Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir haben in Deutschland eine weitere Katastrophe zu beklagen.
In einem Bergwerk in der Nähe von Saarbrücken, der Grube Heinitz, sind am 7. Juni 16 Bergleute durch einen Strebebruch verschüttet worden. Auch hier haben sich Männer selbstlos unter Einsatz ihres Lebens voll ausgegeben, um ihre Kameraden zu retten. Aber von den 16 Verschütteten konnten 8 nur als Tote geborgen werden. 3 der Geretteten sind im Krankenhaus verstorben.
Der Deutsche Bundestag gedenkt der Opfer in tiefer Trauer und versichert die Hinterbliebenen des tiefen Mitgefühls des ganzen deutschen Volkes.
Sie haben sieh von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung mache ich den Vorschlag, daß wir heute die Materie des Haushaltsgesetzes strikt der Reihenfolge nach behandeln, daß wir nicht Einzelpläne herausnehmen und dadurch die Ordnung der Reihenfolge stören. Es ist für die Herren, die bei den Beratungen notwendig sind, kaum erträglich, sich heranholen zu lassen, und dann kommen sie doch nicht dran. Die Reihenfolge der Einzelpläne wird folgende sein: 09, 10, 12, 13, 29, 30, 40, 45 und 60.
Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1955 .
Begründet die Regierung den Gesetzentwurf? —
— Es soll von Begründung abgesehen werden. Ist
das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich noch der Waldbauernbub war, habe ich manchmal dem Rindvieh beim Wiederkäuen zugeschaut und habe den Eindruck gehabt, daß diese Tätigkeit vom ,lieben Vieh als ein Ausdruck des Wohlbehagens empfunden wurde. Bei dem jährlichen Wiederkäuen des Inanspruchnahmegesetzes kann ich bei mir nicht einen Zustand des Wohlbehagens feststellen!
Nun wollten wir ja diese Prozedur des Wiederkäuens in einem längeren Zeitraum von zwei oder gar drei Jahren vornehmen. Das sollte geschehen in einem Finanzverfassungsgesetz als Ausführungsgesetz zum Art. 107 des Grundgesetzes. Aber bei diesem Versuch hat unser starker, meines Erachtens allzu starker Bruder in der Bonner Legislative, der hohe Bundesrat, nicht mitgemacht. Und nun stehen wir vor der Aufgabe, wieder ein Ausführungsgesetz nach geltendem Verfassungsrecht aufzustellen. Der liebe Gott — ich darf ihn wohl hier auf diesem guten Wege anrufen — möge uns segnen.
— Ach, ich bin christlicher Demokrat; ich kann mir das erlauben!
Meine Damen und Herren! Vier Grundsätze darf ich hier vorführen.
Das Inanspruchnahmegesetz ist ein Bestandteil des Haushalts, ein echtes Deckungsmittel des Bundeshaushaltsplans. Wie will man eigentlich den Einzelplan 60 verabschieden, wenn man keine Vorstellung von dem wichtigen Einnahmeposten hat, der durch den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer dargestellt wird?
Gewiß, es gibt mancherlei Unsicherheitsfaktoren. Wir haben noch nicht ganz gesehen — wir konnten es auch nicht —, wie die Auswirkungen der Steuerreform sind, obschon der Steuertermin vom 10. dieses Monats vielleicht mehr Klarheit geschaffen hat, als vorher war. Wir haben sehr starkes Auseinanderweichen der Steuerschätzungen, wobei die Länder und die Wirtschaft in ihrem Optimismus fast gleichkommen. Aber, meine Damen und Herren, wenn der Berichterstatter im Bundesrat, der hessische Finanzminister Troeger, in der Bundesratssitzung vom 10. dieses Monats gesagt hat — ich darf die Stelle mit Erlaubnis ides Präsidenten hier zitieren —:
Der gelegentliche Hinweis darauf, daß es ein unmäglicher, ein verfassungs- und gesetzwidriger Zustand wäre, wenn der Bund nicht schon bei Beschlußfassung über den Haushalt den gesetzlich festgelegten Anteil an dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer kennt, kann, glaube ich, keine durchschlagende Wirkung haben. In den vergangenen Jahren ist es immer so gewesen, und das ist dem Bund bis jetzt außerordentlich gut bekommen.,
so scheint mir diese Musik doch etwas sehr stark abgestellt zu sein auf den Refrain des Kölner Karnevalsliedes: „Et hät noch immer, immer alles jod jejange". Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, daß ich mit rheinischem Dialekt aufwarte. Aber nachdem sich die meisten Herren das Bayrisch angewöhnt haben, können wir ja auch das benachbarte Kölsch mal zur Umgangssprache machen.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der Drucksache 1449 in ihrer Stellungnahme zum Beschluß des Bundesrates folgendes ausgeführt — ich darf es wiederum mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren —:
Es ist ein allgemeiner Grundsatz des öffentlichen Haushaltsrechts, daß die Haushaltspläne vor Beginn dies Rechnungsjahres zu verabschieden sind , obwohl alle Haushalte mit der Ungewißheit über die tatsächliche Höhe der veranschlagten Einnahmen und Ausgaben, somit auch mit dem natürlichen Risiko der Entwicklung des Steueraufkommens belastet sind.
Die nachträgliche Festsetzung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer würde dieses Risiko der Haushaltsplanung einseitig für die Länder ausschalten, für den Bund dagegen das zusätzliche Risiko bedeuten, daß Nachzahlungen, die sich auf Grund des späteren Inanspruchnahmegesetzes ergäben, von einzelnen Ländern nicht oder nur schwer eingezogen werden können.
Satz 2: Vereinbarungen über die Höhe des Bundesanteils zwischen der Bundesregierung und den Länderregierungen sind ungesetzlich. Wir haben den klaren Wortlautdes Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach der Bundesanteil durch ein Bundesgesetz und nicht nur durch vertragsähnliche Abmachungen festgestellt wird, und das Bundesgesetz ist selbstverständlich ein Zustimmungsgesetz. Aber was wir bisher erlebt haben, reicht ungefähr an den Tatbestand heran, daß durch solche Vereinbarungen die Legislative lausgeschaltet werden sollte. Im letzten Haushaltsj ahr haben wir es erlebt daß der Bundesrat am 31. März dieses Jahres
seine Zustimmung erklärt hat. Genau genommen ist das Budgetrecht des Bundes im Jahre 1954/55 nur an einem Tage unter gesetzlicher Flagge gesegelt. Ich möchte sagen: der gegenwärtige Zustand, daß die Haushaltsdirektoren der Länderfinanzministerien den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nach ihrem Ermessen festsetzen, d. h. wie sie den Finanzbedarf des Bundes bemessen, ist eine Außerkraftsetzung des Grundgesetzes.
Meine Damen und Herren, wie wäre es eigentlich, wenn der einfache Zensit, also der Bürger des Landes Nordrhein-Westfalen August Dresbach, der gerade vor Ihnen steht, auf den Gedanken käme, zu sagen, daß der Finanzbedarf seines Vaterlandes Nordrhein-Westfalen und auch des partizipierenden Bundes zu hoch angesetzt sei, und wenn er dann eigenmächtig daran ginge, seine Vorauszahlungen zur Einkommensteuer herabzusetzen?
Was uns die Herren Haushaltsdirektoren und der von ihnen auf die Bundesratsmitglieder transferierte Beamtenhochmut besorgt haben, könnte in Deutschland eigentlich eine Poujade-Bewegung hervorrufen.
Für mich steht jedenfalls nach diesen Dingen fest, daß der Bund wieder die Hebekassengewalt über seine Steuern und auch über seinen Steueranteil in die Hand bekommen muß.
Punkt 3: Meines Erachtens ist es gesetzwidrig, wenn stillschweigend hingenommen wird, daß ein in Kraft gesetztes Gesetz nicht durchgeführt wird. Es handelt sich hier, ganz deutlich gesprochen, um das Vierte Überleitungsgesetz, das zuerst als Finanzanpassungsgesetz in die Gesetzgebungssprache eingegangen war. Meine Damen und Herren, die Verlautbarungen des Bundesfinanzministeriums, dem ich sonst mit außerordentlicher Liebe gegenüberstehe, sind mir unklar. Mir scheint, die Länder bemessen den Bundesanteil erstmals nach dem Finanzbedarf des Bundes, wie sie ihn schätzen, dann aber unter Abzug der Zahlungen des Bundes an sie, die ja nach dem Vierten Überleitungsgesetz wegfallen sollten; das sind vornehmlich die Steuerverwaltungskosten des Bundes für die Länder.
Die Bundesregierung hat. in ihrer Replik an den Bundestag klar und deutlich ausgesprochen, daß sich der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht nach den Vorteilen des Bundes aus dem Vierten Überleitungsgesetz bemißt, sondern nach dem Finanzbedarf des Bundes, der aus sonstigen Mitteln nicht zu decken ist. Das entspricht dem klaren Wortlaut des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes, und darüber, meine Damen und Herren, sind wir uns doch wohl klar, daß der Finanzbedarf des Bundes im Zeichen der Rüstung, dargestellt durch die Person und den Namen meines Freundes Theodor Blank, erheblich ansteigen wird. Die Bundesregierung sagt in ihrer Erwiderung, meines Erachtens mit vollem Recht, daß nach dem Inkrafttreten der Pariser Verträge der Haushalt des Bundes nicht auf der Annahme aufgebaut werden kann, daß sich auf dem Gebiet der Verteidigungsausgaben ähnliche Einsparungen wie in der Vergangenheit ergeben würden. Wer zur
Adenauerschen Außenpolitik A sagt, muß zur Schäfferschen Finanzpolitik B sagen!
Das betrifft nicht Sie, meine Herren von der Opposition.
— Sie wären ja eigentlich geneigt, zu B ja zu sagen, aber nicht zu A. Aber das betrifft unsere Freunde von der CDU im Bundesrat; und, Herr Wellhausen, sprechen Sie doch einmal mit Ihrem Freunde Frank aus Baden-Württemberg, der hat einen vollkommen konträren Standpunkt zu Ihnen. Nun will ich hier nicht auf das Kontokorrent eingehen, das die Bundesregierung aufgemacht hat.
Vierter Punkt. Ich bin der Meinung, daß es nicht möglich ist, den Bundesanteil in einer Zahl festzulegen, wozu der Herr Bundesfinanzminister neigt; er sagt nämlich: Ich brauche im Jahre 1955/ 1956 soundso viel Milliarden an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wenn nun aber der Anteil von 40 %, den er beansprucht, mehr erbringen sollte, dann sollen das die Länder behalten können. Meine Damen und Herren, dieses Plafond-Einziehen bedeutet praktisch das Abhängen des Bundesanteils von den Steuerarten Einkommen- und Körperschaftsteuer und bedeutet faktisch einen Übergang zum System der Finanzzuweisungen, wie es der Nationalsozialismus seinerzeit im Verhältnis Reich zu Ländern und Reich zu den Gemeinden geschaffen hat. Dabei stehen wir auf einem anderen Gebiet gerade in der umgekehrten Entwicklung. Wir haben bisher im Verhältnis von Land zu Gemeinden das System der Finanzzuweisungen, also die Zuteilung von Geld ohne Rücksicht auf die Steuerarten. Die Gemeinden und Gemeindeverbände streben einen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer des Landes an. Sie sehen also, dort ist gerade der umgekehrte Marsch im Gange. Ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister doch einmal auf eine Darlegung in den Ausführungen des Berichterstatters im Bundesrat hinweisen, wo meines Erachtens der hessische Finanzminister Dr. Troeger im Systematischen mehr Wahrer der Bundesinteressen ist als der Herr Bundesfinanzminister.
Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich diesen Absatz aus der Troegerschen Rede im Bundesrat zitieren:
Um nun diesen angeblich unfruchtbaren Streit über die Richtigkeit der Schätzung des Aufkommens für 1955 zu beseitigen, wird von Bundesseite vorgeschlagen, daß sich der Bund im Rechnungsjahr 1955 damit einverstanden erklären wird, wenn er zwar 40 % des Aufkommens erhält, aber nicht mehr als die 4280 Millionen DM, die er in seinen Haushaltsplan eingesetzt hat. Ich meine, daß dies kein Ausweg ist, schon weil es auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Auf diese Weise würde der Bundesanteil zu einem Matrikularbeitrag, und das soll er doch nach Art. 106 GG eben nicht sein. Dieses Bedenken wird deswegen nicht geringer, wenn man glaubt, diesen Ausweg nur für ein Jahr beschreiten zu sollen.
Ich möchte mich dieser Besorgnis des hessischen
Finanzministers Dr. Troeger unbedingt anschließen. Sie entspricht jedenfalls meinem systematischen Denken, und ich möchte wirklich nicht, daß das System der Finanzzuweisungen oder einer Franckensteinschen Klausel von hinten herum hier Platz greift.
Eine Frage noch zur Aufklärung. Im § 4 des Gesetzentwurfs heißt es, daß das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Aber dann heißt es im § 1, daß das Gesetz für das Rechnungsjahr 1955 gültig sein soll. Wir wissen doch, daß bei diesen Überweisungen das Kassenprinzip herrscht, d. h. daß das Finanzamt täglich den entsprechenden Beitrag an die Bundesfinanzkasse abzuliefern hat. Das läßt sich ja vielleicht nachher durch den Herrn Minister aufklären.
Ich möchte jedenfalls grundsätzlich feststellen: die bisherige Haltung der Länder, d. h. die Herbeiführung gesetzloser Zustände im öffentlichen Haushaltswesen, sollte von uns als ein Fanal gesehen werden. Es geht im Zeichen der Rüstung vielleicht ohne eine volle Bundeswehrverwaltung. Mein alter Freund von Buchka, der letzte königlich-preußische Landrat in diesem Hause und seinerzeit noch Vorsitzender einer Musterungskommission, wird uns vielleicht einmal demonstrieren, wie man das auch auf zivile Art und Weise machen kann.
Aber ich bin der Meinung, es geht nicht ohne eine vollzügige Bundesfinanzverwaltung, d. h. der Bund muß für seine Steuern und Steueranteile die unmittelbare Hebekassengewalt haben. Soll denn vielleicht der Zustand eintreten, daß der Haushaltsdirektor im Vaterlande, na, sagen wir einmal: des eigenen Landes Nordrhein-Westfalen, erklärt, daß Herr Blank den und den Satz Maschinengewehre oder sonst einige Artikel zu hoch eingesetzt habe, daß er sie unter Umständen im Vaterlande Nordrhein-Westfalen billiger kaufen könne als im Vaterlande Baden-Württemberg, und dann danach den Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer bemißt? Meine Damen und Herren, machen wir uns doch nicht lächerlich!
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann viel von den Ausführungen unseres Freundes Dresbach übernehmen. Leider kann ich Ihnen nichts bieten, was seinem unnachahmlichen Redestil gleichkäme. Ich kann ihn gleich zitieren, indem ich sage: auch für uns, die sozialdemokratische Fraktion, ist dieses Gesetz ein entscheidender Teil und eine entscheidende Stütze des Haushalts. Da wir den Haushalt, nicht gerade zu Ihrer Überraschung, aus Gründen, die wir in der dritten Lesung noch darlegen werden, ablehnen werden, werden wir aus denselben Gründen auch dieses Gesetz ablehnen.
Die Summe, die hier in Anspruch genommen worden ist, ist ein Saldo aus den verschiedenen Posten des Haushalts. Da uns einige der Ausgaben, die hier eingesetzt sind, durchaus verfehlt und andere Posten falsch errechnet und im Haushalt nicht richtig angesetzt erscheinen, werden wir dieses Gesetz schon aus diesen Gründen ablehnen müssen. Im übrigen ist zur speziellen Kritik der Zahlen, die hier zu Grunde liegen, einiges zu sa-
gen. Sicher ist nach den Steuerergebnissen des ersten Vierteljahres 1955 — lesen Sie es im Bulletin vom 28. April nach —, daß das Steueraufkommen 1954 vom Bundesfinanzministerium, was Bundessteueraufkommen anlangt, insgesamt um 6- bis 700 Millionen DM und die Einkommen- und Körperschaftsteuer um annähernd 500 Millionen DM zu niedrig geschätzt worden war. Auf diesen Steuerschätzungen 1954 beruhen auch die Steuerschätzungen 1955 über die Auswirkung der Steuerreform. Es ließe sich also in der Tat über die Zahlen einiges sagen. Aber die Gründe, die für uns gegen den Haushalt sprechen, genügen uns auch, gegen dieses Gesetz zu sprechen.
Wenn wir das Gesetz ablehnen, so bedeutet das aber nicht, daß wir in der Kontroverse zwischen Bundesregierung und Bundesrat dem Standpunkt des Bundesrates beitreten. Keineswegs! Wir geben der Regierung und dem Herrn Bundesfinanzminister vollkommen recht, wenn sie den Vorschlag des Bundesrates zurückgewiesen haben, dieses Gesetz bis nach Verabschiedung und weiterer Erprobung des Haushalts zurückzustellen. Das ist ein völlig unmöglicher Zustand, weil, wie ich schon sagte, ein solches Gesetz ein unentbehrlicher und ausschlaggebender Bestandteil des Haushalts selbst ist. Ebenso hatten sie recht, wenn sie das Ansinnen zurückwiesen, vorläufig zur Verfügung gestellte Überweisungen der Länder entgegenzunehmen und auf diese Art und Weise auf Ermessensentscheidungen, womöglich nicht einmal der Länderregierungen, sondern Länderverwaltungen, den Haushalt des Bundes aufzubauen. Das hat Freund Dresbach soeben mit Recht kritisiert. Bei diesem Hinausschieben der Entscheidungen und Zustimmungen hat man nachgerade das Gefühl, als komme es den Ländern, den Länderfinanzministern in diesem alljährlichen Tauziehen und Ringkampf, der sich unerfreulicherweise immer wieder abspielt, darauf an, möglichst lange die Hand an der Gurgel des Bundes zu halten.
Um so bedauerlicher ist es, daß man sich von seiten der Bundesregierung, von seiten des Bundesfinanzministers durch die auch von meinem Vorredner mit Recht kritisierten Versuche zu Vereinbarungen auf derartige Dinge einläßt, die in Wirklichkeit außerhalb des Gesetzes sind. Um so bedauerlicher ist es, daß man Vorschläge macht wie den einer fixen Summe für die Abgeltung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer; der Kritik, die mein Freund Troeger und unser Freund Dresbach dazu vorgetragen haben, schließe ich mich vollständig an. Auch bin ich der Ansicht, daß der Herr Bundesfinanzminister in der Tat noch einige Aufklärung über die Durchführung des Vierten Überleitungsgesetzes schuldig ist. Die Vorhaltungen, die ihm gemacht worden sind, sind nicht mit der recht unklaren Erklärung abgetan, die er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 27. Mai zur Verfügung gestellt hat und in der er sagt, daß die Belastungen der Länder „im Überweisungsverkehr berücksichtigt werden". Was das heißen soll, ist nicht klargeworden.
Die Bundesregierung hat auch recht, wenn sie rügt, daß der Bundesrat sich bei seiner Ablehnung des Gesetzes einfach auf die Bemerkung beschränkt hat, die Auswirkungen seien für die Länder untragbar, ohne sich überhaupt damit zu beschäftigen, ob das Geld für den Bundeshaushalt gebraucht wird. Die Prüfung dieser Frage ist eine
Verantwortlichkeit auch der Länder, des Bundesrates, der ja schließlich ein Organ des Bundes und keine Interessenvertretung von Ländern und Länderkassen ist. Die einfache Bemerkung, eine Summe sei für die Länder untragbar, genügt hier nicht, um so weniger als sie, wie Sie der Drucksache entnehmen können, einfach auf die Abrechnung zweier Posten gestützt wird: die Einkommen- und Körperschaftsteuer und die Steuerverwaltungskosten. Das sind zwei Posten, deren Saldo errechnet wird, und dieser Saldo wird nicht akzeptiert. Es gibt aber eine ganze Menge anderer Steuerposten, die insgesamt zu berücksichtigen wären: die Entwicklung der Vermögensteuer, die Schonung, die dem Vermögensteueranteil der Länder bei der jetzt hoffentlich zustande gekommenen Lastenausgleichsregelung zuteil geworden ist, die Entwicklung z. B. der Kraftfahrzeugsteuer und andere Dinge mehr. Wenn schon, dann muß man alle Posten in Betracht ziehen, und dieses gegenseitige Aufrechnen mit den Ziffern, die einem gerade im Augenblick passen, sollte aufhören, auch auf seiten des Bundesrates. dem man allerdings zugeben muß, daß er das beim Herrn Bundesfinanzminister gelernt hat; ich erinnere an die Rechnung, die der Herr Bundesfinanzminister und zum Notopfer soeben aufgemacht hat. Der Herr Bundesfinanzminister steht auf dem Standpunkt, daß das Notopfer Berlin ein allgemeines Deckungsmittel des Haushalts ist und nicht für Berlin reserviert ist. Wenn aber allseitig, auch von ihm und einstimmig vom Bundestag, als notwendig anerkannte Steuerpräferenzen für Berlin zu geben sind, dann können solche Steuerpräferenzen nach Ansicht des Herrn Bundesfinanzministers auf gar keine andere Weise ais durch Erhöhung des Notopfers gedeckt werden. Da stehen auf einmal zwei isolierte Posten im Haushalt gegeneinander, und das allgemeine Deckungsmittel hat sich in etwas ganz anderes verwandelt.
Die Länder können bei der Untersuchung, die mit einem solchen Gesetz verbunden ist, auch nicht so weit, wie sie das immer tun, von der Verantwortung für ihre eigenen Ausgaben abrücken. Wenn die Länder schon den Bundeshaushalt in Einnahme und Ausgabe sehr genau durchsehen — und durchsehen sollen —, so wird in dem Streit zwischen den gegenseitigen Behauptungen über Untragbarkeit der Belastungen vielleicht auch einmal ein Wort über die Länderhaushalte zu sagen sein.
Beiderseits ist die fiskalische Einstellung in diesen Vorgängen, die sich ja jedes Jahr wiederholen und die unser Freund Dresbach als „Wiederkäuen" bezeichnet hat, aufs tiefste zu bedauern. Das Trauerspiel der Finanzverfassung sollte, ich glaube, dem letzten die Augen geöffnet haben, daß hier etwas anders werden muß. Wir hatten hier im Bundestag mit großer Mehrheit etwas angeboten, was wir nun wirklich als Minimalprogramm der Finanzverfassungsreform und überhaupt des Anfangs einer brauchbaren Finanzverfassung ansehen. Wir hatten hier auch eine Definition der Maßstäbe vorgeschlagen, nach denen die gegenseitigen Bedürfnisse der Länder und des Bundes abgewogen werden sollten. Wir hatten vorgeschlagen, dieses Tauziehen, diesen Freistilringkampf um die Bundesanteile doch wenigstens — wir hatten zuerst gemeint, alle drei Jahre — alle zwei Jahre statt jährlich stattfinden zu lassen. Wir hatten immerhin geglaubt, den Ansatz zur Bereini-
gung einiger Steuern, kleinerer und dringend reformbedürftiger Steuern, machen zu müssen. Es ist bisher zu nichts gekommen. Ob aus dem Vermittlungsausschuß noch etwas herauskommen kann, bleibt einstweilen abzuwarten. Das ist der eine Fall.
Ich erinnere an viele Parallelfälle: die Verschleppung, die nachgerade unerträgliche Verschleppung der vierten Lastenausgleichsnovelle durch eben dieselben Auseinandersetzungen, die erstickten Steuerreformen, die von Jahr zu Jahr steckengebliebenen Steuerreformen. Ja, es kommt jetzt, wie man hört, schon so weit, daß Gesetze, die als notwendig anerkannt werden, die als dringlich empfunden werden, von der Bundesregierung nicht eingebracht werden, weil man es wegen der Auseinandersetzungen mit den Ländern im Augenblick für inopportun hält, Bundessteuern zu senken. Ich gebe dem Herrn Bundesfinanzminister bloß das Stichwort Tabaksteuer, Rauchtabakbesteuerung. So weit ist es schon gekommen! Meine Damen und Herren, hier muß einmal ein letzter Appell an beide Seiten gerichtet werden, statt dieser fiskalischen Zänkereien etwas mehr reformatorischen Geist aufzubringen. Beiden Seiten muß einmal zugerufen werden, daß die Wähler in der Tat dieses Gezänk zwischen den öffentlichen Kassen satt haben,
daß sie diese kostspieligen Streitigkeiten ablehnen. Ich glaube, die Länder und ihre Minister müssen einmal daran erinnert werden, daß sie im Bundesrat als Bundesorgane und als Organe der Bundesverfassung zu agieren haben.
Den Herren, die sich auf so kostspielige und so zeitraubende Weise vor ihre Kasse stellen, muß einmal gesagt werden, daß alle diese öffentlichen Kassen doch letzten Endes einem Herrn, nämlich dem Volke, gehören. Insbesondere die Jugend, der ja nun im Kriege und nach dem Kriege zwangsweise eine große Freizügigkeit beigebracht worden ist, hat, glaube ich, kein Organ mehr für die feinen Unterscheidungen zwischen bayerischem und nordrhein-westfälischem Geld. Der guten Sache, die ein echter Föderalismus ist, tut man, glaube ich, einen sehr schlechten Dienst, wenn man mit diesen Dingen fortfährt.
Es muß aber auch gesagt werden, daß der Herr Bundesfinanzminister in diesen Dingen eine klare Stellung einnehmen sollte, auch wenn das in heimatlichen Wahlkreisen und heimatlichen Partei-
verbänden nicht so ganz populär erscheinen sollte. Auch der Herr Bundesfinanzminister sollte sich einmal entschließen, davon abzugehen, immer wieder von Fall zu Fall mit dem einen oder anderen Mittelchen bis zum nächsten Tag durchzukommen. Dieses Haus hat mehr als einmal bewiesen, daß sich für eine wirkliche Finanzreform und auch für eine Steuerreform eine breite Mehrheit in ihm findet. Auch die Opposition hat bewiesen, daß sie ohne Rücksicht auf Empfindlichkeiten — die ihr bei der Behandlung, die sie in diesem Hause sonst erfährt, durchaus zugestanden werden müßten — bereit ist, hier mitzuarbeiten. Aber man kommt nicht weiter, wenn man das Ministerium immer mitzerren und mitschleppen muß, statt daß das Ministerium, auf der großen Unterstützung fußend, die es in diesem Hause haben könnte, sich in diesen Dingen nun endlich einmal zu etwas Reformatorischem entschließt. Aber so, wie es jetzt ist, werden wir noch lange zu keiner Finanzreform und zu keiner Steuerreform kommen.
Das, meine Damen und Herren, waren die Bemerkungen, die ich der Ablehnung dieses Gesetzes durch meine Fraktion beizufügen hatte.
Bevor ich das Wort weiter gebe, eine kurze Mitteilung: Die für heute nachmittag angesetzte Sitzung des Unterausschusses für Bundesvermögen fällt aus.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der sehr angenehmen Lage, allen Ausführungen meines Freundes Dresbach und—auch bei Seuffert möchte ich diesen Ausdruck gebrauchen — meines Freundes Seuffert zuzustimmen. Das ist ja eine Erscheinung, die sich im Finanzausschuß oft manifestiert. Herr Seuffert hat vollständig recht, wenn er sagt, daß sich für die Ziele, über die er gesprochen hat, in diesem Hause ein breite Mehrheit findet. Sie muß nur zum Zuge kommen, und sie muß natürlich auch von dem Herrn Bundesfinanzminister etwas mehr ermuntert oder geführt werden, als das bisher geschieht.
Nach meinen Erkundigungen bestand sogar die Absicht, diesen Gesetzentwurf auf Drucksache 1449, über den wir jetzt sprechen, auch wieder zu verzögern und dem Bundesrat nicht zuzuleiten. Gott sei Dank hat man sich dann schließlich doch dazu entschlossen und hat nun in den Ausführungen von Herrn Finanzminister Troeger die erwartete Reaktion des Bundesrats gefunden. Daß dieses Haus dieses Gesetz als einen Teil des Haushalts ansieht, hat wohl dazu beigetragen, daß es nun wenigstens in diesem Zusammenhang vorgelegt worden ist. Ich schließe mich auch dem an, was Herr Seuffert gesagt hat. Er hat, wenn auch nicht so witzig, lieber Herr Dresbach, aber doch ein wenig deutlicher die Katze aus dem Sack gelassen, als Sie als Koalitionspolitiker vielleicht zu tun für richtig gehalten haben, oder als Christlicher Demokrat, wie Sie vorhin gesagt haben. Ich gehöre da mehr zu den Leuten, die in der Mitte zwischen Herrn Dresbach und Herrn Seuffert stehen, und ich nehme mir die Freiheit, die Dinge etwas offen zu nennen.
— Ja, ja, das mag ja sein, aber ich stehe trotzdem in der Mitte; das sollten Sie eigentlich langsam von mir wissen, lieber Freund Dresbach.
Ich möchte hervorheben, daß auch die Versuche zu Vereinbarungen, mit denen der Herr Bundesfinanzminister in seiner unerschöpflichen Hartnäckigkeit — Sie haben hoffentlich kein anderes Wort erwartet —
uns erfreut hat, natürlich contra legem oder ganz bestimmt praeter legem sind und daß wir keineswegs wünschen, daß sie fortgesetzt werden.
Ich möchte die Gelegenheit benutzen, zum Ausdruck zu bringen, daß die Finanzreform nicht versacken darf. Wenn Sie sich nicht zu dem Vorschlag
entschließen, den ich schon wer weiß wie oft gemacht habe — ich glaube schon vor einem Jahr —, nämlich die Frist des Art. 106 nicht etwa um nur ein Jahr, sondern um mehrere Jahre zu verlängern, dann werden Sie, wie ich fürchte, wieder zu nichts kommen, wir vom Unterausschuß des Vermittlungsausschusses werden uns wieder an schönen Badeorten der Bundesrepublik tagelang aufhalten, und am Schluß wird das Plenum des Bundesrats die Dinge nicht akzeptieren. Ich glaube, das ist ein sehr schlechtes Zeichen für den Stand des Föderalismus, der im übrigen in Wirklichkeit gar nicht so schlecht steht, wie Sie immer annehmen. Wenn Sie darüber vor wenigen Tagen eine sehr hochstehende Ausführung eines hohen Beamten des Bundesfinanzministeriums im Politischen Klub in Bonn gehört hätten — Sie konnten es nicht, denn Sie mußten namentlich abstimmen, ich zahlte stattdessen die 20 Mark und war infolgedessen dabei —, dann würden auch Sie den Eindruck gewonnen haben, daß der Föderalismus eine durchaus nicht tote und bei richtiger Behandlung durchaus nicht aussichtslose Angelegenheit ist. Aber man muß Licht und Schatten so verteilen, die
ser hohe Beamte des Bundesfinanzministeriums es neulich abend getan hat, dann kommt man schon zu etwas Gutem, und dann kommt man auch zu einer Sinnesänderung des Bundesrats, die herbeizuführen, lieber Herr Dresbach, ich mich bei dem Herrn, den Sie vorhin zitiert haben — ich will ihn nicht noch einmal nennen —, sehr bemühe, allerdings bisher mit sehr geringem Erfolg. Sie wissen, daß das bei der FDP so ist, daß hart im Raume sich die Sachen stoßen und daß eigentlich alle Ansichten Vertreter haben; dafür sind wir ja bis zu einem gewissen Grade gelegentlich auch dankbar, manchmal sind wir auch traurig darüber.
Auch die Ausführungen, die der Herr Kollege Seuffert über die zu erwartenden Steuereingänge gemacht hat, sind meines Erachtens sehr aktuell. Sie gehören vielleicht nicht unmittelbar in diesen Zusammenhang, aber sie werden uns im Ausschuß auch wesentlich beschäftigen müssen. Ich bin jedenfalls froh, daß wir endlich so weit sind, daß das Inanspruchnahmegesetz nicht am letzten Tage des Haushaltsjahres eingebracht oder verabschiedet wird, sondern immerhin doch schon im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres.
Wenn wir auf diesem Wege fortschreiten, das bitte ich noch sagen zu dürfen, dann könnten wir auch in dieser Beziehung zu einer ordentlichen Haushaltsgebarung kommen. Es wird ja nötig sein, die Dinge im Finanzausschuß zu beraten — der Haushaltsausschuß hat sich schon damit beschäftigt —, und ich glaube, daß wir uns sehr intensiv damit beschäftigen und zu einem guten Ergebnis kommen müssen.
Dabei werden wir auch — das möchte ich noch sagen — uns daran erinnern, daß wir hinsichtlich des Notopfers Berlin wahrscheinlich eine Dummheit gemacht haben. Daß das eine zweckbestimmte Steuer ist, ist unter uns gesagt eine Selbstverständlichkeit, denn wenn in dem betreffenden Steuertitel, also unter „Notopfer Berlin", klar zum Ausdruck kommt, wofür die Steuer bestimmt sein soll, dann sollte es nach Adam Riese einer Zweckbestimmung durch Gesetz eigentlich nicht mehr bedürfen. Ich glaube, daß es höchste Zeit ist, diesen Fehler zu korrigieren.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sämtliche Herren Vorredner haben betont, daß das Inanspruchnahmegesetz als Teil des gesamten Haushaltsgesetzes zu betrachten ist. Ich möchte diesen Grundgedanken an die Spitze meiner Ausführungen stellen und warm unterstreichen.
Ich begrüße es, daß es trotz mancher Schwierigkeiten gelungen ist, das Inanspruchnahmegesetz dem Deutschen Bundestag noch während der zweiten Lesung des Haushalts vorzulegen, so daß hoffentlich nach der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes gleichzeitig dieses und das Inanspruchnahmegesetz dem Bundesrat zur letzten Entscheidung zugeleitet werden können. Der Bundesrat wird dabei einsehen, daß das Inanspruchnahmegesetz nach Art. 106 Abs. 3 lediglich festzustellen hat, was der durch andere Einnahmen nicht gedeckte Ausgabenbedarf des Bundes ist. Alle möglichen Erwägungen über einzelne Ausgaben, über die Höhe von Ausgaben, über Möglichkeiten der Entwicklung in der Zukunft müssen in nichts zerfallen, wenn das andere Bundesorgan — der Bundesrat — zu den einzelnen Einnahme- und Ausgabepositionen des deutschen Bundeshaushalts in derselben Stunde, in der ihm das Inanspruchnahmegesetz vorgelegt ist, Stellung nimmt. Wer die Ausgaben will, die im Bundeshaushalt beschlossen sind, muß auch die Folgerung nach Art. 106 Abs. 3 ziehen und schon entsprechend dem Grundsatz der Abgleichung — Art. 110 des Grundgesetzes — auch die Verantwortung für die Schaffung der allgemeinen Einnahmen und des durch diese allgemeinen Einnahmen nicht gedeckten Restbedarfs, nämlich des Bundesanteils, übernehmen. So ist logisch die Situation. Deswegen war ich erfreut, daß es wenigstens zeitlich gelungen ist, gleichzeitig Inanspruchnahmegesetz und Haushalt zur Entscheidung zu bringen. Aber ,all das steht unter dem Schatten des stillen Ringens um die Finanzverfassung.
Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß ich, worauf ich am 11. März 1954, als ich die Finanzreformgesetze vorlegte, hingewiesen habe, die Finanzreformgesetze deshalb bearbeitet und vorgelegt habe, weil ich der Überzeugung bin, daß der Weg des Art. 106 Abs. 3 ides Grundgesetzes immer größere Schwierigkeiten bereitet und daß sich die Konflikte, die wir Falle Jahre gehabt haben und bisher immer haben überwinden können, von Jahr zu Jahr steigern werden, vielleicht bis zu einem Grade, daß es zu einem offenen Konflikt zwischen Bund und Ländern in unserem Verfassungsleben kommen kann. Das heurige Ringen um das Inanspruchnahmegesetz beweist, daß diese Gefahr richtig gesehen worden ist und daß sich die Schwierigkeiten, zu einer Einigung über den Inanspruchnahmesatz zu kommen, immer mehr und mehr steigern.
