Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen zunächst die Entschuldigung von Herrn Professor Erhard unterbreite
und Ihnen die Versicherung gebe, daß seine Abwesenheit nicht zu einer Institution wird. Er ist durch eine unaufschiebbare Verpflichtung verhindert, hier teilzunehmen.
Ich danke Ihnen, daß Sie die Güte haben, mit mir vorlieb zu nehmen.
Der Herr Abgeordnete Kurlbaum hat seine Ausführungen mit einer allgemeinen Kritik an der Wirtschaftspolitik unseres Hauses begonnen. Ich gestatte mir daher, auch von mir aus einige allgemeine Bemerkungen vorauszuschicken.
Ich bitte Sie zunächst, versichert zu sein, daß wir Ihre Kritiken und Ihre Anregungen mit jenem echten und letzten Ernst aufnehmen, dem diese Anregungen und Kritiken entspringen. Angesichts der ungeheuren Verantwortung, die die Wirtschaftspolitik für das ganze Leben unseres Volkes hat, werden wir diese Anregungen und Kritiken nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich bitte Sie, sicher zu sein, daß wir in unserem Hause alles tun werden, um jeder berechtigten Kritik und jeder auch von uns für richtig gehaltenen Anregung in weitestgehendem Maße Folge zu leisten.
Da die ersten Ausführungen sich darauf bezogen, daß die Wirtschaftspolitik zu einer ganz einseitigen Vermögensbildung geführt habe, werden Sie es mir nicht übelnehmen, wenn ich einiges darauf erwidere, was nach meiner Meinung gegen die Richtigkeit dieser Behauptung spricht.
Die Spartätigkeit ist in dem Jahre April 1954 bis April 1955 auf 18,4 Milliarden DM gestiegen. Das ist ein Zuwachs von genau 36 %, ein Zuwachs von 5 Milliarden DM. Ganz gewiß ein Zeichen dafür, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung doch gute Ansatzpunkte für Vermögensbildung vorhanden sind.
Das Sozialprodukt war im Jahre 1954 um 11 Milliarden DM höher als 1953 und erreichte damit 145 Milliarden DM. Die Steigerung des Sozialprodukts wurde möglich durch die Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen, und zwar um rund 31/2 °/o. Für das laufende Jahr kann mit einer ebenso starken Sozialproduktszunahme wie im Jahre 1954 gerechnet werden.
Der Lebensstandard unserer Bevölkerung — gemessen am privaten Verbrauch pro Kopf —, der seit der Währungsreform laufend gestiegen ist, nahm 1954 noch einmal um 7% zu — und zwar preisbereinigt —, und auch für das laufende Jahr wird mit einer etwa dem Ausmaß der Sozialproduktssteigerung entsprechenden Erhöhung des Lebensstandards gerechnet werden können.
— Herr Kurlbaum, ich darf darauf kurz erwidern: auf die Vermögensbildung kam ich mit dem Hinweis auf den gewaltigen Zuwachs in der Spartätigkeit zu sprechen. Das ist ja eindeutig eine Frage der Vermögensbildung.
Ich komme aber jetzt auf die Kritik zu sprechen, die Sie wegen des Mangels an Aktivität geübt haben. Ich muß Ihnen sagen: ich bin sehr froh darüber, daß wir einmal wegen Mangels an Aktivität kritisiert werden.
Denn zumeist werden wir, oder wurden wir in der Vergangenheit, wegen zuviel Aktivität kritisiert.
Ich hoffe, daß man dann doch ein gutes Mittelmaß gefunden hat.
Meine Damen und Herren, entscheidend für die starke Zunahme des Sozialprodukts war in der Nachkriegszeit die Ausweitung der industriellen Produktion, und zwar insbesondere unterstützt durch die Entwicklung unserer Bauwirtschaft, vor allen Dingen im Wohnungsbau. Auch damit begegne ich der Sorge, die aus den Äußerungen von Herrn Kurlbaum sprach, daß sich nämlich die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nicht ausreichend um die minderbemittelten Kreise der Bevölkerung kümmere. Die Industrie und die Bauwirtschaft haben zusammen einen Anteil von etwa 50 % an der gesamten Wertschöpfung. Die industrielle Produktion stieg im Jahre 1954 um allein 12 %, und dieser Steigerungssatz wird im Jahre 1955 zumindest wieder erreicht. Wir haben sogar die Hoffnung, daß dieser Satz ein wenig überschritten werden wird. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres lag er jedenfalls schon um ungefähr 16 % über dem Niveau des vorigen Jahres.
