfen Sie deshalb noch einmal Ihre Stellung!

(Abg. Dr. Hellwig: Das hätten Sie im Ausschuß sagen sollen! Da waren Sie einer anderen Meinung!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217505500
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Böhm.

Dr. Franz Böhm (CDU):
Rede ID: ID0217505600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Arndt hat mit seinen Ausführungen über den Schutz der Strafjustiz und der Richter gegen Aufgaben, die die Strafjustiz und die Strafrichter nicht lösen können, eine Saite angeschlagen, die bei mir und bei uns sehr zum Klingen geneigt ist, zweifellos auch beim Herrn Bundesjustizminister. Herr Kollege Dr. Arndt hat auch einem Bedauern Ausdruck gegeben, daß ich mich in meinen letzten Ausführungen von der Milch der reinen Denkungsart erschreckend weit distanziert habe. Ich kann Ihnen dabei nicht einmal so ganz Unrecht geben. Sie haben vielleicht nicht überhört — und das wissen Sie auch von den Ausschußsitzungen her —, daß mir auch beim Regierungsentwurf nicht wohl in meiner Haut ist. Aber — nun komme ich zu dem großen „Aber", Kollege Arndt — Sie haben sehr gute und treffende Ausführungen gemacht, um den Gesetzgeber und die Exekutive an die sehr strengen moralischen rechtsstaatlichen Grundsätze zu erinnern, die es bewirken sollen, daß Legislative und Exekutive mit der Justiz eine wirklich mustergültige Ehe führen. Aber Sie und Ihre Fraktion haben sich diese strengen Anforderungen, die Sie gestellt haben, in bezug auf dieses Gesetz dadurch erleichtert, daß Sie der Legislative und der Exekutive zur linken Hand eine neue Gemahlin zugeführt haben, die alles das tun darf, was nach Ihrer Meinung die Strafjustiz nicht tun darf: das ist das Bußgeldverfahren, das ist die verwaltungsmäßige Strafjustiz, eine QuasiJustiz, die Leute bis zu 100 000 DM nach Ermessensgrundsätzen verurteilen darf, was der Strafrichter nicht darf. Dabei haben Sie und Ihre Fraktion vergessen, daß ein uraltes und feierliches rechtsstaatliches Postulat das Postulat war, daß niemand gestraft werden darf, es sei denn durch den ordentlichen Richter. Ein Einbruch entstand dann mit dem Polizeistrafverfahren wegen Fahrens ohne Licht nach Einbruch der Dämmerung und ähnlicher kleinerer Polizeidelikte. Bei diesen Dingen haben schon sehr unappetitliche Gespräche stattgefunden, ob diese Polizeistrafen ein Verschulden voraussetzen oder nicht. Durch diese Bresche des Verwaltungsstrafverfahrens ist dann ein sehr trüber Strom der Strafjustiz, ein illegitimer Nebenstrom der Strafjustiz eingeflossen. Sie wollen das Bußgeldverfahren auch nur als ein weniger angesehenes und weniger sauberes Mädchen, als es die Justiz ist, benutzen, das eine gewisse Dreckarbeit verrichten soll, die Sie der normalen Strafjustiz nicht aufbürden wollen. Das ist aber sehr gefährlich. Wir sind zwar bei dem materiellen Teil dieses Gesetzes zu strengeren Formulierungen gekommen. Wir wollten aber bei der Strafjustiz bleiben, weil dieser Weg, den wir gehen wollten, insgesamt am meisten noch mit der Sicherheit des Individuums gegenüber einer willkürlichen Strafjustiz vereinbar ist und der rechtsstaatlichen Forderung am nächsten ist.
Ich habe aus diesem Grunde eine gewisse Abweichung von der ganz reinen Linie in Kauf genommen. Ich habe diese Abweichung aber nach der Justiz verlagert, weil ich das immer noch für das Bessere halte und weil ich aus der amerikanischen Erfahrung weiß, daß es besser und unbedenklicher ist, in Fragen des Wirtschaftsstrafrechts wie bei den Monopolklagen vom Legalitätsprinzip abzugehen und Vergleiche zwischen Angeklagten und Staatsanwalt zuzulassen. Das alles halte ich für einen Rechtsstaat noch für viel unbedenklicher als die Zulassung eines zweiten hypertrophierten Strafbetriebs, bei dem man sagen kann: Gut, das soll nicht in die Strafliste kommen, das soll den Ehrenstatus des Bestraften nicht beeinträchtigen; er ist und bleibt ein Gentleman, er wird nur um 100 000 DM erleichtert. Obwohl Verwaltungsbehörden keine Richter sind, werden sie hier rein strafrechtlich tätig.

(Abg. Dr. Arndt: Nein, eben nicht!)

Sie können mit Geldbußen in das Vermögen durch eine Maßnahme eingreifen, bei der sie gezwungen sind, einen individuellen Tatbestand an einem Verbot, also an einer reinen Strafvorschrift zu messen.

(Abg. Dr. Arndt: Nein!)