Ich darf deswegen eine grundsätzliche Berner-kung vorausschicken. Wir müssen uns bemühen, die Entwicklung unseres Verfassungs- und Finanzlebens möglichst ruhig zu gestalten. Ich habe neulich dem Herrn Vizekanzler Blücher einen Artikel vorgehalten, der eine große Balkenüberschrift trägt und der im Jahre 1949 von ihm geschrieben worden ist, in dem er erklärt hat: Mit diesen finanzpolitischen Bestimmungen des Grundgeset-
zes kann ein Bundeshaushalt auch nicht ein Jahr lang aufrechterhalten werden. Ich gestehe ganz offen, daß ich seinerzeit, im Jahre 1949, auch die Schwierigkeiten vorausgesehen und kaum geglaubt habe, Jahr für Jahr zu einer Lösung kommen zu können. Wenn es bis zum Jahre 1953/54 gelungen ist, eine Lösung zu finden, so beruht das vielleicht darauf, daß man sich menschlich bemüht hat, die Schwierigkeiten, die in der Sache und in der Gesetzgebung liegen, zu überwinden und sich möglichst zu verständigen.
Ich möchte ganz offen aussprechen: ich bedauere es, daß sich im letzten Jahre allmählich eine Front der Länderfinanzminister gegen den Bund und gegen den Bundesfinanzminister bildet, die sich überhaupt weigert, in ein aufrichtiges sachliches Gespräch über diese Schwierigkeiten einzutreten.
Ich bin der Überzeugung, daß es nur im gegenseitigen Benehmen bei gutem Willen aller Beteiligten
möglich ist, die Entwicklung ruhig zu lenken,
und ich darf einem der Vorredner dabei sagen: Meine Heimat macht mir, was die politischen Kräfte dieses Hauses betrifft, die allerwenigsten Schwierigkeiten,
weil ich hier die Möglichkeiten eines menschlich guten Zuredens, einer menschlichen Verständigung habe und weil ich — auf der Gegenseite wenigstens — viel Vernunft gefunden habe.
Etwas anderes ist natürlich die politische Gestaltung meiner Heimat, Herr Kollege Seuffert, wo die offiziellen politischen Kräfte nicht gerade dazu beitragen, die Schwierigkeiten durch guten Willen zu überwinden.
Jetzt möchte ich auf einen anderen Punkt kommen, meine Damen und Herren. Es war im April dieses Jahres so, daß das Inanspruchnahmegesetz des Jahres 1954 nachträglich am 1. April 1955 beschlossen wurde, aber nicht der Bundesrat sich etwa entschlossen hat zu sagen: Es ist ein selbstverständlicher Verfassungsgrundsatz, daß ein alter Zustand so lange weitergeführt wird, bis er durch eine neue gesetzliche Änderung ersetzt wird. Es wäre an sich die innere Logik, daß der Bundesanteil, der in einem Jahr festgelegt ist, auch so lange, bis in das nächste Jahr hinein, weiterläuft, bis eine neue gesetzliche Regelung, ein neues Inanspruchnahmegesetz geschaffen ist.
Denn es liegt in dem freien Willen jedes Beteilig- ten, sowohl des Bundesrats wie des Bundestags, sei es durch Initiativgesetz, sei es auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung, den Zeitpunkt einer neuen gesetzlichen Regelung möglichst zu beschleunigen.
Nun hatten wir am 1. April 1955 keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die die Weiterleistung des Bundesanteils ab 1. April 1955 regelt. Die Länderfinanzminister hatten unter sich ohne Wissen des Bundesfinanzministers und der Bundesregierung eine stille Vereinbarung getroffen. Sie hatten unter sich vereinbart, daß sie statt 38 % lediglich 32,5 % abführen. Wie diese 32,5 % berechnet sind, ist mir unklar. Ich habe das erstemal eine Berechnung darüber in der Haushaltsrede des Herrn Finanzministers Troeger im hessischen Landtag gelesen. Ich habe dem Herrn Kollegen Troeger dann geschrieben, daß die Zahlen nicht stimmten, weil er, auch was das Vierte Überleitungsgesetz z. B. betrifft, nur das — vom Lande Hessen aus gesehen — „Minus", aber nicht auch das „Plus" dieses Überleitungsgesetzes berechnet hat, was doch offensichtlich ein Versehen sei. Also wie die 32,5 % berechnet sind, ist unklar.
Nun gingen die Länder verschieden vor. Die einen haben sich korrekterweise auf den Standpunkt gestellt: Wir leisten die alten Zahlungen weiter, und haben ihre Kassen angewiesen, 38 % abzuführen. Die anderen haben nach ihrer Schätzung die Belastung aus dem Überleitungsgesetz abgezogen und haben rund 34 % abgeführt, und die die dritten haben 32,5 % abgeführt.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier einmal in allem Ernst feststellen: In diesem Vorgehen der Länder lag eine ungeheure verfassungsrechtliche Gefahr. Die Länder sollten noch mehr fast als der Bund den Grundsatz des Art. 109 des Grundgesetzes hochhalten, daß sowohl der Bund wie die Länder in ihrer Haushaltsführung selbständig und voneinander unabhängig sind.
Wenn ich aber in einem Teil meiner Einnahmen, der mit 4 1/2 Milliarden von 20 Milliarden rund 20 % meiner Einnahmen ausmacht, vom Beginn des Haushaltsjahres ab davon abhängig bin, was die einzelnen Länderfinanzminister nach ihrem freien Ermessen an die Bundeskasse abführen, dann kann von der Stunde an von einer Unabhängigkeit und einer Selbständigkeit des Bundeshaushalts überhaupt nicht mehr gesprochen werden.
Deswegen kann ich mir einen Bundesfinanzminister nicht denken, der zu einer solchen Entwicklung schweigt. Infolgedessen mußte ich sehen, was zu tun ist.
Nun, meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, daß, solange man die Möglichkeit einer friedlichen und schiedlichen Vereinbarung sieht, man diese Möglichkeit wahrnehmen soll. Daher habe ich versucht, mit den Ländern zu einem Einverständnis zu kommen, wobei der Grundgedanke nicht etwa der war, die finanzwirtschaftlichen Auswirkungen des Vierten Überleitungsgesetzes zu beseitigen. Nein, der Grundgedanke war der, daß für die Zeit, bis zu der bei vernünftigem, gutem Willen beider Seiten eine endgültige Regelung durch das neue Inanspruchnahmegesetz gefunden werden kann, ich möchte sagen, eine kassenmäßige Vereinbarung geschlossen wird, die dem Bundesfinanzminister erlaubt, das zu erhalten, was ihm die Verfassung und auf Grund der Verfassung, meine Damen und Herren, der Deutsche Bundesrat und der Deutsche Bundestag an Mitteln an die Hand geben muß, um einen ordnungsmäßigen Ablauf des Haushaltes zu erreichen. Deswegen der Vorschlag, bis zum 31. Juli eine Regelung zu treffen, wobei ich allerdings den größten Wert darauf gelegt habe, daß diese Regelung auch in der Zwischenzeit von dem Grundgedanken ausgeht, daß der Bundesanteil des Vorjahres — weil noch keine neue gesetzliche Regelung vorhanden ist — in der alten Höhe, also mit 38 %, weitergezahlt wird.
Die Länder hatten eingewandt, daß die Belastung und Entlastung durch das Vierte Überleitungsgesetz und die Steuerverwaltungskosten von dem Bundesfinanzminister bei der Berechnung des Bundesanteils nicht berücksichtigt seien. Meine Damen und Herren, dieser Einwand ist völlig unberechtigt. Denn jeder, der den Haushalt liest, weiß, daß bei der Berechnung der durch andere Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben kein Pfennig mehr für die Zahlungen eingesetzt ist, die der Bund als Ersatz der Steuerverwaltungskosten den Ländern etwa zu leisten hätte; die sind bei der Berechnung von vornherein ausgenommen. Die Länder waren der merkwürdigen Auffassung, die Steuerverwaltungskosten müßten ohne Rücksicht auf den Ausgabenbedarf des Bundes in der Form berücksichtigt werden, daß sie einfach von den 38 % abzuziehen seien.
Ich suchte die Länder zu überzeugen, daß das eine unmögliche Berechnungsart ist. Denn sachlich liegen die Dinge doch so, daß der Inanspruchnahmesatz sich nach den j e w eilig en nicht gedeckten Ausgaben berechnen muß und ich nie
sagen kann: die 38 % des Jahres 1954 sind die Höchstgrenze, die für ewige Zeiten für die Länder in Frage kommt, und davon müßte die Belastung aus dem Vierten. Überleitungsgesetz abgezogen werden. Vielleicht steht diese Überlegung der Länder allzusehr im Schatten dessen, was sich als Präjudiz für ein Finanzverfassungsgesetz aus dem Inanspruchnahmesatz des Jahres 1955 ergeben könnte.
Um die Länder nun von der Unrichtigkeit ihrer Auffassung zu überzeugen, mußte ich Zeit gewinnen. Deswegen war ich bereit, in dieser Zeit einmal unter dem Vorbehalt der Rückzahlung zuzugeben, daß wir diese Frage offenlassen und ich den Ländern nachgebe. Meine Damen und Herren, ich habe von Anfang an erklärt, daß eine solche Vereinbarung überhaupt nur möglich ist, wenn alle neun Länder zustimmen. Denn wenn ein Land nicht zustimmt und ich gegen ein Land vorgehen muß, dann ist der Unfriede ja ohnehin gegeben und das Ziel nicht mehr zu erreichen. Acht Länder haben zugestimmt. Das neunte Land, das Land Hessen, hat nicht zugestimmt. Ich bin aber von dem Lande Hessen bisher nur mündlich unterrichtet. Eine schriftliche Mitteilung, eine Begründung des Gedankenganges des Landes Hessen habe ich noch nicht. Wenn ich diese Mitteilung erhalte und wenn ich daraus den Zwang zu besonderen Maßnahmen sehe, muß ich mir vorbehalten, mich an den Deutschen Bundestag zu wenden, weil diese Maßnahmen so, wie ich es überlege, wahrscheinlich nur im Benehmen mit dem Deutschen Bundestag getroffen werden können. Das ist die Situation, in der wir augenblicklich stehen.
Nun zu der Frage des Inanspruchnahmesatzes selbst. Ich brauche wenig dazu zu bemerken. Einen Streit über Ausgabeposten brauchen wir nicht zu haben, wenn der Deutsche Bundesrat und der Deutsche Bundestag diese Ausgabeposten in dem gleichzeitigen Haushaltsgesetz genehmigen. Einen Streit über die Einnahmeposten kann ich, wenn ich will, alle Jahre hervorrufen, weil ich immer erst am Jahresende weiß, ob die Schätzungen richtig gewesen sind oder nicht. Jede Überlegung muß darauf aufbauen, daß die Einnahmeschätzungen zu Beginn des Jahres aus bestem Wissen und Gewissen gemacht sind, und wenn sie dem Haushalt zugrunde gelegt sind, müssen sie nun einmal als eine entschiedene Sache betrachtet werden.
Ich gebe zu, daß die Verhältnisse in diesem Jahr schwieriger sind, weil sich die Auswirkungen der Steuerreform viel zögernder zeigen, als es uns erwünscht ist. Ich kann leider — ich werde mich ja im Finanzausschuß ausführlich darüber äußern müssen — aus steuertechnischen Gründen jetzt unmöglich aus den Erträgnissen der Monate April und Mai einen festen Schluß auf das ganze Jahr ziehen. Ich möchte voraussagen, daß sich wahrscheinlich noch nicht einmal aus dem Juni-Ergebnis ein sicherer Schluß ziehen läßt. Wahrscheinlich wird sich ein sicherer Schluß erst in der zweiten Periode, September/Oktober, dieses Jahres ergeben.
Aber jetzt kommt die Gefahr, wenn wir danach vorgehen. Einer der Redner hat schon gesagt, daß es vielleicht das Bemühen der Länderfinanzminister sein wird, eine vollendete Tatsache zu schaffen, die sich nicht mehr ändern läßt. Wenn das Inanspruchnahmegesetz erst am Ende des Haushaltsjahres zustande kommt und wenn in den langen Monaten vorher Sätze entrichtet worden sind, die weit unter den dann gesetzlich festgelegten liegen —, wer hat die Kraft und wer hat die Möglichkeit, diesen Unterschiedsbetrag am Ende des Jahres in die Bundeskasse fließen zu lassen? Das ist das große Fragezeichen, das vor uns steht.
Jede allzu lange Verzögerung des Inanspruchnahmegesetzes bedeutet eine Gefährdung des Bundeshaushalts, der nun auf diesen Zahlen aufgebaut ist.
Deswegen habe ich mich bemüht, Haushaltsgesetz und Inanspruchnahmegesetz möglichst gleichzeitig zur Entscheidung zu bringen.
Da ich den inneren Zusammenhang zwischen Finanzverfassungsgesetz, das ebenfalls dem Vermittlungsausschuß vorliegt, und Inanspruchnahmegesetz als Präjudiz für den endgültigen Satz der kommenden Jahre kenne, halte ich es für gut, wenn im Anschluß an die Entscheidung über das Inanspruchnahmegesetz auch die Frage des Finanzverfassungsgesetzes möglichst bald entschieden wird.
Ich kann nur mit dem Wunsche schließen: Gott gebe, daß a 11e beteiligten Kreise dabei davon ausgehen, daß über die deutsche Finanzpolitik, über das finanzpolitische Schicksal der g es am t en deutschen Bevölkerung entschieden wird, und daß wir — gleichgültig, an welche Gebietskörperschaft wir denken, Bund, Länder oder Gemeinden - doch letzten Endes alle an das deutsche Volk zu denken haben.
Das soll der Wille sein. Vielleicht hat die heutige Debatte, in der alle Redner doch auch schon ihre verfassungsändernden Wünsche auf dem Gebiet der Finanzpolitik angekündigt haben, auch den Länderfinanzministern einen Wink gegeben, es wäre gut, das bestehende Grundgesetz vernünftig und im Geiste der Versöhnung und der Rücksichtnahme auf die Allgemeinheit zu handhaben, um eine von diesen nicht gewünschte Änderung dieses Grundgesetzes zu vermeiden.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das scheint nicht der Fall zu sein. Es ist der Antrag gestellt, den Entwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
— Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung der Aktien der Howaldtswerke Hamburg AG .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen, meine Damen und Herren, vor, auf eine Begründung und ebenso auf eine Aussprache zu verzichten und die Vorlage unmittelbar an den Haushaltsausschuß zu überweisen. — Herr Abgeordneter Vogel wünscht das Wort?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, mit einer Ergänzung des Inhalts einverstanden zu sein, daß Sie — da der Haushaltsausschuß nicht federführend für den Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" ist
— den Haushaltsausschuß gleichzeitig ermächtigen, die Vorlage sofort an den Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" weiterzuleiten, damit wir in dieser Angelegenheit keine Verzögerung eintreten zu lassen brauchen.
Herr Abgeordneter Schoettle!
Ich möchte nur zur völligen Klarstellung das ergänzen, was Herr Kollege Vogel gesagt hat. Der Haushaltsausschuß ist selbstverständlich nicht federführend für den Unterausschuß „Bundesbeteiligungen". Aber die Vorlage soll dem Haushaltsausschuß überwiesen werden, weil wir nicht wollen — ich glaube, das ist die gemeinsame Auffassung des Hauses —, daß der Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" vom Hause selber zu einem permanenten Ausschuß zusätzlich zu den übrigen 38 Ausschüssen gemacht wird.
In diesem Punkte sind wir wohl einer Meinung. Aber selbstverständlich soll die sachliche Behandlung des Antrags des Bundesfinanzministers im Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" erfolgen. Formell ist es die Aufgabe des Haushaltsausschusses, dem Bundestag darüber zu berichten.
Sind wir da einig?
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Ich fasse die gestellten Anträge noch einmal zusammen. Es soll die Vorlage überwiesen werden an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß, Unterausschuß „Bundesbeteiligungen", als mitberatenden Ausschuß. Der Bericht wird also vom Haushaltsausschuß erstattet werden.
— Es ist so beschlossen; es wird kein Widerspruch vernommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung
des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 (Drucksachen 1100, 1500 bis 1530).
Ich rufe auf
Einzelplan 09 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft .
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Berichterstatters über den Einzelplan 09 — Bundesministerium für Wirtschaft — liegt Ihnen schriftlich ausführlich vor.*) Ich darf, um die Verhandlungen hier nicht unnötig zu verlängern, darauf verzichten, ihn noch mündlich zu erläutern. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein.
Das Haus ist damit einverstanden.
Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge vor: Umdruck 415 und Umdruck 432. Zunächst Umdruck 432**). Es ist ein Antrag der Abgeordneten Naegel, Dr. Kreyssig, Dr. Hoffmann, Samwer, Dr. Elbrächter und Genossen. — Wer begründet ihn? — Herr Abgeordneter Naegel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung der Vorarbeiten zum Haushaltsplan haben wir uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß mehrfach mit der Frage beschäftigt, welche Mittel für die wirtschaftswissenschaftliche Forschung zur Verfügung stehen. Es war damals der Wunsch aller Mitglieder dieses Ausschusses, daß die an sich schon geringen Mittel dann aber auch ohne weitere Verzögerung zur Verfügung gestellt würden. Nun hat sich ergeben, daß bei der Weiterbehandlung des Haushaltsplans ein Sperrvermerk für die 300 000 DM angebracht worden ist, die für diese Zwecke vorgesehen sind. Die Mitunterzeichner meines Antrags sind der Auffassung, daß man gerade im Hinblick auf die Wichtigkeit der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung diesen Sperrvermerk wieder beseitigen sollte.
Es handelt sich nicht nur darum, daß die großen Institute der Universitäten in Kiel, Köln, München usw. von diesem Betrag einen entsprechenden Anteil erhalten — selbstverständlich steht diese Überlegung mit im Vordergrunde —, sondern wir möchten darüber hinaus, daß aus diesem Posten Mittel zur Verfügung gestellt werden können zu der nach unserer allgemeinen Auffassung sehr wichtigen Unterstützung der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung für den Mittelstand. Wir haben uns gerade in den letzten Monaten häufig mit der Frage beschäftigt, wie eine aktive Mittelstandspolitik gefördert werden kann. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß die vorbereitenden Arbeiten zur Errichtung eines Mittelstandsinstituts durch die Zurverfügungstellung der notwendigen Mittel in Angriff genommen werden müssen. Ich darf namens der Unterzeichner des Antrags das Hohe Haus bitten, dem Antrag zuzustim-
*) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 3.
men und den Sperrvermerk für die 300 000 DM zu beseitigen.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter erteile, möchte ich daran erinnern, daß der Ältestenrat gestern vereinbart hat, daß über die Anträge nach der Beratung zu jedem Einzelplan abgestimmt wird. Ich fühle mich verpflichtet, darauf hinzuweisen, weil ich sehe, daß das Haus beträchtliche Lücken aufweist.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem soeben von Herrn Kollegen Naegel begründeten Antrag widersprechen, nicht aus Feindschaft oder Bosheit gegen die Antragsteller, sondern weil ich glaube, daß sie über das Wesen des Sperrvermerks nicht ausreichend unterrichtet sind. Es ist ja ein Vorzug der Mitglieder des Haushaltsausschusses, daß sie da etwas besser Bescheid wissen. Was ist das Wesen dieses Sperrvermerks? Die Summe ist um 300 000 DM erhöht worden, und zwar aus einem Grunde, der in seiner Bedeutung im einzelnen noch nicht ganz abzuschätzen ist. Zur Begründung dieser Erhöhung des Haushaltsansatzes sind neue Aufgaben in Aussicht gestellt worden. Solange diese neuen Aufgaben nicht in vollem Umfange feststehen, vor allem auch mit ihren finanziellen Konsequenzen, muß der Bundesfinanzminister die Möglichkeit haben, die Freigabe der Mittel in der Hand zu behalten. Der Bundesfinanzminister ist ohne jede weitere Schwierigkeit in der Lage, den Sperrvermerk aufzuheben und die Mittel in dem Moment freizugeben, in dem feststeht, was die neuen Aufgaben kosten. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, die man dem Bundesfinanzminister an die Hand geben muß. Das Haus sollte da wirklich dem Vorschlag des Haushaltsausschusses folgen.
Wird zu Umdruck 432 noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Wir wollen die Abstimmung wiederholen; vielleicht geht es ohne Hammelsprung. Wer für die Annahme des Antrags Umdruck 432 ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe bitte! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte um Wortmeldungen zu Antrag Umdruck 415*). — Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vor der Begründung des Antrags Umdruck 415 anläßlich der Behandlung des Einzelplans des Bundeswirtschaftsministeriums einige allgemeine Bemerkungen.
Verzeihung, Herr Abgeordneter Samwer, ich werde nach der Begründung der Änderungsanträge das Wort zu allgemeinen Bemerkungen zum Einzelplan erteilen.
Schön. Ich nahm an, daß ich dies in einem abmachen könnte. Das wäre einfacher gewesen.
*) Siehe Anlage 2.
Das steht Ihnen durchaus frei!
Aber bitte schön, wenn Sie es anders wollen, gern, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, zur Begründung des Antrags Umdruck 415 darf ich zuerst auf die Ziffer 1 verweisen. Wir bitten, daß in Kap. 0902 der Ansatz in Tit. 610 — Maßnahmen zur Förderung des Handels — um 1 000 000 DM auf 2 000 000 DM erhöht wird, damit er dem Ansatz für das Handwerk gleichsteht. Ich hatte im vorigen Jahr die Frage der Förderung des Handels angeschnitten. Wir sind sehr froh, daß nunmehr der Handel in dem ordentlichen Haushalt mit bedacht wird. Wir müssen uns aber darüber klar sein, daß, wenn für die Handwerksbetriebe, d. h. für das Handwerk als solches, im ordentlichen Etat 2 Millionen DM und im außerordentlichen Etat 4 Millionen DM, insgesamt also 6 Millionen DM vorgesehen sind — wogegen ich gar nichts einzuwenden habe —, wir doch, in etwa wenigstens, auch der Bedeutung des Handels entsprechen sollten. Aus diesem Grunde halten wir es für richtig, daß dem Handel eine besondere weitere Förderung zuteil wird. Sie wissen, daß es sich beim Handwerk um rund 840 000 Betriebe mit 3,8 Millionen Beschäftigten handelt. Der letztjährige Umsatz des Handwerks stand auf 36 Milliarden DM. Im Handel sind mehr als 2 Millionen Menschen beschäftigt; der Einzelhandel umfaßt rund 450 000, der Großhandel 115 000 Betriebe. Der vorjährige Umsatz des Einzelhandels allein — das haben Sie jetzt in den Zeitungen gelesen — betrug über 42 Milliarden DM. Wenn man den Großhandelsumsatz etwa mit 65 Milliarden DM rechnet, sieht man, daß die Bedeutung dieses mittelständischen Sektors genau so groß ist wie die des Handwerks, sie ist den Zahlen nach sogar größer. Wir sind der Meinung, daß hier das richtige Maß gefunden werden sollte. Wenn für das Handwerk insgesamt 6 Millionen DM vorgesehen sind, so halten wir es für richtig, daß der Handel mit 2 Millionen DM im ordentlichen Haushalt plus 1 Million DM im außerordentlichen Haushalt bedacht wird. Sie wissen, daß sowieso schon im ordentlichen Haushalt ein Betrag von 100 000 DM des Ansatzes für das Hotel- und Gaststättengewerbe angesetzt worden ist. Sicher ist es gut, auch das Gaststättengewerbe zu bedenken; denn hier ist die Möglichkeit, Devisen zu schaffen, mit zu berücksichtigen. Wenn man mich fragte, wie etwa diese 2 Millionen DM im ordentlichen Haushalt zu verteilen wären, so würde ich den Vorschlag machen, daß auf Seite 16 des Entwurfs des Bundeshaushalts 09 die Zuschüsse zur Förderung des Handels durch Einrichtung von Schulungskursen und Schaffung von Einrichtungen für Zwecke des Betriebsvergleichs, zur Erweiterung des Erfahrungsaustauschs usw. mit 500 000 DM statt 250 000 DM, die Zuschüsse zum weiteren Ausbau der Bundesfachschulen für den Einzelhandel, für die Durchführung von fachlichen Ergänzungskursen und Bildung von Erfahrungsaustauschgruppen mit 1 Million DM und die Zuschüsse für das Hotel- und Gaststättengewerbe mit 500 000 DM eingesetzt werden.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kann ich wohl die beiden anderen Punkte auch gleich behandeln. Zu Ziffer 2! Es ist an sich hinsichtlich der Höhe des Geldbetrages nichts Besonderes, aber es ist doch hier etwas Grundsätzliches zu sagen.
Auf Seite 34 des Einzelplanes 09 sind u. a. die Bezüge des Präsidenten des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen in Berlin dargestellt. Wir haben gebeten, den Ansatz in Tit. 101 um 1500 DM für die Aufwandsentschädigung des Präsidenten zu erhöhen. Dementsprechend möge im Stellenplan unter ,.Feste Gehälter" hinter „Präsident" eingesetzt werden: „Der Präsident erhält eine Dienstaufwandsentschädigung von jährlich 1500 DM." Dieser Wortlaut steht in der gleichen Weise auf der Seite 19 des Einzelplans 09 bei dem Präsidenten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Es ist also nicht außergewöhnlich daß ein solcher Betrag als Dienstaufwandsentschädigung gegeben wird. Es ist bekannt, daß die Präsidenten der Oberfinanzdirektionen jährlich nicht nur 1500 DM, sondern sogar 1800 DM Dienstaufwandsentschädigung beziehen. Der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen hat zweifellos eine außerordentlich verantwortliche Stellung und er hat — das ist einmal in seinem Amt begründet — sehr viele Reisen — von Berlin in das Bundesgebiet — zu unternehmen, so daß, wenn überhaupt, bei ihm eine solche Aufwandsentschädigung sachlich berechtigt ist. Der Bund mit seinen Finanzen, also der Herr Bundesfinanzminister, hat, wenn die von uns vorgetragene Bitte erfüllt wird. kein wesentliches Opfer zu bringen. da 9/10 sämtlicher Beträge, die für das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen aufgebracht werden müssen, von der Wirtschaft selber aufgebracht werden, so daß also der Betrag, der hier vorn Bund geleistet wird, überhaupt keine Rolle spielt; er beträgt in diesem Falle — 1/10 — 150 DM. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, diesem gerechten Anliegen doch zu entsprechen und endlich eine auch im Vergleich zu den anderen Präsidenten gerechte Regelung durchzusetzen.
Zu Ziffer 3 darf ich bemerken, daß wir den Antrag, die Industrieforschung finanziell noch zu stärken, zurückziehen, nachdem nunmehr feststeht, daß die im vorigen Jahr im außerordentlichen Etat nicht verausgabten Mittel auf den neuen Etat übertragen werden, daß also die Möglichkeit besteht, die nicht unerheblichen, noch nicht ausgegebenen Mittel des vorjährigen Etats wiederum für die Industrieforschung einzusetzen.
Zu diesem Umdruck 415 hat das Wort der Herr Abgeordnete Geiger .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Samwer hat soeben seine Anträge, die im Umdruck 415 zusammengestellt sind, begründet. Ich trete diesen Anträgen bei und ich möchte insbesondere zu Ziffer 2 des Umdrucks 415 sprechen. Ich spreche hier auch im Namen zahlreicher Freunde meiner Fraktion. Herr Kollege Samwer hat bereits auf die, ich darf wohl sagen, unhaltbare Situation hingewiesen, daß der Präsident einer, so wichtigen Bundesoberbehörde, wie sie das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen ist, keinen Pfennig Dienstaufwandsentschädigung bekommt. Dies ist ein unhaltbarer Zustand, schon im Hinblick auf frühere Verhältnisse.
Vor dem Kriege bekam der Präsident des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung eine Dienstaufwandsentschädigung von 2400 RM. Man darf nicht vergessen, daß wir eine Verpflichtung haben, die maßgeblichen Präsidenten der Ämter, die wir in Berlin als Bundesämter errichtet haben, mit entsprechenden Mitteln auszustatten. Die Herren, die dort sind, haben mehr als irgendwo anders die Verpflichtung, den Bund zu repräsentieren, insbesondere bei einem so wichtigen Amt, wie es das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen darstellt. Dem Präsidenten eines so wichtigen Amtes entstehen auch gewisse internationale Verpflichtungen; denn das Bundesaufsichtsamt beaufsichtigt nicht nur deutsche Unternehmungen, sondern auch Dutzende von ausländischen Unternehmungen, die in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassen sind. Aus diesem Grunde möchte ich mich wärmstens dafür einsetzen, daß dem Präsidenten des Bundesaufsichtsamts in Berlin dieser wahrhaftig nicht ins Gewicht fallende Betrag von jährlich 1500 DM zur Verfügung gestellt wird.
Herr Kollege Samwer hat bereits darauf hingewiesen, daß der Präsident der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt eine Dienstaufwandsentschädigung in der gleichen Höhe hat. Ich möchte ergänzend hierzu noch andere Vergleiche anstellen. Der Vizepräsident des Bundesausgleichsamts hat eine Dienstaufwandsentschädigung von 1500 DM, der Präsident des Bundesausgleichsamts eine Dienstaufwandsentschädigung von 1800 DM, der Präsident des Bundesgesundheitsamts hat eine Dienstaufwandsentschädigung von gleichfalls 1800 DM, und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat eine solche von 2400 DM. Sie sehen, daß wir hier die Verhältnisse angleichen müssen. Wir können nicht die Präsidenten dieses oder jenes Amtes mit einer Dienstaufwandsentschädigung versehen, während der Präsident eines anderen Amtes alle diese Ausgaben, die ihm aus seiner Diensttätigkeit erwachsen, aus eigener Tasche bezahlen soll. Ich trete deshalb wärmstens dafür ein, daß wir dem Antrag des Herrn Kollegen Samwer zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich, auch für meine Freunde, leider nicht in der Lage, dem Antrag Samwer, Seiboth und Fraktion zuzustimmen, und zwar aus folgenden Gründen. Was die Ziffer 1, die Erhöhung des Titels „Maßnahmen zur Förderung des Handels" um eine weitere Million D-Mark anlangt, so darf ich Sie darauf hinweisen, daß in diesem Haushalt nach langen und ausführlichen Beratungen und, ich glaube, in völligem Einverständnis mit allen Freunden des Handels ein Neuansatz von 1 Million DM im ordentlichen Haushalt und 1 Million DM im außerordentlichen Haushalt bereits erfolgt ist.
Wir halten es nicht für zweckdienlich, daß, nachdem sich der dafür zuständige Ausschuß der Mühe unterzogen hat, derartige Dinge im vollsten Einvernehmen mit den Beteiligten zu klären, nun in der zweiten und dritten Lesung solche Anträge gestellt werden. Ich glaube, daß es auch für die Gesamtheit des Handels nicht nützlich ist, daß plötzlich dann noch Zusätze gefordert werden, nachdem wir vorher ausführlich und unter voller Berücksichtigung aller Wünsche darüber im zuständigen Ausschuß verhandelt und uns dort geeinigt haben.
Was die zweite Ziffer, die Gewährung einer Dienstaufwandsentschädigung von 1500 DM für den Präsidenten des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungs- und Bausparwesen in Berlin, anlangt, so bitte ich Sie, meine Damen und Herren, sich folgendes vor Augen zu halten. Wir haben es im Haushaltsausschuß nicht mit einem einzigen Bundesaufsichtsamt zu tun, sondern wir sehen die Fülle der nachgeordneten Dienststellen der Bundesministerien vor uns,
und wir müssen darauf achten, daß gewisse Vergleichsmaßstäbe festgehalten werden und daß eine Gesamtschau ihre Richtigkeit behält. Es ist nicht so, wie hier vorgetragen worden ist, daß etwa diesen Herrn Präsidenten ein besonderes Mißgeschick getroffen hätte, daß er für seine Person diese Dienstaufwandsentschädigung nicht erhalten hat, sondern er steht hier in einer Reihe mit anderen nachgeordneten Dienststellen des Bundes, die mit ihm in Größe und Ausstattung durchaus vergleichbar sind. Auch die Präsidenten dieser Dienststellen haben eine solche Aufwandsentschädigung nicht bekommen. Die anderen Beispiele, die hier aufgezählt worden sind, sind mit dieser Dienststelle nicht vergleichbar. Wenn wir also diesem Antrag folgten, würden wir sofort bei einer ganzen Reihe ähnlicher Dienststellen eine Kettenreaktion auslösen. Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe dieses Hohen Hauses, auch hier das wohlausgewogene Maß der Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten, das einzuhalten wir uns im Haushaltsausschuß bemühen, zu durchbrechen.
Was die Ziffer 3 Ihres Antrages — Unterstützung der Industrieforschung — anbelangt, —
— Haben Sie zurückgezogen. Ich nehme das zur Kenntnis. Dann brauchen wir darüber nicht zu sprechen. Hier haben wir festgestellt, daß bereits ein so großer Überhang aus dem Vorjahr vorhanden ist — von den 15 Millionen DM des Vorjahrs sind bisher überhaupt erst 5,3 Millionen DM verplant —, daß hier nicht der geringste Anlaß besteht, eine Erhöhung vorzunehmen.
Ich bitte Sie also aus den vorgetragenen Gründen, die im Haushaltsausschuß wirklich ausführlich behandelt worden sind, diesem Antrag nicht zu folgen.
Wird noch das Wort zu diesem Antrag auf Umdruck 415 gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, und zwar lasse ich getrennt über die Ziffern 1, 2 und 3 abstimmen.
Ich lasse also zunächst über den Antrag auf Umdruck 415*) Ziffer 1 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. —Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag unter Ziffer 2. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 2.
Wir stimmen nunmehr ab über den Antrag unter Ziffer 3.
— Ist zurückgezogen.
Dann erteile ich das Wort zu allgemeinen Ausführungen zu diesem Einzelplan dem Abgeordneten Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich zunächst das Bedauern meiner Fraktion darüber zum Ausdruck bringen, daß wir auch diesmal den Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht bei uns begrüßen können. Selbstverständlich wissen wir die Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs durchaus zu schätzen. Aber nachdem der Herr Bundeswirtschaftsminister auch im vorigen Jahr an den Beratungen seines Etats nicht teilgenommen hat, würden wir es außerordentlich bedauern, wenn es zu einer Institution werden sollte, daß er sich bei der Beratung seines Etats durch seinen Staatssekretär vertreten läßt.
Nun zu den sachlichen Ausführungen zur Arbeit der Bundesregierung und des Bundeswirtschaftsministers auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik. Wie im Vorjahre konzentriert sich die Kritik unserer Fraktion auch diesmal wieder darauf, daß es nach unserer Auffassung die Bundesregierung und der Herr Bundeswirtschaftsminister an einer ausreichenden Aktivität zugunsten der Schwächeren in der Wirtschaft fehlen lassen. Wir denken dabei selbstverständlich nicht nur an den Verbraucher. sondern auch an den kleineren Selbständigen und an den kleineren Unternehmer.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einmal ein paar grundsätzliche Bemerkungen über unsere Wirtschaftspolitik überhaupt machen. In der Öffentlichkeit scheint sich teilweise der Eindruck ergeben zu haben, daß sich in der wirtschaftspolitischen Konzeption der SPD ein grundsätzlicher Wandel vollzogen hat. Das ist selbstverständlich durchaus nicht der Fall. Wir kritisieren nach wie vor, daß sich die Mächtigen in unserer Wirtschaft in all den Jahren des Wiederaufbaus in einer niemals ernsthaft angetasteten Vorzugsstellung befunden haben. Natürlich wissen wir, daß diese Entwicklung nicht nur das Ergebnis der Wirtschaftspolitik, sondern insbesondere auch ein Ergebnis der Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung ist. Immerhin möchten wir aber feststellen, daß als praktisches Ergebnis dieser Politik sich der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft mit einer sehr einseitigen Vermögensneubildung vollzogen hat. Nach unserer Auffassung wäre durchaus ein Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft möglich gewesen, der mit einer gerechteren Verteilung der Vermögensneubildung verbunden gewesen wäre.
Selbstverständlich wissen auch wir, daß die Mittel der Wirtschaftspolitik den Zeitverhältnissen angepaßt werden müssen. Es ist klar, daß mit fortschreitender Normalisierung der Märkte und mit fortschreitender Einengung der Mangelbereiche in Deutschland und gleichlaufend damit auch in Europa das Bedürfnis nach Interventionen zugunsten der Schwächeren in den Märkten geringer wird. Wir wissen auch, daß sich verbunden mit dieser Entwicklung die Chancen des Wettbewerbs, sich zugunsten des Verbrauchers auszuwirken, verstärkt haben. Wenn daher heute die SPD unter Berücksichtigung der jetzigen wirtschaftlichen Verhält-
nisse den Wettbewerb positiver beurteilt und wenn wir der Meinung sind, daß der Bereich, wo Interventionen notwendig sind, sich eingeengt hat, so hat das doch nichts mit unserer grundsätzlichen Haltung zu tun, daß wir nach wie vor solche Interventionen verlangen. Schließlich wird es auch der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben sein, daß z. B. bei unseren wirtschaftspolitischen Gegnern sich in den letzten Jahren die praktische Bewertung des Wettbewerbs sehr erheblich geändert hat, allerdings genau in der entgegengesetzten Richtung wie bei uns. Und niemand wird wohl auf die Idee kommen, daß sich bei diesen Gruppen damit etwa die grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Ziele verändert hätten.