Nun die Zahlen der Beschäftigten. Ich glaube, diese brauche ich dem Hohen Hause gar nicht im einzelnen darzulegen; sie sind Ihnen allen bekannt. Ich kann aber doch wohl feststellen, daß auch da die Entwicklung sicherlich zufriedenstellend verlaufen ist, sowohl was die Zunahme der Beschäftigtenzahl wie die Abnahme der Arbeitslosenzahl betrifft.
Auch die Entwicklung unseres Außenhandels, die gerade für die Gestaltung unseres Lebensstandards von ausschlaggebender Bedeutung ist, ist doch recht erfreulich. Das Gesamtaußenhandelsvolumen stieg um 20 %, davon die Ausfuhr um 19% und die Einfuhr um 20 oder 21 %.
Dann zur Preisentwicklung. Auch diese Frage ist ja in den Ausführungen der Redner mehrfach angeklungen. Im ganzen gesehen scheint mir ein Anlaß zu einer ernsten Beunruhigung nicht vorzuliegen , wenngleich ich durchaus zugebe, daß es aller
aufmerksamen Betrachtung und Beobachtung bedarf, um hier nicht etwa Entwicklungen sich anbahnen zu lassen, die den Lebensstandard unseres Volkes heruntersetzen könnten. Es ist aber eben so, daß mit einem ganz gewaltigen Konjunkturanstieg auch gewisse Preisentwicklungen auf einzelnen Gebieten verbunden sind.
Meine Damen und Herren, nun zu einigen Einzelfragen!
Einer der Herren, ich glaube, es war Herr Kurlbaum, hat insbesondere die Kohlenversorgung angesprochen, und ich möchte, da sie tatsächlich von großer Bedeutung für die ganze wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ist, dazu doch auch einiges ausführen. Die Gründe für die Verknappung sind keineswegs beunruhigend, sondern im Gegenteil außerordentlich erfreulich. Der Mehrverbrauch im Monat März 1955 gegenüber dem Monat März 1954 hat beinahe 900 000 Tonnen betragen. Wenn über diesen Mehrverbrauch hinaus noch eine Mangelerscheinung aufgetreten ist, werden die Damen und Herren beurteilen können, welches Maß an Expansion erreicht wurde. Ich bitte nicht zu vergessen, daß im ersten Halbjahr 1954 ungefähr 6 Millionen t Kohle auf Halde lagen. Durch Einlegung von Feierschichten trat damals ein Förderausfall von 1 Million t ein. Das alles ist natürlich überholt, und wir sind in der Zwischenzeit zu der vollen Ausnutzung der Förderkapazität gelangt. Die vielfach geäußerte Annahme, daß der Export sehr stark zum Nachteil der inländischen Bedarfsdeckung ausgeweitet worden sei, ist irrig; allerdines ist die Beibehaltung unseres Exports aus handelspolitischen Gründen in gewissem Umfange zwangsläufig, und es könnte nicht in Betracht gezogen werden. auf diesen Export der deutschen Kohle zu verzichten.
Herr Abgeordneter Kurlbaum hat nach den Aussichten für die Zukunft gefragt. Nun, ich bitte sicher zu sein, daß alles geschehen wird, was möglich ist, um unsere eigene Förderung weiterhin auszuweiten. Sie wissen aber, meine Damen und Herren, welchen Kapitalaufwands und welchen Zeitaufwands es bedarf, um neue Schächte niederzubringen. Sie wissen ferner, daß die Kohle weiter in die Tiefe ausweicht. Wir sind nicht in der glücklichen Lage wie Amerika, wo die Kohle in gerin-
gen Teufen zu finden ist. Infolgedessen ist die Ausweitung unserer Förderung tatsächlich ein sehr schwieriges Problem. Trotzdem glaube ich, daß wir Anlaß haben, anzunehmen, daß im kommenden Jahre die Steinkohlenförderung noch um 2 bis 3 Millionen t über der Förderung des vergangenen Jahres liegen wird. Ich hoffe, daß wir auf etwa 130 Millionen t kommen werden.