Ich halte diese Ausweitung, diese zweite, illegitim, zur linken Hand angetraute Strafjustiz für genau so gefährlich. Wir beide zusammen wollen einen gewissen Effekt erzielen. Wir prüfen, wie wir zu diesem Effekt kommen, ohne daß eine Störung in unserer Rechtsstaatlichkeit eintritt. Ich bin der Meinung, daß hier für den Schutz die starke Inanspruchnahme von gerichtlichen Tätigkeiten besser ist. Wir lassen es bei der ehrlichen Bestrafung. Meine Freunde und ich versuchen damit nicht, ein Anliegen zu sabotieren — das scheint Ihr Bedenken zu sein —, das wir gemeinsam haben. Wir waren überhaupt in unserem Ausschuß, bis sich die Juristen in die Sache eingemischt haben, viel einiger.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217505700
Herr Redner, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Dr. Franz Böhm (CDU):
Rede ID: ID0217505800
Jawohl.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0217505900
Herr Kollege, wollen Sie den Unterschied zwischen zivilistischem Unrecht, Verwaltungsunrecht und kriminellem Unrecht bestreiten und wollen Sie behaupten, daß z. B. ein Richter, der in einem konkreten Fall auf Grund einer allgemeinen Vorschrift wie die der guten Sitten oder der Verkehrssitten oder von Treu und Glauben einen Schadensersatzanspruch zuspricht, auch Strafjustiz treibe?

Dr. Franz Böhm (CDU):
Rede ID: ID0217506000
Beim zivilistischen Unrecht und beim kriminellen Unrecht entscheidet ein Richter, und beim Verwaltungsunrecht sollte eigentlich auch ein Richter entscheiden. Die Tatsache, daß wir das Verwaltungsbehörden tun lassen, halte ich für eine deutsche Verirrung allerschlimmsten Ausmaßes.

(Sehr richtig! in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217506100
Das Wort hat der Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0217506200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt die Argumente von beiden Seiten noch einmal gehört. Wir haben gehört, daß die Ziele, die verfolgt werden, angeblich gleichartig sind. Es müßte im Grunde genommen möglich sein, eine für alle tragbare vernünftige Lösung zu finden. Ich beantrage deshalb, daß der Entwurf noch einmal an die beteiligten Ausschüsse überwiesen wird, und möchte empfehlen, daß wir wegen des Auslaufens des Wirtschaftsstrafgesetzes das Fristverlängerungsgesetz in der nächsten Woche in erster, zweiter und dritter Lesung beraten. Ich glaube, darüber bestehen überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten. Aber wegen des sachlichen Gehalts des Preisüberhöhungsparagraphen sollte die ganze Vorlage an den Ausschuß zurückgehen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217506300
Herr Kollege, darf ich Ihren Antrag so verstehen, daß nicht nur der Ausschußantrag, sondern auch der Antrag der SPD zurücküberwiesen werden soll?

(Abg. Lange [Essen] : Alles, der ganze Komplex!)

— Danke.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Justiz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0217506400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung möchte ich bitten, diesen Antrag abzulehnen, da sonst die Gefahr besteht, daß wir nach Ablauf des alten Gesetzes in einen gesetzlosen Zustand hineinkommen,

(Zurufe von der SPD: Nein!)

daß eine Lücke entsteht. Ich befürchte, daß die Ausschüsse in dieser Frage doch nichts Neues an Gesichtspunkten zutage fördern werden und daß damit eine Verzögerung eintritt, die auch die Behandlung der anderen Gesetzesvorlagen, insbesondere in dem stark belasteten Rechtsausschuß, weiter erschweren würde.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217506500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0217506600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag, die Materie den Ausschüssen zurückzuüberweisen, muß mit aller Deutlichkeit widersprochen werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

In dem Ausschuß ist ausgiebig und genügend über diese Fragen verhandelt worden. Wenn eine Unklarheit übriggeblieben ist, so ist es die Unklarheit darüber, was eigentlich die SPD-Fraktion in dieser Angelegenheit für eine Meinung hatte.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Widerspruch bei der SPD.)

Es hat nämlich bisher insgesamt drei verschiedene Meinungen gegeben, die von Ihnen und Ihren Kollegen im Ausschuß an verschiedenen Tagen vorgetragen worden sind und nunmehr, nachdem der Ausschußbeschluß unter . Ihrer Mitwirkung zustande gekommen ist, nochmals im Plenum vorgetragen werden. Ich bin der Meinung, daß der Ausschußbeschluß das Ergebnis ausreichender Beratungen ist und daß, soweit ich weiß, die Mehrheit in diesem Hause auch eine klare Vorstellung von der Notwendigkeit hat, dieses Gesetz so schnell wie möglich, jetzt und heute, zu verabschieden. Dann sollte auch so verfahren werden. Die Meinungsklärung, von der gesprochen worden ist, ist eine Angelegenheit, die einen Teil dieses Hauses angeht, der aber genügend Gelegenheit hatte, diese Klärung vorzunehmen.

(Beifall in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217506700
Herr Abgeordneter Lange hat das Wort.

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0217506800
Auch wenn Sie ungeduldig werden — ich kann solche Behauptungen nicht einfach auf den sozialdemokratischen Mitgliedern des Ausschusses sitzen lassen.