Lassen Sie mich nach diesen grundsätzlichen Ausführungen kurz einige Beispiele zur Sprache bringen, die wir für besonders wichtig halten und wo wir eine steigende Aktivität des Bundeswirtschaftsministers und der Bundesregierung für dringend erforderlich halten. Zunächst einmal der Stand der deutschen Kohleversorgung. Hier hat die SPD schon im März eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet in Zusammenhang mit der unzureichenden Versorgung mit Braunkohlenbriketts. In der Antwort der Bundesregierung vom Mai dieses Jahres in der Drucksache 1384 wird im wesentlichen die vorliegende Mangellage bestätigt. Jedoch schweigt sich die Bundesregierung gänzlich dazu aus, auf welche Weise nach ihrer Meinung diese Mangellage zuverlässig behoben werden kann.
Außerdem befinden sich in der Antwort der Bundesregierung Widersprüche. Zu Nr. 2 unserer Anfrage sagt die Bundesregierung z. B., daß die unzulängliche Gesamtverfügbarkeit an Braunkohlenbriketts eine ins Gewicht fallende Differenzierung verbiete; gemeint ist damit eine Differenzierung in der Zuteilung an die einzelnen Gebiete der Bundesrepublik. Unter Nr. 3 ihrer Antwort sagt die Bundesregierung:
Eine gleichmäßige Versorgung aller Teile im Bundesgebiet mit Braunkohlenbriketts war früher weder üblich, noch erscheint sie bei der heutigen Situation zweckmäßig.
Wir fragen nun: Was soll hier wirklich gelten? Wir würden gern einmal wissen: Hat sich die Bundesregierung nun tatsächlich unterrichtet über die sehr unterschiedliche quantitative Versorgung der verschiedenen Teile der Bundesrepublik mit Braunkohlenbriketts? Hat sie z. B. mit dem Kohlenhandelsverband darüber gesprochen, von dem wir interessante Informationen bekommen haben? Nach unserer Unterrichtung ist es so gewesen, daß im Rheinland etwa das Vierfache pro Haushalt zugeteilt worden ist von dem, was in Bayern zugeteilt worden ist. Nunmehr hat sich aber leider inzwischen die Mangellage auf die gesamte Kohleversorgung ausgedehnt. Ich möchte mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einen Satz vorlesen aus dem Schreiben eines großen kommunalen Elektrizitätswerkes in Nordrhein-Westfalen. Da heißt es:
Bei unseren Verhandlungen in Dortmund wurde uns jedoch zu verstehen gegeben, daß die Ruhrkohlenverkaufsgesellschaft nicht daran denkt, ein festes Lieferabkommen abzuschließen.
Meine Damen und Herren, seien Sie sich darüber klar, was es bedeutet, wenn es großen kommunalen Elektrizitätswerken nicht mehr möglich ist, zu langfristigen Lieferabschlüssen zu kommen.
Weiter möchte ich Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einen Satz vorlesen aus einem Schreiben der Matthias Stinnes GmbH zur Steinkohlenlieferung. Da heißt es:
Für die Zeitspanne von April bis Oktober dieses Jahres werden etwa die Hälfte der im gleichen Zeitraum des Vorjahrs bezogenen Mengen an Nußkohlen zur Verfügung stehen.
Die Hälfte!
Nun könnte ich Ihnen noch eine Reihe weiterer Beispiele nennen, falls die tatsächliche Lage von irgend jemandem hier im Hause bestritten werden sollte. Es besteht nach unserer Unterrichtung der klare Tatbestand, daß bereits jetzt, in der bedarfsarmen Zeit des Sommers, die Kohleversorgung in der Bundesrepublik zu einem ausgeprägten Engpaß geworden ist.
Selbstverständlich wissen auch wir, daß dieses Problem weitgehend dem direkten Einfluß der Bundesregierung entzogen ist. Wir wissen auch, daß die deutsche Kohlenerzeugung nicht beliebig und schlagartig erhöht werden kann. Aber das enthebt die Bundesregierung nach unserer Auffassung nicht der Aufgabe, der Öffentlichkeit einmal klar und deutlich zu sagen erstens, ob diese Versorgungskrise nach Auffassung der Bundesregierung in absehbarer Zeit überhaupt überwunden werden kann; zweitens, welche Schritte bei den zuständigen Organen der Montanunion in dieser Angelegenheit zu unternehmen die Bundesregierung bereit ist; drittens, wie vermieden werden kann, daß der Kohleverbraucher in der Bundesrepublik weitgehend der Willkür derjenigen ausgeliefert ist, die über die Kohle verfügen, und wie weiter vermieden werden kann, daß gerade die wirtschaftlich schwächeren Teile der Bundesrepublik darauf angewiesen sind, in erheblichem Maße auf den Verbrauch der sehr viel teureren USA-Kohle auszuweichen.
Ein anderer Anlaß, uns kritisch mit der Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers zu befassen, ist seine Haltung gegenüber dem Volkswagenwerk. Gemäß § 111 der Reichshaushaltsordnung prüft der zuständige Minister die Betätigung des Bundes als Gesellschafter auf Grund der Berichte, die die auf seinen Vorschlag bestellten Mitglieder des Aufsichtsrats zu erstatten haben. Wir fragen nun den Herrn Bundeswirtschaftsminister, inwieweit er sich von seinem Vertreter im Aufsichtsrat des Volkswagenwerks über die bekanntlich sehr umstrittene Geschäftspolitik des Volkswagenwerks betreffend den Vertrieb der Ersatz- und Zubehörteile hat unterrichten lassen. In der Sitzung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses des Bundestages im November vorigen Jahres ist festgestellt worden, daß die Aufsichtsratsmitglieder, die die Bundesministerien dorthin entsandt haben, diese Angelegenheit und den Rechtsstreit, der, wie Sie ja alle wissen. in der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen erregt hat, nicht einmal zum Gegenstand einer Aussprache im Aufsichtsrat dieses Unternehmens gemacht haben.
Wir fragen daher: Ist der Herr Bundeswirtschaftsminister mit dem Verhalten seines Vertreters und der übrigen Vertreter der Bundesministerien in diesem Aufsichtsrat einverstanden? Wie will sich ferner der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt und in Zukunft in dieser Sache verhalten, nachdem er kürzlich selbst erklärt hat, daß seit dem 5. Mai
dieses Jahres bis zum Erlaß eines deutschen Kartellgesetzes ihm allein die Kompetenz zustehe, das geltende Kartellrecht anzuwenden?.
In diesem Zusammenhang möchten wir ganz allgemein unser Bedauern darüber zum Ausdruck
bringen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister
bisher keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht hat, seinen Einfluß beim Volkswagenwerk
mit dem Ziele geltend zu machen, auf diesem Markt,
der eindeutig von einer Gruppe von Unternehmungen beherrscht wird, im Interesse des Verbrauchers
preisregulierend zu wirken. Wir würdigen dabei
durchaus, daß gewisse Notwendigkeiten eines weiteren Ausbaus des Volkswagenwerkes vorliegen.
Aber wir stellen gleichzeitig fest, daß die inländische Preispolitik des Volkswagenwerks entscheidend dazu beigetragen hat, daß die übrigen privaten Großunternehmungen auf diesem Markte so
enorme und in der Sache zweifellos keineswegs
gerechtfertigte Gewinne haben einheimsen können,
und zwar ausgerechnet in einer Zeit in der sich die übrigen an der Verkehrswirtschaft Beteiligten teilweise einer sehr ernsten Krise gegenübersahen.
Es ist höchste Zeit, daß der Bundeswirtschaftsminister hier aktiv wird und daß sich die Bundesregierung mit dem Mißverhältnis zwischen der Lage dieser Unternehmen und der der übrigen an der Verkehrswirtschaft Beteiligten befaßt.
Wir sagen bei dieser Gelegenheit ganz offen, daß wir das Verhalten des Herrn Bundeswirtschaftsministers in dieser Frage gegenüber den marktbeherrschenden Gruppen als eine Art Testfall dafür betrachten, welche Hoffnungen wir bezüglich seines zukünftigen Verhaltens gegenüber marktbeherrschenden Unternehmungen und Gruppen haben dürfen. Das möchten wir einmal in aller Deutlichkeit sagen.
Das führt uns noch zum Problem des Kartellgesetzes. Selbstverständlich möchte ich hier nicht eine neue Kartelldebatte entfachen. Ich möchte aber zum Ausdruck bringen: Wir bedauern es, daß das Bundeswirtschaftsministerium eine Reihe von wichtigen Gesetzentwürfen, die wir zur Ergänzung des Kartellgesetzes für unerläßlich halten, immer noch nicht vorgelegt hat. Zwar hat der Bundestag auf Anregung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses die Bundesregierung ersucht, bis zum 30. September dieses Jahres ein Energiewirtschaftsgesetz vorzulegen. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hatte das seinerzeit gegen die ausdrückliche Empfehlung des Vertreters des Bundeswirtschaftsministeriums beschlossen.
Wir sind aber weiter der Meinung, daß es, wenn die Beratung des Kartellgesetzes schnell zu einem Abschluß kommen soll, noch anderer wesentlicher Ergänzungen bedarf. Nicht nur von unserer Seite, sondern auch vom Bundesrat ist empfohlen worden, zu prüfen, inwieweit das Gesetz über das Kreditwesen und das Versicherungsaufsichtsgesetz geändert oder ergänzt werden müssen, damit auch den berechtigten Interessen der Kreditnehmer und der Versicherungsnehmer in Zukunft besser Rechnung getragen werden kann. Diese Prüfung scheint mir gerade im Hinblick auf die auch von anderer Seite in letzter Zeit besonders geforderte Senkung der Kreditkosten wichtig zu sein.
Im übrigen befindet sich in der Begründung zum Kartellgesetz zu dieser Frage nach meiner Auffassung ein Widerspruch. Die Bundesregierung vertritt in der Begründung den Standpunkt, daß Zinsen und Provisionen der Banken auch in Zukunft ausschließlich der Genehmigung der Aufsichtsbehörde unterliegen, daß also das Kartellgesetz und die Kartellbehörde in dieser Frage ausscheiden. Auf der anderen Seite erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Vorschläge des Bundesrats, daß die Kartellbehörde im Einvernehmen mit der Fachaufsicht für die Frage der Zulässigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen auch auf dem Gebiet des Bank- und Kreditwesens zuständig sein soll. Nach meiner Ansicht liegt hier ein Widerspruch oder zum mindesten eine unerfreuliche Zweigleisigkeit vor, die rechtzeitig ausgeräumt werden sollte.
In diesem Zusammenhang möchte ich eine Bemerkung über die Kreditversorgung kleiner und mittlerer Unternehmen in der Bundesrepublik machen, die uns besonders am Herzen liegen. Im Vergleich zu den Großunternehmungen haben alle
übrigen Unternehmungen, denen der direkte Weg
zum Kapitalmarkt nicht offensteht und die daher immer die zusätzlichen Kosten der Inanspruchnahme der Banken auf sich nehmen müssen, einen entscheidenden Startnachteil. Dazu kommen weitere entscheidende Startnachteile der mittleren und kleineren Unternehmungen. Erstens steigt mit wachsender Größe im Durchschnitt — das wissen wir alle aus der Praxis — die Chance, mindestens in die Nähe einer Art Marktbeherrschung zu kommen und damit erhöhte Gewinnspannen zu erzielen. Zweitens wächst mit steigender Größe der Unternehmungen, mindestens unter heutigen politischen Bedingungen die Chance, in schwierigen Lagen eine öffentliche Hilfe zu bekommen — das möchte ich offen aussprechen —, und das wirkt sich selbstverständlich bei der Kredithergabe durch die Privatbanken aus und muß sich auswirken.
Drittens ist unser heutiges Umsatzsteuersystem so beschaffen, daß sich die größeren Unternehmungen, die nicht in dem gleichen Umfang auf fremde Zulieferanten angewiesen sind, hierbei im Durchschnitt in einer vorteilhafteren steuerlichen Lage befinden. Diese Startvorteile der Großunternehmungen haben nichts mit ihren technischen und organisatorischen Leistungen für den Verbraucher zu tun.
Eine Wirtschaftspolitik, die Großen und Kleinen gleiche Startbedingungen schaffen will, sollte daher auf einen Ausgleich der Startnachteile bedacht sein. Wir haben uns vor einigen Monaten im Wirtschaftspolitischen Ausschuß zusammen mit anderen Abgeordneten, die auch den Mittelschichten nahestehen, darum bemüht, bei Gelegenheit des Investitionshilfe-Schlußgesetzes den mittleren und kleineren Kreditnehmern gewisse Vorteile zu bieten. Wir sind uns darüber klar, daß diese Vorteile quantitativ außerordentlich geringfügig und dazu noch zeitlich sehr begrenzt sind. Darum vermissen wir auf diesem Gebiet nach wie vor eine ausreichende Aktivität des Bundeswirtschaftsministers, der diese Anfänge weiter ausbauen sollte. Wir denken dabei z. B. auch an eine Ergänzung des Gesetzes über die Übernahme von Sicherheits- und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft vom Jahre 1951.
Nun gibt es noch einen weiteren sehr großen Komplex, der uns gerade heute besondere Sorgen
macht. Es handelt sich um die Frage, wie unsere Rüstungswirtschaft in die allgemeine Wirtschaftspolitik eingebaut werden kann. Auch hier werden wir sehr aufmerksam beobachten, wie weit neben den Interessen der zukünftigen Rüstungsfirmen -
über deren wirksame Vertretung hier im Bundestag wir uns keine Sorge machen auch die berechtigten Interessen insbesondere des Steuerzahlers gewahrt werden. Aber über diesen sehr wichtigen Komplex wird nachher ein Fraktionskollege von mir ausführlich sprechen. Ich möchte dazu nur eine kurze Bemerkung machen.
Unabhängig von dem Ausgang der Auseinandersetzung zwischen dem Bundesverteidigungsminister und dem Bundeswirtschaftsminister, der wir natürlich sehr große Bedeutung beimessen, ist es nach meiner persönlichen Meinung angesichts des großen Übergewichts, das bei einer zukünftigen Rüstung auf bestimmten technischen Gebieten der Militärfachmann und der Ingenieur über den Wirtschaftler haben werden, außerordentlich wichtig, daß wir in bestimmten Bereichen der typischen Rüstung die Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung der Gewinnspannen schaffen. Auch in den USA kommt man ohne solche Hilfsmittel nicht aus. Wenn die Bundesregierung und der Bundestag sich dazu nicht entschließen, wird der Steuerzahler die Folgen zu tragen und dafür zu zahlen haben.
Das, meine Damen und Herren, ist im wesentlichen die Kritik, die ich hier vorzutragen habe. Sie reicht über weite Gebiete und erlaubt uns daher auch diesmal nicht, dem Etat des Bundeswirtschaftsministers unsere Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren! Ich habe Sie von einem schmerzlichen Ereignis in Kenntnis zu setzen.
Es ist mir soeben mitgeteilt worden, daß das Mitglied dieses Hauses, Carl Wirths aus Elberfeld, Angehöriger der Fraktion der FDP, heute früh 6 Uhr 30 in einem Krankenhaus seiner Heimat an den Folgen einer Operation verstorben ist.
Carl Wirths, der am 10. Dezember 1897 in Elberfeld geboren wurde, hat sich nach dem Zusammenbruch selbstlos in den Dienst der Allgemeinheit gestellt, zunächst in seiner engeren Heimat, dann in der Bundesrepublik. Er ist im Jahre 1945 Mitglied des Beirats der Stadtverwaltung Wuppertal geworden. Er war 1946 bis 1951 und vom Jahre 1952 ab Stadtverordneter. Er war Mitglied der beiden Landtage in Nordrhein-Westfalen, Mitglied der Industrie- und Handelskammer Wuppertal und hat schon dem 1. Deutschen Bundestag angehört. Im 2. Bundestag war er stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Besatzungsfolgen und stellvertretender Vorsitzender in den Ausschüssen für Wiederaufbau und Wohnungswesen und für Bau- und Bodenrecht.
Carl Wirths ist das siebente Mitglied dieses Hauses, das während der zweiten Legislaturperiode verstorben ist.
Der Verstorbene hat sich durch seine treue Arbeit und die Kraft seiner Hingabe an die Pflichten seines Mandates die Achtung und die Symphatie aller Mitglieder dieses Hauses erworben. Um so schmerzlicher trifft uns alle — jeden einzelnen von uns — der Verlust.
Ich versichere die Witwe und die vier Kinder der herzlichen Teilnahme des Deutschen Bundestages. Wir werden das Andenken des Verstorbenen in Ehren halten.
Sie haben sich zum Zeichen Ihres Gedenkens von Ihren Sitzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Wir fahren in der Beratung fort. Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle sind uns darüber klar, daß die finanzielle Konsolidierung vieler Betriebe, vor allem der mittleren und kleineren Betriebe, eine Notwendigkeit ist. Deshalb sind Kreditmittel insbesondere auch für die mittelständische Wirtschaft und die Vertriebenenwirtschaft verfügbar gemacht worden. Damit kann, wenn die Kreditmittel längerfristig gegeben werden und die Zinsen nicht zu hoch sind, über Jahre hin das fehlende oder unzureichende Eigenkapital gebildet werden, wodurch die Betriebe dann erst krisenfest werden.
Voraussetzung hierfür ist freilich die beschleunigte Begebung der Kredite an die Betriebe. Ich habe den Eindruck, daß bei aller Wahrung der notwendigen Sorgfalt hier nicht immer und von allen Seiten mit der erwünschten Beschleunigung gearbeitet wird. Wir müssen aber schon aufkommende Gefahren für solche Betriebe vermeiden und ihnen helfen, rechtzeitig über ihre innere Krise hinwegzukommen. Deshalb appelliere ich an alle, die es angeht, die Kredithergabe zu beschleunigen, und ich bitte das Bundeswirtschaftsministerium, diese Aktionen zu überwachen und rechtzeitig etwas zu unternehmen, wenn es sich herausstellt, daß die bisherigen Maßnahmen zur Konsolidierung nicht ausreichen.
Ein anderes Kapitel, das ich im vorigen Jahre anläßlich der Haushaltsdebatte angesprochen habe, ist der Stand der Remontage. Ich wäre dankbar, wenn das Bundeswirtschaftsministerium uns hier informieren könnte, welche öffentlichen Mittel im vergangenen Etatsjahr für die Remontage verbraucht und in welcher Höhe Bürgschaften — sie waren auch vorgesehen — begeben wurden. Was ist im Jahre 1955 für die weitere Remontage geplant? Wir sind uns doch darüber klar, daß zur Überwindung der Demontage noch sehr erhebliche Mittel benötigt werden, nicht zuletzt aus sozialen Gründen und im Interesse der Arbeiter und ihrer Familien.
Sodann wäre ich dem Bundeswirtschaftsministerium für eine Aufklärung dankbar, inwieweit das Ministerium in die Überprüfung und Überwachung von bundeseigenen Betrieben oder von Betrieben, an denen der Bund wesentlich beteiligt ist, eingeschaltet ist, damit sich nicht weitere schwere Verlustfälle, wie wir sie im Falle der Deutschen Werke, Kiel, leider haben erleben müssen, ereignen können, sondern die Mängel rechtzeitig erkannt und abgestellt werden.
Endlich wäre ich für eine Äußerung des Bundeswirtschaftsministeriums verbunden, wie die Sicherstellung der Verbrauchsgütererzeugung für den Privatbedarf gegenüber dem kommenden Bedarf der Streitkräfte gewährleistet sein wird. Hier rechtzeitig zu disponieren ist doch wohl eine Aufgabe, die ganz besonders und in erster Linie das Bundeswirtschaftsministerium zu leisten hätte.
Zum Schluß noch eine kleine Bemerkung zum gedruckten Haushaltsplan selbst. Ich wäre sehr
dankbar, wenn im außerordentlichen Haushalt Posten, die vom Vorjahr übertragen werden, in dem gedruckten Haushalt vermerkt werden könnten; denn nur, wenn sie wirklich übertragen sind, sind sie zur weiteren Verausgabung im neuen Etatsjahr offen. Ich wäre dankbar, wenn diese Dinge von Anfang an im gedruckten Haushalt klargestellt wären; man macht sich sonst unnötige Arbeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Hause manchmal kritisiert worden, daß die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen wirtschaftspolitisch tätigen Ministerien nicht immer ganz so funktioniert, wie es wohl wünschenswert wäre. Wir haben in jüngster Zeit zwei Beispiele dafür erlebt. Ich nenne etwa das Paritätsgesetz oder das Verkehrsfinanzgesetz. Es ist so, daß in der Praxis eben leider nicht alle Stellen, die hier Wirtschaftspolitik machen, ganz Hand in Hand arbeiten.
Nun, das Problem wird in unmittelbarer Zukunft an Bedeutung gewinnen, wenn eine neue oberste Stelle hinzukommt, die in ihrer Tätigkeit wirtschaftspolitische Auswirkungen herbeiführt, wenn nämlich das Verteidigungsministerium mit seinen militärischen Beschaffungen in dieses Spiel hineinkommt.
Das Verteidigungsministerium und der militärische Beschaffungsapparat werden in Zukunft eine wirtschaftspolitisch immer gewichtigere Rolle spielen; und wenn die Mehrheit dieses Hauses bisher vielleicht gewisse Mängel an Koordination zwischen Wirtschaftsministerium und Landwirtschaftsministerium oder zwischen Wirtschaftsministerium und BdL hingenommen hat — wir haben sie hier sehr häufig kritisiert —, so glaube ich doch, daß für die Zukunft, was die Koordination zwischen Rüstung auf der einen und Wirtschaftspolitik auf der anderen Seite angeht, niemand hier in diesem Hause wünscht, daß die militärische Beschaffung ohne eine höhere Kontrolle von seiten des Wirtschaftsressorts abläuft.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hierbei leider nicht um ein theoretisches Problem etwa der ferneren Zukunft, sondern um eine sehr aktuelle und praktische Frage. Denn wie Sie wissen, haben das Bundesverteidigungsministerium und der Herr Bundesfinanzminister heute vor 10 Tagen die ersten größeren Millionenbeträge für die Einleitung von militärischen Beschaffungen angefordert, und nicht nur dafür, sondern auch für militärische Entwicklungen, die später zu Aufträgen und zur Beschaffung hinführen sollen.
Wenn Sie hinsichtlich der Rüstungsverfahren und hinsichtlich der Kontrolle über diese Rüstungsverfahren nicht von vornherein feste Gleise legen und die Weichen richtig stellen, so besteht die Gefahr — und das ist der deutschen Öffentlichkeit allgemein bewußt —, daß wir in eine wildwuchernde militärische Technokratie, in eine wildwuchernde Rüstungsbürokratie hineingeraten. Die Gefahr, die hierin liegen kann, ist allgemein erkannt.
Ich darf vielleicht noch zwei konkrete Hinweise geben, um darzutun, daß es sich nicht nur um theoretische Gefährdungen handelt. Ich darf z. B. darauf hinweisen, daß die Außenstelle Koblenz des 'Verteidigungsministeriums, die heute keine 200 Köpfe umfaßt, nach den Plänen des Verteidigungsministeriums im Laufe von drei, vier Jahren auf 1800 Köpfe gebracht werden soll — alles Leute, die nichts weiter tun, als militärisches Gerät und Waffen zu beschaffen. Sie mögen sich bitte anhand dieser Zahlen vorstellen, welchen enormen Umfang die Sache in kurzer Zeit bekommen wird. Oder ich darf einen anderen Hinweis geben: Es ist aus dem Verteidigungsministerium bekannt, daß man in dieser Außenstelle Koblenz damit rechnet, daß vom ersten Tage ab, an dem die Beschaffung anläuft, pro Tag 100 militärische Aufträge das Haus verlassen werden. Das möge Ihnen deutlich machen, welchen zahlenmäßigen Umfang diese Sache von vornherein haben wird und wie außerordentlich wichtig es ist, sie von vornherein in der richtigen Weise verfahrensmäßig zu ordnen und zu kanalisieren.
Soweit man sieht, scheint der Herr Bundeswirtschaftsminister die Gefahren durchaus zu erkennen, die hier für die Einheitlichkeit der Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik und für die Wirtschaftsstruktur auftauchen. Wir erinnern uns, daß er vor einigen Wochen — oder ist es schon einen Monat oder anderthalb Monate her? —, als in Erwartung der Rüstungskonjunktur in einigen Sektoren unserer Volkswirtschaft die Preise anzogen, mehr aus psychologischen Gründen wahrscheinlich denn aus effektiven Mangellagen, groß ankündigte, er werde sich vom Kabinett und vom Parlament eine Vollmacht geben lassen, um im Falle von durch die Rüstung herbeigeführten Preissteigerungen die Schleusen der Einfuhrzölle einzureißen, den Import anzureizen und auf diese Weise einen Druck auf die innerdeutschen Preise auszuüben. Sie werden sich erinnern, daß diese Forderung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, der wir voll zugestimmt haben, auf den Widerspruch der Industrie gestoßen ist, daß sie sich im Kabinett nicht durchsetzen konnte und nur in einer sehr verkleinerten und kaum noch wirksamen Form heute in irgendeinem Ausschuß dieses Parlaments darauf wartet, doch noch das Licht der Welt zu erblicken. Sie werden sich erinnern, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Ratifikationsdebatte über die Pariser Verträge, in der er durch einen Zwischenfrager auf diese Sache angesprochen wurde, auf den Widerspruch zwischen dieser seiner Forderung nach einer zollpolitischen Ermächtigung und der Tatsache, daß angeblich preispolitische Befürchtungen gar nicht gegeben seien, aufmerksam gemacht, folgendes sagte: Ich werde sie tatsächlich zwar nicht benutzen — diese zollpolitische Ermächtigung —, ich möchte sie nur als Drohung in der Hinterhand haben. Als „fleet in being" wollte er sie in der Hinterhand haben. Nun, er hat diese „fleet in being" nicht bekommen. Einer meiner Fraktionsfreunde hat gesagt: Die „fleet in being" war torpediert, ehe sie vom Stapel gelaufen war.
Es ist also die Frage, ob das Kabinett und ob die Mehrheit des Hauses auch soviel Einsicht in die Gefahren dieser Rüstung haben, wie sie der Herr Bundeswirtschaftsminister seinerzeit unter Beweis gestellt hat.
Ich gebe ein zweites Beispiel dafür, daß nach meinem Dafürhalten der Bundeswirtschaftsminister durchaus diese Gefahren sieht, die da auf uns zukommen, auch die Gefahren, die darin liegen,
daß sehr viele Stellen miteinander im Widerstreit liegen, daß ein toller Kompetenzkampf sowohl auf der behördlichen wie auf der Verbandsebene sich zur Zeit um den Einfluß auf die Rüstung abspielt, so daß der Bundeswirtschaftsminister, ehe er zu seiner Reise nach Kanada aufbrach, sehr brüsk und sehr deutlich in einem viel nachgedruckten Interview gesagt hat: Die Zuständigkeit für die Rüstungswirtschaft liegt bei mir, dem Bundeswirtschaftsminister. Nun, meine Damen und Herren, auch in diesem zweiten Beispiel war es zunächst nur ein Anspruch und leider keine Tatsachenfeststellung. Ich sehe, daß der Herr Staatssekretär Westrick freundlich lächelt. Ich sehe dem entgegen, wie Sie darlegen werden, daß es sich doch um Tatsachen handelt, Herr Westrick.
Ich möchte zunächst von mir aus versuchen, darzulegen, wie denn die Tatsachen in bezug auf diese Koordination zwischen Wirtschaftspolitik und Rüstungswirtschaft im Augenblick aussehen. Soweit offiziell bisher bekannt ist, haben die beiden Häuser Erhard und Blank am 2. November 1954 Leitsätze über ihre zukünftige Zusammenarbeit vereinbart. Diese Leitsätze tragen deutlichen Kompromißcharakter. Sie klammern praktisch alle strittigen Probleme aus und überlassen die Klärung — auch aller strittigen Grundsatzprobleme — einem paritätisch von diesen beiden Ministerien zu besetzenden Arbeitsausschuß. Ich darf in Klammern hinzufügen, daß dieser Arbeitsausschuß gerade erst vor wenigen Tagen, d. h. ein halbes Jahr später, hinsichtlich seiner personellen Zusammensetzung geklärt worden ist, und ich glaube, er hat noch gar nicht getagt. Im übrigen enthalten diese Vereinbarungen die Bestimmung, daß es für die Bedarfs- und Beschaffungsprogramme der militärischen Seite des Einvernehmens des Bundeswirtschaftsministers bedürfen soll — ich finde das sehr vernünftig — und daß der Bundeswirtschaftsminister allein zuständig sein soll für Investitionen und Kapazitätsfragen, für Außenwirtschaft, für Bevorratung, für Rohstofflenkung und ebenso für Preisbildung und Preisüberwachung. Ich werde nachher darzulegen haben, daß es sich hier nach unseren Eindrücken mehr um Geschriebenes handelt und daß es in der Praxis wahrscheinlich anders laufen wird.
Zunächst noch zu dem weiteren Inhalt dieser Richtlinien. Die technisch-taktischen Forderungen des Militärs und die Typenauswahl von Waffen und Gerät sollen beim Verteidigungsministerium bearbeitet werden. Das Verteidigungsministerium will sich dafür zwei Behörden schaffen, eine Bundesoberbehörde für Fragen der technischen Entwicklung, ein sogenanntes Technisches Amt, und eine andere Bundesoberbehörde als Beschaffungsamt. Es ist hier nicht der Ort, über die Zweckmäßigkeit dieser Gliederung zu reden. Immerhin aber ist es für dieses Thema von Bedeutung, daß diejenigen, die beschaffen, nämlich das Beschaffungsamt des Militärressorts, nicht das Recht haben sollen, ohne die Zustimmung des Bundeswirtschaftsministers Preisprüfungen selbständig zu vereinbaren und auszüben. Sie sehen, daß hier, wenn das praktisch funktionieren soll, wenn die Preisprüfung bei Rüstungsaufträgen wirklich effektiv sein soll, eine sehr enge Verzahnung zwischen den beiden Häusern in der Praxis notwendig wäre. Einstweilen hat man das Gefühl, daß diese Verzahnung gar nicht sehr eng ist und daß es sich mehr um deutliche Frontstellungen handelt, wenn man auch, auf oberster Ebene, nach außen selbstverständlich den Eindruck aufrechterhalten möchte, daß man miteinander im besten Einvernehmen ist.
Diesem Anschein eines Einvernehmens zwischen den beiden Häusern steht aber entgegen, daß beispielsweise auf zwei Konferenzen der Länderwirtschaftsminister die Herren Bundesminister Blank und Erhard in Fragen der Rüstungswirtschaft in offene Streitgespräche miteinander geraten sind. Es ist nicht unbedingt ein erfreulicher Zustand für die Vertreter der Länder, die mit 20, 25 oder 30 Personen bei diesen Konferenzen anwesend waren und diesem Zwiegespräch, diesem Streitgespräch zwischen zwei Bundesministern zuhören mußten, wenn sich so etwas wiederholt abspielt. Es hat sich bei allen Beteiligten daraus der Eindruck ergeben, daß eben die Koordination zwischen diesen beiden Häusern tatsächlich keineswegs so weit fortgeschritten und so weit kanalisiert und auf Geleise gelegt ist, wie es nach außen den Anschein haben mag.
Ich möchte hinzufügen, daß diese Koordinationsrichtlinien zwischen dem Rüstungsressort und dem Wirtschaftsministerium nicht nur materiell unzureichend scheinen, weil sie alle wichtigen Fragen ausklammern und auf die Zukunft verschieben, sondern auch hinsichtlich ihres Rechtscharakters unzureichend sind. Es ist die Frage zu stellen, ob denn diese außerordentlich wichtigen Dinge, die doch Präjudizien darstellen, für die zukünftige rüstungswirtschaftliche Entwicklung, die Sie wollen, wirklich unter Ausschaltung des Parlaments so zwischen zwei Häusern geregelt werden können und ob das überhaupt eine ausreichende Rechtsbasis für die Verfahrensregelung in der Rüstungswirtschaft ist. Die Gefahr besteht, daß nicht nur der Herr Bundeswirtschaftsminister, sondern daß auch das Parlament bei der weiteren Entwicklung der Rüstungswirtschaft sehr schnell überspielt werden kann; denn tatsächlich sind doch schon eine Reihe von Dingen eingeleitet worden. Es ist doch nicht so, daß wir noch auf der grünen Wiese stehen und daß der Herr Verteidigungsminister erst morgen oder übermorgen, wenn er etwa auf Grund dieser Anforderung die Mittel bewilligt bekommt, anfängt, Aufträge zu geben oder Entwicklungen anzuregen. Tatsächlich — das weiß jeder in diesem Hause — sind doch sehr viele Dinge auf seiten der Industrie und auch auf Anregung durch das Haus Blank bereits im Gange. Ich weise darauf hin, daß in bestimmten Sektoren der deutschen Industrie seit Jahr und Tag militärische Entwicklungen vorgenommen wurden, allerdings nicht im formellen Auftrag durch die damalige Dienststelle Blank, auch nicht auf Kosten der Dienststelle Blank, sondern nur auf Anregungen und im Gedankenaustausch und Kontakt mit dieser Dienststelle und ihren Bearbeitern, und zwar auf Kosten der Industrien, die diese Entwicklungen und Konstruktionen gemacht haben. Daraus hat sich nun so etwas wie das Gefühl auf beiden Seiten ergeben, daß dann doch wohl so eine Art moralischer Verpflichtung vorläge, nachdem nun schon die und die Industriewerke jene und jene Entwicklungen in laufender Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsressort vorgenommen und viel Geld investiert haben. Da meint man nun auf beiden Seiten, daß damit auch so etwas wie ein moralischer Anspruch gegeben sei, daß hinterher auch ein Auftrag fällig ist, — vorausgesetzt, daß
der Typ, den man entwickelt hat, überhaupt brauchbar ist.
Es gibt also auch auf dem Gebiete der Investitionen vollendete Tatsachen. Eine Reihe von nur rüstungswirtschaftlich relevanten Investitionen auf verschiedenen Sektoren der deutschen Industrie — ich will die Werke hier nicht nennen, um niemanden persönlich zu diskreditieren — sind getätigt. Ich frage das Bundeswirtschaftsministerium: ist Ihnen bekannt, daß es sich hier zum Teil, durchaus heute schon erkennbar, um Fehlinvestitionen, um überflüssige Investitionen, um Kapitalvergeudung, wenn Sie so wollen, handelt? Wie wollen Sie eigentlich darauf noch Einfluß nehmen? In Ihren Leitsätzen steht, daß der gemeinschaftliche Ausschuß die gemeinschaftlichen Fragen behandeln soll, aber daß Sie im Bundeswirtschaftsministerium die Verantwortung haben für Investitionen und Kapazitäten.
Ich glaube, es ist dringend notwendig, daß die Bundesregierung in die Organisationsfragen der militärischen Beschaffung hineinsteigt und daß dieser ganze eng verzahnte Kompetenzkampf, der sich zur Zeit abspielt, einmal in aller Öffentlichkeit erörtert werden und daß die Bundesregierung dazu ihre Absichten bekanntgeben muß. Es handelt sich nicht nur darum, daß auf den Länderwirtschaftsminister-Konferenzen — um auf diese zurückzukommen — etwa die beiden Bundesminister einander in die Haare geraten, sondern auch die Länder untereinander geraten sich in die Haare; es geraten sich auch die Länder und das Bundeswirtschaftsminsiterium in die Haare, wenn es sich z. B. darum handelt, auf welche Weise der von den Ländern erstrebte regionale Einfluß auf die Streuung der Aufträge hier in Bonn kanalisiert werden soll, ob direkt zum Verteidigungsministerium oder über den Bundeswirtschaftsminister, wie es Herr Professor Erhard erstrebt. Es gibt z. B. den Kampf zwischen den Ländern auf der einen Seite und den von den Industrie- und Handelskammern, zum Teil gemeinsam mit den Ländern, in dem letzten Jahr aufgebauten öffentlichen Auftragsberatungsstellen. Wenn Sie sich die Protokolle dieser vielen Sitzungen um die Kompetenzverteilung ansehen, meine Damen und Herren, dann gewinnen Sie ein abstruses Bild von dem Stand der organisatorischen Vorbereitung.
