Protokoll:
18184

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 184

  • date_rangeDatum: 8. Juli 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:57 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/184 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 184. Sitzung Berlin, Freitag, den 8. Juli 2016 Inhalt: Zur Geschäftsordnung Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18217 D Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18219 A Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18220 A Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . . 18221 B Tagesordnungspunkt 33: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- führung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu wei- teren Änderungen des Rechts der erneu- erbaren Energien (Erneuerbare-Energi- en-Gesetz – EEG 2016) Drucksachen 18/8860, 18/9096 . . . . . . . . . 18222 C – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneu- erbaren Energien und zu weiteren Än- derungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Ge- setz – EEG 2016) Drucksachen 18/8832, 18/8972, 18/9096 . . . 18222 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18222 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 18224 A Dr . Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18225 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18226 C Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . 18227 C Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18229 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 18230 A Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18231 A Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18233 A Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18234 B Dr . Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 18235 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 18236 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18239 D Tagesordnungspunkt 34: a) Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Genehmigungen für Rüs- tungsexporte in die Staaten des Golfko- operationsrates widerrufen und keine neuen erteilen Drucksache 18/8930 . . . . . . . . . . . . . . . . . 18237 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Waffenexporte in die Golfregion verbieten Drucksachen 18/768, 18/1674 . . . . . . . . . . 18237 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016II in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Jemen – Militärische Intervention stoppen – Neue Friedensverhandlungen beginnen Drucksachen 18/5380, 18/6145 . . . . . . . . . . . 18237 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 18237 C Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18242 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18244 C Ulrich Hampel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18246 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18246 B Dr . Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18247 A Matthias Ilgen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18249 A Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18249 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18250 D Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 18251 D Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18253 C Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 18254 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18254 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18255 D Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 18256 D Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundes- jagdgesetzes Drucksachen 18/4624, 18/9093 . . . . . . . . . . . 18257 D Rita Stockhofe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18258 A Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 18259 A Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18259 D Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18261 A Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 18262 A Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwick- lung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes Drucksache 18/9040 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18263 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Dr . Konstantin von Notz, Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrichten- dienste Drucksache 18/8163 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18263 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 18263 D Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18265 B Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18266 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18267 C Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 18269 A Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 18270 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18272 A Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18272 B Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fern- meldeaufklärung des Bundesnachrichten- dienstes Drucksache 18/9041 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18274 A Peter Altmaier, Bundesminister für besondere Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18274 B Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 18276 A Dr . Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18277 C Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18279 B Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 18280 B Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18281 D Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18283 C Tagesordnungspunkt 37: Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbindliche Umwelt- und Sozi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 III alstandards in der internationalen Palmöl- produktion verankern Drucksache 18/8398 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18285 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18285 B Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 18286 B Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 18288 B Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18289 C Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 18291 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18292 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18292 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 18293 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Lothar Binding (Heidelberg), Edelgard Bulmahn, Dr . h . c . Gernot Erler, Dr . Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr . Simone Raatz, Gerold Reichenbach, René Röspel, Svenja Stadler, Christoph Strässer und Kerstin Tack (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschrei- bungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energi- en-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 18293 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriela Heinrich und Martina Stamm-Fibich (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu wei- teren Änderungen des Rechts der erneuerba- ren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 18295 A Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hilde Mattheis und Dr . Nina Scheer (bei- de SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu wei- teren Änderungen des Rechts der erneuerba- ren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 18296 C Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerba- re-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 18297 D Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18298 A Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 18298 D Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18300 A Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18301 B Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18302 A Dr . Birgit Malecha-Nissen (SPD) . . . . . . . . . . 18303 B Bettina Müller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18304 B Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18305 C Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 18305 C Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18306 B Anlage 6 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18306 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18217 184. Sitzung Berlin, Freitag, den 8. Juli 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
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    Berichtigung 183 . Sitzung, Seite 18094 D, zweiter Absatz, erster Satz, ist wie folgt zu lesen: „Nun beschweren sich die Kollegen der Grünen immer noch darüber, dass wir die berufsvorbereitenden Maßnahmen für Geduldete erst nach 15 Monaten zugänglich machen .“ Peter Stein (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18293 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 08 .07 .2016 Bär, Dorothee CDU/CSU 08 .07 .2016 Barley, Dr . Katarina SPD 08 .07 .2016 Böhmer, Dr . Maria CDU/CSU 08 .07 .2016 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 08 .07 .2016 Dehm, Dr . Diether DIE LINKE 08 .07 .2016 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 08 .07 .2016 Gunkel, Wolfgang SPD 08 .07 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 08 .07 .2016 Höger, Inge DIE LINKE 08 .07 .2016 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 08 .07 .2016 Jung, Dr . Franz Josef CDU/CSU 08 .07 .2016 Jung, Xaver CDU/CSU 08 .07 .2016 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08 .07 .2016 Kipping, Katja DIE LINKE 08 .07 .2016 Kudla, Bettina CDU/CSU 08 .07 .2016 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 08 .07 .2016 Leidig, Sabine DIE LINKE 08 .07 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 08 .07 .2016 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08 .07 .2016 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 08 .07 .2016 Obermeier, Julia CDU/CSU 08 .07 .2016 Petzold, Ulrich CDU/CSU 08 .07 .2016 Pflugradt, Jeannine SPD 08 .07 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Pilger, Detlev SPD 08 .07 .2016 Poschmann, Sabine SPD 08 .07 .2016 Poß, Joachim SPD 08 .07 .2016 Rawert, Mechthild SPD 08 .07 .2016 Rohde, Dennis SPD 08 .07 .2016 Schäfer (Bochum), Axel SPD 08 .07 .2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 08 .07 .2016 Schindler, Norbert CDU/CSU 08 .07 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 08 .07 .2016 Steffen, Sonja SPD 08 .07 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 08 .07 .2016 Werner, Katrin DIE LINKE 08 .07 .2016 Wicklein, Andrea SPD 08 .07 .2016 Zimmermann, Pia DIE LINKE 08 .07 .2016 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Lothar Binding (Heidel- berg), Edelgard Bulmahn, Dr. h. c. Gernot Erler, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz, Gerold Reichenbach, René Röspel, Svenja Stadler, Christoph Strässer und Kerstin Tack (alle SPD) zu der namentlichen Ab- stimmung über den von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Ge- setzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Ener- gien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bun- destagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen beim EEG 2017 durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstel- lung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibun- gen – zur Wahrung der Akteursvielfalt – die Möglichkeit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618294 (A) (C) (B) (D) der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt . So kann eine Teilhabe an der Energiewende über Städte und Ge- meinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . Dies ist ein wichtiger Schritt, da nicht alle Men- schen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Betei- ligung haben, so jedoch über ihre Kommune beteiligt werden können . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Verän- derungen, die mit der Energiewende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Dar- über hinaus war bereits im Kabinettsentwurf verankert, dass Bürgerenergiegesellschaften keine Bundesimmissi- onsschutz-Genehmigung vorlegen müssen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Ver- gütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bür- gerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird . Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen konnte die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schrit- te zur Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsek- tors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – durchsetzen . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, wie etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnung sollen demnächst Mieterstrom- modelle ermöglicht werden . Wir stärken an dieser ent- scheidenden Stelle das schwächste Glied in der Energie- versorgungskette, nämlich die Mieterinnen und Mieter als Endverbraucher . Durch Mieterstrommodelle schaffen wir eine wesentliche Voraussetzung, dass die Energie- wende nun auch die Städte erreicht . Damit werden wir ei- nen Beitrag zur klimaneutralen Stromversorgung leisten und gleichzeitig die Mieterinnen und Mieter entlasten . Privatpersonen und kleine Unternehmen können Dach-Photovoltaikanlagen weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw . zum Selbstver- brauch errichten . Für den Bereich Wind onshore konnte gegen den Willen des Koalitionspartners das Referenzer- tragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investiti- onsunsicherheiten geführt hätte . Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW ins- tallierter Leistung beibehalten werden . In den nun vor- liegenden, zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit am Ausschreibungsverfahren ge- schaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhal- ten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führen kann . Preissenkende Wirkungen, die mit Aus- schreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellie- ren . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird sich zeigen müssen, ob die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Ak- teure nicht dennoch zu einer Hürde werden könnte . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, dies jedoch in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeise- vergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukor- ridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, wird zu hinterfragen sein, ob unsere Klimaschutzziele er- reicht werden können . Insofern ist es problematisch, dass mit der CDU/CSU keine Regelung möglich war, bezu- schlagte nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfol- gende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sein werden . Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen würde bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen füh- ren, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Aus- maß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Auf- gaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite „Strahlkraft“ . Allein in Deutschland entstanden im Bereich der erneuerbaren Energien weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Ein- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18295 (A) (C) (B) (D) schnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Inst- ruments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2016 erste Anknüpfungspunkte bietet . In einer Gesamtabwägung werden wir daher dem Ge- setz zustimmen . Entscheidend dafür ist vor allem, dass wir keinen technologischen Fadenriss erleben und beim Mieterstrom und der Sektorkopplung wichtige Durch- brüche erzielt haben . Wir brauchen wirksame Klima- schutzmaßnahmen und daraus abgeleitete Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien über die Sektoren hinweg . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gabriela Heinrich und Martina Stamm-Fibich (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Ener- gien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bun- destagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teil- nahme auch von Kommunen gestärkt . So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energie- wende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmis- sionsschutz-Genehmigung vorlegen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerener- gie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilha- be gegeben wird . Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für soge- nannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entste- hen . Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitions- partner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Ko- alitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchset- zen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte . Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW ins- tallierter Leistung beibehalten werden . In den nun vor- genommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zell- stoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der De- gression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt . Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibun- gen erreicht werden, können sich hierüber und über Mo- nopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde dar- stellen . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilot- verfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbau- korridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden . Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors . Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Pro- zent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage . Alle fünf hiernach im Rahmen der Öffentlichen Anhö- rung am 4 . Juli 2016 befragten Sachverständigen ver- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618296 (A) (C) (B) (D) neinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind . Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze . Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden . Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit über- prüft werden . Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“ . Eine dahingehende Evaluati- on, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden . Nach der EU-Beihil- feleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Re- gelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich . Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Ak- teursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschrei- bungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt . Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energie- bedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwi- schen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris un- terstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung . Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeits- plätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-No- vellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instru- ments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wär- me- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet . Unter Berücksichtigung der genannten Punkte haben wir uns dazu entschieden, uns bei der Abstimmung zu enthalten . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Hilde Mattheis und Dr. Nina Scheer (beide SPD) zu der namentlichen Abstim- mung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Än- derungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016) (Ta- gesordnungspunkt 33) Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bun- destagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teil- nahme auch von Kommunen gestärkt . So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energie- wende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmis- sionsschutz-Genehmigung vorlegen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerener- gie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilha- be gegeben wird . Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – die Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für soge- nannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entste- hen . Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitions- partner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Ko- alitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchset- zen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte . Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW ins- tallierter Leistung beibehalten werden . In den nun vor- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18297 (A) (C) (B) (D) genommenen sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zell- stoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der De- gression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß den Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt . Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibun- gen erreicht werden, können sich hierüber und über Mo- nopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde dar- stellen . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilot- verfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteuren teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbau- korridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden . Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors . Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Pro- zent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage . Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4 . Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind . Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze . Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden . Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit über- prüft werden . Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“ . Eine dahin gehende Evaluati- on, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden . Nach der EU-Beihil- feleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Re- gelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich . Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Ak- teursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschrei- bungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt . Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energie- bedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwi- schen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris un- terstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung . Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeits- plätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-No- vellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instru- ments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wär- me- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet . In einer Gesamtabwägung kommen wir mit Blick auf die genannten energiewendebeschränkenden Auswirkun- gen der EEG-Novelle trotz unserer intensiven und auch erfolgreichen Bemühungen, in wichtigen Fragen zielfüh- rende Veränderungen herbeigeführt zu haben – etwa die Sektorkopplung und die Akteursvielfalt betreffend –, zu dem Schluss, mit Nein zu stimmen . Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618298 (A) (C) (B) (D) von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien (Erneuerbare-Energi- en-Gesetz – EEG 2016) (Tagesordnungspunkt 33) Marco Bülow (SPD): Die Novellierung des EEG wird die Energiewende nicht stärken, sondern eher brem- sen . Die EEG-Novelle wird auch nicht dazu beitragen, dass Deutschland seine Innovationskraft oder Technolo- gieführerschaft im Bereich erneuerbarer Energien beibe- hält . Zudem befürchte ich eine Einschränkung der Ak- teursvielfalt zuungunsten von kleineren Anbietern . Von einigen Fraktionsmitgliedern konnten einzelne Verbes- serungen durchgesetzt werden, aber insgesamt bleibt die EEG-Reform ein Irrweg, dem ich nicht zustimmen kann . Ausschreibungen sind der falsche Weg: Ausschrei- bungsmodelle waren schon immer eine Option von de- nen, die einen Erfolg der erneuerbaren Energien verhin- dern wollten . Keinem Land, das darauf gesetzt hat, ist es gelungen, die Erneuerbaren effizient am Markt zu eta- blieren . Laut Aussagen von Experten in der öffentlichen Anhörung haben 30 bis 40 Prozent der Marktteilnehmer, die sich bei den Ausschreibungen durchsetzen konnten, dann letztendlich gar keine Anlagen gebaut . Es gibt kei- nerlei Mechanismus im neuen EEG, mögliche Fehlmen- gen bei künftigen Ausschreibungsrunden auszugleichen . Es besteht die Gefahr, dass die Dynamik beim Erneu- erbaren-Ausbau gebrochen oder zumindest gedämpft wird . Schon bei der letzten EEG-Novelle 2014 habe ich mit Nein gestimmt, weil ich die Pilotausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen schon damals als Einstieg in den Ausstieg aus dem bisherigen EEG an- gesehen habe . Der jetzt durch die Reform vollzogene komplette Regimewechsel weg von der Preissteuerung hin zur Mengensteuerung stellt für mich das Grundpro- blem der aktuellen EEG-Novelle dar . Wir verfügen über keinerlei dauerhafte positive Erfahrungen damit . Eine bessere Planbarkeit der Energiewende bzw . des Erneu- erbaren-Ausbaus hätte man im Übrigen auch über ande- re Maßnahmen erreichen können (besseres Monitoring, bessere Koordinierung und Austausch der Länder bzw . Genehmigungsbehörden etc .) . Es wäre dringend notwendig, Möglichkeiten für eine Korrektur dieses – vermutlich falsch – eingeschlagenen Weges zu schaffen, beispielsweise durch eine Befristung des Ausschreibungssystems und einer danach möglichen Rückkehr zum bisher bestehenden System . Da es sich bei der Ausweitung der Ausschreibungen auf große Pho- tovoltaik-Anlagen sowie Wind On- und Offshore ohne jegliche Erfahrungen um ein ökonomisches Großexperi- ment für ganz Deutschland handelt, ist auch die Frage der Evaluation entscheidend . Daher sollte es nach den ersten Jahren sowohl eine umfassende und unabhängige Auswertung – die über den EEG-Erfahrungsbericht hi- nausgeht – als auch einen neuen politischen Mehrheits- beschluss geben müssen, Ausschreibungen weiterführen zu wollen . Es muss von einer unabhängigen Institution überprüft werden, ob zum Beispiel die Ausbauziele er- reicht werden, ob es tatsächlich eine höhere Kosteneffizi- enz als mit dem bisherigen System gibt, die Akteursviel- falt erhalten bzw . ausgebaut wird etc . Kritisch sehe ich auch die Situation für die Windener- gie . Schon die 10H-Regelung war eine Windenergiever- hinderungsmaßnahme . Wenn südliche Bundesländer den Windausbau behindern und gleichzeitig die Ausbauzah- len im Norden bzw . den „Netzausbauregionen“ deutlich reduziert werden, die wichtigste erneuerbare Energie in Deutschland also in vielen Teilen der Republik beschnit- ten wird, dann bleibt die Frage, wie die Energiewende gelingen soll . Hinzu kommt, dass bald – nach Ende der 20-jährigen Förderung eine größere Zahl an alten Wind- anlagen vom Netz gehen wird . Die 10H-Regelung müsste rückgängig gemacht werden, wir bräuchten Lösungen für die bald wegfallenden Altanlagen, und auch die Zubau- reduzierung im Norden müsste durch andere innovative Lösungen ersetzt werden . Es gibt bereits genügend Ide- en, wie man Windanlagen anders auslegen oder Strom- überschüsse anderweitig nutzen kann . Der Rückgang der Arbeitsplätze im Bereich der Photo- voltaik war in den letzten Jahren enorm . Tausende haben ihren Job verloren . Da es sich aber um eine Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen handelt, stehen diese nicht so sehr im Fokus – anders als wenn beispielsweise einige wenige große Unternehmen der Automobilbran- che auch nur damit drohen, in größerem Maße Mitarbei- ter zu entlassen . Dieser Trend darf sich nicht fortsetzen . Wir müssen zudem auch endlich dafür sorgen, dass die großen Unternehmen mehr für das Klima tun . Jetzt noch mehr Unternehmen Vergünstigungen bei der EEG-Umla- ge zu gewähren, ohne – wie ursprünglich beschlossen – von diesen Effizienzmaßnahmen einzufordern, geht ab- solut in die falsche Richtung . Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den einge- schlagenen Weg schon länger nicht konsequent fortset- zen und unser Energiesystem nicht wirklich den neuen Anforderungen entsprechend umbauen . Wir setzen damit auch den Klimaschutz bewusst aufs Spiel . Bei der Ener- giewende wird vorrangig problematisiert, verzögert und gezaudert . Mit Mut und Zuversicht sollten wir vorange- hen, denn viele Länder schauen darauf, was in Deutsch- land passiert . Statt zu bremsen, brauchen wir endlich eine breitangelegte Offensive . Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Im parlamenta- rischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergü- tungssystem auf Ausschreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt . So kann Teilhabe an der Energie- wende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommu- ne beteiligt werden . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesell- schaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Geneh- migung vorlegen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18299 (A) (C) (B) (D) Projektplanung erspart . Die Vergütung von Bürgerener- giegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezu- schlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird . Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für soge- nannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entste- hen . Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitions- partner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Ko- alitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchset- zen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte . Für Offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden . In den nun vorgenomme- nen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem Parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zell- stoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der De- gression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt . Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibun- gen erreicht werden, können sich hierüber und über Mo- nopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde dar- stellen . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilot- verfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteuren teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbau- korridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden . Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors . Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Pro- zent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht in Frage . Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4 . Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind . Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze . Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden . Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit über- prüft werden . Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“ . Eine dahingehende Evaluati- on, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden . Nach der EU-Beihil- feleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Re- gelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich . Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Ak- teursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschrei- bungen zunächst zu überprüfen, blieben leider ungenutzt . Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen füh- ren, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Aufgaben wurden zuletzt eindringlich auf der Klimakonferenz von Paris unterstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlung entwickelt . Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeits- plätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-No- vellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618300 (A) (C) (B) (D) bei Photovoltaik und Bioenergie, nicht alle erhalten ge- blieben sind . Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instru- ments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wär- me- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet . In einer Gesamtabwägung bin ich zu dem Schluss ge- kommen, mich bei der Abstimmung des Gesetzentwurfes in der dritten Lesung zu enthalten . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wertvolle Veränderungen durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibungen – zur Wahrung von Akteursviel- falt – die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kom- munen gestärkt . So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bür- gerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Ver- änderungen, die mit der Energiewende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesell- schaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Geneh- migung vorlegen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Vergütung von Bürgerener- giegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezu- schlagten Gebot (Bonus für Bürgerenergie), womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird . Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für soge- nannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entste- hen . Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitions- partner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Ko- alitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchset- zen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte . Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW ins- tallierter Leistung beibehalten werden . In den nun vor- genommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zell- stoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der De- gression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt . Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibun- gen erreicht werden, können sich hierüber und über Mo- nopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde dar- stellen . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilot- verfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbau- korridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden . Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors . Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Pro- zent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage . Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4 . Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind . Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze . Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden . Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit über- prüft werden . Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18301 (A) (C) (B) (D) einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“ . Eine dahingehende Evaluati- on, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden . Nach der EU-Beihil- feleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Re- gelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich . Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Ak- teursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschrei- bungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt . Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energie- bedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwi- schen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris un- terstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung . Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeits- plätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-No- vellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instru- ments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wär- me- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet . In der Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile werde ich mich bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf enthalten . Ulrich Kelber (SPD): Meine Zielsetzung bleibt: Wir brauchen eine möglichst schnelle vollständige Umstel- lung unserer Energieerzeugung auf erneuerbare Energi- en . Dies ist möglich, weil die Preise für die erneuerbare Erzeugung weiter sinken, und es ist notwendig, wenn wir unsere Zusagen zum weltweiten Klimaschutz und zum Ausstieg aus den fossilen Energien einhalten wollen . Ich werde mich dabei weiter für eine Beschleunigung dieser Umstellung gegenüber den Ausbaupfaden des EEG 2016 bzw . des Koalitionsvertrags, aber auch gegenüber allen anderen früheren Zielen, einsetzen . Mit dem EEG 2016 wird das bisherige Einspeisever- gütungssystem auf mengengesteuerte Ausschreibungen umgestellt . Dies darf kein Selbstzweck sein, sondern muss regelmäßig auf seine Wirksamkeit überprüft wer- den – Wirksamkeit dahingehend, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien kontinuierlich weitergeht und die Akteursvielfalt in diesem Bereich erhalten wird . In den Verhandlungen der letzten Wochen, in die ich mich mit mehreren Vorschlägen eingebracht habe, wur- den einige deutliche Verbesserungen gegenüber den ers- ten Entwürfen erreicht, sodass ich dem Gesetzentwurf in Anerkennung dieser Verbesserungen in seiner jetzigen Form trotz Bedenken gegen einzelne Regelungen zu- stimme . Diese wichtigen Verbesserungen sind insbesondere: Bürgerenergiegesellschaften erhalten eine faire Chan- ce, bei den Ausschreibungen zum Zuge zu kommen, weil sie keine teuren Vorplanungen erstellen müssen . Zusätz- lich zu dieser Regelung orientiert sich die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, an dem höchsten berücksichtigten Gebot – Bonus für Bürgerenergie – . Das Modell sichert auch den kleineren Akteuren eine Vergütung zu marktüblichen Preisen . Privatpersonen und kleine Unternehmen können zum Beispiel Dach-Photo- voltaikanlagen ohnehin weiter nach dem System der ga- rantierten Einspeisevergütung bzw . zum Selbstverbrauch errichten . Damit wird die Akteursvielfalt gesichert . Mieterstrom-Modelle und kleinteilige Quartierslösun- gen zum Beispiel über Kraft-Wärme-Kopplung sollen verstärkt gefördert werden . Über eine Verordnungser- mächtigung ermöglichen wir, dass zukünftig – wie schon lange von mir gefordert – auch Mieter vom Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren können, indem ihr Vermieter ihnen den Strom vom Dach preisgünstig und ohne EEG-Umlage zur Verfügung stellt . In Gebieten, in denen sogenannte Netzengpässe be- stehen, soll Strom aus erneuerbaren Energien im Zusam- menspiel mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen für die Wärmeerzeugung genutzt werden . Sollten die Wärmeer- zeugungskapazitäten nicht ausreichen, kann die verblie- bene Strommenge auch über andere Technologien einge- setzt werden . Dies ist ein dringend notweniger Einstieg in die sogenannte Sektorkopplung, also in die Verknüp- fung der Bereiche Strom, Wärme und Verkehr . Ungelöst, und damit in der Wiedervorlage, bleibt die Tatsache, dass das seit 2009 bestehende Strommarkt- modell den erneuerbaren Strom auf den Spotmarkt ver- drängt . Versorger können sich unbegrenzt im Voraus mit fossilem Strom eindecken und prüfen dann nur, ob der erneuerbare Strom bei Lieferung noch preisgünstiger ist als die reinen Brennstoffkosten . Dadurch verfällt der Wert erneuerbarer Energien immer mehr . 2015 wurde gegenüber 2009 doppelt so viel Vergütung an die Be- treiber erneuerbarer Energieanlagen ausgeschüttet, dafür musste aufgrund dieses Marktmodells aber sechsmal so viel EEG-Umlage eingesammelt werden . Ich will einen Strommarkt, in dem die erneuerbaren Energien im Mit- telpunkt stehen und die immer weiter zurückgehende fos- sile Stromerzeugung nur noch ergänzt . Dafür werde ich weiter arbeiten . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618302 (A) (C) (B) (D) Daniela Kolbe (SPD): Ich stimme dem Gesetzent- wurf mit großen Bauchschmerzen zu . Vor allem aufgrund der vielen Verbesserungen, die im parlamentarischen Verfahren erreicht worden sind . Für mich als Nichtfach- politikerin ist es durch den extrem engen Zeitplan kaum möglich, die vielen wichtigen Details in der notwendi- gen Tiefe zu würdigen . Bei mir bleibt der Eindruck, dass wir insbesondere durch die rigiden Ausbaukorridore die Energiewende zu stark ausbremsen . Zu den Verbesserun- gen im Einzelnen: Im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungs- system auf Ausschreibungen wird – zur Wahrung der Ak- teursvielfalt – die Möglichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt . So kann eine Teilhabe an der Ener- giewende über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . Dies ist ein wichti- ger Schritt, da nicht alle Menschen die finanziellen Mög- lichkeiten der eigenen Beteiligung haben, so jedoch über ihre Kommune beteiligt werden können . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energie- wende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Da- rüber hinaus war bereits im Kabinettsentwurf verankert, dass Bürgerenergiegesellschaften keine Bundesimmissi- onsschutz-Genehmigung vorlegen müssen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Ver- gütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bür- gerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird . Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen konnte die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schrit- te zur Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsek- tors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – durchsetzen . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, wie etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnung sollen demnächst Mieterstrom- modelle ermöglicht werden . Wir stärken an dieser ent- scheidenden Stelle das schwächste Glied in der Energie- versorgungskette, nämlich die Mieterinnen und Mieter als Endverbraucherinnen und Endverbraucher . Durch Mieterstrommodelle schaffen wir eine wesentliche Vo- raussetzung, dass die Energiewende nun auch die Städte erreicht . Damit werden wir einen Beitrag zur klimaneut- ralen Stromversorgung leisten und gleichzeitig die Mie- terinnen und Mieter entlasten . Privatpersonen und kleine Unternehmen können Dach-Photovoltaikanlagen weiter nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw . zum Selbstver- brauch errichten . Für den Bereich Wind onshore konnte gegen den Willen des Koalitionspartners das Referenzer- tragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Koalitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchsetzen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investiti- onsunsicherheiten geführt hätte . Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW ins- tallierter Leistung beibehalten werden . In den nun vor- liegenden, zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen, liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit am Ausschreibungsverfahren ge- schaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zellstoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhal- ten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der Degression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führen kann . Preissenkende Wirkungen, die mit Aus- schreibungen erreicht werden, können sich hierüber und über Monopolbildungen in der Akteursstruktur nivellie- ren . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird sich zeigen müssen, ob die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Ak- teure nicht dennoch zu einer Hürde werden könnte . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilotverfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, dies jedoch in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeise- vergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbaukor- ridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, wird zu hinterfragen sein, ob unsere Klimaschutzziele er- reicht werden können . Insofern ist es problematisch, dass mit der CDU/CSU keine Regelung möglich war, bezu- schlagte nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfol- gende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sein werden . Mithilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18303 (A) (C) (B) (D) würde bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energiebedarfen zu massiven Verteilungskämpfen füh- ren, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwischen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Aus- maß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Auf- gaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris unterstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite “Strahlkraft“ . Allein in Deutschland entstanden im Bereich der erneuerbaren Energien weit über 400 000 Arbeitsplätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-Novellen und hier vorgenommene Ein- schnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instru- ments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wär- me- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2016 erste Anknüpfungspunkte bietet . Insgesamt ist es der SPD-Bundestagsfraktion ge- lungen im Parlamentarischen Verfahren, wichtige Än- derungen beim EEG 2017 durchzusetzen . In einer Ge- samtabwägung werde ich daher dem Gesetz zustimmen . Entscheidend dafür ist vor allem, dass wir keinen tech- nologischen Fadenriss erleben und beim Mieterstrom und der Sektorkopplung wichtige Durchbrüche erzielt haben . Wir brauchen wirksame Klimaschutzmaßnahmen und daraus abgeleitete Ausbaupfade für die erneuerbaren Energien über die Sektoren hinweg . Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD): Im parlamen- tarischen Verfahren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wichtige Veränderungen bei der Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergü- tungssystem auf Ausschreibungen – zur Wahrung von Akteursvielfalt – die Möglichkeit der Teilnahme von Kommunen gestärkt . Die Teilhabe an der Energiewende kann auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen . So haben alle Men- schen die finanziellen Möglichkeiten der eigenen Betei- ligung über ihre Kommune . Teilhabe ist ein besonders wichtiges Kriterium zur Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Energiewende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesell- schaften zudem keine Bundesimmissionsschutz-Geneh- migung vorlegen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Vergütung von Bürgerener- giegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezu- schlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilhabe gegeben wird . Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für soge- nannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entste- hen . Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitions- partner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Ko- alitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchset- zen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte . Für Offshore konnte das Ziel von 15 GW installierter Leistung beibehalten werden . In den nun vorgenomme- nen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zell- stoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der De- gression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt . Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibun- gen erreicht werden, können sich hierüber und über Mo- nopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde dar- stellen . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbau- korridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2016 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden . Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors . Damit steht das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Prozent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag infrage . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618304 (A) (C) (B) (D) Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind . Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2016 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze . Das EEG 2016 droht zu einer Innovationsbremse zu werden . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energie- bedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwi- schen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris un- terstrichen . Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden In- struments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wärme- und Verkehrswende gelangen . In einer Gesamtabwägung kann ich dem EEG 2016 in der vorliegenden Form leider nicht zustimmen und werde mich bei der Abstimmung enthalten . Bettina Müller (SPD): Im parlamentarischen Verfah- ren ist es der SPD-Bundestagsfraktion gelungen, wert- volle Veränderungen durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungssystem auf Aus- schreibungen zur Wahrung von Akteursvielfalt die Mög- lichkeit der Teilnahme auch von Kommunen gestärkt . So kann Teilhabe an der Energiewende auch über Städte und Gemeinden erfolgen, indem Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor Ort anbieten müssen. Schließlich haben nicht alle Menschen die finan- ziellen Möglichkeiten der eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden . Teilhabe stärkt die Akzeptanz für Veränderungen, die mit der Ener- giewende einhergehen . Die SPD-Bundestagsfraktion hat zudem eine Öffnung für ergänzende Länder-Regelungen durchgesetzt . Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerenergiegesellschaften zudem keine Bundesimmis- sionsschutz-Genehmigung vorlegen . Hiermit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerener- gie –, womit ein weiterer Anreiz mit Chancen auf Teilha- be gegeben wird . Mit den parlamentarischen Verhandlungen konnten durch die SPD-Bundestagsfraktion im EEG erste Schritte für Sektorkopplung – der Verknüpfung des Stromsektors mit dem Wärme- und Verkehrssektor – angelegt werden . Strommengen aus erneuerbaren Energien, die andernfalls abgeregelt werden, sollen als sogenannte zuschaltbare Lasten für den Wärmesektor oder andere Umwandlungs- formen, etwa Speicher, verwendet werden können . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für soge- nannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit entste- hen . Für Wind onshore konnte gegenüber dem Koalitions- partner das Referenzertragsmodell verteidigt werden, womit ein bundesweiter Ausbau möglich bleibt . Der Ko- alitionspartner konnte sich ferner nicht damit durchset- zen, Entschädigungen bei Abregelungen weitergehend zu kürzen, was zu Investitionsunsicherheiten geführt hätte . Für Wind offshore konnte das Ziel von 15 GW in- stallierter Leistung beibehalten werden . In den nun vor- genommenen, sowohl zeitlichen als auch räumlichen Zuordnungen von Ausbaumengen, liegen allerdings auch Hemmnisse . Für Kleinanlagen der Bioenergie von unter 150 kW wurde mit dem parlamentarischen Verfahren eine Teil- nahmemöglichkeit an Ausschreibungen geschaffen . Sie hatten nach der EEG-Novelle 2014 eine nur noch sehr eingeschränkte Perspektive . Ablaugeanlagen der Zell- stoffindustrie in Ost- und Westdeutschland erhalten eine weitere Förderung über fünf Jahre . Der Beginn der De- gression für Geothermieanlagen wird um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Mit der heutigen Entscheidung einer Systemumstel- lung auf Ausschreibungen wird ein Instrument der Men- gensteuerung eingeführt . Internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen zeigen, dass es über die Gebotsver- fahren zu einer Einschränkung der Akteursvielfalt und Verlagerung auf Großinverstoren kommen kann . Zudem werden gemäß der Erfahrungen mit Ausschreibungsmo- dellen häufig größere Mengen der Zuschläge letztlich nicht realisiert, was insgesamt zu einem Minderausbau führt . Preissenkende Wirkungen, die mit Ausschreibun- gen erreicht werden, können sich hierüber und über Mo- nopolbildungen in der Akteursstruktur nivellieren, wenn nicht gar ins Gegenteil verkehrt werden . Auch wenn das EEG 2017 Bürgerenergieanlagen in gewissem Umfang begünstigt, wird die Teilnahme an Ausschreibungen für kleine Akteure möglicherweise dennoch eine Hürde dar- stellen . So nahmen an Gebotsrunden im Zuge des Pilot- verfahrens für Photovoltaik-Freiflächenanlagen zwar auch kleinere Akteure teil, allerdings in verhältnismäßig geringerem Ausmaß als im Rahmen des herkömmlichen Einspeisevergütungssystems . In Kombination mit den nun begrenzenden Ausbau- korridoren, die in Deutschland mit dem EEG 2017 nun erstmals als jährliche fixe Obergrenzen festgeschrieben werden, können unsere Klimaschutzziele nicht erreicht werden . Insofern ist besonders problematisch, dass mit unserem Koalitionspartner keine Regelung vereinbar war, bezuschlagte, nicht realisierte Ausbaumengen durch nachfolgende Gebotsverfahren wieder aufzugreifen . Ein Minderausbau führt auf diesem Weg zwangsläufig zu einer Unterschreitung des jeweiligen Ausbaukorridors . Auch das Erreichen der Ausbauziele von 40 bis 45 Pro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18305 (A) (C) (B) (D) zent bis 2025 aus dem Koalitionsvertrag steht infrage . Alle fünf hiernach im Rahmen der öffentlichen Anhörung am 4 . Juli 2016 befragten Sachverständigen verneinten, dass die Energiewende- und Klimaschutzziele mit der aktuellen EEG-Novelle zu erreichen seien . Aus der völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung der Klimakonferenz von Paris ergibt sich für die Bun- desrepublik Deutschland eine klare Verpflichtung zur Ablösung fossiler Energien . Große Potenziale für die Schaffung neuer Arbeitsplätze liegen in einer Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität . Dies bedeu- tet, dass wir zukünftig auf zunehmend mehr erneuerbare Energien angewiesen sind . Eine Drosselung des Ausbaus, wie er mit dem EEG 2017 beschlossen wird, erschwert dies und gefährdet bereits geschaffene Arbeitsplätze . Das EEG 2017 darf nicht zu einer Innovationsbremse werden . Insofern müssen die mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungen regelmäßig auf ihre Tauglichkeit über- prüft werden . Bereits der Koalitionsvertrag sieht an sich vor, „dass vor der Einführung von Ausschreibungen in einem Pilotprojekt nachgewiesen werden kann, dass die Ziele der Energiewende auf diesem Weg kostengünstiger erreicht werden können“ . Eine dahingehende Evaluati- on, die auch die Realisierung der Projekte und nicht nur die Gebotsverfahren berücksichtigt, hat im Vorfeld der EEG-Novelle nicht stattgefunden . Nach der EU-Beihil- feleitlinie wären über die sogenannte De-minimis-Re- gelung weitreichende Ausnahmen von Ausschreibungen möglich . Diese Möglichkeiten zur Wahrung von Ak- teursvielfalt und um die Praktikabilität von Ausschrei- bungen zunächst zu überprüfen, blieben ungenutzt . Mit Hilfe erneuerbarer Energien und unter Einsatz von Energieeffizienztechnologien ist bereits binnen weniger Jahre eine Entkopplung von Wachstum und relativen Energiebedarfen gelungen . Erneuerbare Energien stehen für einen weltweit ver- fügbaren und damit von Grund auf gerechten Zugang zu Energie . Die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen wird bei ihrer Verknappung und zugleich steigenden Energie- bedarfen zu massiven Verteilungskämpfen führen, die Gefahr von Kriegen verschärfen und die Schere zwi- schen Arm und Reich in einem unvorstellbaren Ausmaß auseinanderdrücken . Flucht vor dem Klimawandel und vor Energiearmut wären absehbare Entwicklungen mit verheerenden Folgen . Diese vor uns liegenden Aufgaben hat zuletzt eindringlich die Klimakonferenz von Paris un- terstrichen . Das für die Erfolge der Energiewende bislang maß- gebliche Instrument des Einspeisevergütungssystems EEG hat weltweite Ausstrahlungswirkung . Allein in Deutschland entstanden dabei weit über 400 000 Arbeits- plätze, die allerdings bereits durch die letzten EEG-No- vellen und hier vorgenommene Einschnitte, insbesondere bei Photovoltaik und Bioenergie, rückläufig sind. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf unsere Energiewende- und Klimaschutzziele bedarf es in den folgenden Schritten einer Anpassung und Aufstockung der Ausbaukorridore sowie eines weiterführenden Instru- ments der Sektorkopplung, sodass wir auch zu einer Wär- me- und Verkehrswende gelangen, wofür das EEG 2017 erste Anknüpfungspunkte bietet . In einer Gesamtabwägung werde ich daher dem Ge- setz nicht zustimmen . Entscheidend dafür ist vor allem, dass wir keinen technologischen Fadenriss erleben und beim Mieterstrom und der Sektorkopplung wichtige Durchbrüche erzielt haben . Wir brauchen wirksame Kli- maschutzmaßnahmen und daraus abgeleitete Ausbaup- fade für die erneuerbaren Energien über die Sektoren hinweg . Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU): Ent- gegen den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag werden wichtige Energieeffizienzanreize nicht hinreichend ver- folgt und umgesetzt . Auch zukünftig bieten sich Anreize für Energieverschwendung bei noch mehr energieinten- siven Unternehmen . Industrieausnahmen im EEG sind richtig und wichtig, sollten jedoch stärker an Energieeffi- zienzfortschritte geknüpft werden . Ich stimme dem Gesetz dennoch zu, weil wichtige As- pekte nun im EEG berücksichtigt werden . Dazu zählen unter anderem der Systemwechsel von Festvergütung zu Strommengenausschreibungen, der besser verzahnte Ausbau der Windenergie auf See mit dem Stromnetzaus- bau an Land oder die angepasste Härtefallregelung für energieintensive Unternehmen . Dr. Martin Rosemann (SPD): In unserer Staatsord- nung spielt der Deutsche Bundestag, das Parlament, eine zentrale Rolle im Gesetzgebungsverfahren . Die Möglich- keit zu haben, sich intensiv mit einem Gesetzentwurf zu beschäftigen, bevor ich darüber abstimme, ist für meine Arbeit als Abgeordneter von entscheidender Bedeutung . Beim vorliegenden Gesetzentwurf liegen zwischen ers- ter und zweiter/dritter Lesung zwei Tage . Angesichts der vielfältigen weiteren Aufgaben, die ein Parlamentarier in Sitzungswochen parallel zu erledigen hat, ist eine inten- sive, kritische Auseinandersetzung bei einem Gesetz mit mehreren hundert Seiten in zwei Tagen schlicht unmög- lich . Bei einem Gesetz von dieser Tragweite wird ein so kurzer Zeitraum dem parlamentarischen Anspruch nicht gerecht . Zudem bleiben bei mir Zweifel, ob der mit dem jet- zigen EEG eingeschlagene Weg geeignet ist, die Ener- giewende so fortzusetzen, dass die Klimaziele erreicht werden, die Möglichkeiten der unterschiedlichen For- men regenerativer Energien voll genutzt werden und eine vielfältige Akteurslandschaft unter maßgeblicher Beteili- gung von kommunalen Stadtwerken und Bürgerenergie- genossenschaften sichergestellt wird . Allerdings ist es der SPD-Bundestagsfraktion im parlamentarischen Verfahren gelungen, wertvolle Ver- änderungen zugunsten einer stärkeren Beteiligung von Bürgerenergiegenossenschaften und Stadtwerken durch- zusetzen . Die Vergütung von Bürgerenergiegesellschaften, die erfolgreich an einer Ausschreibung teilgenommen haben, orientiert sich am höchsten bezuschlagten Gebot – Bonus für Bürgerenergie –, womit diesen wichtigen Akteuren der Energiewende Chancen auf Teilhabe gegeben wird . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 201618306 (A) (C) (B) (D) Bereits mit dem Kabinettsentwurf mussten Bürgerener- giegesellschaften keine immissionsschutzrechtliche Ge- nehmigung vorlegen . Somit wird ihnen eine Hürde in der Projektplanung erspart . Im Zuge der Umstellung vom Einspeisevergütungs- system auf Ausschreibungen zur Wahrung von Ak- teursvielfalt wird auch die Möglichkeit der Teilnahme von Kommunen gestärkt . Dies wird dadurch erreicht, dass Bürgerenergiegesellschaften 10 Prozent ihrer Antei- le der Kommune vor Ort anbieten müssen . Schließlich haben nicht alle Menschen die finanziellen Möglichkei- ten zu einer eigenen Beteiligung, können so aber über ihre Kommune beteiligt werden . Über eine Verordnungsermächtigung wird zudem für sogenannten Mieterstrom eine Teilhabemöglichkeit ent- stehen . Dass dadurch neben den Hausbesitzern auch die Mieter an den finanziellen Vorteilen der Energiewende beteiligt werden, ist für mich ein wichtiger Erfolg . Aufgrund dieser weiteren Veränderungen stimme ich trotz der bestehenden Bedenken der EEG-Novelle zu . Die EEG-Novelle ist ein schwieriger Kompromiss in ei- ner Großen Koalition mit einem Partner, der mehrheitlich andere Vorstellungen von Energiepolitik hat . Zugleich ist das EEG 2016 eine Fortschreibung des EEG 2014, das seinerseits bereits ein Kompromiss war . Mit der Umstellung von einer festen Einspeisevergü- tung auf Ausschreibungen betreten wir Neuland . Und es bleiben Zweifel, ob die Regelungen für kommunale Stadt- werke und Bürgerenergiegenossenschaften ausreichen, um diesen gleiche Wettbewerbschancen zu geben . Deshalb ist es wichtig, in den kommenden Jahren die Wirkungen der jetzigen Regelungen genau zu beobachten und gegebenen- falls nachzusteuern . Das gilt insbesondere dann, wenn sich zeigen sollte, dass es durch die Ausschreibungen zur Ein- schränkung der Akteursvielfalt und zu einer Verlagerung auf Großinverstoren kommen sollte . Sarah Ryglewski (SPD): Das EEG schafft Planungs- sicherheit für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland . Im parlamentarischen Verfahren ist es der SPD-Bun- destagsfraktion gelungen, wichtige Änderungen beim EEG 2017 durchzusetzen . So wird im Zuge der Umstel- lung vom Einspeisevergütungssystem auf Ausschreibun- gen die Akteursvielfalt gestärkt . Positiv ist auch, dass Privatpersonen und kleine Unter- nehmen weiterhin Dach-Photovoltaikanlagen nach dem System der garantierten Einspeisevergütung bzw . zum Selbstverbrauch errichten können und Bürgerenergiege- sellschaften gestärkt werden . So leistet das EEG einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Energieversorgung in Deutschland . Klar ist aber auch, die Energiewende ist nicht allein mit Kleinanlagen zu stemmen . Um eine verlässliche Energie- versorgung zu gewährleisten, braucht es grundlastfähige Kraftwerke wie die Offshore-Parks in Nord- und Ostsee . Hier ist Deutschland bisher Vorreiter . Sowohl, was die technologische Innovation, als auch die industrielle Ferti- gung angeht . Mit den jetzt im EEG vorgesehenen Ausbau- schritten für die Offshore-Windenergie bis 2030 ist diese Vorreiterrolle in Gefahr . Ein Ausbau von nur 500 MW in den Jahren 2021 und 2022 gefährdet nicht nur Arbeitsplät- ze in Bremen und Bremerhaven, sondern birgt auch die Gefahr, dass Deutschland technologisches Know-how un- wiederbringlich verloren geht und Unternehmen ins Aus- land abwandern . Ich halte es für einen Fehler und einen Fehlanreiz, mit dem Verweis auf den fehlenden Netzaus- bau die Entwicklung der Offshore-Windenergie zu dros- seln . Ich erwarte, dass alle Anstrengungen unternommen werden, die nötigen Leitungskapazitäten auszubauen, und es dann auch möglich ist, die Ausbauschritte für Windener- gie auf See anzupassen . Für eine solche Regelung werde ich mich im weiteren Verlauf einsetzen, damit Arbeitsplät- ze in Bremen, Bremerhaven und ganz Norddeutschland erhalten bleiben . In der Gesamtabwägung werde ich dem Gesetz zu- stimmen, weil es Planungssicherheit für die Akteure der Energiewende schafft . Anlage 6 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absehen: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/1929, 18/2048 Nr. 4 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/2445, 18/2530 Nr. 13 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/3372, 18/3482 Nr. 1.2 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushaltsführung 2014 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Ver- pflichtungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haushaltsjahres 2014 Drucksachen 18/5064, 18/5162 Nr. 11 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 184 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 8 . Juli 2016 18307 (A) (C) (B) (D) Ausschuss für Wirtschaft und Energie – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18 . Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung (TA) Bilanz der Sommerzeit Drucksache 18/8000 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG) Drucksache 16/4146 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Kostendeckung im öffentlichen Personennah- verkehr Drucksachen 18/8180, 18/8461 Nr. 1.1 Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat . Petitionsausschuss Drucksache 18/8140 Nr . A .1 EP P8_TA-PROV(2016)0062 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Drucksache 18/7286 Nr . A .6 Ratsdokument 14306/15 Drucksache 18/7934 Nr . A .9 Ratsdokument 5441/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .11 Ratsdokument 6819/16 Drucksache 18/8140 Nr . A .12 Ratsdokument 7039/16 Drucksache 18/8668 Nr . A .17 KOM(2016)199 endg . Ausschuss für Wirtschaft und Energie Drucksache 18/8936 Nr . A .19 EP P8_TA-PROV(2016)0237 Drucksache 18/8936 Nr . A .22 Ratsdokument 9706/16 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/8771 Nr . A .5 EP P8_TA-PROV(2016)0225 Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur Drucksache 18/8470 Nr . A .23 Ratsdokument 7747/16 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab- schätzung Drucksache 18/8668 Nr . A .26 Ratsdokument 8002/16 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 184. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 33 Erneuerbare-Energien-Gesetz TOP 34, ZP 6 Waffenexport in die Golfstaaten ZP 7 Änderung des Bundesjagdgesetzes ZP 8, ZP 9 Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste ZP 10 Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung TOP 37 Internationale Palmölproduktion Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818400000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich zu unserer voraussichtlich letzten Plenarsitzung
vor der Sommerpause .


(Heiterkeit – Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vor!)


Gestern Abend hat in Marseille ein Fußballspiel statt-
gefunden,


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir deswegen eine Sondersitzung? – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Vielen Dank für die Erinnerung!)


das die deutsche Mannschaft gerne gewonnen hätte .
Tatsächlich hat die französische Mannschaft gewonnen,
weil sie die Tore erzielt hat, die der deutschen Mann-
schaft nicht gelungen sind .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Brillante Analyse!)


Deswegen nutze ich die Gelegenheit gerne, der Équipe
Tricolore und unseren französischen Freunden herzlich
zum Einzug in das Finale der Fußballeuropameister-
schaft zu gratulieren


(Beifall)


und der deutschen Mannschaft zu dem grandiosen Tur-
nier, das sie in Frankreich geboten hat .


(Beifall)


Ich will eine Bemerkung hinzufügen: Im Som-
mer 1916, vor 100 Jahren, sind sich Franzosen und Deut-
sche nicht auf Fußballfeldern, sondern auf Schlachtfel-
dern begegnet . Gewonnen hat damals niemand, aber es
gab Millionen Tote .

Das vermittelt uns die doppelt tröstliche Gewissheit,
dass es doch einen Fortschritt in Europa gibt .


(Beifall im ganzen Hause)


Bevor wir nun in unsere Tagesordnung eintreten,
möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich der Ältestenrat
in der gestrigen Sitzung darauf verständigt hat, in der
Haushaltswoche ab dem 5 . September, also in unserer
voraussichtlich nächsten ordentlichen Sitzungswoche,
wie üblich keine Befragung der Bundesregierung, keine
Fragestunde und auch keine Aktuellen Stunden durch-
zuführen . Als Präsenztage sind wie üblich die Tage von
Montag, dem 5 . September, bis Freitag, dem 9 . Septem-
ber 2016, festgelegt worden . – Dazu stelle ich Ihr Einver-
nehmen fest .

Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, müssen
wir einen Geschäftsordnungsantrag behandeln . Die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat beantragt, die zwei-
te und dritte Beratung der von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD sowie von der Bundesregierung einge-
brachten Entwürfe eines Erneuerbare-Energien-Gesetzes
von der heutigen Tagesordnung abzusetzen . Das Wort
zur Geschäftsordnung hat die Kollegin Haßelmann .


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818400100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Im Namen meiner Fraktion beantrage ich,
dass wir heute den Tagesordnungspunkt zum Erneuerba-
re-Energien-Gesetz absetzen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es besteht kein unmittelbarer Zeitdruck, diese Geset-
zesvorlage, die beim Kollegen Hofreiter auf dem Tisch
liegt – das, was ich hier habe, ist nur der Änderungsum-
druck –, heute im Deutschen Bundestag zu verabschie-
den . Weder im Hinblick auf den Bundesrat noch auf die
europäische Ebene ist die Verabschiedung eines solchen
Gesetzentwurfes unter dem Zeitdruck und mit der man-
gelnden Sorgfalt und Prüfungsmöglichkeit für das ge-
samte Parlament zu vertreten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Deshalb beantragen wir diese Absetzung .






(A) (C)



(B) (D)


Was geht dem voraus? Am Mittwoch tagten die Fach-
ausschüsse des Deutschen Bundestages, federführend
der Wirtschaftsausschuss . Die Koalitionsfraktionen hat-
ten sich anscheinend erst Dienstagnacht auf die umfang-
reichen Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
geeinigt


(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Montagnacht!)


und kündigten schon mal im Obleutegespräch viele De-
tailänderungen des Gesetzes an . Da kann man von vorn-
herein schon mal sagen: „Vorsicht, meine Damen und
Herren“; denn es ist nicht das erste Mal, dass wir das
Erneuerbare-Energien-Gesetz im Deutschen Bundes-
tag beraten . Ich erinnere daran: Im Juni 2014 sollte das
Erneuerbare-Energien-Gesetz schon einmal durch den
Bundestag gepeitscht werden,


(Gustav Herzog [SPD]: „Gepeitscht“ niemals!)


und zwar von Dienstag bis Freitag .

Meine Damen und Herren, was haben wir uns damals
alles anhören müssen! Großkotzig und etwas selbstgefäl-
lig


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


äußerte sich damals Wirtschaftsminister Gabriel, nach
dem Motto, ob die Grünen nicht in der Lage seien, fünf
Seiten Synopse zu 270 Seiten Änderungsanträge zu le-
sen,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)


und dass doch alles gebongt sei, weil sein gutes Ministe-
rium das vorbereitet habe . Wissen Sie, was das Resultat
war? Die Koalitionsabgeordneten machten Augen und
Ohren zu, zogen das Ding durch . Und kaum war das Ge-
setz unterzeichnet und in Kraft, kam es zur ersten Ände-
rung des Gesetzes; sie erfolgte peinlicherweise schon am
22 . Juli 2014 . Die zweite gesetzliche Änderung hier im
Bundestag folgte dann am 22 . Dezember 2014 . Die dritte
Änderung, meine Damen und Herren, erfolgte dann am
29 . Juni 2015,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na und?)


die vierte Änderung am 21 . Dezember 2015 .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Und die fünfte heute!)


So viel zum Thema Schlamperei und nicht sorgfältige
Arbeit im Bundeswirtschaftsministerium und im Parla-
ment selbst .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, wer denkt, dass man aus
solchen Fehlern lernt und klug wird, der hat sich gehörig
getäuscht . Am Mittwochmorgen um 9 .41 Uhr gingen bei
den Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses per Mail –
denn so schnell konnte die Bundestagsverwaltung gar
nicht arbeiten – 412 Seiten Änderungsantrag in Synop-

senform ein . Die hatten ja noch Glück; denn sie hatten
die Vorlage wenigstens um 9 .41 Uhr . Um 10 Uhr begann
die Sitzung .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Reicht doch!)


Der Rechtsausschuss – auch kein geringer Ausschuss;
er befasst sich sorgfältig mit Gesetzentwürfen – bekam
das Ganze um 10 .30 Uhr als Tischvorlage . – Meine Da-
men und Herren, ich glaube, mehr Argumente braucht es
nicht, um darzulegen, dass dieser Beratungsvorgang voll-
kommen inakzeptabel für ein Parlament ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Gleich werden sicherlich von den anderen Fraktionen
Argumente bemüht wie:


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warten Sie doch mal ab!)


Das hatten wir doch schon mal, das hat doch jeder schon
mal gemacht, die Große Koalition, Schwarz-Gelb oder
auch Rot-Grün . – Ich frage Sie mal: Sind Sie eigentlich
zufrieden damit? Das Parlament wird doch nicht dadurch
besser, dass man schlechte Praxis fortsetzt, oder?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wenn ich Sie fragen würde, wer von Ihnen das hier
gelesen hat,


(Zuruf von der LINKEN: Und verstanden hat!)


dann würde vielleicht ein Drittel von Ihnen aufzeigen;
„verstanden“, danach frage ich erst gar nicht .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man muss es auch verstehen wollen!)


Ich gehe davon aus, dass über die Hälfte des Hauses das
Ding hier überhaupt nicht gelesen hat .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist denn mit Ihnen? – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Das ist eine Unterstellung!)


Zum Abschluss . Kommen Sie mir nachher nicht wie-
der mit den Argumenten, Ihre Fraktionen hätten das gele-
sen . Kommen Sie mir auch nicht damit, dass wir das im-
mer praktiziert haben . Das ist kein Grund, eine schlechte
Praxis im Parlament fortzusetzen, und das ist ganz ein-
deutig schlechte Praxis . Ich garantiere Ihnen – ich würde
jede Wette eingehen –, dass Sie, unabhängig von dem
heutigen Beschluss, schon längst dabei sind, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818400200


Frau Kollegin .

Britta Haßelmann






(A) (C)



(B) (D)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818400300

– für September, Oktober oder November die nächste
Änderung vorzubereiten; denn die ersten Fehler haben
Sie bei den Beratungen schon entdeckt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Jetzt machen wir es am 1 . Dezember! Den haben Sie nicht genannt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818400400

Für die SPD-Fraktion erhält die Kollegin Christine

Lambrecht das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1818400500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Haßelmann,
Sie haben uns und damit auch mich gefragt, ob ich mit
dem Verfahren zufrieden bin . Ich sage als Parlamentari-
erin: Nein .


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum machen Sie es dann?)


Es hätte auch anders laufen können, und es hätte eigent-
lich auch anders laufen sollen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer ist denn daran schuld?)


