Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit das Projekt einer sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft auf der Basis des Sechs mehr oder wenig sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden ist und seit die sogenannte Europäische Verteidigungsgemeinschaft in Frankreich scheiterte, stehen wirtschaftliche Fragen der europäischen Zusammenarbeit wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Nicht nur amtliche Stellen, sondern auch sachverständige Persönlichkeiten äußern sich in der letzten Zeit sehr oft in dieser oder jener Richtung, und überall spürt man das Bemühen, wegzukommen von den mehr lyrischen Vorstellungen, die früher die Europa-Diskussion beherrschten, und dahin zu kommen, daß man auf der Grundlage sachlicher Untersuchungen nächste Schritte für die Förderung der europäischen Zusammenarbeit ausarbeitet.
Dabei haben wir als Sozialdemokraten eine Bemerkung zu machen. Wir glauben zu spüren, daß so etwas wie ein Bann gebrochen ist, der Bann nämlich, der darin bestand, daß man sagte: Wer gegen den Schumanplan ist, der ist gegen Europa, wer gegen die EVG ist, ist gegen Europa. Ich glaube, wenn Sie jetzt einmal eine Liste solcher Gegner, die sich heute freimütig äußern, zusammenstellten, würden Sie sehen, daß dabei sehr viele wirklich anerkannte Freunde Europas sind, die Sie früher nicht in dieser Offenheit reden hörten.
Deshalb halten wir es für richtig, hier wenigstens den einen oder anderen Gedanken klarzustellen. Wir hören zwar von vielen Seiten in Deutschland: Wir haben die wirtschaftlichen Risiken und die Nachteile, die auf uns zukommen, damals auch schon gesehen; wir haben sie in Kauf genommen, um aus einer politischen Situation herauszukommen, die unbefriedigend war, und wir sind heute dabei, dieses Übel mehr oder weniger zu verkleinern; darauf soll sich die erste Aktivität erstrecken. Ich werde hierzu noch eine andere Bemerkung machen; ich möchte aber noch etwas vorausschicken.
In diesem Ringen um die Frage: Wer ist nun eigentlich der Freund der europäischen Einigung? hat das Schlagwort „supranational" immer wieder eine Rolle gespielt. Es wurde so getan, als ob schon mit diesem Begriff allein das einheitliche Europa gesichert wäre. In der Zwischenzeit haben wir insbesondere im Hinblick auf das, was durch die Veränderung in der Präsidentschaft der Hohen Behörde vor sich gegangen ist, doch selbst unmittelbar einen Anschauungsunterricht bekommen. Der Anschauungsunterricht geht nach meiner Auffassung dahin, daß man sagen kann: selbst wenn eine solche supranationale Gemeinschaft besteht, findet die Supranationalität ihre Grenze dort, wo die weiterhin agierenden Regierungen politisch entscheidende und grundlegende Differenzen haben.
Wir haben gespürt, daß wir, wenn die Regierungschefs dieser sechs Länder zusammenwaren, eigentlich so etwas wie eine „superhohe Behörde" hatten. Wir konnten feststellen, daß sie sich mehr oder weniger als die Gönner fühlten, die jederzeit die Möglichkeit würden nutzen können, diese Art von Gemeinschaft auch umzugestalten, wenn sich das politisch für sie als zweckmäßig erweist.
Wenn wir auf dieser Seite die Frage der Supranationalität ein wenig anleuchten, so spüren wir, daß es auf der anderen Seite sogenannte intergouvernementale Einrichtungen gegeben hat und auch heute noch gibt, z. B. die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris, die OEEC, die sicherlich h auf recht beachtliche Erfolge zurückblicken kann. Nehmen wir allein das, was sich aus der Europäischen Zahlungsunion an segensreichen Wirkungen für die Verflechtung der europäischen Wirkungen wirtschaften ergeben hat. Dabei spüren wir, daß es sich hierbei zwar um eine intergouvernementale Einrichtung handelt, also um eine Zusammenarbeit auf der Basis der Verständigung der Regierungen untereinander, allerdings in einer gemeinsamen Institution, daß aber dort nicht jede Regierung und jedes Land von einem Vetorecht beliebig Gebrauch machen kann — und das auch nicht getan hat —, sondern daß auch dort die politische Situation immer Grenzen setzte. Dabei haben wir als Parlamentarier allerdings immer wieder bedauert, daß es keine echte Mitwirkung der öffentlichen Meinung in schwerwiegenden Entscheidungen gegeben hat, daß man vielmehr immer wieder mehr oder weniger auf Schleichwegen erfahren mußte, wie und mit welcher Begründung diese und jene Ansicht vorgetragen worden ist.