Trotz dieser Kampfstellung, in der sich das Bundeswirtschaftsministerium offensichtlich befindet, besteht der nachhaltige Eindruck, daß die Vorbereitungen innerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums für diese Aufgabe nicht zureichend sind. Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor einiger Zeit einen höheren Beamten beauftragt, als Spezialreferent, wenn Sie so wollen, für diese ganzen Fragen innerhalb des Hauses die Dinge in die Hand zu nehmen. Es hat nicht lange gedauert, dann wurde dieser Herr durch einen anderen ersetzt, der nun diese Aufgabe hat. Aber man kann nicht den Eindruck gewinnen, als ob im Bundeswirtschaftsministerium nun tatsächlich in allen Punkten klare Konzepte vorhanden sind. Im Gegenteil, man muß den Eindruck gewinnen, daß z. B. die Herren des Verteidigungsministeriums den Kampf mit dem Wirtschaftsministerium auf die leichte Schulter nehmen. Das ist ein Gegner in der Auseinandersetzung, den sie, so scheint mir, gar nicht mehr so wichtig nehmen. Viel ernster und gewichtiger scheint ihnen zu sein, was sie an Auseinandersetzungen mit dem Bundesfinanzministerium zu gewärtigen haben. Ich habe den Eindruck, Herr Staatssekretär Westrick, daß auf militärischer Seite Ihr Haus als Partner gar nicht mehr so für voll genommen wird, wie es eigentlich angemessen wäre.
Neben diesen im Ergebnis sehr mageren organisatorischen Vorbereitungen hinsichtlich der Kontrolle auf der Ebene der Bundesregierung gibt es nun — das deutete ich schon an, als ich von den öffentlichen Auftragsstellen sprach — auch einen erheblichen Kampf auf der Ebene der Wirtschaftsverbände. Beispielsweise wollen der Bundeswirtschaftsminister und auch der Bundesverteidigungsminister das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt nur im Notfall in die Rüstungswirtschaft einschalten. Übereinstimmend wird in beiden Häusern gesagt, nur für den seltenen Fall von Engpässen will man sich dieses Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft ausnahmsweise bedienen. Auf der anderen Seite gibt es aber in der Industrie und auch in der größten Fraktion dieses Hauses sehr einflußreiche Kreise, die dieses Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft von vornherein in jede rüstungswirtschaftliche Einzelentscheidung einschalten wollen, die also möchten, daß dieses Bundesamt in jedem konkreten Auftragsfall bei der Wahl des Vergabeverfahrens wie bei der Firmenauswahl — wenn es sich um beschränkte Ausschreibung handelt — eingeschaltet werden soll. Ich will hier nicht untersuchen, welche Motive bei den geschätzten Kollegen in diesem Hause für diese Absicht vorliegen. Wohl aber sind mir bei einem Teil der Industrie, die für die Einschaltung des Bundesamtes besorgt ist, sehr eindeutige Motive erkennbar. Wie in der Zeit, als die fachlichen Beiräte dieses Bundesamtes — in denen die Industrie saß — einen sehr großen Einfluß auf dieses Bundesamt hatten, so hofft man nämlich auch in Zukunft einen stärkeren Einfluß auf die Rüstungswirtschaft zu behalten, wenn dieses Bundesamt stärker eingeschaltet wird.
Die Industrie ist sich Gott sei Dank in diesem Punkte nicht ganz einig. Der Bundesverband der Industrie befindet sich in Auseinandersetzungen mit einigen Verbänden und mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag, mit dem er in zwei formellen Erklärungen, die im Laufe der letzten Jahre abgegeben worden sind, so eine Art formellen Waffenstillstand in diesem Kompetenzstreit abgeschlossen hat, wer von beiden die Bundesressorts bei der Rüstung beeinflussen dürfe. Er hat auch in seinem 'eigenen Verbandsrahmen außerordentlich viel aufgebaut. Es gibt dort einen Arbeitskreis für Rüstungsfragen, der schon seit langer Zeit arbeitet und der Bundesregierung sicherlich auch einige verdienstvolle Hilfe geleistet hat. Er hat sich aber auf der anderen Seite als Hilfsorgane 20 — inzwischen sind es vielleicht schon 30 — Arbeitskreise für ganz bestimmte Rüstungssektoren geschaffen. Es besteht ein sehr enger Kontakt und eine sehr weitreichende Einflußnahme von diesen 20 bis 30 Arbeitskreisen, die auf bestimmten Rüstungssektoren arbeiten, auf die zuständigen Referenten, insbesondere in Koblenz, aber wohl auch im Bundeswirtschaftsministerium.
Ich habe einmal von einem 'maßgeblichen Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums eine sehr scharfe Erklärung gegen diese Organisation im Rahmen des Bundesverbandes der Industrie ge-
lesen. Ich wäre dankbar, wenn wir heute bei dieser Gelegenheit dazu eine Klarstellung erhalten könnten.
Im übrigen gibt es in der Industrie auch wieder einige Kreise, etwa auf dem Sektor der Textilwirtschaft, die weder mit der Sache, die der Bundesverband der Industrie eingefädelt hat, noch mit diesem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt, sondern lieber mit den öffentlichen Auftragsstellen arbeiten wollen, die sich in den Ländern den Industrie- und Handelskammern ankristallisiert haben. Es gibt da also sehr viele verschiedenartige Tendenzen.
Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß die Industrie- und Handelskammern, zum Teil auch die öffentlichen Auftragsberatungsstellen, mit den Ländern im Kampfe liegen. Daß sich die Länder am liebsten überhaupt sehr weitgehend bei der ganzen Frage einschalten möchten, wissen Sie. Wenn ich dann zum Schluß noch einmal auf die Bundesebene zurückkomme und sage, daß zweifellos auch das Bundesernährungsministerium — ich denke an die ganze Verpflegung für die Streitkräfte — gewisse Kompetenzen wird wahren wollen, und wenn ich darauf hinweise, daß sich das Bundesfinanzministerium bereits gesichert hat, daß sämtliche militärischen Bauaufträge über die Bundesbaudirektion abgewickelt werden, dann mögen Sie daraus erkennen, welche Vielzahl von öffentlichen, privaten und Verbandsstellen seit Jahr und Tag unter der Decke in einem Kompetenzkampf miteinander begriffen sind und wie dringend notwendig es ist, heute, da die Beschaffung bereits eingeleitet ist und da die ersten Mittel zur Verfügung gestellt werden, übersichtliche Gleise zu legen.
Meine Damen und Herren, wir befürchten, daß die gegenwärtig undurchsichtige und ungeklärte Lage ein vorzüglicher Nährboden für eine sehr unheilvolle autonome Entwicklung der Rüstungswirtschaft werden könnte. Wir anerkennen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister diese rüstungswirtschaftliche Autonomie grundsätzlich nicht zulassen will. Wir teilen seine Sorge vor derartigen Entwicklungen. Wir müssen aber feststellen, daß die bisherigen organisatorischen und verfahrensmäßigen Vorbereitungen sowohl im Bundeswirtschaftsministerium wie insbesondere auch im Kabinett unzureichend sind, wenn nicht diese Rüstungsorganisation eben doch schon nach kurzer Zeit die Sicherstellung der wirtschaftspolitischen, der sozialpolitischen Belange überspielen soll.
Es sei z. B. darauf hingewiesen, daß die preispolitischen Erwägungen im Hause des Bundeswirtschaftsministers einstweilen nur den Eindruck des, sagen wir, embryonalen Zustandes machen. Wir stimmen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister durchaus bei, wenn er großes Gewicht darauf legt, auch bei militärischen Aufträgen nach Möglichkeit marktwirtschaftlich zu verfahren. Aber wir sind uns doch auch darüber klar, meine Damen und Herren — und jeder, der etwas Fühlung mit der Industrie hat oder 'dorther kommt, ist sich darüber, klar —, daß ein großer Teil der Rüstungsaufträge sich im Ergebnis der marktwirtschaftlichen Preisbildung leider entziehen wird. Es hat also keinen Zweck, vor diesem Teil der Aufträge und der Beschaffung, der im Laufe der Zeit immer größer werden wird — die Unterhosen spielen nachher eine immer geringere Rolle, die Kanonen, Panzer,
Fahrzeuge und Flugzeuge aber eine immer größere Rolle, Herr Westrick! —, die Augen zu verschließen. Man muß also heute schon wissen, wie man preispolitisch mit diesem Sektor der Aufträge verfahren will.
Es gibt für diese Fälle die vom Bundeswirtschaftsminister erlassene Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, der Leitsätze für die Preisbildung auf der Grundlage von Selbstkosten angehängt sind. Nun stelle ich die Frage: Sollen diese Leitsätze, soll diese Verordnung auch für die militärische Beschaffung gelten? Es hat den Anschein. Wenn ja, dann bedarf diese Verordnung doch wohl sehr sorgfältiger Durchleuchtung und erheblicher Ergänzung. Wir hoffen sehr, daß dieses Problem aufgegriffen wird, zumal es sehr große öffentliche Verwaltungen gibt, die seit beinahe zwei Jahren mit dieser Verordnung arbeiten und ihre Milliardenbeschaffungsetats nach dieser Verordnung abwickeln, d. h. die Preisfeststellungen bei vielen Aufträgen, die eben nicht marktwirtschaftlich abgewickelt werden können, nach diesen Leitsätzen vornehmen. Es gibt dabei durchaus Erfahrungen, die schrecken, und die muß man sich ansehen. Man muß sich überlegen, ob sich nicht aus den Erfahrungen, die z. B. bei Bahn und Post mit dieser Art der Preisfindung gesammelt worden sind, etwas für die militärische Beschaffung ergibt, die einen viel größeren Umfang annehmen wird, als wenn die Deutsche Bundespost Telefonapparate bei Telefunken bestellt.
Oder ein anderes Beispiel. Die Mehrheit dieses Hauses hat — übrigens gegen den Willen des Herrn Bundeswirtschaftsministers — vor einiger Zeit den § 19 aus dem Wirtschaftsstrafgesetz gestrichen. Auf der anderen Seite werden wir in absehbarer Zeit auch noch kein deutsches Kartellgesetz, kein deutsches Kartellrecht haben. Drittens aber müssen wir doch damit rechnen, daß insbesondere bei beschränkter Vergabe, aber auch bei öffentlicher Ausschreibung Ringbildungen seitens der anbietenden Industrien auftreten werden. Daran ist doch gar kein Zweifel. Jeder, der als Kommunalpolitiker öffentliche Ausschreibungen für Bauten in der Gemeinde vornimmt, weiß doch, daß das an der Tagesordnung ist. Um so mehr nachher in der gut organisierten Industrie! Sie werden also noch und noch, am laufenden Band solche Ringbildungen erleben, wo man sich gemeinsam auf den Angebotspreis einigt. Wie denkt sich eigentlich der Bundeswirtschaftsminister oder wie denkt sich die Mehrheit des Hauses, nachdem Sie den § 19 im Wirtschaftsstrafgesetz abgeschafft haben und nachdem Sie ein Kartellgesetz, wie ich bisher sehe, einstweilen wohl nicht zustande bringen werden, ein Einschreiten in diesen Fällen?
Es gibt eine Reihe derartiger Beispiele — meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen und Ihre Zeit nicht mehr in Anspruch nehmen —, die in aller Klarheit deutlich werden lassen, daß wir in der Tat wegen der schlechten gesetzlichen, rechtlichen Vorbereitung des Ablaufs der von Ihnen gewollten Rüstung vor großen Gefährdungen stehen. Wir stehen vor der Gefahr, daß hier vollendete Tatsachen geschaffen werden und Entwicklungen sich einbetten und zementiert werden, längst ehe in diesem Hause offiziell, etwa an Hand von Vorlagen der Bundesregierung, dar-
über gesprochen wird. Diese Aussichten erfüllen uns mit tiefer Sorge. Wir erwarten von der Bundesregierung eine Klarlegung ihrer Auffassung zu diesen Fragen. Wir erwarten vom Kabinett, daß keinerlei militärische Beschaffungen eingeleitet werden, ehe nicht die Beschaffungsverfahren, die Kontrolle und die Preisstellung rechtswirksam so festgelegt worden sind, daß sie nicht, wie es uns heute leider dünken muß, unserem Volke und seiner Wirtschaft und seinem sozialen Standard mehr Schaden zufügen können, als infolge einer Rüstung ohnhin leider unvermeidlich ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit das Projekt einer sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft auf der Basis des Sechs mehr oder wenig sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden ist und seit die sogenannte Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Frankreich scheiterte, stehen wirtschaftliche Fragen der europäischen Zusammenarbeit wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Nicht nur amtliche Stellen, sondern auch sachverständige Persönlichkeiten äußern sich in der letzten Zeit sehr oft in dieser oder jener Richtung, und überall spürt man das Bemühen, wegzukommen von den mehr lyrischen Vorstellungen, die früher die Europa-Diskussion beherrschten, und dahin zu kommen, daß man auf der Grundlage sachlicher Untersuchungen nächste Schritte für die Förderung der europäischen Zusammenarbeit ausarbeitet.
Dabei haben wir als Sozialdemokraten eine Bemerkung zu machen. Wir glauben zu spüren, daß so etwas wie ein Bann gebrochen ist, der Bann nämlich, der darin bestand, daß man sagte: Wer gegen den Schumanplan ist, der ist gegen Europa, wer gegen die EVG ist, ist gegen Europa. Ich glaube, wenn Sie jetzt einmal eine Liste solcher Gegner, die sich heute freimütig äußern, zusammenstellten, würden Sie sehen, daß dabei sehr viele wirklich anerkannte Freunde Europas sind, die Sie früher nicht in dieser Offenheit reden hörten.
Deshalb halten wir es für richtig, hier wenigstens den einen oder anderen Gedanken klarzustellen. Wir hören zwar von vielen Seiten in Deutschland: Wir haben die wirtschaftlichen Risiken und die Nachteile, die auf uns zukommen, damals auch schon gesehen; wir haben sie in Kauf genommen, um aus einer politischen Situation herauszukommen, die unbefriedigend war, und wir sind heute dabei, dieses Übel mehr oder weniger zu verkleinern; darauf soll sich die erste Aktivität erstrecken. Ich werde hierzu noch eine andere Bemerkung machen; ich möchte aber noch etwas vorausschicken.
In diesem Ringen um die Frage: Wer ist nun eigentlich der Freund der europäischen Einigung? hat das Schlagwort „supranational" immer wieder eine Rolle gespielt. Es wurde so getan, als ob schon mit diesem Begriff allein das einheitliche Europa gesichert wäre. In der Zwischenzeit haben wir insbesondere im Hinblick auf das, was durch die Veränderung in der Präsidentschaft der Hohen Behörde vor sich gegangen ist, doch selbst unmittelbar einen Anschauungsunterricht bekommen. Der Anschauungsunterricht geht nach meiner Auffassung dahin, daß man sagen kann: selbst wenn eine solche supranationale Gemeinschaft besteht, findet die Supranationalität ihre Grenze dort, wo die weiterhin agierenden Regierungen politisch entscheidende und grundlegende Differenzen haben.
Wir haben gespürt, daß wir, wenn die Regierungschefs dieser sechs Länder zusammenwaren, eigentlich so etwas wie eine „superhohe Behörde" hatten. Wir konnten feststellen, daß sie sich mehr oder weniger als die Gönner fühlten, die jederzeit die Möglichkeit würden nutzen können, diese Art von Gemeinschaft auch umzugestalten, wenn sich das politisch für sie als zweckmäßig erweist.
Wenn wir auf dieser Seite die Frage der Supranationalität ein wenig anleuchten, so spüren wir, daß es auf der anderen Seite sogenannte intergouvernementale Einrichtungen gegeben hat und auch heute noch gibt, z. B. die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris, die OEEC, die sicherlich h auf recht beachtliche Erfolge zurückblicken kann. Nehmen wir allein das, was sich aus der Europäischen Zahlungsunion an segensreichen Wirkungen für die Verflechtung der europäischen Wirkungen wirtschaften ergeben hat. Dabei spüren wir, daß es sich hierbei zwar um eine intergouvernementale Einrichtung handelt, also um eine Zusammenarbeit auf der Basis der Verständigung der Regierungen untereinander, allerdings in einer gemeinsamen Institution, daß aber dort nicht jede Regierung und jedes Land von einem Vetorecht beliebig Gebrauch machen kann — und das auch nicht getan hat —, sondern daß auch dort die politische Situation immer Grenzen setzte. Dabei haben wir als Parlamentarier allerdings immer wieder bedauert, daß es keine echte Mitwirkung der öffentlichen Meinung in schwerwiegenden Entscheidungen gegeben hat, daß man vielmehr immer wieder mehr oder weniger auf Schleichwegen erfahren mußte, wie und mit welcher Begründung diese und jene Ansicht vorgetragen worden ist.
Für uns liegt also das Problem sehr viel stärker dort, wo es notwendig wird, auch die öffentliche Meinung, auch den Nichtfachmann, auch den kleinen Mann im Volke 'wissen zu lassen: wo gibt es echte, grundlegende Differenzen, die man nicht überwinden kann, und wo gibt es demgegenüber die Notwendigkeit, auch von einem Volke, auch von einer Bevölkerung für den Augenblick gewisse Opfer zu verlangen, um auf diese Weise eine gemeinsame Linie für die Erreichung der größeren Ziele einer europäischen Gemeinschaft sicherzustellen? Da möchte ich behaupten, daß, wenn wir einmal genauer untersuchen, in welcher Richtung sich die Supranationalität der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Montanunion, wirklich bewährt hat, wir nicht behaupten können, daß diese Art von Betonung der Supranationalität die Verstimmung und die Mühe gelohnt hat, die aufgewandt werden mußte, um immer wieder auch die Abgrenzung gegenüber den nicht der Montanunion angehörenden Ländern nachträglich zu begründen.
Wir sollten in Zukunft über diese Schlagworte wirklich nicht mehr stolpern, sondern sollten herausfinden, daß es auch in der praktischen Arbeit insbesondere der OEEC in der Vergangenheit Situationen gegeben hat, in denen einzelne Länder eine
europäische Solidarität spürten, die von anderen getragen wurde. Auch die Bundesrepublik ist dabei nicht unbeteiligt. Wir haben in der großen Zahlungsbilanzkrise des Jahres 1951 den Vorteil gespürt, der darin bestand, daß die anderen Länder uns ein gewisses Moratorium in bezug auf die Liberalisierung usw. gewährten, und wir müssen diesen Ländern dankbar sein, daß sie nicht kurzerhand nur ihre eigenen Interessen sahen.
Aus solchen Solidaritätssituationen erwächst aber auch für eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die in der Zwischenzeit erstarkt ist, die Verpflichtung, sich in bewußter Weise einzuschalten und bereit zu sein, auch dann eine gewisse Langmut zu zeigen, wenn wir glauben, andere seien nicht ganz so tüchtig wie wir und würden aus diesem Grunde nicht immer ihren Verpflichtungen so nachkommen, wie wir das erwarten.
Ich glaube, daß wir hier die Notwendigkeit vor uns sehen, gerade diese Zusammenarbeit auf der Basis der OEEC und der EZU in einer Weise zu entwickeln, die auch die öffentliche und die internationale Diskussion über die dort zu fällenden Entscheidungen stärker betont.
Nun möchte ich einen Augenblick zurückschalten auf die aktuelle Diskussion. Ich will hier nicht die einzelnen Vorschläge begutachten, die im Zusammenhang mit der bekannten Konferenz in Messina gemacht worden sind. Ich will nicht auf das deutsche Memorandum, das Benelux-Memorandum eingehen, auch nicht auf die Tatsache des Rücktritts des Herrn Präsidenten Monnet, sondern ich möchte hier klar und eindeutig sagen: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat sich immer zum Gedanken der europäischen Solidarität und zum Gedanken der europäischen Einheit bekannt, sie hat sich nur geweigert, diesen Gedanken sozusagen als Tarnung benutzen zu lassen für höchst handfeste Bestrebungen, die sehr oft alles andere als wirklich international begründet waren.
Wenn wir diesen Gedanken betont haben, dann glaubten wir dabei, daß für die Masse der Bevölkerung die wirtschaftliche Gesundung in allen Ländern und die stetige Hebung des Massenwohlstandes sozusagen überhaupt erst die Grundlage dafür schaffen würden, daß der europäische Gedanke zum Zuge kommt.
Dabei haben wir vor allem zu beachten, daß es in Europa ein sehr starkes soziales Gefälle gibt, ein Gefälle, das man beinahe von Norden nach Süden begleiten und beobachten kann. Man kann nun nicht einfach mit dem Gedanken spielen, man brauche sozusagen nur die Grenzen zu beseitigen und die Hemmnisse zu überwinden, die dem gegenseitigen Austausch entgegenstehen, sondern man muß eine bewußte gemeinsame Sozial- und Wirtschaftspolitik betreiben, um diese Art von Naturgegebenheit, die man heute noch akzeptiert, auch beseitigen zu können. Wir fordern daher eine Politik der gemeinsamen Anstrengung, um die wirtschaftliche Ausweitung in Europa gemeinsam voranzutreiben. Dabei wollen wir nicht irgendwelchen Autarkiebestrebungen das Wort reden, weder auf der Basis der einzelnen Länder noch auf der Basis von Sondergemeinschaften innerhalb des freien Teils von Europa, den wir hier zu vertreten haben.
Dazu eine weitere Feststellung. Wir haben im Zeichen der Konjunktur der vergangenen Jahre sehr viele Dinge sich einpendeln sehen — auch im europäischen Raum —, die in dem Augenblick, wo die Wirtschaftstätigkeit nachlassen würde, nicht ohne weiteres gesichert wären. Wir spüren, daß die Wachsamkeit besonders in dieser Richtung zu gehen hätte. Die Fortschritte, die erzielt worden sind, sind keineswegs konsolidiert.
Die Ansatzpunkte für die Zusammenarbeit sind sicher dort zu finden, wo sie auch in den vergangenen Jahren zu finden waren: bei der OEEC und der Europäischen Zahlungsunion.
Allerdings, das möchte ich noch einmal betonen, müssen wir für eine internationale, für eine übernationale Diskussion sorgen. Damit meine ich insbesondere, daß die Informationen, die den Abgeordneten der einzelnen Länder — ich darf hier auch die Bundesrepublik nennen — über den Stand der Verhandlungen, über das, was man als Ziel anstrebt, gegeben werden, nicht gar so einseitig sein mögen, nicht gar so sehr immer nur unter dem Gesichtspunkt: Wir müssen unseren Standpunkt möglichst hart vertreten!, sondern sie sollten auch ein wenig in der Richtung gehen, uns Parlamentarier darüber zu unterrichten, wie die Haltung in anderen Ländern ist und welche begründeten Ansichten von dort her vorgetragen werden. Dafür ein Forum zu finden, wird wahrscheinlich die nächste Aufgabe sein. Wir stellen uns vor, daß die Beratende Versammlung des Europarats in Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion die Voraussetzungen zu schaffen hat.
Wir haben in der Zwischenzeit natürlich zur Kenntnis zu nehmen, daß die Institution der Montanunion existiert. Manche — nicht auf unserer Seite — sagen zwar, es komme nun darauf an, den Vertrag über die Montanunion durch die Exekutive in Luxemburg möglichst immer so eng auslegen zu lassen, daß sich allmählich eine Versteinerung der Begrenzung auf einen Tätigkeitsbereich ergibt, der mehr oder weniger harmlos ist, auf einen Tätigkeitsbereich, der nicht in irgendeiner Weise mit den Interessen der großen und mächtigen privaten Gruppen kollidiert, die bisher und früher — vor allem in Europa — ihre eigene Kohle- und Stahlpolitik, und zwar nach ihren eigenen, besonderen Interessen, gemacht haben. Wir müssen nach unserer Auffassung diese Art von Versteinerung der Montanunion verhindern. Wir glauben, es kommt darauf an, über das Funktionieren dessen, was man einmal nach den ursprünglichen Vorstellungen mit dieser Gemeinschaft erreichen wollte, hinauszuschreiten und diese Gemeinschaft dann wieder in eine gesamteuropäische Wirtschaftsinstitution einzubetten.
Wir glauben — der Gedanke ist von uns immer wieder betont worden—, es kommt darauf an, die Grundstoffindustrien in Europa in ihrer Gesamtheit so zu entwickeln, daß sie die Grundlage für eine stetige Politik der Wirtschaftsausweitung und der Wohlstandshebung für die Masse der Bevölkerung abgeben können. Wir waren der Auffassung, daß diese Politik nicht darauf gerichtet sein sollte, in jedem einzelnen Land möglichst viel Eigenständiges zu entwickeln, sondern gerade die Schwerindustrie bietet nach unserer Ansicht die Grundlage für eine echte politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Wir können aber diese Industrien nicht isoliert sehen, und wir sind der
2. Deutscher Bundestag - 88, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1955 4941
Auffassung, daß die Beschränkung auf die sechs Länder - eine Beschränkung, die sich aus der Konstruktion des Vertrages in einem gewissen Sinne ergab — nicht gut war. Wir müssen dabei von einigen Tatsachen ausgehen. Die erste Tatsache ist, daß Kohle und Stahl Wirtschaftsbereiche sind, in denen kaum jemand den uneingeschränkten Wettbewerb über den Preis fordern oder befürworten wird. Hier gibt es also etwas, was vom gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus besonders zu überwachen und im Auge zu behalten ist. Zweitens sind die Industrien Kohle und Stahl besonders konjunkturempfindlich. Sie haben in ihren Auftragsbeständen, wenn Sie die Kurven beobachten, das ständige Überquellen und Überschnellen in die Höhe und das In-die-Tiefe-Gehen, das Hindurchmanövrieren durch Täler, das bei keiner anderen Industrie im gleichen Ausmaß zu verzeichnen ist. Dabei ist die besondere Sorge immer, daß hier die Beschäftigten unter Umständen das Opfer dieser Schwankungen werden, weil sie ja in der Konjunktur nicht die Reserven ansammeln können, die es gestatten, die Konjunkturtäler zu überstehen.
Außerdem ist wohl so, daß Teilintegrationen keine Teilkonjunkturen in diesen Bereichen garantieren. Im Gegenteil, nach unserer Auffassung besteht die Gefahr, da unsere Wirtschaft in so starkem Maße durch die Schwerindustrie beeinflußt wird, daß das Ruhrgebiet dann, wenn die Wirtschaftstätigkeit allgemein zurückgeht, zum Krisenpuffer wird. Es wäre die Möglichkeit gegeben, hier im einzelnen nachzuweisen, welche Gefahren bestehen; aber zusammenfassend kann man folgendes sagen.
In einer Volkswirtschaft, in der Kohle und Stahl ein solches Gewicht haben, wird durch die Herausnahme dieser beiden Industrien aus der Verfügungsgewalt der Regierung in bezug auf aktive Wirtschaftspolitik eine echte Vollbeschäftigungs-, eine stabile Beschäftigungspolitik unmöglich gemacht, und zwar nicht nur für diese Industrien, sondern für die Wirtschaft als Ganzes. Darüber hinaus ist es durch die Herausnahme dieser Industrien aus unserer Zuständigkeit unbestreitbar dazu gekommen, daß zusätzliche Risiken für die Arbeitnehmer in Erscheinung traten. Sie sind latent vorhanden; man kann sie im Augenblick deswegen nicht so in Zahlen beobachten, weil wir insgesamt in Europa eine entsprechende Konjunktur haben. Die Gefahren, die sich auch aus Standortverlagerungen ergeben können, müssen jedoch gesehen werden.
Wenn wir diese Dinge in Rechnung stellen und auf der anderen Seite die Tatsache hinnehmen, daß die Montanunion als Institution besteht, müssen wir die Forderung erheben, daß die Hohe Behörde zusammen mit den Regierungen, zusammen mit dem Ministerrat eine koordinierte Wirtschaftspolitik für den gesamten Bereich nicht nur von Kohle und Stahl, sondern für den gesamten Bereich dieses Gebietes entwickelt, eine aktive Konjunkturpolitik. Dabei ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die Hohe Behörde gemeinsam mit dem Ministerrat im Jahre 1953 bereits eine entsprechende Entschließung gefaßt hat. Sie selbst hat das Problem gesehen, daß sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden kann, die sich aus den großen Zielsetzungen, die in den Artikeln 2 und 3 niedergelegt sind, ergibt, wenn sie nicht gleichzeitig zusammen mit den anderen Regierungen eine aktive Beschäftigungspolitik betreibt.
In dem Augenblick, in dem man diese Notwendigkeit erkennt, wird klar: Aktive Beschäftigungspolitik ist etwas, was sehr rasch die Frage einer gemeinsamen, einer koordinierten Währungspolitik aufwirft. Wir vertreten die Auffassung, die im übrigen auch in der Presse in der letzten Zeit von anderen Sachverständigen vertreten worden ist, daß man eine Währungspolitik, abgestellt auf den Bereich der sechs Länder, nicht betreiben kann, sondern daß für eine solche Währungspolitik, eine abgestimmte Währungspolitik, die absolute Mitarbeit, die absolute Zusammenarbeit mit dem Sterlingblock erforderlich ist. Wenn wir das betonen, dann glauben wir, daß dort auch das Bindeglied zu finden sein müßte, um die Montanunion in ihrer Gesamtheit wieder in eine europäische Wirtschaft hineinzuführen, eine europäische Wirtschaft, die gewissermaßen in parallelen Anstrengungen von den Regierungen her, von der Montanunion als Institution her so vorwärtsgetrieben wird, daß man einheitliche Ziele erkennen kann. Dabei ist die Zusammenarbeit wahrscheinlich am günstigsten zu bewerkstelligen, wenn man den Ansatzpunkt der OEEC in Paris wählt und ihn eindeutig auswertet.
Ich möchte noch einmal die Schlußfolgerung ziehen. Wir sind nicht für das weitere Experimentieren mit Teilintegrationen. Sie verschieben nur die Schwierigkeiten, die heute schon auftauchen, in neue Bereiche. Wir sind für eine enge Zusammenarbeit der Regierungen mit der OEEC, der Regierungen mit der Hohen Behörde der Montanunion und für eine enge Zusammenarbeit dieser Hohen Behörde mit der OEEC. Dabei muß die besondere Rolle der Parlamentarier — ich betone das vor Ihnen — herausgehoben werden. Wir müssen vor allen Dingen in Ausschüssen die Möglichkeit finden, auch von der OEEC Auskünfte zu bekommen, die über unsere eigenen Regierungen vielleicht nicht ohne weiteres zu erhalten wären. Wir müssen die Möglichkeit haben, in diesen Ausschüssen mit den anderen Parlamenten auch über die Gesichtspunkte zu diskutieren, die ihre eigenen Regierungen vertreten. Nur auf diesem Wege werden wir zu einer echten Diskussion kommen.
Wenn wir das als ein Ziel anstreben, so glauben wir, daß die Gemeinsame Versammlung der Montanunion zu einem dynamischen Element, zu einem dynamischen Faktor entwickelt werden kann und daß es dabei durchaus notwendig ist, das Verhältnis zwischen der Hohen Behörde und der Gemeinsamen Versammlung zu verändern. Ich will auf diese mehr verfassungsrechtlichen Dinge in bezug auf die Montanunion nicht eingehen. Das Ziel, das wir dabei im Auge haben, ist, durch eine Zusammenarbeit des Parlaments mit der Exekutive, und zwar in einem Verhältnis, das näher fixiert werden müßte, dem Wirken der privaten Interessengruppen auf dieser Ebene entgegenzuarbeiten und die nationalen Egoismen abzubauen. In bezug auf dieses Vorhaben würde die Gemeinsame Versammlung der Montanunion, das sogenannte Parlament also, nach unserer Auffassung einen guten Ansatzpunkt bilden können.
Zusammenfassend möchte ich sagen: uns scheint es, daß ein Bann gebrochen ist, ein Bann, der deswegen über dieser ganzen Diskussion lag, weil man in bezug aus die militärischen Dinge so weit vorstoßen wollte, daß alles andere nur Anhängsel
zu sein schien. Wenn das aber so ist, dann müssen wir gerade jetzt, da die Konjunktur günstig ist, die institutionellen Vorarbeiten leisten, damit wir die Antriebskräfte bereit halten, die für eine entsprechende Belebung der Konjunktur immer wieder sorgen werden. Wenn dann den Massen der Bevölkerung Europas ein lebenswertes, materiell gesichertes Dasein ermöglicht wird, dann wird dem Gedanken der Einheit Europas der beste Dienst erwiesen.
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesem Haushaltsplan keine Änderungsanträge gestellt und hatten daher auch nicht vor, dazu zu sprechen; denn allgemeine Ausführungen sollten nach der alten Gepflogenheit dieses Hauses erst in der dritten Lesung und nicht in der Einzelberatung der zweiten Lesung gemacht werden. Welchen Wert solche allgemeinen Ausführungen haben, haben wir soeben an den Darlegungen meines Herrn Vorredners festgestellt. Sie haben ja — jedenfalls diejenigen, die aufgepaßt haben — Kenntnis genommen von den allgemeinen Krisenerscheinungen, auf die er hingewiesen hat und die nur deswegen in der Bevölkerung noch nicht in Erscheinung getreten sind, weil es dem Arbeiter gut geht. So kann man doch die Wirtschaftspolitik an dieser Stelle nicht entwickeln!
Ich möchte mich auf die Erklärung beschränken, daß unsere Haltung zur allgemeinen Wirtschaftspolitik unverändert die alte geblieben ist. Wir stehen nach wie vor hinter der sozialen Marktwirtschaftspolitik des Bundeswirtschaftsministers und haben nur im Gegenteil eher die Befürchtung, daß er in seiner Arbeit nicht die volle Unterstützung findet, die er braucht, und zwar sollte er diese Bedenken gerade innerhalb seiner eigenen Fraktion etwas untersuchen. Denn es ist doch außerordentlich bedauerlich, wenn ein Mitglied der größten Fraktion des Hauses, derjenigen, zu der der Herr Bundeswirtschaftsminister selber zählt, ein Mitglied, das sich selbst zur wirtschaftlichen Gruppe rechnet, hier rund heraus erklärt: Ich bin gegen die Marktwirtschaft.
— Er ist gegen beide, Herr Kollege Schöne.
— Ich habe erklärt, daß wir für die soziale Marktwirtschaft des Bundeswirtschaftsministers Erhard sind. Das haben wir von Anfang an getan und wir haben sie von jeher gestützt. Wir haben erklärt, daß es praktisch unsere Politik ist.
— Ich bin auch für das Kartellgesetz, selbstverständlich! Es kommt darauf an — —
— Ja, meine Damen und Herren, Sie haben die Frage an mich gerichtet: das Kartellgesetz! Das ist überhaupt keine Frage, das ist eine undefinierte Frage. Es gibt nicht ein, es gibt drei Kartellgesetze. Ich stehe im wesentlichen hinter der Konzeption des Herrn Professor Erhard.
—Daraus habe ich noch nie ein Hehl gemacht.
Wir möchten Herrn Erhard weiter bitten, in den Maßnahmen fortzuschreiten, die er zur Aufrechterhaltung und zur Stabilisierung des Preisniveaus angekündigt hat. Wir stehen jedenfalls hinter diesen Maßnahmen, die leider nicht in vollem Umfange zum Zuge gekommen sind. Aber ich wiederhole, daß wir unsere allgemeine Ausführungen, wie es üblich ist, in der dritten Lesung machen werden.
Ich darf zum Schluß nur noch folgendes sagen. Wir teilen zum großen Teil die Bedenken gegen die Entwicklung, die etwa die Rüstungswirtschaft nehmen könnte. Wir erinnern die Bundesregierung noch einmal daran, daß sie bei der Beratung der Pariser Verträge versichert hat — wir haben immer wieder gefordert, daß diese Versicherung abgegeben wird —, daß durch die Entwicklung der Rüstungswirtschaft der Lebensstandard unseres Volkes nicht beeinträchtigt und unsere Währung nicht in Gefahr gebracht werden darf. Es zeigen sich tatsächlich die ersten bedenklichen Zeichen, die die Erfüllung dieses Versprechens möglicherweise vereiteln könnten. Dieser Aufgabe muß auf wirtschaftlichem Gebiet unsere Arbeit in erster Linie gelten.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär für Wirtschaft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen zunächst die Entschuldigung von Herrn Professor Erhard unterbreite
und Ihnen die Versicherung gebe, daß seine Abwesenheit nicht zu einer Institution wird. Er ist durch eine unaufschiebbare Verpflichtung verhindert, hier teilzunehmen.