Wir haben eine solche Situation in verschiedenen
Konstellationen erlebt; Sie haben darauf hingewiesen .
Ich bin seit 1998 dabei, und auch ich habe unterschied-
lichste Konstellationen erlebt . Es ist für einen Parlamen-
tarier sehr schwierig, wenn man so eine Tischvorlage
bekommt . Ich kann mich noch gut daran erinnern, als
im Rechtsausschuss vom Kollegen Trittin oder von der
Kollegin Künast, damals als Minister, Tischvorlagen mit
einer ähnlichen Dimension vorgelegt wurden .


(Zuruf der Abg . Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf des Abg . Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt hört doch mal zu!)


Das ist eine schwierige Situation . Aber 400 Seiten – das
ist eben von Ihnen ja genannt worden – bedeuten ja nicht
400 Seiten Änderungsanträge, sondern es handelt sich
um eine Synopse . Wenn man es eindampfen würde, dann
wären es nur noch einige Seiten; aber es wären eben im-
mer noch einige Seiten .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie die gelesen?)


Es stellt sich die Frage, ob dieses Verfahren tatsäch-
lich notwendig ist .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es nicht! Es gibt keine Frist!)


Ich sage: Ja .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Gibt es überhaupt nicht!)


Denn es gibt manchmal Situationen, in denen man ein
solches Verfahren durchziehen muss .

Sie wissen selbst, dass die Notifizierung Ende 2016
ausläuft


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ende 2016!)


und dass damit die Förderung von Erneuerbare-Energi-
en-Anlagen nicht mehr möglich wäre . Mal allen Erns-
tes, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das kann in diesem
Haus doch wirklich niemand wollen, vor allem nicht
jene, denen der Ausbau der erneuerbaren Energien am
Herzen liegt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausbau? Abbau! Sie haben sich versprochen! Es geht um den Abbau!)


Das hätte ich eigentlich von Ihnen erwartet .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es nicht verstanden!)


Wir wissen, wie lange ein solches Notifizierungsver-
fahren auf europäischer Ebene dauert: in der Regel fast
acht Monate . Deswegen wäre es eben nicht möglich ge-
wesen, zu sagen: Ach, das schieben wir auf die Zeit nach
der Sommerpause . – Dann wäre Ihnen bestimmt noch et-
was eingefallen . Nein, es ist notwendig, dass wir diesen
Schritt gehen, damit erneuerbare Energien weiter ausge-
baut werden können .

Ich muss auch ehrlich sagen: Ich habe den Eindruck:
Ihnen sind die sachlichen Argumente abhandengekom-
men .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deswegen machen Sie jetzt eine Geschäftsordnungsde-
batte wie in vielen anderen Fällen auch . In dem parla-
mentarischen Verfahren sind viele positive Änderungen
erreicht worden, die auch in Ihrem Interesse sein müss-
ten, wenn Sie tatsächlich am Ausbau der erneuerbaren
Energien interessiert wären .


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie peinlich!)


Als Beispiel nenne ich nur: Bürgerenergiegesellschaften
müssen jetzt 10 Prozent ihrer Anteile der Kommune vor
Ort anbieten . Wozu führt das denn? Das führt zu Akzep-
tanz vor Ort, und deswegen ist diese Veränderung im In-
teresse der Energiewende .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Geschäftsordnung, bitte! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, ist das eine sachliche Debatte?)


Mieterstrommodelle sollen über eine Verordnung er-
möglicht werden . Damit können auch die Städte von den






(A) (C)



(B) (D)


Erneuerbaren erreicht werden . Außerdem können Privat-
personen und kleine Unternehmen Dachphotovoltaikan-
lagen weiter nach dem System der garantierten Einspei-
severgütung errichten . Ich glaube, das ist ebenfalls ein
richtiger Schritt, der genau durch diese von Ihnen kriti-
sierten Änderungen erreicht werden konnte .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man hätte dieses
Verfahren auch anders machen können,


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


aber aufgrund des Zeitdrucks und der auslaufenden Noti-
fizierung ist es eben notwendig.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich! Peinlich!)


Lassen Sie uns jetzt den Gesetzentwurf beraten und be-
schließen – im Interesse des Erfolgsmodells der erneuer-
baren Energien, damit sie weiter gefahren werden kön-
nen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818400600

Petra Sitte erhält nun das Wort für die Fraktion Die

Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818400700

Herr Präsident! Wenn dieses Gesetz etwas auszeich-

net, dann überstürzte Verfahren: Immer ist es eilig, es
steht ein Termin an, es ist eine Notifizierung notwendig
usw . Es kann ja sein, dass zu Zeiten von Rot-Grün Vorla-
gen zur Energiepolitik fehlerhaft waren . Es kann ja sein,
dass die Änderungsvorlagen aus der Zeit von Schwarz-
Gelb oder anderen zu kurzfristig vorgelegt wurden . Und
es kann auch sein, dass die Beratungen damals genau-
so ungeordnet, chaotisch oder überstürzt gewesen sind .
Aber trotzdem gibt es zwei Gründe, warum wir heute da-
rüber reden müssen:

Der erste Grund: Bei den damaligen Vorlagen ging es
um einen Einstieg in die Energiewende .

Der zweite Grund: Heute geht es mindestens um eine
Verlangsamung, wenn nicht gar um einen Ausstieg aus
der Energiewende . Das ist das Problem .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der SPD – Thomas Jurk [SPD]: Das ist ja lachhaft! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Glauben Sie eigentlich, was Sie da erzählen?)


Und das ist auch der Hauptgrund, warum wir dieses
Verfahren kritisieren . Dieses Gesetz ist hochkompliziert .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Für Sie wahrscheinlich zu kompliziert!)


Das ist es schon immer gewesen . Diese Verfahren füh-
ren dazu, dass noch mehr Verwirrung gestiftet wird, dass
noch mehr Verunsicherung gestiftet wird und dass sich

die Akteure und andere Initianten in diesem Bereich in
Zukunft mit Investitionen zurückhalten werden .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sind denn „Initianten“?)


Das heißt für uns – das wird deutlich, wenn man Ihr
Gebaren in Sachen Energiepolitik in diesem Land beob-
achtet –: Es droht ein Rückschritt in die Energiewelt des
20 . Jahrhunderts .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? Das ist Quatsch!)


Das EEG ist in immerhin 60 Länder sozusagen expor-
tiert worden oder von diesen kopiert worden, und zwar
erfolgreich .


(Johann Saathoff [SPD]: So schlecht kann es dann ja nicht gewesen sein!)


Und wir verändern jetzt permanent das EEG zu seinem
Nachteil .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die Debatte kriegen wir noch!)


Das halte ich ebenfalls für ein Problem, weil Sie sich da-
mit aus der Reihe der Vernünftigen auskoppeln .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Haben Sie keine Redezeit in der Debatte bekommen? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Dann waren wir bisher doch die Vernünftigen! Immerhin ein Fortschritt!)


Ich darf daran erinnern, dass die übereilten Verfahren im-
mer wieder – meine Kollegin hat das im Einzelnen minu-
tiös dargelegt – zu gravierenden Fehlern geführt haben .
Der letzte große Fauxpas führte sogar dazu, dass wir mit
einem sogenannten Omnibusgesetz eine ganze Branche
retten mussten, nämlich die Bioenergiebauern .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das war ein Warnzeichen, genau so nicht damit umzu-
gehen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum parlamentarischen Verfahren in dieser Woche:
Wie gesagt, am Mittwoch, 9 .40 Uhr, kam die Vorlage .
Um 10 Uhr begannen die Ausschusssitzungen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hatten wir alles schon! Weiter!)


Die Abgeordneten waren zum Teil schon unterwegs, so-
dass diese Vorlage sie überhaupt nicht erreicht hat . Mitbe-
ratende Ausschüsse, also nicht nur der Rechtsausschuss,
sondern auch der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit, der Ausschuss für Ernährung
und Landwirtschaft sowie der Ausschuss für Verkehr und
digitale Infrastruktur, hatten die Vorlage zu diesem Zeit-
punkt noch nicht . Ihre Sitzungen hatten zum Teil nämlich
schon längst begonnen . Das ist für die Abgeordneten na-
türlich ein Problem, das ist natürlich für seriöse Beratun-

Christine Lambrecht






(A) (C)



(B) (D)


gen ein Problem, und das ist auch für eine Verteidigung
des EEG gegenüber der Gesellschaft ein Problem .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wieder einmal gilt das 80 : 20-Prinzip: 80 Prozent
Mehrheit der Koalition, 20 Prozent für die Opposition .
Es gilt: Was interessieren mich die Einwände der Opposi-
tion? Was kümmern mich die Kritiken von Experten und
Betroffenen?


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Quatsch!)


Was soll das? Wir können es ja hier mal einfach so be-
schließen! – Im Normenkontrollverfahren vor dem Bun-
desverfassungsgericht haben vor allem die Vertreter der
Union darauf hingewiesen, wie wichtig und bedeutsam
aus ihrer Sicht die Rolle des einzelnen Abgeordneten
ist; das haben sie betont . In dem Verfahren, über das wir
gerade sprechen, ist das aber umgekehrt: Das Recht des
einzelnen Abgeordneten, sich umfassend mit der Materie
zu beschäftigen, sich seriös einzuarbeiten und mit seinen
Kollegen abzustimmen, ob das fachlich überhaupt trägt,
wird von Ihnen vollkommen ignoriert . Sie legen darauf
überhaupt keinen Wert .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Entscheidungssouveränität des Abgeordneten war
Ihnen im Zusammenhang mit dem Normenkontrollver-
fahren vor dem Bundesverfassungsgericht wichtig; aber
in der Praxis sieht das anders aus .

Ich stelle fest: Die Abgeordneten der Koalitionsfrak-
tionen geben ihre Entscheidungssouveränität in diesem
Verfahren vollkommen ab . Ich stelle fest, dass sie ihrer
Kontrollaufgabe gegenüber der Regierung nicht nach-
kommen .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Unverschämtheit!)


Um bei dem Bild zu bleiben, das der Präsident am An-
fang benutzt hat: Sie laufen wieder Gefahr, ein Eigentor
zu schießen .

Fazit: Stimmen Sie der Absetzung dieses Tagesord-
nungspunkts zu!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818400800

Für die CDU/CSU-Fraktion: Michael Grosse-Brömer .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dagmar Ziegler [SPD])



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1818400900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Frau Kollegin Sitte, es ist wirklich schade,
dass Sie auch nach zweieinhalb Jahren noch nicht in Ih-
rer Oppositionsrolle angekommen sind . Hören Sie doch

einmal auf, zu jammern, und machen Sie inhaltliche Ar-
beit, damit Sie uns beeindrucken können!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Das schaffen Sie nicht durch Geschäftsordnungsdebatten
in jeder Sitzungswoche – mit Sicherheit nicht .

Das, was Ihnen das Bundesverfassungsgericht zu den
Oppositionsrechten gesagt hat, ist doch viel interessan-
ter: dass wir Ihnen als Große Koalition wesentlich mehr
Rechte zugestanden haben,


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Zur Sache!)


als Ihnen nach Ihren Wahlergebnissen überhaupt zuge-
kommen wären .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Also hören Sie auf, zu jammern, und fangen Sie mit der
ordentlichen Arbeit an!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der zweite Punkt: Ich bin der Kollegin Haßelmann
wirklich sehr dankbar dafür, dass sie auch kurz in die
Vergangenheit geschaut hat . Ich erinnere mich gerne an
meine Anfangszeit im Bundestag – allerdings nicht so
gern, weil ich damals noch in der Opposition gewesen
bin, hoffentlich zum letzten Mal –; ich erinnere mich an
den Rechtsausschuss . Voller Spannung ging man Mitt-
wochmorgen dorthin, und dann kam das rot-grüne EEG
auf die Tagesordnung . Wissen Sie, was für Änderungsan-
träge ich dazu bekommen habe? Dagegen ist Ihr „Zettel-
werkchen“ eine Lachnummer .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hatte aber nur zwölf Seiten!)


Die Änderungsanträge, die damals von Rot-Grün kamen,
konnte ich gar nicht allein in mein Büro tragen,


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei der SPD)


ein solcher Berg war das – obwohl es Freitag debattiert
werden sollte! Das ist die Wahrheit .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Grosse-Brömer, waren Sie damals so schwach, dass Sie nicht mal zwölf Seiten tragen konnten?)


Wenn Sie von Schlamperei reden, dann erinnern Sie
sich einmal daran – da war ich glücklicherweise noch
nicht Mitglied des Bundestages –, als es eine Gesund-
heitsministerin der Grünen – Andrea Fischer – gab, die
24 Seiten eines Gesetzes vollständig vergessen hatte . Da
ist es mir doch lieber, ich bekomme nachträglich 100 Sei-
ten an Informationen, bevor 24 Seiten überhaupt nicht im
Gesetz vorhanden sind .


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Petra Sitte






(A) (C)



(B) (D)


Zu diesen Punkten kann ich Ihnen nur den Rat geben:
Hören Sie auf, immer das Verfahren zu kritisieren! Ma-
chen Sie inhaltliche Arbeit! Dadurch können Sie auch
beeindrucken .

Im Übrigen: Die Länder, die heute über dieses Gesetz
dringend abschieben wollen,


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Abschieben wollen“!)


entscheiden wollen – –


(Lachen bei der LINKEN und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ja, das wäre mein Wunsch, dass manche Länder beim
Abschieben ein bisschen erfolgreicher wären; das ist
auch wahr .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Aber auch sie wollen sich mit der Energiepolitik beschäf-
tigen und haben deshalb beim Bundesrat Fristverzicht
erklärt . Sie wollen also genau das Gegenteil von Ihnen
und sagen: Wir möchten gern entscheiden . – Sie stehen
nämlich in der Verantwortung und können nicht als Op-
position permanent rumjammern, sondern sie sagen: Wir
müssen den Bürgerinnen und Bürgern und den Unterneh-
men in Deutschland Rechtssicherheit geben, damit sie
wissen, ob sie noch investieren sollen und wie es mit der
erneuerbaren Energie weitergeht . Das ist wahrhafte Ver-
antwortung in der Regierung . Die nehmen sie wahr; auch
Sie sind ja an Landesregierungen beteiligt . Die sehen es
eben gravierend anders als Sie als Bundestagsfraktion,
die hier permanent versucht, über Geschäftsordnungsde-
batten in der Sitzungswoche Aufmerksamkeit zu bekom-
men . Es geht auch anders .

Frau Haßelmann, wenn Sie hier immer stehen und er-
klären: „Ja, gut, das verstehe ich überhaupt nicht: Warum
nehmen Sie denn Ihre Parlamentsrechte nicht wahr?“,
sage ich Ihnen: Ich brauche von Ihnen keine Belehrun-
gen, wie die CDU/CSU-Fraktion im Parlament zu han-
deln hat .


(Zuruf der Abg . Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese Kollegen prüfen die Unterlagen mit Sicherheit so
genau wie Sie .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Und wenn sie zur der Auffassung gelangen, sie können
entscheiden, dann ist das ihre Entscheidung . Da brau-
che ich von Ihnen keine Belehrungen . Wir sind keine
schlechteren Parlamentarier als Sie,


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


und deswegen wird dieser Tagesordnungspunkt nicht ab-
gesetzt, sondern sinnvollerweise heute debattiert .

Vielen Dank .


(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818401000

Herr Kollege Grosse-Brömer, ich will mich nur verge-

wissern: Mit Blick auf den Bundesrat haben Sie nicht die
Aufsetzung weiterer Tagesordnungspunkte beantragt?


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Kommt noch! – Hubertus Heil [Peine] [SPD], an den Abg . Michael GrosseBrömer [CDU/CSU] gewandt: Was hattest du heute zum Frühstück?)


Gut, das beruhigt mich sehr, was den Ablauf unserer heu-
tigen Sitzung angeht .

Wir stimmen jetzt über den Geschäftsordnungsantrag
ab . Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen . – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Ge-
schäftsordnungsantrag abgelehnt .

Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 33:

– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von
Ausschreibungen für Strom aus erneuer-
baren Energien und zu weiteren Änderun-
gen des Rechts der erneuerbaren Energien

(Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016)


Drucksache 18/8860

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Einführung von Ausschrei-
bungen für Strom aus erneuerbaren
Energien und zu weiteren Änderungen
des Rechts der erneuerbaren Energien

(Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2016)


Drucksachen 18/8832, 18/8972

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(9 . Ausschuss)


Drucksache 18/9096

Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU
und SPD liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor . Über den Gesetzentwurf
werden wir später namentlich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 60 Minuten vorgesehen . – Dazu höre ich
keinen Widerspruch, also können wir so verfahren .

Ich eröffne die Debatte und erteile dem Kollegen
Johann Saathoff für die SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Johann Saathoff (SPD):
Rede ID: ID1818401100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Verännerungen mutten up een fasten Grund
stahn, würde man in Ostfriesland sagen . Das heißt, Ver-
änderungen brauchen einen guten Grund . Das Erneu-
erbare-Energien-Gesetz braucht immer wieder Verän-

Michael Grosse-Brömer






(A) (C)



(B) (D)


derungen . Diese Veränderungen sind Verbesserungen .
Niemand auf der Welt kann ein Erneuerbare-Energi-
en-Gesetz einfach nur einmal beschließen, und damit
sind die erneuerbaren Energien eingeführt . Das muss an
dieser Stelle einmal gesagt sein .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU])


Der Grund für das EEG 2014 waren die Kosten, war
die Frage: Wohin werden sich die Kosten entwickeln?
Wie wird sich die EEG-Umlage künftig entwickeln? Wie
wird in diesem Zusammenhang die Bürgerakzeptanz der
Energiewende sein? Der Grund für das EEG 2016 oder
EEG 2017, wie es jetzt heißt, ist in erster Linie die Syn-
chronisation, nämlich die Synchronisation des Ausbaus
der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau des Netzes in
Deutschland . Das muss miteinander in Einklang gebracht
werden . Hierbei müssen wir den Ausbaustand, den wir
im Moment haben, betrachten . Das Instrument für diese
Synchronisation ist der Einstieg in das Ausschreibungs-
regime . Das machen wir jetzt nach ersten Pilotversuchen
in der Photovoltaikbranche – man kann sagen, dass diese
Versuche gut gelungen sind –: Mit diesem Gesetz steigen
wir in das Ausschreibungsregime für Wind onshore, für
Wind offshore und auch für den Biomassebereich ein .

Dem Besitzer eines Einfamilienhauses, der Sorge hat,
ob er auf seinem Dach jetzt noch eine Solaranlage bau-
en darf oder nicht oder an Ausschreibungen teilnehmen
muss, können wir an dieser Stelle unmissverständlich
zurufen, dass er natürlich von Ausschreibungen ausge-
nommen ist . Wir haben einen sehr, sehr hohen Grenzwert
eingeführt . Es geht nur um ganz große Dächer . Was ist
ein großes Dach? Damit man sich das ungefähr vorstel-
len kann: Das Dach zum Beispiel eines schwedischen
Möbelkaufhauses wäre solch ein großes Dach .

Wir steigen in die Akteursvielfalt ein . Das bedeutet,
dass es für Bürgerenergiegesellschaften erleichtert wird,
an Ausschreibungen im Windenergiebereich teilzuneh-
men .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Sie brauchen keine Genehmigung nach dem Bundes-Im-
missionsschutzgesetz . Sie brauchen im Prinzip nur zwei
Dinge: Flächen oder Flächenrechte und ein Windgut-
achten . Dann können sie schon an der Ausschreibung
teilnehmen . Nicht nur das: Sie kommen darüber hinaus,
wenn sie an einer Ausschreibung teilgenommen haben,
am Ende nicht mit dem Gebot, das sie abgegeben haben,
zum Zuge, sondern mit dem höchsten bezuschlagten Ge-
bot . Damit werden sie noch einmal erkennbar besserge-
stellt . Das sind deutliche Verbesserungen gegenüber dem
Kabinettsentwurf .

Doch damit nicht genug . Wir führen auch noch eine
kommunale Beteiligung ein . Das heißt, Bürgerenergie-
gesellschaften werden über unser Gesetz, dessen Entwurf
hier vorliegt, verpflichtet, einen Anteil an die Kommune,
in der der Windpark errichtet wird, abzugeben . Erst dann
sind sie Bürgerenergiegesellschaften .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Josef Göppel [CDU/CSU])


Das führt dazu, dass alle Bürgerinnen und Bürger be-
teiligt werden, nicht nur ein paar, sondern alle, vom
Hartz-IV-Empfänger bis zum Millionär . Das ist sozialde-
mokratische Energiepolitik .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Josef Göppel [CDU/CSU])


Wir beteiligen auch Menschen, die nicht über ein ei-
genes Haus oder Dach verfügen . Das Stichwort dafür ist:
Mieterstrom . Ich lade Sie ein: Kommen Sie im Sommer
einmal nach Ostfriesland, und schauen Sie sich dort um!
Sie werden dort eine wunderbare Landschaft sehen, und
Sie werden sehen, dass auf jedem zweiten oder dritten
Haus eine Solaranlage ist . In Kreuzberg ist das nicht der
Fall . Warum nicht? Weil wir das Mieterstromproblem
hatten . Dieses werden wir lösen . Wir werden die Ener-
giewende dadurch ein Stück weit vom ländlichen Raum
in die urbanen Zentren übersetzen . Das ist gut so .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Josef Göppel [CDU/CSU])


Uns wird mit diesem Gesetz auch der Einstieg in die
Sektorkopplung gelingen . Wir haben in den Gebieten mit
Netzengpässen die Möglichkeit, dass der Strom, der dort
aus erneuerbarer Energie produziert wird, nicht abgere-
gelt, zu schlechten Preisen verkauft oder gar vernichtet
wird, sondern sinnvoll genutzt wird . Ich glaube, das ist
ein guter Weg, den wir in der Sektorkopplung miteinan-
der gehen . Allerdings ist es nur ein Einstieg; das muss
uns allen klar sein . Mit den tatsächlichen Regelungen
zur Sektorkopplung werden wir uns im Herbst sicherlich
noch einmal intensiv beschäftigen müssen .


(Beifall bei der SPD)


Ich möchte mich abschließend bei meinen Kollegen
Thomas Bareiß und Andreas Lenz herzlich bedanken .
Wir haben viele Stunden miteinander verbracht, viele
Runden miteinander diskutiert und 58 Punkte miteinan-
der abzuwägen gehabt . Niemand kann uns vorwerfen,
wir hätten dieses Gesetz inklusive der Synopsen nicht
gelesen . Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, wir können konstatieren, dass es ein gutes
Gesetz ist, ein Gesetz, das wir auf dem Weg zu erneuerba-
ren Energien brauchen, ein Gesetz, das uns helfen wird,
unseren vorgeplanten Zielkorridor von 40 bis 45 Prozent
erneuerbarer Energien in 2025 zu erreichen .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818401200

Die nächste Rednerin ist Eva Bulling-Schröter für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)


Johann Saathoff






(A) (C)



(B) (D)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818401300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dieses Superschnellverfahren erinnert mich an die Ban-
kenrettung, die hier in ähnlich hohem Tempo durchge-
peitscht wurde .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Und erfolgreich!)


Wenn es um den Einsatz von Milliarden Steuergeldern
geht, werden Demokratie und Parlament ausgehebelt und
unter Druck gesetzt .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Jetzt aber!)


Ein anderes Beispiel ist die Erbschaftsteuer, die jetzt
ganz schnell beschlossen wurde und Firmenerben mit bis
zu 26 Millionen Euro schont .

Beim Erneuerbare-Energien-Gesetz ist es dasselbe
Spiel . Wir von der Opposition haben – das wurde schon
gesagt – den Änderungsantrag der Regierungskoalition,
diese 412 Seiten, vorgestern eine Viertelstunde vor Aus-
schussbeginn bekommen . Wenn die Große Koalition et-
was durchsetzen will, dann wird Druck gemacht, dann
muss es schnell gehen . Das ist die Strategie dieser Ko-
alition .


(Bernd Westphal [SPD]: Habt ihr auch einen Inhalt? – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Sagen Sie mal dem Bundesverfassungsgericht, dass Sie das ganz anders sehen!)


Ich finde, dafür, dass Sie mit Ihrer Mehrheit von 80 Pro-
zent die Rechte der Opposition mit Füßen treten, sollten
Sie sich wirklich schämen . Ich frage mich: Was ist das
für ein Demokratieverständnis?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Wirtschaftsausschuss haben wir am Mittwoch vonsei-
ten der Union gehört: Sie stimmen ja sowieso dagegen . –
Das halte ich für eine Frechheit .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Tun Sie das etwa nicht? – Dr . Georg Nüßlein [CDU/ CSU]: Ach, Sie stimmen zu?)


Mit dieser Logik braucht man der Opposition Gesetzent-
würfe künftig gar nicht mehr vorzulegen, weil sie ja so-
wieso dagegen stimmt . Ich frage mich: Wo sind wir hier
eigentlich?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist schon klar, weshalb Sie so auf die Tube drücken:
Sie machen heute das erfolgreiche EEG kaputt . Sie stel-
len die Ökostromförderung auf Ausschreibungen um und
schaffen damit die verlässliche Einspeisevergütung für
erneuerbaren Strom ab . Das ist ein tiefer Einschnitt . Wa-
rum? Weil die garantierte Vergütung und der Vorrang der
erneuerbaren Energien die wichtigsten Gründe für den
großen Erfolg dieses Gesetzes waren . Das EEG war bis-
lang das erfolgreichste Klimaschutzinstrument Deutsch-
lands . Man muss sagen: „war“; denn diesen Erfolg ge-
fährden Sie nun . Mit dieser Reform wird Deutschland

seine Klimaschutzziele eben nicht erreichen; das bestä-
tigen viele Fachleute, auch wenn Sie das immer wieder
negieren .

Ein besonders großer Erfolg war auch die große Be-
teiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Kom-
munen an der Energiewende . Alle konnten mitreden und
mitmachen . Die Energie war seitdem nicht mehr nur in
der Hand der Konzerne . Auch diesen Erfolg gefährden
Sie nun . Die Anbieter von Bürgerenergie werden sich
aus Kostengründen weniger oder auch gar nicht an Aus-
schreibungen beteiligen können . Daran ändern auch die
Ausnahmeregelungen nichts . Die Energieversorgung
sollen wieder ein paar wenige Großprojektierer regeln,
die viel Kapital mitbringen und die kleinen Bieter an die
Wand drücken . Investmentfonds kaufen am Ende alles
auf .

Die SPD ist ja sehr stolz, weil sie etwas für die Kom-
munen getan hat .


(Ulli Nissen [SPD]: Zu Recht!)


Von den Bürgerenergieprojekten sollen an die Kommu-
nen mindestens 10 Prozent abgegeben werden .


(Ulli Nissen [SPD]: Das ist doch klasse!)


Es ist gut, die Kommunen zu beteiligen; dafür bin ich
auch .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Warum aber sollen nur die Anbieter von Bürgerenergie
etwas abgeben? Warum nicht auch die Großprojektierer?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich frage mich schon, warum da die Liebe der SPD zu
den Kommunen aufhört . Genauso gut könnten die Kom-
munen doch bei großen Investoren mit 10 Prozent ein-
steigen . Ich frage mich: Haben Sie wenigstens darüber
nachgedacht?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Um die radikale Kehrtwende bei der Ökostromförde-
rung zu rechtfertigen, sprechen Sie immer wieder von
explodierenden Kosten . Das war schon 2013 und 2014
bei der Kampagne gegen die EEG-Umlage so, und das
ist jetzt auch wieder so . Angeblich würden die Kosten
für die Abregelung von Windkraftanlagen in den Himmel
steigen . Dass das nicht stimmt, wird zum Beispiel vom
Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bestätigt .

Allerdings wird bei den sowieso schon enorm großzü-
gigen Entlastungen für die stromintensive Industrie noch
ein dicker Batzen obendrauf gepackt – ob berechtigt oder
nicht, ob effizient oder nicht, das ist Ihnen wahrschein-
lich egal . Die 5 Milliarden Euro für Industriestrom zieht
man den Verbraucherinnen und Verbrauchern gerne aus
der Tasche . Beim Mieterstrom hingegen fehlt wieder eine
Regelung; das müssen Sie einfach zugeben .

Noch ein Wort zum schnellen Durchdrücken . Vor zwei
Tagen haben Sie in letzter Minute eine alte FDP-Forde-
rung aufgenommen . Sie wollen technologieneutrale Aus-
schreibungen erproben . Die Experten, die in der Anhö-






(A) (C)



(B) (D)


rung am Montag danach befragt wurden, lehnten dies ab;
denn es ist ein offenes Geheimnis, dass dies das Aus der
Photovoltaik wäre . Aber absurd ist es schon: Die FDP ist
weg, und Sie machen FDP-Politik .

Die Sektgläser werden heute bei Banken, Fonds und
anderen Großinvestoren klingen, aber nicht bei den Her-
stellern von Solar- oder Windanlagen, auch nicht bei den
Bürgerenergiegenossenschaften .


(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Da findet doch nichts mehr statt!)


Die Linke sagt: Wir stehen hinter der Bürgerenergie . Wir
stehen hinter einer echten Energiewende . Deshalb lehnen
wir das Gesetz ab .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: „Sozialistische Energiewende“ wollten Sie sagen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818401400

Das Wort erhält nun der Kollege Joachim Pfeiffer für

die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1818401500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer wirklich
will, dass die Energiewende und der europäische Binnen-
markt für Energie, den wir im Gegensatz zu anderen Teil-
märkten in Europa immer noch nicht haben, zum Erfolg
geführt werden, der muss dafür sorgen, dass wir in der
Energieversorgung mehr Markt, mehr Wettbewerb und
mehr Europa bekommen .

Wir haben bereits in der letzten Sitzungswoche we-
sentliche Teile des Gesetzespaketes für den Umbau neu
justiert, etwa das Strommarktdesign und die damit ver-
bundene Flexibilisierung auf der Nachfrageseite . Der
Wettbewerb funktioniert in vielen Bereichen immer noch
nicht richtig . Die Angebotsseite wird zwar zunehmend
flexibler, aber die Nachfrageseite ist immer noch recht
starr . Wir haben ebenfalls die Digitalisierung der Ener-
giewende eingeleitet . Heute geht es um einen weiteren
wesentlichen Eckpfeiler, nämlich das EEG marktwirt-
schaftlicher, wettbewerblicher und europafester auszu-
richten . Es geht darum, den Weg dafür einzuschlagen,
die Energiewende und den europäischen Binnenmarkt
endgültig zum Erfolg zu führen .

Warum sind gerade im EEG Veränderungen so drin-
gend notwendig? Das EEG und sein Vorläufer, das
Strom einspeisungsgesetz, gibt es nun seit fast 26 Jahren .
Es ist auf der einen Seite sehr erfolgreich, was den Zu-
wachs der Erzeugung von erneuerbaren Energien anbe-
langt . Es ist zum Teil sogar Opfer seines eigenen Erfolgs:
Der technologische Fortschritt und die Kosteneffizienz
bei vielen Technologien sind deutlich schneller voran-
geschritten – bei der Photovoltaik war das bereits Ende
der 2000er-Jahre der Fall; jetzt erfolgt dies bei Wind
on shore, aber auch bei Wind offshore –, als wir uns das

erhofft und vorgestellt hatten . Auf der anderen Seite wa-
ren wir alle gemeinsam nicht in der Lage, die politische
Preissetzung – im EEG gibt es ja eine politische Preis-
setzung, keine marktwirtschaftliche – so zu verändern,
dass sie mit dem technologischen Fortschritt und den
Fortschritten bei der Kosteneffizienz Schritt hält.

Wozu hat das geführt? Das hat dazu geführt, dass der
Ausbau der Erzeugung in vielen Sektoren weit über dem
lag, was wir uns als Ausbauziele gemeinsam vorgenom-
men hatten . Im Koalitionsvertrag von 2013 haben wir für
die Windenergie Ausbaupfade festgelegt, die schon viel
höher lagen als die von fast allen Fraktionen im Ener-
gieprogramm von 2010/2011 gemeinsam festgelegten
Ausbauziele, die wieder explodiert sind . Das hat dazu
geführt, dass unnötig hohe Kosten entstanden sind, näm-
lich rund 500 Milliarden Euro an Ausgabenzusagen al-
lein durch das EEG durch den Festpreis, die unbegrenzte
Mengengarantie und eine 20-jährige Laufzeit . 350 Milli-
arden Euro dieser Ausgabenzusagen sind in den nächsten
20 Jahren noch von den Stromverbrauchern abzutragen .

Dass wir es trotz aller Bemühungen versäumt haben,
den Netzausbau mit dem überproportionalen Anstieg der
Erzeugung zu synchronisieren, hat dazu geführt, dass der
Strom vielfach nicht in die Verbrauchszentren abtrans-
portiert werden kann, also dorthin, wo er gebraucht wird .
Ganz eklatant ist die Situation in Niedersachsen . Dabei
müssen wir uns aber nicht parteipolitisch den Schwarzen
Peter zuschieben: Seit wir 2009 mit dem EnLAG begon-
nen haben, den Netzausbau zu beschleunigen, haben es
weder die frühere noch die jetzige Regierung vollbracht,
in den letzten sieben Jahren in Niedersachsen auch nur
einen Meter Leitung im Übertragungsnetz zu bauen .
Deshalb haben wir die Situation, dass die Offshorewind-
energie, deren Ausbau wir vor zwei Jahren in diesem
Hause ebenfalls mit hohem Kostenaufwand beschleunigt
haben, und die Onshorewindenergie nicht durch Nieder-
sachsen in den Süden abtransportiert werden können .

Von den mit dem Energieleitungsausbaugesetz ge-
planten Vorhaben, die eigentlich bis 2011 umgesetzt
werden sollten, ist heute gerade einmal ein Drittel der
Leitungen fertig . Von den im Bundesbedarfsplangesetz
für den Netzausbau vorgesehenen Leitungen ist bis jetzt
nur 1 Prozent fertiggestellt . Das zeigt, dass das einseitige
Setzen auf Erzeugung nicht zum Erfolg führt – da können
Sie ein noch so großes Brimborium veranstalten –, son-
dern es muss mit dem Netzausbau synchronisiert werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann macht das endlich mal! Mit Ihrer eigenen Unfähigkeit begründen Sie den Nichtausbau der erneuerbaren Energien! Sie benutzen Ihre eigene Unfähigkeit als Argument! – Gegenruf des Abg . Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Unfähigkeit heißt Wenzel!)


Wenn dies nicht erfolgt, dann entstehen Redispatchkos-
ten durch die Abregelung von EEG-Anlagen im Norden –
die Kosten fallen an, unabhängig davon, ob der Strom
eingespeist wird oder nicht –, und im Süden oder auch im
benachbarten Österreich werden Kraftwerke hochgefah-

Eva Bulling-Schröter






(A) (C)



(B) (D)


ren, um das System mit der notwendigen Frequenz und
Spannung aufrechtzuerhalten und die Energieversorgung
zu gewährleisten .

Das ist das Problem, vor dem wir stehen . Deshalb ist
es dringend notwendig, den Systemwechsel, der heute
beschlossen werden soll, vorzunehmen, nämlich weg
von der Preisgarantie, also von der politischen Preisset-
zung, hin zu einem Ausschreibungsverfahren, mit dem
wir zumindest in Zukunft eine Mengensteuerung errei-
chen können, damit die Preise wettbewerblich am Markt
gebildet werden und wir dann die bereits erwähnten Kos-
teneffizienzpotenziale, die wir bisher im System nicht
heben konnten, zukünftig heben können .

Das gilt gerade für Sie als Grüne und auch als Linke –
Sie waren immer vehement gegen diese Ausschreibun-
gen und sind es zum Teil noch heute –: Wider besseres
Wissen haben Sie in den letzten Jahren verhindert, dass
wir den Energieumbau und die Energiewende kosteneffi-
zienter gestalten und die notwendigen Änderungen vor-
nehmen . Das müssen Sie sich auf Ihre Fahnen schreiben
lassen .

Wir wollen heute wesentliche Änderungen beschlie-
ßen . Kollege Saathoff hat schon einige Punkte ange-
sprochen . So wollen wir im Windonshorebereich, weil
die Ausschreibungen nicht von heute auf morgen grei-
fen können, notwendige Absenkungen vornehmen . Statt
einer Einmalabsenkung sind Absenkungen in mehreren
Stufen vom 1 . März bis zum 1 . August nächsten Jahres
vorgesehen, um die unnötigen Kosten, die bisher im Sys-
tem entstehen, zu senken .

Ich wage eine Prognose: Es wird keine einzige Anlage
weniger gebaut werden als vorgesehen . Es ist genauso
wie vor ein paar Jahren beim EEG 2014 . Damals haben
Sie, Herr Krischer, von der „Abrissbirne der Energie-
wende“ gesprochen und den Untergang des Abendlandes
vorausgesagt, wenn der Stichtag nicht verlängert wird .
Was ist passiert? Nichts! Keine einzige Windkraftanlage
ist nicht gebaut worden . Alle sind gebaut worden, aber zu
geringeren Kosten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sie machen sich schuldig, das Ganze unnötig teuer zu
machen .

Mit diesem Gesetz machen wir nicht nur die Energie-
wende europafester . Wir sorgen auch für mehr Markt und
mehr Wettbewerb und schlagen damit die richtige Rich-
tung ein . Wir hätten gern noch mehr gemacht . Es ist aber
wie immer beim EEG: Die Reform geht in die richtige
Richtung und ist besser als der Status quo .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818401600

Herr Kollege Pfeiffer .


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1818401700

Gibt es noch eine Zwischenfrage?


(Heiterkeit)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818401800

Nein, es gibt keine mehr . Die Redezeit ist zu Ende .


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1818401900

Dann komme ich zum Ende .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818402000

Wie schön .


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1818402100

Vielen Dank für die Anmerkung . – Es geht in die rich-

tige Richtung und ist besser als der Status quo; aber ei-
gentlich wäre noch mehr nötig gewesen . Das, was wir
heute verabschieden, war schon ein ordentliches Stück
Arbeit . Deshalb bitte ich um Zustimmung . Ich hoffe auf
breite Unterstützung nicht nur hier im Haus, sondern spä-
ter auch im Bundesrat .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818402200

Julia Verlinden ist die nächste Rednerin für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen .


Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818402300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Mit der heutigen EEG-Novelle bremsen Sie eines
der erfolgreichsten Innovations-, Export- und Beschäfti-
gungsprojekte der letzten 15 Jahre aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihr Gesetz bedroht die Bürgerenergiewende, die dafür
gesorgt hat, dass wir inzwischen schon bei über 36 Pro-
zent Ökostromanteil sind – und dies wurde mit dem
bisherigen EEG, mit einer festen Einspeisevergütung er-
reicht . Doch dieser Erfolg passt Ihnen offenbar nicht . Ich
habe wenig Zeit . Deshalb möchte ich nur zwei Punkte
herausgreifen:

Erstens . Für das Märchen, dass ausgerechnet Sie jetzt
die Bürgerenergie retten, haben Sie sich selbst gelobt .
Doch der Grund, warum die Bürgerenergie überhaupt
Probleme bekommt, ist doch Ihre vermurkste Zwangs-
umstellung auf ein Ausschreibungssystem .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Erst legen Sie der Bürgerenergie zig Steine in den Weg,
und dann behaupten Sie, zumindest einen davon wieder
wegzurollen . Das ist doch absurd .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


In den letzten 15 Jahren wurde die Hälfte der Erneuerba-
ren-Anlagen von Bürgern geplant und finanziert. Bei den
Pilotausschreibungen für Photovoltaik ging kürzlich we-
niger als 1 Prozent der bezuschlagten Leistung an Bür-

Dr. Joachim Pfeiffer






(A) (C)



(B) (D)


gerenergiegesellschaften . Und da trauen Sie sich allen
Ernstes, von Akteursvielfalt zu sprechen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt haben Sie viel neue Bürokratie und wirtschaftliche
Risiken geschaffen . Aber besser wäre gewesen, Sie hät-
ten gemacht, was die EU explizit zugesteht, nämlich dass
kleine Windenergieprojekte bis 18 Megawatt gebaut wer-
den können, ohne an den Ausschreibungen teilnehmen zu
müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Zum Thema Mieterstrom . Hier klopfen Sie sich auf
die Schulter für etwas, das noch gar nicht da ist .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber es kommt!)


Sie schreiben nur eine Verordnungsermächtigung ins Ge-
setz,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja!)


dass man irgendwann theoretisch ja mal vielleicht … und
Details wären dann noch zu klären .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Hätten wir was vorgelegt, hätte es geheißen, das wär zu viel!)


Wir haben doch erlebt, was mit einer solchen Verord-
nungsermächtigung im letzten EEG passiert ist: nämlich
nichts .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zweitens . Sie reden die ganze Zeit davon, die Ener-
giewende gerechter gestalten zu wollen . Sie tun so, als
ob jede zusätzliche Windenergieanlage die Kosten der
EEG-Umlage in die Höhe schießen lassen würde . Gleich-
zeitig beschließen Sie aber kurz vor Toresschluss, der
energieintensiven Industrie knapp 1 Milliarde Euro zu-
sätzlich an Industrierabatt hinterherzuwerfen, und zwar
Jahr für Jahr . Und wer bezahlt am Ende diese teuren und
unnötigen Geschenke an die Industrie? Das sind mal wie-
der die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher und
die kleinen Unternehmen, zum Beispiel das Handwerk .
Sie nehmen es von den Kleinen und geben es den Gro-
ßen . So sieht Ihre Form der Umverteilung aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Krönung bei diesen Industrierabatten ist, dass Sie
von den begünstigten Industrieunternehmen nicht einmal
den Hauch einer Gegenleistung verlangen . Ich fordere
Sie auf: Nehmen Sie doch endlich Ihren eigenen Koali-
tionsvertrag ernst, und verlangen Sie von den Unterneh-
men wenigstens konkrete Maßnahmen für mehr Ener-
gieeffizienz. Wenn die begünstigten Unternehmen die
Energiewende schon nicht mitfinanzieren wollen, dann
sollten sie doch nicht für das Energieverschwenden be-

lohnt werden, sondern wenigstens durch Energiesparen
zur Energiewende beitragen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland
möchte deutlich mehr Energiewende und mehr Klima-
schutz als das, was Sie uns heute präsentieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818402400

Für die Bundesregierung erhält nun der Bundeswirt-

schafts- und -energieminister das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Ich will wiederholen, was ich schon in der ersten Le-
sung zum Thema gesagt habe . Wenn Sie nachlesen, was
zum EEG 2014 von Frau Verlinden und Herrn Krischer
von den Grünen sowie von den Rednern der Linksfrakti-
on gesagt wurde, dann finden Sie dort fast alle Begriffe,
die Sie eben gehört haben: Untergang der Energiewen-
de, Ausbremsen, Stopp, Abrissbirne . – Das Ergebnis ist,
dass die erneuerbaren Energien im Zeitraum von 2014
bis heute mit 7,4 Prozent die größte Steigerung seit In-
krafttreten des Gesetzes erfahren haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir sind insbesondere bei der Windenergie onshore
weit über dem verabredeten Korridor . Wir nähern uns
fast dem Doppelten . Wir liegen bei der Photovoltaik
deutlich darunter . Da kommt immer der Hinweis, dass
wir dort nicht so viel erreicht hätten . Warum? Weil wir
zuvor drei Jahre lang einen Ausbau mit einem Volumen
von mehr als 7 000 Megawatt pro Jahr zu verzeichnen
hatten und es dann natürlich weniger wurde .

Des Weiteren wird gesagt, dass wir die Biomasse aus-
bremsen, weil wir für sie weniger machen . Ich verweise
auf das, was wir zusammen mit einem grünen Minister-
präsidenten 2014 beschlossen haben: Das Erneuerba-
re-Energien-Gesetz hatte das Ziel, die entsprechenden
Technologien preiswerter zu machen . Es gibt eine erneu-
erbare Energie, die jedes Jahr teurer geworden ist . Das ist
die Bioenergie . Das ist die teuerste Form der Produktion
von erneuerbaren Energien . Angesichts eines Technolo-
giefördergesetzes, das den Menschen verspricht: „Wir
machen es preiswerter“, bei dem aber am Ende eine Pro-
duktionsform immer teurer wird, können Sie doch nicht
so tun, als wäre das völlig egal . Es ist nicht etwa Zufall,
sondern es ist gewollt, dass wir die Biomasse auf das ver-
tretbare und notwendige Maß beschränken . Das ist kein
Kollateralschaden, sondern das wollen wir .

Bei der Windenergie, der preiswertesten Form, hat-
ten wir 2,5 Gigawatt als Ziel . Wir bauen, glaube ich, auf
knapp 4 Gigawatt aus .

Dr. Julia Verlinden






(A) (C)



(B) (D)


Von dem ganzen Gerede über das Ende der Windener-
gie ist – es tut mir leid, aber Sie müssen sich das anhö-
ren; ich musste mir auch anhören, was Sie erzählt ha-
ben – nichts wahr . Ich will einmal auf die letzten beiden
Argumente von Frau Verlinden eingehen . Sie hat gesagt:
Wir beenden nun das EEG, wie wir es kennen . – Ja, das
ist auch dringend nötig .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das EEG war ein Technologiefördergesetz, das eine
Nischentechnologie fördern sollte . Nun sind die Erneu-
erbaren die bestimmende Säule des Strommarkts . Nun
müssen wir den Strommarkt fit für die Erneuerbaren und
die Erneuerbaren fit für den Markt machen. Ich verstehe
überhaupt nicht, warum die Linke ein System fortschrei-
ben will, bei dem Folgendes passiert: Wenn der Staat
immer die Preise für die Erneuerbaren festsetzt, rechnet
jeder Marktteilnehmer aus, wie hoch er gehen kann, um
sich dabei zu bedienen . Das führt zu Grundstückspacht-
kosten in Höhe von 30 000 bis 40 000 Euro im Jahr pro
Hektar . So viel verdient mancher Arbeitnehmer im Jahr
nicht . Aber das wollen Sie beibehalten? Was ist denn da-
ran links, wenn sich jeder bedienen kann? Was ist das
denn für eine Debatte?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie machen Politik für Grundstückseigentümer und ge-
gen diejenigen, die in Wohnungen zur Miete leben . Das
ist, was Sie machen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der Mieter muss das alles bezahlen, weil er das Pech hat,
kein Grundstück und kein Dach zu haben . – Sie haben
doch angefangen . Ich kann auch netter, wenn Sie wollen .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818402500

Herr Gabriel, dann müssen Sie aber langsam anfan-

gen, weil die Redezeit zu Ende geht .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Präsident, dieses Mal scheint es mir nicht zu ge-
lingen .

Es ist doch wirklich irre, dass hier so getan wird, als
ginge es um ein Ausbremsen . Das Gegenteil ist der Fall .
Wir wollen, dass die Erneuerbaren in Wettbewerb treten,
damit die Preiswertesten gewinnen .

Nun behaupten Sie, dass die Bürgerenergiegenossen-
schaften bei Ausschreibungen nicht dabei sind . Wir ha-
ben drei Pilotausschreibungen im Photovoltaikbereich
durchgeführt . Das Ergebnis war, dass bei dem niedrigs-

ten Preis die meisten Bürgerenergiegenossenschaften da-
bei waren .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1 Prozent!)


Die werben derzeit dafür; das ist auch vernünftig .

Sie sprechen immer von den großen Konzernen . Wir
machen Folgendes: Jedes Unternehmen, das sich an ei-
ner Ausschreibung beteiligt, muss eine emissionsschutz-
rechtliche Genehmigung vorweisen . Die kostet pro
Windenergieanlage bis zu 100 000 Euro . Den Bürger-
energiegenossenschaften erlassen wir diese Auflage. Sie
brauchen ein Grundstück, auf dem die Anlage errichtet
wird, und ein Windgutachten, mehr nicht . Diese Genos-
senschaften haben keine Vorlaufkosten . Wir fördern sie
ganz besonders . Warum machen Sie den Bürgerenergie-
genossenschaften denn Angst?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie scheinen eine ganz besondere Strategie zu verfolgen:
den Leuten Angst machen, obwohl es sich um einen Aus-
bau der erneuerbaren Energie handelt . Wir haben heute
einen Anteil der erneuerbaren Energien von 33 Prozent .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen um die Grundrechen-
arten steht . – Wir haben heute 33 Prozent . Wir werden
im Jahr 2025 vermutlich bei über 45 Prozent liegen . Für
mich ist das ein Ausbau . Ich weiß nicht, wie Sie das se-
hen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Jetzt sagen Sie, man könne noch mehr machen . Damit
ignorieren Sie aber die Physik . Man kann doch nicht den
Anlagenbau erhöhen, ohne zeitgleich die Netze auszu-
bauen . Das geht doch nicht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch ich bedaure, dass sich weder die Grünen noch ich
früher beim Ausbau der Erdverkabelung durchsetzen
konnten . Sie und ich haben das viel länger gefordert .
Deswegen will ich gar keine Schuld zuweisen . Ich hoffe,
dass wir jetzt schneller vorankommen . Aber man kann
in der Zwischenzeit doch nicht so viele Windparks wie
möglich bauen nach dem Motto: Je mehr, desto besser .
Am Ende zahlen wir dann den Strom doppelt, einmal
beim Windmüller und, wenn der Strom nicht geliefert
werden kann, noch einmal bei einem anderen Kraftwerk,
damit wir keinen Blackout bekommen . 1 Milliarde Euro
kostet uns das derzeit, sagen die Unternehmen . Nach ih-
ren Angaben steigt die Summe auf 4 Milliarden Euro,
wenn wir nichts ändern . Wenn Sie den Unternehmen
nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht dem Öko-In-
stitut . Das sagt, dass die Kosten auf 2,7 Milliarden Euro
steigen, wenn wir nichts machen . Das ist ein Institut, das
Ihnen nähersteht .

Es ist auch nicht wahr, dass der Klimaschutz ausge-
bremst wird .


(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Frau Hendricks hat in der Fragestunde das Gegenteil gesagt!)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


– Auf Sie kann man sich vorbereiten; das ist nicht so
schwer . –


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)


Die unabhängige Expertenkommission zum Monito-
ring-Prozess „Energie der Zukunft“ sagt: Beim Ausbau
der erneuerbaren Energien im Stromsektor liegt Deutsch-
land auf Zielkurs .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD])


Das ist bezogen auf das, was wir uns vorgenommen ha-
ben, nämlich einen Anteil von 45 Prozent im Jahr 2025 .
Sie suchen sich immer ein Gutachten, das Ihnen passt .
Das ist alles .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818402600

Herr Minister, möchten Sie noch eine Zwischenfrage

der Kollegin Verlinden zulassen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Aber selbstverständlich .


(Heiterkeit)



Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818402700

Herr Gabriel, nehmen Sie zur Kenntnis, dass in dem-

selben Bericht, den Sie gerade zitiert haben, auf Seite 2
auch steht:

Festzustellen ist, dass das zentrale Ziel der Bundes-
regierung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um
40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, erheblich ge-
fährdet ist .

Die Expertenkommission hat im Dezember in Ih-
rem Haus im Rahmen der Pressekonferenz gesagt, Sie
müssten beim Strom mehr tun, weil Sie in den Bereichen
Wärme und Verkehr nichts auf die Reihe bekommen . Es
ist schon seltsam, wie Sie hier Ihre eigenen Experten zi-
tieren . Die Expertenkommission belegt doch eindeutig,
dass Sie das Ziel, die Treibhausgasemissionen zu redu-
zieren, nicht erreichen .


(Beifall des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Frau Verlinden, Sie haben völlig recht, dass die Exper-
tenkommission sagt, wir müssten mehr in den Bereichen
Verkehr und Gebäude machen . Sie aber behaupten, wir
müssten mehr bei den erneuerbaren Energien machen .
Genau das sagt die Expertenkommission aber nicht .
Übrigens: Weil die Expertenkommission gesagt hat, wir
müssten mehr tun, legen wir 13 Prozent der Braunkoh-
lekapazitäten in Deutschland still . Sie hätten sich früher

gar nicht getraut, das zu fordern, was wir in diesem Jahr
machen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie wollten die Braunkohlekraftwerke ab 2025 stilllegen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sind Sie denn drauf? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Wo ist denn Ihre Gesetzesinitiative gewesen, als wir
jetzt beschlossen haben, dass wir 13 Prozent Braunkoh-
lekapazitäten, beginnend in diesem Jahr, stilllegen, und
zwar wegen dieses Berichtes?


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Sie müssen einfach davon ausgehen, dass ich die Be-
richte lese und nicht nur Einzelteile zitiere . Im Bericht
steht: Beim Klimaschutz sind wir im Bereich der erneu-
erbaren Energien auf dem richtigen Weg .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben vor fünf Jahren für Erneuerbare 12 Milliar-
den Euro ausgegeben . Übrigens, Frau Bulling-Schröter,
das Geld kam nicht vom Steuerzahler, sondern vom
Stromkunden .


(Widerspruch der Abg . Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Jahr für Jahr!)


– Nein . Sie haben vorhin von Steuergeldern gesprochen .
Es sind keine Steuergelder . – Heute geben wir für Er-
neuerbare 23 Milliarden Euro aus . Ich wiederhole: Vor
fünf Jahren waren es 12 Milliarden Euro, heute sind es
23 Milliarden Euro .

Durch die mit dem EEG 2014 einhergehenden Maß-
nahmen sind wir von 24 Milliarden Euro auf 23 Milli-
arden Euro heruntergegangen . Ich will gar nicht sagen,
dass das zu viel Geld ist. Im Gegenteil: Ich finde, dass
das mit Blick auf die große Aufgabe von Klimaschutz
und Energiewende gut angelegtes Geld ist . Aber man
muss sich dieses Betrages auch bewusst sein; denn ihn
zahlen die Stromverbraucherinnen und Stromverbrau-
cher in Deutschland . Dieser Betrag ist übrigens andert-
halbmal so groß wie der gesamte Forschungshaushalt
des Bundes und dreimal so groß wie der Haushalt des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend von Frau Schwesig . Ich sage das nur, damit man
einmal ein Gefühl dafür bekommt, über wie viel Geld
wir hier reden .

Das führt natürlich dazu, dass Begehrlichkeiten ge-
weckt werden, dass alle möglichen Interessen ins Spiel
kommen . Das macht übrigens den eigentlichen Grund für
den Umfang des Gesetzentwurfs und seine Komplexität
aus . Bei 24 Milliarden Euro oder 23 Milliarden Euro gilt
das alte Motto: Geld macht sinnlich . Schlecht ist nicht
der Lobbyist, der für die klassische Industrie eintritt, und
gut ist nicht der Lobbyist, der für die grüne Industrie ein-
tritt; vielmehr haben alle das gleiche Ziel: an das Geld
anderer Leute zu kommen .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Genau!)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Parlament und Regierung haben die Aufgabe, dafür zu
sorgen, dass man nicht glaubt, dass die Summe der Ein-
zelinteressen das Gemeinwohl ist .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Herr Kauder hat gestern auf all das hingewiesen, was
wir geschafft haben . Dass wir in drei Jahren, ich glau-
be, etwa zehn Gesetze und Verordnungen zur Energie-
wende zustande gebracht haben, die die Bausteine der
Energiewende endlich ineinandergreifen lassen – vom
Strommarkt über KWK, von der Braunkohle bis hin zum
EEG –, ist, finde ich, ein gutes Ergebnis. Ich danke allen,
die daran mit viel Engagement mitgearbeitet haben .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818402800

Ralph Lenkert ist der nächste Redner für die Fraktion

Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818402900

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Herr Gabriel, Sie haben recht: Es ist schon
irre, was hier abgeht . Vorgestern um 9 .41 Uhr erhielten
wir diesen Wälzer mit Änderungsanträgen, und 45 Mi-
nuten später sollten wir darüber abstimmen .


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das hatten wir doch schon!)


