Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich dem Herrn Abgeordneten Dr. von Buchka die Glückwünsche des Hauses zu seinem heutigen 70. Geburtstag aussprechen.
Ich komme zur Tagesordnung. Einziger Punkt:
Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 22. September 1955.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst unserer Freude
darüber Ausdruck geben, daß endlich diejenigen unserer Landsleute, die bisher noch als Gefangene oder Verschickte in der Sowjetunion festgehalten wurden, in die Heimat zurückkommen sollen.
Wir begrüßen es, daß Ministerpräsident Bulganin durch sein Versprechen an den Bundeskanzler einen Akt der Menschlichkeit eingeleitet hat, der hoffentlich bald die Gefangenen und Verschleppten ihren Familien zurückgibt.
Wir danken dem Herrn Bundeskanzler für sein beharrliches Ringen um die Freigabe der Gefangenen und Verschickten, und wir hoffen, daß mit der Verwirklichung dieser Verabredung in Moskau eine der schmerzlichsten Wunden geschlossen wird, die der unselige Hitlerkrieg geschlagen hat.
Unsere Hoffnung ist ferner, daß in nicht allzulanger Zeit auch das Menschenmögliche getan werden kann, um den Angehörigen zahlreicher Vermißter oder Verschollener Gewißheit über deren Schicksal zu geben. Wir sind uns der großen Schwierigkeiten bewußt, die einem lückenlosen Nachweis des Verbleibens dieser unglücklichen Menschen im Wege stehen. Aber es wäre von großer Bedeutung, wenn sich die Sowjetregierung dazu entschließen könnte, vorhandene Anhaltspunkte über den Verbleib von Vermißten oder Verschollenen prüfen zu lassen und dadurch möglicherweise in vielen Fällen den Familienangehörigen Gewißheit zu verschaffen.
Nachdem sich die Regierung der Sowjetunion entschlossen hat, auf dem Gnadenwege die Heimkehr von Gefangenen und Verschickten zu ermöglichen, möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieser Gnadenerweis sich auch auf diejenigen Deutschen erstrecken möge, die in den Nachkriegsjahren mit den Gesetzen der sowjetischen Besatzungsmacht in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands in Konflikt geraten sind und gegenwärtig noch Strafen verbüßen, die von sowjetischen Tribunalen verhängt wurden.
Durch eine großzügige Regelung dieser Fälle könnte sehr viel aufgestaute Bitterkeit überwunden werden.
Es ist schließlich unser Wunsch, meine Damen und Herren, daß die Bundesregierung alle Anstrengungen unternimmt, um eine möglichst große Zahl der noch in der Sowjetunion festgehaltenen Deutschen möglichst bald in ihre Heimat und zu ihren Angehörigen zurückzubringen. In diesem Bemühen wird die Regierung wie bisher die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Opposition finden.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns aber heute nicht nur mit diesem Problem zu beschäftigen. Die schwerste und bedeutsamste Aufgabe ist die Entscheidung des Bundestages über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion.
An sich gehört die Entscheidung über diese Frage zweifellos in die Kompetenzen der Bundes-
regierung. Sie bedarf der Ratifizierung durch den Bundestag nicht. Angesichts der Bedeutung der Frage begrüßen wir es aber in diesem Fall, daß die Notwendigkeit der Zustimmung des Bundestages in den Moskauer Vereinbarungen ausdrücklich festgestellt worden ist; und noch erfreulicher wäre es, wenn wir in diesem Vorgehen den Anfang einer Politik sehen könnten, die an die Stelle der einsamen Entschlüsse des Herrn Bundeskanzlers eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament in allen wichtigen Fragen der Innen- und Außenpolitik setzt.
Die Bedeutung der Moskauer Vereinbarungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Moskau liegt in den Umständen begründet, unter denen sie zustande gekommen sind, und in ihren möglichen Konsequenzen für die Wiederherstellung der deutschen Einheit. Wir Sozialdemokraten legen Wert darauf, daß diese Zusammenhänge und die sich daraus ergebenden Verantwortlichkeiten nicht verwischt werden.
Die Einladung der Sowjetregierung an den Herrn Bundeskanzler erfolgte nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge. Die Sowjetregierung hat als Aufgabe der Konferenz die Herstellung von diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion genannt. Auf den Vorschlag der Bundesregierung, auch die Freilassung der Gefangenen und die Frage der Wiederherstellung der deutschen Einheit zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen, erfolgte die russische Antwort, daß der Standpunkt der Sowjetregierung in der Frage der deutschen Einheit der Bundesregierung sicher bekannt sei. Auf das Problem der Freilassung der Gefangenen ging die Sowjetregierung in ihrer Antwort überhaupt nicht ein.
Die Moskauer Verhandlungen haben nun zweifelsfrei klargestellt, daß die Pariser Verträge nicht der Schlüssel zur Wiedervereinigung Deutschlands sind.
Die Sowjetregierung hat vielmehr wahrgemacht, was sie vor der Ratifizierung der Verträge angekündigt hat: sie lehnt die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands ab, wenn die Bundesrepublik Mitglied der NATO ist, und sie verlangt außerdem jetzt mit Nachdruck, daß an künftigen Verhandlungen über die Wiedervereinigung die Pankower Regierung beteiligt wird.
Meine Damen und Herren, damit ist genau die Situation eingetreten, vor der die Sozialdemokratische Partei vor der Ratifizierung der Pariser Verträge mit allem Ernst und mit aller Leidenschaft gewarnt hat.
Die entscheidende These der Regierung und ihrer Mehrheit hier im Hause in der Wiedervereinigungspolitik, der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, die Einheit und die Stärke des Westens würden die Sowjetunion zwingen, die von ihr besetzte Zone Deutschlands freizugeben, ist völlig zusammengebrochen.
Nichts ist davon übriggeblieben, und der hervorragendste Repräsentant dieser Politik der Stärke,
der Herr Bundeskanzler selbst, mußte in Moskau die völlige Fehlbeurteilung der sowjetischen Reaktion auf die Aufrüstung der Bundesrepublik durch seine Zustimmung zu der russischen Forderung nach diplomatischen Beziehungen zwischen Bonn und Moskau besiegeln.
Das ist der Tatbestand.
Meine Damen und Herren, die Aufnahme dieser diplomatischen Beziehungen wirft viele Probleme auf. In bezug auf unser zentrales und alles überragendes Anliegen der Wiederherstellung der deutschen Einheit haben Verlauf und Resultat der Moskauer Verhandlungen eindeutig erwiesen, daß die Lösung dieser großen nationalen Frage unseres Volkes durch die Vertragspolitik der Bundesregierung wesentlich erschwert worden ist. Es liegt uns in diesem Augenblick nichts ferner, als einen billigen Triumph zu feiern,
weil wir in der Beurteilung der Lage recht behalten haben.
— Meine Damen und Herren, Ihre Heiterkeit schafft ja die Tatsache nicht aus der Welt, und Sie wissen genau so gut wie wir, daß tatsächlich in der Frage der Wiedervereinigung eine überaus ernste Lage entstanden ist, die für niemand in diesem Hause Anlaß zum Lachen gibt.
Wir können nur sagen: wir haben leider viel zu sehr recht behalten, und wir können nur hoffen, daß uns dennoch echte Chancen für eine aktive Politik in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands bleiben.
In diesem Augenblick geht es uns nur um eins: eindeutig und unmißverständlich festzustellen, daß, soweit deutsche Verantwortlichkeiten in Frage kommen, die Verantwortung für die jetzt eingetretene sehr ernste Lage ausschließlich bei der Bundesregierung und ihrer Mehrheit hier in diesem Hause liegt.
Meine Damen und Herren! In den Kreisen der Westmächte gibt es in wachsendem Maße kritische Stimmen in der Beurteilung der Moskauer Abmachungen. Soweit es sich darum handelt, Mißstimmung und Beunruhigung zu beseitigen, die daraus resultieren, daß man dem Herrn Bundeskanzler vorwirft, er sei in Moskau weiter gegangen, als er den Vertretern der Westmächte vor Antritt seiner Reise angekündigt habe, so ist es Sache des Herrn Bundeskanzlers, diese Angelegenheit mit den westlichen Partnern zu bereinigen. Für das Moskauer Resultat selbst gibt es aber auch eine Verantwortlichkeit der Westmächte, die gemeinsam mit der Bundesregierung es in der Vergangenheit unterlassen haben, vor dem Inkrafttreten der Pariser Verträge in Verhandlungen mit der Sowjetunion konkret die Möglichkeiten einer Verständigung über eine für uns und die Westmächte annehmbare Lösung der Deutschlandfrage zu untersuchen.
Es hat sicher zu keinem Zeitpunkt eine volle Gewißheit für irgend jemand gegeben, daß solche Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis geführt hätten. Aber, meine Damen und Herren, die Unterlassung des ernsthaften Versuchs zu solchen Verhandlungen ist, wie sich jetzt zeigt, nur den Sowjets zugute gekommen.
Sie sind heute in der deutschen Frage in einer
stärkeren Position, als sie je zuvor gewesen sind.
Die vom Herrn Bundeskanzler in Moskau getroffene Vereinbarung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik ist dafür der sichtbare Beweis. Das Abkommen ist in seinem politischen Teil vor allem ein Erfolg der Sowjetregierung und nicht der Bundesrepublik und des Westens.
Wir Deutschen tun gut daran, glaube ich jedenfalls, diese Tatsache mit aller Nüchternheit und mit allem Ernst zur Kenntnis zu nehmen, um uns wenigstens in der Zukunft vor weiteren Fehlbeurteilungen und Fehlentscheidungen in unserer Außenpolitik zu bewahren.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat einstimmig beschlossen, der Vereinbarung von Moskau zuzustimmen. Die durch die bisherige Außenpolitik der Regierung und durch die gegenwärtige Haltung der Sowjetunion erzwungene Lage veranlaßt uns, die in einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Bonn und Moskau gegebenen Möglichkeiten für eine aktive Wiedervereinigungspolitik auszunutzen.
Eine Ablehnung wäre eine Ablehnung ohne wirkliche Alternative. Wir geben unsere Zustimmung zu diesem konkreten Schritt unter voller Aufrechterhaltung unseres ablehnenden Standpunktes gegenüber der bisherigen Außenpolitik der Bundesregierung, und unsere Zustimmung ist kein Freibrief und keine Vertrauenskundgebung für die zukünftige Außenpolitik der Bundesregierung.
Unsere Zweifel über die Richtigkeit der Außenpolitik der Bundesregierung sind durch die Moskauer Verhandlungsergebnisse eher verstärkt als abgeschwächt worden.
Diese Reserve wird uns nicht hindern, vorurteilsfrei und sachlich die Politik der Bundesregierung in der neuen Periode der Außenpolitik der Bundesrepublik zu prüfen; denn zweifellos beginnt mit der Annahme der Moskauer Vereinbarungen ein neuer Abschnitt der Außenpolitik der Bundesrepublik, und sie schafft auch eine neue Lage in der internationalen Politik.
Das Entscheidende ist nicht, daß wir durch die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zum Ausdruck bringen, daß wir die Sowjetunion als einen der großen Faktoren der Weltpolitik und als einen unerläßlichen Kontrahenten in den zukünftigen Verhandlungen über die deutsche Frage anerkennen. Wir haben schon seit Jahr und Tag eine Außenpolitik bekämpft, die so tat, als ob die Sowjetunion nicht existiere oder als ob man sie nur als den sozusagen natürlichen Feind der Deutschen und des Westens behandeln könne. Das war in der Blütezeit des Kalten Krieges. Ich verzichte darauf, Redeblüten aus dieser Zeit hier nachträglich zu pflücken; die sind sowieso hoffnungslos verwelkt und haben keine Früchte angesetzt.
Die jetzt durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen sichtbar zum Ausdruck gebrachte Anerkennung des mächtigen Faktors Sowjetunion ist nur das verspätete Nachholen eines Versäumnisses, das dem deutschen Volke mehr geschadet hat als der Sowjetunion.
Für uns Sozialdemokraten bedeutet die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion auch keine Veränderung in unserer Bewertung des innerrussischen Systems oder der von ihr getragenen Systeme der kommunistischen Parteien in anderen Ländern.
Mit unserer Zustimmung identifizieren wir uns in keiner Weise mit den politischen Vorstellungen der Sowjets. Wir sind für normale Beziehungen zur Sowjetunion, aber das ändert nichts an dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Vorstellungen.
Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Bonn und Moskau, die ja auch ein Resultat der allgemeinen Entspannungspolitik zwischen den Großmächten ist, kann die unfruchtbare und senile Periode des sogenannten Kalten Krieges beenden. Sie kann auch — und wir hoffen es — die Gefahr eines heißen Krieges für lange Zeit bannen. Aber den Gegensatz zwischen dem demokratischen und freiheitlichen Sozialismus und dem Bolschewismus hält die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Moskau nicht auf.
Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, kann die Normalisierung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion, vereinbart durch den Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer, vielleicht auch zu einer, sagen wir, Versachlichung der Diskussion über außenpolitische Probleme in der Bundesrepublik in der Zukunft führen. Ich meine folgendes. Der Herr Bundeskanzler hat gestern eine seiner Erkenntnisse aus den Moskauer Besprechungen mitgeteilt. Er sagte: Es ist besser, die Gegensätze offen auszusprechen, als sie zu verschweigen. Ich möchte von dieser Erkenntnis heute auch hier Gebrauch machen und einiges sagen, das wir aus der Welt räumen sollten, ehe wir in diese neue Periode der außenpolitischen Aktivität der Bundesrepublik gehen. Ich meine folgendes. Ich erinnere mich gerade im Zusammenhang mit der gestrigen Rede des Herrn Bundeskanzlers und den vielen Berichten über den Verlauf der Moskauer Beratungen an einige Ereignisse im Wahlkampf zum Bundestag 1953.