(Abg. Dr. Hellwig: Lesen Sie die Protokolle!)

Wir haben nie eine Unklarheit darüber gelassen, was wir im Grunde genommen wollten. Wir haben aber — und das ist entscheidend, weil auch bei der CDU darüber keine Klarheit bestand —

(Widerspruch in der Mitte)

mitgeholfen, zuerst einmal den Grundsatz der Ahndungswürdigkeit von Preisüberhöhungen überhaupt durchzusetzen. Das war ja unser Bemühen. Sie dürfen aber deshalb jetzt nicht, wie Sie es soeben getan haben, den Versuch machen, uns solche Dinge zu unterstellen, die in keiner Weise den Tatsachen entsprechen.

(Abg. Dr. Hellwig: Lesen Sie die Protokolle!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217506900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu Art. 1.
Zur Abstimmung steht zunächst der Antrag auf Rücküberweisung an die zuständigen Ausschüsse. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zu den Sachanträgen. Es liegt der Antrag der SPD auf Umdruck 847*) vor, der den § 2 a der Ausschußfassung in vollem Umfang ersetzt. Ich stelle den Antrag Umdruck 847 zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich
') Siehe Anlage 4.


(Vizepräsident Dr. Becker)

bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Wir kommen zu Art. 1 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Art. 2 auf. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wer für Art. 2 in der Ausschußfassung zu stimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Angenommen.
Ich rufe Art. 3 und Art. 4 in der Ausschußfassung auf, wobei ich das Einverständnis des Hauses mit der gemeinsamen Beratung und Verabschiedung annehme. Ich eröffne die Debatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für Art. 3 und für Art. 4 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte urn die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.

(Zurufe von der DP: Gegenstimmen!)

— Eine Gegenstimme, danke schön!

(Widerspruch rechts. — Zuruf von der Mitte: Einige!)

— Entschuldigen Sie, ich habe es nicht gesehen.
Einleitung und Überschrift! — Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um Angabe der Gegenstimmen. — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und zwei Enthaltungen angenommen.
Damit ist die zweite Lesung geschlossen, und wir kommen zur dritten Lesung.

(Abg. Dr. Arndt: Zur Geschäftsordnung!)

— Herr Kollege Arndt zur Geschäftsordnung!

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0217507000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion sieht sich zu ihrem sehr lebhaften Bedauern gezwungen, um eine Unterbrechung der Sitzung für 30 Minuten zu bitten, damit wir die Möglichkeit einer Fraktionssitzung haben.

(Abg. Rasner: Einverstanden!)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217507100
Ist das Haus damit einverstanden? Ich darf wohl annehmen, wenn eine Fraktion diesen Wunsch äußert, daß das Einverständnis des Hauses gegeben ist.

(Abg. Stücklen: Die halbe Stunde wird dem Plenum zugerechnet!)

Dann unterbreche ich die Sitzung bis um 13 Uhr 40.

(Unterbrechung der Sitzung: 13 Uhr 6 Minuten.)

Die Sitzung wird um 13 Uhr 42 Minuten wieder eröffnet.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217507200
Meine Damen und Herren, die Sitzung wird wieder eröffnet.
Wir waren bei der Frage der dritten Beratung des in zweiter Lesung angenommenen Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen zur Generaldebatte? — Herr Dr. Hellwig!

Prof. Dr. Fritz Hellwig (CDU):
Rede ID: ID0217507300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich eine kurze Erklärung abgeben.
Wir sind der Meinung, daß die wirtschaftspolitische Führung auch in einem System der Marktwirtschaft, d. h. der Wettbewerbswirtschaft, eine Handhabe braucht, um, wenn in kritischen Situationen mißbräuchliche Ausnutzungen des Spiels von Angebot und Nachfrage durch Preisüberhöhungen eintreten, eingreifen zu können. Die Frage, wohin eine solche Handhabe gehört, hat uns in den letzten Jahren wiederholt beschäftigt. Wir wissen genau, daß eine solche Handhabe in der Gefahr steht, auf der unteren Verwaltungsebene für alle möglichen Bagatellangelegenheiten eingesetzt und angewandt zu werden. Wir sind deshalb der Meinung, daß sie auf das engste mit der verantwortlichen wirtschaftspolitischen Führung gekoppelt sein muß. Da der Bundeswirtschaftsminister auf der Landesebene nicht selbst handelt, sondern hier die fachlich zuständigen Landesbehörden anzusprechen sind, sollten diese nach unserer Meinung im Gesetz ausdrücklich genannt werden. Das Begehren der verantwortlichen Wirtschaftspolitik, die Möglichkeit eines Eingreifens auch mit der Ahndung eines strafrechtlich zu verfolgenden Tatbestandes zu haben, kommt, glaube ich, in dieser Vorlage richtig zum Ausdruck. 4
Ich will mich auf diese kurze Erklärung beschränken; denn wir sollten so rasch wie möglich zur Verabschiedung kommen, weil auch der Fristablauf für die anderen Teile des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 vor uns steht. Ich darf Sie namens meiner Fraktion nochmals darum bitten, dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, Ihre Zustimmung zu erteilen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217507400
Das Wort in der Generaldebatte hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.

