Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich.
Wir beginnen heute mit den Tagesordnungspunk-
ten 22 a und 22 b sowie dem Zusatzpunkt 5:
22 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Sechster Bericht der Bundesrepublik Deutsch-
land zum Übereinkommen der Vereinten
Nationen zur Beseitigung jeder Form von Dis-
kriminierung der Frau
– Drucksache 16/5807 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
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N
A
W
n
F
Redet
Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Heidrun
Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Internationaler Frauentag muss gesetzlicher
Feiertag werden
– Drucksache 16/8373 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
ZP 5 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zu dem An-
trag der Abgeordneten Irmingard
Gerigk, Volker Beck , Britta H
weiterer Abgeordneter und der Fraktio
NIS 90/DIE GRÜNEN
Zur Unterrichtung durch die Bundesregierung liegt
in Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
ach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
ussprache 75 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen
iderspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
ächst der Kollegin Ingrid Fischbach für die CDU/CSU-
raktion.
ext
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte FrauMinisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der8. März ist der Tag, an dem Frauen weltweit ihr Rechtauf Gleichberechtigung einfordern. Wir haben heutezwar erst den 7. März; aber da dies unsere letzte Debattevor dem 8. März ist, ist es gut, dass wir bei dieser Gele-genheit über die Rechte der Frau debattieren.Der Weltfrauentag bietet uns Anlass, die Situationvon Frauen auch in Deutschland genauer zu betrachten.Mit dem Sechsten Bericht der Bundesrepublik Deutsch-land zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zurer Form von Diskriminierung der Frauer Titel; wir sagen: CEDAW-Bericht – Grundlage, differenzierter auf die Lageinzugehen. Im CEDAW-Bericht wird Schewe-aßelmann,n BÜND-Beseitigung jed– so lang ist dhaben wir eineder Frauen e
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Ingrid Fischbachaufgezeigt, auf welchen Gebieten wir etwas erreicht ha-ben und wo noch Handlungsbedarf besteht.Die Themenbereiche, die wir uns im Hinblick auf dieSituation der Frauen in Deutschland anschauen müssen,sind vielseitig – so vielseitig wie die Konzepte und Um-setzungen. Die Maßnahmen, die von der Bundesregie-rung ergriffen wurden, umfassen unter anderem dieBekämpfung von Gewalt gegen Frauen, den Schutz vonStalking-Opfern und den strafrechtlichen Schutz vonKindern vor sexuellem Missbrauch. Schwerpunkt desBerichts ist aber die Gleichstellung von Frauen undMännern im Berufsleben. Auf diesen Bereich möchteich mich aufgrund der Kürze meiner Redezeit – ich habenur sechs Minuten – beschränken.Eine Ursache für die leider immer noch bestehendenUngleichheiten sind sicherlich die geschlechterspezifi-sche Arbeitsteilung bei der Kindererziehung und die im-mer noch mangelhafte Infrastruktur bei den Angebotenzur Kinderbetreuung. Hier hat die Bundesregierung– vor allen Dingen unsere Familienministerin – bereitsgehandelt. Dafür sagen wir auch an dieser Stelle herzli-chen Dank.
Wir haben bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf undFamilie mit der Einführung des Elterngeldes und demAusbau von Kinderbetreuungsplätzen für unter Dreijäh-rige Entscheidendes auf den Weg gebracht. Das warenwichtige Signale. Die ersten Daten zeigen uns, dassdiese Maßnahmen richtig waren.
Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtesbelegen die hohe Akzeptanz, die das Elterngeld unterjungen Eltern – Müttern wie Vätern – gefunden hat. Da-mit ist es uns gleichzeitig gelungen, dass die aktive Be-teiligung von Vätern bei der Kindererziehung auch inder Gesellschaft und explizit bei den Arbeitgebern alsvöllig normal angesehen wird.
– Lassen Sie doch einen Hoffnungsschimmer erst einmalkeimen, Frau Lenke, statt immer gleich zu widerspre-chen.
Dass endlich auch Väter vermehrt die Möglichkeit inAnspruch nehmen, für die Familienarbeit eine beruflicheAuszeit zu nehmen, führt viel stärker zu einer echtengleichberechtigten Teilhabe, als Frauenrechte alleine esje vermocht hätten. Die Belastungen, die wir gerade jun-gen Frauen heutzutage aufbürden, nehmen immer weiterzu. So sollen sie sich um einen guten Schulabschluss,eine noch bessere Ausbildung, die Familienplanung undihre finanzielle Selbstständigkeit kümmern und in späte-ren Lebensjahren selbstverständlich auch für die Pflegeder Eltern zur Verfügung stehen.Wichtig ist es daher, dass unsere Politik auch dieMänner in die Pflicht nimmt–mm–kdKddlrsfzddFpAFnFwdntEcnFzsBjdm
ich freue mich, dass auch die Kollegen klatschen –, da-it die Belastungen mit all ihren Konsequenzen gleich-äßig aufgeteilt werden.
Ja, wir wünschen uns noch mehr. Das ist richtig.Frauen müssen selbstverständlich auch die Möglich-eit haben, eine Auszeit für die Familie zu nehmen. Diesarf jedoch nicht zwingend das Ende ihrer beruflichenarriere bedeuten. Deshalb ist es besonders wichtig,ass wir auch die Situation der Frauen berücksichtigen,ie sich voll der Kindererziehung widmen und erst nachängerer Unterbrechung wieder in den Beruf zurückkeh-en wollen.
Bundesministerin von der Leyen stellt heute gemein-am mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagenturür Arbeit, Frank-Jürgen Weise, ein Aktionsprogrammum beruflichen Wiedereinstieg vor, mit dem Frauenieser Einstieg erleichtert werden soll. Ich glaube, auchas ist ein wichtiges Signal. Wir haben die jungenrauen im Blick, aber auch diejenigen, die ihre Lebens-lanung anders gestaltet haben. Auch ihnen bieten wirnreize und Lösungsmöglichkeiten. Herzlichen Dank,rau Ministerin.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist abericht mit den Themen Karrieremöglichkeiten vonrauen und „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu ver-echseln. Diese Forderung, die schon vor 150 Jahrenie Frauen auf die Straße getrieben hat, ist auch heuteoch aktuell; denn hier besteht immer noch eine ekla-ante Ungerechtigkeit.
s ist wichtig, dass die Vorgabe, gleichen Lohn für glei-he Arbeit zu zahlen, auch umgesetzt wird. Nicht nur in-erhalb der EU, sondern auch in Deutschland verdienenrauen durchschnittlich immer noch ungefähr 20 Pro-ent weniger als Männer. Das ist nicht hinnehmbar.
Sicherlich zeigen sich hier die Auswirkungen der ge-chlechtsspezifischen Trennlinien am Arbeitsmarkt. Dieerufswahl spielt eine entscheidende Rolle. Frauen undunge Mädchen ergreifen immer noch vorrangig Berufe,ie weder gute Verdienstmöglichkeiten noch Karriere-öglichkeiten bieten. An dieser Stelle müssen wir tätig
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Ingrid Fischbachwerden. Wichtig ist aber auch, dass wir die Ausbildungjunger Frauen stärker in den Blick nehmen und sie bes-ser fördern.Die schulische Bildung von Mädchen und Frauen istsicherlich heute besser als früher. Der Anteil der Abitu-rientinnen liegt konstant bei 57 Prozent. Der Anteil derFrauen im Studium ist in den letzten zehn Jahren um10 Prozent gestiegen. Trotzdem müssen wir feststellen,dass Frauen – selbst wenn sie in aussichtsreichen Berufs-feldern tätig sind – keine entsprechenden Aufstiegsmög-lichkeiten haben. Der Anteil der Frauen, die Führungs-positionen auf höherer Ebene einnehmen, liegt immernoch bei nur 4 Prozent. Das ist zu wenig.
In diesem Bereich ist noch viel zu tun.Wir haben mit unserem Antrag „Chancen von Frauenauf dem Arbeitsmarkt stärken“ schon versucht, erste Ak-zente zu setzen und deutlich zu machen, dass wir auf diestärkere Beteiligung von Frauen hinarbeiten, aber auchgegen die Ungerechtigkeit beim Lohn vorgehen. Des-halb, Frau Ministerin, darf ich Ihnen auch an dieserStelle für die Initiative danken, die Sie mittels eines Leit-fadens auf den Weg bringen, um Unternehmen die Mög-lichkeit zu geben, der Ungerechtigkeit beim Lohnentgeltentgegenzuwirken.
Ein vorzüglicher Schluss, Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ich
möchte mit einem Zitat der Literaturnobelpreisträgerin
Pearl S. Buck schließen. Sie hat gesagt:
Schickt die Frauen in die Welt hinaus, und lasst den
Mann ins Haus hinein. Das soll das Ziel von Bil-
dung und Erziehung sein. Das Haus braucht den
Mann und die Welt braucht die Frau.
Das möchte ich so stehen lassen.
Mein spontaner Eindruck ist, dass die absehbaren
Wirkungen des letzten Vorschlags weit über die der Ein-
führung eines gesetzlichen Feiertages hinausgingen.
Wir setzen die Debatte mit der Kollegin Ina Lenke
von der FDP-Fraktion fort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei derGleichberechtigung von Frauen und Männern sind wirwsddPngdbVdd„LsVrgDrttsdTdeTGseT–sVFhFpDMs
Ich habe jetzt erst einmal die Gewerkschaften ange-prochen, die für ihre Mitglieder geschlechtergerechteerträge aushandeln müssen.
Wir wissen von Personalberaterinnen aber auch, dassrauen ihre eigene Leistung nicht in angemessene Ge-altsforderungen umsetzen, wie es notwendig wäre. Wirrauen haben also noch ein bisschen mehr zu tun.Für uns als FDP ist ein Schwerpunkt liberaler Steuer-olitik, das Steuerrecht geschlechtergerecht zu gestalten.ie Steuerklasse 5 ist ein Skandal.
onat für Monat dauert dieser Skandal an. Wie Sie wis-en, hat die FDP mit dem Solms-Konzept und einem ent-
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Ina Lenkesprechenden Antrag im letzten Jahr bereits Initiativen zudiesem Thema in den Bundestag eingebracht.
Ein gewichtiges Problem ist doch nicht nur die großeDifferenz zwischen dem hohen Brutto- und dem niedri-gen Nettolohn, sondern auch die Berechnung der Lohn-ersatzleistungen. Beim Elterngeld verlieren Frauen inder Steuerklasse 5 monatlich mehrere hundert Euro.Beim Mutterschaftsgeld und beim Arbeitslosengeld istes ebenso. Denn diese Lohnersatzleistungen richten sichnicht nach dem Bruttolohn, sondern sie werden nachdem Nettolohn berechnet. Dass dieses Problem besteht,darin sind wir Frauen uns einig. Hier muss etwas passie-ren. Dafür können Sie mit Ihrer Mehrheit von über70 Prozent endlich Zeichen setzen.
Es ist bis jetzt aber nichts passiert. Tun Sie also endlichetwas!Frau Fischbach hat gerade die frauenpolitischen Er-folge von CDU/CSU und SPD hochleben lassen. Ichsage Ihnen aber: Die große Anzahl der teilzeitbeschäftig-ten Frauen wird feststellen, dass sie die von der GroßenKoalition vergessenen Leistungsträger sind.
Ein großer Schritt hin zu mehr Gleichberechtigung istder Ausbau der Kinderbetreuung. Frau von der Leyen,das ist eindeutig Ihr Verdienst, für das wir von der Oppo-sition uns bedanken.
Was aber noch fehlt, mein lieber Herr KollegeSinghammer, ist die Gleichbehandlung von privat-ge-werblichen Initiativen und Elterninitiativen einerseitsund staatlichen Einrichtungen andererseits. Wir wollenExistenzgründungen von Frauen auch in diesem Bereichfördern. Warum verwehren Sie das bisher? Hier müssenSie noch etwas nachlegen.
Jetzt komme ich zu der heißen Auseinandersetzungum die Einführung eines Betreuungsgeldes. Meine Da-men und Herren von der SPD, ich verstehe nicht, warumSie hier so herumeiern. Sie haben das doch mitgetragenund schriftlich vereinbart. Aber in der Öffentlichkeit tunSie so, als wollten Sie das gar nicht. Zwischen dem, wasSie schriftlich niederlegen, und dem, was Sie in der Öf-fentlichkeit sagen, besteht eine sehr große Differenz.Dass Sie diesen Kuhhandel eingegangen sind, FrauHumme, verstehe ich nicht. Sie spielen ein doppeltesSpiel. Aber die Wählerinnen durchschauen das.
Nicht neue Gesetze schaffen wirkliche Gleichberech-tigung, sondern ein liberaler Staat, der seinen BürgernuusibsrglsCszltcssaunSSSkrathBnzhAMdbäva
Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Marks,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrte Damen und Herren! Frau Lenke, diePD-Fraktion spielt kein doppeltes Spiel. Es ist ganzlar, wie wir zum Betreuungsgeld stehen. Die Formulie-ungen beinhalten keine Vorfestlegungen. Das will ichn dieser Stelle klarstellen.
Gleichstellungspolitik ist auch am morgigen Interna-ionalen Frauentag kein alter Hut; denn obwohl Fraueneute formal gleiche Rechte und gleichen Zugang zuildung haben, sind Frauen und Männer noch immericht gleichgestellt. So hat sich der CEDAW-Ausschussum fünften Staatenbericht besorgt über das Fortbeste-en der allgegenwärtigen stereotypen und konservativennsichten über die Rolle und Aufgaben von Frauen undännern geäußert. Der Ausschuss hat eine Verstärkunger politischen Maßnahmen gefordert.Seit Bestehen der Bundesrepublik haben sich die Le-ensverhältnisse von Frauen und Männern deutlich ver-ndert. Die einseitigen Rollenzuweisungen an Frauen,erantwortlich für die Familienarbeit, sowie an Männer,llein zuständig für den Familienunterhalt, sind heute
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Caren Marksnicht mehr aktuell. Das vorgegaukelte Bild des Familien-idylls der 50er-Jahre zulasten von Frauen ist verstaubt.Dennoch ist es nicht allzu lange her, dass eine ehema-lige TV-Moderatorin ein Buch, in dem das Bild der Frauals Hausfrau und Mutter beschworen wurde, schreibenmusste. Diese alten Rollenbilder – er zieht den Anzugan, sie die Schürze – sind noch in vielen Köpfen verfes-tigt,
auch wenn das nicht mehr dem Wunsch der meisten jun-gen Frauen und Männer entspricht. So betont der sechsteCEDAW-Bericht zu Recht:Die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familieund Beruf für Frauen und Männer ist heute das zen-trale gleichstellungspolitische Anliegen: Ohne eineNeuausrichtung der geschlechtsspezifischen Ver-antwortlichkeiten in Familie und Beruf und ohnedas Bereitstellen der hierfür erforderlichen Rah-menbedingungen ist Gleichstellung nicht durch-setzbar.
Es war notwendig und richtig, dass wir seit 1998wichtige Weichenstellungen für eine partnerschaftlicheVerteilung von Familien- und Erwerbsarbeit vorgenom-men haben. So haben wir als Bundesgesetzgeber denLändern und Kommunen bei den Kinderbetreuungsan-geboten und Ganztagsschulen auf die Sprünge geholfen.Mit der Einführung des Elterngeldes haben wir gleich-stellungspolitische Akzente zugunsten der aktiven Vätergesetzt. Die aktuellen Auswertungen zum Elterngeldbe-zug im Jahr 2007 belegen: Die Gruppe der Väter, die El-ternzeit beantragen, verzeichnet Rekordzuwächse. Väterlegen mit den neuen Möglichkeiten des Elterngeldesrund dreimal so häufig wie beim alten Erziehungsgeldeine sogenannte Babypause ein. Das ist ein Erfolg.
Das Elterngeld und die Partnermonate – wir haben langegenug gegen Begriffe wie Wickelvolontariat kämpfenmüssen –
sind auch unter gleichstellungspolitischen Aspekten einErfolgsmodell.
Gute Arbeit für Frauen bleibt aber eine wesentlicheBaustelle in der Gleichstellungspolitik. Insgesamt liegtdas Einkommen von Frauen in Deutschland bei ungefährgleicher Arbeitszeit immer noch mindestens 20 Prozentunter dem von Männern. Frau Lenke, weibliche vollzeit-beschäftigte Angestellte in der Privatwirtschaft verdie-nen sogar rund 30 Prozent weniger als ihre männlichenKollegen.
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enn sie sind verstärkt im Niedriglohnsektor beschäftigt.
Wir brauchen auch eine Neubewertung von gesell-chaftlich wichtiger Arbeit. Der Bedarf im Betreuungs-,ildungs-, Gesundheits- und Pflegebereich, also derienst am Menschen, wird zukünftig steigen. Diese Ar-eit muss uns mehr Wert sein. Auch muss es Ziel sein,ehr Männer als bisher für diese Berufe zu gewinnen, inenen bislang überwiegend Frauen tätig sind. Notwen-ig dafür ist eine berufliche Bildung, die weder typischeibliche noch typisch männliche Berufsbilder produ-iert. Aber auch Arbeitgeber und Gewerkschaften stehenn der Verantwortung, für angemessene Bruttolohnstei-erungen, die allen einen gerechten Anteil am Unterneh-enserfolg sichert, zu sorgen.
Gefragt sind faire Tariflöhne; denn sie sind ein gutesittel gegen offene Lohndiskriminierung. Gefragt sinduch familienfreundliche Arbeitsbedingungen, die dieereinbarkeit von Familie und Beruf lebbar machen.icht von schlechten Eltern wäre auch ein Gleichstel-ungsgesetz für die Privatwirtschaft.
Die Strategie des Gender-Mainstreaming ist bisherrfolgreich. Ich habe mich daher sehr gewundert, dass
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Caren Marksim CEDAW-Bericht zu lesen war, dass diese Strategieverändert werden soll. Der Begriff wird vom Ministe-rium als „Auslöser für Widerstände gegenüber derGleichstellung“ interpretiert. In den letzten Jahren habensich viele anscheinend sperrige Begriffe wie Win-win-Situation oder Benchmarking durchgesetzt. Deren all-täglicher Gebrauch und sinnvolle Anwendung wird vonniemandem infrage gestellt. Viel mehr als die faden-scheinige Kritik an einem Begriff ist eine Analyse derbisherigen Ergebnisse der angewandten Strategie not-wendig. Hierzu hat das Ressort aber leider nichts vorge-legt.Die Strategie des Gender-Mainstreaming zielt auf dieModernisierung in der Gesellschaft, den notwendigenUmbau unserer Sozialversicherungssysteme und dieVeränderung der noch bestehenden traditionellen Ge-schlechterverhältnisse. Nicht nur am InternationalenFrauentag muss Frauenpolitik ein Thema sein. Die SPDwird sich auch weiter für eine aktive Gleichstellungs-politik auf allen Ebenen und in allen Bereichen einset-zen.
Gender-Mainstreaming ist und bleibt unser Auftrag.Herzlichen Dank.
Das Wort erhält nun die Kollegin Kirsten Tackmann,
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr verehrte Gäste! Das „Übereinkommen der Verein-ten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi-nierung der Frau“, CEDAW genannt, ist ein Menschen-rechtsabkommen. Es schreibt rechtsverbindlich vor, dieDiskriminierung von Frauen in allen Lebensbereichen zubekämpfen. Die große Themenvielfalt ist ebenso eineStärke von CEDAW wie die Tatsache, dass Frauen in ih-ren unterschiedlichen Lebenssituationen direkt ange-sprochen werden, zum Beispiel in Art. 14 dieses Be-richts, der die besonderen Probleme von Frauen inländlichen Räumen thematisiert – ein oft überlesenerTeil des Berichtes. Dort heißt es, landwirtschaftliche Be-triebe würden in Deutschland überwiegend als Familien-betriebe bewirtschaftet. Zitat:Von den vollbeschäftigten Familienarbeitskräftendieser Betriebe waren 16,9 Prozent weiblich, beiden teilzeitbeschäftigten Familienarbeitskräften lagder Anteil dagegen bei 46,5 Prozent.Und weiter:Allerdings hatten nur 9 Prozent aller landwirt-schaftlichen Einzelnunternehmen eine Frau als In-haberin.DdEvDLlÖgAemDzEiddFaMADtntSpOwhnWSnsg2LnlvAD
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und drittens gesicherte Mindeststandards in der öffentli-chen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, besonders inder Kinderbetreuung.Gerade die dritte Forderung ist mir sehr wichtig, denndie strukturelle Diskriminierung von Frauen hat oft vieleunbeachtete und verdeckte Wirkungen. Was passiertdenn, wenn Schulen, Arztpraxen, Sportvereine oder Bus-und Bahnlinien in ländlichen Regionen verloren gehen? –Es sind dann vor allen Dingen die Frauen, die den zusätz-lichen organisatorischen Aufwand in der Familie abfan-gen müssen.
Dies geschieht auf Kosten der Verwirklichung eigenerLebensziele – bis hin zum Verzicht auf eine eigene Er-wbvwaBaEBbZeDcllmdsbddrdluzlIsdtgkspwrGkwlsü
as Modell des männlichen Ernährers und der weibli-hen Zuverdienerin ist nun wirklich endgültig verstaubt.
Die Linke fordert deshalb auch aus gleichstellungspo-itischen Gründen erstens einen gesetzlichen Mindest-ohn, zweitens ein Ende der skandalösen Entgeltdiskri-inierung – das wurde heute schon angesprochen – undrittens ein Ende der diskriminierend niedrigen Löhne inogenannten Frauenberufen. Dazu gehört nicht nur dieerühmte und vielzitierte Friseurin.