Ich sehe noch gewisse Wahlplakate der CDU und ich höre noch gewisse Bemerkungen des Herrn Bundeskanzlers, Wahlplakate z. B. mit dem Text: Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau!,
oder die Rede von der Moskauhörigkeit der SPD. Nun, ich darf wohl feststellen, daß das alles überholt sein dürfte,
nachdem die erste offizielle Delegation der Bundesrepublik nach Moskau in ihrer erdrückenden Mehrheit aus Anhängern der Koalition bestand
und nur einen Sozialdemokraten enthielt, der nicht einmal Marxist war.
Oder wenn wir es einmal in die Sprache des Wahlkampfes von 1953 übersetzen wollen: es waren viele Schwarze und nur ein Roter, die gen Moskau wallten.
Meine Damen und Herren, was ich damit meine, ist folgendes. Eine Ausschaltung dieser Art von Polemik in der Zukunft wäre in der Tat ein großer Gewinn für die deutsche Politik
angesichts der unerhört schwierigen Situation, vor
die wir zweifellos in Zukunft gestellt sein werden.
— Wir sind gar nicht harmlos; da unterschätzen Sie uns ganz gewaltig!
Aber wir beanspruchen, daß man sich mit uns sachlich auseinandersetzt, nichts anderes.
Unsere außenpolitische Lage, um es nochmals zu unterstreichen, ist nach Moskau eine andere als vorher. Es ist unmöglich, die Konsequenzen in diesem Augenblick voll zu übersehen. Wir haben sie zunächst zu überprüfen unter dem Aspekt unseres Verhältnisses zu dem Teil Deutschlands, der als sogenannte DDR die sowjetische Besatzungszone darstellt. Schon die einfache Tatsache, daß in Kürze in Moskau Botschafter der beiden. Teile Deutschlands akkreditiert sein werden, wird eine Fülle von Problemen aufwerfen, weil die Sowjetregierung beide gleichwertig behandeln wird, und wir haben in voller Kenntnis dieser Tatsache und dieses Standpunktes der Sowjetregierung der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Moskau zugestimmt.
Die vordringliche Aufgabe aller unserer Überlegungen wird sein müssen, daß wir uns darüber klar werden, was wir tun können, um die Beziehungen zwischen der Bevölkerung der sowjetisch besetzten Zone und der Bundesrepublik so normal wie möglich zu gestalten. Die Menschen in der Zone leben heute in der großen Sorge, daß nun alle Möglichkeiten für eine baldige Wiedervereinigung verschüttet sein könnten. Wir dürfen sie nicht täuschen über die Erschwerung der Situation, aber wir dürfen sie auch nicht verzweifeln lassen. Wir müssen jetzt noch viel mehr tun, als wir bisher getan haben, auch unter Opfern,
um ihnen vor allem auch bei Aufenthalten in der Bundesrepublik das Gefühl zu geben, daß wir ein Volk und eine untrennbare Gemeinschaft sind.
Technische Vereinbarungen über die Normalisierung des Verkehrs über die Zonengrenze hinweg dürfen nicht an Prestige- und Protokollfragen scheitern.
Wir werden uns auch noch sehr ernsthaft unterhalten müssen über das Verhältnis zwischen Bonn und Pankow. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit einer Regierung, die Pankow als deutsche Regierung für die sowjetisch besetzte Zone anerkannt hat, ist eine Stärkung der Position von Pankow. Der jetzt abgeschlossene Deutschlandvertrag von Moskau für Pankow ist nach den politischen Vorstellungen der Sowjetregierung die logische Folge der Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der, Sowjetregierung. Das ist alles ein wohldurchdachtes und, wenn Sie wollen, ein raffiniertes Spiel. Aber es wird eben jetzt die Rechnung vorgelegt
für die Entscheidung, die wir in dem Spiel der beiden großen Mächte in der Welt dadurch bezogen haben, daß wir uns entschieden, die Bundesrepublik in die militärische Allianz des Westens einzugliedern.
Wir bestreiten nach wie vor, wie jedermann hier im Hause, die demokratische Legitimation der Pankower Regierung. Wir haben den 17. Juni 1953 nicht vergessen, und ich hoffe, das deutsche Volk in der Bundesrepublik wird ihn niemals vergessen.
Aber jetzt wird Pankow außerhalb unserer Einwirkungsmöglichkeiten ins internationale Spiel vor allem in der Frage der Wiedervereinigung gebracht, und diese Tatsache wird ihre Konsequenzen haben, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Es geht hier nicht — damit kein Mißverständnis aufkommt — um die Frage der Anerkennung der Pankower Regierung. Aber es geht um das Schicksal der Menschen in der Zone und in Westberlin. Ich möchte heute nur eine einzige Bemerkung dazu machen. Wenn wir z. B. vor die Frage gestellt werden sollten, die Existenz und die Freiheit von 2 Millionen Menschen in Berlin zu sichern, dann ist die Sicherung dieser Existenz und dieser Freiheit des Volkes von Berlin das allein Entscheidende.
Wir können die Billigung der Moskauer Vereinbarungen vor den Menschen in der Zone und in Berlin nur dann rechtfertigen, wenn wir bereit sind, diese Konsequenzen aus der neuen Situation zu akzeptieren.
Ich will mich heute auf diesen Hinweis beschränken. Aber unser Wunsch ist, daß wir uns gerade bei diesen Fragen in geeigneter Weise intern von vornherein über die einzuschlagende Taktik und Politik unterhalten und daß vor allem von Regierungsseite diese Frage vor einer Klärung nicht unter Anwendung von alten Schablonen in der Öffentlichkeit behandelt wird, als sei nichts geschehen.
Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Erklärung noch einmal begründet, warum er schriftlich der Sowjetregierung unseren Standpunkt in der Frage der Grenzziehung im Osten und des Anspruchs der Bundesregierung, als die einzig legitimierte Vertretung des deutschen Volkes anerkannt zu sein, unterbreitet hat. Die in diesem Brief gemachten Rechtsvorbehalte decken sich mit dem Standpunkt, den der Bundestag seit langem einmütig vertreten hat. Wir werden daher auch den zu diesem Fragenkomplex vorgelegten Entschließungen zustimmen.
Aber dabei sind wir uns wohl alle darüber klar, daß die Frage der diplomatischen Beziehungen zwischen den Regierungen der westlichen Welt und Pankow durch unseren Entschluß, einen Botschafter nach Moskau zu entsenden, komplizierter geworden ist, als sie vorher war. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Erklärung auch dieses Thema behandelt. Ich möchte heute hier nur sagen, daß ich die Form, in der er es getan hat, außerordentlich bedauere.
Der Herr Bundeskanzler hat selbst oft genug davon gesprochen, wie lang und schwierig der Weg zur Wiedergewinnung des Vertrauens der Welt zum deutschen Volk ist. Wenn er jetzt beinahe ultimativ erklärt, daß die Bundesregierung auch künftig die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu der DDR durch dritte Staaten als einen unfreundlichen Akt ansehen würde, dann frage ich mich, wem mit solchen starken Worten eigentlich gedient ist.
Dem deutschen Volke sicher nicht! Sie sind vielmehr geeignet, alte Wunden aufzureißen und junge Freundschaften zu gefährden.
Man muß über diese Dinge reden. Aber das sollte in einer anderen, wie mir scheint, uns gemäßeren Form auf dem Wege einer freundschaftlichen Verständigung geschehen.
Meine Damen und Herren, bevor ich mich den internationalen Auswirkungen der Moskauer Vereinbarungen zuwende, möchte ich noch eine andere Bemerkung machen. Die Sowjetregierung hat mit ihrer Entscheidung, die Normalisierung der Beziehungen zwischen Bonn und Moskau mit Vorrang vor der Frage der Wiedervereinigung zu behandeln, die Tendenz zur Verhärtung der Spaltung Deutschlands und zur Bildung von zwei selbständigen deutschen Staaten verstärkt. Das wird auch seine psychologische Rückwirkung auf die Bevölkerung der Bundesrepublik haben, und wir müssen auch damit rechnen, daß sich jene Kräfte bei uns gestärkt fühlen, die schon seit langem die Wiedervereinigung und die damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen als ein sozusagen unzumutbares Opfer ansehen. Sie werden jetzt die These von dem Definitivum der Bundesrepublik mit erhöhtem Eifer vertreten. Ich meine, für uns, für die Regierung und für den Bundestag, ergibt sich daraus jetzt die doppelte Verpflichtung, an Geist und Willen des Grundgesetzes nicht rütteln zu lassen. Die Bundesrepublik ist und bleibt ein Provisorium, und wir werden uns niemals mit der Spaltung Deutschlands abfinden.
Über dieses Bekenntnis hinaus bleibt für uns i Sozialdemokraten die große und brennende Frage, was wir auch unter den jetzt geschaffenen Verhältnissen für die Wiedervereinigung tun können. Wir können auch jetzt das Problem als Deutsche allein nicht lösen. Im Gegenteil, die Verlagerung der Diskussion über die deutsche Wiedervereinigung auf die Ebene gesamtdeutscher Gespräche durch direkte Verhandlungen zwischen Bonn und Pankow ohne vorherige Vereinbarungen zwischen den vier Besatzungsmächten über die Grundlagen einer ¡Wiedervereinigung würde der Moskauer Regierung die Möglichkeit in die Hand spielen, die deutsche Frage nach dem Vorbild von Prag und Warschau zu lösen. Das ist möglich.
In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, daß ich mit großem Interesse von der Feststellung des Herrn Bundeskanzlers Kenntnis genommen habe, daß er in dem Anerkenntnis der Sowjetregierung, auf Grund der Vereinbarung der vier Mächte bezüglich Deutschlands zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands verpflichtet zu sein, eines der positiven Resultate der Moskauer Verhandlungen sieht. Ich glaube, daß sich die Sowjetregierung dieser Verpflichtung aus dem Potsdamer Abkommen — denn darum handelt es sich —, die ja auch zugleich für sie ein Recht der Mitsprache in deutschen Angelegenheiten ist, immer bewußt und sehr gegenwärtig gewesen ist. Aber die positive Bewertung der Erklärung der Sowjetregierung in diesem Punkte durch den Herrn Bundeskanzler — und darum möchte ich sie unterstreichen — dürfte ja wohl hoffentlich auch dazu führen, daß der innerdeutsche Streit über die Bedeutung der Postdamer Vereinbarungen für die Wiedervereinigung zu den Akten gelegt werden kann.
Auf internationalem Gebiet erfordert nach unserer Überzeugung die neue Lage eine schnelle und mutige Initiative der Bundesregierung und der Regierungen der drei Westmächte. Wenn wir nicht in absehbarer Zeit zu einer Wiedervereinigung kommen, dann werden die aus der Moskauer Vereinbarung zwangsläufig sich entwickelnden Tatsachen die Spaltung Deutschlands in zwei Staaten so verhärten, daß die Wiedervereinigung immer schwerer und problematischer werden wird. Das wäre ein Unglück für Deutschland und für Europa; denn es gibt weder Frieden noch Sicherheit auf lange Sicht mit einem gespaltenen Deutschland im Herzen von Europa.
Vielleicht gibt es heute in West und Ost Leute, die glauben, man könne eine Politik des Friedens und der Sicherheit auch aufbauen durch Verständigung der Großen auf der Basis des gespaltenen Deutschlands. In Wahrheit ist eine Politik der Sicherheit und des Friedens nicht möglich, die aufgebaut ist auf der Mißachtung oder Ignorierung berechtigter nationaler Interessen auch nur eines einzigen Beteiligten.
Eine Reihe von Erfahrungen gerade in der jüngsten Zeit sollten hier für alle verantwortichen Politiker eine ernste Warnung sein. Wir stehen vor der Außenministerkonferenz der vier Großmächte in Genf, die sich mit der Frage eines europäischen Sicherheitssystems und der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands zu beschäftigen haben wird. Als wir Sozialdemokraten hier vor Jahren vor-
schlugen, an Stelle der einseitigen Bindung der Bundesrepublik an die NATO mit der Sowjetunion über ein europäisches Sicherheitssystem zu verhandeln, um damit die Sorge der Völker in West und Ost um ihre eigene Sicherheit vor einer möglichen neuen Bedrohung durch ein wiedervereinigtes Deutschland auszuräumen, wurden wir als Utopisten und Phantasten verlacht. Als wir forderten, dabei auch das Sicherheitsbedürfnis der Sowjetunion zu berücksichtigen, hat man uns beschimpft.
Heute ist das europäische Sicherheitssystem Gegenstand der Außenministerkonferenz in Genf. Ich hoffe, daß diese Konferenz einen Erfolg haben wird. Aber wie viele Chancen sind in der Vergangenheit dadurch versäumt worden, daß die Bundesregierung und die Westmächte nicht bereit waren, diese Frage vor der Entscheidung über die Pariser Verträge mit der Sowjetunion im Geiste von Genf zu behandeln!
Heute, vor allem nach den Moskauer Vereinbarungen, ist die Aufgabe der Genfer Konferenz noch schwieriger geworden. Aber damit ist die Verpflichtung der Bundesregierung gewachsen, sich in die Vorbereitung der Genfer Konferenz so aktiv wie möglich einzuschalten.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird darauf bestehen, daß im Bundestag noch eine außenpolitische Debatte vor der Genfer Konferenz stattfindet, damit der Bundestag Gelegenheit hat, konkrete Vorschläge für die Anregungen zu diskutieren, die die Bundesregierung den vier Außenministern unterbreiten sollte. Ich sage mit Bewußtsein: den vier Außenministern; denn nach den Vereinbarungen in Moskau ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, daß die Bundesregierung ihre Vorstellungen über eine Wiedervereinigung und einen Sicherheitspakt auch dem Außenminister der Sowjetunion zur Kenntnis bringt.