Herr Gabriel, hier habe ich den 260-seitigen Bericht des
Büros für Technikfolgenabschätzung zu den Folgen eines
langanhaltenden großräumigen Stromausfalls . Enthalten
sind Empfehlungen, wie die Systemsicherheit durch de-
zentrale Netzstrukturen besser gesichert werden kann .
Herr Präsident, Sie gestatten, dass ich diese 260 Seiten
gleich Herrn Gabriel übergebe, damit er sie in der Rest-
debattenzeit durcharbeiten kann .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vielleicht begreift er dann, warum Linke und Grüne auf
dezentrale Energieerzeugung setzen, auf keine Decke-
lung bei der Biomasse, auf keine Deckelung bei der So-
larenergie und auf keine Deckelung bei der Windkraft an
Land .


(Beifall bei der LINKEN)


Um auf die Gründlichkeit der Gesetzgebung zurück-
zukommen: Der Bericht, den Sie uns übergeben haben,
enthielt Fehler . In der Debatte im Wirtschaftsausschuss
wurde uns schriftlich ein vierjähriger Kürzungszeitraum
verkündet . Die Abgeordneten der Union und der SPD
erklärten uns, der Kürzungszeitraum solle fünf Jahre be-
tragen . Das heißt, Sie haben nicht einmal die richtigen
Unterlagen zur Verfügung stellen können . So viel zur
Gründlichkeit in Ihrem Ministerium .


(Beifall bei der LINKEN)


Worum geht es bei diesem Thema, Stichwort „kleine
Verschreibung“? Es geht um Hunderte Arbeitsplätze in
Thüringen . Es geht um 440 Arbeitsplätze in einer Zell-
stoff- und Papierfabrik in Blankenstein . Es geht um Hun-
derte Zellstofffabrikarbeitsplätze in Sachsen-Anhalt und
in Bayern . Mit dieser Änderung kürzen Sie für die Zu-
kunft schnell einmal die Frist zur Förderung dieser Werke
von zehn auf fünf Jahre . Das verkürzt deren Übergangs-
frist, in der sie sich an die Wettbewerbsbedingungen, die
sich verschärft haben, anpassen können . In der Vorlage
stand, dass die Förderung zehn Jahre fortgesetzt werden
solle; jetzt haben Sie den Förderzeitraum – mit Degressi-
on – auf fünf Jahre gekürzt . Die Kolleginnen und Kolle-
gen in den Werken werden einen sehr unruhigen Sommer
haben . Sie werden Angst um ihre Jobs haben, und das
ist angesichts der angeblichen Wirtschaftskompetenz von
Union und SPD schon schäbig .


(Beifall bei der LINKEN)


Aber das sind ja auch nur mittelständische Unternehmen
und keine Großkonzerne, keine Großkunden, denen Sie
die Industrieprivilegien niemals auch nur ein kleines
bisschen streichen würden .

Herr Gabriel, ich kann Ihr Gejammer über die aus-
ufernden Redispatch-Kosten, über die Kosten wegen
Überlastung von Stromnetzen, einfach nicht mehr hören .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ihr Ministerium verhindert doch die Senkung dieser Kos-
ten . Warum untersagt die Ihnen unterstehende Bundes-
netzagentur den Einsatz einer Siemens-Software bei den
Übertragungsnetzbetreibern, die nur 300 000 Euro kos-
tet, aber die von Ihnen genannten Kosten von 1 Milliarde
Euro um 40 bis 50 Prozent reduzieren würde?


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Was sind das für Verschwörungstheorien?)


Warum nutzen Sie nicht, wie in Österreich, eine 24-Stun-
den-Vorschau zu Netzengpässen? Damit könnten Sie
preiswertere Ausgleichsmaßnahmen umsetzen und die
Redispatch-Kosten ebenfalls senken .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wieso schieben Sie die Kosten für Reservekraftwerke
oder durch Störungen und Havarien in konventionellen
Kraftwerken den erneuerbaren Energien in die Schuhe?

Herr Gabriel, Sie selbst schaffen die Gründe, mit de-
nen Sie dann das Abwürgen der erneuerbaren Energien
begründen können, und das ist nicht in Ordnung .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb lehnt die Linke dieses „GEEBG“, das
Gabriel’sche Erneuerbare-Energien-Behinderungsge-
setz, ab .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Oje!)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Die Linke will die Unterstützung der Bürgerenergie
statt der Stützung von Großkonzernen . Wir wollen kei-
ne Deckel für Photovoltaik und Windstrom . Wir fordern,
die Stromsteuer von 2 Cent auf die EU-Mindesthöhe von
0,1 Cent zu senken .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818403000

Herr Kollege .


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818403100

Das gleicht die nächste Steigerung der EEG-Umlage

aus . Stimmen Sie unseren Vorschlägen für erneuerbaren
Strom bei stabilen Strompreisen zu! Dann klappt es mit
der Energiewende sozial und ökologisch .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818403200

Nächster Redner ist der Kollege Georg Nüßlein für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1818403300

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die

Rituale bei einer EEG-Reform sind offenkundig immer
dieselben . Es beginnt mit einer Geschäftsordnungsdebat-
te . Das Argument ist auch immer gleich: Man hätte das
in der Kürze der Zeit nicht erfassen können . Wenn man
sich die Reden der Opposition anhört, merkt man: Das
stimmt . Sie haben es nicht erfasst . Nun weiß ich nicht,
ob es an der Zeit liegt . Ich will auch nicht sagen, dass es
an der Auffassungsgabe liegt – überhaupt nicht –, son-
dern es liegt daran, meine Damen und Herren, dass Sie es
nicht verstehen wollen . Sie wollen es nicht erfassen, weil
Sie die Welt einfach aufteilen wollen in die einen, die für
die Erneuerbaren, für das EEG sind, und die anderen, die
dagegen sind . Sie wollen einfache Botschaften machen
und, Herr Lenkert, dann auch noch einfache Lösungen
anbieten . So einfach ist die Realität nicht .

Ich sage hier am Anfang auch ganz klar: Wenn man
insbesondere den Grünen gefolgt wäre, wären wir heute
noch auf dem Stand von 2000, wo man die Solarenergie
zu früh und zu teuer an den Markt geführt hat . Das kostet
uns jährlich 10 Milliarden bis 12 Milliarden Euro . Das
sind die Altlasten, die wir an dieser Stelle durchschlep-
pen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich will Ihnen an dieser
Stelle auch nicht einfach die Schuld zuschieben . Wir ha-
ben ein systemisches Problem im EEG, das ich ansons-
ten – ich habe das immer wieder betont – für ein gutes
Gesetz halte . Wir haben das systemische Problem, dass
die Erfolgskurven Gott sei Dank steil sind, die Kosten
schneller sinken, als der Deutsche Bundestag reagieren

kann . Deshalb kommt es immer wieder zu Überrenditen,
aktuell wieder bei der Windkraft, und deshalb waren wir
bisher immer im Zugzwang, nachzusteuern . Ich gehe da-
von aus, dass der Systemwechsel, über den wir heute hier
reden, das ändern wird, dass wir über die Ausschreibun-
gen verhindern können, dass wir nachsteuern müssen,
und dass wir Überrenditen marktnah ändern können .

Meine Damen und Herren, wir wollen die Energie-
wende nicht stoppen . Wir wollen sie steuern; das ist
entscheidend . Wenn man darüber nachdenkt, ist die Not-
wendigkeit, glaube ich, auch offenkundig . Allein das,
was bei Windparks auf hoher See passiert – Stichwort
„BorWin 3“, 700 bis 900 Millionen Euro, die die Strom-
kunden für Strom ausgeben müssen, der sozusagen nicht
produziert wird, der bezahlt werden muss, aber nicht
transportiert werden kann –, ist ein Schildbürgerstreich .
Das können wir uns auf Dauer nicht leisten . Das wird die
Akzeptanz des EEG und damit auch der Energiewende
deutlich infrage stellen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist das, was wir hier tun, intelligent, intelligent
auch für die Erneuerbaren .

Wer sagt, das gehe nicht, müsste Folgendes einmal be-
denken: Es ist ein großer Erfolg, dass wir nach der Ein-
führungsförderung, nach einem beachtlichen Zuwachs
bei den erneuerbaren Energien jetzt an einen Punkt kom-
men, wo wir Markt organisieren können . Wer das nicht
glaubt, wer das nicht sieht, der glaubt nicht an den Erfolg
der Erneuerbaren . Deshalb bin ich ein bisschen traurig,
dass Linke und Grüne dem an dieser Stelle nicht folgen
können .

Nun tun wir einiges, um zu steuern . Wir verlegen eine
Tranche der Offshoreprojekte in die Ostsee, weil wir zu-
versichtlich sind, dass wir den Strom dort tatsächlich in
die Netze bekommen . Wir weisen Netzengpassgebiete
dort aus, wo es zu viel Wind und zu wenig Leitungen
gibt . Wir sorgen für eine Einmaldegression bei Wind
onshore, um den Übergang zu den Ausschreibungen rich-
tig zu schaffen . Das sind alles notwendige Dinge . Aber,
meine Damen und Herren, das ist auch ein Hinweis an
die, die Windenergie produzieren, dass es jetzt höchste
Zeit ist, Netze auszubauen .

Ich weiß, wenn man das als Bayer sagt, dann kommen
sofort Anwürfe, wir hätten da doch verzögert, und was
auch immer .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


Ich sage Ihnen: Wir haben etwas anderes gemacht . Wir
haben erstens dafür gesorgt, dass die Verkabelung auf das
notwendige Maß reduziert wird .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht verzögert, sondern sabotiert! Sie sabotieren weiter!)


Wir haben zweitens dafür gesorgt, dass sich Erdverka-
belung durchsetzt . Das wird der Akzeptanz helfen . Und
drittens sage ich: Wenn Sie sich anschauen wollen, wie
das richtig umgesetzt wird, dann können Sie auch nach
Bayern kommen . Stichwort „Thüringer Strombrücke“ –

Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


die bayerische Wirtschaftsministerin sitzt dort auf der
Länderbank; die kann Ihnen das beschreiben –, beispiel-
gebend auch für andere Bundesländer .

Ich kann insbesondere den Niedersachsen nur emp-
fehlen, dem zu folgen, meine Damen und Herren . Denn
wenn sich da nichts ändert, dann wird es eng, nicht nur in
Niedersachsen, sondern insbesondere bei der Frage, wie
wir zukünftig in Schritten die Erneuerbaren ausbauen
können .

Ich will Ihnen sagen, es geht uns ganz erkennbar um
die Sache . Da ist das Thema Biomasse ein gutes Beispiel .
Die Biomasse scheint ein ungeliebtes Kind zu sein . Die
Vaterschaft dafür – ausgenommen die CSU – wird mitt-
lerweile von allen Parteien geleugnet . Alle machen sich
an dieser Stelle sprichwörtlich vom Acker, obwohl Bio-
energie speicherbar ist, obwohl wir erkennen können,
dass wir für die Energiewende genau einen solchen Bei-
trag brauchen .

In den Debatten haben ein paar so getan, als sei das
Thema Biomasse ein bayerisches Hobby . Dazu muss ich
Ihnen sagen: Ein Drittel der Biogasanlagen liegt in Bay-
ern . Das heißt im Umkehrschluss, zwei Drittel müssen
anderswo liegen . Deshalb ist es richtig und wichtig, dass
wir uns für dieses Thema immerhin noch starkgemacht
haben und mit diesem Erneuerbare-Energien-Gesetz die
Botschaft senden, dass es für die Bestandsanlagen einen
Anschluss gibt, dass es weitergeht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das halte ich für ganz wichtig, insbesondere als Bot-
schaft in eine Branche, nämlich in die Landwirtschaft,
die momentan schwer gebeutelt ist . Die Landwirtschaft
sagt uns ja: Uns mit eurer politischen Irrlichterei in die
Investitionen zu führen und dann zu sagen: „Braucht man
nicht“, das ist ein falscher Ansatz . – Deshalb war es mir
wichtig, dass wir an dieser Stelle tatsächlich zu wichtigen
und richtigen Perspektiven kommen .

Weitere Beispiele dafür, dass wir es mit der Energie-
wende ernst meinen, wurden hier schon angesprochen .
Bürgerenergie und Akteursvielfalt sind ein wichtiges
Thema; denn wir wollen die Bürger schon noch bei der
Stange halten, und wir sehen, dass Ausschreibungen den
Nachteil haben, dass man nicht steuern kann, wer am
Schluss den Zuschlag bekommt . Deshalb haben wir da,
glaube ich, die richtigen Weichen gestellt, dass Bürge-
renergiegesellschaften ohne große Vorlaufkosten bieten
können und dann auch eine gute Aussicht haben, privile-
giert beteiligt zu werden .

Das Thema Mieterstrom wurde angesprochen . Es geht
darum, den Strom aus erneuerbaren Energien in die Städ-
te zu bekommen . Ich weise darauf hin, dass das ein Mo-
dell für beide Seiten ist, nicht nur für die Mieter, sondern
auch für die Vermieter . Das ist etwas, was der Vertrags-
freiheit von Mietern und Vermietern unterliegt . Da haben
wir noch Defizite, und da muss sich etwas ändern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben beim Thema „zuschaltbare Lasten“ dafür
gesorgt, dass Windstrom, der eigentlich abreguliert wird,
fossile Brennstoffe in KWK-Anlagen ersetzt . Da spart
niemand Geld, aber es macht ökologisch und, wie ich
meine, auch volkswirtschaftlich Sinn, so etwas zu tun .

Apropos Volkswirtschaft: Ich halte es für richtig, dass
wir die besondere Ausgleichsregelung aufrechterhalten
haben, dass wir dafür Sorge getragen haben, dass dieje-
nigen Unternehmen, die bisher, weil sie energieintensiv
sind, Ausnahmen genossen haben, in diesem Bereich
bleiben, nicht zu tief nach unten fallen . Es geht hier da-
rum, Deutschland aufgrund der hohen Kosten nicht zu
deindustrialisieren . Ich glaube, wir haben auch hier ei-
nen guten Weg beschrieben, wie wir der Industrie helfen
können – nicht nur den neuen Unternehmen, die beim
Thema Offshore entstehen, sondern auch den etablierten,
die trotz hoher Energiekosten hierbleiben und weiter in-
vestieren sollen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden uns in der Tat – irgendjemand hat gefragt:
wie geht es weiter? – im Herbst noch einmal über das
Thema Eigenstromproduktion unterhalten müssen und
auch über die Frage: Unter welchen Umständen kann
man das zulassen, und wie kann man diese fördern? Da
wird es die üblichen Diskussionen mit Brüssel geben .
Auch das ist ein Thema, das uns wichtig ist . In diesem
Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass wir auch
mit dem Bundesfinanzminister zu Recht kontroverse
Diskussionen über die Frage der Stromsteuer führen;
denn ich sehe überhaupt nicht, dass wir hier eine Dop-
pelförderung haben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn jemand erneuerbaren Strom produziert, dann
verkauft er den einen Teil, der nach dem EEG gefördert
wurde, und verbraucht den anderen Teil, der nicht geför-
dert wurde, selber . Diesen Strom kann man ohne Proble-
me von der Stromsteuer befreien, so wie das bei vielen
seit Jahrzehnten der Fall ist . Ich spreche an dieser Stelle
insbesondere die Mühlenbetriebe an, die seit ewigen Zei-
ten diesen Strom selber produzieren und selber verwen-
den .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818403400

Herr Kollege .


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1818403500

Sie können deshalb zu Recht darauf pochen, dass das

in Zukunft weiter so bleiben und Bestand haben darf .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818403600

Sie müssen bitte zum Ende kommen .


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1818403700

Ich komme zum Schluss meiner Rede, Herr Präsi-

dent . – Sie sehen: Wir haben hier einen wohlabgewoge-
nen Entwurf vorgelegt, von dem ich meine, dass auch

Dr. Georg Nüßlein






(A) (C)



(B) (D)


Sie von der Opposition ihm zustimmen sollten, weil er
Sinn macht, weil er die Akzeptanz erhöht und weil er bei
weitem nicht so schlimm ist, wie Sie hier den Eindruck
erwecken wollen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818403800

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun

der Kollege Anton Hofreiter das Wort .


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818403900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Am vergangenen Dienstag, beim Petersberger
Klimadialog, hat die Kanzlerin noch davon schwadro-
niert, dass man beim Klimaschutz Verantwortung über-
nehmen müsse . Am Mittwoch hat die Umweltministerin
dann zugegeben, dass man in der nächsten Legislaturpe-
riode den Deckel in Höhe von 45 Prozent beim Ausbau
der erneuerbaren Energien wegnehmen muss, um die
Klimaschutzziele zu erreichen . Heute, zwei Tage später,
beschließen wir ein Erneuerbare-Energien-Gesetz, mit
dem man nach Einschätzung aller Experten ebendiese
Klimaschutzziele nicht erreichen kann .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wissen Sie, Herr Gabriel, wir haben in der Vergangen-
heit schon immer davor gewarnt, dass Sie sich zur Ab-
rissbirne der erneuerbaren Energien entwickeln . Wenn
Sie nun behaupten, dass nichts passiert sei, dann ist das
gegenüber all den Menschen, die ihre Arbeitsplätze ver-
loren haben, schlichtweg zynisch .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Herr Pfeiffer und die CDU davon sprechen, dass
nichts passiert sei, wenn die Sozialdemokraten davon
sprechen, dass nichts passiert sei, aber fast 40 000 Men-
schen ihre Arbeitsplätze verloren haben, dann ist das
nicht nur eine Frechheit gegenüber dem Klimaschutz,
sondern dann ist das, finde ich, auch eine Armutserklä-
rung der Sozialdemokraten . Und deshalb: Hören Sie auf,
davon zu sprechen, dass hier nichts passiert wäre!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nachdem Sie bereits die Bioenergie gestoppt haben,
nachdem Sie die Photovoltaik in den Bankrott getrieben
haben und nachdem Sie Unmengen von Menschen in die
Arbeitslosigkeit getrieben haben, nehmen Sie sich jetzt
die Windkraft vor, die letzte verbleibende erneuerbare
Energie, die noch floriert. Und damit Sie sich auch ganz
sicher sein können, dass Sie die auch noch plattmachen
können, haben Sie sich allein für die Windkraft insge-
samt vier Deckel ausgedacht: Neben dem Gesamtdeckel
für die erneuerbaren Energien haben Sie sich noch zwei
Deckel für die Windkraft auf See und noch einmal zwei
für die Windkraft an Land ausgedacht . Und damit der
letzte Rest von Leben, der in der Photovoltaik und der

Bioenergie noch drinsteckt, entweicht, haben Sie sich
noch einmal drei Deckel für die Photovoltaik ausgedacht
und zwei Deckel für die Bioenergie . Insgesamt sind es
also zehn Deckel, die den Ausbau der erneuerbaren Ener-
gien stoppen sollen . Das ist doch absolut unverantwort-
lich . Ich verstehe nicht, wie Sie als Sozialdemokraten das
mitmachen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es wird immer gesagt: Ja, selbstverständlich muss
der Netzausbau mithalten mit dem Ausbau der erneuer-
baren Energien . – Das ist logisch; das ist richtig . Aber
Sie begründen den Stopp des Ausbaus der erneuerbaren
Energien, den Abbruch in manchen Bereichen, wie zum
Beispiel in der Nordsee, wie das die Küstenländer be-
reits befürchten, sozusagen mit Ihrer eigenen Unfähig-
keit . Weil Sie jetzt schon wissen, dass Sie in den nächsten
Jahren nicht in der Lage sind, die Netze vernünftig aus-
zubauen, müssen Sie bereits jetzt Gesetze machen, um
den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verlangsamen .
Wie wäre es denn, beim Netzausbau anstatt auf die ei-
gene Unfähigkeit auf die eigene Fähigkeit zu setzen und
zu sagen: „Ja, die Netze müssen ausgebaut werden, und
deswegen strengen wir uns jetzt endlich an“?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gäbe durchaus Möglichkeiten, die Netze schneller
auszubauen . Es gibt noch weitere Möglichkeiten . Was
verstopft denn die Netze? Die Netze werden unter ande-
rem vom Kohlestrom verstopft .


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Falsch!)


Man könnte einfach einen Ausstiegsplan für die Kohle
machen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann sprechen Sie immer über Ihre Redispatchkosten
von 1 Milliarde Euro . Wir haben nachgefragt, woher die
kommen . Ja, woher kommen die? Die kommen ganz er-
heblich auch aus den fossilen Kraftwerken . Ja, dann än-
dern wir halt etwas bei den fossilen Kraftwerken .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dann zu den 4 Milliarden Euro zukünftige Redispatch-
kosten . Woher kommt denn die Zahl? Wir haben bei der
BNetzA nachgefragt . Die BNetzA sagt: Diese Zahl haben
wir uns ausgedacht .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Du weißt doch gar nicht, was das ist! Erklär doch einmal, was Redispatch heißt!)


Es gibt bei denen überhaupt keine Vorstellung davon, wo-
her diese Zahl kommt . Also deshalb: Ein bisschen mehr
Seriosität in diesem Bereich würde dem Ganzen guttun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemo-
kratie, wenn Herr Gabriel hier steht und jammert, dass
Bürger und Kommunen bis jetzt an der Energiewende
verdient haben und der Rest der Menschen das bezahlen

Dr. Georg Nüßlein






(A) (C)



(B) (D)


muss, dann stimmt das . Aber wie war es denn vorher?
Da haben alleine wenige Großkonzerne die Leute abge-
zockt . Ich frage mich schon, was Sozialdemokraten sinn-
voller finden: dass weiter vier Großkonzerne – das haben
Sie jetzt wohl vor; das Ganze ist nämlich vor allem ein
Großkonzerne-Rettungsgesetz – zukünftig abzocken sol-
len oder ob wir weiter eine Energiewende haben, wovon
viele Menschen profitieren können? Ich frage mich: Was
wäre denn sozialdemokratischer?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zum Mieterstrommodell . Ja, das Mieterstrommodell
muss dringend umgesetzt werden . Das ist richtig . Aber
hier haben wir wieder das schöne Modell, dass eine Ver-
ordnungsermächtigung drinsteht . Bis jetzt haben wir er-
lebt, dass bei den Verordnungsermächtigungen noch nie
etwas Vernünftiges herausgekommen ist . Wir werden
euch genau auf die Finger schauen, ob ihr diesmal aus-
nahmsweise etwas Vernünftiges macht .

Deshalb: Wir brauchen einen Neustart der erneuerba-
ren Energien, wir brauchen einen Neustart, wir brauchen
eine Energiewende 2 .0 . Das ist dringend notwendig . Man
muss Frau Hendricks recht geben .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818404000

Herr Kollege .


Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818404100

Nach 2017 kommen wir hoffentlich zum Erneuerba-

re-Energien-Gesetz, bei dem diese Deckel herausfliegen;
denn das ist notwendig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818404200

Bernd Westphal ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1818404300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Lieber Kollege Hofreiter, Sie müs-
sen schon bei der Wahrheit bleiben . Sie haben gerade an-
geführt, dass der Arbeitsplatzverlust in der Solarindustrie
dem EEG zu verdanken ist . Das ist absolut falsch .


(Beifall bei der SPD)


Sie wissen wie alle hier im Raum, dass die Importe von
billigen Solarpanels aus China dazu beigetragen haben,
dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig war . Deshalb sind
die Arbeitsplätze weggefallen . Das ist Demagogie, was
Sie hier betreiben . Das, was Sie behaupten, haut vorne
und hinten nicht hin .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Im Gegenteil . Wir beraten heute abschließend den
wohl wichtigsten Baustein für die energiepolitische

Zukunft Deutschlands in dieser Legislaturperiode . Die
Energiewende basiert auf dem Zieldreieck: sicher, sauber
und bezahlbar . Diesem energiepolitischen Dreieck wol-
len wir gerecht werden . Deshalb haben wir den Vorrang
der Erdverkabelung, die Neugestaltung des Strommark-
tes, die Digitalisierung der Energiewende, den Ausbau
der Kraft-Wärme-Kopplung und das Fördern von Elekt-
roautos auf den Weg gebracht . Ich bin Sigmar Gabriel als
Bundesminister und dem Ministerium sowie allen Kolle-
ginnen und Kollegen der Regierungskoalition dankbar,
dass wir das hinbekommen haben . Damit hat die SPD
allein in dieser Legislaturperiode gleich mehrfach unter
Beweis gestellt, dass sie eine wichtige Antriebskraft die-
ser Energiewende ist . Die SPD kann Energiewende, sie
macht Energiewende . Das nennt man Fortschritt, meine
Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD)


Das EEG 2016 fügt sich inhaltlich nahtlos in den bis-
herigen energiepolitischen Fortschritt ein . Es führt an
zwei Stellen zu einem großen Paradigmenwechsel: auf
der einen Seite die Umstellung auf Ausschreibungen,
auf ein marktwirtschaftliches Instrument, auf der ande-
ren Seite das Ziel der Synchronisierung des Ausbaus der
Erneuerbaren mit dem Netzausbau . Das, was wir an Aus-
baupfaden festgelegt haben, wird dazu beitragen, Klima-
ziele zu erreichen .

Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir
uns Anarchie im Ausbau der Erneuerbaren nicht mehr
leisten können .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: „Anarchie“?)


Wir beenden den Wettlauf der Einzelinteressen, kurz:
Wir bringen die Energiewende auf die Spur, damit in Zu-
kunft erfolgreich zu Ende geführt werden kann, was wir
uns dort vorgenommen haben . Ein Abwürgen der Ener-
giewende sähe völlig anders aus . Das, was hier von den
Oppositionsfraktionen behauptet wird, ist völlig falsch .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müs-
sen genau diese Veränderungen vornehmen, weil wir im
Ausland Nachahmer für die erfolgreiche Energiewende
finden wollen. Nur so wird das funktionieren. Energiepo-
litik ist auch Wirtschaftspolitik . Sie schafft wichtige Vo-
raussetzungen für Investitionen und Vertrauen von Un-
ternehmen ebenso wie von Bürgerinnen und Bürgern .
Um diesem Vertrauen gerecht zu werden, brauchen wir
Planbarkeit und Berechenbarkeit . Das schaffen wir mit
den Ausbaupfaden, das schaffen wir mit dem EEG 2016 .

Gleichzeitig sind erneuerbare Energien ein wichtiger
Industriezweig geworden, der sich auch aufgrund des
Einsatzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
durch das Know-how, die Entwicklungen und die Inno-
vationen, sehr gut entwickelt hat . Um die Wettbewerbs-
fähigkeit und die Arbeitsplätze zu erhalten, brauchen wir
einen starken und verlässlichen Heimatmarkt . Insofern
sichern wir mit dem EEG 2016 die Basis für Innovatio-
nen hier im Land, aber auch die Option auf Exporte . Wir
brauchen die Energiewende für unsere industrielle Basis,
für erfolgreiche Wertschöpfung und für die Perspektive

Dr. Anton Hofreiter






(A) (C)



(B) (D)


auf weitere Arbeitsplätze in den entsprechenden industri-
ellen Strukturen auch in Norddeutschland .

Gleichzeitig gilt es aber auch, die Wettbewerbsfä-
higkeit für die Industrie und die Bezahlbarkeit für die
Verbraucherinnen und Verbraucher zu sichern . Eine De-
karbonisierung darf eben nicht zur Deindustrialisierung
führen . Die SPD ist die Partei, die diese schwierige Ba-
lance in der Vergangenheit bereits gemeistert hat, und das
werden wir auch in Zukunft tun .

Lassen Sie uns mit dieser Energiewende gemeinsam
Geschichte schreiben . Wir brauchen die Energiewende
für unsere Zukunft; denn nur mit ihr haben wir eine . Ich
bitte um Zustimmung zum Gesetz .

Herzlichen Dank und Glück auf!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818404400

Letzter Redner ist der Kollege Andreas Lenz für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Andreas Lenz (CSU):
Rede ID: ID1818404500

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute
zu beschließende Reform des EEG bedeutet einen wirkli-
chen Systemwechsel – so weit sind wir uns einig . Künftig
wird die Einspeisevergütung nicht mehr hier im Bundes-
tag festgelegt, sondern vom Markt bestimmt . Strom aus
erneuerbaren Energien soll in der Höhe vergütet werden,
die für einen wirtschaftlichen Anlagebetrieb notwendig
ist. Wir schaffen damit mehr Kosteneffizienz beim Aus-
bau der Erneuerbaren, und diese brauchen wir auch .

Gerade die Synchronisierung des Ausbaus der Erneu-
erbaren mit dem Netzausbau ist von kaum zu überschät-
zender Bedeutung . Es hilft uns nichts, wenn wir zwar
einen hohen Zuwachs an Erneuerbaren im Strombereich
haben, aber keine Leitungen, über die der Strom abtrans-
portiert werden kann .

Übrigens kommen wir gerade im rot-grün regierten
Niedersachsen mit dem Netzausbau immer noch nicht
voran . In Bayern läuft es mittlerweile . Insofern ist es
schön, dass die bayerische Wirtschaftsministerin hier an-
wesend ist .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Vielleicht liegt da der Grund, warum der niedersächsi-
sche Minister nicht hier ist, aber die bayerische Ministe-
rin schon . Das ist ein Beispiel für funktionierendes Re-
gierungshandeln .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Na ja!)


Wegen der Situation beim Netzausbau werden wir be-
stimmte Regionen als Netzengpassgebiete ausweisen, in
denen der Ausbau der Windenergie begrenzt wird . Das ist
ein wichtiger Schritt dahin, dass künftig bei der Standort-

wahl die Netzsituation stärker berücksichtigt wird, damit
der Netzausbau insgesamt vorankommt .

Ich fühle mich in der heutigen Debatte bei einigen
Wortbeiträgen um zwei Jahre zurückversetzt . Beim
EEG 2014 hieß es: „Abbruchveranstaltung“, „Abrissbir-
ne“, „ein Anschlag auf die Energiewende“ . Das alles hat
damals Herr Krischer gesagt . Heute wurde anscheinend
Herr Krischer durch Herrn Hofreiter ausgewechselt, aber
das macht die Sache insgesamt natürlich nur unwesent-
lich besser


(Dr . Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das macht es überhaupt nicht besser!)


– oder überhaupt nicht besser . Diese Untergangsszena-
rien helfen uns nicht weiter, wenn wir bei der Energie-
wende vorankommen wollen . In Wirklichkeit ist es doch
so, dass Sie mit Ihren unrealistischen Forderungen und
Vorstellungen die Energiewende gefährden . Wir hinge-
gen wollen die Energiewende zukunftssicher machen .

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Bericht-
erstattern, bei Herrn Saathoff, aber auch bei Thomas
Bareiß, bedanken . Ich möchte betonen, dass wir einen
Wirtschaftsminister haben, der beim Thema Energie-
wende ganz bei der Sache ist und nicht über den Din-
gen schwebt, auch wenn man nicht immer zu denselben
Schlüssen kommt . Das ist auf jeden Fall ein Vorteil in der
Debatte . Das hat der Minister in der letzten Ausschusssit-
zung auch noch einmal bewiesen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sehr feiner Zug!)


Wir wahren mit der Reform die Akteursvielfalt . Die
Akzeptanz der Energiewende hängt auch von der Mög-
lichkeit der Bürger ab, sich an der Energiewende zu be-
teiligen . Natürlich muss sich auch die Bürgerenergie dem
Wettbewerb, dem Markt stellen . Ich glaube, dass die Bür-
gerenergie das auch kann . Wir haben hier eine gute Lö-
sung gefunden . Bürgerenergieprojekte erhalten, wenn sie
bei einer Ausschreibung den Zuschlag bekommen, den
Preis des letzten bezuschlagten Gebots; sofern möglich,
müssen 10 Prozent der Anteile der jeweiligen Kommune
angeboten werden .

Bei der Photovoltaik gilt eine Bagatellgrenze von
750 Kilowatt, das heißt, Betreiber von Anlagen, deren
Leistung kleiner als 750 Kilowatt ist, müssen sich nicht
an den Ausschreibungen beteiligen . Ich halte das für fol-
gerichtig und aus Praktikabilitätsgründen auch für gebo-
ten .


(Beifall der Abg . Barbara Lanzinger [CDU/ CSU])


Ab einer Größenordnung von 600 Megawatt wird bei
der Photovoltaik zukünftig ausgeschrieben . Dabei gilt,
dass die Freiflächen auf Äckern und Feldern nur infrage
kommen, wenn das jeweilige Bundesland eine entspre-
chende Verordnung erlässt . An dieser Stelle muss man
auch ansprechen, dass es ein Unding ist, dass für Pho-
tovoltaikfreiflächen gleichzeitig Ausgleichsflächen bean-

Bernd Westphal






(A) (C)



(B) (D)


sprucht werden müssen . Es muss sich also auch in der
Bundeskompensationsverordnung etwas ändern .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um meine Sicht ganz klar zum Ausdruck zu bringen:
Photovoltaik gehört zunächst aufs Dach, höchstens noch
auf Konversionsflächen des Bundes, aber eben nicht auf
landwirtschaftlichen Nutzgrund .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Beginn der Degression bei der Geothermie wird
um ein Jahr auf den 1 . Januar 2021 verschoben . Das ist
aufgrund der von den Projektierern vielfach nicht ver-
schuldeten planungsrechtlichen Verzögerungen auch ge-
rechtfertigt . Skaleneffekte und Lernkurven können sich
erst einstellen, wenn die Anlagen entsprechend umge-
setzt werden .

Gerade der Bestand an Biogasanlagen kann dazu bei-
tragen, die stark fluktuierenden Energien wie Wind und
Photovoltaik in den Spitzen auszugleichen . Die Biomas-
seanlagen werden in den kommenden sechs Jahren mit
einem Ausschreibungsvolumen von 1 050 Megawatt be-
rücksichtigt; hier noch einmal mehr mein Dank an Bay-
ern, das sich über den Bundesrat, aber auch in den Vorge-
sprächen sehr stark eingebracht hat, allen voran natürlich
unsere bayerische Wirtschaftsministerin . Dabei erhalten
auch die Betreiber von Anlagen, deren Leistung kleiner
als 150 Kilowatt ist, die Möglichkeit, sich an den Aus-
schreibungen zu beteiligen . Für sie wird der letzte erfolg-
reiche Gebotspreis übertragen, um ihre Chancen bei der
Ausschreibung zu verbessern . Das ist ein erster Schritt
für den langfristigen Erhalt der Biomasse, die durch ihre
Flexibilität, durch ihre Grundlastfähigkeit, aber auch
durch ihren Beitrag zur CO2-Einsparung wichtig bleibt .

Wenn man das Kostenargument bemüht, dann muss
man auch darauf hinweisen, dass bei der Biomasse kei-
ne Netzausbaukosten anfallen . Die Verstromung von
Schwarz- und Dicklauge – wir haben schon von Herrn
Lenkert etwas darüber gehört – soll in den nächsten fünf
Jahren außerhalb der Ausschreibung durch das EEG
weiter gefördert werden . Die EEG-Vergütung wird über
diese fünf Jahre degressiv abgebaut . Das schafft vor al-
lem Wettbewerbsgleichheit unter den Zellstoffproduzen-
ten; denn es hilft uns nichts, wenn wir noch zwei Zell-
stoffproduzenten im Osten haben, aber die Anlagen im
Westen bankrottgehen . Die fünf Jahre sind dem EU-Vor-
behalt geschuldet und dienen einer besseren Genehmi-
gungsfähigkeit .

Die Reform des EEG stellt einen wichtigen Teil der
Weiterentwicklung der Energiewende dar, hin zu mehr
Kosteneffizienz bei gleichzeitiger Wahrung ökologischer
Ziele .

Meine Damen und Herren, ein Mehr an Markt hilft,
richtig umgesetzt, allen . Änderungen sind natürlich auch
in Zukunft noch vorzunehmen . Im Herbst haben wir zahl-
reiche weitere Regelungen zu treffen . Es wurde schon
angesprochen, dass gerade die Regelung zur Eigenver-
sorgung der Industrie noch auf sichere Füße gestellt wer-
den muss . Hier sind wir mit der EU-Kommission einen
guten Schritt weitergekommen . Außerdem wird es um

weitere Ansätze bei der Sektorkopplung gehen, und das
Thema Netzausbau wird uns weiterhin begleiten .

Es wird beim EEG also weiterhin gelten: „Nach der
Reform ist vor der Reform“, oder, um eine Fußballweis-
heit zu bemühen: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“,
auch wenn diese Aussage gerade heute besonders bitter
ist . Die heute zu beschließenden Änderungen sind insge-
samt auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung .
Deshalb bitte ich um Zustimmung und bedanke mich für
die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818404600

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf
eines Gesetzes zur Einführung von Ausschreibungen für
Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Ände-
rungen des Rechts der erneuerbaren Energien .

Dazu liegen mir inzwischen über 20 persönliche Er-
klärungen zur Abstimmung vor, die wir, wie üblich, dem
Protokoll beifügen .1)

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der
Drucksache 18/9096, den Gesetzentwurf der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 18/8860 in der
Ausschussfassung anzunehmen . Ich darf alle diejenigen,
die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen bitten . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzent-
wurf mit der Mehrheit der Koalition ganz offenkundig
gegen die Stimmen der jedenfalls meisten Mitglieder der
Oppositionsfraktionen in zweiter Beratung angenom-
men .

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung . Hier stimmen wir nun über den
Gesetzentwurf auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen namentlich ab . Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men und mir zu signalisieren, wenn sie ordnungsgemäß
besetzt sind . – Ich eröffne die Abstimmung .

Ist noch ein Mitglied des Hauses im Saal, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall .
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
beginnen .2)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge, zunächst über den Entschließungsantrag
der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 18/9106 . Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Entschlie-
ßungsantrag abgelehnt .

1) Anlagen 2 bis 5
2) Ergebnis Seite 18239 D

Dr. Andreas Lenz






(A) (C)



(B) (D)


Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf der Drucksache 18/9107 zur
Abstimmung auf . Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Da-
mit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen
abgelehnt .

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und
Energie zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur
Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuer-
baren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts
der erneuerbaren Energien. Der Ausschuss empfiehlt un-
ter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 18/9096, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf den Drucksachen 18/8832 und 18/8972 für erledigt
zu erklären . Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das
ist einvernehmlich so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a und b sowie
den Zusatzpunkt 6 auf:

34 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan
van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine
Buchholz, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE

Genehmigungen für Rüstungsexporte in
die Staaten des Golfkooperationsrates
widerrufen und keine neuen erteilen

Drucksache 18/8930
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Auswärtiger Ausschuss

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts des Ausschusses für Wirtschaft
und Energie (9 . Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang
Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE

Waffenexporte in die Golfregion verbieten

Drucksachen 18/768, 18/1674

ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung und des

(3 . Ausschuss)

Nouripour, Agnieszka Brugger, Uwe Kekeritz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Jemen – Militärische Intervention stoppen –
Neue Friedensverhandlungen beginnen

Drucksachen 18/5380, 18/6145

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache insgesamt 77 Minuten vorgesehen . –
Dazu erhebt sich kein Widerspruch . Also verfahren wir
so .

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Jan van Aken für die Fraktion Die Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818404700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube,

ich muss Sie jetzt enttäuschen . Ich werde jetzt nicht über
Steinmeier, Gabriel und Frau Merkel herfallen und mich
maßlos über die unfassbar hohen deutschen Waffenex-
porte aufregen,


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Unfassbar hoch? Unfassbar!)


obwohl sie natürlich viel zu hoch sind und obwohl ich
mich natürlich aufrege . Mich treibt, ehrlich gesagt, im
Moment eine andere Frage um . Wenn ich mir anschaue,
wie sich die deutschen Waffenexporte in den letzten drei
Jahren entwickelt haben, drängt sich mir nämlich vor al-
lem die Frage auf: Woran ist Sigmar Gabriel eigentlich
gescheitert?

Sigmar Gabriel hat 2013 massiv Wahlkampf gegen die
Waffenexporte gemacht . Er hat sich – auch als Minister –
immer wieder dagegen ausgesprochen . Das kann man
jetzt alles als Propaganda abtun . Ich tue das nicht, son-
dern glaube, er wollte tatsächlich hier und da ein bisschen
verändern . Er hat sogar an einigen ganz kleinen Punkten
etwas bewegt . Aber in der Summe, unter dem Strich, ist
Gabriel grandios gescheitert, wie ich feststelle, wenn ich
mir ansehe, dass sich die deutschen Waffenexporte im
letzten Jahr – in einem einzigen Jahr! – verdoppelt haben .
2015 war das Jahr in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland, in dem mehr Waffenexporte als je zuvor
genehmigt wurden, nämlich im Wert von 12,8 Milliarden
Euro. Ich finde, das sind 12,8 Milliarden zu viel.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wie gesagt, das geschah unter Sigmar Gabriel, der ge-
nau das Gegenteil angekündigt hatte . Wenn ich mir jetzt
seine Entschuldigungen anhöre, mit denen er diese hohen
Exporte rechtfertigen will, stelle ich fest, dass das kom-
pletter Unsinn ist . Er hat in den letzten zwei, drei Tagen
vor allem zwei Entschuldigungen vorgebracht .

Erstens . Schuld sind immer die anderen . Schuld sind
die Vorgängerregierungen . Es war ja Schwarz-Gelb, die
damals schon den Panzerdeal mit Katar durchgewinkt
haben . Richtig ist, dass die erste Genehmigung von
Schwarz-Gelb kam . Richtig ist aber auch, dass die zwei-
te entscheidende Genehmigung nach dem Außenwirt-
schaftsgesetz von Sigmar Gabriel im letzten Jahr erteilt
worden ist . Er hätte sich weigern können . Er hätte Nein
sagen können . Es war ganz allein seine Entscheidung,
dazu Ja zu sagen .


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Alles andere ist eine faule Ausrede . Hören Sie bloß auf
damit!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich jetzt höre: „Na ja, wenn wir jetzt Nein ge-
sagt hätten, dann hätte die Firma eine Schadensersatz-
klage eingereicht“, dann ist das richtig peinlich für die
deutsche Sozialdemokratie . Dann sollen die doch klagen .

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


Die müssen den Prozess erst einmal gewinnen . Sie ha-
ben doch gute Argumente . Sie können sagen: Katar führt
Krieg im Jemen, und Sie wollen keine Panzer an eine
kriegsführende Partei liefern . Diesen Prozess sollen die
erst einmal gewinnen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Selbst wenn die Bundesregierung diesen Prozess am
Ende verliert, ist das uns das Geld nicht wert, wenn wir
an die Toten im Jemen denken? Ich habe von einem Vor-
sitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
sehr viel mehr Rückgrat bei der Frage von Leben und
Tod erwartet . Das ist ganz schwach, Herr Gabriel .


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt kommen wir zur zweiten Ausrede von Sigmar
Gabriel: In diesem Jahr waren ein paar ganz große Pro-
jekte dabei, die wir eigentlich herausrechnen müssen .
Zum Beispiel sind das die Kriegsschiffe für Großbritan-
nien für 1,1 Milliarden Euro . Das war ein ganz besonde-
rer Sondereffekt . Das darf man nicht mitzählen . – Das
ist genauso Unsinn; Sie alle wissen das . Denn es gibt
jedes Jahr solche Sondereffekte: 2014 U-Boote nach Is-
rael, 2016 wird es die Fregatte nach Algerien sein . Das
gibt es jedes Mal . Ich bin mir sicher: Ich höre das jetzt
gleich drei-, vier-, fünfmal über die Kriegsschiffe nach
Großbritannien . Streichen Sie das aus Ihrem Manuskript .
Sondereffekte gibt es jedes Jahr . Das ist völliger Unsinn .


(Beifall bei der LINKEN)


Unter dem Strich bleibt genau ein Faktum übrig: Un-
ter Sigmar Gabriel haben sich die Waffenexporte ver-
doppelt, obwohl er etwas ganz anders angekündigt hatte .
Deshalb noch einmal die Frage: Woran ist er eigentlich
gescheitert? Ich glaube, er ist am System gescheitert,
am heutigen System der Rüstungsexportkontrolle, die
schlicht und einfach nicht funktioniert . So, wie das Sys-
tem aufgestellt ist, ist es einfach kaputt . Wenn Sie im
Bereich der Waffenexporte künftig wirklich etwas verän-
dern wollen – das sage ich in Richtung der Grünen und in
Richtung der Sozialdemokraten –, dann müssen Sie das
System verändern . So geht es nicht weiter .


(Beifall bei der LINKEN)


Das System – das wissen Sie ganz genau – ist völlig
wischiwaschi, butterweich . Selbst die schlimmsten Men-
schenrechtsverletzter, die schlimmsten Despoten können
sich mit deutschen Sturmgewehren, mit Panzern, mit Ra-
keten, mit Handgranaten eindecken . Alles, was sie wol-
len, kann man in diesem System liefern . Das System ist
nicht restriktiv . Es ist kaputt .


(Beifall bei der LINKEN)


Sie alle hier im Bundestag müssen sich doch fragen,
ob Sie wirklich ein System einer Exportkontrolle haben
wollen, bei dem die Waffenexporte immer steigen, egal
wer gerade regiert . Schauen wir einmal 15 Jahre zurück .
Da gab es eine rot-grüne Bundesregierung . Die rot-grüne
Bundesregierung wollte die Waffenexporte reduzieren .
Sie haben die Regeln neu gemacht . Auch sie sind gran-
dios gescheitert, genauso grandios wie Gabriel . Auch
unter Rot-Grün sind die Waffenexporte immer weiter

gestiegen . Brauchen Sie denn noch mehr Hinweise da-
rauf, dass das System kaputt ist und Sie es anders machen
müssen? Ich glaube, wir brauchen einen grundsätzlich
anderen Ansatz . Der Kern unseres Vorschlages ist, dass
wir definierte gesetzliche Verbote einführen. Ohne die
kommen Sie bei den Waffenexporten nie weiter .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Moment beruht das System bei der Exportkon-
trolle auf sogenannten Einzelfallentscheidungen . Die
Kriterien für den Einzelfall – wird diese Waffe an jenes
Land geliefert? – sind völlig vage . Sie haben Tausende
von Schlupflöchern. Sie können am Ende eigentlich gar
nichts verbieten . Alles ist erlaubt . Sogar an Kriegspartei-
en dürfen Sie unter diesen Kriterien liefern . Aber diese
butterweichen Kriterien sind nur ein Problem . Es gibt
noch zwei weitere Probleme, über die wir hier bis jetzt
eigentlich viel zu wenig geredet haben, die automatisch
dazu führen, dass heutzutage das System komplett auf Ja
gestellt ist, dass praktisch keine Anträge abgelehnt wer-
den . Wissen Sie eigentlich, wie viele Anträge im letzten
Jahr abgelehnt worden sind? Über 12 000 Anträge sind
gestellt worden, abgelehnt wurden 100 . Das System ist
auf Ja gestellt . Die zwei Gründe dafür sind folgende:

Erstens . Ein Nein ist nicht nachhaltig . Ein Nein kann
die nächste Bundesregierung sofort wieder aufheben . Ein
Ja ist von Dauer, solange sich die Bundesregierung nicht
traut, auf eine Schadensersatzklage zu warten .

Zweitens . Das Problem ist: Wenn Sie sich denn einmal
trauen, Nein zu sagen, haben Sie sofort ein diplomati-
sches Problem, weil sich das Empfängerland natürlich
diskriminiert fühlt .

Diese beiden Punkte kann man ganz wunderbar an ei-
nem aktuellen konkreten Beispiel aufzeigen . Das ist die
G36-Fabrik, eine Sturmgewehrfabrik, in Saudi-Arabien .
Sie wurde vor vielen Jahren genehmigt . Die Produkti-
onsanlagen stehen bereit; sie sind aber noch auf Zuliefe-
rungen aus Deutschland angewiesen: auf Ersatzteile, auf
Bauteile usw .

Diese Zulieferungen hat Sigmar Gabriel jetzt ge-
stoppt. Das finde ich gut, und dafür, dass er das gestoppt
hat, möchte ich Sigmar Gabriel an dieser Stelle einmal
ausdrücklich danken .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


– Da könnten Sie auch einmal klatschen, oder?


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Nein, das finde ich nicht gut!)


Das Problem ist nur, dass dieser Stopp nicht nachhaltig
ist .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja, hoffentlich!)


Im nächsten Jahr findet die Bundestagswahl statt, und
nach dieser Bundestagswahl ist Sigmar Gabriel hier weg
und woanders – was immer er dann auch macht . Es gibt
dann doch die ganz große Wahrscheinlichkeit, dass die
nächste Bundeswirtschaftsministerin dieses Nein von
Gabriel „kassiert“ und die Genehmigung erteilt und
die G36-Fabrik in Saudi-Arabien weiterläuft . Dann hat

Jan van Aken






(A) (C)



(B) (D)


Gabriel unter dem Strich gar nichts erreicht, nullkomma-
nix . Das ist ein riesiges Problem .

Das ist jetzt auch keine Schwarzmalerei . Es gibt in der
deutschen Geschichte tatsächlich konkrete Beispiele da-
für, dass genau das passiert ist . Als Joschka Fischer Au-
ßenminister war – wieder Rot-Grün –, hat er einen ganz
schmutzigen Sturmgewehr-Deal mit Mexiko gestoppt .
Das Auswärtige Amt hat 2005 Nein zur Lieferung von
G36-Gewehren nach Mexiko gesagt .

2005 gab es dann die Bundestagswahl . Kurz danach
wurde Steinmeier Außenminister, und ein paar Tage spä-
ter sagte das Auswärtige Amt Ja zum Deal mit Mexiko .
Das zur Nachhaltigkeit in diesem System! Sie können
20 Jahre lang regieren: Kaum sind Sie weg, kommt die
nächste Ministerin oder der nächste Minister, und das
Problem ist erneut, dass wieder alles geliefert wird .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt, dass es auf die Regierung ankommt und nicht auf die Gesetze!)


Deswegen funktioniert das System nicht so, wie es
funktionieren sollte . Die Regierungen wechseln, und Sie
müssen jetzt ein System aufbauen, das nachhaltig ist, da-
mit auch dann, wenn Sie abgewählt wurden, das Nein
weiter bestehen bleibt . Das ist das Problem .


(Beifall bei der LINKEN – Matthias Ilgen [SPD]: Sie machen es sich ja sehr einfach!)


Auch den zweiten Grund dafür, dass das System auf
Ja gestellt ist, kann man schön an der G36-Fabrik dar-
stellen; denn selbst Gabriel könnte in den nächsten Wo-
chen noch gezwungen werden, die Genehmigung doch
zu erteilen . Was passiert denn, wenn Sie Nein sagen? Die
Herstellerfirma wird wahrscheinlich klagen, es gibt einen
Prozess, und plötzlich muss die Bundesregierung öffent-
lich begründen, warum Saudi-Arabien diese Sturmge-
wehre nicht bekommt .

Dafür gibt es tausend gute Gründe, die man auch alle
nennen kann . Merkel und Steinmeier müssen dann aber
nach Riad und den Saudis Auge in Auge erklären, warum
sie keine Sturmgewehre bekommen, ihre Nachbarn aber
doch . Das ist doch eine diplomatische Katastrophe .


(Beifall der Abg . Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Deswegen bin ich mir ganz sicher, dass Merkel und
Steinmeier jetzt dafür sorgen werden, dass das nicht ab-
gelehnt wird . Dieses diplomatische Desaster mit Sau-
di-Arabien wollen sie sich nämlich gar nicht erst einhan-
deln . Das ist der Punkt .

In dem Moment, in dem Sie Einzelfallentscheidungen
treffen und einmal Ja und zweimal Nein sagen, haben Sie
eine diplomatische Katastrophe .


(Matthias Ilgen [SPD]: Also immer Nein sagen?)


Das können Sie nur dadurch vermeiden, indem Sie im-
mer Nein sagen . Wenn Sie ein generelles Verbot von
Kleinwaffen haben, dann können Sie nach Riad fahren
und sagen: Jungs, es tut uns leid; das hat gar nichts mit
euch zu tun. Wir Deutschen sind ein bisschen pazifis-

tisch . Kein Land kriegt etwas von uns geliefert . – Damit
hätten Sie kein diplomatisches Problem .


(Beifall bei der LINKEN)


Eine gesetzliche Regelung, durch die die Waffenex-
porte wirklich endlich einmal reduziert werden, ist doch
auch in Ihrem ureigensten Interesse . Gucken Sie sich
Sigmar Gabriel in dieser Woche doch einmal an . Was für
eine Blamage, nach diesem Wahlkampf jetzt eine Ver-
doppelung der Rüstungsexportzahlen rechtfertigen zu
müssen! Das Gleiche geschieht in zwei Jahren wieder .
Der nächste SPD-Wirtschaftsminister und der nächste
grüne Außenminister werden genau solche Peinlichkei-
ten wieder vertreten müssen, wenn Sie nicht endlich an
die Systemfrage herangehen .

Sie wissen, dass wir von mir aus alle Waffenexporte
jetzt sofort verbieten können . Ich weiß aber auch, dass
das mit Ihnen so schnell nicht geht; ich bin Realist . Das
Dringendste und Wichtigste – ich glaube, darin sind sich
ganz viele hier einig – ist aber doch ein generelles Verbot
von Kleinwaffenexporten .


(Beifall bei der LINKEN)


Das sind die tödlichsten Waffen dieser Welt . Wir wissen,
dass wir das verbieten müssen . Kein Sturmgewehr, keine
Handgranate, keine Panzerfaust mehr exportieren, nir-
gendwohin: Das ist unser Vorschlag .

Ich sehe auch überhaupt nicht, wo das Problem ist .
Warum machen Sie da nicht mit? Auch an die Grünen:
Warum erheben Sie nicht endlich einmal diese Forde-
rung? Es gibt doch eigentlich überhaupt kein gutes Argu-
ment gegen ein solches Verbot .

Auch in Deutschland werden Sie auf keinerlei Wider-
stand treffen, wenn Sie sagen, dass Kleinwaffen nicht
mehr exportiert werden . Sie hätten dann die Gewerk-
schaften, die Kirchen und über 80 Prozent der Bevölke-
rung auf Ihrer Seite und wahrscheinlich schon heute eine
Mehrheit hier im Bundestag dafür . Sie müssen es nur tun .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir wollen es aber nicht! Im Gegenteil!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1818404800


Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, will ich eben
das von den Schriftführerinnen und Schriftführern er-
mittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Ausschrei-
bungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu
weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Ener-
gien bekannt geben: abgegebene Stimmen 574 . Mit Ja
haben gestimmt 444, mit Nein haben 121 Kolleginnen
und Kollegen gestimmt, 9 haben sich enthalten . Damit
ist der Gesetzentwurf mit der notwendigen Mehrheit an-
genommen .

