Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist er-
öffnet.
Wir haben gestern zwischen den Fraktionen verabre-
det, dass heute zuerst der Tagesordnungspunkt 32 aufge-
rufen wird:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtli-
nie und zur Änderung des Gesetzes zur Rege-
lung der Wohnungsvermittlung
– Drucksache 17/12637 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 17/13951 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Marco Wanderwitz
Marianne Schieder
Judith Skudelny
Halina Wawzyniak
Ingrid Hönlinger
Hierzu liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der
SPD und ein Entschließungsantrag der Fraktion Bünd-
s
B
a
v
u
H
n
fe
w
d
li
Z
B
n
s
n
li
in
d
M
s
a
nis 90/Die Grünen vor. Über den Änderungsantrag wer-
den wir namentlich abstimmen.
Es ist verabredet, eine halbe Stunde zu diesem Tages-
ordnungspunkt zu debattieren. – Dazu sehe und höre ich
keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die Sitzung und gebe das Wort dem Kolle-
gen Dr. Stefan Ruppert für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Ich möchte mit den Worten einleiten, dass dieFDP seit jeher für einen angemessenen Ausgleich zwi-schen Verbraucherschutz und fairem Wettbewerb steht.Der heute zur Debatte stehende Gesetzentwurf zur Um-
Metadaten/Kopzeile:
31692 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Stefan Ruppert
)
)
Die Zielsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfsbietet somit nur Vorteile für alle Beteiligten. Bei seinerkonkreten Ausgestaltung haben wir noch einige Punktemit minimalem Änderungsbedarf erkannt und ihn ent-sprechend verbessert.Künftig gelten bei Einkäufen, die außerhalb vonGeschäftsräumen oder im Fernabsatz getätigt werden,europaweit die gleichen Informationspflichten und Wi-derrufsrechte. Wer also in Onlineshops in anderen euro-päischen Staaten einkauft, genießt die gleichen rechtli-chen Regelungen bezüglich der Informationen undRückgaberechte wie bei deutschen Internetshops.Daneben wird die Frist, innerhalb derer im Fernabsatzoder an der Haustür geschlossene Verträge ohne Angabevon Gründen widerrufen werden können, europaweit auf14 Tage vereinheitlicht; bisher galt bekanntlich nur eineMindestfrist von 7 Tagen.Künftig wird es bei unterlassener oder nicht ord-nungsgemäßer Widerrufsbelehrung kein ewiges Wider-rufsrecht mehr geben, sondern dieses Recht erlischt nacheinem Jahr und 14 Tagen. Auch durch diese Regelunghaben kleine Unternehmen deutlich mehr Rechts- undPlanungssicherheit, da damit Widerrufsbegehren, derenAnlass schon Jahre zurückliegt, ausgeschlossen werdenkönnen. Ich finde, auch das ist ein sehr guter Ansatz die-ses Gesetzes.
Wir haben weitere Erleichterungen für Unternehmengeschaffen, eine Musterwiderrufsbelehrung. Da es ge-rade für kleine Unternehmen schwierig sein kann, einekorrekte einheitliche Widerrufsbelehrung zu erstellen,profitieren von dieser Vereinfachung sowohl die Unter-nehmen als auch die Verbraucher. Wir haben hier alsoeine gute Balance gefunden.
Ein weiterer Punkt, bei dem die FDP unnötige Büro-kratie vermeiden konnte – Sie wissen, das ist ein wichti-ges Anliegen unserer Partei –, sind die Ausnahmen vonden umfangreichen Informationspflichten bei Geschäf-ten des täglichen Lebens wie der Lieferung von Lebens-mitteln. Bei diesen Geschäften ständen die Informations-pflichten in keinem Verhältnis zu dem Wert desGeschäfts.Für Pauschalreiseverträge, die auf Kaffeefahrten ab-geschlossen werden, besteht auch künftig ein Widerrufs-recht. Dieses Recht gilt allerdings nicht für Verträge, beidenen sich der Verbraucher einen Unternehmer zur Ver-tragsschließung nach Hause bestellt hat, da hier das Ar-gument des Überrumpelns, also der Schutz des Verbrau-chers, nicht mehr greifen kann.Ich möchte noch kurz auf die Änderungs- bzw. Ent-schließungsanträge der Oppositionsfraktionen eingehen.Liebe Kollegen von der SPD, inhaltlich werde ich aufIhren Änderungsantrag nicht eingehen. Aber nach allden Debatten der letzten Wochen zu bezahlbaren MietenuSGDcdTMGIhGssdnhtitunsnndDsroDsgmulagSleVsd
a wir hier aber über eine europarechtliche Vereinheitli-hung der Informationspflichten für Unternehmer under Widerrufsrechte für Verbraucher diskutieren, ist dashema sicherlich an anderer Stelle besser aufgehoben.an merkt auch, Sie wissen das selbst sehr gut.An die Adresse der Fraktion von Bündnis 90/Dierünen möchte ich noch sagen: Es ist schön, dass Sie inrem Entschließungsantrag fordern, in kaufrechtlichenewährleistungsrechten umfassende Regelungen vorzu-ehen, die den Interessen der kleinen und mittelständi-chen Unternehmen bei der Übernahme von Kosten füren Ein- und Ausbau einer mangelhaften Sache Rech-ung tragen. Aber wenn das so einfach zu regeln wäre,ätten Sie uns doch mit Sicherheit heute schon einen fer-gen Gesetzentwurf vorgelegt, wie Sie das sonst auchn. So einfach, wie Sie es sich machen, ist es leidericht.
Wir müssen Ihre Anträge ablehnen.
Abschließend ist zu sagen, dass das vorliegende Ge-etz eine gute und konstruktive Umsetzung der Richtli-ie der europarechtlichen Ebene ist. Wir erhalten nichtur das hohe deutsche Verbraucherschutzniveau, son-ern vereinheitlichen es auch auf europäischer Ebene.ie erwähnten Nachbesserungen beraten wir nun ab-chließend und haben dann ein Gesetz, von dem der eu-päische Verbraucher entscheidend profitieren wird.ie angesprochenen Vorteile, die sich für den grenzüber-chreitenden Handel ergeben, führen dazu, dass sich ins-esamt eine gute Situation für alle ergibt. Die Unterneh-en, gerade kleine Unternehmen, haben neue Chancen,nd der Verbraucher ist geschützt. Das ist eine gute Ba-nce. Ich glaube, damit gehen wir einen richtigen unduten Schritt.Vielen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Marianne
chieder das Wort.
Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-gen! Wir sprechen heute abschließend über ein für dieerbraucherinnen und Verbraucher in unserem Landehr wichtiges Gesetzgebungsvorhaben, nämlich überie Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31693
Marianne Schieder
)
)
Sehr erfreulich ist – das möchte ich ausdrücklich be-tonen –, dass es gelungen ist, mit der sehr wünschens-werten und notwendigen Vollharmonisierung im Bereichdes Verbraucherschutzes das hohe Niveau des deutschenVerbraucherschutzes zu erhalten. Dies wurde uns auchvon den Experten und Expertinnen in der Anhörung vordem Rechtsausschuss bestätigt.Verbraucherinnen und Verbraucher sollen beim Er-werb von Waren oder Dienstleistungen europaweit ein-heitliche Rechte erhalten, europaweit können einheitli-che Muster für Widerrufsbelehrungen genutzt werden,und die Informationspflichten sind vollständig harmoni-siert. Das ist sehr gut für die Kundinnen und Kunden.Auch dass Verbraucherverträge, die im Fernabsatz oderan der Haustür geschlossen wurden, künftig europaweitohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen wi-derrufen werden können, ist sehr begrüßenswert.Sehr schade aber finde ich es, dass es der Bundes-regierung bei ihren Verhandlungen auf europäischerEbene nicht gelungen ist, unser „ewiges“ Widerrufsrechtzu erhalten. Jetzt ist es zu spät. Wir müssen die Vorgabender Richtlinie umsetzen, Ausnahmen sind nicht gestattet.Das bedeutet, dass das Widerrufsrecht bei unterbliebeneroder nicht ordnungsgemäßer Belehrung künftig schonnach 12 Monaten und 14 Tagen erlischt.
– Ja freilich stimmt das. – Der Gesetzentwurf enthältzahlreiche gute Ansätze, aber man könnte ihn noch bes-ser machen.
Einige Vorschläge der Sachverständigen haben Sie auf-gegriffen, und auch die Anregungen des Bundesrates ha-ben Sie berücksichtigt. Nachzulesen ist das alles in ei-nem Änderungsantrag von circa 120 Seiten, den Sie unsimmerhin schon 36 Stunden vor der Abstimmung imRechtsausschuss haben zukommen lassen. Ich begrüßees sehr, dass damit das Widerrufsrecht jetzt doch fürPauschalreisen gilt, die auf sogenannten Kaffeefahrtengebucht werden.Was man aber noch besser hätte machen können, hat-ten Sie in Ihrem Referentenentwurf schon dargelegt,jetzt aber wieder herausgenommen und aus den Augenverloren. Sie hätten schon noch einmal intensiv übereine Anpassung der Regelungen zur Nacherfüllung imVerbrauchsgüterkaufrecht nachdenken sollen; denn dieseRegelung genügt den verbraucherschützenden Vorgabender Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht vollständig.In diesem Zusammenhang sollte im Rahmen der nachden Vorgaben des EuGH erforderlichen Neuregelung des§ 439 BGB wirklich geprüft werden, ob diese Vorschriftnicht uneingeschränkt gelten kann, also nicht nur fürVerbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch fürUnternehmerinnen und Unternehmer. Das wäre nämlichwirklich eine sinnvolle Neuregelung, die vor allen Din-gen unseren kleineren und mittleren Unternehmen sehrhelfen würde.
wKhnDesaZdsgrimaSssMNagnamBUsndszmevßüs
ass die Verbraucherinnen und Verbraucher vor überteu-rten Mieten geschützt werden müssen, haben inzwi-chen alle erkannt, selbst die Union und, wie ich hoffe,uch die FDP. Die Bundeskanzlerin hat dies vor kurzereit auf dem Verbrauchertag erst selbst gefordert. Sie hatamit eingestanden, dass wir Sozialdemokraten mit un-erer Forderung nach einer Deckelung von exzessiv stei-enden Mieten recht haben, dass wir uns damit auf demchtigen Weg befinden. Sie will das Ganze ja überneh-en.Ich fordere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, vorllen Dingen von Union und FDP, auf:
timmen Sie heute unserem Änderungsantrag zu, undchaffen Sie wirklichen Verbraucherschutz für die Men-chen in diesem Land!Herzlichen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege
arco Wanderwitz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!icht nur Verbraucherinnen und Verbraucher, sondernuch kleine und mittlere Unternehmen begegnen demrenzüberschreitenden Warenverkehr, speziell im Inter-et, häufig mit einer gewissen Skepsis: Man hat es mitnderen Sprachen zu tun. Vor allen Dingen hat man esit unterschiedlichen nationalen Rechtssystemen dereteiligten zu tun.Die EU-Verbraucherrechterichtlinie, deren nationalemsetzung in ein deutsches Gesetz wir heute hier be-chließen, wird das Vertrauen in den europäischen Bin-enmarkt an dieser Stelle entscheidend stärken. Durchie Vereinheitlichung der Rechte in den Mitgliedstaatenchaffen wir einen rechtssicheren Raum, der Vorausset-ung für das Funktionieren des europäischen Binnen-arktes ist. Geregelt werden dabei Bereiche mit einemuropäischen Mehrwert, also insbesondere der Erwerbon Waren und Dienstleistungen im Fernabsatz und au-erhalb von Geschäftsräumen. Hier gibt es klare grenz-berschreitende Bezüge, die eine europäische Regelunginnvoll machen.
Metadaten/Kopzeile:
31694 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Marco Wanderwitz
)
)
Auf Drängen der Bundesregierung in Brüssel wurdeeine Regelung gegen Kostenfallen im elektronischenGeschäftsverkehr in die im Dezember in Kraft getreteneVerbraucherrechterichtlinie aufgenommen. Nach der so-genannten Schaltflächenlösung kommt ein im Internetgeschlossener Vertrag nur dann zustande – darüber ha-ben wir hier im Haus schon intensiv debattiert –, wenndem Verbraucher alle wesentlichen Informationen ver-ständlich zur Verfügung gestellt werden, bevor er einenunmissverständlich als zahlungspflichtige Bestellungausgewiesenen Button, eine Schaltfläche, anklickt.Aufgrund des dringenden Handlungsbedarfs, weil esan dieser Stelle so viel Missbrauch gab, haben wir dieseRegelung auch bereits im August vergangenen Jahres,also vorauseilend und vorzeitig, in nationales Recht um-gesetzt. Bereits vier Wochen nach dem Inkrafttreten hatder Verbraucherzentrale Bundesverband der neuen Re-gelung eine große Wirkkraft attestiert. Von 109 über-prüften Internetseiten, die in der Vergangenheit den Ver-braucherinnen und Verbrauchern wegen verschleierterPreisangaben viel Ärger bereitet haben, waren laut vzbv92 Prozent nicht mehr aufrufbar, oder eine Anmeldungwar nicht mehr möglich. Das ist ein erfreuliches Zeichenund bestätigt die Wirksamkeit unserer gesetzgeberischenLösungen an diesem Punkt.
Mit den weiteren heute zu beschließenden Regelun-gen geben wir den Verbraucherinnen und Verbrauchernim Hinblick auf Informationen, Lieferbedingungen undWiderrufsrecht zusätzliche Rechte in die Hand. Insbe-sondere bei Einkäufen in Internetshops im EU-Auslandgelten künftig grundsätzlich dieselben Informations- undWiderrufsrechte wie bei Einkäufen in deutschen Inter-netshops. Das gilt natürlich, wenn es die anderen EU-Länder umsetzen, jeweils auch für die Bürger dieserLänder.Die Frist, innerhalb derer Verbraucher im Fernabsatzoder an der Haustür geschlossene Verträge ohne Angabevon Gründen widerrufen können, wird europaweit ein-heitlich auf 14 Tage festgelegt. Bisher war eine Schutz-frist von 7 Tagen vorgesehen, und die allermeisten EU-Länder haben sich auch nur an diese Frist gehalten. Dasist also ein deutliches Mehr an Verbraucherschutz.Das bislang – Kollegin Schieder hat es angesprochen –unbegrenzte Widerrufsrecht bei unterlassener oder nichtordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung erlischt künftignach einem Jahr und 14 Tagen. Diese etwas atypischeFrist ergibt sich dadurch, dass man die Jahresfrist nachAblauf der 14 Tage beginnen lässt. Dieser Punkt kommtim Ergebnis sowohl den Unternehmen als auch den Ver-braucherinnen und Verbrauchern zugute, weil Rechts-sicherheit geschaffen wird. Missbrauch, den es an dieserStelle bisher gibt, ist künftig ausgeschlossen. Man kannalso künftig nicht mehr nach Jahren mit Hinweis darauf,dass eine Belehrung unterblieben ist, die Rückabwick-lung eines Kaufes fordern. Die dadurch entstehendenKosten würden letztlich auf alle anderen Verbraucherin-nen und Verbraucher umgelegt.lireavhdlisteintecdgBhrudwnbZKetruVKeimunnrovasliwvkbdgrudluÜWsngHZ
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31695
)
sagt, im Grunde genommen handelt es sich um eine re-daktionelle Gesetzgebung.
Weder in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfshier im Haus noch im gesamten parlamentarischen Ver-fahren, insbesondere nicht in der Anhörung, die wirdurchgeführt haben, hat das von Ihnen nun auf den letz-ten Metern des Gesetzgebungsverfahrens eingeführteThema irgendeine Rolle gespielt.
Heute steht der Entwurf eines Gesetzes zur Umset-zung der Verbraucherrechterichtlinie auf der Tagesord-nung. Das Thema, dem sich Ihr Änderungsantrag wid-met, ist in der Tat ein wichtiges rechtspolitisches undgesellschaftspolitisches Thema, allerdings ungeeignetfür parlamentarische Schnellschüsse.
Es bedarf intensiver Abwägungen der Eigentümer- undMieterrechte und auch der Auswirkungen auf den Woh-nungsbau.
Ihr heutiges Vorgehen ist auf die schnelle populisti-sche Schlagzeile ausgerichtet. Es ist ein schlichtweg un-parlamentarisches Verhalten. Wenn wir in letzter Minuteirgendetwas in einem Gesetzentwurf nachschieben wol-len, ist das genau der Punkt, den Sie kritisieren. Wirbringen heute ein für die Verbraucherinnen und Verbrau-cher gutes Gesetz auf den Weg. Ich finde es sehr bedau-erlich, dass Sie mit Ihrem Verhalten diesem Gesetz nichtden nötigen Rahmen geben; vielmehr versuchen Sie imGrunde genommen, es zu diskreditieren. Das finde ichsehr bedauerlich.
Wir werden das von Ihnen eingebrachte Thema natürlichdebattieren; wir werden aber keine Schnellschüsse pro-duzieren.
FMRdzlenmuctrsnVVeDLzfüHMdnWruMtuMgAWmtrlibWgfanG
ier hätten Sie ein ganzes Paket schnüren können. Derietwohnungsmarkt erfährt derzeit einen rasanten Wan-el. Ganze Stadtteile werden verändert, weil Menschenach Luxussanierungen und Mieterhöhungen aus ihrenohnungen vertrieben werden. Hier hätte die Regie-ngskoalition die Möglichkeit gehabt, die steigendenieten zu deckeln und Mieterhöhungen bei Neuvermie-ngen auszuschließen.
aklerprovisionen sollten grundsätzlich vom Auftrag-eber und nicht vom Mieter bezahlt werden müssen.
ll das haben Sie aber nicht geregelt.Auch an anderen Stellen hat Ihr Gesetz Defizite. Dasiderrufsrecht ist eine Aneinanderreihung von Ausnah-en, unter anderem bei Finanzdienstleistungen, Bauver-ägen und auch der Lieferung von Lebensmitteln. Ähn-ch ist es bei den Informationspflichten, zum Beispielei den Personenbeförderungsverträgen wie auch beiarenautomaten. Auch dort haben Sie leider nicht nach-ebessert. Unlautere Telefonwerbung dämmen Sie eben-lls nicht ein. Außerdem kritisieren wir, dass bei telefo-isch abgeschlossenen Verträgen – mit Ausnahme vonewinnspielen – immer noch keine bestätigende Unter-
Metadaten/Kopzeile:
31696 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Karin Binder
)
)
schrift geleistet werden muss, um den Vertrag in Kraft zusetzen. Mit der sogenannten Bestätigungslösung hätteman unseriösen Anbietern endlich das Handwerk legenkönnen. Warum die Firmen die Kunden nur bei Gewinn-spielen nicht mehr übers Ohr hauen dürfen, erschließtsich mir nicht.
In Art. 23 der Verbraucherrechterichtlinie der Euro-päischen Union heißt es – ich zitiere –:Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass angemes-sene und wirksame Mittel vorhanden sind, mit de-nen die Einhaltung dieser Richtlinie sichergestelltwird.Wie rechtfertigen Sie vor diesem Hintergrund die gna-denlose Unterfinanzierung der Verbraucherarbeit inDeutschland? Diese Defizite mit Ihrem Gesetz auszu-gleichen, war nie Ihre Absicht. Und das werden Sie wohlauch in dieser Legislaturperiode nicht mehr tun.Des Weiteren kritisieren wir, dass Sie die Beweislast-umkehr bei der Reklamation von höherwertigen Produk-ten nicht verbessert haben, obwohl auch dies möglichgewesen wäre. Wieder einmal macht die Regierungs-koalition nur einen halben Schritt bei verbraucherpoliti-schen Umsetzungen von EU-Recht. Das Gesetz ist allesandere als ein großer Wurf für Verbraucherinnen undVerbraucher.
Daran haben wir uns in dieser Legislaturperiode schonfast gewöhnt; aber wir werden uns nicht damit zufrie-dengeben. Die Fraktion der Linken wird sich deshalb beiIhrem Gesetzentwurf enthalten.
Ingrid Hönlinger hat das Wort für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Heute debattieren wir über zwei Themen, die viele Men-schen betreffen: das Verbraucherschutzrecht und dasMietrecht. Das Verbraucherschutzrecht haben wir hierim Bundestag im Jahr 2002 umfassend reformiert. Heuteentwickeln wir die Verbraucherrechte weiter. Es gehtkonkret um das Widerrufsrecht für Haustürverträge undFernabsatzverträge. Fernabsatzgeschäfte werden zumBeispiel per Telefon oder im Internet getätigt.Bei genauer Betrachtung stellen wir fest, dass dieseBundesregierung leider nur das umsetzt, was Brüsselzwingend vorschreibt. Sie hat offensichtlich nicht denMut und auch nicht den Willen, die vorhandenen Spiel-räume zu nutzen, die die Richtlinie für einen umfassen-den Verbraucherschutz eröffnet hat.
VnsHnbVsbctuPdreasmSddVhVkcdDlestulavkreredbp2nm
ier hat der Gesetzentwurf der Bundesregierung garichts zu bieten. Da muss nachgebessert werden. Dieesten Verbraucherschutzrechte bringen nichts, wennerstöße folgenlos bleiben.
Das Widerrufsrecht kann aber ohnehin nur ein Bau-tein im Gefüge der Verbraucherschutzrechte sein. Vieledeutender sind für die Verbraucherinnen und Verbrau-her weitere Rechte, wie zum Beispiel ihre Gewährleis-ngsrechte.Werfen wir einmal einen Blick auf die alltäglicheraxis: Ein Verbraucher kauft eine Kaffeemaschine. Fürieses Produkt hat er zwei Jahre lang Gewährleistungs-chte. Tritt nun innerhalb dieser zwei Jahre ein Mangeln der Kaffeemaschine auf, kann der Verbraucher voneinem Verkäufer die Reparatur oder den Austausch desangelhaften Produkts verlangen. Das Problem an derache ist: Die sogenannte Beweislastumkehr zugunstenes Verbrauchers gilt nur sechs Monate lang. Währendieser Zeit muss der Verkäufer beweisen, dass er demerbraucher eine mangelfreie Kaffeemaschine geliefertat. Nach Ablauf der sechs Monate muss hingegen dererbraucher beweisen, dass die Kaffeemaschine schonaputt war, als er sie erworben hat. Wie soll der Verbrau-her das beweisen? Das ist den meisten Verbrauchern iner Praxis nicht möglich.
amit laufen die Gewährleistungsrechte innerhalb dertzten anderthalb Jahre faktisch ins Leere. Wir müssenicherstellen, dass Verbraucher ihre volle Gewährleis-ngsfrist ausschöpfen können, indem wir die Beweis-stumkehr zugunsten des Verbrauchers auf zwei Jahreerlängern. Verbraucherschutz darf nicht eine leere Vo-abel sein; Verbraucherschutz, meine Damen und Her-n, muss den Alltagstest bestehen.
Nun hat die SPD einen Änderungsantrag zum Miet-cht eingebracht, zu Recht,
enn die Mieten schnellen überall in die Höhe. Bezahl-arer Wohnraum wird in Ballungsgebieten immer knap-er. Mietpreissteigerungen von über 7 Prozent wurden011 in Großstädten wie Berlin und Hamburg verzeich-et; in der Studentenstadt Greifswald waren es sogarehr als 10 Prozent.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31697
Ingrid Hönlinger
)
)
Die Mietpreissteigerungen treffen vor allem einkom-mensschwache Haushalte. Familien müssen 30 oder40 Prozent – manchmal sogar mehr – ihres Einkommensfür die Miete ausgeben. Das dürfen wir nicht länger hin-nehmen. Hier müssen wir endlich gesetzlich eingreifen,meine Damen und Herren.
Wir Grünen fordern seit drei Jahren, dass Mietober-grenzen bei der Wiedervermietung von Wohnungen inGebieten mit Wohnraummangel eingeführt werden. Einesolche Mietpreisbremse für Regionen, in denen die aus-reichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraumnicht mehr gewährleistet ist, müssen wir jetzt endlich be-schließen. Wohnen darf nicht zum Luxusgut werden;Wohnen ist ein Grundbedürfnis.
Eine bezahlbare Wohnung schafft Sicherheit und Stabili-tät für Mieter und für ihre Familien.Wir werden deshalb dem SPD-Änderungsantrag zu-stimmen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sören Bartol hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mit unserem Änderungsantrag geben wir Ih-nen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,die Sie sich jetzt alle unterhalten, heute die Chance, dieGlaubwürdigkeit Ihrer Kanzlerin bei den Mieterinnenund Mietern in diesem Land wiederherzustellen.
Wir wollen auch in unser Programm einführen, dassVermieter bei Neuvermietungen nur begrenzt dieMiete erhöhen dürfen.Das steht so nicht im Regierungsprogramm der SPD, je-denfalls nicht exakt, sondern das ist laut Handelsblattdie Aussage von Kanzlerin Angela Merkel am 31. Maigegenüber einem wohnungssuchenden Studenten.
Den Themenklau bei der SPD hat die Kanzlerin inzwi-schen freimütig eingeräumt. Die Süddeutsche sprach so-gar von dreistem Plagiat. Aber das ist in Ihren Reihen jaschon längst hoffähig.H1snwKbbWsleWKumenKsgKkmMDpUddisdtrFarewfäd
Dieser Satz war eine Kopie, leider eine schlechte.ätte die Kanzlerin unser Programm, das wir am4. April beschlossen haben, aufmerksam gelesen, hätteie ihren Mitarbeitern die mühsame Korrekturarbeit derächsten Tage erspart. In unserem Programm ist fastortwörtlich der Satz zu lesen, den sie der unbedachtenanzlerinnenaussage eilends hinterherschickten:Erstvermietungen von neugebauten Wohnungensind davon grundsätzlich ausgenommen.Um Wohnen wieder für alle bezahlbar zu machen,rauchen wir neben einem sozialen Mietrecht auch Neu-au.
ir brauchen neben dem öffentlichen und dem genos-enschaftlichen Wohnungsbau natürlich auch den sozia-n Wohnungsbau und private Investoren, die neuenohnraum schaffen. Aber so tief ins Thema ist dieanzlerin erst gar nicht eingestiegen; ihr ging es ja nurm die schnelle Meldung.Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurzfristig konntean meinen: Die Erkenntnis, dass die Bundesregierungndlich etwas gegen drastisch steigende Mieten unter-ehmen muss, ist tatsächlich, Herr Pofalla, schon imanzleramt angekommen. – Der Mieterbund freute sichchon über die große Koalition beim Mietrecht. Zu frühefreut: Schon am nächsten Tag bemühte sich dasonrad-Adenauer-Haus darum, zurückzurudern, zu kon-retisieren, und nach nur zwei Wochen ist von der voll-undig verkündeten Mietpreisbremse nur noch eineöglichkeit auf Länderebene übrig.
amit, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird die Miet-reisbremse der Kanzlerin zum Rohrkrepierer.
Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von dernion, Mieterschutz von den Mehrheitsverhältnissen inen Ländern und deren gutem Willen abhängig machen,ann stehlen Sie sich aus der Verantwortung. Notwendigt endlich eine bundesweite Mietpreisbremse bei Wie-ervermietungen, die die Mietpreisspirale in allen be-offenen Städten bremst.
Die Kolleginnen und Kollegen von der Union und derDP, die gesprochen haben, konnten vor Lachen kaumn sich halten. Erst am 1. Mai ist Ihre unsoziale Miet-chtsreform in Kraft getreten. Ich möchte schon gerneissen, warum Ihnen knapp sieben Wochen später ein-llt, dass es hier Nachbesserungsbedarf gibt. Sie hattenoch alle Chancen, unsere Vorschläge im Gesetzge-
Metadaten/Kopzeile:
31698 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Sören Bartol
)
Für diese Sachen wollen Sie am 22. September wirklichgewählt werden? Das kann nicht Ihr Ernst sein.
Heute bekommen Sie noch einmal die Chance – es istgut, dass wir heute unseren Änderungsantrag noch ein-mal einbringen konnten –, das Vertrauen der Mieterin-nen und Mieter zurückzugewinnen. Zeigen Sie denWählerinnen und Wählern, dass Sie es ernst meinen mitdem, was Ihre Kanzlerin vollmundig vor der Wahl allenverspricht. Stimmen Sie heute unserem Änderungsantragzu! Dann haben wir es geschafft, eine wirksame Lösungfür Mieterinnen und Mieter in diesem Lande zu finden.Ich bin gespannt, wie Sie sich an dieser Stelle gleich ver-halten werden.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
te
K
D
fü
b
A
d
S
s
M
m
g
e
ri
d
tr
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 517;
davon
ja: 220
nein: 297
Ja
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Uwe Beckmeyer
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Dr. h.c. Gernot Erler
P
K
E
G
D
D
S
M
Ir
G
U
A
K
G
M
H
B
egen von der Union, SieIhrem Koalitionspartnern diesem Lande nicht zu]: So ein Quatsch!)n der Kanzlerin ein un- man niemals einlösen –swahl bleiben. Ich frageörerinnen und Zuhörer –:]: Die können nichtn!)dUdvBseinÄctrIcvfüahWir kommen zur Abstimmunesregierung eingebrachten Enmsetzung der Verbraucherrecerung des Gesetzes zur Reermittlung. Der Rechtsausscheschlussempfehlung auf Drucktzentwurf der Bundesregierung der Ausschussfassung anzunnderungsantrag der Fraktionhe 17/13966 vor. Wir stimmenag auf Verlangen der Fraktionh bitte die Schriftführerinneorgesehenen Plätze einzunehmSind alle Urnen besetzt? – Ehrer der Koalition. Gibt es einlition, der spontan bereit wäre,eldenhaft. Jetzt fehlt keiner m
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31699
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
Daniela Kolbe
Fritz Rudolf KörperAnette KrammeAngelika Krüger-LeißnerUte KumpfChristian Lange
Dr. Karl LauterbachSteffen-Claudio LemmeBurkhard LischkaGabriele Lösekrug-MöllerCaren MarksKatja MastPetra Merkel
Ullrich MeßmerDr. Matthias MierschFranz MünteferingDr. Rolf MützenichAndrea NahlesManfred NinkThomas OppermannHolger OrtelAydan ÖzoğuzHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierDr. Sascha RaabeMechthild RawertStefan RebmannDr. Carola ReimannSönke RixDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth
Marlene Rupprecht
Annette SawadeAxel Schäfer
Bernd ScheelenMarianne Schieder
Werner Schieder
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Carsten Schneider
Swen Schulz
Ewald SchurerDr. Martin SchwanholzRolf SchwanitzStefan SchwartzeRita Schwarzelühr-SutterDr. Carsten SielingSonja SteffenPeer SteinbrückDr. Frank-Walter SteinmeierChristoph SträsserKerstin TackDr. h.c. Wolfgang ThierseFranz ThönnesRüdiger VeitUte VogtDr. Marlies VolkmerAndrea WickleinHeidemarie Wieczorek-ZeulUta ZapfDagmar ZieglerManfred ZöllmerBrigitte ZypriesDDHKMHEDRWDDADInDADHSUDTDPRPDKSAAKJoHJöBDKVCBAVEKHHDKKBBPDInTUKSMSMUTSIE LINKEr. Dietmar Bartscherbert Behrensarin Binderatthias W. Birkwaldeidrun Bluhmva Bulling-Schröterr. Martina Bungeoland Clauserner Dreibusr. Dagmar Enkelmanniana Golzennette Grothr. Gregor Gysige Högerr. Barbara Höllndrej Hunkor. Lukrezia Jochimsenarald Kochabine Leidiglla Lötzerr. Gesine Lötzschhomas Lutzeorothée Menzneretra Pauichard Pitterleaul Schäfer
r. Ilja Seifertathrin Senger-Schäferabine Stüberlexander Süßmairlexander Ulrichathrin Voglerhanna Voßarald Weinbergrn WunderlichÜNDNIS 90/IE GRÜNENerstin Andreaeolker Beck
ornelia Behmirgitt Bendergnes Bruggeriola von Cramon-Taubadelkin Deligözatja Dörnerarald Ebnerans-Josef Fellr. Thomas Gambkeai Gehringatrin Göring-Eckardtritta Haßelmannettina Herlitziusriska Hinz
r. Anton Hofreitergrid Hönlingerhilo Hoppewe Kekeritzatja Keulusanne Kieckbuschemet Kilicven-Christian Kindleraria Klein-Schmeinkte Koczyom Koenigsylvia Kotting-UhlOASRMUMDNJeBDOFDLBCKEDDUDDHDMJüDAWDJofrAWNCIlPDTNGEMVDPSCPDKMDHDDHRliver Krischergnes Krumwiedetephan Kühnenate Künastarkus Kurthndine Kurth
onika Lazarr. Tobias Lindnericole Maischrzy Montageate Müller-Gemmeker. Konstantin von Notzmid Nouripourriedrich Ostendorffr. Hermann E. Ottisa Pausrigitte Pothmerlaudia Roth
rista Sagerlisabeth Scharfenbergr. Gerhard Schickr. Frithjof Schmidtlrich Schneiderorothea Steinerr. Wolfgang Strengmann-Kuhnans-Christian Ströbeler. Harald Terpearkus Tresselrgen Trittinaniela Wagnerrfst Wagner
olfgang Wielandr. Valerie Wilmssef Philip Winkleraktionsloserbgeordneterolfgang NeškovićeinDU/CSUse Aignereter Aumerorothee Bärhomas Bareißorbert Barthleünter Baumannrnst-Reinhard Beck
anfred Behrens
eronika Bellmannr. Christoph Bergnereter Beyerteffen Bilgerlemens Binningereter Bleserr. Maria Böhmerlaus Brähmigichael Brandr. Reinhard Brandlelmut Brandtr. Ralf Brauksieper. Helge Brauneike Brehmeralph BrinkhausCGATMDEInHDADKHDEHAInDNAEJoPDHMMMMOFDJüGDHMUFRMAECRKFJoAHTDDADHSABSVDR
r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzans-Joachim Fuchtellexander Funkgo Gädechensr. Thomas Gebhartorbert Geislois Gerigberhard Giengersef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grütterslav Guttinglorian Hahnr. Stephan Harbarthrgen Hardterda Hasselfeldtr. Matthias Heiderelmut Heiderichechthild Heilrsula Heinen-Esserrank Heinrichudolf Henkeichael Hennrichnsgar Hevelingrnst Hinskenhristian Hirteobert Hochbaumarl Holmeierranz-Josef Holzenkampachim Hörsternette Hübingerubert Hüppehomas Jarzombekieter Jasperr. Franz Josef Jungndreas Jung
r. Egon Jüttnerans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard Kaster
olker Kauderr. Stefan Kaufmannoderich Kiesewetter
Metadaten/Kopzeile:
31700 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
Dr. Karl A. Lamers
Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertKatharina LandgrafUlrich LangeDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingMatthias LietzDr. Carsten LinnemannPatricia LipsDr. Jan-Marco LuczakDaniela LudwigDr. Michael LutherKarin MaagDr. Thomas de MaizièreHans-Georg von der MarwitzStephan Mayer
Dr. Michael MeisterDr. h.c. Hans MichelbachPhilipp MißfelderDietrich MonstadtMarlene MortlerDr. Gerd MüllerStefan Müller
Dr. Philipp MurmannBernd Neumann
Michaela NollDr. Georg NüßleinFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteDr. Michael PaulRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaAADKNTGCPDNDDBUADJoRDBTJoJeCDECDGSMKTLMDAIch bitte jetzt diejenigen, dider Ausschussfassung zustimmzeichen. – Die Gegenstimmen?Damit ist der Gesetzentwurf innommen. Die Koalitionsfraktiopositionsfraktionen haben sichGegenstimmen gab es keine.Dritte Beraund Schlussabstimmung. Wersich erheben. – Die Gegenstimlbert Rupprecht
nita Schäfer
r. Andreas Scheuerarl Schiewerlingorbert Schindlerankred Schipanskieorg Schirmbeckhristian Schmidt
atrick Schniederr. Andreas Schockenhoffadine Schön
r. Kristina Schröder
r. Ole Schröderernhard Schulte-Drüggeltewe Schummer
etlef Seifhannes Selleeinhold Sendkerr. Patrick Sensburgernd Sieberthomas Silberhornhannes Singhammerns Spahnarola Staucher. Frank Steffelrika Steinbachhristian Freiherr von Stettenieter Stierero Storjohanntephan Strackeax Straubingerarin Strenzhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenr. Peter Tauberntje TillmannEDDWWFJeCDFSCNKRAEMSHRBPGMHRJöUDDHHMJoDe dem Gesetzentwurf inen wollen, um ihr Hand- – Die Enthaltungen? – zweiter Beratung ange-nen waren dafür, die Op- gemeinsam enthalten,tung zustimmen will, mögemen? – Die Enthaltun-gmnßDßDsLlisabeth Winkelmeier-Beckeragmar G. Wöhrlr. Matthias Zimmerolfgang Zöllerilli ZylajewDPns Ackermannhristine Aschenberg-Dugnusaniel Bahr
lorian Bernschneiderebastian Blumenthallaudia Bögelicole Bracht-Bendtlaus Breilainer Brüderlengelika Brunkhorstrnst Burgbacherarco Buschmannylvia Canelelga Daubeiner Deutschmannijan Djir-Saraiatrick Döringerhard Drexlerechthild Dyckmansans-Werner Ehrenbergainer Erdelrg van Essenlrike Flachr. Edmund Peter Geisenr. Wolfgang Gerhardtans-Michael Goldmanneinz Golombeckiriam Grußachim Günther
r. Christel Happach-KasanDMDOHPGJaPBDDCJöDDHDDBCMDDJoTDSMDSJoDDDDHen? – Damit ist der Gesetzenit dem gleichen Stimmenverommen.Wir kommen zur Abstimmungsantrag der Fraktion Bünrucksache 17/13967. Wer stiungsantrag? – Die Gegenstimamit ist der Entschließungsatimmung durch Bündnis 90/Dinke; dagegen haben CDU/CS
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31701
)
Ich rufe jetzt die Zusatzpunkte 15 a und 15 b auf:ZP 15 a) – Zweite und dritte Beratung des von den Frak-tionen der CDU/CSU und FDP eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Beseitigung so-zialer Überforderung bei Beitragsschuldenin der Krankenversicherung– Drucksache 17/13079 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Beseitigung sozialer Überfor-derung bei Beitragsschulden in der Kran-kenversicherung– Drucksache 17/13402 –Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Gesundheit
– Drucksache 17/13947 –Berichterstattung:Abgeordneter Heinz Lanfermann
– Drucksache 17/13959 –Berichterstattung:Abgeordnete Alois KarlEwald SchurerOtto FrickeMichael LeutertKatja Dörnerb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. KarlLauterbach, Elke Ferner, Bärbel Bas, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDKeine überhöhten Säumniszuschläge beiBeitragsschulden– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. MartinaBunge, Harald Weinberg, Diana Golze, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEPrivat Versicherte solidarisch versichern –Private Krankenversicherung als Vollversi-cherung abschaffen– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. MartinaBunge, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion DIE LINKEVersorgung der privat Versicherten im Ba-sistarif sicherstellen– Drucksachen 17/12069, 17/10119, 17/5524,17/13947 –Berichterstattung:Abgeordneter Heinz LanfermannresreUkhsindnRvregsBDlidleubkndhgwWkDcdihtimrembwlaKtrWKte
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!nser Ziel ist klar: Jeder in Deutschland soll einen Kran-enversicherungsschutz für die notwendigen Leistungenaben, unabhängig von Vorerkrankungen, Alter, Ge-chlecht und Einkommen. Das ist gelebte Solidarität, die Deutschland seit vielen Jahren gezeigt wird und umie uns andere Länder beneiden. Die Versicherten kön-en sich, wenn sie eine Krankheit haben oder ein großesisiko eingetreten ist, auf die Solidarität einer Kranken-ersicherungsgemeinschaft verlassen.Es geht aber nicht nur darum, die Solidarität der ande-n einzufordern. Zur Solidarität in einer Versicherungs-emeinschaft gehört es auch, dass die Solidargemein-chaft zu Recht verlangen kann und erwartet, dasseiträge zu einer Krankenversicherung gezahlt werden.ie alte Regierung hatte eine Regelung eingeführt, näm-ch eine allgemeine Versicherungspflicht, und wollteabei Anreize setzen, dass Menschen ihre Beiträge zah-n. Leider wurden damals Wucherzinsen eingeführt,nd es haben sich bei betroffenen Menschen Schulden-erge angehäuft; die Menschen sind in einen Teufels-reis von immer höheren Schulden geraten und kamenicht mehr heraus. Deswegen war es richtig und wichtig,ass diese Koalition, diese Bundesregierung, gehandeltat und jetzt den Menschen, die von ihren Schuldenber-en nicht mehr herunterkommen, eine Perspektive gibt,ieder einen Krankenversicherungsschutz zu erhalten.ir wollen, dass jeder in Deutschland über einen Kran-enversicherungsschutz verfügt.
eshalb haben wir die Säumniszuschläge, die alten Wu-herzinsen, auf 1 Prozent gesenkt. Das gilt rückwirkend,amit die Menschen, die in den letzten Jahren nicht inren Versicherungsschutz zurückkamen, eine Perspek-ve haben, wieder ihren Versicherungsschutz zu bekom-en.Außerdem schaffen wir für einen eng begrenzten Be-ich von Versicherten eine Rückkehrmöglichkeit. Wirachen einen Schnitt, damit die Versicherten die Chanceekommen, nach Zahlung der Versicherungsbeiträgeieder regulär versichert zu sein.Privat Krankenversicherten zeigen wir mit dem Not-gentarif einen Weg auf, wie auch sie einen bezahlbarenrankenversicherungsschutz haben können. Für die Be-offenen ist diese Regelung eine große Erleichterung.ir sorgen dafür, dass die betroffenen Menschen imrankheitsfall wieder abgesichert sind.Der Gesetzentwurf umfasst aber noch mehr. Wir un-rstützen auch die Krankenhäuser in Deutschland, die
Metadaten/Kopzeile:
31702 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Bundesminister Daniel Bahr
)
)
tagtäglich eine ganz wichtige Aufgabe übernehmen.18 Millionen Patienten werden jedes Jahr stationär auf-genommen. Wir haben eine Arbeits- und Leistungsver-dichtung bei den Beschäftigten in den Krankenhäusernzu verzeichnen. Es gibt einen Mengendruck, den Druck,besonders viel machen zu müssen. Mit diesem Gesetzsorgen wir für eine Entlastung der Beschäftigten inKrankenhäusern. Für die Jahre 2013 und 2014 ist ein un-bürokratischer und schnell wirkender Versorgungs-zuschlag vorgesehen, um Fehlentwicklungen bei der so-genannten Kollektivhaftung, die Grund für denMengendruck ist, auszugleichen. Bisher war es so: Wenneine Uniklinik in Köln mehr transplantiert, dann erhältdas kleine Krankenhaus im Sauerland für eine Blind-darmoperation eine schlechtere Vergütung. Der Versor-gungszuschlag sorgt hier nun für einen Ausgleich. Sokönnen sich die Krankenhäuser auf eine verlässliche Fi-nanzierung einstellen.
Die Tariflohnentwicklung wird teilweise ausgegli-chen. Wir schaffen endlich einen vollen Orientierungs-wert als Verhandlungskorridor, das heißt, die Kostenent-wicklung im Krankenhaus kann besser abgebildetwerden.Wir sorgen für bessere Qualität in den Krankenhäu-sern. Wir wissen, dass Deutschland noch Nachholbedarfim Bereich Hygiene hat. In dem Gesetz ist ein Hygiene-förderprogramm vorgesehen. Damit lohnt es sich für dieKrankenhäuser, in Hygiene zu investieren. Es lohnt sichnicht, aus Kostengründen auf Hygiene zu verzichten unddamit für Keime und schwere Krankheiten im Kranken-haus zu sorgen.Dieses Gesetz verbessert die Qualität der Versorgungin den Krankenhäusern.
Ich habe die klare Erwartung, dass diese zusätzlichenMittel, immerhin insgesamt 1,1 Milliarden Euro – damithaben wir einen Rekordwert an Ausgaben für die Kran-kenhäuser in diesem Jahr erreicht –, von den Kranken-häusern auch eingesetzt werden, um den Sparmaßnah-men bei der Pflege, die wir teilweise in Krankenhäusernerlebt haben, ein Ende zu bereiten. Die Krankenhäuserkönnen jetzt investieren, um gerade in der Pflege neueStellen zu schaffen, um neues Pflegepersonal in denKrankenhäusern einzustellen. Wir geben den Kranken-häusern diese finanziellen Möglichkeiten. Jetzt müssendie Krankenhäuser sie auch nutzen.