In den Vorbesprechungen mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Außenminister zur Moskaureise habe ich die Auffassung vertreten, daß der Bundesregierung nicht zugemutet werden kann und nicht zugemutet werden darf, in Moskau die Pariser Verträge zur Debatte zu stellen; denn die Vertragstreue einer deutschen Regierung darf nicht in Zweifel gezogen werden. Ich habe aber vorgeschlagen, die Gelegenheit des ersten direkten Gesprächs mit der sowjetischen Seite zu benutzen, um die Vorstellungen der Sowjetregierung über den internationalen Status eines wiedervereinigten Deutschlands zu klären.
— Zu klären! Das ist leider nicht geschehen. Aber diese Frage kann und muß im Zusammenhang mit den Vorbereitungen für die Genfer Konferenz aufgeworfen werden, und zwar durch die Bundesregierung. Der Herr Bundeskanzler hat vor einigen Tagen vor der ausländischen Presse die Auffassung vertreten, man dürfe kein europäisches Sicherheitssystem ohne ein wiedervereinigtes Deutschland akzeptieren. Das ist richtig. Aber es ist nach den Feststellungen über die Haltung der Sowjetunion, die der Herr Bundeskanzler in Moskau selbst getroffen hat, keine ausreichende Antwort auf die jetzt gegebene Situation. Ein Sicherheitssystem in Europa unter Einschluß eines wiedervereinigten Deutschlands mit Zustimmung der Sowjetunion ist heute überhaupt nur erreichbar, wenn die Vorstellung aufgegeben wird, als könne die Wiedervereinigung mit der Eingliederung der Bundesrepublik oder gar ganz Deutschlands in die NATO verwirklicht werden.
Das ist die Gretchenfrage, vor die die Außenministerkonferenz in Genf gestellt sein wird, wenn sie ernsthaft die gemeinsame Lösung der Frage der europäischen Sicherheit und der Wiedervereinigung anpacken will. Und nur eine Verhandlung auf der Basis dieser Einsicht hat Aussicht auf Erfolg.
Vor uns steht die Frage, ob wir diese große Anstrengung machen wollen, um die Wiedervereinigungspolitik aus der Sackgasse herauszubringen, oder ob wir uns mit dem Status der Teilung Deutschlands abfinden wollen, nachdem wir aus den Moskauer Verhandlungen einwandfrei wissen, daß die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in NATO die Sowjetunion nicht zur Herausgabe der Zone veranlassen wird.
Meine Damen und Herren, nur eine großzügige und mutige Initiative der Bundesrepublik kann uns vor den zwei großen Gefahren in der gegenwärtigen internationalen Situation bewahren, vor der Gefahr, daß wir sozusagen „die letzten Mohikaner" des Kalten Krieges bleiben oder daß sich West und Ost über ein Sicherheitssystem in Europa auf der Basis des Status quo der Teilung Deutschlands einigen.
Die drei Westmächte stehen vor einer nicht minder schweren Entscheidung. Verweigern sie ihre Mitarbeit an einem solchen Vorschlag, der die Sowjetunion zwingt, über ihre wirklichen Absichten in Deutschland und Europa Auskunft zu geben, bleibt es bei der Spaltung Deutschlands, dann laufen wir alle Gefahr, daß in der zukünftigen Entwicklung die Sehnsucht des deutschen Volkes, die niemals vergehen wird, nach einer Wiedervereinigung in eine nationalistische oder nationalbolschewistische Welle umschlägt, die nur den größten Schaden für die Freiheit und den Frieden der ganzen Welt herbeiführen kann.
In der heutigen Lage gibt es aus Gründen, die die Sowjetunion in ihrem eigenen, wohlverstandenen Interesse zu der Politik der Entspannung veranlaßt haben, noch Möglichkeiten, die zu einer Entspannung in Europa auf der Basis der Wiedervereinigung Deutschlands und seiner Eingliederung in ein europäisches Sicherheitssystem unter Verzicht auf eine Teilnahme an der militärischen Blockbildung der einen oder anderen Seite führen können. Niemand kann mit Sicherheit behaupten, daß ein solcher Vorschlag zu einer Verständigung mit der Sowjetunion führen wird; aber ich bin überzeugt, daß es sich in jedem Falle lohnt, den ernstesten Versuch zu unternehmen, weil die verpaßten Gelegenheiten, die Sowjetunion zur völligen Klarlegung ihres Standpunktes zu zwingen, immer der Sowjetunion genutzt, dem Westen und uns aber geschadet haben. Es wäre gerade nach den Moskauer Vereinbarungen eine befreiende Tat für die Völker des Westens und für das 'deutsche Volk diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs, wenn die Westmächte mit einem solchen konstruktiven und positiven Vorschlag in die Genfer Konferenz gingen.
Meine Damen und Herren, noch ein letztes Wort zu diesem Kapitel. Die Bundesrepublik ist nicht Partner der Genfer Konferenz, aber die Regierungschefs der vier Großmächte haben in Genf vereinbart, daß die Außenminister die Frage der Hinzuziehung interessierter Teilnehmer selbst entscheiden sollen. Die Sowjetregierung wird, vor allem nach den Moskauer Vereinbarungen, darauf bestehen, daß die beiden 'deutschen Regierungen, wie sie es versteht, mindestens gehört werden. Ich meine, die Bundesregierung kann und darf nicht darauf verzichten, ihren Standpunkt vor den Außenministern darzulegen, wenn sie die Möglichkeit dazu erhält, ohne Rücksicht darauf, daß auch der Pankower Regierung die gleiche Chance gegeben werden sollte. Das ist kein Präzedenzfall. Wir haben die gleiche Regelung akzeptiert, als vor den Vereinten Nationen in Paris im Jahre 1951 untersucht werden sollte, ob die Voraussetzung für freie Wahlen in ganz Deutschland besteht. Die Gefahr, die deutsche Frage auf die Ebene des gesamtdeutschen Gesprächs zwischen Bonn und Pankow abzuschieben und damit den vier Mächten die Möglichkeit zu geben, sich selbst aus der Verantwortung für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu entlassen, kann nur gebannt werden, indem wir die Frage der Wiedervereinigung in einen unlösbaren Zusammenhang mit der Diskussion über einen Plan für ein europäisches Sicherheitssystem bringen, der es den Sowjets unmöglich macht, einer Diskussion über diesen Gesamtkomplex auszuweichen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung steht vor der ernsten Frage, welche Konsequenzen sie aus dem Beschluß über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Sowjetunion ziehen will. Betrachtet sie die Forderung der Sowjetunion nach der Aufnahme dieser Beziehungen als eine Kapitulation der Sowjetregierung vor der Realität der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in NATO, dann ist dieser Schritt mit deutscher Zustimmung die Bestätigung des Status quo der Teilung Deutschlands. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß er in der Moskauer Vereinbarung eine Möglichkeit sehe, der Wiedervereinigung näher zu kommen. Wenn das seine Überzeugung ist, dann ist die logische Konsequenz dieser Erklärung, daß die Regierung in der Frage der Wiedervereinigung im Zusammenhang mit der Genfer Konferenz unverzüglich aktiv werden muß und daß sie die jetzt gewonnenen diplomatischen Beziehungen zu allen vier Besatzungsmächten ausnutzt, um den deutschen Standpunkt zur Geltung zu bringen.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat mit den Vereinbarungen von Moskau einen Schritt in die Freiheit einer selbständigen Außenpolitik der Bundesrepublik getan. Das war nach dem Abschluß des Generalvertrages sein Recht, und wir bejahen diesen Schritt. Unsere Haltung gegenüber der Außenpolitik der Bundesregierung in dieser neuen Periode Wird aber davon bestimmt werden, ob der Herr Bundeskanzler diese Freiheit und diese neuen Möglichkeiten nutzt im Interesse einer verstärkten und aktiven Politik für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich möchte in diesem Augenblick nicht in die Debatte eingreifen. Aber es liegt mir daran, das Zitat des Herrn Kollegen Ollenhauer aus meiner gestrigen Erklärung über unser Verhalten gegenüber dritten Staaten dem Hohen Hause und der Öffentlichkeit noch einmal vollständig ins Gedächtnis zurückzurufen. Ich habe folgendes gesagt:
Auch dritten Staaten gegenüber halten wir unseren bisherigen Standpunkt bezüglich der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik aufrecht. Ich muß unzweideutig feststellen, daß die Bundesregierung auch künftig die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR durch dritte Staaten, mit denen sie offizielle Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt ansehen würde, da er geeignet wäre, die Spaltung Deutschlands zu vertiefen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gestern mit Herrn Kollegen Menzel eine Unterhaltung darüber, wer heute als erster sprechen solle. Ich glaube, es steht der größten Fraktion zu, von diesem Recht, wenn es sein muß, Gebrauch zu machen. Ich habe darauf verzichtet, und ich glaube, ich habe gut daran getan. Denn so habe ich die Gelegenheit, Kollege Ollenhauer, jetzt auf Ihre Ausführungen einzugehen.
Nachdem ich die ersten Sätze gehört hatte, war ich der Überzeugung, daß vielleicht doch die Möglichkeit einer, wie Sie sagen, sachlichen Beratung dieser Fragen gegeben sei. Ihre weiteren Ausführungen haben mich aber enttäuscht. Ich muß sagen, daß Sie von einer sachlichen Erörterung doch sehr weit abgewichen sind.
Sie haben von den Gefangenen gesprochen. Was Sie hierzu gesagt haben, unterstreiche ich. Sie haben auch von der Zahl derjenigen gesprochen, die über die Zahl von 10 000 hinausgehen, von den Verschleppten aus der Zone, und, ich möchte hinzufügen, auch von anderen, die noch in fremdem Gewahrsam gehalten werden. Ich gebe hier meinem Wunsche Ausdruck, daß auch diese bald in ihre Heimat zurückkehren.
Sie haben den Dank an den Kanzler ausgesprochen, und meine Fraktion hat sich diesem Dank auch schon bei Ihren Worten angeschlossen.
Aber, Herr Kollege Ollenhauer, so leicht und so schnell, wie Sie darüber hinweggehen, daß nun endlich nach so langer Zeit, nach vielen Jahren diese Gefangenen freikommen, das entspricht doch nicht der Bedeutung, die dieser Angelegenheit zukommt.
In einer Verlautbarung, die ich im dpa-Dienst gelesen habe,
wurde davon gesprochen, daß man das als eine menschliche Sache hinnehmen könne, daß sie sich allein betrachtet werden müsse. Gewiß, auch die deutsche Delegation kam mit diesem Vor haben nach Moskau, und sie hat bis zum letzten bestanden und an ihre Partner appelliert, daß man doch hier ein Gebot der Menschlichkeit erfüllen möge. Aber wissen Sie nicht auch genau so wie ich, daß nicht wir es gewesen sind, sondern die andere Seite, die dann diese so menschliche Angelegenheit mit Dingen verknüpft hat, die in das Reich der Politik gehören,
und daß die deutsche Delegation — und auch Ihr Vertreter — vor einer Gewissensfrage gestanden hat, in einer Atmosphäre, die bis zum Zerreißen gespannt war? Es ist doch nicht so einfach gewesen, diesen 10 000 Menschen wieder die Freiheit zu geben! Das muß angesichts der Tatsache, daß noch viele, viele andere auf die Freiheit warten, fest- gestellt werden.
Es kommt noch etwas hinzu. Meine verehrten Herren, als der Kanzler von Moskau zurückkam — und auch, ich betone das, Herr Kollege Schmid, der ja einen lebendigen Appell an die Machthaber in Moskau gerichtet hat —, hat eine Frau am Flugzeug dem Kanzler ihren Dank dafür ausgesprochen, — —
— Passen Sie auf!
— Passen Sie auf!
Und was hat eine Ihrer Zeitungen dazu geschrieben?Es ist seit den Tagen Adolf Hitlers unter den Staatsmännern üblich geworden, mit blumenbekränzten lächelnden Kindern und alten weinenden Frauen die Gefühlswelt der Menschen anzusprechen und damit politische Propaganda zu machen.
Wer schreibt das? Herr Peter Konradin — ein Herr aus Ihrem Lager! Meine Herren, Sie sollten mit echten Bewegungen und Dankesbezeugungen nicht so ein politisches Geschäft treiben!
— Eine Plattform? Sie haben sie hier betreten!
Ich möchte noch ein weiteres Wort dazu sagen. Herr Kollege Ollenhauer hat von der Vorbereitung der Konferenz von Genf gesprochen und hat dabei wiederum das Wort von den einsamen Beschlüssen des Bundeskanzlers zitiert. Ich glaube, wer den Beratungen vor der Konferenz beigewohnt hat — und auch Herr Ollenhauer —, wird doch wohl feststellen müssen, daß hier von beiden Seiten ein echtes Gespräch zur Vorbereitung der Konferenz geführt worden ist.
e Ich kann auch nur wünschen, daß solche Gespräche
e fortgesetzt werden. Allerdings, Herr Kollege
Schoettle, muß man dann nicht, wie es hier geschehen ist, dem Gegner schon von vornherein so n viele billige Schlagworte geben.
Sie sprechen davon, daß die Verträge schuld daran seien, und suchen keine anderen Gründe dafür, daß es bisher noch nicht zu einer Wiedervereinigung gekommen ist. Wer waren denn die Spalter in Deutschland? Waren das die Verträge? War nicht auch schon Ihr früherer Vorsitzender, Herr Kollege Schumacher, von dem Kreml drüben ,als Spalter bezeichnet worden? Hat man nicht schon das Wort von der Spaltung gebraucht, als noch keine Verträge in Sicht waren?