Jan van Aken






(A) (C)



(B) (D)


Endgültiges Ergebnis

Abgegebene Stimmen: 574;
davon

ja: 444
nein: 121
enthalten: 9

Ja

CDU/CSU

Stephan Albani
Peter Altmaier
Artur Auernhammer
Norbert Barthle
Günter Baumann
Maik Beermann
Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Sybille Benning
Dr . André Berghegger
Dr . Christoph Bergner
Ute Bertram
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr . Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr . Ralf Brauksiepe
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexandra Dinges-Dierig
Alexander Dobrindt
Michael Donth
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Hansjörg Durz
Iris Eberl
Jutta Eckenbach
Dr . Bernd Fabritius
Hermann Färber
Uwe Feiler
Dr . Thomas Feist
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E . Fischer


(Karlsruhe-Land)

Dr . Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach

Thorsten Frei
Dr . Astrid Freudenstein
Dr . Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Dr . Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr . Thomas Gebhart
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Cemile Giousouf
Josef Göppel
Ursula Groden-Kranich
Hermann Gröhe
Klaus-Dieter Gröhler
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr . Herlind Gundelach
Fritz Güntzler
Olav Gutting
Christian Haase
Florian Hahn
Dr . Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Matthias Hauer
Mark Hauptmann
Dr . Stefan Heck
Dr . Matthias Heider
Mechthild Heil
Frank Heinrich (Chemnitz)

Mark Helfrich
Uda Heller
Jörg Hellmuth
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Dr . Heribert Hirte
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Alexander Hoffmann
Thorsten Hoffmann


(Dortmund)

Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Dr . Hendrik Hoppenstedt
Margaret Horb
Charles M . Huber
Anette Hübinger
Hubert Hüppe

Thomas Jarzombek
Sylvia Jörrißen
Andreas Jung
Dr . Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kanitz
Alois Karl
Anja Karliczek
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Dr . Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Dr . Georg Kippels
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Markus Koob
Carsten Körber
Kordula Kovac
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr . Günter Krings
Rüdiger Kruse
Dr . Roy Kühne
Günter Lach
Uwe Lagosky
Andreas G . Lämmel
Dr . Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Barbara Lanzinger
Paul Lehrieder
Dr . Katja Leikert
Dr . Philipp Lengsfeld
Dr . Andreas Lenz
Dr . Ursula von der Leyen
Antje Lezius
Matthias Lietz
Andrea Lindholz
Dr . Carsten Linnemann
Patricia Lips
Wilfried Lorenz
Dr . Claudia Lücking-Michel
Dr . Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Karin Maag
Yvonne Magwas
Thomas Mahlberg
Gisela Manderla
Matern von Marschall
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)


Reiner Meier
Dr . Michael Meister
Dr . Angela Merkel
Jan Metzler
Maria Michalk
Dr . h .c . Hans Michelbach
Dr . Mathias Middelberg
Dietrich Monstadt
Karsten Möring
Marlene Mortler
Volker Mosblech
Dr . Gerd Müller
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Dr . Philipp Murmann
Dr . Andreas Nick
Michaela Noll
Helmut Nowak
Dr . Georg Nüßlein
Wilfried Oellers
Florian Oßner
Dr . Tim Ostermann
Henning Otte
Ingrid Pahlmann
Sylvia Pantel
Martin Patzelt
Dr . Martin Pätzold
Dr . Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Kerstin Radomski
Alexander Radwan
Alois Rainer
Dr . Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Dr . Heinz Riesenhuber
Iris Ripsam
Johannes Röring
Kathrin Rösel
Dr . Norbert Röttgen
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht
Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr . Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Jana Schimke
Tankred Schipanski
Christian Schmidt (Fürth)

Gabriele Schmidt (Ühlingen)

Ronja Schmitt






(A) (C)



(B) (D)


Patrick Schnieder
Nadine Schön (St . Wendel)

Dr . Ole Schröder
Dr . Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Dr . Klaus-Peter Schulze
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Christina Schwarzer
Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr . Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Tino Sorge
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr . Frank Steffel
Dr. Wolfgang Stefinger
Albert Stegemann
Peter Stein
Sebastian Steineke
Christian Frhr . von Stetten
Rita Stockhofe
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Karin Strenz
Thomas Stritzl
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr . Sabine Sütterlin-Waack
Dr . Peter Tauber
Antje Tillmann
Astrid Timmermann-Fechter
Dr . Hans-Peter Uhl
Dr . Volker Ullrich
Arnold Vaatz
Oswin Veith
Thomas Viesehon
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Sven Volmering
Christel Voßbeck-Kayser
Dr . Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Karl-Heinz Wange
Nina Warken
Kai Wegner
Dr . h .c . Albert Weiler
Marcus Weinberg (Hamburg)


Dr . Anja Weisgerber
Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Marian Wendt
Waldemar Westermayer
Kai Whittaker
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Oliver Wittke
Barbara Woltmann
Tobias Zech
Heinrich Zertik
Emmi Zeulner
Dr . Matthias Zimmer
Gudrun Zollner

SPD

Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heike Baehrens
Ulrike Bahr
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Klaus Barthel
Dr . Matthias Bartke
Sören Bartol
Bärbel Bas
Lothar Binding (Heidelberg)

Burkhard Blienert
Willi Brase
Dr . Karl-Heinz Brunner
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Dr . Lars Castellucci
Petra Crone
Bernhard Daldrup
Dr . Daniela De Ridder
Dr . Karamba Diaby
Sabine Dittmar
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Siegmund Ehrmann
Michaela Engelmeier
Dr . h .c . Gernot Erler
Petra Ernstberger
Saskia Esken
Karin Evers-Meyer
Dr . Johannes Fechner

Dr . Fritz Felgentreu
Elke Ferner
Christian Flisek
Gabriele Fograscher
Dr . Edgar Franke
Ulrich Freese
Sigmar Gabriel
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Angelika Glöckner
Ulrike Gottschalck
Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Uli Grötsch
Bettina Hagedorn
Rita Hagl-Kehl
Metin Hakverdi
Ulrich Hampel
Sebastian Hartmann
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Dirk Heidenblut
Hubertus Heil (Peine)

Marcus Held
Wolfgang Hellmich
Heidtrud Henn
Gustav Herzog
Petra Hinz (Essen)

Thomas Hitschler
Dr . Eva Högl
Matthias Ilgen
Christina Jantz-Herrmann
Frank Junge
Josip Juratovic
Thomas Jurk
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Ralf Kapschack
Gabriele Katzmarek
Ulrich Kelber
Marina Kermer
Cansel Kiziltepe
Arno Klare
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe
Birgit Kömpel
Dr . Hans-Ulrich Krüger
Helga Kühn-Mengel
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr . Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka

Gabriele Lösekrug-Möller
Hiltrud Lotze
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Katja Mast
Hilde Mattheis
Dr . Matthias Miersch
Klaus Mindrup
Susanne Mittag
Michelle Müntefering
Dr . Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Ulli Nissen
Thomas Oppermann
Mahmut Özdemir (Duisburg)

Aydan Özoğuz
Markus Paschke
Christian Petry
Florian Post
Achim Post (Minden)

Dr . Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr . Sascha Raabe
Dr . Simone Raatz
Martin Rabanus
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr . Carola Reimann
Andreas Rimkus
Sönke Rix
Petra Rode-Bosse
Dr . Martin Rosemann
René Röspel
Dr . Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Susann Rüthrich
Bernd Rützel
Sarah Ryglewski
Johann Saathoff
Annette Sawade
Dr . Hans-Joachim

Schabedoth
Marianne Schieder
Udo Schiefner
Dr . Dorothee Schlegel
Ulla Schmidt (Aachen)

Matthias Schmidt (Berlin)

Dagmar Schmidt (Wetzlar)

Carsten Schneider (Erfurt)

Elfi Scho-Antwerpes
Ursula Schulte
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Stefan Schwartze
Andreas Schwarz






(A) (C)



(B) (D)


Rita Schwarzelühr-Sutter
Rainer Spiering
Norbert Spinrath
Svenja Stadler
Peer Steinbrück
Dr . Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Claudia Tausend
Michael Thews
Dr . Karin Thissen
Franz Thönnes
Carsten Träger
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dirk Vöpel
Gabi Weber
Bernd Westphal
Dirk Wiese
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Gülistan Yüksel
Dagmar Ziegler
Stefan Zierke
Dr . Jens Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Nein

CDU/CSU

Enak Ferlemann
Helmut Heiderich
Bettina Hornhues
Elisabeth Motschmann
Kees de Vries

SPD

Marco Bülow
Bettina Müller
Dr . Nina Scheer

DIE LINKE

Jan van Aken

Dr . Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W . Birkwald
Heidrun Bluhm
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr . Gregor Gysi
Dr . André Hahn
Heike Hänsel
Dr . Rosemarie Hein
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Ulla Jelpke
Kerstin Kassner
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr . Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Birgit Menz
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller (Potsdam)

Dr . Alexander S . Neu
Thomas Nord
Petra Pau
Harald Petzold (Havelland)

Richard Pitterle
Martina Renner
Dr . Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr . Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr . Axel Troost

Alexander Ulrich
Kathrin Vogler
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Sabine Zimmermann


(Zwickau)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Dr . Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Dr . Thomas Gambke
Matthias Gastel
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr . Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Dieter Janecek
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)

Christian Kühn (Tübingen)

Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Steffi Lemke
Nicole Maisch

Peter Meiwald
Irene Mihalic
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr . Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Cem Özdemir
Lisa Paus
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)

Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Ulle Schauws
Dr . Gerhard Schick
Dr . Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr . Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr . Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr . Julia Verlinden
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Dr . Valerie Wilms

Enthalten

CDU/CSU

Oliver Grundmann
Hans-Georg von der Marwitz
Heiko Schmelzle
Dieter Stier

SPD

Dr . Ute Finckh-Krämer
Gabriela Heinrich
Gabriele Hiller-Ohm
Dr . Birgit Malecha-Nissen
Martina Stamm-Fibich

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Klaus-
Peter Willsch für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1818404900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegen! Herr van Aken, Sie setzen das
Thema Rüstungsexporte immer wieder auf die Tagesord-

nung . Das ist ja Ihr Leib- und Magenthema . Es ist schon
schwer erträglich, mit anzusehen, wie sehr Sie sich bei
diesem Thema in Selbstgerechtigkeit suhlen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir es so machen würden, wie Sie es gerade
gesagt haben, nämlich Rüstungsexporte einfach verbie-
ten und dabei nicht nach links oder nach rechts schauen,
dann hätte der IS die Jesiden in noch viel größerer Zahl






(A) (C)



(B) (D)


abgeschlachtet, und dann wären die Peschmerga nicht in
der Lage gewesen, den IS zurückzuschlagen .


(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das tut jetzt weh!)


Kobane wäre gefallen . Das Zurückdrängen dieser Stein-
zeitislamisten wäre ohne unsere Lieferungen von MI-
LAN und den Sturmgewehren in diese Region nicht
möglich gewesen . Wenn man selbst schon nicht helfen
will, dann muss man wenigstens die, die zu kämpfen be-
reit sind, ertüchtigen, sodass sie diesen gerechten Kampf
führen können . Das haben wir in diesem Falle gemacht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie versuchen immer wieder den Eindruck zu erwe-
cken, der Handel mit Rüstungsgütern bei uns sei so et-
was wie der Handel mit Gebrauchtwagen im Libanon .
Sie wissen ganz genau, dass das anders ist . Auch wenn
wir über dieses Thema wiederholt debattiert haben, ist es
nicht auszuschließen, dass Menschen zuhören, die sich
damit noch nicht auskennen . Daher will ich die Grundla-
gen der Rüstungsexportpolitik kurz darlegen .

Es ist klar geregelt: Die Politischen Grundsätze der
Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und
sonstigen Rüstungsgütern liegen in der aktuellen Fas-
sung vom 19 . Januar 2000 vor . Das ist ein Beschluss aus
einer Zeit, als Rot-Grün regierte . Wir haben uns in großer
Kontinuität in allen Fragen des Exports kritischer Güter
sehr zurückhaltend gezeigt. Einige bei uns finden: zu zu-
rückhaltend .

Es ist keinesfalls so, dass es irgendeinen Anspruch auf
Genehmigung von Rüstungsgütern gibt . Jede Rüstungs-
exportgenehmigung ist eine Einzelfallentscheidung .
Gemäß Außenwirtschaftsgesetz und Außenwirtschafts-
verordnung ist die Ausfuhr aller Rüstungsgüter geneh-
migungspflichtig. Rüstungsexporte werden grundsätz-
lich nicht genehmigt, wenn der hinreichende Verdacht
besteht, dass die Rüstungsgüter zur internen Repression
oder zu sonstigen Menschenrechtsverletzungen miss-
braucht werden .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum tun Sie dann das Gegenteil?)


Die Prüfung und Genehmigung der Ausfuhr von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern obliegt dem
Bundessicherheitsrat, der geheim tagt . Den Vorsitz hat
die Bundeskanzlerin inne . Zusätzlich sind im Bundes-
sicherheitsrat der Vizekanzler sowie die Bundesminister
der Verteidigung, des Auswärtigen, des Innern, der Jus-
tiz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der
Chef des Bundeskanzleramtes zugegen . Gegebenenfalls
werden der Generalinspekteur und der Regierungsspre-
cher hinzugezogen .

Bei der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung handelt
es sich nicht um einen formellen Akt . Es besteht kein An-
spruch darauf . Dabei sind vielmehr zahlreiche Gesetze
und Vereinbarungen zu beachten, die schon kurz ange-
rissen worden sind . Im Einzelnen geht es um das Gesetz
über die Kontrolle von Kriegswaffen und um das Außen-

wirtschaftsgesetz, um den Verhaltenskodex der Europäi-
schen Union für Waffenausfuhren und um die Prinzipien
zur Regelung der Transfers konventioneller Waffen der
OSZE .

Dazu haben wir erst vor wenigen Wochen – Stichwort
Kleine und Leichte Waffen – mit der Sechsten Verord-
nung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung die
Kontrolle über die Ausfuhr von bestimmten Rüstungs-
gütern verstärkt . Darin ist neu geregelt worden, dass
die Grundsätze der Bundesregierung für die Ausfuhrge-
nehmigungspolitik bei der Lieferung von Kleinen und
Leichten Waffen, dazugehöriger Munition und Herstel-
lungsausrüstung in Drittländer vom 18 . März 2015 und
die Eckpunkte vom 8 . Juli 2015 für die Einführung von
Post-Shipment-Kontrollen bei deutschen Rüstungsexpor-
ten umgesetzt werden . Der Exporteur muss eine Erklä-
rung des staatlichen Endempfängers der Rüstungsgüter
beibringen, die über den sogenannten Reexportvorbehalt
hinausgeht . Es gelten der Grundsatz „Neu für alt“ und
der Grundsatz „Neu, Vernichtung bei Aussonderung“ .
Das ist ein umfangreiches Kontrollwerk, mit dem sicher-
gestellt werden soll, dass die Waffen in jedem Fall nicht
unsachgemäß weitergegeben oder unsachgemäß einge-
setzt werden .

Ich will gerade an dem Beispiel, das Sie fälschlicher-
weise auf die See verlegt haben – es ging dabei um Tank-
flugzeuge für Großbritannien – noch einmal deutlich
machen: Das ist ein europäisches Projekt . Wir können
nicht einfach als Deutsche dieses ganze Projekt zu Fall
bringen . Wenn wir mit einem NATO-Partner ein solches
Geschäft machen und auf europäischer Ebene innerhalb
unserer industriellen Partnerschaften nicht mehr hand-
lungsfähig sind, dann beschädigen wir damit unseren In-
dustriestandort Deutschland .

Wir müssen uns in diesen Fällen der engen Zusam-
menarbeit versichern . Deshalb ist es gut, dass wir unser
europäisches Regelwerk auch hier eingeflochten haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Notwendigkeiten, denen wir uns im Hinblick auf
die Arabische Halbinsel ausgesetzt sehen – sie ist alles
andere als der Garten Eden und ein Hort blühender Sta-
bilität –, bestehen im flexiblen Handeln und im Eingehen
auf die konkrete Situation von Fall zu Fall . Wir sind der
festen Überzeugung, dass nicht ein Land alleine, auch
nicht der große Weltpolizist, die Problemfälle in unserer
Welt bereinigen kann . Im außenpolitischen Konzept der
Bundesregierung „Globalisierung gestalten – Partner-
schaften ausbauen – Verantwortung teilen“ vom Febru-
ar 2012 heißt es:

Kein Staat der Welt kann heute nur mit militärischen
Mitteln oder allein für seine Sicherheit sorgen . Hier-
bei misst die Bundesregierung insbesondere der
Entwicklung und weiteren Vertiefung sicherheits-
politischer Partnerschaften mit Staaten in entfernten
Regionen sowie deren jeweiligen Regionalorganisa-

(z . B . im Rahmen der Afrikanischen Union tung bei . Klaus-Peter Willsch Es gibt einen regen Besuchsaustausch, um die Kontakte am Leben zu erhalten, natürlich auch zum Nutzen unserer Exportwirtschaft, aber auch, um immer wieder am Gesprächsfaden zu arbeiten und die Möglichkeiten der friedlichen Konfliktbeilegung und der Unterstützung im Kampf gegen Terror, Piraterie und andere Geißeln, die die Menschheit heimsuchen, zu nutzen . (Beifall des Abg . Andreas Mattfeldt [CDU/ CSU])


(AU) oder der Arabischen Liga (AL)) große Bedeu-





(A) (C)


(B) (D)


In diesem Zuge bleibt es nicht aus, dass wir mit Staa-
ten reden müssen, deren staatliche Verfassung mit der,
die wir sie uns gewählt haben und die wir in unserem
Lande errichtet haben, nicht übereinstimmt . Sie weisen
oft Unterschiede auf, die wir nicht gutheißen . Wir sagen:
Mag jeder das machen, was er für richtig hält; wir spre-
chen es an, wenn es Menschenrechtsverletzungen gibt .
Aber wir sehen: Die Welt ist, wie sie ist, und wir müssen
mit dem Betrachten der Wirklichkeit anfangen und in der
Welt leben, die wir haben . Wir arbeiten alle jeden Tag ein
Stückchen daran, die Welt besser zu machen .

Das, was Sie vorgetragen haben, Herr van Aken, näm-
lich dass Waffen grundsätzlich von Übel seien, kann
ich nicht nachvollziehen . Genauso wie wir unseren Po-
lizisten und Soldaten zugestehen, mit Waffengewalt die
Rechtsgüter, für die sie einstehen, durchzusetzen, werden
wir das anderen Staaten nicht verwehren können . Wenn
ein Land seine Küste nicht alleine schützen kann, weil
es nicht die entsprechende Industrie hat, rufen wir ihm
freudig zu: Wir haben sie! Ihr kriegt von uns Patrouillen-
boote, wenn ihr sie braucht und sie bei uns bestellt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das sichert in Wolgast Arbeitsplätze auf der Peene-Werft
von Lürssen . Das gilt gerade für den Deal, von dem vor
kurzem die Rede war .

Es ist keinem Land zu verwehren, dass es einen Küs-
tenschutz aufbaut, um sich gegen Insurgenten und alle
möglichen kriminellen Elemente, die weltweit unterwegs
sind, zur Wehr zu setzen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das gehört zur internationalen Politik; es ist eine Frage
von Sicherheits- und Außenpolitik . Das ist keine norma-
le wirtschaftliche Sektorenbetrachtung – das haben wir
auch nie behauptet –; gleichwohl bin ich der festen Über-
zeugung: Wenn nun das G36 nicht nach Saudi-Arabien
geliefert wird, werden die saudischen Einheiten wahr-
scheinlich trotzdem nicht mit Holzgewehren herumlau-
fen, sondern einen anderen Lieferanten finden, der ihnen
bereitwillig die entsprechende Technik zur Verfügung
stellt .

Ich wünsche mir, dass wir mit unserer restriktiven
Politik, mit der wir versuchen, auf die Länder Einfluss
zu nehmen, Sicherheitspartnerschaften in der Welt ge-
nerieren können und dass das zum Wohle der deutschen
Industrie, der Deutschen insgesamt, aber auch der inter-
nationalen Partner geschieht .

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818405000

Das Wort hat die Kollegin Brugger für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
7,86 Milliarden Euro: Das ist der Wert der Genehmi-
gungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen
Rüstungsgütern, die die schwarz-rote Bundesregierung
im Jahr 2015 erteilt hat . Das ist nicht nur eine Verdoppe-
lung im Vergleich zum Vorjahr, sondern es ist der höchs-
te Wert, seitdem unter Rot-Grün erstmalig die Berichts-
pflichten eingeführt worden sind. Ich finde, das ist ein
beschämender Rekord der sicherheitspolitischen Verant-
wortungslosigkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Union macht keinen Hehl daraus, wie zum Bei-
spiel Herr Ramsauer im Deutschlandfunk, dass sie auf
diesen Rekord auch noch stolz ist . Aber die SPD und al-
len voran Sigmar Gabriel, der schließlich nicht nur Wirt-
schaftsminister und damit federführend für Rüstungsex-
porte zuständig ist, sondern auch noch Vizekanzler der
Koalition ist, ist angetreten, um diese verheerende Rüs-
tungsexportpolitik zu beenden – völlig richtig; denn es ist
höchste Zeit für eine radikale Kehrtwende, die Frieden,
Sicherheit und Menschenrechte über die Gewinninteres-
sen der deutschen Waffenkonzerne stellt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


7,86 Milliarden Euro – Sie sind krachend gescheitert
und haben dabei völlig versagt . Aber Sigmar Gabriel
wäre nicht Sigmar Gabriel, wenn er nicht versuchen wür-
de, sich hier aus der Verantwortung zu stehlen .


(Zuruf von der SPD: Ihr werdet euch noch nach ihm zurücksehnen!)


In den drei Jahren, in denen er jetzt Wirtschaftsminister
ist, hat er uns eine Reihe fadenscheiniger Ausflüchte und
billiger Ausreden präsentiert, und diese nehme ich mir
gern, auch wenn es Unmut bei der SPD gibt, im Einzel-
nen vor und schaue sie mir genauer an:


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man muss Menschen nicht immer herabwürdigen!)


Die hohen Zahlen haben etwas mit Sonderfaktoren zu
tun . Da wird dann alles hineingeschoben, was einem
nicht in den Kram passt . Sie wollen damit den Eindruck
erwecken, es sei ja nur ein Ausreißer nach oben, und es
sei ja eine Ausnahme . Ja, Pech für Sigmar Gabriel, Pech
auch für Sie von der SPD und für Sie von der Union
ebenso, dass nun schon die Zahlen für das erste Halb-
jahr 2016 bekannt geworden sind . Das sind 4 Milliarden
Euro in einem halben Jahr . Wenn Sie die nächsten sechs

Klaus-Peter Willsch






(A) (C)



(B) (D)


Monate so weitermachen wie die letzten, dann stellen Sie
wieder einen neuen Rekord auf .


(Beifall bei der SPD)


Dann kommt die nächste Ausrede: Man müsste doch
einen differenzierten Blick haben und sich die Dinge im
Einzelnen anschauen .


(Matthias Ilgen [SPD]: Aber hallo!)


Dann schaue ich mir einen Deal im Einzelnen an: Der
Bundessicherheitsrat hat die Lieferung von Panzern und
Haubitzen im Wert von 1,6 Milliarden Euro an Katar er-
laubt, an einen Staat, der für die Gewalt im Jemen mit-
verantwortlich ist, in dem Menschenrechte verletzt wer-
den und aus dessen Mitte heraus der islamistische Terror
finanziert und unterstützt wird. Diese Entscheidung steht
im Widerspruch zu den Regeln, die es in Deutschland
gibt, auf die Sie sich ja auch immer gern berufen, und
sie ist ohne jeden sicherheitspolitischen Sachverstand ge-
troffen worden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Ilgen [SPD]: Nein!)


Und wieder versuchen Sie, abzutauchen, und Sigmar
Gabriel versucht, sich auch hier aus der Verantwortung
zu stehlen, womit wir bei der dritten Ausrede ankommen .
Ja, es grenzt schon fast an Lüge, was da immer wieder
behauptet wird: Die Genehmigungen kommen ja von der
bösen schwarz-gelben Vorgängerregierung; Sie wollten
ja so gern, aber Sie könnten halt nicht .

Spätestens der Fall Russland hat doch gezeigt: Es ist
möglich, Genehmigungen, die erteilt worden sind, wie-
der zurückzunehmen, wenn der politische Wille da ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin da beim Kollegen van Aken: Ja, die Gesetze
kann man verschärfen, und das System kann man noch
mehr stärken . Aber das Beispiel zeigt doch, dass nicht
das System an sich kaputt ist, sondern dass es hier um
den politischen Willen der Regierung geht, und der ist es,
der sich ändern muss .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da wir uns schon mit den Gesetzen beschäftigen, will
ich Ihnen sagen, was dazu klipp und klar in § 7 Absatz 1
des Kriegswaffenkontrollgesetzes steht . Ich zitiere aus
dem Gesetz: „Die Genehmigung kann jederzeit wider-
rufen werden .“ Aber wissen Sie was? § 7 Absatz 2 des
gleichen Gesetzes verpflichtet die Bundesregierung so-
gar, eine Genehmigung zu widerrufen, wenn die Gefahr
besteht, dass Kriegswaffen zu einer friedensstörenden
Handlung eingesetzt werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bei allen Staaten, die Teil der Kriegsallianz im Jemen
sind, ist das nicht nur eine theoretische Gefahr, so wie
es im Gesetz beschrieben ist; denn diese Sache hat sich
doch schon längst realisiert . Auch das zeigt: Das Problem
sind eigentlich nicht die Gesetze, sondern das Problem
sind Union und SPD .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und ja, es gibt ein Manko, das ist, glaube ich, auch
der wahre Grund für Ihr Herumgeeiere: Bei einem
Stopp entstehen Schadenersatzansprüche für Rüstungs-
unternehmen, und ja, ich finde es schlimm genug, dass
dann mit Steuergeld Profiteure einer sicherheitspolitisch
wahnwitzigen Entscheidung von Schwarz-Gelb entschä-
digt werden müssen . Aber das ist doch weniger schlimm,
als einen Staat mit deutschen Waffen zu beliefern, der für
blutige Gewalt verantwortlich ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Deshalb fordern wir Grünen auch schon seit Jahren, alle
Waffendeals mit Staaten wie Saudi-Arabien und Katar
zu stoppen, sie zu beenden, und deshalb finde ich auch
den Antrag der Linken, über den wir heute debattieren,
richtig . Aber ich erwarte schon auch, dass die Regierung
so viel Mumm hat, sich hierhinzustellen und zu sagen:
Wir wollen den Schadenersatz nicht zahlen, er ist uns zu
hoch, und wir lassen aktiv und bewusst diese verantwor-
tungslosen Deals – Panzer nach Katar, Patrouillenboote
nach Saudi-Arabien – weiterlaufen .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss auch die Frage stellen: Was machen eigent-
lich die anderen Mitglieder des Bundessicherheitsrates?
Schließlich muss nicht nur Herr Gabriel darüber abstim-
men . Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminis-
terin Ursula von der Leyen tauchen einfach ab, obwohl
sie diesen Waffengeschäften zugestimmt haben . Auch
diese sollen sich einmal vor der Öffentlichkeit rechtferti-
gen, warum sie das getan haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Außenminister Steinmeier, in dessen Haus die Federfüh-
rung für Menschenrechte liegt, ist sich noch nicht einmal
zu schade, diese Deals zu verteidigen . Dabei schweigt er
zum brutalen Krieg im Jemen . Aber den Vogel abgeschos-
sen hat in den letzten Tagen Finanzminister Schäuble, der
angesichts der Krisen in der Welt und insbesondere der
Krise, die wir gerade in Europa erleben, zu der Schluss-
folgerung kommt, das Wichtigste sei nun, die deutschen
Exportrichtlinien zu lockern, damit man besser auf euro-
päischer Ebene zusammenarbeiten könne . Das soll eine
Antwort auf die Verunsicherung der Menschen in Europa
sein? Das soll eine Antwort für die Menschen in den Kri-
senstaaten dieser Welt sein? Das ist doch nur gut für die
Rüstungsindustrie .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Alle Mitglieder der Bundesregierung, insbesonde-
re der Außenminister und die Verteidigungsministerin,
können zusammen noch so viele schöne Reden über
Deutschlands neue Verantwortung in der Welt halten .
Wenn sie gleichzeitig in den Hinterzimmern des Bundes-
sicherheitsrates so verantwortungslos abstimmen, dann
sollten sie mit diesen Reden aufhören; denn ihre Rekord-

Agnieszka Brugger






(A) (C)



(B) (D)


zahlen sind nichts anderes als eine desaströse Bilanz der
Verantwortungslosigkeit .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818405100

Das Wort hat der Kollege Ulrich Hampel für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Hampel (SPD):
Rede ID: ID1818405200

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Das Thema Rüstungsexportpolitik
nimmt seit einigen Tagen wieder breiten Raum in der öf-
fentlichen Berichterstattung ein . Anlass ist der aktuelle
Rüstungsexportbericht für das Jahr 2015, der in dieser
Woche im Kabinett verabschiedet wurde . Die Bundes-
regierung berichtet damit bereits zum dritten Mal noch
vor der Sommerpause über die Zahlen des vergangenen
Jahres . Dass das Thema Rüstungsexporte in den vergan-
genen Jahren insgesamt wieder stärker in den öffentli-
chen Fokus gerückt ist, ist eine Entwicklung, die meine
Fraktion und ich ausdrücklich begrüßen .

Seit seinem Amtsantritt hat Bundeswirtschaftsminis-
ter Gabriel dafür gesorgt, dass in deutlich kürzeren Ab-
ständen über die Exportpolitik betreffend konventionelle
Rüstungsgüter berichtet wird und es damit endlich mehr
Transparenz gibt .


(Beifall bei der SPD – Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Das haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart!)


In der Geschichte der Bundesrepublik war die Rüstungs-
exportpolitik noch nie so transparent wie heute, und
Wirtschaftsminister Gabriel hat die bisherige Geheimhal-
tungspraxis bei Exporten von deutschen Rüstungsgütern
beendet .

Deutschland verfolgt eine restriktive Exportpolitik
betreffend Sicherheits- und Rüstungsgüter nach klaren
Regeln und hohen Maßstäben . Gerade für sogenannte
Drittstaaten, also Staaten außerhalb der NATO und der
EU und den NATO-Staaten gleichgestellte Länder wie
Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz, sind die
Regeln besonders streng . Dies gilt natürlich auch für die
Golfregion, für die die Linke in ihren beiden Anträgen
ein generelles Exportverbot fordert . Ein solches generel-
les Exportverbot lehnen wir ab .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818405300

Kollege Hampel, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung der Kollegin Keul?


Ulrich Hampel (SPD):
Rede ID: ID1818405400

Ja, bitte .


Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818405500

Vielen Dank, Herr Kollege, für die Zulassung der

Frage . – Sie haben gerade zu Recht geschildert, dass in
den Grundsätzen die Exporte außerhalb von NATO und

EU besonders strengen Voraussetzungen unterliegen, im
Gegensatz zu unseren Bündnispartnern . Wie erklären
Sie sich dann, dass sich das Regel-Ausnahme-Verhält-
nis ausweislich der Rüstungsexportberichte in den letz-
ten Jahren umgekehrt hat und dass wir inzwischen mehr
Kriegswaffen in Drittstaaten exportieren als in NATO-
und EU-Staaten?


Ulrich Hampel (SPD):
Rede ID: ID1818405600

Man muss sich genau anschauen, was letztendlich

geliefert wird . Die Zahl besagt nichts über die Qualität .
Man muss aber auch sagen: Wer nicht liefert, macht sich
auch schuldig . Darauf wurde schon von meinem Kolle-
gen Willsch explizit hingewiesen . – Vielen Dank .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/ CSU]: Genau! Das trifft es! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Wer nicht liefert, macht sich auch schuldig“ – wenigstens mal ehrliche Worte!)


Gerade bei Drittstaaten, zu denen die Mitgliedstaa-
ten des Golfkooperationsrates gehören, gelten strenge
Regeln. Exporte dorthin finden unter außen- und sicher-
heitspolitischen Gesichtspunkten besondere Beachtung .
Am Beispiel der Nichtgenehmigung für die Ausfuhr von
G36-Bauteilen nach Saudi-Arabien zeigt sich, dass die
aktuelle Bundesregierung hier verantwortungsvoll agiert .
Anhand dieser Beispiele wird aber auch deutlich, dass
es nicht so einfach ist, wie die Opposition die Menschen
gerne glauben machen will, bereits genehmigte Expor-
te rückgängig zu machen; denn den betroffenen Firmen
wie in diesem Fall Heckler & Koch steht natürlich in un-
serem Rechtsstaat der Klageweg offen . Gegebenenfalls
entstehen Entschädigungsansprüche in Millionen- oder
Milliardenhöhe gegenüber der Bundesrepublik Deutsch-
land . Es stellt sich aber auch die Frage nach der Zuver-
lässigkeit Deutschlands bei seinen Exportzusagen . Diese
möglichen Folgen müssen gründlich abgewogen und
dürfen nicht einfach beiseitegeschoben werden .

Im Falle der Nichtgenehmigung für die Ausfuhr von
G36-Bauteilen unterstützen meine Fraktion und ich
die Linie von Wirtschaftsminister Gabriel, künftig kei-
ne Genehmigungen für Komponenten und Technologie
in Drittländer zum Aufbau neuer Herstellungslinien für
Kleinwaffen zu erteilen . Die neuen deutschen Kleinwaf-
fengrundsätze vom 18 . Mai 2015 sind diesbezüglich ein
richtungsweisender Leitfaden für die restriktive Handha-
bung von Rüstungsexportanfragen bezüglich Kleinwaf-
fen . Mit diesen Grundsätzen nehmen wir eine führende
Rolle ein .

Laut dem aktuellen Rüstungsexportbericht ist der Ge-
samtwert der Genehmigungen zum Export von Klein-
waffen von 47 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 32 Mil-
lionen Euro im Jahr 2015 zurückgegangen . Das ist der
niedrigste Stand seit 15 Jahren .


(Beifall bei der SPD)


Was den Export in Drittländer betrifft, reduzierte sich
das Volumen um ein Drittel auf knapp 14 Millionen
Euro . Wenn man sich vor Augen führt, dass insbesonde-

Agnieszka Brugger






(A) (C)



(B) (D)


re Kleinwaffen die Waffen der Bürgerkriege sind, ist der
deutliche Rückgang des Exportvolumens ein wirklicher
Erfolg .

Die Bundesregierung handelt bei ihren Entscheidun-
gen über Exporte in die Golfregion nach strengen Regeln
und unter besonderer Beachtung von außen- und sicher-
heitspolitischen Gesichtspunkten . Ein generelles Export-
verbot, wie die Linken es gefordert haben, lehnen wir als
SPD ab .

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit . Ein herzli-
ches Glückauf!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818405700

Das Wort hat der Kollege Dr . Joachim Pfeiffer für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1818405800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema
Rüstungsexporte wird in der Tat reflexartig in schöner
Regelmäßigkeit immer wieder aufgerufen, es wird in
populistischer und alarmistischer Weise versucht, Rüs-
tungsexporte zu skandalisieren und das Thema aufzubla-
sen . Ich möchte deshalb eingangs ein paar Bemerkungen
zu den Zahlen und Fakten machen .

Kollege van Aken sprach vorher – ich zitiere – von
„unfassbar hohen“ Rüstungsexporten .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Da hat er recht!)


Es wurde davon gesprochen, die Bundesrepublik eile von
Rekord zu Rekord, es wurde vom Anstieg der Exporte
und was weiß ich gesprochen . Fakt ist, dass im Zeitraum
von 2005 bis 2015, also in den letzten zehn Jahren, der
Anteil der Exporte von Kriegswaffen gesunken ist . Ich
differenziere jetzt . Hier werden Äpfel mit Eiern und Bir-
nen in einen Topf geworfen . Aber das ist Absicht . Ich
unterstelle, dass man intellektuell wahrscheinlich schon,
wenn man es möchte, in der Lage wäre, zu differenzie-
ren, aber man möchte es gar nicht, weil einem das nicht
ins Konzept passt .

Ich rede jetzt von den Kriegswaffen . Das sind die Waf-
fen, die im Kampf zum Einsatz kommen können . Die
sollen in angeblich so unverantwortlich hoher Zahl ex-
portiert worden sein . Der Anteil der Kriegswaffenausfuhr
Deutschlands hat sich in absoluten Zahlen in den letzten
zehn Jahren quasi nicht erhöht . Er ist gleich geblieben .
In relativen Zahlen hat er sich sogar halbiert, nämlich
von 0,26 Prozent auf 0,13 Prozent . Das ist im Rüstungs-
exportbericht nachzulesen . Ich gehe davon aus, dass die
Zahlen stimmen . Ich habe es nicht nachgerechnet, aber
ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung richtig
rechnet. Sie finden die Zahlen auf den Seiten 30 und 31
des Berichts dieser Woche . Wenn Sie ihn zur Hand neh-
men, dann können Sie das nachschauen . Der relative An-

teil der Kriegswaffenexporte hat sich also von 2005 bis
2015 halbiert .


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Relativ wozu? – Weiterer Zuruf der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Der Anteil vom Gesamtexport hat sich reduziert .

Jetzt werfe ich einmal einen Blick auf die globalen
Rüstungsexporte . Dazu gehören auch die Minenräum-
fahrzeuge, Wassertanks und andere Maschinen . Zwei
Drittel der Ausfuhren entfallen auf Güter dieser Art,
während die Kriegswaffen nur ein Drittel der Ausfuhren
ausmachen . Im Zeitraum von 2011 bis 2015, also in den
letzten fünf Jahren, haben sich die globalen Rüstungs-
exporte um 14 Prozent erhöht . Der Anteil Deutschlands
daran ist im Vergleich zum Zeitraum 2006 bis 2010 von
11 Prozent auf 4,7 Prozent zurückgegangen . Er hat sich
also mehr als halbiert – und, und, und . Das sind die Zah-
len und Fakten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)


– Ich komme gleich noch darauf zu sprechen . Dann kön-
nen Sie sich ja daran abarbeiten .

Ich finde Ihr Verhalten nicht erfreulich. Sie müssten
eigentlich darüber jubeln, dass sich diese Zahlen redu-
ziert haben;


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie aber nicht!)


aber das machen Sie nicht . Im Gegenteil: Sie skandali-
sieren das Ganze weiter, obwohl es in der Sache definitiv
falsch ist .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Definitiv ist Ihre Rede falsch! Wir schauen uns nur seriöse Zahlen an!)


Jetzt einmal zu den Lösungsansätzen . Was sind denn
Rüstungsexporte und Kriegswaffenexporte? Sie sind in
allererster Linie Teil unserer Außen- und Sicherheitspo-
litik . Selbstverständlich verfolgen wir mit großer Mehr-
heit hier im Hause zuvorderst multilaterale Ansätze im
Rahmen der UN oder im Rahmen anderer internationaler
Zusammenarbeit, die vor allem mit friedlichen Mitteln,
mit Entwicklungshilfe, mit anderen unterstützenden
Maßnahmen vorgehen .

Die Probleme der Welt werden nicht durch Schönre-
den oder durch Wegducken gelöst . Der Kollege Willsch
und der Kollege Hampel haben es angesprochen – ich
fand es sehr treffend –: Wegschauen, nicht liefern, den
Kopf in den Sand stecken und gleichzeitig hier rein bin-
nenorientierte Debatten führen ist ein schlechter und der
Welt gegenüber unverantwortlicher Weg .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind uns darüber einig, dass es Probleme gibt,
und wir versuchen auch, sie zu lösen . Wenn ich mich
nicht irre, befindet sich die Bundeswehr im Moment in

Ulrich Hampel






(A) (C)



(B) (D)


16 Missionen in der Welt . Erst gestern Abend haben wir
wieder ein entsprechendes Mandat verlängert . Mit diesen
Missionen leisten wir einen Beitrag dazu, dass Sicherheit
erhalten wird, zum Teil aber auch erst geschaffen wird;
da sind wir uns einig . Ohne Sicherheit gibt es nämlich
keine Weiterentwicklung, und ohne Weiterentwicklung,
ohne Arbeitsplätze, ohne Wachstum gibt es keine Men-
schenrechte . Diese Abfolge lässt sich an der Historie der
Länder erkennen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Fordern Sie jetzt, dass die Bundeswehr an noch mehr
Auslandseinsätzen teilnimmt, dass wir noch häufiger Teil
eines internationalen Verbundes werden? Diese Forde-
rung wäre konsequent; sie erheben Sie aber nicht . Nein,
Sie sagen stattdessen – jetzt kommen wir zu Abschich-
tung –: Dort, wo wir selber nicht sein können, um Frieden
zu schaffen und um Frieden zu erhalten, haben wir Part-
ner und Verbündete . Sie sind es zum Teil seit Jahrzehn-
ten, und sie entsprechen nicht immer unseren Standards .
Vielleicht haben sie auch eine andere Historie . Aber sie
sorgen dafür, dass die Stabilität erhalten wird, dass die
Sicherheit erhalten wird, dass Wachstum entsteht und
dass auch dort die Menschenrechte eingehalten werden .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Menschenrechte werden mit Füßen getreten!)


Das gilt auch für viele verlässliche Partner in Arabien,
so auch für Saudi-Arabien auf der Arabischen Halbinsel .
Sehen Sie sich an, was dort in den letzten Jahren pas-
siert ist: Wahlen wurden durchgeführt, rechtsstaatliche
Elemente wurden geschaffen, die Mitwirkung der Frauen
wurde gestärkt . Das entspricht zwar nicht dem, was wir
uns in Deutschland vorstellen und erreicht haben, aber es
geht auf jeden Fall in die richtige Richtung .

Ich persönlich bin froh – ich sage das in aller Offen-
heit und Deutlichkeit –, dass Saudi-Arabien dafür sorgt,
dass auf der Arabischen Halbinsel, also auch im Jemen,
das Töten von Menschen und der Bürgerkrieg beendet
werden . Ich halte das für richtig .


(Zurufe von Abgeordneten der LINKEN: Was? – Jan van Aken [DIE LINKE]: Pfui! Bomben auf Zivilisten, und Sie finden das richtig! Pfui, Herr Pfeiffer! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal was vom Völkerrecht gehört?)


Ich bin froh, dass sie dieses machen .

Das Schicksal der Jesiden im Irak und anderer kurdi-
scher Gruppen ist bereits angesprochen worden . Andere
gehen gegen deren Vertreibung mit militärischen Mitteln
vor . Wenn wir sie dann aber im Stich lassen und ihnen
nicht die Ausrüstung geben, die sie brauchen, um diese
Aufgabe zu erledigen, wie sollen sie sie dann erledigen?

In Mali machen wir es so . Dort soll das staatliche
Sicherheitsmonopol hergestellt werden . Wir bilden die
Leute aus, aber Waffen – da braucht man Kriegswaffen,
nicht nur Wassertanks für die Wüste – liefern wir ihnen

natürlich nicht . – Da muss ich sagen: Wer ist jetzt inkon-
sequent, wer ist scheinheilig?


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Bigotterie ist das, ja! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können das nicht mit einer UN-Friedensmission vergleichen!)


Deshalb ist ein Systemwechsel nötig . Ein Verbot ist,
glaube ich, nicht die richtige Lösung .


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Doch!)


Wir müssen die in der Tat viel zu restriktive Handhabung
hier in Deutschland überdenken, und zwar aus politi-
schen Gründen, nicht aus wirtschaftlichen oder Arbeits-
platzgründen . Die Zahlen habe ich dargelegt; Sie können
sie nachlesen .


(Zuruf der Abg . Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Es geht in erster Linie um Außen- und Sicherheitspo-
litik . Dann müssen wir innovationsfähig bleiben . Wir
brauchen Kernkompetenzen, damit wir unabhängig blei-
ben und unsere Sicherheit selber gewährleisten können .
Wir müssen auch verlässlich sein, und wir müssen dies
partnerschaftlich organisieren können . Vorhin wurde
Wolfgang Schäuble erwähnt . Er hat natürlich hundert-
prozentig recht,


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer!)


wie er in fast allen Fragen hundertprozentig recht hat und
dann auch irgendwann bekommt .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar, Sie werden die Menschen für Europa begeistern!)


Zur Europäisierung haben wir hier gesagt: Jawohl,
wir wollen eine Europäisierung . Aber die Europäisierung
darf natürlich nur nach unseren Standards sein . Wenn alle
anderen nicht so mitmachen, wie wir es gern hätten, dann
funktioniert die Europäisierung nicht . – Ich glaube, das
ist der falsche Weg . Wir müssen in Europa – das ist im
Moment aktueller denn je – definieren, welche Außen-
und Sicherheitspolitik wir anstreben wollen, und dann
müssen wir die Instrumente dafür einsetzen . Dazu gehört
eine verantwortliche, diesen Kriterien entsprechende
Rüstungs- und Kriegswaffenexportpolitik, aber nicht mit
einem nationalen Sonderweg – „Am deutschen Wesen
soll die Welt genesen .“ –, sondern international und euro-
päisch eingebunden . Das ist die Aufgabe . Dieser System-
wechsel ist notwendig, nicht ein populistisches, alarmis-
tisches Verbot, das weder politisch noch den Menschen
in der Welt weiterhilft .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818405900

Das Wort hat der Kollege Matthias Ilgen für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)


Dr. Joachim Pfeiffer






(A) (C)



(B) (D)



Matthias Ilgen (SPD):
Rede ID: ID1818406000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir be-

grüßen die Häufigkeit, in der der Rüstungsexportbericht
inzwischen vorgelegt wird; denn das ist auch eine Gele-
genheit, ab und an einmal deutlich zu machen, wie die
sozialdemokratische Bundestagsfraktion sich dann doch
von den Christdemokraten unterscheidet .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Pfeiffer hat hier eben gesagt: Wir brauchen eine
Wende, weg sozusagen vom Restriktivismus hin zum Ak-
tivismus . Und er hat gesagt: Weg mit den Regeln! – Das
unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion ganz klar nicht .


(Beifall bei der SPD)


Wir sind stolz darauf, dass Bundeswirtschaftsminister
Sigmar Gabriel eine restriktive Rüstungspolitik nicht nur
angekündigt, sondern auch durchgehalten hat .

Damit bin ich beim Antrag der Opposition, Herr van
Aken, der Linksfraktion . Ich schätze Sie als Kollegen
wirklich, als redlich und intellektuell . Aber Sie haben
heute nicht mit einem Wort zu Ihrem Antrag gesprochen,


(Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: So ist das! Ganz genau!)


sondern Sie haben lediglich erneut die Zahlen zum Ge-
samtvolumen laut Exportbericht benannt und skanda-
lisiert . Das ist unredlich; denn man muss schon genau
hingucken . Nicht ein nominaler Wert oder eine nominale
Steigerung sind entscheidend dafür: „Wie gefährlich ist
ein Rüstungsexport real?“, sondern entscheidend ist: Was
wird im Einzelnen exportiert? Da muss man genauer hin-
gucken .

Bei Kleinwaffen, die wir für besonders gefährlich hal-
ten, insbesondere wenn sie in Drittstaaten gehen und wir
die Weiterverwendung nicht nachprüfen können, wie das
in der Vergangenheit der Fall war, sind die Zahlen relativ
günstig verglichen mit dem, was wir vor allem an unsere
vielen Partner in der Welt an Tankflugzeugen, Bergepan-
zern, Eisbrechern usw . liefern . Deswegen ist es einfach
unredlich – das war es auch bei Ihnen, Frau Brugger –,
das Volumen zu nehmen und zu sagen: Sie haben das
verdoppelt, und deswegen ist die Welt jetzt schlechter
geworden .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe einen differenzierten Blick! Ich habe das im Einzelnen dargestellt!)


Das ist eine Schwarz-Weiß-Malerei, die man einfach
nicht machen darf .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will erklären, dass die Welt manchmal Graustufen
hat . Ich will ein Beispiel nennen .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818406100

Kollege Ilgen, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung des Kollegen van Aken?


Matthias Ilgen (SPD):
Rede ID: ID1818406200

Wenn ich den Gedanken noch zu Ende führen darf .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818406300

Dann meldet er sich noch einmal .


Matthias Ilgen (SPD):
Rede ID: ID1818406400

Ja, okay . – Eine Frage wird auf uns zukommen . Brasi-

lien fragt an . In Brasilien stehen die Olympischen Spiele
vor der Tür, und Brasilien will Maschinengewehre ha-
ben, weil man im Moment die Sicherheitslage so ein-
schätzt, dass man mit der polizeilichen Ausrüstung nicht
zurechtkommen wird, wenn es darum geht, die Olympi-
schen Spiele zu schützen .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann soll man es lassen!)


Sie wollen – ich habe das jetzt mehrfach gehört, so-
wohl von den Grünen als auch von den Linken – in der
Bundesrepublik Deutschland ein totales Exportverbot für
Kleinwaffen . Das würde dazu führen, dass der Export der
gewünschten Maschinengewehre nicht genehmigungsfä-
hig wäre, und wir würden damit aktiv dazu beitragen,
dass die Sicherheit bei den Olympischen Spielen in Bra-
silien nicht gewährleistet werden könnte . Das halten wir
Sozialdemokraten für falsch . Man muss den Einzelfall
prüfen . Das ist für uns das entscheidende Argument, wa-
rum man ein solches Totalverbot nicht machen kann .

Jetzt bitte .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818406500

Das Wort erteile ich jetzt . – Der Kollege van Aken hat

für eine Frage oder eine Bemerkung das Wort .


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818406600

Danke schön . – Herr Ilgen, Sie sagen ja zu Recht, man

müsse genau hinschauen und dürfe nicht nur die Ge-
samtzahlen sehen, sondern müsse ins Detail gehen . Ja,
dann reden wir doch einmal über den Antrag, reden wir
einmal über Saudi-Arabien . Sie wissen, im letzten Jahr,
2015, hat Saudi-Arabien im Jemen bombardiert, hat bei
Luftangriffen ganz viel Munition, Bomben und Raketen,
verbraucht . All dieses kauft Saudi-Arabien jetzt nach .
Wissen Sie, für wie viele Millionen Euro Saudi-Arabien
in Deutschland Nachschub gekauft hat?


Matthias Ilgen (SPD):
Rede ID: ID1818406700

270, glaube ich . Aber Sie werden es mir sagen .


Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818406800

Nur Munition! Ich rede nur über Munition . – Muniti-

onsexporte im Wert von 20 Millionen Euro hat Ihr Wirt-
schaftsminister für Saudi-Arabien genehmigt, Munition,
die sie wahrscheinlich am nächsten Tag gleich wieder im
Jemen verballert haben . Das sind konkrete Zahlen, das
sind konkrete Beispiele .

Wenn Sie hier schon fordern, ins Detail zu gehen, dann
sagen Sie auch, dass es deutsche Waffen sind, die gerade
im Jemen töten, und dann äußern Sie sich bitte auch zu






(A) (C)



(B) (D)


Herrn Pfeiffer, der sagt, dass er es richtig finde, dass mit
deutschen Waffen Zivilisten getötet werden .


(Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Hat er überhaupt nicht gesagt! – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: „Frieden schaffen mit deutschen Waffen“, und nicht: „Zivilisten umbringen“!)


Das müssen Sie hier jetzt einmal ganz klar sagen .

Danke .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Matthias Ilgen (SPD):
Rede ID: ID1818406900

Ich will versuchen, darauf einzugehen . Sie sprechen

immer von „dem Wirtschaftsminister“ . Das ist falsch .
Ich muss Ihnen hier an der Stelle Nachhilfe in Staats-
recht erteilen . Der Bundessicherheitsrat genehmigt, und
da raufhin erteilt dann das Bundeswirtschaftsministerium
die Genehmigung .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)


Ich glaube, wir haben in diesem Hause mehrfach
deutlich gemacht, dass es in der Vergangenheit Abstim-
mungen in diesem Bundessicherheitsrat gegeben hat, bei
denen die sozialdemokratischen Bundesminister anders
abgestimmt haben als die Kolleginnen und Kollegen von
der Union . Es handelt sich allerdings um ein Kollegi-
alorgan, das nach dem Mehrheitsprinzip entscheidet .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der entscheidet gar nicht!)


Deswegen sind wir in einigen dieser Abstimmungen un-
terlegen . Nun werden die in der Regel nicht im Einzelnen
öffentlich gemacht, aber der Bundeswirtschaftsminister
hat ein paar Fälle genannt . Ich kann jetzt, ehrlich gesagt,
zu diesem konkreten Anlass nichts sagen, weil ich das
Abstimmungsergebnis und auch das Abstimmungsver-
halten nicht kenne wie Sie ja auch nicht; aber vielleicht
kennen Sie es ja . Auf jeden Fall geht es doch darum, dass
man da differenziert .

Wir als SPD-Bundestagsfraktion lehnen auf jeden
Fall – das will ich Ihnen politisch sagen – diesen Stell-
vertreterkrieg, wie er dort durch Saudi-Arabien im Jemen
geführt wird, ab .


(Beifall bei der SPD – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Sie stimmen also unserem Antrag nachher zu?)


– Nein, das werden wir nicht tun .

Das, was mit diesem Antrag ja auch versucht wird, ist,
sozusagen politische Sippenhaft einzufordern . Ich will
das aus folgendem Grund sagen: Wenn man zum Beispiel
Bergepanzer an den Oman liefert oder ABC-Abwehr-
fahrzeuge nach Kuwait liefert, dann geht es ja sozusagen
auch um Lieferungen in den Nahen Osten . Sie wollen so
etwas in Zukunft verbieten, weil Sie jetzt ein konkretes

Problem mit Saudi-Arabien haben, wobei wir hier Ihre
Analyse teilen .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Herr Pfeiffer aber anders!)


So kann man allerdings nicht vorgehen; vielmehr werden
wir uns an dieser Stelle weiterhin ganz klar für die Ein-
zelfallbetrachtung aussprechen .

Ich will noch einmal etwas zu den Kleinwaffen sa-
gen . Die konkreten Werte wurden ja noch einmal ange-
sprochen . Aber ich denke, es ist doch ein entscheidender
Punkt, dass wir alle miteinander in diesem Haus – zumin-
dest von der linken Seite bis über die Mitte hinaus, sage
ich einmal – daran festhalten, dass Kleinwaffenexporte
weiter reduziert werden müssen . Meine Kollegin Finckh-
Krämer wird auch noch etwas dazu sagen, was sozusagen
unsere Vorstellungen hinsichtlich einer neuen Gesetzes-
grundlage dafür angeht .

Ja, eigentlich bin ich am Ende meiner Rede; denn alles
andere wurde schon von den Kolleginnen und Kollegen
gesagt . Wenn Sie noch weitere Interventionen planen – –
Ich glaube, Frau Brugger hatte eben gezuckt . Vielleicht
haben Sie noch – –


(Heiterkeit bei der SPD – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, danke!)


– Gut .

Dann danke schön .


(Beifall bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818407000

Es gibt keine Pflicht zum Ausschöpfen der verabrede-

ten Redezeit . Insofern herzlichen Dank .

Das Wort hat der Kollege Omid Nouripour für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Aber wenn, hat er die für die Koalition eingespart, nicht für euch!)



Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818407100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am

25 . Mai rechtfertigte der Bundesaußenminister das Lie-
fern von Patrouillenbooten nach Saudi-Arabien, indem er
sagte, er habe Verständnis für die legitimen Sicherheits-
interessen Saudi-Arabiens .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja!)


Jedes Land der Welt hat legitime Sicherheitsinteressen .
Die Frage ist nur: Reichen sie dafür aus, dass wir ihnen
Waffen liefern? Haben sie irgendetwas mit dem Weltfrie-
den und mit dem Völkerrecht zu tun?

Schauen wir uns doch einmal an, was Saudi-Arabien
macht, und zwar jetzt im 17 . Monat . Sie bomben Jemen
zurzeit in die Steinzeit zurück: 6 500 zivile Tote durch
die Bombardements, die größte humanitäre Katastrophe
der Zeit, 13 Millionen Menschen brauchen im Jemen zur-
zeit humanitäre Hilfe – doppelt so viele Menschen wie

Jan van Aken






(A) (C)



(B) (D)


in Syrien –, 2,8 Millionen Binnenvertriebene, eine kom-
plett zerstörte zivile Infrastruktur . Weltkulturerbe wird
gebombt, Krankenhäuser werden gebombt, Flüchtlings-
lager werden gebombt . Das sind die Sicherheitsinteres-
sen, die Saudi-Arabien formuliert .