Ich danke Ihnen, daß Sie die Güte haben, mit mir vorlieb zu nehmen.
Der Herr Abgeordnete Kurlbaum hat seine Ausführungen mit einer allgemeinen Kritik an der Wirtschaftspolitik unseres Hauses begonnen. Ich gestatte mir daher, auch von mir aus einige allgemeine Bemerkungen vorauszuschicken.
Ich bitte Sie zunächst, versichert zu sein, daß wir Ihre Kritiken und Ihre Anregungen mit jenem echten und letzten Ernst aufnehmen, dem diese Anregungen und Kritiken entspringen. Angesichts der ungeheuren Verantwortung, die die Wirtschaftspolitik für das ganze Leben unseres Volkes hat, werden wir diese Anregungen und Kritiken nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich bitte Sie, sicher zu sein, daß wir in unserem Hause alles tun werden, um jeder berechtigten Kritik und jeder auch von uns für richtig gehaltenen Anregung in weitestgehendem Maße Folge zu leisten.
Da die ersten Ausführungen sich darauf bezogen, daß die Wirtschaftspolitik zu einer ganz einseitigen Vermögensbildung geführt habe, werden Sie es mir nicht übelnehmen, wenn ich einiges darauf erwidere, was nach meiner Meinung gegen die Richtigkeit dieser Behauptung spricht.
Die Spartätigkeit ist in dem Jahre April 1954 bis April 1955 auf 18,4 Milliarden DM gestiegen. Das ist ein Zuwachs von genau 36 %, ein Zuwachs von 5 Milliarden DM. Ganz gewiß ein Zeichen dafür, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung doch gute Ansatzpunkte für Vermögensbildung vorhanden sind.
Das Sozialprodukt war im Jahre 1954 um 11 Milliarden DM höher als 1953 und erreichte damit 145 Milliarden DM. Die Steigerung des Sozialprodukts wurde möglich durch die Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen, und zwar um rund 31/2 °/o. Für das laufende Jahr kann mit einer ebenso starken Sozialproduktszunahme wie im Jahre 1954 gerechnet werden.
Der Lebensstandard unserer Bevölkerung — gemessen am privaten Verbrauch pro Kopf —, der seit der Währungsreform laufend gestiegen ist, nahm 1954 noch einmal um 7% zu — und zwar preisbereinigt —, und auch für das laufende Jahr wird mit einer etwa dem Ausmaß der Sozialproduktssteigerung entsprechenden Erhöhung des Lebensstandards gerechnet werden können.
— Herr Kurlbaum, ich darf darauf kurz erwidern: auf die Vermögensbildung kam ich mit dem Hinweis auf den gewaltigen Zuwachs in der Spartätigkeit zu sprechen. Das ist ja eindeutig eine Frage der Vermögensbildung.
Ich komme aber jetzt auf die Kritik zu sprechen, die Sie wegen des Mangels an Aktivität geübt haben. Ich muß Ihnen sagen: ich bin sehr froh darüber, daß wir einmal wegen Mangels an Aktivität kritisiert werden.
Denn zumeist werden wir, oder wurden wir in der Vergangenheit, wegen zuviel Aktivität kritisiert.
Ich hoffe, daß man dann doch ein gutes Mittelmaß gefunden hat.
Meine Damen und Herren, entscheidend für die starke Zunahme des Sozialprodukts war in der Nachkriegszeit die Ausweitung der industriellen Produktion, und zwar insbesondere unterstützt durch die Entwicklung unserer Bauwirtschaft, vor allen Dingen im Wohnungsbau. Auch damit begegne ich der Sorge, die aus den Äußerungen von Herrn Kurlbaum sprach, daß sich nämlich die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht ausreichend um die minderbemittelten Kreise der Bevölkerung kümmere. Die Industrie und die Bauwirtschaft haben zusammen einen Anteil von etwa 50 % an der gesamten Wertschöpfung. Die industrielle Produktion stieg im Jahre 1954 um allein 12 %, und dieser Steigerungssatz wird im Jahre 1955 zumindest wieder erreicht. Wir haben sogar die Hoffnung, daß dieser Satz ein wenig überschritten werden wird. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres lag er jedenfalls schon um ungefähr 16 % über dem Niveau des vorigen Jahres.
Nun die Zahlen der Beschäftigten. Ich glaube, diese brauche ich dem Hohen Hause gar nicht im einzelnen darzulegen; sie sind Ihnen allen bekannt. Ich kann aber doch wohl feststellen, daß auch da die Entwicklung sicherlich zufriedenstellend verlaufen ist, sowohl was die Zunahme der Beschäftigtenzahl wie die Abnahme der Arbeitslosenzahl betrifft.
Auch die Entwicklung unseres Außenhandels, die gerade für die Gestaltung unseres Lebensstandards von ausschlaggebender Bedeutung ist, ist doch recht erfreulich. Das Gesamtaußenhandelsvolumen stieg um 20 %, davon die Ausfuhr um 19% und die Einfuhr um 20 oder 21 %.
Dann zur Preisentwicklung. Auch diese Frage ist ja in den Ausführungen der Redner mehrfach angeklungen. Im ganzen gesehen scheint mir ein Anlaß zu einer ernsten Beunruhigung nicht vorzuliegen , wenngleich ich durchaus zugebe, daß es aller
aufmerksamen Betrachtung und Beobachtung bedarf, um hier nicht etwa Entwicklungen sich anbahnen zu lassen, die den Lebensstandard unseres Volkes heruntersetzen könnten. Es ist aber eben so, daß mit einem ganz gewaltigen Konjunkturanstieg auch gewisse Preisentwicklungen auf einzelnen Gebieten verbunden sind.
Meine Damen und Herren, nun zu einigen Einzelfragen!
Einer der Herren, ich glaube, es war Herr Kurlbaum, hat insbesondere die Kohlenversorgung angesprochen, und ich möchte, da sie tatsächlich von großer Bedeutung für die ganze wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist, dazu doch auch einiges ausführen. Die Gründe für die Verknappung sind keineswegs beunruhigend, sondern im Gegenteil außerordentlich erfreulich. Der Mehrverbrauch im Monat März 1955 gegenüber dem Monat März 1954 hat beinahe 900 000 Tonnen betragen. Wenn über diesen Mehrverbrauch hinaus noch eine Mangelerscheinung aufgetreten ist, werden die Damen und Herren beurteilen können, welches Maß an Expansion erreicht wurde. Ich bitte nicht zu vergessen, daß im ersten Halbjahr 1954 ungefähr 6 Millionen t Kohle auf Halde lagen. Durch Einlegung von Feierschichten trat damals ein Förderausfall von 1 Million t ein. Das alles ist natürlich überholt, und wir sind in der Zwischenzeit zu der vollen Ausnutzung der Förderkapazität gelangt. Die vielfach geäußerte Annahme, daß der Export sehr stark zum Nachteil der inländischen Bedarfsdeckung ausgeweitet worden sei, ist irrig; allerdines ist die Beibehaltung unseres Exports aus handelspolitischen Gründen in gewissem Umfange zwangsläufig, und es könnte nicht in Betracht gezogen werden. auf diesen Export der deutschen Kohle zu verzichten.
Herr Abgeordneter Kurlbaum hat nach den Aussichten für die Zukunft gefragt. Nun, ich bitte sicher zu sein, daß alles geschehen wird, was möglich ist, um unsere eigene Förderung weiterhin auszuweiten. Sie wissen aber, meine Damen und Herren, welchen Kapitalaufwands und welchen Zeitaufwands es bedarf, um neue Schächte niederzubringen. Sie wissen ferner, daß die Kohle weiter in die Tiefe ausweicht. Wir sind nicht in der glücklichen Lage wie Amerika, wo die Kohle in gerin-
gen Teufen zu finden ist. Infolgedessen ist die Ausweitung unserer Förderung tatsächlich ein sehr schwieriges Problem. Trotzdem glaube ich, daß wir Anlaß haben, anzunehmen, daß im kommenden Jahre die Steinkohlenförderung noch um 2 bis 3 Millionen t über der Förderung des vergangenen Jahres liegen wird. Ich hoffe, daß wir auf etwa 130 Millionen t kommen werden.
Darüber hinaus haben wir dank unserer guten Exportlage die Möglichkeit gehabt — und haben sie weidlich ausgenutzt —, amerikanische Kohle nach Deutschland zu nehmen. Diese Möglichkeit ist selbstverständlich dadurch limitiert, daß die Frachtenlage außerordentlich labil ist. Sobald große Mengen Kohle nach Deutschland gebracht werden sollen, gehen die Frachten so in die Höhe, daß den verarbeitenden Industrien kaum zugemutet werden kann, diese dann teurer gewordene amerikanische Kohle zu nehmen. Ich darf aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß in anderen Zeiten die amerikanische Kohle an unserer Nordseeküste schon um 8 bis 10 DM billiger war als unsere deutsche Kohle, und deswegen glaube ich, daß wir mit einer gewissen Bedarfsdeckung durch amerikanische Kohle auch für die Zukunft rechnen dürfen.
Es wird die Damen und Herren interessieren, die Einfuhrzahlen zu hören, nur fünf oder sechs Zahlen. Sie sind im Steigen begriffen. Wir haben im Januar dieses Jahres rund 895 000 t, im Februar 851 000 t, im März 1,1 Millionen t, im April 1 Million t und im Mai rund 1,2 Millionen t insgesamt eingeführt, davon grosso modo die Hälfte etwa aus den Vereinigten Staaten, so daß ich glaube, daß die Knappheit in Grenzen gehalten wird, die erträglich sind.
— Wir haben im vorigen Jahre 27 Millionen t ausgeführt, etwa 2 Millionen t im Monat. 2 1/2 Millionen t sind es im letzten Monat gewesen, 2,4 Millionen t im April. Das sind aber natürlich Handelspartner, die uns im Auf und Ab der Konjunktur die Kohle abnehmen und die daher auch erwarten, daß wir die Kohle so liefern, wie wir es in der Vergangenheit getan haben; diese Länder nehmen uns ja auch jene weit verarbeiteten Erzeugnisse ab, in denen wir viele wertvolle Arbeitsstunden aufgewendet haben.
Herr Kurlbaum hat Klage darüber geführt, daß der „Georg", die Gemeinschaftsorganisation der Kohle, den Abschluß fester Lieferabkommen verweigere. In der Tat sind wir gerade zur Zeit mit dem „Georg" über feste Lieferabkommen in Unterhaltungen. Ich bitte Sie daher auch um Verständnis für folgende Situation: Die Expansion im Verbrauch hat dazu geführt, daß sowohl die Organisationen der Steinkohle wie auch die der Braunkohle, in gewissem Umfange jedenfalls, auf die Referenzperioden der Vergangenheit zurückgegangen sind, um dafür zu sorgen, daß wenigstens zunächst einmal der Verbrauch gedeckt wird, der auch in der Vergangenheit Grundlage für die Produktion war.
Die Herren haben eine Firma angeführt, die sich im besonderen Maße über schlechte Belieferung beklage. Diese Firma ist auch bei uns vorstellig geworden, und ich bin der Sache persönlich nachgegangen. Es hat sich herausgestellt, daß in diesem Jahr — ich kann nicht mehr ganz genau den Prozentsatz sagen, weil ich auf die Frage nicht gefaßt war — ein erheblich höherer Prozentsatz geliefert wurde als im vergangenen Jahr. Trotzdem wünsehen auch wir selbstverständlich, daß es möglich ist, auf lange Sicht große und langfristige Verträge zu schließen, und wir hoffen, daß es dahin kommen wird, die Förderung und die Einfuhr zur Deckung des Gesamtbedarfs sicherzustellen.
Sie haben über die Kredite an mittelständische Betriebe gesprochen. Ich möchte in diesem Zusammenhang zumindest darauf hinweisen, daß hier manches geschehen ist. Wir haben gerade in der letzten Zeit die Kreditgarantiegemeinschaften gegründet. Ich hatte vor wenigen Tagen den Besuch der Vertreter des Handwerks. Die Herren haben mir bestätigt, daß diese Kreditgarantiegemeinschaften, die in fast allen Ländern schon laufen, doch recht beachtliche und gute Erfolge gezeitigt haben.
Der Bund hat sich ganz allgemein für die Förderung der mittelständischen Wirtschaft durch Bereitstellung von Kreditmitteln eingesetzt. Ich nenne zuerst die Kreditaktion aus dem Überschuß der Investitionshilfe, mit der sich ja dieses Haus ausgiebig befaßt hat.
— Darauf komme ich sofort, Herr Abgeordneter Raestrup. Hier sind 140 bis 160 Millionen DM bereitgestellt. Es ist richtig: die Zinsen sind zu teuer. Deswegen ist jetzt von uns ein Weg gesucht worden. Ich hoffe, daß er zum Erfolg führen wird und daß ein gewisser Betrag dieses Überschusses dazu benutzt werden wird, die Zinsen und Konditionen herunterzuschleusen.
— Ich hoffe, daß dies eingehalten werden kann. Jedenfalls bietet doch der Betrag von 140 bis 160 Millionen DM eine sehr beachtliche Möglichkeit, den mittelständischen Kreditbedarf weitgehend zu decken. Es sind außerdem 15 Millionen DM Globalkredite aus dem ERP-Zins- und Tilgungsaufkommen des ERP-Sondervermögens bereitgestellt worden. Diese Darlehenssumme soll ausschließlich für kleine und mittlere Industrie- und gewerbliche Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
Das gleiche gilt von der Kreditaktion zur Steigerung der Produktivität in Mittel- und Kleinbetrieben. Hier handelt es sich um beachtliche Beträge. Teilnahmeberechtigt sind alle Erzeuger- und besonders Reparaturunternehmen, die nachweislich besonders kreditbedürftig sind und bei denen die Frage der Sicherung nicht immer leicht zu lösen ist.
Dann sind die ERP-Vertriebenen- und Flüchtlingskredite an die gewerbliche Vertriebenenwirtschaft in Höhe von 31 Millionen DM gewährt worden, und zwar aus dem ERP-Zins- und Tilgungsaufkommen, so daß auch hier ein großer Betrag zur Verfügung steht, der der Vertriebenenwirtschaft zugute kommen wird.
Ferner ist das Aufbaudarlehen des Lastenausgleichs zu nennen. Diese früher als „Existenzaufbauhilfe" bezeichneten Darlehen können bis zu einen Höchstbetrag im Einzelfall von 35 000 DM zur Schaffung oder Sicherung von selbständigen Existenzen von Vertriebenen, Flüchtlingen, Kriegssachgeschädigten, politisch und rassisch Verfolgten und Spätheimkehrern in Anspruch genommen werden.
— Die Ausschüsse sollten tatsächlich schneller arbeiten. Wir werden uns dieser Sache annehmen, und ich hoffe, daß wir Ihrem Wunsch werden Rechnung tragen können.
Schließlich darf noch auf die Kreditaktionen im Rahmen der Arbeitsplatzdarlehen aus Lastenausgleichsmitteln der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hingewiesen werden. Hier handelt es sich um 120 Millionen DM.
Die Summe der Maßnahmen, die die Bundesregierung in Aussicht genommen bzw. durchgeführt hat, zeigt insgesamt eine große Aktivität oder jedenfalls eine Bemühung zu großer Aktivität, für die Besserung der Lage der kleinen und mittleren Gewerbetreibenden und der minderbemittelten Volksschichten einzutreten.
Dann waren die Remontageprogramme Gegenstand der Kritik. Auch hierzu möchte ich noch einiges sagen, da ich schon einmal Gelegenheit hatte, und zwar ungefähr vor Jahresfrist — ich glaube es ist beinahe auf den Tag vor einem Jahr gewesen —, mich mit Ihnen hier über die Remontagekredite zu unterhalten, und nun bin ich sehr stolz darauf, daß ich Ihnen die Zahlen wiederholen und sogar bestätigen kann, daß sie gestimmt haben. Anläßlich der damaligen Beratung — es war am 19. Juni — habe ich Ihnen folgende Daten genannt. Der Kreditbedarf laut den damals zur Verfügung stehenden Unterlagen belief sich auf 1700 Millionen DM. Davon sind in Zusammenarbeit mit der Notgemeinschaft der reparationsgeschädigten Industrie — auf Grund gemeinsam angestellter Ermittlungen — bis zum 31. Dezember 1953 1170 Millionen DM gedeckt worden. Ich darf einmal wiederholen: von 1700 Millionen DM sind 1170 Millionen DM gedeckt worden, so daß damals ein ungedeckter Betrag von 530 Millionen DM übrigblieb.
Von diesen 530 Millionen DM ungedeckten Bedarfs entfielen 320 Millionen DM auf die Eisen-und Stahlindustrie und 210 Millionen DM auf die übrige Industrie. Ich hatte damals darauf hingewiesen, daß rund 820 Millionen DM von den bis dahin bereitgestellten Mitteln aus Programmen des Bundes einschließlich der Investitionshilfe, rund 351 Millionen DM aus Mitteln der Länder gedeckt worden waren. Für die Deckung des Kreditbedarfs im Jahre 1954 hatte ich bei dieser Gelegenheit Beträge von rund 300 Millionen DM in Aussicht gestellt. Dieser Betrag ist voll erreicht worden. Nach der für Anfang 1954 angestellten Bedarfsermittlung würden demnach im Jahre 1955 noch etwa 230 Millionen zu decken sein.
Inzwischen hat die Notgemeinschaft der reparationsgeschädigten Industrie eine erneute Umfrage angestellt, und dabei hat sich wiederum ein Betrag von 1 Milliarde DM als Kreditbedarf ergeben. Von dieser 1 Milliarde DM darf ich allerdings die vorerwähnten 300 Millionen DM natürlich abziehen, so daß dann 700 Millionen DM bleiben. In der Tat hat die Notgemeinschaft der reparations-geschädigten Industrie sich an uns mit der Bitte gewandt, wir möchten doch den Versuch machen, einen weiteren Betrag in Höhe von ungefähr 600 bis 650 Millionen DM bereitzustellen. Dieser Betrag wird auf mehrere Jahre verteilt werden müssen; er wird auf Anlagen zu beziehen sein, die im Zuge der Pariser Verträge von Produktionsverboten und anderen Beschränkungen befreit wurden.
Allerdings glaube ich nicht, daß zur Deckung dieses Bedarfs ausschließlich öffentliche Gelder dienen müssen. Ich bin im Gegenteil davon überzeugt, daß, nachdem nun die Wirtschaft wieder so weit gesundet ist, ein großer Teil der Anforderungen über den Kapitalmarkt, gegebenenfalls allerdings mit Unterstützung der Landes- oder Bundesbürgschaften erhältlich sein wird.
Im Hinblick hierauf ist bereits im Dritten Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft ein sehr beachtlicher Bürgschaftsrahmen für Remontagekredite vorgesehen worden.
Darüber hinaus hat der Herr Bundesfinanzminister meinem Antrag entsprochen, den im Rechnungsjahr 1954 verbliebenen Ausgaberest aus dem außerordentlichen Haushalt zugunsten der demontagegeschädigten Industrie in Höhe von zirka 100 Millionen DM auf das Rechnungsjahr 1955 zu übertragen. Die Zustimmung zur Verwendung hat sich allerdings der Herr Bundesfinanzminister noch vorbehalten; aber immerhin ist zumindest die Übertragung schon erfolgt.
Des weiteren hat das Bundeswirtschaftsministerium auch im Jahre 1955 im Rahmen des sogenannten Vierten Versicherungssonderprogramms und des 250 Millionen-Investitionsprogramms der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank seine Politik der Beteiligung der demontagegeschädigten Wirtschaft an von der Bundesregierung indirekt beantragten Kreditprogrammen fortgesetzt. Es steht zu erwarten, daß aus diesen beiden Programmen ein Betrag von 60 bis 80 Millionen DM verfügbar wird. Schließlich möchte ich auch nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß die Kredithilfe, die die Bundesregierung im Rahmen des Kriegsfolgenschlußgesetzes zugunsten der demontage-
und restitutionsgeschädigten Wirtschaft in Aussicht genommen hat, noch bevorsteht.
Dann darf ich auf das Thema übergehen, das wohl den größten Raum in Ihren Ausführungen eingenommen hat, die Rüstungswirtschaft. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat immer wieder erklärt, daß sie die Rüstungsausgaben im Rahmen der wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten halten wird. Was auf diesem Gebiet auf uns zukommt, ist letzten Endes durch die Haushaltsansätze festgelegt. Es kann deshalb nicht als leeres Versprechen aufgefaßt werden, wenn die Bundesregierung betont, daß sie das Tempo und die Finanzierungsmethoden der Verteidigung so wählen wird, daß weder die finanzielle Stabilität noch die weitere Expansion unserer Wirtschaft gefährdet werden. Darin liegt gleichzeitig beschlossen, daß der Lebensstandard der Bevölkerung nicht eingeschränkt werden soll.
Zur Begründung möchte ich einige Zahlen anführen. Im Kalenderjahr 1954 betrugen die Ausgaben der Besatzungsmächte 5,7 Milliarden DM. Im Kalenderjahr 1955 ist mit einer Summe von gut 7 Milliarden DM an Besatzungs-, Stationierungs- und eigenen Verteidigungsausgaben zu rechnen. Das wäre also eine Mehrausgabe von nicht ganz 1 1/2 Milliarden DM. Gleichzeitig ist aber mit ziemlicher Sicherheit eine Zunahme des Sozialproduktes um etwa 12 bis 13 Milliarden DM zu erwarten. Für das Jahr 1956 läßt sich bereits heute sagen, daß das Sozialprodukt um eine annähernd gleiche Zahl von Milliarden wachsen wird. Die
möglichen Verteidigungsausgaben sind hingegen durch die von diesem Hohen Hause zu bewilligenden Mittel nach oben begrenzt. Ich bitte Sie aber sicher zu sein, meine Damen und Herren, daß Ihre Sorgen, die Sie wegen der Rüstungswirtschaft haben, von uns nicht etwa bagatellisiert werden. Wir wissen sehr wohl die Gefahren zu würdigen, die in einem Zeitpunkt auf die Wirtschaft zukommen, in dem sie erstmals in das Gebiet der Rüstungswirtschaft überhaupt eintritt. Ich bitte Sie, sicher zu sein, daß alles geschehen wird, was möglich ist, um den Sorgen, die hier heute morgen zum Ausdruck kamen, zu begegnen.
Nun hat besonders Herr Abgeordneter Schmidt betont, daß Unterlassungen beim Wirtschaftsministerium vorliegen. Wir werden das mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit prüfen. Ich bitte Sie, dessen sicher zu sein. Ich begrüße selbstverständlich jede Kritik, ich glaube aber doch sagen zu dürfen, daß nach außen wahrscheinlich nicht zu erkennen war, welchen Raum die Vorbereitungsarbeiten im Innern des Hauses eingenommen haben.
— Ich habe keinerlei Vorwurf daraus erhoben, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Schmidt hat wiederholt von einem Kompetenzkampf zwischen dem Hause Blank und den daran angeschlossenen Behörden und uns gesprochen. Ich darf Sie versichern, daß ein solcher Kompetenzkampf nicht besteht. Sie erwähnten zum Beweise der Existenz dieses Kompetenzkampfes ein Streitgespräch zwischen Herrn Erhard und Herrn Blank in Anwesenheit der Länderwirtschaftsminister. Ich war bei diesem Streitgespräch selbst nicht anwesend. Aber ich habe mich inzwischen, da Sie die Freundlichkeit hatten, mir schon gestern abend anzukündigen, daß Sie gerade diese Bemerkung machen würden, mit den Herren unterhalten, die an dem Gespräch teilgenommen haben. Ich glaube, daß die Tatsache des Gesprächs nur ein Beweis dafür ist, mit welcher Offenherzigkeit die gegenseitigen Standpunkte gegeneinander abgewogen werden. Ich freue mich, Ihnen die Erklärung abgeben zu können, daß gerade dieses Streitgespräch zu einer befriedigenden, auch Sie befriedigenden Lösung geführt hat. Wir haben mit dem Hause Blank die Zusammenarbeit so gut geregelt und sichergestellt, daß ich alle Zuversicht habe, daß auch die Praxis, die Sie uns so drohend an die Wand gemalt haben, diese Gefahr nicht allzu groß werden lassen wird.
Wir sind jedenfalls entschlossen, meine Damen und Herren, die Soziale Marktwirtschaft fortzusetzen, die ja das Hauptelement gewesen ist, das das deutsche Volk aus der Not, in der wir vor sieben Jahren waren, bis zum heutigen Tage herausgeführt hat. Daß diese Soziale Marktwirtschaft nicht durch die Rüstungswirtschaft gefährdet und zerstört wird, wird unser gemeinsames Bestreben sein. Aus Ihrer Kritik habe ich geglaubt, entnehmen zu dürfen — und ich hoffe, daß Sie mir das bestätigen werden —, daß wir in Ihnen in dieser Beziehung einen starken Bundesgenossen haben werden.
Ich stimme Ihnen darin zu, Herr Abgeordneter Schmidt, daß es nicht möglich sein wird, die Rüstungsaufträge hundertprozentig, uneingeschränkt öffentlich auszuschreiben. Es stellt aber schon einen sehr großen Erfolg dar, daß es gelungen ist, mit dem Verteidigungsministerium eine schriftlich formulierte Vereinbarung darüber herbeizuführen, daß jedwede Ausnahme von einer öffentlichen Ausschreibung der vorherigen Zustimmung eines Ausschusses bedarf, in dem das Bundeswirtschaftsministerium mit 50 % der Mitglieder beteiligt ist. Dazu hat uns der Herr Verteidigungsminister die Erklärung abgegeben, daß er ein treuer und überzeugter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft sei und daß er in jedem Falle, in dem es überhaupt nur im Rahmen des Möglichen liege, mit uns in der Richtung wirken werde, daß die Aufträge öffentlich ausgeschrieben würden. Der Herr Verteidigungsminister hat weiß Gott das erste Interesse daran, daß aus seinem Haushalt eine ausreichende und eine möglichst reichliche Versorgung seiner Truppen erreicht wird. Und auf welchem Wege wird er das besser erreichen als auf dem Wege der öffentlichen Ausschreibungen?
Der Herr Abgeordnete hat vorgetragen, daß schon Vorbereitungen im Gange seien, die uns adle eines Tages mit einer Riesenwelle überschwemmen würden. Ich bin sehr dankbar für den Hinweis; denn ein Hinweis auf eine Gefahr wird uns um so behutsamer machen. Ich bitte Sie, das nicht ironisch aufzufassen, es ist mir wirklich ernst; denn ich sehe ein, daß in diesen Dingen große Gefahren stecken. Ich halte auch Ihre Besorgnis für unbegründet, daß eine moralische Verpflichtung entstehen könnte, aus irgendwelchen Versuchs- oder Entwicklungsaufträgen demnächst Serienaufträge zu machen. Die Übertragung solcher Entwicklungsarbeiten hat meines Erachtens keine so bindende Kraft, daß daraus die Konsequenz gezogen werden müßte, demnächst die so erzeugten Rüstungsgüter mit Preisen zu bezahlen, die erheblich über dem liegen, was sonst marktmäßig bezahlt werden müßte. Im übrigen ist bei denjenigen Verträgen, bei denen die Selbstkostenerstattung notwendig sein wird, weil keine Marktpreise da sind, die von Ihnen gewünschte nachträgliche Überprüfung der Preise möglich. Ich habe es daher sehr begrüßt, daß es möglich war, mit Herrn Blank eine Vereinbarung darüber herbeizuführen, daß in jedem Falle, in dem eine solche nachträgliche Preisprüfung durchgeführt wird, das Bundeswirtschaftsministerium vorher mit eingeschaltet wird. Denn wir haben gerade ein Interesse daran, das Preisniveau nicht in Bewegung geraten zu lassen, jedenfalls da nicht in Bewegung geraten zu lassen, wo diese Bewegung verhindert werden kann.
Herr Abgeordneter Schmidt hat erwähnt, daß Investitionen schon fehlgelaufen seien und daß wir uns dabei hätten einschalten müssen. Da habe ich allerdings ein wenig die Ohren gespitzt. Denn wir möchten uns natürlich getreu dem System der Sozialen Marktwirtschaft nicht in private Dinge mischen. Wir möchten nicht gern, daß ein Unternehmer, der einmal etwas fehlinvestiert hat, eines Tages bei uns antritt und sagt: Nun hört einmal zu; ich habe da fehlinvestiert; bitte, bezahlt mir das! — Wenn also Fehlinvestitionen gemacht wurden, so bedaure ich das im Interesse der Unternehmer. Aber ich glaube nicht, daß der Bundesregierung die Verantwortung dafür zugeschoben werden sollte PS sei denn. daß es sich um Investitionen handelt, die mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sind
Für solche Fälle aber, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, versichert zu sein, daß wir uns ernste Mühe geben werden, vorher zu überprüfen, ob die Investitionen richtig und wirtschaftlich vertretbar sind oder nicht. Der Einsatz so großer öffentlich geförderter Mittel, wie er in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung war, hat das unter Beweis gestellt, denn unsere Produktionskapazität hätte ja nicht diesen Siegeslauf vollbracht, wenn wir nicht so zweckmäßig und vernünftig gesteuerte Investitionen gemacht hätten. Wenn also jetzt in der Tat die eine oder andere Million privatim fehlinvestiert worden ist — ich würde es sehr bedauern —, so kann ich es nicht hindern. Investitionen mit Hilfe öffentlicher Mittel, die fehlgelaufen sind, sind mir jedoch nicht bekannt; aber auch die würden wir selbstverständlich mit aller Sorgfalt prüfen.
- Herr Abgeordneter, darin steckt eine echte Gefahr. Aber wir hoffen ja, dieser Gefahr dadurch zu begegnen, daß wir in jedem einzelnen Fall den Versuch machen, öffentlich auszuschreiben. Sie erwähnten vorhin, daß das doch nur sehr reduziert möglich sei. Ich bin nicht ganz Ihrer Meinung, und zwar aus folgenden Gründen nicht. Ich glaube, die Erfahrungen der Vergangenheit können hier nicht als Parallele herangezogen werden. Denn Gott sei Dank ist es dank der Politik der Bundesregierung möglich geworden, daß die öffentlichen Ausschreibungen nicht auf einen nationalen Raum beschränkt bleiben, und wir sind sehr glücklich darüber. Sie können sicher sein, daß wir nicht zögern werden und der Verteidigungsminister als allerletzter zögern wird, wenn es möglich ist, aus Italien, aus Frankreich oder aus Holland das eine oder andere Rüstungsgut billiger oder besser hereinzunehmen.
— Herr Abgeordneter Schöne ist so liebenswürdig, die fleet in being noch einmal zu erwähnen, die Herr Abgeordneter Schmidt auch schon als Bonmot gesetzt hat. Als diese fleet in being vorhin bei der Zollermächtigung zitiert wurde als ein Widerspruch zu der Erklärung des Wirtschaftsministers, es sei keine Gefahr auf dem Preisgebiet, habe ich mich daran erinnert, daß ich bei einer Fahrt in der Bundesbahn es keineswegs als Widerspruch gegen die Verkehrssicherheit der Bundesbahn empfand, daß dort eine Notbremse neben einem MinimaxGerät angebracht ist.
— Ich bin dem Herrn Abgeordneten Schmidt für diesen Hinweis sehr dankbar. Denn dann darf ich noch einmal näher darauf eingehen, und ich hoffe, daß es dann ein Elfmeterschuß für mich wird.
Meine Damen und Herren, am 26. Mai 1955 ist in die Geschäftsordnung des Bundestages der § 96 a eingefügt worden. Ich habe ihn mir als „Minimax"
mit hierhergenommen; ich wußte allerdings nicht, daß ich zum Abschießen kommen würde.
Dieser § 96 a lautet folgendermaßen:
Vorlagen der Bundesregierung auf Änderung des Zolltarifs gemäß § 4 des Zolltarifgesetzes vom 16. August 1951 werden, wenn sie von der Bundesregierung als dringlich bezeichnet sind, vom Präsidenten des Bundestages unmittelbar dem zuständigen Ausschuß überwiesen. Der zuständige Ausschuß hat sie innerhalb von zwei Wochen nach Eingang beim Ausschuß zu beraten. Der Bericht des Ausschusses ist auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages zu setzen. Wenn der Ausschuß seine Beratungen nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen abschließt, ist die Vorlage ohne Ausschußbericht zur Beschlußfassung auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages zu setzen.
Nun die Anwendung. Von dieser neuen Bestimmung ist erstmals bei der Vierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen betreffend Elektrobleche und Wälzlagerstahl Gebrauch gemacht worden. Der Verordnungsentwurf wurde am Montag, dem 6. Juni 1955, also vor wenigen Tagen, vom Bundeskanzleramt dem Präsidenten des Bundestages zugeleitet. Am Mittwoch, dem 8. Juni, ist er bereits im Bundestagsausschuß für Außenhandelsfragen beraten und am gleichen Tage im Bundestagsplenum verabschiedet worden. In diesem Fall hat „Minimax" tatsächlich gut funktioniert.
- Bitte, Herr Abgeordneter.
Sind Sie sich darüber klar, Herr Staatssekretär Westrick, daß Sie soeben von einem Minimax in Taschenausgabe geredet haben? Was Ihr Minister seinerzeit wollte, war ein so großer Minimax; jetzt haben Sie einen so kleinen gekriegt!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist der technische Fortschritt vom großen zum kleinen Gerät.
Meine Damen und Herren, ich darf nicht unterlassen, noch ein Wort zur Integration zu sagen. Ich bitte, die Versicherung entgegenzunehmen, daß die Bundesregierung echt integrationsbereit ist. Das ist wiederholt zum Ausdruck gekommen, und ich habe gerade in der vorigen Woche Gelegenheit gehabt, auch dem französischen Wirtschaftsminister das noch einmal deutlich zu sagen. Mit den Benelux-Ländern sind wir hinsichtlich der Integrationswege allerdings noch unterschiedlicher Meinung. Hinsichtlich der Integrationszielsetzung ist man sich absolut einig, und ich hoffe zuversichtlich, daß durch den weitgehenden Einsatz der Montanunion, der OEEC, des GATT sowie durch die Förderung der Konvertibilitätsfragen und aller damit zusammenhängenden Dinge auf dem Wege der Integration positive Erfolge erzielt werden. Wir haben es begrüßt, daß die sogenannte Addition von Teilintegrationen auch durch unsere Kritiker abgelehnt wurde. Erfreulicherweise sind mit der Hohen Behörde — allerdings vor dem Antritt von Herrn René Mayer — darüber Verhandlungen geführt
worden, die insoweit volle Einigkeit zwischen der Hohen Behörde und den Bestrebungen des Bundeswirtschaftsministeriums erbracht haben. Ich bitte Sie also, sicher zu sein, daß wir eine „Versteinerung" der Montanunion verhindern werden, denn wir sind mit Ihnen der Meinung, daß die Montanunion nicht allein im Raume stehen und daß sie allein auch kein ausreichender und wirkungsvoller Schritt in Richtung auf Europas Integration bleiben kann. Wir werden daher mit Ihnen in Richtung auf eine Förderung der Integrationsziele tätig sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine ganz kurze Bemerkung. Ich habe durchaus Verständnis dafür, daß der Herr Staatssekretär nicht sofort auf alles antworten kann, weil das sozusagen überfallähnlich hier auf ihn herunterprasselt. Ich möchte in diesem Sinne die Anregung von Herrn Atzenroth begrüßen und würde es sehr schön finden, wenn das Bundeswirtschaftsministerium vielleicht noch gelegentlich der dritten Lesung genügend vorbereitet die Antworten zu den Fragen gäbe, auf die der Herr Staatssekretär überhaupt nicht geantwortet hat. Ich zähle nur kurz auf: die Ergänzungsgesetze zum Kartellgesetz; zum Volkswagenwerk hat sich der Herr Staatssekretär völlig ausgeschwiegen; und drittens wäre es natürlich sehr schön, bezüglich der Kohleversorgung auch einmal zu hören, was man über das Verteilungsproblem denkt. Man hat uns hier einiges darüber gesagt, wie die Kohlenförderung und die Kohleneinfuhr erhöht werden wird, man hat uns auch gesagt, daß man sich jetzt — ich finde das sehr spät — mit GEORG unterhalten will, aber es wäre natürlich schön für uns, zu wissen, mit welchen Vorstellungen man an die Verhandlungen mit GEORG herangeht.
