Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Hause manchmal kritisiert worden, daß die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen wirtschaftspolitisch tätigen Ministerien nicht immer ganz so funktioniert, wie es wohl wünschenswert wäre. Wir haben in jüngster Zeit zwei Beispiele dafür erlebt. Ich nenne etwa das Paritätsgesetz oder das Verkehrsfinanzgesetz. Es ist so, daß in der Praxis eben leider nicht alle Stellen, die hier Wirtschaftspolitik machen, ganz Hand in Hand arbeiten.
Nun, das Problem wird in unmittelbarer Zukunft an Bedeutung gewinnen, wenn eine neue oberste Stelle hinzukommt, die in ihrer Tätigkeit wirtschaftspolitische Auswirkungen herbeiführt, wenn nämlich das Verteidigungsministerium mit seinen militärischen Beschaffungen in dieses Spiel hineinkommt.
Das Verteidigungsministerium und der militärische Beschaffungsapparat werden in Zukunft eine wirtschaftspolitisch immer gewichtigere Rolle spielen; und wenn die Mehrheit dieses Hauses bisher vielleicht gewisse Mängel an Koordination zwischen Wirtschaftsministerium und Landwirtschaftsministerium oder zwischen Wirtschaftsministerium und BdL hingenommen hat — wir haben sie hier sehr häufig kritisiert —, so glaube ich doch, daß für die Zukunft, was die Koordination zwischen Rüstung auf der einen und Wirtschaftspolitik auf der anderen Seite angeht, niemand hier in diesem Hause wünscht, daß die militärische Beschaffung ohne eine höhere Kontrolle von seiten des Wirtschaftsressorts abläuft.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hierbei leider nicht um ein theoretisches Problem etwa der ferneren Zukunft, sondern um eine sehr aktuelle und praktische Frage. Denn wie Sie wissen, haben das Bundesverteidigungsministerium und der Herr Bundesfinanzminister heute vor 10 Tagen die ersten größeren Millionenbeträge für die Einleitung von militärischen Beschaffungen angefordert, und nicht nur dafür, sondern auch für militärische Entwicklungen, die später zu Aufträgen und zur Beschaffung hinführen sollen.
Wenn Sie hinsichtlich der Rüstungsverfahren und hinsichtlich der Kontrolle über diese Rüstungsverfahren nicht von vornherein feste Gleise legen und die Weichen richtig stellen, so besteht die Gefahr — und das ist der deutschen Öffentlichkeit allgemein bewußt —, daß wir in eine wildwuchernde militärische Technokratie, in eine wildwuchernde Rüstungsbürokratie hineingeraten. Die Gefahr, die hierin liegen kann, ist allgemein erkannt.
Ich darf vielleicht noch zwei konkrete Hinweise geben, um darzutun, daß es sich nicht nur um theoretische Gefährdungen handelt. Ich darf z. B. darauf hinweisen, daß die Außenstelle Koblenz des 'Verteidigungsministeriums, die heute keine 200 Köpfe umfaßt, nach den Plänen des Verteidigungsministeriums im Laufe von drei, vier Jahren auf 1800 Köpfe gebracht werden soll — alles Leute, die nichts weiter tun, als militärisches Gerät und Waffen zu beschaffen. Sie mögen sich bitte anhand dieser Zahlen vorstellen, welchen enormen Umfang die Sache in kurzer Zeit bekommen wird. Oder ich darf einen anderen Hinweis geben: Es ist aus dem Verteidigungsministerium bekannt, daß man in dieser Außenstelle Koblenz damit rechnet, daß vom ersten Tage ab, an dem die Beschaffung anläuft, pro Tag 100 militärische Aufträge das Haus verlassen werden. Das möge Ihnen deutlich machen, welchen zahlenmäßigen Umfang diese Sache von vornherein haben wird und wie außerordentlich wichtig es ist, sie von vornherein in der richtigen Weise verfahrensmäßig zu ordnen und zu kanalisieren.