Mit diesem Gesetz setzen wir das um, was uns alle imletzten Jahr hier im Bundestag intensiv beschäftigt hat.Wir haben uns parteiübergreifend mit dem Thema Or-ganspende beschäftigt, weil es uns alle unzufrieden ge-stimmt hat, dass das Spenderaufkommen in Deutschlandso gering ist. Wir sind der Meinung, dass die Organ-spende ein so wichtiges Thema ist, dass man sich einmalim Leben damit beschäftigen sollte.Letztes Jahr haben alle Parteien in diesem Bundestaggemeinsam die sogenannte Entscheidungslösung be-snGgVDbbngnTRhlitefeÜOeDnnBkTlaggsduAshkOLHwnkbv
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Der Minister hat einleitend darauf hingewiesen,as in unserem Gesundheitssystem klappt: dass jeder ei-en Versicherungsschutz bekommt, unabhängig von Er-rankungen und unabhängig davon, ob er zum Beispielehindert ist. Das ist richtig. Das gilt aber nicht für dieon Ihnen bevorzugte private Krankenversicherung.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31703
Dr. Karl Lauterbach
)
)
Da ist es nach wie vor so, dass behinderte Menschen kei-nen Versicherungsschutz bekommen und viele Krankesich die Prämie nicht leisten können. Sie wollen, dassdas so bleibt. Das System, für das Sie persönlich undIhre Fraktion stehen, ist ein System, das genau das ka-puttmacht, was Sie am Anfang Ihrer Rede gelobt haben.
– Herr Lanfermann, bitte, Ihre Kommentare!Bei den Schuldenbergen und den Säumniszuschlägenist es doch wie folgt: Die Leute, die Schulden gemachthaben, werden doch, auch wenn ihnen jetzt kurzfristigdie Schulden erlassen werden, der Säumniszuschlag einbisschen reduziert wird, wieder Schulden machen. Tatsa-che ist doch, dass die Menschen sich diese Krankenver-sicherung nicht leisten können. Das gilt gerade für diePrivatversicherten. Wenn die Prämie höher ist, als meineRente hergibt, dann kann ich zwar formal Ihr Angebotwahrnehmen und in die Versicherung zurückgehen;wenn ich dann aber sofort wieder Schulden machenmuss, dann stehe ich nach allerkürzester Zeit wieder vordem gleichen Problem.
– Ich komme darauf noch zu sprechen. – Wollen Siedann erneut eine Amnestie? Derjenige, dem die Säum-niszuschläge jetzt erlassen werden, kann sich die Versi-cherung doch weiterhin nicht leisten.
Sie machen Folgendes: Sie drängen die Menschen,die sich die Krankenversicherung in Deutschland nichtleisten können, in eine amerikanische Notfallversor-gung. Da wird nur noch das Nötigste bedient. Mehr gön-nen Sie den Menschen nicht.
Bei einer Bürgerversicherung würde sich jeder so versi-chern können, wie er es braucht.
Die Menschen, die Sie mit einem unwürdigen amerika-nischen Notfalltarif abspeisen wollen, würden sich,wenn Sie ihnen die Wahl lassen würden, alle für die Bür-gerversicherung entscheiden.
Geben Sie den Menschen die Wahl!
SeeaulaWregMWusKmADbbkVtrsreneHteuseH
ofür würden die Menschen sich entscheiden? Für Ih-n Notfalltarif? Würde sich irgendjemand für Ihren ab-especkten Tarif entscheiden? Sie wagen es nicht, denenschen die Wahlmöglichkeit zu geben. Wenn Sie dasahlrecht einführen würden, dann wären Ihr Notfalltarifnd Ihre Regelung der Säumniszuschläge platt.
Die Frage ist: Was wurde für die Krankenhäuser be-chlossen? Herr Bahr, es ist tatsächlich so, dass dierankenhäuser unterfinanziert sind. Sie stellen jetztehr Geld zur Verfügung, aber auf die unintelligentestert und Weise, die es gibt.
ie Krankenhäuser, die mehr Pflegekräfte einstellen, ha-en keinen besonderen Vorteil. Die Krankenhäuser, dieessere Qualität liefern, haben keinen Vorteil. Die Kran-enhäuser, die sich spezialisiert haben, haben keinenorteil. Mit der Gießkanne wird auf die Schnelle ein Be-ag nachgeschüttet. Davon werden dann diejenigen be-onders profitieren, denen es schon gut geht. Die ande-n können sich die Krankenhauspflege nach wie voricht leisten. Dieser Vorschlag wurde auf die Schnelle ininer für Sie charakteristischen Art und Weise erstellt:andwerklich stimmt es vorne und hinten nicht. Sie hät-n die Gelegenheit nutzen und eine Initiative für Pflegend Qualität in die Wege leiten können. Das haben Sieich schlicht nicht zugetraut.
Herr Lauterbach, Herr Lindemann würde Ihnen gern
ine Zwischenfrage stellen.
Sehr gern.
Bitte schön.
Herr Kollege Lauterbach, würden Sie uns in diesemohen Hause vielleicht erklären, was denn in Ihrer Bür-
Metadaten/Kopzeile:
31704 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Lars Lindemann
)
)
gerversicherung mit denjenigen passieren soll, die dortihre Beiträge nicht bezahlen können?
Ganz einfach: Bei der Bürgerversicherung bezahlt je-
der – –
– Frau Präsidentin, soll ich die Frage beantworten,
oder soll ich auf weitere Zwischenfragen warten?
Sie haben zugestimmt, die Frage von Herrn
Lindemann gestellt zu bekommen. Es wäre schön, wenn
Sie die beantworten. Ich gehe davon aus, dass jemand,
der eine weitere Frage hat, sich meldet.
In der Bürgerversicherung bezahlt jeder nach seinen
Verhältnissen; jeder bezahlt nach seinem Einkommen.
Das heißt, dass für denjenigen, der kein Einkommen hat,
die zuständigen Träger und der Staat bezahlen. Derje-
nige, der ein Einkommen hat, bezahlt nach seiner Leis-
tungsfähigkeit.
Das ist ein sicheres und gerechtes System. Jeder zahlt,
wie er zahlen kann, und keiner wird überfordert. Jeder
wird aufgenommen – unabhängig von der Vorerkran-
kung, unabhängig von Behinderungen,
unabhängig von der Person, unabhängig davon, ob er
verbeamtet ist oder nicht. Ein System, gerecht für alle;
jeder zahlt nach seinen Verhältnissen und seinen Mög-
lichkeiten.
Es sind Zwischenrufe und Zwischenfragen möglich.
Ich bitte jetzt Herrn Lauterbach, fortzufahren. Oder
möchten Sie eine Zwischenfrage stellen? – Das ist nicht
der Fall. – Bitte schön, Herr Lauterbach.
fe
im
ti
s
s
W
s
w
is
b
w
fe
w
te
g
v
D
d
G
k
fe
W
n
z
g
C
H
fü
T
B
k
g
u
le
Das sage ich in aller Offenheit; denn diesem Gesetz
hlt es vorne und hinten an handwerklicher Qualität.
ir machen das der Menschen wegen, wir machen es
icht Ihnen zuliebe; denn das Gesetz ist weit hinter dem
urückgeblieben, was selbst in so kurzer Zeit möglich
ewesen wäre.
Vielen Dank.
Jetzt hat der Kollege Johannes Singhammer für die
DU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Herr Kollege Lauterbach, heute ist ein guter Tagr die Menschen in Deutschland, und zwar, weil vieleausende Krankenversicherte künftig vor ungerechteneitragsschulden bewahrt und geschützt werden, weilünftig Transparenz und Ordnung durch staatlich gere-elte Richtlinien bei der Organtransplantation herrschennd weil die Kliniken in Deutschland vor einer finanziel-n Schräglage bewahrt werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31705
Johannes Singhammer
)
)
18 Millionen Krankenhausbehandlungen im Jahr be-deuten, dass umgerechnet jeder Vierte in Deutschland ineiner Klinik behandelt wird. Darum ist es so wichtig,dass die Behandlung weiterhin exzellent bleibt. Deshalbhelfen wir schnell. Denn wer schnell gibt, gibt doppelt.Ab dem 1. August 2013 fließt Geld an die Kliniken, ins-gesamt in diesem Jahr für jede Rechnung im Zusammen-hang mit den Fallpauschalen 1,65 Prozent zusätzlich,
nach einem gerechten Verfahren, nämlich dem soge-nannten Fallmix. Das heißt, es wird jedem Fall entspre-chend seiner Werthaltigkeit dieser Zuschlag gewährt.Das sind in diesem Jahr 400 Millionen Euro; im kom-menden Jahr beträgt der Versorgungszuschlag 500 Mil-lionen Euro. Wir werden damit insgesamt – dazu kom-men ja auch die Mittel für den wichtigen BereichHygiene – auf den angekündigten finanziellen Ausgleichin Höhe von 1,1 Milliarden Euro für die Kliniken kom-men.Wir wissen, dass ein großer Teil der Ausgabenzu-wächse der Kliniken durch die Tariflohnsteigerungen be-dingt sind. Zwei Drittel der Ausgaben der Kliniken sindLohnkosten. Wir wollen, dass die enorm aufreibendeschwierige Arbeit der Mitarbeiter in den Kliniken, vonden Ärzten bis zu den Pflegekräften, gerecht bezahltwird. Deshalb ist es wichtig, den Tariflohnausgleich indieser Gesamtsumme vorzusehen. Damit zeigen wirauch Anerkennung für die schwierige Arbeit, die dortgeleistet wird. Die Patientinnen und Patienten in denKliniken wollen auch, dass diejenigen, die sich um siekümmern, gerecht behandelt und entlohnt werden.
Bei den Einnahmen der Kliniken ist noch eine wich-tige Verbesserung vorgesehen. Galt früher, dass höchs-tens ein Drittel der Differenz zur Grundlohnrate ange-rechnet wird, so wird der Orientierungswert jetzt voll indie Verhandlungen eingebracht werden können. Das be-deutet letztlich eine bessere Einnahmesituation der Kli-niken. Also kommt es auch auf diesem Weg zu Verbes-serungen.Das alles zusammen wird dazu führen, dass die Klini-ken in Deutschland auf eine bessere und sicherere finan-zielle Grundlage gestellt werden. Damit haben die Kli-niken Planungssicherheit, und die Patienten habenVersorgungssicherheit. Deshalb ist dies ein guter Tag fürDeutschland.
Jetzt hat die Kollegin Kathrin Vogler das Wort für die
Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Fast 150 000 Menschen in Deutschland sindheute nicht krankenversichert, und weitere ungefähr50 000 haben hohe Beitragsschulden in der gesetzlichenKvleshdHDzhdhüvnkbszBlecddkkdremEhsennukrekDssdcru
Metadaten/Kopzeile:
31706 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Kathrin Vogler
)
)
Wenn Sie – damit spreche ich direkt den KollegenLauterbach an – unserem Antrag heute zustimmen, dannbraucht es keine solch komplizierten Sonderregelungen.
Wenn alle solidarisch gesetzlich versichert sind, habenalle einen bezahlbaren umfassenden Krankenversiche-rungsschutz.
Nun zu den Krankenhäusern. Sie haben die Mittel fürdie Krankenhäuser 2010 um rund 1,4 Milliarden Eurogekürzt. Jetzt sollen sie 1,1 Milliarden Euro davon zu-rückbekommen. Das ist doch, als würde man sich heftigaufs Knie hämmern und sich dann freuen, wenn derSchmerz nachlässt.
Den real existierenden Pflegenotstand werden Sie damitnicht beheben; diese Erhöhung ist nämlich nur ein Trop-fen auf den heißen Stein.Diesen Teilen des Gesetzentwurfs können wir alsonicht zustimmen. Wir werden uns deshalb bei der Ab-stimmung über das Gesamtpaket enthalten.Den Antrag der SPD unterstützen wir.Jetzt aber zu dem Teil des Gesetzentwurfs, der unsereZustimmung erhält. Vorgestern ist es uns in einer ge-meinsamen Bemühung aller Fraktionen gelungen, ersteÄnderungen am Transplantationsgesetz zu vereinbaren.Vor einem Jahr wurden die Manipulationen an den War-telisten für Lebertransplantationen bekannt; doch nochimmer gehen viele Staatsanwälte und Operateure davonaus, dass eine solche Manipulation lediglich eine schrift-liche Lüge sei und damit nicht strafbar. Mit der nun vor-liegenden Gesetzesänderung wird klar: Eine Manipula-tion von Patientendaten mit der Absicht, die Wartelistezu beeinflussen, ist künftig auf jeden Fall strafbar.
Das ist ein gutes Ergebnis der intensiven Beratungen un-ter den Fraktionen und mit dem Bundesministerium fürGesundheit. Ich bedanke mich ganz herzlich bei denKolleginnen und Kollegen des Gesundheitsausschussesund beim Bundesgesundheitsministerium, namentlichbei der Parlamentarischen Staatssekretärin Widmann-Mauz. Ich freue mich wirklich, dass diese Gesetzesände-rung hier gemeinsam auf den Weg gebracht werdenkann. Wir setzen damit ein deutliches Zeichen für mehrTransparenz und Kontrolle in diesem sensiblen Bereich.
Über weitere Schritte auf diesem Weg werden wir inder übernächsten Woche noch diskutieren. Ich bin sicher,dpBshreGbmicteelufooWLhdecSliwdVluddfasEawtidAü
Es ist aber durchaus auch Kritik an diesem Gesetzent-urf zu üben: Mit der Schaffung des Notlagentarifes iner privaten Krankenversicherung wird vor allem einorteil für die PKV entstehen; denn die Altersrückstel-ngen der Versicherten werden verfrühstückt. Außer-em schützen Sie die PKV mit dem Gesetzentwurf wie-er einmal vor Konkurrenz durch die GKV; denn decto machen Sie die Wahltarife der GKV platt. Da zeigtie sich wieder, Ihre Klientelpflege zugunsten der PKV.Ich sage Ihnen: Wir werden dieses Problem durch dieinführung der Bürgerversicherung lösen. Dann wird esuch für Selbstständige leichter, die Beiträge zu zahlen:eil sich die Beiträge dann am realen Einkommen orien-eren.
Herr Singhammer hat sich sehr dafür gelobt, dass fürie Krankenhäuser jetzt viel Geld bereitgestellt wird.uch wir begrüßen das. Aber man muss auch einmalber den Zickzackkurs von Schwarz-Gelb reden: Erst
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31707
Birgitt Bender
)
)
habt ihr ständig an den Krankenhäusern gespart und be-hauptet, da sei noch Luft, und jetzt, wo ihr seht, dassdem nicht so war, soll es wieder einen Geldregen geben,und zwar mit der Gießkanne. Wir sehen, dass in vielenKrankenhäusern die Arbeitsbedingungen – einmal grobgesagt – unter aller Sau sind,
was natürlich auch die Patienten ausbaden müssen. Des-wegen ist es richtig, dass es jetzt ein Notprogramm gibt;aber es ist genau das: nicht mehr und nicht weniger alsein Notprogramm.Was in der nächsten Legislaturperiode ansteht, ist dieInangriffnahme einer strukturellen Reform. Der Bundmuss sich mit den Ländern zusammensetzen, damit ins-besondere das Problem der Investitionskostenfinanzie-rung, die jetzt häufig aus den Betriebsmitteln erfolgt, ge-löst wird.
Auch die Organspende ist bereits angesprochen wor-den. Wir sind froh, dass Anliegen unserer Initiative inVerhandlungen mit den anderen Fraktionen aufgenom-men wurden. Es wird jetzt so sein, dass sich das Ministe-rium per Genehmigung in die Richtlinien für die Vertei-lung der Organe einmischt. Die bekommen dadurch einegrößere Verbindlichkeit. Verstöße gegen diese Richt-linien seitens der Ärzte – Manipulationen bei derDiagnose etc. – werden strafrechtlich sanktioniert. Dasheißt, es geht nicht mehr, dass Ärzte, sei es aus Geldgier,sei es aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft oder auseigener Machtvollkommenheit, sagen: Was kümmernmich die Richtlinien? Was kümmert mich eine richtigeDokumentation? Ich sorge dafür, dass meine Patientenvorzeitig Organe bekommen. – Jetzt wird angesichts derKnappheit der Organe, die wir nie vollkommen beseiti-gen werden, dafür gesorgt, dass die Richtlinien wenigs-tens eingehalten werden.Meine Damen und Herren, wir hätten es bei einigenPunkten besser gemacht, aber wegen der Punkte, die wirfür positiv halten, werden wir diesem Gesetzentwurf zu-stimmen.
Für die FDP-Fraktion hat jetzt Gabriele Molitor das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Es ist schon mehrfach angesprochen worden,
dass wir uns vor einem Jahr über alle Fraktionsgrenzen
hinweg geeinigt und das Transplantationsgesetz geän-
dert haben und uns anschließend bekannt gewordene
Manipulationsfälle dazu gebracht haben, den Kontroll-
prozess zu begleiten. Es ist schon etwas Besonderes,
w
u
s
tr
Z
h
e
Z
ti
v
R
O
e
h
g
d
li
n
k
d
z
D
e
w
s
d
w
g
W
W
h
tr
tu
F
d
V
fü
b
d
g
ra
v
d
ass wir den Antrag noch vor der Sommerpause hier
inbringen, zeigt, dass uns dieses Thema besonders
ichtig ist. Wir wollen, dass die Bereitschaft zur Organ-
pende wieder wächst, wir wollen Vertrauen im Sinne
er schwerkranken Menschen zurückgewinnen, und wir
ollen, dass wieder mehr Menschen in Deutschland sa-
en: Ich bin Organpate.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion hat jetzt Marlies Volkmer das
ort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!as wir jetzt besprechen, gleicht einem Potpourri. Wiraben drei große Themen: Erstens. Wie können wir Bei-agsschuldner in der Krankenversicherung vor Überlas-ng schützen? Zweitens geht es um die Aufstockung derinanzmittel für die Krankenhäuser. Wir stimmen zu,ass die Krankenhäuser unterfinanziert sind; aber eineerteilung nach dem Gießkannenprinzip halten wir nichtr in Ordnung. Wir hätten uns vor allen Dingen auf Ver-esserungen für das Pflegepersonal und die Erhöhunger Qualität in Krankenhäusern konzentriert. Drittenseht es um Änderungen im Transplantationsgesetz. Hie-uf möchte auch ich mich konzentrieren, auch wenn dason anderen Fraktionen schon angesprochen wurde;enn das ist wirklich ein extrem wichtiges Thema.
Metadaten/Kopzeile:
31708 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Marlies Volkmer
)
)
Vor noch nicht einmal einem Jahr haben wir hier frak-tionsübergreifend Änderungen im Transplantationsgesetzbeschlossen. Unser Ziel war es damals, das Vertrauen derMenschen in den Organspendeprozess zu stärken.Gleichzeitig hatten wir im Gesetz verankert, dass dieKrankenkassen alle Versicherten anschreiben, über Or-ganspende informieren, diesem Anschreiben einen Organ-spendeausweis beilegen und die Menschen auffordern,sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden.Natürlich sind wir damals davon ausgegangen, dassdie Zahl der Organspender dadurch steigen wird; dennwir wissen aus Umfragen, dass zwar viele Menschengrundsätzlich bereit sind, nach dem Tode ein Organ zuspenden, dass aber eben längst nicht alle Menschen, dieprinzipiell dazu bereit sind, einen Organspendeausweishaben.Dann geschah das, was hier schon beschrieben wor-den ist: Im Sommer wurden wir von dem Organspende-skandal in Göttingen überrascht.
Es stellte sich dann heraus, dass auch in drei anderenvon insgesamt 24 Transplantationszentren Manipulatio-nen vorgekommen sind. Diese Aufdeckung ist auch da-durch begünstigt worden, dass wir im Transplantations-gesetz, das wir im vorigen Jahr beschlossen haben, diePrüfungskommission und die Überwachungskommis-sion gesetzlich verankert und diesen Kommissionenauch größere Kompetenzen zugebilligt haben.Dieser Skandal hat leider Gottes dazu geführt, dassdie Zahl der Organspenden weiter rückläufig gewesenist. Im vorigen Jahr, im Jahr 2012, sind die Organspen-den gegenüber 2011 fast um 13 Prozent zurückgegan-gen, und dieser Trend setzt sich leider auch in diesemJahr fort. Im ersten Quartal gab es deutschlandweit nur230 Organspender. Im Vorjahreszeitraum waren es noch281. Das geht zulasten der Menschen, die dringend aufein Organ angewiesen sind.So war es richtig, dass fraktionsübergreifend eine Ar-beitsgruppe in Zusammenarbeit mit dem Gesundheits-ministerium getagt hat. Auch ich möchte mich ausdrück-lich bei der Staatssekretärin Frau Widmann-Mauzbedanken,
die diese Arbeitsgruppe meines Erachtens ganz toll ge-führt hat. Vielen Dank noch einmal.
So gibt es nun zwei weitere Änderungen im Trans-plantationsgesetz, die ganz wichtig sind – ich möchtedas noch einmal betonen –:Zum einen ist verankert worden, dass die Richtliniender Bundesärztekammer zur Transplantationsmedizinvom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt wer-ddAcbnatewotisgWdkvtiWhfeWinLcnVPwwgdBngdsDz
or allen Dingen sollte man sich auch um die wirklichenrobleme der Menschen in Deutschland kümmern, soie wir es tun. Wir kümmern uns um diese Probleme,ir kümmern uns um die Menschen, wenn es ihnen nichtut geht, und wir kümmern uns insbesondere auch mitem Gesetz zum Schutz gegen die Überforderung durcheitragsschulden darum, dass unser Gesundheitssystemicht zur Gesundheitsfalle wird.
Liebe Kollegin Volkmer, am Rande noch eines: Es ist,laube ich, falsch, wenn man vom „Organspendeskan-al“ redet. Es geht darum – was wir uns lange nicht vor-tellen konnten –, dass Wartelisten manipuliert werden.as wollen wir jetzt in diesem Omnibusgesetz mit bis zuwei Jahren bestrafen. Ich gehe davon aus, dass wir da-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31709
Karin Maag
)
)
mit das Vertrauen der Menschen in die Organspende zu-rückholen können.
Unser Sozialstaat verdient seinen Namen auch des-halb, weil keiner mehr Sorge haben muss, dass er denArztbesuch nicht bezahlen kann. Seit dem 1. April 2007gibt es im Bereich der GKV die Versicherungspflicht.Jeder, der einmal Mitglied in der GKV war oder ihr zu-zuordnen ist, muss sich seither bei einer gesetzlichenKrankenkasse versichern. Diese Regelung wurde 2009auf die PKV ausgedehnt.Tatsächlich hat die Große Koalition gemeinsam diehohen Säumniszuschläge eingeführt, um zu verhindern,dass es für freiwillig Versicherte attraktiv werdenkönnte, zulasten der Solidargemeinschaft keine Beiträgezu zahlen und stattdessen Schulden in Kauf zu nehmen.Kündigung war ja ausgeschlossen. Diese Erwartungenhaben sich nicht erfüllt. Deswegen müssen wir diese Re-gelung ändern. Mittlerweile sind die Schulden der säu-migen Beitragszahler bei der GKV auf 2,5 MilliardenEuro angewachsen. Uns ist es wichtig, dass die Kranken-versicherung nicht mit der Angst vor Schulden verknüpftwird. Künftig wird deswegen ein regulärer Säumniszu-schlag in Höhe von 1 Prozent des rückständigen Beitragsgelten.Mit zwei weiteren Änderungen wollen wir auch dieStundung und den Erlass von Beiträgen deutlich verein-fachen und befördern. Kurz: Wir stellen sicher, dass dieKrankenkassen regelmäßig, regelhaft, von den Instru-menten Stundung und Erlass in jedem Einzelfall ange-messen Gebrauch machen können – übrigens nicht nurzugunsten der Versicherten, sondern auch im eigenen In-teresse der Kassen, um den enormen bürokratischenAufwand, wie er bisher entstanden ist, zu vermeiden.Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind inDeutschland immer noch 130 000 Menschen nicht versi-chert. Für diese Nichtversicherten war in der Vergangen-heit der Preis für den Einstieg in die gesetzliche Kran-kenversicherung zu hoch. Hierbei geht es nicht nur umSäumniszuschläge, sondern vor allem darum, dass mitVersicherungsbeginn für den Zeitraum, der ohne Versi-cherungsschutz war, maximal bis 2007 zurück, Beitrags-forderungen entstanden sind. Im Gegenzug waren dieKassen zwar zur Leistung verpflichtet, das hatte aber inder Praxis kaum Auswirkungen.Mit einer Stichtagsregelung regeln wir einen vollstän-digen Schuldenerlass und setzen damit einen hohen An-reiz für jene, die bislang noch nicht versichert waren,sich endlich zu versichern. Wer sich also bis Ende diesesJahres bei einer Versicherung meldet, entgeht der Forde-rung nach rückständigen Beiträgen und Säumniszuschlä-gen.Weil uns die Privatversicherten gleichermaßen amHerzen liegen, haben wir auch für diesen Bereich einähnliches System geschaffen. Auch in der PKV gibt esRückstände in Höhe von 745 Millionen Euro. Nichtzah-ler sind insbesondere junge Selbstständige, die sich beidscwdruvtrdbtekteWsnbdJbGvslubwGcImsBdudKgM
Für diese Nichtzahler gibt es jetzt den Notlagentarif,er dazu führt, dass der bisherige Versicherungsvertraght. Die Versorgung bei akuten Erkrankungen ist selbst-erständlich gesichert. Mit einem prognostizierten Bei-ag in Höhe von 100 Euro, Herr Lauterbach, wird daseutlich günstiger als der Basistarifvertrag, der bisherei rund 600 Euro liegt.
Frau Bender, ein Hinweis an Sie: Die angesparten Al-rsrückstellungen bleiben bestehen. Es werden nureine neuen gebildet. Das ist ein ganz wesentlicher Un-rschied.
ir nehmen den Neueinsteigern die Sorge vor der Über-chuldung. Bisher musste schlimmstenfalls für seit 2009icht bezahlte Prämien mit einem Prämienzuschlag vonis zu 15 Monatsbeiträgen gerechnet werden. Hier giltas Gleiche wie bei der GKV: Wer sich bis Ende desahres meldet, der wird von solchen Prämienzuschlägenefreit.Noch eines haben wir gelernt: Anders als bei derKV sind bei der PKV die Kinder nicht beitragsfrei mit-ersichert, sondern für sie muss ein eigener Vertrag ge-chlossen werden. Im Falle einer vorübergehenden Zah-ngsschwierigkeit der Eltern sind auch die Kinderetroffen, wenn sie privat versichert sind. Für sie habenir ein eigenes Leistungspaket geschnürt, auf dessenrundlage alle Aufwendungen für Vorsorgeuntersu-hungen und Schutzimpfungen, so sie von der Ständigenpfkommission empfohlen werden, erstattet werden.Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass wir mit die-em Paket von Maßnahmen, die sich aus dem Gesetz zureseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschul-en in der Krankenversicherung ergeben, eine wirklichmfassende Hilfestellung geben. Das Gesetz bringt unsem Ziel näher, allen Bürgern in Deutschland einenrankenversicherungsschutz zu ermöglichen und unserutes Gesundheitssystem bezahlbar zu halten.Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention gebe ich der Kolleginarlies Volkmer das Wort.
Metadaten/Kopzeile:
31710 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
)
Liebe Kollegin Maag, ich nutze die Gelegenheit, zu
sagen, dass ich mich vorhin in meiner Rede in der Tat
versprochen habe. Ich wollte „Skandal“ sagen, habe aber
„Organspendeskandal“ gesagt. Es ist mir durchaus be-
wusst, dass das kein Skandal im Zusammenhang mit der
Spende war, sondern dass dieser Skandal im Zuge des
Vermittlungsprozesses passiert ist. Das wollte ich gerne
klarstellen.
Dann gebe ich jetzt dem Kollegen Lothar Riebsamen
das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! In der Tat beinhaltet dieser Gesetzentwurf ei-nen ganzen Blumenstrauß von Maßnahmen zugunstender Patientinnen und Patienten in unserem Land. Ich willmich aber ausschließlich mit dem Thema Krankenhäuserbefassen; denn die über 2 000 Krankenhäuser mit1,1 Millionen Beschäftigten sind natürlich eine wichtige,wenn nicht die wichtigste tragende Säule des Gesund-heitswesens in diesem Land. Nicht von ungefähr hat sichdiese Regierungskoalition in den vergangenen vier Jah-ren sehr intensiv mit den Problemen der Krankenhäuserim Zusammenhang mit der Finanzierung der Personal-kosten und der Sachkosten auseinandergesetzt und hatihr einen erheblichen Teil ihrer Arbeit gewidmet.Ich erinnere an das Versorgungsstrukturgesetz, mitdem wir für eine bessere Verzahnung zwischen denKrankenhäusern und dem ambulanten Bereich gesorgthaben. Ich erinnere an das Infektionsschutzgesetz undwiderspreche ausdrücklich Ihnen, Herr ProfessorLauterbach, dass wir nichts zur Verbesserung der Quali-tät getan hätten. Wir haben das Infektionsschutzgesetzeingeführt und verbessert und werden das heute nocheinmal tun. Damit wird die Qualität in unseren Kranken-häusern noch einmal erhöht.
Darüber hinaus haben wir mit dem Psych-Entgeltge-setz im vergangenen Jahr die Krankenhäuser bei der Fi-nanzierung der Personalkosten hinsichtlich der verein-barten Tariferhöhungen erneut unterstützt. Es warnachvollziehbar und auch richtig, dass die Krankenhäu-ser im Frühjahr dieses Jahres erneut auf uns zugekom-men sind und eine Verbesserung der Finanzsituation fürden laufenden Betrieb von uns eingefordert haben.
Wir stehen dazu. Ja, es ist richtig, dass sie das getan ha-ben, und wir liefern an dieser Stelle. Denn wir wün-sÄksdsShtewznIcwVkgteadrewWhzbmggzFsruhPKOnüs2dh
Es ist aber normalerweise auch so, dass die Kranken-ausentgelte zu 100 Prozent für Personal- und Sachkos-n zur Verfügung stehen. Nicht so aber in diesem Land,eil die Bundesländer ihrer Verpflichtung, zu 100 Pro-ent für die Investitionskosten aufzukommen, nichtachkommen.
h gebe ausdrücklich der Kollegin Bender recht. Des-egen muss Schluss damit sein, dass die Länder ihrererpflichtung nicht nachkommen.
1,1 Milliarden Euro: Das ist der Betrag, den die Kran-enhäuser in 2013 und 2014 bekommen. Ab dem 1. Au-ust können die Krankenhäuser 1 Prozent und im nächs-n Jahr noch einmal 0,8 Prozent auf ihre Rechnungenufschlagen und haben damit sofort Geld zur Verfügung,as sie auch dringend brauchen. Ich habe einmal ausge-chnet, was der in dem Gesetzentwurf vorgesehene teil-eise Tarifausgleich für ein Krankenhaus in meinemahlkreis mit 500 Betten bedeutet: Diesem Kranken-aus stehen dadurch in diesem Jahr rund 400 000 Eurousätzlich zur Verfügung. Das ist ein Wort!
Ich habe das Infektionsschutzgesetz als Qualitätsver-esserungsmaßnahme schon erwähnt. Es wird nun auchit zusätzlichen Mitteln und einem Hygiene-Förderpro-ramm unterlegt. Es werden Neueinstellungen von Hy-ienefachkräften mit Zuschüssen in Höhe von 90 Pro-ent der Kosten gefördert, Neueinstellungen vonachärzten mit bis zu 75 Prozent und anderes mehr. Zu-ammengerechnet geben wir bis 2020 für eine Verbesse-ng der Qualität 365 Millionen Euro für die Kranken-äuser und – das sage ich noch einmal bewusst – für dieatientinnen und Patienten aus.Wir sind auch einer wichtigen anderen Forderung derrankenhäuser nachgekommen, nämlich im Bereich desrientierungswertes flexibler zu sein, der seit dem 1. Ja-uar 2013 gilt. Die Krankenhäuser konnten aber nurber einen Teil dieser Kostensteigerungen, vom Statisti-chen Bundesamt festgelegt, verhandeln. Sie können für014/2015 über den vollen Orientierungswert verhan-eln. Das war eine berechtigte Forderung der Kranken-äuser, der wir nachgekommen sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31711
Lothar Riebsamen
)
)
Es geht bei dem Gesetz nicht nur um Geld, sondernauch um die Verbesserung der Kommunikation zwischenden Krankenhäusern und den Kostenträgern. Es ist im-mer wieder von Problemen bei der Abrechnung dieRede. Mit der Einrichtung einer Schlichtungsstelle aufBundesebene sorgen wir dafür, dass zukünftig dieseKabbeleien, wie ich es einmal nenne, vor Ort weitge-hend zurückgedrängt werden. Denn die Dinge vongrundsätzlicher Bedeutung werden geregelt, und wir ge-hen davon aus, dass Streitigkeiten nicht mehr in demUmfang wie in der Vergangenheit auftreten.Zusammenfassend kann ich sagen: Wir liefern sofort.Wir helfen den Krankenhäusern, und wir bieten in dieserRegierungskoalition auch eine Perspektive über diesesWahljahr 2013 hinaus, dass wir uns in der nächstenWahlperiode mit Strukturen und mit der Bedarfsplanungauseinandersetzen werden.Herzlichen Dank.
Wir sind am Ende der Debatte, die ich hiermitschließe.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Ge-setzentwurf zur Beseitigung sozialer Überforderung beiBeitragsschulden in der Krankenversicherung. Der Aus-schuss für Gesundheit empfiehlt unter Buchstabe a sei-ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13947, denGesetzentwurf auf Drucksache 17/13079 in der Aus-schussfassung anzunehmen.Die Fraktion Die Linke hat beantragt, über Art. 5 d ei-nerseits und über den Gesetzentwurf im Übrigen ande-rerseits getrennt abzustimmen. Deswegen rufe ich zu-nächst Art. 5 d in der Ausschussfassung auf. Ich bittediejenigen, die ihm so zustimmen wollen, um das Hand-zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit istArt. 5 d einstimmig angenommen.Jetzt stimmen wir über die übrigen Teile dieses Ge-setzentwurfs in der Ausschussfassung ab. Ich bitte dieje-nigen, die zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – DieGegenstimmen? – Die Enthaltungen? – Damit sind dieübrigen Teile des Gesetzentwurfes angenommen bei Zu-stimmung durch CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/DieGrünen. SPD und Linke haben sich enthalten. Gegen-stimmen gab es keine.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetz-entwurf zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. –Die Gegenstimmen? – Die Enthaltungen? – Damit ist derGesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichenStimmenverhältnis wie vorher angenommen.Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 17/13947 empfiehlt der Ausschuss, den Ent-wurf eines Gesetzes der Bundesregierung auf Drucksa-che 17/13402 zur Beseitigung sozialer ÜberforderungblefeiseDBdmBfeBdnfiFTKWgfeCdsAmBshwBgadm
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergän-zung des Grundgesetzes um Volksinitiative,Volksbegehren, Volksentscheid und Referen-dum– Drucksache 17/13873 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss Rechtsausschussb) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Ab-
– Drucksache 17/13874 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss RechtsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Da-it sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen.
Metadaten/Kopzeile:
31712 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)Das Wort für die SPD-Fraktion gebe ich dem Kolle-gen Thomas Oppermann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsereparlamentarische Demokratie hat – nach über 60 Jahrenkönnen wir das feststellen –
gut funktioniert. Sie ermöglicht schnelle Entscheidun-gen, wenn es darauf ankommt. Sie hat auch den einenoder anderen guten Regierungswechsel ermöglicht, undes gibt nicht den geringsten Grund, unsere parlamentari-sche Demokratie infrage zu stellen.Allerdings dürfen wir nicht ignorieren, dass es Pro-bleme gibt. Die Kommunalwahlen in Schleswig-Hol-stein vor drei Wochen sind mit einem Negativrekord zuEnde gegangen: Nur noch 46 Prozent der Wahlberech-tigten haben ihre Stimme abgegeben. Seit Jahren sinktdie Wahlbeteiligung auf allen Ebenen. Wenn aber eineMehrheit der Menschen nicht mehr an den Wahlen teil-nimmt, dann darf uns das nicht gleichgültig sein.
Die Bild-Zeitung hat heute ebenfalls eine Studie vorge-legt, nach der im Herbst nur jeder Zweite – jedenfallsnach heutiger Bereitschaft – an der Bundestagswahl teil-nehmen will. Sie empfiehlt im Kommentar eine Wahl-pflicht. Ich meine, die Wahlpflicht ist der falsche Weg.Wir müssen die Menschen von der Demokratie und derNotwendigkeit des Wählens überzeugen.
Die Bertelsmann-Stiftung hat am Montag eine Studiezur Wahlbeteiligung veröffentlicht. Sie zeigt eines ganzdeutlich: Viel zu viele Menschen fühlen sich heute vonder Politik ausgeschlossen. Sie empfinden Politik alsschwer verständlich, haben resigniert und glauben nichtmehr daran, dass sich politisches Engagement lohnt. Ichmeine, wir dürfen diese Menschen nicht verloren geben,meine Damen und Herren.
Allerdings geht es nicht nur um Frust oder politischesDesinteresse. Das ist der große Irrtum der Konservati-ven, die jede Veränderung immer gleich als Niedergangdeuten. Tatsache ist nämlich auch, dass sich Formen desEngagements gewandelt haben. Die Wahlbeteiligungmag noch so niedrig sein, trotzdem ist der Wunsch vielerMenschen, etwa bei einem Bauprojekt in ihrer Nachbar-schaft mitzureden, niemals größer gewesen. Niemals zu-vor waren Bürgerinnen und Bürger so gut informiert undkompetent wie heute. Schließlich ist die Fachinforma-tion oft nur einen Mausklick entfernt.akhaUBSKbHtäLDweGgmazemkweJuwWDkWmgligHmisBhs
etzt schlagen wir vor, unsere repräsentative Demokratiem Elemente der direkten Demokratie zu erweitern. Wirollen den Menschen auf Bundesebene ermöglichen, imege der Volksabstimmungen selbst zu entscheiden.abei ist klar: Wir wollen die parlamentarische Demo-ratie um die Möglichkeit ergänzen, zwischen zweiahltagen innerhalb von vier Jahren eine Regierung, diean ja nicht einfach abwählen kann, dennoch in wichti-en Sachfragen punktuell zu korrigieren. Diese Mög-chkeit wollen wir den Bürgern einräumen.
Meine Damen und Herren, Abraham Lincoln hat dasroße Versprechen der Demokratie einst so formuliert:Demokratie ist die Regierung des Volkes durch dasVolk für das Volk.eute vertrauen immer weniger Menschen darauf, dassit Wahlen allein eine Politik für das Volk zu schaffent. Die Menschen haben auch Gründe dafür. Hier imundestag werden mitunter die Interessen von Minder-eiten auf Kosten der Mehrheit ganz schamlos durchge-etzt. Denken Sie an die Mövenpick-Steuer oder an das
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31713
Thomas Oppermann
)
)
Meldegesetz, wo allein wirtschaftliche Interessen kleinerGruppen den Ausschlag gegeben haben.
Es gibt viele politische Streitfragen, die den Bundes-tag beschäftigen: etwa den gesetzlichen Mindestlohnvon 8,50 Euro, eine verbindliche Frauenquote in Auf-sichtsräten, die Abschaffung des Betreuungsgeldes oderdie Gleichstellung von Lebenspartnerschaften. Bei allendiesen Themen stellen wir fest: Es gibt nicht nur demos-kopisch klare Mehrheiten in der Bevölkerung für dieseForderungen; es gibt in einigen Fällen sogar Mehrheitenim Deutschen Bundestag, aber aufgrund von Koalitions-zwängen dürfen diese Mehrheiten nicht so abstimmen,wie sie das wünschen.
Bei allem Respekt, lieber Kollege Grosse-Brömer, beialler Wertschätzung der Fraktionsdisziplin:
Es muss doch die Möglichkeit geben, dass sozusagen derWille der Mehrheit in dieser Gesellschaft einen Weg fin-det, sich durchzusetzen.
Ich bin ganz sicher: Wenn wir das Instrument derVolksabstimmung schon gehabt hätten, hätten wir in die-ser Wahlperiode ganz sicher ein Bürgerbegehren gegendas Betreuungsgeld auf den Weg gebracht,
ein Bürgerbegehren für den gesetzlichen Mindestlohnvon 8,50 Euro und ein Bürgerbegehren für die verbindli-che Einführung der Frauenquote.
Ich sage Ihnen: Wir hätten in dem einen oder anderenFall wahrscheinlich auch gewonnen.
Wie positiv die direkte Demokratie wirken kann, ha-ben uns vor wenigen Wochen die Schweizer gezeigt.Dort hatte sich das Parlament jahrelang dagegen ge-sträubt, etwas gegen die exzessiven Gehälter von Mana-gern zu unternehmen. Dann hat das Volk eingegriffenund der Selbstbedienung per Volksentscheid mit großerMehrheit ein Ende gemacht.
Ich finde, da können wir von den Schweizern lernen.kDtibwdwsssUsznddmdsmgmzShszdeNredhMsengkreD
Der Deutsche Bundestag sollte seine Macht in Zu-unft mit dem Volk teilen. Wir schlagen deshalb zweiinge vor:Erstens soll das Volk das Recht haben, selbst die Ini-ative zu ergreifen und Gesetze per Volksentscheid zueschließen. Damit kann es Motor der Politik werden,enn wichtige Themen vom Bundestag ignoriert wer-en.Zweitens wollen wir, dass das Volk eingreifen kann,enn es mit einem Gesetz des Bundestages nicht einver-tanden ist; mit einem Referendum kann das Volk sozu-agen auf die Bremse treten.Zu den Details nur so viel: Wir halten es für angemes-en, für eine bundesweite Volksabstimmung 1 Millionnterschriften von Wahlberechtigten zu fordern. Damitorgen wir dafür, dass nur Themen von breitem Interesseur Abstimmung kommen, aber diese Hürde ist auchicht prohibitiv hoch.Wir stellen außerdem sicher, dass die Rechte der Län-er gewahrt bleiben. Wenn ein Gesetz die Zustimmunges Bundesrates braucht, dann ist in der Volksabstim-ung eine doppelte Mehrheit nötig. Bundesweit mussie Mehrheit der Stimmen für das Gesetz sein, und ent-prechend dem Stimmgewicht der Länder im Bundesratuss es auch eine Mehrheit unter den Ländern geben.Wir sorgen außerdem für Transparenz und Chancen-leichheit. Jede Kampagne für eine Volksabstimmunguss offenlegen, wer hinter ihr steht und wer sie finan-iert. Aber wir wollen eine Kostenerstattung durch dentaat, damit auch Gruppen – und Themen – eine Chanceaben, die keine starke Organisation im Rücken haben.Meine Damen und Herren, wir haben bei diesen Vor-chlägen auch auf Erfahrungen aus den Bundesländernurückgegriffen. Allein seit der Wiederherstellung dereutschen Einheit hat es 69 Volksbegehren und 17 Volks-ntscheide auf der Ebene der Bundesländer gegeben. Iniedersachsen habe ich selbst 1993 bei der Verfassungs-form im Landtag mitgewirkt, als wir mit Rot-Grün dieirekte Demokratie in der Landesverfassung verankertaben.Wie damals geht es auch heute darum, nicht nur dieöglichkeit der Mitbestimmung des Volkes zu stärken,ondern auch die Mitverantwortung; denn heute machens sich viele Leute leicht und sagen: Die Politik kann esicht; die bringt es nicht. – Wenn es die Möglichkeitibt, politische Entscheidungen per Volksentscheid zuorrigieren, kann man sich nicht mehr so einfach heraus-den.
eshalb stärken wir auch die Mitverantwortung.Bei der direkten Demokratie bekommen wir – –
Herr Kollege.
Metadaten/Kopzeile:
31714 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
)
Darf ich noch kurz zu Ende bringen, Frau Präsiden-
tin? Ich nehme noch eine Minute.
Sie haben ja noch einen anderen Redner auf der Liste.
Gibt es eine Frage?
Nein, es gibt keine Frage. Nach Ablauf der Redezeit
lasse ich auch gar keine Fragen mehr zu. Sie haben Ihre
Redezeit schon deutlich überschritten.
Okay. Danke schön. – Ich glaube, dass Volksent-
scheide in Deutschland auch die politische Kultur verän-
dern werden. Eine Regierungsmehrheit muss stärker
begründen, was sie vorhat. Sie muss viel mehr Überzeu-
gungsaufwand betreiben. Das geht nicht mehr so wie in
der Europapolitik, wo oft der Eindruck erweckt wird,
dass man gar nicht richtig hinter den Dingen steht, die
dort beschlossen werden. Bei politischen Entscheidun-
gen im Parlament muss man stärker im Auge behalten,
was die Mehrheit der Bevölkerung will, und muss den
Dialog früher suchen.
Ich glaube, dass die direkte Demokratie unserer Ver-
fassung guttut. Das wird von Ihnen in der Union seit
60 Jahren blockiert. Besonders doppelzüngig agiert die
Fraktion der CSU. Sie tritt immer dann für Volksabstim-
mungen ein, wenn es gegen den Euro geht.
Herr Kollege.
Wenn wir aber Volksabstimmungen für alle Themen
einführen wollen, dann sind Sie dagegen. Sie haben ein
rein taktisches Verhältnis zu Volksabstimmungen. Das
lehnen wir ab. Wir brauchen – das möchte ich zum
Schluss sagen – heute mehr Möglichkeiten zur Beteili-
gung und zur demokratischen Mitbestimmung. Die ei-
nen erwarten das von uns. Für die anderen ist es eine
Chance, die Menschen wieder stärker politisch zu akti-
vieren.