Herr Kollege Pfeiffer, wenn Sie sich jetzt hierhinstel-
len und sagen, Sie seien froh darüber, dass die das tun,
dann ist das für mich nicht nur jenseits meiner Magen-
stärke; das ist vielmehr einfach menschenverachtender
Zynismus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg . Dr . Ute Finckh-Krämer [SPD])


Die Saudis sind nicht alleine schuld an diesem Krieg .
Selbstverständlich haben auch die Huthis einen großen
Anteil daran; das ist überhaupt keine Frage .


(Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Aha! Das hätten Sie mal differenzierter sagen können!)


– So undifferenziert wie Herr Pfeiffer kann hier niemand
reden . Das ist schon okay .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Ute Finckh-Krämer [SPD])


Natürlich haben die Huthis angefangen . Die Eskalati-
on der Situation ist aber entstanden durch die Bombarde-
ments und durch die Seeblockade, die im Übrigen durch
diese Patrouillenboote verstärkt werden soll . Die Seeb-
lockade hat dazu geführt, dass keine Pharmazeutika mehr
ins Land kommen . Das öffentliche Leben im gesamten
Land ist komplett stillgelegt .

Deshalb muss man sich einmal fragen: Wer ist denn
eigentlich Profiteur dieser sogenannten Sicherheitsinte-
ressen? Es ist al-Qaida . Die Waffen, über deren Lieferung
Sie sich vorhin gefreut haben, packen die in Holzkisten,
werfen sie über Al-Qaida-Gebiet ab, weil sie wissen, dass
al-Qaida gegen die Huthis kämpft . Hat es auch etwas mit
den legitimen Sicherheitsinteressen der Menschen in
Deutschland zu tun, wenn al-Qaida durch diesen irrsin-
nigen Krieg der Saudis gestärkt wird? Ich glaube nicht .
Aber dazu hätten Sie ja vielleicht auch einmal etwas sa-
gen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Hätten Sie mich ja fragen können!)


Al-Qaida kontrolliert mittlerweile Häfen mit Zugang
zum offenen Meer, profitiert von der Schmuggelwirt-
schaft und rekrutiert die Leute, die nicht mehr wissen,
wie es mit ihnen weitergehen soll, weil sie nun seit
17 Monaten bombardiert werden . „Aber hey, freuen Sie
sich weiter!“, kann man da nur sagen . Ich glaube nicht,
dass die Menschen an den Bildschirmen irgendein Ver-
ständnis für diese wirklich abartige Positionierung ha-
ben, die ich hier gerade gehört habe .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Ganze betrifft ja nicht nur den Jemen . Die Saudis
unterminieren gerade massivst die Vereinten Nationen .
Der Menschenrechtsrat hat sich zum Beispiel nicht mit
diesem Thema befassen können, weil die Saudis eine un-
abhängige Untersuchung konterkariert haben . Dann gab
es eine sogenannte „Liste der Schande“, in der klar dar-
gestellt wurde, wie gerade Kinder im Jemen unter den
Bombardements leiden . Die Saudis haben gedroht, bei
Veröffentlichung der Liste kein Geld mehr an die Verein-
ten Nationen zu geben . Das ist die wahre Schande, über
die wir reden müssten, statt über die Frage der sogenann-
ten legitimen Sicherheitsinteressen eines Landes .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was ist denn mit den Sicherheitsinteressen der zivilen
Opfer? Was ist denn mit den Sicherheitsinteressen der
Vereinten Nationen? Was ist denn mit den Sicherheits-
interessen der Bundesrepublik Deutschland in diesem
wahnsinnigen Krieg, in dem nur al-Qaida gewinnt? Die
einzige Ausrede, die wir bisher hören, ist: Na ja, die Ge-
nehmigungen sind alt . – Ich kann nur aus den Rüstungs-
exportrichtlinien zitieren:

Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffen-
nahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht geneh-
migt in Länder,

– die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwi-
ckelt sind oder wo eine solche droht …

Spätestens seit Beginn des Jemen-Krieges ist klar: Auch
alte Genehmigungen können und müssen widerrufen
werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818407200

Das Wort hat der Kollege Andreas Lämmel für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1818407300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Es ist eben leider wie immer in den Debatten:
Dass die Diskussion über Rüstungsexporte keine einfa-
che Diskussion ist, wissen wir alle, nur krankt die Dis-
kussion immer wieder daran, dass Herr van Aken sozu-
sagen versucht, Rednern anderer Fraktionen die Worte
im Mund umzudrehen, und völlig populistische und aus
dem Zusammenhang gelöste Sachen behauptet, die durch
nichts gedeckt sind . Das ist genau dieselbe Situation, wie
wir sie gestern im Zusammenhang mit der Diskussion
um CETA schon erlebt haben . Die Linken betreiben Po-
litik, indem sie mit populistischen Floskeln ohne Details,
ohne wirklich sachlich aufzuklären, unter den Menschen
Ängste schüren, um sozusagen gegen die Regierung, ge-
gen die deutsche Politik zu argumentieren .


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal ein Beispiel!)


Omid Nouripour






(A) (C)



(B) (D)


– Sie haben doch gerade Herrn Pfeiffer die Worte im
Mund umgedreht . Es stimmte doch einfach nicht, was
Sie behauptet haben .


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Hat er doch gesagt! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann man doch im Protokoll lesen!)


Ich erinnere Sie immer wieder an die Historie Ihrer
Partei .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie doch mal konkret!)


Wir in Deutschland haben die restriktivsten Rüstungs-
exportkontrollen, die restriktivsten Exportrichtlinien, an
deren Formulierung die Grünen im Übrigen mitgewirkt
haben .


(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Sie täglich verletzen! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden Sie einmal konkret!)


– Langsam . – Die Waffen, die zum Teil heute noch in der
Welt sind, die al-Qaida und andere benutzen, sind keine
deutschen Waffen . Das sind möglicherweise noch Waf-
fen, die die Sowjetunion mit ihren sozialistischen Part-
nern weltweit in Umlauf gebracht hat, völlig unkontrol-
liert, meine Damen und Herren .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hör doch auf! Peinlich!)


Al-Qaida kämpft nicht mit deutschen Waffen . Das muss
man doch einmal deutlich sagen . Es handelt sich nicht
um deutsche Waffen .


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Jemen schon! – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon einmal etwas von G3-Gewehren gehört?)


Es gibt ganz andere Nationen wie die Russen oder die
Amerikaner, die Waffen völlig unkontrolliert exportie-
ren . Sie können doch die deutsche Rüstungsexportpolitik
nicht mit anderen gleichsetzen . Das ist absurd, was Sie
hier betreiben, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818407400

Kollege Lämmel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1818407500

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage . – Dann

müssen wir uns das einmal genauer anschauen – Herr
Nouripour, Sie haben es doch selber gesagt –, statt es so
populistisch wie Herr van Aken mit „Rekorde, Rekorde“
darzustellen . Schauen wir doch einmal, was auf der Ex-
portliste steht .

Von den Rüstungsexporten in Höhe von 96 Millio-
nen Euro, die in den Oman geliefert wurden, entfallen
wertmäßig gesehen zum Beispiel 25 Prozent auf Flugleit-

einrichtungen, 20 Prozent auf Lkws, 12 Prozent auf Da-
tenverarbeitungsanlagen und 12 Prozent auf Dekontami-
nationsausrüstungen .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie einmal etwas über Katar! Das ist viel interessanter!)


Von den Rüstungsexporten in die Vereinigten Arabi-
schen Emirate in Höhe von 107 Millionen Euro entfallen
40 Prozent auf Lkws, Schwerlasttransporter, Sattelauflie-
ger, 20 Prozent auf Überwachungssysteme, der Rest auf
Seeminenräumsysteme, aber auch auf Sportpistolen und
Jagdgewehre .

Ich will damit bloß sagen: Wenn man eine solche Dis-
kussion führt, dann muss man ehrlicher differenzieren .
Daran krankt die ganze Diskussion .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Leider!)


Sie versuchen hier nämlich, sozusagen ein Monster auf-
zubauen: Deutschland als Politikmonster im internatio-
nalen Rüstungsexport . Der Kollege Pfeiffer hat ja darauf
verwiesen, dass sich der deutsche Anteil am weltweiten
Rüstungsexport, der um 14 Prozent gestiegen ist, deut-
lich verringert hat, da er nur um 4,7 Prozent gestiegen ist .
So etwas ignorieren Sie einfach .

Meine Damen und Herren, da muss man die Frage an
die Kollegen der Fraktion Die Linke stellen, deren An-
trag wir heute beraten – Herr van Aken hat ja gar nicht
dazu gesprochen; er hat stattdessen die globale Lage der
Welt erklärt –: Wie halten Sie es mit den UN-Missionen?
Wenn man zu einem Verbot käme, beträfe das auch das
Thema UN-Missionen . Wie verhält sich dann Deutsch-
land? Deutschland ist dann ja praktisch raus .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


Blicken wir einmal nach Afrika, wo sich jetzt südlich
der Sahara in den sogenannten Sahel-G5-Staaten eine
große Ansammlung von Terroristen befindet. Es gibt
Bemühungen, dass die Afrikanische Union eine Ein-
greiftruppe mit dem Oberkommando in N’Djamena im
Tschad aufstellt, um den Terrorismus in der Sahelzone
zu bekämpfen . Teilweise können Sie sich in den Län-
dern überhaupt nicht mehr bewegen, und die Gebiete
unter terroristischer Kontrolle sind so groß, dass es nicht
mehr möglich ist, dorthin zu reisen . Wer stattet denn nun
die Mission der Afrikanischen Union aus? Das ist doch
die Frage . Sollen wir das mit unseren demokratischen
Grundsätzen machen, oder sollen wir das den Russen
oder Chinesen überlassen, wobei dann niemand mehr
eine Kontrolle darüber hat, was geliefert wird?

Es ist also die Frage, welche Sicherheitsinteressen wir
mit unserer Rüstungsexportpolitik verfolgen . Es ist eben
nicht so einfach, wie Sie es immer wieder versuchen dar-
zustellen . Auch aus dem jetzigen Rüstungsexportbericht
geht doch klar hervor, dass Deutschland mit dem Export
von Gerätschaften acht VN-Missionen unterstützt . Auch
das würde bei einem Verbot völlig unter den Tisch fallen .

Auf der einen Seite fordern die NATO-Partner, for-
dern die Verbündeten weltweit ein stärkeres Engagement

Andreas G. Lämmel






(A) (C)



(B) (D)


Deutschlands, weil es ein wirtschaftlich starkes Land ist .
Gar keine Frage; das ist auch richtig so . Ich frage mich
aber: Wie soll man das leisten, wenn wir uns mit dem re-
striktivsten Recht ein Verbot auferlegen und andere Staa-
ten, in denen es keine Kontrolle gibt, in denen überhaupt
nicht über den Verbleib von Waffen diskutiert wird, in
diese Lücke springen?


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll das sein?)


Wissen Sie, das ist genauso absurd wie die Diskussion
über den Export von Kohlekraftwerken . Deutschland will
die Welt sozusagen damit heilen, dass es keine Exportfi-
nanzierung mehr für die Lieferung deutscher Kohlekraft-
werke in die Welt gibt . Wir ruinieren unsere Industrie da-
mit, wir gefährden Arbeitsplätze auf hohem Niveau, aber
die Kraftwerke werden doch gebaut . Da freuen sich die
Japaner, die Chinesen, die Russen . Alle freuen sich darü-
ber, wenn sich Deutschland als gesitteter Staat aus diesen
Exporten heraushält . Deswegen ist Ihr Antrag eigentlich
ziemlich absurd .

Dann muss ich noch etwas zum Kollegen Ilgen von
der SPD sagen . Ich frage mich, woher Sie wissen, dass
SPD-Kollegen im Sicherheitsrat anders abstimmen als
CDU/CSU-Kollegen . Ich frage mal Frau Zypries, ob sie
das bestätigen kann . Uns wird nie das Abstimmungsver-
halten mitgeteilt . Meines Erachtens ist es geheim . Sie
können mir ja nach der Debatte einmal verraten, woher
Sie die Informationen haben .


(Zuruf des Abg . Matthias Ilgen [SPD])


Ich möchte eine weitere Sache aufklären . Wir, CDU/
CSU und SPD, haben im Koalitionsvertrag gemeinsam
die Neuregelung bei den Rüstungsexportberichten ver-
einbart . Dass jetzt der Wirtschaftsminister den Willen der
Koalition ausführt, ist ja das Normalste der Welt . Insofern
muss ich sagen: Ursprung der Neuregelung ist die Koali-
tionsvereinbarung, und dass das Wirtschaftsministerium
sie jetzt umsetzt, ist ja ganz klar . Es gibt also nicht nur
eine Person, die jetzt hier den Glorienschein davonträgt,
sondern es war unser gemeinsamer politischer Wille .

Ich möchte ganz klar in Richtung der Linken sagen:
Wir wissen ganz genau, wie sensibel dieses Thema ist .
Nur: Mit Ihrem Populismus wird man erstens in der Welt
nichts verändern und zweitens auch in der deutschen Po-
litik nichts Vernünftiges zustande bringen .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihr Populismus ist gefährlicher!)


Wir sind da besser in der Spur . Ich denke, es hat sich in
den letzten Jahren gerade auf diesem Gebiet sehr viel ge-
tan . Diesen Weg werden wir weiter beschreiten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818407600

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Jan van

Aken das Wort .


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Der hat doch schon elf Minuten gehabt!)



Jan van Aken (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818407700

Es tut mir leid, aber ich möchte nur kurz drei Aussa-

gen von Herrn Lämmel korrigieren .


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur drei? Mindestens 30!)


– 30 Dinge könnte man korrigieren, aber ich möchte
mich auf drei fokussieren .

Erstens . Herr Lämmel, Sie haben nicht hingehört .
Auch irgendwelche Waffenexporte der Sowjetunion oder
der Staaten des Warschauer Paktes bis 1989/1990 finde
ich falsch; da bin ich ganz Ihrer Meinung . Der Unter-
schied zwischen uns ist: Ich finde auch die bundesdeut-
schen Waffenexporte falsch; Sie finden sie richtig. Sie
finden die sowjetischen Waffenexporte falsch, ich finde
alle falsch .


(Beifall bei der LINKEN – Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Das war jetzt aber keine Korrektur!)


Zweitens . Sie haben jetzt drei-, viermal wiederholt:
Al-Qaida kämpft nicht mit deutschen Waffen . – Ich per-
sönlich war im Januar 2014 im Norden Syriens und habe
dort eine MILAN-Rakete aus deutsch-französischer Pro-
duktion, zu 50 Prozent in Deutschland hergestellt, in der
Hand gehabt; ich habe die Seriennummer, das Produkti-
onsjahr usw . Mit dieser MILAN-Rakete hat al-Qaida da-
mals direkt an der Grenze, im Dreieck zwischen Türkei,
Syrien und Irak, gekämpft . Ihre Information ist falsch .
Ich habe das Ding persönlich in der Hand gehabt .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt viele andere Beispiele – das Internet ist voll mit
Fotos –, aber in diesem Fall kann ich es selbst bestätigen,
weil ich die Waffe selbst angefasst und die Seriennum-
mer gesehen habe .

Drittens . Es geht zu weit, dass Sie hier von Seite 111
des Rüstungsexportberichtes zitieren und sagen, dass
40 Prozent der Exporte in die Vereinigten Arabischen
Emirate, VAE, auf Lkws entfallen . Lesen Sie das bitte
ganz vor! Die dort genannten 41,6 Prozent beziehen sich
auf „LKW“ und „Teile für Kampfpanzer“ und „gepanzer-
te Fahrzeuge“ . Es sind Kriegswaffen, die darunterfallen .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Na und?)


Tun Sie nicht so, als ob der Großteil von dem, was in die
VAE geht, Lkws sind . Entweder haben Sie es nicht ver-
standen, oder Sie haben hier bewusst falsch zitiert .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818407800

Möchten Sie erwidern?

Andreas G. Lämmel






(A) (C)



(B) (D)



Andreas G. Lämmel (CDU):
Rede ID: ID1818407900

Nein, danke, möchte ich nicht .


(Dr . Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Bringt ja eh nichts!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818408000

Das Wort hat der Kollege Dr . Karl-Heinz Brunner für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1818408100

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen

und Kollegen! Haben Sie keine Angst, dass Sie alle di-
cken Papiere, die ich hier jetzt habe, heute ertragen müs-
sen! Ich bin sowieso schon glücklich, dass zu dieser Zeit,
am letzten Sitzungstag vor der angeblichen Sommerpau-
se, über die es ja immer heißt, dass alle Abgeordneten in
den Urlaub fahren, so viele Kolleginnen und Kollegen
bei der Debatte zu diesem Thema da sind und so viele
Zuhörerinnen und Zuhörer und ein ebenfalls fast voll be-
setzter Kabinettsbereich heute dieser Debatte lauschen .

Eigentlich, meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es mir bei dem An-
trag der Linken, Herr Kollege van Aken, wie bei dem
Klassiker Und täglich grüßt das Murmeltier .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist sehr konkret ausnahmsweise! – Zurufe von der LINKEN)


Ob es der jährliche Bericht des Stockholm Internatio-
nal Peace Research Institute, also SIPRI, ist, ob es der
Rüstungskontrollbericht oder der Transparenzbericht der
Bundesregierung ist, ob es irgendein Gutachten zur Rüs-
tung ist – es kommt immer die gleiche Reaktion: erstens
Empörung,


(Andreas G . Lämmel [CDU/CSU]: Genau!)


zweitens unreflektierte und undifferenzierte Nennung
irgendwelcher Zahlen, die natürlich im Einzelfall stim-
men, aber nie in dem Kontext gesehen werden,


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die stimmen dann irgendwie, oder?)


drittens – ich sage es ganz bewusst – Verdrehung von
Tatsachen, und schließlich Forderungen, für die man fast
Textbausteine verwenden könnte .

Mal wird, wie jetzt, gefordert, die Genehmigung für
Rüstungsexporte in die Staaten des Golfkooperationsra-
tes zu widerrufen, mal wird gefordert, keine neuen Ge-
nehmigungen zu erteilen . Gestern wurde der Austritt aus
der NATO gefordert,


(Beifall des Abg . Jan van Aken [DIE LINKE])


vorgestern die Abschaffung der Bundeswehr und, und,
und. Diese Textbausteine werden reflexartig immer wie-

der gebracht, ohne einen echten Lösungsansatz anzubie-
ten .


(Zuruf des Abg . Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
möchte versuchen, die Behauptungen in ein paar Worten
zu widerlegen . Waren es nicht unser Bundeswirtschafts-
minister Sigmar Gabriel und auch die SPD-Bundestags-
fraktion, die den Anstoß für eine deutliche Absenkung
des Volumens der Waffenexporte an Drittstaaten gegeben
haben? Wir haben – mein Vorredner hat es schon gesagt –
in den Koalitionsvertrag die Ziele eingebracht: hohe
Transparenz und vor allem Senkung der Waffenexporte .

Fakt ist – und das muss an dieser Stelle auch gesagt
werden –, dass es doch eigentlich eine gute Nachricht ist,
die nicht wegzudiskutieren ist, dass die Zahl der Geneh-
migungen von Kleinwaffenexporten so massiv zurückge-
gangen ist, wie sie in der Geschichte der Rüstungsexport-
genehmigungen noch nie zurückgegangen ist .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kleinwaffen sind in Euro und Cent gemessen keine
großen Positionen, aber es sind die Waffen, die das größ-
te Unheil auf dieser Welt anrichten . Das Problem ist, dass
sie in großen Stückzahlen zu geringen Gestehungskosten
umgesetzt werden können . Sie richten den größten Scha-
den an .

Deshalb halte ich es für ausgesprochen wichtig – und
es ist bedauerlich, dass heute dazu noch niemand etwas
gesagt hat –, dass die Post-Shipment-Kontrollen, die
nunmehr eingeführt worden sind, nicht mehr wegzudis-
kutieren sind . Aber es heißt immer wieder – ich kenne
das schon –: Da macht ja noch niemand was . In den
Ländern werden ja noch gar keine Kontrollen durchge-
führt . – Ja, richtig, sie werden noch nicht durchgeführt,
aber doch nur, weil bisher keine dieser Waffen tatsäch-
lich exportiert worden ist . Nur das, was exportiert wurde,
kann kontrolliert werden und wird auch kontrolliert . Das
ist richtig und auch zwingend notwendig .

Meine sehr verehrten Damen, meine sehr verehrten
Herren, ich halte es für politisch absolut nicht opportun,
dass die Opposition, gleich welcher Art, immer die Zahl
von 7,86 Milliarden Euro ins Spiel bringt . Dann folgt das
Mantra „Sigmar Gabriel ist gescheitert“, aber den Blick
in den Gesetzestext lässt man sein . Die Frage, ob etwas
rechtmäßig ist oder nicht – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818408200

Kollege Brunner, gestatten Sie eine Frage oder Be-

merkung der Kollegin Brugger?


Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1818408300

Gerne, Frau Präsidentin .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielen Dank, Frau Präsidentin . Vielen Dank, Herr
Kollege Brunner . – Sie haben die Kleinwaffengrundsätze






(A) (C)



(B) (D)


und die Post-Shipment-Kontrollen angesprochen . Diese
beinhalten ja, dass im Nachhinein kontrolliert werden
soll, ob die Waffen auch wirklich in dem Land verblieben
sind, für das eine Genehmigung erteilt wurde . Und auch
der Bundessicherheitsrat soll eigentlich nur noch Geneh-
migungen für den Export von Kleinwaffen aussprechen,
wenn die Empfängerstaaten vorher erklären: Wir lassen
die Kontrollen zu, und wir verpflichten uns, die gleiche
Menge an alten Waffen in unseren Beständen zu zerstö-
ren .

Jetzt schreit die Opposition nicht immer nur: „Skan-
dal!“, sondern ich habe Sigmar Gabriel genau für die-
se beiden Vorhaben sehr gelobt . Aber zur Aufgabe einer
Abgeordneten gehört es auch, nach ein paar Monaten zu
prüfen, was von der Ankündigung übriggeblieben ist .
Das habe ich in einem regen Briefwechsel mit dem Bun-
deswirtschaftsministerium getan .

Meine erste Frage lautet: Zeigt nicht die Tatsache,
dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für den
Export von Kleinwaffen erteilt hat, ohne dass von allen
Staaten die entsprechenden Erklärungen vorlagen, dass
die Kleinwaffengrundsätze, die gut sind, nicht einmal das
Papier wert sind, auf dem sie stehen?

Zweitens frage ich mich: Wer soll diese Kontrollen
durchführen? Dafür sind im Bundesamt für Wirtschaft
und Ausfuhrkontrolle gerade einmal zwei Stellen ge-
schaffen worden – glatte zwei Stellen! Und wissen Sie,
wer die Vor-Ort-Kontrollen durchführen soll? Die Bot-
schaftsmitarbeiter, die ja sonst nichts zu tun haben und
die die Waffen anhand ihrer Typen- und Seriennummern
natürlich unterscheiden können .

Wollen Sie uns wirklich erzählen, dass das jetzt die
große Trendwende bei der Endverbleibskontrolle von
Kleinwaffen und bei der Durchsetzung des Prinzips „Neu
für alt“ ist?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Matthias W . Birkwald [DIE LINKE])



Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD):
Rede ID: ID1818408400

Verehrte Kollegin Brugger, selbstverständlich will

ich Ihnen das erklären . Ich gebe zu, dass das derzeitige
Personal nicht ausreichend ist . Aber es ist deshalb nicht
ausreichend, weil aufgrund der erteilten Genehmigun-
gen noch gar nicht geliefert wurde . Ich halte es schon
aus betriebswirtschaftlichen Gründen und aufgrund des
gebotenen sorgsamen Umgangs mit Steuermitteln für
notwendig, dass die Kontrollen erst dann erfolgen und
das Personal erst dann zur Verfügung gestellt wird, wenn
die Ausfuhr tatsächlich erfolgt . Alles andere wäre tat-
sächlich, wie Sie es sagen, Augenwischerei . Wir müssen
kontrollieren, und wir werden kontrollieren .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Meine sehr verehrten Damen, verehrte Kolleginnen
und Kollegen, lassen Sie mich zu meinem Gedankengang
zurückkommen . Unsere international verantwortlich
denkende Regierung – damit meine ich alle Bundesre-
gierungen, ganz egal, wie sie zusammengesetzt sind, also
sowohl die jetzige als auch zukünftige Bundesregierun-

gen – wird die in dieser Legislaturperiode durchgesetz-
ten Verschärfungen der Rüstungsexportkontrollen nicht
mehr ändern . Seit Anfang 2015 sprechen wir viel über die
Rolle Deutschlands in der Welt, über mehr Engagement,
über mehr Verantwortung . Genau dieser Verantwortung
kommen wir mit der Rüstungsexportpolitik unseres Bun-
deswirtschaftsministers nach . Wir alle zusammen wis-
sen ja, dass nicht zuletzt die Signale der Bundesrepublik
Deutschland, die unser Bundeswirtschaftsminister setzt,
in Europa gehört werden und weitere Kreise ziehen wer-
den .

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und einen
Kommentar aus der gestrigen Ausgabe des Tagesspiegels
wiedergeben, in dem ganz klar und deutlich unter der
Überschrift „Strenger wird es nicht mehr“ gefragt wurde,
wie eine Bundesrepublik Deutschland, die international
eine wichtige Rolle zu spielen hat, aussehen würde, wenn
es in Deutschland keine Rüstungsindustrie mehr gäbe,
wenn in Deutschland keine Rüstungsgüter mehr produ-
ziert würden, wenn es keine explizite Rüstungskontrol-
le gäbe und wenn Deutschland als starker Teil Europas
letztendlich auf Indien und die Vereinigten Staaten ange-
wiesen wäre .

Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und
Herren, an dieser Stelle noch einmal zusammenfassen:
Worum geht es wirklich? Um welche Kernbotschaften
geht es hier? Die jetzige Bundesregierung zeichnet sich
durch eine besonders restriktive und transparente Ex-
portkontrolle aus . Mit bloßen Zahlen wie den genannten
kann man kein realistisches Bild zeichnen . Es wurden
Einzelausfuhrgenehmigungen – jetzt ohne die Panzer für
Katar – nur in Höhe von 9,5 Millionen erteilt . Die Klein-
waffengrundsätze sind gut und werden umgesetzt .


(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die werden nicht eingehalten!)


Was Saudi-Arabien betrifft: Der größte Teil der erteilten
Ausfuhrgenehmigungen bezieht sich auf Zulieferungen
für Rüstungsgüter wichtiger europäischer und amerikani-
scher Partner . Insoweit sind sie notwendig und bindend .

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit – verehrte
Frau Präsidentin, ich sehe das Signal, dass ich zum Ende
kommen soll – und wünsche den Kolleginnen und Kolle-
gen, die nunmehr die Gnade haben, für ein paar Tage in
Urlaub zu fahren, einen schönen Urlaub, und den ande-
ren viel Spaß im Wahlkreis . Auch den Zuhörerinnen und
Zuhörern fürs Zuhören herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818408500

Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Barbara

Lanzinger das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1818408600

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kol-

legen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer hier im Deut-

Agnieszka Brugger






(A) (C)



(B) (D)


schen Bundestag! Ich möchte zu Beginn eines festhalten:
Berücksichtigt man alle Gesetze, alle Regelwerke, die
wir haben, stellt man fest, dass die Gesamtthematik, über
die wir jetzt diskutieren, sicher zu den politisch, mensch-
lich und auch emotional schwierigsten im Parlament ge-
hört . Ich glaube, da sind wir uns alle einig . Es bedarf der
Ausgewogenheit und auch der Abwägung zwischen klu-
ger Diplomatie, Verteidigungsbereitschaft und Rüstungs-
exporten . Dass das ohne Verstand gemacht wird, wie Sie
es vorhin sagten, weise ich ganz entschieden zurück .

Wir haben strenge Regeln für Rüstungsexporte – das
wiederhole und verdeutliche ich jetzt –, vor allem für den
Export von Waffen . In jedem Einzelfall wird streng darauf
geachtet, wer welche Güter wann bekommt . Deutschland
hat sich für die Ausfuhr von Rüstungsgütern, und hier
vor allem bei Waffen, mit die strengsten Regeln welt-
weit auferlegt . Diese sind beispielsweise festgehalten im
Grundgesetz, im Kriegswaffenkontrollgesetz, im Außen-
wirtschaftsgesetz und in den „Politischen Grundsätzen
der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern“ aus dem Jahr 2000, die –
das wurde schon erwähnt – von der damaligen rot-grü-
nen Bundesregierung überarbeitet wurden . Letztere
geben ganz klar vor, dass die Rüstungspolitik restriktiv
gestaltet werden soll, dass sie sich aber auch am Sicher-
heitsbedürfnis und den außenpolitischen Interessen der
Bundesregierung zu orientieren habe . Es wird immer der
jeweilige Einzelfall geprüft . Die letztendliche Entschei-
dung trifft der Bundessicherheitsrat . Dieses Gremium der
Bundesregierung ist aus Vertretern des Bundeskanzler-
amts, des Auswärtigen Amts, des Innenministeriums, des
Wirtschaftsministeriums, des Entwicklungsministeri-
ums, des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums und
weiteren zusammengesetzt .

Ich möchte der Ehrlichkeit halber noch erwähnen:
Nachgeordnet spielen natürlich auch wirtschaftspoliti-
sche Interessen eine Rolle . Wir sind auch im Hochtech-
nologiebereich der Wehrtechnik Exportland . Wichtig zu
erwähnen ist auch, dass die Prüfungen bei uns oftmals
länger als ein Jahr dauern und dass bei internationa-
len Rüstungsverträgen teilweise mit dem Label „Ger-
man-free“ geworben wird . Das sind durchaus enorme
Standortnachteile für unsere Industrie .

Auch hier wird ganz deutlich: Die außen- und sicher-
heitspolitische Bewertung möglicher Empfängerländer
hat immer Vorrang . Unter anderem im international
anerkannten Wassenaar-Abkommen ist definiert und
im Außenwirtschaftsgesetz rechtlich festgehalten, was
Rüstungsgüter sind . Rüstungsgüter, wie sie im Rüstungs-
exportbericht aufgeführt werden, sind eben nicht nur
Kriegswaffen, sondern zum Beispiel auch Nachtsichtge-
räte, Feldkrankenhäuser in geschützten Containern, Boo-
te zum Küstenschutz, gepanzerte Fahrzeuge und vieles
mehr .

Das wird auch mit Blick auf den Rüstungsexportbe-
richt deutlich . Es stimmt, dass für Katar auch Einzel-
genehmigungen für Panzer ausgesprochen wurden . Das
muss auf Dauer sicher differenziert betrachtet werden .
Bei genauerer Betrachtung der Liste wird aber auch deut-
lich, dass auch ganz andere Güter exportiert werden und
wurden .

Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Die Lie-
ferungen an Saudi-Arabien umfassen beispielsweise
Fahrgestelle für unbewaffnete Transporter, Lkws und
Geländewagen mit Sonderschutz . Lieferungen an Oman
umfassen unter anderem Teile für Feuerleiteinrichtun-
gen, Lkws, Dekontaminationsausrüstungen, Kommuni-
kationsausrüstungen, Teile für gepanzerte Fahrzeuge .

Wir haben internationale Verpflichtungen und tragen
auch außen- und sicherheitspolitische Verantwortung .
Unsere außen- und sicherheitspolitischen Instrumente
sind vielfältig . Rüstungsexporte sind eines davon . Nur
so können wir in diesem hochsensiblen Bereich unsere
wehrtechnischen Kernkompetenzen und somit Hand-
lungssouveränität bewahren . Das ist wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nur so können wir unsere internationalen Partner inner-
und außerhalb der EU und der NATO befähigen, bei-
spielsweise Grenzen zu sichern und gegen Terrorgruppen
vorzugehen .


(Zuruf der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wir können und wollen unsere Soldatinnen und Soldaten
nicht überallhin schicken .

Niemand macht sich die Entscheidung zu Rüstungs-
exporten leicht . Die Entscheidung muss unter Einbezug
außen- und sicherheitspolitischer Überlegungen immer
sorgfältig abgewogen werden, und das wird getan . Ihr
Antrag wird dem nicht gerecht . Daher lehnen wir ihn ab .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818408700

Für die SPD-Fraktion hat Kollegin Dr . Ute Finckh-

Krämer das Wort .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD):
Rede ID: ID1818408800

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf der
Tribüne! Als letzte Rednerin in der Debatte habe ich die
Chance, das zu benennen, was in der Debatte noch nicht
gesagt worden ist, und aufzuzeigen, wie wir mit diesem
Thema weiter umgehen können .

Noch nicht erwähnt wurde – das ist für die Debatte,
was auf europäischer Ebene geschieht, wichtig –, dass
das Europäische Parlament in einer Resolution vom
17 . Dezember des vergangenen Jahres nicht etwa ver-
langt hat, deutsche Rüstungsexportrichtlinien auf das au-
genblickliche europäische Niveau herunterzufahren, son-
dern – im Gegenteil – verlangt hat, dass auf europäischer
Ebene schärfere Regeln eingeführt werden, dass mehr
Transparenz herrschen soll und eine öffentliche Über-
prüfung durch ein standardisiertes Melde- und Überprü-
fungsverfahren mit detaillierten Angaben zu den erteilten

Barbara Lanzinger






(A) (C)



(B) (D)


Genehmigungen möglich wird . Das ist ein Schritt in die
richtige Richtung,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


und das wäre auch eine Lösung für das Problem, das Herr
Schäuble aus meiner Sicht in der verkehrten Richtung
aufgeführt hat: dass sich nämlich europäische und deut-
sche Grundsätze unterscheiden .

Man hat immer zwei Möglichkeiten: Man kann eigene
Standards senken, oder man kann die europäischen Stan-
dards hochfahren . Ich trete ganz eindeutig für das Zweite
ein . Ich glaube, da habe ich vollen Rückhalt aus meiner
Fraktion und wahrscheinlich auch von denjenigen in der
Unionsfraktion, die sich Sorgen machen, was mittel- und
langfristig aus den Waffen wird, die wir irgendwohin lie-
fern .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben in der SPD-Fraktion mit Sigmar Gabriel
über die Frage diskutiert, ob wir ein Rüstungsexport-
gesetz brauchen . Die Antwort lautete eindeutig Ja . Die
Politischen Grundsätze der Bundesregierung in Geset-
zesform zu fassen, würde sie verbindlicher machen und
würde auch nach außen ein Signal senden, dass wir es
ernst damit meinen . Wir könnten auch zusätzliche Dinge,
die seit langem aus der Zivilgesellschaft, zum Beispiel
aus der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwick-
lung, gefordert werden, darin aufnehmen, zum Beispiel
eine Kopplung von Ausfuhrgenehmigungen – zumindest
für Waffen; vielleicht nicht für alle sonstigen Rüstungs-
güter – an die Unterzeichnung des Arms Trade Treaty .


(Beifall der Abg . Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Das wäre einerseits eine Unterstützung eines abrüstungs-
politischen Anliegens der Bundesregierung, nämlich
dem Arms Trade Treaty mehr Unterzeichnerinnen und
Unterzeichner zu verschaffen, und andererseits wäre es
ein klares und dann nicht mehr im Einzelfall diskutierba-
res Kriterium, ob ein Land diesen Vertrag unterzeichnet
hat oder nicht .

Ein weiterer Punkt, über den – auch mit Sigmar
Gabriel – in der SPD diskutiert wurde, war die Frage,
ob man Kriegswaffenexporte in Drittländer tatsächlich
auch dem Deutschen Bundestag zur Genehmigung vor-
legt . Denn damit hätten wir die Situation, die sich viele
von uns wünschen: Beim Abwägen des Für und Wider
würden nicht nur kurzfristige Überlegungen, sondern
auch mittel- und langfristige Überlegungen – viele
Kriegswaffen haben eine Lebensdauer von 40 Jahren
und mehr – zur Sprache kommen, und das, was etwa die
Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker
zu bestimmten Waffenexporten zu sagen haben, würde
genauso eine Rolle spielen wie das, was die Außen- und
Sicherheitspolitiker dazu sagen .

Insofern möchte ich all denen, die im Augenblick die
Diskussion über Rüstungsexporte führen und zu dieser
Diskussion innerhalb des Parlaments etwas beitragen,
also den kirchlichen Vertreterinnen und Vertretern, den
zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen, zum Bei-

spiel der Aktion Aufschrei, und allen anderen Interessier-
ten, herzlich danken .

Ich danke Ihnen jetzt auch für die Geduld, der letzten
Rednerin in dieser Debatte zuzuhören . Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818408900

Ich schließe die Aussprache .

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 18/8930 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen . Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall . Dann ist die Überweisung
so beschlossen .

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Ener-
gie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Ti-
tel „Waffenexporte in die Golfregion verbieten“ . Der
Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/1674, den Antrag der Fraktion Die Lin-
ke auf Drucksache 18/768 abzulehnen . Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Oppositionsfraktionen angenommen .

Zusatzpunkt 6 . Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Je-
men – Militärische Intervention stoppen – Neue Frie-
densverhandlungen beginnen“. Der Ausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/6145,
den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/5380 abzulehnen . Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion ge-
gen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Frakti-
on Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Ich rufe den Zusatzpunkt 7 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Ge-
setzes zur Änderung des Bundesjagdgesetzes

Drucksache 18/4624

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(10 . Ausschuss)


Drucksache 18/9093

Hierzu liegen ein Änderungsantrag sowie ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 25 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich warte, bis die notwendigen Umgruppierungen ab-
geschlossen worden sind . – Nachdem offensichtlich alle

Dr. Ute Finckh-Krämer






(A) (C)



(B) (D)


einen Platz gefunden haben, bitte ich jetzt um die not-
wendige Aufmerksamkeit .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Rita Stockhofe für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rita Stockhofe (CDU):
Rede ID: ID1818409000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Waidmannsheil, liebe Jägerinnen und Jäger!
Ich stehe hier heute mit einem lachenden und einem wei-
nenden Auge .

Zum lachenden Auge: Mit der Umweltrichtlinie, die
wir heute umsetzen, setzen wir eine Vorgabe um, die
unumstritten und richtig ist . Nach dem Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts zu halbautomatischen Waffen,
die auf der Jagd verwendet werden, haben wir auch hier
dringenden Handlungsbedarf gesehen . Mit diesem Ge-
setz sorgen wir dafür, dass in der anstehenden Drück-
jagdsaison weiterhin halbautomatische Waffen verwen-
det werden dürfen und dass Jäger, die solche Waffen
haben, nicht zu illegalen Waffenbesitzern werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das weinende Auge ist deshalb so traurig, weil wir es
bis heute leider nicht geschafft haben, das Bundesjagd-
gesetz insgesamt zu novellieren – und das, obwohl wir
nach zweieinhalb Jahren einen guten Entwurf vorlegen
konnten . Für diesen Entwurf, dessen Inhalt Bundesmi-
nister Schmidt auf dem Bundesjägertag vorgestellt hat,
hat er viel Zustimmung und Applaus erhalten . Leider hat
uns der Ministerpräsident aus Bayern einen Strich durch
die Rechnung gemacht .


(Burkhard Lischka [SPD]: Hört! Hört! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Was? – Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist unglaublich!)


Die Gründe dafür, seinem eigenen Minister in den Rü-
cken zu fallen, kann ich bis heute nicht nachvollziehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dabei wäre es so wichtig gewesen, die große Novelle auf
den Weg zu bringen:


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bereich „Jägerausbildung und -prüfung“ bei-
spielsweise liegt in der Gesetzgebungskompetenz des
Bundes . Bislang gibt es unterschiedlichste Arten, die
Ausbildung durchzuführen . Das führt dazu, dass ein re-
gelrechter Jagdscheintourismus stattfindet. Dem wollen
wir entgegenwirken . Mit dem Erhalt des Jagdscheines
geht eine große Verantwortung für das Wild und die
Natur auf den Jäger über . Daher ist es richtig, dass wir
gute Prüfungsinhalte brauchen – und auch eine geeignete
Form, diese Inhalte zu vermitteln .

Auch der Einsatz von bleihaltiger Munition muss
bundesweit geregelt werden . Der Bleigehalt muss aus

Verbraucherschutzgründen minimiert werden . In eini-
gen Bundesländern ist der Einsatz bleifreier Munition
bereits vorgeschrieben . Weil die Genauigkeit damit aber
nicht immer gewährleistet ist, widerspricht das dem Tier-
schutz, und deswegen brauchen wir eine bessere Vorge-
hensweise .


(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Dann müssen sie halt besser schießen!)


Der Schießübungsnachweis ist auch ein wichtiger
Punkt . Er muss ebenfalls bundeseinheitlich geregelt
werden . Wenn ein Jäger momentan nämlich bundesweit
jagen will, dann muss er fünf unterschiedliche Schieß-
nachweise mit sich führen . Das ist praxisfremd, und es
ist Aufgabe des Bundes, das zu regeln . Das hat auch das
Verwaltungsgericht Arnsberg entschieden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD]: So ist es!)


Grundsätzlich müssen wir auf Bundesebene handeln,
um ideologische Akteure, die sich zum Teil in den Bun-
desländern tummeln, „einzufangen“ . Bei uns in Nord-
rhein-Westfalen ist aus einem „Landesjagdgesetz“ ein
„Ökologisches Jagdgesetz“ geworden – mit großen Ein-
schnitten ins Eigentumsrecht und in die Bundeskompe-
tenz . Das ist keine leere Behauptung von mir, sondern
in zwei Punkten schon von Gerichten bestätigt worden,
und das haben auch die über 15 000 Demonstranten,
die sich aus über 17 Verbänden des ländlichen Raumes
in Düsseldorf zusammengefunden haben, so gesehen
und entsprechend bemängelt . Mit diesem Ökologischen
Jagdgesetz auf Landesebene ist den Jägern ganz klar ihre
Kompetenz abgesprochen worden, obwohl sie über das
sogenannte Grüne Abitur verfügen .

Umweltminister Remmel, der leider auch für Land-
wirtschaft und Jagd zuständig ist, hat beispielsweise die
Jagd auf den Fuchs eingeschränkt . Wer kann so etwas
verstehen? Die Anzahl der Bodenbrüter ist in den letzten
Jahren dramatisch zurückgegangen, was gerne auf die in-
dustrielle Landwirtschaft geschoben wird . Da aber in der
Zeit die Jagd auf Raubtiere wie Füchse, aber auch Krä-
henvögel stark eingeschränkt wurde, haben deren Beute-
tiere – dazu gehören ganz besonders die Bodenbrüter –
einen schweren Stand, und es droht die Ausrottung . Hier
sind dann wieder die Jäger gefragt, die durch ihre Hege
Maßnahmen treffen, um diese Arten zu schützen . Hierfür
wird kein öffentliches Geld zur Verfügung gestellt, wie
es beispielsweise beim Wolf der Fall ist . Sogar die Jagd-
steuer wollte Minister Remmel wieder einführen . Doch
zum Glück hat in den Landkreisen die Vernunft gesiegt .

Immer wieder wird in Nordrhein-Westfalen gefordert,
dass auch Beauftragte der Behörden in die Reviere ge-
hen und Kontrollen durchführen sollen . Wer sollen diese
Beauftragten denn sein? Die Experten der unterschiedli-
chen Naturschutzvereine, die schon durch Zahlung eines
Beitrages zum Experten werden? Oder legen wir unsere
Natur nicht besser in die Hände von ausgebildeten Fach-
kräften wie unseren Jägern?

Der heute vorgelegte Gesetzentwurf ist ein guter, aber
sehr kleiner Schritt . Die große Novelle muss noch in die-
ser Legislatur kommen .

Vizepräsidentin Petra Pau






(A) (C)



(B) (D)


Waidmannsheil .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Ute Vogt [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halali!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818409100

Das Wort hat die Kollegin Dr . Kirsten Tackmann für

die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818409200

Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Gespräche über die Jagd werden schnell emo-
tional und kontrovers . Das Wild auf dem Teller mögen
ja noch viele Menschen . Aber viel Wild im Wald und
auf dem Acker wird wegen der Schäden in Forst- und
Landwirtschaft schon kritischer gesehen . Die Jägerschaft
wiederum soll zwar für den Wildbraten sorgen und die
Wildschäden minimieren, aber so richtig gemocht und
geliebt wird sie nicht . Vielleicht haben manche noch das
feudale Jagdprivileg im Kopf und unterstellen der heuti-
gen Jägerschaft vorwiegend Trophäenjagd . Oder sie mei-
nen, die Natur werde sich schon selber regulieren . An-
dere wiederum lehnen das Töten von Tieren generell ab .

In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Jägerschaft .
Das sind immerhin 374 000 Jägerinnen und Jäger, Ten-
denz übrigens steigend . Sie sind überwiegend ehren-
amtlich tätig . Unterdessen legen 20 Prozent Frauen die
Prüfung ab . Für sie alle haben wir als Gesetzgeber große
Verantwortung . Ja, die Jägerschaft braucht Rechtssicher-
heit . Aber sie braucht eben auch Rahmenbedingungen,
die gesellschaftlich breit akzeptiert werden .

Für uns Linke gibt es zwei ganz wichtige Grundsätze .
Erstens . Die Jagd darf kein elitäres Hobby einer reichen
Oberschicht sein .


(Beifall bei der LINKEN)


Auch meine Nachbarin und mein Nachbar aus dem Dorf
müssen zur Jagd gehen können, wenn sie denn wollen,
und das Grüne Abitur ablegen können . Zweitens . Jagd
muss dem Gemeinwohl dienen . Dazu gehören die Hege
eines gesunden Wildbestandes und die Begrenzung von
Wildschäden . Aber auch das gesunde Lebensmittel Wild
ist bei vielen willkommen .

Gemessen an diesem Anspruch ist die heute vor-
liegende Änderung des Bundesjagdgesetzes geradezu
winzig . Wie 2013 liegt wieder nur ein Novellchen mit
zwei kleinen Änderungen vor . Zum einen wird eine Re-
gelungslücke zur Umsetzung des geltenden EU-Rechts
für geschützte Arten geschlossen . Das ist nötig und un-
strittig . Zum anderen geht es um eine Klarstellung zu hal-
bautomatischen Waffen . Hier wird die Praxis nicht aus-
geweitet, sondern nur Rechtssicherheit wiederhergestellt .
Dem wird auch die Linke zustimmen .

Das Problem ist, welche Änderungen heute nicht vor-
liegen . Ich weiß nicht, womit Seehofer gedroht hat . Aber
es ist ein Stück aus dem Tollhaus, dass sein Veto längst
überfällige und ausgehandelte Regelungen blockiert . Da-
mit demontiert er übrigens gleich noch seinen eigenen

Bundesagrarminister, der noch im Juni dieses Jahres die
große Novelle angekündigt hatte .

Diese brauchen wir wirklich dringend, zum Beispiel
beim Thema Blei in der Munition . Ja, die Diskussionen
waren schwierig . Ja, das ist vielleicht auch ein Generati-
onenkonflikt. Aber unterdessen sind wir uns doch einig:
Wir brauchen den Ausstieg aus der Bleimunition,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


damit Bleieinträge in die Lebensmittel- und Nahrungs-
kette minimiert werden . Natürlich muss auch die neue
Munition sicher sein . Die Tötungswirkung und Präzision
dürfen auf keinen Fall in Zweifel stehen . Aber die Zwei-
fel dürfen eben auch nicht vorgeschoben sein . Deswegen
sind eine verlässliche Prüfung und Kennzeichnung der
Sicherheit der Munition unerlässlich . Aber auch die Her-
steller sind in der Pflicht, Munition zu liefern, die den
neuen Anforderungen entspricht .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dem Veto aus München sind noch weitere wichtige
Regelungen zum Opfer gefallen, zum Beispiel bundes-
einheitliche Schießübungsnachweise oder die Mindest-
vorgaben für die Jagdprüfung . Selbst die deutliche Auf-
wertung des Ausbildungsfachs „Wildbrethygiene“ ist
erst einmal vom Tisch . Als Tierärztin halte ich das für
eine Katastrophe .

Den Änderungsantrag der Grünen zum Bundeswald-
gesetz unterstützen wir . Ja, wir wollen den Klein- und
Kleinstwaldbesitz stärken . Denn nicht nur bei Äckern
und Wiesen, sondern auch beim Wald ist für uns Lin-
ke eine breite Streuung des Bodeneigentums ein hohes
Gut . Dafür muss aber die forstliche Betreuung gesichert
werden, und sie muss auch finanzierbar bleiben. Es muss
auch weiter staatliche Angebote dafür geben . Eine Klar-
stellung im Bundeswaldgesetz muss kartell- und europa-
rechtliche Sicherheit bringen . Auch hier muss dringend
gehandelt werden . Das sind wir auch den Beschäftigten
in den staatlichen Forstbetrieben schuldig .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zum Schluss noch ein Wort zur Sommerpause: Viel-
leicht gelingt es den Koalitionsfraktionen, sich ein biss-
chen von München zu emanzipieren .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818409300

Das Wort hat die Kollegin Petra Crone für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Crone (SPD):
Rede ID: ID1818409400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie-

be Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir von
den großen Waffen zu den etwas kleineren Waffen . Es

Rita Stockhofe






(A) (C)



(B) (D)


stimmt, was meine Vorrednerinnen gesagt haben: Viele
Jägerinnen und Jäger waren nach dem Urteil des Leip-
ziger Bundesverwaltungsgerichts vom März ziemlich
verunsichert .

40 Jahre lang galt: Jägern war es verboten, die Jagd auf
Wild mit halbautomatischen Waffen auszuüben, die ein
Magazin mit mehr als zwei Patronen aufnehmen können,
unabhängig davon, ob es sich um Schalen-, Haar- oder
Federwild handelte . Das bedeutete im Umkehrschluss:
Halbautomaten mit maximal zwei Patronen im Magazin
waren bisher für die Jagd erlaubt . Übrigens ist klar: Ma-
schinengewehre und Maschinenpistolen als Vollautoma-
ten haben bei der Jagd überhaupt nichts zu suchen . Das
versteht sich von selbst .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann kam das völlig unerwartete Urteil: Sämtliche
Halbautomaten mit wechselbaren Magazinen dürfen
von Jägern nicht einmal besessen werden . Für die Po-
litik hieß das, schnell zu reagieren, um die Hängepar-
tie zu beenden . Das Bundesministerium für Ernährung
und Landwirtschaft und wir Koalitionsfraktionen woll-
ten rasch eine Klarstellung oder – besser – die gültige
Gesetzeslage wiederherstellen . Gut war es, dass wir im
Bundesjagdgesetz eine längst überfällige Gesetzesände-
rung in der Pipeline hatten, und zwar die Anpassung an
die EU-Richtlinie für Umweltstrafrecht . So konnten wir
beides koppeln .

Mit der heute vorliegenden Änderung sind es nun im
parlamentarischen Verfahren insgesamt drei Patronen
geworden, mit denen die Waffen geladen werden dür-
fen . Wir werden dem heute zustimmen . Aber ich möchte
nicht verhehlen, dass ich weiterhin Zweifel an der sachli-
chen und praktischen Notwendigkeit dieser Erweiterung
des Ursprungsgesetzes habe, liebe Kolleginnen und Kol-
legen . Aber ich bin sehr froh, dass die Jägerinnen und
Jäger jetzt, kurz vor der Blattzeit, Klarheit haben .

Wir hatten eigentlich mehr vor . Ich will nun gar nicht
behaupten, dass ich zu Beginn der Verhandlungen zu ei-
ner großen Jagdnovelle vor vielen Monaten am Ende ein
fortschrittliches Bundesjagdgesetz erwartet hätte . Aber
dass wir heute mit leeren Händen hier stehen, das hätte
ich ganz und gar nicht erwartet . Das ist sehr bedauerlich .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht es doch mal!)


Mir war es wichtig, mit dem Gesetz die Qualität der
Jägerausbildung zu stärken . Ich komme aus dem länd-
lichen Raum, aus dem Sauerland in Südwestfalen, und
dort wachsen die jungen Leute mit Natur und Jagd auf .
Sie begleiten früh Eltern, Nachbarn oder Freunde zur
Jagd und machen irgendwann über einen angemessenen
Zeitraum hinweg ihren Jagdschein . Der Bezug zur und
die Kenntnis über die Natur sind stark .

Deshalb sind mir die Kurzausbildungen zum Jagd-
schein innerhalb von 14 Tagen sehr suspekt . Das kann
nicht die gleiche Substanz haben . Daher habe ich eine
verlängerte Ausbildungszeit gefordert, nämlich zehn

Stunden mehr auf insgesamt 130 Stunden . Außerdem
wäre Wildbrethygiene neben der Schießübung das zweite
Sperrfach in der Ausbildung gewesen . Das heißt, wer in
diesem Fach durchfällt, ist durch die ganze Prüfung ge-
fallen . Mit dem Vorschlag wollte ich die Bedeutung und
die sinnvolle Verwendung von Wildfleisch als Lebens-
mittel stärken – mit aller gebotenen Sorgfaltspflicht vom
Aufbruch bis zur Wildwurst .


(Beifall bei der SPD – Dr . Kirsten Tackmann [Die Linke]: Schön wär’s gewesen!)


– Ja .

Apropos Sorgfalt mit Mensch und Umwelt: Nach lan-
gem, zähem Ringen hatten wir auch einen Kompromiss
zur Verwendung von bleifreier Munition bei der Jagd ge-
funden . Die SPD-Fraktion hätte ein Minimierungsgebot
nach Stand der Technik unterstützt . Es war nicht unser
Wunschmodell . Ich hätte lieber ein sachliches Verbot in
ein, zwei Sätzen in § 19 gehabt . Ich erinnere daran: Die
vom Ministerium in Auftrag gegebenen wissenschaftli-
chen Untersuchungen und Gutachten haben doch letzt-
endlich alle Vorurteile gegenüber bleifreier Munition
ausgeräumt . An dieser Stelle frage ich mich auch: Wo
bleibt eigentlich die Innovationsfreude deutscher Muni-
tionshersteller?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja!)


Na gut, die SPD-Fraktion und genauso das Umwelt-
ministerium haben sich in den Verhandlungen sehr stark
bewegt und haben einen Kompromiss zwischen den
Jagd- und Naturschutzverbänden und der Politik gesucht,
sei es bei der Regelung zur bleifreien Munition, sei es bei
der Berücksichtigung des Erhaltungszustandes einer Art
als Kriterium bei der Jagd oder sei es beim Schießnach-
weis . Übrigens: Das waren auch Teile, die von Bayern
gefordert wurden .

Jagd ist auf allen Seiten ein absolut emotionales The-
ma; das muss ich Ihnen ja nicht sagen, liebe Kollegin-
nen und Kollegen . Diese Emotionalität ist richtig klasse,
führt aber auch dazu, dass manchmal sprichwörtlich über
das Ziel hinausgeschossen wird . Das heißt praktisch aber
auch: Der Schuss trifft nicht mehr oder geht nach hinten
los . Und da stehen wir jetzt – ohne große Novelle . Es
reichte ein wildes Aufbäumen aus einem südlichen Bun-
desland, um die Änderungen des Bundesjagdgesetzes
zunichtezumachen . Das ist schade; denn die Jägerinnen
und Jäger wünschen sich einheitliche Standards in der
Fläche .

Diese Novelle wäre nicht der große Sprung gewor-
den – nein, das sicher nicht –, aber sie wäre ein Schritt in
die richtige Richtung gewesen . Ich hoffe, es ist nicht der
letzte Versuch in puncto Bundesjagdgesetz . Das nächste
Mal dann bitte mit mehr Mut und Offenheit und auf der
Höhe der Zeit .