Zum Schluß kann ich dem Herrn Staatssekretär eine kleine Bemerkung nicht ganz ersparen. Er hat die Kreditprogramme für die mittelständische Wirtschaft hier sehr schön ausgebreitet, er hat aber nicht erwähnt, daß die Anregung, den größten Brocken — nämlich die 130 bis 160 Millionen DM aus der Investitionshilfe — für diesen Zweck zu verwenden, nicht von der Bundesregierung, sondern aus dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Bundestages gekommen ist.
Weitere Wortmeldungen liegen zum Einzelplan 09 nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 09 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit. Der Einzelplan 09 ist angenommen.
Ich rufe auf:
j) Einzelplan 10 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten .
Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Brese.
Auf mündliche Berichterstattung wird verzichtet, da der Schriftliche Bericht*) vorliegt.
Ich eröffne die Beratung. Zu diesem Einzelplan sind eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht. Zunächst ist hier der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 402. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
— Möchten Sie das Wort, Frau Abgeordnete, zu dem Änderungsantrag Umdruck 402?
Meine Damen und Herren, ich muß dringend um Ruhe bitten; man kommt ja so nicht weiter. — Zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 402*) möchten Sie das Wort nehmen? — Bitte sehr!
Meine Herren und Damen! Wir haben Ihnen für diesen Haushalt wiederum den Antrag vorgelegt, daß im Ernährungshaushalt 50 Millionen DM für eine Schulmilchspeisung eingestellt werden und daß der Ansatz für die Bekämpfung der Rinder-Tbc von 10 Millionen DM auf 20 Millionen DM erhöht wird.
Ich darf zur Begründung dieses Antrags folgendes sagen. Der Haushalt des Bundesernährungsministeriums wird zu zwei Dritteln aus Abschöpfungsbeträgen finanziert. Von den 577 Millionen DM ,Ausgaben werden 383 Millionen DM aus Preisabschöpfungen für eingeführtes Getreide und eingeführten Zucker aufgebracht, da bei uns die Festpreise höher sind als die Weltmarktpreise. Es handelt sich also um Beträge, die der Verbraucher über den Brotpreis, über den Preis für andere Getreideprodukte und über den Zuckerpreis zusätzlich zu den Steuern aufbringt, die er an den Vater Staat bezahlt; damit wird der Haushalt des Bundesernährungsministeriums weitgehend finanziert.
Wir sprechen uns nicht gegen diese Abschöpfung aus, da wir keinen gespaltenen Preis brauchen können. Wir wissen, daß die Abschöpfung unvermeidbar ist. Im Vorjahr sind laut Haushalt auf diese Art und Weise dem Bundesernährungsministerium 225 Millionen DM von den Verbrauchern zugeflossen. In diesem Jahr sollen es 383 Millionen DM sein. Man sollte annehmen, daß eine solche Einnahme auch ihren Niederschlag auf der Ausgabenseite zugunsten der Verbraucher fände. Aber da sucht man leider vergeblich nach größeren Haushaltsposten, die direkt oder indirekt dem Verbraucher zugute kommen. In dieser Beziehung, muß ich leider sagen, ist die Armseligkeit des Haushalts des Bundesernährungsministeriums geradezu peinlich.
Im Vorjahr hatten wir eine recht aufschlußreiche Debatte über diesbezügliche Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Wir wollen heuer nicht all das wiederholen, was wir bereits voriges Jahr gesagt haben. Aber zur Rinder-Tbc-Bekämpfung doch einige Worte. Damals ist im Plenum eine Entschließung angenommen worden, daß sich das Ministerium zu einem Plan für die Tbc-Bekämpfung äußern solle. Seitdem ist im Ausschuß wiederholt über diese Frage im Zusammenhang mit dem Bericht des Ministeriums diskutiert worden.
*) Siehe Anlage 6.
Wir sind weit davon entfernt, die Gefahren zu schwarz zu malen, die den Milchverbrauchern von der Rinder-Tbc drohen. Aber wir möchten, auch davor warnen, sie zu unterschätzen. Es ist doch so, daß tiefgekühlte Rohmilch aus Tbc-freien Ställen, die einer ständigen tierärztlichen Kontrolle unterliegen, die sogenannte Vorzugsmilch, eigentlich die einzige völlig einwandfreie Milch ist. Diese ist nur zu sehr hohen Preisen zu haben. Wir zahlen z. B. in Nürnberg für die halben Liter dieser Vorzugsmilch 37 Pfennig. Es ist klar, daß eine kinderreiche Familie, die diese Milch ja besonders bräuchte, sie sich einfach nicht leisten kann.
Ich will mich nicht darüber aussprechen, ob dieser Preis berechtigt oder unberechtigt ist. Ich fürchte, daß bei den Vorschriften, die für diese Milch bestehen, an dem Preis nicht viel zu ändern ist, solange nicht die Tbc-freie Milch die allgemeine Milch ist. Nur diese Rohmilch enthält unbeeinträchtigt alle Nährstoffe und Vitamine. Die pasteurisierte Milch, die wir allgemein verbrauchen, ist
sicher gut. Rohmilch ist aber besser für die Gesundheit.
Es muß deshalb das Bestreben aller beteiligten Kreise sein, daß Milch aus Tbc-freien Beständen die normale Milch für den Verbraucher zum normalen Preis wird. Wenn man das aber will, muß man dafür etwas mehr tun, als zumindest bisher mit öffentlichen Mitteln dafür geschehen ist. Ich möchte nicht versäumen, darauf aufmerksam zu machen, daß sich die Landwirtschaft dafür sehr angestrengt hat. Nach dem Bericht des Bundesernährungsministeriums vom 21. Dezember 1954 hat die Landwirtschaft selber im Rechnungsjahr 1954 170 Millionen DM für die Bekämpfung der Rindertuberkulose aufgebracht, der Bund 9,77 Millionen r DM, die Länder 22 Millionen DM. Wenn man diese Beträge einander gegenüberstellt und wenn man weiß, daß die Schuld daran, daß unsere Rinderställe so Tbc-verseucht sind, nicht dem Bauern zugeschrieben werden kann, sondern daß es weitgehend auch eine Kriegsfolge ist, dann muß man den Bauern wirklich einmal den Dank der Hausfrauen dafür aussprechen, daß sie bisher so viel dafür getan haben, uns eine bessere, eine gesündere Milch zu produzieren. Aber die 2 Pf, die der einzelne Landwirt für das Tbc-freie Liter Milch mehr bekommt als für nicht Tbc-freie, stehen doch in keinem Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Opfer, das die Landwirtschaft gebracht hat.
Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich außerdem sagen: ich bin jedenfalls der Meinung, daß man diese Leistung der Landwirtschaft, die, wenn die gesamte Milch Tbc-frei werden soll, in einem ungeheuren Maße gesteigert werden müßte, keinesfalls über einen höheren Milchpreis finanzieren kann.
Denn das würde unbedingt zu einem Rückgang des Frischmilchverbrauchs führen, und wir wollen ja die Qualitätssteigerung der Milch gerade, um den Frischmilchverbrauch zu erhöhen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen: alle diejenigen, denen es ein ernstes Anliegen ist, in unserer Bundesrepublik möglichst bald eine Tbcfreie Milch für alle Milchverbraucher zu bekommen, sollten endlich hier einmal sehr viel mehr Courage gegenüber dem Finanzminister aufbringen als die Courage gegenüber dem Verbraucher, einfach einen höheren Milchpreis zu verlangen.
Jedenfalls steht es fest, daß es viel zu lange dauert, bis wir, wenn aus öffentlichen Mitteln nicht mehr geschieht als bisher, mit dieser Verseuchung fertig werden. Dazu kommt, daß unter Umständen die bisher aufgewandten Mittel umsonst aufgewandt werden, weil immer wieder neue Anstekkungen erfolgen. Ich möchte aus der Antwort, die das Bundesernährungministerium auf die im Vorjahr gefaßte Entschließung gegeben hat, nur einen einzigen Satz zitieren. Ich zitiere der Zeitersparnis halber nicht mehr. Es heißt da auf der letzten Seite der Drucksache 1107 — Sie können sie alle im einzelnen nachlesen — unter 3:
Den steigenden Sanierungskosten entsprechend ist eine Erhöhung der Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln erforderlich.
Im Haushalt 1955 hat aber diese Mitteilung des Bundesernährungsministeriums vom 21. Dezember 1954 leider keinen Niederschlag gefunden, im Gegenteil. Als uns dieser Haushalt vorgelegt wurde, waren die Mittel für Tierseuchenbekämpfung, die in erster Linie der Tbc-Bekämpfung dienen, von 10 auf 8 Millionen DM gekürzt.
Während der Haushaltsberatungen hat dieser Titel des Haushalts kleine Veränderungen hin und her erfahren. Wir hatten im Ernährungsausschuß. genau wie im vorigen Jahr, beantragt, diesen Titel auf 40 Millionen DM zu erhöhen. Wir haben uns dann im Ernährungsausschuß bekanntlich einstimmig darauf geeinigt, daß es notwendig und fiskalisch möglich wäre, eine Summe von 20 Millionen DM für diese Angelegenheit auszugeben. Leider ist im Haushaltsausschuß dieser Antrag des Ernährungsausschusses nicht angenommen worden, sondern es wurden 12 Millionen DM beschlossen, und in einer weiteren Beratung im Haushaltsausschuß ist dieser Ansatz wieder auf 10 Millionen DM reduziert worden. Ich muß sagen, wir bedauern diese Kürzung im Haushaltsausschuß außerordentlich und legen Ihnen deshalb im Umdruck 402 noch einmal den Antrag des Ernährungsausschusses auf 20 Millionen DM vor, den wir uns zu eigen gemacht haben. Ich möchte vor allen Dingen allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Ernährungsausschuß Gelegenheit geben, hier wieder für ihren Antrag zu stimmen. Das wäre eine Maßnahme. die den Erzeugern und Verbrauchern in gleicher Weise zugute käme. Dann könnte man auch sagen, daß die 400 Millionen DM, die die Verbraucher zum Haushalt des Landwirtschaftsministeriums beitragen, wenigstens in etwa wieder an sie zurückfließen.
Obwohl also in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung der Abschöpfungsbeträge um rund 160 Millionen DM eingetreten ist, ist aus dem Haushalt des Ernährungsministeriums bis jetzt in keiner Weise zu ersehen, daß eine andere Einstellung zu den im Vorjahr hier behandelten Anträgen erfolgt ist. Nach dem Bericht des Ernährungsministeriums haben wir damit zu rechnen, daß in den nächsten drei Jahren die Hälfte der Rinder Tbc-frei sein wird. Das wäre dann 13 Jahre nach Kriegsende. Wenn das in diesem Schneckentempo weitergeht, ist nicht abzusehen, wann wir endlich einmal den Hausfrauen Tbc-freie Milch anbieten können.
Wir haben uns darüber hinaus bemüht, den Haushalt dadurch etwas verbraucherfreundlicher zu gestalten, daß wir Ihnen vorschlagen, 50 Millionen DM für ein Schulmilchfrühstück in den Haushalt einzustellen. Ich erinnere mich an manches Gespräch im Vorjahr hier und auch nach der Beratung des Etats des Bundesernährungsministeriums. Da wurde uns immer gesagt: Warum haben Sie uns das eigentlich nicht früher gesagt, dann hätten wir uns darauf vorbereiten können! Auch der Herr Bundesernährungsminister hat sich als ein großer Freund der Schulmilchspeisung vorgestellt. Voriges Jahr wurde gesagt: Heuer ist es leider nicht mehr möglich, dieses berechtigte Anliegen zu berücksichtigen. In diesem Jahr haben wir es nun wieder im Ernährungsausschuß vorgebracht. Es wurde beraten, es wurde zurückgestellt, es wurde wieder beraten, und dann wurde unter dem Druck, ich nehme an, des Finanzministeriums, dieser Antrag im Ernährungsausschuß doch abgelehnt. Wir geben aber die Hoffnung nicht auf, daß über ein solches Schulmilchfrühstück ein maßgeblicher Beitrag zur Gesundung unserer Milchwirtschaft und zu einer gesünderen Ernährung unserer Bevölkerung auch mit öffentlichen Mitteln geleistet wird.
Wir hinken mit einem Milchverbrauch von 1001 pro Kopf weit hinter allen vergleichbaren Ländern Europas nach. Es gibt Länder, in denen zweimal so viel Frischmilch pro Kopf verbraucht wird wie in der Bundesrepublik. Wir sind keine Milchtrinkernation, ich möchte eigentlich sagen, noch keine Milchtrinkernation. Aber wir könnten es werden, wenn dazu etwas mehr getan würde, und wir könnten davon sowohl wirtschaftlichen als auch 1 gesundheitlichen Nutzen haben. Wenn wir in der Schule damit beginnen, die Kinder an die Milch zu gewöhnen, sie zum Milchtrinken erziehen, dann werden sie auch als Erwachsene und als Hausfrauen ihren Familien viel mehr Milch zur Verfügung stellen. In all den Ländern mit einem höheren Milchverbrauch gibt es entweder ein solches kostenloses oder verbilligtes Schulmilchfrühstück oder es gibt eine Subventionierung des Milchpreises für irgendwelche Bevölkerungsgruppen.
Wir haben diese 50 Millionen DM nicht von ungefähr beantragt. Ich möchte Ihnen das ganz kurz erklären. Es gibt in der Bundesrepublik 6,5 Millionen Schüler aller Lehranstalten. Wenn man 6 Millionen Kindern im volksschulpflichtigen Alter an 200 Schultagen einen viertel Liter Milch à 12 Pfennig kostenlos gibt, kostet das 128 Millionen DM. Weniger, als die Summe ausmacht, die das Bundesernährungsministerium aus den Abschöpfungsbeträgen in diesem Jahr mehr bekommen soll, als es im Vorjahr bekommen hat. Wenn der Bund dazu 50 Millionen DM gibt und man die Länder auffordert, auch etwas dazu zu tun, auch die Gemeinden usw. — wenn der Bund sich beteiligt, sind sie dazu auch bereit —, dann ist diese Frage zu lösen.
Ich möchte, da ich gerade das Wort habe, den Herrn Präsidenten bitten, daß er mir gestattet, auch noch einige wenige Worte zum Gesamthaushalt zu sagen, weil sie im Zusammenhang mit den Verbraucherfragen stehen.
Wir haben die Auffassung, daß für eine gesunde Ernährung gar nicht genug getan werden kann und daß eben bei uns in der Bundesrepublik dafür bisher zu wenig getan worden ist. So ist z. B. die Gesetzgebung für alle mit der Ernährung zusammenhängenden Fragen doch reichlich antiquiert. Ich weiß natürlich, daß es da Überschneidungen mit dem Bundesinnenministerium gibt, das für das Lebensmittelgesetz zuständig ist. Aber der Ernährungsminister müßte meiner Ansicht nach, soweit es sich um Ernährungsfragen handelt, drängen und dort handeln, wo es ihm möglich ist.
Es besteht wieder einmal die Gefahr, daß eine Reihe von Verordnungen kommen, die sich mit Teilfragen der Lebensmittelgesetzgebung befassen. Und dann wird das Dschungel der Gesetzgebung auf dem Gebiet der Ernährung nicht geringer, sondern es wird noch größer. Es ist aber im Gegenteil notwendig, daß es gelichtet wird.
Im vorigen Jahr haben wir auf eine kleine Anfrage, wann denn das Lebensmittelgesetz zu erwarten sei, die Mitteilung bekommen: in etwa Jahresfrist. Dieses Jahr ist längst um; das Lebensmittelgesetz ist noch nicht da. Ich weiß, daß es ein großer und schwieriger Komplex ist, aber die Sache wird doch immer dringlicher. Wissenschaftler und Ärzte mahnen in der Presse. Wir erleben jede Woche in irgendeiner Illustrierten Publikationen, die den Hausfrauen sehr viel Sorge machen müssen, wenn alles, was da drinsteht, hundertprozentig ernst genommen wird. Allein was das Färben und Bleichen sowie das Verändern der Lebensmittel und das Düngen anbelangt, muß unsere Gesetzgebung unbedingt dem heutigen Stand der Erfordernisse so rasch wie möglich angepaßt werden.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß das Bundesernährungsministerium ein Interesse daran haben müßte, daß in dem kommenden neuen Lebensmittelgesetz sehr genaue und klare Deklarierungen für alle Lebensmittel verlangt werden, damit die Hausfrauen endlich wissen, was sie kaufen, und damit die Verbraucher davor bewahrt werden, mit den Lebensmitteln gesundheitsschädliche Stoffe einzukaufen. Angesichts der Gefahren, die der Ernährung von der Entwicklung drohen, ist es geradezu unverantwortlich, daß auf diesem Gebiet die Gesetzgebung so lange auf sich warten läßt.
Abschließend darf ich noch einige Worte zu einem interfraktionellen Antrag sagen, der Ihnen auf Umdruck 414 [neu] vorgelegt worden ist. Ich denke, daß Frau Kollegin Jochmus dazu mehr sagen wird. Es handelt sich hier um einen Titel, der vor allen Dingen ernährungswissenschaftlichen Forschungen dient, die dazu führen können, daß unser Brotgetreide in Zukunft gesünder an die Verbraucher herangebracht werden kann.
Ich bitte Sie dringend, noch einmal zu prüfen, ob es Ihnen nicht möglich ist, dem Antrag Umdruck 402 zuzustimmen. In diesem Zusammenhang darf ich Sie auf folgendes aufmerksam machen. Im vorigen Jahr haben die meisten von Ihnen erklärt: Wir sind leider nicht in der Lage, diese große Summe für eine solche Maßnahme, die wir absolut nicht für verkehrt halten würden, auszugeben. Im vorigen Jahr standen im Haushalt auf der Einnahmeseite 225 Millionen DM Abschöpfungsbeträge. Tatsächlich sind aber 414 733 000 DM eingenommen worden. Diese Summe ist um rund 190 Millionen DM höher als der tatsächliche Anschlag im Haushalt. Davon wäre es nicht allein möglich gewesen, unseren Schulmilchantrag und unseren Tbc-Antrag zu
finanzieren, sondern darüber hinaus hätte der Finanzminister noch einen sehr hohen Betrag als Mehreinnahme gehabt. Es ist anzunehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister auch in diesem Jahre die Abschöpfungsbeträge nicht höher geschätzt hat, sondern daß es hier ähnlich geht und daß sie höher sein werden, als sie in den Haushaltsplan eingestellt sind. Sie brauchen sich also aus fiskalischen Gründen hinsichtlich der Erfüllung dieser Wünsche — von denen Sie uns bisher ja immer gesagt haben, Sie hätten dieselben wie wir — gar keinen Zwang auferlegen. Sie können diesen Anträgen aus fiskalischen Gründen zustimmen, wenn Sie sie für richtig halten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat richtig, daß die westdeutsche Landwirtschaft sehr große Anstrengungen gemacht hat, um die Rindertuberkulose — es geht hier um den Antrag der SPD, Umdruck 402 — zu bekämpfen. Im Bericht des Herrn Landwirtschaftsministers ist ausgeführt, daß allein im Jahre 1954 über 210 Millionen DM aufgewandt werden mußten; sie verteilen sich auf öffentliche und private Wirtschaft so, daß die westdeutsche Landwirtschaft selbst etwa 85 % aus privaten Mitteln und die öffentliche Hand etwa 15 % der Gesamtsumme aufgebracht hat. Es liegt nahe, daß man den Anteil, den die öffentliche Hand zur Bekämpfung der Rindertuberkulose aufzubringen hat, zu erhöhen wünscht. Im Haushaltsausschuß ist von meinen Freunden auch deutlich zum Ausdruck gebracht worden, daß wir unsererseits alles tun wollen, um den öffentlichen Anteil heraufzusetzen. Das ist auch geschehen. Der Regierungsentwurf sah 8 Millionen DM vor; der Haushaltsausschuß hat aus den 8 Millionen DM 10 Millionen DM gemacht.
Es ist bei den Haushaltsberatungen auch deutlich geworden, daß wir gern noch darüber hinausgegangen wären; das ist schon von meiner Vorrednerin betont worden. Weitergehende Anträge waren aber praktisch in diesem Haushaltsjahr nicht mehr zu placieren. Es hat aber wenig Sinn, noch so berechtigte Forderungen zu erheben, ohne gleichzeitig einen realisierbaren Deckungsvorschlag zu machen. Es ist richtig, was hervorgehoben wurde: wir wünschen, daß die öffentlichen Mittel für die Bekämpfung der Rindertuberkulose im Laufe der Jahre weiter gesteigert werden. Das hat sowohl der Herr Landwirtschaftsminister, dem wir für diese Erklärung dankbar sind, als auch der Ernährungsausschuß deutlich zum Ausdruck gebracht. Aber diese Wünsche kommen dann in den Haushaltsausschuß. Dort werden sehr weitgehende Wünsche für den Einzelplan vorgetragen, die dann auf das realisierbare Maß reduziert werden müssen. Man wird also wohl begreifen, daß wir uns mit einigem Kummer auf 10 Millionen DM diesmal haben beschränken müssen, obwohl wir selber gern darüber hinausgegangen wären. Wir werden beim nächsten Haushaltsplan versuchen müssen, die Summe für diesen Zweck zu erhöhen. Wir werden aber im Haushaltsausschuß derartige Steigerungswünsche nicht realisieren können, wenn wir nicht gleichzeitig realisierbare Vorschläge für die Deckung dieser Ausgaben haben; darin sind sich die Mitglieder des Haushaltsausschusses sowohl von der Linken wie auch von der Rechten des Hauses vollkommen einig.
Meine Damen und Herren, eigentümlich berührt mich dieser Antrag der SPD deshalb, weil ich in Niedersachsen gerade im letzten Jahr recht gegenteilige Erfahrungen während meiner Zugehörigkeit zum Niedersächsischen Landtag gemacht habe. Die Niedersächsische Regierung stand damals unter der Führung der SPD, die den Ausschlag gab. Ich darf Sie daran erinnern, daß im Herbst 1954 die damalige SPD-Regierung in Hannover den öffentlichen Anteil an der Bekämpfung der Rindertuberkulose nicht heraufgesetzt, sondern herabgesetzt hat.
Das ist jedenfalls ein Zeichen dafür, daß die SPD, wenn sie in der Regierungsverantwortung steht, nicht gerade geneigt ist, die Forderungen zu verwirklichen, wie sie in dem SPD-Antrag Umdruck 402 gestellt werden. Erst im Frühjahr 1955, als die SPD-Regierung und als ihr Thron in Niedersachsen etwas wackelte, hat man sich entschlossen, diese Verordnung, die den öffentlichen Anteil herabsetzte, wieder aufzuheben. Es war allerdings auch
für Wahlzwecke etwas zu spät.
Meine Damen und Herren, ich muß in diesem Zusammenhang auch auf einen anderen Zusammenhang zu sprechen kommen. Wenn ein Produkt, das der Konsument zu haben wünscht, in seiner Qualität verbessert wird und wenn zu dieser Verbesserung erhebliche private Aufwendungen in der Produktion gemacht werden müssen, wie es hier bei der Verbesserung der Qualität der Milch doch nachweislich der Fall ist, dann könnte man eigentlich erwarten, daß normalerweise diese Investition ihren Ausdruck auch in dem Preis für dieses Produkt fände. Eine solche Preisverbesserung bei Qualitätsverbesserung des Produktes, das zum Verkauf steht, wird in der gesamten übrigen Wirtschaft ohne weiteres honoriert. Wenn man z. B. einen Radioapparat wesentlich verbessern kann und wenn man dafür erhebliche Aufwendungen zu machen hat, dann wird der Kunde keine Einwendungen dagegen erheben, daß er dafür etwas mehr bezahlen muß. Wir in der Landwirtschaft sind es leider gewohnt, daß die Dinge, die in der sonstigen Wirtschaft selbstverständlich sind, in der Landwirtschaft bei der Preisgebundenheit unserer Produkte einfach nicht zum Zuge kommen. Wir beklagen uns darüber, und Sie werden Gelegenheit haben, bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes über diese Dinge noch Näheres zu hören.
Was mich in diesem Zusammenhang interessiert, ist dieses: Es war gerade der SPD-Fraktionsvorsitzende in Bremen, der einer Verordnung des Bremer Senats, welche den Milchpreis entsprechend den gestiegenen Produktionskosten etwas anzuheben wünschte, im Wege der Klage im vorigen Herbst widersprochen hat. Ich kann also nicht recht einsehen, wenn in meiner nächsten Nachbarschaft, in Niedersachsen und in Bremen, die in der Verantwortung stehenden Männer der SPD meinen, die Finanzierung der Rindertuberkulosebekämpfung auf diese negative Weise „fördern" zu müssen, daß unbedingter Ernst dahintersteht, wenn in diesem Augenblick hier ein solcher Antrag von der SPD gestellt wird.
Mich berührt es auch etwas eigentümlich, daß dieser Antrag auf demselben Bogen steht, auf dem gleichzeitig, wiederum ohne realisierbaren Dekkungsvorschlag, weitere 50 Millionen DM für die
Schulspeisung gefordert werden. Ich entsinne mich, daß ich eine etwa im gleichen Sinne gehaltene Rede der Frau Abgeordneten Strobel im vergangenen Jahre gehört habe. Hier sind wir uns wohl alle einig, wir alle sehen die Schulmilchspeisung gern, wir alle haben viel dafür übrig. Meine Vorrednerin war auch so freundlich, anzuerkennen, daß das gesamte Haus dieser Aufgabe mit viel Sympathie gegenübertritt. Ich entsinne mich aber nicht, daß ein solcher Antrag im Ernährungsausschuß durchgekommen wäre, und er ist von den der SPD angehörenden Mitgliedern des Haushaltsausschusses dort noch nicht einmal vorgetragen worden. Es überrascht mich, daß in diesem Augenblick im Plenum ein solcher Antrag vorgelegt wird, 50 Millionen einzusetzen, ohne daß irgendeine realisierbare Deckung benannt wird. Ich entsinne mich, daß im Jahre 1927 im Deutschen Reichstag, als die bekannten Panzerkreuzer A und B zur Debatte standen, auch von Ihrer Seite der Antrag gestellt wurde, daß an die Stelle dieser Panzerkreuzer besser Kinderspeisungen treten sollten. Nachher haben Sie aber den Panzerkreuzern zugestimmt, ohne Ihrerseits die Kinderspeisung durchzuführen.
— Diese kleine Reminiszenz — lesen Sie das ruhig einmal nach! — müssen Sie Ihrerseits nicht gleich so beantworten, als wenn sie nicht wahr wäre. Forschen Sie ruhig einmal in Ihrer Erinnerung nach; dann werden Sie schon finden, daß das richtig ist. Wir wollen uns jedoch nicht so sehr auf die Vergangenheit versteifen; die liegt nun schon weit zurück.
Ich glaube, daß die :Schulspeisung eine Angelegenheit der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der Länder ist.
— Ich habe bisher geglaubt, daß die Länder sehr viel Wert darauf legen, ihrerseits nicht vom Bund abhängig zu werden, sondern in Selbständigkeit ihr kulturelles und wirtschaftliches Leben zu gestalten,
und ich habe noch nicht gehört, daß sie durchaus Geldnehmer des Bundes sein möchten. Sie haben heute morgen bei Punkt 1 der Tagesordnung das Nötige darüber gehört.
Ich habe insgesamt den Eindruck, daß beide Anträge auf dem Umdruck 402 nützlich und vernünftig sind, daß aber die Deckung fehlt und daß deshalb die Realisierung dieser Wünsche auf große Schwierigkeiten stößt. Ich habe weiter den Eindruck, daß mit diesen Anträgen ein leichter Odeur von Agitation und Propaganda verbunden ist. Ich bitte deshalb, diese Anträge abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 402*) liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung dazu und komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 402 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 6.
Ich rufe auf den Änderungsantrag auf Umdruck 414. Meine Damen und Herren, machen Sie sich bitte die Mühe und lesen Sie den Umdruck 414 *). Er ist sachlich mit dem ursprünglichen Umdruck 414 identisch, aber etwas neu gefaßt. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrags auf Umdruck 414 (neu) das Wort gewünscht? — Die Frau Abgeordnete Dr. Jochmus hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Gegensatz zu dem Ihnen soeben vorgetragenen Anliegen handelt es sich hier um ein außerordentlich bescheidenes. Wie Sie sehen, geht es hier um 50 000 DM.
Ich möchte gleich einem eventuell aufkommenden Mißverständnis vorbeugen. Ohne mein Verschulden ist der Antrag etwas mißverständlich abgefaßt, so daß man annehmen könnte, es solle unter a 50 000 DM gefordert werden und unter b noch einmal. Unter b sollte lediglich die Erklärung über die Aufteilung der 50 000 DM gegeben werden, so daß zu lesen ist: wird der Ansatz um 50 000 DM erhöht, und zwar soll in den Erläuterungen . . . erhöht werden.
Es handelt sich außerdem um die Wiedereinsetzung von Mitteln, die bereits im Regierungsentwurf enthalten waren, die aber durch eine Umstellung bei Tit. 634 — Zuschüsse an ernährungswirtschaftliche Forschungseinrichtungen — im Haushaltsausschuß gestrichen worden sind. In den Erläuterungen unter II. 3 stand im Regierungsentwurf ein Posten von 100 000 DM für Gemeinschaftsforschung der deutschen Ernährungsindustrie. Dieser ist völlig gestrichen worden. Außerdem sind unter I. 7 20 000 DM für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gestrichen worden. Dafür hat der Haushaltsausschuß eine neue Position unter II. 3 eingeführt, wodurch 120 000 DM für eine ernährungswissenschaftliche Gemeinschaftsforschung zur Verfügung gestellt wurden. Dabei handelt es sich um die Gemeinschaftsarbeit verschiedener Universitätsprofessoren über Probleme der Vitamine und des Eiweiß in unserer Ernährung, also eine Angelegenheit, die wir durchaus begrüßen müssen und gegen die wir nichts einzuwenden haben.
Aber nun waren in den 100 000 DM für Gemeinschaftsforschung der deutschen Ernährungsindustrie 30 000 DM für einen mir ebenfalls sehr wichtig erscheinenden Forschungsauftrag enthalten, der uns in den Stand setzen soll, die Verwendung chemischer Mittel zur Verbesserung der Backfähigkeit des Mehls in Zukunft zu vermeiden Ich werde auf diesen Punkt später noch näher zurückkommen.
Neue Erkenntnisse, wie sie auf Grund solcher Forschungen erlangt werden, können ja nur eine Bedeutung und einen Sinn bekommen, wenn sie nicht bei den Forschern selbst hängenbleiben, sondern wenn sie weite Verbreitung in der Öffentlichkeit finden, wenn also die Bevölkerung in den Stand gesetzt wird, ihre Ernährung nach dem neuesten Stand der ernährungsphysiologischen Forschung einzurichten. Es erscheint mir geradezu paradox, wenn man nun auf der einen Seite die Mittel für die Forschung erhöht, auf der anderen Seite aber die Mittel für die Verbreitung der Forschungsergebnisse in der Öffentlichkeit, also für die Ernährungsberatung, beschneidet. Das ist geschehen mit der
*) Siehe Anlage 7.
Streichung der 20 000 DM für die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Diese Gesellschaft hat den Schwerpunkt ihrer Arbeit im Ernährungsberatungsdienst. Sie führt in erster Linie — neben anderen Dingen — theoretische und praktische Kurse durch, die von Diätassistentinnen geleitet werden und so die Erkenntnisse für eine gesunde und nach ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten zweckmäßige Ernährung an die Hausfrauen, an die Leiter von Gemeinschaftverpflegungsstätten wie Altersheime, Jugendheime, Schulheime usw. heranbringen, also breite Schichten der Verbraucherschaft direkt ansprechen. Wie groß das Bedürfnis nach einer derartigen Aufklärung über eine gesunde und zweckmäßige Ernährung ist, zeigt die große Nachfrage nach diesen Kursen, die in dem einen Jahr, in dem die Gesellschaft erst arbeitet, so gewachsen ist, daß sie die Nachfrage mit den heutigen Kräften nicht mehr bewältigen kann. Damit ist der Einwurf, daß die Aufklärungsarbeit derartiger Institutionen gar nicht wirklich nach unten an die Verbraucher herankomme, durchaus widerlegt. Sie kommt an. Wenn wir die Breitenwirkung, wie wir sie uns im Endeffekt erhoffen, noch nicht verspüren, so müssen wir bedenken, daß die Arbeit ja noch am Anfang steht. Gerade deshalb müssen wir uns um eine Ausweitung bemühen und die Mittel dafür bereitstellen. Denn eine gesunde und zweckmäßige Ernährung ist doch die Grundlage unserer deutschen Volksgesundheit.
Nun muß ich hier doch eine Lanze für unseren Herrn Ernährungsminister brechen. Er ist in der Tat sehr aufgeschlossen für die Fragen der gesunden Ernährung. Welche Bedeutung er der rechten Ernährung für ein Volk zumißt, hat er auf dem Brotkongreß in Hamburg vor etwa 14 Tagen zum Ausdruck gebracht, auf dem er sagte, ein Volk, das richtig ernährt sei, sei fröhlich, friedlich und freundschaftlich anderen Völkern gegenüber eingestellt. Er sieht also geradezu innen- und außenpolitische Auswirkungen in der richtigen Ernährung.
Aber bedenken Sie auch, wie viele unserer Zivilisationskrankheiten, nicht zuletzt auch die so weit verbreiteten Kreislaufstörungen, durch eine falsche, einseitige Ernährungsweise mit verursacht sind und wieviel Unheil und auch wieviel Kosten für unsere Sozialversicherung durch die Aufklärung über die richtige und zweckmäßige Ernährung, durch vorbeugende Maßnahmen also, vermieden werden können. Der Bund trägt die Mittel hierfür ja auch nicht allein, die Ernährungsindustrie beteiligt sich daran. Aber hier gerade müssen wir meines Erachtens vorsichtig sein. Wir dürfen die Beratung über die Ernährung für unsere Bevölkerung nicht unter den maßgeblichen Einfluß einer Industrie stellen. Auch nur der Anschein einer von speziellen Interessen gelenkten Aufklärung muß das Vertrauen in ihre Neutralität stören und den Erfolg gefährden. Deshalb ist es notwendig, daß ausreichende Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden. Ich bitte Sie also, in diesem Fall der Wiederherstellung der Regierungsvorlage zuzustimmen und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung die ungekürzten 100 000 DM, die in der Regierungsvorlage standen, wieder zuzubilligen.
Zur gesunden und naturgemäßen Ernährung soll aber auch der zweite Teil unseres Antrags, der noch einmal 30 000 DM verlangt, beitragen. Die Bäcker können aus dem Weizenmehl heute ein
Gebäck und ein Brot, das den Wünschen der Verbraucher hinsichtlich der lockeren und kleinporigen Beschaffenheit entspricht, nur herstellen, wenn chemische Zusätze in Anspruch genommen werden. Frau Kollegin Strobel hat vorhin schon darauf hingewiesen, welche Änderungen wir in unserem Lebensmittelrecht haben wollen, daß wir weg wollen von all diesen Zusätzen, daß wir naturreine und unverfälschte Nahrungsmittel haben wollen. Sicher, wir können zugeben, daß durch eine sensationelle Presse vielleicht eine allzu große Beunruhigung über Schädigungen durch solche chemische Zusätze in die Bevölkerung hineingetragen worden ist; aber wo auch nur der Verdacht einer Schädigung auftreten kann, müssen wir doch eingreifen. Ich selbst als Chemikerin muß dafür eintreten, daß die wertvollen Stoffe in unseren Nahrungsmitteln und speziell in unserem Getreide in einer unverfälschten und naturreinen Form an den Verbraucher herankommen. Auch in diesem Punkte ist unser Ernährungsminister für die Verbesserung und Reinhaltung unserer Nahrungsmittel durchaus aufgeschlossen. Gerade jetzt ist auf Grund der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erarbeiteten Unterlagen vom Ernährungsministerium und Innenministerium eine Verordnung fertiggestellt worden, die die Verwendung chemischer Stoffe als Zusatz zum Mehl nach Möglichkeit begrenzt. Aber im Augenblick können wir nicht ganz darauf verzichten. Unser Antrag soll nun gerade dazu führen, daß wir darauf verzichten und zu einem Verbot kommen können. Denn die neuen Erkenntnisse über das Eiweiß im Weizen und über seine Rolle beim Backvorgang machen es möglich, eine Methode auszuarbeiten, bei der durch einen einfachen mahltechnischen Vorgang das erreicht werden kann, was wir jetzt durch chemische Zusätze machen müssen. Es handelt sich also wirklich um eine förderungswürdige Angelegenheit, die auch die Müller erkennen, die sich an der Aufbringung der Mittel beteiligen wollen. Sie wollen aber nur dann mittun, wenn der Bund etwas gibt. Zunächst muß also einmal der Bund seine Bereitschaft erklären.