Darüber hinaus haben wir dank unserer guten Exportlage die Möglichkeit gehabt — und haben sie weidlich ausgenutzt —, amerikanische Kohle nach Deutschland zu nehmen. Diese Möglichkeit ist selbstverständlich dadurch limitiert, daß die Frachtenlage außerordentlich labil ist. Sobald große Mengen Kohle nach Deutschland gebracht werden sollen, gehen die Frachten so in die Höhe, daß den verarbeitenden Industrien kaum zugemutet werden kann, diese dann teurer gewordene amerikanische Kohle zu nehmen. Ich darf aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß in anderen Zeiten die amerikanische Kohle an unserer Nordseeküste schon um 8 bis 10 DM billiger war als unsere deutsche Kohle, und deswegen glaube ich, daß wir mit einer gewissen Bedarfsdeckung durch amerikanische Kohle auch für die Zukunft rechnen dürfen.
Es wird die Damen und Herren interessieren, die Einfuhrzahlen zu hören, nur fünf oder sechs Zahlen. Sie sind im Steigen begriffen. Wir haben im Januar dieses Jahres rund 895 000 t, im Februar 851 000 t, im März 1,1 Millionen t, im April 1 Million t und im Mai rund 1,2 Millionen t insgesamt eingeführt, davon grosso modo die Hälfte etwa aus den Vereinigten Staaten, so daß ich glaube, daß die Knappheit in Grenzen gehalten wird, die erträglich sind.
— Wir haben im vorigen Jahre 27 Millionen t ausgeführt, etwa 2 Millionen t im Monat. 2 1/2 Millionen t sind es im letzten Monat gewesen, 2,4 Millionen t im April. Das sind aber natürlich Handelspartner, die uns im Auf und Ab der Konjunktur die Kohle abnehmen und die daher auch erwarten, daß wir die Kohle so liefern, wie wir es in der Vergangenheit getan haben; diese Länder nehmen uns ja auch jene weit verarbeiteten Erzeugnisse ab, in denen wir viele wertvolle Arbeitsstunden aufgewendet haben.
Herr Kurlbaum hat Klage darüber geführt, daß der „Georg", die Gemeinschaftsorganisation der Kohle, den Abschluß fester Lieferabkommen verweigere. In der Tat sind wir gerade zur Zeit mit dem „Georg" über feste Lieferabkommen in Unterhaltungen. Ich bitte Sie daher auch um Verständnis für folgende Situation: Die Expansion im Verbrauch hat dazu geführt, daß sowohl die Organisationen der Steinkohle wie auch die der Braunkohle, in gewissem Umfange jedenfalls, auf die Referenzperioden der Vergangenheit zurückgegangen sind, um dafür zu sorgen, daß wenigstens zunächst einmal der Verbrauch gedeckt wird, der auch in der Vergangenheit Grundlage für die Produktion war.
Die Herren haben eine Firma angeführt, die sich im besonderen Maße über schlechte Belieferung beklage. Diese Firma ist auch bei uns vorstellig geworden, und ich bin der Sache persönlich nachgegangen. Es hat sich herausgestellt, daß in diesem Jahr — ich kann nicht mehr ganz genau den Prozentsatz sagen, weil ich auf die Frage nicht gefaßt war — ein erheblich höherer Prozentsatz geliefert wurde als im vergangenen Jahr. Trotzdem wünsehen auch wir selbstverständlich, daß es möglich ist, auf lange Sicht große und langfristige Verträge zu schließen, und wir hoffen, daß es dahin kommen wird, die Förderung und die Einfuhr zur Deckung des Gesamtbedarfs sicherzustellen.
Sie haben über die Kredite an mittelständische Betriebe gesprochen. Ich möchte in diesem Zusammenhang zumindest darauf hinweisen, daß hier manches geschehen ist. Wir haben gerade in der letzten Zeit die Kreditgarantiegemeinschaften gegründet. Ich hatte vor wenigen Tagen den Besuch der Vertreter des Handwerks. Die Herren haben mir bestätigt, daß diese Kreditgarantiegemeinschaften, die in fast allen Ländern schon laufen, doch recht beachtliche und gute Erfolge gezeitigt haben.
Der Bund hat sich ganz allgemein für die Förderung der mittelständischen Wirtschaft durch Bereitstellung von Kreditmitteln eingesetzt. Ich nenne zuerst die Kreditaktion aus dem Überschuß der Investitionshilfe, mit der sich ja dieses Haus ausgiebig befaßt hat.