(Beifall der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft liegt letzt-
endlich in den Händen der Jägerinnen und Jäger . Ich

Petra Crone






(A) (C)



(B) (D)


habe in den vergangenen Monaten viele getroffen, die
meine Einschätzung teilen . Jagd und Jäger agieren nicht
im luftleeren Raum, sie sind ein wichtiger Teil unserer
Gesellschaft . Das heißt aber auch: Sie werden sich mit
ihr verändern .

Nun wünsche ich allen einen schönen Sommer und
vor allem den Jägerinnen und Jägern eine schöne Blatt-
zeit .

Ich danke Ihnen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818409500

Der Kollege Harald Ebner hat für die Fraktion Bünd-

nis 90/Die Grünen das Wort .


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818409600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Wir schlagen heute ein weiteres Kapitel
im Buch „Tu nix“ des Bundeslandwirtschaftsministeri-
ums auf . Das hat gute Tradition: Im Februar war in top
agrar zu lesen: „Bundesregierung einigt sich auf Wald-
und Jagdreformen“, aber bis heute legen Sie dazu nichts
vor . Ja glauben Sie denn, es reicht, wenn es in top agrar
steht, und dann braucht es kein Gesetz, Herr Minister?
Der Berg kreißte und gebar eine Maus . Nach zweiein-
halb Jahren Geschiebe und Gezerre gibt es heute statt
der überfälligen Modernisierung des Jagdrechts ein Mi-
ni-Novellchen, das nur Änderungen enthält, die nach
EU-Recht dringend nötig oder einem Gerichtsurteil ge-
schuldet sind . Alles andere hat Ihnen Ihr Chef in Mün-
chen kaputtgemacht, Herr Minister .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Bisschen, das Sie heute vorlegen, ist leider auch
noch inhaltlich schwach . Sie versuchen, Schutzlücken
im Artenschutz mit Stückwerk zu flicken, statt einen
systematischen Schnitt zur Rechtsvereinfachung und
Entbürokratisierung zu machen . Streichen Sie einfach
die geschützten Tiere aus der Liste der jagdbaren Arten .
Tun Sie das – das bringt tatsächlich Rechtssicherheit und
erleichtert Artenschutzmaßnahmen –, statt stets von neu-
em den Konflikt zwischen Naturschutzrecht und der alten
Hegepflicht aus Vornaturschutzzeiten anzuheizen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihre kurzfristig vorgelegte Änderung betreffend die
halbautomatischen Waffen soll Rechtsklarheit schaffen .
Aber faktisch schaffen Sie eine Grauzone . Niemand kann
kontrollieren, ob sich die Jagdausübenden wirklich an die
Begrenzung der Magazinladung auf drei Schuss halten .
Technisch ist jederzeit ein gefährlicher Missbrauch die-
ser Waffen möglich . Deshalb halten wir Ihre Regelung
für falsch, liebe Kollegin Connemann .


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist bei jedem Gesetz so!)


Doch es geht noch schlimmer . Dort, wo wirklich
Handlungsbedarf besteht, legen Sie heute nichts vor . Es
kann doch nicht sein, dass Sie zum Thema Bleimuniti-

on noch immer keine Regelung hinbekommen . Blei ist
hochgiftig und krebserregend . Das BfR rät Schwangeren
und kleinen Kindern davon ab, Wild zu essen, das mit
Bleimunition geschossen wurde . Wir können diese Ge-
fährdung von Mensch und Umwelt nicht weiter hinneh-
men .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mittlerweile ist doch technisch ausgereifte, bleifreie bzw .
bleiarme Munition auf dem Markt verfügbar . Mehrere
Gutachten beweisen, dass auch bleifreie Munition über
eine vergleichbar hohe Sicherheit und Geschosswirk-
samkeit verfügen kann. Also fehlen eine qualifizierte
Beratung der Jagenden beim Umstieg und ein verbindli-
cher Ausstiegsfahrplan, der bei den hiesigen Herstellern
endlich einen Innovationsschub bringen würde, statt alte
Pfründe zu sichern . Aber was macht Minister Schmidt?
Nichts! Laut seinem Referentenentwurf vom Februar
will er mit dem Bleiausstieg noch zwölf Jahre warten .
Warum eigentlich? Das ist Arbeitsverweigerung und nur
noch peinlich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Besonders ärgerlich und skandalös finde ich aber, dass
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,
zum wiederholten Mal die notwendige Hilfestellung für
die Länder im Bundeswaldgesetz verweigern . Sie hatten
in der Plenardebatte im März letzten Jahres versprochen,
schleunigst Abhilfe im Bundeswaldgesetz gegen das un-
sinnige Kartellrechtsverfahren zu schaffen . Wir haben
Ihnen dafür eine Gesetzesänderung vorgeschlagen, wo-
durch die Waldbewirtschaftung nicht auf die reine Roh-
stoffgewinnung durch die Holzernte reduziert wird, wie
es das Kartellamt tut, liebe Kollegin Crone,


(Zuruf der Abg . Petra Crone [SPD])


sondern die Gemeinwohlleistungen der Wälder berück-
sichtigt und bewährte Forststrukturen bewahrt werden .
Und jetzt? Passiert ist noch immer nichts . Der betref-
fende Artikel des geplanten Artikelgesetzes ist Herrn
Seehofer geopfert worden .

Baden-Württemberg steht im Rechtsstreit gegen das
Bundeskartellamt vor dem OLG Düsseldorf . Vielen an-
deren Bundesländern mit ähnlichen Strukturen steht das
Gleiche bevor . Haben Sie eigentlich einmal Ihre Partei-
freunde Kraft, Dreyer und Bouffier gefragt, wie sie sol-
che Aussichten finden? Seit über einem Jahr warten wir
darauf, dass Sie endlich Ihr Versprechen einlösen und die
nötige Klarstellung im Bundeswaldgesetz vornehmen .
Doch statt zu handeln, begehen Sie Wortbruch zulasten
von Ökologie und Ländern . Sie plädieren nun sogar da-
für, eine Gerichtsentscheidung abzuwarten . Sie wollen
also so lange warten, bis es zu spät ist .

Also: Machen Sie endlich Schluss mit der Arbeitsver-
weigerung . Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu,
damit die Bundesländer endlich Rechtssicherheit haben .
Orientieren Sie sich an den Ländern, die ihr Jagdgesetz
modernisiert haben .


(Rita Stockhofe [CDU/CSU]: Die haben auch keine Bodengüter mehr!)


Petra Crone






(A) (C)



(B) (D)


Diese haben es geschafft und sind nicht so hasenfüßig
wie Sie .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818409700

Das Wort hat der Kollege Cajus Caesar für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Cajus Julius Caesar (CDU):
Rede ID: ID1818409800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung
des Bundesjagdgesetzes handeln wir im Sinne der Jäger-
schaft schnell und unbürokratisch .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nicht unbürokratisch!)


Wir müssen aufgrund der Bundesverwaltungsgerichtsur-
teile vom März 2016, die eine jahrzehntelange praxisnahe
Vorgehensweise auf den Kopf stellen, handeln . Dies tun
wir gerne . Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich dem
Minister, dass er schon vorab den Ländern übermittelt
hat, dass wir diese Vorgehensweise anstreben . Mit dem
heutigen Beschluss senden wir im Sinne der Jägerschaft
und der Länder, die die Rahmenbedingungen setzen, die
entsprechende Botschaft aus . Herr Minister, herzlichen
Dank für Ihre Arbeit!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jagd bedeutet Tradition . Aber Jagd ist auch deutlich
mehr . Man muss Respekt vor den Leistungen der über
374 000 Jäger haben . Sie leisten ehrenamtlich Heraus-
ragendes . Zudem gibt es über 1 000 Berufsjäger, die
hauptamtlich tätig sind .

Ich darf an dieser Stelle namens unserer Fraktion auch
dem Präsidenten des Deutschen Jagdverbandes, Hartwig
Fischer, Dank sagen, der mit seinem passionierten Ein-
satz – das darf ich wohl sagen – Gutes voranbringt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Jagd ist auch ein Handwerk . Nicht jeder kann sich
selbst zum Jäger machen . Es bedarf über hundert von
Theoriestunden, und es bedarf natürlich auch der Schu-
lung vor Ort in den Revieren . Das bedeutet, dass man
sechs Teilgebiete beherrschen muss . Das ist eine sehr
anspruchsvolle Prüfung . Jäger tragen hier eine hohe Ver-
antwortung und lernen den Umgang mit der Natur, den
sicheren Umgang mit Waffen, die Lebensweise, das Ver-
halten und die Erkennungsmerkmale der Wildtiere, aber
auch Pflegemaßnahmen für die Lebensräume. Deshalb:
Danke an die Jägerschaft, dass sie ehrenamtlich so viel
für unsere Gesellschaft auf den Weg bringt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte dazu ein Beispiel nennen . Immerhin ist es
so, dass die Jäger im Bereich des Artenschutzes für die
Pflanzungen und Pflege von jährlich etwa 6 000 Kilo-
meter Hecken verantwortlich sind . Das sollte man sich

einmal auf der Zunge zergehen lassen . Das entspricht der
Länge der Chinesischen Mauer . Ich denke, das jährlich
zu leisten, ist schon eine sehr anspruchsvolle Heraus-
forderung, und dies können wir nur mit Wertschätzung
honorieren .

Deshalb sind ideologische Vorgehensweisen wie etwa
in Nordrhein-Westfalen mit dem sogenannten ökolo-
gischen Jagdgesetz, das vom Schreibtisch aus gemacht
worden ist und immer neue Gebote und Verbote, Richt-
linien usw . enthält, abzulehnen, weil man dadurch vor
Ort letztendlich handlungsunfähig wird . Das ist nicht die
richtige Vorgehensweise . Das wollen wir als Union nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollen, dass praxisnah gehandelt wird und dass
sich die Artenvielfalt entwickeln kann . Deshalb ist es gut,
dass die Jäger in Nordrhein-Westfalen mit 80 rollenden
Waldschulen unterwegs sind und in der Umweltbildung
ehrenamtlich Hervorragendes leisten . Das ist doch die
richtige Arbeit . Wir wollen etwas für Umweltbildung tun,
wir wollen die Menschen mitnehmen; wir wollen nicht
Ideologie, sondern wir wollen etwas für die Artenvielfalt
machen . Das ist jedenfalls die Position der Union .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Bärbel Bas [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schön, wenn ihr das wirklich macht!)


Durch die Änderung des Bundesjagdgesetzes sollen
halbautomatische Waffen mit maximal drei Schuss im
Magazin legal bleiben .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Technisch gibt es mehr Möglichkeiten!)


Hierbei wurde nicht nur an das Schießen gedacht, son-
dern auch daran, dass man unter Umständen angefahre-
nes Wild mit dem Fangschuss erlösen muss . Die Jäger
sind somit auch in Bereichen tätig, an die man zunächst
einmal gar nicht denkt . Auch das ist eine Herausforde-
rung . Hier wird Außerordentliches für unsere Gesell-
schaft geleistet . Auch dafür ein herzliches Dankeschön .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Natürlich hätten wir uns mehr vorstellen können . Ich
denke, wir sind nach wie vor auf dem richtigen Weg .
Nicht Bleiverbot, sondern Bleiminimierung, wie es die
Technik zulässt, ist unsere Forderung; denn wer Blei-
verbot fordert, fordert auch, dass die Tötungswirkung
reduziert wird, weil der technische Stand nichts anderes
hergibt .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht!)


Wollen wir das wirklich? Ich meine, wir müssen auch an
diese Dinge denken .

Wir wollen die Zersplitterung durch unterschiedliche
Länderregelungen aufheben . Wir wollen beim Schieß-

Harald Ebner






(A) (C)



(B) (D)


nachweis und bei der Jagd in Schutzgebieten Rahmenbe-
dingungen des Bundes auf den Weg bringen .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ihr macht es nicht! Dann legen Sie doch etwas vor, aber mit qualifiziertem Schießnachweis!)


Ich bin sehr optimistisch, dass wir das schaffen werden .
Jagd trägt zu funktionsfähigen Lebensräumen für Pflan-
ze, Tier und Mensch bei . Die Jagd ist und bleibt unseres
Erachtens angewandter Natur- und Umweltschutz . Ich
glaube, wenn wir die Jagd unter diesem Aspekt betrach-
ten, sind wir auf dem richtigen Weg . Unsere Unterstüt-
zung haben die Jäger . Mit ihnen sind wir bei der Jagd und
beim Natur- und Umweltschutz gut aufgehoben .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818409900

Ich schließe die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
des Bundesjagdgesetzes . Der Ausschuss für Ernährung
und Landwirtschaft empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 18/9093, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/4624 in der Aus-
schussfassung anzunehmen .

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen .
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/9104? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositi-
onsfraktionen abgelehnt .

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen . – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der SPD-Fraktion, der
Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen .

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung . Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben . –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/9105 . Wer stimmt für den Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke ge-
gen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
abgelehnt .

Ich rufe die Zusatzpunkte 8 und 9 auf:

ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur weiteren Fortentwicklung der par-
lamentarischen Kontrolle der Nachrichten-
dienste des Bundes

Drucksache 18/9040

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Christian Ströbele, Dr . Konstantin von Notz,
Irene Mihalic, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine wirksamere Kontrolle der Nachrich-
tendienste

Drucksache 18/8163

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss Digitale Agenda

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist es so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat der Kollege
Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1818410000

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Die beiden Koalitions-
fraktionen legen Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes
zur Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der
Nachrichtendienste des Bundes vor .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu wenig!)


Ich würde sagen: Man kann mit Fug und Recht behaup-
ten, dass es sich nicht nur um ein Gesetz zur Fortentwick-
lung der parlamentarischen Kontrolle handelt, sondern
auch um ein Gesetz zur Verbesserung und zur Stärkung
der parlamentarischen Kontrolle .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wo?)


Was ich persönlich schon etwas bedauerlich finde –
auch das sage ich hier in aller Offenheit –, ist, dass schon
wieder die ersten Pressemitteilungen kursieren, in denen
eine Koalitionsfraktion, die der SPD, dies allein als ihren
Erfolg bezeichnet .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ungeheuerlich!)


Cajus Caesar






(A) (C)



(B) (D)


Ich möchte hier deutlich betonen: Es ist ein gemeinsamer
Erfolg der beiden Koalitionsfraktionen, dass wir Ihnen
heute diesen Gesetzentwurf vorlegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieser Gesetzentwurf wird auch in vollem Umfang
dem gerecht, was wir uns selbst als Deutscher Bundes-
tag in der letzten Legislaturperiode als Aufgabe gegeben
haben . Ich möchte in Erinnerung rufen, was uns der ers-
te NSU-Untersuchungsausschuss als Empfehlungen und
Schlussfolgerungen mit auf den Weg gegeben hat . Ich
zitiere aus dem Schlussbericht des Untersuchungsaus-
schusses . Er gibt klar vor, dass es darum geht, in Zukunft
die Stärkung einer systematischen und strukturellen
Kontrolle der Nachrichtendienste vorzunehmen sowie
die parlamentarische Kontrolle schlagkräftiger zu ma-
chen und eine dauerhafte Kontrolltätigkeit zu ermögli-
chen . Darüber hinaus ist eine der Schlussfolgerungen des
Untersuchungsausschusses, dass es einer ausreichenden
professionellen Personal- und Sachausstattung der parla-
mentarischen Kontrolle bedarf . Ich möchte betonen: Wir
werden diesen Schlussfolgerungen, diesen Empfehlun-
gen zu hundert Prozent gerecht .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der zentrale Bestandteil dieses Gesetzentwurfs ist,
dass wir in Zukunft einen sogenannten Ständigen Be-
vollmächtigten schaffen wollen . Um auch hier allen
Unkenrufen zum Trotz sofort jegliche Spekulation zu
beseitigen: Es geht nicht darum, dass wir hier einen
Geheimdienstbeauftragten schaffen wollen, der als frei-
es Radikal im Universum herumschwirrt . Der Ständige
Bevollmächtigte wird natürlich eng an das Parlamentari-
sche Kontrollgremium angebunden sein . Er ist weisungs-
gebunden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber eigenständig?)


Wir als Parlamentarisches Kontrollgremium geben mit
der Benennung dieses Ständigen Bevollmächtigten nichts
aus der Hand . Ganz im Gegenteil: Wir geben vor, in wel-
chen Bahnen, in welchem Rahmen er sich bewegen soll
und darf . Ich glaube, das ist richtig und auch zielführend .

Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht wichtig, darauf
hinzuweisen, dass der Ständige Bevollmächtigte keine
zusätzlichen Befugnisse erhält . Er erhält keine Befugnis-
se, die über das hinausgehen, was wir als Parlamentari-
sches Kontrollgremium an Befugnissen haben . Auch dies
zu erwähnen, ist, glaube ich, wichtig .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die Aufgabe des Ständigen Bevollmächtigten ist es,
uns als PKGr zu unterstützen . Das ist seine Hauptaufga-
be . Um das klarzumachen: Er soll uns natürlich auch ein
Stück weit entlasten . Ich glaube, wir als Mitglieder des
PKGr müssen uns hier auch ehrlich machen . Jeder von
uns hat noch vielfältige andere Aufgaben als Parlamen-
tarier – hier im Bundestag, in Ausschüssen, in Arbeits-
kreisen; jeder von uns ist auch im Wahlkreis gefordert .
Das Zeitbudget, das für die neun Mitglieder des Parla-
mentarischen Kontrollgremiums für diese sehr wichtige
parlamentarische Aufgabe zur Verfügung steht, ist natur-

gemäß begrenzt . Wir tagen ein- bis zweimal im Monat .
Wir bereiten die Sitzungen natürlich intensiv vor . Ich
möchte für uns alle in Anspruch nehmen – ich sage das
hier auch ganz offen; das gilt über alle Fraktionsgrenzen
hinweg –, dass alle neun Mitglieder im PKGr ihre Aufga-
be sehr ernst nehmen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD])


Trotzdem müssen wir zur Kenntnis nehmen und dies
auch entsprechend artikulieren, dass unsere zeitlichen
Möglichkeiten, unsere Kapazitäten irgendwo begrenzt
sind .


(Zuruf des Abg . Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb finde ich es richtig, dass wir einen Ständigen
Bevollmächtigten ernennen und dass wir ihm auch einen
Leitenden Beamten als Stellvertreter zur Seite stellen .
Wir werden auch für eine deutlich bessere personelle
Ausstattung sorgen . Es werden drei zusätzliche Referate
in der parlamentarischen Kontrolle geschaffen; auch das
ist richtig und sachgerecht .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, da-
mit wird die parlamentarische Kontrolle, die ohnehin
schon gut ist, noch besser . Ich möchte damit auch deut-
lich dem Eindruck entgegentreten, der angesichts der
Vorkommnisse der letzten Jahre entstanden ist; darauf
wird im Nachgang mit Sicherheit noch hingewiesen wer-
den . Wir haben schon eine sehr gute parlamentarische
Kontrolle in Deutschland . Aber auch da gilt der Grund-
satz: Nichts ist so gut, als dass es nicht noch verbessert
werden könnte .

Es bleibt dabei, dass an der uns von der Verfassung
zugeschriebenen wichtigen Bedeutung – Artikel 45d des
Grundgesetzes – nicht gerüttelt wird . Das Parlamenta-
rische Kontrollgremium behält seine zentrale Stellung,
wenn es darum geht, die drei Nachrichtendienste des
Bundes zu kontrollieren .

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, da-
rüber hinaus werden wir noch bestimmte Veränderungen
vornehmen . So werden wir endlich konkrete Regelbei-
spiele für die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung
schaffen . Wir konkretisieren die Vorgaben dahin gehend,
wann uns die Bundesregierung über sogenannte Vorgän-
ge von besonderer Bedeutung informieren muss .

Es wird den Mitgliedern des Parlamentarischen Kon-
trollgremiums ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu den Lie-
genschaften der drei Nachrichtendienste eingeräumt –
natürlich nach vorheriger Anmeldung .

Wir schaffen jetzt endlich auch eine klare Regelung
für den Vorsitz und für den stellvertretenden Vorsitz im
PKGr. Ich finde es richtig, dass wir genauso verfahren
wie alle Ausschüsse im Deutschen Bundestag: dass der
Vorsitz nicht jährlich wechselt, sondern dass der Vorsitz
für die gesamte Legislaturperiode gewählt wird .

Wir schaffen eine längst überfällige Regelung zur
Besserstellung der Hinweisgeber . Hinweisgeber sind

Stephan Mayer (Altötting)







(A) (C)



(B) (D)


in Zukunft nicht mehr verpflichtet, den Dienstweg ein-
zuhalten, sondern sie können sich mit ihren Hinweisen
unmittelbar an das Parlamentarische Kontrollgremium
wenden .


(Zuruf der Abg . Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Ein letzter zentraler Punkt ist, dass wir zukünftig ein-
mal im Jahr eine öffentliche Anhörung durchführen –
auch das ist eine Verbesserung –, nämlich eine Anhörung
der Präsidenten der drei Nachrichtendienste des Bundes
nach amerikanischem Vorbild . Damit wird auch dem Ge-
bot der Transparenz Rechnung getragen . Es gehört natür-
lich zur Wahrheit dazu, dass ein Parlamentarisches Kon-
trollgremium sehr begrenzt ist in seinen Möglichkeiten,
etwas öffentlich zu machen, öffentlich zu tagen . Damit,
dass wir in Zukunft einmal im Jahr öffentlich tagen und
die Präsidenten der drei Nachrichtendienste anhören,
zeigen wir, glaube ich, dass wir dem Transparenzgebot
Rechnung tragen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
komme zum Schluss . Ich möchte noch einmal deutlich
betonen, dass die Nachrichtendienste in Deutschland
hohe Bedeutung haben, dass sie besser sind als ihr Ruf,
dass es falsch ist, hier ein grundlegendes Misstrauen ge-
genüber den Nachrichtendiensten zum Ausdruck zu brin-
gen . Es gab in den letzten Jahren Verfehlungen, es gab
individuelles Versagen von Mitarbeitern, aber ich möchte
wirklich dem Eindruck entgegentreten, dass hier ein ge-
nerelles Misstrauen angebracht ist . Das Gegenteil ist der
Fall . Die über 10 000 Mitarbeiter in den drei Nachrich-
tendiensten des Bundes leisten hervorragende Arbeit für
die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutsch-
land und im Ausland .


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818410100

Herr Kollege Mayer, ich muss jetzt die Interessen des

Kollegen Schuster vertreten . Sie reden auf seine Kosten .


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1818410200

Das möchte ich natürlich beileibe nicht . Deswegen,

Frau Präsidentin, komme ich zum Schluss meiner Rede .

Ich wünsche uns konstruktive und sachliche Beratun-
gen dieses Gesetzentwurfs und freue mich schon auf eine
dann hoffentlich im Herbst stattfindende Beschlussfas-
sung über diesen notwendigen Gesetzentwurf .

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818410300

Das Wort hat der Kollege Dr . André Hahn für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818410400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen

Sie mich für die Linke gleich zu Beginn feststellen: Der
Gesetzentwurf der Koalition wird dem postulierten Ziel

einer effektiveren, vor allem besseren parlamentarischen
Kontrolle der Geheimdienste nicht einmal ansatzweise
gerecht – anders, als Sie es gerade, Kollege Mayer, be-
hauptet haben .


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch gar nicht!)


Wichtige Punkte fehlen, andere sollen zwar Eingang
finden, werden jedoch nur halbherzig geregelt, und in ei-
ner zentralen Frage wird das Parlamentarische Kontroll-
gremium eher geschwächt als gestärkt . Insofern ist der
vorliegende Entwurf schlicht enttäuschend .

Eigentlich wollte ich die Koalition zumindest in ei-
nem Punkt loben,


(Dr . Eva Högl [SPD]: Das tun Sie ruhig!)


weil – wie von der Linken seit langem gefordert – es den
PKGr-Mitgliedern ermöglicht werden sollte, zumindest
den eigenen Fraktionsvorsitzenden über wichtige The-
men aus dem Gremium zu informieren .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stand auch darin!)


Denn ich sitze ja schließlich nicht als Privatperson dort,
sondern als Vertreter meiner Fraktion .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Als Vertreter des Parlaments sitzen Sie dort, nicht als Vertreter der Fraktion!)


In einer dankenswerterweise von netzpolitik .org geleak-
ten Arbeitsfassung der Vorlage der Koalition war auch
genau das enthalten. Im Gesetzentwurf findet sich jetzt
dazu kein Wort mehr .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rausgestrichen!)


Nach allem, was mir bekannt geworden ist, hat sich vor
allem Unionsfraktionschef Kauder gegen eine solche Re-
gelung gesperrt, und die SPD ist wieder einmal einge-
knickt .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialde-
mokraten, so werden Sie aus dem Jammertal von 20 Pro-
zent plus X mit Sicherheit nicht herauskommen .

Eine öffentliche Anhörung der Chefs der drei deut-
schen Geheimdienste im PKGr fordert auch die Linke in
ihrem Gesetzentwurf . Ob diese nun einmal oder zweimal
im Jahr stattfindet, ist für uns eher zweitrangig. Wir wol-
len in diesen Fragen grundsätzlich mehr Öffentlichkeit .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dass sich die Mitarbeiter der Dienste künftig bei
Missständen oder Problemen auch ohne Unterrichtung
ihrer Vorgesetzten an das PKGr wenden können, ist
grundsätzlich zu begrüßen . Wenn deren Name im Zwei-
fel dann aber doch wieder der Bundesregierung bekannt
gegeben werden kann, ist das mit Sicherheit kein wirksa-
mer Whistleblower-Schutz .


(Beifall bei der LINKEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ge Stephan Mayer nau! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wenn es zur Untersuchung notwendig ist!)





(A) (C)


(B) (D)


Eigentlich selbstverständlich, Kollege Binninger, ist
es, dass das PKGr von ihm in Auftrag gegebene Sach-
verständigengutachten an andere Gremien des Bundesta-
ges und auch an Untersuchungsausschüsse der Landtage
weitergeben kann . Hier wird eine bislang vorhandene
Regelungslücke geschlossen .

Völlig in die falsche Richtung geht aber die geplante
Schaffung eines Ständigen Bevollmächtigten des PKGr .
Diese Stelle, samt Personal- und Sachkosten, kostet Mil-
lionen und bringt wenig bis gar nichts .


(Burkhard Lischka [SPD]: Woher wissen Sie das denn?)


Vielmehr besteht die ernsthafte Gefahr, dass besonders
sensible Vorgänge und Akten künftig allein dem Bevoll-
mächtigten vorgelegt werden und nicht mehr den gewähl-
ten Abgeordneten . Damit würde die parlamentarische
Kontrolle nicht unterstützt, sondern letztlich ausgehebelt .


(Beifall bei der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Steht im Gesetz!)


Schließlich fehlen wichtige Punkte: eine Stellvertre-
terregelung für die Mitglieder des PKGr, die Schaffung
der Möglichkeit zur Einsicht in die elektronischen Daten
und Netzwerke der Dienste – nach holländischem Vor-
bild – oder auch die Anfertigung eines Tonbandmitschnit-
tes der gesamten Sitzung des PKGr, um später bei Bedarf
die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben der Ver-
treter von Bundesregierung bzw . Geheimdiensten prüfen
zu können .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nach dem Willen von CDU/CSU und SPD gibt es trotz
erdrückender Mehrheit im Parlament keine Stärkung der
Minderheitsrechte im Kontrollgremium . Im Gegenteil –
wir haben das ja eben von Herrn Mayer gehört –, offen-
bar soll nun eines der ganz wenigen originären und in der
Geschäftsordnung verankerten Rechte der Opposition,
nämlich dass der Vorsitz im PKGr jährlich zwischen der
stärksten regierungstragenden Fraktion und der größten
Oppositionsfraktion wechselt, sogar noch in der laufen-
den Wahlperiode abgeschafft werden . Meine Damen und
Herren, es wäre schlicht unanständig, wenn das umge-
setzt würde, was Herr Mayer hier angekündigt hat .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn die Neuregelung in Artikel 3 des Gesetzentwurfs
so nicht gemeint sein sollte, dann wäre es gut, wenn das
heute noch klargestellt wird .

Natürlich muss das PKGr nicht nur über abgeschlos-
sene, sondern auch über laufende und geplante Aktivitä-
ten der Geheimdienste unterrichtet werden, wie wir es
seit langem fordern. Zu diesem zentralen Punkt findet
sich kein einziges Wort im Gesetzentwurf der Koalition .

Der neue BND-Präsident Kahl hat bei seiner Amtsein-
führung folgenden Satz gesagt: „Geheimer Nachrichten-
dienst und totale Transparenz schließen sich aus .“ Da hat

er wohl den Nagel auf den Kopf getroffen, und genau da-
raus resultiert unsere grundsätzliche Skepsis gegenüber
Geheimdiensten .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, solange es für die Über-
windung dieser Skepsis aber keine parlamentarische
Mehrheit gibt, müssen wir wenigstens versuchen, die
Geheimdienste halbwegs vernünftig zu kontrollieren .
Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalition leistet dazu
keinen Beitrag . Der Antrag der Grünen enthält wie unser
Gesetzentwurf aus dem Jahr 2015 eine Reihe sinnvoller
Punkte . Ich freue mich auf die Ausschussberatung .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818410500

Das Wort hat der Kollege Uli Grötsch für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Uli Grötsch (SPD):
Rede ID: ID1818410600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn ich jetzt jemanden draußen auf der Straße oder
oben auf den Besuchertribünen fragen würde, was das
Parlamentarische Kontrollgremium eigentlich ist, würde
ich als Antwort höchstwahrscheinlich nur ein Achselzu-
cken bekommen . Das wollen wir ändern . Wir wollen,
dass die Menschen von der Arbeit des PKGr erfahren .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Deshalb wird es jährlich öffentliche Anhörungen geben,
in denen die Präsidenten der Nachrichtendienste dem
Gremium Rede und Antwort stehen müssen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird veröffentlicht!)


Beim Bundesnachrichtendienst arbeiten mehr als
6 000 Personen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf die Hälfte kürzen!)


beim Bundesamt für Verfassungsschutz bald 3 000 und
beim Militärischen Abschirmdienst mehr als 1 000 Men-
schen . Das sind zusammen mehr als 10 000 Männer und
Frauen, denen neun Bundestagsabgeordnete gegenüber-
stehen, die wiederum diese 10 000 kontrollieren sollen .
Dass das nicht möglich ist, haben wir im letzten Sommer
im Zusammenhang mit den BND-eigenen Selektoren
leidlich gesehen .

Wir als SPD sind mehr als unzufrieden mit der jetzigen
Situation . So kann es nicht weitergehen . Insofern bin ich
froh, dass wir auf unsere Initiative hin dieses Gesetz auf
den Weg gebracht haben . Eine der wohl wichtigsten Fort-
entwicklungen durch dieses Gesetz ist, dass das PKGr
künftig durch den sogenannten Ständigen Bevollmäch-
tigten, einen nur dem PKGr unterstellten Experten, unter-
stützt wird . Dieser verlängerte Arm des Kontrollgremi-
ums wird die Nachrichtendienste mit seinem personellen

Dr. André Hahn






(A) (C)



(B) (D)


Unterbau auf eine Art und Weise kontrollieren können,
wie es uns Abgeordneten bisher so nicht möglich ist . Im
Gegensatz zu uns Abgeordneten, die noch einen Wahl-
kreis zu betreuen und neben der Tätigkeit im PKGr auch
noch andere Aufgaben und Verpflichtungen in Berlin ha-
ben, ist der Ständige Bevollmächtigte ausschließlich mit
der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste
befasst . Durch die durch dieses Gesetz neu geschaffenen
Strukturen werden wir zukünftig also immer im Bilde
sein und schon frühzeitig als Gesetzgeber eingreifen kön-
nen, wenn wir es für notwendig halten . Bisher war es so,
dass wir den Knall immer erst dann gehört haben, wenn
die Bombe in den Medien schon längst explodiert ist .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht so ein schönes Bild!)


Ein weiterer und der vielleicht für die Dienste und
auch für uns als Parlament wichtigste Aspekt dieses Ge-
setzes ist meiner Meinung nach ein anderer: Wir wollen
die Dienste aus der Grauzone holen . Wir wollen, dass die
Bürgerinnen und Bürger den Nachrichtendiensten wie-
der vollends vertrauen können und nicht immer nur von
skandalösen Vorgängen hören, sondern eben auch davon,
welch enormen Beitrag die Nachrichtendienste für die
Sicherheit unseres Landes leisten .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die Chance haben Sie verpasst!)


Ich weiß aus Besuchen beim Bundesnachrichten-
dienst, wie verunsichert dort viele Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sind, weil die oftmals über Jahre gutgeheiße-
ne Arbeitsweise von Teilen der Politik jetzt infrage ge-
stellt oder kritisiert wird . Ich bin mir sehr sicher, dass es
auch im Interesse der Dienste ist, wenn ihre Arbeit von
einer effizienten parlamentarischen Kontrolle begleitet
wird . „Begleitet“ sage ich sehr bewusst . Ich glaube näm-
lich nicht, dass die parlamentarische Kontrolle der Nach-
richtendienste dazu dient, die Arbeit der Dienste ständig
infrage zu stellen oder gar zu skandalisieren .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Für Skandale sorgen die schon selbst!)


Bereits mit der letzten Reform 2009 wurde ein eigenes
Referat errichtet, das dem PKGr zuarbeitet . Wir haben in
Aufarbeitung der BND-eigenen Erfassung eindrucksvoll
gemerkt, wie wichtig und sinnvoll ein stark aufgestellter
Mitarbeiterstab in der parlamentarischen Kontrolle ist .
Mit der jetzigen Reform bauen wir das Referat personell
nochmals aus . Ich bin froh, dass bereits im Haushalts-
plan 2016 die ersten Stellen dafür vorgesehen sind .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will auch noch auf den eben schon zitierten Satz
des BND-Präsidenten Kahl eingehen . Ich glaube näm-
lich, dass er im Grunde schon Recht hat, wenn er sagt,
dass sich Geheimdienste und totale Transparenz aus-
schließen . Mit diesem Gesetz aber schaffen wir so et-
was wie die Quadratur des Kreises, liebe Kolleginnen
und Kollegen, nämlich bei unseren Nachrichtendiensten
mehr Transparenz und gleichzeitig mehr Effizienz der
parlamentarischen Kontrolle unserer Nachrichtendienste .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die Rede eines Träumers! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu schön, um wahr zu sein!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818410700

Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Ich sehe das Ganze als einen Strategiewech-
sel, Herr Mayer . Das muss ich Ihnen leider einmal sagen .

Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen
haben offenbar die Nase voll von den ständigen Diskus-
sionen und den Veröffentlichungen von Fehlern, Fehlent-
wicklungen und Skandalen . Nun legen sie mitten in der
Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses
und des PKGr zwei Gesetzeswerke vor: das eine ist das
BND-Gesetz, über das wir anschließend beraten, und das
andere ist die Änderung des PKGr-Gesetzes .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Der Gesetzentwurf ist von uns, nicht von der Bundesregierung!)


– Ja, dass Sie als Koalitionsfraktion mit der Bundesregie-
rung etwas zu tun haben, unterstelle ich einmal .

Sie sagen: Wir müssen in die Zukunft schauen . Wir
müssen sehen, dass so etwas nie wieder passiert . Wir
müssen das alles viel besser kontrollieren .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das sehen Sie doch auch so!)


Wenn man diesen Maßstab anlegt an das, was Sie vor-
gelegt haben, dann sieht man ein: Es wird das mitnichten
erfüllt, Ihr Vorschlag zur Stärkung des PKGr ist mager;
es ist völlig unzureichend, weil Sie ganz wesentliche Kri-
tik an der bisherigen Arbeit des PKGr – dies richtet sich
nicht gegen das PKGr selber, sondern gegen die, die das
PKGr informieren, nämlich die Bundesregierung und die
Dienste – völlig außen vor lassen .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Nein!)


Es kann nicht sein, dass Sie in dieses Gesetz eine Rei-
he von Punkten schreiben, die schon lange Praxis sind,
wie das Umlaufverfahren oder dass sich das PKGr mit ei-
nem Vorgang als Vorgang von besonderer Bedeutung nur
beschäftigen muss, wenn es in der Zeitung steht, wenn
es also in den Medien diskutiert wird oder wenn es zum
politischen Skandal geworden ist . Das ist selbstverständ-
liche Praxis . Das muss man dort nicht hineinschreiben .
Denn es werden ja sicherlich Anträge gestellt werden, in
denen das alles steht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie wollen doch die Definition haben!)


Uli Grötsch






(A) (C)



(B) (D)


Das Einzige, das nach der langen Diskussion über ei-
nen Geheimdienstbeauftragten wirklich neu ist, ist, dass
Sie das Amt eines Ständigen Bevollmächtigten einrich-
ten wollen . Hier teile ich die Befürchtung – wir können
sehen, wie es wird – des Kollegen Hahn . Es ist ein von
den Koalitionsfraktionen installierter Bevollmächtigter .
Sie wählen ihn ja, weil Sie die große Mehrheit haben .
Das wird immer so sein . Die Koalitionsfraktionen wer-
den diesen Bevollmächtigten immer wählen können .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Ja, das entscheidet aber der Wähler, ob wir die Mehrheit haben!)


– Ja . – Jetzt stellt sich die Frage: Wie unabhängig ist
er? Sie geben ihm eine Unabhängigkeit auch gegen-
über dem Kontrollgremium . Sie geben ihm eine eigene
Legitimation dadurch, dass er in einem besonderen Akt
vom Bundestagspräsidenten ernannt wird . Sie geben ihm
Eigenständigkeit . Sie geben ihm auch die Oberhoheit
über das jetzt noch stellenmäßig auszuweitende Perso-
nal . – Wir wollen auch mehr Personal . – Er bekommt
eine ungeheuer starke Stellung . Es besteht die Gefahr,
dass die Bundesregierung und die Dienste mit ihm sehr
eng zusammenarbeiten . Er bekommt Informationen, die
wir aber nicht bekommen, weil wir nicht an die Akten
herankommen . Das heißt, das ist auch keine bedeuten-
de Verbesserung . Vielmehr haben wir es auch noch mit
einer Verschlimmbesserung zu tun, wonach in Zukunft
der Vorsitzende nicht mehr aus der Opposition kommen
kann . Es war ein echter Fortschritt – das hat sich meiner
Ansicht nach genauso bewährt wie die übrige Arbeit –,


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wo steht das denn? – Gegenruf des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das hat Herr Mayer gesagt!)


dass das jedes Jahr gewechselt hat und dass auch die Op-
position an der Reihe war . Das war gut und richtig – ob-
wohl ich da leider nie in den Genuss gekommen bin, weil
die Mehrheitsverhältnisse anders waren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt sage ich Ihnen, was der entscheidende Fehler ist .
Der entscheidende Fehler ist, dass Sie überhaupt nicht be-
rücksichtigen, dass die parlamentarische Kontrolle daran
scheitert, dass das Gremium hintergangen wird, falsch in-
formiert wird, unvollständig informiert wird und belogen
wird . Liebe Kollegen von der Union und der SPD, ich
erinnere mich an die Bilder aus dem Sommer 2013 – zum
Teil waren Sie dabei –, nach den Veröffentlichungen von
Edward Snowden . Da saßen – wie eine Ansammlung von
Menschen aus dem Tal der Ahnungslosen – Vertreter der
Bundesregierung und der Dienste und haben Auskunft zu
der Frage gegeben,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Tal der Ahnungslosen“ ist gut!)


die die ganze Republik beschäftigte: Machen Deutsche
auch so etwas, spionieren sie auch befreundete Länder

aus? Da wurde gesagt: Die Frage ist schon eine Unver-
schämtheit;


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


um Freunde kümmern wir uns da nicht . – Die Kanzlerin
hat dann ja noch einen draufgesetzt und gesagt: „Ausspä-
hen unter Freunden – das geht gar nicht .“ Das war die
Situation .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)


Und jetzt? Machen Sie irgendetwas, was in Zukunft
dazu führen kann, dass die Auskünfte richtig sind? Geben
Sie dem Parlamentarischen Kontrollgremium irgendeine
Möglichkeit der Sanktion, wenn es belogen wird? Wenn
ich belogen werde, möchte ich das der Öffentlichkeit
mitteilen können,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


möchte ich sagen können: So geht das nicht, so geht man
mit einem Parlamentarier nicht um, so geht man mit dem
ganzen Parlament nicht um .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso ist es!)


In diesem Bereich machen Sie null, machen Sie über-
haupt nichts . Deshalb wird es die parlamentarische Kon-
trolle der Geheimdienste leider auch in Zukunft unge-
heuer schwer haben . Ich weiß nicht, ob wir da überhaupt
weiterkommen . Solange es keine Sanktionsmöglichkei-
ten gibt – wie etwa die Möglichkeit einer Meldung nach
außen in Form einer Presseerklärung oder einer Mit-
teilung des Gremiums, dass man belogen worden ist –,
kommen wir nicht weiter .

Dazu gehört die Forderung, die der Kollege Hahn
schon gestellt hat und die ich seit zehn Jahren vor mir
hertrage: Um beweisen zu können, dass die Unwahrheit
gesagt worden ist, brauchen wir das Protokoll,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


brauchen wir ein Tonbandprotokoll, um es festzustellen .
Denn heute wissen wir, dass auch der Bundesnachrich-
tendienst tausendfach Freunde und Partner ausgespäht
hat – in Europa, in NATO-Ländern, überall . Wir werden
dazu noch einen Bericht veröffentlichen . Das, was gesagt
wurde, war also falsch .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818410800

Herr Kollege Ströbele, denken Sie an Ihre Redezeit .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Entschuldigung . Letzter Satz .

Wir müssen die Möglichkeit haben, uns das, was bei-
spielsweise im Sommer 2013 gesagt worden ist, auf dem
Tonband anzuhören, damit wir sagen können: Was hatte
das mit der Wirklichkeit zu tun, was hatte das mit der Re-

Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


alität zu tun? Ihr habt uns etwas verschwiegen, ihr habt
uns ausdrücklich belogen, und so geht das nicht . –


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Solange Sie nicht mit uns daran weiterarbeiten, macht die
ganze Arbeit an der Reform des Parlamentarischen Kon-
trollgremiums nur wenig Sinn .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818410900

Vielen Dank . – Nächster Redner ist für die CDU/

CSU-Fraktion der Kollege Clemens Binninger .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1818411000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Ich will vorneweg kurz auf die Reden der Oppositions-
kollegen eingehen, die alle – wie auch ich als Vorsitzen-
der – dem Parlamentarischen Kontrollgremium angehö-
ren .

Kollege Hahn, Sie haben sich darüber echauffiert,
dass jetzt eine Regelung im Gesetzentwurf enthalten ist,
die vorsieht, dass der Vorsitzende des Gremiums und sein
Stellvertreter zukünftig für die ganze Legislatur gewählt
werden . Es steht nirgends, aus welcher Fraktion der Vor-
sitzende kommt .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


Bitte unterstellen Sie uns an dieser Stelle nicht, wir wür-
den die Möglichkeiten der Opposition beschneiden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Beweis können wir sofort antreten, Herr Binninger! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wir haben die Geschäftsordnung!)


– Es scheint Sie ja zu treffen, wenn die Erregung so groß
ist .

Dann haben Sie zum Recht der Information gegenüber
den Fraktionsvorsitzenden gesagt, Sie seien von Ihrer
Fraktion in dieses Gremium entsandt worden, deshalb
müssten Sie Ihre Fraktionsvorsitzenden – bei Ihnen sind
es ja zwei – informieren .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Das stimmt nicht . Sie sind nicht von Ihrer Fraktion ent-
sandt worden .


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber vorgeschlagen worden!)


– „Vorgeschlagen“? Das spielt doch keine Rolle . – Die-
ses Gremium hat eine besondere Stellung und ist deshalb
in der Verfassung genannt, in Artikel 45d .


(Beifall der Abg . Dr . Eva Högl [SPD])


Alle, egal wie stark ihre Fraktion ist, können nur dann
Mitglied dieses Gremiums werden, wenn sie mit Kanz-
lermehrheit in geheimer Wahl vom gesamten Plenum ge-
wählt sind . Das heißt, Sie sind mindestens mit 250 Stim-
men der anderen Fraktionen gewählt worden . Sie dürfen
also nicht behaupten, Sie seien von Ihrer Fraktion ent-
sandt worden . Wir haben eine andere Stellung . Wir ver-
treten das gesamte Haus .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Deshalb haben wir dieses Wahlprinzip . Sie sollten da-
rüber nachdenken, dann merken Sie, dass Ihre Kritik an
dieser Stelle unberechtigt ist .

Jetzt zu Ihnen, Herr Kollege Ströbele . Ich habe den
Antrag der Grünen gelesen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wirklich?)


– Ja, wirklich . – Ich war ein bisschen verwundert, dass
gerade Sie kritisieren, dass wir das Amt eines Ständi-
gen Bevollmächtigten – man könnte sagen: einen stän-
digen Arbeitsstab – zur wirksamen Entlastung schaffen
wollen – derzeit haben wir nur ein Sekretariat, das diese
Aufgabe kaum erfüllen kann –; denn auf Seite 4 Ihres
Antrages schlagen Sie doch genau das vor .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Ja!)


Sind Sie mit der Position der Grünen nicht einverstan-
den, oder wie soll ich Ihren Beitrag verstehen?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir machen nicht alles, was in Ihrem Antrag steht,
aber lassen Sie mich eines deutlich machen: Ich will – da
unterscheiden wir uns bestimmt; das sage ich auch zu den
Kollegen der Linken –, dass wir die Dienste konsequent
und nachhaltig, aber auch objektiv und seriös kontrollie-
ren . Was ich nicht will, ist, dass wir jede Aufgabe mit
einem permanenten Misstrauen, mit einem permanenten
Skandalton auf den Lippen angehen . Nicht durch jede
Kontrolle muss unbedingt ein Fehler gefunden werden,
und nicht jeder Fehler ist ein Skandal .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Es gibt so viele Skandale!)


Wir sind hier nicht der Skandaldurchlauferhitzer, wenn
es um die Dienste geht . Wir kritisieren dort, wo es an-
gebracht ist, aber wir stellen uns auch vor die Dienste .
Genau das muss Sinn und Zweck eines solchen Gremi-
ums sein .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Sie sind das dienstälteste Mitglied, Herr Ströbele,
dann komme, glaube ich, schon ich; so schnell kann es
gehen .


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hans-Christian Ströbele






(A) (C)



(B) (D)


Wir haben im Zuge der letzten Reform 2009 folgende
Instrumente an die Hand bekommen: Wir dürfen die
Nachrichtendienste aufsuchen, wir dürfen die Mitarbei-
ter befragen, wir dürfen uns Akten vorlegen lassen, wir
dürfen einen Ermittlungsbeauftragten einsetzen, und die
Regierung muss uns informieren . Das sind unsere fünf
wesentlichen Befugnisse . Wenn man nüchtern bilanziert,
welche Befugnisse angewendet werden, dann müssen
eigentlich alle zugeben: Wir wenden sie kaum an – Sie
nicht, ich nicht, keines der Mitglieder; denn uns fehlt ein-
fach die Zeit .

Wir hatten uns ein Arbeitsprogramm, das sieben
Aufträge enthält, gegeben, um zu zeigen, dass wir auch
vor Ort sein können . Das Arbeitsprogramm galt für
2014/2015, jetzt haben wir Mitte 2016, aber es ist noch
nicht abgearbeitet, weil wir eben viele andere Aufgaben
haben .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einer fehlt noch!)


– Ihr Arbeitsauftrag fehlt, glaube ich, auch noch .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Akten nicht gekommen sind!)


Diesen Grundmangel zu beheben, finde ich völlig
richtig . Dafür brauchen wir eine vernünftige Personal-
ausstattung . Wir brauchen jemanden, der uns koordinie-
rend zur Seite steht . Dann können wir eine gute, seriöse
Kontrolle gewährleisten .

Wir machen noch mehr; auch das betrifft Punkte, die
Sie gefordert haben . Wenn es um öffentliche Elemente
geht, soll das Gremium nicht nur im Geheimen tagen .
Jetzt wissen wir alle: Nachrichtendienste sind mit sehr
sensiblen Aufgaben betraut, da muss Geheimhaltung
sein . Aber wir haben genau das Element eingeführt, das
gerade von Ihnen, Herr Ströbele, immer gefordert wurde:
Einmal im Jahr, wie in den USA, wird eine öffentliche
Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste des
Bundes durchgeführt .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gut!)


Das ist auch im Gesetzentwurf enthalten .

In der Vergangenheit war es so, dass Beschäftigte der
Dienste, die sich an uns wenden wollten, vorher ihren
Präsidenten darüber informieren mussten . Das haben wir
jetzt gestrichen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie können sich nun direkt an uns wenden .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Ja, aber die Namen werden trotzdem herausgegeben!)


– Moment, die Namen werden nur dann genannt – da-
mit wollen wir falschen Anschuldigungen vorbeugen –,
wenn sie zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich
sind, nur dann .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Das ist entscheidend!)


Das halte ich für eine absolut überzeugende Regelung:


(Beifall bei der SPD)


zunächst Schutz für die Whistleblower, aber wenn es not-
wendig ist, um den Sachverhalt aufzuklären, dann muss
auch jemand zu seiner Kritik stehen können .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Das ist genau der richtige Maßstab, den wir hier gefun-
den haben .

Wir wurden bisher rechtlich daran gehindert – Kollege
Hahn, das wissen Sie doch selber, Sie waren letztes Jahr
Vorsitzender –, unsere Ergebnisse durch Ermittlungs-
beauftragte zum Beispiel dem NSA-Untersuchungsaus-
schuss oder den Landtagsuntersuchungsausschüssen zur
Verfügung zu stellen . Das ging einfach nicht . Wir greifen
diesen Mangel in dem vorliegenden Gesetzentwurf auf
und sagen: Parlamentarische Untersuchungsausschüs-
se und vergleichbare Kontrollgremien dürfen zukünftig
entsprechende Berichte erhalten . Dadurch sorgen wir für
eine Verzahnung zwischen den Parlamenten und den Par-
lamentsgremien .

Ich halte das alles für sehr gute und sinnvolle Lösun-
gen .


(Beifall des Abg . Christian Flisek [SPD])


Ich kann Sie nur ermuntern, unser Gesetzesvorhaben zu
unterstützen . Wir sind auf einem sehr guten Weg hin zu
einer sehr guten parlamentarischen Kontrolle der Diens-
te .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818411100

Vielen Dank . – Als Nächste hat die Kollegin Gabriele

Fograscher, SPD-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Armin Schuster [Weil am Rhein] [CDU/CSU])



Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1818411200

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Eigentlich sollten die Nachrichtendienste des Bundes
ihre Arbeit geräuschlos im Verborgenen, im Geheimen
leisten . Sie geraten in letzter Zeit aber auffällig oft und
negativ in die Schlagzeilen und damit in die öffentliche
und in die politische Diskussion . So war in der letzten
Zeit im Zusammenhang mit dem NSU zu lesen: „Kollek-
tiv versagt“, oder auch: „Fall ‚Corelli‘ bringt Maaßen in
Bedrängnis“ . Und im Zusammenhang mit der NSA war
zu lesen: „BND soll deutschen Diplomaten ausspioniert
haben“, und: „Jetzt sogar 3 600 BND-Selektoren gegen
Freunde“ . Auch wenn der Kollege Grosse-Brömer noch
im Dezember 2013 in der Welt erklärte, zusätzliche Be-
fugnisse brauche das Kontrollgremium nicht,


(Dr . Eva Högl [SPD]: Hört! Hört! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Michael Grosse Clemens Binninger Brömer [CDU/CSU]: Was? Ich habe doch selbst daran mitgearbeitet!)





(A) (C)


(B) (D)


so haben doch die letzten Jahre mehr als deutlich gezeigt,
dass mehr Kontrollmöglichkeiten dringend notwendig
sind .

Bereits 2009 wurde die Kontrolle der Nachrichten-
dienste neu geordnet . Das PKGr wurde gesetzlich mit
mehr Kontrollmöglichkeiten ausgestattet . So muss zum
Beispiel das Gremium jederzeit Zutritt zu den Dienststel-
len erhalten, darf Akten und Dateien einsehen und Aus-
künfte einholen . Das haben wir genutzt, wenn auch viel-
leicht zu wenig, Herr Kollege Binninger . Wir haben zum
Beispiel für den Fall „Corelli“ einen Sonderbeauftragten
eingesetzt . Wir haben die Möglichkeit genutzt, eigene
Untersuchungen durchzuführen . Die Ergebnisse der Un-
tersuchung der BND-eigenen Steuerung werden wir mit
einer Bewertung in Kürze der Öffentlichkeit vorstellen .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818411300

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Ströbele?


Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1818411400

Nein, ich will fortfahren . – Das jahrelange Nichter-

kennen der Morde und Verbrechen des Nationalsozialis-
tischen Untergrunds ist in zwei Untersuchungsausschüs-
sen des Bundes und in Untersuchungsausschüssen der
Länder untersucht worden. Diese haben erhebliche Defi-
zite in den Diensten und bei deren Zusammenarbeit auf-
gezeigt . Deshalb hat der NSU-Untersuchungsausschuss
der 17 . Wahlperiode die Stärkung einer systematischen
und strukturellen Kontrolle gefordert . Dafür bedürfe es
einer ausreichenden und professionellen Personal- und
Sachausstattung .

Diesen Forderungen des NSU-Untersuchungsaus-
schusses und unserem eigenen Anspruch bezüglich einer
effektiven Kontrolle wollen wir mit diesem Gesetzent-
wurf nachkommen . Wir werden das Amt einer oder eines
Ständigen Bevollmächtigten schaffen . Mit einem Mitar-
beiterstab soll er oder sie für eine kontinuierliche, syste-
matische und strukturelle Kontrolle der Dienste sorgen
und das PKGr bei seiner Arbeit unterstützen .

Wichtig ist mir auch, dass die Regelung zu Whistle-
blowern, also Hinweisgebern, neu gefasst wird . Hinweis-
geber aus den Diensten selbst sind sehr wichtig; denn sie
können auf interne Missstände hinweisen . Bisher gab es
nur wenige Informationen aus den Diensten selbst . Das
liegt auch daran, dass bisher Hinweisgeber, die Informa-
tionen an das PKGr geben, gleichzeitig die Leitung des
Dienstes darüber in Kenntnis setzen müssen . Hinweis-
geber mussten mit negativen Folgen rechnen . Das än-
dern wir jetzt . Hinweisgeber sollen sich künftig an das
Kontrollgremium wenden können, ohne die Leitung des
Dienstes oder einen Vorgesetzten informieren zu müssen .
Bei der weiteren Behandlung der Eingabe wird der Name
des Hinweisgebers nicht genannt, weder der Regierung
noch den Diensten gegenüber . Eine Nennung des Infor-
manten wäre nur dann notwendig, wenn das zur Aufklä-
rung des Sachverhalts zwingend erforderlich wäre . Eine
solche Konstellation halte ich für eher unwahrscheinlich .

Sollte das aber doch der Fall sein, so darf der Hinweis-
geber wegen seiner Informationen an das PKGr nicht be-
nachteiligt oder einer Strafverfolgung ausgesetzt werden .
Diese Neuregelung soll Hinweisgeber ermutigen, das
PKGr über interne Missstände zu unterrichten .

Eine weitere Neuerung ist die jährliche öffentliche
Anhörung der Präsidenten der Dienste . Diese Anhörun-
gen gibt es bereits in den USA und in Großbritannien . Sie
haben sich dort bewährt . Damit kann man mehr Transpa-
renz und auch mehr Verständnis für die Arbeit der Diens-
te in der Öffentlichkeit schaffen . Ich begrüße es, wenn
die Arbeit des PKGr mal aus den Kellerräumen des Bun-
destages herauskommt .