Für uns liegt also das Problem sehr viel stärker dort, wo es notwendig wird, auch die öffentliche Meinung, auch den Nichtfachmann, auch den kleinen Mann im Volke 'wissen zu lassen: wo gibt es echte, grundlegende Differenzen, die man nicht überwinden kann, und wo gibt es demgegenüber die Notwendigkeit, auch von einem Volke, auch von einer Bevölkerung für den Augenblick gewisse Opfer zu verlangen, um auf diese Weise eine gemeinsame Linie für die Erreichung der größeren Ziele einer europäischen Gemeinschaft sicherzustellen? Da möchte ich behaupten, daß, wenn wir einmal genauer untersuchen, in welcher Richtung sich die Supranationalität der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Montanunion, wirklich bewährt hat, wir nicht behaupten können, daß diese Art von Betonung der Supranationalität die Verstimmung und die Mühe gelohnt hat, die aufgewandt werden mußte, um immer wieder auch die Abgrenzung gegenüber den nicht der Montanunion angehörenden Ländern nachträglich zu begründen.
Wir sollten in Zukunft über diese Schlagworte wirklich nicht mehr stolpern, sondern sollten herausfinden, daß es auch in der praktischen Arbeit insbesondere der OEEC in der Vergangenheit Situationen gegeben hat, in denen einzelne Länder eine
europäische Solidarität spürten, die von anderen getragen wurde. Auch die Bundesrepublik ist dabei nicht unbeteiligt. Wir haben in der großen Zahlungsbilanzkrise des Jahres 1951 den Vorteil gespürt, der darin bestand, daß die anderen Länder uns ein gewisses Moratorium in bezug auf die Liberalisierung usw. gewährten, und wir müssen diesen Ländern dankbar sein, daß sie nicht kurzerhand nur ihre eigenen Interessen sahen.
Aus solchen Solidaritätssituationen erwächst aber auch für eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die in der Zwischenzeit erstarkt ist, die Verpflichtung, sich in bewußter Weise einzuschalten und bereit zu sein, auch dann eine gewisse Langmut zu zeigen, wenn wir glauben, andere seien nicht ganz so tüchtig wie wir und würden aus diesem Grunde nicht immer ihren Verpflichtungen so nachkommen, wie wir das erwarten.
Ich glaube, daß wir hier die Notwendigkeit vor uns sehen, gerade diese Zusammenarbeit auf der Basis der OEEC und der EZU in einer Weise zu entwickeln, die auch die öffentliche und die internationale Diskussion über die dort zu fällenden Entscheidungen stärker betont.
Nun möchte ich einen Augenblick zurückschalten auf die aktuelle Diskussion. Ich will hier nicht die einzelnen Vorschläge begutachten, die im Zusammenhang mit der bekannten Konferenz in Messina gemacht worden sind. Ich will nicht auf das deutsche Memorandum, das Benelux-Memorandum eingehen, auch nicht auf die Tatsache des Rücktritts des Herrn Präsidenten Monnet, sondern ich möchte hier klar und eindeutig sagen: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat sich immer zum Gedanken der europäischen Solidarität und zum Gedanken der europäischen Einheit bekannt, sie hat sich nur geweigert, diesen Gedanken sozusagen als Tarnung benutzen zu lassen für höchst handfeste Bestrebungen, die sehr oft alles andere als wirklich international begründet waren.
Wenn wir diesen Gedanken betont haben, dann glaubten wir dabei, daß für die Masse der Bevölkerung die wirtschaftliche Gesundung in allen Ländern und die stetige Hebung des Massenwohlstandes sozusagen überhaupt erst die Grundlage dafür schaffen würden, daß der europäische Gedanke zum Zuge kommt.