Dr. Alexander Elbrächter (CDU):
Rede ID: ID0217507500
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Im Namen meiner Freunde von der Fraktion der Deutschen Partei darf ich bekanntgeben, daß wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden. Ich will in Anbetracht der kurzen Zeit, die uns nur noch zur Verfügung steht, eine möglichst knappe Begründung geben.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir bereits vor zwei Jahren einem solchen Begehren nicht haben zustimmen können. Die Gründe grundsätzlicher Art sind heute noch die gleichen. Wer an das Prinzip der Marktwirtschaft glaubt, muß zugeben, daß der Preis sich auf dem freien Markt bildet und daß man ihn nicht künstlich festhalten kann. Herr Kollege Böhm hat im Rahmen der juristischen Auseinandersetzung, ob Ordnungswidrigkeit oder ordentliches Strafverfahren, so nebenbei das Kernproblem berührt. Er sagt, wenn außermarktwirtschaftliche, politische Gründe von außen her den Preis bilden, muß eine verantwortliche Regierung den Mut haben, den Preis festzuhalten, ihn fest


(Dr. Elbrächter)

zu binden. Dann muß sie das aber auch offen erklären. Solange solche politischen Gründe nicht vorliegen — und wir sind der Überzeugung, daß sie im gegenwärtigen Augenblick keineswegs vorliegen —, sollte man uns, die Wirtschaft, mit Strafrichtern oder Ordnungswidrigkeiten verschonen. Die Erfahrungen der Vergangenheit sind hier nicht die besten. Ich spreche da aus einer langen eigenen Erfahrung. Niemand kann uns davon überzeugen, daß nicht wiederum ein Heer von Wirtschaftspreisüberwachern — ich will den Ausdruck „Schnüffler" gar nicht so stark betonen, wie es hier geschehen ist; aber in der Tat ist es so — ersteht. Es wird — das sage ich, obwohl ich mit Herrn Lange übereinstimme — doch wieder so kommen, daß ausgerechnet die Kleinen daran glauben müssen, während gerade bei der jetzigen Konstruktion, daß es vor einem ordentlichen Strafgericht abgewickelt werden muß, die Großen die Möglichkeit haben werden, das Verfahren hinauszuziehen oder sich aus der Sache herauszuwinden.
Ich bin also nicht überzeugt, daß die sozialdemokratische Konstruktion und die Vorlage der Regierung das Wesen des Preises berühren werden. Es ist hier die Rede davon gewesen, daß äußere Umstände in letzter Zeit auf den Preis eingewirkt haben. Das ist sehr schamhaft gesagt worden. Solche äußeren Umstände sind zweifellos durch die Politik — siehe Suezkrise — hineingebracht worden. Sie sind auch — das ist ein natürlicher Vorgang — ständig insofern da, als wir vom Weltmarktpreis abhängig sind. Aber wir sollten doch nicht verschweigen, daß auch innere Vorgänge ganz erheblich an unserem Preisgefüge gerüttelt haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat die Dinge gestern anläßlich der Kohlendebatte ganz deutlich ausgesprochen; ich brauche es nicht zu wiederholen. Um es auf die knappste Formel zu bringen: durch unangemessene — ich darf den Ausdruck „unangemessene" jetzt auch einmal nicht im Zusammenhang mit dem Preis, sondern mit den Lohnforderungen verwenden —, in jetziger Zeit unangemessene Lohnforderungen ist, wie der Herr Wirtschaftsminister gesagt hat, eine Kaufkraft von drei Milliarden entstanden, denen Waren einfach nicht gegenüberstehen. Das scheint mir das wesentlichste Problem zu sein, und mit solchen Palliativmittelchen können wir daran einfach nichts ändern, sondern wir müssen jetzt zu dem Kern der Dinge vorstoßen. Es würde sich ein Schrei der Entrüstung erheben, wenn ich jetzt die logische Forderung stellte: wenn wir hier ein Preisüberwachungsgesetz annehmen, müßten wir sinnvollerweise ebenso in die soziale Autonomie des Spiels von Löhnen zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern eingreifen. Das scheint mir logisch zu sein. Ich denke nicht daran, diese Forderung zu erheben; ich betone diesen Zusammenhang nur, um auf das Unmögliche dieses Gesetzes hinzuweisen.
Ich darf abschließend dem Hause erklären, daß wir uns aus diesen Gründen nicht in der Lage sehen, dem Entwurf der Regierung unsere Zustimmung zu geben.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217507600
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0217507700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion beantrage ich namentliche Abstimmung.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217507800
Weitere Wortmeldungen zur Debatte liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Das Wort zu einer Erklärung zur Abstimmung hat der Kollege Deist.

Dr. Heinrich Deist (SPD):
Rede ID: ID0217507900
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Meine Fraktion sieht sich zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung zu geben. Wir stimmen der Auffassung voll zu, daß insbesondere in der heutigen Zeit eine Handhabe gegeben werden muß, um dem Mißbrauch, der sich leider in allzu großem Umfange zeigt, entgegenzutreten.