Soweit man sieht, scheint der Herr Bundeswirtschaftsminister die Gefahren durchaus zu erkennen, die hier für die Einheitlichkeit der Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik und für die Wirtschaftsstruktur auftauchen. Wir erinnern uns, daß er vor einigen Wochen — oder ist es schon einen Monat oder anderthalb Monate her? —, als in Erwartung der Rüstungskonjunktur in einigen Sektoren unserer Volkswirtschaft die Preise anzogen, mehr aus psychologischen Gründen wahrscheinlich denn aus effektiven Mangellagen, groß ankündigte, er werde sich vom Kabinett und vom Parlament eine Vollmacht geben lassen, um im Falle von durch die Rüstung herbeigeführten Preissteigerungen die Schleusen der Einfuhrzölle einzureißen, den Import anzureizen und auf diese Weise einen Druck auf die innerdeutschen Preise auszuüben. Sie werden sich erinnern, daß diese Forderung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, der wir voll zugestimmt haben, auf den Widerspruch der Industrie gestoßen ist, daß sie sich im Kabinett nicht durchsetzen konnte und nur in einer sehr verkleinerten und kaum noch wirksamen Form heute in irgendeinem Ausschuß dieses Parlaments darauf wartet, doch noch das Licht der Welt zu erblicken. Sie werden sich erinnern, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister in der Ratifikationsdebatte über die Pariser Verträge, in der er durch einen Zwischenfrager auf diese Sache angesprochen wurde, auf den Widerspruch zwischen dieser seiner Forderung nach einer zollpolitischen Ermächtigung und der Tatsache, daß angeblich preispolitische Befürchtungen gar nicht gegeben seien, aufmerksam gemacht, folgendes sagte: Ich werde sie tatsächlich zwar nicht benutzen — diese zollpolitische Ermächtigung —, ich möchte sie nur als Drohung in der Hinterhand haben. Als „fleet in being" wollte er sie in der Hinterhand haben. Nun, er hat diese „fleet in being" nicht bekommen. Einer meiner Fraktionsfreunde hat gesagt: Die „fleet in being" war torpediert, ehe sie vom Stapel gelaufen war.
Es ist also die Frage, ob das Kabinett und ob die Mehrheit des Hauses auch soviel Einsicht in die Gefahren dieser Rüstung haben, wie sie der Herr Bundeswirtschaftsminister seinerzeit unter Beweis gestellt hat.
Ich gebe ein zweites Beispiel dafür, daß nach meinem Dafürhalten der Bundeswirtschaftsminister durchaus diese Gefahren sieht, die da auf uns zukommen, auch die Gefahren, die darin liegen,
daß sehr viele Stellen miteinander im Widerstreit liegen, daß ein toller Kompetenzkampf sowohl auf der behördlichen wie auf der Verbandsebene sich zur Zeit um den Einfluß auf die Rüstung abspielt, so daß der Bundeswirtschaftsminister, ehe er zu seiner Reise nach Kanada aufbrach, sehr brüsk und sehr deutlich in einem viel nachgedruckten Interview gesagt hat: Die Zuständigkeit für die Rüstungswirtschaft liegt bei mir, dem Bundeswirtschaftsminister. Nun, meine Damen und Herren, auch in diesem zweiten Beispiel war es zunächst nur ein Anspruch und leider keine Tatsachenfeststellung. Ich sehe, daß der Herr Staatssekretär Westrick freundlich lächelt. Ich sehe dem entgegen, wie Sie darlegen werden, daß es sich doch um Tatsachen handelt, Herr Westrick.
Ich möchte zunächst von mir aus versuchen, darzulegen, wie denn die Tatsachen in bezug auf diese Koordination zwischen Wirtschaftspolitik und Rüstungswirtschaft im Augenblick aussehen. Soweit offiziell bisher bekannt ist, haben die beiden Häuser Erhard und Blank am 2. November 1954 Leitsätze über ihre zukünftige Zusammenarbeit vereinbart. Diese Leitsätze tragen deutlichen Kompromißcharakter. Sie klammern praktisch alle strittigen Probleme aus und überlassen die Klärung — auch aller strittigen Grundsatzprobleme — einem paritätisch von diesen beiden Ministerien zu besetzenden Arbeitsausschuß. Ich darf in Klammern hinzufügen, daß dieser Arbeitsausschuß gerade erst vor wenigen Tagen, d. h. ein halbes Jahr später, hinsichtlich seiner personellen Zusammensetzung geklärt worden ist, und ich glaube, er hat noch gar nicht getagt. Im übrigen enthalten diese Vereinbarungen die Bestimmung, daß es für die Bedarfs- und Beschaffungsprogramme der militärischen Seite des Einvernehmens des Bundeswirtschaftsministers bedürfen soll — ich finde das sehr vernünftig — und daß der Bundeswirtschaftsminister allein zuständig sein soll für Investitionen und Kapazitätsfragen, für Außenwirtschaft, für Bevorratung, für Rohstofflenkung und ebenso für Preisbildung und Preisüberwachung. Ich werde nachher darzulegen haben, daß es sich hier nach unseren Eindrücken mehr um Geschriebenes handelt und daß es in der Praxis wahrscheinlich anders laufen wird.