Meine dringende Bitte an Sie, Kolleginnen und Kolle-
gen von der Union: Geben Sie Ihre Blockade auf! Über-
winden Sie endlich Ihre Angst! Ein Politiker, der Angst
vor dem Volk hat, ist wie ein Fisch, der wasserscheu ist.
Beide haben Ihre Bestimmung verfehlt.
Herzlichen Dank.
F
H
–
n
s
G
d
s
w
d
m
m
te
b
a
s
fe
d
a
E
A
u
d
F
g
V
fa
z
ta
J
w
o
B
A
v
s
g
E
g
d
Ja, Dieter, ich gebe dir gleich die Gelegenheit, wenn duoch eine Minute hast, nachdem der Kollege Oppermanneine Redezeit weit überzogen hat.Die Bundestagswahl rückt näher, und aus diesemrund konnte es sich die SPD-Fraktion nicht verkneifen,as Thema Volksentscheid vor Beginn der parlamentari-chen Sommerpause und dem Auftakt des Bundestags-ahlkampfes auf die Tagesordnung zu bringen. Ich hatteen Eindruck, Herr Oppermann, Ihre Begründung, manüsse einen Volksentscheid haben, um eine Regierungöglicherweise in die Schranken zu weisen, ist ein ers-s Indiz, dass Sie den Wahlkampf schon verloren gege-en haben und hoffen, uns in der nächsten Wahlperiodeuf diese Art und Weise zu reglementieren.
Sie haben als Beispiel die Schweiz genannt. Das Bei-piel, das Sie genannt haben, hatte sicher positive Ef-kte. Es gibt aber auch in der Schweiz Volksentscheide,ie – nach meiner Einschätzung und Ihrer bestimmtuch – ein ganz anderes, nämlich negatives politischesrgebnis gehabt haben.
uch das sollte man bei der Diskussion berücksichtigen.Diese Diskussion kann und wird nicht dazu führen,ns als erklärte Gegner plebiszitärer Entscheidungenarzustellen. Das ist, wie Sie selber wissen, nicht derall.Von Ihnen wurden bewusst wichtige Argumente ge-en einen solchen Volksentscheid nicht vorgetragen. Einolksentscheid ist ein auf einen Punkt reduziertes Ver-hren, bei dem die gestellte Frage nur mit Ja oder Neinu beantworten ist. Die Sachverhalte, mit denen wir unsgtäglich hier beschäftigen, sind aber nicht einfach mita oder Nein zu beantworten und auf diese einfache Ant-ort zu reduzieren. Deshalb haben wir größte Zweifel,b Volksentscheide auf Bundesebene – ich betone: aufundesebene – tatsächlich den an sie gestellten hohennsprüchen gerecht werden.Die größere Gefahr, die ich sehe, ist, dass Gesetzes-orhaben, die über Jahre durch alle Gremien gegangenind und von Experten begleitet wurden, dann zu Fallebracht werden. Das kann nach meiner Auffassung iminzelfall zu ganz gravierenden negativen Erscheinun-en führen.Sie müssen auch bedenken, dass bei Volksentschei-ungen die Gefahr besteht, dass wichtige Sachfragen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31715
Helmut Brandt
)
)
nicht nach sachbezogenen Gesichtspunkten entschiedenwerden, sondern danach, wie schlagwortartig und popu-listisch Parolen unter das Volk gebracht werden, unddass sich Menschen in ihrer Entscheidung möglicher-weise von ihrer allgemeinen Unzufriedenheit mit derBundes- oder Landespolitik leiten lassen. Ängste undWiderstand lassen sich bekanntlich wesentlich leichtermobilisieren als Begeisterung.
– Das birgt die Gefahr von Manipulationen, Michael. –Die Folge wäre ein nicht auf sachliche Argumente, son-dern auf Stimmungen gestütztes Ergebnis.
– Die Kanzlerin regiert, und wir kontrollieren sie ge-meinsam, Michael. Das ist ja unsere Aufgabe.Zurück zum Tagesordnungspunkt. Wenn ein Volks-entscheid durchgeführt würde, wenn Ihr Gesetzentwurfalso Erfolg gehabt hätte, dann wäre das Parlament, wievon Ihnen zu Recht gesagt worden ist, an das Ergebnisder Abstimmung gebunden. Ein Interessenausgleichwäre im Einzelfall gar nicht mehr herzustellen. Oft wäreer aber nötig.Es ist richtig, dass wir immer wieder auch unpopuläreEntscheidungen treffen müssen. Aber langfristig habensich die meisten dieser Maßnahmen doch als richtig er-wiesen, auch wenn – darauf weise ich hin – zum Zeit-punkt der Verabschiedung ein Volksentscheid die Maß-nahme verhindert hätte. Ich erinnere an Ihre eigenenHartz-IV-Gesetzgebungsverfahren. Ich bin davon über-zeugt: Wenn dazu damals ein Volksentscheid durchge-führt worden wäre, hätten wir diese richtigen Reformenin dieser Form nicht auf den Weg bringen können.
– Ja, ja, Herr Hunko. Für Sie wäre das vielleicht die ein-zige Möglichkeit, politisch wirken zu können. Aber esist nicht unsere Absicht, dazu beizutragen.Visionäre Entscheidungen, wie wir sie in der Vergan-genheit immer wieder erlebt haben – ob es um das ge-meinsame Europa oder um die Ostpolitik von WillyBrandt ging –, wären damals aus dem Zeitgeist herausvon den Bürgerinnen und Bürgern in einem Volksent-scheid vielleicht abgelehnt und gebremst worden. Dasalles muss man mit bedenken.Ich habe manchmal wirklich den Eindruck, manch ei-ner, der mehr direkte Demokratie fordert, möchte sich indem einen oder anderen Fall hinter dem Ergebnis einesVolksentscheids verstecken, weil er nicht die Kraft hat,eine schwierige Entscheidung selbst zu treffen, wie es inunserer repräsentativen Demokratie aber nun einmal ge-fordert ist. Das ist, glaube ich, ein Gesichtspunkt, der im-mer wieder zum Tragen kommt.Ich habe ein Beispiel vor Augen. In Aachen ist kürz-lich ein Volksentscheid durchgeführt worden, und zwarzu einem Projekt, das von allen großen politischen Par-teGPADluPmfanzgbisruvDnWmUeKHdBinsg–tiWwBdVwdAk
orin besteht eigentlich der große Unterschied? Oder
ollen Sie die Instrumente der direkten Demokratie in
ayern und Nordrhein-Westfalen abschaffen?
Lieber Herr Wiefelspütz, sicherlich wissen auch Sie,ass in Nordrhein-Westfalen die Einführung einesolksentscheids mit den Stimmen der CDU beschlossenorden ist, sogar auf Initiative der CDU. Das belegt,ass wir diesen Ansatz nicht grundsätzlich ablehnen.
llerdings findet das in den Bundesländern in einemleineren Rahmen statt. Nordrhein-Westfalen ist mit sei-
Metadaten/Kopzeile:
31716 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Helmut Brandt
)
)
nen 18 Millionen Einwohnern zugegebenermaßen eingroßes Land; aber in diesem Rahmen lässt sich das nochhandhaben.Außerdem muss man sich fragen: Welche Entschei-dungen sind auf Bundesebene zu treffen? Wollen wir imHinblick auf diese Entscheidungen, die sich deutlich vonden Entscheidungen, die auf Landesebene zu treffensind, unterscheiden,
tatsächlich eine solche Möglichkeit schaffen? Wir nei-gen derzeit immer noch zu der Auffassung, dass das aufBundesebene nicht der richtige Weg ist.
– Jeder wird klüger. Das wird hoffentlich auch bei Ihnennoch möglich sein. – Jedenfalls halten wir den Vor-schlag, den Sie gemacht haben, nicht für zustimmungs-würdig.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, jemand, dersagt, Demokratie sei mehr, als alle vier Jahre zur Wahlzu gehen, der hat natürlich völlig recht. Derjenige, derdaraus jedoch den Schluss zieht, wir bräuchten plebiszi-täre Entscheidungen auch auf Bundesebene, der ver-kennt die zahlreichen Möglichkeiten, die unsere Demo-kratie im Meinungsbildungsprozess tatsächlich bietet.Ich will von den entsprechenden Gesetzesinitiativen,die wir in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebrachthaben, nur ein Projekt nennen: die frühzeitige Beteili-gung von Bürgerinnen und Bürgern am Planfeststel-lungsverfahren im Vorfeld großer Bauvorhaben. Uns warnatürlich bewusst – dieses Problem haben wir gelöst –,dass die Bürgerinnen und Bürger, die von einer Maß-nahme betroffen sind, frühzeitig die Gelegenheit erhal-ten müssen und jetzt auch haben, sich bei solchen Pro-jekten zu beteiligen. Es gibt noch vielfältige andereMöglichkeiten, die ich Ihnen nicht alle aufzählen muss.Ich möchte, anders als es der Kollege vor mir ge-macht hat, meine Redezeit nicht überstrapazieren, son-dern möchte an dieser Stelle schließen.Es ist leicht durchschaubar, Herr Oppermann, warumSie gerade jetzt mit diesem Vorhaben kommen:
Es ist wirklich ein auf den Wahlkampf zugespitztes Vor-haben, das wir aber inhaltlich ablehnen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun Petra Pau für die Fraktion Die
Linke.
d
D
s
d
V
tr
s
n
F
In
k
s
tr
k
N
W
n
in
d
e
d
K
n
le
s
g
A
s
m
„
–
L
L
D
te
S
d
re
fo
ri
E
e
Andere würden vielleicht meinen – das klang hierchon an –: „Spät kommt ihr – doch ihr kommt!“ Dasifft es leider nicht. Richtig müsste es heißen: „Spätommt ihr – doch zu spät.“ Denn alle wissen: Bis zureuwahl des Bundestages verbleiben nur noch wenigeochen. In dieser knappen Zeit ist dieser Wunsch in ei-em normalen parlamentarischen Verfahren nicht mehrs Werk zu setzen. Deshalb orakeln Böswillige, es geheer SPD gar nicht um mehr Demokratie auf Bundes-bene, sondern um puren Wahlkampf. Andere meinen,ie SPD spekuliere darauf, dass die Unionsfraktion – derollege Brandt zeigte sich eben wieder verlässlich – diesatürlich wie seit Jahrzehnten blockieren wird.Um es deutlich zu sagen: Ich kann mir nicht vorstel-n, dass die SPD, die älteste Partei in Deutschland, mitolchen Tricks arbeitet, zumal es um eine gute Sacheeht.
ber, liebe Kollegen von der Union, wenn es doch soein sollte, gibt es einen Ausweg. Deshalb richte ichich an Sie: Ich würde mir an Ihrer Stelle – ich weiß,an Ihrer Stelle“ ist für uns beide nur schwer vorstellbar einen Ruck geben und mich nicht vorführen lassen.assen Sie doch die SPD mit ihrem Kalkül einfach inseere laufen und stimmen Sie zu.
amit schlagen Sie zwei Fliegen mit einer Klappe: Ers-ns machen Sie den Wahlkampfstrategen der SPD einentrich durch die Rechnung. Zweitens können wir dannie SPD beim Wort nehmen.
Nun aber zurück zum inhaltlichen Anliegen: mehr di-kte Demokratie. Im Land Berlin wurde das gerade er-lgreich praktiziert: Mehr als eine Viertelmillion Bürge-nnen und Bürger Berlins haben gefordert, dass dienergienetze wieder in kommunale Hand kommen undin Stadtwerk Berlin künftig mit ökologischer Energie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31717
Petra Pau
)
)
versorgt. Ich bin stolz, dass die Linke wesentlich dazubeigetragen hat.
Auf Bundesebene sind Volksinitiativen, Volksbegeh-ren und Volksabstimmungen aber noch immer ausge-schlossen, das heißt, die Bundesrepublik ist in Fragendirekter Demokratie tatsächlich noch ein EU-Entwick-lungsland. Ich finde, das muss sich ändern.
In den letzten 25 Jahren gab es mehrere Initiativen fürmehr direkte Demokratie. Sie wurden stets ausgebremst,und das nicht nur – das muss ich der Gerechtigkeit hal-ber sagen – durch die Unionsfraktionen.Die Bürgerrechtler der DDR hatten 1990 am RundenTisch einen Verfassungsentwurf erarbeitet. Direkte De-mokratie war darin selbstverständlich vorgesehen. Ersollte eine Mitgift der DDR für das vereinte Deutschlandsein. Dazu kam es nicht.1991/1992 gab es im vereinten Deutschland einenPaulskirchen-Konvent für eine neue Verfassung. Auchdieser Entwurf enthielt Formen direkter Demokratie,aber auch dieses Angebot wurde ausgeschlagen, diesesMal vom Bundestag.2004 gab es einen erneuten Versuch, eine Volksab-stimmung zu erwirken. Es ging um den Verfassungsent-wurf für die Europäische Union. Der damalige Außen-minister Joseph Fischer lehnte das ab. Er lasse sich seineEU-Verfassung nicht vom Volk zerschmettern, sagte er.
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder behaup-tete sogar, das Grundgesetz verbiete Volksabstimmun-gen.
Wir alle wissen, dass das nicht stimmt.Das alles ist Geschichte. Aber die letzte Geschichtezur EU-Verfassung hält noch eine besondere Erzählungparat, die vielleicht auch Sie, Kollege Brandt, überzeu-gen könnte.Der uns allen bekannte, bundesweit agile Verein„Mehr Demokratie e. V.“ arrangierte damals mit einerKleinstadt in der Eifel eine Volksabstimmung über denEU-Verfassungsvertrag. Die Bürgerinnen und Bürgerstimmten ab, natürlich unverbindlich. Dafür machten siesich schlau, schlauer als anderswo. Politikerinnen undPolitiker warben für ihre Position, intensiver als an-derswo. Die Beteiligung an dieser Abstimmung war sehrhoch, die Bürgerinnen und Bürger fühlten sich einbezo-gen, sie waren gefragt und sie entschieden sich souverän.Übrigens votierten die Bürgerinnen und Bürger damals– sehr zum Leidwesen meiner Partei – mehrheitlich fürdie EU-Verfassung.DBsGDsdWnugzinDtigFgsmMGdaihkscgagwaukd
ieses Beispiel zeigt, dass wir den Bürgerinnen undürgern mehr zutrauen können, als Sie das gerade darge-tellt haben.
Zum Schluss eine grundsätzliche Bemerkung. Art. 20rundgesetz besagt:Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wirdvom Volke in Wahlen und Abstimmungen … aus-geübt.ie Bürgerinnen und Bürger sind der Souverän, niemandonst. Das bleiben sie auch, wenn sie eigene Entschei-ungen durch Wahlen an die Volksvertreter delegieren.ir Abgeordnete vertreten sie, aber wir ersetzen sieicht als Souverän. Deshalb müssen die Bürgerinnennd Bürger jederzeit die Möglichkeit haben, diese dele-ierten Entscheidungen zurückzuholen oder auch selbstu treffen. Das ist der urdemokratische Sinn von Volks-itiativen, Volksbegehren und Volksabstimmungen.eshalb unterstützen wir die Initiative der SPD.
Das Wort hat nun Stephan Thomae für die FDP-Frak-
on.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen, verehrte Kolle-en! Wir beraten heute zwei Gesetzentwürfe der SPD-raktion, die wir Liberale mit großer Sympathie undroßem Interesse studiert haben. Bevor ich zu einer kriti-chen Würdigung der Entwürfe komme, erlauben Sieir zunächst einige grundsätzliche Überlegungen.Es stimmt: Der Begriff „Staat“ löst bei den meistenenschen in unserem Land leider kaum mehr ein Wir-efühl aus. Das ist nicht gut. Viele Menschen erfahrenen Staat in Form von Staatsgewalten: gesetzgebende,usführende und rechtsprechende Gewalt. Sie erlebenn als den, der ihnen ein Bußgeldmandat für Falschpar-en an die Windschutzscheibe heftet. Manchmal erlebenie ihn auch als einen Akteur der Wirtschaft: als feindli-hen, übermächtigen, großen Konzern; sprich: sozusa-en als Goliath, dem die Menschen und die Gesellschaftls David, also als der Kleine, Schwache und Unterle-ene, gegenübertreten.Es sieht so aus, als hätten sich Volk und Staat irgend-ie auseinandergelebt – das nützt keinem, das schadetllen –, und das, obgleich es zahlreiche Mitwirkungs-nd Beteiligungsmöglichkeiten gibt. Aber das sind oftomplizierte Verfahren zu komplexen Themen. Da be-arf es oft eines fachkundigen Lotsen. So führt manches,
Metadaten/Kopzeile:
31718 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Stephan Thomae
)
)
das gut gemeint war, dann doch dazu – eben weil ein lan-ger Atem erforderlich ist –, dass nicht mehr Begeiste-rung für die Politik entsteht, sondern bloß mehr Ver-druss. Was eigentlich zu einem Demokratiegewinnführen sollte, führt am Ende dann zu Demokratieverlust,und das sollte nicht sein.
Politik ist eben eine Ausdauersportart. Manchmal istes erforderlich, dass man sich über Jahre hinweg mit denThemen befasst. Das ist für den Bürger schwer zu hand-haben. Er verfügt ja nicht wie ein Parlamentarier überMitarbeiter, die Themen aufarbeiten können. Zwar eröff-nen neue Medien neue Möglichkeiten, sich zu informie-ren, auch sich zu beteiligen, aber leider ist es so, dass,wenn Beteiligung stattfindet, oft zu wenige hingehen.Das ist eines der Probleme, die wir alle gemeinsam lösenwollen und lösen müssen.Ich will auch ein Wort zum Thema Parlamentarismussagen – dazu hat der Kollege Oppermann, wie ich meine,sehr Zutreffendes gesagt –: Wir haben in Deutschlandglücklicherweise einen nach dem Zweiten Weltkrieg ge-wachsenen Parlamentarismus – nach all den geschichtli-chen Erfahrungen, die wir in Deutschland sammelnmussten –, der seinesgleichen sucht. Weil das so ist, sitztdas Parlament heute – ebenfalls glücklicherweise – festim Sattel. Deswegen meinen wir Liberale, dass wir keineAngst davor haben sollten, dass mehr Bürgerbeteiligungdas Parlament irgendwie vom Thron stoßen könnte.
Die Bürger sind keine Gefahr für das Parlament. Dassollten wir wissen. Wir müssen auch sehen, dass das Par-lament nicht notwendigerweise klüger ist als das Volk.Es ist aber auch nicht notwendigerweise andersherum.Es gibt keine Richtigkeitsgewähr, weder für das Parla-ment noch für die Bürger. Das müssen wir sehen.Nach unserer Verfassung ist es doch so: Nicht dasParlament gewährt den Bürgern Beteiligungsrechte, son-dern die Bürger wählen uns als ihre Vertreter. Sie gewäh-ren uns Vertretungsmacht. Da ist es aus unserer Sicht lo-gisch, dass wir den Bürgern nicht den Stuhl vor die Türsetzen können.Alle Staatsgewalt geht – das ist eben schon gesagtworden – vom Volke aus. Das besagt unser Grundgesetz.Aber irgendwie kehrt diese Staatsgewalt bis zur nächstenWahl nicht so recht zum Volk zurück. Demokratie ist füruns Liberale eine Mitmachveranstaltung. Parlamentaris-mus und Bürgerbeteiligung widersprechen sich nicht.Sie sind keine Gegensätze. Sie ergänzen sich.
Deswegen sind wir Liberale offen für mehr Bürgerbetei-ligung. Deswegen haben wir in unseren Beschlüssen for-muliert, dass wir die Demokratie stärken, beleben undönsA–ssBimmaVsRinzvw1dBevvZdgGwnB
eim genauen Blick in Ihre Gesetzentwürfe erkennt man Detail – das sind keine Kleinigkeiten – verfahrens-äßige Unterschiede.
Wir haben in der Bundestagsdrucksache 16/474, alsous der letzten Legislaturperiode, ein Quorum für dieolksinitiative von 400 000 vorgeschlagen. In Ihrem Ge-etzentwurf ist von einem Quorum von 100 000 dieede. Hier gibt es also einen deutlichen Unterschied.
Was die Frist für das Volksbegehren nach einer Volks-itiative angeht, falls durch die Initiative kein Gesetzustande gekommen ist, fordert die SPD, dass innerhalbon sechs Monaten ein Quorum von 1 Million erreichterden muss. Unser Gesetzentwurf seinerzeit sah vor:5 Prozent der Wahlberechtigten in acht Monaten. Auchas ist ein Unterschied.
ei den Volksentscheiden hat die FDP in ihrem Gesetz-ntwurf aus der letzten Legislaturperiode ein Quorumon 15 Prozent formuliert.
Das sind zahlenmäßige Unterschiede. Sie werdenielleicht sagen: Gut, das sind aber nur Zahlen. – Dieseahlen sind aber nicht willkürlich oder unwichtig. Zuiesen Zahlen sind wir aufgrund eigener Überlegungenekommen. Wir halten sie für wichtig. Das ist derrund, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD,eshalb wir von der FDP heute Ihren Gesetzentwürfenicht zustimmen können.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Ingrid Hönlinger für die Fraktionündnis 90/Die Grünen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31719
)
)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Gestern hatte ich in einem Parlamentsseminar Besuchvon einer Schulklasse aus Hessen. Mit 32 Schülerinnenund Schülern im Alter von circa 16 Jahren habe ich überdas Thema Demokratie und Bürgerbeteiligung disku-tiert. Die Schülerinnen und Schüler kamen direkt zur Sa-che und fragten: Ist die Bevölkerung eigentlich gut ge-nug informiert, um über eine politische Sachfrageabzustimmen? Und die Schüler fragten auch: Bestehtnicht die Gefahr, dass Bürgerbeteiligung populistischausgenutzt wird? – Ich war sehr positiv überrascht, wienachdenklich, wie reflektiert und wie reif diese Jugendli-chen aufgetreten sind.
Was können wir daraus lernen? Demokratie, meineDamen und Herren und auch Herr Sensburg, ist nicht nureine Angelegenheit dieses Hohen Hauses. Demokratieist die Angelegenheit eines jeden einzelnen Bürgers.Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger informieren undbeteiligen und wenn die Bürger sich interessieren, dannist mehr Demokratie möglich. Demokratie lebt von Be-teiligung. Ich bin überzeugt davon: Wenn viele mitden-ken, dann ist das Ergebnis auch meistens besser.
Konfuzius hat diese Gedanken vor mehr als 2 500 Jah-ren folgendermaßen zusammengefasst: Erkläre mir, undich werde vergessen. Zeige mir, und ich werde mich er-innern. Beteilige mich, und ich werde verstehen.
Was hindert uns eigentlich daran, unsere Demokratie zueiner echten Beteiligungsdemokratie weiterzuentwi-ckeln?
Die Einführung direktdemokratischer Elemente aufBundesebene ist seit Jahrzehnten eine der zentralen de-mokratiepolitischen Forderungen der grünen Bundes-tagsfraktion. Seit 1990 haben wir zahlreiche Initiativenim Bundestag vorgelegt. Diese sehen vor, dass Gesetzes-vorschläge in einem dreistufigen Verfahren – Volksini-tiative, Volksbegehren, Volksentscheid – von den Bürge-rinnen und Bürgern zur Abstimmung eingebracht undbeschlossen werden können.
Wir stellen fest: Der Ruf nach mehr Bürgerbeteili-gung und Mitbestimmung ist in den vergangenen Jahr-zehnten lauter geworden, die Menschen in unseremLand – aber auch anderswo – sind informiert, bringensich mit ihrem Wissen ein und gestalten zunehmend ak-tiv die Gesellschaft mit. Internet, Digitalisierung undSocial Media beschleunigen diesen Prozess und ermögli-cpMBdssuhGmWgriskmmkRledäskvAastebmfouvmDwkdBcHA
ir müssen deshalb in diesem Hohen Hause endlich dieesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass die Bürge-nnen und Bürger auch wirklich mitgestalten und mitbe-timmen können.
Direkte Demokratie kann die repräsentative Demo-ratie sinnvoll ergänzen. Direktdemokratische Abstim-ungen müssen auch die Rechte des Parlaments nichtindern. Nach unserem grünen Beteiligungsmodellann der Bundestag während des Verfahrens alternativeegelungen verabschieden oder zur Abstimmung stel-n. Dem Parlament bleibt es auch unbenommen, einurch Volksentscheid beschlossenes Gesetz wieder zundern oder aufzuheben.Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger grund-ätzlich über alle politischen Sachfragen abstimmenönnen. Das schließt auch finanzwirksame Volksinitiati-en ein. Ausgenommen sind das Haushaltsgesetz undbgabengesetze im Sinne der Finanzverfassungsartikel,lso Steuern, Zölle und Finanzmonopole. Ihre Änderungoll nach unserer Überzeugung dem Parlament vorbehal-n bleiben.
Die Demokratie in Deutschland und Europa voranzu-ringen und direktdemokratische Entscheidungen zu er-öglichen, ist seit jeher Ziel grüner Politik. Natürlichrdern wir auch hier den Schutz der Menschenrechtend Minderheiten. Das Volksbegehren zum Minarett-erbot in der Schweiz hat uns gezeigt, dass direkte De-okratie auch für menschenverachtende Hetze, füriskriminierung und für den Abbau von politischen,irtschaftlichen und sozialen Rechten einzelner Bevöl-erungsgruppen benutzt werden kann.Wir Grünen wollen vermeiden, dass Volksinitiativenazu missbraucht werden, Stimmung gegen bestimmteevölkerungsgruppen zu machen und menschenfeindli-he Ressentiments zu schüren. Wir wollen keineetzkampagnen gegen Homosexuelle, Obdachlose,usländerinnen und Ausländer oder gegen Menschen
Metadaten/Kopzeile:
31720 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Ingrid Hönlinger
)
)
unterschiedlicher religiöser Überzeugungen, auch nichtim Gewand der Volksinitiative.
Deutschland ist Teil der Europäischen Union und un-terliegt deshalb besonderen politischen und rechtlichenVerpflichtungen. Die Stellung Deutschlands als verläss-licher Partner im Rahmen europäischer Verhandlungs-prozesse ist ein hohes Gut, das wir Grünen schützenwollen. Deshalb wollen wir auch verhindern, dass di-rekte Demokratie für nationalistische und europafeindli-che Interessen instrumentalisiert wird.
Wir setzen uns auch für eine weitere Demokratisie-rung der Entscheidungsprozesse in der EU ein. Es gehtuns darum, den Bürgerinnen und Bürgern der EU stär-kere Mitsprache- und Mitentscheidungsmöglichkeitenbei der grundsätzlichen Ausrichtung der EuropäischenUnion zu geben. Mit der Europäischen Bürgerinitiativesteht den Unionsbürgerinnen und -bürgern seit dem1. April 2012 erstmals ein direktdemokratisches Instru-ment zur Verfügung.Ich möchte hier noch einmal festhalten: Auf Bundes-ebene haben wir in Deutschland noch keine einzigeMöglichkeit zur Durchführung direkter Demokratie. Wirsind also auf europäischer Ebene weiter als auf Bundes-ebene. Schon allein das sollte für uns Anlass sein, end-lich direkte Demokratie auf nationaler Ebene zu ermög-lichen.
Wenn wir mit direkter Demokratie über europäischeAngelegenheiten entscheiden, müssen wir den recht-lichen Rahmen so setzen, dass eine europäische Ange-legenheit auch europäisch entschieden wird. AufDeutschland beschränkte Volksinitiativen zu Grün-dungsverträgen der Europäischen Union oder gegen denBeitritt eines neuen Mitgliedstaates sollen aus unsererSicht unzulässig sein. Damit wollen wir nationale Blo-ckaden wichtiger Reformen verhindern. Stattdessen stre-ben wir europäische Referenden an, bei denen alle EU-Bürger nach europäischem Recht über wesentliche Än-derungen der EU-Gründungsverträge abstimmen kön-nen.Wir Grüne haben ein schlüssiges Demokratiekonzept.Wir sind die Partei, die den Willen der Bürgerinnen undBürger ernst nimmt. Wir wollen mehr Demokratie inDeutschland und in Europa, und wir wollen die Bürge-rinnen und Bürger stärker einbeziehen. Wir sprechennicht nur wohlfeile Worte. Wir wissen, wie innerparteili-che Demokratie funktioniert. Wir handeln. Wir Grünenbieten glaubwürdig eine Politik der gesellschaftlichenDemokratie an.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.CLaJgsvG–gligdLnshuFIhdadehSGdahdwüwgsBd
Das Wort hat nun Ingo Wellenreuther für die CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!iebe Kollegen! Die Forderung nach mehr Plebiszitenuf Bundesebene wurde in diesem Haus in den letztenahren schon einige Male debattiert. Ich selbst halte,laube ich, heute die fünfte Rede dazu. Die Argumenteind ausgetauscht und bekannt.Mit heißer Nadel hat die SPD trotzdem noch in dieserorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause zweiesetzentwürfe gestrickt.
Da wären Sie auch gut aufgehoben. – Erst vor drei Ta-en haben Sie diese vorgelegt. Schon dadurch wird deut-ch, dass es Ihnen hier nicht um eine ernsthafte Debatteeht. Sie wollen vielmehr den Menschen vorgaukeln,ass sich in dieser schwierigen Frage noch in dieseregislaturperiode etwas bewegen ließe. Aber dieseeuen Gesetzentwürfe könnten weder in den Ausschüs-en sachgerecht behandelt werden – Frau Pau hat daraufingewiesen –, noch könnte es im Bundestag eine zweitend dritte Lesung geben. Deswegen ist das Ganze einearce, die niemandem etwas bringt. In Wahrheit geht esnen allein darum, das Thema über eine Bundestags-ebatte in den Wahlkampf einzuführen.Schauen wir uns das Thema Volksabstimmungen trotzllem noch einmal genauer an. In den jeweiligen Lan-esverfassungen und Gemeindeordnungen gibt es schonine Vielzahl von plebiszitären Elementen. Der Bürgerat dort ein Mitbestimmungsrecht und kann mit seinertimme Einfluss auf die jeweilige Politik nehmen.Schauen wir uns nun einmal an, wie es die SPD, dierünen und die Linke bei uns im Land tatsächlich mitem Bürgerwillen halten und was Glaubwürdigkeit vorllem in der Politik bedeutet. Meiner Auffassung nachalten Sie hier im Bundestag Sonntagsreden;
och in der politischen Praxis, dann, wenn es konkretird, verhalten Sie sich ganz anders.Einige Beispiele. In Berlin stimmte das Volk 2008ber die Schließung des Flughafens Tempelhof ab. Ge-iss: Die Beteiligung an dieser für Berlin ganz wichti-en Entscheidung war zu niedrig, als dass der Volksent-cheid Gültigkeit hätte haben können. Der Regierendeürgermeister, Herr Wowereit, hatte immer bekräftigt,ass der Senat die Absicht habe, Tempelhof zu schlie-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31721
Ingo Wellenreuther
)
)
ßen. Eine Woche vor dem Volksentscheid erklärte HerrWowereit wörtlich:Aber wie auch immer die Abstimmung am nächstenSonntag ausgeht: Ihr Ergebnis ist rein rechtlich nureine Empfehlung.Damit war klar, der Berliner Senat würde Tempelhofin jedem Fall schließen – basta!
Deutlicher konnte Rot-Grün nicht zum Ausdruck brin-gen, dass man von der Meinung der Bürger nichts hält.
Dies kann man nicht anders als zynisch und arrogantnennen, meine Damen und Herren.
Zweites Beispiel. In Hamburg konnten die Bürger imJahre 2010 über die schwarz-grüne Schulreform abstim-men. Sie lehnten diese in wesentlichen Teilen ab. Interes-sant war dabei die Erklärung der grünen SchulsenatorinGoetsch. Sie hat behauptet, die Gegner der Schulreformhätten irrationale Ängste geschürt und die Hamburgerdamit verunsichert. Das passt übrigens zu den Ausfüh-rungen, die Sie gerade gemacht haben, als Sie darauf Be-zug genommen haben, dass Sie eine Volksabstimmungverloren haben. Mit anderen Worten: Weil das Ergebnisdes Volksentscheides aus Sicht der Grünen nicht zufrie-denstellend ausfiel, müssen die Menschen gerissenenBauernfängern auf den Leim gegangen sein. – Das zeigtüberdeutlich Ihre Doppelzüngigkeit im Umgang mitVolksentscheiden.Noch einige Beispiele aus Baden-Württemberg. Diegrün-rote Landesregierung will zurzeit im Schwarzwaldeinen Nationalpark einrichten. Das ist ein hochumstritte-nes Projekt, weil es auch ökologisch nicht nur positiveEffekte mit sich bringen würde.
Deshalb haben sieben betroffene Kommunen am12. Mai dieses Jahres eine Befragung ihrer Bürgerdurchgeführt. Ergebnis: Im Durchschnitt waren rund dreiViertel – 75 Prozent – der Bürger gegen das Projekt. –Der grün-roten Landesregierung ist das egal. Sie hat vorwenigen Tagen die Gebietskulisse für den geplanten Na-tionalpark vorgestellt: 85 Prozent der Gesamtflächeliegen ausgerechnet auf dem Gebiet der Gemeinden Bai-ersbronn und Forbach; dabei standen gerade diese Ge-meinden bei Beteiligungsquoten von über 70 Prozentdem Projekt besonders ablehnend gegenüber: Rund80 Prozent votierten gegen die Einrichtung des National-parks.
SPD und Grüne wollen dieses Projekt trotzdem gnaden-los durchziehen. Das ist Ignoranz in Reinform.ZhabroEsaInhnBswZnVNFKDlip–DrusV
Nächstes Beispiel: der sogenannte Filder-Dialog imusammenhang mit Stuttgart 21. Die Bürger sollten mit-ilfe dieses Dialogs an der Entwicklung von Planungs-lternativen zum Filderbahnhof beteiligt werden. Schonei der Auswahl der Dialogteilnehmer wollte die grün-te Landesregierung die Demokratie offenbar „lenken“:igentlich sollten 80 Bürger mitmachen. Von den ange-chriebenen 4 500 „Zufallsbürgern“ machten am Endeber nur rund 40 mit. Auf der anderen Seite wurden vieleteressierte, die sich seit Jahren mit dem Thema befasstaben, nicht zugelassen. Fazit: Die, die wollten, durftenicht, und die, die sollten, wollten nicht.
ereits die Besetzung des Dialogs hatte Rot-Grün ent-prechend gesteuert. Im Verlauf wurde der Bürgerwilleeiter unterdrückt und sogar zu eigenen politischenwecken missbraucht. 65 von insgesamt 109 Dialogteil-ehmern stimmten für die sogenannte Gäubahn-ariante. So etwas nennt man eine klare Mehrheit. Imachhinein wurde dann bekannt, dass diese Variante deninanzierungsvereinbarungen widersprochen hätte.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen von Notz?
Nein.
ie Argumente sind bekannt.
Die daraufhin favorisierte Variante „Flughafenstraße“
eß Rot-Grün durch die Absage einer Kostenbeteiligung
latzen.
Könnten Sie, Herr Präsident, bitte für Ruhe sorgen?
ieses Dazwischengeblöke stört etwas meine Ausfüh-
ngen.
Herr Kollege, Sie sind doch wohl mannhaft genug,ich gegen die paar Leute durchzusetzen; Sie haben denorteil des Mikrofons.
Metadaten/Kopzeile:
31722 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
)
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich finde, jeder sollte
der Aufgabe gerecht werden, für die er eingesetzt ist.
Der Filder-Dialog war offensichtlich kein Meinungs-
austausch. Bürger ins Leere reden und abstimmen zu las-
sen, ist keine Bürgerbeteiligung, sondern Volksverdum-
mung. Aber eine Bürgerbeteiligung war von Grün-Rot
auch nie beabsichtigt. Die Bürger wurden nur dazu miss-
braucht, einen regierungsinternen Streit zu lösen.
Ein weiteres Beispiel: die Einrichtung der Gemein-
schaftsschule. Bildungsexperten zufolge gefährdet die-
ses Projekt die weithin bekannte ausgezeichnete Schul-
qualität in Baden-Württemberg. In Bad Saulgau fand ein
kommunaler Bürgerentscheid statt, der zwar das Quo-
rum nicht erreichte, im Ergebnis aber eindeutig war:
Rund 66 Prozent stimmten gegen diese neue Schulform.
Massive Kritik von Eltern und Lehrern, von Elternver-
bänden, vom Deutschen Philologenverband, vom Be-
rufsschullehrerverband usw. schmettern Grüne und Rote
ab. Sie halten ideologisch an ihrem Prestigeobjekt Ge-
meinschaftsschule fest. Den Schaden davon haben die
Kinder und Jugendlichen.
Ähnliches ist von einem Geothermieprojekt in Brühl
zu berichten, über das im Oktober letzten Jahres eine
Bürgerbefragung durchgeführt wurde. Das klare Ergeb-
nis: 67 Prozent waren dagegen. Die Menschen haben
Sorgen, dass es Erdbeben geben könne, die es bei ähnli-
chen Projekten in Landau und in Insheim gibt. Grün-Rot
war das egal, das Projekt wird durchgezogen und der
Bürger mit seinen Bedenken ignoriert.
Das alles sind Beispiele, die das wahre Gesicht der
Opposition in der Frage der Bürgerbeteiligung zeigen.
– Ich verstehe, dass Ihnen diese Beispiele wehtun. Des-
wegen können Sie kaum noch an sich halten. – In der
Theorie singen Sie im Bundestag das Hohelied der di-
rekten Demokratie, aber dort, wo Sie in der Praxis Ver-
antwortung tragen, missachten Sie in vielen Fällen den
eindeutigen Willen der Bürger. Das nennt man Heuche-
lei. Sie schaffen genau damit Politikverdrossenheit zum
Schaden unseres Landes und unserer politischen Kultur.
Dazu passt im Übrigen der Leitartikel, der am Diens-
tag in der Badischen Zeitung erschienen ist und den Titel
trägt: „Politik des Gehörtwerdens: Grün-rote Theorie –
graue Praxis“. Der Autor Wulf Rüskampf schreibt darin:
Widersprechen Bürger wohlgemeinten Ideen der
Regierung, werden sie gehört, aber eben nicht er-
hört, wie Kretschmann sagt. Wenn es also nicht
klappt mit der Akzeptanz – ist Schluss mit Basisde-
mokratie und Augenhöhe. Entdeckt Grün-Rot auf
m
d
k
F
la
d
h
G
d
h
m
g
b
ra
D
d
m
im
d
D
E
s
A
d
in
D
fo
d
L
n
g
h
n
v
a
M
d
s
d
k
m
e
Ich empfehle Ihnen daher: Nehmen Sie zunächst ein-
al die bereits bestehenden Formen und Möglichkeiten
er direkten Demokratie und Bürgerbeteiligung auf
ommunaler und Landesebene ernst, bevor Sie hier neue
ormen etablieren wollen.
Hinzu kommt – das wurde in den vergangenen Jahren
nge diskutiert –, dass erhebliche rechtliche Zweifel an
er Verfassungsmäßigkeit der hier zur Diskussion ste-
enden Gesetzentwürfe bestehen. Wir haben mit guten
ründen in Deutschland ein föderales System. Die Län-
er haben eigene Interessen, und sie müssen Gelegenheit
aben, diese im Rahmen der Gesetzgebung geltend zu
achen. Das Grundgesetz sieht daher zwingend die
rundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzge-
ung vor. Dieser Grundsatz steht unter der Ewigkeitsga-
ntie des Grundgesetzes und ist deshalb unabänderlich.
iese Mitwirkung der Länder darf sich nicht in einer le-
iglich formalen Beteiligung erschöpfen; sie muss viel-
ehr bestimmenden Einfluss ermöglichen.
Der Entwurf der SPD greift laut seiner Begründung
Falle zustimmungspflichtiger Gesetze auf das Modell
es Schweizerischen Volks- und Ständemehr zurück.
emnach soll beim Volksentscheid in Deutschland das
rgebnis der Abstimmung in einem Land als Abgabe
einer Bundesratsstimmen gelten. Das ist aber meiner
uffassung nach eine rein rechnerische, formale Metho-
ik und etwas anderes als die grundgesetzlich geforderte
haltliche Mitwirkung der Länder.
as von Ihnen vorgeschlagene Modell erlaubt zwar eine
rmale Berücksichtigung der Landesvölker, nicht aber
es organschaftlich gebildeten Willens der einzelnen
änder. Allein damit wird der Einfluss der Länder in kei-
er Weise gesichert. Das genügt nicht den Anforderun-
en des Art. 79 GG.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Sofort. – Sie versuchen nun, dieses Defizit dadurch zueilen, dass Sie in Ihrem Bundesabstimmungsgesetz ei-en Paragrafen zur Wahrung der Interessen der Länderorsehen. Das klingt auf den ersten Blick ganz gut, hilftber bei genauerem Hinsehen kaum weiter. Das sind nuröglichkeiten, mit denen die Länder ihre Auffassung zuen Gesetzesvorhaben äußern dürfen. Immerhin das ge-tehen Sie den Ländern zu. Aber das ist weit entfernt voner verfassungsmäßig geforderten inhaltlichen Mitwir-ung; denn diese muss bestimmenden Einfluss haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich fasse zusam-en: Der heutige Vorstoß der SPD ist erkennbar nichtrnst gemeint und verfassungsrechtlich höchst bedenk-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31723
Ingo Wellenreuther
)
)
lich. Sie wollen damit die Bürger im Wahlkampf blen-den. Das wird Ihnen nicht gelingen. Deswegen lehnenwir den Gesetzentwurf ab.Danke schön.
Herr Kollege Wellenreuther, ein Blick in die Ge-
schäftsordnung könnte hilfreich sein. Dort wird von der
freien Rede gesprochen.
Wenn Sie sich bei dem Verlesen Ihres Manuskripts ge-
stört fühlen, brauchen Sie sich nicht beim amtierenden
Präsidenten zu beschweren.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun
Konstantin von Notz.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege
Wellenreuther, ich kann Ihre Frustration über die Nicht-
regierungsbeteiligung der CDU in Baden-Württemberg
gut verstehen. Das muss ganz schlimm und hart sein.
Deswegen haben Sie sich minutenlang an diesem erfreu-
lichen Status quo abgearbeitet. Ich finde, die Zahlen in
Baden-Württemberg sprechen für sich.
Ich möchte darauf hinweisen, dass sich die Grünen
bei den erfolgten Volksabstimmungen, vor allen Dingen
bei der in Hamburg, auf die Sie Bezug genommen ha-
ben, natürlich an die Voten gehalten haben, auch wenn
die Abstimmungen nicht im Sinne der Grünen ausgegan-
gen sind. Ein demokratischer Diskurs darüber, wie sol-
che Abstimmungen verlaufen, sollte im Sinne der freien
Meinungsäußerung auch nach Ihrer Ansicht eigentlich
zulässig sein.
Sie haben mich vorhin ja leider nicht zu Wort kom-
men lassen. Deswegen habe ich mich jetzt noch einmal
wegen folgender schlichter Frage an diesem Vormittag
gemeldet: Sind Sie als CDU/CSU-Fraktion im Deut-
schen Bundestag für mehr Bürgerbeteiligung oder nicht?
Das interessiert die Menschen – gerade in einem Wahl-
jahr. Deswegen würde ich dazu gerne etwas hören.
Vielen Dank.
z
a
D
c
D
ta
g
L
le
w
M
M
B
re
s
w
is
m
e
u
u
D
u
d
F
ic
n
S
a
D
o
b
v
ri
R
d
ru
D
Metadaten/Kopzeile:
31724 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
Jetzt erhält Kollege Wiefelspütz für die SPD-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hebe
an zu einer freien Rede.
Wer hier im Deutschen Bundestag redet, sollte etwas im
Kopf haben und nicht nur auf dem Blatt Papier.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind
kurz vor der Bundestagswahl. Ist es deswegen verboten,
einen komplexen Gesetzentwurf zu erarbeiten und ein-
zubringen?
Ich bitte dieses Bündnis aus Herrn Wellenreuther und
Frau Pau sehr um Verständnis. Ich finde das wirklich
reichlich oberflächlich. Frau Pau – sie hat jetzt einen an-
deren Termin – und Herr Wellenreuther, wir, die wir die-
sen Gesetzentwurf erarbeitet und eingebracht haben,
wissen ganz genau, dass dieser Gesetzentwurf nicht
morgen verabschiedet sein wird. Ich gehe davon aus und
hoffe, dass er in der nächsten Wahlperiode hier im Hause
in den geordneten Verfahren ernsthaft diskutiert wird.
Wir haben aber doch wohl das Recht, einen wirklich in
Punkt und Komma ausformulierten und ernstgemeinten
Gesetzentwurf, der in der langen Kontinuität der Wil-
lensbildung der SPD auf Parteitagen steht – im Jahre
2002 haben wir den ersten Gesetzentwurf dazu hier im
Deutschen Bundestag vorgelegt, der nicht ganz so gut
wie dieser hier war –, einzubringen, wenn er vorliegt.
Wenn das ein Wahlkampfthema wäre, dann wäre ich
ja fast froh darüber. Das wird mit Sicherheit kein Wahl-
kampfthema sein. Das spiegelt schon die breite Reso-
nanz auf diesen Tagesordnungspunkt hier im Deutschen
Bundestag wider. Selbst von meiner Fraktion sind hier
nicht Hunderte anwesend. Wir haben aber doch wohl ein
Recht darauf – und darum bitte ich –, dass man sich mit
diesem Gesetzentwurf ernsthaft auseinandersetzt.