Dabei haben wir vor allem zu beachten, daß es in Europa ein sehr starkes soziales Gefälle gibt, ein Gefälle, das man beinahe von Norden nach Süden begleiten und beobachten kann. Man kann nun nicht einfach mit dem Gedanken spielen, man brauche sozusagen nur die Grenzen zu beseitigen und die Hemmnisse zu überwinden, die dem gegenseitigen Austausch entgegenstehen, sondern man muß eine bewußte gemeinsame Sozial- und Wirtschaftspolitik betreiben, um diese Art von Naturgegebenheit, die man heute noch akzeptiert, auch beseitigen zu können. Wir fordern daher eine Politik der gemeinsamen Anstrengung, um die wirtschaftliche Ausweitung in Europa gemeinsam voranzutreiben. Dabei wollen wir nicht irgendwelchen Autarkiebestrebungen das Wort reden, weder auf der Basis der einzelnen Länder noch auf der Basis von Sondergemeinschaften innerhalb des freien Teils von Europa, den wir hier zu vertreten haben.
Dazu eine weitere Feststellung. Wir haben im Zeichen der Konjunktur der vergangenen Jahre sehr viele Dinge sich einpendeln sehen — auch im europäischen Raum —, die in dem Augenblick, wo die Wirtschaftstätigkeit nachlassen würde, nicht ohne weiteres gesichert wären. Wir spüren, daß die Wachsamkeit besonders in dieser Richtung zu gehen hätte. Die Fortschritte, die erzielt worden sind, sind keineswegs konsolidiert.
Die Ansatzpunkte für die Zusammenarbeit sind sicher dort zu finden, wo sie auch in den vergangenen Jahren zu finden waren: bei der OEEC und der Europäischen Zahlungsunion.
Allerdings, das möchte ich noch einmal betonen, müssen wir für eine internationale, für eine übernationale Diskussion sorgen. Damit meine ich insbesondere, daß die Informationen, die den Abgeordneten der einzelnen Länder — ich darf hier auch die Bundesrepublik nennen — über den Stand der Verhandlungen, über das, was man als Ziel anstrebt, gegeben werden, nicht gar so einseitig sein mögen, nicht gar so sehr immer nur unter dem Gesichtspunkt: Wir müssen unseren Standpunkt möglichst hart vertreten!, sondern sie sollten auch ein wenig in der Richtung gehen, uns Parlamentarier darüber zu unterrichten, wie die Haltung in anderen Ländern ist und welche begründeten Ansichten von dort her vorgetragen werden. Dafür ein Forum zu finden, wird wahrscheinlich die nächste Aufgabe sein. Wir stellen uns vor, daß die Beratende Versammlung des Europarats in Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion die Voraussetzungen zu schaffen hat.
Wir haben in der Zwischenzeit natürlich zur Kenntnis zu nehmen, daß die Institution der Montanunion existiert. Manche — nicht auf unserer Seite — sagen zwar, es komme nun darauf an, den Vertrag über die Montanunion durch die Exekutive in Luxemburg möglichst immer so eng auslegen zu lassen, daß sich allmählich eine Versteinerung der Begrenzung auf einen Tätigkeitsbereich ergibt, der mehr oder weniger harmlos ist, auf einen Tätigkeitsbereich, der nicht in irgendeiner Weise mit den Interessen der großen und mächtigen privaten Gruppen kollidiert, die bisher und früher — vor allem in Europa — ihre eigene Kohle- und Stahlpolitik, und zwar nach ihren eigenen, besonderen Interessen, gemacht haben. Wir müssen nach unserer Auffassung diese Art von Versteinerung der Montanunion verhindern. Wir glauben, es kommt darauf an, über das Funktionieren dessen, was man einmal nach den ursprünglichen Vorstellungen mit dieser Gemeinschaft erreichen wollte, hinauszuschreiten und diese Gemeinschaft dann wieder in eine gesamteuropäische Wirtschaftsinstitution einzubetten.