Dass gerade die soziale Diskriminierung im Berichter Bundesregierung ausgespart bleibt, zeigt doch, dassie Bundesregierung das Problem, dass Frauen struktu-ell diskriminiert werden, ignoriert. Damit wird aberiese Diskriminierung zementiert und nicht bekämpft.Das Scheitern der freiwilligen Vereinbarung, die al-erdings noch zwischen der rot-grünen Bundesregierungnd der deutschen Wirtschaft geschlossen wurde, er-wingt geradezu die Forderung nach einem Gleichstel-ungsgesetz in der Privatwirtschaft.
ch freue mich, dass die SPD und die Grünen auch dafürind. Die Linke unterstützt diese Forderung des DGB,er Einzelgewerkschaften und des Deutschen Frauenra-es, die sie am Mittwoch noch einmal erhoben haben,anz ausdrücklich.Ein Instrument zur Erfüllung der CEDAW-Vorgabenönnte auch die „Strategie Gender Mainstreaming“ein. Das lässt sich auf der Homepage des Gender-Kom-etenz-Zentrums zum Thema CEDAW nachlesen. Frauird allerdings im CEDAW-Bericht der Bundesregie-ung Ausführungen zum aktuellen Umsetzungsstand vonender-Mainstreaming vergeblich suchen. Lediglichonkrete Projekte der vorangegangen Bundesregierungerden dort erwähnt. Damit wird aber eines offensicht-ich: Ministerin von der Leyen steuert den Gender-Main-treaming-Prozess längst nur noch auf dem Papier, wennberhaupt.
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Dr. Kirsten Tackmann
Unter der Großen Koalition findet somit keine aktiveGleichstellungspolitik mehr statt, geschweige denn diesystematische Berücksichtigung von Bedürfnissen, Ta-lenten und Interessen von Frauen und Männern in allenPolitikbereichen. Das Recht von Frauen auf eine eigen-ständige Existenzsicherung rückt dann aber sowohl imOsten als auch im Westen wieder in weitere Ferne.Für die Linke ist diese Situation Anlass gewesen, denschon zitierten Antrag einzubringen, der für einige mög-licherweise ein bisschen überraschend kommt. Wir grei-fen damit eine Initiative von Hamburger Gewerkschafte-rinnen auf, die gefordert haben, den InternationalenFrauentag am 8. März zum gesetzlichen Feiertag zu er-klären.
Wenn man nach den historischen Wurzeln des Interna-tionalen Frauentages fragt, kommt man nicht an ClaraZetkin vorbei, die ja Alterspräsidentin des letzten freigewählten Reichstages war. Aber das haben Sie in unse-rem Antrag sicherlich gelesen.
Spätestens seit der Anerkennung dieses Tages durch dieUNO im Jahr 1975 ist der 8. März der Tag, an demFrauen weltweit gleiche Rechte einfordern. Der Linkenreicht das aber nicht. Wir fordern ein Umdenken und einAndershandeln.
Ein gesetzlicher Feiertag bietet eine verfassungsmä-ßig garantierte Zeit „der Arbeitsruhe und der seelischenErhebung“.
Was, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ein geeigne-terer Anlass für eine seelische Erhebung sein, als alljähr-lich wenigstens am 8. März einmal über Schritte hin zurtatsächlichen Diskriminierungsfreiheit von Frauen nach-zudenken?Vielen Dank.
Frau Kollegin Schewe-Gerigk ist die nächste Redne-rin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Welchen Stellenwert die Frauenpolitik bei dieser Bun-desregierung hat, lässt sich gut daran ablesen, was SieudsrvüddgwFbRSnwüdsmndmb–hdcZsbdvAslGöDbktzd
ie tragen doch die Bundesregierung. Sie legen uns kei-en einzigen Antrag vor. Sie lamentieren zwar darüber,ie schlecht es den Frauen geht, aber Sie tun nichts.
Wir wollen anlässlich des Weltfrauentages mit Ihnenber die Zukunft der Frauen reden. Was tun Sie? Sie re-en über die Vergangenheit. Aber das hat natürlich aucheinen Grund, nämlich die vielen erfolgreichen Maßnah-en seit 2001. Ich betone: erfolgreiche rot-grüne Maß-ahmen. Mir ist es ja peinlich, dass ich jetzt noch überie Uralterfolge sprechen muss, aber Sie haben uns jait dem, was Sie hier vorlegen, die Vorlage dazu gege-en.
Ja, natürlich nur wegen des Zeitverlaufs. – Ich zähleier noch einmal die erfolgreichen Maßnahmen auf:as Gewaltschutzgesetz, der Aktionsplan gegen häusli-he Gewalt, die Aufnahme des Tatbestandes derwangsverheiratung in das Strafgesetzbuch, die Verbes-erung des Schutzes für Opfer von Menschenhandel,essere Möglichkeiten zur Strafverfolgung von Täternurch die Strafrechtsreform, der asylrechtliche Schutzor geschlechtsspezifischer Verfolgung, der massiveusbau der Kindertagesbetreuung – hierfür haben wirchon im Rahmen unserer Gleichstellungspolitik 1,5 Mil-iarden Euro zur Verfügung gestellt –, das Job-AQTIV-esetz und das Gesetz zur Gleichstellung der Frauen imffentlichen Dienst.
as alles sind die Maßnahmen, die wir beschlossen ha-en und die in diesem Bericht stehen, über den wir dis-utieren sollen, Frau Fischbach.Ich komme nun zu Ihrem Beitrag. Wenn ich das rich-ig betrachte, dann finde ich im Bericht außer der Eltern-eit, die ja bereits von Renate Schmidt eingeleitet wor-en ist, nicht viel.
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Irmingard Schewe-Gerigk
Es reicht nicht, Frau Fischbach, die noch bestehende Un-gleichheit zwischen den Geschlechtern fein säuberlichzu analysieren. Sie sind doch keine Musterschülerin, undfür Ihre Fleißarbeit streichelt Ihnen auch niemand überden Kopf. Sie sind in der Regierungskoalition, Sie müs-sen handeln.
Sie sagen selbst, die großen Lohnunterschiede zwi-schen den Geschlechtern sind nicht hinnehmbar. Dassteht auch in dem Bericht. Was hat denn die Kanzlerinwährend der EU-Ratspräsidentschaft getan? – Wir hat-ten einen Antrag eingebracht, dass sie im Rahmen derEU-Ratspräsidentschaft aktive Maßnahmen vornimmt.Nichts ist passiert. Die Bundesregierung macht also auchnichts. Im Bericht steht, es handele sich nur selten umdirekte Lohndiskriminierung, da könne man gar nichtstun. – Das ist absolut falsch.
– Frau Fischbach möchte mit mir sprechen.
Das Miteinandersprechen lässt sich auch außerhalb
der Redezeit abwickeln. Aber wenn es sich um den
Wunsch nach einer förmlichen Zwischenfrage handelt,
möchte ich diese gerne aufrufen.
Frau Schewe-Gerigk, ich habe es zur Kenntnis ge-nommen, dass Sie gesagt haben, unter der EU-Ratspräsi-dentschaft der Kanzlerin seien bestimmte Themen nichtangesprochen worden. Können Sie diesem Hohen Hausekurz erklären, was Sie seinerzeit unter der rot-grünenRatspräsidentschaft auf EU-Ebene auf den Weg gebrachthaben, gerade im Bereich der Frauen- und Familienpoli-tik? Wenn ich mich recht erinnere – ich bin schon einbisschen länger dabei –, ist das überhaupt kein Themagewesen.
Das ist eine wunderbare Frage. Wir sollen also nochweiter in die Vergangenheit zurückgehen. Die letzte EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands war 1999. Damals warich auch schon im Parlament. Da haben wir das Gewalt-schutzgesetz, das bereits in vielen europäischen Länderneingeführt war, übernommen.
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Zustimmung beim Abgeordneten Kauder. – Die neuentudien zeigen doch, dass Unternehmen mit Frauen inührungspositionen wirtschaftlich erfolgreicher sind,ehr Gewinne machen als ausschließlich von Männerneführte Unternehmen.Natürlich hätten Sie schon längst vor der eigenenaustür der Bundesverwaltung kehren können. Dennie lange wollen wir denn noch das Tarifsystem für denffentlichen Dienst auf mögliche Diskriminierungspo-enziale überprüfen? Das ist doch wirklich absurd. Wirissen doch alle, dass es diese gibt.
Im Rahmen der Lobreden wird auch das rot-grüneundesgleichstellungsgesetz angesprochen. Allmählichtellen wir fest, dass es die richtige Wirkung zeigt. Ichinde es schon komisch, dass die Union nun meint, dieachsende Zahl der Frauen in Führungspositionen innternehmen sei ihr Verdienst. Natürlich können wiricht heute ein Gesetz beschließen, und morgen hat sicher Anteil der Frauen verändert. Dass dies eine gewisseeit braucht, dürfte doch auch Ihnen klar sein.
Der Bericht führt aus, dass die Quote im Bundes-ienst gar nicht oft zum Einsatz kommen musste. Ichrage mich, woran das liegt. Die Antwort ist eindeutig:ie Frauen sind besser qualifiziert, wenn sie eingestelltder befördert werden. Darüber hinaus haben wir dieeförderungen aufgrund des langjährigen Beschäfti-ungs- und Dienstalters, die es früher gab, abgeschafft.
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Irmingard Schewe-GerigkDas führt dazu, dass hier stärker Frauen vorankommen.Aber ich stelle folgende Frage an Sie: Warum müssen ei-gentlich Frauen immer besser sein, damit sie einen Jobbekommen? Warum reicht nicht die gleiche Qualifika-tion aus?
Ich glaube, es ist notwendig, dass wir endlich eine dis-kriminierungsfreie Leistungsbewertung einführen.
– Unsere Doppelspitze hat sich bewährt.
In den Gremien des Bundes werden wichtige Ent-scheidungen getroffen. Wir alle wissen aber, dass dasBundesgremienbesetzungsgesetz nicht effektiv ist.
– Jetzt wird hier über Frau Künast diskutiert. Ich warteeinen Moment, Herr Präsident.
Es ist Ihnen überlassen, ob Sie sich auf diese Diskus-sion einlassen oder nicht.
Jedenfalls kann ich Ihnen für eine solche Neigung keinezusätzliche Redezeit in Aussicht stellen.
Zurück zum Bundesgremienbesetzungsgesetz: DieBundesregierung hat bei der Vorstellung des CEDAW-Berichts im Deutschen Institut für Menschenrechte offenzugegeben, dass dieses Gesetz nicht wirkt. Unser Antragdazu liegt dem Bundestag heute zur Abstimmung vor.Sie müssten ihm nur zustimmen. Schon vor einem Jahrhaben Sie uns im Ausschuss gesagt, dass Sie überlegen,wie man das Gesetz verändern könne. Sie haben gesagt,dass Sie das überprüfen wollen. Ihre Prüfung dauert sehrlange. Passiert ist bisher nichts. Ich glaube, dass Sie biszum Ende der Legislaturperiode auf Zeit spielen wollen.
Reden Sie doch wenigstens so kurz vor dem Weltfrau-entag Klartext. Die Union möchte eigentlich gar keinePolitik für Frauen machen.
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Nein, das habe ich nicht missverstanden. Ich habe Ih-en Antrag extra mitgebracht. Hier steht: „Programme zuntwickeln, damit die Teilzeitbeschäftigung von Frauenin stärkeres Gewicht erfährt“. Das scheint ein Politik-echsel zu sein.
Liebe Kollegin Lenke, die FDP hat die Unterhaltsre-orm mitbeschlossen und damit die Ehe als lebenslangeersorgungsinstitution abgeschafft. Man muss denrauen aber auch sagen, was das bedeutet. Wenn Sie dierauen auf Teilzeitarbeit verweisen,
asiert Ihr Freiheitskonzept auf dem Rücken der Frauen.
Ich komme zum Schluss. Die Linke hat die „drei Ks“eu definiert: Kinder, Küche, Kommunismus. Siebenahre zu Hause aufs Kind aufpassen, Clara Zetkin würdeich im Grabe umdrehen.
ch frage Sie: Haben Sie diese Idee der Mutterkreuzritte-in aus dem Saarland zu verdanken?
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Verehrte Frau Kollegin, bitte.
Ich komme zum Schluss. – Wo wir gerade bei Christa
Müller sind – da besteht kein Grund mehr zum Lachen;
da muss man wirklich in sich gehen –: Christa Müller
verglich die von ihr sogenannte Fremdbetreuung mit
dem grausamen Ritual der Genitalverstümmelung. Ich
zitiere:
Bei der Genitalverstümmelung handelt es sich um
Körperverletzung, bei der Krippenbetreuung … um
seelische Verletzung – und die ist manchmal
schlimmer als Körperverletzung.
Das ist eine unglaubliche Entgleisung. Ich wünsche mir,
dass die Linksfraktion etwas dagegen sagt.
Nun müssen Sie aber wirklich zum Schluss kommen.
Das mache ich. – Ich sage jetzt nicht mehr, dass ich
die Forderung, den Internationalen Frauentag zu einem
gesetzlichen Feiertag zu machen, für absurd halte. Ich
verweise auf unsere Anträge zu den Themen, über die
wir heute diskutiert haben. Sie liegen dem Bundestag
vor.
Recht herzlichen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Ute Granold, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Frau Schewe-Gerigk, Sie haben offenbar ein Problemmit der wirklich guten Gleichstellungspolitik der Bun-desregierung. Anders kann ich Ihre Ausführungen nichtverstehen.Wir diskutieren heute einen Bericht, der zum Teil denZeitraum der alten Bundesregierung, aber auch den derneuen Bundesregierung betrifft. Das, was vorgelegtwurde, zeugt davon, dass eine gute Politik gemachtwurde. Eine ganze Menge guter Anträge der Koalitionwerden hier diskutiert, vielleicht haben Sie sie noch garnicht gelesen.RGFflEnzhrdhnddgcgasiwcMd–jlUvksddfF2sGdpswGDJSeuzn
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Wir haben hier – das wurde angesprochen – einigeserreicht. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Um-setzung der EU-Richtlinie zum Menschenhandel. DieStrafvorschriften zum Menschenhandel wurden weltweitvereinheitlicht. Wir haben die Regelungen für die Opferim Aufenthaltsrecht verbessert. Dazu gehören auch diemedizinische Versorgung und ein verbesserter Aufent-haltsstatus, wenn die Opfer als Zeugen im Prozess aussa-gen. Es gibt eine ganze Reihe von Kooperationenzwischen Staatsanwaltschaft, Polizei und Beratungs-organisationen. Ich erwähne hier nur stellvertretend Sol-wodi mit Schwester Lea Ackermann, die eine hervorra-gende Arbeit für die Opfer von Menschenhandel leisten.Ich muss sagen: ohne Nachfrage kein Angebot. JedenTag gehen in Deutschland 1,2 Millionen Menschen zueiner Prostituierten, von denen viele in der Zwangspros-titution sind. Wir fordern, dass auch diejenigen, dieMenschenhandelsopfer sexuell missbrauchen, bestraftwerden; die Einführung dieser sogenannten Freierbestra-fung haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart. Wirmöchten, dass die Gesetzesinitiative aus dem Bundesratnun endlich im Bundestag verhandelt wird und dieseMenschen einer Strafe zugeführt werden.
Meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich möchte abernoch etwas zum Thema Migrantinnen und Migrantensagen. Gerade die Frauen leisten einen wertvollen Bei-trag zur Integration, gerade die Frauen. Aber auch hierguRnOlFhErÄIGtW–SbkasDdZs
Herr Präsident!
Die kleine Irritation haben wir schon gelöst. Lassen
ie sich nicht stören.
Wir sollten aber auch auf dem rechten Auge nichtlind sein. Wie heute berichtet wird, ist eine rechtsradi-ale Partei im Schweriner Landtag der Auffassung, dasslle Gleichstellungsvorschriften abgeschafft werdenollten. Ich halte das für verfassungswidrig.
as ist eine klare Positionierung gegen das Grundgesetz;as können wir nicht dulden.
In Art. 3 des Grundgesetzes heißt es unter anderem:Der Staat … wirkt auf die Beseitigung bestehenderNachteile hin.u den Nachteilen – das ist von meinen Vorrednerinnenchon angesprochen worden – gehört nach wie vor – ich
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Sibylle Laurischkbedauere das sehr; es ist leider so – die Gewalt gegenFrauen. Wir haben ein Gewaltschutzgesetz, das Frauennicht ausreichend schützt. Oftmals kommt ihnen und ih-ren Kindern Schutz nur zu, wenn sie sich in Frauenhäu-sern aufhalten können, in denen sie Schutz vor Gewaltfinden.Jede siebte deutsche Frau ist Opfer von Gewalt in ih-rer Beziehung, unter den Migrantinnen ist der Anteil dervon Gewalt betroffenen Frauen noch höher. Pro Jahr su-chen rund 40 000 Frauen in Deutschland in Frauenhäu-sern Zuflucht vor der Gewalt ihrer Männer. Der Aktions-plan II der Bundesregierung zur Bekämpfung vonGewalt gegen Frauen sieht zwar ein Bündel von Maß-nahmen gegen häusliche Gewalt vor, aber eine verlässli-che Finanzierung von Schutzräumen fehlt. Die Regelungfür die Finanzierung der bundesweit rund 400 Frauen-häuser variiert je nach Bundesland und Kommunen.Während in Schleswig-Holstein die Finanzierung auf-grund eines Landesgesetzes erfolgt, erfolgt sie in Thü-ringen aufgrund eines Landesgesetzes in Verbindung miteiner Rechtsverordnung. In anderen Bundesländern er-folgt die Finanzierung auf rein freiwilliger Basis, oft-mals auch unter Hinzuziehung kommunaler Mittel.Darüber hinaus sind Eigenmittel und Spenden für dieFrauenhäuser unverzichtbar. Eine verlässliche Zuwen-dung an die Frauenhäuser, die ihnen Planungssicherheitgeben würde, gibt es bislang nicht. Je nach Kostenartsind unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten denk-bar. Kontrovers diskutiert wurde in der Vergangenheitüber die Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung,sei es mithilfe eines Bundesgesetzes, sei es mithilfe einerVereinbarung mit den Bundesländern.Ich fordere deshalb die Bundesfrauenministerin, Frauvon der Leyen, auf, diesen Mangel zu beseitigen undendlich auf eine verlässliche Finanzierung der Frauen-und Kinderschutzhäuser hinzuwirken und dies tatsäch-lich erreichen zu wollen.
Zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin
Dr. Sitte das Wort.
Frau Kollegin, Sie haben in einem Nebensatz, apos-
trophiert mit „Gattinnen“, Positionen von Frau Müller
angesprochen. Ich will ganz ausdrücklich sagen, dass es
in der Gesellschaft wie auch in Parteien natürlich Ausei-
nandersetzungen um emanzipatorische Konzepte gibt.
Das ist auch in unserer Partei der Fall.
Wir haben in unserer Partei
– lassen Sie mich doch einmal ausreden – eine ganz
klare Beschlusslage. Diese Beschlusslage wird von Frau
Müller nicht vertreten. Diese Beschlusslage wird auch
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Nach meinem Eindruck bedarf es jetzt eigentlich kei-
er Reaktion, weil die Fraktion das Bedürfnis einer Klar-
tellung hatte und ich dies weniger als eine Stellung-
ahme zu einer der vorgetragenen Reden empfinde.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält die
ollegin Angelika Graf für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten undWürde geboren.o steht es in Art. 1 der Allgemeinen Erklärung derenschenrechte, welche in diesem Jahr 60 Jahre altird. Seit fast 29 Jahren gibt es zusätzlich das Überein-ommen, über das wir uns heute unterhalten: das Über-inkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi-ierung der Frau; seine Abkürzung lautet CEDAW.Als Diskriminierung wird in dieser Konvention inrt. 1 definiert:jede mit dem Geschlecht begründete Unterschei-dung, Ausschließung oder Beschränkung, die zurFolge oder zum Ziel hat, daß die auf die Gleichbe-rechtigung von Mann und Frau gegründete Aner-kennung, Inanspruchnahme oder Ausübung derMenschenrechte und Grundfreiheiten durch dieFrau – ungeachtet ihres Familienstands – im politi-schen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen,staatsbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereichbeeinträchtigt oder vereitelt wird.as ist ein schwieriger Satz, aber er ist durchaus lesens-ert.Die Vertragsstaaten verpflichten sich, Diskriminie-ungen zu beseitigen. Sie müssen alle vier Jahre einenericht über ihre Gleichstellungspolitik vorlegen, wel-her durch sogenannte Schattenberichte von Nichtregie-ungsorganisationen ergänzt und kommentiert wird. Da-ei herrscht eine große Themenvielfalt; das hat Frauackmann schon erwähnt.Auf der Grundlage von CEDAW hat die Weltfrauen-onferenz in Peking im Jahre 1995 – insbesondere imahmen von „Peking plus zehn“ – zwölf Problem- undrbeitsbereiche herausgearbeitet: Frauen und Armut,
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Angelika Graf
Bildung und Ausbildung von Frauen, Frauen und Ge-sundheit, Gewalt gegen Frauen, Frauen und bewaffneteKonflikte, die Frau in der Wirtschaft, Frauen in Macht-und Entscheidungspositionen, institutionelle Mechanis-men zur Förderung der Frau – hierzu zählen zum Bei-spiel nationale Aktionspläne –, die Menschenrechte derFrauen, übrigens mit einem besonderen Blick auf das Zi-vil-, Straf- und Familienrecht, Frauen und Medien,Frauen und Umwelt und die Situation von sehr jungenFrauen, mit speziellem Blickwinkel auf schwangereMädchen und jugendliche Mütter, aber auch auf die viel-fältigen Verletzungen, die kleinen Mädchen zugefügtwerden, von der Genitalverstümmelung bis zur Abtrei-bung weiblicher Föten in einer Reihe von Ländern. Alldiese Punkte werden im CEDAW-Bericht erwähnt.Die Maßnahmen, die die Bundesregierung und ihrerot-grüne Vorgängerregierung unternommen haben, umdie Diskriminierung von Frauen zu unterbinden, sindvielfältig. Ausgangspunkt ist das Allgemeine Gleichbe-handlungsgesetz. Bei diesem Thema hatte die Regie-rungskoalition mit einigen „Geburtswehen“ zu kämpfen.Mittlerweile sind sie allerdings überstanden. Jetzt sindwir in der Lage, mit diesem Gesetz Diskriminierungenzu verhindern.Nun möchte ich einige Felder ansprechen, in welchendurch unser Handeln insbesondere unter dem Aspekt derMenschenrechte Grundlagen – ich betone: Grundlagen –zur Verbesserung der Situation geschaffen wurden. Da-bei geht es insbesondere um den Frauenhandel. Nichtzuletzt wegen der guten Kooperationsstrukturen inDeutschland durch die Bund-Länder-ArbeitsgruppeFrauenhandel und den Bundesweiten Koordinierungs-kreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen imMigrationsprozess e. V. – seine Abkürzung ist KOK – istes uns gelungen, in der Diskussion über Frauenhandelund Zwangsprostitution im Zusammenhang mit der Fuß-ballweltmeisterschaft international zu bestehen.Das verdanken wir auch der sehr erfolgreichen Kam-pagne „Abpfiff“ des Deutschen Frauenrates
und dem Hotlinetelefon von Solwodi. Beide Kampagnenrichten sich an die Freier und waren auch dank der nacheinigen Gesprächen erzielten Einsicht der FIFA und derBeachtung durch die Medien sehr gut geeignet, für dasschwierige Thema eine sachgerechte und nicht voyeuris-tische Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu errei-chen.Dazu kommt, dass wir bereits im Jahre 2005, alsonoch unter Rot-Grün, die strafgesetzlichen Regelungenim Zusammenhang mit dem Menschenhandel aktuali-siert und auf europäischen Standard gebracht haben.