— Darauf komme ich sofort, Herr Abgeordneter Raestrup. Hier sind 140 bis 160 Millionen DM bereitgestellt. Es ist richtig: die Zinsen sind zu teuer. Deswegen ist jetzt von uns ein Weg gesucht worden. Ich hoffe, daß er zum Erfolg führen wird und daß ein gewisser Betrag dieses Überschusses dazu benutzt werden wird, die Zinsen und Konditionen herunterzuschleusen.
— Ich hoffe, daß dies eingehalten werden kann. Jedenfalls bietet doch der Betrag von 140 bis 160 Millionen DM eine sehr beachtliche Möglichkeit, den mittelständischen Kreditbedarf weitgehend zu decken. Es sind außerdem 15 Millionen DM Globalkredite aus dem ERP-Zins- und Tilgungsaufkommen des ERP-Sondervermögens bereitgestellt worden. Diese Darlehenssumme soll ausschließlich für kleine und mittlere Industrie- und gewerbliche Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
Das gleiche gilt von der Kreditaktion zur Steigerung der Produktivität in Mittel- und Kleinbetrieben. Hier handelt es sich um beachtliche Beträge. Teilnahmeberechtigt sind alle Erzeuger- und besonders Reparaturunternehmen, die nachweislich besonders kreditbedürftig sind und bei denen die Frage der Sicherung nicht immer leicht zu lösen ist.
Dann sind die ERP-Vertriebenen- und Flüchtlingskredite an die gewerbliche Vertriebenenwirtschaft in Höhe von 31 Millionen DM gewährt worden, und zwar aus dem ERP-Zins- und Tilgungsaufkommen, so daß auch hier ein großer Betrag zur Verfügung steht, der der Vertriebenenwirtschaft zugute kommen wird.
Ferner ist das Aufbaudarlehen des Lastenausgleichs zu nennen. Diese früher als „Existenzaufbauhilfe" bezeichneten Darlehen können bis zu einen Höchstbetrag im Einzelfall von 35 000 DM zur Schaffung oder Sicherung von selbständigen Existenzen von Vertriebenen, Flüchtlingen, Kriegssachgeschädigten, politisch und rassisch Verfolgten und Spätheimkehrern in Anspruch genommen werden.
— Die Ausschüsse sollten tatsächlich schneller arbeiten. Wir werden uns dieser Sache annehmen, und ich hoffe, daß wir Ihrem Wunsch werden Rechnung tragen können.
Schließlich darf noch auf die Kreditaktionen im Rahmen der Arbeitsplatzdarlehen aus Lastenausgleichsmitteln der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hingewiesen werden. Hier handelt es sich um 120 Millionen DM.
Die Summe der Maßnahmen, die die Bundesregierung in Aussicht genommen bzw. durchgeführt hat, zeigt insgesamt eine große Aktivität oder jedenfalls eine Bemühung zu großer Aktivität, für die Besserung der Lage der kleinen und mittleren Gewerbetreibenden und der minderbemittelten Volksschichten einzutreten.
Dann waren die Remontageprogramme Gegenstand der Kritik. Auch hierzu möchte ich noch einiges sagen, da ich schon einmal Gelegenheit hatte, und zwar ungefähr vor Jahresfrist — ich glaube es ist beinahe auf den Tag vor einem Jahr gewesen —, mich mit Ihnen hier über die Remontagekredite zu unterhalten, und nun bin ich sehr stolz darauf, daß ich Ihnen die Zahlen wiederholen und sogar bestätigen kann, daß sie gestimmt haben. Anläßlich der damaligen Beratung — es war am 19. Juni — habe ich Ihnen folgende Daten genannt. Der Kreditbedarf laut den damals zur Verfügung stehenden Unterlagen belief sich auf 1700 Millionen DM. Davon sind in Zusammenarbeit mit der Notgemeinschaft der reparationsgeschädigten Industrie — auf Grund gemeinsam angestellter Ermittlungen — bis zum 31. Dezember 1953 1170 Millionen DM gedeckt worden. Ich darf einmal wiederholen: von 1700 Millionen DM sind 1170 Millionen DM gedeckt worden, so daß damals ein ungedeckter Betrag von 530 Millionen DM übrigblieb.