Hat man nicht schon das Wort von der Spaltung gebraucht, als die Währungsreform eingeführt wurde? Man sage doch einmal offen heraus, wo die letzten, tieferen Gründe dafür liegen, daß unser Land und Volk gespalten ist.
Das Gespräch in Moskau fand statt, sagen Sie, trotz der Verträge. Wollen Sie das entscheiden? Es kann ebensogut betont werden, daß es die Folge dieser Politik gewesen ist, daß jetzt endlich der Augenblick zu einem solchen Gespräch gekommen ist.
Allerdings, meine Damen und Herren, ich halte nichts davon, wenn man als Vorbereitung für eine sachliche Diskussion schon jetzt alle möglichen Konzeptionen erörtert, noch dazu in der Öffentlichkeit, und damit nur Material liefert für den, der gegen uns steht.
Dazu rechne ich auch Ihre These, daß man schon als Vorbereitung 'für die Genfer Konferenz dazu übergehen müsse, zu erörtern, daß — das schlagen Sie vor — das wiedervereinigte Deutschland nicht mehr Mitglied der NATO sein kann. Ich meine, das sind Äußerungen, die unsere Arbeit nicht fördern, sondern nur erschweren.
Der Bericht des Herrn Bundeskanzlers hat gestern in aller Sachlichkeit die Schwierigkeiten dargelegt, die der Verhandlungsdelegation in Moskau bereitet worden sind. Es war ein sehr sachlicher, ein nüchterner Bericht. Es war in ihm nicht das Wort von den Erfolgen, sondern nur von den Ergebnissen. Der Kanzler hat von der Problematik gesprochen, die bei diesen Entscheidungen zugrunde lag. Er hat davon gesprochen, daß die Politik der Wiedervereinigung nicht ohne jedes Risiko durchgeführt werden könne. Er hat von der Härte gesprochen, von der Gewissensfrage, vor der er selber gestanden hat. Ich glaube, wir haben Anlaß, der ganzen Delegation und auch den beiden Herren aus unseren eigenen Reihen, den Herren Kollegen
Kiesinger und Schmid, und ,dem Herrn Bundeskanzler für diese Arbeit in Moskau zu danken. Er war hier der Anwalt der deutschen Sache,
Dem Kanzler sind viele Wünsche auf seine Reise nach Moskau mitgegeben worden. Es ist bestimmt nur ein Teil von ihnen erfüllt worden. Aber ich freue mich, Herr Kollege Ollenhauer, daß Sie heute in ihrer Rede das Wort von der „hundertprozentigen Pleite" doch nicht gesprochen haben.
Wir haben —auch hier im Bundestag — noch für diejenigen zu sorgen, die demnächst zurückkehren. Wir müssen uns bewußt sein, daß nicht ein jeder, der zurückkehrt, damit auch schon heimgekehrt ist. Es ist die Aufgabe unseres Volkes und auch dieses Bundestages, alles, was nur möglich ist, zu tun, damit diese unsere Brüder und Schwestern sich bald wieder voll und ganz in ihre Heimat zurückfinden.
Was 'die anderen angeht, so freue ich mich feststellen zu können, daß erreicht worden ist, daß wir unsere Listen einreichen können. Ich habe die Hoffnung, daß damit doch noch vielen, vielen die Rückkehr zur Heimat ermöglicht werden kann. Ich spreche den Wunsch aus, daß sich möglichst viele von den Hoffnungen unserer Mütter, Väter und Söhne erfüllen, die bisher vergebens auf die Heimkehr ihrer Lieben gewartet haben.
In einer Wochenzeitung hat der Satz gestanden, daß dieser Entscheid von Moskau auf eine Zweiteilung Deutschlands hinauslaufe. Wenn das so wäre, dann wäre keiner unserer Kollegen hier im Hause in der Lage, diesem Abkommen zuzustimmen. Ist dem aber so? Ich erinnere daran, daß bei den Verhandlungen drüben in Moskau mit aller Deutlichkeit und Schärfe unser Standpunkt gewahrt worden ist, daß hier die Vorbehalte noch einmal klar und deutlich herausgestellt worden sind, daß wir die Grenze nicht anerkennen können, die in dem Abkommen zwischen der Regierung von Pankow und Moskau als „Friedensgrenze" bezeichnet worden ist. Ich erinnere daran, daß es noch einmal gesagt worden ist, daß die Regierung von Pankow niemals anerkannt werden kann, Sprecherin Deutschlands zu sein, sondern daß der Deutsche Bundestag, die deutsche Regierung allein befugt sind, für das ganze deutsche Volk zu sprechen. Das auch unseren Freunden in der Zone mit aller Deutlichkeit zu sagen, ist auch heute unsere Aufgabe. Ich stimme darin völlig mit dem überein, was vorhin gesagt worden ist: daß wir diese Verbundenheit zwischen uns und der Zone gar nicht laut und deutlich genug herausstellen können. Sie allein gibt uns die Gewähr und die Möglichkeit, daß einstmals für sie wiederum der Tag kommt, wo sie mit uns vereinigt sind. Aber ich bin der Überzeugung, daß, wenn man schon jetzt in Erörterungen eintritt, uns die Fragen vorwegnimmt, über die erst später gesprochen werden kann, die Wiedervereinigung nur hinausgezögert und erschwert wird.
Lassen Sie mich noch ein Weiteres sagen. Bei den Verhandlungen in Moskau ist doch der große Gegensatz zwischen uns und der östlichen Welt erneut zutage getreten. Man muß hier an die Worte von Chruschtschow erinnern, daß hier eine alte Welt und drüben eine neue Welt steht und daß die Zeit kommt, wo diese alte Welt zusammenbricht und die neue Welt sich auch in Westeuropa etabliert. Moskau hat von seiner These der Weltrevolution auch jetzt nicht abgelassen. Perioden der Koexistenz und der Weltrevolution wechseln miteinander ab. Aber wir haben hier klar zu erkennen, daß auch bei diesem Abkommen von Moskau zwischen uns und der Welt da drüben die große Kluft 'besteht und daß zwischen uns und denen drüben in ihrem weltanschaulichen Denken keine Brücke zu schlagen ist. Darum müssen wir auch heute erneut auf die Gefahr hinweisen, daß neue Wege der Infiltration jetzt von seiten des Ostens sicherlich beschritten werden. Wir haben mit verstärkter Propaganda zu rechnen. Schon heute ist die Zahl der Tarnorganisationen außerordentlich groß; wer weiß, sie wird vielleicht noch steigen. Man benutzt Handel, Sport, Kultur und meint im Grunde Propaganda und Politik.
— Was die Wirtschaft angeht, Herr Kollege, so habe ich bereits vor ein paar Tagen darauf hinweisen können, daß auch meiner Fraktion jeder Besuch, wie er heute schon geplant werden könnte, weder sachlich noch zeitlich angebracht zu sein scheint. In diesem Zusammenhang rechne ich auch mit immer wieder neuen Einladungen. Wir sollten hier jene Reserve üben, die angesichts der harten, rauhen Wirklichkeit auch in der Zone drüben angebracht ist.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch ein Wort zur Politik Rußlands gegenüber unserer Zone drüben sagen. Wir haben es immer wieder erlebt, daß sich die russische Politik gegenüber unserer Zone heillosen Illusionen hingibt. Sie hat die Wirklichkeit unseres Volkes nicht erkannt, sie hat nicht erkannt, daß unser Volk weder hier noch drüben gesonnen ist, den Lehren des Kommunismus nachzugehen, daß es vielmehr auf seine eigene Freiheit, auf sein eigenes Recht pocht und daß es dieses Recht und diese Freiheit gegenüber allen Anfeindungen von der Seite des Ostens her gewahrt wissen will. Man hat unsere warnenden Worte nicht verstanden. Man hat jenen getraut, die den Machthabern in der Zone nach dem Munde geredet haben. Man hat jenen getraut, die mit Konzeptionen glaubten eine Verbindung zwischen uns und denen drüben schlagen zu können. Man hat jenen getraut, die in ihre Dienste getreten sind. Dann kam das bittere Erwachen des 17. Juni 1953. Es hätte der Politik in Deutschland und um Deutschland von seiten Moskaus besser gedient, wenn die Sowjets sich über die wahren Verhältnisse in unserem Volke und in der Zone besser orientiert hätten.
Wenn der Kanzler jetzt in Moskau persönlich mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat, was das deutsche Volk denkt, wenn er schon auf dem Flugplatz in Wahn klar herausgestellt hat, daß er es ist, der für das gesamte Deutschland spricht, und nicht ein anderer, dann hat er durch diese Offenheit der echten Befriedung in der Welt einen größeren Dienst erwiesen, als es alle jene Konzeptionen je getan haben.
Lassen Sie .mich in diesem Zusammenhang noch auf eine Spekulation hinweisen, von der man heutzutage des öfteren hört. Es gibt Kreise, die auf eine spätere Zeit spekulieren, die auf Zeitgewinn spekulieren und die da meinen, es sei der Lösung
der deutschen Frage besser gedient, wenn man auf eine Nach-Adenauer-Zeit warte. Ich kann solche Spekulanten, insbesondere im Osten, nicht dringend genug vor derartigen Spekulationen warnen.
Wir wollen heute klar herausstellen, daß wir Deutsche weder heute noch später nach Rapallo gehen. Die falsche Spekulation gegenüber uns Deutschen hat der deutschen und der russischen Politik schon des öfteren geschadet. Ich erinnere an die Spekulation auf den Zerfall Deutschlands, eine Spekulation, die falsch ist; unser Land hat sich nach dem Kriege wieder erholt. Ich erinnere an die Spekulation auf den Zerfall Europas. Dieses Land, diese Völker in Europa sind auf dem Wege, sich zusammenzuschließen, und ich kann nur unterstützen, was gestern der Herr Bundeskanzler gesagt hat, daß wir auch heute nicht genug tun können in der Förderung alles dessen, was diesem Zusammenschluß dient.
Man hat sich auch hier in Deutschland von seiten der russischen Politik auf Männer verlassen, die einstmals einen großen Namen hatten, man hat geglaubt, mit ihnen Politik machen zu können, und hat nicht erkannt, daß deren Zeit doch längst vorbei ist. Ich möchte also hier noch einmal darauf hinweisen, daß eine illusionslose, der Wirklichkeit Rechnung tragende Politik den beiden Völkern weit besser dient als jedes falsche Spekulieren auf andere Zeiten oder andere Menschen.
Die Verhandlungen in Moskau haben gezeigt, daß die Sowjets noch nicht daran denken, ihre Position in der Sowjetzone preiszugeben. Das haben sie mit aller Deutlichkeit immer und immer wieder zum Ausdruck gebracht, das haben sie auch bisher stets durch ihre Tat bewiesen. Das wahre Hindernis, das sich der Einheit Deutschlands entgegenstellt, ist die Tatsache, daß der Kreml noch immer nicht daran denkt, den Weg des Friedens, eines echten Friedens, zu beschreiten, der voraussetzt, daß auch bei einer solchen Politik unser Recht auf Existenz gewahrt wird.
Klar haben die Sowjets auch in ihrer Politik des öfteren auf jene hingewiesen, die im Westen eine Neutralitätspolitik betreiben. Molotow hat noch geradezu die Erwartung ausgesprochen, daß diese Zahl in Deutschland sich noch mehren könnte und hoffentlich mehren würde. Diejenigen hier im Westen, die sich auf einen solchen Weg verlassen und glauben, sie würden damit der deutschen Sache einen Dienst erweisen, irren sich nicht nur, sondern leisten geradezu der Politik des Ostens Vorschub.
Eine Wiedervereinigung ist so lange unmöglich, als nicht auf seiten des Ostens die klare Erkenntnis davon Oberwasser bekommt, daß wir Deutsche in der Zone ein Recht auf Existenz und Sicherheit haben und daß unsere Wiedervereinigung für uns ein Gebot ist und daß wir niemals uns dazu hergeben können, aus unserem Bereiche, aus dem Bereich unseres gesamten deutschen Landes und Volkes jene ausscheiden zu sehen, die mit allen Fasern ihres Herzens sich nach einer Rückkehr zu uns sehnen.
Der Bundeskanzler hat schon bei seiner Ankunft, in der ersten Sitzung auf der Konferenz in Moskau klar herausgestellt, daß die deutsche Politik ' eine Politik des Friedens sei, daß der Friede das oberste Gebot auch für die deutsche Politik sei. Meine Damen und Herren, Kommunismus und Friede sind Gegensätze, und solange der Kommunismus seine Expansion uns gegenüber nicht aufgibt, ist eine Realisierung der Wiedervereinigung nicht möglich. Man sollte doch dem echten, wahren Willen des deutschen Volkes in der Zone freien Lauf geben. Wenn Bulgarin gemeint hat, daß das Volk in der Zone hinter ihm, hinter der Pankower Regierung stehe, dann möge er doch den Beweis dafür antreten lassen, indem er freie Wahlen in der Zone durchführen läßt.
Man möge wählen lassen, und es wird sich zeigen, wo das deutsche Volk steht. Schon jetzt könnte man einer echten Befriedungspolitik dadurch Raum geben, daß man den vielen, die heute noch in den Gefängnissen der Zone sitzen, die Freiheit wiedergibt.
Das wäre ein echter Weg zum Frieden und zur Wiedervereinigung. Mag er auch mühsam sein, mag er auch schwer sein, wir werden nicht aufhören, diesen Weg konsequent weiterzugehen. Wir sind sicher, daß wir auf diesem Wege auch zum Ziele kommen werden.