Wenn wir es nicht selbst tun, werden sich die Amerikaner mit dieser Angelegenheit befassen. Sie sind sehr daran interessiert. Können wir es verantworten, ein Verfahren, das den so lebhaften und berechtigten Wünschen unserer Verbraucher nach besserem und gesünderem Brot entgegenkommt, in das Ausland gehen zu lassen und es dort entwickeln zu lassen? Sollten wir nicht selbst unsere Forscher unterstützen und fördern?
Ich nehme an, Sie werden mit mir einig sein, daß wir es so handhaben müssen. Ich fordere Sie also auf, auch diese 30 000 DM zu gewähren und somit dem Antrag Umdruck 414 [neu], der von Vertretern aller Fraktionen unterzeichnet ist und unterstützt wird, den Tit. 634 um insgesamt 50 000 DM zu erhöhen, Ihre Zustimmung zu erteilen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zu dem Änderungsantrag 414 .
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 414 *) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
*) Siehe Anlage 7.
— Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 414 ist in zweiter Lesung angenommen.
Ich komme zu dem Änderungsantrag Umdruck 382*). Wird dazu das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter, zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Änderungsantrag Umdruck 382 vor. In diesem Änderungsantrag handelt es sich um die Förderung der Absatzwerbung für landwirtschaftliche und ernährungswirtschaftliche Erzeugnisse im Ausland, und zwar in einer ganz besonders wirksamen Form. Ich darf mir erlauben, einige Bemerkungen zur Begründung anzufügen. Die Absatzwerbung für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft im Ausland hat in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung erlangt. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat erfreulicherweise mit sichtbarem Erfolg, man darf sagen, guten Anteil an dieser Absatzwerbung auf Auslandsmessen, um so der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft Absatzmöglichkeiten auf dem Weltmarkt neu zu erschließen, bereits bestehende Verbindungen zu vertiefen und mit 'den konkurrierenden Länder in stetigem, für Deutschland nutzbringendem Wettbewerb zu bleiben.
Die ideale Form einer stetigen Absatzwerbung ist in der Errichtung landwirtschaftlicher Beispielsbetriebe im Ausland zu sehen, wie es uns auch das Ausland zeigt, wobei örtliche Gegegebenheiten hinsichtlich Boden, Klima, Verkehrslage, volkswirtschaftliche Notwendigkeiten und landwirtschaftliche Besitzgrößenverhältnisse zu berücksichtigen sind. Bei dieser Form der Auslandswerbung und der Absatzwerbung unter Verwendung aller für einen landwirtschaftlichen Betrieb notwendigen Betriebsmittel wie z. B. Vieh, Saatgut, Düngerund Pflanzenschutzmittel, Landmaschinen kommt es zunächst darauf an, die Wege zur Förderung der Landwirtschaft aufzuzeigen. Daraus ergeben sich dann die verschiedenartigen Möglichkeiten zur Ausweitung des deutschen Agrarexportes. Hierbei wird der ausländische Landwirt von der Brauchbarkeit der deutschen Betriebsmittel überzeugt. Junge Landwirte im Ausland erlernen die Landbaumethoden, werden damit zu ständigen Abnehmern deutscher Erzeugnisse und können mit ihren eigenen Betrieben der angestrebten Werbung dienen. Es wird ferner vermieden, daß ungeeignete Zuchtviehrassen, Saatgutsorten, Landmaschinen und andere Betriebsmittel exportiert werden, für die nicht die erforderlichen Voraussetzungen im Abnehmerland gegeben sind und die eine negative Propaganda zur Folge haben könnten.
Die bisher auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen im Ausland kurzfristig betriebene Absatzwerbung — wenn ich sie so nennen darf — wird eine erhebliche und sehr wirksame Ausdehnung erfahren können, wenn in der Gestalt von deutschen Demonstration- und Mustergütern eine Dauerwerbung betrieben werden könnte. Es hangelt sich dabei im wesentlichen — um es zu wiederholen — um die Ausfuhr von Saatgut, Zuchtvieh, Landmaschinen, Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln zur Verwendung in Groß- und Kleinbetrieben.
*) Siehe Anlage 4.
Aus diesem Grunde ist zunächst die Errichtung und Einrichtung eines solchen Demonstrationsbetriebes in der Türkei geplant. Die türkische Regierung ist bereit, den Betrieb, für den die Rechtsform einer Stiftung in Aussicht genommen ist, zoll- und devisenrechtlich sowie steuerlich zu begünstigen. Sie hat kostenlos einen 1000-ha-Betrieb ostwärts Istanbul angeboten. Die Betriebskalkulation, die durch einen Sachverständigen erstellt worden ist, benennt folgenden Bedarf an Investierungen für die Einrichtung: im ersten, zweiten und dritten Jahr je etwa 280 000 DM. Dazu sind für die Anlaufzeit von drei Jahren insgesamt weitere 760 000 DM für Bauten vorgesehen.
Verhandlungen mit deutschen Wirtschaftskreisen haben ergeben, daß von dieser Seite eine Beteiligung an 'den Kosten der Errichtung und Investierung dieses Betriebes in erheblichem Umfang, und zwar zu etwa 2/3, in Aussicht steht. Selbst wenn die Wirtschaft 'darüber hinaus den Bedarf voll zeichnen würde, sollte auf eine Geldbeteligung des Bundes nicht verzichtet werden, um den Einfluß des Bundes bei Vertretung der deutschen Belange gegenüber dem türkischen Staat und bei dem Streben nach Firmenneutralität innerhalb der beteiligten deutschen Wirtschaft zu sichern. Auch der Bund sollte im Hinblick auf die angeführten Gründe und im Hinblick auf die gegebene besonders wirkame Chance der Werbung für den Absatz der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft durch eine finanzielle Beteiligung sein Interesse bekunden und seinen Einfluß sichern. Hierfür werden für dieses Haushaltsjahr 150 000 DM für notwendig gehalten.
Es wird daher gebeten, dem vorliegenden Änderungsantrag zu Tit. 651, der von einer großen Anzahl von Abgeordneten fast aller Fraktionen unterzeichnet wurde, zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus zu dem Antrag auf Umdruck 382 zunächst auf die Tatsache aufmerksam machen, daß der Ansatz entgegen dem Entwurf des Haushaltsplans im Haushaltsausschuß bereits um 100 000 DM erhöht worden ist. Hier wird eine Neuausgabe von 300 000 DM zur Errichtung eines Demonstration- und Mustergutes in der Türkei gefordert. Dem widerspreche ich nicht — dazu bin ich gar nicht sachverständig genug —, aber ich habe bei einer Größenordnung von 300 000 DM für einen solchen Zweck doch das Empfinden, daß es zweckmäßig sein dürfte, die Dinge nicht so kurzerhand aus dem Ärmel zu schütteln, sondern zunächst die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß dies noch einmal geprüft wird. Ich halte es für richtig, daß auf Grund eines entsprechenden Vermerks im Haushaltsplan auch für den Fachausschuß die Möglichkeit eröffnet wird, sich noch einmal gründlich mit der Sache auseinanderzusetzen. Aus diesem Grunde erlaube ich mir, für den Fall der Bewilligung dieses Ansatzes den Antrag zu stellen, einen Sperrvermerk anzubringen.
Wird dazu das Wort gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wären mit der Anbringung eines Speervermerks einverstanden.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag zum Änderungsantrag auf Umdruck 382, also über den Antrag des Herrn Abgeordneten Ritzel, einen Sperrvermerk anzubringen. Wer diesem Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Ritzel zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Sperrvermerk ist beschlossen.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag auf Umdruck 382.*) Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste ist die Mehrheit; der Antrag ist mit dem Zusatz auf Grund des Antrags des Herrn Abgeordneten Ritzel angenommen.
Ich rufe auf Umdruck 433.**) Das Wort zur Begründung dieses Änderungsantrages hat der Herr Abgeordnete Friese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, den Antrag Umdruck 433 zu begründen. Wir möchten mit der Änderung der Erläuterung zu Tit. 956 Nr. 6 einen Kreis mit in die Förderungswürdigen des Wohnungsbaues in der Landwirtschaft hineinnehmen, der bisher hier nicht einbezogen war. Es hat sich in der Landwirtschaft in der Vergangenheit bemerkbar gemacht, daß die Landhandwerker — die unselbständigen sind hier gemeint — bisher nicht die Zinsverbilligungen, die in diesem Titel in Ansatz gebracht sind, für sich in Anspruch nehmen durften. So wie die Landwirtschaft unter dem Arbeitermangel leidet, leidet auch das Landhandwerk darunter. Wir wollen mit der Ergänzung dieses Titels erreichen, daß das Landhandwerk die größtenteils verheirateten Arbeitskräfte behalten kann, um damit die Aufträge der Landwirtschaft auch wirklich erledigen zu können. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten soll in den Erläuterungen zu der Durchführung festlegen, welcher Kreis der unselbständigen Landhandwerker in den Kreis der Förderungswürdigen mit einbezogen wird.
Ich bitte im Namen der Antragsteller, diesem Änderungsantrag Umdruck 433 zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das Wort hat der Herr Staatssekretär der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag abzulehnen, nicht wegen der finanziellen Bedeutung, sondern aus grundsätzlichen Erwägungen. Landhandwerker gehören doch wohl nicht in den Einzelplan 10. Und was den Handwerkern recht wäre, wäre vielleicht auch einer Anzahl von anderen Berufen, die auf dem Lande sitzen, billig. Ich glaube, das kann man nicht so schnell hier erledigen; das bedarf noch einmal einer gründlichen Prüfung.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 9.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Friese, Dr. Gleissner und Genossen auf Umdruck 433. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, bei der Besetzung des Hauses ist es nicht auszumachen. Ich muß Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 416.*) Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Diekmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit — denn soviel ich weiß, soll die Plenarsitzung gegen 15 Uhr beendet sein — will ich die Begründung zu dem Antrag Umdruck 416 möglichst konzentriert darbringen.
Für die Förderung der Küstenfischerei sind in den beiden Jahren 1952 und 1954 insgesamt 2 250 000 DM vorgesehen gewesen. In diesem Jahre finden Sie in dem Haushaltsplan 10 keinen Ansatz. Damit soll doch sicherlich nicht gesagt sein, daß die Küstenfischerei für die Zukunft nicht mehr förderungswürdig ist. In allen Zeiten sind für die Küstenfischerei Mittel ausgeworfen worden, und die allgemeine Situation ist nach dem Jahre 1945 bestimmt nicht besser geworden.
Viele Küstenfischer haben durch Kriegseinwirkung ihr Fahrzeug verloren. Heimatvertriebene Fischer aus den Ostprovinzen sind nach 1945 in die Küstengebiete Niedersachsens und Schleswig-Holsteins gekommen, um dort wieder eine Existenz zu gründen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß gerade das Land Schleswig-Holstein den größten Teil dieser Ostküstenfischer aufgenommen hat, daß aber leider die Ansetzungsmöglichkeiten nicht in wünschenswertem Maße vorhanden waren, weil die Fischgründe der westlichen Ostsee nicht ergiebig genug sind. In Niedersachsen mögen die Verhältnisse etwas günstiger gewesen sein. Im Lande Schleswig-Holstein mußte die damalige Landesregierung eine Strukturänderung des Kutterbaus einleiten, und zwar stärkere Fahrzeuge bauen, damit die heimatvertriebenen Fischer mit ihren Fahrzeugen auch entferntere Fischgründe aufsuchen konnten. Dem ist zu Hilfe gekommen, daß sowohl die amerikanische als auch die britische Besatzungsmacht ehemalige deutsche Marinefahrzeuge — Marinekutter — für diesen Zweck zur Verfügung gestellt haben. Heimatvertriebene Fischer konnten diese Fahrzeuge chartern. Die britische Militärregierung hat dann allerdings sehr bald diese Fahrzeuge zum Verkauf freigegeben, und bis zum Jahre 1952 haben dann sowohl die niedersächsische als auch die schleswig-holsteinische Regierung die Finanzierung für den Ankauf dieser Fahrzeuge vornehmen müssen, weil die Fischer nicht in der Lage waren, die Finanzierung aus eigenen Mitteln zu übernehmen.
In den Jahren 1952 und 1954 sind dann auch vom Bunde für diesen Zweck, also für die Anwerbung, Mittel zur Verfügung gestellt worden. Erst im
*) Siehe Anlage 8.
Jahre 1954, also im vorigen Jahre, hat die amerikanische Besatzungsmacht die ehemaligen Marinekutter zum Verkauf freigegeben. Die Fahrzeuge sind noch nicht alle angekauft worden; dafür werden zur Zeit noch Mittel benötigt. Aber nicht nur dafür sollen Mittel bereitgestellt werden. Die gesamten Fischkutter in beiden Küstengebieten, die bei ihrer Ausfahrt auf das Meer sehr stark in Anspruch genommen werden, müssen sich selbstverständlich laufend der Reparatur unterziehen, und dafür müssen Gelder zur Verfügung gestellt werden. Die beiden Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind leider nicht in der Lage, die gesamten Kosten dafür zu übernehmen; sie können den Fischern die für diesen Zweck erforderlichen Mittel nicht allein zur Verfügung stellen.
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat diese Situation durchaus erkannt und deshalb unter dem Tit. 530 auch in diesem Jahr Mittel in Höhe von etwa 2,75 Millionen DM vorgesehen. Ich darf nochmals darauf aufmerksam machen, daß es sich hier nicht etwa nur um die Reparaturbedürftigkeit der von mir soeben genannten ehemaligen Marinefahrzeuge handelt, sondern um das gesamte Reparaturprogramm der deutschen Küstenfischerei. Der Deutsche Fischereiverband hat ein Reparaturprogramm aufgestellt, das etwa 500 Fischkutter umfaßt und die Inanspruchnahme von Mitteln in Höhe von etwa 5 Millionen DM errechnet hat. Der Bundesrat hat ebenfalls empfohlen, etwa 1,5 Millionen DM für diesen Reparaturzweck anzusetzen. Jedoch steht der Bundesfinanzminister auf dem Standpunkt, daß eine Hergabe von Mitteln für diesen Zweck einzig und allein Sache der Länder sei.
Wir sind uns völlig darüber im klaren, daß es eine genaue Abgrenzung zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet nicht gibt. Aber aus dem Grundgesetz kann man doch wohl schließen, daß auch die Bundesregierung für die Küstenfischerei zuständig ist, denn in Art. 74 Ziffer 17 wird von dem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht gesprochen. Daraus darf doch wohl geschlußfolgert werden, daß sich der Bund unbedingt an der Finanzierung beteiligen muß. Wenn von seiten des Bundes Mittel nicht hergegeben werden — die beiden Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind durchaus nicht in der Lage, das ganze Finanzierungsprogramm zu übernehmen —, muß man leider damit rechnen, daß die Küstenfischerei für das kommende Jahr in keiner Weise sichergestellt ist. Ich brauche wohl nicht erst darauf aufmerksam zu machen, wie bedeutungsvoll die Küstenfischerei auch für die Ernährung des deutschen Volkes ist.
Ich darf Sie deshalb bitten, den Antrag, den wir gestellt haben, zu unterstützen.
Das Wort zum Umdruck 416 hat der Abgeordnete Giencke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte dem ,Herrn Kollegen Diekmann als Küstenbewohner nicht widersprechen, wenn er mit Umdruck 416 für die Küstenfischerei 1,5 Millionen DM fordert, sondern bloß darauf hinweisen, daß es vielleicht noch einen anderen Weg gibt, denselben Effekt zu erzielen. Ich mache diesen Hinweis nur für den Fall, daß das Hohe Haus den Betrag von 1,5 Millionen DM nicht bewilligen will. Ich möchte auf den Tit. 956 verweisen. Mit einer ganz geringen Änderung der Erläuterungen in der Ziffer 7 könnte man einen Effekt erzielen, mit dem der Küstenfischerei erheblich gedient wäre. Wenn man in der Ziffer 7 sagen würde:
Wiederaufbau der Flotte der Seefischerei ,
wäre einiges getan. Ich möchte hinzufügen, daß Neubauten von Fischkuttern wegen der hohen Baukosten auch bei Zinsverbilligungen kaum zu erwarten sind; für den Neubau würde der hier vorgesehene Teilbetrag nicht ausreichen und der erstrebte Zweck, die dringend notwendige Modernisierung der Flotte durchzuführen, nicht erreicht. Jedoch ist diese Modernisierung durch zinsverbilligten U m b au von ausgewählten Fahrzeugen, insbesondere von Fischkuttern, in rationeller Weise durchführbar.
Ich habe hierzu keinen Antrag gestellt. Meine Ausführungen sind ja aus dem Protokoll ersichtlich, und ich möchte die Regierung bitten, sich dem Gedanken nicht zu verschließen.
Wird zum Umdruck 416 noch das Wort gewünscht? — Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, den Antrag 416 abzulehnen, dagegen im Sinne der Ausführungen des Herrn Giencke vorzugehen. Gegen eine Änderung der Zweckbestimmung würden Bedenken nicht erhoben werden. Ich glaube, das ist ein Ausweg, der in der Richtung dessen liegt, was der Antrag des Herrn Abgeordneten Diekmann im ganzen bezweckt.
Wird noch das Wort hierzu gewünscht? — Dann darf ich über den Umdruck 416*), Änderungsantrag der Fraktion der SPD, abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
— Das Wort hat Herr Dr. Vogel.
Ich glaube Ihr Einverständnis damit voraussetzen zu können, daß wir dem Wunsch später noch in Form einer Änderung der Erläuterungen entsprechen, so daß der Antrag mittelbar doch zum Zuge kommt.
Ein entsprechender Antrag muß dann noch schriftlich vorgelegt werden.
— Jawohl, bei der dritten Lesung.
Wir kommen zu Umdruck 398.*) Das Wort hat der Herr Bundesminister.
Herr Präsident! Meine
*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 5.
sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zu diesem Antrag darauf hinweisen, daß sich der Herr Bundesfinanzminister bereit erklärt hat, falls Siedlungsmittel im laufenden Rechnungsjahr fehlen, sie im Vorgriff auf das nächste Jahr zu zahlen. Es ist vielleicht in diesem Fall möglich, den Antrag zurückzuziehen.
Auf Grund Ihrer Erklärung ziehe ich den Antrag zurück. Nach der Erklärung, die der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten soeben abgegeben hat, habe ich die Gewähr, daß die notwendigen Mittel für die Durchführung des Siedlungsprogramms 1955/56 zur Verfügung stehen werden. Ich habe aber die Bitte, daß vielleicht jetzt bei den vorbereitenden Arbeiten für die Zusammenstellung des Etats 1956/57 endlich einmal diese Mittel, die ja laut Gesetz vorgesehen sind, in den ordentlichen Etat eingearbeitet werden.
— Ich ziehe ihn zurück.
Der Antrag ist damit zurückgezogen.
Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht die Gelegenheit dieser Klarstellung benutzen, auf eine Anfrage von Frau Kollegin Strobel wegen des Umbaus des Lebensmittelgesetzes einzugehen. Ich habe diese Antwort wegen der Fertigstellung des neuen Lebensmittelgesetzes, das in einem Jahr fertiggestellt sein soll, nicht gegeben, ich kann mich jedenfalls — —
— Das Innenministerium, es ist möglich. Ich glaube aber, daß der Umfang der Prüfung der wissenschaftlichen Tatbestände, die auf diesem Gebiet noch vorzunehmen ist, so groß ist, daß ich persönlich den Zeitraum etwas länger schätze. Vielleicht sind die vom Bundesinnenministerium vorgesehenen Änderungen noch nicht in vollem Umfang mit uns beraten. Ich nehme also an, daß wir uns hinsichtlich der Zeit keinem Optimismus hingeben dürfen. Es geschieht während der Zeit, was notwendig ist.
Wir haben mit dem Bundesinnenministerium seit länger als einem Jahr eine Unterhaltung darüber, wie wir die Beimischung von chemischen Bestandteilen zum Mehl insgesamt verbieten sollen, um damit gleichzeitig gewissermaßen eine Brotbereinigung herbeizuführen. Bis jetzt ist eine Einigung dahin zustande gekommen, daß außer Bromat, wo schädliche Wirkungen bisher von keinem einzigen wissenschaftlichen Institut festgestellt werden konnten, sämtliche übrigen Beimischungen chemischen Ursprungs verboten werden sollen. Die Verordnung ist in ihrem Text vom Innenministerium bereits festgestellt und wird voraussichtlich in diesem Sommer ergehen.
Zu der Frage der Schulmilchspeisung muß ich mich noch eines Auftrags entledigen. Wir hatten voriges Jahr eine Entschließung gefaßt, die Frau Kollegin Strobel auch angeführt hat, wonach die Regierung versuchen sollte, mit den Ländern und den Gemeinden klarzustellen, welche Mittel zum Zwecke der Schulmilchspeisung zur Verfügung gestellt werden könnten. Ich habe am 31. Mai 1954 an die Minister der Länder und die Senatoren der Städte eine Anfrage geschickt und habe an Antworten eigentlich nicht so viel bekommen, daß ich das Material zu einer Antwort an den Bundestag auswerten könnte. Die Antworten sind so verschiedenartig ausgefallen, daß ich Ihnen gerade die wichtigsten Fragen, was bisher von den Ländern und Gemeinden für die Schulmilchspeisung finanziell aufgewandt wird, welche Art der Schulmilchspeisung für die beste gehalten wird und in welcher Art sich die die Schulmilchspeisung in Zukunft aufbauen soll, noch nicht beantworten kann. Die Arbeiten müssen weiterlaufen, und erst in einigen Monaten wird eine Antwort möglich sein.
Wir haben bisher festgestellt, daß 6,5 Millionen Schulkinder da sind, von denen sich nach den Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen höchstens 60% an dem Schulmilchverzehr beteiligen würden. Damit würde eine Schulkinderzahl von etwa 4 Millionen in Frage kommen. Diese Kinder würden bei einem Viertelliter an 200 Schultagen 200 Millionen Liter jährlich verzehren. Das würde, wenn man die sozial schwachen Schichten mit etwa einer Million Schulkindern ausklammerte und vom Bund allein die Mittel bereitstellte, 24 Millionen DM kosten. Wenn man darüber hinaus auch bei den übrigen eine Verbilligung um 2 % vorsähe, würde das 36 Millionen DM kosten. Würde man die gesamte Schulmilchspeisung um 6 Pf pro Liter verbilligen, so würde es 48 Millionen DM kosten. Es kommen als Träger der finanziellen Belastung zunächst die Gemeinden in Frage, neben den Gemeinden das Land und dann eventuell erst der Bund.
Man müßte also erst einmal eine völlige Einigung zwischen Gemeinden, Ländern und dem Bund vorschalten, um eine Grundlage zu finden, auf der man einen wirklich hieb- und stichfesten Antrag aufbauen könnte.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache über den Einzelplan 10 hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich eine Bemerkung zu Herrn Kollegen Dr. Conring machen. Herr Kollege Dr. Conring, Sie haben die Verhältnisse etwas schief dargestellt. Allein die Tatsache, daß Niedersachsen den größten Prozentsatz an Tbc-freien Beständen hat, muß Ihnen doch schon ein Beweis dafür sein, daß das Land und seine frühere Regierung in dieser Frage wirklich etwas getan haben.
In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit möchte ich auf die Fragen der Marktordnung und des Preisgefüges heute nicht eingehen, obwohl es außerordentlich interessant wäre, z. B. allein zum Thema der Roggenlieferprämie zu reden. Aber ich nehme an, das wird im nächsten Jahr das heiße Eisen sein, und wir können uns dann im nächsten Jahr darüber unterhalten. Ich möchte mich auf
einige Fragen beschränken, die in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers am 20. Oktober 1953 eine wesentliche Rolle gespielt haben. Inzwischen sind fast zwei Jahre vergangen, und es dürfte interessant sein, einmal die Frage zu untersuchen, was bisher in den Grundsatzfragen, in den Kernfragen — Änderungen der Agrarstruktur usw. — herausgekommen ist.
Dieses Programm hat ja in der Öffentlichkeit den Namen „Lübke-Programm" bekommen. Das, was in diesem Programm enthalten ist, ist an sich nichts Neues; es sind seit Jahrzehnten bekannte Forderungen. Allein die Tatsache, daß es ein Minister gewagt hat, diese langfristigen Aufgaben zumindest anzusprechen und auf die Hörner zu nehmen, hat eben in der Öffentlichkeit ein so großes Aufsehen erregt. Die Resonanz war außerordentlich günstig. Sowohl in der Presse wie auch bei anderen Berufsgruppen fand man allgemeine Zustimmung, und wenn man sich die Zeit von 1953/54 vergegenwärtigt, mußte man feststellen, daß der Bundesernährungsminister in der Tat eine gewaltige Position hatte.
Bedauerlich ist allerdings, daß die landwirtschaftlichen Berufsverbände sich dabei sehr reserviert gehalten haben. Zumindest haben sie es bis heute — das kann man wohl sagen - an einer aktiven Mitarbeit fehlen lassen. Mit dieser Haltung der Berufsverbände konnte natürlich der Keim nicht zu einer Pflanze werden, und was wir heute haben, ist ein kleines Pflänzlein.
Unser Verhalten hier im Plenum wie auch im Ausschuß ist immer klar gewesen. Wir haben versucht, dabei ernsthaft mitzuarbeiten und alles zu tun, damit dieses Grundsatzprogramm vorwärts kommt. Sie wissen auch — wenn Sie sich die Regierungserklärung und die Erklärung meines Fraktionsvorsitzenden Ollenhauer vom 28. Oktober 1953 noch einmal durchlesen —, daß wir uns in dieser Frage im großen und ganzen einig waren.
Gestatten Sie mir nunmehr, zu den einzelnen Punkten einige Bemerkungen zu machen, weil mir das heute, nach zwei Jahren Tätigkeit der Regierung, notwendig erscheint.
Da wäre Thema 1: die Flurbereinigung. Wir erkennen an, daß dieses Gebiet schon dadurch eine Anerkennung gefunden hat, daß man aus dem ursprünglichen Etatansatz von einer Million 60 Millionen DM gemacht hat. Das begrüßen wir. Wie Sie wissen, hat meine Fraktion seit Jahren auch schon um einen höheren Betrag gekämpft.
Im vorliegenden Etatansatz ist allerdings der Betrag von 65 auf 60 Millionen DM reduziert worden. Wir bedauern diese Streichung.
Wir bedauern sie um so mehr, als diese Kürzung auf Vorschlag des Landwirtschaftsministers erfolgt ist. Das ist uns vollkommen unverständlich, und ich frage mich, ob das als ein Zeichen allgemeiner Nachgiebigkeit zu betrachten ist. Wir hätten erwartet, daß der Landwirtschaftsminister gerade um diese Position mit allen Kräften kämpft.
Daß man diese 65 Millionen DM, Herr Kollege Dr. Conring, nicht verkraften kann, davon kann überhaupt keine Rede sein, wenn Sie etwas davon wissen, wie die Dinge draußen liegen, und wenn Sie wissen würden, daß mit diesem Problem eine andere Frage eng in Zusammenhang steht: die Auflockerung der Dörfer. Wir wissen, daß die ganze Flurbereinigung gerade im südwestdeutschen Raum wirkungslos ist, wenn damit nicht eine Auflockerung der Dörfer Hand in Hand geht, und das kostet Geld, Herr Kollege Conring. Ich meine, 65 Millionen DM since nicht genug.
Die bisherigen Anfänge bei der Aussiedlung und der Auflockerung der Dörfer erscheinen uns ungenügend. Wir meinen, das sind Halbheiten. Natürlich gibt es bei der Aussiedlung und der Auflockerung der Dörfer Widerstände; sie liegen einmal in der Bürokratie, zum andern im Bauerntum selber. Ich bedaure auch, daß die Berufsverbände sich nicht aktiv mit aller Kraft für diese Auflockerung einsetzen. Jedenfalls hat man bisher noch nichts davon gespürt. Aber wenn dem so ist, daß man eben draußen so viel Widerstände hat, dann hätte man zumindest die Aufgabe, hier von Bonn aus, von der Zentrale aus, die geistige Vorbereitung zu treffen und die Kräfte draußen zu mobilisieren und zu koordinieren. Ich bin überzeugt, bei dieser Aufgabe würde man bestimmt nicht auf den Widerstand der Länder stoßen. Aber das kann man eben nicht mit drei oder vier Beamten in einer Abteilung eines so großen Ministeriums machen. Ich habe mit dem Herrn Bundesminister bereits einen Briefwechsel darüber geführt und habe ihm meine diesbezüglichen Sorgen mitgeteilt. Ich bedauere die Feststellung, die er getroffen hat, nämlich daß eine Erweiterung dieser Abteilung einfach nicht möglich sei.
Ich habe noch einen anderen Grund dafür. Wir müssen doch daran interessiert sein, daß diese Millionenbeträge so effektiv wie nur möglich eingesetzt werden. Wir sind auch daran interessiert, ein schnelleres Verfahren zu entwickeln. Wir haben unsere Bemühungen darum, Herr Minister, noch nicht eingestellt. Wenn wir das Verfahren nicht rationeller und schneller gestalten, dann diskutieren wir hier in diesem Hause — vielleicht nicht in Bonn, aber vielleicht in Berlin — noch in 30 Jahren über dasselbe Thema.
Zum Abschluß dieses Kapitels darf ich mir eine Frage an den Herrn Landwirtschaftsminister erlauben. Herr Minister, wir haben damals bei der Beschlußfassung über das Flurbereinigungsgesetz eine Entschließung gefaßt, die der Bundesrat eingebracht hatte und der wir uns hier im Bundestage angeschlossen haben. Da war von Folgegesetzen die Rede. Inzwischen sind seit der Flurbereinigungs-Gesetzgebung drei Jahre verstrichen, und ich hätte die Frage, wann wir mit der Folgegesetzgebung rechnen können. Die Zeit drängt, und ich meine, es könnte manches wieder kaputtgeschlagen werden, wenn nicht die Folgegesetze hier eingebracht werden.
Der zweite Punkt in dem großen Strukturprogramm behandelt die Fragen der Siedlung, insbesondere die Frage der Aufstockung der kleinen, nicht lebensfähigen Betriebe. Wir sind uns sicherlich alle darin einig, daß das eine staatspolitische Aufgabe ist. Wir können die Diskussionen, die in der letzten Zeit in der Presse über die Frage entstanden sind, ob Siedlung überhaupt rentabel — volkswirtschaftlich rentabel — ist, außer acht lassen, weil wir — ich glaube, das kann ich wohl sagen — allesamt der Meinung sind, der volkswirtschaftliche unid der gesellschaftliche Nutzen dieser' Arbeit ist so groß, daß man trotz der Höhe der
Mittel ein glattes Ja ausprechen kann. Meine Fraktion hat auch, das wissen Sie, nie Zweifel darüber gelassen, und wir haben uns immer bereiterklärt, bei der Bereitstellung solcher Mittel mitzuwirken und mitzustimmen.
Auch auf diesem Gebiet können wir mit Freude verzeichnen, daß die Beträge im Haushalt seit 1953 gestiegen sind. Wir haben heute 95 Millionen DM für Zuschüsse und Darlehen für diese Aufgabe bereitstehen.
Ich will jetzt nicht über alle Einzelheiten, über Siedlungsfragen an sich reden, möchte mich aber mit einigen Entwicklungstendenzen befassen — etwas näher befassen —, und ich bitte von vornherein um Verständnis dafür, weil hier einige Dinge heranreifen, die wir nicht länger aufschieben können und die wir schnell erledigen sollten.
Man hört, wenn man mit Menschen spricht, die mit der Siedlung und all diesen Fragen zu tun haben, in den letzten Jahren sehr viel Sorgen. Auch auf der Tagung der Agrarsozialen Gesellschaft in Bad Cannstatt wurden derartige Sorgen laufend geäußert.
Die erste Sorge ist, Herr Minister: Gibt es keine Möglichkeit, in der Frage der Bodenpolitik einige Initiativen zu ergreifen? Die Bodenpolitik ist das Fundament Ihres ganzen Strukturprogramms, insbesondere der Aufstockung für die landwirtschaftlichen Kleinbetriebe; und wenn die Aufstockung bisher noch so zaghaft vorangeht, dann ist das eine Ursache davon, daß eben nach unserer Auffassung in der Bodenpolitik keine klare Sprache geführt wird.
Hierzu gehört nicht nur die Frage ides Vorkaufsrechts. Sie wissen, daß das Vorkaufsrecht nach idem Reichssiedlungsgesetz kaum zu handhaben ist und daß es notwendig wäre, das Vorkaufsrecht irgendwie im Sinne des großen Zieles neu zu regeln.
Dann gehört noch etwas anderes dazu. Im Grundstücksverkehr wäre eine gesetzliche Regelung dringend notwendig. Ich weiß, es ist ein außerordentlich schwieriges Gebiet, ich weiß, daß da mit den Ländern und auch mit den Verbänden sehr viel Streit herrscht, und ich weiß, weshalb. In Ihrem Hause hat es bereits mehrere Referentenentwürfe gegeben. Auch jetzt, im Jahre 1955, gibt es einen. Aber es wäre an der Zeit, und wir können nicht mehr aus lauter Höflichkeit schweigen. Wir fragen ganz offiziell: Herr Minister, wann werden Sie in der Lage sein, in dieser Frage einen Gesetzentwurf einzubringen?
Bei der Bodenfrage darf ich noch ein anderes Thema, das dazugehört, ganz kurz streifen. Sie wissen, daß wir für die Ostvertriebenen, für die Pächtervertriebenen, für den Straßenbau, für den Wohnungsbau, für die Industrie kaum den Landbedarf erfüllen können. Hinzukommt noch der Landbedarf für Verteidigungszwecke. Man spricht von 120 000 Hektar, man spricht neuerdings von 220 000 Hektar. Ich kann nun leider dazu keinen Kommentar geben, ich habe im zweiten Weltkrieg nur die militärische Stufe eines Gefreiten erreicht, kann mir also kein Urteil erlauben, ob diese 220 000 Hektar für die Verteidigung effektiv notwendig sind. Es wird größtenteils Bauernland sein. Immerhin hat es doch interessiert - und es hat auch in der Öffentlichkeit einigen Staub aufgewirbelt —, daß Herr Blank, der heutige Verteidigungsminister, bei der Landbeschlagnahme, zumindest in früherer Zeit, sehr eigenartige Methoden angewendet hat; denn wenn es nicht so schlimm gewesen wäre, hätte es bestimmt der Busenfreund des Herrn Bundeskanzlers, Herr Dr. Hermes, der Ehrenpräsident Ides Bauernverbandes, nicht nötig gehabt, einen solchen Bief zu schreiben. Es muß also ziemlich schlimm gewesen sein. Anscheinend hat Herr Blank, der Herr Verteidigungsminister, vergessen, was der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung in dieser Beziehung gesagt hat. Ich darf vielleicht einige Zeilen daraus vorlesen. Er hat gesagt,
daß eine zwangsweise Inanspruchnahme von Land nur auf Grund der in der Verfassung verankerten Rechte möglich ist. Der Art. 14 des Grundgesetzes, der das Eigentum garantiert, wird voll beachtet.
Dias wollte ich nur noch einmal zum Ausdruck bringen.
Ich hätte aber die weitere Frage an das Ernährungsministerium, was mit den Bauern geschehen soll, wenn diese 220 000 ha in Anspruch genommen werden. Denkt man an die Neugründung, sagen wir, einer Bundesumsiedlungsgesellschaft entsprechend der früheren Reichsumsiedlungsgesellschaft, und was hält man von der Rangfolge in der Siedlung? Dias nur nebenbei.