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus; davon war
schon die Rede. Sie wird vom Volke in Wahlen und
Abstimmungen und von anderen Verfassungsorganen
ausgeübt. – Wahlen haben wir, Abstimmungen haben
wir nicht. Insoweit ist das Grundgesetz sozusagen ein
Versprechen, bei dem die Antwort fehlt. Abstimmungen
sind die weiße Stelle im Grundgesetz. Diese wollen wir
ausfüllen, nicht mit abenteuerlichen Vorschlägen, son-
dern, lieber Herr Wellenreuther, orientiert an der ernst-
haften Verfassungspraxis ausgewachsener deutscher Bun-
d
B
g
–
Ic
w
F
s
P
W
w
s
v
ic
a
d
li
s
J
m
S
–
h
u
g
w
B
B
n
h
G
b
is
Herr Kollege Sensburg, ich habe so wenig Redezeit.
h freue mich, dass Sie mir Gelegenheit geben, noch et-
as zusätzlich zu sagen. Bitte schön, stellen Sie Ihre
rage.
Bitte schön, Herr Kollege Sensburg. Ihnen ist ja sozu-
agen schon das Wort erteilt worden.
Ich bitte um Nachsicht, Herr Präsident.
Ich möchte nicht zur Verwirrung beitragen und dem
räsidenten einfach vorgreifen; aber wenn er mir das
ort erteilt, frage ich sehr gerne.
Herr Kollege Wiefelspütz, Sie haben von einer völlig
eißen Stelle im Grundgesetz geredet. Sie wissen aber
chon, dass es in Art. 29 und in Art. 146 Stellen gibt, wo
on Volksentscheiden geredet wird?
Die sind kaum der Rede wert.
Eine ganz weiße Stelle gibt es also nicht. Das wollte
h nur der Klarstellung halber erwähnen. Wenn Sie das
uch so sehen, brauchen wir gar nicht vertieft weiterzu-
iskutieren. Falls nicht, hätten wir einen gewissen inhalt-
chen Dissens darüber, was in unserem Grundgesetz
teht.
Lieber Herr Kollege Sensburg, wir sind, wie das unteruristen häufig ist – ich selber bin ja auch einer –, ge-einsam Besserwisser.
ie haben natürlich recht mit Art. 29 usw. Aber das ist das wissen Sie doch – wirklich alles marginal. Es gehtier um direkte Demokratie, es geht um Volksinitiativend Volksentscheid, es geht um Volksgesetzgebung, eseht um Referenden, und es geht nicht um die nichtirklich praxisrelevante Frage der Neugliederung vonundesländern. Irgendwann sind hoffentlich Berlin undrandenburg zusammen; aber ansonsten spielt das dochicht wirklich eine Rolle. Sie können doch nicht ernst-aft sagen, dass das Stichwort „Abstimmungen“ imrundgesetz sozusagen ein blühender Baum wäre. Es istestenfalls eine karge Pflanze, die wirklich ganz winzigt. Daraus wollen wir etwas machen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31725
Dr. Dieter Wiefelspütz
)
)
Herr Sensburg, wir sollten gemeinsam dem Volk et-was zutrauen.
Ich finde es unglaublich, welches Misstrauen dem Volkhier gelegentlich entgegengebracht wird, nach demMotto: Wir hier im Parlament sind die Oberschlauesten.Selbstverständlich ist Deutschland eine repräsentativeDemokratie. Diese repräsentative Organisation hat sichbestens bewährt. Das wird doch nicht infrage gestellt;das bleibt auch so. Ein Land mit 80 Millionen Einwoh-nern kann sich nicht dadurch regieren, dass man diese80 Millionen Menschen auf der Wiese vor dem Reichs-tag zusammenführt und sie täglich ihre Angelegenheitenbesprechen lässt.
Insoweit ist die repräsentative Demokratie etwas außer-ordentlich Bewährtes. Aber Volksentscheid, Bürgerbe-gehren und direkte Demokratie sind doch eine genialeErgänzung eines gut funktionierenden Verfassungssys-tems. Wer hat denn Angst vor dem Volke an dieserStelle? Wer Angst hat, soll das sagen.Wir können Fehler machen und machen sie auch hinund wieder; das Volk kann das bei direkter Demokratiesicherlich auch. Demokratie ist manchmal gefährlich.Aber erst dann meint man es ernst, wenn man Entschei-dungen des Volkes auch akzeptiert – so weh das tut –,wenn sie einem selber nicht passen, wie beispielsweisedie Entscheidung zum Minarettverbot. Das ist aber ebenDemokratie. Insoweit, denke ich, muss man das schonwirklich ernst nehmen.Herr Thomae, unser Gesetzentwurf ist ein ernsthaftesAngebot. Über viele Details, über Quoren kann man re-den. Ich bin der festen Überzeugung, lieber Herr Uhl,lieber Herr Wellenreuther, lieber Herr Sensburg, dass esfür mehr direkte Demokratie hier im Deutschen Bundes-tag eine Mehrheit gibt,
noch keine verfassungsändernde Mehrheit, aber eineMehrheit. Lassen Sie uns diesen Pfad verbreitern. Eswird nicht ausreichen, diese Debatte bis zur nächstenBundestagswahl zu führen, Herr Thomae. Sie sollte viel-mehr in den nächsten Jahren qualifiziert, ernsthaft, fle-xibel und daran orientiert stattfinden, dass unsere wun-derbare Demokratie mit direkter Demokratie noch einbisschen besser gemacht werden kann.Schönen Dank.
BtiKEms–gwwFraDTinGsktendAmGGgvre
Das Wort hat nun Jimmy Schulz für die FDP-Frak-
on.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Liebe Zuschauer hier im Hause und an denmpfangsgeräten! Lieber Herr Wiefelspütz, auch vonir Gratulation zu Ihrer vermutlich letzten Rede vor die-em Hohen Haus.
Der Volksentscheid wahrscheinlich nicht mehr.Wie ist das mit dem Volksentscheid? Ich freue michanz besonders, dass mir die SPD nach den Linken zumiederholten Male die Chance gegeben hat, zu diesemichtigen Thema zu sprechen; denn auch wir von derDP haben uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ge-de in der letzten Legislaturperiode haben wir aufrucksache 16/474 einen solchen Vorschlag mit demitel „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volks-itiative, Volksbegehren und Volksentscheid in dasrundgesetz“ eingebracht.Wissen Sie eigentlich noch, wie Sie damals abge-timmt haben? Sie haben dagegen gestimmt. Woherommt denn dieser Sinneswandel? Sie haben weder un-r Rot-Grün noch während der Großen Koalition für ei-en Volksentscheid gestimmt. In Ihrer Begründung auser letzten Legislaturperiode hieß es:Die Fraktion der SPD erklärt, dass sie grundsätzlichfür eine Einführung von mehr direkter Demokratiesei, wie dies das Grundgesetz auch prinzipiell zu-lasse. Man müsse allerdings vorsichtig vorgehen,damit dies nicht dem Populismus und der Demago-gie Vorschub leiste. Einem solchen Risiko müsseman sich aber stellen. Das Volk sei schließlich nichtdümmer als die Parlamentarier.ha! Sie wollten also vorsichtig vorgehen und Populis-us verhindern. Dann frage ich mich, warum Sie diesenesetzentwurf jetzt kurz vor den Wahlen einbringen. Imesetzentwurf der FDP findet sich übrigens extra fol-ender Absatz: „Ein Volksentscheid ist ab drei Monatenor einer Bundestagswahl unzulässig.“ Das fehlt in Ih-m Vorschlag. So viel zum Thema Populismus.Weiter heißt es in Ihrer damaligen Begründung:Es gebe Elemente der direkten Demokratie in16 Landesverfassungen und auch im neuen Vertragvon Lissabon – warum dann nicht auch auf Bundes-
Metadaten/Kopzeile:
31726 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Jimmy Schulz
)
)
ebene? Es wäre dann aber auch zu überlegen, alsGegengewicht die Legislaturperiode auf fünf Jahrezu verlängern.Die Idee, die Legislaturperiode auf fünf Jahre zu verlän-gern, fehlt wiederum in Ihrem aktuellen Vorschlag.
Es macht sich auch nicht gut, wenn man so etwas vorWahlen fordert.Letzten Endes freut es mich, dass wir dieses Themaauf Bundesebene wieder einmal diskutieren. Ich habemir Ihre beiden Gesetzentwürfe ganz genau angesehen.Der Kollege Thomae hat auf die Unterschiede in unserenVorstellungen schon hingewiesen: Wir fordern deutlichhöhere Schwellenwerte, damit wir vor Trivial- und Ba-gatellanträgen geschützt bleiben. Zur Stärke der parla-mentarischen Demokratie hat der Kollege Wiefelspützschon Ausführungen gemacht. Für uns Liberale ist eswichtig, dass Volksinitiativen einen breiten Rückhalt inder Bevölkerung haben. Wir möchten, dass diese Chancezur Mitbestimmung einen hohen Stellenwert hat.Insgesamt begrüßen wir Ihre Initiative. Leider gibt esin Ihren Gesetzentwürfen aber Punkte, denen wir nichtzustimmen können. Das sind zwar nur Feinheiten, aberdiese Feinheiten machen es uns in der heutigen Abstim-mung nicht möglich, für Ihre Gesetzentwürfe zu stim-men. Deshalb fordern wir: Bürgerbeteiligung ja, Gesetz-entwurf der SPD in dieser Form leider nein.Aber Bürgerbeteiligung erschöpft sich eben nicht nurin Abstimmungen und nicht nur in Volksinitiativen. Inunserem Bürgerprogramm für die kommende Bundes-tagswahl haben wir festgeschrieben, dass wir auch inZukunft für ein fakultatives Gesetzesreferendum und dieverfassungsrechtliche Verankerung von Volksinitiati-ven, Volksbegehren und Volksentscheiden sind. Dasheißt für uns Bürgerbeteiligung.Aber es geht auch um Transparenz; denn Transparenzschafft wiederum Verständnis.
Insbesondere in der Enquete-Kommission „Internet unddigitale Gesellschaft“ haben wir uns mit neuen Formender Bürgerbeteiligung und der Transparenz, revolutionärfür dieses Haus, beschäftigt, haben sie getestet und ex-perimentell ausprobiert. Wir haben zum Beispiel be-schlossen, dass alle Sitzungen der Enquete-Kommissionöffentlich sind und alle Dokumente öffentlich zugäng-lich sind, dass alle Sitzungen der Enquete-Kommissionlive im Internet gestreamt werden.Wir sind sogar noch einen Schritt weitergegangen,was die Bürgerbeteiligung angeht: Wir haben mit unse-rem Tool „Adhocracy“, das zum Beispiel unter Demo-kratie.de oder Enquetebeteiligung.de erreichbar war,versucht, mit Menschen in Kontakt zu treten, die sich ak-tiv an der Arbeit eines Ausschusses beteiligen wollen.Diese Arbeit, die wir damit experimentell versucht ha-ben, ist direkt in die Arbeit und Ergebnisse der Enquete-Kommission eingeflossen.GdteBhdinkFSridgvpedntitiTdzsbTcBcendDz2gds
Das Wort hat nun Stephan Mayer für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen!ehr geehrte Kollegen! Kurz vor Ende der Legislaturpe-ode, kurz vor Toresschluss, hat die SPD endlich auchas Thema „Mehr direkte Demokratie“ entdeckt. Sehreehrter Herr Kollege Wiefelspütz, natürlich ist es nichterboten, in der vorletzten Sitzungswoche zwei kom-lexe Gesetzentwürfe einzubringen; aber, mit Verlaub,s ist populistisch.
Es ist populistisch; denn wenn es Ihnen ernsthaft umas Thema gegangen wäre, dann hätten Sie wie die Grü-en oder die Linke vor drei Jahren entsprechende Initia-ven ergreifen können. Seit drei Jahren liegen die Initia-ven der beiden anderen Oppositionsfraktionen auf demisch. Sie haben drei Jahre ins Land ziehen lassen und iner Sache nichts unternommen, und in der vorletzten Sit-ungswoche, obwohl Sie genau wissen, dass eine Be-chlussfassung schon allein aufgrund unseres Gesetzge-ungsverfahrens nicht mehr möglich ist, bringen Sie dashema ein.
Herr Kollege Oppermann, Sie haben die Untersu-hung des Instituts für Demoskopie Allensbach und derertelsmann-Stiftung erwähnt, die zu Beginn dieser Wo-he vorgestellt wurde. Ich ziehe aus dieser Untersuchungine andere Schlussfolgerung als Sie. Sehr interessant istämlich – Sie haben dies unterschlagen –, dass die Stu-ie festhält, dass die allgemeine Zufriedenheit mit deremokratie und dem politischen System in den letztenehn Jahren deutlich gestiegen ist.Das gilt insbesondere für die neuen Bundesländer.003 waren lediglich 47 Prozent der ostdeutschen Bür-erinnen und Bürger mit dem politischen System under repräsentativen Demokratie zufrieden. Inzwischenind es sage und schreibe 74 Prozent.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31727
Stephan Mayer
)
)
Auch in den westdeutschen Bundesländern gab eseine erhebliche Steigerung der Zufriedenheit in diesemZeitraum von zehn Jahren, und zwar von 72 Prozent auf84 Prozent. Lediglich 11 Prozent der Bundesbürger sindmit dem derzeitigen politischen System und der parla-mentarisch-repräsentativen Demokratie unzufrieden.Ich bin mir sicher: Die Steigerung insbesondere inden letzten vier Jahren liegt auch daran, dass die christ-lich-liberale Koalition hier in Berlin gut und erfolgreichregiert hat. Auch deshalb möchte ich in aller Deutlich-keit sagen, meine Kolleginnen und Kollegen von derSPD: Ihr Vorschlag ist ein reines Feigenblatt.
Natürlich teile ich mit Ihnen die Sorge, dass der deut-liche Rückgang der Wahlbeteiligung insbesondere beiKommunalwahlen und Volksabstimmungen besorgniser-regend ist. Aber ich habe deutliche Zweifel, dass mandieses Phänomen, das uns mit Sicherheit alle wachrüt-teln muss und auch nicht ruhig sein lassen darf, damitabstellen kann, dass man eine Initiative zur Einführungvon Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentschei-den ergreift.
Dieser Mechanismus, den Sie vorschlagen, ist hoch-kompliziert und unheimlich langwierig. Ich bin deshalbder festen Überzeugung, dass diese Initiative, wenn siePlatz greifen und umgesetzt würde, nicht zu mehr Parti-zipation, zu mehr Teilhabe der Bürgerinnen und Bürgerführen würde, sondern genau zum Gegenteil: zu mehrDistanz gegenüber politischen Entscheidungen und inder Konsequenz zu mehr Politikverdrossenheit.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, esgeht natürlich darum, dass wir mehr Bürgerbeteiligungermöglichen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dasskeiner in diesem Hause vor dem Bürger Angst habenmuss. Ganz im Gegenteil: Ich glaube, wir alle sind auf-gefordert, die Bürger in unsere Meinungsfindungspro-zesse und Entscheidungsfindungsprozesse noch wesent-lich intensiver mit einzubinden. Das gilt aus meinerSicht auch gerade angesichts der Herausforderungen, dieuns derzeit durch die Energiewende noch bevorstehen,wenn es zum Beispiel um den Bau neuer Stromtrassenoder um Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen geht. Hiermuss man die Bürger wirklich ernst nehmen
und von Betroffenen zu Beteiligten machen.Aber es ist reine Symbolpolitik, wenn man hier eineGesetzesinitiative zur Einführung von Volksinitiativen,Volksbegehren und Volksentscheiden startet und sich umdas andere, aus meiner Sicht wesentlich wichtigereThema der Bürgerbeteiligung vor Ort nicht kümmert.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ichbin deshalb dem Bundesverkehrsminister, Dr. PeterRHcseinisvbSwPwdauwWBruindVgdsDdnagdIhinsddPrüdteBladsgbFzimV
ir haben nämlich festgestellt: Man kann eine derartigeewerbung nicht ohne die Unterstützung der Bevölke-ng durchführen. Deswegen gibt es am 10. November der Stadt München, in Garmisch-Partenkirchen, inen Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunsteinolksbefragungen. Das ist ernstgemeinte Bürgerbeteili-ung.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen voner SPD, wenn man sich Ihre Initiative einmal genau an-ieht, erkennt man: Sie ist doch unheimlich komplex.as geplante Verfahren würde maximal über zwei Jahreauern. Das entspricht in keiner Weise mehr den Verhält-issen der heutigen Zeit, in der man gesetzgeberisch,uch wenn es um die Umsetzung von EU-Richtlinieneht, durchaus einmal schnell handeln muss. Angesichtsessen ist ein Zeitraum von über zwei Jahren, wie er inrem Gesetzentwurf vorgesehen ist, viel zu lang. Er ist keiner Weise mehr zeitgemäß und angemessen.Ein weiterer Nachteil Ihrer Initiative ist, dass ein Ge-etzentwurf, der einmal ins Verfahren eingebracht wor-en ist, nicht mehr geändert werden kann. Auf Ihren lei-er viel zu früh verstorbenen Fraktionsvorsitzendeneter Struck geht das sogenannte Struck’sche Gesetz zu-ck – jeder kennt es –: „Kein Gesetz verlässt den Bun-estag so, wie es eingebracht worden ist.“ Aufgrund un-rschiedlicher Interessen, Notwendigkeiten und auchedürfnisse werden Gesetzentwürfe im Rahmen des par-mentarischen Verfahrens natürlich noch einmal geän-ert. Genau dies wäre nach Ihrer Initiative ausgeschlos-en: Ein Gesetzentwurf könnte nur so zur Abstimmungebracht werden, wie er zu Beginn der Initiative einge-racht wurde. Auch das ist aus meiner Sicht ein großerehler.Ein weiteres Defizit Ihrer Initiative: Sie schließenwar Haushaltsfragen in der Gesamtheit aus, aber nicht Einzelnen. Das bedeutet, man könnte jederzeit eineolksinitiative bezüglich eines bestimmten Einzeletats
Metadaten/Kopzeile:
31728 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Stephan Mayer
)
)
starten. Man findet mit Sicherheit 100 000 Bürger inDeutschland, die bereit sind, zu unterschreiben, wenn esdarum geht, einen bestimmten Einzeletat aufgrund be-stimmter Partikularinteressen zu erhöhen. Aber dies lässtnatürlich außer Acht, dass der Gesamthaushalt stimmigsein muss. Insofern halte ich es für sehr bedenklich, dassSie in Ihrer Initiative Haushaltsfragen nicht gänzlichausschließen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir, dieCSU – sie ist heute schon angesprochen worden –, neh-men Bürgerbeteiligung wirklich ernst, insbesonderewenn es um europapolitische Fragen geht. Wir haben aufunserem Parteitag im Oktober letzten Jahres in Müncheneinstimmig beschlossen, dass, wenn es darum geht, dassKompetenzen von der nationalen Ebene auf die supra-nationale, europäische Ebene abgegeben werden sollen,dies die Zustimmung durch eine Volksabstimmungvoraussetzt. Einer Volksabstimmung sollte die Frage un-terliegen, ob neue Mitgliedsländer in die EuropäischeUnion aufgenommen werden. Ebenso sollen Fragen vonerheblicher Finanzleistung durch Volksabstimmung zubeschließen sein. Dazu stehen wir. Diese Initiativen wer-den wir auch weiterverfolgen. Das ist wirklich ernstge-meinte, wichtige und richtige Bürgerbeteiligung. In die-sem Sinne ist Ihrem Gesetzentwurf nur eine Absage zuerteilen. Wir nehmen Bürgerbeteiligung wirklich ernst,und wir führen sie durch.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Hans-Peter Bartels für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor
ein paar Wochen war ich in Glarus. Glarus ist einer von
zwei Schweizer Kantonen, wo einmal im Jahr alle Bür-
gerinnen und Bürger aufgerufen sind, an der „Lands-
gemeinde“ teilzunehmen. Die Versammlung auf dem
Marktplatz von Glarus entscheidet direkt über Gesetze,
wählt Richter und Regierung. Glarus ist klein, hat viel-
leicht 30 000 Abstimmungsberechtigte.
An dem schönen Frühlingssonntag, an dem ich dort
war, standen vielleicht 3 000 Glarner Bürger im Ring auf
dem Platz. Teilnehmerzahlen werden nicht bekannt ge-
geben. Es ist egal, wie viele Mitbürger, „Mitlandsleute“,
wie es dort heißt, anwesend sind. Alle sind eingeladen.
Wer kommt, entscheidet mit, und wer sich beschwert,
hätte ja kommen können. Verdrossenheit zählt nicht.
Was sollte das auch sein, Volksverdrossenheit? Es ist ein
wunderschönes Ritual, eingerahmt von 3 000 Meter ho-
hen Bergen. Dieses Jahr fand es zum 626. Mal statt. Man
wird demütig vor dieser demokratischen Tradition.
Was wir heute vorlegen, ist nicht ganz so schlicht wie
die „Landsgemeinde“; aber es ist die zeitgemäße Form
direkter Demokratie in einem sehr großen Land mit
8
m
k
z
B
re
lä
g
W
b
la
ri
d
L
w
tu
s
w
li
d
Ic
H
F
„
g
W
b
s
P
u
d
z
m
Is
li
g
K
li
T
k
g
e
Das Wort hat nun als letzter Redner in dieser Debatte
atrick Sensburg für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Meine Damen und Herren! Bei den bei-en Gesetzentwürfen der SPD stellen sich eigentlichwei Fragen. Die eine Frage ist: Meint es die SPD ernstit dem, was sie heute vorlegt? Die zweite Frage lautet:t das, was hier vorgelegt worden ist, inhaltlich taug-ch, um uns im Sinne der stärkeren Beteiligung der Bür-erinnen und Bürger weiterzubringen?Die erste Frage ist eigentlich schon von mehrerenollegen beantwortet worden. Die SPD beschäftigt sich,ebe Kolleginnen und Kollegen, seit 1998 mit demhema. Sie hat in einer rot-grünen Regierung bis 2002eine Vorlage gemacht. Dann hat Claudia Roth Druckemacht. 2002 kam ein Entwurf, der aber nicht mehr inine Gesetzesinitiative umgesetzt worden ist. So ging es
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31729
Dr. Patrick Sensburg
)
)
dann Schritt für Schritt mit der SPD weiter. Da müssenSie sich doch eigentlich fragen, ob Sie intern überhauptgeschlossen auf dem Weg in Richtung Volksinitiativesind. Das frage ich mich, wenn ich höre – Frau KolleginPau hat es eben angesprochen –, wie sich der ehemaligeBundeskanzler Schröder geäußert hat. Auch die ehema-lige Bundesjustizministerin, Frau Zypries, zeigt sichganz aktuell auf ihrer Internetseite Bürgerinitiativen ge-genüber skeptisch. Sie hat das zusätzlich noch vor eini-gen Tagen im Offenen Haus in Darmstadt gesagt.Dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück wird von„Bürgerrecht – Direkte Demokratie“ – ich zitiere – vor-geworfen: Die SPD hat sich ein Parteiprogramm gege-ben, in dem sie Volksbegehren und Volksentscheide imBund fordert. Von Peer Steinbrück habe ich dazu alsKanzlerkandidat noch nichts gehört. – So äußerte sichdie Sprecherin von „Bürgerrecht – Direkte Demokratie“.Helmut Schmidt, Ihr ehemaliger Bundeskanzler, sagte– ich zitiere –:Schon seit Jahrzehnten bin ich ein ziemlich strikterAnhänger der repräsentativen parlamentarischenDemokratie.
Ich habe … immer Vorbehalte gegenüber Volksent-scheiden und Volksbegehren gehabt.
Der Grund dafür ist, dass viele Fragen viel zu kom-pliziert sind, um sie nach Gefühl und Wellenschlagmit Ja oder Nein beantworten zu können.Dazu kann ich nur sagen: Schauen Sie doch einmal, dassSie in Ihren Reihen eine gemeinsame eigene Meinungfinden. Dann können Sie auch wieder dementsprechendVorschläge machen, die vielleicht inhaltlich besser sind.
Ich komme zum zweiten Teil, zum Inhalt. Ihre Ge-setzentwürfe sind fachlich – ich sage es mal gelinde –sehr dünn; denn Sie beantworten viele Fragen nicht, diezu beantworten sind, wenn wir über Volksinitiativen,Volksbegehren und Volksentscheid reden.Erstens. Jetzt hören Sie einmal genau zu; das ist wich-tig. Wer genau stellt denn die Frage, über die abgestimmtwerden wird? Das ist sehr wichtig. Man kann zum Bei-spiel fragen: Ausstieg aus der Kernenergie, ja oder nein?Man kann aber auch fragen: Ausstieg aus der Kernener-gie, und wir akzeptieren, dass der Strompreis demnächstallein durch die EEG-Umlage um 6 oder 7 Prozentsteigt?
JcbFMAosvgeGgbeRmnKskmdGsleineimisKeWddsmVcSagwLa
Zweitens. Wie wird die Komplexität gehandhabt?uss die Fragestellung alle Details beinhalten, mit allennlagen, oder ist es eine ganz einfache Frage, die mit Jader Nein zu beantworten ist, und wer gestaltet dannpäter aus? Allein gestern haben wir 59 Gesetzesinitiati-en auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestagesehabt. Wie wollen Sie das in einzelnen Abstimmungenntscheiden lassen? Auch diese Frage beantwortet Ihresetzentwurf leider nicht.Frau Kollegin Hönlinger, Sie haben von Konfuziuseredet. Das ist – das muss ich leider erwähnen – keinesonders kluges Beispiel gewesen. Konfuzius geht voniner Rollenethik aus. Er teilt den Personen ganz klareollen zu. Er wird bei vielen Autoren gerade als antide-okratisch gehandelt. Ich empfehle, bei dem Friedens-obelpreisträger Liu Xiaobo nachzulesen. Der kritisiertonfuzius gerade wegen seines Demokratieverständnis-es. Ein anderes Zitat wäre klüger gewesen.
Wir brauchen eine Antwort auf die Frage: Wie be-ommen wir an der Stelle eine Formulierung, die es er-öglicht, dass Bürger abstimmen? Diese Antwort lieferter Gesetzentwurf leider nicht.Er gibt auch keine Antwort auf die Frage: Welcheruppen entscheiden eigentlich bei einem Volksent-cheid? Sind es Minderheiten? Wenn ein Thema viel-icht die Niedersachsen und die Schleswig-Holsteinerteressiert, aber die Baden-Württemberger und die Bay-rn gar nicht, welche Quoren haben wir dann? Es wirdmer die Schweiz als Musterbeispiel benannt. Geradet die Landsgemeinde Glarus erwähnt worden, die einanton ist. 3 000 haben abgestimmt. In der Schweiz hats bei allen Volksinitiativen in den letzten Jahren eineahlbeteiligung von unter 50 Prozent gegeben. Kannenn das Ziel sein, weniger Menschen zur Mitentschei-ung zu bringen? Unser Ziel muss doch sein, mehr Men-chen zur Mitentscheidung zu bringen.Der Kollege Oppermann – ich sehe ihn jetzt nichtehr – hat eben von Stuttgart 21 gesprochen und einenergleich mit Schleswig-Holstein angestellt. Verglei-hen Sie doch einmal in Baden-Württemberg! Übertuttgart 21 haben da 12,1 Prozent weniger Menschenbgestimmt, als bei der Landtagswahl ihre Stimme abge-eben haben. Ihre Zahlen stimmen nicht. Ihr Gesetzent-urf stimmt nicht.
egen Sie doch etwas Besseres vor! Dann kann manuch vernünftig darüber diskutieren.
Metadaten/Kopzeile:
31730 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Patrick Sensburg
)
)
Der Kollege Mayer hat es gerade angesprochen: Wasmachen Sie denn, wenn es in einem Gesetzgebungsver-fahren neue Erkenntnisse gibt? Sie nehmen sich jedeMöglichkeit, ein laufendes Gesetzgebungsverfahren zubeeinflussen, auch im Sinne der Bürger zu beeinflussen.Wenn in komplizierten Gesetzgebungsverfahren eineRechtswidrigkeit zutage tritt – im Parlament diskutierenwir über so etwas –, haben Sie keine Möglichkeit, Sach-verständige anzuhören. All das nehmen Sie sich und re-duzieren es auf eine einfache Fragestellung: Ja oderNein?Letzter Punkt: die Mitwirkung der Länder. Wenn mansich § 23 Abs. 2 Ihres Entwurfs eines Bundesabstim-mungsgesetzes anguckt, stellt man fest: Darin ist nichtsgeregelt über die Mitwirkung der Länder – nur eine mi-nimale Quorenregelung im einzelnen Bundesland. Ichglaube, Sie sollten sich mit Ihren Ministerpräsidenteneinmal darüber auseinandersetzen, ob das ausreichendist, gerade wenn es um Finanzfragen geht.Ich glaube, letzten Endes wird Ihre Initiative daranscheitern, dass Sie unter dem Strich die Exekutive stär-ken. Sie nehmen der Bevölkerung im Grunde die Mög-lichkeit, sich einzubringen. Sie schwächen das Parla-ment. Sie schwächen die Mitwirkung der direktgewählten Abgeordneten.Noch einmal das Beispiel des Kantons Glarus – dannbin ich auch am Schluss –: Die Leitung der Versamm-lung übernimmt der Landrat; er heißt dort „Landam-mann“. Die Exekutive ist hier ganz stark an der Vorbe-reitung beteiligt.All das, was Sie hier beschließen wollen, ist eineFarce. Sie stärken nicht die Bürger, Sie stärken nicht denParlamentarismus; Sie stärken unter dem Strich die Exe-kutive, die sich sehr deutlich einbringen wird.Lassen Sie uns doch über Gesetzesinitiativen diskutie-ren, die inhaltlich gut sind, die bestimmte Kompetenzenvielleicht ausnehmen! Es könnte ein Weg sein, einmalüber die Fragen zu diskutieren, die man in Volksabstim-mungen stellen kann.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
In der nächsten Legislaturperiode haben wir Zeit, da-
rüber zu diskutieren.
Heute war es eine Wahlkampfveranstaltung Ihrerseits.
Fachlich war es leider nichts.
Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzent-würfe auf den Drucksachen 17/13873 und 13874 an die indGFZZZZZAa
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31731
)
Ich eröffne die Aussprache und erteile Thomas Stroblfür die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Ich möchte mit einem ganz offenen Wortbeginnen: Meine Partei, die CDU, tut sich bei diesemThema schwer.
Bei diesem Thema ringen wir um den richtigen Weg. Ichhabe Respekt vor denen, die Argument für Argumentprüfen, die sich schwertun, die sich möglicherweise so-gar quälen bei einer gesellschaftspolitischen Frage undeiner gesellschaftlichen Entwicklung, die so einfachnicht ist.
– Wissen Sie, mir sind bei gesellschaftspolitischen Fra-gen manchmal diejenigen, die von Anfang an genau ge-wusst haben, wie es geht, nicht so sehr sympathisch, wiediejenigen, die um das, was wichtig ist, wirklich ringen.Ich habe in den vergangenen Monaten in meiner Par-tei für diesen Gesetzentwurf, den wir heute einbringen,geworben, nicht nur mit Blick auf die Rechtsprechungdes Bundesverfassungsgerichtes, die selbstverständlichimmer zu respektieren und auch umzusetzen ist, sondernweil ich in der Sache eine Überzeugung gefunden habe.
Diese Überzeugung ist, dass die steuerliche Gleich-stellung von Lebenspartnerschaften ein zeitgemäßerAusdruck konservativer Politik sein kann, in der es umetwas sehr Grundsätzliches geht, nämlich um die Siche-rung von Freiräumen in dieser Gesellschaft, in denen un-terschiedliche Lebensentwürfe verwirklicht werden kön-nen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Mensch ist un-vollkommen.
Das ist unser christliches Menschenbild. Deswegen istauch die Politik, die von Menschen gemacht wird, un-vollkommen.
– Hören Sie doch einmal einen Moment zu.Macht man diese Einsicht zur Grundlage von Politik,dann bedeutet das: Demut, Bescheidenheit,
RbnzdaSlibasKkaihgcGstiwghazgKnRgnrefüdsimsEDfüdnA
Die Grenzen menschlicher Erkenntnis setzen notwen-igerweise auch der Politik Grenzen, die nichts anderesls das Werk von Menschen ist. Daraus ziehen wir einenchluss: Bevor der Staat tätig wird, liegt die weitestmög-che Verantwortung bei den Einzelnen, bei der Familie,ei den Kommunen und bei gesellschaftlichen Gruppenls diejenigen, die nach unseren Vorstellungen diese Ge-ellschaft tragen. Ehe, Familie, die Gemeinschaft, dieommunen rangieren vor dem Staat. Das ist der Kernonservativer Gesellschaftspolitik. Das ist im Übrigenuch der Unterschied zu den Sozialdemokraten und zuren gedanklichen Ablegern, den Grünen.
Aus diesem Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen,lauben wir an den besonderen Wert zwischenmenschli-her Bindung und Verpflichtung. Wir glauben, dass eineesellschaft stärker und auch freier wird, wenn Men-chen sich freiwillig gegenseitig verpflichten, gegensei-g binden, wenn sie ein Leben lang füreinander Verant-ortung übernehmen. Aus diesem Grund treten wir ausanzer Überzeugung für die Ehe ein. Aus diesem Grundalten wir in der Union, im Gegensatz zu den Grünen,uch in der Zukunft am Ehegattensplitting fest.
Aus diesem Grund stärken wir auch aus ganzer Über-eugung die Familien. Das haben wir zu Beginn der Le-islaturperiode getan, indem wir das Kindergeld und deninderfreibetrag deutlich angehoben haben. Wir werdenach der Bundestagswahl hier mit der Verbesserung derenten für die älteren Mütter weitermachen.Weil ich an den Wert zwischenmenschlicher Bindun-en glaube, bin ich der Überzeugung: Wenn zwei Män-er oder zwei Frauen eine auf Dauer angelegte undchtlich verfestigte Partnerschaft eingehen, wenn siereinander einstehen, wenn sie ein Leben lang füreinan-er Verantwortung übernehmen, wenn sie die Gemein-chaft und den Staat also auch entlasten, dann sollten sie Steuerrecht genauso behandelt werden wie hetero-exuelle Paare.
s mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, aberavid Cameron hat recht: Als Konservativer kann manr Lebenspartnerschaften eintreten, nicht obwohl, son-ern weil man ein Konservativer ist.Der Opposition wird es in dieser Debatte allerdingsoch um einen weiteren Punkt gehen: um das volledoptionsrecht für homosexuelle Paare. Auch in dieser
Metadaten/Kopzeile:
31732 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Thomas Strobl
)
)
Frage – das sei ganz offen gesagt – gibt es in meiner Par-tei unterschiedliche Auffassungen.
Viele Menschen empfinden im Hinblick auf die Voll-adoption ein gewisses Unbehagen, und sie zögern.
Wer die Zwischenrufe der Grünen in den vergangenenDebatten zu diesem Thema gehört hat, konnte feststel-len: Sie erkennen in diesem Zögern nichts als Dummheitoder gar ein Residuum von Homophobie.
Ich erkenne in diesem Zögern zunächst die Aufforde-rung: Lasst uns eine Sache auf das Allergründlichste be-denken, wenn es um das Wohl von Kindern geht.
Noch etwas sollten Sie nicht aus den Augen verlieren:Wir sehen derzeit in Frankreich, welche Konsequenzeneine Entscheidung im Adoptionsrecht haben kann, wennsie nicht von einem sehr breiten gesellschaftlichen Kon-sens getragen wird. Wir möchten auf den Straßen inDeutschland keine französischen Verhältnisse. Wir wol-len in Deutschland keine Spaltung der Gesellschaft, sowie sie in Frankreich leider eingetreten ist.
Der Kollege Beck, der heute nicht zugegen ist,
hat in Sachen Lebenspartnerschaften seit einiger Zeitden Vorsitzenden der britischen Konservativen als zitier-würdige Autorität entdeckt; das ist in Ordnung. Viel-leicht darf ich einen Vorgänger Camerons vom Ende des19. Jahrhunderts zitieren, der meinte: Aufgabe der Kon-servativen sei es – ich zitiere –, „Veränderungen zu ver-zögern, bis sie harmlos geworden sind“. In meinen Wor-ten: Es geht darum, den Wandel in einer Gesellschaft sozu gestalten, dass die Gesellschaft über ihn nicht aus-einanderfällt oder gar zerbricht. Vielleicht kann man derÜberlegung zur schrittweisen, behutsamen Ausweitungder Rechte der Lebenspartnerschaften vor diesem Hin-tergrund auch dann etwas Gutes abgewinnen, wenn manein solches Vorgehen im Grunde für falsch hält und dieRechte am liebsten in einem Zug verwirklicht sehenwürde.
wssFnddESsfedgdsanhNkSsdAg
Kollege Beck, es passiert Ihnen selten, dass Sie über-
ehen werden, oder?
Das Wort hat nun Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wiriskutieren heute – man hätte eben einen falschen Ein-ruck bekommen können – nur über Änderungen iminkommensteuergesetz.
ie haben sich gerade ziemlich groß aufgeblasen, als Sieagten, dass Sie den richtigen Weg gesucht und ihn of-nsichtlich auch gefunden haben. Aber wir ändern nichtie Gesellschaft; wir ändern nur das Einkommensteuer-esetz. Das tun Sie übrigens nicht aus Überzeugung odereshalb, weil sie den richtigen Weg gefunden haben,ondern weil das Bundesverfassungsgericht es Ihnenufgetragen hat; so viel dazu.
Auch andere große gesellschaftliche Themen sind Sieicht von sich aus, weil sich Ihre Überzeugung geändertat, angegangen. Ich nenne als Beispiel die Wehrpflicht.atürlich: Es gab keine Wehrgerechtigkeit mehr, undaum noch jemand wollte zur Bundeswehr. Was habenie gemacht? Sie haben die Wehrpflicht ausgesetzt undich gewundert, dass plötzlich gar keiner mehr zur Bun-eswehr kam.
uch hier haben Sie nicht die richtigen Maßnahmen er-riffen. Auch dieses Thema haben Sie falsch angepackt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31733
Ingrid Arndt-Brauer
)
)
Ein anderes Beispiel ist das Thema Atomkraft. ImGegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung waren Sie füreine Laufzeitverlängerung.
Nach Fukushima haben Sie die Atomkraftwerke einfachabgeschaltet; Sie wollten Ihren Weg finden. Das habenSie allerdings getan, ohne Begleitgesetze auf den Weg zubringen. Wir haben hier die Energiewende gesetzlich be-schlossen. Dadurch ist sie aber noch nicht da.
– Jetzt komme ich zu dem Gesetzentwurf.
Auch da geht es um eine Reihe von Maßnahmen, zu de-nen man Sie zwingen musste, die dann aber ohne rich-tige Überzeugung umgesetzt werden.
Wir kommen jetzt also zur Änderung des Einkom-mensteuergesetzes. Ich betone: Wir von Rot-Grün habenschon 2001 wahrgenommen – wir haben da einen gutenDraht zur Bevölkerung –, dass die Gesellschaft offenerund vielfältiger geworden ist und Menschen auch in an-deren Formen leben wollten. Ich stehe auf Männer, meinMann steht auf Frauen; da bietet sich die Ehe an.
Aber andere Leute sind anders orientiert. Das haben wirwahrgenommen, und wir haben gesagt: Wir machen einschönes, rundes Gesetz dazu. – Das haben wir 2001 ge-macht. Wir sind am Bundesrat mit unserem Vorhabengescheitert. Wir wollten damals mehr tun, als nur einpaar rechtliche Dinge zu ändern. Wir wollten von An-fang an auch die finanziellen Vorteile, die eine Ehe bie-tet, auf Lebenspartnerschaften übertragen; wir wollteneine echte Öffnung der Ehe. Das ist damals allerdings anKonservativen und an nicht mutigen Liberalen geschei-tert; darauf muss man immer wieder hinweisen.Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht eingegriffen –endlich! Sie wollen jetzt genau das umsetzen, was Ihnendas Bundesverfassungsgericht konkret aufgeschriebenhat: Sie müssen unbedingt das Einkommensteuerrechtund andere finanzielle Dinge ändern. Da sagt das Minis-terium: Wir können nicht alles auf einmal machen; wirändern erst einmal nur das, was wir dringend ändernmüssen, ändern das Einkommensteuerrecht. – Das Bun-desverfassungsgericht sagt richtigerweise: Das mussrückwirkend bis 2001 gelten. – Da sagen Sie: Okay, wirmachen es rückwirkend. –
– Ja, genau das ist der Punkt: Was bedeutet denn „offeneFälle“? – Ich habe am Mittwoch im Finanzausschussnachgefragt. Es gab Bundesländer, in denen die FällenBnaseEndIcdesWBG–pEofüasletegEdfeWnriSVkEg
h bin sicher: Wenn wir das Gesetz heute verabschie-en, dann wird heute Nachmittag jemand Klage dagegeninreichen, und er oder sie wird Erfolg haben. Ich denke,o geht es wirklich nicht.
ir können nicht unterschiedliche Rechtsformen in denundesländern tolerieren und sie dann auch noch zurrundlage eines solchen Gesetzentwurfs machen.
Nein, das haben wir nicht. Wir haben die Entfernungs-auschale für alle rückwirkend geändert, egal ob eininspruch eingelegt worden war oder nicht, ob ein Fallffen oder bestandskräftig beschieden war. Wir haben esr alle geändert. Ich denke, in diesem Fall muss man esuch tun.Wir reden von 34 000 Eingetragenen Lebenspartner-chaften. Gehen wir einmal davon aus, dass nicht bei al-n gravierende Einkommensunterschiede vorliegen. Souer wird es also nicht werden; das kann nicht das Ar-ument sein.
in anderes Argument darf es hier nicht geben. Ichenke, wir müssen die Leute gleichbehandeln und dür-n es nicht davon abhängig machen, wo sie ihrenohnsitz hatten.
Deshalb möchte ich ausdrücklich dafür werben, jetzticht nur das Einkommensteuergesetz in der Minimalva-ante zu ändern, sondern es im größeren Stil zu machen.timmen Sie unseren Anträgen zu und tun Sie etwasernünftiges. Wenn Sie schon auf den richtigen Weg ge-ommen sind, dann sollten Sie den Weg bitte bis zumnde gehen und sich nicht von einer Bundesverfassungs-erichtsentscheidung zur nächsten hangeln. Da sollten
Metadaten/Kopzeile:
31734 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Ingrid Arndt-Brauer
)
)
Sie im Sinne der Bürger handeln; das sollten Sie aufneh-men.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Michael Kauch für die FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist
ein Tag der Freude. Wir von der FDP haben uns schon
seit sehr vielen Jahren dafür eingesetzt, dass diejenigen
Menschen, die gleiche Pflichten haben, auch gleiche
Rechte bekommen. Dieser Gesetzentwurf setzt hier den
für die meisten Betroffenen wichtigsten Punkt um, näm-
lich eine Änderung bei der Einkommensteuer. Es ist gut,
dass wir das, was wir auch in der Koalition lange streitig
diskutiert haben – es hat lange gedauert –, jetzt mit einer
gemeinsamen Vorlage auf den Weg bringen.
Ich möchte vor allen Dingen Herrn Strobl für seine
aus meiner Sicht für die Union wirklich wegweisende
Rede danken. Das ist das erste Mal, dass ein von der
Unionsfraktion nominierter Redner hier im Plenarsaal
das ausgesprochen hat, was viele in der Unionsfraktion
schon lange gedacht haben. Sonst wurden immer Redner
ans Pult geschickt, die eine andere Auffassung vertraten.
Diesem Vortrag lag ein modernes konservatives Fami-
lienbild zugrunde. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar
dafür, dass Sie Ihre Position deutlich gemacht haben.
Die Neuorientierung der Union, die hier sichtbar
wird, wird es ermöglichen, in der nächsten Wahlperiode
die letzten Schritte auf dem Weg zur vollständigen
Gleichstellung zu gehen. Wir als Liberale werden darauf
drängen. Nach der heutigen Rede bin ich sehr zuver-
sichtlich, dass wir dabei erfolgreich sein werden.
Es ist ein Grund zur Freude, dass die schwulen und
lesbischen Eingetragenen Lebenspartner das Ehegatten-
splitting nutzen können. Ein noch größerer Grund zur
Freude wäre, wenn sie es behalten könnten und Rote und
Grüne es Ihnen nicht nach der nächsten Wahl wieder
wegnehmen würden.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Barbara Höll für die Fraktion Die
Linke.
K
m
v
s
Im
s
w
s
s
E
D
C
re
d
n
m
d
w
d
b
s
d
z
re
d
G
s
re
W
b
d
L
s
b
k
K
n
n
E
b
e
L
s
n
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich komme mir vor wie in einem Kinderzim-er. CDU/CSU und FDP verhalten sich wie eine Hordeon Kindern, die zwar wissen, dass sie aufräumen müs-en, aber es nicht tun wollen.