(Abg. Dr. Hellwig: Das müssen Sie erst beweisen!)

Wir sind aber der Auffassung, daß es eine taugliche und wirksame Handhabe sein muß. Dieses Prädikat können wir diesem Gesetzentwurf aus zwei Gründen nicht geben. Wir sind der Auffassung, daß die Bestimmungen über den Tatbestand, der vorhanden sein muß, so einengend sind, daß praktisch kein Verwaltungsbeamter und kein Richter mit diesem Gesetz etwas anfangen kann. Wir sind weiter der Auffassung, daß eine wirksame Handhabung dadurch unmöglich gemacht wird, daß in jedem einzelnen Fall die zuständige oberste Landesbehörde mitwirken muß. Wir haben die große Sorge, daß dieses Gesetz dazu führt, daß die Kleinen gefaßt werden und die Großen davonlaufen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Hellwig: Das gilt genauso für Ihren Antrag!)

Wir sind weiter der Überzeugung, daß mit diesem Gesetz in der Öffentlichkeit Vorstellungen hervorgerufen werden, die mit ihm in keiner Weise verwirklicht werden können.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dieses Gesetz bedeute, dem Verbraucher Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der SPD.)

Wir bedauern daher, da meine Fraktion von Anbeginn an gegen die Streichung des Preistreibereiparagraphen gewesen ist und wir von Anbeginn an für einen neuen wirksamen Preistreibereiparagraphen eingetreten sind, daß unsere Bestrebungen im Ausschuß so mißverstanden und hier mißdeutet worden sind. Wir hatten wirklich die Absicht, zu einer wirksamen Regelung zu kommen. Da das nicht geschehen ist, bedauern wir, feststellen zu müssen, daß es sich hier um eine Farce von Preistreibereiparagraphen handelt, dem niemand zustimmen kann, der wirklich die Preistreiberei bekämpfen will.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217508000
Da seitens der CDU- Fraktion offiziell namentliche Abstimmung beantragt ist, sehe ich die Unterstützung als gegeben an. Wir schreiten zur namentlichen Abstimmung. Zur Abstimmung steht das gesamte Gesetz einschließlich Einleitung und Überschrift in dritter Lesung. Ich bitte, die Karten einzusammeln.

(Einsammeln der Abstimmungskarten.)



(Vizepräsident Dr. Becker)

Ich frage, ob alle Abgeordneten ihre Stimmkarte abgegeben haben. — Dann schließe ich die Abstimmung.

(Auszählen der Abstimmungskarten.)

Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung bekannt: Abgegebene Stimmen der stimmberechtigten Abgeordneten 318; mit Ja haben gestimmt 153, mit Nein 149, enthalten haben sich 16 — es wird also eine Überprüfung vorbehalten —; Berliner Abgeordnete: 12 abgegebene Stimmen, 12 Nein-Stimmen. Damit ist dieses Gesetz nach dem vorläufigen Abstimmungsergebnis in dritter Lesung angenommen.
Der Ausschuß hat zu diesem Punkt der Tagesordnung einen zweiten Antrag gestellt, nämlich den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 — Drucksache 1674 — als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt abzulehnen. Ich schlage Ihnen vor, die Beschlußfassung über diesen Antrag auszusetzen, ibis die endgültige Überprüfung des Ergebnisses der Abstimmung zu Ziffer 1 stattgefunden hat. Das andere ist dann nur eine Formsache. Andernfalls würden wir zu beschließen haben, daß der Antrag Drucksache 1674 eben noch nicht beschieden ist. — Ich darf Ihr Einverständnis annehmen.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt 14 Uhr 5. Es war vorgesehen, die Sitzung um 14 Uhr zu schließen. Ich bin grundsätzlich der Auffassung, daß, wenn die 40-Stunden-Woche für die einen und die 45 -Stunden-Woche für die anderen propagiert wird, wir Parlamentarier höchstens 75 Stunden in der Woche zu arbeiten brauchen.

(Beifall.)

Nun ist der Wunsch ausgesprochen worden, den Punkt 5 der Tagesordnung, die Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, zu dem ein Regierungsantrag und ein Fraktionsantrag vorliegen, jetzt noch, und zwar in kürzester Frist, zu verabschieden. Die Regierung ist bereit, ihre Begründung schriftlich abzugeben, aber eine Fraktion hat erklären lassen, daß sie auf eine Stellungnahme, auch wenn sie sich nur auf 10 oder 15 Minuten beschränken würde, ihrerseits nicht verzichten könne. Ich sehe voraus, daß, wenn eine Fraktion gesprochen hat, die anderen wohl auch sprechen werden und wir dann in eine große Debatte hineingeraten.

(Widerspruch in der Mitte.)

Ich möchte Ihnen die 'Stellungnahme überlassen. Wollen Sie 'dieses Gesetz noch in erster Lesung verabschieden? Ich behalte mir aber meinerseits vor, im Hinblick auf die Gesundheit unserer Kollegen spätestens um 14 Uhr 15, selbst wenn die Debatte noch nicht abgeschlossen sein sollte, zu schließen. — Herr Mellies!