Von diesen 530 Millionen DM ungedeckten Bedarfs entfielen 320 Millionen DM auf die Eisen-und Stahlindustrie und 210 Millionen DM auf die übrige Industrie. Ich hatte damals darauf hingewiesen, daß rund 820 Millionen DM von den bis dahin bereitgestellten Mitteln aus Programmen des Bundes einschließlich der Investitionshilfe, rund 351 Millionen DM aus Mitteln der Länder gedeckt worden waren. Für die Deckung des Kreditbedarfs im Jahre 1954 hatte ich bei dieser Gelegenheit Beträge von rund 300 Millionen DM in Aussicht gestellt. Dieser Betrag ist voll erreicht worden. Nach der für Anfang 1954 angestellten Bedarfsermittlung würden demnach im Jahre 1955 noch etwa 230 Millionen zu decken sein.
Inzwischen hat die Notgemeinschaft der reparationsgeschädigten Industrie eine erneute Umfrage angestellt, und dabei hat sich wiederum ein Betrag von 1 Milliarde DM als Kreditbedarf ergeben. Von dieser 1 Milliarde DM darf ich allerdings die vorerwähnten 300 Millionen DM natürlich abziehen, so daß dann 700 Millionen DM bleiben. In der Tat hat die Notgemeinschaft der reparations-geschädigten Industrie sich an uns mit der Bitte gewandt, wir möchten doch den Versuch machen, einen weiteren Betrag in Höhe von ungefähr 600 bis 650 Millionen DM bereitzustellen. Dieser Betrag wird auf mehrere Jahre verteilt werden müssen; er wird auf Anlagen zu beziehen sein, die im Zuge der Pariser Verträge von Produktionsverboten und anderen Beschränkungen befreit wurden.
Allerdings glaube ich nicht, daß zur Deckung dieses Bedarfs ausschließlich öffentliche Gelder dienen müssen. Ich bin im Gegenteil davon überzeugt, daß, nachdem nun die Wirtschaft wieder so weit gesundet ist, ein großer Teil der Anforderungen über den Kapitalmarkt, gegebenenfalls allerdings mit Unterstützung der Landes- oder Bundesbürgschaften erhältlich sein wird.
Im Hinblick hierauf ist bereits im Dritten Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft ein sehr beachtlicher Bürgschaftsrahmen für Remontagekredite vorgesehen worden.
Darüber hinaus hat der Herr Bundesfinanzminister meinem Antrag entsprochen, den im Rechnungsjahr 1954 verbliebenen Ausgaberest aus dem außerordentlichen Haushalt zugunsten der demontagegeschädigten Industrie in Höhe von zirka 100 Millionen DM auf das Rechnungsjahr 1955 zu übertragen. Die Zustimmung zur Verwendung hat sich allerdings der Herr Bundesfinanzminister noch vorbehalten; aber immerhin ist zumindest die Übertragung schon erfolgt.
Des weiteren hat das Bundeswirtschaftsministerium auch im Jahre 1955 im Rahmen des sogenannten Vierten Versicherungssonderprogramms und des 250 Millionen-Investitionsprogramms der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank seine Politik der Beteiligung der demontagegeschädigten Wirtschaft an von der Bundesregierung indirekt beantragten Kreditprogrammen fortgesetzt. Es steht zu erwarten, daß aus diesen beiden Programmen ein Betrag von 60 bis 80 Millionen DM verfügbar wird. Schließlich möchte ich auch nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß die Kredithilfe, die die Bundesregierung im Rahmen des Kriegsfolgenschlußgesetzes zugunsten der demontage-
und restitutionsgeschädigten Wirtschaft in Aussicht genommen hat, noch bevorsteht.
Dann darf ich auf das Thema übergehen, das wohl den größten Raum in Ihren Ausführungen eingenommen hat, die Rüstungswirtschaft. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat immer wieder erklärt, daß sie die Rüstungsausgaben im Rahmen der wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten halten wird. Was auf diesem Gebiet auf uns zukommt, ist letzten Endes durch die Haushaltsansätze festgelegt. Es kann deshalb nicht als leeres Versprechen aufgefaßt werden, wenn die Bundesregierung betont, daß sie das Tempo und die Finanzierungsmethoden der Verteidigung so wählen wird, daß weder die finanzielle Stabilität noch die weitere Expansion unserer Wirtschaft gefährdet werden. Darin liegt gleichzeitig beschlossen, daß der Lebensstandard der Bevölkerung nicht eingeschränkt werden soll.