Koalitionsvertrag hatte die CDU/CSU per Unter-chrift die Gleichstellung versprochen, aber umsetzenill sie es nicht. Da wird gequengelt, mit den Füßen ge-tampft und geheult – Herr Geis ist ein wunderbares Bei-piel dafür –, um bloß nichts tun zu müssen.
s wird diskutiert: Später! Später! Ich mache es später! –ie paar wenigen, die es wollen – die Wilde 13 derDU/CSU –, werden in die Ecke gedrängt. Sie sollen ih-n Mund halten und dürfen hier im Bundestag nicht re-en. Das ist die Realität. Der ganze Prozess ist nervig. Eservt einfach, so wie es Eltern nervt, wenn Kinder per-anent quengeln, obwohl sie wissen: Es ist die Norm,ass man sein Kinderzimmer aufräumt, wenn man etwasiederfinden will.Was machen Sie? Sie benachteiligen Menschen, inem Sie sie zwingen, in ungerechten Verhältnissen zu le-en. Sie zwingen sie, Lebensenergie und Geld zu ver-chwenden, um zu ihrem Recht zu kommen. Immer wie-er müssen die Betroffenen vor Gericht ziehen, sogar bisum Bundesverfassungsgericht. Dort bekommen siecht. Und was ist Ihre Reaktion darauf? Sie ändern nuras, was absolut notwendig ist.
Im Finanzausschuss wird uns erklärt: Wir wollen eineeneralklausel im Einkommensteuerrecht. – Ich frageie: Warum gibt es keine Generalklausel für das Steuer-cht insgesamt, zum Beispiel in der Abgabenordnung?ir könnten das umsetzen. Damit hätten wir die Pro-leme beseitigt, die wir zum Beispiel noch im Bereicher Rürup- und Riester-Renten haben; denn hier ist derebenspartner oder die Lebenspartnerin eben nicht abge-ichert. Wie sieht das beim Kindergeld aus? Hat der Le-enspartner oder die Lebenspartnerin Kinder, dann be-ommt man zwar den Kinderfreibetrag, aber keinindergeld. Man sieht: Es gibt im Steuerrecht immeroch eine Reihe von Lücken. Das kostet Kraft, weil eservt; dabei wissen Sie – zumindest bezüglich desinkommensteuerrechts; Sie haben es schon unterschrie-en –, dass Sie die Regelungen ändern werden müssen.Es ist gut, dass wir heute das Wenige tun, aber es istnttäuschend, dass Sie nicht wenigstens zum Ende deregislaturperiode die Kraft hatten, im Steuerrecht insge-amt reinen Tisch zu machen. Das ist ein Armutszeug-is.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31735
Dr. Barbara Höll
)
)
Immer wieder wird gesagt, Änderungen im Adop-tionsrecht seien nicht möglich. Die Lebensrealität inDeutschland hat sich aber verändert, und wir in der Poli-tik sind verpflichtet, die veränderten Lebensrealitätenwahrzunehmen. Unser Bundestagspräsident Herr Lammerthat heute früh in seiner Rede bewusst das Wort „normal“gebraucht und herausgestellt. Aber was ist denn schonnormal? In Familien gibt es ganz unterschiedliche Kon-stellationen. Es gibt Ehen zwischen Männern undFrauen, mit und ohne Kinder. Es gibt Menschen, dieohne Trauschein zusammenleben: Männer mit Männern,Männer mit Frauen, Frauen mit Frauen, mit und ohneKinder. Es gibt funktionierende Patchworkfamilien inunterschiedlichen Modellen. In manchen Familien blei-ben die Kinder immer in einer Wohnung und die Elternwechseln, in anderen Familien wechselt die Betreuungder Kinder. Inzwischen gibt es Wahlverwandtschaften,weil unsere Welt so mobil geworden ist. Das ist die Nor-malität. Wir stehen in der Verantwortung und haben dieNormen des Zusammenlebens der veränderten Normali-tät anzupassen. Das ist das, was die Bevölkerung zuRecht von uns erwartet. Wir als Opposition haben gelie-fert. Sie stümpern vor sich hin.
Ich sage Ihnen eines: Ich habe im vergangenen Jahrauf Einladung an der Segnung eines schwulen Paareshier in Berlin teilgenommen. Ein anderes befreundetesPaar will seine Partnerschaft erst dann institutionalisie-ren, wenn es heiraten darf. Ich freue mich schon jetzt da-rauf, auf dieser Hochzeit zu tanzen; denn die Öffnungder Ehe steht als Nächstes an.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun Volker Beck für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Frau Höll, wenn es Rot-Grün gibt,können wir zusammen tanzen, weil es dann die Öffnungder Ehe gibt.
– Nein, ich habe nicht Rot-Rot-Grün gesagt, sondern:Wenn es Rot-Grün gibt.
Wir feiern die Öffnung der Ehe dann auch mit Ihnen zu-sammen, wenn Sie das wollen. Da sind wir gar nicht so.
DaeLteBssgutiDudwBhwsdgmstevressdEubhregDas
Im Kern geht es darum: Gleiche Liebe, gleiche Pflich-n, gleiche Rechte – nur das ist fair. Das sagt uns dasundesverfassungsgericht immer wieder. Zum Men-chenbild: Herr Strobl, ja, wir sind alle imperfekt – zuge-tanden –, aber wir alle haben die gleiche Würde und dieleichen Rechte. Das ist die Perspektive der Verfassung,nd das ist die Perspektive der Menschenrechtskonven-on.
iesen Grundsatz haben Sie notorisch verletzt, wenn esm Schwule und Lesben ging. Alle Urteile, die das Bun-esverfassungsgericht erlassen hat, waren notwendig,eil die Union zunächst im Bundesrat und später imundestag die Gleichberechtigung verhindert hat. Sieaben Schwulen und Lesben die gleichen Rechte ver-ehrt und ihnen damit auch die gleiche Würde abge-prochen. Das ist skandalös. Dafür sollten Sie sich beien Menschen eigentlich entschuldigen.
Sie machen ja weiter so. Es hat sich nichts grundle-end verändert. Sie stümpern ein bisschen im Einkom-ensteuerrecht herum. Die Regelungen zum Kindergeldowie zur Riester- und zur Rürup-Rente gestalten Sie un-rschiedlich. Das alles macht keinen Sinn. Wir solltenielleicht versuchen, das im Ausschuss noch zu korrigie-n.Das Bundesverfassungsgericht hat uns nicht nur ineinem Urteil zum Einkommensteuerrecht gesagt – dasagt es uns immer wieder, bei jeder Rechtsmaterie miten gleichen Worten –: Die Ungleichbehandlung vonhegatten und Eingetragenen Lebenspartnern ist auchnter Berücksichtigung des in Art. 6 Abs. 1 verankertenesonderen Schutzes der Ehe und der im Recht beste-enden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers nicht ge-chtfertigt. – Das gilt für alle Punkte, um die es geht.Zum Adoptionsrecht hat das Bundesverfassungs-ericht im Februar gesagt:Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Le-benspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestal-tung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigenkönnten, bestehen nicht …as gilt nicht nur für die Sukzessivadoption. Das giltuch für die gemeinschaftliche Adoption. Deshalb müs-en wir das jetzt umsetzen.
Metadaten/Kopzeile:
31736 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Volker Beck
)
)
Dazu bedarf es keiner langen Überlegungen. UnserenGesetzentwurf dazu gibt es seit 2010. Das Verfassungs-gericht hat im Dezember Vertreter der Psychologenver-bände und der Jugendämter angehört. Es hat Vertreter al-ler Fachorganisationen im Familienbereich angehört.Das einhellige Sachverständigenvotum lautete: Das kannnur gut für die Kinder sein. – Sie machen weiter anti-schwule und antilesbische Politik auf dem Rücken desKindeswohls der Kinder in gleichgeschlechtlichen Le-bensgemeinschaften.
Im Ausschuss liegt seit Anfang des Jahres unser Ge-setzentwurf vor. Wir wollen Schluss machen mit allenDiskriminierungen. Es ist doch ätzend, das man Gesetzfür Gesetz vorgeht: Höfeordnung,
Einkommensteuerrecht, Abgabenordnung. Immer wie-der muss man nachbessern. Lassen Sie uns alles auf ein-mal aufräumen. Ich verweise auf unseren Gesetzentwurfauf Drucksache 17/12676, der auf 17 Seiten 22 Artikelbeinhaltet. In diesem Zusammenhang hat Herr Krings ei-nen bedenkenswerten Satz gesagt:Ich halte es aber schon gesetzesökonomisch fürfragwürdig, für wenige Tausend betroffene FälleDutzende von Gesetzen zu überarbeiten.
Das kann man so sehen.
Ich halte es für nicht gerichtsökonomisch, schwuleund lesbische Paare für jede Diskriminierung einzelnnach Karlsruhe zu schicken, um die Diskriminierung zubeseitigen und dem Gesetzgeber den Auftrag erteilen zulassen, abermals ein Gesetz zu erlassen.Deshalb ist es eigentlich an der Zeit – die Gesell-schaft ist so weit; die Mehrheit des Bundesrates will esinzwischen, und auch viele Anhänger Ihrer Parteiensind dafür –: Lassen Sie uns die Ehe öffnen! Dann istdieser ganze Quatsch, um jede einzelne Regelung zukämpfen, einfach vorbei. Darin drückt sich dann auchdie Akzeptanz aus. Solange wir unterschiedliche Rechts-institute haben – Lebenspartnerschaft für Homosexuelle,Ehe für Heterosexuelle –, diskriminieren wir weiter. Daswollen wir überwinden. Das wäre das richtige Signal.Das wäre übrigens auch im Sinne von Herrn Kringsziemlich gesetzesökonomisch. Deshalb werden wir,wenn Sie das in dieser Legislaturperiode nicht machen,im ersten Jahr von Rot-Grün die Ehe öffnen.
Das könnte schon 2014 wahr werden.
Nächster Redner ist Olav Gutting für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!anche bezeichnen die anstehende steuerliche Gleich-tellung von Lebenspartnern im Einkommensteuer-ereich als eine Revolution. So stand es zumindest in ei-er Zeitung. Revolutionäres kann ich daran allerdingsicht erkennen; denn seit über zehn Jahren gilt das Le-enspartnerschaftsgesetz in Deutschland. Es ist gesell-chaftliche Realität. Dieses Lebenspartnerschaftsgesetzt in weiten Teilen der Ehe nachgebildet, insbesondereas die Pflichten angeht. Damit gilt der Grundsatz: Glei-he Pflichten, gleiche Rechte!
Die Eingetragenen Lebenspartnerschaften sind einestitutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft. Dieses laut Gesetz – Füreinandereinstehenmüssen ist selbst-erständlich auch die Berechtigung für die Privilegie-ng im Steuerrecht. Schon im vergangenen Jahr habeh mich aus diesen Gründen zusammen mit zwölf ande-n Abgeordneten aus meiner Fraktion für die einkom-ensteuerrechtliche Gleichstellung der Lebenspartner-chaften ausgesprochen. Frau Kollegin Höll, ich kannur sagen: Bei uns wird keiner deswegen in irgendeinecke gedrängt.
s ist schlicht eine Frage der Steuergerechtigkeit. Es istchlicht eine Frage des Respekts vor gleichgeschlechtli-hen Lebenspartnerschaften.
Ich habe mich ein bisschen gewundert, warum ausge-chnet die Gleichstellung im Hinblick auf die gemein-ame Veranlagung so hohe Wogen schlägt. Wir habenereits in der Vergangenheit in weiten Teilen des Steuer-chts eine Gleichstellung erreicht: bei der Erbschaft-nd Schenkungsteuer, bei den Renten, im Beamtenrecht,ei der Grunderwerbsteuer. Dennoch war es, wie icheine, im Rückblick und im Ergebnis richtig, vor dermsetzung der steuerlichen Gleichstellung zunächst deneschluss des Bundesverfassungsgerichtes abzuwarten.ie Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sindsenswert. Insbesondere in den beiden Sondervotenurde ganz deutlich, dass es dem Gesetzgeber bei derinführung des Partnerschaftsgesetzes gerade nicht da-m ging, ein der Ehe vollständig gleichgestelltes Insti-t zu schaffen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31737
Olav Gutting
)
)
Dass die Opposition nun die Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichtes dazu nutzen will – das ist hiergerade vorgetragen worden –, die Ehe als Gemeinschaftzwischen Mann und Frau aufzuheben, ist schon bemer-kenswert.
In der Vorlage, die Sie von Rot-Grün vorhin zitiert ha-ben, heißt es – hören Sie einmal zu –, das „Konzept derGeschlechtsverschiedenheit der Ehegatten“ sei überholt.Ich dachte zunächst, das sei ein Witz, aber Sie meinendas ernst.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Beck?
Nein, lassen Sie mich bitte fortfahren. – Die Ehe zwi-
schen Mann und Frau, die regelmäßige Vorstufe zur Fa-
milie, die durch Art. 6 geschützte Keimzelle der Gesell-
schaft, die Voraussetzung für die Generationenfolge, ist
für SPD und Grüne nicht mehr schützenswert.
Nur Mann und Frau sichern den Fortbestand des Ge-
meinwesens. Ich weiß nicht, wann Ihnen diese Erkennt-
nis abhandengekommen ist.
Aber letztendlich ist das nur ein weiterer Mosaikstein
der Politik, die Sie gegen den Mittelstand und gegen Fa-
milien betreiben.
Wer das Ehegattensplitting abschaffen will, wer Kinder-
geld und Kinderfreibetrag so umbauen will, dass jede
dritte Familie mit Kindern zukünftig stärker steuerlich
belastet wird, wer wie Grün-Rot in Baden-Württemberg
die Grunderwerbsteuer erhöht und damit genau die jun-
gen Familien belastet und ausnimmt wie eine Weih-
nachtsgans, die sich ein Nest bauen wollen,
die ein gemeinsames Eigenheim schaffen wollen, dem
kann ich hier nur attestieren: Sie legen die Axt an die
Wurzel der Zukunft unserer Gesellschaft und unseres
Staates.
W
ri
ir
D
ri
s
v
g
E
v
li
Ic
d
D
tr
d
li
n
Ic
G
g
re
Ih
a
e
b
–
Ic
e
v
ieser Schritt hin zur steuerlichen Gleichstellung ist
chtig, er ist vielleicht sogar auch überfällig. Aber wir
agen auch ganz klar, dass dieser Beschluss des Bundes-
erfassungsgerichts keineswegs die Öffnung der Ehe für
leichgeschlechtliche Paare bedeutet.
r bedeutet gerade nicht, dass nun auch die Volladoption
on Kindern durch gleichgeschlechtliche Partner mög-
ch ist.
h will jetzt hier gar nicht über das Kindeswohl schwa-
ronieren.
as Kindeswohl steht selbstverständlich immer im Zen-
um der Überlegungen. Die Volladoption von Kindern
urch zwei Männer oder zwei Frauen lehne ich persön-
ch aus einem einzigen Grund ab: Es fühlt sich in mei-
em Herzen falsch an.
h bitte Sie, das zu respektieren.
Ich freue mich auf weitere gute Beratungen zu diesem
esetzentwurf.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
en Volker Beck.
Herr Gutting, ein Vorurteil kann man nicht respektie-n. Nichts anderes als ein Vorurteil ist es, wenn Sie aufr Herz zeigen und dazu sagen, dass es sich dort falschnfühlt. Die Fakten aller Untersuchungen besagen, dasss keinen rationalen Grund gibt, Schwule und Lesbenei Adoptionsentscheidungen zu benachteiligen.
Ja, das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt.h habe es Ihnen vorhin vorgelesen. Lesen Sie es nochinmal nach! – Unter Randziffer 104 der Entscheidungom 19. Februar dieses Jahres schreibt das Gericht:
Metadaten/Kopzeile:
31738 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Volker Beck
)
)
Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Le-benspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestal-tung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigenkönnten, bestehen nicht …Nehmen Sie sich das zu Herzen, und erzählen Sie hiernicht großartig, Sie als Rechtsstaatspartei würden dasVerfassungsgericht immer respektieren und seine Urteileumsetzen. Nein, Sie tun es nicht. Sie rebellieren geradegegen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts
und weigern sich, das hier umzusetzen.Ich habe mich eigentlich gemeldet, weil Herr Stroblvorhin – das hat Herrn Kauch Hoffnung gemacht –Herrn Cameron mit seiner Aussage zur Öffnung der Ehezitiert hat. Herr Cameron sagte: Ich bin nicht, obwohl ichKonservativer bin, für die Öffnung der Ehe, sondernweil ich Konservativer bin, bin ich für die Öffnung derEhe.
Dann sagte Herr Gutting, das sei der Untergang desAbendlandes, die Destruktion von Ehe, Familie und Ge-sellschaft. Tauschen Sie sich doch einmal untereinanderaus. Geht diese homophobe Kampagne weiter, oder öff-net sich die CDU/CSU, schlau geworden durch das Bun-desverfassungsgericht, endlich für die Gleichberechti-gung und hat Respekt vor den lesbischen Bürgerinnenund den schwulen Bürgern dieses Landes?
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention erteile
ich Kollegin Höll.
Herr Kollege Gutting, ich zählte in meiner Rede meh-
rere Formen von Familien auf, die es in Deutschland
gibt. Familie ist da, wo Nähe ist, wo Kinder erzogen und
betreut werden, wo Menschen gepflegt und betreut wer-
den. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der
Meinung sind, dass in Deutschland Kinder nur in Ehen
geboren werden? Wollen Sie mit Ihren Ausführungen
deutlich machen, dass die Millionen alleinerziehender
Mütter und Väter in Deutschland nicht in der Lage sind,
ihre Aufgaben richtig zu erfüllen? Würden Sie bitte zur
Kenntnis nehmen, dass bereits heute Tausende Kinder in
Regenbogenfamilien leben? Das heißt, es ist längst Nor-
malität. Wir sprechen hier, wenn es um die Möglichkeit
der Volladoption geht, nur über sehr wenige Familien. Es
wäre nur der letzte Schritt einer bestehenden Entwick-
lung.
Ich habe von Ihnen jedenfalls nicht gehört, dass Sie
der Ansicht wären, dass zwei Frauen, die sich dafür ent-
scheiden, zusammenzuleben, die Kinder, die sie in diese
Beziehung mitbringen oder die in dieser Beziehung ge-
boren werden, nicht weiter betreuen dürften.
h
D
d
n
g
v
S
R
v
Ic
fe
te
fa
g
k
D
ti
K
d
te
E
S
g
d
g
u
s
as ist eine typische Reaktion von Ihnen; Sie spielen
iese Karte ja immer wieder. Das finde ich nicht in Ord-
ung. Ich bin froh, dass, wenn es um das Kindeswohl
eht, nicht Sie entscheiden und auch nicht das Bundes-
erfassungsgericht allein. Wir werden – der Kollege
trobel hat das vorhin deutlich gemacht – das alles in
uhe besprechen und uns mit entsprechenden Studien
ersorgen.
h bitte Sie aber, unsere Meinung zu respektieren.
Frau Kollegin Höll, es ist billig, wenn Sie uns vorwer-
n, wir würden uns damit gegen Alleinerziehende rich-
n. Ich mache es Ihnen ganz einfach: Stimmen Sie ein-
ch unserer geplanten Kindergelderhöhung und unserer
eplanten Erhöhung des Kinderfreibetrags zu! Das
ommt nämlich auch Alleinerziehenden zugute.
azu müssen Sie nicht die Ehe abschaffen.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Johannes Kahrs für die SPD-Frak-
on.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wir haben in den letzten Jahren häufig überieses Thema diskutiert. Wir haben das alles in den letz-n zwölf Jahren herauf und herunter diskutiert. Amnde geht es um die Gleichberechtigung von Lesben undchwulen. Wir alle werden noch erleben, dass die Eheeöffnet wird. Dann hat sich das Klein-Klein, das unsie CDU/CSU in den letzten zwölf Jahren aufgezwun-en hat, endlich erledigt.Am Anfang der Debatte dachte ich: Frau Steinbachnd Herr Geis sind heute nicht da; aber die tapferen 13tehen hier. Sie werden entsprechende Reden halten und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31739
Johannes Kahrs
)
)
dann gemeinsam in diese Richtung gehen. Die Reden,die ich hier gehört habe – gerade die Rede von Ihnen,Herr Gutting –, zeigen allerdings, dass die Union immernur das zu geben bereit ist, wozu das Bundesverfas-sungsgericht sie zwingt.
Es nervt, dass wir hier immer und immer wieder überdieses Thema diskutieren müssen. Wenn man mit jungenLesben und Schwulen spricht, weiß man, was sie be-wegt: die Frage ihres eigenen Outings. Sie wissen nochnicht genau, wie sie sich orientieren sollen, sie habenProbleme: zu Hause, in der Schule, überall. Wer die Pro-bleme durch Diskriminierung auf den Schulhöfen kennt,weiß, dass wir in dieser Debatte in vielen Punkten anein-ander vorbeireden.Der erste Redner von der CDU/CSU – das muss ichzugeben – hat es relativ geschickt gemacht: Er hat zu-mindest probiert, das, was man nicht erklären kann, nochhalbwegs so darzulegen, dass es sich für jemanden, derdie Vorgeschichte nicht kennt, noch ganz logisch anhört.In der Sache ist es aber so, dass die CDU/CSU seit zwölfJahren vom Bundesverfassungsgericht zu jedem einzel-nen Schritt genötigt und bei jedem Schritt von den hiervertretenen Parteien – von der Linken, von der SPD, vonden Grünen und von der FDP – getragen werden musste.Selbst dann haben Sie die Fristen gerade eben eingehal-ten. Sie wollen die Gleichstellung der Schwulen undLesben nicht. Von sich aus tun Sie nichts, um dieseGleichstellung herzustellen; daher müssen Sie vom Bun-desverfassungsgericht dazu genötigt werden. Das gibtAnlass zum Fremdschämen.Es gibt einige bei Ihnen, die sehen das nicht so; das isthoch respektabel, und das kann man nur unterstützen.Ich kenne einige Kollegen bei Ihnen, die in der Sachevollkommen richtig liegen. In der Vergangenheit ist dieUnion hier aber immer von denjenigen vertreten worden,die das komplett anders gesehen haben. Das Bundesver-fassungsgericht muss Sie zu jedem einzelnen Schritt nö-tigen. Es geht nicht um uns; wir müssen das ertragen;wir werden dafür bezahlt. Aber warum ersparen Sienicht denjenigen, die nicht wissen, wie sie ihr Outinghinbekommen sollen und die in Schulen und Betriebendiskriminiert werden, solche Debatten, die immer wiederentsprechend kommentiert werden? Das ist das, was ichwirklich nicht verstehe.Politisch ergibt das Ganze überhaupt keinen Sinn.Wenn das alles stimmt, was Sie beide gesagt haben, undselbst wenn Sie das jahrelang hätten prüfen wollen, dannhätten wir das schon vor zwölf Jahren, zumindest abervor acht oder zehn Jahren machen können. Aber dieFrage ist, warum Sie von der CDU/CSU das nicht ge-macht haben. Frau Merkel hat sich zu dem Thema jahre-lang gar nicht geäußert, sich aber, beginnend mit demniedersächsischen Landtagswahlkampf, in jedes Bierzeltgestellt und für die Diskriminierung von Lesben undSchwulen gestritten.DFguhWeimvbLwkaMPuFDsEsfidIcseEgLuF
a stellt man sich doch die Frage, warum dem so ist. Dierage ist relativ einfach zu beantworten: weil der ideolo-ische Kern der CDU/CSU, das, was sie als konservativnd rechts ausweist, inzwischen fast gar nicht mehr vor-anden ist. Sie sind gegen die Atomkraft, Sie haben dieehrpflicht abgeschafft, Sie sind für ein bisschen Frau-nquote und auch für ein bisschen Mindestlohn. Weil Siemer mit so einem Wischiwaschi daherkommen, sindiele Stammwähler verärgert. Jetzt können Sie noch einisschen gegen den Beitritt der Türkei zur EU und gegenesben und Schwule sein. Das ist Ihr Markenkern. Des-egen haben Sie so hart gegen die Gleichstellung ge-ämpft. Das ist es, was unanständig ist.
Herrn Geis und Frau Steinbach nehme ich inhaltlichb, dass sie von ihrer Position überzeugt sind. Frauerkel aber handelt aus niederer Berechnung, um einigerozente mehr bei der Wahl zu gewinnen. Das ist es, wasnanständig und schäbig ist.Vielen Dank.
Jetzt hat der Kollege Daniel Volk das Wort für die
DP-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrtenamen und Herren! Wir erleben heute wirklich eine sehrchöne, geradezu historische Stunde mit der Vorlage desntwurfs eines Gesetzes zur Übertragung des Ehegatten-plittings auf Eingetragene Lebenspartnerschaften. Ichnde, so manche Wortbeiträge in dieser Debatte warenieser Thematik nicht angemessen.
h finde es nicht ehrlich und nicht redlich, dass insbe-ondere die Redner der Opposition so tun, als hätten sies schon immer gewusst.
ines ist klar: Die Entscheidung des Bundesverfassungs-erichts zu der Frage der Gleichstellung Eingetragenerebenspartnerschaften im Steuerrecht ist in sich logischnd zwingend konsequent. Deswegen waren wir alsDP-Fraktion auch äußerst erfreut über diese Entschei-
Metadaten/Kopzeile:
31740 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Daniel Volk
)
)
dung und haben uns dafür eingesetzt, dass innerhalb derwenigen Wochen, die uns noch bleiben, dieses Urteil zü-gig umgesetzt wird.Ich habe mich in die Geschichte der Beratungen überdie Eingetragenen Lebenspartnerschaften in diesemHaus vertieft. Dabei habe ich einen Gesetzentwurf mei-ner Fraktion aus dem Februar 2004 gefunden. Darin gehtes um die Gleichstellung Eingetragener Lebenspartner-schaften im Sozialversicherungsrecht, in anderen Berei-chen und im Steuerrecht. Dieser wurde von den Fraktio-nen der Union, der SPD und der Grünen abgelehnt.
Lieber Herr Kollege Beck, lieber Herr Kollege Kahrs,liebe Frau Kollegin Arndt-Brauer, Sie alle drei waren da-mals schon Mitglieder dieses Parlaments und haben ge-gen die Gleichstellung im Steuerrecht gestimmt. Deshalbdürfen Sie sich jetzt nicht hier hinstellen und behaupten,Sie seien schon immer dafür gewesen.
Herr Volk, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Volker Beck?
Nein, ich möchte gerne fortfahren. – Sechs Monate
später gab es einen Gesetzentwurf der damaligen rot-
grünen Koalitionsfraktionen. Ich habe ihn mir ange-
schaut und sehr genau durchgelesen. Aber was fand sich
hinsichtlich einer Übertragung des Ehegattensplittings
auf Eingetragene Lebenspartnerschaften? Nichts, Fehl-
anzeige! Sie haben das damals in Ihren eigenen Gesetz-
entwurf nicht aufgenommen.
Daran zeigt sich das Unredliche Ihres Auftretens in der
heutigen Debatte.
Wenn Sie meinen, dieser Debatte einen moralischen
Impetus geben zu müssen, dann möchte ich auf einen
entscheidenden Punkt hinweisen. Es handelt sich hier
nicht nur um eine Frage der Steuergerechtigkeit, sondern
auch um eine Frage der Steuervereinfachung. Eingetra-
gene Lebenspartnerschaften übernehmen gegenseitig
Pflichten. Deswegen müssen sie auch gleiche Rechte be-
kommen.
Der Splittingtarif, der jetzt nicht nur für Ehegatten, son-
dern auch für Eingetragene Lebenspartnerschaften gelten
wird, wird zu einer vereinfachten Veranlagung im Steuer-
re
w
b
d
g
g
a
k
V
F
d
k
h
m
v
n
v
n
e
e
m
Ü
c
g
D
G
R
s
n
d
d
M
s
fü
g
s
fü
tu
Werfen Sie insofern also bitte nicht anderen Parteien
or, dass es bei ihnen möglicherweise schwierige Mei-
ungsbildungsprozesse gibt, sondern schauen Sie auch
inmal auf Ihre eigene Partei. Damit würden Sie hier
ine redliche und ehrliche Debatte führen.
Sie haben es aber versäumt, dem historischen Mo-
ent der heutigen Debatte gerecht zu werden.
Damit schließe ich die Aussprache.Zusatzpunkte 16, 17 und 18. Interfraktionell wirdberweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksa-hen 17/13870, 17/13871 und 17/13872 an die in der Ta-esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. –amit sind Sie einverstanden. Dann verfahren wir so.Zusatzpunkt 19. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Dierünen auf Drucksache 17/13912 mit dem Titel „Dasecht auf Eheschließung für Personen gleichen Ge-chlechts einführen“. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-en wünscht Abstimmung in der Sache. Die Fraktionener CDU/CSU und FDP wünschen Überweisung zur fe-erführenden Beratung an den Rechtsausschuss und zuritberatung an den Innenausschuss, den Finanzaus-chuss, den Haushaltsausschuss sowie den Ausschussr Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Nach ständi-er Übung stimmen wir zuerst über den Antrag auf Aus-chussüberweisung ab. Ich frage deshalb: Wer stimmtr die Überweisung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-ngen? – Damit ist die Überweisung so beschlossen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31741
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
Somit stimmen wir heute nicht über den Antrag selbstab.Zusatzpunkt 20. Antrag der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen auf Drucksache 17/13913 mit dem Titel „DieEntscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom19. Februar 2013 und vom 7. Mai 2013 zur Gleichstel-lung eingetragener Lebenspartnerschaft mit der Ehe imAdoptions- und Einkommensteuerrecht umsetzen“. DieFraktion Bündnis 90/Die Grünen wünscht Abstimmungin der Sache. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDPwünschen Überweisung zur federführenden Beratung anden Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Innen-,den Finanz- und den Haushaltsausschuss sowie den Aus-schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Auchhier stimmen wir zuerst über die Ausschussüberweisungab. Wer stimmt für die Überweisung? – Wer stimmt da-gegen? – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung sobeschlossen bei Zustimmung durch die Koalitionsfrak-tionen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen, esgab keine Enthaltungen. Auch hier stimmen wir nichtüber den Antrag in der Sache ab.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 65 a und b auf:a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Dr. Martina Bunge, Kathrin Senger-Schäfer,Harald Weinberg, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKEGesundheit und Pflege solidarisch finanzieren– Drucksachen 17/7197, 17/13929 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Harald Terpeb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Weinberg, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKEZuzahlungen für Patientinnen und Patientenjetzt abschaffen– Drucksachen 17/9067, 17/13067 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Martina BungeHierfür ist eine halbe Stunde Debatte vorgesehen. –Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wirso.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort gebe ich demKollegen Lanfermann für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immerwieder freitags treffen wir uns hier zu gesundheitspoliti-schen Debatten, weil es ja noch ein paar überjährige An-träge abzuarbeiten gilt. Heute sind es zwei Anträge vondisazhwBzspbdmmre„bEm–zEdÄJBbsbWtrnddBzmulem
ußer dass auch Sie zu diesem seltsamen Wettbewerbwischen den drei Oppositionsfraktionen beitragen, dieeute Morgen von der Kollegin Maag schon ermahntorden sind, sie möchten nicht immer das tote Pferd derürgerversicherung reiten,
umal es einigen in Ihren Reihen und auch den Gewerk-chaften nicht egal ist, dass dadurch 67 000 Arbeits-lätze bei der Privatversicherung auf dem Spiel stehenzw. vernichtet würden.Nun gut, Sie streiten sich über Farbe und Ausstattunger Autos, die Sie anbieten; aber alle haben eines ge-einsam: Sie kämen gar nicht durch den TÜV, sie bekä-en gar keine Betriebserlaubnis, weil sie schon auschtlichen Gründen gar nicht funktionieren würden.
Sie arbeiten mit einem gut erfundenen Wort, derBürgerversicherung“, einem Wort, das allerdings etwasezeichnet, was wesentliche Mängel hat. Es ist ein reinesinnahmemodell. Manche sagen auch „Verbreiterungs-odell“.
Oder „Abzocke“, natürlich. Es bringt nichts Neues be-üglich der medizinischen Versorgung.
s bringt auch keinen Fortschritt bei dem Hauptproblem:er demografischen Entwicklung, nämlich dass mehrltere, die bekanntlich mehr Geld kosten, von wenigerüngeren finanziert werden müssen. Dabei steigen dieeiträge immer weiter, wenn es beim jetzigen Systemleibt. Es gibt auch einen Rückschritt bei der Zukunfts-icherung, die wir mit der Krankenversicherung betrei-en müssen. Wir müssen nämlich, auch im globalenettbewerb, Arbeitsplätze sichern. Wir haben die Bei-äge stabil gemacht. Sie wollen sie wieder erhöhen,
icht nur bei der Parität, sondern – so die SPD – auchurch die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze fürie Arbeitgeberseite. Das ist eine ungeheuer schwereelastung und eine Gefährdung von Arbeitsplätzen. Daeigt sich auch schon der wesentliche Unterschied: Wirachen eine Politik für Wachstum und Beschäftigung,nd Sie wollen mal wieder austesten, was man noch al-s an Belastungen auf die Wirtschaft und die Arbeitneh-er verteilen kann.
Metadaten/Kopzeile:
31742 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Heinz Lanfermann
)
)
Bei dem Wettbewerb zwischen den Krankenkassensieht es auch ganz düster aus. Die Linken fordern gleichden Einheitsbeitrag,
und bei der SPD kommt etwas ganz Neues: Wir sindklug und verzichten auf die Erhebung von Beiträgen ausZinsen und Mieterträgen; dafür machen wir eine großeSteuersäule. – Das sagt Herr Lauterbach und schreibt esjetzt auch überall. Wissen Sie, das sind dieselben Abge-ordneten, die uns schon wegen weniger Milliarden, diees braucht, um zum Beispiel einen steuerfinanzierten So-zialausgleich zu finanzieren, sagen:
Aber wenn Sie die Bürgerversicherung machen, dannkommen alle Finanzminister und Haushälter aus Bundund Ländern und geben Ihnen die Milliarden, die bei denBeiträgen fehlen. Das glaubt Ihnen niemand.
Bei den Grünen wird es noch absurder. Sie wollen dieKrankenkassen zu zweiten Finanzämtern machen, mitErhebungen, mit dem Einnehmen von Beiträgen aufMieten und Zinsen.
Allerdings wissen Sie nicht genau, ob dann auch die Be-lastungen abgerechnet werden dürfen. Das Allerperver-seste – wenn ich das einmal so sagen darf – bei den Grü-nen ist: Bei der Steuer wollen Sie das Splittingmodellzurückfahren, also dämpfen – natürlich zulasten der Bür-ger –, und bei der gesetzlichen Krankenversicherungwollen Sie wieder ein Splittingmodell einführen, sodassman, wenn einer oben an der Belastungsgrenze ist undder andere nicht, dies schön zusammenzählt, damit fürdie Familie insgesamt mehr Geld herauskommt. Das istdie 90-Prozent-Lüge von Herrn Trittin, der glaubt, erkönne der Bevölkerung weismachen, sie sei nicht betrof-fen, da man angeblich nur bei einigen Reichen mehrSteuern abgreift.
Die Honorare für Kliniken und Ärzte sind ein weite-res Problem. Sie wollen weismachen, es gäbe dann Ein-heitshonorare, wissen aber genau, woher Sie die Milliar-den nehmen wollen. – Nein, das wissen Sie nicht; dennwenn es keine PKV mehr gäbe, fehlten Ihnen mindes-tens 10 Milliarden Euro im System, weil dort – was beiIhnen ja indirekt wieder zur Zweiklassenmedizin führt –bekanntlich mehr gezahlt wird und viele Praxen nur da-von leben.sdgenwdvZisaauravwraeDdvgWhbvAuumhsHfeWiscKfäm
Ich hoffe, die Frau Präsidentin gibt mir noch ein biss-hen Redezeit.
Das tue ich nicht, sondern weise Sie darauf hin, Herr
ollege, dass Sie schon deutlich überzogen haben.
Das habe ich bemerkt, Frau Präsidentin. – Manchmalllt mir der Abschied auch nicht schwer, aber ichöchte mich trotzdem in aller Form von Ihnen verab-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31743
Heinz Lanfermann
)
)
schieden. Dies ist meine letzte Rede hier im DeutschenBundestag.Ich habe durch meine Arbeit in der Kommunalvertre-tung, im Landtag, im Bundestag in verschiedenen Berei-chen viel erlebt. Ich habe als Vorsitzender eines Untersu-chungsausschusses in Nordrhein-Westfalen an großenDingen mitwirken können. Ich war dann Abgeordneterfür Brandenburg. Ich bin den Parteifreunden in Branden-burg sehr dankbar dafür, dass sie mich hierher geschickthaben, auch wenn ich aus dem Westen komme. Wir ha-ben sehr gut zusammengearbeitet. In der Gesundheits-politik haben wir auf einigen Themenfeldern viel er-reicht. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihr weiteresSchaffen und danke für Ihre Aufmerksamkeit.Danke schön.
Da habe ich Sie zunächst falsch verstanden. Ich
dachte, Sie wollten mit dem üblichen Engagement auf
die Zwischenrufe eingehen. Auch ich wünsche Ihnen im
Namen des ganzen Hauses natürlich alles Gute für das,
was Sie jetzt vorhaben.
Ich gebe dem Kollegen Edgar Franke für die SPD-
Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Herr Lanfermann hat eben in seiner letzte Redegesagt: Immer wieder freitags diskutieren wir das ThemaBürgerversicherung. – Es ist in der Tat so, dass wirschon ein paar Mal am Freitag auch die Anträge der Lin-ken diskutiert haben.Sicherlich sind die Anträge ein bisschen dem Bundes-tagswahlkampf geschuldet. Das hört sich, HerrWeinberg, zunächst ganz gut an, aber gute Absicht alleinreicht nicht. Eine Bürgerversicherung für Gesundheitund Pflege ist sicherlich der richtige Weg, aber manmuss es handwerklich ordentlich machen. Wir brauchenkeine Einheitsversicherung. Wir brauchen auch keinenEinheitsbeitrag. Wir brauchen vielmehr Wettbewerb umQualität und Leistung.Wir brauchen auch, Herr Weinberg, einen Wettbe-werb zwischen den Kassen. Dabei ist aber, HerrLanfermann, der Wettbewerb nicht das Ziel, sondern derWettbewerb muss das Instrument sein, um effizientereLeistungen für die Patienten zu ermöglichen.
Wir brauchen eine Bürgerversicherung,
dmuGsTugdPKDdgsnGnlisd„cdbredcrusevksgbdusFgccfeaso
Herr Lanfermann, mehr als 70 Prozent der Menschenagen: Wir brauchen eine Bürgerversicherung, die strikterennung zwischen gesetzlicher Krankenversicherungnd privater Krankenversicherung ist unfair. – Geradeestern konnten wir lesen, was der Vorstandsvorsitzendeer AOK Graalmann gesagt hat: dass sich jeder dritterivatversicherte wünscht, wieder in die gesetzlicherankenversicherung zurückkehren zu können.
as ist ein deutliches Zeichen, eine Abstimmung miten Füßen.Warum ist das so? Die Antwort ist ganz einfach. Esibt heute keine gesellschaftliche Mehrheit dafür – daind die Menschen sehr sensibel –, dass Normalverdie-er, Altersrentner und chronisch Kranke automatisch derKV zugeordnet werden, während sich die Gutverdie-er der Solidarität entziehen können und teilweise wirk-ch weniger Beiträge zahlen. Das empfinden viele alsozial ungerecht. Wie heißt es im Märchen Aschenputteler Gebrüder Grimm – ich bin nämlich Nordhesse –:Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpf-hen.“ Ich glaube, das Bild zeigt, wohin die Reise geht.Warum kann die PKV so gute Tarife anbieten? Auchas hat einen einfachen Grund: Sie können deswegenessere Tarife anbieten, weil sie die im Schnitt Gesünde-n und wirtschaftlich Stärkeren versichern. Insofern istas eben kein fairer Wettbewerb zwischen der gesetzli-hen Krankenkasse und der privaten Krankenversiche-ng. Der diabetische Millionär, der öfter bei uns im Ge-undheitsausschuss herumgegeistert ist, ist sicherlichher die Ausnahme.Das heißt, die private Krankenversicherung kann dieielbeschriebene Rosinenpickerei betreiben und andersalkulieren. Es besteht eben kein Kontrahierungszwang.Aus Sicht der SPD ist die Patientenperspektive ent-cheidend. Grundsätzlich muss jeder den gleichen Zu-ang zur bestmöglichen medizinischen Versorgung ha-en. Das ist ein Programmsatz, für den die SPD auch iner Regierung immer gestanden hat, liebe Freundinnennd Freunde.Deshalb brauchen wir einen fairen Wettbewerb zwi-chen GKV und PKV. Was bedeutet fairer Wettbewerb?airer Wettbewerb bedeutet – ich habe es vorhin schonesagt – für beide Versicherungszweige einen einheitli-hen Wettbewerbsrahmen. Das bedeutet im Wesentli-hen drei Punkte. Es bedeutet erstens: keine Beitragsdif-renzierungen nach individuellem Gesundheitsrisiko,lso keine Risikoselektion. Es bedeutet zweitens, dassich die Beitragshöhe am Arbeitnehmereinkommenrientiert. Es bedeutet drittens: Wir haben eine einheitli-
Metadaten/Kopzeile:
31744 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Edgar Franke
)
)
che Honorarordnung für beide Versicherungszweige.Dann ist die Niederlassung von Ärzten an Orten mit vie-len Privatpatienten eben nicht mehr so attraktiv. Damitkann man gleichzeitig mittelbar auch Einfluss auf dieVerteilung der Ärzte jenseits der Bedarfsplanung neh-men. Man hat also auch noch in der Hinsicht eine posi-tive Wirkung, was die faire Verteilung von Ärzten be-trifft.Herr Weinberg, unser Bürgerversicherungsmodell un-terscheidet sich von Ihrem Modell vor allen Dingen inzwei Punkten.Erster Punkt. Wir wissen, dass die Hauptlast unseresSozialversicherungssystems die mittleren Einkommens-gruppen tragen. Deswegen wollen wir die Beiträge inder Krankenversicherung stabil halten, und deswegenwollen wir die Beitragsbemessungsgrenze gerade nichthöher gestalten. Wir wollen den Faktor Arbeit entlasten,was immer auch Gegenstand unserer Regierungspolitikwar. Ich glaube, das ist der richtige Weg.
Zweiter Punkt. Wir wollen keine Verbeitragung vonMiet- und Kapitaleinnahmen.
Denn gerade mit einer Verbeitragung von Mieteinnah-men würden wir auch den kleinen Häuslebauer treffen.Gerade das wollen wir ebenfalls nicht.Herr Weinberg, soziale Umverteilung kann man nichtmit dem Beitragsrecht in der Krankenversicherung ma-chen; dazu braucht man das Steuerrecht. Wir haben nichtnur die zweckgebundene Abgeltungsteuer vorgeschla-gen, sondern wir haben auch ein Steuerkonzept, das esmöglich macht, dass wir mit einem erhöhten Steuerzu-schuss die Beiträge in der Krankenversicherung niedrighalten, Herr Spahn. Insofern ist das Bürgerversiche-rungsmodell der SPD völlig seriös durchkalkuliert.
Zurzeit geistern auch die anderen Modelle wiederdurch die gesundheitspolitische Diskussion. Frau Maaghat heute Morgen schon das Bild vom toten Pferd ge-braucht. Herr Lanfermann ist sozusagen auf ihm gerit-ten. Aber eines ist klar: Das Pferd „Kopfpauschale“, dasMontgomery geritten hat, ist in der Tat tot, Herr Zöller.Und wer hat es erschossen? Das war Merkel höchstper-sönlich. Deswegen wird es, glaube ich, einkommens-unabhängige Beiträge nicht mehr geben. Das ist auch einSchritt in die andere Richtung: in eine solidarisch finan-zierte Bürgerversicherung.Eines darf man auch nicht vergessen, nämlich unsereSozialstaatstradition. Helmut Schmidt hat einmal gesagt:Die größte Kulturleistung im 20. Jahrhundert, die wir inDeutschland haben, war der Sozialstaat. – Unsere ge-setzliche Krankenversicherung hat zwei Weltkriegeüberlebt, und sie hat Revolutionen überlebt.–WD–hdsdAmdIcdz–mihihaHSnsP
Das Umlagesystem ist so schlecht nicht, Herreinberg.
ie Kapitaldeckung hat gerade in der Finanzmarktkrise da gebe ich Ihnen ja recht – einige Schwierigkeiten ge-abt. Die Verzinsung war schlecht. Ich glaube, man hata das grundsätzliche Problem der privaten Krankenver-icherung perspektivisch gesehen.Letzter Punkt – meine Redezeit läuft langsam ab – istie Frage, wie wir es mit der Beitragsautonomie halten.uch das ist ein Punkt, den ich unter Wettbewerb subsu-ieren würde. Die Krankenkassen haben, angeregturch diese Regierung, viel zu hohe Beiträge festgesetzt.h glaube, wir brauchen wieder Beitragsautonomie, umiesen fairen Wettbewerb, den ich beschrieben habe, ein-uleiten.