Bereits seit 2004 können Opfer von Menschenhandeldank des Opferschutzreformgesetzes auch als Nebenklä-gerinnen auftreten. Bezüglich der Freierstrafbarkeit,Frau Granold, steht im Koalitionsvertrag ein Prüfauftrag.WwngssstalhtfvflrIdmrdusrzFrlVdetsmtgDmldfteuHsbFFgdt
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Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir disku-
tieren heute den sechsten CEDAW-Bericht. Seit der He-
rausgabe des fünften CEDAW-Berichtes haben wir in
der Gleichstellungspolitik Erhebliches auf den Weg ge-
bracht. Dies zeigte sich schon sehr gut in dieser Diskus-
sion, und ich danke Ihnen, Frau Graf, dass Sie die große
Bandbreite der unterschiedlichen Themen des CEDAW-
Berichtes angesprochen haben. Wir haben hier schon
viel über die Themen Prostitution, Gewalt gegen Frauen,
Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Menschen-
rechte gehört. Diese große Bandbreite macht schlussend-
lich deutlich, was auf dieser Welt selbstverständlich sein
sollte: dass Frauen ohne Gewalt leben und in Würde und
mit Respekt ihre Verantwortung wahrnehmen können.
Auch sollte es selbstverständlich sein, dass sowohl in
den Berufen als auch bei der Betreuung anderer Men-
schen Männer wie Frauen gleichermaßen die Päckchen
tragen. Das ist die eigentliche Aussage des CEDAW-Be-
richtes.
Aber natürlich sehen wir an diesem CEDAW-Bericht
auch, dass es noch unglaublich viel zu tun gibt. Das ge-
samte Thema Gewalt gegen Frauen ist eben schon dar-
gestellt worden. Die geringe Anzahl von Frauen in
Führungspositionen spricht eine laute Sprache. Persistie-
rende Entgeltungleichheiten und die geringere soziale
Absicherung von Frauen hängen sehr wohl mit folgen-
dem kritischen Punkt zusammen: Wenn wir uns das
Thema Arbeitsbelastung im Alltag anschauen und uns
mit der Frage beschäftigen, wer welchen Teil der Verant-
wortung trägt, dann stellen wir fest, dass die Arbeitsbe-
lastung von Frauen im Beruf und in der Familie unver-
hältnismäßig hoch ist. Genau darauf geht Art. 11 des
Berichts sehr deutlich ein.
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Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage derollegin Beck?Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin füramilie, Senioren, Frauen und Jugend:Ja.Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIERÜNEN):Frau Ministerin, Sie haben eben zu Recht gesagt, ge-ade in Deutschland werde es Frauen mit Kindern beson-ers schwer gemacht. Ich frage Sie daher – diese Frageichtet sich mittelbar auch an Ihre Kollegin Wissen-chafts- und Bildungsministerin, Frau Schavan –, wes-alb sich Ihr Haus so wenig dafür engagiert, jungenrauen zu helfen, die ihr Medizinstudium nicht beendenönnen, weil ihnen unendliche bürokratische Hürden inen Weg gelegt werden. Beispielsweise wird ihnen ge-agt, ein Wechsel zu einer anderen Universität sei nichtöglich, weil die Regelstudienzeit um zwei Semesterberschritten worden sei. Lassen Sie mich kurz denachverhalt schildern: Es geht um ein junges Ehepaar,eide Mediziner, mit zwei kleinen Kindern; der Mannekommt eine Stelle in einem Kinderklinikum in mei-em Wahlkreis in Bremen. Die junge Frau will ihr PJuch in Bremen machen. Die Universität Göttingen wei-ert sich aber, eine Voraussetzung zu schaffen, um denechsel nach Bremen zu ermöglichen. In der Konse-uenz bedeutet das, dass diese junge Frau ihr Studiumicht abschließen kann. Sie ist hochbegabt und zudemtipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.Dies ist ein ganz klassischer Fall. Ein junges Paar tutas, was die Bundesregierung und insbesondere Ihraus nahelegen, nämlich Kinder in die Welt zu setzen
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Marieluise Beck
und sich trotzdem zu qualifizieren. Dann ist es aber we-gen der bestehenden bürokratischen Hürden nicht mög-lich, ein Medizinstudium abzuschließen. Ich habe diebeiden zuständigen Ministerien mit diesem Fall betrautund sie dringlich gebeten, sich für diesen Fall einzuset-zen. Außer sehr inhaltsleeren Antwortschreiben ist leidernichts passiert. Ich möchte Sie bitten, hier noch einmalStellung zu nehmen, wie Sie mit solchen Fragen umge-hen wollen. Das ist die Praxis und viel wichtiger als das,was man in Interviews sagt.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend:Das ist die Praxis; das ist die Lebenswirklichkeit. Ichglaube, jeder und jede von uns hat viele Fälle unter-schiedlichster Art auf dem Tisch. Dieser Fall ist aber,wenn ich es richtig verstanden habe, auf hochschulspezi-fische Eigenheiten zurückzuführen und betrifft die Frageeines Studienplatzwechsels. Das ist, soweit ich dasnoch dunkel aus dem eigenen Medizinstudium erinnere,in der Tat eine wirklich schwierige Sache. Man mussnämlich jemanden finden, der auch wechseln will. Dennman hat ja einmal einen Studienplatz bekommen, der miteinem Numerus clausus belegt war. Das heißt, dass mannicht ohne Weiteres einen bestimmten Studienplatz be-kommen kann.Ich nehme aber gerne Ihre Anregungen auf. Wir wer-den uns darum kümmern und uns fragen, ob das ein spe-zifisches Problem einer jungen Frau mit Kind ist und obhier Ungerechtigkeit besteht oder ob das ein Problem ist,das alle Medizinstudenten in Deutschland haben, wennsie zum Beispiel von Bremen oder Berlin nach Göttin-gen wechseln wollen. Das wäre dann eine universitäts-spezifische Frage. Darüber können wir gerne diskutie-ren.Dies ist einer der vielen Einzelfälle. In der Summezeigt sich immer wieder, dass es in Deutschland fürFrauen mit Kindern im Hinblick auf Beruf und insbeson-dere Karriere messbar Hindernisse gibt. Wir alle wis-sen, dass wir das mit zwei Dingen bezahlen, nämlich mitdem ganz hohen Preis der Kinderlosigkeit oder aber– das wiegt genauso schwer – mit dem gewaltigen Ver-lust an Qualifikation und an Erfahrung. Natürlich resul-tieren aus diesen Strukturen Dinge wie Lohnungleich-heit, die in unserer Gesellschaft zu dem starren Bildführen, dass weibliche Arbeit weniger wert sei.Was diese Diskussion hier auch zeigt – dazu ist derCEDAW-Bericht gut; denn er erstreckt sich über zweiLegislaturperioden, also auch noch in die jetzige –: Wirsind stark, wenn wir, insbesondere wir Frauen, kraftvollzusammenstehen und dann auch Dinge durchsetzen. Wirhaben insbesondere für junge Eltern in beispiellos kur-zer Zeit viel getan: die Einführung des Elterngeldes imersten Lebensjahr des Kindes und den Ausbau der Be-treuung von Kindern unter drei Jahren. Ich bin der festenÜberzeugung, dass gerade die Einführung der Partner-monate bzw. die Beteiligung der Väter an Erziehungs-znvmUmDwsfnsDBzMtcwdlddnBnpwdFgbbbstuVDmkafKWDahmImh
n diesem Zusammenhang liegen mir die Teilzeit-odelle besonders am Herzen. Teilzeit in Deutschlandeißt 50 Prozent, ist typischerweise weiblich und heißt
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyentypischerweise keine Karriere – meine Güte, wie veraltetdieses Bild ist!
Schauen wir uns doch einmal in der Welt um! KlugeTeilzeit heißt alles, was nicht Vollzeit ist. Zwischen50 und 100 Prozent liegen immerhin 50 Prozent, dieman flexibel regeln kann. Kluge Teilzeit heißt Karrierein Teilzeit. Schauen wir nach Holland! Dort arbeiten fastso viele Männer wie Frauen Teilzeit. Unser Ansinnenmuss es sein, die Teilzeit aufzuwerten, flexible Teilzeitzu ermöglichen, für die Männer wie für die Frauen, ge-nau wie wir es beim Elterngeld mit den Partnermonateneingeführt haben. Wichtig ist mir, dass wir mit der Wirt-schaft die Weiterqualifikation befördern, wenn jemandeine Auszeit von vielen Jahren hatte. Wichtig sind auchflexible Arbeitsformen. Dazu laufen Gespräche, nichtnur mit den Wirtschaftsverbänden, sondern auch mit denFrauenverbänden und mit den Weiterbildungs- und Be-ratungseinrichtungen. Dafür stehen, wie gesagt, 14 Mil-lionen Euro zur Verfügung.Die dritte Säule ist die schwierigste, aber zugleich diewichtigste Säule: Es muss unten ankommen, es muss vorOrt ankommen. Wir können auf Bundesebene dieschönsten Programme entwerfen – sie müssen vor Ortverankert sein. Wir möchten dabei die guten Instru-mente, die etabliert sind, nutzen. Das beginnt mit75 Millionen Euro über drei Jahre für das Bundespro-gramm „Lokales Kapital für soziale Zwecke“,
ein Mikroförderprogramm, das spezifisch auf den Wie-dereinstieg von Frauen in den Beruf ausgerichtet werdensoll. Das setzt sich fort mit den „Infobörsen für Frauen“,die jetzt an den Start gegangen sind und mit denen vieleKommunen Frauen eine Antwort auf ihre spezifischenFragen geben. Das setzt sich fort in den „Lokalen Bünd-nissen für Familie“, von denen es inzwischen knapp500 gibt. Auch die Mehrgenerationenhäuser, von denenes inzwischen ebenfalls 500 gibt, gehören dazu.
Frau Ministerin – –
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Sie sehen, meine Damen und Herren: Dies soll ein
Schwerpunkt in diesem Jahr sein. Es gibt enormen Betä-
tigungsbedarf. Es ist daher nicht einfach, hier etwas aus
dem Boden zu stampfen. Die Frauen brauchen Wieder-
einstiegsmöglichkeiten, und die gibt es nicht von der
Stange. Deshalb wollen wir – das sage ich mit Blick auf
den CEDAW-Bericht – ganz konkret einen Beitrag zur
Umsetzung des Art. 11 der Frauenrechtskonvention leis-
ten.
Frau Ministerin, darf ich Sie – –?
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Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kolle-
in Reinke.
Frau Ministerin, ich finde es gut, dass Sie Wert darauf
egen, dass Frauen nach der Kindererziehung in den Be-
uf zurückkehren können.
Was gedenken Sie für Frauen zu tun, die derzeit keine
eistungen, also kein ALG II, beziehen, weil das Ein-
ommen des Partners eventuell um 1 oder 2 Euro zu
och ist? Dass dies nicht nur Frauen, sondern auch Män-
er betrifft, macht es nicht besser. Wäre es nicht wichtig,
inen Ansatz zu entwickeln, wie es in dieser Frage wei-
ergehen soll?
Nun hat die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Frak-
ion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichann mich noch an Debatten zum Internationalen Frau-ntag erinnern, in denen wir noch nicht einmal in dernalyse des Istzustands übereingestimmt haben. Inso-ern sind wir in der Tat schon einige Schritte weiterge-ommen.
llerdings sind die Antworten auf die Frage, was wir zu-unsten einer wirklichen Gleichstellung von Männer undrauen ändern müssen, immer noch sehr unterschiedlich.Die Situation in Deutschland ist im europäischen wie internationalen Vergleich mehr als beschämend.ei uns ist das Wahlverhalten in Bezug auf Beruf undtudienfach deutlich eingeschränkter als in anderen Län-ern. Die typischen Frauenberufe sind nicht nur schlechtezahlt, sondern bieten vielfach auch keine Aufstiegs-öglichkeiten. Frauen verdienen bei gleicher oderleichwertiger Arbeit – ich gehe dabei von gleichen Ar-eitszeiten aus; es geht nicht um das Verhältnis zwischeneilzeit und Vollzeit – über 20 Prozent weniger als Män-er. Der Frauenanteil in den Führungspositionen undufsichtsgremien der Wirtschaft, aber leider auch inorschung und Lehre und im öffentlichen Dienst istbenfalls viel zu niedrig. Ich glaube, das ist einem hoch-ntwickelten Land wie Deutschland nicht würdig.
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Elke FernerDiejenigen, die glauben, dass sich dies von alleine än-dern wird, sind meiner Meinung nach nicht nur naiv undblauäugig, sondern sie verweigern auch einer hervorra-gend ausgebildeten Frauengeneration die Chance aufgleiche Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen.Dabei geht es um mehr als die Frage, Frau Ministerin, obFrauen nach der Erziehungsphase wieder in den Berufeinsteigen können. Es geht auch darum, dass Männerund Frauen beides nicht nur nacheinander, sondern auchgleichzeitig machen können, wenn sie dies wollen.
So wichtig und richtig ich Hilfen und Unterstützungfür Berufsrückkehrerinnen finde, ist mir das im21. Jahrhundert zu wenig ambitioniert.
Was tun Sie? Welche Vorschläge haben Sie, wenn es da-rum geht, diesen gut ausgebildeten jungen Frauen end-lich auch in der Privatwirtschaft die gleichen Aufstiegs-chancen zu bieten?Wir haben im Koalitionsvertrag gemeinsam verein-bart, die zwischen der Bundesregierung und den Unter-nehmen getroffene freiwillige Vereinbarung zuüberprüfen, wenn der Bericht zur Gleichstellung vonMännern und Frauen vorgelegt wird. Ich sage klipp undklar: Die freiwillige Vereinbarung ist gescheitert.
Wer mich länger kennt, weiß, dass ich auch schon zu un-seren Regierungszeiten gegen diese Vereinbarung war,weil ich meine, dass sie nichts bringt. Das hat sich in-zwischen bestätigt. Denn wenn es in dem bisherigenTempo weitergeht, dann warten noch unsere Urenkelin-nen darauf, dass Frauen paritätisch in Führungspositio-nen oder gar Aufsichtsgremien der deutschen Wirtschaftvertreten sind. In 50 Jahren wird zum InternationalenFrauentag wahrscheinlich noch fast das Gleiche beklagtwie heute.Ich finde es toll, dass sich auch die FDP endlich fürGeschlechtergerechtigkeit einsetzt, Frau Lenke.
Aber warum beschränken Sie Ihre Forderungen zur Ge-schlechtergerechtigkeit im Erwerbsleben auf den öffent-lichen Dienst? Soll sie denn in der Privatwirtschaft nichtPlatz greifen?
In Ihrem Antrag gehen Sie darauf nicht ein.
Auch in der Frage, wie wir den Lohnunterschied– das „Gender Pay Gap“, wie es auf neudeutsch so schönheißt – ausgleichen können, muss etwas getan werden.Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist zwar einMosaikstein, aber es reicht noch lange nicht aus, dass dieeMsfelktkFpPsInEdDwhFFvzAbDeswdininkmAeWlmd
Ich möchte noch kurz auf den PDS- oder Linken-ntrag zum Internationalen Frauentag eingehen. Das istin netter Gag, aber unser Anspruch geht da viel weiter.
ir wollen uns nicht nur an einem einzigen Tag, näm-ich dem Internationalen Frauentag, Gedanken darüberachen, was noch zu tun ist. Vielmehr möchten wir,ass 365 Tage im Jahr über alle Ressorts hinweg eine ak-
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Elke Fernertive Gleichstellungspolitik gemacht wird, und zwar imRahmen eines eigenständigen Politikfeldes, nicht nur alsUnterabteilung der Familienpolitik.
Wir brauchen eine eigenständige Gleichstellungs-politik, weil sie eben mehr als nur Familienpolitik ist.Nicht alle Frauen sind Mütter. Frauen, die keine Kinderhaben – aus welchen Gründen auch immer, sei es frei-willig oder unfreiwillig, zum Beispiel weil es am richti-gen Partner oder an anderen Dingen fehlt –, haben auchein Recht darauf, in dieser Gesellschaft diskriminie-rungsfrei zu leben und ihre Lebensentwürfe verwirkli-chen zu können.
Liebe Kolleginnen von der Linken, ich kann Ihnenleider nicht ersparen zu sagen, dass es mir manchmal sovorkommt, als gäbe es bei Ihnen zwei Parteien.
Es ist nicht ein einzelnes Mitglied Ihrer Partei, das einErziehungsgehalt fordert, sondern ein ganzer Landesver-band. Merkwürdigerweise ist das ausgerechnet der Lan-desverband Ihres Parteivorsitzenden. Wenn Sie sagen,Sie hätten eine eindeutige Beschlusslage, dann frage ichmich, was für ein Parteivorsitzender das ist, der Ihre Par-teibeschlusslage noch nicht einmal im eigenen Landes-verband durchsetzen kann.
Wir haben uns in unserer 145-jährigen Geschichte im-mer für die Verwirklichung der Gleichstellung vonFrauen und Männern eingesetzt, und wir lassen uns da-bei von niemandem überbieten.
Ich bin stolz darauf, dass Marie Juchacz von der SPDvor fast 90 Jahren die erste Frau war, die hier im Reichs-tag eine Rede gehalten hat.
Wir haben seit 90 Jahren das Frauenwahlrecht. Ich hoffe,dass wir in Zukunft stärker als bisher zusammenstehenund die Gleichstellung von Männern und Frauen so vo-ranbringen, dass wenigstens unsere Enkeltöchter nochetwas davon haben, –
Frau Kollegin.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie relativ es um
ie Gerechtigkeit in der Welt im Allgemeinen und die
eschlechtergerechtigkeit im Besonderen bestellt ist,
ird auch daran deutlich, dass der einzige freiwillig für
iese Debatte gemeldete Mann bei strenger Handhabung
er Redezeiten nun überhaupt keine Redezeit mehr
ätte, weil das Präsidium allen vor ihm redenden Kolle-
innen mehr Redezeit zugestanden hat, als die eigenen
raktionen es vorgesehen hatten.
Wir wollen einen kleinen Beitrag zur Verständigung
wischen den Geschlechtern dadurch leisten, dass wir
em Kollegen Lehrieder nun drei Minuten Redezeit ein-
äumen, die eigentlich nicht mehr vorhanden ist.
Herr Lehrieder, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine werten Kollegin-en und Kollegen! Ich bedanke mich für die gewährteugabe, sehr geehrter Herr Präsident. – Ich finde es gut,ass ich als elfter Redner, als Mann, in dieser Debatteprechen darf. Erschwerend kommt hinzu: als bayeri-cher Mann. Es ist wichtig, dass sich auch die Männer zuiesem Thema zu Wort melden können. Ich fühle michleichwohl nicht diskriminiert. Ich hätte mich auch nichtiskriminiert gefühlt, wenn mir die Redezeit gestrichenorden wäre; denn meine Vorrednerinnen haben sichit diesem Thema sehr gut und sehr kompetent befasst.Moderne Gleichstellungspolitik muss sich nach mei-em Dafürhalten dadurch auszeichnen, dass sie mög-ichst die ganze Bandbreite von Frauen- und Männerbio-rafien einbezieht. Es geht um gleiche Chancen vonrauen und Männern, mit und ohne Kinder, in allenltersstufen und Lebensphasen, unabhängig von dererkunft. Angesichts der Vielzahl möglicher Lebensent-ürfe zielt die Gleichstellungspolitik unserer Bundes-egierung zu Recht darauf ab, Frauen wie Männern jenereiheit zu ermöglichen, die sie brauchen, um ihr Lebenach eigenen Vorstellungen gestalten zu können. Dierage nach der gleichberechtigten Teilhabe von Frauennd Männern im Erwerbsleben ist dabei von zentraleredeutung. Schauen wir uns dieses hohe Haus an; dasird auch im CEDAW-Bericht erwähnt. Nachürschners Volkshandbuch sind im Bundestag95 Frauen und 418 Männer vertreten. Das heißt, ein Drit-
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Paul Lehriedertel der Abgeordneten sind Frauen. Die einzige Partei, dieauf die Männer aufpassen muss, sind die Grünen. In derFraktion der Grünen gibt es 30 Frauen und 21 Männer.