Zur Begründung möchte ich einige Zahlen anführen. Im Kalenderjahr 1954 betrugen die Ausgaben der Besatzungsmächte 5,7 Milliarden DM. Im Kalenderjahr 1955 ist mit einer Summe von gut 7 Milliarden DM an Besatzungs-, Stationierungs- und eigenen Verteidigungsausgaben zu rechnen. Das wäre also eine Mehrausgabe von nicht ganz 1 1/2 Milliarden DM. Gleichzeitig ist aber mit ziemlicher Sicherheit eine Zunahme des Sozialproduktes um etwa 12 bis 13 Milliarden DM zu erwarten. Für das Jahr 1956 läßt sich bereits heute sagen, daß das Sozialprodukt um eine annähernd gleiche Zahl von Milliarden wachsen wird. Die
möglichen Verteidigungsausgaben sind hingegen durch die von diesem Hohen Hause zu bewilligenden Mittel nach oben begrenzt. Ich bitte Sie aber sicher zu sein, meine Damen und Herren, daß Ihre Sorgen, die Sie wegen der Rüstungswirtschaft haben, von uns nicht etwa bagatellisiert werden. Wir wissen sehr wohl die Gefahren zu würdigen, die in einem Zeitpunkt auf die Wirtschaft zukommen, in dem sie erstmals in das Gebiet der Rüstungswirtschaft überhaupt eintritt. Ich bitte Sie, sicher zu sein, daß alles geschehen wird, was möglich ist, um den Sorgen, die hier heute morgen zum Ausdruck kamen, zu begegnen.
Nun hat besonders Herr Abgeordneter Schmidt betont, daß Unterlassungen beim Wirtschaftsministerium vorliegen. Wir werden das mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit prüfen. Ich bitte Sie, dessen sicher zu sein. Ich begrüße selbstverständlich jede Kritik, ich glaube aber doch sagen zu dürfen, daß nach außen wahrscheinlich nicht zu erkennen war, welchen Raum die Vorbereitungsarbeiten im Innern des Hauses eingenommen haben.
— Ich habe keinerlei Vorwurf daraus erhoben, Herr Abgeordneter.
Herr Abgeordneter Schmidt hat wiederholt von einem Kompetenzkampf zwischen dem Hause Blank und den daran angeschlossenen Behörden und uns gesprochen. Ich darf Sie versichern, daß ein solcher Kompetenzkampf nicht besteht. Sie erwähnten zum Beweise der Existenz dieses Kompetenzkampfes ein Streitgespräch zwischen Herrn Erhard und Herrn Blank in Anwesenheit der Länderwirtschaftsminister. Ich war bei diesem Streitgespräch selbst nicht anwesend. Aber ich habe mich inzwischen, da Sie die Freundlichkeit hatten, mir schon gestern abend anzukündigen, daß Sie gerade diese Bemerkung machen würden, mit den Herren unterhalten, die an dem Gespräch teilgenommen haben. Ich glaube, daß die Tatsache des Gesprächs nur ein Beweis dafür ist, mit welcher Offenherzigkeit die gegenseitigen Standpunkte gegeneinander abgewogen werden. Ich freue mich, Ihnen die Erklärung abgeben zu können, daß gerade dieses Streitgespräch zu einer befriedigenden, auch Sie befriedigenden Lösung geführt hat. Wir haben mit dem Hause Blank die Zusammenarbeit so gut geregelt und sichergestellt, daß ich alle Zuversicht habe, daß auch die Praxis, die Sie uns so drohend an die Wand gemalt haben, diese Gefahr nicht allzu groß werden lassen wird.
Wir sind jedenfalls entschlossen, meine Damen und Herren, die Soziale Marktwirtschaft fortzusetzen, die ja das Hauptelement gewesen ist, das das deutsche Volk aus der Not, in der wir vor sieben Jahren waren, bis zum heutigen Tage herausgeführt hat. Daß diese Soziale Marktwirtschaft nicht durch die Rüstungswirtschaft gefährdet und zerstört wird, wird unser gemeinsames Bestreben sein. Aus Ihrer Kritik habe ich geglaubt, entnehmen zu dürfen — und ich hoffe, daß Sie mir das bestätigen werden —, daß wir in Ihnen in dieser Beziehung einen starken Bundesgenossen haben werden.