Herr Kollege Ollenhauer hat gesagt, daß durch die Verträge Rußland in stärkerer Position sei als je zuvor. Glauben Sie wirklich, Herr Kollege Ollenhauer, daß ein Gespräch mit Rußland vor Monaten oder gar vor noch längerer Zeit überhaupt Aussicht gehabt hätte, zu Resultaten zu kommen?
Glauben Sie denn, daß ohne die Verträge, ohne daß wir wieder mit den Völkern des freien Westens in enger Partnerschaft stehen, eine solche Aussicht vorhanden gewesen wäre? Ich bin überzeugt: niemals! Das haben wir doch wohl bereits gelernt, daß die russische Politik nur auf harte, nüchterne Tatsachen, auf Realitäten reagiert und daß alles andere für sie doch nur Konzeptionen ohne Bedeutung sind.
— Nicht Politik der Stärke, aber eine Politik, die sich selber sichert und die weiß, daß ihre Existenz gesichert sein muß im Verein der freien Völker.
Darum halten wir an dieser Politik, die bisher von deutscher Seite geführt worden ist, auch heute fest. Wir lassen nicht mit dem Gedanken spielen, daß diese Politik in ihren Grundzügen und -linien geändert werden könnte. Wir möchten verhüten, daß in der Welt auch nur ein Schatten aufkommt, daß eine solche Meinung zu Recht bestehe.
Wir sind überzeugt davon, daß auf der Konferenz in Genf, die vor uns steht, entscheidende Gespräche geführt werden können. Für uns Deutsche ist das Thema dieser Konferenz unsere Sicherheit und die Wiedervereinigung. Aber die Wiedervereinigung ist eben schon das Grundelement der Sicherheit selber, und jede Konzeption, die davon Abstand nähme, würde uns Deutschen nur zum
Nachteil gereichen können. Darum können wir auch heute nur den Appell an die westliche Welt richten, daß genau so, wie wir an unserer Linie festgehalten haben und festhalten werden, genau so, wie für uns nach wie vor unser Vertragsverhältnis mit den Völkern der freien Welt die Basis unserer Wiedervereinigungspolitik ist, auch die Gespräche in Genf selber geführt werden mögen. Mögen auch die Hoffnungen, die hie und da insbesondere in der Zone aufgetaucht sind, als das erste Gespräch deutscherseits mit Moskau feststand, übertrieben gewesen sein, und wußten wir auch von hier aus, daß sie nicht realisiert werden konnten, so ist es meine Überzeugung und auch die Überzeugung meiner Fraktion, daß dieses erste Gespräch in Moskau auch zur Wiedervereinigung unseres Volkes beigetragen hat, nicht auf Grund von zweiseitigen Gesprächen, die der Kanzler in Moskau sofort abgelehnt hat, wohl aber dadurch, daß wir auf der Basis der Verträge in Verbindung mit der freien Welt die Gespräche zur endgültigen Wiedervereinigung unseres deutschen Volkes führen.
Meine Fraktion wird der Bitte des Bundeskanzlers nachkommen und ihr Einverständnis zu dem Abkommen erklären. Wir tun diesen Schritt im Bewußtsein seiner Bedeutung und in der Hoffnung, daß es ein weiterer Schritt zur Wiedervereinigung unseres Volkes sein wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dehler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Moskauer Vereinbarung ist ein Faktum, ist eine politische, ja, eine geschichtliche Tatsache. Sie ist in der Welt und läßt sich nicht mehr aus der Welt schaffen. Es ist selbstverständlich, daß der Bundestag die Entscheidung des Chefs der Bundesregierung respektiert und billigt.
Es war ergreifend zu hören, wie schmerzhaft die Mitglieder der deutschen Delegation die Bedenken und die Zweifel, die uns alle erfüllt haben, empfunden und gewogen haben, wie schwer sie an ihrer Verantwortung getragen haben. In ihre Gesichter war bei ihrer Rückkehr diese Qual eingezeichnet. Sie haben unseren Dank verdient.
Ich habe mit manchen meiner Freunde das Gespräch mit Moskau für notwendig gehalten. Wir können in den großen Fragen unserer Nation nicht realpolitisch handeln, wenn wir nicht die Art, die Vorstellungen, die Willensrichtungen der Männer des Kreml kennen. Dieses erste dramatische Gespräch zwischen Siegern und Besiegten zehn Jahre nach Kriegsende hat uns wichtige Erkenntnisse gebracht, Erkenntnisse, die uns befähigen, nüchterner, illusionsloser und damit richtiger zu urteilen.
Der harte Gegensatz, der die Welt zerreißt, ist unseren Vertretern unerbittlich vor Augen gestellt worden. Das ist eine andere Welt, das ist nicht unsere Welt, und das wird niemals unsere Welt sein!
Daran können Gespräche und diplomatische Beziehungen nichts ändern. Wir gehören zu der Welt, in der die Freiheit des Menschen, seine geistige, seine politische, seine wirtschaftliche Freiheit höchster Wert und Quelle der Kraft ist, in der das
Recht, das immer ein Recht des einzelnen, sein natürliches Recht auch gegenüber dem Staate ist, unverbrüchlich gesichert wird.
Chruschtschow hat unrecht. Karl Marx und Friedrich Engels und Lenin sind tot.
Ihre Lehren sind gerade im russischen Gewaltstaat in allem drastisch widerlegt. 18 Millionen Menschen haben mit Hohn und Ingrimm die These aufgenommen, das Zerrbild der Deutschen Demokratischen Republik sei die Zukunft. Sie wissen es besser und mahnen uns zur Klarheit unserer Vorstellungen von 'der richtigen Ordnung des Staates, der Gesellschaft, der Wirtschaft, zu der Bereitschaft, sie mit geschärfter Wachsamkeit gegen verstärkte Angriffe, die vor uns stehen, zu verteidigen, für diese Ordnung Opfer zu bringen und durch erhöhte wirtschaftliche und soziale Leistungen ihre Überlegenheit augenfällig zu machen.
Ich glaube, wir müssen gerade in diesem Augenblick sagen: es gibt keine Kompromisse im Grundsätzlichen. Die „Errungenschaften" der Sowjetzone auch nur zum Teil zu übernehmen hieße die Grundlagen unserer Lebensordnung aufweichen und zerstören.
Darum wäre es ein trügerischer 'Schluß, anzunehmen, daß der in Moskau auf unsere Delegation ausgeübte Druck sich jemals in einer Frage, welche unsere freiheitliche Existenz oder unsere Bindung an die freiheitlichen Völker berührt, mit Erfolg wiederholen könnte.
Das würde unsere Selbstaufgabe 'bedeuten. Wir sind uns bewußt, was die russische Politik der „zeitweisen Koexistenz", der Atempause, des Atemholens bedeutet; ihre Grundziele haben sich nicht gewandelt; sie werden sich nicht wandeln.
Die von der Bundesregierung in Moskau erklärten Vorbehalte und die gestrige Regierungserklärung bannen die Gefahr einer völkerrechtlichen und politischen Mißdeutung des vereinbarten Botschafteraustausches. Der Status quo ist nicht anerkannt. Die Festlegung der Grenzen ist dem endgültigen Friedensvertrag vorbehalten. Jedwede Legitimation 'der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik ist abgelehnt. Unser Anspruch, für die Deutschen zu sprechen — auch für jene Deutschen, denen zu sprechen noch verwehrt ist —, ist aufrechterhalten.
Wir leben aber, meine Damen und Herren, mit Grund in der Sorge, daß sich die globale Entspannung zwischen den Großen in der Welt auf unserem Rücken, auf 'der Grundlage der fortdauernden deutschen Spaltung vollziehen könnte, daß weiterhin die 18 Millionen 'deutscher Landsleute von uns geschieden und geknechtet bleiben könnten.
Die Sowjetunion hatte schon in ihrer Einladungsnote 'deutlich gemacht, daß ,die von ihr vorgeschlagenen Verhandlungen nicht das Ziel der Wiedervereinigung haben sollten, sondern daß für sie die Trennung des deutschen Volkes in die Bundesrepublik und in die sogenannte Deutsche Demokratische Republik Voraussetzung ihres Normalisierungswunsches war und ist und daß sie in Wiedervereinigungsverhandlungen einer ungewissen, fernen Zukunft die von ihr bestellten Figuren der Sowjetzone als Träger ihres Machtstrebens und ihrer Ideologie ins Spiel bringen will,
Diese Tendenz ist in Moskau unterstrichen worden, wenn Chruschtschow schlußfolgerte: Die Bundesregierung will aus der NATO nicht austreten, ja, sie will Gesamtdeutschland in die NATO führen; bitte, wir stellen kein Ultimatum; wir erkennen die Realitäten an und wollen die diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik aufnehmen, stärken aber gleichzeitig unseren Satelliten in unserer Zone.
Bulganin — es ist vielleicht richtig, auch daran zu erinnern — hat aufrechterhalten, was er verschiedentlich, besonders in seinem Bericht über Genf vor dem Obersten Sowjet am 5. August 1955 ausgeführt hatte:
Rußland kann nicht zugestehen, daß das vereinigte Deutschland sich der Westgruppierung anschließt.
— Sie, meine beiden Herren , sind, glaube ich, immer noch bei der Vorstellung, mit der der Herr Jaeger einen Wahlkampf bestritten hat, — Ihr schöner Slogan, Herr Jaeger, mit dem Sie Ihre Partei dem Sieg zugeführt haben: „Wer FDP wählt, löst eine Fahrkarte nach Moskau, ohne zu wissen, ob er ein Retourbillet erhält".
Aber bitte, lasse=. Sie sich in Ihrem Gespräch und in Ihren Vorstellungen nicht stören.
Ich sage: Bulganin hat aufrechterhalten, was er damals in Unerbittlichkeit gesagt hat:
Rußland kann nicht zugestehen,
— ich will kein Gespräch mit Ihnen, Herr Jaeger!—
daß das vereinigte Deutschland sich der Westgruppierung anschließt. Die Verwirklichung der Pariser Verträge ist mit 'der Wiedervereinigung unvereinbar, ja, schließt sie aus.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ich gestatte dem Herrn Jaeger keine Frage,
die Zeit ist vorbei.
Ich zitiere, was Bulganin — das geht uns wirklich mehr an als das, was der Herr Jaeger sagt — gesagt hat:
Das jetzige Deutschland ist nicht mehr das Deutschland vor zehn Jahren. Zwei deutsche Staaten, von anderen als souveräne Staaten anerkannt, sind entstanden, mit verschiedenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemen. In der Deutschen Demokratischen Republik sind die Arbeiter und ihre Verbündeten, die Bauern und die Intelligenz. an der Macht. Sie haben den Weg des wirtschaftlichen Aufbaus beschritten und sind von der Gerechtigkeit des von ihnen gewählten Weges völlig überzeugt. Sie wollen ihre Errungenschaften nicht in Gefahr bringen. Ohne Beteiligung der Deutschen läßt sich die Frage der Wiedervereinigung nicht lösen. Es wird keine mechanische Verbindung beider Teile geben, sondern Zusammenarbeit der beiden Staaten. Annäherung Schritt für Schritt.
Das ist das russische Programm, das haben sie in Moskau wieder deutlich gemacht. Es sind bitterböse Feststellungen.
Wir können nur sagen: Pankow ist für uns kein Kontrahent. Wir können uns nicht vorstellen, daß in den Verhandlungen über das deutsche Schicksal Menschen beteiligt werden, die nicht durch freie Wahlen ermächtigt sind, für Deutsche zu sprechen, die — der 17. Juni 1953 hat es erwiesen — nur durch russische Panzer an der Macht gehalten worden sind. Es ist ohne Sinn, mit den Todfeinden der deutschen Freiheit über die deutsche Einheit, die doch nur in Freiheit entstehen kann, handeln zu wollen.
Und nochmals — meine Damen und Herren, das ist unser Anliegen —: es gibt keine Gesellschaft und es gibt keine Wirtschaft, die zur Hälfte sozialistisch-planwirtschaftlich und zur Hälfte eigenverantwortlich-marktwirtschaftlich geordnet werden kann. Herr Ollenhauer, Sie merken — wenn Sie zuhören —, daß ich die Grenze anders ziehe, als Sie sie gezogen haben. Jede Volksfrontregierung trägt den Keim des Verderbens in sich.
Darum jede nur mögliche Fühlung mit den deutschen Menschen in der Zone, denen gerade in diesen Tagen schwerer seelischer Belastung unser warmes Gedenken gilt, aber keine Gemeinschaft mit ihren Gewalthabern, auch wenn sie jetzt mit dem trügerischen Schein einer Souveränität umkleidet werden.
Wir halten es mit der Bundesregierung für nicht möglich, daß die Staaten, die mit uns diplomatisch verkehren, Pankow anerkennen.
Wir haben Anlaß, tief besorgt zu sein um das große geschichtliche Ziel, das unserer Generation als Aufgabe gesetzt ist: die Einheit unseres Vaterlandes. Moskau hat nichts verschlimmert, hat uns nur in greller Helle unsere Lage sichtbar gemacht. Es ist billig, über die Politik der Stärke zu spotten. Es war für uns in Wirklichkeit eine Politik der Abwehr, des Versuchs, zusammen mit dem bedrohten Teil der Welt Stärke gegen die russische aggressive Überstärke zu setzen.
Herr Ollenhauer, ich meine, es ist ein Trugschluß, annehmen zu wollen, die Sowjetunion wäre bereit, ihren Machtbereich zurückzuziehen, wenn die Pariser Verträge nicht bestünden.
Meine Partei hat die Verträge mit beschlossen. Wir
wollen sie halten, das heißt: wir wollen sie nur mit
der Billigung unserer Vertragskontrahenten ändern.