– Liebe Frau Schewe-Gerigk, diskriminieren Sie dieMänner nicht!
Die CDU/CSU-Fraktion ist die erste Fraktion imDeutschen Bundestag, die von einer Bundeskanzleringeführt wird.
Des Weiteren sind vier der sechs Vizepräsidenten desDeutschen Bundestages Frauen. Immerhin zehn der 22ständigen Ausschüsse werden von Frauen geleitet. Wirhaben im Deutschen Bundestag schon viel erreicht.Gleichwohl bedarf es weiterer gleichstellungspolitischerAnstrengungen, um die Vereinbarkeit von Familie undBeruf zu verbessern.Dass der Wunsch besteht, die eingegangenen Rollen-bindungen ein Stück weit aufzugeben, kann man zumBeispiel an den vorliegenden Zahlen zu dem neu einge-führten Elterngeld und an dessen Erfolg ablesen.
Die Vätermonate werden – die Frau Ministerin hatdas bereits angesprochen – überdurchschnittlich gut,vier- bis fünfmal so stark wie vor der Einführung, ange-nommen. Gerade in Bayern ist die von vielen Kollegin-nen und Kollegen unterstellte stereotype Rollenauftei-lung längst Vergangenheit. Das bisherige Bild mussrevidiert werden; denn Bayern ist mit Berlin Spitzen-reiter, was die Bewilligung von Vätermonaten angeht.Stolze 12,5 Prozent aller Väter haben 2007 einen Eltern-antrag gestellt.
Frau Tackmann, im Landkreis Würzburg waren es sogar15,96 Prozent, und das bei einer durchschnittlichen In-anspruchnahme von drei bis vier Monaten. Da sage nocheiner etwas gegen den Willen bayerischer Männer, sichder Gleichberechtigung zu stellen und mitzumachen!
Meine Redezeit gerät allmählich ins Minus. Ich hättesehr gerne noch ein paar andere interessante Aspekte er-wähnt. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit undbei meiner Fraktion für die Möglichkeit, als einzigerMann zumindest ein paar Sätze zu diesem Thema sagenzu dürfen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.Herr Präsident, zum Schluss möchte ich Folgendeskurz ansprechen: Wie Gleichstellung funktioniert, siehtman an der Blaskapelle aus der Oberpfalz, die auf derZuschauertribüne Platz genommen hat.DWkSentsaßinwwDBnBldidadWe
arunter sind viele engagierte junge Frauen.
enn wir diese Frauen nicht hätten, wäre mancher Blas-örper nicht mehr spielbereit. Herzlichen Dank und vielpaß in Berlin!Danke schön.
Ich schließe die Aussprache, die, wie ich noch einmalrwähnen möchte, nicht wie vereinbart 75, sondern bei-ahe 100 Minuten gedauert hat.Wir kommen nun zu den Überweisungen. Interfrak-ionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Druck-achen 16/5807 und 16/8373 an die in der Tagesordnungufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschlie-ungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/8416 der geänderten Fassung soll an dieselben Ausschüsseie die Vorlage auf Drucksache 16/5807 überwiesenerden. Damit sind Sie doch sicher einverstanden? –as ist der Fall. Dann haben wir das so beschlossen.Wir kommen zum Zusatzpunkt 5. Hier geht es um dieeschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Se-ioren, Frauen und Jugend zum Antrag der Fraktion desündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Gleichstel-ung von Frauen und Männern in den Gremien des Bun-es tatsächlich durchsetzen“. Der Ausschuss empfiehltn seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/8412,en Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünenuf Drucksache 16/7739 abzulehnen. Wer stimmt füriese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –er enthält sich der Stimme? – Damit ist die Beschluss-mpfehlung mehrheitlich angenommen.Wir rufen die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 e auf:23 a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Krogmann, Laurenz Meyer ,Veronika Bellmann, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeord-neten Martin Dörmann, Dr. Rainer Wend, DorisBarnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPDBreitbandversorgung in ländlichen Räumenschnell verbessern– Drucksache 16/8381 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss
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Präsident Dr. Norbert Lammertb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Joachim Otto , Gudrun Kopp, MartinZeil, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDPDatenbasis für flächendeckende Versorgungmit breitbandigem Internetzugang schaffen– Drucksache 16/7862 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten SabineZimmermann, Dr. Lothar Bisky, Katrin Kunert,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKESchnelles Internet für alle – Unternehmen zumBreitbandanschluss gesetzlich verpflichten– Drucksache 16/8195 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten GrietjeBettin, Kerstin Andreae, Cornelia Behm, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDen Ausbau der Breitbandinfrastruktur flä-chendeckend voranbringen– Drucksache 16/8372 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschusse) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Lothar Bisky, Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEEnergieverbrauch von Computern senken– Drucksache 16/8374 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Kultur und MedieneEdFDVsmmVtDEdksiCkdWuWWEzmurwDßivhWssgiSnevod
as ist die wirtschaftliche Dimension. Aber für jedeninzelnen ist ein schneller Internetanschluss sozusagenas Tor zur digitalen Welt. Es geht um neue Kommuni-ationsformen, um neue Netzwerke und auch um gesell-chaftliche Teilhabe. Deshalb ist es unser Ziel, dass jedern Deutschland, egal wo er lebt und arbeitet, an diesenhancen der globalen Informationsgesellschaft teilhabenönnen muss. Dafür brauchen wir einen flächendecken-en Breitbandanschluss.
Die Ausgangslage in Deutschland ist hervorragend.ir haben heute fast 20 Millionen Breitbandanschlüsse,nd wir haben im internationalen Vergleich aufgeholt.ir hatten im vergangenen Jahr das größte absoluteachstum, was die Zahl der Anschlüsse innerhalb deruropäischen Union betrifft, im Übrigen auch dankahlreicher Initiativen vor allem des Bundeswirtschafts-inisteriums, aber auch des Ministeriums für Bildungnd Forschung und des von der Kanzlerin ins Leben ge-ufenen IT-Gipfels, bei dem das ein zentrales Themaar.
ie Ausgangslage ist also gut, aber wir stehen vor gro-en Herausforderungen, was die Schere angeht, die sichn den letzten Jahren zwischen den Ballungszentren undielen ländlichen Regionen aufgetan hat. Wir habeneute in den Ballungszentren einen wirklich erfreulichenettbewerb von vielen verschiedenen Anbietern, dieich gerade hier in Berlin fast jeden Monat bei der Ge-chwindigkeit des Internetzugangs überbieten und sichleichzeitig beim Preis unterbieten. Ganz anders sieht esn vielen ländlichen Regionen aus. Nach vorsichtigenchätzungen sind immer noch 2 000 bis 2 500 Kommu-en heute entweder gar nicht versorgt, also völlig voninem schnellen Anschluss abgekoppelt, oder unter-ersorgt. Wenn man, wie ich finde, heute eine Größen-rdnung von mindestens 1 Megabit pro Sekunde ansetzt,ann kommt man zu dem Schluss: Es sind auch nach
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Dr. Martina Krogmannvorsichtigen Schätzungen rund 4 Millionen Haushalte inDeutschland immer noch abgekoppelt.Die negativen Folgewirkungen für die betroffenenKommunen machen sich schon heute bemerkbar. Unter-nehmen wandern ab, natürlich leidet die Attraktivität alsWohnort, die Finanzkraft der Kommunen geht verloren.Ich kenne ein Ingenieurbüro in Oederquart.
– Oederquart liegt tatsächlich im schönen LandkreisStade, Laurenz Meyer. Es freut mich, dass du Oeder-quart kennst.Das Ingenieurbüro, von dem ich berichten wollte,hatte das Problem, dass es die Datenmengen gar nichtmehr bewältigen konnte, weshalb es jetzt umgezogen ist.
Oder nehmen wir die alleinerziehende Mutter ausOberndorf im Landkreis Cuxhaven, die sich über das In-ternet mit Kursen weiterbilden will, aber ohne einenBreitbandanschluss diese Kurse gar nicht nutzen kann.Alle reden über das Web 2.0, MySpace und YouTube,nur die Menschen in den unterversorgten Gebieten nicht,weil sie daran gar nicht teilhaben können.Ich will bei diesem Thema deutlich sagen: Es darfnicht sein, dass ganze Kommunen nicht in der Lage sind,an den Chancen teilzuhaben, nur weil sie aus kleinen Or-ten bestehen, deren Topografie nicht stimmt, oder weilsie per se abgekoppelt sind, da sie vom nächsten DSL-Hauptverteiler zu weit entfernt sind.Auch aus Gründen der inneren Balance unseres Lan-des, also des Ausgleichs zwischen den Städten und denländlichen Regionen, ist es unser Ziel, dafür zu sorgen,dass jeder an den wirtschaftlichen und an den gesell-schaftlichen Chancen der Informationsgesellschaft teil-haben kann.
Lassen Sie mich noch Folgendes hinzufügen: Geradefür die ländlichen Räume bedeutet eine flächendeckendeBreitbandversorgung die größten Chancen, weil diestrukturellen Ungleichheiten, also die großen Entfernun-gen, durch das Internet völlig obsolet werden. Es ist ganzegal, ob man in Kutenholz, in New York oder in Berlinwohnt: Man hat theoretisch überall die gleichen Mög-lichkeiten.Wir, die Große Koalition, fordern in unserem Antragein ganzes Bündel von Maßnahmen, um zu einer flä-chendeckenden Breitbandversorgung in Deutschland zukommen. Ich will unsere drei wichtigsten Punkte, unsereLeitprinzipien, vorstellen.mivzÜDdnecdwrdlFIkmTsd–sgBeTksnnnHdmsawgütcd
Das spricht kurz vor dem Internationalen Frauentagehr für Ihre Bürgermeisterin, Herr Tauss. Vielen Bür-ermeisterinnen im Land geht es aber genauso wie denürgermeistern, von denen ich gesprochen habe.
Es ist wichtig, dass wir die zahlreichen Initiativen, dies schon heute gibt, bündeln. Wir fordern deshalb eineaskforce im Bundeswirtschaftsministerium, die ganzonkrete Hilfestellungen für jede der bisher unterver-orgten Kommunen gibt. Es gibt ganz einfach keine ge-erellen Lösungen. Was für die eine Kommune tech-isch gut ist, muss für eine andere Kommune noch langeicht gut sein. Es ist wichtig, zu begreifen, dass es umilfe zur Selbsthilfe geht. Vieles hängt deshalb auch voner Eigeninitiative der betroffenen Kommunen ab.
Der dritte für uns wichtige Punkt ist, dass es – dasüssen wir ehrlicherweise sagen –, wenn wir die Flächechnellstmöglich erschließen wollen, Kommunen unduch Ortsteile geben wird, die auch bei mehr Wettbe-erb nicht schnell erschlossen werden können. Wir be-rüßen daher, dass die Bundesregierung Verantwortungbernommen hat. Sie hat beschlossen, dass in den nächs-en drei Jahren 30 Millionen Euro für die Flächenabde-kung zur Verfügung gestellt werden, kofinanziert durchie Länder.
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Dr. Martina KrogmannDas ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Rich-tung. Wir müssen aber auch konstatieren, dass das alleinnur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.Unser Vorschlag lautet daher, dass man die Erlöse ausder Versteigerung der Frequenzen, die dem Bund zuste-hen, wenigstens zum Teil zurückgibt, um so die Flä-chenabdeckung schnellstmöglich erreichen zu können.Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen Maßnah-men einen riesengroßen Schritt vorangehen werden. Diesmuss schnell passieren, damit wir unser Ziel erreichenkönnen, nämlich dass jeder und jede in Deutschland, egalwo er oder sie lebt und arbeitet oder ein Unternehmen hat,an den Chancen der Informationsgesellschaft teilhabenkann.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans-Joachim Otto von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeFrau Kollegin Dr. Krogmann, zunächst einmal sind wirsehr dankbar dafür, dass Sie und alle übrigen Fraktionendie Initiative der FDP-Fraktion aufgegriffen haben undsich jetzt auch um das Thema kümmern.
– Schauen Sie doch, welcher Antrag zuerst da war!Schauen Sie bitte rein! – Ich frage mich allerdings, wa-rum Sie sich nicht einfach unserem Antrag angeschlos-sen und Sie eigene Anträge aufgesetzt haben.In Ihren Anträgen fehlt dazu noch der entscheidendePunkt. In der Problembeschreibung, liebe Frau KolleginKrogmann, sind wir uns noch alle einig: Die Wettbe-werbsfähigkeit des Standortes Deutschland und seinerRegionen sowie Tausende Arbeitsplätze hängen maß-geblich von der Verfügbarkeit von Breitbandinternetzu-gängen ab; das gilt ebenfalls für das erste Thema heuteim Plenum, nämlich die Vereinbarkeit von Beruf und Fa-milie sowie die Bildungschancen. Entsprechend verhee-rend sind die Auswirkungen der weißen Flecken auf diewirtschaftliche, demografische und kulturelle Strukturund damit letztlich auf die Überlebensfähigkeit der be-troffenen Regionen.
Bei der Problembeseitigung verkennen Sie allerdingsdie Priorität des Handlungsbedarfs. Die FDP-Fraktionhat auf Initiative meines verehrten Kollegen Martin Zeil
im Dezember eine Expertenanhörung durchgeführt.BsacwbBaIstÜbatdzrpcddDpdkAlfpdlssvoguuec
as ist schon fernsehtauglich. Bisher hatten wir die „Su-er Nanny“. Jetzt haben wir den „Super Glosy“, der daurch die Gegend rennt. Das finde ich schon super.
Ich prophezeie Ihnen: Ihr Vertrauen auf die Wirksam-eit staatlicher Maßnahmen wird erneut enttäuscht. Ihrennahme, dass der Wettbewerb unfähig oder nicht wil-ens sei, auch ländliche Regionen zu versorgen, istalsch. Jede staatliche Förderung nach dem Gießkannen-rinzip, auch die Umleitung der UMTS-Gelder, verkenntie örtlichen Besonderheiten. Ob TV-Kabel, DSL, Satel-it oder Funk, es bedarf jeweils einer anderen technologi-chen Lösung, um zum Beispiel die Ostfriesischen In-eln – den Ort, den Sie genannt haben, habe ich leiderergessen –
der bayerische Alpendörfer ans Breitbandnetz zu brin-en.
Die Experten sagen unisono: Wir brauchen belastbarend präzise Daten über demografische, topografischend ökonomische Gegebenheiten, um zu wissen, wie amrfolgversprechendsten investiert werden kann und wel-he Technologie wo am sinnvollsten ist.
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Hans-Joachim Otto
Alles andere muss dann der Wettbewerb leisten – daskann er auch –,
und zwar nicht nur über die großen Telekoms dieserWelt, sondern vor allem auch über die regionalen und in-novativen Anbieter.Die diesjährige CeBIT, die ja derzeit in Hannoverstattfindet, zeigt, dass unser Vertrauen in den Wettbe-werb berechtigt ist. Arcor präsentiert dort beispielsweiseVDSL-Pilotversuche in Thüringen und Sachsen-Anhalt.Es sind dort auch Satellitenangebote zu sehen, diebereits jetzt Downlink-Raten von 2 000 Kilobit undUplink-Raten von 500 Kilobit ermöglichen.
Es präsentieren sich auch viele kreative Anbieter vonFunklösungen.Deshalb, meine Damen und Herren, appelliere ich anIhre ökonomische Vernunft: Sorgen Sie für eine investi-tionsfeste Datenbasis! Lassen Sie dagegen die Fingervon technologiefixierten Subventionen und auch von derKeule des Gesetzgebers! Millionen Bürger und Tau-sende Unternehmen in den ländlichen Regionen werdenes Ihnen danken.
Das Wort hat der Kollege Martin Dörmann von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieBedeutung des Internets wächst täglich. Die CeBIT hatin dieser Woche zahlreiche weitere Beispiele dafür ge-bracht. Immer mehr Dienste und Dienstleistungen wer-den im Internet angeboten, die die Bürgerinnen und Bür-ger täglich nutzen. Stichworte sind: Warenbestellungenper Internet, Onlinebanking, Kommunikationsforen, andenen man teilnehmen kann, Weiterbildungsangeboteund schließlich auch die Möglichkeit, Telearbeitsplätzeüber das Internet zu bedienen.Um diese Dienste adäquat nutzen zu können, reicht esnicht mehr, mit der herkömmlichen ISDN-Technik zu ar-beiten, weil sie oft zu langsam ist. Nein, wir brauchenschnelle Internetzugänge mit hohen Bandbreiten. Erfreu-lich ist, dass in Deutschland auf diesem Gebiet eine sehrpositive Entwicklung festzustellen ist. Wir nähern unsder Zahl von 20 Millionen Breitbandanschlüssen; geradeim letzten Jahr kamen 5 Millionen neue Anschlüssehinzu. Damit liegen wir hinsichtlich der Quantität undauch der Qualität der Anschlüsse europaweit an derSpitze.
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Die Große Koalition will die Rahmenbedingungenachhaltig verbessern, damit das möglich wird. Hierzuaben wir ein Maßnahmenbündel geschnürt. Es reichton staatlichen Fördermaßnahmen, die ergänzend einge-etzt werden sollen, über die Verbesserung der Informa-ionsgrundlagen bis hin zu unterstützenden und koordi-ierenden Angeboten für die betroffenen Gemeinden.ieses Konzept wollen wir aber mit den Beteiligten ge-einsam entwickeln. Hier müssen Bund, Länder undommunen genauso zusammenarbeiten wie auch dienternehmen und die Nutzer solcher Angebote.Deshalb, sehr geehrter Herr Otto, sind Ihre Ausfüh-ungen hierzu völlig falsch. Die Große Koalition hatämlich diesen Grundsatz im letzten Jahr wirklich be-olgt, indem sie die Beteiligten an runden Tischen zu-ammengebracht hat,
ie dann in diesen Runden Überlegungen angestellt ha-en, was zu tun ist, um hier weiterzukommen.
Deshalb ist auch Ihre Behauptung falsch, dass wirier Ihren Forderungen hinterherhechelten. Das Gegen-eil ist der Fall. Sie haben ohnehin nur einen Ausschnitter Lösungsmöglichkeiten in Ihrem Antrag. Insofern ister viel zu dünn. Nächstes Mal sollten Sie nicht einen
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Martin Dörmannschmalbandigen, sondern wie die Große Koalition einenbreitbandigen Antrag vorlegen.
Es ist auch falsch, zu behaupten, dass wir nicht aufWettbewerb setzen. Im Gegenteil! Es ist gerade der dy-namische Wettbewerb in Deutschland, der uns bei derVerbreitung des Breitbandes nach vorne gebracht hat.Hier sind die Chancen überhaupt noch nicht ausgenutzt.Gerade in den ländlichen Räumen besteht die Möglich-keit, nicht nur auf DSL zu setzen, was aus Kostengrün-den sehr schwierig ist, weil der Ausbau von DSL einMehrfaches von dem kostet, was andere Technologienan dieser Stelle kosten würden. Es stehen neue Funk-technologien zur Verfügung, die geradezu prädestiniertsind, im ländlichen Raum genutzt zu werden. Leider istdie Diskussion in Deutschland viel zu sehr fixiert aufDSL, weil nun einmal 95 Prozent der Anschlüsse überdiesen Bereich laufen. Aber es gibt eine Vielzahl vonMöglichkeiten, angefangen von den Kabelnetzen übermoderne Glasfasernetze bis hin zu Satelliten und moder-nen Funktechnologien, zum Beispiel Wimax. Das mussgenutzt werden.Erfreulicherweise konnten wir gerade in den letztenMonaten feststellen, dass sich immer mehr Initiativengebildet haben, um gerade diese Chancen zu nutzen. Eswurde schon erwähnt, dass der Deutsche Städte- und Ge-meindebund ein Konzept vorgelegt hat, das wir unter-stützen. Es sind Wettbewerbsverbände, zum Beispielvatm, unterwegs. Das alles sind sehr gute Initiativen, diedurch Breitbandinitiativen von Bürgerinnen und Bürgernvor Ort ergänzt werden.„Vor Ort“ ist das Stichwort. In erster Linie kommt esdarauf an, dass sich die Beteiligten vor Ort zusammen-setzen, ausloten, welche Möglichkeiten es an dieserStelle gibt, den Ausbau voranzutreiben, welche Techno-logien sinnvollerweise vielleicht sogar in einem Mix an-zusiedeln sind. In unserem Antrag ist ja bereits deutlichhervorgehoben worden, dass natürlich die Daten- undInformationsbasis stimmen muss. Insofern wollen wir,dass der Breitbandatlas der Bundesregierung – gut,dass es ihn seit 2005 gibt – verbessert wird.
Das ist eine unserer zentralen Forderungen in dem An-trag. Auch hier, Herr Otto, greift Ihr Vorwurf zu kurz.Wir haben erkannt – das war beispielsweise das Ergebnisunseres runden Tisches im vergangenen Jahr –, dass esfür die Unternehmen, die investieren wollen, entschei-dend darauf ankommt, zu wissen, wo die weißen Fle-cken sind, mit wem man sprechen muss, mit welchemTechnologiemix man je nach topografischer Lage dieMöglichkeit hat, zum Erfolg zu kommen.