Sehr geehrter Lars Lindemann, ich wundere mich im-er, dass ihr den Einheitsbeitrag beibehalten habt, weilr doch sonst immer für Wettbewerb seid.
Wenn wir Wettbewerb hätten, –
Herr Kollege.
– hätten wir einen ganz anderen Beitragssatz, als wir
n jetzt haben.
Herr Kollege.
Ich darf vielleicht noch zwei Sätze sagen.
Der vorliegende Antrag der Linken bedeutet bezogenuf die Zuzahlungen Mindereinnahmen im Haushalt inöhe von 3 Milliarden Euro.
icherlich sind Zuzahlungen als Steuerungselementicht geeignet.Wir brauchen eine seriöse Gegenfinanzierung. Eineeriöse Gegenfinanzierung war immer ein Prinzip derolitik der SPD im Bereich Gesundheit.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31745
)
)
Herr Kollege Franke.
In dem Sinne, glaube ich, müssen wir sehen, dass wir
die Bürgerversicherung langsam einführen und politi-
sche Schritte gehen, –
Herr Kollege Franke.
– um die Patientinnen und Patienten besser zu versor-
gen.
Ich danke Ihnen.
Sie brauchen sich bei mir nicht zu bedanken. Das war
nämlich nicht freiwillig.
Ich gebe dem Kollegen Willi Zylajew jetzt das Wort
für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Dieser Antrag ist der erneute Aufguss einer Tinktur, dieals Wundermittel für das Gesundheitswesen angepriesenwird. Dieses propagierte Wundermittel soll hochwirk-sam sein, für und gegen alles gut. Es soll unabhängigvon jeder Prozessqualität entwickelt werden. Damit ver-bunden sind Heilsversprechen.
– Kollege Weinberg, die hohe Ergebnisqualität wird inAussicht gestellt – da gebe ich Ihnen recht –, zumindestfür den, der daran glaubt.
„Bürgerversicherung“ ist so ein Zauberwort – ichwiederhole es –: für und gegen alles gut. Dieses Wunder-mittel wird in unterschiedlichen Varianten entwickelt. Esgibt in unserer Gesellschaft bzw. im Deutschen Bundes-tag zurzeit verschiedene Varianten, die wir begutachtensollen. Es entsteht der Eindruck, dass die Bürgerversi-cherung selbst gegen Beschwerden hilft, die man ohnederen Einführung gar nicht hätte.
Dies wird nach meiner Einschätzung ein Stück weitaus dem Antrag der Drucksache 17/7197 deutlich. Erenthält die immer wieder auftauchenden Positionen.Dennoch haben wir uns sorgfältig mit dem Thema ausei-nandergesetzt. Wir haben uns in einer Anhörung damitbefasst, haben alle Experten aus der Republik um ihreSmimdZmgkteuvbIcGnrampDstipsw–sz–eMehDzkGWcg
Ich beginne mit der Frage „Einbeziehung aller Ein-ommensarten“ – es ist schon von Vorrednern angedeu-t worden –: Einnahmen aus Kapital, Mieten, Pachtensw. Dazu müsste man eine neue Kranken- und Pflege-ersicherung, eine Einheitskasse, einen Apparat auf-auen, der irrsinnig wäre.
h glaube, dieser Verwaltungsapparat würde einenroßteil der Mittel aufzehren, sodass vermutlich dem-ächst die Verwaltungskosten höher wären als die Hono-re, die wir an Ärzte zahlen.
Ich will darauf hinweisen, dass man diese Beitrags-ittel monatsscharf einziehen müsste. Es müsste alsoarallel zum Finanzamt ein Apparat aufgebaut werden.azu sagt selbst der GKV-Spitzenverband – schauen Sieich das Protokoll der Anhörung an –: Das ist unrealis-sch, unvernünftig, unverhältnismäßig und einfach nichtraktikabel.Ich spreche jetzt – weil es im Aufguss eine Rollepielt – das Thema Beitragsbemessungsgrenze an. Wirissen: Dagegen steht das Äquivalenzprinzip.
Frau Dr. Bunge, auch in der Sozialversicherung müs-en Beitrag und Leistung irgendwo in einem Verhältnisueinander stehen.
Das ist eindeutig. Nicht nur für mich ist das nicht alleinine juristische Frage, sondern auch eine Frage, wie dieenschen das empfinden.Der nächste Teil im Aufguss ist die Botschaft, dassine Einheitskasse – bei der mit der PKV auch die Bei-ilfe wegfallen würde – alles richten und regeln kann.ie Lebenserfahrung bzw. die praktische Erfahrungeigt uns: Das Gegenteil ist richtig. Solch eine Einheits-asse schadet unserem Gesundheitswesen. Die gesamteesellschaft erzielt aus unserer Sicht gute Erfolge durchettbewerb in fast allen Lebens- und Wirtschaftsberei-hen, in der Bildung, dem Sport und in der Kultur. Dasilt auch für das Gesundheitswesen und die Pflege.
Metadaten/Kopzeile:
31746 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Willi Zylajew
)
)
Selbst die GKV, die, was ihre Leistungen bzw. Bei-träge anbelangt, geregelt ist, profitiert vom Wettbewerbder Kassen untereinander. Die Menschen entscheidensich für eine bestimme Kasse – mal für die eine, mal fürdie andere –, weil sie eine bestimmte Kasse als für sichvorteilhaft empfinden. Ich finde, die Kassen müssen umMitglieder werben bzw. sich durch Service, Satzungs-leistungen und Angebote für besondere Leistungen umMitglieder bemühen.Die Einheitskasse würde zu einer Reduzierung füh-ren. Wir sind uns auch relativ sicher: Nach der Einheits-kasse, die Sie wollen – –
– Natürlich wollen Sie eine Einheitskasse.
Eine Einheitsversicherung ist eine Einheitskasse; das istdoch das Gleiche. Machen Sie sich doch nichts vor: InIhrem System ist kein Wettbewerb vorgesehen. Sie wol-len alle Systeme abschaffen. Es soll eine Kasse geben,die Geld einzieht. Dabei lassen Sie völlig offen, in wel-cher Form das geschehen soll. Dabei haben Sie sich mitder Realität überhaupt noch nicht auseinandergesetzt.Anschließend wird ja auch eine Einheitsversorgungkommen. Dies muss man den Menschen auch ein Stückweit deutlich sagen. Wenn Sie sich damit auf den Marktstellen, werden Sie sich wundern, wie gering das Inte-resse sein wird, wenn Ihrer 08/15-Bürgerversicherungdann auch noch eine 08/15-Bürgerversorgung folgt.
Wir sagen Ihnen klar und eindeutig: Wettbewerb wirduns weiterhelfen. Wir haben bisher vom Wettbewerb pro-fitiert. Im Gesundheitswesen und in der Pflege könnenwir beachtliche Erfolge verzeichnen. Da ist Deutschlandvielen anderen Ländern weit überlegen – auch wenn wirimmer wieder ein Stück weit nachjustieren müssen. ObPflege oder Gesundheitswesen: Wir als Union wollenQualität, wir wollen Vielfalt, wir wollen Wettbewerb, wirwollen eine gute Versorgung im gesamten Bundesgebiet,wir wollen gute Leistungen. Daher lehnen wir Ihren An-trag ab.Danke sehr für die Aufmerksamkeit.
Der Kollege Harald Weinberg hat jetzt das Wort für
die Fraktion Die Linke.
u
v
b
w
h
c
e
m
z
h
s
D
a
u
s
v
w
D
g
d
d
b
v
–
D
w
b
d
S
w
S
n
re
D
s
s
In
la
s
u
fa
eswegen werde ich versuchen, einige dieser Punkteufzunehmen und richtigzustellen.So behaupten Union und FDP, teilweise auch SPDnd Grüne, dass unsere Vorstellungen eines solidari-chen Gesundheitssystems nicht mit der Verfassung zuereinbaren seien, in wesentlichen Teilen verfassungs-idrig seien. Gerade vor dem Hintergrund der letztenebatte, die wir geführt haben, muss ich sagen: Das sa-en uns schon die richtigen Verfassungsexperten. Alleiese Fraktionen haben nämlich Gesetze beschlossen,ie sich später als verfassungswidrig herausgestellt ha-en, und sie haben es in dem Bewusstsein getan, dass sieerfassungswidrig sind.
Natürlich! Klar!
as Europa- und Bundeswahlrecht, die Sicherungsver-ahrung, die Vorratsdatenspeicherung und das Splittingei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, all das isturch das Verfassungsgericht wieder kassiert worden;ie mussten nachbessern. Das ist so. Sie wussten es teil-eise schon vorher. Das ist die Faktenlage. Ich an Ihrertelle würde mir überlegen, ob Sie wirklich die Berufe-en sind, uns an dieser Stelle das Grundgesetz zu erklä-n.
as überlassen Sie vielleicht besser anderen.In diesen Tagen ist eine Studie des WSI, des Wirt-chafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des Deut-chen Gewerkschaftsbundes, veröffentlicht worden. Dasstitut hat sich von Ihrer Rhetorik nicht verunsichernssen und hat unseren Vorschlag, die Beitragsbemes-ungsgrenze abzuschaffen, in einem Rechtsgutachtenntersuchen lassen. Es hat sich herausgestellt: Es ist ver-ssungsrechtlich möglich.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31747
Harald Weinberg
)
)
Die Beitragsbemessungsgrenze – das nur noch einmalals allgemeine Information – sorgt dafür, dass Menschenmit hohem Einkommen prozentual weniger Krankenver-sicherungsbeiträge zahlen müssen als die mit mittleremoder geringem Einkommen,
weil die Beiträge gedeckelt sind. Das ist ungerecht, unddas wollen wir abschaffen.
Sie sagen: Das ist nicht verfassungsmäßig. Wir habenfestgestellt: Das ist durchaus verfassungsmäßig; es ent-spricht dem Sozialstaatsgedanken.
Jetzt kommen wir noch einmal zu dem Thema „Ab-schaffung der privaten Krankenversicherung“. Ich willes verhältnismäßig kurz machen. Jedes Gesetz greift inbestehende Verträge, in das Eigentum und gegebenen-falls auch in die Berufsfreiheit ein. Es steht außer Frage,dass das so geschieht. Ob das verfassungsrechtlich gehtoder nicht, hängt davon ab, ob der Eingriff angesichtsdes gewünschten Ziels gerechtfertigt ist oder nicht, obder Gesetzgeber Gestaltungsspielräume hat oder nicht.Das Ziel, das wir mit der Bürgerversicherung erreichenwollen, hat einen hohen Verfassungsrang. Es geht da-rum, die gesetzliche Krankenversicherung in der Zu-kunft funktionsfähig zu halten, alle Menschen in einehochwertige Gesundheitsversorgung einzubeziehen unddas Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zu erfüllen.
Noch einmal zu dem Thema der Abschaffung derPKV. Die Vorstellungen der Grünen und der SPD gehendahin, wahlweise eine Übergangsfrist vorzusehen odereinen Zwang für private Krankenversicherer, Bürgerver-sicherungskonditionen anzubieten. Das würde beidesdas Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungim Prinzip genauso kaputtmachen und letztlich nur einensanften Tod der privaten Krankenversicherung herbei-führen. Der Unterschied zu uns ist im Wesentlichen der,dass wir klar sagen, was wir an dieser Stelle wollen.
Zu der Frage von Belastung von allen.
Noch einmal ganz klar: Unser Bürgerversicherungskon-zept führt dazu, dass Versicherte mit einem Einkommenvon unter 6 000 Euro im Monat entlastet werden, undVersicherte mit einem Einkommen von über 6 000 Euroim Monat werden belastet. Wer anderes behauptet, wiedas beispielsweise in der Bertelsmann-Studie geschieht,redet Unsinn.
abStuDimDeGbnImvgLsgnwbv
as sind Menschen, die bis zu neun Monatsbeiträge erstinmal für sich selber kassieren. Sie wissen, dass dieseseschäftsmodell nicht besonders schön ist.
Ein Weiteres.
Herr Kollege.
Ja. Vielleicht noch zwei Sätze.
Mit der Absenkung der Beiträge, die unser Konzept
einhaltet, geht logischerweise eine Stärkung der Bin-
ennachfrage einher.
Ergebnis werden mehr Arbeitsplätze geschaffen, als
erloren gehen. Das muss man real sehen.
Herr Kollege.
Was Sie machen, ist nie gewerkschaftliche Position
ewesen. Sie vertreten sozusagen den Heizer auf der E-
ok.
Ein Letztes. Den Menschen in diesem Lande sei ge-
agt: Lassen Sie sich nicht alles erzählen von denjeni-
en, die die Bürgerversicherung kaputtreden wollen
ach dem Motto:
Wenn man es nur oft genug sagt, dann wird schon et-
as hängen bleiben. – Das sind diejenigen, die von dem
isherigen System zu Unrecht profitieren und die Sie
erunsichern wollen.
Herr Kollege Weinberg.
Metadaten/Kopzeile:
31748 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
)
Wer ein solidarisches Gesundheitswesen möchte, der
wählt die Bürgerinnen-und-Bürger-Versicherung, und
der wählt die Linke.
Vielen Dank.
Elisabeth Scharfenberg hat jetzt das Wort für Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Allein das Wort Bürgerversicherung in den Mund
zu nehmen, reicht im Moment schon aus, um die Gemü-
ter der Union und FDP richtig hochkochen zu lassen.
Seit Wochen machen Sie und einige sich als Verlierer
wähnende Lobbygruppen gegen das Konzept der Bür-
gerversicherung mobil. Das wird Ihnen aber nichts
nützen, weil die Bürgerinnen und Bürger von einer
Zweiklassenmedizin genug haben. Auch die Privatversi-
cherten haben genug von den absolut unkalkulierbaren
Steigerungen ihrer Versicherungsbeiträge.
Die Bürgerversicherung muss kommen. Das wissen
Sie genauso gut wie wir auf dieser Seite des Parlaments.
Ich persönlich zähle dabei auf die Einsichtsfähigkeit der
Bundeskanzlerin. Ist sie doch bekannt dafür, ihr Mäntel-
chen schnell zu wenden, wenn der Wind aus einer ganz
anderen Richtung weht.
Doch eine Bürgerversicherung für Gesundheit und für
Pflege muss natürlich auch umsetzbar sein. Da liegen
wir Grünen und die Linken mit unseren Vorstellungen
weit auseinander. Die Linke möchte eine Einheitsversi-
cherung. Wir nicht. Das sage ich gleich noch einmal,
falls mich der eine oder andere auf der Regierungsbank
nicht richtig verstanden hat: Eine Bürgerversicherung
bedeutet nicht, die Einheits-AOK einzuführen. Das kön-
nen Sie sich als Argument für die nächsten Podiumsdis-
kussionen einfach abschminken. Wir Grüne wollen eine
vielfältige Kassenlandschaft, die eine Bürgerversiche-
rung anbietet.
Die Linke möchte die Beitragsbemessungsgrenze ab-
schaffen. Wir nicht. Abschaffen ist völlig überzogen.
Eine Anpassung an das geltende Niveau in der Renten-
versicherung ist unserer Meinung nach sachgerecht.
A
g
k
D
P
u
d
u
s
d
w
li
p
n
ti
d
d
is
A
h
g
la
d
b
K
e
B
z
„
A
D
L
fü
E
g
S
B
fe
d
P
s
Den Schwarzen Peter dem Beirat zuzuschieben nach
em Motto, er hätte nicht schnell genug gearbeitet, und
eshalb sei der Bericht nicht rechtzeitig fertig geworden,
t nun wirklich eine Verdrehung der Tatsachen. Der
uftrag für den Bericht kam aus dem Haus des Gesund-
eitsministers. Dort muss dann auch Sorge dafür getra-
en werden, dass der Bericht rechtzeitig fertig wird. Das
sse ich unserem Gesundheitsminister überhaupt nicht
urchgehen.
Die grüne Pflegebürgerversicherung könnte das Pro-
lem auf einen Schlag lösen. Vielleicht denken Sie, liebe
olleginnen und Kollegen von der Koalition einfach
inmal nach, statt nur reflexhaft dagegen zu beißen.
Vielen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zureschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheitu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem TitelGesundheit und Pflege solidarisch finanzieren“. Derusschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 17/13929, den Antrag der Fraktion Dieinke auf Drucksache 17/7197 abzulehnen. Wer stimmtr die Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –nthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung an-enommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP undPD. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt.ündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten.Ich komme zur Abstimmung über die Beschlussemp-hlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrager Fraktion Die Linke mit dem Titel „Zuzahlungen füratientinnen und Patienten jetzt abschaffen“. Der Aus-chuss empfiehlt auf Drucksache 17/13067, den Antrag
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31749
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
auf Drucksache 17/9067 abzulehnen. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommenbei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Dage-gen war die Fraktion Die Linke. Bündnis 90/Die Grünenhaben sich enthalten.Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 64 a und bauf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten SibyllePfeiffer, Dr. Christian Ruck, Hartwig Fischer
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der AbgeordnetenDr. Christiane Ratjen-Damerau, Michael Kauch,Helga Daub, weiterer Abgeordneter und derFraktion der FDPMillenniumsentwicklungsziele, Post-MDG-Agenda und Nachhaltigkeitsziele – Für einegut verständliche, umsetzungsorientierte undnachprüfbare globale Entwicklungs- undNachhaltigkeitsagenda nach 2015– Drucksache 17/13893 –b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. BärbelKofler, Dr. h. c. Gernot Erler, Ulla Burchardt,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPDFür eine nachhaltige Entwicklungsagendaab 2015 – Millenniumsentwicklungszieleund Nachhaltigkeitsziele gemeinsam gestal-ten– zu dem Antrag der Abgeordneten ThiloHoppe, Dr. Valerie Wilms, Ute Koczy, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENFür universelle Nachhaltigkeitsziele – Ent-wicklungs- und Umweltagenda zusammen-führen– Drucksachen 17/13762, 17/13727, 17/13945 –Berichterstattung:Abgeordnete Sibylle PfeifferDr. Bärbel KoflerHelga DaubHeike HänselThilo HoppeHierzu ist vorgesehen, eine halbe Stunde zu debattie-ren. – Dazu höre ich und sehe ich keinen Widerspruch.Dann verfahren wir so.Ich erteile für die FDP-Fraktion dem Kollegen HaraldLeibrecht das Wort.HludgmZBsMKgrubZsbsTHliZbeddm1HadgzvfünHwusfülowBwdg
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eute lief hier in Berlin die Diskussion zu den Empfeh-ngen zur Post-2015-Entwicklungsagenda, die Altbun-espräsident Horst Köhler als Mitglied des Beratungs-remiums des UN-Generalsekretärs für Deutschlanditgestaltet hat. Es passt also sehr gut, dass wir heute dieukunft der globalen Entwicklungsagenda im Deutschenundestag diskutieren.Die Millenniumsentwicklungsziele sind ein Meilen-tein hin zu einer gerechten Welt. Sie sind Ansporn undaßstab zugleich für die weltweiten Anstrengungen imampf gegen Armut und Unterentwicklung. Dank desroßen Engagements vieler Geberländer, Nichtregie-ngsorganisationen und auch vieler privater Geber sindis heute beachtliche Fortschritte gemacht worden. Dieahl der Menschen, die von extremer Armut betroffenind, konnte halbiert werden. Die Bildungschancen ha-en sich vor allem auch für Mädchen deutlich verbes-ert. Die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberemrinkwasser konnte ebenfalls halbiert werden.Leider konnten in den Bereichen der Bekämpfung desungers, der Verringerung der Mütter- und Kindersterb-chkeit und der Gleichstellung der Geschlechter dieiele trotz Verbesserungen nicht erreicht werden undleiben weiterhin eine große Herausforderung. Die nichtrreichten Ziele und die Bekämpfung der Armut müssenarum Teil dieser neuen Agenda sein. Daher begrüße ichen Vorschlag der Vereinten Nationen, die extreme Ar-ut – sie betrifft Menschen, die mit weniger als,25 Dollar pro Tag auskommen müssen – sowie denunger in der Welt bis 2030 vollständig zu beseitigen.
Die globale Entwicklungs- und Nachhaltigkeits-genda steht vor der großen Herausforderung, die Zieleer Armutsbekämpfung und der Nachhaltigkeit, die so-enannten Sustainable Development Goals, die SDGs,u vereinen. Mit der Zusammenführung der Prozesseon MDGs und SDGs wird etwas Neues geschaffen. Wirhren entwicklungspolitische Ziele und eine globaleachhaltige Entwicklung zusammen. Um die weltweitenerausforderungen bewältigen zu können, müssen wireg von dem engen Denken in fachpolitischen Grenzennd müssen hin zu einer Politik, die alle handelnden Per-onen, Institutionen und Handlungsfelder zusammen-hrt.
Schon heute enthalten die MDGs den Aspekt der öko-gischen Nachhaltigkeit. Trotzdem stehen wir beimeltweiten Klima- und Umweltschutz noch vor einemerg von Aufgaben. Die CO2-Emissionen steigen welt-eit weiter an. Viele Entwicklungsländer kämpfen miten Folgen des Klimawandels. Die Zerstörung der Re-enwälder ist vielerorts immer noch erschreckend. Im-
Metadaten/Kopzeile:
31750 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Harald Leibrecht
)
)
mer mehr Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterbenbedroht. Die Ergebnisse der Arbeit der Enquete-Kom-mission „Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität“ ma-chen deutlich, wo Umweltgrenzen überschritten werdenund dass wir das Problem der globalen Güter nur durchglobale Antworten lösen können und hierfür die Struktu-ren der Global Governance stärken müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen,dass den Menschen ohne intakte Umwelt und ohne in-taktes Klima die Lebensgrundlage genommen wird. Ichbegrüße es, dass Deutschland ab 2013 jährlich 500 Mil-lionen Euro in den weltweiten Naturschutz und den Er-halt der Artenvielfalt investiert. Das ist ein richtigerSchritt und ein ermutigendes Signal, das deutlich macht,dass die Bundesregierung ihre internationalen Verpflich-tungen ernst nimmt.Ich begrüße ferner, dass der Bundestag fraktionsüber-greifend beschlossen hat, dass das Parlament zukünftigfrühzeitig und umfassend über laufende und zu erwar-tende Verhandlungen zur Umwelt- und Nachhaltigkeits-politik im Rahmen der Vereinten Nationen informiertwird und dass dadurch seine Beschlüsse auch berück-sichtigt werden. Das war leider nicht immer der Fall; wirwurden oftmals, zum Beispiel bei Regierungsverhand-lungen, vor vollendete Tatsachen gestellt.Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,bitte gestatten Sie mir zum Abschluss eine persönlicheAnmerkung. Da ich nicht mehr für den Deutschen Bun-destag kandidiere und dies wohl meine letzte Rede indiesem Hohen Haus sein wird, möchte ich die Gelegen-heit nutzen, mich bei all meinen Kolleginnen und Kolle-gen, mit denen ich in den vergangenen elf Jahren zu tunhatte – sei es in meiner eigenen Fraktion, sei es in denanderen Fraktionen –, für die sehr gute, kollegiale undfreundschaftliche Zusammenarbeit zu bedanken. Ob frü-her im Auswärtigen Ausschuss, im Ausschuss für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im Un-terausschuss „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik“oder früher für viele Jahre im Unterausschuss „Abrüs-tung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“: Wir hat-ten jederzeit ein gutes und faires Miteinander, manchmalhart in der Sache, aber immer herzlich im persönlichenUmgang.Es war und ist für mich eine große Ehre und auch eineFreude, Mitglied des Deutschen Bundestages zu sein.Das ist schon etwas ganz Besonderes und wahrlich keineSelbstverständlichkeit. Nach drei Legislaturperiodenmöchte ich mich wieder verstärkt dem eigenen Unter-nehmen widmen und mich neuen Herausforderungenstellen. Auch wenn der Abschied aus dem Bundestag mitetwas Wehmut einhergeht, so freue ich mich auf das,was kommt, und ich wünsche mir etwas mehr Zeit fürmeine wunderbare Frau, für meine Kinder, für meineFreunde.Ich danke auch meinem Mitarbeiterteam, das michüber viele Jahre hinweg so fleißig, geduldig, immer fröh-libggGmbwwDubSgSIcleluPfotalefoghsinsdeMDdsgfeisinZTgdwEK
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31751
)
ich, ernst nehmen sollten. VENRO kritisiert, dass keineKonsequenzen gezogen werden, obwohl bekannt ist, wodie Problemfelder liegen.Ein Beispiel: Aus der Erkenntnis, dass ein rein aufWachstum basierendes Wirtschafts- und Gesellschafts-modell auch negative Folgen haben kann, werden keineKonsequenzen gezogen. Es wird angemerkt – das ist ent-scheidend –, dass alle Länder in den SDG-Prozess einbe-zogen werden sollten. Die Verantwortung darf also nichtnur bei den Entwicklungsländern abgeladen werden,sondern auch wir müssen unser Verhalten ändern, wennes zum Beispiel um Wachstum und Klimawandel geht.Wie ist das mit nachhaltigem Wachstum? Wie gehen wirmit Ressourcen um, mit all den negativen Konsequenzendes Klimawandels gerade bei den Ärmsten der Armen?Es geht aber auch grundsätzlich darum, bei unsererGesetzgebung Veränderungen vorzunehmen. Als Bei-spiel nenne ich die Debatte, die wir hier vor einigen Mo-naten über die Gesetzgebung zur Einführung verpflich-tender Sozialstandards in der Lieferkette geführt haben.Wir müssen mit unserer Gesetzgebung dazu beitragen,dass die Näherin in Bangladesch zu vernünftigen Ar-beitsbedingungen arbeiten kann und damit einen Beitragdazu leisten kann, aus der Armut herauszukommen.Wir haben große Verpflichtungen, sowohl in unserernationalen Gesetzgebung als auch in der europäischenGesetzgebung. Wir können nicht warten und immer nurauf die Entwicklungsländer zeigen, sondern wir müssenselbst handeln und aktiv werden. So ist es im SDG-Pro-zess angelegt, und es muss ihm auch zugrunde gelegtwerden.
Wir Sozialdemokraten haben in unserem Antrag vierThemenfelder formuliert, die für uns von großer Bedeu-tung sind. Diese sollten in die Zielsetzung aufgenommenwerden. Die Themen nachhaltiges Wirtschaften und Kli-maschutz habe ich bereits angesprochen. Aber es gibtzwei weitere Punkte, die von entscheidender Bedeutungsind, bisher aber nicht ausreichend berücksichtigt wor-den sind.Zum Thema soziale Sicherung und Basisschutz. Las-sen Sie mich zitieren, was die ILO, die InternationaleArbeitsorganisation in Genf, zum weltweiten Basis-schutz für die Menschen sagt – ich zitiere –:Basis-Gesundheitsversorgung ist eine besonders er-folgversprechende Methode, die Lebensbedingun-gen armer Menschen durch den Schutz vor untrag-baren ökonomischen Risiken zu verbessern.Er trägt also nachhaltig dazu bei, die Menschen aus derArmut herauszuholen. Dadurch erhalten sie die Chance,zukünftig ein besseres Leben zu führen, selbstbestimmtexistieren zu können und ihre Familien ernähren zu kön-nen.Mein dritter Punkt ist das Thema menschenwürdigeArbeit. Auch hierzu hat die ILO einige Ausführungengemacht. Wir sollten das als neuen Unterpunkt der SDGsazzwweFInMvruteddnvumlubdGPhmdseaghstiMh2
Sibylle Pfeiffer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! den Jahren 1999/2000 waren sie plötzlich da: dieDGs. Acht einfache Sätze, acht Zielvorgaben, einfach,erständlich, nicht perfekt, teilweise sich in den Forde-ngen wiederholend, aber es waren Ziele, und alle rich-ten sich danach.Plötzlich war es eine Agenda, die für alle wichtig war,ie allen zur Orientierung diente. Die Entwicklungslän-er wie auch wir, die Gebernationen, richteten sich da-ach. Die MDGs waren Teil von High Level Forums,on Regierungsverhandlungen, der Agenda von Staats-nd Regierungschefs, von G 8, G 7, G 20, wo auch im-er.Sie hatten Auswirkungen. Sie zwangen die Entwick-ngsländer, sich politisch neu zu orientieren, alleineim Thema PRSP, Poverty Reduction Strategy Papers,ie in den Entwicklungsländern plötzlich für Goodovernance gesorgt haben. Sie haben die Agenda derolitik nachhaltig verändert. Sie haben Veränderungenerbeigeführt, die wir – das behaupte ich einfach ein-al – ohne die MDGs nie erreicht hätten.Die MDGs, so wenig perfekt sie auch waren, habenafür gesorgt, dass wir Dinge erreicht haben, die wironst nie erreicht hätten. Wir haben die Ziele teilweiserreicht. Einige haben wir noch nicht erreicht. Wir habenber auch noch ein bisschen Zeit. Ich finde, es ist un-laublich, was diese MDGs, die niemand verabschiedetat, die für niemanden verpflichtend waren, in Gang ge-etzt haben.Warum sage ich das? Die MDGs waren einfach, prak-kabel und realisierbar. Darin lag der Charme derDGs. Daran konnte sich jeder orientieren. Als es jetztieß: „Wir brauchen eine neue Agenda für die Zeit nach015“, bekam ich Angst. Ich hatte Angst davor, dass wir
Metadaten/Kopzeile:
31752 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Sibylle Pfeiffer
)
)
etwas bekommen, mit dem niemand umgehen kann. Ichhatte Angst vor dem Ergebnis, weil wir mittlerweile ei-nen so hohen Anspruch hatten, weil die Agenda 2015 re-lativ erfolgreich war. Dann passierte etwas, was ich inmeinen kühnsten Träumen nicht erwartet hatte: In zwölfeinfachen, simplen, nachvollziehbaren Sätzen wurdendie Ziele formuliert. Darin wird genau das beschrieben,was, wie ich glaube, für die Zukunft wichtig ist. Fürmeine Begriffe ist darin fast alles beschrieben, was wirbrauchen: gute Regierungsführung, Arbeitsperspektivenfür Jugendliche, Klimawandel, Entwicklungsförderung,Umwelt, Handel, Klimaschutz und der globale An-spruch. Ich glaube, die Ziele sind auch ausgewogen. DieEntwicklungsländer werden genauso gefordert wie dieaufstrebenden Länder, die Schwellenländer China, Bra-silien, Indien usw.Es werden aber auch Aufgaben für uns formuliert.Eine Forderung ist, dass wir die Forderungen, die wir andie Entwicklungsländer stellen, ebenfalls erfüllen. Auchwir sollen dem Anspruch gerecht werden, dem die sichschnell entwickelnden Länder wie die Schwellenländergerecht werden sollen. Wir Geberländer sollen uns ge-nauso an den Zielen orientieren wie alle anderen.Ich glaube, es war gut, dass Professor Horst KöhlerDeutschland in dem High Level Panel vertreten hat. Erhat es geschafft, für Einfachheit, Praktikabilität und Rea-lisierbarkeit zu sorgen. Er hat mit seinem Wissen, sei-nem Können, seiner Sach- und Fachkompetenz diesenProzess eingeleitet. Ich finde, die Bundeskanzlerin hatteeine glückliche Hand, als sie ihn dorthin geschickt hat.Natürlich kann man ganz viel wollen. Natürlich kannman die Latte ganz hoch hängen. Ich bin aber der Mei-nung, dass wir die Ziele so formulieren müssen, dass wirsie auch erreichen können. Nur wenn das Ziel erreichbarist, kann man es mit Motivation, Engagement und Inno-vationskraft erreichen. Es ist nicht gut, die Ziele so hochzu hängen, dass sich keiner mehr traut, sie zu verfolgen.Es ist auch gut, dass wir nur 12 Handlungsfelder mit54 Unterzielen formuliert haben. Wir können daraus einPamphlet mit 135 Seiten machen. Das können wir ma-chen, aber wenn wir zehn Seiten davon gelesen haben,haben wir keine Lust mehr. Wer will denn so etwas an-gehen? Nur erreichbare Ziele kann und will man ange-hen. So können wir erfolgreich sein.Kollegin Kofler, natürlich müssen wir über Sozial-standards, soziale Sicherung, Arbeitsnormen und wasweiß ich sonst noch alles reden. Das ist alles richtig. Ichwill diese Punkte aber nicht in die MDGs packen, weildaraus sonst ein hochwissenschaftliches Werk würdeund wir uns in Einzelheiten verlieren würden. Ich denke,das ist das, was VENRO meint. Wenn wir über die Zielereden, brauchen wir nicht über die Konsequenzen zu re-den. Wir sollten über die Ziele reden und nicht über denWeg. Ich glaube, so sollten wir das angehen. Wir solltenwissen, was wir wollen. Es ist richtig, dass wir überZiele reden und nicht über den Weg.Nach meinem Dafürhalten können wir das vorlie-gende Papier unterschreiben; das würde ich mir wün-schen. So wie es ist, ist es wunderbar.
skwLWnwgeaöBOwvpvcvefannAvdzgwwwsgtidekdbMkS
Aber wenn wir die Ziele nicht erreichen, liegt das si-her auch am Prozess, der von vielen Bewegungen alson oben verordnet empfunden wird, und daran, dassine breite Beteiligung aus der Bevölkerung derzeit ein-ch fehlt. Das Gleiche gilt im Übrigen für die SDGs, dieachhaltigen Entwicklungsziele, die aus dem umstritte-en Rio-Gipfel im letzten Jahr hervorgegangen sind.Zum letztjährigen Gipfel hat übrigens die Linke einenntrag gestellt, der positiv auf den Erdgipfel von 1992erweist. 1992 ging es in Rio zum Beispiel um eine Frie-ensdividende. Durch Abrüstung sollten die Mittel fürivile Entwicklung frei werden. Doch die Rüstungsaus-aben sind heute höher denn je: 1 600 Milliarden Dollarerden jährlich weltweit für Rüstung ausgegeben. Daundern wir uns, dass die ODA-Quote nicht erreichterden kann?Im Vorfeld des Rio+20-Gipfels haben Friedensorgani-ationen – unterstützt durch zahlreiche Nobelpreisträ-er – einen Appell mit dem Titel „Abrüstung für nachhal-ge Entwicklung“ herausgegeben. Dort wurde kritisiert,ass die weltweit für Rüstung aufgebrachten Mittel umin Vielfaches diejenigen übersteigen, die wir für die Be-ämpfung des Hungers und des Elends einsetzen. Sie for-erten eine Reduzierung der jährlichen Rüstungsausga-en um 10 Prozent, um mit den dadurch frei werdendenitteln Hunger und Armut zu bekämpfen. Leider gehteiner der vorliegenden Anträge auf diese Forderung ein.chade!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31753
Kathrin Vogler
)
)
Die SPD kümmert sich in ihrem Antrag wenigstensum soziale Fragen und um die Arbeitsbedingungen. Des-wegen unterstützen wir ihren Antrag.Aber ich will auch noch ein paar Sätze zum Antragder Union und der FDP verlieren. Der Titel lautet „Mil-lenniumsentwicklungsziele, Post-MDG-Agenda undNachhaltigkeitsziele – Für eine gut verständliche, umset-zungsorientierte und nachprüfbare globale Entwick-lungs- und Nachhaltigkeitsagenda nach 2015“. Wenn esIhnen um gute Verständlichkeit geht, hätten Sie viel-leicht bei Ihrem eigenen Antrag anfangen sollen.
Aber wahrscheinlich haben Sie sich gedacht, mit demBürokratensprech könnten Sie davon ablenken, dass Siegar keine klaren Ziele haben.
Ihre Forderungen bleiben oberflächlich und vage, gar-niert mit vielen schönen Worten.Da schreiben Sie etwa von der gemeinsamen Verant-wortung. Ich finde, wir sollten zunächst einmal über un-sere eigene Verantwortung sprechen, zum Beispiel da-rüber, dass aus Deutschland weiterhin Kleinwaffen,diese Massenvernichtungsmittel des 21. Jahrhunderts, inalle möglichen Krisenregionen und eben auch in Ent-wicklungsländer exportiert werden.
Da war 2012 ein absolutes Rekordjahr. Die Bundesregie-rung genehmigte Kleinwaffenverkäufe in Höhe von76,15 Millionen Euro – mehr als doppelt so viele wie imVorjahr. Verantwortung heißt für die Linke: Verbot vonRüstungsexporten und aktive Friedenspolitik statt Mili-tärinterventionen.
Denn Frieden und Abrüstung sind die Grundlagen fürnachhaltige Entwicklungsprozesse, auch nach 2015.Ich bedanke mich.
Thilo Hoppe hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es war auf einer Akademietagung zur künftigen Ent-wicklungsagenda, als sich eine junge Afrikanerin zuWort meldete und uns auf dem Podium vorwarf, oft vonoben herab auf die Entwicklungsländer zu blicken,
wie ein Oberlehrer mit erhobenem Zeigefinger und demVorwurf: Ihr habt eure Hausaufgaben noch nicht ge-macht.drahwteApp1sEbdlunawKimBsruansu1ssgddksZsSdSewsZefrlistr
Recht hat sie, was das Entwicklungsland Deutschlandetrifft. Doch es gilt, das eine zu tun, also auch klar aufie hausgemachten Probleme der klassischen Entwick-ngsländer hinzuweisen, und das andere nicht zu ver-achlässigen. Wir in den Industrienationen müssen unsn die eigene Nase fassen und kritisch fragen lassen,elche Auswirkungen unsere Wirtschaftsweise, unsereonsummuster und unser Lebensstil auf das Weltklima weitesten Sinne haben.
Wir brauchen, um den Wissenschaftlichen Beirat derundesregierung zu zitieren, eine große sozial-ökologi-che Transformation, die auch mit einer Entkarbonisie-ng unserer Wirtschaft verbunden sein muss. Überalluf der Welt muss es eine Energiewende hin zu den Er-euerbaren geben. Wenn Länder wie Malawi oder Tan-ania, in denen der CO2-Verbrauch pro Kopf im Jahr beinter 0,9 Tonnen und der Elektrifizierungsgrad bei unter0 Prozent liegen, ihre Energie zum Teil auch aus heimi-cher Kohle produzieren wollen, habe ich dafür Ver-tändnis. Aber neue Kohlekraftwerke in Europa? Daseht gar nicht.
Ich finde es sehr gut, dass in allen drei Anträgen zuen Post-MDG-Zielen eine gemeinsame Agenda gefor-ert wird, also die Zusammenführung von Armutsbe-ämpfung und Umweltagenda. Wir alle streiten gemein-am für nachhaltige Entwicklungsziele weltweit, füriele, die auf keinen Fall weniger ehrgeizig und nichtchwammiger sein dürfen als die MDGs. Die neuenDGs, die Sustainable Development Goals, müssen weitarüber hinausgehen, umfassender, ganzheitlicher sein.ie müssen die Menschenrechte stärker einbeziehen undben auch wirklich ökologisch nachhaltig sein, also eineirtschaftliche Entwicklung innerhalb der planetari-chen Grenzen beschreiben. Wir brauchen ehrgeizigeiele zur Besiegung des Hungers in der Welt, aberbenso zum Schutz der Ozeane, des Klimas, der Boden-uchtbarkeit und der biologischen Vielfalt.
Wie gesagt, in den drei Anträgen, die uns heute vor-egen, gibt es viele Gemeinsamkeiten. Das ist auch guto. Deshalb lehnen wir Grünen auch keinen dieser An-äge ab. Doch was in dem Antrag der SPD und vor al-
Metadaten/Kopzeile:
31754 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Thilo Hoppe
)
)
lem auch in dem Antrag der Koalition fehlt und zu kurzkommt, sind die notwendigen Veränderungsprozesse beiuns, in unserem Land, im Entwicklungsland Deutsch-land. Wenn wir zu Recht für eine große Transformationhin zu einer menschenrechtsbasierten nachhaltigen Ent-wicklung streiten, dann müssen wir uns auch beherzterund mutiger dafür einsetzen, dass der eigene ökologi-sche Fußabdruck geringer wird. Das hat Konsequenzenfür unsere Agrarpolitik, für unsere Verkehrspolitik, fürunsere Wirtschafts- und Energiepolitik. Das hat auch ei-nige – vielleicht schmerzliche – Konsequenzen für unse-ren Lebensstil und unser Konsummuster. Diese Konse-quenzen hält man den Menschen in Zeiten einesWahlkampfes vielleicht nicht so gerne deutlich vor Au-gen.Unser Antrag blendet dies nicht aus. Wir fordern uni-verselle Ziele, die wirklich für alle Länder gelten, alsoauch für Deutschland, die auch hier eine ehrgeizigesozial-ökologische Transformation initiieren.
Herr Hoppe.
Im Angesicht von Klimawandel und einer Milliarde
Hungernder gilt nach wie vor der alte Spruch – er wurde
in den 70er-Jahren auf Kirchentagen geprägt –: Anders
leben, damit andere überleben.
Jetzt hat die Kollegin Dagmar Wöhrl das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Wir reden heute über die Millenniums-entwicklungsziele. Das ist ein großes Wort für ein großesVorhaben. Als ich mir ein paar Notizen für diese Redegemacht habe, habe ich mich an etwas anderes erinnert,was wir alle kennen. Als Neil Amstrong am 21. Juli1969 auf dem Mond gelandet ist, hat er gesagt: „Das istein kleiner Schritt für einen Menschen, ein riesigerSchritt für die Menschheit.“Es liegt etwa zehn Jahre zurück, dass sich 189 Staatengemeinsame Ziele im Bewusstsein einer globalen Ver-antwortung gesetzt haben. Sie haben gesagt, dass siediese Ziele erreichen wollen, dass sie die Herausforde-rungen des 21. Jahrhunderts angehen wollen. Ich glaube,zur Erreichung dieser Ziele haben viele Tausende Men-schen viele kleine Schritte gemacht. Es ist unwahr-scheinlich wichtig, dass wir als Politiker erkennen: Wirhaben nur dann eine reale Chance, eine zukunftsfähigeWeltpolitik zu entwickeln, wenn international die Ein-sicht wächst, dass wir eine globale Verantwortung ha-ben.vsßkaMü2nLasmEtrddkusvMgImEMKmutezUzghCandntedsubEdhgfaöfüz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31755
)
Die Kollegin Koczy – sie ist leider nicht da – hat vorkurzem im Zusammenhang mit der komplizierten Situa-tion in Afghanistan etwas Wichtiges gesagt: Man brauchtstrategische Geduld. – Das ist richtig. Ich glaube, da ha-ben wir einen Konsens. Für den Erfolg braucht man abernoch etwas mehr: Man braucht auch ein bisschen strate-gische Vernunft.Wenn ich mir die Anträge anschaue, muss ich feststel-len: Man könnte sie im Grunde genommen alle unter-schreiben. Aber man muss sich auch fragen: Was ist rea-listisch, was ist umsetzbar? Überfrachten wir die Zielenicht mit einem Wust von allen möglichen Punkten, diemit eingebracht werden? Wir brauchen klare, verhand-lungsfähige Ziele. Ich glaube, wenn man die Trauben zuhoch hängt, dann werden sie mit Sicherheit sauer wer-den, und das wollen wir nicht.Wir brauchen schnell Ergebnisse; denn wir haben ge-lernt: Verhandlungszeit ist in der Politik eine der knapps-ten Ressourcen. Deswegen müssen wir uns vor allem umdie Umsetzung des Prozesses kümmern. Dazu müssenwir neue Partner gewinnen: Wir müssen die Wirtschaftmit ins Boot holen. Damit die Bevölkerung Arbeit hat,müssen regionale Wertschöpfungsketten in den Entwick-lungsländern selbst entstehen. Die Schwellenländermüssen zukünftig ihren Teil dazu beitragen, vor allemauch in trilateralen Projekten. Die Zivilgesellschaft mussin diesem Bereich noch viel mehr eingebunden werden.Wir müssen klären, welchen institutionellen Rahmenwir für die Umsetzung der Agenda brauchen. Wir brau-chen Überprüfungsmechanismen, und wir brauchenmehr Teilhabe an diesem Prozess.Ich persönlich und, wie ich glaube, wir alle wünschender Sonderveranstaltung im Herbst einen guten Erfolg.Die Diskussionen werden danach erst losgehen. Wir alsParlamentarier hoffen, dass wir in die Diskussion einge-bunden werden.Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen: Ganzwichtig ist für mich, dass wir den Fokus auf Mädchenund junge Frauen legen. Wir haben aus unseren Erfah-rungen in der Entwicklungspolitik gelernt, dass sie derSchlüssel für die Entwicklung in diesen Ländern sind.Ihnen muss man die Chance geben, dass sie sich einbrin-gen und Verantwortung übernehmen können.Präsident Obama kommt nächste Woche nach Berlin.Wir hatten die Freude, seine Schwester kennenzulernen.
Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss. – Sie hat einen wichtigen
Satz gesagt: Für mich hat sich eine Tür geöffnet, und
auch ich will für andere Türen öffnen. – Ich glaube, mit
jeder Tür, die wir für Frauen öffnen, öffnen sich Türen
für uns alle.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu Herrn
Kollegen Leibrecht. Auch ich werde dich, lieber Harald,
s
S
le
s
D
u
g
S
In
z
E
z
a
m
M
w
ti
v
Ü
a
in
e
w
P
n
a
W
P
K
h
d
J
g
g
k
M
d
s
R
Die Kollegin Karin Roth hat jetzt das Wort für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! der Tat ist das Thema Millenniumsentwicklungs-iele 2015 eine wichtige Zäsur in der internationalenntwicklungspolitik. Es ist gar keine Frage – das ist hierum Ausdruck gekommen –, dass wir bis 2015, aberuch darüber hinaus noch viel zu tun haben. Ich freueich, dass es bei der strategischen Einschätzung, dassillenniumsentwicklungsziele notwendig waren undeiterhin sein werden, um internationale Politik und na-onale Politik zu koordinieren und uns in die Lage zuersetzen, erreichbare Ziele zu definieren, eine großebereinstimmung gibt.Insofern ist es eine große politische Chance für unslle, egal in welchen Parteien wir sind, dass wir unsereternationale Verantwortung für die Globalisierungrnst nehmen und entsprechende Maßnahmen nationalie international organisieren. Einer der entscheidendenunkte im Rahmen dieses Prozesses ist, dass wir nichtur europäisch und national denken, sondern immeruch die Auswirkungen unseres Handelns auf die ganzeelt mit bedenken.
Ich bin froh, dass wir im Rahmen des High Levelanels des UN-Generalsekretärs, an dem Herr Professoröhler, der ehemalige Bundespräsident, mitgearbeitetat, zu einem gemeinsamen Ziel gekommen sind: zuem wichtigen Ziel der Armutsbekämpfung. Bis zumahr 2030 soll kein Mensch mehr auf dieser Welt hun-ern oder gar wegen Hunger sterben. Das ist doch einroßartiges Ziel.Bei dieser Gelegenheit möchte ich – Frau Pfeiffer, Sieennen mich – etwas ganz nebenbei sagen: Wenn Sie dasillenniumsentwicklungsziel 1 lesen, dann sehen Sie,ass es drei Unterpunkte gibt. Einer davon betrifft dieoziale Sicherung. Das ist ein wichtiger Punkt bei dereduzierung der Armut.
Metadaten/Kopzeile:
31756 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Karin Roth
)
)
Insofern haben die Millenniumsentwicklungsziele schondie richtige Sprache getroffen. Dafür sind wir sehr dankbar.
Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung– bald werden auf der Welt 9 Milliarden oder gar 10 Mil-liarden Menschen leben – müssen wir sehen, was not-wendig und was machbar ist. Aus unserer Sicht ist eswichtig, die Globalisierung sozial zu gestalten, aber auchdie Umverteilung zu organisieren. Daher ist es richtig,dass das Thema Verteilungsgerechtigkeit in den Mittel-punkt gestellt wird. Deshalb haben wir verlangt, dass wirzum Beispiel das 0,7-Prozent-Ziel erreichen. Damit leis-ten auch wir unseren Beitrag zur Verbesserung der Lagein diesen Ländern.
Wir brauchen dazu eine verbindliche Haushaltspla-nung in den nächsten Jahren. Ich hoffe, dass wir nach dernächsten Wahl auch einen entsprechenden Haushaltsplanaufstellen und nicht nur darüber reden.
Ich darf sagen, dass die SPD jedes Jahr immerhin1 Milliarde Euro zusätzlich fordert, um dieses Ziel zu er-reichen. Das ist aus meiner Sicht mutig, aber wir werdenes tun, und ich gehe davon aus, dass wir unsere Zusagenauch halten werden.
Ein weiterer Gedanke in diesem Zusammenhang: DieFrage, wie die Schwellenländer und die Industrienatio-nen in Zukunft mit den Entwicklungsländern umgehen,welche Rolle wir diesen Ländern also als Entwicklungs-partner einräumen und wie wir sie mitnehmen werden,scheint mir sehr wichtig zu sein. Im Hinblick auf die Be-völkerungsexplosion insbesondere in Afrika befürchteich sehr – das will ich an dieser Stelle sagen –, dass dieIndustrienationen und die Schwellenländer ihre derzei-tige ökonomische Situation weiter ausbauen und nur einminimaler ökonomischer Ausgleich erfolgt. Wenn daspassiert – dafür sind wir dann mitverantwortlich –, dannkönnen schwerwiegende Konflikte, auch kriegerischeAuseinandersetzungen, entstehen.Ich möchte uns alle davor warnen, diese Explosions-gefahr zu unterschätzen; denn der Frieden in der Welt istnicht in allen Bereichen gesichert. Diesen Frieden in derWelt zu erreichen, ist aber etwas, was wir alle gemein-sam wollen, und dafür ist die Entwicklungspolitik einwichtiges Instrument für uns alle. Deshalb glaube ich,dass wir die Friedensfähigkeit und die Friedensmöglich-keiten in diesen Staaten unterstützen müssen.
Frau Kollegin.
m
n
v
u
z
a
S
D
d
K
z
s
s
b
a
re
s
M
je
d
te
fü
e
ic
D
M
In
d
u
W
s
G
b
u
Einige haben manchmal Probleme damit gehabt, aber
h sage Ihnen: Bei der Frauenfrage kennen wir nichts!
a sagen wir: Die Vernunft siegt.
Das Gleiche gilt auch für das Thema „Internationaler
ädchentag“. Wir haben dazu beigetragen, dass dieser
ternationale Mädchentag bei der UN beschlossen wor-
en ist. Darauf dürfen wir stolz sein. Auch das gehört zu
nserem parlamentarischen Handeln.
Machen Sie also weiter so – ein wenig so, wie Frau
öhrl sagt: immer das Ergebnis im Kopf. Manchmal
ind die Wege verschieden, aber immerhin.
Ich danke Ihnen allen für Ihre Freundlichkeit, für Ihre
eduld, aber vor allen Dingen für die gute Zusammenar-
eit.
Frau Roth, auch bei Ihnen bedanken wir uns herzlichnd wünschen Ihnen alles Gute und eine gute Zeit.
Ich schließe die Aussprache.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31757
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
)
)
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Frak-tionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13893mit dem Titel „Millenniumsentwicklungsziele, Post-MDG-Agenda und Nachhaltigkeitsziele – Für eine gut ver-ständliche, umsetzungsorientierte und nachprüfbare glo-bale Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda nach2015“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt da-gegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag ange-nommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen;Linke und SPD haben dagegen gestimmt, Bündnis 90/DieGrünen hat sich enthalten.Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung desAusschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung auf Drucksache 17/13945 ab.Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a dieAblehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck-sache 17/13762 mit dem Titel „Für eine nachhaltige Ent-wicklungsagenda ab 2015 – Millenniumsentwicklungs-ziele und Nachhaltigkeitsziele gemeinsam gestalten“.Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitions-fraktionen; SPD und Linke waren dagegen, Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten.Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-lehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-nen auf Drucksache 17/13727 mit dem Titel „Für univer-selle Nachhaltigkeitsziele – Entwicklungs- undUmweltagenda zusammenführen“. Wer stimmt für dieBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-men. Die Koalitionsfraktionen haben zugestimmt, Bünd-nis 90/Die Grünen dagegen, Linke und SPD haben sichenthalten.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 67 a und 67 b so-wie Zusatzpunkt 21 auf:67 a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Frithjof Schmidt, Kerstin Andreae, BärbelHöhn, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENzu der Empfehlung für einen Beschluss des Ra-tes über die Ermächtigung zur Aufnahme vonVerhandlungen über ein umfassendes Handels-und Investitionsabkommen, transatlantischeHandels- und Investitionspartnerschaft ge-nannt, zwischen der Europäischen Union undden Vereinigten Staaten von AmerikaKOM(2013) 136 endg.; Ratsdok. 7396/13hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes überdie Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen UnionTransatlantische Handels- und Investitions-partnerschaft nur mit starken Standards– Drucksache 17/13925 –ZmFNDdsEoc
Lötzer, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. BarbaraHöll, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEzu der Empfehlung für einen Beschluss des Ra-tes über die Ermächtigung zur Aufnahme vonVerhandlungen über ein umfassendes Handels-und Investitionsabkommen, transatlantischeHandels- und Investitionspartnerschaft ge-nannt, zwischen der Europäischen Union undden Vereinigten Staaten von AmerikaKOM(2013) 136 endg.; Ratsdok. 7396/13hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes überdie Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen UnionKeine weitere Liberalisierung über ein EU-Freihandelsabkommen mit den USA– Drucksache 17/13894 –P 21 Beratung des Antrags der Fraktion der SPDzu der Empfehlung für einen Beschluss des Ra-tes über die Ermächtigung zur Aufnahme vonVerhandlungen über ein umfassendes Handels-und Investitionsabkommen, transatlantischeHandels- und Investitionspartnerschaft ge-nannt, zwischen der Europäischen Union undden Vereinigten Staaten von AmerikaKOM(2013) 136 endg.; Ratsdok. 7396/13hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 desGrundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes überdie Zusammenarbeit von Bundesregierungund Deutschem Bundestag in Angelegenheitender Europäischen UnionDie Verhandlungen mit den USA zu einemtransatlantischen Handels- und Investitions-abkommen konsequent an europäischen Stan-dards ausrichten– Drucksache 17/13904 –Hierzu soll eine halbe Stunde debattiert werden. – Da-it sind Sie einverstanden. Das ist dann so beschlossen.Für Bündnis 90/Die Grünen gebe ich das Wort jetztrithjof Schmidt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er Europäische Rat beschließt heute voraussichtlichas Mandat für die Verhandlungen über eine transatlanti-che Handels- und Investitionspartnerschaft. Dass dieuropäische Union und die USA darüber reden, die Ko-peration zu verstärken, Handelsregeln zu vereinheitli-hen und zu vereinfachen, Investitionen zu fördern und
Metadaten/Kopzeile:
31758 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Frithjof Schmidt
)
)
Kontrollmechanismen zu etablieren, ist politisch undwirtschaftlich sinnvoll und bietet Chancen.Allerdings gibt es viele Befürchtungen, dass dieseVerhandlungen in der Sache falsch angelegt werden.Bauernverbände und Gewerkschaften, Umweltschützerund Verbraucherinitiativen, Datenschützer, Lebensmit-telproduzenten und manche Industrieunternehmen, siealle eint die Sorge, dass als Ergebnis der Verhandlungenwichtige Standards in der Europäischen Union ausge-hebelt, verwässert oder unterlaufen werden. Wer sich dieAuseinandersetzungen um die Freihandelsabkommender Europäischen Union in den letzten Jahren ansieht,der erkennt, dass diese Sorgen nicht aus der Luft gegrif-fen sind.
Das gilt zum Beispiel für Importverbote von Lebensmit-teln, die unzulässig behandelt wurden, sei es mit Wachs-tumsförderern, sei es mit Chlor, für Produkte von ge-klonten Tieren und auch für chemische Produkte, die derREACH-Verordnung nicht entsprechen. Das gilt füreuropäische Zulassungs- und Kennzeichnungsvorschrif-ten, für gentechnisch veränderte Organismen, und dasgilt für Datenschutzvorschriften ebenso wie für Gesund-heitsstandards, um nur einiges konkret anzusprechen.Schon im Verhandlungsmandat für die Kommissionmuss in dieser Hinsicht klargestellt werden, dass derAcquis communautaire der Europäischen Union nichtzur Debatte steht und nicht angetastet werden darf.
Hierzu erwarten wir eine klare Haltung der Bundes-regierung. Diese fehlt bisher.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich die Bundes-regierung nicht aktiv dafür einsetzt, dass die Bereicheaudiovisuelle Medien und Kultur von den Verhandlun-gen ausgenommen werden. Öffentliche Dienstleistun-gen, Medien und Kultur sind nicht einfach nur eineWare. Das steht schon so im Lissabon-Vertrag. DieseBereiche bedürfen eines besonderen Schutzes. Dasmusste Ihnen der Bundesrat in der letzten Woche insStammbuch schreiben, als er sich klar für die Heraus-nahme von audiovisuellen Medien und Kulturgüternausgesprochen hat, übrigens auch mit den Stimmen vonschwarz-gelb regierten Ländern. Und wenn Ihnen dasnicht reicht, dann lesen Sie einmal, welche Kritik der In-tendant des Bayerischen Rundfunks, Herr Wilhelm, Ihrfrüherer Regierungssprecher, heute an der Bundesregie-rung übt. Wir werden das Mandat besonders daran mes-sen, ob dieser Punkt durchgesetzt wurde.Angesichts der Bedeutung dieses Abkommens müs-sen im Verhandlungsprozess neue Standards in Sachendemokratischer Beteiligung gesetzt werden. Sie müssendie Verhandlungen so transparent wie möglich gestalten.Deswegen fordern wir von Ihnen: Legen Sie das MandatdsWHKvwcvAhugHDaeegradambdhcAggSsswmtiHdnan
Jetzt hat Peter Beyer für die CDU/CSU-Fraktion das
ort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieberollege Dr. Schmidt, Sie haben trotz der Kürze der Zeitiele richtige Dinge aufgezählt, aber ich hätte mir ge-ünscht, dass Sie doch ein bisschen mehr die unglaubli-hen Chancen dieser transatlantischen Handels- und In-estitionspartnerschaft betonen. Ich denke, es wird jetztufgabe der Koalition sein, darauf hinzuweisen.
Sie haben es schon gesagt: Parallel zu unserer Debatteier treffen sich die zuständigen Ressortminister der EU,m die nächsten Schritte zur Aufnahme von Verhandlun-en mit den Vereinigten Staaten zur Schaffung ebenjenerandels- und Investitionspartnerschaft zu besprechen.abei handelt es sich um einen Meilenstein in der euro-tlantischen Kooperation, der die Chance in sich birgt,in neues Zeitalter in den transatlantischen Beziehungeninzuläuten.
Gelingt der erfolgreiche Abschluss der Verhandlun-en, entsteht nicht weniger als der größte Wirtschafts-um der Welt. Neben der rein ökonomischen Wirkweiteer TTIP, wie wir sie nennen, beeindruckt auch ein Blickuf die geografische Dimension. Es entsteht gewisser-aßen ein Binnenmarkt vom Schwarzen Meer im Ostenis hin an die Küste Kaliforniens im Westen. Das Bestearan ist: Wir können daran einen bedeutenden Anteilaben.Worum geht es dabei konkret? Es geht im Wesentli-hen um drei Dinge: Es geht um Wachstum, es geht umrbeitsplätze, und es geht um unseren Wohlstand. Oderanz simpel ausgedrückt, wie es Tim Bennett vom TBCesagt hat: Es geht um Jobs, Jobs, Jobs. Aus deutschericht ist dabei besonders hervorzuheben, dass gerade un-er deutscher Mittelstand als Rückgrat unseres Wohl-tandes und unserer Wirtschaft von der TTIP profitierenird. Für die kleinen und mittelständischen Unterneh-en stellen die bestehenden doppelten Zulassungs-, Zer-fizierungs- und Normierungsprozesse oft ein großesandelshindernis dar.Doch bei aller Euphorie hinsichtlich der Chancen, dieas Abkommen bietet, ist klar, dass die Verhandlungenicht einfach werden. Die Herausforderungen liegen vorllem darin, beim Abbau nichttarifärer Handelshemm-isse – das betrifft Fragen nach Standards, Regulierun-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31759
Peter Beyer
)
)
gen, Agrargütern, öffentlichem Beschaffungswesen undaudiovisuellen Medien – das für beide Seiten bestmögli-che Ergebnis zu erzielen.Dass es in diesen Bereichen unterschiedliche Auffas-sungen gibt, ist für uns nicht neu. Gerade deshalb ist esvon so überragend wichtiger Bedeutung, dass eben keinThema bereits im Vorfeld von Verhandlungen ausge-klammert wird, wie es insbesondere unsere französi-schen Freunde bei den audiovisuellen Medien, auch on-line, gefordert haben. Nur auf diese Weise können wirnämlich verhindern, dass die Verhandlungen in eine Ne-gativspirale geraten, bei der jede Seite auf ihre Ausnah-meregelung pocht.
Daher läuft auch der hier zur Debatte stehende Antragder Grünen leider in die völlig falsche Richtung.
Wir alle in Deutschland, in Europa und in den USA ha-ben noch in sehr unguter Erinnerung, welches Schicksaldem ACTA-Abkommen widerfahren ist. Die Menschengingen damals auf die Straße, weil sie das Gefühl hatten,da würde gemauschelt und in Hinterzimmern einAbkommen verhandelt, dessen Regelungen sie benach-teiligen. Deswegen – da stimme ich, lieber HerrDr. Schmidt, mit Ihnen überein – appelliere ich an diedeutsche Bundesregierung, sich nachdrücklich dafür ein-zusetzen, dass während der Verhandlungen in vertretba-ren Zeitabständen Berichte an den Bundestag gegebenwerden, in denen über den Fortlauf der Verhandlungeninformiert wird. Formal sind zwar weder die nationalenParlamente noch das Europäische Parlament an den Ver-handlungen beteiligt. Aber nur durch eine vollständigeTransparenz des Prozesses von Anfang an ist die erfor-derliche Akzeptanz gewährleistet, die wir benötigen, umbei den Menschen Vertrauen in die Sache und die Kom-petenz der Verhandlungsführer zu bilden.
Ich schlage darüber hinaus vor, dass wir uns im Bun-destag, im Europäischen Parlament sowie im US-Kon-gress fraktionsübergreifend für die TTIP stark machen.Insbesondere dann, wenn die Verhandlungen ins Stockengeraten sollten, wird es unsere Verantwortung als Parla-mentarier sein, in geeigneter Form und öffentlich auf dasgroße Ganze, den Zusammenhang und den Mehrwertdieses Megaprojektes hinzuweisen.Denjenigen, die befürchten, durch die TTIP würdenmultilaterale Vereinbarungen, wie sie in der Welthan-delsorganisation ausgehandelt werden, unterminiert,möchte ich diese Sorge gerne nehmen. Die TTIP ist alskomplementäres Element zu verstehen, und zwar kom-plementär zu bestehenden Regelungen der Welthandels-organisation.mdDledegdsAdFmsticdÖvsudtekADutisgleddgOsrifühmicnO
Mit der TTIP ist es uns jetzt möglich, ein transatlanti-ches Abkommen zu etablieren, das gleichsam einer dentlantik überspannenden vertraglichen Klammer nebenie NATO tritt, die in einem anderen Bereich dieseunktion bereits ausfüllt. Mit einiger Berechtigungöchte ich bereits jetzt von einer Wirtschafts-NATOprechen. Somit besitzt eine transatlantische Koopera-on mit einem erhöhten Integrationsgrad nicht nur im si-herheitspolitischen Kontext eine strategische Notwen-igkeit, sondern auch und gerade im Bereich derkonomie. Es gilt, unsere Spitzenposition bei der Inno-ations- und Technologieführerschaft zu erhalten, zu ge-talten und auch weiter auszubauen. Denn nur so wird esns gelingen, unseren Wohlstand zu sichern.Meine Damen und Herren, dass die EU und die USAie weltweit produktivsten, effizientesten und am engs-n miteinander verzahnten Wirtschaftsregionen sind,ommt nicht von ungefähr. Denn Basis sowie Dreh- undngelpunkt unserer Beziehungen ist das Verständnis vonemokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit des Individu-ms und das Prinzip der Marktwirtschaft.Sicherheitspolitisch sind wir seit Jahrzehnten institu-onell eng in der NATO verbunden. Daher ist es von be-onderer Wichtigkeit, nun entschlossen die Verhandlun-en über die TTIP aufzunehmen.In der kommenden Woche – damit komme ich zumtzten Punkt – werden wir den amerikanischen Präsi-enten Obama in Berlin begrüßen können. 50 Jahre nacher für uns Deutsche so bedeutenden Rede des damali-en US-Präsidenten John F. Kennedy dürfen wir vonbama nicht weniger als eine wegweisende transatlanti-che Grundsatzrede erwarten.
Herr Kollege.
Ja, ich komme zum Schluss. – Unsere Bundeskanzle-n Angela Merkel hat sich stets und in vorderster Frontr die TTIP stark gemacht. Eine so starke Freundschaftält es auch aus, ja sie gebietet es sogar, dass man auchanchmal unangenehme Dinge anspricht. Daher sageh: Es ist richtig, dass die Bundeskanzlerin das amerika-ische Abhörprogramm Prism bei ihrer Begegnung mitbama thematisieren wird.
Metadaten/Kopzeile:
31760 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
)
Herr Kollege.
Ich erhoffe mir dadurch auch ein Stück Klarheit über
die möglichen Auswirkungen von Prism auf die bevor-
stehenden TTIP-Verhandlungen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Der Kollege Rolf Hempelmann hat jetzt das Wort für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Herr Beyer, ich habe gerade noch einmal imKürschner nachgelesen: Es ist Ihre erste Legislaturpe-riode in diesem Parlament. Ich denke, in der Situationsollten Sie etwas vorsichtiger sein, statt hier eine Lehr-stunde abzugeben und Ihren Kollegen zu sagen, sie soll-ten vielleicht einmal etwas über die Welthandelsge-schichte lesen.
Es tut mir furchtbar leid, aber gehen Sie doch einfach da-von aus, dass auch Ihre Kollegen im Deutschen Bundes-tag in anderen Fraktionen ihren Job durchaus machen.Ich will Ihnen aber durchaus recht geben in dem ers-ten Punkt, den Sie genannt haben. Das ist auch mein ers-ter Punkt: Es ist in der Tat richtig, dass dieses transatlan-tische Handelsabkommen durchaus eine MengeChancen für beide Wirtschaftsräume bietet, für den ame-rikanischen Wirtschaftsraum ebenso wie für den euro-päischen.Gleichzeitig ist aber zu sagen – den Zusammenhanghaben Sie angetippt –, dass das nicht bedeuten darf, dasswir etwa den Kurs verlassen wollen, insbesondere aufmultilaterale Abkommen und auf die Weiterentwicklungder Welthandelsrunde, der Doha-Runde, zu setzen undinsbesondere auf die Mechanismen der WTO. Sie habengesagt, darüber müssten wir uns keine Sorgen machen;denn die Freihandelsabkommen seien komplementär.Das wird in der Tat immer gesagt, und sie sollen auch soangelegt sein. Aber wenn Sie gelegentlich bei den Parla-mentarierrunden vorbeischauen, die im Zusammenhangmit den Welthandelsrunden stattfinden, dann werden Siefeststellen, dass der von Ihnen propagierte Glaube nichtüberall geteilt wird. Es gibt durchaus ein hohes Maß anSkepsis, ob alle Freihandelsabkommen, die in den letz-ten Jahren getätigt worden sind, kompatibel mit denmultilateralen Systemen sind. Es gibt auch Vorschläge,solche bilateralen Verträge bei der WTO vorzulegen undratifizieren zu lassen. Das wäre kein unkluger Weg.WlenüwisdtuzaAVVzdcbluVvWBbreroBdUruwdsSöIcimjevwAisAzreimDtesuPnaILudre
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31761
)
Genauso ist es etwa bei der Zulassung ganz bestimm-ter Produkte, insbesondere aus dem Lebensmittelbe-reich. Es ist gut, dass wir in der EU fortschrittliche Stan-dards haben, die insbesondere mit Blick auf dieGesundheit der Verbraucher so festgelegt worden sind.Auch hinter diese Standards dürfen wir in Zukunft nichtzurückfallen. Insofern ist es nicht etwa so, dass wir hierEinschränkungen des Mandats oder Konkretisierungenbezüglich der Norm- und Standardsetzungen formulie-ren, die dann dazu führen sollen, dass es hier nicht zu ei-nem Vertrag kommt. Das ist überhaupt nicht unsere In-tention, im Gegenteil:
Wir wollen, dass das Ganze ein Erfolg wird. Es wirdaber kein Erfolg werden, wenn auf der Wegstrecke derVerhandlungen alle diese Dinge zu Missstimmungen undletztlich auch zu Verzögerungen führen.
Das muss man am Anfang klären.Im Übrigen ist es so, dass wir als Parlament auf derWegstrecke – jedenfalls in der Vergangenheit – wenigMöglichkeiten hatten, unseren Einfluss noch geltend zumachen. Deswegen unterstützen wir ausdrücklich dieForderungen, die gerade auch vom Bündnis 90/Die Grü-nen gekommen sind, dass wir als Parlament auf derWegstrecke regelmäßig zu informieren sind. Das giltaber auch für eine breitere, aufgeklärte Öffentlichkeit.Deren diesbezügliche Erwartungen sollten wir gemein-sam erfüllen.Vielen Dank.
Martin Lindner hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen! Meine Herren! In-zwischen stehen die USA und Europa gemeinsam für60 Prozent der global getätigten Investitionen, für50 Prozent des ökonomischen Outputs, für 40 Prozentdes Weltsozialproduktes und für ein Drittel aller welt-weiten Patente. 71 Prozent der Auslandsinvestitionen inden USA kommen aus Europa, und 56 Prozent der US-Auslandsinvestitionen sind in Europa angelangt. DieUSA haben damit im vergangenen Jahr China als Top-investor in Deutschland abgelöst.Auf diesem soliden Fundament finden jetzt – in derEndkurve – die Verhandlungen zu TTIP statt. Es ist auchkein Zufall, dass gerade jetzt unter dieser schwarz-gel-ben Bundesregierung die Verhandlungen vorangetriebenwerden.CteVEAWemb„nddCmgItntruwhbndtimsPDwAPsteBHwFClaed
Die FDP, aber auch ihr Koalitionspartner, die CDU/SU, stehen dafür. Sie sehen vor allen Dingen – das un-rscheidet uns von der linken Hälfte des Hauses – dieorteile eines solchen Abkommens für Deutschland unduropa und nicht nur die Nachteile.
lle können nur gewinnen. Wir haben aber eine weiteegstrecke zurückzulegen und vor allen Dingen gegeninen weltweit wieder um sich greifenden Protektionis-us anzukämpfen. Wenn Sie sich das heutige Handels-latt ansehen, können Sie – dabei geht es um das ThemaAbschied vom Freihandel“ – nachlesen, wer Protektio-ismus verursacht und wer sein Geschädigter ist.Deutschland steht bei den „Tätern“ – vor allem wegener Abschottung – auf Platz sechs, aber bei den Geschä-igten – also den Opfern von Protektionismus – hinterhina und den USA schon auf Platz drei. Protektionis-us schadet gerade Ländern wie Deutschland. Wer übri-ens ist noch geschädigt? Es sind – in dieser Reihenfolge –alien, Frankreich und Großbritannien. Danach kommenoch drei weitere europäische Länder. Wir sind die Leid-agenden von Protektionismus. Deswegen wenden wirns – Sie nicht! – auch so entschieden gegen ihn.
Ich fasse Ihre Anträge einmal zusammen. Die SPDill viel herausnehmen, die Grünen wollen noch mehrerausnehmen, und die Linken wollen es gar nicht ha-en. Damit schaden Sie Ihrem Land. Sie glauben dochicht im Ernst, dass, wenn Sie hier etwas herausnehmen,as ohne eine Antwort von der anderen Seite des Atlan-ks bleibt. Wenn Sie audiovisuelle Produkte herausneh-en wollen, nehmen sie die Autos heraus. Die Franzo-en nehmen dann nicht nur gentechnisch veränderterodukte, sondern die gesamte Landwirtschaft heraus.ann bleibt ein Schweizer Käse übrig. Sie mögen dasollen, wir lehnen das ab. Wir wollen ein umfassendesbkommen haben, und dafür machen wir uns stark.
Bei den Verhandlungen müssen wir drei wesentlicheunkte berücksichtigen: erstens die international immertärker verflochtene und diversifizierte Wirtschaft, zwei-ns den Aufstieg der Schwellenländer und drittens dieedeutung neuer Technologien für den transatlantischenandel. An der Stelle möchte ich daran erinnern, dass,as den transatlantischen Handel anbelangt, im Bereichahrzeugbau inzwischen bis zu 80 Prozent, im Bereichhemie 76 Prozent und im Bereich Maschinen- und An-genbau 61 Prozent der Produktion im Rahmen mit-inander verflochtener Unternehmen abgewickelt wer-en.
Metadaten/Kopzeile:
31762 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Dr. Martin Lindner
)
)
Die Schwellenländer, die immer mehr in den Vorder-grund rücken, werden ebenfalls profitieren. Auch Japan,Korea oder meinetwegen China werden davon profitie-ren, wenn wir einheitliche Standards haben. Diese Län-der haben es dann beispielsweise, was die Zuarbeit zumAutomobilbereich anbelangt, nicht mehr mit zwei odermehreren Standards zu tun. Wir hoffen natürlich – undsetzen auch darauf –, dass dies zu einer Wiederbelebungdes WTO-Prozesses führen wird. Wir müssen – das istwichtig – in der transatlantischen Partnerschaft vorange-hen, meine Damen und Herren.Der dritte Punkt betrifft die neuen Technologien wiezum Beispiel Elektromobilität und Nanotechnologie. Ichnenne ganz bewusst an der Stelle beispielhaft Technolo-gien wie Fracking, das zur Shale-Gas-Gewinnung ange-wandt wird. Die USA gehen da voran.
Die USA werden in relativ kurzer Zeit zu einer einiger-maßen autarken Selbstversorgung ihrer Bevölkerung mitShale Gas auf der Grundlage von Fracking kommen. Siekönnen sich überlegen, welche globalen Auswirkungendas hat.
Glauben Sie, dass die USA sich in Zukunft im MittlerenOsten wie beispielsweise auf der Arabischen Halbinselgenauso engagieren werden wie bisher, wenn sie langenicht mehr dieselben geopolitischen Interessen an denÖl- und Gasvorkommen in Mittelost haben? Das wirdauch auf uns extreme Auswirkungen haben. Deswegenist es wichtig, dass wir bei Technologien wie der Shale-Gas-Gewinnung zu einem Austausch mit den USA kom-men und wechselseitig profitieren. Das ist für mich derdritte und wesentliche Punkt dieses Abkommens, denwir beachten müssen.
Die außenpolitische Bedeutung ist in Ihren Redenüberhaupt nicht vorgekommen. Ich finde es extremschade, dass der Kollege Klose hier heute nicht sprechenkann, weil er das im Unterschied zu Ihnen weiß.
Es besteht durchaus eine gewisse Mattigkeit im trans-atlantischen Verhältnis, wenn auch – zugegebenermaßen –auf hohem Niveau. Umso wichtiger ist es, dass wir mitdiesem Abkommen die Sache wiederbeleben, dass wirder Welt auch zeigen, dass der Westen lebt und auchheute noch in der Lage ist, sich den Herausforderungenzu stellen, und nicht alles nach Osten blickt.
Das ist die zusätzliche außenpolitische Bedeutung diesesAbkommens, die über das rein Ökonomische weit hin-ausgeht.FdsdWdsmtemSdsDksMtrtewdecSHteSnwra
ir, vor allen Dingen die FDP, stehen in der Traditiones großen Friedrich List, des Vorkämpfers des Deut-chen Zollvereins. Es gibt nur einen Unterschied: Erusste – in Anführungszeichen – „nur“ gegen die würt-mbergische Obrigkeit kämpfen; er hatte es noch nichtit der Opposition des Jahres 2013 zu tun, mit solchenchlappschwänzen und Hasenfüßen, wie Sie das sind,
ie nur miesepetrig sind, die immer nur das Schlechteehen, die immer nur die Laus im Pelz sehen.
as ist der Unterschied. Deswegen werden wir weiterämpfen für freien Handel, für offene Märkte, für gegen-eitige Verflechtung durch Investitionen. 15 Millionenenschen verdanken heute ihren Arbeitsplatz demansatlantischen Handel. Es werden auf jeden Fall wei-re hinzukommen.
Herr Lindner.
Ich komme zu meinen letzten beiden Sätzen. – Wir
erden ein transatlantisches Wirtschaftsmodell pflegen,
as globale Maßstäbe setzt. Wir zeigen der Welt, wie
ine Zukunft in Frieden, Freiheit und Wohlstand gesi-
hert werden kann.
Herzlichen Dank.
Ulla Lötzer hat das Wort für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Kollegechmidt, Kollege Hempelmann, nach den Worten vonerrn Beyer, aber insbesondere von Herrn Lindner soll-n Sie wirklich noch einmal darüber nachdenken, woherie die Hoffnung auf Chancen durch dieses Abkommenehmen, wenn es von dieser Regierung mit verhandeltird oder Vertreter dieser Regierung einen Einfluss da-uf haben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31763
)
Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)– Die hat aber mit Einfluss auf das Verhandlungsmandat;das werden Sie ja nicht bestreiten.
Auch beim G-8-Gipfel wird das eine Rolle spielen.Herr Lindner, wenn Sie von „Hasenfüßen“ und der-gleichen reden: Zur Beseitigung von Schutzschrankenfür Umwelt, Mensch und Natur gehört wahrlich keinMut. Dazu, in internationalen Verhandlungen solcheStandards aufzustellen, Sozialstandards zu schützen,Umweltstandards zu schützen, würde Mut gehören. Al-les andere ist längst Fakt. Das ist wirklich keine Kunstmehr, für die man jemand Besonderes braucht.
Herr Schmidt hat schon viele Punkte zu den Lebens-mitteln aufgeführt. Die Sozialstandards hat KollegeHempelmann angesprochen. Wenn Sie von Chancen aufBeschäftigung reden, dann sage ich: Wer Sozialstandardseinreißt und nicht schützt, der erzeugt Wettbewerbsdruckzulasten der Beschäftigten und der Arbeitsbedingungen;der schafft keine Chancen auf Beschäftigung.
Es geht um Zulassungsvorschriften für Arzneimittel.Es geht um die erweiterten Rechte großer Konzerne, ge-gen Regierungen zu klagen. Wo bleibt da der Mut, einedemokratische Regulierung durchzusetzen? Der fehlt Ih-nen völlig.Natürlich geht es – Sie haben es auch gesagt – umvöllige Liberalisierung. Es geht um Privatisierung, Dere-gulierung. Es geht darum, die Daseinsvorsorge endlichfür Privatisierung und Liberalisierung zu öffnen, und dasbetrifft nicht nur die audiovisuellen Dienstleistungen.Die französische Regierung hat in dieser Woche ange-kündigt, sie wolle Fernsehen, Filme und kulturelleDienstleistungen im Interesse der kulturellen Vielfaltausnehmen. Die Reaktion war deutlich. Die US-Regie-rung hat sofort verkünden lassen: Dann gibt es keineVerhandlungen. Wer Einschränkungen formuliert, würdedie Verhandlungen aufs Spiel setzen. In diesem Fall istes die Frage, ob auch nur eine Ihrer Forderungen, Kolle-ginnen und Kollegen der Grünen und der SPD, die wirweitgehend teilen, nach fairen Verhandlungen und fairenHandelsabkommen erfüllt wird. Bei dieser EU-Kommis-sion, bei dieser US-Regierung – Obama hin oder her –und bei dieser Bundesregierung hat keine Ihrer Forde-rungen auch nur den Hauch einer Chance auf Realisie-rung. Deshalb sagen wir in diesem Fall tatsächlich: Manmuss ein klares Nein des Parlaments zu einem solchenVerhandlungsmandat sehr deutlich machen.
SünHnSwDnSdSawsddqLtuHDVCHIcAbh
as ist auch eine Form von Protektionismus: Protektio-ismus gegenüber dem Rest der Welt.
Ich bin einmal gespannt, was China und die anderenchwellenländer zu diesem Abkommen sagen. Ichenke, sie werden es als Affront betrachten, gerade weilie sich ihnen gegenüber abschotten. Ich denke, dass dasuch Folgen für den weltweiten Handel haben wird. Dereltweite Handel mit den Schwellenländern ist inzwi-chen äußerst bedeutsam: auch für Deutschland, auch fürie Wirtschaft, auch für die Beschäftigung. Er wird da-urch gefährdet. Diesen Aspekt darf man in der Konse-uenz nicht vergessen.Deshalb sagen wir: Dieses Abkommen schafft keineeitplanken im Sinne von Schutz von Mensch und Na-r. Es reißt Leitplanken ein und gefährdet internationaleandelsabkommen, die auf fairer Grundlage entstehen.eswegen sagen wir diesmal einfach nur Nein zu diesemerhandlungsmandat.
Jetzt hat der Kollege Erich G. Fritz das Wort für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren!
h werde diese Debatten in Zukunft sehr vermissen.
uch diese hat wieder einmal gezeigt: Mehrheit zu ha-en, ist nicht gleichbedeutend mit Wahrheit und Weis-eit.
Metadaten/Kopzeile:
31764 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Erich G. Fritz
)
)
Aber nachgewiesen wurde heute im Saale: Umgekehrtstimmt es schon gar nicht.
Der Umgang mit diesem Thema zu einem Zeitpunkt,bei dem es um die Erteilung des Verhandlungsmandatsgeht, ist unverhältnismäßig, liebe Ulla Lötzer. Diesestransatlantische Freihandelsabkommen ist immer wiederaufgetaucht wie das Ungeheuer von Loch Ness, alle paarJahre. In den letzten 23 Jahren habe ich es des Öfterenerlebt. Zum ersten Mal haben wir die Chance, nach derInitiative von Angela Merkel und der Reaktion vonObama – nur in dieser Legislaturperiode kann er es ma-chen –, dass es zu einem sehr weitreichendem Abkom-men kommt, welches die auf der anderen Seite des At-lantiks übliche Art der Vorteilssuche auf Kosten desanderen zu Ende gehen lässt.
Zum ersten Mal gibt es die Möglichkeit, dass diesesAbkommen, das eminent politisch ist und nicht nur wirt-schaftspolitisch zu sehen ist, dazu führt, dass die beidenstärksten Wirtschaftsräume dieser Welt zusammenfin-den, aufeinander zugehen – das muss schon sein –, ohnedass es jemanden richtet. Es muss die Möglichkeit ge-ben, dass dieses Abkommen zum Anlass genommenwird für eine wichtige Erweiterung des multilateralenSystems, die ins Stocken geraten ist. Ich könnte Ihnen– leider haben wir die Zeit dafür nicht – an vielen Stellennachweisen, dass das so ist. Eines geht natürlich nicht:Man kann solche Verhandlungen nicht beginnen, indemjeder aufschreibt, worüber man nicht redet.
Wenn man das tut, dann will man das Abkommen inWirklichkeit nicht. Da ist die Haltung „Wir wollen es so-wieso nicht“ eindeutiger.
Mir gefällt an der Debatte nicht, dass, wenn es umStandards und um Verhandlungen geht, automatisch ge-sagt wird: Das ist gleichbleibend mit dem Schleifen undAbsenken von Standards. Warum denn eigentlich nichtumgekehrt?
Das ist typisch. Das sind nur Reflexe. Auch die vor-liegenden Anträge sind nur Reflexe und stehen für dieimmer gleichen Verhaltensweisen.
Man muss bei den Standards Folgendes sehen. Beiden Industriestandards sind die Interessen klar erkenn-bar. Dort gilt: Wer die Norm schreibt, hat sozusagen dieMuwtuDsdvdmjeTaRswgszwluddMwAtetiApvFdvbAdnpPVnPwdawn
Ich vermute, die Standards werden besser sein als die-nigen, die es jetzt gibt. Wir haben Standards, die zumeil für die USA eine Herausforderung sind, die für sieber auch Vorteile bringen; Rolf Hempelmann hat zuecht zwei davon genannt. In den USA ist die Diskus-ion über Standards in bestimmten Bereichen unterent-ickelt. In der Bevölkerung bzw. auf regionaler Ebeneibt es dort aber ein sehr großes Interesse daran, in die-em Bereich weiterzukommen. Auch das kann man nut-en.Ich möchte mit Blick auf meine Redezeit nur nochenige Sätze zum Antrag der Linken sagen. Die Vorstel-ng, dieses Abkommen diene vorwiegend der Großin-ustrie, ist äußerst abwegig.
Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Unternehmener Großindustrie sind auf beiden Seiten des Atlantiksarktinsider. Das heißt, sie können alle Vorteile der je-eiligen Märkte nutzen. Der Marktzugang – öffentlicheusschreiben etc. – ist der Bereich, aus dem unser Mit-lstand heutzutage ausgesperrt ist.
Wir haben jetzt die Chance, an dieser Stelle Beschäf-gung zu generieren. Die Schaffung von 400 000 neuenrbeitsplätzen in der EU – davon 100 000 neue Arbeits-lätze in Deutschland – hört sich vielleicht nicht nachiel an. Daraus entsteht aber etwas: Daraus entstehenelder, die heute noch nicht beackert werden können,eren Potenziale dann aber – da traue ich dem innovati-en deutschen Mittelstand einiges zu – durchaus geho-en werden können.Zur Transparenz: Ich glaube, wir haben gemeinsamenforderungen. Die Europäische Kommission war nichtazu genötigt, sondern sie hat wohl eingesehen, dass esotwendig ist, dass sie dem Handelsausschuss des Euro-äischen Parlaments – dieser tagt öffentlich – in jederhase der Verhandlungen die jeweiligen Ergebnisse undoten vorträgt.Wir haben – Rolf Hempelmann hat diesen Prozess ge-auso lange begleitet wie ich – am Anfang des WTO-rozesses ebenfalls Schwierigkeiten gehabt, zu erfahren,as läuft. Aber zum Schluss gab es ein Berichtswesener Bundesregierung, das bei jedem neuen Schritt denktuellen Stand wiedergegeben hat. Die Abgeordnetenaren damit zufrieden. Nicht jeder war mit dem Ergeb-is zufrieden. Das ist aber eine andere Sache.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31765
Erich G. Fritz
)
)
Die Bundesregierung hat in der vergangenen Wocheim Wirtschaftsausschuss zugesagt, in gleicher Weise zuverfahren. Im Übrigen hat es noch kein EU-Mandat ge-geben, das so öffentlich entstanden ist wie dieses. Ichhabe zumindest in der Zeit, in der ich Prozesse dieser Artverfolge – ich habe schon viele öffentliche Debattendazu erlebt –, niemals zuvor ein solches Mandat vorherschriftlich in der Hand gehabt.Wir müssen die vorliegenden Anträge leider ablehnen– auch den SPD-Antrag –,
obwohl im SPD-Antrag viel Richtiges steht.
Herr Kollege!
Die Bundesregierung will mit den Verhandlungen we-
der das Grundgesetz noch den Föderalismus abschaffen
oder über das Dienstleistungsabkommen der WTO hi-
nausgehen. Es macht nur keinen Sinn, vorher Stolper-
steine aufzustellen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ich schließe damit die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Antragder Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache17/13925 mit dem Titel „Transatlantische Handels- undInvestitionspartnerschaft nur mit starken Standards“.Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –Enthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt, bei Zu-stimmung durch Bündnis 90/Die Grünen und die SPD;alle übrigen Fraktionen waren dagegen.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derFraktion Die Linke auf Drucksache 17/13894 mit demTitel „Keine weitere Liberalisierung über ein EU-Frei-handelsabkommen mit den USA“. Wer stimmt für diesenAntrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die-ser Antrag ist abgelehnt, bei Zustimmung durch die ein-bringende Fraktion; alle übrigen Fraktionen waren dage-gen.Ich komme zur Abstimmung über den Antrag derFraktion der SPD auf Drucksache 17/13904 mit dem Ti-tel „Die Verhandlungen mit den USA zu einem transat-lantischen Handels- und Investitionsabkommen konse-quent an europäischen Standards ausrichten“. Werstimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Der Antrag ist abgelehnt, bei Zustimmungdurch SPD und Bündnis 90/Die Grünen; die übrigenFraktionen waren dagegen.Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 66 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-scher Streitkräfte an der United NationsInterim Force in Lebanon aufhhsreWwHüULamtagBdcdAdwsDstidcd
auerhafter Frieden in Syrien wird nur mit einer politi-chen Lösung möglich sein. Wenn ich die Reaktion rich-g deute, scheint dies die Auffassung des überwiegen-en Teils des Hohen Hauses zu sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brau-hen so schnell wie möglich ein Ende der Gewalt unden Einstieg in einen politischen Prozess.
Metadaten/Kopzeile:
31766 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
)
)
Deutschland selbst wird keine Waffen nach Syrien lie-fern. Wir respektieren, wenn Partner von uns zu eineranderen Bewertung kommen. Aber wer Waffenlieferun-gen ins Auge fasst, muss sicherstellen, dass diese Waffennicht in falsche Hände geraten. Was es für Folgen habenkann, wenn Extremisten und Terroristen moderne Waf-fentechnologie in die Hände bekommen, haben wir an-derswo – mit sehr ernsten Folgen – bereits gesehen.
Die Bundesregierung, meine sehr geehrten Damenund Herren, hat inzwischen über 160 Millionen Euro zurVerfügung gestellt, das meiste davon für humanitäreHilfe, die den Flüchtlingen und Binnenvertriebenen zu-gutekommt. Deutschland ist damit einer der stärkstenGeber. Ich kann Ihnen aber versichern: Wir werden wei-tere Möglichkeiten der Unterstützung prüfen.Die Gefahr eines Flächenbrandes ist real. Der Kon-flikt in Syrien greift immer stärker um sich. Kämpfer derHisbollah haben sich an den Kämpfen aufseiten des Re-gimes beteiligt. Im Libanon stehen erneut konfessionelleKonfliktlinien unter Spannung. Neue Gewaltausbrüchekönnen nicht ausgeschlossen werden.Die ohnehin schwierige innenpolitische Lage im Li-banon wird durch die Flüchtlingsströme aus Syrien wei-ter verschärft. 1 Million syrische Flüchtlinge allein imLibanon entsprechen etwa einem Viertel der Gesamtbe-völkerung des Landes. Das Land kommt damit zweifels-ohne immer mehr an seine Belastungsgrenze.Inzwischen haben wir in Deutschland die Vorausset-zungen für die Aufnahme von 5 000 Flüchtlingen ge-schaffen, die vor allem aus dem Libanon zu uns kommensollen. Zudem gilt für alle Menschen, die seit April 2011aus Syrien zu uns nach Deutschland gekommen sind, einsogenannter Rückführungsstopp. Das betrifft allein11 000 Asylsuchende. Niemand wird nach Syrien abge-schoben.