— Ich habe Ihnen auch nichts Gegenteiliges vorgehalten!
In Moskau ist es bei abweisenden Feststellungen der Gegenseite geblieben. Es wurde nicht verhandelt, es wurde nicht versucht, zu klären, ob und unter welchen Bedingungen die Sowjetunion bereit sein könnte, freie deutsche Wahlen zuzugestehen. Das Recht zu solchen Verhandlungen kann der Bundesregierung nicht bestritten werden. Wenngleich es die auch von der Sowjetunion in Moskau anerkannte Verpflichtung der vier Siegermächte
ist, die staatliche deutsche Einheit herzustellen, ist es unsere Angelegenheit — es geht um unsere, die deutsche Sache, es ist unser Recht und unsere Pflicht, uns darum zu bemühen.
Ich halte für richtig, was der Herr Bundeskanzler bei seiner Presseerklärung in Moskau am 14. September erklärt hat, als er davon sprach, daß von nun an auf zwei Ebenen, auf der Ebene Moskau—Bonn und auf der Ebene der Genfer Konferenz, auf zwei Gleisen, wie er sagte, einmal zwischen Moskau und uns und einmal in Genf, über die Herstellung der deutschen Einheit verhandelt werden könnte. Wenn die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der Sowjetunion einen Sinn hat, dann doch gerade den, dieses neue Instrument zu nützen, in unmittelbarer Verhandlung mit der Sowjetunion die Voraussetzungen für eine Verständigung in der deutschen Frage zwischen den vier Mächten zu klären. Es ist richtig: die Bundesrepublik Deutschland kann nicht entscheiden, was das wiedervereinigte Deutschland tun soll. Aber wir können doch feststellen, für welche Lösungen wir, der größere Teil Deutschlands, in Übereinstimmung mit den von dem Herrn Bundeskanzler gestern erwähnten 90 % der Deutschen in der Zone, uns in einem wiedervereinigten Deutschland einsetzen wollen. Die Frage der gesamtdeutschen Wahlen wird niemals am Anfang, sondern am Ende von Verhandlungen mit allen vier Mächten stehen.
Es darf nicht weiterhin so sein, daß nur die anderen Deutschlandpläne entwerfen, daß sie sich für uns den Kopf zerbrechen. Nostra res agitur.
Nur bei dieser Haltung wird es möglich sein, daß die Moskauer Verhandlungen unserem Volke einen Impuls für die deutsche Sache geben. Oft haben wir das Gefühl, dieser Impuls tut bitter not.
Das Bild der zwei deutschen Botschafter in Moskau darf sich nicht in unserem Volke einprägen. Es darf im Kreml nur einen deutschen Botschafter, nur ein en Botschafter des deutschen Volkes geben, der die Stimme für Deutschland erhebt.
Das deutsche Volk kann keine leeren Formeln und keine blutlosen Versicherungen mehr hören. Es will begreifen können, was geschieht. Es will den Weg sehen. Das ist nötig, wenn nicht das deutsche Bewußtsein in unserem Volke verkümmern soll.
Das Schicksal Berlins, in dem sich das deutsche Leid sinnhaft darstellt, ist uns in diesen Tagen wieder besonders bewußt gewesen. Wir können es nur hoffen heißen, wenn wir das Äußerste tun, Deutschland zu einen.
Moskau wird auf die bevorstehende Außenministerkonferenz in Genf einen Schatten werfen. Die deutsche Frage muß dort so wie bei der JuliKonferenz der Regierungschefs den Vorrang haben. Es ist unser Postulat und muß es bleiben, daß es keine - europäische Sicherheit gibt, wenn die unselige deutsche Spaltung währt.
Die Moskauer Vereinbarungen öffnen vielen Tausenden von deutschen Soldaten und Internierten den Weg in die Heimat. Jeden von uns erfüllt dieser Erfolg mit aufrichtiger Dankbarkeit. Wir hoffen, daß jedem dieser gequälten Menschen die freie Entscheidung über das Heimatziel zugestanden wird und daß es möglichst vielen vergönnt ist, die freie Luft unserer staatlichen Gemeinschaft zu atmen. Unserer tatkräftigen Hilfe sollen sie gewiß sein.
Ist es vermessen, zu erwarten, daß die Oststaaten, erst recht aber unsere westlichen Vertragspartner in der Westeuropäischen Union und in der NATO die Moskauer Vereinbarung über die Gefangenen als eigene Verpflichtung fühlen und ein Ende machen mit Strafverfolgung und Strafvollstreckung wegen der Irrungen und Wirrungen einer schlimmen Zeit?
Moskau ist eine Station auf dem deutschen Wege aus tiefer Not, eine Leidensstation auf einem Leidenswege. Wir müssen die Zähne zusammenbeißen, zäh und geduldig weiterschreiten zu dem Ziele der Einheit und Freiheit unseres Vaterlandes.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Brühler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Redner der kleinsten Fraktion des Hauses, der ja nach der Rangordnung eigentlich ,als letzter sprechen müßte, hat es am leichtesten bei solchen großen Debatten. Vieles, was er sagen wollte, ist schon und vielleicht viel besser gesagt. Er kann sich darum kurz fassen.
— Darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.
Er hat auch die Möglichkeit, auf manches einzugehen, was vorher geredet wurde.
Meine Damen und Herren, da gestehe ich Ihnen nun ganz offen, daß ich den Tag im Bundestag eigentlich sehr hoffnungsfroh begrüßt habe, als der Herr Kollege Ollenhauer erst so friedliche Worte fand, und daß ich mich da dem Traum hingab, daß es nun endlich in der Außenpolitik dahin kommen würde
— ich sage nichts gegen die Sozialdemokratie, meine Damen und Herren; lassen Sie mich aussprechen, machen Sie bitte nachher Ihre Zwischenrufe —, wohin es in England schon lange gekommen ist, daß nämlich Opposition und Regierung wenigstens in der großen Linie — mit Nuancen — in der Außenpolitik einig zusammenarbeiten würden.
— Ich würde auch in der CDU mit Zwischenrufen noch etwas sparen; das, was ich jetzt hinzuzufügen habe, behagt Ihnen vielleicht nicht so ganz. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, dahin ist es bisher in beiden Bundestagen noch nicht gekommen. Wir leben nun in einer wirklich so ungemein ernsten Zeit. Wir sind an einer Wegegabelangekommen. Vielleicht lockt zu neuen Ufern ein neuer Tag, vielleicht haben wir auch noch sehr schwere Schläge hinzunehmen. Aber, meine Damen und Herren, ich darf nun wirklich an den ganzen Bundestag appellieren und darf auch der CDU
sagen: Wir sind allzumal Sünder. Auch auf seiten der Regierung ist sicher manches geschehen, was der Sozialdemokratie das Leben nicht erleichtert hat.
Also wir müssen auf diesem Gebiet endlich zusammenkommen, und wenn uns das Herz nicht zusammenführt, dann müßte uns wenigstens der Verstand zusammenführen. Es ist vielleicht ein bißchen anmaßend, wenn ich als der neue Fraktionsvorsitzende der DP gleich solche Worte sage, aber ich habe dieses Bedürfnis schon lange, es im Bundestag einmal auszusprechen. Wir singen „Einigkeit und Recht und Freiheit" und sind vielfach so grauenhaft uneinig und schlagen uns die Köpfe blutig — figürlich gemeint natürlich — über Dinge, die an sich ja zweit- und ,drittrangig sind.
Meine Damen und Herren, die Rede, die ich nun in aller Kürze zu halten habe, ist in ,absoluter Kontinuität mit meinem Freund und Amtsvorgänger Dr. von Merkatz gehalten, wie ich überhaupt hier eingangs betonen möchte: ich befinde mich mit ihm genau auf der gleichen Linie.
In Moskau hat zwischen Bulganin, Chruschtschow und anderen führenden Persönlichkeiten der Sowjetunion und der deutschen Delegation unter Führung des Herrn Bundeskanzlers eine harte und freimütige Aussprache stattgefunden. Daß es nunmehr endlich hierzu gekommen ist, findet den Beifall auch der Deutschen Partei. Wir stimmen dem Moskauer Ergebnis zu. Es hat heute keinen Zweck mehr, Fehler, die auf beiden Seiten begangen worden sind, in das Gedächtnis der Gegenwart zurückzurufen.
Meine Partei stellt eine Gruppe von Menschen dar, die die Gegenwart bejaht und mit dazu beitragen will, diese Gegenwart für die gesamte Menschheit erträglich und lebenswert zu machen. Ihr vordringliches Anliegen aber ist auf die Gestaltung der Zukunft gerichtet.
Die deutsche Delegation hat in Moskau unter Führung des Herrn Bundeskanzlers bitterernst zu ringen gehabt, um die Gegenseite davon zu überzeugen, daß das deutsche Volk den Frieden will, aber einen Frieden nur sucht, wenn es dabei seine Ansichten von Anstand, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, die es für sich selbst beansprucht, auch allen anderen Menschen zugestanden sieht und diese Gefühle auch von den Menschen in Sowjetrußland und allen anderen Teilen der Welt respektiert und gewahrt werden. Die Deutsche Partei begrüßt es, daß der Herr Bundeskanzler und die von ihm geführte Delegation Anlaß genommen haben, die sowjetischen Vertreter von dieser Haltung des deutschen Volkes zu überzeugen.
Sie begrüßt es auch auf das wärmste, daß der Herr Bundeskanzler und die Delegation unbedingt darauf bestanden haben, aus Gründen der Menschlichkeit die Freiheit der über zehn Jahre in Rußland zurückgehaltenen deutschen Häftlinge zu fordern. Es bleibt belanglos, aus welchen Motiven und mit welchen Mitteln, ob durch Vertrag oder einseitige Verwaltungsanordnung, diese Menschen aus der Haft befreit werden. Es kommt ausschließlich darauf an, d a ß sie befreit werden. Klar muß unter allen Umständen sein, daß jeder Gefangene das Recht hat, zu bestimmen, wohin er entlassen werden will. Kämen viele der Gefangenen von Rußland nach der Sowjetzone, dann kämen sie unter
Umständen vom Teufel zum Beelzebub, d. h. etwa nach Bautzen oder Waldheim, um dann dort jämmerlich zu enden. Die Bundesregierung muß unseres Erachtens alle Schritte tun, um eine solche Entwicklung zu verhindern.
Wir machen uns auch große Sorgen um die nach dem Einmarsch der Russen verschleppten Personen, die noch in Härtelagern und in Arbeitslagern sind und zum Teil gar nicht, aus den verschiedensten Gründen, in der Lage waren, Nachricht zu geben. Unseres Erachtens müßte eine Kommission in Zusammenarbeit mit den sowjetrussischen Behörden nach diesen namenlosen Menschen forschen.
Wir sehen als das Ziel ,unseres politischen Kampfes die Wiedergewinnung der Heimat für möglichst alle deutschen Menschen an, natürlich auch für die sogenannten Volksdeutschen. Für die Deutsche Partei und für uns alle wäre es ein unerträgliches Gefühl, Beziehungen mit irgendeiner Herrschaftsordnung aufzunehmen, die, unter welchen politischen Vorzeichen auch immer, deutsche Menschen in Haft hält, welche ohne persönliche Schuld aus einer Gesamtauseinandersetzung zwischen Volk und Volk Opfer dieser Verstrickung geworden sind.
Die Frage der deutschen Häftlinge in Rußland bewegt jede deutsche Familie und jedes deutsche Herz. Wir begrüßen es dankbar, daß die deutsche Delegation unter Führung des Herrn Bundeskanzlers diesen Empfindungen voll Rechnung getragen hat. Das Echo in unserem Volke ist überall groß.
In der Einladung der sowjetischen Regierung an den Herrn Bundeskanzler war keine Rede von diesen Häftlingen, es wurde nur von der Normalisierung der Beziehungen gesprochen. Die Deutsche Partei hat der Annahme dieser Einladung zugestimmt. Denn auch uns und unseren politischen Freunden und, wie wir wissen, dem ganzen deutschen Volke kommt es darauf an, daß endlich alles Böse, was aus dem Krieg hervorgegangen ist, beendigt werde. Wir sind auch der Meinung, daß es nun an der Zeit ist, auch dem sowjetischen Volke gegenüber einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und eine neue Seite im Buch der Geschichte aufzuschlagen. Wir tim das in der Hoffnung, daß es nicht nur uns, sondern auch der sowjetischen Regierung und ihrem Volk damit ernst ist, wieder echte friedliche Beziehungen herzustellen. Sie kann es nur geben, wenn Sowjetrußland zum gesamten, zum wiedervereinigten deutschen Volke Beziehungen unterhalten will. Die 'bestehen aber überall nur dann, wenn jedes Volk es dem anderen gestattet, nach der ihm eigenen Art unbeeinflußt sein Leben einzurichten und zu behaupten. Dieser Wahrheit ist der Westen gefolgt, nachdem er das deutsche Volk durch jahrelange Besetzung seines Gebiets kennengelernt hatte, was dann auch die Voraussetzung dafür war, daß das deutsche Volk zu den Westmächten wieder in normale Beziehungen kommen konnte. Allein die sowjetrussische Besatzungsmacht 'hat geglaubt, dem deutschen Volk in der von ihr besetzten Zone ihre eigene, und zwar eine ihm völlig fremde Ordnung aufzwingen zu müssen. Hier trennen sich Anschauungen und Wege; das sei in aller Deutlichkeit gesagt. Es wird niemals einen wirklichen Frieden geben, solange dies nicht geändert wird. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die deutsche Delegation unter Führung des Herrn Bundeskanzlers die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zugestanden hat.