Wir glauben — der Gedanke ist von uns immer wieder betont worden—, es kommt darauf an, die Grundstoffindustrien in Europa in ihrer Gesamtheit so zu entwickeln, daß sie die Grundlage für eine stetige Politik der Wirtschaftsausweitung und der Wohlstandshebung für die Masse der Bevölkerung abgeben können. Wir waren der Auffassung, daß diese Politik nicht darauf gerichtet sein sollte, in jedem einzelnen Land möglichst viel Eigenständiges zu entwickeln, sondern gerade die Schwerindustrie bietet nach unserer Ansicht die Grundlage für eine echte politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Wir können aber diese Industrien nicht isoliert sehen, und wir sind der
2. Deutscher Bundestag - 88, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. Juni 1955 4941
Auffassung, daß die Beschränkung auf die sechs Länder - eine Beschränkung, die sich aus der Konstruktion des Vertrages in einem gewissen Sinne ergab — nicht gut war. Wir müssen dabei von einigen Tatsachen ausgehen. Die erste Tatsache ist, daß Kohle und Stahl Wirtschaftsbereiche sind, in denen kaum jemand den uneingeschränkten Wettbewerb über den Preis fordern oder befürworten wird. Hier gibt es also etwas, was vom gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus besonders zu überwachen und im Auge zu behalten ist. Zweitens sind die Industrien Kohle und Stahl besonders konjunkturempfindlich. Sie haben in ihren Auftragsbeständen, wenn Sie die Kurven beobachten, das ständige Überquellen und Überschnellen in die Höhe und das In-die-Tiefe-Gehen, das Hindurchmanövrieren durch Täler, das bei keiner anderen Industrie im gleichen Ausmaß zu verzeichnen ist. Dabei ist die besondere Sorge immer, daß hier die Beschäftigten unter Umständen das Opfer dieser Schwankungen werden, weil sie ja in der Konjunktur nicht die Reserven ansammeln können, die es gestatten, die Konjunkturtäler zu überstehen.
Außerdem ist wohl so, daß Teilintegrationen keine Teilkonjunkturen in diesen Bereichen garantieren. Im Gegenteil, nach unserer Auffassung besteht die Gefahr, da unsere Wirtschaft in so starkem Maße durch die Schwerindustrie beeinflußt wird, daß das Ruhrgebiet dann, wenn die Wirtschaftstätigkeit allgemein zurückgeht, zum Krisenpuffer wird. Es wäre die Möglichkeit gegeben, hier im einzelnen nachzuweisen, welche Gefahren bestehen; aber zusammenfassend kann man folgendes sagen.
In einer Volkswirtschaft, in der Kohle und Stahl ein solches Gewicht haben, wird durch die Herausnahme dieser beiden Industrien aus der Verfügungsgewalt der Regierung in bezug auf aktive Wirtschaftspolitik eine echte Vollbeschäftigungs-, eine stabile Beschäftigungspolitik unmöglich gemacht, und zwar nicht nur für diese Industrien, sondern für die Wirtschaft als Ganzes. Darüber hinaus ist es durch die Herausnahme dieser Industrien aus unserer Zuständigkeit unbestreitbar dazu gekommen, daß zusätzliche Risiken für die Arbeitnehmer in Erscheinung traten. Sie sind latent vorhanden; man kann sie im Augenblick deswegen nicht so in Zahlen beobachten, weil wir insgesamt in Europa eine entsprechende Konjunktur haben. Die Gefahren, die sich auch aus Standortverlagerungen ergeben können, müssen jedoch gesehen werden.
Wenn wir diese Dinge in Rechnung stellen und auf der anderen Seite die Tatsache hinnehmen, daß die Montanunion als Institution besteht, müssen wir die Forderung erheben, daß die Hohe Behörde zusammen mit den Regierungen, zusammen mit dem Ministerrat eine koordinierte Wirtschaftspolitik für den gesamten Bereich nicht nur von Kohle und Stahl, sondern für den gesamten Bereich dieses Gebietes entwickelt, eine aktive Konjunkturpolitik. Dabei ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die Hohe Behörde gemeinsam mit dem Ministerrat im Jahre 1953 bereits eine entsprechende Entschließung gefaßt hat. Sie selbst hat das Problem gesehen, daß sie ihrer Verantwortung nicht gerecht werden kann, die sich aus den großen Zielsetzungen, die in den Artikeln 2 und 3 niedergelegt sind, ergibt, wenn sie nicht gleichzeitig zusammen mit den anderen Regierungen eine aktive Beschäftigungspolitik betreibt.