Ich stimme Ihnen darin zu, Herr Abgeordneter Schmidt, daß es nicht möglich sein wird, die Rüstungsaufträge hundertprozentig, uneingeschränkt öffentlich auszuschreiben. Es stellt aber schon einen sehr großen Erfolg dar, daß es gelungen ist, mit dem Verteidigungsministerium eine schriftlich formulierte Vereinbarung darüber herbeizuführen, daß jedwede Ausnahme von einer öffentlichen Ausschreibung der vorherigen Zustimmung eines Ausschusses bedarf, in dem das Bundeswirtschaftsministerium mit 50 % der Mitglieder beteiligt ist. Dazu hat uns der Herr Verteidigungsminister die Erklärung abgegeben, daß er ein treuer und überzeugter Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft sei und daß er in jedem Falle, in dem es überhaupt nur im Rahmen des Möglichen liege, mit uns in der Richtung wirken werde, daß die Aufträge öffentlich ausgeschrieben würden. Der Herr Verteidigungsminister hat weiß Gott das erste Interesse daran, daß aus seinem Haushalt eine ausreichende und eine möglichst reichliche Versorgung seiner Truppen erreicht wird. Und auf welchem Wege wird er das besser erreichen als auf dem Wege der öffentlichen Ausschreibungen?
Der Herr Abgeordnete hat vorgetragen, daß schon Vorbereitungen im Gange seien, die uns adle eines Tages mit einer Riesenwelle überschwemmen würden. Ich bin sehr dankbar für den Hinweis; denn ein Hinweis auf eine Gefahr wird uns um so behutsamer machen. Ich bitte Sie, das nicht ironisch aufzufassen, es ist mir wirklich ernst; denn ich sehe ein, daß in diesen Dingen große Gefahren stecken. Ich halte auch Ihre Besorgnis für unbegründet, daß eine moralische Verpflichtung entstehen könnte, aus irgendwelchen Versuchs- oder Entwicklungsaufträgen demnächst Serienaufträge zu machen. Die Übertragung solcher Entwicklungsarbeiten hat meines Erachtens keine so bindende Kraft, daß daraus die Konsequenz gezogen werden müßte, demnächst die so erzeugten Rüstungsgüter mit Preisen zu bezahlen, die erheblich über dem liegen, was sonst marktmäßig bezahlt werden müßte. Im übrigen ist bei denjenigen Verträgen, bei denen die Selbstkostenerstattung notwendig sein wird, weil keine Marktpreise da sind, die von Ihnen gewünschte nachträgliche Überprüfung der Preise möglich. Ich habe es daher sehr begrüßt, daß es möglich war, mit Herrn Blank eine Vereinbarung darüber herbeizuführen, daß in jedem Falle, in dem eine solche nachträgliche Preisprüfung durchgeführt wird, das Bundeswirtschaftsministerium vorher mit eingeschaltet wird. Denn wir haben gerade ein Interesse daran, das Preisniveau nicht in Bewegung geraten zu lassen, jedenfalls da nicht in Bewegung geraten zu lassen, wo diese Bewegung verhindert werden kann.
Herr Abgeordneter Schmidt hat erwähnt, daß Investitionen schon fehlgelaufen seien und daß wir uns dabei hätten einschalten müssen. Da habe ich allerdings ein wenig die Ohren gespitzt. Denn wir möchten uns natürlich getreu dem System der Sozialen Marktwirtschaft nicht in private Dinge mischen. Wir möchten nicht gern, daß ein Unternehmer, der einmal etwas fehlinvestiert hat, eines Tages bei uns antritt und sagt: Nun hört einmal zu; ich habe da fehlinvestiert; bitte, bezahlt mir das! — Wenn also Fehlinvestitionen gemacht wurden, so bedaure ich das im Interesse der Unternehmer. Aber ich glaube nicht, daß der Bundesregierung die Verantwortung dafür zugeschoben werden sollte PS sei denn. daß es sich um Investitionen handelt, die mit öffentlichen Mitteln gefördert worden sind
Für solche Fälle aber, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, versichert zu sein, daß wir uns ernste Mühe geben werden, vorher zu überprüfen, ob die Investitionen richtig und wirtschaftlich vertretbar sind oder nicht. Der Einsatz so großer öffentlich geförderter Mittel, wie er in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung war, hat das unter Beweis gestellt, denn unsere Produktionskapazität hätte ja nicht diesen Siegeslauf vollbracht, wenn wir nicht so zweckmäßig und vernünftig gesteuerte Investitionen gemacht hätten. Wenn also jetzt in der Tat die eine oder andere Million privatim fehlinvestiert worden ist — ich würde es sehr bedauern —, so kann ich es nicht hindern. Investitionen mit Hilfe öffentlicher Mittel, die fehlgelaufen sind, sind mir jedoch nicht bekannt; aber auch die würden wir selbstverständlich mit aller Sorgfalt prüfen.