Schon vor der Abreise der deutschen Delegation nach Moskau hat die Deutsche Partei unserer Regierung klar zum Ausdruck gebracht, daß nach ihrer Anschauung eine wahre Normalisierung der Beziehungen nur möglich ist, wenn das Volk und die sowjetische Regierung das selbstverständliche Recht des deutschen Volkes respektieren, sich die Ordnung für seinen Staat zu schaffen, die seiner Eigenart, seinem Begriff von Freiheit und seiner Selbstbestimmung entspricht, und zwar eine Ordnung nicht nur für Teile des deutschen Volkes, sondern für die Gesamtheit der deutschen Nation. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich den entsprechenden Passus aus unserem Memorandum vorlesen:
Zu einer wirklichen Normalisierung gehört, daß die Sowjets sich eindeutig verpflichten, ihrerseits die Voraussetzungen zu schaffen, die es dem deutschen Volk in seiner Gesamtheit ermöglichen, aus freier, unabhängiger, das heißt unbeeinflußter Entscheidung eine gesamtdeutsche Regierung zu berufen. Das bedeutet, daß die Sowjetunion die Prinzipien anwenden muß, die in der Satzung der Vereinten Nationen aufgestellt und von ihr selbst anerkannt sind. Trotzdem vertritt die Sowjetunion den Standpunkt, daß die Existenz zweier souveräner deutscher Staaten, der Bundesrepublik und der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik, eine Realität sei, der man Rechnung tragen müsse, und daß im Falle einer Wiedervereinigung Deutschlands die sogenannten „fortschrittlichen Errungenschaften" in der von der Sowjetunion besetzten Zone abgesichert werden sollten. Demgegenüber hält die Bundesregierung die Bildung der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik für ein Unrecht und versteht deshalb unter der Wiedervereinigung die Beseitigung eines Unrechtszustandes und die Herstellung einer normalen rechtsstaatlichen Situation. Hier darf unter keinen Umständen ein Kompromiß geschlossen werden.
Die Fraktion der Deutschen Partei möchte an dieser Stelle die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auch auf die Tatsache lenken, daß die bisher in der parlamentarischen Diskussion und in der Öffentlichkeit hervorgehobene Formel von den „freien gesamtdeutschen Wahlen" die formaldemokratische Seite dieses Vorgangs allzusehr betont hat. Der Kern dieser innerdeutschen Wiedervereinigung liegt aber nicht in dem Zugeständnis dieses formalen Wahlaktes, sondern in der vor, während und nach der Wahl gewährleisteten freiheitlichen und rechtsstaatlichen Substanz eines Zustandes, der eine freie demokratische Wahlentscheidung überhaupt erst ermöglicht.
Die Aufrechterhaltung und Fortsetzung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen, die unter Überschreitung der Besatzungsrechte gegen den Willen der dortigen deutschen Bevölkerung erzwungen und damit zur eigentlichen Ursache der Spaltung Deutschlands gemacht worden ist, ließe eine Wiedervereinigung Deutschlands praktisch nicht zu.
Die Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung ist eine Sache des gesamten deutschen Volkes, das wieder in eine Einheit zu integrieren ist. Es kann deshalb, abgesehen von Übergangsmaßnahmen, kein Sonderrecht der sowjetisch besetzten Zone geben. Die Fraktion der Deutschen Partei lehnt auf diesem Gebiet jeden Kompromiß ab.
So weit unser Memorandum.
Meine Damen und Herren! Die sowjetrussische Regierung hat in Moskau anerkannt, daß sie verpflichtet ist, ebenso wie die Westmächte, dafür zu sorgen, daß das deutsche Volk in seiner Gesamtheit wieder eine einheitliche Staatsordnung erhält. Bislang aber hat sie keinerlei Beweis dafür geliefert, daß es sich hierbei um ein echtes und ehrliches Anliegen bei ihr handelt. Die Deutsche Partei vermag daher in dieser Moskauer Erklärung vorerst nur ein Lippenbekenntnis zu erkennen. Im Vertrauen vor allem aber auf die Bewertung, die diese sowjetrussische Zusage in Moskau durch die deutsche Delegation unter Führung des Herrn Bundeskanzlers gefunden hat, ist die Fraktion der Deutschen Partei bereit, die sowjetrussische Zusage zu akzeptieren.
Die Deutsche Partei ist nicht gewillt, deutsche Lebensinteressen irgendwelchen taktischen Erwägungen aufzuopfern. Es kommt also nach unserer Ansicht wesentlich darauf an, wie sich die sowjetischen Gesprächspartner künftig verhalten werden. Die sowjetrussische Regierung hat bei dem Besuch der sogenannten sowjetzonalen Regierung starke Worte gefunden, die im Gegensatz zum Ziel der Normalisierung der Beziehungen zwischen dem ganzen deutschen Volk und der Sowjetunion stehen. Man möge sich in Moskau nicht darüber im unklaren sein, daß es der freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Bundesrepublik an klaren und deutlichen Worten und Folgerichtigkeiten nicht fehlen wird, wenn festgestellt werden muß, daß es sich bei der sogenannten Normalisierung der Beziehungen nur um eine Vernebelung der Geister und der Tatsachen handeln sollte.
Und nochmals sei es gesagt: Wir stehen treu zu den Pariser Verträgen und bekennen uns zur Europaidee. Wir appellieren an die Westmächte, daß sie in Genf auf ihrem bisherigen Standpunkt beharren. Der Preis für das europäische Sicherheitssystem ist die Wiedervereinigung der beiden deutschen Landesteile. Beide Probleme müssen gemeinsam behandelt werden.
Den eingebrachten Entschließungen stimmen wir zu.
Die Deutsche Partei wird keinen Augenblick zögern, auf die Lebensinteressen des deutschen Volkes hinzuweisen und sie zu verteidigen, wenn das erforderlich würde, und sich von diplomatischen Beziehungen lösen, die dem deutschen Volke nicht mit Offenheit und Ehrlichkeit begegnen, und dabei das natürliche Lebensinteresse des deutschen Volkes achten. Das deutsche Volk wird in seiner Selbstachtung hierbei nicht anders handeln, als wir es vom russischen Volke in der Verteidigung seiner eigenen Interessen erwarten werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte grundsätzlicher Art sagen: Die Deutsche Partei hat seit 1949 die Politik des Herrn Bundeskanzlers gestützt, weil sie ihrer eigenen Anschauung entsprach und entspricht. Die Politik des Herrn Bundeskanzlers, die längst jeden Parteirahmen sprengte
und die wir im 1. Bundestag mit ermöglichen
konnten, geht von klaren, nach unserer Ansicht
konservativen Grundsätzen aus. In heikelster und schwierigster Lage hat der Herr Bundeskanzler jetzt in Moskau in klarer Beständigkeit und hoher staatsmännischer Weisheit sich geschlagen und ist nicht geschlagen worden.
In diesem Sinne stimmen wir Konservativen zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mocker.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte eingangs meiner Ausführungen für die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE der Genugtuung Ausdruck geben und Dank sagen, daß im Zuge des Moskauer Besuchs der Regierungsdelegation ,die Gefangenenfrage einer Regelung zugeführt werden konnte, von der wir sehnlichst hoffen, daß sie eine loyale und nach menschlichen Prinzipien korrekte Durchführung erfährt.
Wenn ich diese Hoffnung ausspreche, so will ich damit gleichzeitig sagen, nicht glauben zu können, daß — wie verschiedene Nachrichten wissen wollen — seitens der Sowjetunion an eine verschiedene Behandlung der gefangenen bzw. in ihrem Gewahrsam befindlichen Deutschen insbesondere in der Richtung gedacht ist, daß die aus den Austreibungsländern stammenden Volksdeutschen nicht mit zu jenen gezählt würden, welche in die Bundesrepublik zur Entlassung kommen. Man kann doch nicht ,deutsche Menschen, ganze Gruppen des deutschen Volkes, aus ihren Heimatländern austreiben und bei der Entlassung von Gefangenen und Zurückgehaltenen jene, die zu diesen ausgetriebenen Volksgruppen gehören, sozusagen für die Austreibungsstaaten reklamieren und ihnen das endliche Zusammensein mit ihren Angehörigen verwehren. Der Gedanke ist so paradox und ungeheuerlich zugleich, daß die sowjetischen Staatsmänner, die für die Entlassung der gefangenen und zurückgehaltenen Deutschen ihr Ehrenwort gegeben haben, und an deren Ehrenwort wir auch glauben, eine andere Durchführung der Entlassungsaktion als eben eine loyale und nach menschlichen Prinzipien korrekte, sicherlich nicht dulden würden. Die Sowjetregierung sagt, daß sich viele Deutsche jetzt noch in der Sowjetunion aufhalten, weil sie Arbeitsverträge haben. Es würde die von der Sowjetunion gewünschte Zusammenstellung des Materials für die zurückgehaltenen Deutschen durch die Bundesregierung wesentlich erleichtern, wenn die Sowjetunion ihrerseits möglichst genaue Angaben über diese Arbeitsverpflichteten machte. Diesen Wunsch sollte die Bundesregierung an die Sowjetregierung richten.
Die Moskauer Konferenz endete mit der Vereinbarung, diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion herzustellen. Die Aufnahme dieser diplomatischen Beziehungen ist unserer Meinung nach eine politische Notwendigkeit. Die Sowjetunion ist eine der vier Besatzungsmächte und hat einen großen Teil Deutschlands de facto in Besitz. Deutschland ist auf das friedliche Zusammenleben mit der Sowjetunion angewiesen. Diesem friedlichen Zusammenleben und damit dem Frieden überhaupt kann weit mehr gedient werden, wenn diplomatische Beziehungen zwischen beiden Staaten bestehen. Das Vorhandensein diplomatischer Beziehungen gestattet nunmehr
auch eine auf die deutschen Interessen und auf den Frieden in der Welt ausgerichtete Ostpolitik, von der ich im Namen meiner Fraktion bereits in der Debatte vom 27. Mai 1955 über die Vorbereitung von Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands gesprochen habe. Meine Fraktion sagt deshalb zu der in Moskau getroffenen Vereinbarung ja, selbstverständlich unter den aus der derzeitigen Lage Deutschlands sich ergebenden und auch von der Delegation der Bundesregierung bereits vorgebrachten Vorbehalten.
Trotzdem können der Verlauf und das Ergebnis der Moskauer Konferenz nicht befriedigen, da das zweite Anliegen, mit dem die deutsche Delegation nach Moskau fuhr, nämlich die Wiedervereinigung, nicht nur keinen Schritt vorwärts kam, sondern sich hier seit der Moskauer Konferenz Entwicklungsmöglichkeiten auftun, die uns alle nur mit größter Sorge erfüllen können.
Gewiß hat die Moskauer Konferenz die bereits erwähnte Regelung in der Gefangenenfrage gebracht, und es ist nicht zu bestreiten, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen schon allein gerechtfertigt ist, wenn damit Tausende unglücklicher Menschen ihre Freiheit erlangen; und ebenso gewiß hat auch die Sowjetregierung unbeugsam erklärt, daß sie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf keinen Fall an irgendwelche Bedingungen geknüpft sehen will. Aber es ist doch so, daß die deutsche Delegation mit anderen Vorstellungen nach Moskau ging, als sie sie dann als Wirklichkeit erkennen mußte. Sie war nicht in der Lage, alle Verhandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, die an und für sich durch das vorgesehene Programm gegeben waren und unserer Meinung nach gute Gelegenheit gegeben hätten, die Wiedervereinigungsfrage, wenn schon nicht zu lösen, so doch ein gutes Stück zu klären.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese große, wichtige Konferenz dem sachlichen Umfang nach nicht so vorbereitet war, wie dies notwendig gewesen wäre. So hat die Sowjetunion außer auf die diplomatischen Beziehungen ungeheuer großen Wert auf die Herstellung wirtschaftlicher Beziehungen gelegt. Es besteht die allgemeine Ansicht, daß die Sowjetunion große innere wirtschaftliche und soziale Probleme zu lösen hat. Alle offiziellen und inoffiziellen Berichte über die Moskauer Konferenz lassen erkennen, wie oft die Sowjetunion das Gespräch auf wirtschaftliche Dinge brachte. Ja ganz offen kam zum Ausdruck, wie sehr der Sowjetunion an wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen mit der Bundesrepublik zur Bewältigung ihrer inneren Aufgaben gelegen sei. Insbesondere war zweifellos zu erkennen, daß die Sowjetunion in der Bundesrepublik eine weitaus höhere und eine ganz andere wirtschaftliche Potenz sieht als in der DDR. Es besteht weiter die allgemeine Ansicht, daß die Führer der Sowjetunion ihre politischen Entscheidungen in kühler und nüchterner, ja berechnender Abwägung nach Zweckmäßigkeitsgründen treffen. Es wäre also doch notwendig gewesen, bei der Moskauer Konferenz zu untersuchen, wieweit die Sowjetunion gegen Einräumung wirtschaftlicher und Handelsbeziehungen, also gegen die Mithilfe bei der Lösung ihrer inneren wirtschaftlichen und sozialen Probleme, geneigt wäre, in der Wiedervereinigungsfrage Konzessionen zu machen.