Das alles wird vonseiten der Bundesregierung unter-stützt. Der Breitbandatlas soll nach Vorstellungen derGroßen Koalition entscheidend verbessert werden. Da-rebnKklJwsPwkdssdmqvnbsesetwtBrwakDlmmdnvBVhwrmwkvzUahbst
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Das erkennt man schon an der Gliederung. Unser Antragstand ihnen ja auch frühzeitig zur Verfügung. Deswegenhabe ich bis auf einige Nuancen wenig daran auszuset-zen. FDP und Linke könnten da also von den Grünen ler-nen.
Mit ihrem Antrag hat die Große Koalition ein umfas-sendes Maßnahmenbündel vorgelegt, um den flächende-ckenden Breitbandausbau in Deutschland voranzubrin-gen. Wir wollen die „digitale Kluft“ überwinden undauch in den ländlichen Regionen eine gute soziale, kul-turelle und wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen.Im Zeitalter der Informationsgesellschaft kann Deutsch-land seine Wachstumschancen nur so umfassend undnachhaltig nutzen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Sabine Zimmermann von
der Fraktion Die Linke.
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Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat im letz-en Jahr zusammen mit anderen an die Politik einenppell gerichtet. Darin heißt es: „Breitbandkluft ineutschland überwinden“. 5 bis 6 Millionen Menschenn Deutschland haben keinen Zugang zu einem schnellennternetanschluss. Das verstößt aus unserer Sicht gegenas Grundgesetz, das die Schaffung gleichwertigerebensbedingungen vorsieht.
Die Große Koalition hat das Problem anfangs etwaserniedlicht. Im letzten Jahr hat sie endlich einige Infor-ationsveranstaltungen durchgeführt. In diesem Jahr hatie sogar Förderprogramme aufgelegt. Das kann abericht die Lösung des Problems sein. Wir haben es hierindeutig mit Marktversagen zu tun, und deshalb musser Gesetzgeber eingreifen.Die Linke fordert einen Zugang zum schnellen Inter-et für alle. Er gehört in den Katalog der staatlicharantierten Grundversorgung. Die Schweiz hat die-en Schritt bereits getan. Auch in Deutschland ist dasöglich, wenn die Politik das wirklich will.
Wir begrüßen es, dass sich die Regierung endlich desroblems der „digitalen Spaltung“ annimmt. Im Antrager Koalition heißt es allerdings sehr allgemein:Schnelle Zugangsmöglichkeiten zum Internet sindfür die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ent-wicklung unseres Landes von grundlegender Be-deutung.ch frage Sie, meine Damen und Herren von der Unionnd der SPD: Wer von Ihnen hat sich vor Ort wirklichachkundig gemacht,
ie viele Menschen keinen schnellen Internetzugang ha-en?
Wir haben schon mit vielen Bürgerinitiativen gespro-hen.Sie verlangen von den Menschen immer mehr Flexi-ilität bei der Arbeitssuche. Aber Hunderttausende ha-en für die Jobsuche keinen schnellen Internetzugang.
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Sabine ZimmermannSie reden davon, den Bäckermeister oder den Handwer-ker vor Ort zu unterstützen. Aber Zehntausenden fehltein schneller Internetzugang für ihre Geschäftstätigkeit.Ich komme jetzt – Herr Dörmann, vielleicht hören Siemir zu – auf einen konkreten Fall zu sprechen. In Sach-sen gibt es den Ort Leukersdorf. Dort lebt ein jungerMann mit Muskelschwund, der gerade seinen Schulab-schluss machen will. Diese Krankheit fesselt ihn an denRollstuhl. Er würde gerne Bürokaufmann lernen und hatsogar ein Berufsbildungswerk gefunden, das es ihm er-möglicht, Therapie und Ausbildung miteinander zukombinieren; denn die Ausbildung kann übers Internetgemacht werden. Das einzige Problem: Leukersdorf hatkeinen schnellen Internetzugang. Der ist aber für dieVideokonferenzen im virtuellen Klassenzimmer nötig.Bekommt der Ort nicht in den nächsten Monaten einenAnschluss mit schneller Übertragungsrate, heißt das fürden Jugendlichen, dass er keinen Ausbildungsplatz hat.Ich weiß nicht, ob Sie das wollen.Es ist höchste Zeit für ein flächendeckendes Ange-bot. Das Wirtschaftsministerium hat in dieser Woche aufder CeBIT einen Maßnahmenkatalog für eine flächende-ckende Breitbandversorgung vorgestellt. Das ist zu-nächst zu begrüßen. Der Druck aus den Kommunen undvon zahlreichen Bürgerinitiativen scheint doch etwas be-wirkt zu haben. Die Linke unterstützt alle Initiativen, diehelfen, diese weißen Flecken endlich verschwinden zulassen.
Weitere Informationsveranstaltungen, bessere Datenund eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Kom-munen sind nicht falsch. Es ist immer gut, wenn manmiteinander redet. Diese Maßnahmen reichen aber nichtaus, weil sie dem Grundproblem nicht abhelfen. Tele-kommunikationsunternehmen gehen nach einem rein be-triebswirtschaftlichen Kalkül vor. Sie schauen lediglichnach dem Gewinn. Dieser ist eben eher in den dicht be-siedelten Ballungsgebieten als im ländlichen Raum zumachen. Ein Vertreter der Telekom hat im Wirtschafts-ausschuss dazu erklärt, ein flächendeckender Ausbaudes DSL-Netzes stoße an die Grenze des ökonomischMachbaren. Nicht großartig anders verhält es sich beiAlternativtechnologien, die Sie angesprochen haben,etwa die Verbindung über Funk. Mal abgesehen davon,dass diese Techniken auch teuer sind und auch gegen-über DSL oftmals in Leistung und Kosten nicht gleich-wertig sind, gibt es auch dort betriebswirtschaftlicheGrenzen.Nun kann man Förderprogramme auflegen, wie diesder Bund tut, um die Unternehmen zum Breitbandaus-bau zu bewegen. Aber eines ist höchst problematisch:Der Steuerzahler finanziert den Ausbau in der Fläche,und die Unternehmen streichen den Gewinn in den Bal-lungszentren ein. Das kann so nicht weitergehen.
Allein die Deutsche Telekom hat aus ihrem Gewinn imletzten Jahr 3,4 Milliarden Euro an die Aktionäre ausge-schüttet. Ich meine, mit diesem Geld hätte man besserzgbgaDvbtgUebssLAAwgsmGBgvDewtnZGBmwaafcns
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15726 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008
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Von daher kann ich nur sagen: Ihr Antrag enthält guteIdeen, aber viele Punkte werden nicht zu Ende gedacht.
– Dein Antrag, Martina, okay.Manche Forderungen sind wachsweich; das zwingtdie Regierung zu nichts. Da ist unserer Meinung nachnicht viel Musik drin. Am Ende ist mit diesem Antragnicht garantiert, dass jeder einen Anschluss bekommenkann.Zu dem Antrag der FDP. Das Motto der FDP lautetwieder einmal: Jeder denkt an sich, dann ist an alle ge-dacht.
Der Markt werde alles von selber regeln. Das ist in die-ser Frage Quatsch, weil der Markt zum Beispiel inWustrow in Brandenburg gar nichts regelt. Ihr Mottolautet wieder einmal: Wer auf der Strecke bleibt, hatwettbewerbspolitisch Pech gehabt. Deshalb ist der An-trag nicht so toll, wie Sie ihn hier beschreiben wollen,Kollege Otto.
Zu dem Antrag der Linken. Auch hier lautet wiedereinmal klassisch das Motto: Freibier für alle und dieWirtschaft soll dafür zahlen. Aber wenn die Wirtschaftdafür zahlt, müssen es am Ende die Kunden bezahlen.Das ist nun einmal so. Das kann nicht unser Ziel sein.Außerdem würden die Unternehmen sicherlich dagegenklagen. Das würde aus unserer Sicht den Ausbau eherverzögern, als ihn zu beschleunigen.sWInirdrwdv1VdDnzagacetBMHnUbddubtdwBg
ir brauchen erstens eine Datenbasis mit den genauennformationen, wo das schnelle Internet in Deutschlandoch fehlt. Dann können die Unternehmen systematischn diesen Regionen investieren. Der Breitbandatlaseicht nicht aus; das wurde schon angesprochen.Wir brauchen zweitens eine gemeinsame Plattform,ie über die möglichen Fördermittel endlich Transpa-enz schafft; denn heute ist sehr unübersichtlich, werelches Geld bereitstellt. Dann können die Gemeindenie Mittel nutzen.Drittens brauchen wir eine neue Strategie zum Einsatzon Geldern. Geld ist vorhanden. Herr Tiefensee hat3 Milliarden für den Ausbau von Infrastruktur zurerfügung. Wir müssen davon Mittel von der Straße aufie schnelle Datenautobahn umschichten.
ann kommen die Daten endlich zu den Menschen undicht umgekehrt.Wir setzen in unserem Antrag eine Frist: Wenn bisum Jahr 2009 nicht alle Haushalte ans schnelle Internetngeschlossen sind, dann muss man auf EU-Ebene eineesetzliche Verpflichtung angehen. Das wurde schonngesprochen.Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass die gesetzli-he Verpflichtung nicht zu starr ausgestaltet wird. Denns muss unbedingt verhindert werden, dass es wieder au-omatisch so ist, dass der Monopolist den Ausbau derreitbandinfrastruktur übernimmt. Das würde unserereinung nach mit Sicherheit auch die Kosten in dieöhe treiben. Stattdessen setzen wir in dieser Frage zu-ächst einmal auf den Wettbewerb. Es sollten sich vielenternehmen um den Ausbau der Infrastruktur bewer-en können. Dadurch könnten die Kosten gesenkt undie für die jeweilige Region beste Lösung befördert wer-en.
Die bisherige Debatte hat deutlich gemacht, dass wirns im Ziel eigentlich einig sind. Wie meine Argumenteelegen, könnten wir die weißen Flecken mit einem gu-en Konzept wirklich zügig beseitigen und dadurch dieigitale Spaltung in Deutschland endlich stoppen. Erstenn wir das erreicht haben, hat Deutschland die nötigeasis für eine Wissens- und Informationsgesellschafteschaffen.Danke schön.
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Hartmut Schauerte.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DasThema, über das wir gerade diskutieren, ist interessant.Wir alle beschäftigen uns damit. Wir überholen uns inunseren Bemühungen gerade gegenseitig, und das ge-wissermaßen in Breitbandgeschwindigkeit. Lassen Siemich für die Bundesregierung einige ganz konkretePunkte vortragen, an denen wir derzeit arbeiten und diedeutlich machen, wie flott wir bei diesem Thema voran-kommen können.Zunächst einmal möchte ich sagen: Wir sind gar nichtso schlecht aufgestellt. Allein im letzten Jahr wurden inDeutschland 5 Millionen neue Breitbandanschlüsse be-reitgestellt. Bei einem Vergleich der fünf größten EU-Länder liegt Deutschland hinsichtlich der DSL-Penetra-tion auf dem ersten Platz und hinsichtlich der Gesamtpe-netration auf dem zweiten Platz. In den letzten zwei Jah-ren kam es in Deutschland zu den größten Zuwächsenunter allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Esist also etwas passiert.Trotzdem haben 8 bis 10 Prozent der Haushalte undder mittelständischen Unternehmen, die in der Flächeverteilt sind, noch nicht die Möglichkeit, qualitativ be-friedigende Breitbanddienste zu nutzen. Deswegen istdas Thema, über das wir reden, wichtig. Es ist für denMittelstand und unter partnerschaftlichen Gesichtspunk-ten relevant. In diesem Zusammenhang geht es nämlichauch um die Stichworte Mitwirkung, Rechte und Mög-lichkeiten der Zivilisation. All das ist von großer Bedeu-tung.Es wurde angeregt, wir müssten die Datenlage ver-bessern. Ja, das stimmt. Der von uns ins Leben gerufeneBreitbandatlas ist zwar eine intelligente Möglichkeit,unbürokratisch Daten zu sammeln. Das allein reicht abernicht aus. Wir können jetzt allerdings besser beschrei-ben, was zu tun ist. Da wir wissen, dass etwa 10 Prozentder Fläche Deutschlands noch nicht hinreichend abge-deckt sind, ermitteln wir die Daten aus genau diesen Re-gionen; die Bundesregierung hat dazu ein sehr ambitio-niertes Programm aufgelegt. Dabei arbeiten wir mit denbetroffenen Kommunen zusammen. Die Kommunenwerden uns alle relevanten Daten zur Verfügung stellen,und wir werden sie ganz präzise sammeln. Ich denke,dass wir diesen Schritt in einigen Monaten abschließenkönnen.
Dann haben wir das geschafft, was übrigens auch dieFDP gefordert hat: Dann haben wir unsere Datenlage soverbessert, dass wir handeln können.süT–lkldnlrgvnzsPlwwvdngknsQFdGLeDarwAfswRsgheP
Ja. Ich bin länger geblieben, weil ich noch etwas zu er-edigen hatte. – Wir haben überprüft, welche Möglich-eiten es gibt. Es ist sehr eng und gewissermaßen öffent-ich-rechtlich gedacht, bei einer Lösung zu bleiben undeshalb die Potenziale, die andere Lösungen haben,icht zu nutzen.
Wir haben eine Vielzahl von Best-Practice-Beispie-en vorgestellt. Dabei geht es um 24 konkrete Struktu-en, die in die verschiedenen Gemeinden passen. Wir sa-en ganz klar, wie das funktioniert. Es gibt Lösungenon 1 bis 6 Megabit. So kann man alle Wünsche, dieachgefragt werden, erfüllen. Diese Lösungen haben wiru erstaunlichen Preisen ermöglicht. Eine Flatrate bei-pielsweise kostet 15 bis 30 Euro pro Anschluss. Dieserreis ist im Vergleich zu den Preisen im DSL-Netz abso-ut wettbewerbsfähig. Deswegen wäre es töricht, wennir hohe Investitionen in Kauf nehmen würden, obwohlir unser Ziel genauso günstig und genauso wirkungs-oll mit den Kommunen erreichen können. Das Geboter Stunde ist, nach der besten Lösung zu suchen.Es gibt Funklösungen, mit denen man für 20 Teil-ehmer – das sind Größenordnungen, die auch in entle-enen Gebieten erreicht werden – alles gewährleistenann, was man braucht, und das zu Preisen, die mit de-en der Telekom absolut vergleichbar sind, in guter Ge-chwindigkeit, in angemessener Menge und mit hoherualität. Wir denken, dass wir auch in diesem Bereichortschritte erzielen werden, wenn wir mit den Gemein-en intensive Diskussionen führen.Das ist übrigens ein Thema, das wir wirklich mit denemeinden angehen müssen. Es muss eine subsidiäreösung geben. Nicht der Bund zentral kann sagen, wies wo gehen soll.
aher fordern wir die Gemeinden zur Zusammenarbeituf. Insofern ist der Druck – „Nun kümmert euch da-um!“ –, der durch diese Debatte noch einmal erhöhtird, einfach nur wertvoll. Man muss ja nicht auf einngebot warten. Man kann auch einmal ein Angebot an-ordern. Man kann sich auch einmal mit best practicechlau machen, wie man Angebote anfordern kann undelche technischen Lösungen infrage kommen.
So funktioniert ein modernes Gemeinwesen, nicht imahmen einer fest gefügten Struktur, die gerade bei die-em Medium falsch wäre. Wir werden so viele technolo-ische Neuerungen bekommen, an die wir bei unserereutigen Beschlussfassung noch gar nicht denken, dasss falsch, ja geradezu töricht wäre, den technologischenrozess auf eine Lösung einzuengen und die Chancen,
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Parl. Staatssekretär Hartmut Schauertedie sich bei näherem Hingucken rechts und links auftun,nicht wahrzunehmen.Ich will zum Schluss kommen und sagen: Wir spre-chen hier über ein Thema, das ernst genommen wird undsehr schnell einer Lösung zugeführt werden kann. Ichwäre dankbar, wenn wir bei vielen Problemen, die wirdiskutieren, auf der Zeitschiene so vorankommen könn-ten wie bei diesem Thema. Dies ist ein Thema, bei demein Ruck durch das Land gehen kann.
Ich denke, in zwölf Monaten sind wir bei der Schließungder Lücken, über die wir hier gesprochen haben, ein gan-zes Stück weiter. Wir müssen allerdings auch sagen: Eswird Ecken geben, extreme Lagen, wo wir mit allgemei-nen Lösungen nicht weiterkommen. Das wird auch nichtim Wege der allgemeinen Umlagemethode, im Rahmender Daseinsvorsorge gelingen. Auch bei der Daseinsvor-sorge – wir haben das bei der Abfalltechnik gelernt –gibt es Lösungen, die mit den Netzen nichts zu tun ha-ben, mit denen das Ziel aber erreicht wird.Ich denke, wir werden eine Anschlussdichte, eineVersorgung erreichen, die den Anforderungen gerechtwird. Der Bundeswirtschaftsminister und der Bundes-landwirtschaftsminister arbeiten sehr engagiert an die-sem Thema. Es wäre gelacht, wenn wir das Thema nichtin relativ kurzer Zeit – ich sage noch einmal: binnenzwölf Monaten – im Wesentlichen gelöst haben.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Martin Zeil von der FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
glaube, das Entscheidende ist, dass wir uns nicht nur bei
den Zielen einig sind, sondern dass die Menschen und
die Betriebe vor Ort endlich auch die Möglichkeiten er-
halten, die sie brauchen, um diese Technologie zu nut-
zen.
Herr Kollege Dörmann, Sie waren ja geneigt, sich
über unseren Antrag etwas zu mokieren. Als Angehöri-
ger einer Fraktion, die mittlerweile fast zehn Jahre an der
Regierung ist, wäre ich da nicht so laut; denn Sie haben
die Entwicklung zum Teil verschlafen.
Das Gleiche gilt natürlich für die Grünen, die die Ent-
wicklung ebenfalls besser hätten erkennen und fördern
können.
Sie haben jetzt Fördermittel bereitgestellt. Bezeich-
nend ist, dass die Mittel aus dem schönen Titel „Ver-
besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“
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Sie sollten auch einmal innerhalb Ihrer Regierung die
ahlen klären. Vielleicht sollte die Taskforce erst einmal
en Minister etwas instruieren. Er hat mir nämlich auf
eine Frage vor eineinhalb Jahren geantwortet, bei der
ersorgungsquote, die bei 93 Prozent liege, sollten
8 Prozent erreicht werden. In Ihrem Antrag sprechen
ie nun davon – das ist schon sehr viel realistischer –,
ass 45 Prozent der Haushalte einen Breitbandzugang
aben.
s wäre also sehr wichtig, dass Sie erst einmal selber
en Stand der Entwicklung kennen.
Wir brauchen keinen veralteten Breitbandatlas. Wir
rauchen kein DSL light. Das sind ja gerade die unter-
ersorgten Gebiete.
Was wir brauchen, ist erstens ein technologieoffener
nsatz; denn Breitband ist nicht nur DSL, sondern dazu
ählen auch – wie wir gerade gehört haben – andere
echnologien. Zweitens müssen wir sehen, dass es im
inblick auf den Abbau der regionalen Unterschiede
ein Patentrezept gibt.
Herr Kollege Zeil, erlauben Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Schauerte?
Ja, selbstverständlich.
Herr Kollege Zeil, Sie haben gerade eine Überprü-
ung der Zahlen angemahnt. Ist Ihnen bewusst, dass
iese beiden Zahlen wie folgt zustande kommen? Die
5 oder 50 Prozent – diese Zahl ist sehr dynamisch – be-
iehen sich auf die angeschlossenen Haushalte, die den
nternetzugang tatsächlich nutzen, die 93 Prozent auf
aushalte, die ihn nutzen können, von dieser Möglich-
eit aber noch teilweise keinen Gebrauch machen. Das
st die Differenz, die sich auch nicht bestreiten lässt. Das
uss klargestellt werden.
Herr Kollege Schauerte, ich zitiere nur aus dem, washr Minister gesagt hat.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008 15729
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Martin Zeil
– Da ist sicher etwas dran.
Herr Kollege, mir geht es um Folgendes: Sie kommenwie viele Kollegen und ich im Lande herum – das hoffeich jedenfalls – und müssten sich eigentlich fragen, wa-rum das Thema Unterversorgung in solchem Maße anuns herangetragen wird, wenn die Versorgung und An-schlussmöglichkeit angeblich so gut sind. Ich zitiere Ih-ren Minister noch einmal: Wir haben eine Durchdrin-gung von 93 Prozent, müssen allerdings zwischen denherkömmlichen Anschlüssen und der Breitbandversor-gung unterscheiden. – Das sagt Ihr Minister.
Ich wollte auf Folgendes hinaus:
Sie sollten vielleicht, bevor Sie mit Taskforce und ähnli-chen Begriffen neue Erwartungen wecken, in ihrer eige-nen Terminologie und in Ihren Aussagen etwas klarersein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brau-chen hier Wettbewerb auch im Hinblick auf die Tech-nologien. Es hat sich gezeigt, dass wir auf der Ebene derLänder – nicht so sehr auf Bundesebene – eine Anschub-förderung brauchen; wir sollten die Gemeinden und Be-triebe mit dem Thema nicht allein lassen. Dies ist einklassisches Feld für die Länder. Wir sollten nicht mit dergroßen Gießkanne herumgehen, sondern mit Program-men und Initiativen, die auf diesem Gebiet zusammen-arbeiten, zum einen eine Informationsgrundlage schaffenund zum anderen eine entsprechende Förderung in Gangsetzen, allerdings dort, wo man sich damit auskennt,nämlich in den Ländern.Angesichts der zahlreichen und ständig wachsendenVorteile der modernen Internetkommunikation muss dasbestehende Gefälle zwischen den Ballungsräumen undden ländlichen Gebieten dringend eingeebnet werden;die Breitbandkluft muss überwunden werden. Wir brau-chen keine weiteren Breitbandkongresse, runden Tischeund Informationsbroschüren. Wir brauchen auch keinegeschönten, sondern verlässliche Daten. Es muss schnellund konstruktiv in Zusammenarbeit von Bund, Ländernund Gemeinden gehandelt werden. Nur dann kommenwir hier wirklich nach vorne.