Zunächst noch zu dem weiteren Inhalt dieser Richtlinien. Die technisch-taktischen Forderungen des Militärs und die Typenauswahl von Waffen und Gerät sollen beim Verteidigungsministerium bearbeitet werden. Das Verteidigungsministerium will sich dafür zwei Behörden schaffen, eine Bundesoberbehörde für Fragen der technischen Entwicklung, ein sogenanntes Technisches Amt, und eine andere Bundesoberbehörde als Beschaffungsamt. Es ist hier nicht der Ort, über die Zweckmäßigkeit dieser Gliederung zu reden. Immerhin aber ist es für dieses Thema von Bedeutung, daß diejenigen, die beschaffen, nämlich das Beschaffungsamt des Militärressorts, nicht das Recht haben sollen, ohne die Zustimmung des Bundeswirtschaftsministers Preisprüfungen selbständig zu vereinbaren und auszüben. Sie sehen, daß hier, wenn das praktisch funktionieren soll, wenn die Preisprüfung bei Rüstungsaufträgen wirklich effektiv sein soll, eine sehr enge Verzahnung zwischen den beiden Häusern in der Praxis notwendig wäre. Einstweilen hat man das Gefühl, daß diese Verzahnung gar nicht sehr eng ist und daß es sich mehr um deutliche Frontstellungen handelt, wenn man auch, auf oberster Ebene, nach außen selbstverständlich den Eindruck aufrechterhalten möchte, daß man miteinander im besten Einvernehmen ist.
Diesem Anschein eines Einvernehmens zwischen den beiden Häusern steht aber entgegen, daß beispielsweise auf zwei Konferenzen der Länderwirtschaftsminister die Herren Bundesminister Blank und Erhard in Fragen der Rüstungswirtschaft in offene Streitgespräche miteinander geraten sind. Es ist nicht unbedingt ein erfreulicher Zustand für die Vertreter der Länder, die mit 20, 25 oder 30 Personen bei diesen Konferenzen anwesend waren und diesem Zwiegespräch, diesem Streitgespräch zwischen zwei Bundesministern zuhören mußten, wenn sich so etwas wiederholt abspielt. Es hat sich bei allen Beteiligten daraus der Eindruck ergeben, daß eben die Koordination zwischen diesen beiden Häusern tatsächlich keineswegs so weit fortgeschritten und so weit kanalisiert und auf Geleise gelegt ist, wie es nach außen den Anschein haben mag.