Zudem regelt der Gesetzentwurf Details zu Vorsitz
und stellvertretendem Vorsitz, zu Zutrittsrechten der
Mitglieder und des Beauftragten sowie hinsichtlich einer
besseren Zusammenarbeit der Kontrollgremien unterei-
nander .

Funktionierende und effektive Nachrichtendienste
sind für die Sicherheit Deutscher im In- und Ausland un-
verzichtbar . Gerade in der jetzigen Sicherheitslage leis-
ten die Dienste wichtige Arbeit . Dafür ist es notwendig,
dass die Dienste zusammenarbeiten, ihre Erkenntnisse
austauschen . Dabei dürfen sie sich weder in rechtsfreien
Räumen noch in Grauzonen bewegen . Es muss klar sein,
was die Dienste dürfen und was nicht . Klar sein muss
auch, dass ihre Arbeit effektiv kontrolliert wird . Deshalb
gehören das PKGr-Gesetz und das gleich noch zu disku-
tierende BND-Gesetz zusammen .

Einige Vorschläge im Antrag der Grünen sind auch in
unserem Gesetzentwurf zu finden. Aber uns geht der An-
trag der Grünen zu weit . Transparenz ist wichtig, aber sie
darf nicht auf Kosten der Arbeitsfähigkeit gehen .

Der am Mittwoch in sein Amt eingeführte neue
BND-Präsident Kahl betonte, dass er den begonnenen
Kurs der Transparenz fortsetzen wolle . Er fügte hinzu:
Geheime Nachrichtendienste und totale Transparenz
schließen sich aus . – Ich sage: So viel Geheimhaltung
wie nötig, so viel Transparenz wie möglich .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818411500

Sie denken aber auch an die Zeit?


Gabriele Fograscher (SPD):
Rede ID: ID1818411600

Letzter Satz . – Ich wünsche dem neuen BND-Prä-

sidenten viel Erfolg in seinem Amt und hoffe auf gute
Zusammenarbeit . Ich freue mich auf gute Beratungen im
Ausschuss nach der Sommerpause .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818411700

Vielen Dank . – Kollege Ströbele hat um die Gelegen-

heit zu einer Kurzintervention gebeten .

Gabriele Fograscher






(A) (C)



(B) (D)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Danke, Frau Präsidentin, dass Sie es möglich gemacht
haben .

Ich wollte nur an etwas erinnern . – Herr Grosse-
Brömer ist auch wieder hier .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war flüchtig!)


Am Ende der letzten Legislaturperiode wurde ein Papier
vorgelegt, an dem auch Grosse-Brömer mitgearbeitet
hat, wo er allerdings nicht mit allem einverstanden war,
insbesondere nicht mit dem, was Kollege Oppermann
vorgeschlagen hat . Ich wünsche mir manchmal den Kol-
legen Oppermann zurück – allerdings in die Opposition .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Aber ich darf hierbleiben?)


Denn er hat eine ganze Reihe von Forderungen in das Pa-
pier geschrieben, die wir jetzt hier auch stellen, nämlich
dass es Sanktionen bei Falschinformationen und dass es
einen Tonmitschnitt geben muss .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das haben wir doch!)


Das steht alles drin; ich kann es Ihnen zur Verfügung
stellen . Das stammt vom Dezember 2013, da waren Sie
schon in der neuen Koalition . Da ist das verfasst worden .
Daran wollte ich erinnern und Sie auch fragen, ob Sie das
bei Ihren Beratungen im Auge haben . Vielleicht können
wir, wenn wir es gemeinsam beraten, auch dieses Papier,
das unter anderem vom Kollegen Oppermann verfasst
worden ist, zurate ziehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So machen wir es! – Heiterkeit bei der SPD – Christian Flisek [SPD]: Herr Ströbele geht in die Regierung!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818411800

Vielen Dank . – Jetzt hat Kollege Armin Schuster,

CDU/CSU-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1818411900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Vorlage, ob Herr Oppermann in der Opposi-
tion sein soll oder nicht, nehme ich jetzt nicht auf . Aber,
Herr Ströbele, eines stimmt nicht – wir müssen jetzt an-
dauernd Dinge richtigstellen, und Sie wissen es genau –:


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn „andauernd“? Das ist eine Unverschämtheit!)


Sie können natürlich im PKGr beantragen, dass Aussa-
gen der Bundesregierung aufgenommen werden .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Aber nicht die Debatte! Nicht die Fragen!)


Das tun wir auch regelmäßig . Ich weiß gar nicht, was Sie
hier für Behauptungen aufstellen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Regelmäßig?)


Das gehört wahrscheinlich zur Mystifizierung.

Meine Damen und Herren, wir leben zum Glück nicht
in Zeiten von Krieg in Europa . Wir leben aber in Zei-
ten von Krieg im Rest der Welt, in Zeiten von Terror,
von fürchterlichem Terror, und deshalb hat Deutschland
Gegner, vielleicht sogar Feinde . Wenn man zu diesem
Befund gekommen ist, muss man anerkennen, dass die
Leistungen von Inlands- und Auslandsnachrichtendiens-
ten für ein Land eminent wichtig sind .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt niemanden, der das bestreitet! – Gegenruf von der CDU/CSU: Die Linke!)


Die Leistungen der Nachrichtendienste sind umso besser,
je offensiver, je mutiger, je selbstbewusster und entschei-
dungsfreudiger die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
Bundesnachrichtendienstes, des Verfassungsschutzes
und des Militärischen Abschirmdienstes agieren .


(Beifall des Abg . Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Begriff „rechtsstaatlich“ fehlt, Herr Grosse-Brömer!)


Dafür bedanken wir uns auch einmal . Wir bedanken uns
oft beim THW, bei der Bundespolizei sowie beim Zoll –
zu Recht –, aber selten für die Leistungen unserer Nach-
richtendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter,


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Zu Recht! Zu Recht!)


und das möchte ich an dieser Stelle einmal tun .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Eva Högl [SPD] und Burkhard Lischka [SPD])


Und, meine Damen und Herren, wenn wir sie mutig
haben wollen, wenn wir sie entscheidungsfreudig und
selbstbewusst haben wollen,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und rechtsstaatlich, Herr Schuster! Das geht Ihnen nicht über die Lippen!)


dann braucht es Vertrauen in den Rechtsstaat – da stimme
ich Ihnen völlig zu –, und Vertrauen entsteht über Kon-
trolle .

Deshalb, glaube ich, hat dieser Gesetzentwurf, den wir
heute vorlegen, eine eminent wichtige Bedeutung . Wenn
wir Kontrolle vertrauensvoll und partnerschaftlich aus-
üben, also nicht als Ankläger und Richter, sondern so,
wie wir es in der Taskforce gemacht haben, Herr Grötsch
und Herr Ströbele, nämlich als kritisch-konstruktiver
Begleiter, dann optimieren wir unsere Dienste . Wir opti-
mieren dann auch unsere Gesetzgebung, weil wir selber
bemerken, dass es eventuell rechtsstaatliche Lücken gibt .






(A) (C)



(B) (D)


Deshalb, glaube ich, beschließt die Union heute zu-
sammen mit der SPD einen zweiten verfassungsrechtlich
historischen Schritt nach der Reform 2009, als das PKGr
mit seiner Aufgabe erstmals in die Verfassung kam .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Heute beschließen wir gar nichts! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen haben Sie einen so historischen Debattenplatz ausgesucht!)


Das ist heute keine banale Debatte . Wir machen einen
historischen Schritt, um die Kontrolle zu stärken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meiner Meinung nach gibt es drei Gewinner .

Das sind zum einen die Bürgerinnen und Bürger, die
über öffentliche Anhörungen mehr Transparenz gewin-
nen, die aber vor allen Dingen mehr Sicherheit gewin-
nen, weil wir unsere Nachrichtendienste durch Kontrolle
stärken .

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ge-
winnen natürlich durch dieses Gesetz, weil die Kontroll-
power, die wir jetzt endlich haben, dazu führt, dass die
kritische Auseinandersetzung mit Vorgängen, wie wir sie
jetzt im Bereich der Selektoren erlebt haben, Verbesse-
rungen mit sich bringt . Ich habe als Parlamentarier im
PKGr ein gutes Gefühl, wenn ich meinen Kollegen sagen
kann: Wir haben die Kontrollpower, um für Transparenz
zu sorgen . Um das klar zu sagen: Mir geht heute das Herz
auf . Ich bin kein Oberschlaumeier, aber ich habe nur
zwei Sitzungen im Parlamentarischen Kontrollgremium
gebraucht, um zu kapieren, dass wir dem Auftrag niemals
mit neun Kollegen gerecht werden können . Deswegen ist
das, was wir jetzt im Zusammenhang mit der Personal-
ausstattung tun, einmalig richtig .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Geben Sie uns doch mehr Mitarbeiter! Uns!)


Ich bin sehr, sehr zufrieden . Jetzt erfüllen wir den Auftrag
der Bürger . Jetzt erfüllen wir den Auftrag des Parlaments .

Der dritte Gewinner sind die Nachrichtendienste
selbst . BfV, BND und MAD – darauf werde ich persön-
lich achten – werden nicht darunter leiden, dass jetzt
irgendwelche Chefankläger ins Feld geschickt werden .
Wir werden darauf achten, dass es eine konstruktive, eine
vertrauensvolle und kritische Kontrolle ist . Das wird die
Kommunikation stärken .

Eines darf ich sagen – Herr Grötsch, Herr Ströbele, ich
weiß nicht, ob Sie es bestätigen –: Die Arbeit der Task-
force war durch und durch konstruktiv .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir hatten eine wunderbare Kommunikation mit dem
Bundesnachrichtendienst und mit dem Bundeskanzler-
amt, trotz eines harten Befundes . Das zeigt: Es gibt auch
Kontrolle mit Qualität .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Die jetzt nicht veröffentlicht werden soll! Die man jetzt zu rückhalten will! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veröffentlichen Sie das jetzt!)


Dies sorgt am Ende für Vertrauen .

Die Nachrichtendienste werden immer wieder in ir-
gendwelche Darkrooms gezogen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schuster! Jetzt aber! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Dafür sorgen die schon selber!)


Über die Nachrichtendienste wird immer wieder genör-
gelt, und sie werden kritisiert . Ich wäre sehr, sehr dank-
bar,


(Zuruf des Abg . Dr . André Hahn [DIE LINKE])


wenn die Opposition oder etliche Medienvertreter, die
das tun, einmal einen Vorschlag vorlegen würden, der
zeigt, wie sie es machen würden .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt! – Gegenruf des Abg . Burkhard Lischka [SPD]: Der war aber schlecht!)


Zeitungsschnipsel auszuschneiden – das ist Ihre Vorstel-
lung von Nachrichtendiensten –, erzeugt keine Sicher-
heit . Die einzige Kritik, die man an Helmut Schmidt
üben kann, ist, dass er einmal gesagt hat: Ich lese lieber
Zeitung, als dass ich den BND frage . – Diese Zeiten sind
vorbei . Unsere Nachrichtendienste machen eine klasse
Arbeit . Darin wollen wir sie unterstützen .

Zum Schluss . Ehre, wem Ehre gebührt . Ein kleiner
Gruß an Hartfrid Wolff von der FDP sei mir erlaubt . Er
wäre jetzt, glaube ich, gerne dabei . Danke an die SPD,
dass wir das zusammen machen können . Das Innenres-
sort ist für mich das Ressort mit der stärksten Leistung in
dieser Legislaturperiode .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Also bei der SPD! Bei uns sowieso!)


– Ja, ja . – Ich möchte Clemens Binninger an dieser Stelle
nennen .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818412000

Sie müssen etwas schneller danken, Herr Schuster .


Armin Schuster (CDU):
Rede ID: ID1818412100

Als Vorsitzender des PKGr muss er das vielleicht ma-

chen, aber er ist unermüdlich und mit Geduld an diesem
Thema drangeblieben . Ohne ihn wäre es nicht gegangen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]; Wir haben ein halbes Jahr vorher was vorgelegt!)


Das ist auch als Botschaft an die eigenen Reihen gedacht .
Ich finde, das ist eine klasse Arbeit. Ich bedanke mich.
Ich empfehle Ihnen sehr, diesen Gesetzentwurf einmal zu
lesen . Dann sprechen wir im Ausschuss darüber .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz Armin Schuster [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Herr Schuster!)





(A) (C)


(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818412200

Danke schön . – Ich schließe die Aussprache . Der Kol-

lege Schuster war der letzte Redner zu diesem Tagesord-
nungspunkt .

Es wird aber noch viele weitere Debatten dazu geben;
denn zwischen den Fraktionen wurde vereinbart, die Vor-
lagen auf den Drucksachen 18/9040 und 18/8163 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu über-
weisen . Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist
der Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeauf-
klärung des Bundesnachrichtendienstes

Drucksache 18/9041
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache 38 Minuten vorgesehen . – Ich höre
auch hier keinen Widerspruch .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!)


Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort für die Bundes-
regierung hat Bundesminister Peter Altmaier .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Peter Altmaier, Bundesminister für besondere Auf-
gaben:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten
heute in erster Lesung die bedeutendste und weitrei-
chendste Reform des BND-Gesetzes, die es in den letzten
Jahrzehnten gegeben hat .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Schon wieder? Das haben wir doch eben schon gehört!)


Ich möchte mich vorweg bei allen Fraktionen, liebe
Frau Högl, lieber Burkhard Lischka, lieber Clemens
Binninger, lieber Stephan Mayer, lieber Armin Schuster,
bedanken, die daran mitgewirkt haben,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Opposition?)


aber auch bei den Mitgliedern des PKGr und des
NSA-Untersuchungsausschusses sowie den Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern im Bundeskanzleramt und beim
BND .

Dass der Entwurf gut geworden ist, lieber Konstantin
von Notz, sieht man daran, dass die Oppositionsbänke
weniger als unzureichend gefüllt sind .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie mal auf die Regierungsbank geguckt? – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind besser besetzt als alle anderen!)


Ich habe einmal durchgezählt: Von 127 möglichen Abge-
ordneten sind hier gerade einmal zwölf anwesend . Das
sind weniger als 10 Prozent . So schlecht ist die Arbeit,
die wir Ihnen heute vorlegen, offenbar nicht ausgefallen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen sind es noch weniger! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Solche Äußerungen stehen der Bundesregierung nicht zu!)


Mit dieser Reform erreichen wir mehrere sehr wichti-
ge Ziele . Die Arbeit des BND – das ist heute schon mehr-
fach gesagt worden – war in den vergangenen Jahrzehn-
ten wichtig und ist in den letzten Jahren immer wichtiger
geworden . Ihre Bedeutung wird in den nächsten Jahren
noch weiter zunehmen . Das hängt damit zusammen, dass
der Prozess der Globalisierung, der uns so viele Vorteile
im Hinblick auf Wohlstand und Freiheiten bringt, eben
auch dazu führt, dass die Gewährleistung unserer inneren
und äußeren Sicherheit immer mehr vorverlagert wird,
weil die Bedrohungen, mit denen wir es zu tun haben,
internationaler werden . Für den Bereich des internatio-
nalen Terrorismus kann das jeder nachvollziehen; das gilt
aber auch für den Bereich der Cybersicherheit und vieles
andere mehr . Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir uns als
Regierung und Parlament zu diesem Bundesnachrichten-
dienst bekennen .

Mit dieser Reform schaffen wir eine ordentliche
Rechtsgrundlage für seine wichtige Arbeit . Wir wollen
die Arbeit des BND gerade nicht einschränken . Wir wol-
len sie aber auf eine klare und für jedermann nachvoll-
ziehbare rechtliche Grundlage stellen . Es handelt sich um
die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, also darum,
vom Inland aus ausländische Bürgerinnen und Bürger
im Ausland aufzuklären . Das ist eine der wichtigen Tä-
tigkeiten des Bundesnachrichtendienstes, und mit dieser
Gesetzesvorlage wird Rechtssicherheit geschaffen . Das
ist auch wichtig im Hinblick auf die Diskussionen, die es
in den letzten Monaten dazu gegeben hat .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sorgen in einem zweiten Schritt dafür, dass auch
die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit
anderen Nachrichtendiensten weltweit auf eine hinrei-
chende und gute Grundlage gestellt wird . Auch diese Zu-
sammenarbeit wird immer wichtiger, weil bei der Viel-
zahl und Fülle an Bedrohungen kein Nachrichtendienst
dieser Welt – und mag er noch so große finanzielle und
personelle Ressourcen zur Verfügung haben – für sich al-
leine die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger seines
Landes und die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten,

Armin Schuster (Weil am Rhein)







(A) (C)



(B) (D)


die sich in Auslandseinsätzen befinden, vollumfänglich
gewährleisten kann .

Wir haben zum ersten Mal Vorschriften aufgenom-
men, die die internationale Zusammenarbeit auch durch
eine Regelung zur gemeinsamen Datenhaltung mit aus-
ländischen Stellen stärken . Aber – und das ist ganz ent-
scheidend – die Koalition hat gleichzeitig dafür gesorgt,
dass diese Datenhaltung an klare rechtliche Vorgaben ge-
knüpft wird . Wir haben dafür gesorgt, dass der Zweck der
Datei klar definiert sein muss, dass die Teilnahme- und
Zugriffsrechte eindeutig bestimmt werden müssen und
dass ein rechtsstaatlicher Umgang mit den eingegebe-
nen Daten in allen teilnehmenden Ländern gewährleistet
werden muss . Das ist ein ganz wichtiges Signal dafür,
dass die Arbeit der Nachrichtendienste, vor allen Din-
gen der Auslandsnachrichtendienste, unter besonderen
Bedingungen gestaltet wird, dass sie nicht außerhalb des
rechtlichen Rahmens stattfindet, obwohl vieles von dem
nicht in der Öffentlichkeit im Detail diskutiert werden
kann, und dass wir Wert darauf legen, dass die tragenden
Prinzipien unserer Verfassungs- und Rechtsordnung auch
in der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes Berücksich-
tigung finden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben drittens dafür gesorgt, dass die Arbeit des
Bundesnachrichtendienstes im Hinblick auf die Debat-
ten überprüft worden ist, die es infolge der sogenannten
Snowden-Berichterstattung und im Hinblick auf die Ar-
beit des NSA-Untersuchungsausschusses und des PKGr
gegeben hat . Lassen Sie es mich deutlich sagen, meine
Damen und Herren: Viele der Vorwürfe, die zu Anfang
im Raum standen, sind nach allem, was wir fast drei Jah-
re später wissen, nicht belegt und nicht vertieft worden .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist überhaupt nicht so!)


– Lieber Kollege, Sie machen Ihre Zwischenrufe gerade
auf Kosten meiner Redezeit . Das ist nicht ganz fair .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wird nicht abgezogen! Widerspruch gehört ins Parlament, Herr Minister!)


Wenn ich mir anschaue, mit welchen Vorwürfen der
BND überzogen worden ist,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Zu Recht, Herr Altmaier! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Es ist noch viel schlimmer gekommen!)


bevor die Arbeit des Untersuchungsausschusses begon-
nen hat, und wenn ich sehe, dass wir im Hinblick auf die
Arbeit des Untersuchungsausschusses tatsächlich über
Defizite und Verbesserungsnotwendigkeiten gesprochen
haben, dann, finde ich, ist es wichtig, dass man sagt, dass
es keinerlei Belege dafür gibt, dass der BND an einer an-
lasslosen Massenüberwachung mitgewirkt hat .


(Beifall des Abg . Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU] – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings gibt es die!)


Es gibt auch keinerlei Hinweise dafür, dass der BND sei-
nen gesetzlichen Handlungsspielraum bewusst und sys-
tematisch überschritten hat .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie legalisieren den Massendatenabgriff, Herr Altmaier!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
an dieser Stelle eines gerne sagen: Ich bin als Chef des
Bundeskanzleramtes im Rahmen der Dienst- und Fach-
aufsicht auch derjenige, der in vielen Fällen die Ernen-
nungsurkunden für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter des BND unterzeichnet . Wenn ich mir anschaue, aus
welchen Bereichen die jungen Menschen, die eingestellt
werden, kommen – zum Beispiel aus der Geoinformatik,
der Chemie, der Transplantologie, der Mathematik, den
Asienwissenschaften, der Ostslawistik, der Medizintech-
nik und aus vielen anderen Bereichen –, dann wird klar:
Das sind keine Schlapphüte, wie man sich das früher vor-
gestellt hat, die nur darauf aus sind, irgendwo rechtsfreie
Räume zu entdecken . Diese jungen Menschen sind moti-
viert, der Sicherheit dieses Landes zu dienen,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Fehler liegen im Politischen! Das stimmt!)


und zwar innerhalb der Rechts- und Gesetzesordnung .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte diesen Menschen von dieser Stelle ein herzli-
ches Dankeschön zurufen .

Gleichwohl haben wir gemeinsam mit den beiden
Koalitionsfraktionen dafür gesorgt, dass Konsequenzen
gezogen worden sind . Wir haben die Position des Bun-
deskanzleramtes als Fach- und Dienstaufsicht gestärkt .
Wir haben dafür gesorgt, dass eine unabhängige Über-
wachung bestimmter Maßnahmen durch ein Unabhän-
giges Gremium aus Richtern des Bundesgerichtshofs
und einem Vertreter der Generalbundesanwaltschaft
sichergestellt wird . Wir haben auch dafür gesorgt, dass
Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und
ihre Institutionen einen eindeutigen und besseren Schutz
genießen und dass Wirtschaftsspionage in Zukunft auch
gesetzlich ausgeschlossen ist .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!)


Es gilt der Primat der Politik . Dafür haben wir in den
letzten zwei Jahren die Voraussetzungen geschaffen .
Das BND-Gesetz wird dazu beitragen, dass die Arbeit
des Bundesnachrichtendienstes in einem rechtsstaatlich
einwandfreien Rahmen stattfinden kann, dass der Bun-
desnachrichtendienst gestärkt wird und dass er von der
Politik und der Bundesregierung die Rückendeckung hat,
die er braucht, um seine wichtige Arbeit für unser Land
erfolgreich zu leisten .

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bundesminister Peter Altmaier






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818412300

Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege

Dr . André Hahn für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818412400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach-

dem im NSA-Untersuchungsausschuss nicht zuletzt
durch Aussagen von hochrangigen Verfassungsrechtlern
klar geworden ist, dass der BND in vielen Fragen ohne
adäquate Rechtsgrundlage agiert, die geltenden Bestim-
mungen von der technischen Entwicklung schon lange
überholt sind


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist eine Einzelmeinung!)


und spätestens seit den Enthüllungen von Edward
Snowden den immer weiter ausufernden Begehrlichkei-
ten der Geheimdienste dringend Einhalt geboten wer-
den müsste, gab es keinen Zweifel mehr daran, dass das
BND-Gesetz grundlegend überarbeitet werden muss .

Entscheidend für meine Fraktion, Die Linke, war im-
mer, dass bei aller Notwendigkeit zur Aufklärung von
Gefahren und terroristischen Bedrohungen die Grund-
rechte der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, aber
auch in Europa so gut wie irgend möglich geschützt, of-
fenkundig rechtswidrige Praktiken beim BND abgestellt
und für die Zukunft grundgesetzkonforme Regelungen
geschaffen werden .


(Beifall bei der LINKEN)


Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt nicht eine dieser
drei Kernforderungen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Es ist ja auch gar kein rechtswidriges Verhalten da!)


Er ist deshalb ein Armutszeugnis dieser Bundesregie-
rung .

Am Mittwoch wurde der neue BND-Präsident offi-
ziell in sein Amt eingeführt . Was Kanzleramtsminister
Altmaier aus diesem Anlass in seiner Rede gesagt hat,
war aufschlussreich und entlarvend zugleich . Er nahm
Bezug auf die öffentliche Kritik, dass der BND mit dem
neuen Gesetz trotz der zurückliegenden Pannen und
Skandale nicht enger an die Leine genommen werde, und
erklärte frank und frei – O-Ton Altmaier –: Das war auch
niemals unsere Absicht; denn ein angeleinter Hund kann
seine Aufgaben nicht erfüllen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig, Herr Hahn! Was gibt es denn da zu kritisieren?)


Zuvor war in öffentlichen Stellungnahmen von Vertre-
tern der Koalition, aber auch der Bundesregierung immer
wieder erklärt worden, man wolle dem BND für die Zu-
kunft klare Grenzen setzen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Internationaler Terrorismus!)


Davon ist jetzt keine Rede mehr . Schäuble hat ausrei-
chend gewirkt . Sie haben den Gesetzentwurf von der ers-

ten Fassung bis zum vorliegenden Entwurf grundlegend
geändert .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie kannten doch die erste Fassung gar nicht!)


Das Statement von Herrn Altmaier steht für das ge-
naue Gegenteil: Bloß keine Grenzen, bloß keine Be-
schränkungen! Denn das behindert die Arbeit unseres
Auslandsnachrichtendienstes .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Richtig! Guter Mann!)


Wer sich die Realität so zurückbiegt, der hat die Bot-
schaft der Snowden-Enthüllungen nicht einmal ansatz-
weise verstanden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Flisek [SPD]: Sie haben das Gesetz schon gelesen, oder?)


Ich habe leider nicht so viel Redezeit wie die Koaliti-
onsabgeordneten


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Auch dafür können wir nichts!)


und kann deshalb nur auf einige wenige Kritikpunkte am
vorliegenden Gesetzentwurf eingehen . Im Kern muss
man leider konstatieren: Es ist letztlich das eingetreten,
was wir immer befürchtet haben . Statt dem BND klare
rechtliche Grenzen aufzuzeigen und Grauzonen zu besei-
tigen


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das tun wir! – Christian Flisek [SPD]: Genau das tun wir!)


und dem Auslandsgeheimdienst auch wirkungsvolle Zü-
gel anzulegen, soll nun nachträglich fast alles legitimiert
werden, was sich im NSA-Untersuchungsausschuss als
unzulässig und rechtswidrig, mindestens aber als frag-
würdig herausgestellt hat .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Nein! Klare Rechtsgrundlagen! Ihr habt nichts Rechtliches festgestellt bisher! – Gegenruf des Abg . Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so abwegig, was du sagst!)


Ein derartiges Vorgehen halten wir für völlig indiskuta-
bel .


(Beifall bei der LINKEN)


Die Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung inklusive
personenbezogener Daten soll bei Telefonanbietern und
an Kabeln in Deutschland künftig fast uneingeschränkt
möglich sein . Das Ausspähen von EU-Bürgern, Regie-
rungen befreundeter Staaten, EU-Institutionen und inter-
nationalen Organisationen wird nicht etwa verboten,


(Christian Flisek [SPD]: Sagen Sie mal die Wahrheit!)


sondern unter Verweis auf unklar formulierte Vorausset-
zungen ausdrücklich erlaubt . Bundeskanzlerin Merkel
hat sich mit ihrer Zustimmung zum Gesetzentwurf selbst






(A) (C)



(B) (D)


widersprochen . Spionieren unter Freunden geht künftig
doch und soll nun sogar per Gesetz erlaubt werden .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Genau!)


Die Hürden für das Ausspähen in der EU sind lächer-
lich gering . Es reicht schon – so steht es im Gesetzent-
wurf –, wenn dadurch die Handlungsfähigkeit der Bun-
desrepublik gewahrt werden kann


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das ist aber nicht gering! Jetzt bitte ich Sie aber!)


oder „sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheits-
politischer Bedeutung“ zu gewinnen sind .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wenn das gering ist! Ich bitte Sie!)


„Sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspoliti-
scher Bedeutung“ – darunter kann man alles und nichts
verstehen, und damit kann man jeden Einsatz begründen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Flisek [SPD]: Das ist Ihr Rechtsverständnis!)


Natürlich werden wir einer solchen Regelung nie zustim-
men .

Was Sie auch nicht sagen, ist, dass internationale Or-
ganisationen außerhalb der EU bzw . NGOs künftig wei-
ter als vogelfrei angesehen und vollumfänglich ohne jede
Rechtfertigung abgehört werden können .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist Rechtsverdrehung, keine Rechtsauslegung! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das stimmt doch auch nicht!)


– Aber ja, Herr Binninger . – Es gibt im Gesetzentwurf
keinerlei Einschränkung für die Überwachung von
Nicht-EU-Ausländern . Die Organisation Reporter ohne
Grenzen weist zu Recht darauf hin, dass damit weltweit
auch Journalisten abgehört werden dürfen . Andere deut-
sche Gesetze schließen das ausdrücklich aus . Hier soll
offenbar eine Tür geöffnet werden, um die Pressefreiheit
und den Informantenschutz auszuhebeln . Das ist mit uns
definitiv nicht zu machen, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Abenteuerlich! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist wissentlich falsch, was Sie da erzählen!)


Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, näm-
lich die geplante Bildung eines vermeintlich unabhängi-
gen Richtergremiums, das über die Ausspähung des BND
im EU-Bereich und über Kooperationen mit ausländi-
schen Diensten informiert werden soll und den Einsatz
von Selektoren, also Suchbegriffen, prüfen soll . Damit
wird dem regulären und sogar im Grundgesetz veranker-
ten Kontrollgremium des Bundestages ein wichtiger Be-
reich de facto entzogen und nach Karlsruhe ausgelagert .


(Burkhard Lischka [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Genau so ist es!)


Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, sucht sich die
Bundesregierung ihre Kontrolleure dann auch noch
selbst aus . Dreister geht es wirklich kaum .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sollte es in den Ausschussberatungen nicht noch
grundlegende Korrekturen geben, dann können und wer-
den wir als Linke diesem Gesetzentwurf selbstverständ-
lich nicht zustimmen .


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ihr stimmt doch nie zu!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818412500

Vielen Dank . – Als Nächste spricht Dr . Eva Högl für

die SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Rück mal ein paar Dinge zurecht!)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1818412600

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber
Herr Hahn, wir hätten nicht damit gerechnet, dass Sie
zustimmen . Dass muss ich so ehrlich sagen .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Sie hätten sich ja bemühen können!)


Aber es geht doch eine Nummer kleiner . Dass hier Leute
vogelfrei seien und der Gesetzentwurf völlig unzurei-
chend sei, das muss ich für die Koalition in aller Deut-
lichkeit zurückweisen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist völlig unzureichend!)


Wir legen einen wirklich guten Gesetzentwurf vor .
Das ist eine sehr wichtige und richtige Reform des Bun-
desnachrichtendienstes . Ich möchte zu Beginn ganz deut-
lich sagen: Wir brauchen einen starken Bundesnachrich-
tendienst .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir brauchen ihn für unsere innere und äußere Sicher-
heit, zur Bekämpfung von Terror und organisierter Kri-
minalität sowie der Verbreitung von Waffen und zum
Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Ausland .
Das will ich ausdrücklich betonen . Die strategische Fern-
meldeaufklärung ist ein wichtiges Frühwarnsystem für
diesen starken Bundesnachrichtendienst; daran gibt es
überhaupt nichts zu deuten und zu kritisieren .

Natürlich haben wir Reformbedarf . Das haben wir
erkannt . Deshalb haben wir diese Gesetzesänderung auf
den Weg gebracht . Ich möchte Ihnen die Eckpunkte nen-
nen . Dann werden Sie sehen, dass Sie mit Ihrer Bewer-
tung dieses Gesetzentwurfes komplett falschliegen .

Wir haben im NSA-Untersuchungsausschuss feststel-
len müssen, dass die gesetzlichen Grundlagen der stra-

Dr. André Hahn






(A) (C)



(B) (D)


tegischen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom
Inland aus völlig unklar sind .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! So würde man es sagen können!)


Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen: Sie basieren auf
überhaupt keiner gesetzlichen Grundlage . § 1 Absatz 2
wurde als Generalklausel herangezogen . Dass das kei-
ne klare Rechtsgrundlage ist – „keine Rechtsgrundlage“
würde zu weit gehen –, darin sind wir uns, denke ich, in
diesem Haus alle einig .


(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist doch ein Skandal an sich!)


– Liebe Frau Jelpke, das ist vielleicht ein Skandal; aber
er ist im NSA-Untersuchungsausschuss herausgearbeitet
worden und eben Anlass für diese Reform .

Das Herzstück dieser Reform – darüber diskutie-
ren wir heute – ist, dass wir endlich eine klare Rechts-
grundlage schaffen; denn unser Bundesnachrichtendienst
braucht klare Regeln und ist selbstverständlich an die
Grundrechte gebunden . Außerdem hatten wir bisher kei-
ne klaren Regelungen für die Kooperation mit Partner-
diensten . Auch das nehmen wir auf . Wir gehen dies an
und schaffen auch hierfür klare Regelungen .


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Dies ist ein ganz wichtiger Punkt; denn – liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, das möchte ich auch noch einmal
ganz deutlich sagen – eine vernünftige Arbeit des Bun-
desnachrichtendienstes gibt es nur in Kooperation und
im Austausch mit Partnerdiensten . Das ist eine wichtige
Voraussetzung für das Gewinnen von Informationen und
ihre Weiterverarbeitung .

Darüber hinaus schaffen wir klare Voraussetzungen
für die Erhebung von Daten ausländischer Telekomuni-
kation vom Inland aus und für den weiteren Umgang mit
diesen Daten . Auch dies ist ein wichtiger Punkt . Er ent-
spricht überhaupt nicht dem, was Sie eben in Ihrer Rede
formuliert haben .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Sie kennen Ihren eigenen Gesetzentwurf wahrscheinlich nicht!)


– Ich habe ihn mit den Kolleginnen und Kollegen hier
mit erarbeitet . Wir kennen ihn sehr gut, und wir haben
lange darum gerungen, bis zur letzten Minute .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wir werden sehen, was am Ende herauskommt!)


Lieber Herr Hahn, ich will Ihnen sagen: Wir hatten vie-
le Widerstände zu überwinden, um heute, an diesem
Freitag vor der Sommerpause, hier stehen und diesen
Gesetzentwurf in erster Lesung beraten zu können . Das
war nicht immer selbstverständlich in der Zwischenzeit .
Uns ist sehr wichtig, dass wir diese klaren Regelungen
schaffen – ich sage es noch einmal – für die Erhebung
der Daten, für ihre Weiterverarbeitung und für ihre Spei-

cherung . Es wird keinen Datenheuhaufen geben; das ist
sehr wichtig .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich gibt es einen Datenheuhaufen!)


Wichtig ist auch, dass wir Regelungen für die Gleich-
stellung von EU-Bürgerinnen und -Bürgern mit deut-
schen Staatsangehörigen schaffen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das stimmt doch gar nicht!)


Das ist ebenfalls ein ganz wichtiger Punkt dieses Gesetz-
entwurfs . Wir legen großen Wert darauf, dass wir das
jetzt anders regeln .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal was zu den Ausnahmen!)


Ich will außerdem auf die Kritik eingehen: Warum
greifen wir vorweg, warum reformieren wir, ohne die
Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses abzu-
warten?


(Zuruf von der CDU/CSU: Berechtigte Kritik!)


Das hatten Sie angedeutet, Herr Ströbele . Das ist ein
wichtiger Punkt; denn es ist das normale Vorgehen – so
haben wir es beim NSU-Untersuchungsausschuss ge-
macht –, zunächst den Bericht des Untersuchungsaus-
schusses abzuwarten . Wir haben aber festgestellt, dass
es wichtig und notwendig ist, dieses Zwischenergebnis
schon jetzt umzusetzen und eine klare Rechtsgrundla-
ge für die Arbeitsweise des BND zu schaffen . Deshalb
haben wir uns entschieden, diese Reform vorwegzuneh-
men . Wir haben in der Koalition intensiv darüber bera-
ten, wie wir dies tun . Heute legen wir in erster Lesung
ein gutes Ergebnis vor .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will einen durchaus kritischen Punkt ansprechen –
Herr Hahn, Sie haben das schon erwähnt –, das Unab-
hängige Gremium . Wir schaffen ein neues Gremium, das
unabhängige Richtergremium, zur Kontrolle des Bun-
desnachrichtendienstes . Die SPD-Fraktion hätte sich gut
vorstellen können – das sage ich hier ganz deutlich –, das
bestehende G10-Gremium für diese Kontrolle zu nutzen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gehört es hin! Die Mehrheit hätten wir dazu, Frau Högl!)


Es wäre sicherlich adäquat gewesen, ein gut eingespiel-
tes Gremium für diese Kontrolle zu nehmen . Schließlich
sind die Sachverhalte vergleichbar . Nun wird ein neues
Gremium geschaffen; das ist auch gut und richtig . Die
Aufgaben sind etwas Besonderes .

Wo ich für die SPD-Bundestagsfraktion noch Bera-
tungsbedarf in den parlamentarischen Beratungen sehe,
ist die Frage, ob es tatsächlich richtig ist, dass Mitglieder
dieses Gremiums vom Bundeskabinett ernannt werden

Dr. Eva Högl






(A) (C)



(B) (D)


und dass der Arbeitsstab beim Bundesgerichtshof ange-
siedelt ist . Ich denke, es wäre besser, das beim Parlamen-
tarischen Kontrollgremium anzusiedeln . Dieses sollte die
Mitglieder des Unabhängigen Gremiums ernennen . Dort
sollte auch die Geschäftsstelle angesiedelt sein . Dann
hätten wir auch einen guten Rahmen für die Reform des
Parlamentarischen Kontrollgremiums geschaffen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eigentlich den BGH mal gefragt, was er dazu sagt?)


Meine allerletzte Bemerkung . Wir brauchen starke
Nachrichtendienste . Wir legen heute zwei Gesetzentwür-
fe dafür vor, zum einen den Entwurf eines Gesetzes zur
Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums und
zum anderen den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des
Bundesnachrichtendienstes . Das ist eine gute Reform .
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich im Wege der wei-
teren Beratungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, unseren Vorstellungen annäherten


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wenn Sie sich bewegen, können wir darüber reden!)


und wir vielleicht gemeinsam zu guten Regelungen kä-
men .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn Herr Maas eigentlich dazu? Hat er mal nachgefragt? – Gegenruf der Abg . Dr . Eva Högl [SPD]: Herr Maas war damit einverstanden! Er war auch mit dabei!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818412700

Vielen Dank . – Jetzt hat Dr . Konstantin von Notz,

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir vor
zweieinhalb Jahren mit der Arbeit des Untersuchungs-
ausschusses NSA/BND begannen, gab es eine Sach-
verständigenanhörung zur Praxis des Bundesnachrich-
tendienstes bei der Fernmeldeaufklärung . Es war die
einhellige Meinung aller Sachverständigen inklusive des
Sachverständigen der Union, Herrn Professor Papier: Die
Praxis des Bundesnachrichtendienstes ist offenkundig
rechtswidrig . Offenkundig rechtswidrig!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese juristische Bewertung wurde inzwischen x-mal
bestätigt . Viele neue rechtswidrige Details haben wir,
Tankred Schipanski, in den letzten Monaten herausge-
arbeitet: Millionen unkontrollierte Selektoren von BND
und NSA, das heimliche Löschen Zehntausender dieser
Selektoren während des Bundestagswahlkampfs 2013,
Operationen wie „Eikonal“ und „Glotaic“, durch die mil-
liardenfach Daten auf der Glasfaser in Deutschland abge-
griffen wurden, usw . usf . Es ist gut, dass der PUA diesen

Dingen auf den Grund gegangen ist . So entschieden wie
bisher werden wir die nächsten Monate weiter aufklären .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Spätestens heute offenbart sich mit diesem Gesetz-
entwurf in diesem Parlament aber auch Folgendes: Die
Abmoderation der Snowden-Veröffentlichungen durch
den damaligen Chef des Bundeskanzleramtes, Ronald
Pofalla, im Bundestagswahlkampf 2013 war keine Ne-
belkerze . Es war schlicht die Unwahrheit . Die ganze
Nummer damals – die gespielte Unwissenheit der Bun-
desregierung zum Können und Agieren der NSA, die
vorgetragene Unschuld des Bundesnachrichtendienstes,
die Ahnungslosigkeit der Spionageabwehr,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


der erhobene Zeigefinger Richtung USA, das „Abhören
unter Freunden geht gar nicht“ der Bundeskanzlerin,
die Inaussichtstellung des baldigen Abschlusses eines
No-Spy-Abkommens –, das alles und noch viel mehr
entspricht überhaupt nicht der Wirklichkeit . Es war eine
bewusst gefahrene Lügenkampagne .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Weil die Verfassungswidrigkeit der Praktiken des
BND inzwischen amtlich ist, bringen Sie nun diesen
Gesetzentwurf ein . Es gibt akzeptable, sogar anerken-
nenswerte Motive, Herr Minister; das sehe ich genauso .
Dieser Gesetzentwurf ist der Versuch, eine gesetzliche
Grundlage zumindest für Teile der Fernmeldeaufklärung
zu schaffen . Ansatzweise versuchen Sie, unter EU-Mit-
gliedstaaten die Überwachung zumindest teilweise
zurückzufahren . Aber es geht nicht weit genug . Die ei-
gentliche Kernfrage, das eigentliche Kernproblem der
digitalen Gesellschaft ist der Grundrechtsschutz im In-
ternet, hier speziell die Geltung der in Artikel 10 des
Grundgesetzes verankerten Kommunikationsfreiheit auf
der Glasfaser . Genau diesen Schutz verweigern Sie mit
Ihrem Gesetzentwurf, und deswegen springt die Nummer
hier entschieden zu kurz .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie legalisieren die Massenüberwachung und schaffen
ein neues Kontrollgremium; das wurde eben schon an-
gesprochen . Es soll eines der Judikative werden . Nichts
gegen die Richterinnen und Richter des BGH, aber Sie
versuchen ganz bewusst, das Parlament vor die Tür zu
setzen, weil Ihnen die Auseinandersetzungen mit dem
Parlamentarischen Kontrollgremium, Herr Kollege
Binninger, mit der G10-Kommission und mit den Unter-
suchungsausschüssen zu anstrengend, zu unangenehm
und zu skandalanfällig sind . Deshalb schaffen Sie ein-
fach ein neues Gremium . Das ist ein Affront gegen den
Deutschen Bundestag .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dr. Eva Högl






(A) (C)



(B) (D)


Ich kann Ihnen, Frau Högl, nur sehr raten, bei dieser
Selbstverzwergung des Parlaments, die Ihnen hier vorge-
schlagen wird, nicht mitzumachen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Eva Högl [SPD]: Ich habe das ja angesprochen!)


Es gäbe noch viel anzusprechen, aber die Zeit ist be-
grenzt; denn für Ihren historischen Gesetzentwurf haben
Sie hier den letzten Slot vor der Sommerpause gezogen
und ihm ganze 38 Minuten eingeräumt . Das lässt tief bli-
cken .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es kommen noch die zweite und dritte Lesung! Locker bleiben!)


Man kann nur hoffen, dass Sie über die Sommerpause
zur Besinnung kommen . Das gilt im Übrigen auch für
Ihre gestern bekanntgewordene Internetstrategie aus dem
Haus des Innenministers . Das alles ist verfassungsrecht-
lich hochproblematisch und Kraut und Rüben . Darin fügt
sich Ihr Entwurf heute ziemlich nahtlos ein . Sie beheben
nicht die verfassungsrechtlichen Probleme, Sie vertiefen
sie mit diesem Entwurf weiter .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Wir brauchen in diesen schwierigen Zeiten – da bin
ich bei vielen der Vorrednerinnen und Vorredner – eine
kohärente Strategie für Sicherheit und Rechtsstaatlich-
keit im Netz, und wir brauchen einen funktionierenden,
rechtsstaatlich fest verankerten und mit einer glaskla-
ren Rechtsgrundlage ausgestatteten Bundesnachrich-
tendienst . Ich habe vorgestern dem neuen Präsidenten
sehr genau zugehört; mir hat seine ausgewogene Rede
ausgesprochen gut gefallen . Aber ich sage Ihnen allen
hier: Wenn wir ihn in seinem neuen Amt nicht auf einen
Schleudersitz setzen wollen, dann müssen Sie diesen Ge-
setzentwurf massiv nachbessern . Für konstruktive Dis-
kussionen hierüber stehen wir gerne zur Verfügung .

Ganz herzlichen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818412800

Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege

Dr . Patrick Sensburg, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Zehn Minuten zur Richtigstellung! So viele falsche Tatsachenbehauptungen passen gar nicht in eine Rede!)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1818412900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir debattieren heute in erster Lesung die Überarbeitung
des BND-Gesetzes . Zumindest nachrichtendienstlich,
so sagen manche, wäre das der Beginn eines besseren
Deutschlands . So hat es übrigens, lieber Konstantin von

Notz, auch Edward Snowden getwittert, den ihr ja immer
zitiert .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dein russischer Spion!)


Er sagt – ganz anders, als ihr es gerade gesagt habt –,
dieses Gesetz sei ein gutes Gesetz . Ich glaube, es ist ein
gutes Gesetz . Das sieht man, wenn man es von vorne bis
hinten durchliest, was Sie, lieber Kollege Hahn, anschei-
nend gar nicht gemacht haben .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Mehrfach! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sensburg zitiert Snowden!)


Der Bundesnachrichtendienst wird nicht an die Kette
gelegt . Vielmehr werden eindeutige rechtliche Grund-
lagen für seine Tätigkeit im Ausland gesetzlich festge-
schrieben . Es gibt schon in der jetzigen Form des Bun-
desnachrichtendienstgesetzes durch die Eröffnung des
Aufgabenbereiches eine klare Regelung, die wir präzi-
sieren . Ich glaube, im Untersuchungsausschuss zu den
Vorgängen um die NSA ist deutlich geworden, dass eine
Präzisierung notwendig ist .

Das Gesetz ist ein klares Bekenntnis zu der guten Ar-
beit des Bundesnachrichtendienstes .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Gute Arbeit, sagen Sie?)


Es macht aber auch eines ganz besonders deutlich: Der
BND, wie alle Dienste und Behörden, hat sich in dem für
ihn gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu bewegen und
unserem Land zu dienen . Ein Eigenleben wird von den
Kontrollgremien der Parlamente nicht toleriert . Ob sich
schon alle Ableitungen von dem, was wir im NSA-Unter-
suchungsausschuss in den letzten Monaten herausgefun-
den haben, in diesem Gesetz widerspiegeln, müssen wir
in den nächsten Monaten noch genau betrachten . Aber
ich glaube, dass mit diesem Gesetz ein ganz wesentli-
cher Schritt hin zu mehr Klarheit und zu mehr Rechts-
sicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
BND selber geschaffen worden ist . Deswegen bin ich
sehr dankbar, dass wir diesen Gesetzentwurf heute auf
den Weg bringen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Gabriele Fograscher [SPD])


Auch exekutiv wird sich nach dem, was wir in den
letzten Monaten im NSA-Untersuchungsausschuss dis-
kutiert haben, einiges ändern müssen . Gerade mit Blick
auf die Abteilung TA ist das deutlich geworden . Ich glau-
be, dass Dr . Bruno Kahl dafür die Gewähr bietet, den
Bundesnachrichtendienst gut zu führen und die Dinge,
die organisatorisch-exekutiv anzupacken sind, auch an-
zupacken .

Ich möchte an dieser Stelle aber auch Gerhard
Schindler, dem ausgeschiedenen Präsidenten des Bun-
desnachrichtendienstes, für seine Arbeit danken .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Altmaier kannte nicht einmal den Namen!)


Dr. Konstantin von Notz






(A) (C)



(B) (D)


Nach meiner Meinung hat er den Bundesnachrichten-
dienst exzellent geführt . Er hat mit der Transparenzof-
fensive das eingeleitet, was ein Nachrichtendienst heute
im 21. Jahrhundert braucht: Effizienz und Transparenz
gegenüber dem obersten Dienstherrn, aber auch gegen-
über der parlamentarischen Kontrolle . Er hat Versäum-
nisse aus der Vergangenheit beim Bundesnachrichten-
dienst aufgearbeitet und sich auch immer vor den Dienst
gestellt . Ich glaube, dafür gebührt ihm unser Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Genau aus dem, was der NSA-Untersuchungsaus-
schuss herausgefunden und auch deutlich gemacht hat,
ergibt sich jetzt das vorgelegte Gesetz . Das, was die-
sem Gesetz innewohnt, das, was es leistet, ist eine klare
rechtliche Grundlage für das, was der Bundesnachrich-
tendienst bei der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung
macht . Das ist eine ganz entscheidende Schlussfolgerung
aus unserer Arbeit . Deswegen ist es gut, dass wir mit die-
sem Gesetz jetzt die rechtliche Präzisierung dieser Tätig-
keit des Bundesnachrichtendienstes vornehmen .

Aber dass wir Nachrichtendienste brauchen, dass wir
starke Nachrichtendienste brauchen, das muss ich doch
vor dem Hintergrund, dass wir im Parlament regelmäßig
über Daesh und über den Links- und den Rechtsextremis-
mus in Deutschland diskutieren, nicht extra erwähnen .


(Zuruf der Abg . Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Ich glaube, kein vernünftiger Mensch – außer vielleicht
Kollege Hahn, Kollege Ströbele und Frau Jelpke; sie ruft
gerade dazwischen – glaubt doch, dass wir keine Nach-
richtendienste brauchen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja wer sagt das denn?)


Deswegen verstehe ich auch nicht den Zwischenruf des
Kollegen Hahn eben, man sollte die Nachrichtendienste
am liebsten abschaffen . In dieser Situation einer inter-
nationalen Gefährdung und angesichts dessen, was wir
über Links- und Rechtsextremismus wissen, da wollen
Sie Nachrichtendienste abschaffen? Wir brauchen star-
ke Nachrichtendienste, und wir brauchen eine gute par-
lamentarische Kontrolle, und zwar ausgewogen, also in
einer Balance . Genau das schafft dieses Gesetz .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lieber Kollege von Notz, mir scheint, dass Sie sich
mit den Inhalten gar nicht intensiv beschäftigt haben . In
Ihrer ganzen Rede gab es keine Auseinandersetzung mit
den einzelnen Normen dieses Gesetzes .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe fünf Minuten Redezeit! Wenn ich Ihre acht Minuten hätte, könnte ich auch bei Adam und Eva anfangen! Das ist eine Unverschämtheit bei einer Gesamtdebattenzeit von 38 Minuten! Unfassbar!)


Sie haben fünf Minuten Redezeit, lieber Kollege . Wir
haben in unserer Fraktion ein bisschen gerätselt, wie
viele Sekunden es dauern wird, bis das Wort „Skandal“
kommt, wie viele Sekunden es dauern wird, bis Superla-

tive genannt werden . Es waren wenige Sekunden, bis die
Superlative kamen; aber es gab leider keine Inhalte .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dünnbrettbohrerei!)


Wenn wir uns die Inhalte dieses Gesetzentwurfs
anschauen, dann stellen wir fest, dass in den neuen
§§ 6 ff . des BND-Gesetzes eine gute Regelung zur Aus-
land-Ausland-Fernmeldeaufklärung getroffen worden
ist . Wir stellen fest, dass eine gute Regelung in § 13 des
BND-Gesetzes zur Kooperation im Rahmen der Aus-
land-Ausland-Fernmeldeaufklärung getroffen worden
ist, und wir stellen fest, dass etwas Neues, nämlich das
Unabhängige Gremium aus Richtern und Bundesanwäl-
ten, mit diesem Gesetz geschaffen wird . Das ist etwas
Positives . Dass es neben der G 10-Kommission dieses
Unabhängige Gremium gibt, stärkt die Kontrolle . Das ist
etwas Gutes . Ich habe mich selber lange dafür ausgespro-
chen, dass wir das so machen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, vom Parlament weg! Sie vertrauen wahrscheinlich Richtern mehr, als Sie sich selbst vertrauen! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja nach Pullach ziehen!)


Wir waren ja zusammen in Washington . Dort hätte
man lernen können, was in Amerika an Reformen durch-
geführt worden ist . Man hätte mitnehmen können, was
andere schon gemacht haben, um hier etwas zu verbes-
sern . So haben wir es gemacht . Das Unabhängige Gre-
mium ist ein neuer guter Ansatz, von dem ich mir eine
Stärkung der Kontrolle erhoffe .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818413000

Herr Kollege Sensburg, ich muss Sie einmal unter-

brechen . Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Konstantin von Notz?


Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1818413100

Sehr gerne; denn meine Redezeit ist ja schon sehr

knapp geworden .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818413200

Aber die Fragen können auch knapp sein und die Ant-

worten darauf auch .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die ist total knapp . – Herr Kollege Sensburg, viel-
leicht können Sie kurz erläutern, was an einem Gremi-
um, dessen Mitglieder von der Bundesregierung benannt
werden, unabhängig ist?


(Beifall der Abg . Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Dr. Patrick Sensburg






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1818413300


Ganz herzlichen Dank . – Herr Kollege von Notz, ich
hole einmal etwas aus, um Ihnen das deutlich zu machen .
Wir haben in unserem Untersuchungsausschuss – Sie kri-
tisieren ja immer, dass die Bundesregierung mit ihm nicht
zusammenarbeiten würde – inzwischen von der Bundes-
regierung 2 400 Aktenordner mit dezidiertem Material
unserer Behörden erhalten . Wir haben 500 Aktenordner
mit eingestuften Dokumenten – von Vertraulich bis hin
zu Streng Vertraulich .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie viel sind denn gesperrt? – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wie viel haben wir nicht gekriegt?)


Wir haben inzwischen 102 Zeugen gemeinsam in vielen
Sitzungen vernommen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!)


Immer wieder kommen wir an Themen heran, bei denen
wir – Exekutive und parlamentarische Kontrolle – mit-
einander ringen, und dieses Ringen – das zeigt sich fast
in jeder Sitzung – wohnt, glaube ich, der Gewaltentei-
lung – Herr Hahn, damit hatten Sie eben anscheinend ein
Problem; Sie haben Exekutive und Legislative mehrmals
verwechselt – inne .

Wenn wir jetzt neben der G 10-Kommission, neben
dem Parlamentarischen Kontrollgremium, neben der
Möglichkeit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


ein weiteres Gremium einrichten,


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Das die Bundesregierung installiert! – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das bei der Judikative angesiedelt ist!)


das sich intensiv mit den Aspekten beschäftigen kann –
Herr Kollege von Notz, interessiert Sie das noch? –


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja, aber Sie haben weit ausgeholt!)


– sehr schön –, das kontrollieren kann


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sie sind nicht unabhängig!)


und dem Parlamentarischen Kontrollgremium – – Ich
probiere, die Frage zu beantworten . Es ist kaum möglich,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unabhängigkeit war das Stichwort!)


weil der Kollege von Notz immer dazwischenruft .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818413400

Vielleicht könnten der Kollege von Notz und auch alle

anderen daran denken, dass jetzt überwiegend der Herr
Kollege Dr . Patrick Sensburg das Wort hat .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Dann soll er etwas Vernünftiges erzählen!)


Das wäre schön, damit man irgendwann dieses Fra-
ge-Antwort-Spiel beenden könnte .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre auch schön, wenn er die Frage beantworten würde!)



Dr. Patrick Sensburg (CDU):
Rede ID: ID1818413500

Dieses Unabhängige Gremium


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht unabhängig, weil Sie es so nennen!)


berichtet dem Parlamentarischen Kontrollgremium, also
uns, legt Berichte vor . Es geht hier um die klare Verant-
wortung, die bei der Nachrichtendienstkontrolle nicht
ausschließlich dem Parlament aufgebürdet werden kann;
bezüglich der Fach- und Dienstaufsicht hat sie die Bun-
desregierung .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und warum bestimmen wir nicht, wer das ist?)


Dieses Gremium legt dem Parlamentarischen Kontroll-
gremium Berichte vor, sodass wir die klare Verantwor-
tung auch für Sachverhalte, bei denen wir ringen müss-
ten, festmachen können . Deswegen ist es ein Mehrwert .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht unabhängig!)