Die Unterstützung durch UNIFIL bei der Ausrüstungund Ausbildung der libanesischen Streitkräfte bleibt un-erlässlich. Die Mission leistet einen entscheidendenBeitrag, um einen Flächenbrand in der Region zu ver-hindern. Es ist im internationalen, aber auch in unse-rem ureigenen Interesse, die deutsche Beteiligung anUNIFIL fortzusetzen.Mit der Verlängerung des Mandats entsprechen wirauch den Wünschen Israels, des Libanon selbst und derVereinten Nationen. Diese haben ausdrücklich um dieFortführung der deutschen Beteiligung gebeten. DasBundestagsmandat für die Beteiligung am UNIFIL-Flot-tenverband soll unverändert um zwölf Monate bis zum30. Juni 2014 verlängert werden. Die Personalober-grenze bleibt unverändert bei 300 Personen.Im Namen der Bundesregierung bitte ich Sie um IhreZustimmung zu diesem Mandat.SKdfeCnihgLMInzsssZtePinOgaassbkBruhVreIcNhFte1rum
Herr Außenminister, auch wenn Sie zum jetzigeneitpunkt keine Erkenntnisse haben, bitte ich Sie, wei-rhin nach Erkenntnissen zu suchen. Wie wir aus derresse erfahren haben, gibt es die eine oder andere Reise die Region. Wir bitten Sie, sich mit den Partnern vorrt auszutauschen.Es besteht kein Zweifel, dass in erster Linie das Re-ime Assad die Verantwortung für die Eskalation unduch für die Brutalisierung dieses Konfliktes trägt; dennls vor zwei Jahren friedliche Demonstranten in ver-chiedenen Städten in Syrien auf die Straße gegangenind, hat das Regime Assad innerhalb von Tagen mitrutaler Gewalt auf die Proteste reagiert.Wir von der SPD-Fraktion sagen eindeutig: Es gibteine militärische Lösung in diesem Konflikt. Hier imundestag besteht ein breiter Konsens, dass Waffenliefe-ngen nicht der richtige Weg sind; denn in der Regionerrscht kein Mangel an Waffen, sondern ein Mangel anertrauen und Diplomatie.
Deswegen haben mich die aktuellen Äußerungen Ih-s Koalitionspartners überrascht, Herr Außenminister.h hätte mir schon gewünscht, dass Sie darauf eingehen.icht irgendwer, sondern der Kollege Schockenhoff hateute für die CDU/CSU-Fraktion erklärt, dass seineraktion für eine Flugverbotszone in der Region eintre-n wird. Ich habe hier eine entsprechende Meldung von3.30 Uhr vorliegen. Ich finde, dass die Bundesregie-ng mit derartigen Erklärungen sorgfältig umgehenuss.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31767
Dr. Rolf Mützenich
)
)
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Be-schluss des Deutschen Bundestages, den wir gemeinsamgefasst haben, auch mit den Stimmen der SPD-Bundes-tagsfraktion. Dort heißt es unter Punkt 4 – ich zitiere –:Der Einsatz dient nicht der Einrichtung oder Über-wachung einer Flugverbotszone über syrischemTerritorium.Ich finde, dieser Konsens muss erhalten bleiben. Deswe-gen muss es in dieser Debatte einen entsprechenden Hin-weis darauf geben.
In der Tat ist es richtig, alle Anstrengungen auf dieGenf-2-Konferenz zu konzentrieren, weil, wie gesagt,ein Mangel an Diplomatie herrscht. Auch wenn es, wieich glaube, nur sehr wenig Hoffnung gibt, muss man inden nächsten Tagen weiterhin alles unternehmen, damitzumindest das Minimalziel, dass die Konferenz stattfin-det, erreicht wird. Es wäre ein Hoffnungsschimmer,wenn dort eine Waffenruhe vereinbart werden könnte,zumindest für Stunden. Wir müssen den Menschen inSyrien zumindest die Möglichkeit geben, aus den um-kämpfen Zonen herauszukommen. Auf dieser Grundlagekönnte vielleicht ein weiterführendes Mandat der Ver-einten Nationen erreicht werden.Das Problem ist, dass die Bundesregierung derzeitkeinen maßgeblichen Anteil am Zustandekommen dieserKonferenz hat. Ich finde, dass die Bundesregierung mehrtun könnte. Insbesondere könnte sie auf den einen oderanderen internationalen Akteur stärker einwirken, derdiese Konferenz nicht unterstützt. Ich glaube, wir habendurchaus Gelegenheit, noch intensiver mit der russi-schen Regierung darüber zu reden, und zwar auch undgerade in dieser Situation. Zwar haben Sie Länder wieSaudi-Arabien und Katar als Gestaltungsmächte in derinternationalen Politik identifiziert, aber ich frage mich,ob Ihre Analyse richtig ist. Denn es ist fraglich, ob dieseLänder wirklich bereit sind, an der Herstellung einerfriedlichen Ordnung mitzuwirken, und ob sie tatsächlichverantwortliche Gestaltungsmächte sind. Das wäre nachmeinem Dafürhalten eine wichtige Frage gewesen.Sie haben mehr humanitäre und medizinische Hilfeangekündigt. Zumindest wollen Sie das prüfen. Ichfinde, wir sollten sie bereitstellen. Leider haben wir vielzu lange gebraucht, um gerade einmal 5 000 Flüchtlingeaufzunehmen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein –immerhin –, aber insgesamt hat dieser Prozess viel zulange gedauert.Ich will noch Folgendes sagen: Wir dürfen angesichtsder massiven Auseinandersetzungen und trotz des Bür-gerkriegs in Syrien nicht vergessen, dass die Umbrüchein der arabischen Welt unseren Respekt und unsere An-erkennung verdienen; denn dort tun sich Menschen zu-sammen, um ihren Ländern den richtigen Weg zu wei-sen. Ich finde, das muss auch vom Deutschen Bundestagaus gesagt werden.hwvrevbapmaDsGgzmsligLtrEreGinvdknhgüFdmkIhmmgGTE
Zu UNIFIL. Wir von der sozialdemokratischen Parteiaben UNIFIL von Anfang an unterstützt, nicht nur, weilir das Mandat des Sicherheitsrates, das immer wiedererlängert worden ist, für richtig erachtet haben. Wir wa-n und sind der Meinung, dass der Waffenschmuggelerhindert werden muss und es dafür ein UN-Mandat ge-en muss. Wir sehen ja, welche Verwerfungen es zurzeituf den Golanhöhen gibt.Ich glaube, mit diesem UNIFIL-Mandat war auch einolitischer Zweck verbunden. Wir glaubten, dass wir da-it den ohnehin fragmentierten Staat Libanon in Bezuguf seine staatliche Souveränität unterstützen könnten.ie israelische Marine hat die Quarantäne von libanesi-chen Häfen sehr schnell aufgehoben. Wir haben beimrenzmanagement geholfen, und wir haben, wie ichlaube, auch die Konfliktparteien im Innern des Libanonusammengeführt. Deswegen war das UNIFIL-Mandatehr als die Verhinderung von Waffenschmuggel. Die-es Mandat diente insbesondere der Sicherung der staat-chen Souveränität des Libanon.Ich finde, Deutschland und Europa haben die Auf-abe, dafür zu sorgen, dass das fragile Gleichgewicht imibanon nicht weiter geschwächt wird. Die Hisbollahägt in der Tat eine riesengroße Verantwortung für dieskalation des Bürgerkrieges in Syrien und damit indi-kt natürlich auch der Iran als Förderer der Hisbollah.leichwohl ist es wichtig, die Worte abzuwägen, um dienenpolitische Situation im Libanon nicht weiter zuerschärfen. Deswegen ist meine Bitte, auch an die Bun-esregierung und an die Europäische Union, alle Bemer-ungen in die Richtung zu unterlassen, noch stärker in-erhalb des EU-Rahmens vorzugehen, solange keineandfesten Beweise – auch gegen die Hisbollah – vorlie-en.Wir werden verantwortungsvoll in den Ausschüssenber dieses Mandat debattieren. Ich kann für die SPD-raktion sagen, dass wir dieses Mandat verlängern wer-en.In diesem Zusammenhang möchte ich mich an denir folgenden Redner, den Parlamentarischen Staatsse-retär Kossendey, wenden: Ich habe gehört, dass dasre letzte Rede im Deutschen Bundestag ist. Ich möchteich ganz herzlich für die gute, vertrauensvolle und im-er souveräne Zusammenarbeit bedanken. Das sage ichanz persönlich, aber auch im Namen meiner Fraktion.anz herzlichen Dank!
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege
homas Kossendey.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s ist in der Tat im Augenblick eine schwierige Diskus-
Metadaten/Kopzeile:
31768 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Thomas Kossendey
)
)
sion, weil das, was wir zu UNIFIL sagen wollten, natür-lich durch die Lage in Syrien überlagert wird.Lieber Herr Kollege Mützenich, ich danke für Ihrenetten Worte. Allerdings möchte ich auf Folgendes hin-weisen: Das, was zum Thema Flugverbotszone zu sagenist, hat der Außenminister sehr deutlich gesagt. Sie brau-chen sich keine Sorgen zu machen, dass da eine Ände-rung in der Meinung des Außenministers eingetreten ist.Die UNIFIL-Mission – wenn ich darauf zurückkom-men darf – hat den Auftrag, die militärische Eskalationzwischen dem Libanon und Israel zu verhindern undletztendlich auch das angespannte Verhältnis zwischendiesen beiden Ländern zu entschärfen. Diese nun schonsieben Jahre andauernde Mission führt, so glaube ich,langsam und schrittweise zum Erfolg. Einige Beispielehat Kollege Mützenich aufgezählt, wir könnten noch an-dere nennen.Libanon und – ich betone das ausdrücklich – auchIsrael haben beide darum gebeten, UNIFIL, diesen wich-tigen Stabilitätsanker in der Region, zu verlängern. Siewollen eine weitere Präsenz der Friedenstruppen derVereinten Nationen, und das betrifft natürlich ausdrück-lich auch den deutschen Beitrag zu UNIFIL. Unser Bei-trag hat ein doppeltes Mandat. Zum einen sichern wir dieseeseitigen Grenzen des Libanon, und zum anderen– das ist in der Öffentlichkeit häufig so nicht gesehenworden – unterstützen wir die libanesischen Streitkräftebeim Aufbau ihrer Fähigkeiten. Derzeit beteiligen wiruns an UNIFIL mit der Korvette „Braunschweig“ unddem Schnellboot „Frettchen“, mit einem nationalen Un-terstützungskommando in Limassol, aber auch durch ei-nen Anteil am UNIFIL-Hauptquartier in Naqoura.Eine Vielzahl von Projekten, die wir da angepackt ha-ben, ist in der Tat gut weiterentwickelt worden. Im letz-ten Jahr wurde mit der Inbetriebnahme der letzten Küs-tenradarstation der Aufbau einer Küstenradarketteabgeschlossen. Ich glaube, dass die libanesische Marineam Ende dieses Jahres über die Fähigkeit verfügen wird,eine vollständige Radarüberwachung ihrer eigenenKüste selbst sicherzustellen.Das ist auch ein ganz wichtiger Beitrag im Sinne derErtüchtigungsinitiative, die wir im Dezember in denEuropäischen Rat einbringen wollen. Auch der Naviga-tionssimulator, den wir dort installiert haben und mitdem wir libanesische Soldaten ausbilden, ist eine ausge-sprochen hilfreiche Anschaffung gewesen. Er hilft, dassSoldaten im Libanon ausgebildet werden können. Wirhelfen übrigens auch dadurch, dass wir libanesische Ka-detten bei uns in Deutschland ausbilden.Darüber hinaus ist es natürlich wichtig, dass wir imzivilen Bereich eine Menge tun. Auch darüber ist hiergesprochen worden. Der Außenminister und Sie, HerrMützenich, haben es angesprochen. Die instabile Lage inder Region werden wir eigentlich nur dann einigermaßenstabilisieren können, wenn es uns gelingt, ein Gleichge-wicht bei den Streitkräften zu schaffen. Dieses zu errei-chen, erfordert natürlich ein Mindestmaß an Stabilität.Deswegen werden wir die libanesische Marine auf demWzn–inNA3Mlem2BhbGfüSsKDfrsDssudsdaicdmmimmdSterubeMHTassdreb
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31769
)
Glück, Gesundheit und immer eine unversehrte Heim-kehr.Herr Präsident, ich melde mich zum Ende der Legis-laturperiode ab.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich nehme die
Meldung entgegen und wünsche Ihnen alles Gute für Ihr
weiteres Leben.
Nun hat Wolfgang Gehrcke für die Fraktion Die
Linke das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte zu Beginn dieser Debatte, die sich durch die
Vorkommnisse rund um Syrien, den Krieg in Syrien,
völlig verändert hat, zwei, drei Punkte benennen, bei de-
nen aus meiner Sicht hier eine Übereinstimmung herbei-
geführt werden kann.
Ich bin entschieden dafür, dass man nur auf eine poli-
tische Lösung setzt. Es kann und wird keine militärische
Lösung geben. Wenn man auf eine politische Lösung
setzt – das hat auch der Herr Außenminister betont –,
muss man an der internationalen Syrien-Konferenz fest-
halten. Wenn diese Konferenz fallengelassen wird, wird
die Waffengewalt in der ganzen Region nicht mehr zu
stoppen sein. Ich wünsche mir hier, ehrlich gesagt, auch
mehr Initiative der Bundesregierung, eine solche Konfe-
renz zu befördern und auf Partnerinnen und Partner ein-
zuwirken, ihre Position im positiven Sinne hinsichtlich
des Stattfindens einer solchen Konferenz zu verändern.
Die geplante Syrien-Konferenz lebt davon, dass die
USA und Russland sie mit auf den Weg gebracht haben.
Ich will Ihnen aber auch sagen: Ohne eine Teilnahme des
Irans an dieser Konferenz wird kein stabiles Ergebnis zu
erreichen sein. Zu dieser Frage hat der Außenminister
nichts gesagt. Ich bitte sehr, darauf hinzuwirken, dass
auch der Iran an dieser Konferenz beteiligt wird, auf der
man versuchen sollte, die Konfliktparteien zusammen-
zubringen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Beck?
Ja.
Bitte schön, Kollegin Beck.
Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Herr Kollege Gehrcke, Sie haben auf das gemeinsame
Interesse hingewiesen, das wir alle an einer politischen
Lösung haben. Wie stehen Sie dann dazu, dass, obwohl
d
d
s
a
fe
fe
D
d
s
s
b
g
W
B
g
li
ta
z
a
v
d
fe
n
m
S
m
z
w
n
g
h
d
h
d
ti
ti
d
n
fe
U
s
a
O
h
p
d
V
g
m
B
Metadaten/Kopzeile:
31770 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
– Natürlich. Ich freue mich schon auf die Demonstratio-nen. Obama sagt ja wie sein Vorgänger: Wir wollenkeine Kriege.
Was das UNIFIL-Mandat angeht, so habe ich hier im-mer vertreten: Dieses Mandat war notwendig, um denKrieg zu beenden. – Wir wollten aber nie eine Teilhabedeutscher Soldaten an diesem Mandat, und dabei bleibtes. Wir werden gegen eine Verlängerung des Mandatsstimmen.Der Libanon ist leider nicht stabilisiert worden, er istheute labiler denn je.
– Nicht wegen des UNIFIL-Mandats, sondern weil manpolitisch nichts zustande gebracht hat. Das ist das, wasman kritisieren muss.Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wasman politisch machen kann!Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Omid Nouripour für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In denletzten Jahren haben wir häufig in gewöhnlichen Bahnenüber UNIFIL diskutiert. UNIFIL leistet einen Beitragzum Frieden und hat dazu beigetragen, den Krieg zwi-schen der Hisbollah auf der einen Seite und Israel auf deranderen Seite zu beenden. UNIFIL leistet einen Beitragdazu, dass auf dem Seeweg keine Waffen in den Libanongeschmuggelt werden können. Im Rahmen von UNIFILwird darüber hinaus die libanesische Marine ausgebildet.Dass die Obergrenze für dieses Mandat von1 200 Soldatinnen und Soldaten auf 300 gesenkt werdenkonnte, ist ein Beleg dafür, dass diese Mission erfolg-reich ist. Ich möchte den Soldatinnen und Soldaten undihren Familien für ihren Beitrag dazu herzlich danken.
Die Diskussion, die heute geführt wird, ist keine nor-male und gewöhnliche Diskussion. Das liegt an der Situa-tion in Syrien; das ist mehrfach gesagt worden. Geradeweil die Situation in Syrien so ist, ist eine friedenserhal-tende UN-Mission heute in der Region nicht mehr selbst-verständlich. Dass es Probleme gibt, sieht man an demAbzug der österreichischen Soldaten vom Golan. In die-ser Situation spielt UNIFIL eine besondere Rolle.Gerade weil die Situation so besonders ist, brauchtder Libanon unsere Hilfe. Er braucht unsere Hilfe wegendgwreDsuataDpdzsamcwdelisimdemreGFnüsflFvfefoddssPmsKwmmnribSn
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31771
)
die wir ergreifen können. Das bedeutet: humanitäreHilfe, Hilfe für die Flüchtlinge. Dazu gehört auch, einePlattform zu bieten, wo über eine Lösung diskutiertwird. Dazu dient zum Beispiel die geplante internatio-nale Konferenz. Das ist ein kleiner Beitrag, um wenigs-tens halbwegs stabilisierend einzuwirken.UNIFIL leistet einen Beitrag zur Stabilisierung desLibanon, und dafür kann ich nur meine Dankbarkeit zumAusdruck bringen.
Das Wort hat nun als letzter Redner zu diesem Debat-
tenpunkt Kollege Erich Fritz für die CDU/CSU-Frak-
tion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zum Mandat selbst ist das Wesentliche gesagt worden.Rolf Mützenich, Staatssekretär Kossendey, der HerrMinister und Omid Nouripour haben das dargelegt. Wirunterstützen die Mission aus den Gründen, die vorgetra-gen worden sind.Als ich am 19. Dezember 1990 zur Eröffnung des ers-ten gesamtdeutschen Bundestages dieses Haus betrat,noch in einem anderen Zustand als jetzt, und der Rededes Alterspräsidenten Willy Brandt zuhörte, die sehr an-gemessen und sehr politisch für die damalige Zeit war,war mir nicht klar, dass ich in meiner Bundestagszeitüber so viele Auslandseinsätze abstimmen muss.Wenn ich die Bilder von Syrien sehe, dann befälltmich die gleiche unerträgliche Qual, die mich befiel, alsder Krieg auf dem Balkan passierte. Auf dem Balkanhatten wir aber eine Option, nämlich den Eingriff vonaußen, und man konnte einigermaßen unterscheiden, werauf welcher Seite stand, wer die Guten und wer die Bö-sen waren.Wenn ich mir anschaue, was in Syrien geschieht, dannist das überwiegende Gefühl eben doch Ratlosigkeit. Ichglaube nicht, dass es ein guter Dienst ist, wenn jetzt dieamerikanischen Vorschläge in den Mittelpunkt der Dis-kussion rücken oder wenn gar die vielleicht sogar nur in-nenpolitisch motivierten Gefechte zwischen Regierungund Opposition in den USA bei uns aufgegriffen wür-den, um das eigentlich notwendige Ziel der Diskussionbei uns aus dem Blick zu bekommen.Der Herr Außenminister hat mit Recht gesagt: Eskann keine Alternative zu einer politischen Lösung ge-ben, und wir können keine Waffen liefern. – Denn jedervon uns weiß, dass dann, wenn der hier sinnvollerweisegemachte Vorschlag, den internationalen Kriegsverbre-cherprozess schon einmal vorzubereiten, in die Tat um-gesetzt würde, dort vermutlich Täter von allen Seiten sit-zen müssen.dsAisicsksusdLfäaraskzadnaUÜsliMtämHdmdWcmslidagzwwnn
Wer in einer solchen Situation die kleinen Ansätze fürie Möglichkeit einer Konferenz, die es jetzt gab, infragetellt – auch wenn die Hürden dafür groß sind und dientworten auf die Fragen, wer wirklich zu involvierent und wie das geschieht, nicht klar sind –, der, glaubeh, versündigt sich in einer Art und Weise an einer Lö-ung, die man gar nicht schlimm genug beschreibenann; denn jeder weitere Monat, jede weitere Woche undogar jeder weitere Tag ist eine humanitäre Katastrophend führt in dieser Region zu einer weiteren Destabili-ierung und zu einer Auflösung von Strukturen, die iniesem Raum, wenn auch schwach, noch immer in derage waren, politisch zu tragen und Staaten handlungs-hig zu machen – wie auch immer wir dazu standen.Ich bin deshalb sehr für UNIFIL; aber es gibt nichtsnderes als den Appell an die Mitglieder des Sicherheits-tes, vor allen Dingen an die, die das vorantreiben müs-en, aber auch an die, die jetzt nur abwarten. Chinaönnte eine Rolle spielen, weil es mit seinen guten Be-iehungen zum Iran einen Einflusskanal wie kaum einnderer Staat hat. Ich sehe aber keine Aktivitäten. Weriesem Schauspiel weiter zuschauen kann, der gehörticht in die internationale Gemeinschaft, der stellt sichbseits dieser internationalen Gemeinschaft, die in derN-Charta manifestiert ist.Meine Damen und Herren, jetzt kommt ein schwererbergang. Das ist nämlich meine letzte Rede im Deut-chen Bundestag.Wie man sich leicht vorstellen kann, möchte ich herz-chen Dank sagen. Zum einen möchte ich all meinenitarbeitern in dieser Zeit danken, die mit großer Quali-t und großer Leidenschaft geteilt haben, was ich ge-acht habe. Zum anderen möchte ich mich beim ganzenaus und bei meiner gesamten Fraktion dafür bedanken,ass ich so sein durfte, wie ich bin, dass sie mich beieinen Leidenschaften, denen ich gefolgt bin, zufrie-engelassen haben und dass ich das in einer Art undeise tun durfte, die mir sehr entgegenkam.Die Themen, die wir hier gemeinsam häufig bespro-hen haben, sind für die Menschen viel wichtiger, als sieeinen. Es sind meistens keine Themen, die zum Bei-piel im Wahlkreis eine Rolle spielen; aber es ist unend-ch wichtig, dass wir in dieser Welt zu Regeln kommen,ie über die Staatsgrenzen hinaus tragen. Das gilt für fastlle Politikbereiche.
Deshalb bedanke ich mich für das Engagement, daserade in diesen Fragen in diesem Haus immer wiederu spüren ist und auch zum Ausdruck kommt, auchenn wir dabei nicht immer einer Meinung sind. Esäre doch schlimm, wären wir bei all diesen Fragen ei-er Meinung. Dann brauchten wir diese Einrichtungicht, die so notwendig ist. Denn wie sagt Norbert
Metadaten/Kopzeile:
31772 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Erich G. Fritz
)
)
Lammert immer: Regiert wird überall; es kommt daraufan, ob es ein Parlament gibt, in dem die Minderheit ge-achtet wird.
Das, so glaube ich, praktizieren wir vorbildhaft, auchwenn es uns nicht immer gelingt.Ich wünsche Ihnen und wünsche dem DeutschenBundestag für die Zukunft viel Erfolg, auf dass die Deut-schen ihren erfolgreichen Weg weitergehen können, dieMenschen mit Vertrauen auf die Politik schauen und wirauch in Zukunft dazu beitragen können, dass es Lösun-gen auf dieser Welt gibt und nicht nur neue Konflikte.Vielen Dank.
Kollege Fritz, auch ich wünsche Ihnen alles Gute.Herzlichen Dank für Ihre Arbeit.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/13753 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungso beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 68 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungEntsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zurBeteiligung an der Multidimensionalen IntegriertenStabilisierungsmission in Mali aufGrundlage der Resolution 2100 des Sicher-heitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013– Drucksache 17/13754 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussgemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.Ich eröffne die Aussprache und erteile Bundesaußen-minister Guido Westerwelle das Wort.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Kolleginnen und Kollegen! Da ich selber zu denetwas dienstälteren Mitgliedern dieses Hohen HauseszKZvhdUinase2gAsenfüvRndNsfrvddvsuruenbpswWkssosdandAgzim
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31773
)
zung für die Umsetzung des Fahrplans für den Über-gang, einschließlich des nationalen politischen Dialogs.Der deutsche Beitrag wird geschätzt; das ist mir per-sönlich in der letzten Woche in New York noch einmalversichert worden. Den Respekt und den Dank für un-sere Landsleute im Einsatz möchte ich noch einmal aus-drücklich erwähnen und ihn gegenüber den Soldatinnenund Soldaten zum Ausdruck bringen. Unsere Frauen undMänner in Uniform, sie leisten Großartiges!
Das deutsche Engagement für Mali ist umfassend.Anlässlich der Geberkonferenz für Mali am 15. Mai inBrüssel hat die Bundesregierung, vertreten durch Minis-ter Niebel, Mittel in Höhe von insgesamt 100 MillionenEuro für 2013 und 2014 zugesagt. Wir haben diese Zu-sage ausdrücklich an Fortschritte im Transitionsprozessgeknüpft. Darüber hinaus unterstützt Deutschland seitJahren mit humanitären Maßnahmen die Menschen inMali wie auch malische Flüchtlinge in der Sahelzone.Ich bin dankbar für die Einigkeit zwischen der Koali-tion und den überwiegenden Kräften der Oppositionüber die Grundlinien der deutschen Mali-Politik. Ichhoffe, dass uns diese Einigkeit auch bei der Beratungund Verabschiedung von MINUSMA leitet. Ich bitte Sieum eine breite Unterstützung für dieses Mandat.Ich will nochmals ausdrücklich sagen – damit das hiernicht als eine Routineangelegenheit am Freitagnachmit-tag verstanden wird –: Die Lage hat sich verbessert.Aber sie bleibt unverändert fragil und ernst. Vor diesemHintergrund ist sich, denke ich, jeder bewusst, dass dieÜberführung dieses Mandates ein ernster und verantwor-tungsvoller Vorgang ist. Dennoch beantragen wir siehier, weil wir davon überzeugt sind, dass der Einsatzvernünftig ist, dass er erfolgversprechend ist und dassdies ein wichtiger Beitrag ist, um die Afrikaner zu befä-higen, in Afrika selbst für die Lösung ihrer Probleme dieentscheidende Verantwortung zu übernehmen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Ullrich Meßmer für die SPD-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Meine Damen und Herren! Herr Außenminister,dass das hier keine Routineangelegenheit ist, will ichausdrücklich unterstreichen. Das zeigt auch die starkePräsenz der Bundesregierung: Drei Minister sind in derDebatte zu diesem Tagesordnungspunkt anwesend. Ichglaube, auch das sollte einmal herausgestellt werden;denn es macht deutlich, wie wichtig diese internationa-len Fragen für uns sind.deMfüfüamtäzimicBn1MAwwdhwHubdbEsgmdansStemishsbdtihssstenäusbde
Metadaten/Kopzeile:
31774 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
)
diejenigen, die bislang an der Vorbereitung des Wahlpro-zesses noch nicht beteiligt sind. Denn nur dann, wenndie betroffenen Gruppen auch an der Wahl beteiligt seinkönnen, haben sie Einfluss auf die politische Entwick-lung in Bamako und damit auch auf die staatliche Auto-rität. Nur so erreicht man Akzeptanz für die künftigeEntwicklung in Mali selbst.Bislang haben sich nämlich der Ausnahmezustand imNorden und der Ausnahmezustand in Bamako wechsel-seitig bedungen. Nur durch die gemeinsamen Wahlensehe ich zumindest die Chance, hier wieder eine gemein-same Position zu beziehen. Erst ein befriedeter Nordenund die territoriale Integrität Malis schaffen die Räume,in denen auch unsere Entwicklungszusammenarbeit dieFrüchte trägt, die wir uns von ihr erhoffen. Die EU undDeutschland haben dies immer wieder deutlich gemacht.Es geht auch nicht nur darum, immer nur die politisch-militärische Stabilität im Blick zu haben, sondern auchum die Lebensqualität und die Lebenswirklichkeit derMenschen, die in diesen Ländern leben.Von daher bauen wir darauf, dass es mit der Roadmapder malischen Regierung und mit der Unterstützung derVereinten Nationen und insbesondere der in dieser Re-gion bzw. in der Nachbarschaft befindlichen Staaten ge-lingen kann, wieder ein stabiles und sich selbst tragendesMali herzustellen. Denn das ist wichtig für die Stabilitätin dieser Region, und das haben, glaube ich, auch dieAnrainer erkannt, die dieses Mandat entsprechend mitunterstützen.Wir, unsere Fraktion, unterstützen dieses Mandat,weil wir es für notwendig halten. Es dient dem Schutzder Zivilbevölkerung, und es wird nötig sein, um Rache-akte verschiedener militanter Gruppen und von Teilendes Militärs im Norden zu verhindern. Es muss demSchutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verein-ten Nationen dienen, genauso wie der Unterstützung unddem Schutz derjenigen, die im Bereich der humanitärenHilfe dort tätig sind und die ebenfalls ein sicheres Um-feld brauchen.Dieses Mandat muss dem Erhalt des Kulturguts, daswährend der Auseinandersetzung bereits teilweise zer-stört wurde, dienen. Es muss Aufbauarbeiten und denZugang dazu wieder ermöglichen. Nicht zuletzt brau-chen wir dieses Mandat für den Aufbau und die Unter-stützung einer funktionierenden Justiz und eines funktio-nierenden Sozialsystems. Für mich trägt der Anteil, denDeutschland in diesem Mandat leistet, mit dazu bei, dassder Schutz und die Förderung der Menschenrechte indieser Region nicht nur ein Wunsch bleiben, sondernWirklichkeit werden können. Dieses Mandat bedeutetfür mich auch, einen wichtigen Schritt zu tun, um einehumanitäre Katastrophe, wie sie in anderen Teilen dieserRegion stattfand, zu verhindern. Von daher werden wirin den Beratungen den Antrag der Bundesregierung un-terstützen.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit auch andiesem späten Nachmittag.gteWBbwsistedMriswbgdliüdShAKNsismgfüutrHEteuSsdtedwBtiz
Das Wort hat nun der Bundesminister der Verteidi-ung Thomas de Maizière.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-idigung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie der Außenminister möchte ich mich im Namen derundesregierung herzlich dafür bedanken, dass sich einereite Zustimmung zu diesem Mandat abzeichnet. Dasar auch schon beim Mandat für die durch die Europäi-che Union betriebene Ausbildung in Mali der Fall. Dast, glaube ich, gut.Immerhin geht es hier um eine Resolution der Verein-n Nationen unter Berufung auf Kapitel VII der Chartaer Vereinten Nationen, also um ein robustes Mandat.INUSMA wird nicht nur die Verantwortung der bishe-gen afrikanischen Mission AFISMA übernehmen; die-er Einsatz ist breiter: Er reicht von der Stabilisierungichtiger Bevölkerungszentren über die Unterstützungei der Wiederherstellung der staatlichen Autoritäten imanzen Land, über die Unterstützung bei der Umsetzunges politischen Fahrplans für den Übergang einschließ-ch des politischen Dialoges und des Wahlprozesses,ber den Schutz von Zivilpersonen und des Personalser Vereinten Nationen, über die Förderung und denchutz der Menschenrechte, über die Unterstützung fürumanitäre Hilfe bis hin zur – Sie haben es gesagt, Herrbgeordneter Meßmer – Unterstützung beim Erhalt vonulturgütern. All das ist in dem Mandat der Vereintenationen erwähnt. Hinzu kommt schließlich die Unter-tützung für die nationale und internationale Justiz. Est also ein breiter und vernetzter Ansatz, wie wir ihn im-er für richtig halten. Deswegen unterstützen wir ihnerne.Wir machen das in der gleichen Größenordnung wier AFISMA. Wir stellen also bis zu 150 Soldatinnennd Soldaten zur Verfügung. Das bezieht sich auf Luft-ansport, logistische Unterstützung, Einzelpersonen fürauptquartiere und Stäbe der Vereinten Nationen,xperten für Verbindungs- und Beratungsaufgaben,chnische Unterstützung für truppenstellende Nationennd auch auf Luftbetankung – wir haben darüber, wieie wissen, im Zusammenhang mit AFISMA diskutiert –;ie kann nun weiterhin unter den Rahmenbedingungener MINUSMA-Resolution stattfinden. Mit dieser Un-rstützung tragen wir dazu bei, dass das neue UN-Man-at von Beginn an auf ein solides Fundament gestelltird.Ich habe davon gesprochen, dass dieses Mandat untererufung auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Na-onen ausgeführt wird. Wenn wir um die Zustimmungu diesem Mandat bitten, dann heißt das eben auch, dass
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31775
Bundesminister Dr. Thomas de Maizière
)
)
das Gründe hat: Dieser Auftrag kann risikoreich sein.Auch der Außenminister hat davon gesprochen.Wie bei dem Mandat für EUTM Mali, also dem Man-dat für die Ausbildungsmission der Europäischen Union,will ich darauf aufmerksam machen: Dies ist kein Spa-ziergang. Wir können keine verlässliche Aussage überdie Dauer dieses Mandates machen. Es ist jetzt auf einJahr befristet. So sehen es auch die Vereinten Nationen.Wir haben gelernt: Wir brauchen Geduld in Afrika. Daswird und kann schwierig werden. Deswegen sage ich be-reits jetzt: Wir haben gelernt, dass der Beginn von Mis-sionen nicht mit überschwänglichen Erwartungen be-gleitet werden sollte; vielmehr müssen wir nüchtern undrealistisch auch die Chancen und Risiken, die darin be-stehen, betrachten.Umso mehr bitten wir um eine verantwortungsvolleBeratung und dann auch um eine Zustimmung in Kennt-nis und Bewusstsein, dass hier keine leichte Aufgabenicht nur auf die deutschen Soldatinnen und Soldaten,sondern auf alle, die im Auftrag der Vereinten Nationendort tätig sind, zukommt.Ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, zu HerrnFritz ein Wort zu sagen. Uns beide verbindet nicht nurpolitisch, sondern auch fußballerisch eine Leidenschaft.Das will ich jetzt aber nicht vertiefen. Zu HerrnKossendey möchte ich nur sagen: Er hat zwar jetzt seineletzte Rede gehalten, aber seine Amtszeit als Parlamen-tarischer Staatssekretär ist so schnell noch nicht vorbei.Ihnen beiden alles Gute und Gottes Segen!
Das Wort hat nun Christine Buchholz für die Fraktion
Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Washeute in Mali passiert, ist eine neue Etappe einer Politik,die die Erbeutung der Rohstoffe des Kontinents zum Zielhat.“
– So kommentiert die ehemalige malische Ministerin fürKultur, Aminata Traoré, den derzeit laufenden interna-tionalen Militäreinsatz in ihrem Land.Die Bundeswehr unterstützt die Armee der ehemali-gen Kolonialmacht Frankreich bei der dauerhaften Be-setzung des Landes. Traoré sowie andere Malierinnenund Malier wehren sich dagegen.
Wie passt die Tatsache, dass die Regierung in Bamakoerneut den Ausnahmezustand bis in den Juli hinein ver-längert hat, zur positiven Bilanz, die Sie seit Beginn desEinsatzes ziehen? Neun oppositionellen Abgeordneten– darunter sechs aus dem malischen Norden – soll aufBSdndstidufüdFZREaPfizAhGdzwtibKuzEdkEezdZbPEEddegw
s gibt einige davon. In Mali gibt es reiche Vorkommenn Gold, Kupfer, Eisen, Diamanten, Granat, Erdgas,hosphat, Bauxit und Erdöl. Aus Niger – die Förderungndet an der malischen Grenze statt – kommen 40 Pro-ent des Urans für die französischen Atomkraftwerke.uch im malischen Boden wird Uran vermutet. Waseißt das konkret? Beispielsweise soll in der malischenemeinde Falea eine Uranmine gebaut werden. Sieroht Landwirtschaft, Umwelt und kulturelles Erbe zuerstören sowie das Grundwasser zu vergiften. Dagegenehren sich die Einwohner Faleas.Meine Damen und Herren, ich unterstütze die interna-onale Kampagne zur Rettung Faleas gegen die Berg-aukonzerne. Sie unterstützen in der Sahelzone einenrieg zur Sicherung der französischen Atomwirtschaftnd von Bergbaukonzernen. Das ist der Unterschiedwischen Ihrer und unserer Politik.
Der Bundestag möchte den seit Februar laufendeninsatz der Bundeswehr in Mali im Rahmen des Man-ats AFISMA praktisch unverändert fortführen. Esommt lediglich ein neues Etikett darauf, das UNO-tikett. Man könnte doch meinen, dass an dieser Stelleinmal Bilanz gezogen wird: Was haben denn die fran-ösischen Kampfflugzeuge gemacht, die von der Bun-eswehr im Einsatz aufgetankt worden sind? Welcheiele haben sie bombardiert? Wie viele Tote hat es gege-en? Weder im Antrag noch im Ausschuss noch hier imlenarsaal gab es ein Wort dazu. Da drängt sich doch derindruck auf, dass es Teil Ihrer Politik ist, die Opfer desinsatzes zu verschweigen. Dass sich SPD und Grüneamit zufriedengeben, finde ich erbärmlich. Sie stellener Bundesregierung gewissermaßen einen Freibrief fürinen Einsatz aus, von dem keiner weiß, wer oder wasenau bombardiert wird.Aminata Traroé sagt: „Mali wird gedemütigt. Wirerden Zeuge der Militarisierung der Gesellschaft.“ –
Metadaten/Kopzeile:
31776 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
Christine Buchholz
)
)
Meine Damen und Herren, an dieser Demütigung betei-ligt sich die Linke nicht.
Das Wort hat nun Katja Keul für Bündnis 90/Die Grü-
nen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit demMINUSMA-Mandat wird es erstmals einen weiterenUN-geführten Bundeswehreinsatz neben UNIFIL geben.Wir Grünen haben immer – auch in personeller Hinsicht –eine stärkere Unterstützung der UNO gefordert. Wir be-grüßen daher die Überführung des im Februar beschlos-senen Mandats zur Unterstützung der afrikanischenAFISMA in eine UN-Friedensmission.Die bereits mandatierte Beteiligung der Bundeswehrbleibt mit bis zu 150 Soldaten für Lufttransport undLuftbetankung unverändert. Sie unterstützen die etwa10 000 Soldaten aus den Nachbarländern Malis. DieseTruppen sind bereits seit April auch im Norden Malispräsent und sollen gemeinsam mit der malischen Armeedie befreiten Städte sichern, damit die Flüchtlinge ausdem Süden und den Nachbarstaaten in ihre Heimat zu-rückkehren können.Viele trauen sich noch nicht zurück, weil sie erlebt ha-ben, dass die staatlichen Sicherheitskräfte sie nichtschützen konnten. Viele sind traumatisiert. Die gesamteInfrastruktur im Norden ist zerstört. Die Rückkehrer fin-den keinen Wohnraum, keine Elektrizität, keine Schulenund keine staatliche Verwaltung.Es wird für Mali eine Riesenherausforderung, die ge-planten Präsidentschaftswahlen am 28. Juli so zu organi-sieren, dass auch die Flüchtlinge aus dem Norden daranteilnehmen können.Verschärft wird diese Herausforderung durch die Si-tuation in der Region Kidal, die nach wie vor nicht unterder Kontrolle der malischen Sicherheitskräfte steht undzunehmend für Spannungen zwischen den Maliern undden Franzosen sorgt. Sosehr die Malier dankbar dafürsind, dass französische Truppen den Terror beendet ha-ben, so wichtig ist es ihnen aber auch, dass sie die Sou-veränität über ihr eigenes Staatsgebiet vollständig wie-dererlangen. In Kidal herrscht derzeit die MNLA, dieAnfang letzten Jahres den unabhängigen Staat Azawadausgerufen hatte und damit den Islamisten entscheidendin die Hände spielte.Nachdem die Extremisten von al-Qaida, Ansar al-Dinund MUJAO die Oberhand gewannen und die Bevölke-rung in Angst und Schrecken versetzten, verschwand dieMNLA in der Versenkung und wäre dort auch geblieben,wenn sie nicht ihre historisch engen Verbindungen zuFrankreich hätte nutzen können, um nach der Befreiungin Kidal wieder die Macht zu übernehmen. Nun stelltsich das Problem, dass die MNLA nicht bereit ist, dieWSWdtiBHbgBdAPdseRspbdguSwdEzvdwmdrukmres2wnslaeble
Die Parlamentarier äußerten übrigens auf Nachfrageoch den Wunsch, Deutschland möge helfen mit Prothe-en „made in Germany“ für die Menschen, denen die Is-misten Gliedmaßen amputiert haben. Das wäre dochine hervorragende Fähigkeit, die Deutschland hier ne-en der militärischen Unterstützung zur Verfügung stel-n könnte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013 31777
Katja Keul
)
)
Machen Sie’s möglich!Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Letzter Redner des heutigen Tages ist Kollege
Hartwig Fischer für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Keul, ich teile Ihre Einschätzung in Bezug aufKidal. Die Delegation war auf meine Einladung hier,eine Woche lang. Ich hatte einige aus der Delegation be-reits kennengelernt. Herr Minister, ich bin Ihnen sehrdankbar, dass Sie mich da mitgenommen hatten. So ha-ben wir dort Abgeordnete kennengelernt.Wir haben versucht, die Probleme mit ihnen zu be-sprechen und auch weiterzugeben, was die Stadt Kidalund die Region betrifft, weil auch ich der Auffassungbin: Wenn es dort keine gemeinsame Lösung, sonderneine Lösung nur durch die Franzosen gibt, wird es mitden Wahlen in der gesamten Region außerordentlichschwierig, und dann gibt es keine staatliche Autorität inder Region. Deshalb hoffe ich, dass die politischen Bin-dungen innerhalb Europas zu einer Einigung führen, da-mit die Malier mit beteiligt werden; natürlich nur mitden Franzosen, damit es zu keinen Massakern kommt.Ich spreche den zweiten Punkt an. Ja, sie möchtengerne eine Zusammenarbeit in Bezug auf die Prothesen.Das war der Grund, warum ich sie zu der FirmaOttobock gebracht habe; denn ich weiß, wie die FirmaOttobock und auch ihre Stiftung in vielen Bereichen ar-beiten und mithelfen, aufzubauen. Dies haben wir nachdem Bürgerkrieg in Angola und nach den Unruhen inKenia gesehen.Im Übrigen glaube ich, dass sie auch mit den Frauengesprochen haben. Aminata Traoré hat uns zu dem, wasSie behaupten, kein einziges Wort gesagt. Das erschüttertmich schon; denn wir hatten einen offenen Dialog. Ichhabe mit Aminata Traoré auch in Bamako besprochen.Ich werde das, was Sie behauptet haben, genau recher-chieren, weil sie darum gebeten hat, dass die Malier ge-meinsam mit den Franzosen und mit einer internationalenGruppe, insbesondere mit Ländern der AfrikanischenUnion, den Friedensprozess stabilisieren. Wir werden Siedaran festnageln, in welcher Art und Weise Sie diese Be-hauptungen in die Debatte einbringen.
Wir als Fraktion unterstützen die Resolution 2100MINUSMA. Deshalb will ich dazu nicht mehr viel sa-gen.umMteshbDKJ5Khe5vgbingKpsinsnsIcmrümwwgsGasdgKdkcmgc
eil sie dann die Zukunft in Frieden und Sicherheit ei-enverantwortlich und nachhaltig gestalten können. Wirind vielleicht nur über ein oder zwei Jahrzehnte an derestaltung beteiligt gewesen, die Zukunft werden sieber nur, von uns entsprechend ausgebildet, alleine ge-talten können.Lassen Sie mich in meiner letzten Rede noch einmalarauf hinweisen: Ich weiß, liebe Freunde, auch bei unsibt es Armut. Aber die Armut, von der ich rede, ist derampf um das Überleben. Schlechte Nahrung, fehlen-es Wasser, vermeidbare Krankheiten und Bürger-riege! Ich bitte Sie einfach, meine Homepage anzukli-ken: www.30000-kinder-sterben-taeglich.de. Ich dankeeinen Mitarbeitern und meiner Fraktion, dass sie michetragen und ertragen haben. Ich gehe von Bord und ma-he ehrenamtlich weiter.Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
31778 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 247. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Juni 2013
(C)
(B)
Auch Ihnen, Herr Fischer, sage ich herzlichen Dank
für Ihre politische Arbeit. Alles Gute für Ihr weiteres Le-
ben!
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/13754 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist offensichtlich der Fall. Dann ha-
ben wir das so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 26. Juni 2013, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein
freundliches Wochenende.