Ich möchte hinzufügen, daß diese Koordinationsrichtlinien zwischen dem Rüstungsressort und dem Wirtschaftsministerium nicht nur materiell unzureichend scheinen, weil sie alle wichtigen Fragen ausklammern und auf die Zukunft verschieben, sondern auch hinsichtlich ihres Rechtscharakters unzureichend sind. Es ist die Frage zu stellen, ob denn diese außerordentlich wichtigen Dinge, die doch Präjudizien darstellen, für die zukünftige rüstungswirtschaftliche Entwicklung, die Sie wollen, wirklich unter Ausschaltung des Parlaments so zwischen zwei Häusern geregelt werden können und ob das überhaupt eine ausreichende Rechtsbasis für die Verfahrensregelung in der Rüstungswirtschaft ist. Die Gefahr besteht, daß nicht nur der Herr Bundeswirtschaftsminister, sondern daß auch das Parlament bei der weiteren Entwicklung der Rüstungswirtschaft sehr schnell überspielt werden kann; denn tatsächlich sind doch schon eine Reihe von Dingen eingeleitet worden. Es ist doch nicht so, daß wir noch auf der grünen Wiese stehen und daß der Herr Verteidigungsminister erst morgen oder übermorgen, wenn er etwa auf Grund dieser Anforderung die Mittel bewilligt bekommt, anfängt, Aufträge zu geben oder Entwicklungen anzuregen. Tatsächlich — das weiß jeder in diesem Hause — sind doch sehr viele Dinge auf seiten der Industrie und auch auf Anregung durch das Haus Blank bereits im Gange. Ich weise darauf hin, daß in bestimmten Sektoren der deutschen Industrie seit Jahr und Tag militärische Entwicklungen vorgenommen wurden, allerdings nicht im formellen Auftrag durch die damalige Dienststelle Blank, auch nicht auf Kosten der Dienststelle Blank, sondern nur auf Anregungen und im Gedankenaustausch und Kontakt mit dieser Dienststelle und ihren Bearbeitern, und zwar auf Kosten der Industrien, die diese Entwicklungen und Konstruktionen gemacht haben. Daraus hat sich nun so etwas wie das Gefühl auf beiden Seiten ergeben, daß dann doch wohl so eine Art moralischer Verpflichtung vorläge, nachdem nun schon die und die Industriewerke jene und jene Entwicklungen in laufender Zusammenarbeit mit dem Verteidigungsressort vorgenommen und viel Geld investiert haben. Da meint man nun auf beiden Seiten, daß damit auch so etwas wie ein moralischer Anspruch gegeben sei, daß hinterher auch ein Auftrag fällig ist, — vorausgesetzt, daß
der Typ, den man entwickelt hat, überhaupt brauchbar ist.
Es gibt also auch auf dem Gebiete der Investitionen vollendete Tatsachen. Eine Reihe von nur rüstungswirtschaftlich relevanten Investitionen auf verschiedenen Sektoren der deutschen Industrie — ich will die Werke hier nicht nennen, um niemanden persönlich zu diskreditieren — sind getätigt. Ich frage das Bundeswirtschaftsministerium: ist Ihnen bekannt, daß es sich hier zum Teil, durchaus heute schon erkennbar, um Fehlinvestitionen, um überflüssige Investitionen, um Kapitalvergeudung, wenn Sie so wollen, handelt? Wie wollen Sie eigentlich darauf noch Einfluß nehmen? In Ihren Leitsätzen steht, daß der gemeinschaftliche Ausschuß die gemeinschaftlichen Fragen behandeln soll, aber daß Sie im Bundeswirtschaftsministerium die Verantwortung haben für Investitionen und Kapazitäten.
Ich glaube, es ist dringend notwendig, daß die Bundesregierung in die Organisationsfragen der militärischen Beschaffung hineinsteigt und daß dieser ganze eng verzahnte Kompetenzkampf, der sich zur Zeit abspielt, einmal in aller Öffentlichkeit erörtert werden und daß die Bundesregierung dazu ihre Absichten bekanntgeben muß. Es handelt sich nicht nur darum, daß auf den Länderwirtschaftsminister-Konferenzen — um auf diese zurückzukommen — etwa die beiden Bundesminister einander in die Haare geraten, sondern auch die Länder untereinander geraten sich in die Haare; es geraten sich auch die Länder und das Bundeswirtschaftsminsiterium in die Haare, wenn es sich z. B. darum handelt, auf welche Weise der von den Ländern erstrebte regionale Einfluß auf die Streuung der Aufträge hier in Bonn kanalisiert werden soll, ob direkt zum Verteidigungsministerium oder über den Bundeswirtschaftsminister, wie es Herr Professor Erhard erstrebt. Es gibt z. B. den Kampf zwischen den Ländern auf der einen Seite und den von den Industrie- und Handelskammern, zum Teil gemeinsam mit den Ländern, in dem letzten Jahr aufgebauten öffentlichen Auftragsberatungsstellen. Wenn Sie sich die Protokolle dieser vielen Sitzungen um die Kompetenzverteilung ansehen, meine Damen und Herren, dann gewinnen Sie ein abstruses Bild von dem Stand der organisatorischen Vorbereitung.