Es wäre weiterhin wünschenswert, daß in der Siedlungsgesetzgebung endlich einmal über den Begriff der Siedlung Klarheit geschaffen wird. Alle Länder bringen Ergänzungsgesetze, und es herrscht ein so großes Durcheinander auf dem Gebiet, daß die Frage berechtigt ist, ob es nicht notwendig wäre, auf Bundesebene diesen Begriff im Sinne des Strukturprogramms neu zu fassen.
Nun noch ein Wort zur Siedlungsfinanzierung. Wir sind sicher im ganzen Bundestag daran interessiert, daß die Mittel, diese 95 Millionen zur Zeit, so effektiv wie nur möglich eingesetzt werden. Aber wenn ich mir die Bauten ansehe: die Siedlungsbauten, die Wirtschaftsgebäude auf den Siedlerhöfen, so kann ich nur sagen, daß von einer Hofrationalisierung kaum die Rede sein kann. Wir haben mit dem Ernährungsausschuß vor einigen Tagen eine Reise durch das Emsland gemacht und haben dabei auch einige Siedlungshöfe besichtigt. Ich muß schon sagen: ich fand diese Gebäude schrecklich unmodern, und ich meine, es sind kaum Verbesserungen gegenüber den Siedlungsbauten der Jahre um 1930. Natürlich wird der Bauer, der dort einzieht und der meistens aus einer elenden Kate kommt, das als Fortschritt ansehen. Aber wenn man die Mittel in der Hand hat, Herr Minister — und das ist mein Anliegen —, wenn man also hier einen gewissen Druck ausüben kann, dann sollte man zumindest dafür sorgen, daß in diesen Bauten auf den höchstmöglichen Grad der Rationalisierung geachtet wird.
Ich könnte mir vorstellen, daß man dann auch die heute so teuren Gebäude wesentlich — ich sage noch einmal: wesentlich — billiger erstellt. Aber das Bedauerliche ist — und ich muß diesen Eindruck hier wiedergeben —, daß auch in Ihrem Hause in dieser Frage etwas eigenartige Ansichten bestehen.
Was noch interessanter sein dürfte, ist die Verteilung der Siedlungsmittel. Wenn Sie einmal von Töpfchenwirtschaft etwas hören wollen, dann müssen Sie in den Bereich der Siedlung gehen. Neulich hat ein Sachverständiger in einem Vortrag in einem engeren Kreise bekanntgegeben, daß man heute auf dem Gebiet der Siedlung allein 18 Kreditsorten, meistens mit verschiedenen Tilgungs- und Zinssätzen, habe, und ich bedaure immer wieder den armen Siedler, der sich mit diesen Dingen — meistens hat er ja sechs oder sieben verschiedene Kreditsorten — dann zurechtfinden muß, wenn er Tilgungs- und Zinsraten zahlen soll. Es herrscht also ein hoffnungsloses Durcheinander, und es wäre an der Zeit, auch unter dem Druck dieser Mittel, hier einmal Ordnung zu schaffen. Vorschläge von Siedlungsfachleuten gibt es genug. Man braucht sie nur aufzugreifen; sie liegen fast auf der Straße.
Auf die weiteren Fragen will ich nicht näher eingehen, aber ich muß sie zumindest andeuten. Da wäre einmal die Verwaltung der Siedlungsmittel. Zweitens ist die Frage der Ordnung der Aufgaben zwischen Siedlungsbank, Landesrentenbank und den Regionalinstituten zu erwähnen. Drittens ergibt sich die Frage der Organisation und die Frage der Ordnung der beiden Zentralinstitute Deutsche Siedlungsbank und Deutsche Landesrentenbank. Ich darf in diesem Zusammenhang an das Finanzministerium appellieren. Sie könnten in diesen Tagen, ich möchte fast sagen, Siedlungsgeschichte machen, wenn Sie sich einmal der Dinge annähmen. Gerade in diesen Tagen fällt eine Entscheidung. Ich bin gern bereit, nachher dem Herrn Finanzminister zu sagen, was ich damit meine. Jedenfalls gibt es gerade jetzt eine Gelegenheit, hier Ordnung zu schaffen .
Dann die Frage, die ich noch erwähnen will, die Frage des Rechtszustandes in den Grundlagen dieser beiden zentralen Siedlungsbanken. Wir haben dort einen Zustand, der unserem heutigen demokratischen Staatswesen einfach nicht mehr gerecht wird.
Endlich die Frage der Emissionen der Deutschen Landesrentenbank und ihrer Deckung. Dazu zwei Sätze. Wenn man den Haushalt — und daran dürfte der Herr Finanzminister interessiert sein — entlasten will, muß man den Kapitalmarkt durch Ausgabe von Pfandbriefen zur Siedlungsfinanzierung heranziehen, genau so wie das früher geschehen ist. Nun hängt das aber natürlich im wesentlichen von den Eigenmitteln der Deutschen Landesrentenbank ab, und ich bedaure sehr, daß der Herr Landwirtschaftsminister bei den Beratungen des Haushalts im Haushaltsausschuß freiwillig auf die Hälfte der dafür eingesetzten Mittel verzichtet hat. Das ist mir absolut unverständlich, und ich meine, es sollte zumindest dann unser Bemühen sein — und Herr Minister, ich appelliere auch an Sie —, im nächsten Jahre dafür zu sorgen, daß das nachgeholt wird. Alles in allem, im Rahmen der Siedlung ist die Zeit also reif für die Lösung der angeschnittenen Fragen, und ich hoffe, daß die Initiative in dieser Richtung bald ergriffen werden wird.
Nun noch einige ganz kurze Bemerkungen zu den Fragen der Wasserwirtschaft und der landeskulturellen Maßnahmen. Ich habe mich auch gefreut, daß die Mittel für die Wasserwirtschaft um einen wesentlichen Teil erhöht worden sind, gerade für den Küstenplan. Jeder wird das im Hause begrüßen. Aber mir ist anläßlich der Bereisung des Emslandes ein Gedanke gekommen, wie auch diese Mittel so rationell wie nur möglich eingesetzt werden können. Ich möchte den Gedanken nur einmal in die Debatte werfen, ob es nicht möglich wäre, eine ähnliche Organisation zu schaffen, wie man sie im Emsland hat, um eben auch in der Durchsetzung den Erfolg der Mittel zu schaffen.
Man wird nicht Gleiches schaffen können, aber etwas Ähnliches. Dann schaltet man zumindest die ganzen Kompetenzen aus. Auch hier gilt das, was ich vorhin sagte: Wer das Geld hat, der kann einige Schwierigkeiten leichter überwinden, als wenn er dauernd betteln gehen muß.
Nun noch ein Wort zum Emsland. Diese 25 Millionen DM sind wirklich angebracht. Ich kann alle Kritiker beruhigen. Ich gehöre selbst dazu. Anläßlich der Reise haben wir feststellen können, daß dort eindrucksvolle Leistungen vollbracht worden sind, nicht nur was die Erschließung angeht, sondern auch was die Kultivierung, was die Siedlung und die andere wirtschaftliche Entwicklung angeht. Vielleicht sollte man sich überlegen — und das darf ich auch als Gedanken hier in die Debatte werfen —, ob man nicht im nächsten Jahre einige Mittel mehr dort hineinsteckt; denn man kann noch einiges mehr verkraften, um dann später schneller diesen ganzen Plan abzuschließen.
Gestatten Sie mir dann noch einige Ausführungen zu den eigentlichen Fragen der Landwirtschaft, speziell zu den Fragen der Betriebsorganisation, der Produktion und der Betriebswirtschaft. Ich will dabei nur drei Themen ansprechen: die Fragen der Technik, die Fragen der Zinsverbilligung, die Fragen der Beratung und der Forschung.
Was die Fragen der Produktion angeht, so haben wir ja auch in diesem Haushalt einige erhebliche Mehrbeträge stehen. Ich denke an die Treibstoffverbilligung — ein Satz von 45 Millionen DM -
nach dem Verkehrsfinanzgesetz. Wir haben seit Jahren darum gekämpft. Aber ich möchte nicht die Tatsache außer acht lassen, daß das umliegende Ausland immer noch wesentlich niedrigere Treibstoffpreise hat.
In Tit. 616 werfen wir 1,4 Millionen DM für drei Dinge aus, einmal für die Förderung der Landmaschinenprüfung und zum anderen für zwei technische Organisationen. Der Betrag ist an sich nicht bedeutend, so daß man nicht näher darauf einzugehen brauchte. Aber es sind dabei einige interessante Dinge zu erwähnen, und deshalb spreche ich sie hier an. Die Landmaschinenprüfung — das ist unser aller Anliegen — sollte in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium für Technik in der Landwirtschaft, KTL genannt, der DLG und den Instituten in Völkenrode verbessert werden. Die Sache ist zu begrüßen, weil darin wirklich ein Nachholbedarf besteht. Alle sind daran interessiert, daß das in Ordnung geht. Dennoch habe ich einige Anmerkungen zu machen. In den Erläuterungen zu diesem Titel wird unter c und d gesagt, daß die Prüfung den Zweck hat, die Ausfuhrbestrebungen zu erleichtern und „bei Neukonstruktionen die volkswirtschaftliche Wichtigkeit im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der Erfinder festzustellen". Das mag in der Sache richtig sein, aber ich meine, es ist nicht Hauptaufgabe der Prüfung, es kann nur Nebenzweck sein. Wir sollten diese Bestimmung streichen, zumindest im nächsten Jahre
streichen; denn sonst könnte sich die Institution daraus neue Aufgaben herleiten, und daran sind wir doch nicht interssiert.
Eine zweite Bemerkung! Das Prüfungssystem der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, der DLG, reichte zwar für die früheren Prüfungen aus, kann aber niemals für den Zweck ausreichen, den wir wollen. Man muß den Mut haben, die Prüfungsergebnisse klarer und deutlicher zu machen. Sie dürfen nicht so verschwommen sein, wie sie bisher sind.
Eine dritte Bemerkung dazu! Der personelle Aufbau dieser Prüfungsanstalten scheint die Gefahr in sich zu bergen, daß die bäuerlichen Interessen dabei zu kurz kommen. Ich bin bereit, dem Herrn Minister nachher auch darüber einiges zu sagen; hier würde das zu weit führen und gehört auch nicht hierher. Ich sehe in dem personellen Aufbau die Gefahr, daß die eigentlichen bäuerlichen Interessen bei dieser Prüfung zu kurz kommen.
Eine vierte Bemerkung! Ich suche einen Weg — wir müssen ihn vielleicht alle erst suchen und finden —, wie man die Prüfungsergebnisse für alle Bauern, sagen wir, greifbar machen kann; denn sonst könnte ich mir vorstellen, daß sie nach wie vor die schlechten Maschinen kaufen.
Nun eine Bemerkung zu den zwei technischen Einrichtungen, dem KTL, dem Kuratorium für Technik in der Landwirtschaft, und der ALB, der Arbeitsgemeinschaft für ländliches Bauwesen. Beide Institutionen bekommen fast ausschließlich Bundesmittel, aber bei beiden Etats ist auffallend, daß die Personalkosten gegenüber den sachlichen Ausgaben zu hoch sind. Nach unserer Auffassung sollten diese beiden Stellen doch die Aufgabe haben, die technischen Fortschritte auszuwerten, zu koordiniern und nach außen hin sozusagen wieder auszustrahlen. Ich könnte mir lebhaft vorstellen, daß man das ganze Verfahren wirkungsvoller machen kann. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, daß in beiden Organisationen ein ganz bestimmter Kreis, der sich auf Grund der Statuten nur selber ergänzen kann, eine ganz bestimmte Richtung vertritt, nach meiner Auffassung eine großbäuerliche Richtung. Die Aufgabe ist, auch das bäuerliche Element dort mehr zum Zuge kommen' zu lassen, als es bisher der Fall ist. Vielleicht wäre eine weitere Aufgabe, sich einmal die Satzungen dieser beiden Organisationen anzusehen, damit die Mitarbeit aller Seiten gewährleistet wird, was heute nicht möglich ist.
Auch zum Problem der Rationalisierung muß ich einige Bemerkungen machen, weil sich darüber oft falsche Vorstellungen breitmachen. Im allgemeinen wird die Rationalisierung und Technisierung der landwirtschaftlichen Betriebe überbewertet. Was kann sie bringen? Sie kann letztlich nur eine Steigerung der Arbeitsproduktivität bringen. Aber das hat noch lange nichts zu tun mit dem letzten Erfolg der Arbeit. Ich sage das nur, damit man nicht allzu große Enttäuschungen erlebt. Denn wenn man sich die Presse jeden Tag ansieht, so findet man immer wieder den Vorwurf: ihr Landwirte, ihr Bauern müßt mehr rationalisieren, Rationalisieren ist das A und O. Ich habe einen voll rationalisierten Hof, und ich könnte Ihnen auch Einzelheiten darüber bringen, was das kostet; aber das will ich im Augenblick nicht tun.
Das Schwergewicht bei der ganzen Rationalisierung muß in der Hofrationalisierung liegen. Dori fällt der größte Teil der bäuerlichen Arbeit an. Drei Bedingungen sind zu erfüllen: die Arbeit muß weniger werden, die Arbeit muß leichter gemacht werden, und die landwirtschaftlichen pflanzlichen Erzeugnisse müssen verlustloser aufbewahrt werden. Ich will zu den einzelnen Dingen nicht weiter sprechen. Aber ich habe den Eindruck, daß wir in dieser Frage nicht genug getan haben und daß darüber veraltete Ansichten bestehen, auch im Hause des Ernährungsministeriums. Ich könnte mir vorstellen, daß man dabei noch einiges tun kann. Insbesondere sollte man die Pioniere auf dem Gebiet nicht mundtot machen wollen, wie man es zeitweise versucht. Es gäbe dabei auch für das Ernährungsministerium noch allerlei zu tun.
Zur Frage der Zinsverbilligung will ich auch nur wenig sagen. Es ist ein glücklicher Griff, daß man diesen Teil in den Etat aufgenommen hat, auch die Erhöhung auf 33 Millionen DM. Dagegen kann man keine Einwendungen erheben. Aber ich möchte doch feststellen, daß nach den letzten Ergebnissen von den 417 Millionen DM zugesagter Kredite im ganzen Bundesgebiet allein auf das Land Niedersachsen rund 30 % entfallen. Vorhin ist das Land Niedersachsen so schlecht weggekommen. Ich muß jetzt einmal sagen, daß das Land Niedersachsen doch nicht ganz so schlecht ist, wie es immer hingestellt wird. — Bei den Etatberatungen hat der Herr Minister in den zwei entscheidenden Positionen auch einige Abstriche vorgeschlagen. Das bedaure ich. Denn gerade bei den landwirtschaftlichen Bauten liegt das Schwergewicht. Über ein Drittel aller im Rahmen dieses Programms vergebenen Kredite entfällt ja auf landwirtschaftliche Bauten.
Zum Schluß noch einige Bemerkungen über die Beratung und die Forschung. Für beides werden 18 Millionen DM ausgegeben. Der Regierungsentwurf sieht für die Beratung allerdings leider eine Million DM weniger vor als im vergangenen Jahr. Das ist bedauerlich. Ich hätte Verständnis dafür, wenn man die Länderzuschüsse gestrichen hätte. Aber daß man ausgerechnet die Beiträge für den „Auswertungs- und Informationsdienst" um eine Viertelmillion gekürzt hat, das kann niemand gutheißen. Diese kleinen Hefte — ich habe sie hier mitgebracht, falls einige der Damen und Herren sie nicht kennen — sind ausgezeichnet. Leider ist die Verteilung ungenügend, weil die Auflage zu gering ist. Wer auf der Münchener Ausstellung im Haus des Bundesernährungsministeriums gewesen ist und dort gesehen hat, wie die Bauern den Stand, an dem die Verteilung dieser Hefte vorgenommen wurde, fast gestürmt haben, der kann doch nur sagen: Das ist das beste Zeichen dafür, daß diese Hefte in Ordnung sind. Man darf daher diesen Posten nicht kürzen. Man sollte hier meines Erachtens sogar Millionenbeträge einsetzen, damit jeder Bauer in den Genuß dieser Hefte kommt.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, dem Herrn Redner mit um so größerer Aufmerksamkeit zu folgen, als er am heutigen Tage Geburtstag hat.
Daß ich diesen Beifall ernten würde, hätte ich gar nicht erwartet. Ich danke Ihnen dafür.
— Ja, ja, ich weiß!
Meine Damen und Herren, ich sehe in diesen Heften das Bestreben, einen Ersatz für die mangelnde Fach- und Volksschulbildung draußen bei unseren Bauern zu bieten. Und schon aus diesem Grunde hätte ich gewünscht, daß man diese Position im Haushaltsausschuß nicht gekürzt hätte.
Vor einigen Tagen habe ich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine höchstinteressante Notiz gefunden, die ich dem Hause nicht vorenthalten möchte. Ich darf sie vielleicht einmal vorlesen, Herr Präsident. In dieser Notiz wird etwas über die Fachschulen gesagt. Es ist davon die Rede, daß man in Baden-Württemberg einige Fachschulen schließen wollte, und in diesem Artikel steht dann:
Macht nichts — statt sich zu überlegen, wie man die Schüler gewinnt, überlegt man, die Schulen zuzumachen. Statt sich zu überlegen, daß man in Baden und Württemberg nicht anders als anderswo die ländlichen Bildungsmöglichkeiten, die allgemeinen wie die speziellen, seit Menschengedenken und bis vor kurzem sehr vernachlässigt hat, daß sich das jetzt bitter rächt und daß es dringend nötig —und lohnend — ist, daran mit allen Kräften zu bessern, überlegt man, wie man hier, just hier, sparen könnte. Der Bauernverband Württemberg-Baden ist natürlich dagegen aufgestanden wie ein junger Löwe? Man hat nichts davon gehört. Der Löwe ist offenbar kein junger Löwe, sondern ein alter; er schläft und wacht nur auf, wenn von Preis und Parität die Rede ist.
Diese Notiz ist außerordentlich interessant, und ich möchte Sie bitten, Herr Minister, daß man die Position für den Auswertungs- und Informationsdienst im nächsten Jahr wieder heraufsetzt.
Zur Forschung ist nicht viel zu sagen, aber immerhin einiges. Wir haben, wenn wir den Etat des Ernährungsministers durchsehen, den Eindruck, daß auf diesem Gebiet die schlimmste Töpfchenwirtschaft herrscht. In vielen Titeln finden wir Mittel für Forschungsaufträge ausgebracht. Dazu kommen noch Völkenrode mit 13 Instituten und weitere 15 Forschungsanstalten und -einrichtungen des Bundes. Man kann nicht dagegen sein, daß für die Forschung etwas getan wird. Im Gegenteil, wir sollten vielleicht noch mehr tun. Aber dieses Durcheinander sehen wir uns doch jetzt schon jahrelang an. Wir haben vor einiger Zeit auf Bundesebene einmal einen Ausschuß gehabt für die Koordinierung der Forschungsfinanzierung. Dabei ist nichts herausgekommen. Warum nicht? Weil die Zusammensetzung des Ausschusses einfach unmöglich war. Ich bin der Meinung, wenn man solche Ausschüsse anders zusammensetzte, dann käme auch etwas anderes heraus. Nebenbei bemerkt wäre es dringend notwendig, daß man gerade für die leitenden Personen der Forschungsinstitute in Völkenrode die Gehälter erhöht. Denn sonst kommen wir eines schönen Tages dazu, daß wir nur noch die zweite Garnitur haben. Damit möchte ich den speziellen Teil schließen.
Ich darf mir zum Schluß nur noch einige allgemeine Bemerkungen erlauben.
— Meine Damen und Herren, bei der Begründung der. Anträge haben Sie so viel Zeit zum Anhören gehabt. Sie müssen mir gestatten — ich wollte ja zwei Stunden reden —, zumindest eine Dreiviertelstunde zu reden. Wir haben noch bis 3 Uhr Zeit, und ich muß Sie bitten, diese Bemerkungen noch anzuhören. Ich werde sie schnell und kurz halten.
Meine Kritik ist nicht aus der Luft gegriffen. Wir sehen, was das Grundsatzprogramm betrifft, mit einiger Sorge den nächsten zwei Jahren entgegen, und zwar deshalb, weil hier Tendenzen sichtbar werden, dieses ganze Programm zu den Akten zu legen. Der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in den letzten Monaten geradezu eine Abwehrschlacht geschlagen. Er hat sich mit dem Gerede auseinandersetzen müssen, daß für die Landwirtschaft zu wenig oder nichts geschehe. Nun, das ist sicherlich falsch. Aber man kann sagen, es hätte, was das Strukturprogramm angeht, zumindest mehr geschehen können als bisher. Ich will nicht auf die Dinge eingehen — weil Sie ja mit der Zeit drängen —, die Herr Staatssekretär Hartmann hier neulich bei der Einbringung des Etats gesagt hat. Da hat er den Eindruck erweckt, daß die Landwirtschaft aus Steuermitteln mehr bekäme als früher. Das ist nicht wahr. Aus Steuermitteln bekommt die Landwirtschaft weniger als im vergangenen Jahr.
Ich will auch nicht auf den Artikel des Herrn Finanzministers eingehen in einem Bulletin vom März, der hochinteressant war, der aber beim Laien den Eindruck erweckte, die Landwirtschaft schwimme im Geld und für die Landwirtschaft werde schon seitens des Finanzministers so viel getan; da könne nichts mehr geschehen. Nun, meine Damen und Herren, dem ist nicht ganz so. Wenn dem so wäre, warum bemühen Sie sich dann um das Paritätsgesetz? Der Minister wird nachher sicher von seinen Erfolgen sprechen und vielleicht auch einiges von den Schwierigkeiten sagen. Aber da keiner im Hause davon gesprochen hat, gestatten Sie mir, zu sagen, daß die Schwierigkeiten nicht bei uns liegen. Die Schwierigkeiten, die der Herr Minister hat, liegen in erster Linie zwar bei den Verbänden, die Gewehr bei Fuß stehen und sich nur auf andere Forderungen versteift haben, zum zweiten liegen sie aber doch in der Regierung selber.
Meine Damen und Herren, auch die Entwicklung in den Bauernverbänden kann nicht übersehen werden. Im Münchener Merkur vom 14. Juni hat ein hochinteressanter Artikel gestanden mit der Überschrift: „Der Kreis der Entschiedenen". Ich empfehle allen Kollegen, diesen Artikel zu lesen, weil er nämlich dartut, in welcher Entwicklung wir uns befinden. Die eigentlichen Schwierigkeiten — das sagte ich vorhin schon — liegen in der Regierung selber beim Herrn Bundeskanzler. Der Herr Bundeskanzler hat nicht nur in Rhöndorf, sondern auch vor einigen Tagen alles mögliche versprochen, und er überläßt es dann dem Ernährungsminister, das Unmögliche zu verwirklichen. Dabei muß man feststellen, daß er Kollegen hat, die nicht so rücksichtsvoll sind wie er, die mehr den Ellenbogen gebrauchen. Das ist immerhin eine sehr eigenartige Situation. Aber es ist nun einmal eine Tatsache. Ich habe dafür volles Verständnis. Es ist sicher nicht leicht.
Ich will Ihnen auch sagen, warum wir zu diesen Punkten, die ich berührt habe — nun komme ich
wirklich zum Schluß —, keine Anträge gestellt haben: Erstens wären sie von der Mehrheit sicher abgelehnt worden; zweitens wollten wir uns nicht der Gefahr aussetzen, daß der Herr Minister gezwungen wird, dagegen zu sprechen, obwohl — das haben wir öfters erlebt — er selber anderer Überzeugung ist. Aber ich bin schon zufrieden, wenn Sie diese Anregungen und Gedanken, die ich hier mitteilen konnte, freudigst aufnehmen.
Ich möchte zum Schluß feststellen, daß das Klein- und Mittelbauerntum sich als abgeschrieben betrachtet. In der Tat, wenn Sie auf das Ergebnis der ganzen letzten Jahre sehen, müssen Sie zugeben: dafür ist wenig übriggeblieben. Und wenn das Klein- und Mittelbauerntum hören wird, daß in der Paritätsgesetzgebung der soziale Komplex vollkommen gestrichen ist, dann, meine Damen und Herren, weiß ich nicht, was es dazu sagen wird. Die Schuldfrage will ich nicht untersuchen, das würde zu weit führen. Aber wir müssen festhalten, daß auch die Politik des Ernährungsministers in dem Rahmen der Gesamtpolitik der Regierung liegt. Wir sind uns darüber klar, daß man das ganze Grundsatzprogramm nicht nur mit politischer Kraft, sondern auch nur mit anderen Kräften durchführen kann, sonst gibt es nämlich am Ende nur einen Torso von Halbheiten und Anfängen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Als letzter Redner auf der Liste hat das Wort der Abgeordnete Frühwald.
Ich danke den beiden Kollegen. Da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 10. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen! — Bei Gegenstimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, der Einzelplan 12 dürfte zu umfangreich sein, als daß wir ihn heute noch behandeln könnten, aber vielleicht darf ich noch aufrufen:
Einzelplan 13 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen .
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Ohlig.
Verzichten Sie auf einen Bericht? Ich erteile Ihnen das Wort, aber das Hohe Haus ist sicherlich geneigt, auf einen Bericht zu verzichten.
Ich erteile Ihnen das Wort.
Auf die Berichterstattung wird also verzichtet. Das Wort hat der Abgeordnete Diekmann.
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich sicherlich der letzte bin, der heute zu sprechen hat. In Anbetracht dessen, daß um 15 Uhr Schluß gemacht werden soll, sehe ich mich leider veranlaßt, mich etwas kurz zu halten; ich muß allerdings darauf aufmerksam machen, daß mein Konzept dadurch etwas gestört wird. Ich bitte das dabei zu berücksichtigen.
Der Einzelplan 13, der jetzt zur Besprechung vorliegt. ist wohl der kleinste Einzelplan hinsichtlich des finanziellen Volumens, denn es werden nur das Gehalt des Ministers angeführt und die Bundesdruckerei. Das Ministergehalt ist also, wenn ich so sagen darf, das einzige Politikum, das in diesem Haushaltsplan vorhanden ist. denn der eigentliche Haushalt des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen ist in die Zuständigkeit des Postverwaltungsrats gelangt. Wir hier im Bundestag haben leider nicht die Möglichkeit, den allgemeinen Haushalt des Bundespostministeriums zu verabschieden. Dennoch aber, scheint mir, gibt es einige Punkte in dem schon verabschiedeten Haushaltsplan des Bundespostministeriums, die nach meiner Auffassung vom Bundestag unbedingt angesprochen werden müssen.
Ich darf darauf aufmerksam machen, am Ende des Jahres 1953 wurden wir darauf hingewiesen, daß der Verlust bei der Bundespost voraussichtlich etwa 220 Millionen DM betragen würde und daß der Verlust für das Jahr 1954 voraussichtlich auf etwa 180 Millionen DM beziffert werden müsse. Der Bundespostminister, Herr Dr. Balke, der gegen Ende des Jahres 1953 das Postministerium übernahm, hatte also die nicht gerade sehr dankbare Aufgabe, uns auf diese Tatsache aufmerksam machen zu müssen. Wenn sich damals — damit sage ich Ihnen keine Neuigkeit — die deutsche Wirtschaft mit diesem Problem auseinandersetzte, dann deshalb, weil keiner verstehen konnte, daß die Bundespost in etwa den Weg der Bundesbahn gehen müßte. Die Folge war die Gebührenerhöhung. Wenn jetzt im Jahre 1955 von der Bundespost darauf aufmerksam gemacht wird, daß sich in diesem Jahr voraussichtlich ein Gewinn ergeben wird, dann ist das also in erster Linie auf die Gebührenerhöhung zurückzuführen.
Der Bundespostminister hat im Jahre 1953 erklärt, daß bei der Gebührenerhöhung alljährlich etwa 170 Millionen DM mehr herauskämen und daß der angekündigte Restbetrag des Defizits dann durch die Rationalisierung wettgemacht werden sollte. Ich betone noch einmal, daß sich die deutsche Wirtschaft mit der Erhöhung der Gebühren wirklich auseinandergesetzt hat. Nachdem nun fast ein ganzes Jahr seitdem vergangen ist, weist das Bundespostministerium darauf hin, daß es keinen Verkehrsrückgang gegeben habe; im Gegenteil, das Verkehrsvolumen habe im Postwesen um 7 % und im Fernmeldewesen um etwa 8 % zugenommen. Damit glaubt die Bundespost die Bedenken der deutschen Wirtschaft widerlegt zu haben.
Meine Damen und Herren, es wäre nach meiner Auffassung bedauerlich gewesen, wenn es wirklich zu einem Verkehrsrückgang gekommen wäre; denn das wäre ein Rückschlag in der gesamten Wirtschaft gewesen, insbesondere bei den Betrieben und Geschäften, die in erster Linie Werbung zu betreiben haben. Aber die Bundespost hat nun einmal eine Monopolstellung. Die deutsche Wirtschaft muß sich der Bundespost bedienen; es geht gar nicht anders; es wird also keinen Verkehrsrückgang geben! Eine Rechtfertigung seitens der Bundespost scheint mir nicht richtig zu sein. Ich bin davon
überzeugt, daß die Werbebetriebe und vor allen Dingen die Versandgeschäfte, die Export betreiben, sich auch Ausweichmöglichkeiten überlegt haben. Ich habe mir von einem Experten auf diesem Gebiet sagen lassen müssen, daß man Briefe als Sammelgut in ausländische Staaten gibt mit niedrigeren Gebührensätzen als in Deutschland und daß die Briefe dann von dort in alle Welt geschickt werden. Ja, wenn das der Fall sein sollte, wäre hinsichtlich der Tarife immerhin einiges nicht in Ordnung. Ich bin der Meinung, daß sich die Bundespost mit diesen Dingen zu befassen hat, nicht nur um sie gegebenenfalls abzustellen, sondern um mit einer vernünftigen Gebührenordnung wieder das richtige Gleis zu stellen.
Ich darf vielleicht einiges zur Rationalisierung sagen. Der Bundespostminister hat damals bei der Begründung der Gebührenerhöhung betont, daß die Rationalisierung auch innerhalb der Bundespost durchgeführt werden müsse. Allein schon das Wort Rationalisierung hat eine gewisse magische Kraft. Aber ich bin davon überzeugt, daß es nicht ganz einfach sein wird, eine Verwaltungsreform innerhalb des Bundespostministerium damit durchzuziehen, daß man eine Aufgabenteilung vornimmt, denn das Beharrungsvermögen aller Behörden, ganz gleich, welches Ministerium es ist, ist außerordentlich groß. Das wissen wir aus Erfahrung, insbesondere diejenigen, die mit der Verwaltung zu tun gehabt haben.
Ich möchte daran erinnern, daß der Bundespostminister auf eine Anfrage der FDP hinsichtlich der künftigen Rationalisierung in der Postverwaltung ein Zehn-Punkte-Programm aufgestellt hat. Das Hohe Haus wird sich sicher demnächst mit diesem Fragenkomplex zu beschäftigen und den Bundespostminister zu fragen haben, inwieweit er die Durchführung des Zehn-Punkte-Programms eingeleitet hat.
Meine Damen und Herren! Rationalisierung muß auch bei der Post getätigt werden. Denn wir wissen, daß es einige Betriebe bei der Bundespost gibt, die verlustbringend sind. Die Bundespost muß sich darüber klar werden, daß diese Betriebe auch auf Gewinn umzustellen sind. Ich darf vielleicht einige dieser Betriebe ansprechen. Mir ist bekannt, daß der Postsparkassendienst vorläufig noch ein Verlustgeschäft ist; worauf das zurückzuführen ist, weiß ich nicht. Es mag möglich sein, daß die Verluste sehr bald abgestellt werden können. Aber eines ist mir noch bekannt: Die Anlagepolitik der Geldinstitute, also nicht nur des Postsparkassendienstes, sondern auch des Postscheckdienstes, entspricht nicht ganz den allgemeinen Wünschen; denn die Zinserlöse für die Geldanlagen der Bundespost sind leider gering. Mir scheint, daß hier einiges abzustellen ist.
Ich will andere Betriebe überspringen und möchte mich kurz mit dem Omnibuswesen der Bundespost auseinandersetzen. Der Reisedienst der Bundespost ist nicht ertragreich; auch hier liegen noch Verluste vor. Ich wäre wirklich dankbar, wenn man uns darüber vom Bundespostministerium Aufschluß gäbe. Meiner Partei und sicher dem Hohen Hause auch gefällt nicht, daß das Omnibuswesen der Bundespost in Konkurrenz mit der Bundesbahn liegt und daß es bisher trotz aller Erörterungen hier im Hause noch nicht gelungen ist, eine vernünftige Koordinierung zwischen Bundesbahn und Bundespost zustande zu bringen.
Das müßte nach meiner Auffassung einigermaßen möglich sein. In nicht ganz langer Zeit — ich denke mir, nach den Ferien des Bundestags — wird das Personenbeförderungsgesetz anstehen. Dann wird man auch diese Problematik zu behandeln haben. Mir scheint, daß die Konkurrenz dieser beiden öffentlichen Unternehmungen unbedingt ausgeschaltet werden muß.
Ich bin im Augenblick nicht in der Lage, darüber zu befinden, ob eine Dachgesellschaft für beide Unternehmungen das Gegebene ist. Aber in der Öffentlichkeit wird es in sehr starkem Maße diskutiert, und man wird auch die beiden Institutionen, diese beiden Bundes-Betriebe auffordern müssen, ihre Meinung zu einer etwaigen Dachgesellschaft einmal dem Hohen Hause kundzutun. Jedenfalls, in den Ausschüssen wird diese Frage eingehend behandelt werden müssen.
Ich bin mir völlig darüber im klaren, daß eine Dachgesellschaft dieser Art eine Monopolstellung ersten Ranges bekommt und daß ein solche Monopolgesellschaft ihre Schwächen, aber auch ihre Stärken haben wird. Das ist wohl abzuwägen, und ich kann mir sehr gut vorstellen, daß es auch privatwirtschaftliche Verkehrs - Unternehmungen geben wird, die gern an dieser Dachgesellschaft beteiligt sein würden. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn sich die Öffentlichkeit mit diesem Problem etwas mehr auseinandersetzte und wenn wir auch von der privaten Seite her, auch von den Industrie- und Handelskammern, Vorschläge bekämen, wie in etwa die Koordinierung dieser beiden wichtigen Bundesunternehmungen vorgenommen werden könnte. Eines muß man doch jedenfalls erreichen können: daß sich die Bundesbahn mehr auf den Fernverkehr und auf den Schienenparallelverkehr einstellt und die Bundespost mehr oder weniger den Flächenverkehr zu übernehmen hat. Aber, wie gesagt, dieses Problem wird nach den Ferien des Bundestags zu behandeln sein.
Wenn ich noch etwas zur Rationalisierung sagen darf, so ist mir nicht unbekannt, daß der Bundesrechnungshof zur Zeit eine Wirtschaftlichkeits- und eine Dienststellenprüfung bei der Bundespost vornimmt und schon seit dem 1. Januar 1953 auf diesem Gebiete tätig ist. Bei der Dienststellenprüfung geht es nun so weit, daß auf Veranlassung des Bundesrechnungshofs Stellenbesetzungen zunächst gesperrt sind. Es hat sich die Tatsache herausgestellt, daß mehr als 40 000 Beamte mittlerweile in eine höhere Dienststelle aufgerückt sind, daß sie also eine größere Verantwortung übernommen haben, aber dafür nicht die entsprechenden Bezüge erhalten. Mir scheint, daß dieser Tatbestand nicht länger aufrechtzuerhalten ist und daß die Bundespost sich zusammen mit dem Bundesrechnungshof zu überlegen hat, ob man hier nicht sehr bald Wandel schaffen kann.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß wir im Hinblick darauf, daß ein großer Teil der Mitglieder des Hauses nach Berlin fliegt, in zwei Minu-
ten schließen müssen. Sollte es Ihnen nicht gelingen, bis dahin einen Schluß zu finden, darf ich Sie bitten, den Rest Ihrer Rede bis zur nächsten Sitzung zurückzustellen.
Ich werde in zwei Minuten nicht fertig.
Gut; dann wird es besser sein, wenn Sie jetzt abschließen.
Meine Damen und Herren, im Hinblick darauf, daß diese Rede noch nicht beendet ist und zwei weitere Wortmeldungen vorliegen, können wir heute nicht mehr weiterverhandeln. Die Weiterberatung des Einzelplans 13 wird vertagt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 21. Juni, 10 Uhr 30.
Die Sitzung ist geschlossen.