Wilhelm Mellies (SPD):
Rede ID: ID0217508100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, an den Vereinbarungen, die im Ältestenrat getroffen worden sind, unbedingt festzuhalten. Wir haben um 15 Uhr Parteivorstandssitzung, und es muß uns ja wenigstens die Möglichkeit gegeben werden, auch einmal etwas zu Mittag zu essen. Ich glaube, wir sollten uns, weil wir ja über die übrige Zeit disponieren müs-
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 9728.
sen, überhaupt angewähnen, die Vereinbarungen im Ältestenrat auf alle Fälle einzuhalten.

(Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217508200
Herr Kollege Rasner! — Meine Damen und Herren, wenn wir noch lange über die Geschäftsordnung debattieren, dann ist es 14 Uhr 15.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0217508300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, zur Geschäftsordnung zu debattieren. Wir waren alle willens, dieses Gesetz heute zu behandeln und dem Ausschuß zu überweisen. Daß wir zeitlich nicht hingekommen sind, verdanken wir der Tatsache — wir haben selbstverständlich dem Wunsch entsprochen —, daß die Opposition eine halbstündige Unterbrechung der Sitzung verlangte. Natürlich haben wir dem entsprochen. Ich appelliere an die gleiche Kulanz und bitte, jetzt das Gesetz möglichst schnell — wie vorgesehen — an den Ausschuß zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217508400
Ich habe bereits erklärt, daß ich darüber abstimmen lassen möchte. Ich möchte aber, ehe die Frage der Abstimmung unterworfen wird, die Vorfrage klären lassen: sind wir überhaupt bereit, im Wege eines Beschlusses dieses Hauses Verabredungen, die im Ältestenrat einstimmig getroffen worden sind, nachher zu ändern. Das ist eine grundsätzliche Frage.

(Zustimmung bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte. — Abg. Rasner: Das Haus ist souverän!)

Dann bitte ich diejenigen, die dem Antrag des
Kollegen Rasner zustimmen wollen und Punkt 5
— und dann wohl auch Punkt 7 — noch zu erledigen wünschen

(Abg. Rasner: Nur Punkt 5! — Abg. Albers: Ohne Debatte!)

— nur Punkt 5 —, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (Drucksache 2781);
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Höcherl, Krammig, Dr. Jaeger, Niederalt, Wacher (Hof), Leukert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes und die Landeszentralbanken (Drucksache 2832).
Wird das Wort gewünscht? — Die Regierung? — Sie verzichtet auf mündliche Begründung und will die Begründung schriftlich abgeben*).
Wird der Antrag zu b begründet? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Debatte zu beiden Punkten unter Ziffer 5. — Bitte, Herr Kollege Seuffert hat das Wort.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0217508500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wünscht in der Tat den Augenblick, in dem ein so wichtiges und so lange erwartetes Gesetz den Bundestag passiert,
') Siehe Anlage 5.


(Seuffert)