Das Wort hat jetzt der Kollege Gustav Herzog von der
SPD-Fraktion.
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Frau Kollegin Krogmann, Sie haben vorhin aufge-zählt, was die Bundesregierung alles schon macht. Ichglaube, Sie haben übersehen, dass wir Agrarpolitiker– einige sind ja da – in den Haushalt 10 Millionen Eurofür die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar-struktur und des Küstenschutzes“ eingestellt haben. HerrKollege Zeil, Sie sollten sich einmal mit Ihren Agrarpo-litikern unterhalten, was Entwicklung im ländlichenRaum bedeutet. Da sind wir die richtige Adresse.
Das wird nicht abgewertet, sondern es ist unsere origi-näre Aufgabe, für den ländlichen Raum zu sorgen.
Wie gut das ankommt, kann ich für das Land Rhein-land-Pfalz sagen, das unser Angebot schon sehr konkretumgesetzt hat und in den nächsten fünf Jahren selbst10 Millionen Euro zur Verfügung stellen wird. Bei derLandesregierung wird es einen Beauftragten geben, beidem sich alle Interessierten entsprechend informierenkönnen, was die besten Lösungen sind. Rheinland-PfalzwBAtbtmeDhmssnsgMsmlbdansalklgveCuw
as ist weitsichtig von Ihnen.Der Antrag der Linken geht an der Realität vorbei. Sieaben eindrucksvoll ein Beispiel geschildert. Aber ichuss Ihnen sagen: Es ist nicht so, dass, wenn der Deut-che Bundestag heute ein entsprechendes Gesetz be-chließt, die betreffende Person in wenigen Wochen ei-en Breitbandanschluss hat. So etwas kann nur jemandagen, der in einem Land aufgewachsen ist, wo manlaubte, alles mit Gesetzen regeln zu können.
an kann es sich auch nicht so einfach machen, zuagen, dass die großen Unternehmen große Gewinneachen. Schauen Sie sich doch die Situation an: Die Te-ekom verdient da nicht das große Geld. Bei den Breit-andanschlüssen herrscht ein ultraharter Wettbewerb;ies bringt das eine oder andere Problem mit sich.Zu den Grünen. So ganz haben Sie doch nicht bei unsbgeschrieben; denn ich habe einen Widerspruch bei Ih-en entdeckt – vielleicht können wir den in der Aus-chussberatung auflösen –: Sie lehnen Funk ab, fordernber, über alternative Lösungen zu informieren. Viel-eicht müssen Sie zunächst mit sich selbst ins Reineommen.Der Antrag der Großen Koalition ist eine gute Grund-age für die weitere Beratung. Ich denke, wir werden zuuten Lösungen kommen. Das erwarten die Menschenon uns zu Recht.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
rteile ich dem Kollegen Klaus Hofbauer von der CDU/
SU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Hier ist bereits eindrucksvoll geschildertorden, welche Bedeutung die Breitbandversorgung hat.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008 15731
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Klaus HofbauerHaben wir uns beim Ausbau der Infrastruktur unseresLandes in den letzten Jahren schwerpunktmäßig auf dieAutobahnen konzentriert, müssen wir den Schwerpunktjetzt darauf setzen, dass auch die Datenautobahnen ent-sprechend ausgebaut werden.
Herr Staatssekretär, Sie haben in eindrucksvoller Artund Weise dargestellt, was schon geschieht. Ich möchteder Bundesregierung bestätigen, dass wir bei der Daten-autobahn bereits auf der Überholspur sind und weitereFortschritte erzielen. Als ich meine Rede konzipierthabe, bin ich davon ausgegangen, dass wir das Problemder Breitbandversorgung binnen drei Jahren lösen. Siehaben mich überholt, Herr Staatssekretär, indem Sie an-kündigten, dass dies bereits innerhalb des nächsten Jah-res geschieht. Wir werden alles daransetzen, dass dieBreitbandversorgung in den nächsten zwei, drei Jahrenauch in der Fläche gewährleistet ist. Sie ist für den länd-lichen Raum von entscheidender Bedeutung. Bisher istder ländliche Raum hier benachteiligt. Dies muss beho-ben werden.
Nur folgende Punkte – das ist schon gesagt worden –:Wir brauchen den Wettbewerb der Anbieter. Ich habeden Eindruck, dass sich auf dem Breitbandmarkt etwasbewegt, seit das Thema diskutiert wird und verschiedeneInitiativen ergriffen worden sind. Ich glaube, wir könnenhier einiges erreichen. Die Anbieter dürfen aber nicht,auch wenn das bei privaten Anbietern selbstverständlichist, den wirtschaftlichen Faktor in den Mittelpunkt stel-len. Sie haben auch eine Verantwortung für den ländli-chen Raum. Sie tragen Verantwortung für die Erschlie-ßung unseres Landes mit Breitbandanschlüssen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich sa-gen, dass entscheidende Impulse von unseren MinisternMichael Glos und Horst Seehofer ausgegangen sind.
Sie haben das Thema aufgegriffen und Konzepte undStrategien entwickelt.Ich halte es für gut, dass die Breitbandversorgung Be-standteil der Gemeinschaftsaufgabe GAK ist.
Die vorhandenen Mittel werden nicht reduziert; viel-mehr sind die Mittel erhöht worden. Deswegen werdenwir auch zukünftige Möglichkeiten nutzen können. Ichglaube, dass dies ein Erfolg wird.Das Bundeswirtschaftsministerium hat ein Pilotpro-jekt konzipiert, für das sechs Gemeinden ausgewähltwurden, in denen das Projekt umgesetzt werden soll. Da-mit sind sehr große Chancen verbunden, weitere Er-kenntnisse zu gewinnen.Eine der Gemeinden liegt Gott sei Dank in meinemWahlkreis.–BskKnDmdgedmRjz––mtVndfrvfsWdu
Das haben Sie aber zu spät gemeldet. –
esonders wichtig ist bei diesem Pilotprojekt die Zu-ammenarbeit der Kommunen. Im ländlichen Raumann die Umsetzung nicht separat in der jeweiligenommune erfolgen; vielmehr sind Zusammenschlüsseotwendig. Ich halte das für den entscheidenden Punkt:ie Gemeinden müssen zusammenarbeiten, eine ge-einsame Bestandserhebung und eine Ausschreibungurchführen, in der kein bestimmtes System vorgeschla-en wird, sondern die es den Anbietern ermöglicht,igene Innovationen einzubringen. Ich bin überzeugt,ass wir damit etwas für den ländlichen Raum erreichen.Lassen Sie mich zusammenfassen: Unser gemeinsa-es Ziel muss erstens darin bestehen, die ländlichenäume in einem überschaubaren Zeitraum – ich sage esetzt einfach so, Herr Staatssekretär: in den nächstenwei, drei Jahren – flächendeckend zu versorgen.
Warten wir ab, was dazu im Protokoll steht.
Dann einigen wir uns auf ein Jahr. Ich bin sehr opti-istisch. Wer hätte vor einem halben Jahr oder Dreivier-eljahr geglaubt, dass wir so weit kommen würden?
Zweitens sind der Wettbewerb der Anbieter und daserantwortungsbewusstsein für den ländlichen Raumotwendig.Drittens möchte ich ausdrücklich die Kommunen inie Pflicht nehmen. Wir brauchen gemeindeübergrei-ende Konzepte. Alleine wird eine Kommune nicht zu-echtkommen.Viertens sollten wir uns auch bewusst sein, dass dieorhandenen finanziellen Mittel nicht ausreichen. Inso-ern müssen wir den Schwerpunkt auch auf die Finanzenetzen.Abschließend stelle ich fest, dass wir auf einem guteneg sind.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 16/8381, 16/7862, 16/8195, 16/8372nd 16/8374 an die in der Tagesordnung aufgeführten
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsAusschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-den? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen sobeschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 d auf:24 a) Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Dagmar Enkelmann, Ulrich Maurer, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKEZum Stand der Deutschen Einheit und derperspektivischen Entwicklung bis zum Jahr2020– Drucksachen 16/3581, 16/5418 –b) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Dagmar Enkelmann, Dr. Gesine Lötzsch,Roland Claus, weiterer Abgeordneter und derFraktion DIE LINKEErhöhung von Transparenz und Zielgenauig-keit des Mitteleinsatzes für die ostdeutschenBundesländer– Drucksache 16/7567 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Arbeit und Sozialesc) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. PetraSitte, Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEErrichtung einer Großforschungseinrichtungin den neuen Ländern– Drucksache 16/5817 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitHaushaltsausschussd) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ältestenrates zu dem Antrag der Ab-geordneten Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus,Dr. Dietmar Bartsch und der Fraktion DIELINKEEinsetzung eines Ausschusses des DeutschenBundestages für die Angelegenheiten derneuen Länder und für andere strukturschwa-che Regionen– Drucksachen 16/130, 16/1220 – Berichterstattung:Abgeordneter Manfred GrundZu der Großen Anfrage der Fraktion Die Linke liegtein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Wider-spruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.KWAmizHdgmOsztmidFShiTeOldWpJskdBtakcmddLMüHgW
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Dr. Gregor GysiEs gibt eine Standortmarketingagentur namens Investin Germany, die jährlich 19 Millionen Euro Bundesmit-tel bekommt und mit folgender Aussage für den Ostenwirbt – ich zitiere wörtlich –:In Ostdeutschland profitieren Investoren von Löh-nen, die 30 Prozent unter westeuropäischem Stan-dard liegen, und von einem niedrigen gewerk-schaftlichen Organisationsgrad.Aufsichtsratsvorsitzender dieses Unternehmens ist HerrBundeswirtschaftsminister Michael Glos. Das sagt wohlalles. Diese Art von Werbung für Ostdeutschland wollenwir nicht.
Es werden hier im Bundestag oft Gesetze beschlos-sen, bei denen man sich gar nicht überlegt, welche Fol-gen sie für strukturschwache Regionen im Westen, vorallen Dingen aber für den strukturschwachen Ostenhaben. Oft sind die Folgen dort viel negativer als wo-anders. Ich werde Ihnen Beispiele dafür nennen.Es gibt in Deutschland Aufstockerinnen und Auf-stocker; das ist übrigens ein Skandal. Das sind Leute, dieso wenig verdienen, dass sie zusätzlich ALG II benöti-gen, um das Existenzminimum zu erreichen. Die Unionsagt jetzt, sie sei für Kombilöhne. Ich möchte gerne ein-mal wissen, wo das Ganze enden soll. Der Unternehmerzahlt dann 1 Euro pro Stunde, und den Rest zahlen dieSteuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wo leben wir denneigentlich? Anständige Arbeit muss auch anständig be-zahlt werden. Ich kann solche Überlegungen gar nichtnachvollziehen.
Allein im Osten sind 30 Prozent der geringfügig Be-schäftigten Aufstockerinnen und Aufstocker.Ich nenne außerdem das Beispiel Elterngeld. Diesbe-züglich habe ich einen deutlichen Kritikpunkt im Hin-blick auf Frau von der Leyen. Warum? – Sie hat auf dereinen Seite das Elterngeld auf bis zu 1 850 Euro erhöht,damit auch Besserverdienende mehr Elterngeld bekom-men, aber gleichzeitig die Bezugsdauer von zwei Jahrenauf ein Jahr gekürzt. Das betrifft insbesondere diejeni-gen, die den geringsten Elterngeldbetrag in Höhe vonungefähr 300 Euro bekommen, wozu der größte Anteilder Bezieherinnen und Bezieher gehört. Wenn die Män-ner – oder auch einmal die Frauen – noch zwei Monateübernehmen, sind es 14 statt zwölf Monate. Das ist übri-gens eine gute Idee; diesbezüglich bewegt sich auch et-was in der Gesellschaft.Ich sage Ihnen aber, was das im Kern bedeutet: Es isteine direkte Umverteilung. Um den Besserverdienendenmehr Geld geben zu können, kürzt man die Bezugsdauerum ein Jahr. Genau das ist auch im Osten geschehen:Der Leistungsbezug für die Ärmeren in der Gesellschaftist um zwölf, mindestens aber um zehn Monate gekürztworden, damit die Reicheren mehr Geld bekommen kön-nen.DuTdSr–gdJsvdi2ggnDHtslkkblrWdtsadb2mssd1dd1d1He
Ich habe es doch gerade gemacht. – Aber es gibt einroßes Fragezeichen dahinter; denn bei allen Bundesför-ermitteln ist der Anteil für den Osten extrem niedrig.etzt müssten wir das gegenrechnen. Muss das sein? Wasoll das Ganze? Ich nenne Ihnen zwei Beispiele.Erstes Beispiel. Der Osten stellt 20 Prozent der Be-ölkerung, bekommt aber nie 20 Prozent der Bundesför-ermittel. Von den 1,2 Milliarden Euro für die Exzellenz-nitiative für die Forschung bekommt der Osten nicht0 Prozent, sondern nur 4 Prozent. Jetzt könnte man sa-en, den Rest müsse der Osten aus den Transferleistun-en bestreiten. Aber dann stimmte die ganze Rechnungicht mehr, weil man das sofort gegenrechnen müsste.as gilt auch für die Förderung der Energieforschung.ier bekommt der Osten nur 10 Prozent, obwohl ihmheoretisch 20 Prozent zustünden.Welche Folgen hat das? Wenn die Mittel so geringind, kann man keine Forschungseinrichtungen bezah-en. Dann entstehen im Osten keine Unternehmen undeine Wirtschaftstätigkeit. Dann wird die Arbeitslosig-eit nicht abgebaut. Das bringt so nichts. Wir brauchenei den Fördermitteln des Bundes eine gerechte Vertei-ung in der Bundesrepublik Deutschland, und zwar ge-ade im Hinblick auf die strukturschwachen Regionen.
enn ich die strukturschwachen Regionen anspreche,ann meine ich – das ist neu; die Debatte wird heutzu-age anders geführt – nicht nur den Osten, sondern auchtrukturschwache Regionen in Nordrhein-Westfalen undnderen westlichen Bundesländern, die genauso geför-ert werden müssen wie der Osten. Das müssen wir hin-ekommen.Zweites Beispiel. Wir im Osten bekommen nicht etwa0 Prozent, sondern gerade einmal 2 Prozent der Förder-ittel für den Austausch von Studenten und Wissen-chaftlern. Der Osten wird also an den Bundesmittelntändig unterdurchschnittlich beteiligt.Im Osten gibt es zudem keinen Aufschwung. Dieurchschnittliche Arbeitslosenquote im Osten liegt bei4,8 Prozent. Das ist mehr als doppelt so hoch wie inen alten Bundesländern, wo sie 7 Prozent beträgt. Lauter Welt vom 21. November 2005 gibt es im Osten5 Unternehmen, die Umsatzmilliardäre sind, aber inen alten Bundesländern 500. In der DDR gab es fast00 Großbetriebe mit mehr als 10 000 Beschäftigten.eute gibt es im Osten lediglich zwei Unternehmen mitiner solchen Anzahl von Beschäftigten. 20 Prozent
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Dr. Gregor Gysimehr Frauen als Männer verlassen den Osten und gehenin die alten Bundesländer, um eine Ausbildungschancezu haben. Das hat unter anderem die demografischenProbleme zur Folge, die wir alle kennen.Wir fordern die Angleichung der Löhne und Gehältersowie der Renten.
Im Jahre 18 der deutschen Einheit wird noch immer sogetan, als müssten die Unterschiede bei den Löhnen undGehältern noch 20 Jahre fortbestehen. Gleicher Lohn fürgleiche Arbeit, gleiche Rente für gleiche Lebensleistung,das muss doch endlich zu einer Selbstverständlichkeitwerden.
Herr Kollege Gysi!
Herr Präsident, ich will nur noch einen Satz sagen.
Herr Bundesminister Tiefensee, Sie sind für den Osten
zuständig. Aber wie arbeiten Sie eigentlich mit dem Par-
lament zusammen? Es gibt ja gar keinen entsprechenden
Ausschuss. Wollen Sie im Verkehrsausschuss über den
Osten reden? Wir brauchen im Bundestag dringend ei-
nen Ausschuss für die neuen Bundesländer und alle an-
deren strukturschwachen Regionen in Deutschland. Ich
bitte Sie, einen solchen Ausschuss einzurichten.
Das Wort hat der Kollege Manfred Grund von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Durch die Große Anfrage und den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion Die Linke ziehen sich wie einroter Faden die Fragen: Wann hat Ostdeutschland West-niveau erreicht? Wann haben wir gleiche Lebensverhält-nisse? Am Westniveau wird alles gemessen. Genau dashat mein Vorredner getan. Wer aber den Westen, der insich schon lange nicht mehr einheitlich ist, zum alleini-gen Maßstab für die Entwicklung macht und nicht dasAusgangsniveau sieht, verliert das bisher Geleistete undErreichte aus den Augen.
Die heutige Situation in den neuen Bundesländernließe sich nicht zutreffend beschreiben – darauf wurde inder Antwort auf die Große Anfrage hingewiesen –, wennman den faktischen Staatsbankrott als Ausgangslage inden neuen Bundesländern nicht berücksichtigte.
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Es bleiben einige Baustellen. Auf einige will ich ein-ehen. In der Antwort auf die Große Anfrage wird dieinkommenslage in den neuen Bundesländern darge-tellt. Danach – die Werte, die mir vorliegen und die iner Antwort angegeben sind, sind von 2003; alle fünfahre wird eine Erhebung durchgeführt – liegen die Net-oeinkommen der Haushalte in den neuen Bundesländerei 77 Prozent der Nettoeinkommen der Haushalte inen alten Bundesländern. Weit besser ist die Situation inen Rentnerhaushalten der neuen Länder. Deren Ein-ommen lagen bei 85 Prozent der Einkommen der Rent-erhaushalte im Westen. Das heißt, die Rentnerhaushalten den neuen Bundesländern haben prozentual stärkerufgeholt als die Arbeitnehmerhaushalte. Dass wir die-en Stand überhaupt haben erreichen können, hat wie-erum mit Transferleistungen in der Rentenversicherungu tun.
un weiß ich aus Briefen, Gesprächen und Telefonaten,ass die gefühlte Situation der Rentner eine andere ist.entner fühlen sich schlechter gestellt, als es nach die-en Werten tatsächlich der Fall ist. Das hat viel mit dertagnation der Renten in den Jahren 2003, 2004 und005 zu tun. Es gibt auch Inflationssorgen; die gibt es inst wie in West. Kritisiert werden die unterschiedlichenntgeltpunkte und Renteneckwerte bei auch im Ostenteigenden Lebenshaltungskosten. Nicht zuletzt gibt esuch die Sorge vor Altersarmut. Die Sorge der aktuellenentnergeneration vor Altersarmut mag unbegründetein. Bei all denen, die danach mit unterbrochenen Er-erbsbiografien in das Rentenalter kommen, ist das tat-ächlich ein Problem. In der Systematik der gesetzlichen
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Manfred GrundRentenversicherung ist dieses Problem nicht aufzulösen.Die Lösung kann nur darin liegen, dass durch Ermögli-chung eines wirtschaftlichen Aufschwungs Produktivi-tätsgewinne zu zusätzlichen Arbeitsplätzen auch in denneuen Bundesländern führen und dass die Löhne steigen,sodass sich die Rentensituation verbessert. Denn in un-serer dynamisch angelegten Rentenversicherung folgendie Renten den Löhnen.Die Nettovermögen – nicht die Einkommen – der ost-deutschen Haushalte lagen 1993 bei nominal 40 Prozentder Immobilien- und Geldvermögen der Haushalte deralten Bundesländer. Das bedeutet seit 1993 ein Aufholenum 63 Prozent. Das ist ein bemerkenswerter Aufholpro-zess. Das heißt aber auch, dass eine Angleichung derEinkommens- und Vermögenssituation noch Jahre inAnspruch nehmen wird. Das ist für die Menschen in denneuen Bundesländern bedauerlich. Man kann das abernicht der Bundesregierung zum Vorwurf machen. Mankann einen Vorwurf, wenn überhaupt, nur an die sozia-listische Wirtschaftsordnung richten, die es geschaffthat, in 40 Jahren ein blühendes Mitteldeutschland unddie Menschen dort zu ruinieren.
Ich will auf einige Punkte eingehen, die auch in derRede des Kollegen Gysi angesprochen worden sind: dieLinkspartei als Kümmererpartei, als Sozialpartei, alsPartei für die kleinen Leute.
– Ich komme gleich zu Thüringen.
Die Linke regiert in Berlin, sie regiert in Mecklenburg-Vorpommern.
– Die PDS regierte in Mecklenburg-Vorpommern. – Sietolerierte in Sachsen-Anhalt. Am Ende der Tolerierungin Sachsen-Anhalt hatte Sachsen-Anhalt die höchste Ar-beitslosenquote in ganz Deutschland.