Trotz dieser Kampfstellung, in der sich das Bundeswirtschaftsministerium offensichtlich befindet, besteht der nachhaltige Eindruck, daß die Vorbereitungen innerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums für diese Aufgabe nicht zureichend sind. Das Bundeswirtschaftsministerium hat vor einiger Zeit einen höheren Beamten beauftragt, als Spezialreferent, wenn Sie so wollen, für diese ganzen Fragen innerhalb des Hauses die Dinge in die Hand zu nehmen. Es hat nicht lange gedauert, dann wurde dieser Herr durch einen anderen ersetzt, der nun diese Aufgabe hat. Aber man kann nicht den Eindruck gewinnen, als ob im Bundeswirtschaftsministerium nun tatsächlich in allen Punkten klare Konzepte vorhanden sind. Im Gegenteil, man muß den Eindruck gewinnen, daß z. B. die Herren des Verteidigungsministeriums den Kampf mit dem Wirtschaftsministerium auf die leichte Schulter nehmen. Das ist ein Gegner in der Auseinandersetzung, den sie, so scheint mir, gar nicht mehr so wichtig nehmen. Viel ernster und gewichtiger scheint ihnen zu sein, was sie an Auseinandersetzungen mit dem Bundesfinanzministerium zu gewärtigen haben. Ich habe den Eindruck, Herr Staatssekretär Westrick, daß auf militärischer Seite Ihr Haus als Partner gar nicht mehr so für voll genommen wird, wie es eigentlich angemessen wäre.
Neben diesen im Ergebnis sehr mageren organisatorischen Vorbereitungen hinsichtlich der Kontrolle auf der Ebene der Bundesregierung gibt es nun — das deutete ich schon an, als ich von den öffentlichen Auftragsstellen sprach — auch einen erheblichen Kampf auf der Ebene der Wirtschaftsverbände. Beispielsweise wollen der Bundeswirtschaftsminister und auch der Bundesverteidigungsminister das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt nur im Notfall in die Rüstungswirtschaft einschalten. Übereinstimmend wird in beiden Häusern gesagt, nur für den seltenen Fall von Engpässen will man sich dieses Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft ausnahmsweise bedienen. Auf der anderen Seite gibt es aber in der Industrie und auch in der größten Fraktion dieses Hauses sehr einflußreiche Kreise, die dieses Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft von vornherein in jede rüstungswirtschaftliche Einzelentscheidung einschalten wollen, die also möchten, daß dieses Bundesamt in jedem konkreten Auftragsfall bei der Wahl des Vergabeverfahrens wie bei der Firmenauswahl — wenn es sich um beschränkte Ausschreibung handelt — eingeschaltet werden soll. Ich will hier nicht untersuchen, welche Motive bei den geschätzten Kollegen in diesem Hause für diese Absicht vorliegen. Wohl aber sind mir bei einem Teil der Industrie, die für die Einschaltung des Bundesamtes besorgt ist, sehr eindeutige Motive erkennbar. Wie in der Zeit, als die fachlichen Beiräte dieses Bundesamtes — in denen die Industrie saß — einen sehr großen Einfluß auf dieses Bundesamt hatten, so hofft man nämlich auch in Zukunft einen stärkeren Einfluß auf die Rüstungswirtschaft zu behalten, wenn dieses Bundesamt stärker eingeschaltet wird.
Die Industrie ist sich Gott sei Dank in diesem Punkte nicht ganz einig. Der Bundesverband der Industrie befindet sich in Auseinandersetzungen mit einigen Verbänden und mit dem Deutschen Industrie- und Handelstag, mit dem er in zwei formellen Erklärungen, die im Laufe der letzten Jahre abgegeben worden sind, so eine Art formellen Waffenstillstand in diesem Kompetenzstreit abgeschlossen hat, wer von beiden die Bundesressorts bei der Rüstung beeinflussen dürfe. Er hat auch in seinem 'eigenen Verbandsrahmen außerordentlich viel aufgebaut. Es gibt dort einen Arbeitskreis für Rüstungsfragen, der schon seit langer Zeit arbeitet und der Bundesregierung sicherlich auch einige verdienstvolle Hilfe geleistet hat. Er hat sich aber auf der anderen Seite als Hilfsorgane 20 — inzwischen sind es vielleicht schon 30 — Arbeitskreise für ganz bestimmte Rüstungssektoren geschaffen. Es besteht ein sehr enger Kontakt und eine sehr weitreichende Einflußnahme von diesen 20 bis 30 Arbeitskreisen, die auf bestimmten Rüstungssektoren arbeiten, auf die zuständigen Referenten, insbesondere in Koblenz, aber wohl auch im Bundeswirtschaftsministerium.