nicht ganz ohne Bemerkungen vorübergehen zu lassen. Daß dieses in Art. 88 des Grundgesetzes bereits vorgesehene, ja geradezu vorgeschriebene Gesetz erst jetzt kommt, hat, wie Sie wissen, sehr viele Gründe. Es gibt zwei mögliche Fassungen, und es gab zwei Ministerien, die sich jeweils für eine dieser Fassungen einsetzten. Wir haben die beiden Fassungen schon im vorigen Bundestag sich einander gegenüberstehen sehen, ganz abgesehen von den bekannten abweichenden Auffassungen des Bundesrates.
Warum das Gesetz jetzt, ziemlich vor Torschluß dieses Bundestages, vorgelegt wird, kann einige Gründe haben. Wenn damit endgültig sich das Gefühl der Verpflichtung durchgesetzt hat, daß dieses zentrale Problem geordnet werden muß, sagen wir dazu ja. Wenn die Vorlage in diesem Zeitpunkt, wo sie einen Zeitdruck erzeugen muß, den Versuch bedeutete, noch im Auslauf dieser Wahlperiode vollendete Tatsachen personeller oder irgendwelcher anderer Art zu schaffen, so würden wir dazu nein sagen.
Die Öffentlichkeit selbst mag nach den Ereignissen dieses Sommers das Bedürfnis, daß das Verhältnis zwischen Regierung und Notenbank eindeutig geordnet wird, mit Recht verstärkt empfunden haben und mag hierin genug Anlaß sehen, daß dieser Gesetzentwurf endlich vorgelegt wird. In der Tat sind im Sommer dieses Jahres Spannungen, ja, Konflikte zwischen der Regierung und der Notenbank deutlich in Erscheinung getreten. Die Notenbank hatte eine Situation festgestellt und offengelegt, die die Wirtschaft und die Währung in Gefahr bringen konnte, und sie hatte pflichtgemäß die Bremsen gezogen. Die Regierung, vorab der Herr Bundeskanzler, weigerte sich ihrerseits, diese Situation zur Kenntnis zu nehmen, da nämlich diese Erkenntnis und die Folgerungen, die daraus zu ziehen gewesen wären, mit den Auffassungen und Zielsetzungen, die die Bundesregierung der Offentlichkeit vortrug, und mit den Interessen, auf die sie sich stützt und von denen sie gestützt wird, in Widerspruch gestanden hätten. Die Regierung weigert sich noch heute, den Maßnahmen, die die Notenbank, ihres Amtes waltend, getroffen hat und trifft, die notwendige Ergänzung und das notwendige Gegengewicht in dem eigenen Wirkungsbereich der Regierung und dem Verantwortungsbereich, der ihr zukommt, zu geben. Infolge dieser verstockten Untätigkeit 'befinden wir uns leider in einer höchst gefährlichen, einseitigen und überspitzten Situation, über die wir ja heute, von einem bestimmten Problem, nämlich dem des Wohnungsbaus und des Kapitalmarktes, ausgehend, schon ausführlich sprechen mußten. Statt einer Auseinandersetzung mit den Gründen und den Maßnahmen der Notenbank in Form von Gegengründen und entsprechenden Maßnahmen hörte man leider nur Äußerungen von höchstem, ja sogar allerhöchstem Mißfallen an der Notenbank und auch an denjenigen Ministern, die es gewagt hatten, die Gründe der Notenbank zu würdigen. Man hörte sehr klare Andeutungen des Mißfallens über die bestehende Unabhängigkeit der Notenbank. Diese Unabhängigkeit wurde von allerhöchster Stelle zwar konstatiert, aber mit dem deutlichen Unterton des Bedauerns, daß sie bestehe.
Derartige Erwägungen scheinen auch in gewissen Verschlechterungen, die z. B. in den §§ 3 und 9 des vorliegenden Regierungsentwurfs gegenüber den vorher bekannten Entwürfen eingetreten sind, ihren Niederschlag gefunden zu haben. Wir glauben nicht, daß das so bleiben kann. Wir glauben allerdings, daß das Gute, das diese Auseinandersetzungen hatten, darin bestanden hat, daß das zentrale Problem, nämlich die Unabhängigkeit der Notenbank und ihre Sicherung, deutlich ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt worden ist.
Meine Damen und Herren, es ist auch der Standpunkt der sozialdemokratischen Opposition, daß die Notenbank unter allen Umständen unabhängig sein muß, unabhängig von jeder politischen Beeinflussung, unabhängig von der Regierung, unabhängig, ich möchte sagen: von jeder Regierung, unabhängig auch von Regionalpolitik und Regionalinteressen, unabhängig in allen ihren Teilen und in allen ihren Organen und in dieser Vollständigkeit auch unabhängig von der privaten Wirtschaft. Sie soll also stark sein.
Die Notenbank, die Währungsbank ist ein so wichtiger Faktor der Konjunktur- und Wirtschaftspolitik, daß man Ihrer Konstruktion die äußerste Sorgfalt widmen muß. Sie ist ein selbständiger Faktor; sie ist kein Instrument der Regierung. Es kann nicht die Rede davon sein, daß sie irgendwie auf Richtlinien der Regierung oder gar auf Richtlinien der Politik des Bundeskanzlers verpflichtet sei. Die Notenbank muß handeln können und handeln, auch wenn die Regierung keine Politik hat.
Wir machen uns keine Illusion. Trotz aller Gesetzestexte, trotz aller Konstruktionen wird in einem wirklichen Konflikt das letzte Wort bei einer politischen Führung verbleiben, die sich auf ihre Stärke gegenüber der Notenbank verlassen kann. Aber auf jeden Fall soll der Konflikt zwischen Regierung und Notenbank möglich sein, und er soll dramatisch sein: er soll im Bewußtsein der Öffentlichkeit ausgetragen werden können.
Die Unabhängigkeit der Notenbank in diesem Sinne muß unserer Auffassung nach intstitutionell und personell gesichert sein. Die Notenbank soll und muß selbständig handlungsfähig und stark sein. Wie gesagt, ist dies der übergeordnete Gesichtspunkt, von dem wir glauben, daß er im Bewußtsein der Öffentlichkeit gerade nach diesem Sommer stark in den Vordergrund getreten ist, und zwar mit Recht. Für uns jedenfalls ist dies der entscheidende Gesichtspunkt.
Der Streit um einstufige und zweistufige Lösungen hat jahrelang die Öffentlichkeit und die einschlägige Fachliteratur bewegt. Wir glauben, daß er mit Recht in seiner Bedeutung zurückgetreten ist, und meinen, daß er in seiner Bedeutung beschränkt werden muß. In der Tat haben sich die Auffassungen über die möglichen Lösungen ja auch schon weitgehend einander angenähert. Wenn immer wieder einmal darauf hingewiesen wird, das bestehende System funktioniere doch ganz gut, so sind die Begründungen sehr verschieden, indem nämlich einerseits gesagt wird, es funktioniere deswegen recht gut, weil es zweistufig sei, und andererseits auch, und zwar mit viel Berechtigung, gesagt wird, es funktioniere deswegen recht gut, weil es praktisch als einstufiges System funktioniere. Der entscheidende Gesichtspunkt ist — bei diesem anderen System haben sich allerdings einige Gegensätze dekuvriert, deren Aufdeckung auch recht nützlich war —, wie gesagt, wie der beste Weg zu der institutionellen und personellen Sicherung der Unabhängigkeit der Notenbank zu finden ist.
Es kann durchaus sein, daß hierbei weitgehende, sogar sehr weitgehende Mitwirkungs- und Vorschlagsrechte des Bundesrats und — über den Bun-