- Herr Abgeordneter, darin steckt eine echte Gefahr. Aber wir hoffen ja, dieser Gefahr dadurch zu begegnen, daß wir in jedem einzelnen Fall den Versuch machen, öffentlich auszuschreiben. Sie erwähnten vorhin, daß das doch nur sehr reduziert möglich sei. Ich bin nicht ganz Ihrer Meinung, und zwar aus folgenden Gründen nicht. Ich glaube, die Erfahrungen der Vergangenheit können hier nicht als Parallele herangezogen werden. Denn Gott sei Dank ist es dank der Politik der Bundesregierung möglich geworden, daß die öffentlichen Ausschreibungen nicht auf einen nationalen Raum beschränkt bleiben, und wir sind sehr glücklich darüber. Sie können sicher sein, daß wir nicht zögern werden und der Verteidigungsminister als allerletzter zögern wird, wenn es möglich ist, aus Italien, aus Frankreich oder aus Holland das eine oder andere Rüstungsgut billiger oder besser hereinzunehmen.
— Herr Abgeordneter Schöne ist so liebenswürdig, die fleet in being noch einmal zu erwähnen, die Herr Abgeordneter Schmidt auch schon als Bonmot gesetzt hat. Als diese fleet in being vorhin bei der Zollermächtigung zitiert wurde als ein Widerspruch zu der Erklärung des Wirtschaftsministers, es sei keine Gefahr auf dem Preisgebiet, habe ich mich daran erinnert, daß ich bei einer Fahrt in der Bundesbahn es keineswegs als Widerspruch gegen die Verkehrssicherheit der Bundesbahn empfand, daß dort eine Notbremse neben einem MinimaxGerät angebracht ist.
— Ich bin dem Herrn Abgeordneten Schmidt für diesen Hinweis sehr dankbar. Denn dann darf ich noch einmal näher darauf eingehen, und ich hoffe, daß es dann ein Elfmeterschuß für mich wird.
Meine Damen und Herren, am 26. Mai 1955 ist in die Geschäftsordnung des Bundestages der § 96 a eingefügt worden. Ich habe ihn mir als „Minimax"
mit hierhergenommen; ich wußte allerdings nicht, daß ich zum Abschießen kommen würde.
Dieser § 96 a lautet folgendermaßen:
Vorlagen der Bundesregierung auf Änderung des Zolltarifs gemäß § 4 des Zolltarifgesetzes vom 16. August 1951 werden, wenn sie von der Bundesregierung als dringlich bezeichnet sind, vom Präsidenten des Bundestages unmittelbar dem zuständigen Ausschuß überwiesen. Der zuständige Ausschuß hat sie innerhalb von zwei Wochen nach Eingang beim Ausschuß zu beraten. Der Bericht des Ausschusses ist auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages zu setzen. Wenn der Ausschuß seine Beratungen nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen abschließt, ist die Vorlage ohne Ausschußbericht zur Beschlußfassung auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages zu setzen.
Nun die Anwendung. Von dieser neuen Bestimmung ist erstmals bei der Vierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen betreffend Elektrobleche und Wälzlagerstahl Gebrauch gemacht worden. Der Verordnungsentwurf wurde am Montag, dem 6. Juni 1955, also vor wenigen Tagen, vom Bundeskanzleramt dem Präsidenten des Bundestages zugeleitet. Am Mittwoch, dem 8. Juni, ist er bereits im Bundestagsausschuß für Außenhandelsfragen beraten und am gleichen Tage im Bundestagsplenum verabschiedet worden. In diesem Fall hat „Minimax" tatsächlich gut funktioniert.
- Bitte, Herr Abgeordneter.