Ich habe einmal von einem 'maßgeblichen Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums eine sehr scharfe Erklärung gegen diese Organisation im Rahmen des Bundesverbandes der Industrie ge-
lesen. Ich wäre dankbar, wenn wir heute bei dieser Gelegenheit dazu eine Klarstellung erhalten könnten.
Im übrigen gibt es in der Industrie auch wieder einige Kreise, etwa auf dem Sektor der Textilwirtschaft, die weder mit der Sache, die der Bundesverband der Industrie eingefädelt hat, noch mit diesem Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt, sondern lieber mit den öffentlichen Auftragsstellen arbeiten wollen, die sich in den Ländern den Industrie- und Handelskammern ankristallisiert haben. Es gibt da also sehr viele verschiedenartige Tendenzen.
Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß die Industrie- und Handelskammern, zum Teil auch die öffentlichen Auftragsberatungsstellen, mit den Ländern im Kampfe liegen. Daß sich die Länder am liebsten überhaupt sehr weitgehend bei der ganzen Frage einschalten möchten, wissen Sie. Wenn ich dann zum Schluß noch einmal auf die Bundesebene zurückkomme und sage, daß zweifellos auch das Bundesernährungsministerium — ich denke an die ganze Verpflegung für die Streitkräfte — gewisse Kompetenzen wird wahren wollen, und wenn ich darauf hinweise, daß sich das Bundesfinanzministerium bereits gesichert hat, daß sämtliche militärischen Bauaufträge über die Bundesbaudirektion abgewickelt werden, dann mögen Sie daraus erkennen, welche Vielzahl von öffentlichen, privaten und Verbandsstellen seit Jahr und Tag unter der Decke in einem Kompetenzkampf miteinander begriffen sind und wie dringend notwendig es ist, heute, da die Beschaffung bereits eingeleitet ist und da die ersten Mittel zur Verfügung gestellt werden, übersichtliche Gleise zu legen.
Meine Damen und Herren, wir befürchten, daß die gegenwärtig undurchsichtige und ungeklärte Lage ein vorzüglicher Nährboden für eine sehr unheilvolle autonome Entwicklung der Rüstungswirtschaft werden könnte. Wir anerkennen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister diese rüstungswirtschaftliche Autonomie grundsätzlich nicht zulassen will. Wir teilen seine Sorge vor derartigen Entwicklungen. Wir müssen aber feststellen, daß die bisherigen organisatorischen und verfahrensmäßigen Vorbereitungen sowohl im Bundeswirtschaftsministerium wie insbesondere auch im Kabinett unzureichend sind, wenn nicht diese Rüstungsorganisation eben doch schon nach kurzer Zeit die Sicherstellung der wirtschaftspolitischen, der sozialpolitischen Belange überspielen soll.
Es sei z. B. darauf hingewiesen, daß die preispolitischen Erwägungen im Hause des Bundeswirtschaftsministers einstweilen nur den Eindruck des, sagen wir, embryonalen Zustandes machen. Wir stimmen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister durchaus bei, wenn er großes Gewicht darauf legt, auch bei militärischen Aufträgen nach Möglichkeit marktwirtschaftlich zu verfahren. Aber wir sind uns doch auch darüber klar, meine Damen und Herren — und jeder, der etwas Fühlung mit der Industrie hat oder 'dorther kommt, ist sich darüber, klar —, daß ein großer Teil der Rüstungsaufträge sich im Ergebnis der marktwirtschaftlichen Preisbildung leider entziehen wird. Es hat also keinen Zweck, vor diesem Teil der Aufträge und der Beschaffung, der im Laufe der Zeit immer größer werden wird — die Unterhosen spielen nachher eine immer geringere Rolle, die Kanonen, Panzer,
Fahrzeuge und Flugzeuge aber eine immer größere Rolle, Herr Westrick! —, die Augen zu verschließen. Man muß also heute schon wissen, wie man preispolitisch mit diesem Sektor der Aufträge verfahren will.