Am Ende von Rot-Rot in Mecklenburg-Vorpommernwar die Zahl der Sozialhilfeempfänger um 34 Prozentgestiegen. Rot-Rot in Berlin bedeutet für jedes dritteKind dort Armut. Nicht zufällig hat die Linke bei derletzten Abgeordnetenhauswahl nur noch halb so vieleStimmen wie zuvor bekommen, und es hat sich eineWASG gebildet, die ihre unsoziale Politik in Berlin be-kämpft.
In Berlin betreibt die Linke eine Politik gegen jungeLeute, gegen Kinder, gegen sozial Schwache. Nir-gcßkmnmkunslsSdnwrFgralBhiStagSnWVsdd„kd
Herr Präsident, ich möchte noch einen Gedanken äu-ern. In einer Ihrer Feststellungen zur Großen Anfrageommt die Linke zu dem Ergebnis, dass Verwaltungsrefor-en, Kommunalreformen größeren Einheiten überhauptichts, auch keine Einsparungen, bringen. Da frage ichich, wieso die Linke in Thüringen vier oder fünf Groß-reise fordert, Einheitsgemeinden mit 5 000 Menschen,nd gleichzeitig unterstellt, man könnte so 200 Millio-en Euro im Jahr einsparen.
Sie predigen Wein, und wenn sie an der Regierungind, dann servieren sie den Leuten Wasser. Sie müssenangsam etwas mehr Ehrlichkeit bei sich einziehen las-en. Wenn wir Ihren Forderungen, die auch hier zurprache gekommen sind, Folge leisten würden, würdeas direkt zum nächsten Staatsbankrott führen. Da wiroch an den Lasten des Alten zu tragen haben, könnenir hier weder Ihren Forderungen Folge leisten noch Ih-em Antrag zustimmen.
Das Wort hat der Kollege Joachim Günther von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Ich finde es gut, dass wir außerhalb des Jahresbe-ichts über die deutsche Einheit diskutieren. Wenigermüsant finde ich das, was dieser Diskussion zugrundeiegt: eine, wenn ich so sagen darf, veraltete Antwort derundesregierung – auf Inhalte möchte ich später einge-en – und ein Antrag der Linken – Herr Gysi, Sie habenhn nur gestriffen –, der etwas voraussetzt, was demchlaraffenland ganz nahe kommt. So etwas ist unrealis-isch.
Bevor ich auf einige Punkte eingehe, möchte ich vor-nstellen, wo ich den Osten sehe. Sie haben gerade aus-eführt, im Osten gehe es seit 1990 sozial nur bergab.ie müssen Republikflucht begangen haben, wenn Sieicht erlebt haben, was im Osten seit 1990 geschehen ist.ir haben seit der Wiedervereinigung dank der Hilfe desaterlandes einen Aufschwung erlebt und einen Riesen-prung nach vorn getan. Wir haben aus menschenunwür-igen Wohnungen – ich weiß nicht, ob Sie noch daranenken, wie Sie damals gehandelt haben, StichwortRuinen schaffen ohne Waffen“ – lebenswerte Unter-ünfte geschaffen. Die Städte haben wieder Farbe undie Autobahnen sind wieder befahrbar. All das muss hier
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15736 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008
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Joachim Günther
zumindest einmal erwähnt werden, ehe man über andereDinge spricht.
Ihr Entschließungsantrag ist für mich Miesmacherei.Wer ihn liest, der muss denken: Seit 1990 ist nichts ge-schehen. Wir haben heute die Freiheit, in diesem Parla-ment über Dinge zu diskutieren, über die man frühernicht diskutieren konnte. Daher bin ich froh, dass wirzum Beispiel über die Antwort der Bundesregierung aufdiese Große Anfrage diskutieren können. Auch das willich nicht unerwähnt lassen. Sie hat auf die Große An-frage eine ausführliche Antwort auf 75 Seiten plus Anla-gen gegeben. Das ist eine Fleißarbeit.
Jetzt kommt das Aber: Manche Antworten sind peinlichund realitätsfern. Das muss ich ganz deutlich sagen.Nehmen wir das Thema Investitionszulage. Es han-delt sich um einen der Punkte, um die sich im Endeffektalles dreht. Da geht es um Arbeitsplätze, um Standortfra-gen, um Mittelstandsförderung. Eine Ihrer Antwortenmüsste eigentlich jeden Steuerzahler zur Weißglut trei-ben. Auf die Frage „Wie verteilen sich die an die neuenLänder vergebenen Fördermittel auf die Größenklassender Unternehmen?“ haben Sie geantwortet: „Hierzu lie-gen keine Angaben vor.“
So eine Antwort ist aus meiner Sicht geprägt von demUnwillen, eine Frage angemessen zu beantworten, oder,was noch schlimmer wäre, von der Unfähigkeit der Bun-desregierung. Die will ich Ihnen eigentlich nicht unter-stellen.
Eines ist Fakt: Für jeden Fördermittelbescheid musses einen konkreten Antrag geben, und man hat eine Ab-rechnung, aus der hervorgeht, wer das Geld erhalten hat.Eine Bundesregierung, die nicht weiß, wer welche Steu-ergelder erhalten hat, kann das Geld gleich mit derSchaufel zum Fenster hinauswerfen.
Eine zweite Frage in dieser Großen Anfrage: „Welchesind nach Ansicht der Bundesregierung die im jüngstenJahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit erwähn-ten Regionen im Niedergang?“ Man kann natürlich fra-gen, ob diese Frage geschickt gestellt ist. Die Antwortlautet:Im Jahresbericht … zum Stand der Deutschen Ein-heit … wird an keiner Stelle von Regionen im Nie-dergang gesprochen.Das ist Wortklauberei; denn der Bericht befasst sichmit Regionen, in denen es eine hohe ArbeitslosigkeitufEvgsdMDSuMdtciBszhtldlN1mbitVmDmmslRBMmweW
Die Familien im Osten, in denen die Frauen ein Lebenang mit gearbeitet haben, erhalten – auch das gehört zurealität – zum Teil höhere Rentenbezüge als in den altenundesländern.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008 15737
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Nichts ist geschehen. Es ist abgelehnt worden. Es wäreaber wichtig für Mitteldeutschland, eine solche Einrich-tung zu haben, damit die Forschung wieder einen höhe-ren Rang bekommt.Wir alle sagen: In den Osten müssen Forschungsein-richtungen. – Aber über Jahre immer das Gleiche: vieleVersprechungen, aber kein Ergebnis. Auch hier erwarteich ein Handeln. Auch hier erwarte ich von Ihnen, HerrMinister, eine Antwort auf die Frage, wie es weitergehensoll.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir haben mitenormen finanziellen Mitteln in den neuen Bundeslän-dern viel erreicht. Auf vieles können wir stolz sein. Vie-les haben die Menschen dort selbst geschaffen. Tatsa-chen sind aber auch: Die Arbeitslosigkeit ist nahezudoppelt so hoch wie im Westen. Die Einkommen sindgeringer. Es gibt Probleme bei der Gesundheitsversor-gung. Wir müssen dafür sorgen, dass es nicht zu einerEntvölkerung ganzer Regionen kommt. Greifen wirdiese Themen schneller, greifen wir sie unbürokratischerauf!Solche Anträge aber, die wie der heute von den Lin-ken vorgelegte jedem alles versprechen, sind unbezahl-bar, gehen zulasten künftiger Generationen und sind un-realistisch. Deshalb werden sie von uns abgelehnt.Herzlichen Dank.
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Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,au und Stadtentwicklung:Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich freue michehr, dass auf dem Rang viele junge Leute Platz genom-en haben. Wir diskutieren heute nämlich einmal mehrin Thema, das denjenigen, die 16, 17 oder 18 Jahre altind, nicht so nahe ist, weil sie die Anfänge der deut-chen Einheit und das, was vor der deutschen Einheit ge-esen ist, lediglich aus Geschichtsbüchern und Erzäh-ungen kennen.Dass wir heute einmal mehr über den Stand der deut-chen Einheit diskutieren, geht auf eine Große Anfrageer Linken zurück. Wenn man sie liest, könnte man auchon einer „Großen Anklage“ der Linken sprechen.
s wird in düsteren Bildern gemalt, was in den 18 Jahrenach 1990 in diesem Lande passiert ist. Es handelt sichm eine einseitige, tendenziöse und polemische Darstel-ung dessen, wie die Situation im Osten sein soll.
s ist nicht so; die Situation stellt sich viel differenzier-er dar.Sehr verehrter Herr Kollege Gysi, es ist aber eine ge-isse Kontinuität zu spüren. Ich bin in der DDR groß ge-orden, und das öffentliche Bild von der DDR wurde sorzeugt, dass man den Scheinwerfer auf Potemkinscheörfer, auf getünchte Fassaden gerichtet hat. Auf dieseeise wollte man das Bild vermitteln, der ganze Ostenei so. Die Kontinuität hierzu stellt sich so dar, dass manun den Scheinwerfer ausschließlich auf das richtet, wasoch nicht besser geworden ist. Wiederum redet manen Leuten ein, das sei die ganze Wahrheit. Hier liegtlso eine gewisse Kontinuität vor. All das erinnert michn das Vorgehen der Zeitung Neues Deutschland sowieer anderen DDR-Zeitungen, nur unter anderen Vorzei-hen. So geht es nicht.
Es handelt sich hierbei auch nicht um eine Sichtweise,ie sich nur in irgendeinem Papier findet. Sie ist in vie-erlei Hinsicht sehr problematisch.
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Bundesminister Wolfgang TiefenseeErstens. Sie haben nicht das Recht, die Frage auszu-blenden, wie die Situation in den neuen Bundesländern1990 war.
Wie die Situation damals war, hat nämlich etwas damitzu tun, wie Sie, unter welchem Namen auch immer, Ge-sellschaft gestaltet haben. Und nur vor diesem Hinter-grund kann man erklären, wie die Situation jetzt ist. –
Ich bin in dieser Gesellschaft groß geworden; ich weiß,wovon ich rede. – Ich finde es nicht hinnehmbar, dassSie das nicht erwähnen und nicht wenigstens ein biss-chen Ursachenforschung in diese Richtung betreibenund in die Öffentlichkeit kommunizieren. Sie blendenjedoch die Geschichte aus und haben so viel unter denTeppich gekehrt, dass schon ein großer Berg entstandenist.
Meine Damen und Herren von den Linken, über diesenBerg werden Sie irgendwann einmal stolpern und stür-zen.
Zweitens. Sie desavouieren in einer unerträglichenArt und Weise die enormen Leistungen von uns Ostdeut-schen seit 1990 beim Aufbau unserer Landstriche undauch beim Aufbau Deutschlands. Es geht nämlich nichtnur um die neuen Länder. Wir haben unsere Kraft auchdafür eingesetzt, dass es in Deutschland insgesamt vo-rangeht. Wer das nicht in den Fokus nimmt, der negiertdie Lebensleistungen der Bürgerinnen und Bürger inOstdeutschland. Das ist kontraproduktiv.
Drittens. Wenn man aber die Wirklichkeit in denneuen Bundesländern so einseitig darstellt, dass man nurauf zusammenbrechende Landschaften hinweist – esstimmt zwar, dass es Schwierigkeiten mit den „blühen-den Landschaften“ gibt – und mit gewissen Abwärtsent-wicklungen im Osten kokettiert, um Wahlerfolge zu er-zielen, dann verhindert man, dass sich Kräfte entfalten,die für Ostdeutschland und für Deutschland insgesamtnötig sind.
Dass diese Kräfte gebunden bleiben und nicht zur Ent-faltung kommen, dafür tragen nicht zuletzt auch Sie,meine Damen und Herren von den Linken, Verantwor-tung, indem Sie so tun, als hätten wir nichts geschafftoder als wäre das, was wir geschafft haben, nichts wert.
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Wir haben ein ganz differenziertes Bild, und diesesild sieht so aus: Wir haben unglaublich viel erreichtnd noch unglaublich große Herausforderungen vor uns.ies muss man den Bürgerinnen und Bürgern sagen.eides ist richtig: Es ist viel gemacht geworden, und esuss auch noch viel getan werden. Man darf nicht sa-en: Das ist mit dem Umlegen eines Schalters zu errei-hen. Vor allem, meine sehr verehrten Damen und Her-en von der Linken, reden Sie den Leuten nicht ein, dasser Staat ein Geldautomat ist wie während der DDR-eit, dass man die Probleme lösen könne, indem manur auf den Knopf drückt.
Wir haben Unglaubliches geschafft. Für die Infra-truktur in Deutschland haben wir seit der Wende imahre 1990 rund 175 Milliarden Euro ausgegeben, davonehr als 60 Milliarden Euro in den neuen Bundeslän-ern. Wie können Sie sagen, wir würden unterproportio-al finanzieren? Das stimmt nicht.Wir haben in den Wohnungsbestand investiert.chauen Sie sich das an. Suchen Sie die Gebäude, dieicht in Ordnung sind. Suchen Sie die Wohnungsgesell-chaften, die heute noch instabil sind. Programme wietadtumbau Ost und Soziale Stadt haben dazu beigetra-en, dass man im Osten wieder gut wohnen kann.Schauen Sie sich die wirtschaftliche Entwicklung an.ie Industrie boomt. Natürlich müssen wir von einemergleichsweise niedrigen Niveau ausgehen, weil wirben 1990 im Hinterkopf haben müssen. Aber Steige-ungsraten von 11 Prozent sind doch grandios. Diechere geht zwar viel zu langsam zu, aber sie geht zu.Die Exportquote wächst. Im Bereich der erneuerbarennergien, um einmal eine Zukunftsbranche herauszu-reifen, befindet sich nahezu jeder zweite Arbeitsplatz inen neuen Bundesländern. Warum sagen Sie den Men-chen in den neuen Bundesländern nicht, dass zum Bei-piel die öffentlich geförderte Forschungsinfrastruktur,lso die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Ge-ellschaften, in den neuen Ländern vorbildlich ausgestat-et ist? Das ist vorbildliche Arbeit Aufbau Ost. Das mussoch auch einmal gesagt werden.
Aber wir stehen noch vor riesigen Herausforderun-en. Diese liegen auf dem Feld einer selbsttragendenirtschaft, die wir immer noch nicht haben. Deshalbördern wir mit der Investitionszulage und der GA. Viel-eicht ist Ihnen entgangen, dass sechs Siebtel der GA,bwohl von den alten Bundesländern mit finanziert, inen Osten gehen und ein Siebtel nicht. Das bedeutet,ass wieder überproportional gefördert wird. Ich weise
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseedarauf hin, dass die GA verstetigt ist und dass wir die In-vestitionszulage verstetigen wollen. Diese Förderpro-gramme sind nutzbringend, die Ergebnisse sind abernoch lange nicht so, wie wir das wollen.Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch. Die Langzeitarbeits-losen verlangen nach einer Lösung. Wenn Sie aber7 Prozent mit 14,8 Prozent vergleichen, dann sagen Siebitte dazu, woher wir kommen, wie diese 14,8 Prozentim Jahre 2008 im Vergleich zu 18 Prozent im Jahre 2005einzuordnen sind.
Das ist doch das Entscheidende: Schenken Sie denMenschen reinen Wein ein, nicht nur in der Problembe-schreibung, sondern auch in der Beschreibung dessen,woher wir kommen.Natürlich haben wir demografische Probleme. Natür-lich haben wir ländliche Räume, die großen Herausfor-derungen gegenüberstehen. Mit Programmen, die dieBundesregierung strategisch auflegt, um diesen ländli-chen Räumen zu helfen, wollen wir dem begegnen.Bezüglich der Konsolidierung der Finanzen, damitdie Kommunen in den neuen Bundesländern stabilisiertwerden, erinnere ich abschließend daran, dass in dieneuen Bundesländer im Rahmen des Solidarpaktes II156 Milliarden Euro fließen. Ich habe unlängst mit mei-nem ungarischen Kollegen gesprochen und vor einigerZeit in Frankfurt/Oder mit meinem polnischen Kollegeneinen Austausch gehabt. Ich wäre froh, wenn diese ge-nauso viel Geld bekämen wie wir in den neuen Bundes-ländern. Denn das sind schließlich diejenigen, die nichtzuletzt dazu beigetragen haben – ich erinnere an 1989,1976 und 1956 –, dass wir hier über die deutsche Einheitreden können.
Wir haben viel erreicht. Wir haben aber auch nochviel zu tun. Wir befinden uns auf einem guten Weg. Las-sen Sie uns alle Kräfte bündeln und freisetzen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Peter Hettlich von Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Das Beste an der Großen Anfrage ist in derTat, dass wir dadurch heute noch einmal über den Standder deutschen Einheit debattieren können. – Denn dieletzte derartige Debatte war, wie wir uns erinnern, über-lagert von der Forderung nach einem Einheitsdenkmal.
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Die Menschen in Deutschland wollen eine ehrlichensage. Sie wollen keine Heilsversprechen; denn davonaben sie genug gehört: von den „blühenden Landschaf-en“ bis zur „Chefsache“. Das kann man den Leutenicht mehr verkaufen. Es ist keine ehrliche Ansage,enn man sagt: Wir versprechen, dass wir alles ganz an-ers machen, wenn wir an die Regierung kommen. Dasst pure Heuchelei. Das ist der Duktus dieses Antrages.as stellt man fest, wenn man ihn Punkt für Punkturcharbeitet. Ich werde mir das jetzt ersparen; denn dasst der Antrag nicht wert.Ich will aber auf einige Punkte hinweisen. Dabeierde ich mich auf die Bereiche konzentrieren, wo wirls Grüne in Ostdeutschland Handlungsansätze sehen.
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Peter HettlichSie sagen, dass wir ein Gesamtkonzept brauchen. Dasist die übliche Leier. Es hat nie ein Gesamtkonzept fürOstdeutschland gegeben, und es wird auch nie eins ge-ben. Wenn Sie eines haben, können Sie es uns ja vorstel-len. Das Problem ist, dass wir in den Mühen der Ebeneangekommen sind, was heißt: Viele kleine Schritte füh-ren zum Ziel. Ein Masterplan hilft uns nicht weiter. Vondieser Forderung sollten Sie sich einmal verabschieden.Viel hilft nicht immer viel. Sie fordern ein zusätzli-ches Zukunftsinvestitionsprogramm mit einem Volumenvon 40 Milliarden Euro. Sie müssen mir einmal erklären,woher das Geld kommen soll. Ich sage Ihnen ganz ehr-lich: An Geld hat es im Osten nicht gemangelt, sonderneher an der richtigen Allokation der Fördermittel.
Wir müssen uns natürlich auch darüber unterhalten, obbei den Ländern und Kommunen nicht einiges hätte bes-ser laufen können.Der Kollege Mücke hat vorgestern im Ausschuss da-rauf hingewiesen, dass im Bereich der I-Zulage dienächste Fehlallokation droht, nämlich bei der I-Zulagefür das Beherbergungsgewerbe. Als er das Beispiel ausDresden angeführt hat, haben bei mir die Alarmglockengeschrillt. Sie wissen, dass wir die I-Zulage immer abge-lehnt haben, weil man unserer Ansicht nach über diesesInstrument nicht zielgerichtet fördern kann. Wenn wirhier eine Debatte über die Verlängerung der I-Zulageführen, dann müssen wir auch dieses Thema noch ein-mal aufgreifen. Ich habe die Nase voll davon, dass dasGeld, das uns für den Aufbau Ost zur Verfügung steht, inFehlallokationen fließt. Das können wir uns nicht erlau-ben. Das können wir übrigens auch den Kollegen ausden westdeutschen Bundesländern nicht länger zumuten.Das ist wirklich eine Zumutung.
Sie müssten eigentlich wissen, dass die Barmittel, dieim Rahmen des Solidarpakts II an die Länder fließen,Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen sind. Lautunserer Verfassung ist es Sache der Länder, damit umzu-gehen. Vielleicht ist das ein Webfehler im Solidarpakt II,aber so war es nun einmal gewollt.Wenn ich Ihre Anträge lese, stelle ich immer wiederfest, dass Sie mit dem föderalen System der Bundesrepu-blik Deutschland noch nicht klarkommen. Da wird alleslustig gemischt: Sie wollen eine Kommission einsetzen– Gewerkschaften, Länder und Kommunen werden ein-fach in einen Topf geworfen –, und die soll dann einentollen Plan machen.
Das ist wirklich eine Vorgehensweise von gestern.
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ch weiß, dass Sie ein paar kluge Leute haben. Aber beiiesem Thema haben Sie ein Problem.Wir touren durch die Lande und sprechen über Exis-enzgründungen. Wir glauben, dass wir die endogenenotenziale in Deutschland stärken müssen. Wir müssenen jungen Leuten zeigen, dass sie sich selbstständigachen können, weil das eine Chance und eine Perspek-ive auch für Hochschulabsolventen ist. Dazu taucht inhrem Papier nichts auf.Wir touren durch die Lande und sprechen über Wei-erbildung. Wir wissen, dass der Fachkräftemangel instdeutschland über Weiterbildung und Qualifizierunguch von Langzeitarbeitslosen gelöst werden muss.Wir touren durch die Lande und sprechen über Natur-chutz. Lieber Joachim Günther, wir wissen, dass auchaturschutz ein Potenzial in Ostdeutschland ist. Das
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Peter Hettlichsollten wir nicht schlechtreden; schließlich bietet derTourismus ein großes Potenzial.
Wir touren durch die Lande und sprechen über Kulturund Rechtsextremismus. Wir können es uns nicht erlau-ben, dass wir beim Ranking zum Thema Technik, Talentund Toleranz mit den fünf ostdeutschen Bundesländernan letzter Stelle liegen.