(Seuffert)

desrat — der Länder bei der Besetzung der Organe der Notenbank ein richtiger Weg sind. Wir glauben allerdings nicht, daß das ein Modell für eine unabhängige Notenbank ist, was der Bundesrat vorschlägt und auch Sie, Herr Kollege Höcherl, für die Landeszentralbanken vorschlagen, ein Modell, bei dem der entscheidende Verwaltungsrat aus Vertretern der Ministerien und der Wirtschaft zusammengesetzt ist.
Wesentlich ist nach unseren Gesichtspunkten, daß die Organe der Notenbank unabhängig, handlungsfähig und stark sind und daß es keinen Weg gibt, die einheitliche Verantwortung dieser Organe durch Teilinteressen, Teilwünsche oder irgendwelche Einflüsse von außen aufzusplittern oder zu zerstören.
Wir möchten auch davor warnen, einem einstufigen System, wenn es als Lösung herauskommen sollte, das Etikett aufzukleben, das sei die alte Reichsbank. Es wäre nicht die Reichsbank, nach keinem Gedankengang, der in dieser Diskussion vertreten worden ist, und es soll nicht die Reichsbank sein. Überhaupt sollte man in diesen Dingen, die auf die aktuellen Bedürfnisse dieses Staates zugeschnitten sein sollten, nicht allzuviel mit historischen Erinnerungen spielen. Es soll nicht die Reichsbank sein. Wir halten eine kollegiale Führung im Gegensatz zur alten Reichsbank für sicherlich richtig. Es soll keine privaten Wirtschaftseinflüsse geben, es soll keine Beamtenatmosphäre geben, es soll keine Notenbank als gouvernementales Instrument geben —, alles Gegensätze zu dem alten Reichsbanksystem. Wir wollen vielmehr eine volle, eigene, eine geradezu richterliche Unabhängikeit der Notenbank für ihre eigene Funktion.
Wir halten es nicht für richtig, in der ersten Lesung weitere Einzelheiten zur Erörterung zu stellen. Wir glauben allerdings, nachdem ich schon eingangs die Wichtigkeit dieses Gesetzes und des Instrumentes, das hier geschaffen werden soll, betont habe, daß der lange Leidensweg dieses Gesetzentwurfs und die Kürze der restlichen Wahlperiode die Gründlichkeit der Beratungen nicht beeinträchtigen dürfen bei einem Gesetz, das der Sache nach ein Grundgesetz der Wirtschaftsverfassung und geradezu ein Pfeiler der Gewaltenkontrolle auf diesem Gebiet der Wirtschaftsverfassung ist. Wir als Opposition sind gewillt — und wir fordern Sie dazu auf —, diese Beratungen mit der gebotenen Gründlichkeit und mit dem gebotenen Ernst im Sinne der vor mir dargelegten fundamentalen Grundsätze, von denen ich auch nicht glaube, daß sie alleiniges Gedankengut der Opposition sind, zu beginnen.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0217508600
Meine Damen und Herren, ich darf noch darauf hinweisen, daß außer der schriftlichen Begründung der Regierungsvorlage auch zu der unter Punkt 5 b genannten Vorlage — Drucksache 2832 — eine schriftliche Begründung*) vorliegt.
Werden weitere Wortmeldungen abgegeben? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich die erste Lesung der Vorlagen unter Punkt 5 a und b der Tagesordnung schließen.
Es wird vorgeschlagen, beide Vorlagen an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zu überweisen. Werden andere Vorschläge gemacht? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die der Überweisung an .die vorgeschlagenen Ausschüsse zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Dann ist so beschlossen. Wir haben damit Punkt 5 der Tagesordnung erledigt.
Ich habe bekanntzugeben, daß sich der Ausschuß für Sozialpolitik um 15 Uhr 30 versammelt.
Ich berufe die nächste, die 176. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 5. Dezember 1956, 14 Uhr, ein mit folgender vorläufiger Tagesordnung: 1. Fragestunde, 2. die drei Anträge über die Ungarnhilfe, 3. das Landbeschaffungsgesetz, 4. die Reste der heutigen Tagesordnung, wobei ich in Erinnerung zu behalten bitte, daß in der Frage des Wirtschaftsstrafgesetzes noch die Ziffer 2 des Ausschußantrags zu bescheiden sein wird. Dann wird sich als Punkt 5 die zweite und dritte Beratung des Gesetzes über Zollerleichterungen im Touristenverkehr anschließen, als Punkt 6 die zweite und dritte Beratung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gewahrsam genommen worden sind, 7. die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Fürsorge für ,körperbehinderte Personen, 8. die Beratung zweier Anträge zur Durchführung des Landwirtschaftsgesetzes. Änderungen durch einvernehmliche Gestaltung im Ältestenausschuß bleiben vorbehalten.
Ich schließe die Sitzung.