Es gibt für diese Fälle die vom Bundeswirtschaftsminister erlassene Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, der Leitsätze für die Preisbildung auf der Grundlage von Selbstkosten angehängt sind. Nun stelle ich die Frage: Sollen diese Leitsätze, soll diese Verordnung auch für die militärische Beschaffung gelten? Es hat den Anschein. Wenn ja, dann bedarf diese Verordnung doch wohl sehr sorgfältiger Durchleuchtung und erheblicher Ergänzung. Wir hoffen sehr, daß dieses Problem aufgegriffen wird, zumal es sehr große öffentliche Verwaltungen gibt, die seit beinahe zwei Jahren mit dieser Verordnung arbeiten und ihre Milliardenbeschaffungsetats nach dieser Verordnung abwickeln, d. h. die Preisfeststellungen bei vielen Aufträgen, die eben nicht marktwirtschaftlich abgewickelt werden können, nach diesen Leitsätzen vornehmen. Es gibt dabei durchaus Erfahrungen, die schrecken, und die muß man sich ansehen. Man muß sich überlegen, ob sich nicht aus den Erfahrungen, die z. B. bei Bahn und Post mit dieser Art der Preisfindung gesammelt worden sind, etwas für die militärische Beschaffung ergibt, die einen viel größeren Umfang annehmen wird, als wenn die Deutsche Bundespost Telefonapparate bei Telefunken bestellt.
Oder ein anderes Beispiel. Die Mehrheit dieses Hauses hat — übrigens gegen den Willen des Herrn Bundeswirtschaftsministers — vor einiger Zeit den § 19 aus dem Wirtschaftsstrafgesetz gestrichen. Auf der anderen Seite werden wir in absehbarer Zeit auch noch kein deutsches Kartellgesetz, kein deutsches Kartellrecht haben. Drittens aber müssen wir doch damit rechnen, daß insbesondere bei beschränkter Vergabe, aber auch bei öffentlicher Ausschreibung Ringbildungen seitens der anbietenden Industrien auftreten werden. Daran ist doch gar kein Zweifel. Jeder, der als Kommunalpolitiker öffentliche Ausschreibungen für Bauten in der Gemeinde vornimmt, weiß doch, daß das an der Tagesordnung ist. Um so mehr nachher in der gut organisierten Industrie! Sie werden also noch und noch, am laufenden Band solche Ringbildungen erleben, wo man sich gemeinsam auf den Angebotspreis einigt. Wie denkt sich eigentlich der Bundeswirtschaftsminister oder wie denkt sich die Mehrheit des Hauses, nachdem Sie den § 19 im Wirtschaftsstrafgesetz abgeschafft haben und nachdem Sie ein Kartellgesetz, wie ich bisher sehe, einstweilen wohl nicht zustande bringen werden, ein Einschreiten in diesen Fällen?
Es gibt eine Reihe derartiger Beispiele — meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen und Ihre Zeit nicht mehr in Anspruch nehmen —, die in aller Klarheit deutlich werden lassen, daß wir in der Tat wegen der schlechten gesetzlichen, rechtlichen Vorbereitung des Ablaufs der von Ihnen gewollten Rüstung vor großen Gefährdungen stehen. Wir stehen vor der Gefahr, daß hier vollendete Tatsachen geschaffen werden und Entwicklungen sich einbetten und zementiert werden, längst ehe in diesem Hause offiziell, etwa an Hand von Vorlagen der Bundesregierung, dar-
über gesprochen wird. Diese Aussichten erfüllen uns mit tiefer Sorge. Wir erwarten von der Bundesregierung eine Klarlegung ihrer Auffassung zu diesen Fragen. Wir erwarten vom Kabinett, daß keinerlei militärische Beschaffungen eingeleitet werden, ehe nicht die Beschaffungsverfahren, die Kontrolle und die Preisstellung rechtswirksam so festgelegt worden sind, daß sie nicht, wie es uns heute leider dünken muß, unserem Volke und seiner Wirtschaft und seinem sozialen Standard mehr Schaden zufügen können, als infolge einer Rüstung ohnhin leider unvermeidlich ist.