Ein Satz vielleicht noch: Damit die Richter, die Mit-
glieder des Unabhängigen Gremiums,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist nicht unabhängig!)


arbeiten können, ist es im Wege der demokratischen Le-
gitimierung notwendig, sie zu ernennen .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber vom Parlament, nicht von der Regierung!)


Das kann die Bundesregierung, die wir aufgrund von
Wahlen aus dem Parlament entstehen lassen .


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Staatsrecht I!)


Das Prinzip der demokratischen Legitimierung hier in-
frage zu stellen, finde ich schon etwas unparlamentarisch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich freue mich, wenn wir ein weiteres Gremium ha-
ben, das uns darin unterstützt, die Nachrichtendienste zu
kontrollieren, und dieses Gremium schaffen wir .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwegig!)







(A) (C)



(B) (D)


Wir werden in der jetzt folgenden Beratung des vor-
gelegten Gesetzentwurfs bestimmte Dinge strittig disku-
tieren müssen,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


zum Beispiel, ob wir Regelungen noch vereinfachen
können . Ich sehe in diesem Gesetz etwas, was ich aus
Polizeigesetzen kenne: Ermächtigungsgrundlagen, Stan-
dardmaßnahmen, und dann folgt eine Vielzahl von Rege-
lungen über den Datenschutz, die die Normen über die
Ermächtigungsgrundlagen und die Standardmaßnahmen
fast überwiegt . Ich würde mir wünschen, dass wir auf
lange Sicht – das wird in diesem Gesetz sicherlich nicht
mehr gelingen – eine gesetzliche Trennung von Verfas-
sungsschutz und Bundesnachrichtendienst erreichen; wir
sollten darüber nachdenken . Es muss uns gelingen, klar-
zumachen, dass die Verantwortung für die Dienst- und
Fachaufsicht über die Dienste in erster Linie bei der Bun-
desregierung,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


beim Bundesinnenminister und beim Bundeskanzleramt,
liegt .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Die gucken ja immer weg! Das ist das Problem!)


Es wird uns nicht gelingen, hinter jeden Mitarbeiter der
Nachrichtendienste einen Abgeordneten zu stellen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Deswegen ist im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht
die Kontrolle gut aufgehoben . Wir kontrollieren die Bun-
desregierung, und das muss funktionieren .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber dann muss sie auch die Wahrheit sagen! Das ist wichtig!)


Ein letzter Satz an uns alle . Wenn wir diese Aufgabe
wahrnehmen und gut wahrnehmen, dann muss es auch
so sein, dass wir in der Verantwortung für das Ganze mit
den Dokumenten und Unterlagen, die wir erhalten, sorg-
sam umgehen, dass es keine Durchstechereien gibt


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: In Amerika funktioniert das!)


und dass Bundesregierung und Bundestag Respekt vor-
einander haben .

Ich kann als Vorsitzender des NSA-Untersuchungs-
ausschusses sagen, dass wir im Ausschuss mit unseren
Dokumenten immer ordentlich, immer sorgsam umge-
hen . Ich hoffe, dass das in allen anderen Ausschüssen –
davon gehe ich aus – genauso passiert .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Und bei der Bundesregierung!)


Ich wünsche der Bundesregierung, dass sie mit ihren Ak-
ten genauso sorgsam umgeht, wie wir es machen .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818413600

Vielen Dank . – Letzter Redner zu diesem Tagesord-

nungspunkt ist der Kollege Burkhard Lischka von der
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Burkhard Lischka (SPD):
Rede ID: ID1818413700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach-

dem in der Debatte – ich finde, unnötigerweise – ein paar
Emotionen hochgekocht sind,


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


möchte ich einfach mit ein paar Fakten anfangen .

Wir hatten in diesem Jahr und im letzten Jahr allein
in Europa über 1 000 Tote und Verletzte durch Terror-
anschläge, wir haben täglich Cyberattacken aus dem
Ausland, und wir haben weltweit Krisen, so massiv wie
schon lange nicht mehr . Wir haben internationale Verbre-
chen, organisiert durch einen Milliardenmarkt, der sich
„organisierte Kriminalität“ nennt. Ich finde, das zeigt
schon, dass wir in Deutschland einen schlagkräftigen
Auslandsnachrichtendienst brauchen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlagen soll er nicht!)


Der Bundesnachrichtendienst ist eine wichtige Instituti-
on . Herr Ströbele, ich weiß nicht, wie Ihnen das gegan-
gen ist, aber als ich neu in das Parlamentarische Kon-
trollgremium gekommen bin und drei, vier Sitzungen
mitgemacht habe, habe ich erlebt, wie der Bundesnach-
richtendienst immer wieder um das Leben von deutschen
Geiseln in den Händen von Terroristen und Kriminellen
ringt und kämpft . Da habe ich gesagt: Jawohl, wir brau-
chen diesen Bundesnachrichtendienst. Ich finde, Herr
Ströbele, der BND braucht sich für seine Arbeit wirklich
nicht zu schämen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Er ist eine wichtige Institution für unsere Demokratie, für
unsere Sicherheit . Das soll und das muss auch so bleiben .

Was allerdings nicht bleiben darf, ist, dass er da teil-
weise ein Eigenleben führt, dass da immer wieder Eigen-
mächtigkeiten auffallen, dass es offensichtlich Abteilun-
gen in diesem BND wie die Technische Aufklärung gibt,
die niemandem sagen, was sie eigentlich tun . Und noch
schlimmer: Die werden auch von niemandem gefragt . Ich
finde das unwürdig für einen Nachrichtendienst in einem
demokratischen Rechtsstaat, meine Damen und Herren .

Was auch nicht bleiben darf, ist, dass durch Leicht-
fertigkeiten und Nachlässigkeiten des Bundesnachrich-
tendienstes selbst deutsche Bürger und Unternehmen in

Dr. Patrick Sensburg






(A) (C)



(B) (D)


das Visier ausländischer Nachrichtendienste geraten, mit
denen der BND kooperiert . Das darf nicht sein .


(Beifall bei der SPD – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Oder die eigene Botschaft!)


Es darf erst recht nicht sein, dass dieser BND dann offen-
sichtlich auch nach eigenem Gutdünken andere europäi-
sche Bürger und Institutionen ins Visier nimmt. Ich finde
das geradezu grotesk .

Wir haben in der letzten Sitzungswoche die Debatte
über das Antiterrorgesetz gehabt . Da habe ich gesagt, es
ist eigentlich ein Unding, dass wir hier in Europa noch
nicht einmal eine gemeinsame Datenbank über Syrien-
kämpfer und terroristische Gefährder haben,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das sind die Beispiele, aber ihr macht ganz andere Sachen!)


die den europäischen Sicherheitsbehörden zugänglich
sind, aber dass andersherum genau dieselben Sicherheits-
behörden ihre wertvollen Ressourcen dafür vergeuden,
sich noch untereinander auszuspionieren . Damit muss
Schluss sein, und das machen wir mit diesem Gesetz .


(Beifall bei der SPD)


Wenn man diesen Gesetzentwurf wirklich einmal fair
beurteilt, ist eines doch Geschichte: dass der BND ein-
fach tun und machen kann, was er selbst für richtig hält .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Wir werden es sehen!)


Ich meine, zur Wahrheit, Herr Hahn, gehört doch auch
dazu, dass wir weltweit – bei allen Staaten – so ein regel-
loses Ausspähen haben, dass es keine Vorschriften gibt .
Wir haben doch wirklich auch die groteske Situation,
dass jeder Staat weltweit seine eigenen Bürger vor Spi-
onage schützt, aber für die eigenen Nachrichtendienste
sind die Bürger von anderen Staaten – wie es so schön
heißt – zum Abschuss freigegeben . Da setzen wir klare
Leitplanken .

Ich will das hier nicht alles wiederholen . Aber Regelun-
gen für diesen besonderen Schutz für europäische Bür-
ger, Regierungen und Institutionen werden Sie zurzeit in
keinem europäischen Gesetzblatt finden.


(Dr . Eva Högl [SPD]: Aber bei uns!)


Ein Verbot der Wirtschaftsspionage: Das ist weltweit
einmalig . Auch mit diesem Eigenleben aufzuräumen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt doch gar nicht allgemein!)


dass der Präsident Telekommunikationsmaßnahmen
anordnen muss, dass das Kanzleramt das genehmigen
muss, dass wir hier ein unabhängiges Gremium schaffen,
dass das genehmigen muss, ist ein solches Beispiel . Oder
nehmen Sie Kooperationsvereinbarungen mit ausländi-
schen Nachrichtendiensten: Die müssen dem Parlamen-

tarischen Kontrollgremium vorgelegt werden . Ich kenne
das sonst so nicht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich finde schon, da, wo wirklich ein bisschen im Grau-
bereich und im Verborgenen herumgewurstelt wurde,
stellen wir die Arbeit des BND, seine Befugnisse und
seine Grenzen auf neue Füße . Das alles – ich sage es
noch einmal – suchen Sie in den Gesetzesblättern anderer
Staaten vergeblich . Wir haben das . Das ist kein Geheim-
nis . Das haben wir – da spreche ich uns auch gemeinsam
an – gegen starke Widerstände durchgesetzt .


(Dr . Eva Högl [SPD]: Ja! – Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Von Herrn Schäuble zum Beispiel! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Schäuble eigentlich?)


Deshalb sage ich Ihnen, Herr Hahn, ganz offen: Ich halte
Ihre Politik für kleinlich .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Nennen Sie mir bei der zweiten oder dritten Lesung ein-
mal einen Staat, in dem Sie vergleichbare Regelungen
gefunden haben .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: USA!)


Ich sage Ihnen: Ein klares Nein, das werden Sie erleben .

Sie haben eben auch ganz offen gesagt, worauf Ihre
Kritik eigentlich beruht . Das ist, dass Sie den Bundes-
nachrichtendienst lieber heute als morgen abschaffen
würden .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das ist die eigentliche Triebfeder Ihrer Kritik .

Deshalb reden Sie ja auch ständig davon, dass Te-
lekommunikationsüberwachung – sobald man nur das
Wort in den Mund nimmt – eine Massenausspähung ist .
Das ist es nach diesem Gesetzentwurf nicht mehr .


(Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bezüglich der Metadaten ist es das selbstverständlich!)


Aber wir verzichten auch nicht, Herr von Notz, auf Kom-
munikationsüberwachung, weil wir nun einmal in einer
Zeit leben, in der Terroristen und Kriminelle nicht mehr
Brieftauben nutzen, sondern jeden Tag ihr Handy wech-
seln .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Solche Netzwerke müssen Sie auch überwachen . Aber
wir stellen das auf neue Füße und entstauben diesen
Dienst .


(Dr . André Hahn [DIE LINKE]: Auf tönerne Füße!)


Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn alle anderen Staa-
ten unserem Beispiel folgen würden, dann wäre das der

Burkhard Lischka






(A) (C)



(B) (D)


Beginn eines Festes der Freiheits-, Bürger- und Men-
schenrechte, und zwar weltweit .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818413800

Vielen Dank . – Damit ist die Aussprache beendet .

Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzent-
wurf auf Drucksache 18/9041 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse zu überweisen . Gibt es dazu an-
derweitige Vorschläge? – Ich sehe, das ist nicht der Fall .
Dann ist die Überweisung so beschlossen .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 37 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in
der internationalen Palmölproduktion veran-
kern

Drucksache 18/8398
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-
heit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

Ich bitte Sie, die Plätze zügig zu tauschen und einzu-
nehmen .

Ich eröffne die Aussprache, für die 38 Minuten vor-
gesehen sind . Das Wort hat der Kollege Uwe Kekeritz,
Bündnis 90/Die Grünen .


Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1818413900

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Am 11 . November des letzten Jahres verkündete Land-
wirtschaftsminister Schmidt, dass er durch eine freiwil-
lige Selbstverpflichtung der Industrie in Deutschland
zu 100 Prozent zertifiziertes Palmöl erreichen will. Zu
diesem Zeitpunkt war in Indonesien längst eine der ver-
heerendsten Umweltkatastrophen der vergangenen Jah-
re entfacht . Zwischen Juli und November 2015 wurden
durch Brandrodungen in Indonesien 1,8 Millionen Hek-
tar Torf- und Regenwälder zerstört, eine Fläche etwa so
groß wie Sachsen . Heute, acht Monate nach der Ankün-
digung durch Minister Schmidt, erreichen uns wieder
Berichte über Brände in Nordsumatra, Brände, die Platz
schaffen sollen für neue Palmölplantagen. Einer Zertifi-
zierung des Palmöls steht nichts im Wege .

Der internationale Palmölboom hat nichts mit einer
Petitesse zu tun . Millionen Hektar fruchtbaren Landes,
Regen- und Torfwälder stehen mittelfristig und weltweit
auf der Abholz- oder, vielleicht besser gesagt, Abbrenn-
liste der Palmölproduzenten . Die klimatischen Folgen
sind verheerend . Mit den vernichteten Regenwäldern

geht bedeutender Artenreichtum für immer verloren,
und Menschen vor Ort verlieren ihre Lebensgrundla-
ge . Familien, ganze Dorfgemeinschaften werden mit
Planierraupen vertrieben . Das Versprechen von guten
Arbeitsplätzen in den Palmölplantagen ist reiner Hohn .
Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich auf den Plantagen
für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, werden einge-
schüchtert, verfolgt und, wenn das nichts hilft, auch ab
und zu ermordet . Diese Palmölwüsten belegen, wie in-
haltsleer die Rhetorik des Landwirtschaftsministers, aber
auch des Entwicklungsministers ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese Verhältnisse belegen das Scheitern einer Politik,
die keine verbindlichen Lösungen schaffen will .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Ursache für den sich ständig ausweitenden Hun-
ger nach Palmöl ist aber auch die EU-Biokraftstoffpoli-
tik .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Richtig!)


Über 40 Prozent des in Europa verwendeten Palmöls lan-
den mittlerweile im Tank . Dies wird durch die Vorgaben
der Erneuerbare-Energien-Richtlinie leider gefördert,
speziell durch die Beimischungspflichten. Das Märchen
von der positiven CO2-Bilanz durch Biokraftstoffe ist
seit 15 Jahren widerlegt, zuletzt durch eine Studie der
EU-Kommission, die zunächst einmal in den Schubladen
verschwunden ist und dann aufgrund des öffentlichen
Drucks öffentlich gemacht wurde . Auch diese Studie be-
legt: Der Klimakiller Palmöl hat im Tank schlicht nichts
zu suchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Ein einziger Begriff macht die Konzeptlosigkeit die-
ser Bundesregierung deutlich . Es ist der Begriff „frei-
willige Selbstverpflichtung“. Wie viele Jahre brauchen
eigentlich die Minister Schmidt und Müller noch, um zu
begreifen, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht
funktionieren?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Müller und Schmidt überlassen es den Palmölproduzen-
ten und den Palmölhändlern, die Spielregeln aufzustel-
len . Diese werden sicherlich keine Spielregeln aufstellen,
die den Menschenrechten, der sozialen und ökologischen
Gerechtigkeit dienen . Ich muss Ihnen sagen: Das ist auch
gar nicht die Aufgabe der Industrie . Das ist die Aufgabe
der Politik . Es stellt sich nämlich die Frage, ob Politik
die Globalisierung gestaltet oder die Globalisierung die
Politik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ganz problematisch wird die Situation, wenn Poli-
tik zu feige ist, verbindliche Regeln aufzustellen . Diese
Feigheit können wir uns schon lange nicht mehr leisten,
weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Burkhard Lischka






(A) (C)



(B) (D)


Auch Müller und Schmidt haben die Unterzeichnung
der Klimaerklärung in Paris und der Nachhaltigkeits-
agenda in New York gefeiert, aber ihre konkrete Politik
steht den Nachhaltigkeitszielen entgegen . Beide Minister
wissen, dass wir so weder die Klima- noch die Nachhal-
tigkeitsziele erreichen werden . Beide Minister wissen
auch, dass das RSPO-Siegel für Palmöl längst geschei-
tert ist . Das Siegel erlaubt die Umwandlung von Regen-
wäldern in Plantagen . Das Siegel limitiert keine Treib-
hausgasemissionen und lässt die Zerstörung bedeutender
Torfböden zu . Das Siegel ist mitschuldig an Menschen-
rechtsverstößen usw . usf .

Zusammengefasst kann man sagen: Das Siegel ebnet
den Weg für schmutziges Palmöl in die globalen Liefer-
ketten . Das ist nicht nur eine Aussage der NGOs . Auch
der RSPO-Präsident und Unilever-Manager Jan Kees Vis
bestätigt dies . Er sagt klipp und klar: Bisher kann man
vor Ort keine Effekte durch RSPO sehen .

Das RSPO gibt es seit zwölf Jahren . Wir müssen
heute konstatieren: Es wird schlechter und bedrohli-
cher . Die Verbraucher und Verbraucherinnen – das sei
auch gesagt – haben es satt, sich weiter durch einen un-
durchsichtigen Siegeldschungel kämpfen zu müssen .
Wir benötigen Zuverlässigkeit, Klarheit und gesetzliche
Lösungen, die von vielen Unternehmen befürwortet und
gefordert werden . Viele Unternehmen haben eigene hohe
Standards, die sie aber nur schwer einhalten können, weil
eine unverantwortliche Politik es der Konkurrenz ermög-
licht, diese Standards zu unterlaufen .

Auch im Namen dieser Unternehmen fordere ich die
Regierungskoalition und die Regierung auf: Holzen Sie
den Siegeldschungel endlich ab, anstatt ihn weiter auf-
zubauen! Machen Sie Platz für einen fairen Wettbewerb
durch klare, begründbare und verbindliche Regelungen!

Ich bedanke mich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818414000

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Jürgen Klimke,

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jürgen Klimke (CDU):
Rede ID: ID1818414100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Lieber Uwe Kekeritz, das war
leider etwas einseitig grün . Beim Hemd mag man das ja
noch akzeptieren, aber bei den Inhalten sollte man etwas
ausgeglichener sein . Ich will versuchen, das bei dieser
Thematik zu erreichen .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich gespannt! Jetzt kommt’s!)


Völlig richtig: Palmöl ist überall . Wir haben es auf
der einen Seite in Nahrungsmitteln, in Hautcreme, in
Seife, in Sonnenmilch, in Lippenstiften . Es ist zudem in
Schmiermitteln, bei Kerzen, in Farben und Lacken ent-
halten . 5 Prozent der Palmölernte werden weltweit als
Rohstoff für die Strom- und Wärmeproduktion genutzt,

und zwar als Biokraftstoff . Auf der anderen Seite ist der
Rohstoff Lebens- und Einkommensgrundlage für viele
Tausend Menschen in den Entwicklungs- und Schwel-
lenländern .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele Arbeitsplätze gehen dabei verloren! Die Bauern werden vertrieben!)


Aber der Segen für viele Kleinbauern ist oft ein Fluch
für Umwelt und Gesundheit . Das muss man auch sehen
und sagen . Während im letzten Jahr die Wälder in Indo-
nesien – das ist gesagt worden – brannten, konnten viele
Menschen in Teilen Südostasiens bis hin nach Singapur
in den großen Städten nur mit Mundschutz über die Stra-
ße gehen . Das darf sich nicht wiederholen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aktuell brennt es wieder!)


Wir müssen auch sagen: Der Hauptmarkt für Palmöl
ist nicht in Europa . Es sind Indien, Indonesien und China .
Die EU kommt mit circa 10 Prozent erst an vierter Stelle .
In Deutschland werden circa 2 Prozent der Weltproduk-
tion von Palmöl verbraucht . China, Indien und Indonesi-
en nutzen bereits 40 Prozent der weltweiten Produktion .
Auch aus den Keimen der Palmölfrüchte wird Öl herge-
stellt, das sogenannte Palmkernöl . Hier liegt der deutsche
Anteil am Verbrauch höher . Wir verbrauchen circa 8 Pro-
zent der weltweit gehandelten Menge .

Meine Damen und Herren, die Missstände bei der Pro-
duktion von Palmöl sind Fachleuten bekannt . Durch die
verheerenden Wald- und Torfbrände in Indonesien wur-
den die negativen Begleiterscheinungen der Gewinnung
des Rohstoffes auch weltweit der breiten Öffentlich-
keit bewusst . Wie besorgniserregend diese Waldbrände
waren, mag sich darin zeigen, dass die amerikanische
Weltraumbehörde NASA sie als die bisher schlimmsten
Waldbrände überhaupt bezeichnet hat .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Vielfach werden die Feuer absichtlich gelegt,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Von den Unternehmen!)


um mit dem Mittel der illegalen Brandrodung Tropen-
wald zu beseitigen und anschließend auf den Flächen
Palmplantagen anzulegen .

Der Blick richtet sich in diesem Zusammenhang ei-
nerseits auf die Anbaugebiete . Dort werden oft durch
Brandrodungen neue Anbauflächen geschaffen, um der
Nachfrage gerecht zu werden . Damit gehen der Verlust
von wertvollen Primärwäldern, von Biodiversität sowie
die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid in die Atmosphä-
re einher . Andererseits muss sich der Blick auf unsere
Verhaltensmuster richten . Es liegt in der Hand des Ver-
brauchers, die Herstellung von nachhaltigem Palmöl ein-
zufordern .


(Niema Movassat [DIE LINKE]: Wie soll das denn der Verbraucher tun?)


Uwe Kekeritz






(A) (C)



(B) (D)


Er kann zertifizierte Produkte kaufen – oder eben nicht.
Eine EU-Verordnung, die vorschreibt, Palmöl nament-
lich in der Zutatenliste aufzuführen, ist bereits in Kraft
getreten . Das ermöglicht Verbrauchern, eine bewusste
Kaufentscheidung zu treffen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man es lesen kann!)


Das ist die Situation .

Als Entwicklungspolitiker bin ich eindeutig an einer
nachhaltigen Entwicklung im Bereich des Palmölanbaus
interessiert – ich bin daran nicht nur interessiert, sondern
setze mich dafür auch ein . Dabei dürfen Widersprüche
nicht aus den Augen verloren werden: Auf der einen Sei-
te fordern wir von unseren Entwicklungspartnern einen
nachhaltigen Anbau von Palmöl . Auf der anderen Seite
mischen wir Pflanzenöle in sogenannte Biotreibstoffe
und subventionieren diese Treibstoffe wiederum . Die
vermeintlichen Vorteile entlarven sich schnell als Trug-
schluss. Pflanzen, aus denen Biosprit gewonnen wird,
müssen in den Boden gebracht, gedüngt, geerntet und
verarbeitet werden . Es gibt weit verteilte Standorte . Die
fertigen Produkte müssen transportiert und gelagert wer-
den . Deshalb: Palmöl gehört nicht in den Tank .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommen wir mal zu den Maßnahmen der Regierung!)


Ich möchte hier festhalten: Nicht das Palmöl an sich ist
das Problem, sondern die Anbaumethoden und die Ver-
wendung .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist eine Förderung von nachhaltigem Palmöl von
zentraler entwicklungspolitischer, klimapolitischer und
gesundheitspolitischer Bedeutung .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie dafür?)


Meine Damen und Herren, vor kurzem konnte ich bei
einer Reise nach Indonesien einen Blick auf die Situati-
on der Palmölplantagen vor Ort richten . Ich erhielt den
Eindruck, dass auch bei unseren Partnern ein Umdenken
eingesetzt hat . Die indonesische Regierung hat zahlrei-
che Maßnahmen auf den Weg gebracht . Zuletzt setzte die
Regierung auf eine verstärkte Brandprävention und eine
besser abgestimmte Brandlöschung . Das Abholzmorato-
rium, das Abholzverbot, wurde vom Präsidenten erneut
verlängert . Das Forstministerium hat ein webbasiertes
Frühwarnsystem eingeführt und nutzt Daten der NASA .
Das indonesische Waldbrandüberwachungssystem ist
übrigens in Echtzeit von jedem Smartphone erreichbar .
Es finden regelmäßige Aufklärungsflüge statt. Regionale
Waldbrandbüros wurden eingerichtet und Löschkanä-
le angelegt . Darüber hinaus investiert Indonesien in die
Nachhaltigkeit des Palmöls – die Notwendigkeit hierzu
hat man erkannt – und strebt in diesem Zusammenhang
auch eine engere Zusammenarbeit mit den Importstaaten
an .

In der Übernahme der Verantwortung für den Anbau
von Palmöl durch die Produktionsländer sehe ich einen

zielführenden Ansatz . Die Umsetzung nationaler Gesetze
und die Überwachung von Anbauverboten obliegen den
jeweiligen Staaten . EU-Verordnungen und Siegel können
nicht die notwendige Übernahme von Verantwortung vor
Ort ersetzen, sondern nur einen Rahmen geben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, lie-
ber Uwe Kekeritz, ich gestatte mir einige Anmerkungen
zu eurem Antrag .

Erstens . Die eingeforderte verbindliche Einhaltung
von Umwelt- und Sozialstandards ist ein wichtiges An-
liegen der Koalition .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Kritik an bestehenden Referenzsystemen wie die des
vom WWF initiierten runden Tischs für nachhaltig pro-
duziertes Palmöl ist zum Teil berechtigt . Meines Wissens
setzt sich die Bundesregierung auch deshalb dafür ein,
die bestehenden anerkannten Standardsysteme weiterzu-
entwickeln und zu verbessern .

Zweitens . Die Forderung nach einer Reduktion des
Palmölverbrauchs lässt außer Acht, dass Palmöl in gro-
ßen Teilen von Kleinbauern produziert wird und deren
Existenzgrundlage bildet . Die Reduktion von Palmöl
würde zwangsläufig zu einem größeren Bedarf an Flä-
chen für andere Rohstoffe führen, solange keine adäqua-
te Alternative zur Verfügung steht .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es bleibt alles doch so, wie es ist!)


Drittens . Die Produktion von Palmöl spielt eine ge-
wichtige Rolle als Devisenbringer für Entwicklungs- und
Schwellenländer . So macht die Produktion von Palmöl
zusammen mit der Fischerei und der Forstwirtschaft im-
merhin 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Indonesi-
ens aus .

Viertens . Zur Forderung nach einer Erarbeitung und
Ratifizierung der ILO-Konvention und der UN-Konven-
tion in Bezug auf arbeitsrechtliche Fragen: Die Ratifi-
zierung der ILO-Konvention 169 über indigene Völker
und das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt unterliegen
derzeit der formalen Prüfung . Es besteht also kein Hand-
lungsbedarf; denn es wird schon gehandelt .

Fünftens . Die Forderung, bilaterale Regierungsver-
handlungen mit palmölproduzierenden Ländern zu nut-
zen, um die Rechte der indigenen Minderheiten einzufor-
dern, erweist sich in der Praxis als schwierig und fordert
eine Abwägung . Am Beispiel Indonesien zeigt sich, dass
Brandrodung zwar unter Strafe steht und mit Geldstrafen
belegt wird, doch gerade bei indigenen Völkern gehört
diese Landgewinnung auch zur Tradition, sodass sich
nicht immer zwischen Brauchtum und illegaler Absicht
unterscheiden lässt; zumal ein Funke ausreicht, um die
trockenen Torfböden in Brand zu setzen .

Meine Damen und Herren, es zeigt sich, dass die Bun-
desregierung zahlreiche Maßnahmen auf dem Gebiet
veranlasst hat .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche? Sie haben doch keine Maßnahmen der Bundesregierung aufgezählt!)


Jürgen Klimke






(A) (C)



(B) (D)


Halten wir fest: Wenn der Bedarf weiterhin so rasant
steigt, müssen auf lange Sicht Alternativen zum Palm-
öl gefunden werden; es ist auch eine Frage des Verbrau-
ches bei uns . Bis dahin gilt es, nachhaltigere Formen
des Palmölanbaus zu fordern, ohne die betroffenen Ent-
wicklungs- und Schwellenländer ihrer wirtschaftlichen
Grundlagen zu berauben .

Der Vorteil von Palmöl ist derzeit sein hoher Ertrag
auf relativ geringer Fläche, gemessen an Pflanzen wie
Soja und Raps .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bleibt es auch bei den Waldbränden!)


Das Ausweichen auf jene beiden Pflanzenöle würde das
Problem lediglich verlagern, zum Beispiel nach Brasilien
oder Argentinien .

Zum Ende möchte ich drei Entwicklungen nennen, die
Zeichen für ein Umdenken sind . Erstens . Investitionen in
Forschung und Technik zur Gewinnung alternativer Öle
sind notwendig .


(Beifall der Abg . Sibylle Pfeiffer [CDU/ CSU])


Zweitens . Zunehmend sollte die Verantwortung der Un-
ternehmen eingefordert werden . Drittens . Deutschland
hat im Dezember 2015 mit den Niederlanden, Dänemark,
Großbritannien und Frankreich die Amsterdamer Dekla-
ration unterzeichnet . Die Unterzeichner unterstützen po-
litisch die Zielsetzung, die Privatwirtschaft in den nach-
haltigen Anbau von Palmöl einzubinden . Das ist richtig .
Das schafft vernünftige Rahmenbedingungen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sind auf einem guten Wege .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, sind Sie nicht!)


Wir sollten weiter voranschreiten .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818414200

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Niema Movassat,

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Niema Movassat (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1818414300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Klimke, ich muss sagen: Ihre Rede war wirklich erstaun-
lich .


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Ja, was wir alles können!)


Sie nennen die Probleme beim Palmöl .


(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Hat er sehr gut benannt!)


Dann sagen Sie: Lösung – der Verbraucher soll sich da-
rum kümmern; er soll schauen, welches Siegel ein Pro-
dukt hat . Später sagen Sie: Es gibt gar keine richtig guten
Siegel . Ich muss sagen: Das ist wirklich eine Bankrott-
erklärung der Politik . Die Politik ist dafür zuständig, die
Regeln festzulegen . Man kann nicht einfach sagen: „Ir-
gendwer soll sich darum kümmern“,


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


vor allem, wenn man weiß, dass Palmöl für Millionen
von Menschen auf der Welt ein Albtraum ist .

Seit 1970 ist die weltweite Palmölproduktion von
1 Million Tonnen auf 56 Millionen Tonnen gestiegen .
Insbesondere in Malaysia und Indonesien breiten sich
die Palmölplantagen wie ein Virus aus, und dieser Palm-
ölvirus hat mittlerweile weite Teile Lateinamerikas und
Afrikas erfasst und hinterlässt überall verbrannte Erde;
denn um Plantagen anzulegen, werden Regenwälder ab-
geholzt und abgebrannt und Torfböden zerstört . Das hat
verheerende Auswirkungen auf die Biodiversität und das
Klima . Aber auch die Auswirkungen für die Menschen
vor Ort sind dramatisch: Ihr Land wird geraubt, ihre
Luft wird verpestet, ihr Wasser wird verseucht . Wer im
Palmölsektor arbeitet – wir sprechen allein über 3,5 Mil-
lionen Menschen in Indonesien und Malaysia –, der
durchlebt oft die Hölle . Menschenrechtsverletzungen,
Missachtung grundlegender Arbeitsrechte, Vergiftung
durch Dünge- und Spritzmittel, all das ist für die Arbeiter
dort an der Tagesordnung . Dieser Palmölwahnsinn muss
gestoppt werden .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber nicht nur für die Natur und für die Arbeiter ist
Palmöl schädlich . Es ist auch für uns Konsumenten
schädlich . So hat die Europäische Lebensmittelbehörde
erst vor kurzem gewarnt, dass Palmöl eine große Menge
Giftstoffe enthält . Dieses Gift schädigt menschliches Erb-
gut und kann Krebs auslösen . Doch ob Nutella oder Tief-
kühlpizza, es ist schwierig, verarbeitete Nahrungsmittel
zu finden, die kein Palmöl enthalten. Unilever, Nestle
und Co ., die großen Lebensmittelkonzerne, schwören auf
Palmöl, weil es vielfältig einsetzbar ist, aber vor allem,
weil es für sie unschlagbar billig ist . Hauptsache, der
Profit stimmt – das ist die Devise der Konzerne, egal wie
sehr Mensch und Natur darunter leiden . Das ist schänd-
lich . Die Politik ist gefragt, diesem rücksichtslosen Pro-
fitstreben Einhalt zu gebieten.


(Beifall bei der LINKEN)


Vor zwei Wochen hat das französische Parlament
Pläne für eine höhere Besteuerung von Palmöl, die so-
genannte Nutella-Steuer, in letzter Minute abgeblasen,
auch auf Druck der Nahrungsmittelindustrie. Ich finde es
schade, dass in dem Antrag der Grünen, den ich sonst
gut finde, Pläne für eine solche Steuer fehlen; denn die-
se Steuer wäre ein erster und wichtiger Schritt, um den
Palm ölboom zu bremsen .


(Beifall bei der LINKEN)


Jürgen Klimke






(A) (C)



(B) (D)


Diesen Boom hat nicht nur die Wirtschaft zu ver-
antworten; vielmehr hat ihn die Bundesregierung aktiv
befeuert . Die Förderung sogenannter Biokraftstoffe wie
E 10 hat die Palmölimporte in die EU und nach Deutsch-
land in die Höhe schnellen lassen . In Deutschland wird
heute mehr als die Hälfte des importierten Palmöls zur
Energieproduktion verwendet. Dieser Import findet auch
unter dem Label „Klimaschutz“ statt . Aber das Verrück-
te ist, dass man mit Palmölimporten zwar den Bedarf an
fossilen Kraftstoffen senkt, dafür in den Entwicklungs-
ländern aber Menschenrechte verletzt und Regenwäl-
der zerstört werden, und am Ende des Tages wachsen
damit die Klimaprobleme weiter . Um es klar zu sagen:
Biokraftstoffe haben mit Klimaschutz nichts zu tun . Der
richtige Weg zum Klimaschutz ist, den Energieverbrauch
hierzulande zu senken .


(Beifall bei der LINKEN – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist ja dasselbe Prinzip, wie wenn man sagt, man sollte auf Lippenstifte verzichten!)


Die Bundesregierung fördert die Palmölprodukti-
on übrigens auch direkt über die staatseigene DEG, die
Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft .
Die DEG finanziert den Agrarmulti Feronia, der im Kon-
go eine Fläche halb so groß wie das Saarland gepach-
tet hat, um Palmöl zu produzieren, und das, obwohl die
Nichtregierungsorganisation GRAIN illegale Landaneig-
nungen, Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten
sowie menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf den
Plantagen nachgewiesen hat . Feronia ist trotz all dieser
Menschenrechtsverletzungen Mitglied des Round table
on Sustainable Palm Oil . Das ist ein freiwilliger Nach-
haltigkeitsstandard, den WWF und Industrie gemeinsam
entwickelt haben; darum ging es heute ja auch schon .
Die Bundesregierung setzt auch auf diesen Standard . Das
Beispiel Feronia zeigt aber – das ist wahrlich kein Ein-
zelfall –, dass dieser freiwillige Standard nicht das Papier
wert ist, auf dem er gedruckt worden ist .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich frage mich wirklich, wie viele Belege die Bun-
desregierung noch braucht, bis sie einsieht, dass unser
zerstörerisches Wirtschaftssystem nicht an freiwilligen
Selbstverpflichtungen von Unternehmen genesen wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage es einmal so: Eine Lawine stoppt ihre todbrin-
gende Talfahrt ja auch nicht durch gutes Zureden, son-
dern durch klar gesetzte Absperrungen . – Was wir für
die Palmölproduktion brauchen, sind Absperrungen, sind
starke, verbindliche Umwelt- und Sozialstandards; da
unterstütze ich den Antrag der Grünen . Zugleich müs-
sen wir aber Wege finden, die Palmölproduktion insge-
samt zu drosseln, das heißt, den enormen Energie- und
Rohstoffverbrauch unseres Wirtschaftssystems endlich
einzudämmen . Ansonsten wird der Palmölvirus immer
mehr und mehr Flächen befallen und Mensch und Natur
gleichermaßen dahinraffen .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818414400

Vielen Dank . – Als Nächstes hat der Kollege Stefan

Rebmann, SPD-Fraktion, das Wort .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Stefan Rebmann (SPD):
Rede ID: ID1818414500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir haben gehört – das spüren wir ja auch –,
dass der Anbau von Palmöl höchst umstritten ist . Wir ha-
ben schon mehrfach gehört, was die Palmölproduktion
bedeutet: Es findet eine Rodung von Tropenwäldern im
großen Stil statt . Allein im Kongo wurden 2,8 Millionen
Hektar für Plantagen gerodet . In Indonesien sind 57 Pro-
zent der Entwaldung allein darauf zurückzuführen, dass
dort Palmöl produziert werden soll . All das hat Auswir-
kungen auf die Umwelt, auf die Tierwelt, auf die Men-
schen vor Ort und auf den Wasserhaushalt in den betrof-
fenen Regionen . Natürlich hat das auch Auswirkungen
auf unser Klima .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Maßnahmen der Regierung!)


Das alles spüren wir dann natürlich auch zeitverzögert
hier bei uns, zumindest was den Klimawandel betrifft .

Palmölplantagen bedeuten also Treibhausgasemissio-
nen in ungeahnten Höhen durch Brandrodungen und der-
gleichen. Sie bedeuten Landkonflikte durch Vertreibung
von einheimischen Kleinbauern und nicht selten die kom-
plette Missachtung der Landrechte indigener Minderhei-
ten und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf
den Plantagen . Das alles muss man leider mit dem indus-
triellen Anbau von Palmöl verbinden . Inwieweit Palm-
öl, das wir nahezu ausschließlich aus Entwicklungs- und
Schwellenländern beziehen – wir haben schon gehört,
dass 85 Prozent aus Indonesien und Malaysia kommen –,
schon unseren Alltag beeinflusst – wir haben gehört, wo
überall Palmöl eingesetzt wird –, ist vielen von uns gar
nicht bewusst . Mir war es bis vor wenigen Wochen auch
nicht so bewusst . Das eine oder andere wusste ich, aber
nicht in dieser Dimension: dass 68 Prozent des produ-
zierten Palmöls in die Nahrungsmittelindustrie gehen .
Wir kennen alle den schokoladenartigen Brotaufstrich,
den Kinder morgens gern essen


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Meine Kinder nicht!)


und den auch ich in der Vergangenheit gern gegessen
habe .

Wir kennen das alles: 27 Prozent der Produktion
gehen in Kosmetika, Putz- und Reinigungsmittel, und
5 Prozent – das haben wir auch schon gehört, je nach-
dem, welche Zahlen man nimmt – werden im Kraftstoff
verwendet .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind völlig veraltete Zahlen! Es sind 41 Prozent, die heute in den Tank gehen!)


Niema Movassat






(A) (C)



(B) (D)


– Ja, Kollege, ich habe ja – hör richtig zu – gesagt: Je
nachdem, welche Zahlen man verwendet .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Veraltete oder neue!)


Ich sage selbstverständlich auch: mit extrem steigender
Tendenz . Wenn man sich das gerade beim Kraftstoff an-
schaut, sieht man innerhalb von sechs Jahren eine Steige-
rung – wenn die Zahl richtig ist – um 365 Prozent .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Maßnahmen der Regierung!)


Du siehst also, Kollege, ich habe den Antrag durchaus
gelesen .

Wir wissen natürlich: 58 Millionen Tonnen werden
insgesamt produziert, und 10 Prozent davon gehen in die
EU .

Wenn wir jetzt die Auswirkungen des Palmölanbaus
auf die vielen betroffenen Menschen vor Ort, also die
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die indigene
Bevölkerung, die Landbevölkerung, auf diejenigen, die
dort vertrieben werden, auf das Klima, die Umwelt auf
der einen Seite betrachten und uns auf der anderen Sei-
te den steigenden Verbrauch, die enorme Nachfrage in
den Industriestaaten vor Augen führen, dann stellen wir
fest: Es ist eine enorme Schieflage zuungunsten der Ent-
wicklungs- und der Schwellenländer da . Es ist schon ein
Punkt, wo wir sagen müssen: Das ist eine enorme Schief-
lage zuungunsten der Länder und ihrer Umwelt, und dem
müssen wir deutlich entgegenwirken . Ich sage aber auch:
Wir müssen nicht nur entgegenwirken, sondern auch
besonnen entgegenwirken . Ich sage das deshalb, weil
der Kollege Klimke schon recht hat, dass nicht wenige
Kleinbauern von den Einnahmen leben müssen, da dies
ihre einzige Einnahmequelle ist, die sie zur Verfügung
haben, um ihre Familie zu ernähren .

Nicht wenige Entwicklungsländer verbinden mit dem
Export von Palmöl auch die Hoffnung auf zusätzliche
Arbeitsplätze und zusätzliche Einnahmen .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arbeitsplätze werden ja durch die industrielle Produktion zerstört!)


Ich betone: die Hoffnung . Wer also, lieber Kollege, den
Anbau und den Verbrauch von Palmöl quasi untersagen
will – was euer Antrag ja nicht fordert; das will ich hier
deutlich sagen –, schießt eigentlich am Ziel vorbei, und
es ist auch unrealistisch . Aber die hohen Erträge und
günstigen Herstellungskosten machen diese Pflanze na-
türlich sehr attraktiv und behindern auch ein zügiges Er-
setzen dieser Pflanze. Palmöl ist nun einmal dreimal so
ertragreich wie Raps und beansprucht ein Sechstel der
Fläche für Soja. Trotzdem finde ich: Wir können da eine
ganze Menge tun .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank wächst sie in Deutschland nicht!)


Wir Entwicklungspolitiker der SPD-Bundestagsfrak-
tion sind für verbindliche, einklagbare soziale Umwelt-

standards – nicht nur beim Palmöl, sondern generell .
Dazu gehören effektive Beschwerde- und Sanktionsrech-
te, damit Arbeitnehmer ihre Rechte auch einklagen kön-
nen . Dazu gehören Gewerkschaftsrechte und faire Löhne .
Dazu gehört, dass wir bei Handelsverträgen mit anderen
Staaten die verbindliche Einhaltung der ILO-Kernar-
beitsnormen einfordern . Dazu gehört, dass multinational
agierende Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre
Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette zu garantieren.
Ich sage: Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Verbind-
lichkeit und ein Mehr an Verantwortung, und zwar nicht
nur auf dem Papier, sondern auch so, dass es eingefordert
werden kann .

Ich sage auch: Wir Entwicklungspolitiker der SPD
sind, glaube ich, auf einem guten Weg . Wir haben in
dem Bereich schon einiges auf den Weg gebracht . Un-
ser Antrag „Gute Arbeit weltweit“, den dankenswerter-
weise viele Kolleginnen und Kollegen in der Koalition
namentlich mitgezeichnet haben und damit persönlich
dokumentiert haben, wie wichtig ihnen gute Arbeit welt-
weit ist, beweist das, glaube ich, nachdrücklich . Mit der
Umsetzung der CSR-Richtlinie und dem Nationalen Ak-
tionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der gerade
erarbeitet wird, müssen wir die nächsten Schritte konse-
quent und vor allen Dingen verbindlich umsetzen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Ziel muss sein, dass gut gemeinte, gut gemachte und
ordentlich formulierte Anträge wie dieser – das will ich
bei dem Antrag, den wir gerade debattieren, gar nicht in
Abrede stellen –, die sich auf sektorale Produktionen, auf
einzelne Produkte, auf Produktlinien oder auf einzelne
Lieferketten beziehen, nicht mehr notwendig sind, weil
verbindliche Sozial- und Umweltstandards, Menschen-
rechtsstandards, Unternehmensverantwortung und faire
Arbeitsbedingungen sowie faire Löhne überall gelten
und eingehalten werden müssen und notfalls auch einge-
klagt werden können. Ich finde, das muss unser Ziel sein.


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das verhindert diese Regierung: dass verbindliche Standards kommen!)


– Kollege, zuhören .


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist nicht seine Stärke!)


Beim Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und
Menschenrechte sage ich recht deutlich: Wir müssen lie-
fern . Ein Jahr lang haben sich Zivilgesellschaft, NGOs,
Stiftungen, Gewerkschaften und viele Verbände mit ih-
rem Expertenwissen sehr konstruktiv, sachbezogen und
lösungsorientiert eingebracht und sich dabei engagiert .
Dieses Wissen und Engagement kann man nicht einfach
mit einem Federstrich zur Seite wischen, auch die BDA
nicht, möge sie seit wenigen Tagen über noch so gute
Beziehungen zum Finanzministerium verfügen .

Ich sage auch: Politisches Handeln muss durch Öf-
fentlichkeitsarbeit begleitet werden, weil es wichtig ist,
dass die Menschen wissen, was in unseren Produkten
enthalten ist . Denn nur dann, wenn sie wissen, was in

Stefan Rebmann






(A) (C)



(B) (D)


den Produkten drin ist, können sie sich für Alternativpro-
dukte entscheiden .

Damit sind wir schon beim Thema Transparenz und
Siegel . Aus meiner Sicht ist es ein durchaus schwieriges
Unterfangen . Die Grundidee der Siegel halte ich für sehr
gut . Unser Problem ist allerdings, dass wir eine gan-
ze Reihe von Siegeln haben, die nicht das halten, was
sie versprechen . Wir haben auch eine ganze Reihe von
Siegeln, die im Grunde nur zu Werbezwecken erfunden
wurden . Deshalb bin ich der Auffassung: Wir müssen da
politisch handeln . Wir müssen Rahmenbedingungen vor-
geben. Ich finde, das ist mit eine Aufgabe von Politik.

Ich freue mich darauf, in den Wochen nach der Som-
merpause, lieber Kollege Kekeritz, dieses Thema in den
Fachausschüssen weiter zu verfolgen, weiter zu beglei-
ten . Ich glaube, die Arbeit daran lohnt sich; denn es geht
um gute Arbeit weltweit .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818414600

Vielen Dank . – Jetzt spricht Peter Stein, CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Stein (CDU):
Rede ID: ID1818414700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Es wurde schon vieles gesagt, deshalb will
ich mich einmal ein bisschen mit dem Produkt Palmöl
beschäftigen . Palmöl hat mittlerweile 30 Prozent Markt-
anteil, wodurch es weit vor dem Sojaöl liegt . Im Jah-
re 2015 sind tatsächlich knapp 60 Millionen Tonnen pro-
duziert worden, 85 Prozent davon allein in Malaysia und
Indonesien. Die Anbauflächen dort haben sich seit 1990
verzehnfacht . Das zeigt die Dimension, über die wir hier
reden .

Laut WWF plant allein Indonesien, die Plantagen bis
2025 auf etwa 20 Millionen Hektar zu erweitern – die
Hälfte davon auf Borneo, was 13 Prozent dieser Insel
ausmachen würde . Auch das ist eine enorme Dimension .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bedarf an pflanz-
lichen Ölen, Speiseölen und Fetten, steigt weiterhin stark
an – weniger in Europa, aber besonders in Afrika und
Asien . Dort werden gerade Palmöle aufgrund der aus-
gezeichneten klimatischen Stabilität als Speisefette ver-
wendet . Palmölprodukte haben besondere energetische
Eigenschaften, die sich auch hinsichtlich Nachhaltigkeit
und Erneuerbarkeit von Energie besser nutzen lassen .

Die im Antrag der Grünen genannten 1,9 Millionen
Tonnen, die verbraucht werden – ich nehme an, das ist
eine aktuelle Zahl, Herr Kekeritz –, machen für europä-
ische Kraftstoffe allerdings gerade einmal 3 Prozent des
Weltverbrauches aus . Der Biodiesel mit Palmölanteil er-
reicht dabei hohe Cetanzahlen . In Fahrversuchen konnte
ein um bis zu 45 Prozent geringerer Partikelausstoß und
ein um bis zu 20 Prozent geringerer Stickoxidausstoß
festgestellt werden . Ein weiterer Vorteil sind die geringe-

ren Kosten der Herstellung, die gegenüber anderen Bio-
dieselarten bei rund einem Viertel liegen .


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum ist das so billig!)


Außerdem erzielt man mit der Ölpalme mit durch-
schnittlich 3,7 Tonnen pro Hektar den mit Abstand
höchsten Ertrag unter den Ölpflanzen. Er ist fünfmal hö-
her als der von Soja und dreimal so hoch wie der von
Raps. Damit ist er am flächensparendsten.

Das geht übrigens auch aus einem aktuellen Informa-
tionsblatt des WWF hervor .

Palmölprodukte haben darüber hinaus besondere ge-
sundheitliche Eigenschaften . Sogenanntes rotes Palmöl
enthält eine ungewöhnlich hohe Konzentration von Ca-
rotinen und Vitamin E . Bereits ein Esslöffel enthält mehr
als die empfohlene Tagesdosis .

Ein Schwachpunkt ist jedoch der hohe Anteil an ge-
sättigten Fettsäuren . Diese können sich bei übermäßigem
Verzehr negativ auf die Blutfettwerte, vor allen Dingen
auf das Cholesterin, auswirken . Auch eine Schädigung
von Gefäßwänden kann dadurch entstehen . Eine Folge
kann daneben die Begünstigung von Gefäßverkalkung
sein. Das trifft allerdings auch auf andere pflanzliche Öle
und Fette zu .

Palmölprodukte haben besondere Lebensmittelei-
genschaften . Palmöl eignet sich wie kaum ein zweites
pflanzliches Fett gut zum Erhitzen, da darin kaum mehr-
fach ungesättigte Fettsäurereste gebunden sind, die sich
beim Erhitzen in bedenkliche Fettsäurereste umlagern
könnten .

Palmkernöl ist bei Raumtemperatur fest; bei Körper-
temperatur schmilzt es jedoch rasch ab, und es hinter-
lässt im Mund einen angenehmen Kühleffekt. Es findet
bei uns daher zu einem großen Teil Verwendung bei der
Herstellung von Margarine, oder es kann auch zu hoch-
wertigen Spezialfetten für die Süßwarenindustrie umge-
wandelt werden . Zudem wird es aufgrund seiner Schmel-
zeigenschaften für Eiscremes, Schokoladen, Toffees und
Karamell verwendet .

Palmkernöl hat besondere grundstoffliche Eigen-
schaften . Es wird für die Herstellung von Tensiden, den
waschaktiven Stoffen in konventionellen sowie ökolo-
gischen Reinigungsmitteln, eingesetzt . Alle Wasch- und
Reinigungsmittel enthalten Anteile von 3 bis 30 Prozent
Tenside, welche entweder aus Erdöl oder aus pflanzlichen
Ölen – hauptsächlich Palmkernöl – hergestellt werden .
Mit immer größeren Anbauflächen, besonders in Asien,
sowie dem Trend zu nachwachsenden Rohstoffen ist der
Anteil von Tensiden auf Palmölbasis stark zunehmend .

Palmöl ist Basis in Wasch- und Reinigungsmitteln
und derzeit nicht deklarationspflichtig; das ist richtig.
Daher wird es bei den Inhaltsstoffen auch nicht explizit
erwähnt . Liebe Kollegen von den Grünen, da Sie die De-
klarationspflicht für Tenside, die aus Palmöl hergestellt
werden, fordern, müssten Sie dies auch für Tenside aus
Erdöl einfordern .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann jeden Vorschlag zerreden, Stefan Rebmann wenn man will! Aber Alternativen sollten genannt werden!)





(A) (C)


(B) (D)


Ich bin mir nicht sicher, ob sich die Verbraucher im
Sinne Ihres Antrages entscheiden würden, wenn sie die
Wahl zwischen pflanzenöl- und erdölbasierten Produkten
hätten . Vor allen Dingen wüsste ich auch gerne einmal,
wie Sie sich selber entscheiden würden, wenn Sie die
Wahl hätten .

Palmfette haben derart besondere Eigenschaften, dass
sie tatsächlich ohne Qualitäts- oder Geschmacksverluste
kaum durch andere Produkte ersetzt werden könnten .


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist völlig falsch!)


Mancher süße Brotaufstrich wäre ohne Palmfett krüme-
lig oder würde schnell ranzig, und Biodiesel wäre nicht
marktfähig .


(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor zehn Jahren hatten wir nur krümelige Butter! Ich erinnere mich genau! Das ist doch Quatsch! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nutella gab es schon vor fünfzig Jahren!)


Aufgrund des aktuell tatsächlichen Palmöl- und Palm-
kernölverbrauchs in all diesen Produkten ist ein Verzicht
darauf als Rohstoff unmöglich; ich glaube, darin sind wir
uns einig .


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch!)


Wenn Palmöl jedoch in großem monokulturellem Maß-
stab angebaut wird und dafür tropischer Regenwald
vernichtet wird, dann sind die Auswirkungen auf die
Umwelt mehr als negativ . Dazu tragen jedoch weniger
unsere Verbrauchsgewohnheiten bei, sondern neben dem
erheblichen Bevölkerungswachstum auch die Regelun-
gen der Herstellerstaaten in Asien und Afrika . So muss
seit 2007 in Malaysia der Diesel 5 Prozent verestertes
Palmöl enthalten . Zudem unterstützt die malaysische
Regierung aufgrund steigender Mineralölpreise den Bau
von Palmöl-Biodiesel-Anlagen im Land .

Liebe Kollegen der Grünen, Sie haben in Ihrem An-
trag völlig zu Recht auf die Missstände in der Palmöl-
produktion hingewiesen, schießen aber in den übrigen
Punkten über das Ziel hinaus .


(Beifall des Abg . Dr . Patrick Sensburg [CDU/ CSU] – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie das, was über das Ziel hinausschießt! Nennen Sie mal den Teil, den Sie unterstützen!)


Das gilt zum Beispiel für die Kennzeichnungspflicht,
die nicht wirklich hilft, sondern wieder nur verunsichern
würde . Das gilt besonders für Ihr Lieblingsthema, lieber
Kollege Kekeritz, die kleinbäuerliche Landwirtschaft .

Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass es zur pro-
duzierten Menge an Palmöl auch in der Zukunft keine
Alternative gibt . Das geht tatsächlich nicht alleine in
kleinbäuerlichen Strukturen . Für Ihr Anliegen werden
Sie auch bei den Herstellerländern keine Unterstützung
finden. An diesem Punkt werden Sie das Rad nicht zu-
rückdrehen . Palmöl an sich ist in der Verwendung bei uns
kein problematisches Produkt, im Gegenteil . Daher ist
der wichtigste Ansatz in den Herstellerländern zu finden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was schlagen Sie vor?)


Sie können völlig sicher sein, dass wir als Regierungs-
koalition an jeder erdenklichen Stelle in der Entwick-
lungszusammenarbeit und gerade bei der Umsetzung der
Projekte über GIZ, KfW und DEG wie bisher in dieser
Legislatur stets darauf achten werden, dass es, wo immer
möglich, ein faires Einbinden der lokalen und staatlichen
Strukturen des Partnerlandes gibt, und zwar auf Augen-
höhe .


(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem: Das findet nicht statt!)


Dazu stehen wir in dieser Bundesregierung .

Punktlandung: Ich habe noch fünf Sekunden Redezeit .
Als letzter Redner wünsche ich Ihnen allen eine schöne
Sommerpause . Wer noch Urlaub hat, dem wünsche ich
einen schönen Urlaub und viel Freude im Wahlkreis .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1818414800

Vielen Dank . – Das war schon der Hinweis darauf,

dass wir jetzt die Aussprache beenden .

Nach einer Vereinbarung zwischen den Fraktionen
wird vorgeschlagen, die Drucksache 18/8398 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überwei-
sen . – Ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind . Dann
ist das der Fall . Die Überweisung ist beschlossen .

Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung an-
gelangt .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Dienstag, den 6 . September 2016, 10 Uhr, ein .

Ich hoffe, dass Sie in der jetzt anstehenden sitzungs-
freien Zeit die Gelegenheit haben, zur Ruhe zu kommen .
Ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen alles Gute .