Darüber hinaus bieten Gespräche über wirtschaftliche Beziehungen seit jeher die beste Gelegenheit zwischen Völkern und Staaten, einander näherzukommen, das heißt sich gegenseitig kennenzulernen, zu überzeugen und Vertrauen zu erhalten. Diese psychologischen Momente spielen doch aber auch gerade in der Wiedervereinigungsfrage eine ungeheure Rolle. Ich mache diese Ausführungen insbesondere auch mit Rücksicht darauf, daß ich in der Besprechung zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Fraktionsvorsitzenden vor der Abreise nach Moskau auf die Wichtigkeit der wirtschaftlichen Beziehungen im vorstehenden Sinne hinwies und bat, dieser Seite eine besondere Sorgfalt zu widmen und insbesondere die Bereitschaft von deutscher Seite und die damit gegebenen Möglichkeiten der Sowjetunion gegenüber dadurch zu erkennen zu geben, daß der Bundeswirtschaftsminister Mitglied der Delegation sein sollte. Der Verlauf der Moskauer Konferenz hat mir recht gegeben. Der Moskauer Delegation gehörte der sowjetische Außenhandelsminister Kabanow an. Ein nach Moskau mitfahrender Ministerialdirektor des Bundeswirtschaftsministeriums, dessen besondere Fähigkeiten ich vollauf anerkenne, ist kein Äquivalent dafür und wird auch allein schon protokollmäßig und nach den Gepflogenheiten bei solchen Konferenzen nicht als ein Zeichen dafür gewertet, daß ein geäußertes Anliegen auch dem Verhandlungspartner von Wichtigkeit ist. Die gestrige Regierungserklärung sagt sogar ausdrücklich, daß in wirtschaftlicher Beziehung bei der Moskauer Konferenz deutscherseits große Zurückhaltung geübt wurde. Ich bedaure, daß der Herr Bundeskanzler es nicht auch in diesem Punkt mit Präsident Eisenhower hält, dessen Ausspruch bekannt ist, daß ein Handelsvertrag die beste Waffe in der Politik ist.
Die Sowjetunion glaubt nun, diesen Mangel bei der Moskauer Konferenz nachträglich in der Weise abstellen zu können, daß sie bereits jetzt Einladungen an deutsche Wirtschaftler ergehen läßt. Sie ist offenbar der Ansicht, daß sich nach Errichtung der gegenseitigen Botschaften die wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen durch Forcierung seitens der Sowjetunion sehr schnell von selbst einstellen würden. Hier muß aber gesagt werden, daß die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwar eine Normalisierung des Geschäftsverkehrs, wie er sich üblicherweise über die diplomatischen Missionen abspielt, aber noch keineswegs auch eine Normalisierung der sachlichen Beziehungen zwischen den beteiligten Staaten bedeutet. Der Sowjetunion liegt aber in erster Linie an einer Normalisierung der Beziehungen auch in sachlicher Hinsicht.
Ich spreche daher für meine Fraktion die Bitte aus, daß in den allein schon auf Betreiben der Sowjetunion nun in Gang kommenden Wirtschaftsverhandlungen das nachgeholt wird, was bei der Moskauer Konferenz versäumt wurde. Diese Gespräche sind im vollen Umfang in den Dienst der Wiedervereinigung zu stellen. Auch die von Moskau eingeladenen Wirtschaftler haben meiner Ansicht nach die Verpflichtung, ihre Gespräche nur unter diesem politischen Aspekt zu führen. Wünscht die Sowjetunion durch diplomatische Beziehungen nicht nur eine Normalisierung des Geschäftsverkehrs, der sich auf diplomatischer Ebene durch die Errichtung von Botschaften ergibt, sondern darüber hinaus zur Bewältigung ihrer inneren Aufgaben eine Normalisierung der sachlichen, vor allem der wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen, dann ist das eindeutig abhängig zu machen von einer Änderung des von der Sowjetunion in der Wiedervereinigungsfrage nunmehr bezogenen Standpunktes.
Die Sowjetunion hat bei der Moskauer Konferenz an die deutsche Delegation klar und eindeutig die Frage gerichtet, ob sie durch die Herstellung diplomatischer Beziehungen die Sowjetunion anerkennen oder durch eine Ablehnung dieser diplomatischen Beziehungen die Anerkennung versagen wolle. Genau so klar und eindeutig ist auch an die Sowjetunion bei dem Wunsch nach Normalisierung der sachlichen und nach Herstellung wirtschaftlicher Beziehungen die Frage zu richten, ob sie in ihrem eigenen Interesse lieber ein geteiltes und damit zur Befriedung untaugliches Deutschland sehe oder ein wiedervereinigtes Deutschland, das ihr freundnachbarlich gesinnt und mit seiner großen wirtschaftlichen Potenz zur wirtschaftlichen Hilfe bereit ist.
Diese Frage an die Sowjetunion ist um so berechtigter, als bei der Moskauer Konferenz Ministerpräsident Bulganin für die Sowjetunion die Verpflichtung der Vier Mächte, die Wiedervereinigung herzustellen, anerkannt hat. Daraus ergibt sich aber auch, daß die Wiedervereinigungsfrage nicht losgetrennt von dieser Verpflichtung der Vier Mächte gelöst werden kann. Daher kann die Normalisierung der sachlichen Beziehungen, die Herstellung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion nur im engsten Kontakt mit den Viermächteverhandlungen über die Deutschlandfrage erfolgen.
Die jüngsten Verhandlungen zwischen der Sowjetunion und der DDR haben keinen anderen Zweck als den, die DDR gleichsam als gleichberechtigten deutschen Staat neben der Bundesrepublik in diese Viermächteverhandlungen und überhaupt in alle Wiedervereinigungsverhandlungen einzuschieben. Es wird den Westmächten klar sein, was das bedeutet. Die drei Westmächte müssen daher mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, daß der Schlüssel für die Art der Wiedervereinigung einzig und allein bei ihnen liegt.
Sie werden vor der Geschichte versagt haben, wenn sie bei der kommenden Außenministerkonferenz und überhaupt bei den in der Zukunft stattfindenden Konferenzen in der Deutschlandfrage nicht in der gleichen hartnäckigen Art und Form, wie das *den Verhandlungsführern der Sowjetunion eigen ist, das Junktim zwischen dem Sicherheitssystem und der Wiedervereinigung vertreten, ja auf der Priorität der Wiedervereinigung vor einem Sicherheitspakt bestehen.
Wenn die Sowjetunion darauf hinweist, daß die Wiedervereinigungsfrage doch in erster Linie eine Angelegenheit der Deutschen, also eine Angelegenheit der von ihr anerkannten beiden deutschen Staaten sei, so muß demgegenüber klargestellt werden, daß es der einheitliche Wille aller Deutschen ist, diese Verhandlungen zu führen, sobald garantiert ist, daß die für diese Verhandlungen herausgestellte Delegation der Sowjetzone sich auf die Legitimation des frei bekundeten Willens der Bevölkerung berufen kann. Der Vorschlag, gesamtdeutsche Wahlen durchzuführen, konnte bisher nicht vorwärts gebracht werden. Obwohl wir
an diesen gesamtdeutschen Wahlen festhalten, ist es wohl berechtigt, weitere Überlegungen anzustellen. Wir aus der Bundesrepublik behaupten mit gutem Recht, daß die Sowjetzonenregierung nicht die Willensträgerin der Bevölkerung der Sowjetzone ist. Dasselbe wird von den Sowjetzonenmachthabern über uns behauptet. Machen wir doch diesem Streit ein Ende, indem sowohl in der Sowjetzone wie in der Bundesrepublik zur Errichtung von Verhandlungsdelegationen freie, geheime, direkte Wahlen, und zwar nach dem gleichen Wahlsystem unter internationaler Kontrolle durchgeführt werden! Wir sind jederzeit bereit, dies zu tun bzw. uns dafür einzusetzen, falls auch die DDR sich dazu bereit erklärt.
In einzelnen Zeitungen des In- und Auslandes werden mit bedauerlichem Übereifer auch Überlegungen dahingehend angestellt, den bei der Wiedervereinigung Deutschlands von der Sowjetunion befürchteten Rückwirkungen auf die Satellitenstaaten durch ein Sicherheitssystem zu begegnen, das gewissermaßen die Anerkennung der jetzigen Machtverhältnisse in Osteuropa durch die Westmächte mit beinhaltet. Solchen Spekulationen kann nicht rechtzeitig genug mit aller Entschiedenheit widersprochen werden, soweit sie eine Schmälerung des Rechts auf die Heimat bzw. des Selbstbestimmungsrechts mit sich bringen würden.
Die Wiedervereinigung von Bundesrepublik und Sowjetzone darf nie — und da befinden sich die Vertriebenen wohl in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Bundesregierung und des Parlaments — auf Kosten dieser Grund- und Menschenrechte gehen.
Um diese Einheitlichkeit der vorstehenden Auffassung des deutschen Volkes bei den Vorbehalten anläßlich der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion erneut zu bekräftigen, waren alle Fraktionen von Anfang an einig, einheitliche Entschließungsanträge einzubringen, was nach gemeinsamen Beratungen nunmehr auch erfolgt ist. Den gemachten Vorbehalten über die Ostgebiete bzw. Ostgrenzen muß jedoch vorausgeschickt werden, daß nach bestehendem Völkerrecht und einhelliger Auffassung aller Völkerrechtler die Errichtung diplomatischer Beziehungen nicht die geringste rechtliche Bedeutung für Grenzfragen hat. Die Errichtung diplomatischer Beziehungen ist eine organisatorische Maßnahme und hat lediglich die gegenseitige Anerkennung der beteiligten Staaten als souveräne Mächte sowie deren Regierungen als legale Repräsentanten ihres Staates zur Folge. Die Frage, zu welchem Staat ein Gebiet gehört, entscheidet sich nach besonderen Regeln des Völkerrechts. Hier ist der Völkerrechtssatz entscheidend, daß Annexionen völkerrechtswidrig und damit nichtig sind, überhaupt dann, wenn dabei das Selbstbestimmungsrecht der Völker verletzt wird. Dies trifft auf die deutschen Vertreibungsgebiete zu. Es ist gut, wenn diese Rechtsauffassung nochmals herausgestellt und gesagt wird, daß die von deutscher Seite gemachten Vorbehalte nicht die Aufgabe dieser Rechtsauffassung bedeuten.
Die Erfahrungen, die uns die Moskauer Konferenz vermittelt hat, verpflichten uns, die Wiedervereinigung noch mehr als bisher zum Mittelpunkt der deutschen Politik zu machen. Diese Erfahrungen zeigen uns aber nur zu deutlich, welche Schwierigkeiten sich auf dem Wege zur Erreichung der Wiedervereinigung auftun. Mit Ausnahme eines Opfers auf Kosten der Freiheit oder des Rechts auf die Heimat bzw. des Selbstbestimmungsrechts sind wir vom Gesamtdeutschen Block/ BHE bereit, jedes Opfer zur Überwindung der bestehenden Schwierigkeiten und endgültigen Erringung der Einheit des deutschen Volkes und des deutschen Staates zu bringen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich darf das Haus noch einmal daran erinnern, daß der Herr Bundeskanzler dem Bundestag mitgeteilt hat — Drucksache 1685 —, daß er die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken davon abhängig gemacht habe, daß der Deutsche Bundestag sich mit dieser Maßnahme einverstanden erklärt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung darüber. Ich darf aber, bevor ich in die Albstimmung eintrete, auf die Entschließungsanträge aufmerksam machen, die in der Zwischenzeit verteilt worden sind, Drucksache 1693 und Drucksache 1694. Ich werde der Reihe nach abstimmen lassen.
Wir stimmen zunächst darüber ab, ob sich der Deutsche Bundestag mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken einverstanden erklärt. Wer dieser Aufnahme zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle fest, daß die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom Deutschen Bundestag in seiner 102. Sitzung am 23. September einmütig gebilligt worden ist.
Meine Damen und Herren, ich komme weiter zu der Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE und DP, Drucksache 1693, betreffend die Freilassung der bisher in der Sowjetunion zurückgehaltenen Deutschen. Es heißt hier:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag hat von dem Versprechen Kenntnis genommen, das der Ministerpräsident der UdSSR dem Bundeskanzler über die Freilassung der bisher zurückgehaltenen Personenabgegeben hat. Der Bundestag gibt der sicheren Erwartung Ausdruck, daß diese Zusagen alsbald verwirklicht werden.
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle fest, daß dieser Entschließungsantrag, Drucksache 1693, einstimmig vom Deutschen Bundestag angenommen worden ist.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE und DP, Drucksache 1694, betreffend Vorbehalte der Bundesregierung aus Anlaß der Moskauer Vereinbarungen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag macht sich die Erklärung zu eigen, die der Bundeskanzler aus
Anlaß der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der UdSSR über die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands, über die Befugnisse der Bundesregierung zur Vertretung des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten und über die politischen Verhältnisse in denjenigen deutschen Gebieten, die sich gegenwärtig außerhalb der effektiven Hoheitsgewalt der Bundesrepublik befinden, abgegeben hat.
Entgegenstehende Äußerungen der Organe der sogenannten DDR sind für das deutsche Volk ohne Verbindlichkeit, da es in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands keine frei gewählte Volksvertretung gibt und keine vom Volk bestätigte Regierung, die befugt wäre, im Namen der Bevölkerung dieses Gebietes oder gar des deutschen Volkes zu sprechen.
Der Deutsche Bundestag fordert erneut die Wiedervereinigung Deutschlands im Sinne seines Beschlusses vom 26. Februar 1955 - Drucksache 1201 -. Er erwartet von der bevorstehenden Außenministerkonferenz in Genf, daß sie die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit als eine ihrer wesentlichsten Aufgaben ansieht und zur Lösung bringt.
Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß auch dieser Entschließungsantrag Drucksache 1694 einstimmig vom Deutschen Bundestag angenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Sitzung aufhebe, gebe ich bekannt, daß der Ältestenrat um 12 Uhr zusammentritt und daß unmittelbar im Anschluß an das Plenum eine kurze Sitzung des Büchereibeirats im Lesesaal erforderlich ist.
Ich berufe die nächste Plenarsitzung des Deutschen Bundestags auf den 29. September 1955, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.