In dem Augenblick, in dem man diese Notwendigkeit erkennt, wird klar: Aktive Beschäftigungspolitik ist etwas, was sehr rasch die Frage einer gemeinsamen, einer koordinierten Währungspolitik aufwirft. Wir vertreten die Auffassung, die im übrigen auch in der Presse in der letzten Zeit von anderen Sachverständigen vertreten worden ist, daß man eine Währungspolitik, abgestellt auf den Bereich der sechs Länder, nicht betreiben kann, sondern daß für eine solche Währungspolitik, eine abgestimmte Währungspolitik, die absolute Mitarbeit, die absolute Zusammenarbeit mit dem Sterlingblock erforderlich ist. Wenn wir das betonen, dann glauben wir, daß dort auch das Bindeglied zu finden sein müßte, um die Montanunion in ihrer Gesamtheit wieder in eine europäische Wirtschaft hineinzuführen, eine europäische Wirtschaft, die gewissermaßen in parallelen Anstrengungen von den Regierungen her, von der Montanunion als Institution her so vorwärtsgetrieben wird, daß man einheitliche Ziele erkennen kann. Dabei ist die Zusammenarbeit wahrscheinlich am günstigsten zu bewerkstelligen, wenn man den Ansatzpunkt der OEEC in Paris wählt und ihn eindeutig auswertet.
Ich möchte noch einmal die Schlußfolgerung ziehen. Wir sind nicht für das weitere Experimentieren mit Teilintegrationen. Sie verschieben nur die Schwierigkeiten, die heute schon auftauchen, in neue Bereiche. Wir sind für eine enge Zusammenarbeit der Regierungen mit der OEEC, der Regierungen mit der Hohen Behörde der Montanunion und für eine enge Zusammenarbeit dieser Hohen Behörde mit der OEEC. Dabei muß die besondere Rolle der Parlamentarier — ich betone das vor Ihnen — herausgehoben werden. Wir müssen vor allen Dingen in Ausschüssen die Möglichkeit finden, auch von der OEEC Auskünfte zu bekommen, die über unsere eigenen Regierungen vielleicht nicht ohne weiteres zu erhalten wären. Wir müssen die Möglichkeit haben, in diesen Ausschüssen mit den anderen Parlamenten auch über die Gesichtspunkte zu diskutieren, die ihre eigenen Regierungen vertreten. Nur auf diesem Wege werden wir zu einer echten Diskussion kommen.
Wenn wir das als ein Ziel anstreben, so glauben wir, daß die Gemeinsame Versammlung der Montanunion zu einem dynamischen Element, zu einem dynamischen Faktor entwickelt werden kann und daß es dabei durchaus notwendig ist, das Verhältnis zwischen der Hohen Behörde und der Gemeinsamen Versammlung zu verändern. Ich will auf diese mehr verfassungsrechtlichen Dinge in bezug auf die Montanunion nicht eingehen. Das Ziel, das wir dabei im Auge haben, ist, durch eine Zusammenarbeit des Parlaments mit der Exekutive, und zwar in einem Verhältnis, das näher fixiert werden müßte, dem Wirken der privaten Interessengruppen auf dieser Ebene entgegenzuarbeiten und die nationalen Egoismen abzubauen. In bezug auf dieses Vorhaben würde die Gemeinsame Versammlung der Montanunion, das sogenannte Parlament also, nach unserer Auffassung einen guten Ansatzpunkt bilden können.
Zusammenfassend möchte ich sagen: uns scheint es, daß ein Bann gebrochen ist, ein Bann, der deswegen über dieser ganzen Diskussion lag, weil man in bezug aus die militärischen Dinge so weit vorstoßen wollte, daß alles andere nur Anhängsel
zu sein schien. Wenn das aber so ist, dann müssen wir gerade jetzt, da die Konjunktur günstig ist, die institutionellen Vorarbeiten leisten, damit wir die Antriebskräfte bereit halten, die für eine entsprechende Belebung der Konjunktur immer wieder sorgen werden. Wenn dann den Massen der Bevölkerung Europas ein lebenswertes, materiell gesichertes Dasein ermöglicht wird, dann wird dem Gedanken der Einheit Europas der beste Dienst erwiesen.