Mit genau diesen Punkten müssen wir uns beschäfti-gen. Es gibt keinen Masterplan. Ich habe hier die vielenkleinen Handlungsebenen angesprochen, auf denen wirviele kleine Hebel umlegen müssen. Das erwarten dieMenschen von uns, nicht irgendwelche komischen An-träge, in denen es darum geht, wie schlecht es Deutsch-land geht.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Volkmar Vogel von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein KollegeManfred Grund hat die Situation in seinem Beitrag sehrgut analysiert. Lassen Sie mich deswegen in der nun fol-genden Diskussion den Fokus auf einen anderen Punktrichten.Fragen Sie heute mal einen jungen Mann oder einejunge Frau von 17 oder 18 Jahren auf der Straße, was eroder sie unter Osten und Westen versteht. Wissen Sie,was Sie als Antwort zu hören bekommen? – Das sindHimmelsrichtungen. Das ist eine gute Entwicklung. Da-ran erkennt man: Deutschland einig Vaterland ist in derNormalität angekommen.
Die Einheit ist unumkehrbar. Eines steht an dieserStelle auch fest: Wir sollten uns vor allen Dingen diejungen Leute als Beispiel nehmen, denn sie gehen unver-krampft, ohne Wehmut und ohne Nostalgie die Situationan und betrachten sie nüchtern und realistisch.
Wir leben in unserer Bundesrepublik gemeinsam in Frei-heit und Demokratie, und zwar mit Chancen und Mög-lichkeiten, sehr geehrter Kollege von der Linken, die eshinter Mauer und Stacheldraht so nie gegeben hat.
Aber wir kennen auch die Probleme und Risiken, dieFreiheit und Eigenverantwortung mit sich bringen. Des-wVAumuddtwSSWsAwgnmEsbccWLsMDsdfMldsPrbrsu1grsudSB
Wir können auf das Erreichte stolz sein. Es sollte unsür die neuen Herausforderungen, die vor uns stehen,ut machen. Schauen Sie doch die einzelnen Bundes-änder an. Außer Berlin haben alle Bundesländer in Ost-eutschland mittlerweile keine Neuverschuldung oderteuern sie an. Das ist doch ein riesiger Erfolg und gibtotenziale für neue Entwicklungen. Wir haben neue He-ausforderungen. Das, was wir im vereinten Vaterland zuewältigen haben, wird jetzt durch die globalen und eu-opäischen Herausforderungen überlagert. Denen müs-en wir uns stellen. Wir müssen ihnen entgegensehennd sie in unserem Sinne positiv beeinflussen.Nehmen wir die Infrastruktur 2008 im Vergleich zu989. Alle Bundesbürger profitieren doch jetzt von denewaltigen Verbesserungen. Gerade wenn es um die eu-opäischen Herausforderungen geht, gerade im Infra-trukturbereich sind die Aufgaben, die als nächstes vorns stehen, vor allem die transeuropäischen Korridore,ie unser Land tangieren. Ich will nur als Beispiele dietrecke Rostock–Berlin–Prag nach Südosteuropa odererlin–Erfurt–München in Richtung Süden nennen.
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Volkmar Uwe VogelOhne den Aufholprozess gerade durch die Verkehrspro-jekte „Deutsche Einheit“ in den letzten Jahren wäre Ost-deutschland hier tatsächlich abgehängt.Nehmen wir die Telekommunikation. Wir haben inder Debatte gerade über die Breitbandversorgung ge-sprochen. Das ist doch kein spezifisch ostdeutsches Pro-blem, wenn wir das mit der Situation von 1990 verglei-chen. In Leipzig, Erfurt und Rostock hat doch niemanddieses Problem, wohl aber der ländliche Raum. Dies be-trifft jedoch den ländlichen Raum in der gesamten Bun-desrepublik. Das ist für uns eine ganz neue Herausforde-rung. Wir wissen: Schnelle Internetzugänge sind– natürlich auch in Ostdeutschland – ein Standortfaktor,wenn es darum geht, für die regionale Wirtschaft und dieLandwirtschaft etwas zu tun. Diese Entwicklung wirdunterstützt; wir haben das in der vorherigen Debatte ge-hört.Wir halten unseren Koalitionsvertrag ein. Die Anglei-chung der Lebensverhältnisse in allen Landesteilen hatoberste Priorität. Der Bund schafft Anreize, auch bei derAnsiedlung von Bundeseinrichtungen, von Behördenund Institutionen, ganz besonders in den ostdeutschenBundesländern. Alle Politikfelder sind angesprochen,eine ausgleichende Strukturpolitik zu befördern. Dazusind die einzelnen Fachgremien und die -ausschüsse, indenen wir mitarbeiten, bestens geeignet. Wir brauchenkeine Beratungsstruktur, die das Trennende fördert bzw.wiederbelebt.Die ganzheitliche Herangehensweise des Bundes ge-meinsam mit den Ländern heißt: Achtung und Anerken-nung der Leistung der Menschen in den Regionen sowiemehr Akzeptanz für die Entscheidungen. Sie befördertdas Selbstbewusstsein der Menschen in den einzelnenRegionen. Vor allen Dingen deswegen wird die Unionalle Anträge der Linken ablehnen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Rainer Fornahl von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über dieallgemeine Situation haben meine Vorredner, insbeson-dere der Minister, aber auch die Kolleginnen und Kolle-gen außer Herrn Gysi, schon differenziert gesprochen.Ich will mich darauf beschränken, zu den drei Anträgender Linken, die wir heute beraten, Stellung zu nehmen.Denn dabei handelt es sich um Schlaglichter des angeb-lichen Alleinvertretungsanspruchs für Ostdeutschlanddurch die sogenannte Linke.Eines haben Sie gelernt: Sie haben den Schalter um-gelegt, und zwar von Staatssozialismus auf Staatsmono-pALimduntn„uslmEdIlswtMbDAAugitadsnreeso
ass Sie mit dem Fortschritt nach der deutschen Einheitnd mit der positiven Entwicklung Deutschlands absolutichts zu tun haben. Sie leben ausschließlich von Spal-ung und Teilung sowie von Traumatisierung und Dämo-isierung. Sie teilen die Welt auch heute noch ein: inFreund“ und „Feind“ bzw. in Klassenfeinde, in „oben“nd „unten“ und in „dafür“ und „dagegen“. Das ziehtich durch all Ihre politischen Aussagen, die Sie in denetzten 18 Jahren zur Entwicklung in Ostdeutschland ge-acht haben.
Ein Beispiel. In einem Ihrer Anträge fordern Sie dieinsetzung eines Ausschusses für die Angelegenheitener neuen Länder.
n der Legislaturperiode von 1998 bis 2002 gab es zumetzten Mal einen solchen Ausschuss. Er war ein zahnlo-er Tiger, weil alle relevanten Entscheidungen in den je-eiligen Fachausschüssen getroffen wurden und im Hin-ergrund das zuständige Ministerium die notwendigenittel zur Verfügung stellte. Einen solchen Ausschussrauchen wir nicht. Diese Forderung ist einfach Unfug.as ist Demagogie und Populismus.
Kollege Vogel hat bereits auf den Grundtenor Ihresntrags hingewiesen. Indem Sie die Einsetzung einesusschusses „für die Angelegenheiten der neuen Ländernd für andere strukturschwache Regionen“ fordern, ne-ieren Sie ganz bewusst die differenzierte Entwicklungn den neuen Ländern. Dort gibt es nämlich auch Wachs-umsregionen, die mit prosperierenden Regionen in denlten Ländern durchaus vergleichbar sind. Wenn man anie Arbeit, die dort geleistet wird, denkt, muss man fest-tellen: Das ist einfach zynisch!
In einem anderen Ihrer Anträge fordern Sie, in deneuen Ländern eine Großforschungseinrichtung zu er-ichten. Das sollen wir also quasi per Politbürobeschlussinfach einmal machen. Wenn man Berlin einbezieht,xistieren in den neuen Ländern bereits insgesamt vierolcher Einrichtungen. Ich will zwei herausgreifen, dieriginär in den neuen Ländern entstanden sind. Das sind
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Rainer Fornahldas Geoforschungszentrum Potsdam und das Umwelt-forschungszentrum Leipzig-Halle. Sie sind das Resultateiner Entwicklung gewesen, die über Jahre hinweg statt-gefunden hat. Sie sind sozusagen aus bestehenden Ker-nen gewachsen. Es wurde geforscht, entwickelt und mitder Wirtschaft zusammengearbeitet. Daraus sind dieseZentren entstanden, die am Ende den Ritterschlag be-kommen haben, indem sie den Status von Großfor-schungszentren unter dem Dach der Helmholtz-For-schungsgemeinschaft bekommen haben. Das ist derrichtige Weg. So kann sich auch die Forschungsland-schaft in Ostdeutschland weiterentwickeln.
Ein Beispiel ist das vor kurzem gegründete DeutscheBiomasseforschungszentrum mit Sitz in Leipzig. Dassdieses Institut in Leipzig errichtet wurde, hat eine Vorge-schichte. Es ist nämlich aus dem Leipziger Institut fürEnergetik und Umwelt, das schon seit vielen Jahren aufdem Gebiet der Bioenergie international anerkannte Ar-beit leistet, hervorgegangen.
Das ist der Nukleus für die eventuelle Errichtung einesneuen Großforschungszentrums. Man muss diese Zen-tren an ihren Erfolgen messen. Durch Erfolge wird letz-ten Endes auch eine neue Qualität erreicht.
Sie haben noch einen dritten sehr interessanten An-trag mit dem Titel „Erhöhung von Transparenz und Ziel-genauigkeit des Mitteleinsatzes für die ostdeutschenBundesländer“ eingebracht. Darin fordern Sie, „die Da-ten des Finanztransfers differenziert nach Ost- und West-deutschland“ zu erfassen.Ich kann Ihnen nur sagen: Die Zweistaatentheorie derSED haben wir im Jahr 1990 entsorgt. Wir leben in ei-nem einzigen Deutschland. In den ersten Jahren nach derdeutschen Einheit haben wir die Daten bestimmterTransferleistungen bewusst differenziert dargestellt, do-kumentiert und darüber gestritten. Daraus sind leider– das merkt man bei Ihnen, manchmal aber auch bei an-deren – wirklich grässliche und falsche Schlussfolgerun-gen gezogen worden. Deswegen wollen wir das in Zu-kunft nicht fortführen. Vielleicht ist es für Sie untertherapeutischen und pädagogischen Gesichtspunkten so-gar sinnvoll, dass wir diesen Antrag ablehnen. So kön-nen wir vielleicht dazu beitragen, dass Sie sich in Zu-kunft hüten, erneut solch abstruse und falscheSchlussfolgerungen zu ziehen.
Abschließend will ich noch auf Folgendes hinweisen:Über die Große Anfrage der Linken und insbesondereüber die Antworten der Bundesregierung ist heute be-reits differenziert diskutiert worden; das ist auch gut.NwüdzdzarwwsumgErLedgudBbttddlhdnnmukdtPP
Das Wort hat der Kollege Michael Kretschmer von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eineanze Menge zum Thema Forschung gesagt worden,nd ich möchte gerne darauf eingehen.Zunächst einmal will ich deutlich machen, was sich inen vergangenen Jahren in diesem Bereich in den neuenundesländern getan hat. Wir haben – das ist wirklicheachtlich – 39 Leibniz-Institute, 4 Großforschungszen-ren der Helmholtz-Gemeinschaft, 18 Fraunhofer-Insti-ute und 23 Max-Planck-Institute. Damit haben wir miten neuen Ländern einen weltweit anerkannten Standorter Spitzenforschung und der Exzellenz, der sich sehenassen kann, um den wir überall beneidet werden.
Das ist etwas, was man vorausschicken muss, weilier vonseiten der Linken immer versucht wird, den Ein-ruck zu erwecken, als wäre nichts vorhanden.Der Ruf nach einer Großforschungseinrichtung erin-ert mich ein bisschen an einen Bürgermeister, der sichicht um die in seiner Gemeinde ansässigen Unterneh-en kümmert, sondern auf den großen Investor wartetnd bei dieser Gelegenheit verpasst, sich um das zuümmern, was da ist, und am Ende mit leeren Händenasteht: Auf der einen Seite hat er keinen großen Inves-or, und auf der anderen Seite hat er die vorhandenenotenziale verspielt. – So machen zumindest wir keineolitik, sondern wir gehen anders vor.
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Michael KretschmerWir haben seit 1990 gesagt, dass wir in der For-schungspolitik keine Almosen verteilen werden undkeine Politik – ich sage das bewusst in Richtung der Lin-ken – aus der Schwäche heraus machen werden. Es gehtnicht darum, irgendwo etwas hinzuverteilen. Vielmehrhaben wir uns die Situation sehr genau angeschaut. Esgibt eine Besonderheit, die auch besondere Lösungenbraucht. Es gibt eine Unternehmenslücke; wir haben zuwenige Unternehmen. Wir haben vor allem zu vielekleine Unternehmen, die keine ausreichende Kraft ha-ben, Forschung und Entwicklung so zu betreiben, wieman es sich vorstellt.Aus diesem Grund hat das Bundesforschungsministe-rium verschiedene Initiativen ergriffen, die sehr erfolg-reich gewesen sind. Das Erste war Inno-Regio, das mitt-lerweile abgeschlossen und evaluiert worden ist.Verschiedenste Unternehmen wurden mit der Forschungzusammengefasst. Wir haben erlebt, dass am Ende groß-artige Dinge dabei herausgekommen sind.
Wir haben mit der Programmfamilie „UnternehmenRegion“, die gerade auch von den Forschungspolitikernder Koalition immer wieder mit neuen Fördermittelnversehen worden ist, eine ganze Menge bewegt, undzwar in einem Bereich, der ganz anders ist als das, washier angesprochen worden ist. Es handelt sich nicht umKleinkram oder irgendwelche Almosen, sondern umwirkliche Spitzenforschung. Wir haben in Dresden mitOnco-Ray den deutschen Leuchtturm im Bereich derdeutschen Krebsforschung ebenso etablieren können wiean anderen Stellen – Magdeburg, Rostock, Greifswald –auch. Das sind die Dinge, die Zuversicht erzeugen.
Das Ganze geht weiter. Wir verhandeln mit den ost-deutschen Bundesländern über einen Prozess, den wir„Dialog Innovation Ost“ nennen. Wir wollen zielgerich-tet Forschungsschwerpunkte weiter stärken, um darausExzellenz zu machen, weil wir wissen, dass man im in-ternationalen Wettbewerb nicht aus Mitleid, sondern nurdurch Stärke gewinnt, und weil wir wissen, dass Stärkenicht überall entsteht, sondern nur an wenigen Punkten,die dann ausstrahlen werden. Das ist das Ziel unsererForschungspolitik.
Ich bin auf eines sehr stolz – ich sage dies auch selbst-kritisch zu der Regierung, die derzeit arbeitet –: Wir ha-ben es geschafft, dass in den neuen Bundesländern imBereich der Forschung nicht eine Idee nicht verfolgtwerden konnte – ich denke hier an Biomasse, das Ost-europazentrum und an viele andere, auch kleinere Din-ge –, weil das Geld aus Berlin nicht da war. Vielmehrhaben wir überall gefördert, wo die Exzellenz nachge-wiesen war und die Ideen gut waren. Das ist nicht selbst-verständlich. Ich sehe aber mit großer Sorge und mitgroßem Ärger, dass dies im Bereich des Straßenbausnicht überall so ist. Damit bin ich nicht zufrieden. Rei-henweise liegen Projekte brach, die realisiert werdenkMDsmoBPsSrvhFrwGmfkwsSD1vskDWSlmwSld
as ist in der Tat ein Unterschied zwischen dem For-chungsministerium und dem Verkehrsministerium; hieruss sich etwas ändern.
Auch andere Punkte sind wichtig, sei es die I-Zulageder die GA-Förderung. Hier haben wir für die neuenundesländer deutliche Akzente gesetzt. Jeder, der dieseolitik ehrlich und unvoreingenommen beobachtet,ieht, dass die Bundesregierung und die Große Koalitionchwerpunkte setzen und dass wir damit auch erfolg-eich sind. Wir sollten uns dies nicht kleinreden lassen,or allen Dingen nicht von der PDS, die für viele dereute vorhandenen Probleme selbst verantwortlich ist.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Klaas Hübner von der SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Was will die Linke mit ihrer Großen Anfrage? Sieill schwarzmalen. Sie stellt uns nicht die Frage, ob daslas halb voll oder halb leer ist, nein, sie will uns weis-achen, dass das Glas vollkommen leer sei. Das istalsch. In ihrem Entschließungsantrag hat die Linke dan-enswerterweise nachgeschoben, wohin sie steuert. Sieill „einen Paradigmenwechsel“ in der ganzen Gesell-chaft. Aus dem Soziologendeutsch übersetzt heißt dies:ie will eine andere Gesellschaft. Wir wollen das nicht.
ie Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR haben989 eindrucksvoll einen solchen Paradigmenwechselollzogen, indem sie sich für eine demokratische Gesell-chaft in Freiheit und mit den ökonomischen Möglich-eiten einer sozialen Marktwirtschaft entschieden haben.as war der richtige Paradigmenwechsel.
Bei dieser Gelegenheit muss man die Frage stellen:ie steht es mit der Verantwortung der Linken selbst?ie haben doch 1989 in Ostdeutschland ein Land hinter-assen, das eine schreckliche Bilanz aufwies. Warumussten wir so viel in Ostdeutschland investieren, wasir ja richtigerweise getan haben? Doch deswegen, weilie bis 1989, als Sie für diese Region allein verantwort-ich waren, durch Ihre Misswirtschaft diese Region anen Abgrund geführt haben. Nur aus diesem Grunde ha-
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Klaas Hübnerben wir anschließend eine gute Aufbaupolitik machenmüssen.
In Ostdeutschland haben wir mittlerweile eine starkeIndustrie. Gestern gab es eine Presseveröffentlichungdes IWH, die von einer Umsatzsteigerung in der ostdeut-schen Industrie von 9,5 Prozent spricht. Das sind guteZeichen. Ich bin seit 1991 Unternehmer in Sachsen-An-halt und kann Ihnen aus eigener Erfahrung Folgendes sa-gen: Wenn man sich ansieht, wie sich die Unternehmenentwickelt haben und wie sie gewachsen sind, wie sichdie Infrastruktur entwickelt hat und wie viele besserelogistische Möglichkeiten wir dort mittlerweile haben,dann muss man doch einfach konstatieren: Was wir von1990 bis heute in den neuen Bundesländern erlebt haben,ist eine echte Erfolgsgeschichte, die natürlich auch mitdieser Bundesregierung verbunden ist.
Wenn Sie glauben, dass man mit einer Politik der70er-Jahre, die sich auf nationalstaatliche Instrumentebeschränkt, heute noch irgendwo ein Land voranbringenkann, dann liegen Sie falsch. Sie versprechen den Men-schen dann auch etwas Falsches. Wenn Sie so tun, alskönne man mit nationaler Abgrenzung gegenüber ande-ren Märkten etwas Positives für das Land gewinnen,dann täuschen Sie die Menschen. Man kann nämlich dieGlobalisierung nicht als eine Frage auffassen, die sichmit Ja oder Nein beantworten ließe; sie ist da, und wirmüssen mit ihr auch umgehen. Dieser Realität verwei-gern Sie sich, und darum handeln Sie verantwortungslos.
Wir wollen, dass auch wir in Ostdeutschland im Rah-men der globalisierten Märkte mitwachsen und so dieostdeutsche Industrie stärken können. Das heißt aber,dass wir sie fit machen müssen, im internationalen Wett-bewerb zu bestehen, und zwar aus eigener Kraft herausund nicht nur staatlich subventioniert. Das ist der Weg,den diese Bundesregierung geht. Dieser Weg ist richtig.Es ärgert mich ein wenig, dass Sie die Erfolge, die esgegeben hat, einfach ausblenden. Ich will nicht sagen,dass alles Gold im Osten ist; das sagt keiner. Wir habendort noch etwas zu tun. Aber die Erfolge einfach auszu-blenden und die Menschen hinters Licht zu führen undzu demotivieren, halte ich nicht für den richtigen Ansatz,wenn man will, dass Ostdeutschland möglichst schnellvorankommt und möglichst schnell ein Wachstumsmo-tor für Gesamtdeutschland wird.
Das führt dann wieder – auch das müssen wir offensagen – zum Teil zu Diskussionen im Westen. Manchewestdeutsche Bürgermeister kommen auf uns zu und sa-gen: Was ihr im Osten mittlerweile alles geschaffenhabt – wenn ich mir eure Infrastruktur und eure Stadt-sanierung so ansehe –, das haben wir bei uns nicht. Wirsollten damit langsam einmal aufhören. – Sie empfindendas als ungerecht. Auch diese Debatten führen wir. DemkewdsnwnistdßzgzdNmcedvazsDFgÜuAdbÄdButDadhmD
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschenchauen werden: Wer macht eine wirklich verantwor-ungsvolle Politik? Wer ist in der Lage, Antworten aufie globalen Herausforderungen in seine Politik einflie-en zu lassen? Wer ist in der Lage, die Menschen selbstu stärken, um auch unter veränderten Rahmenbedin-ungen leben, wachsen und einen sozialen Aufstieg voll-iehen zu können? Ich bin fest davon überzeugt, dass eser falsche Weg ist, nur von außen zu alimentieren.ein, wir wollen die Menschen durch gute Bildungs-öglichkeiten, eine gute Infrastruktur und wirtschaftli-he Dynamik in die Lage versetzen, aus eigener Kraftinen sozialen Aufstieg zu vollziehen. Das ist der Wegieser Bundesregierung. Dieser Weg ist aus meiner Sichtollkommen richtig.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-ntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/8417u ihrer Großen Anfrage. Wer stimmt für diesen Ent-chließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –er Entschließungsantrag ist mit den Stimmen allerraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke ab-elehnt.Tagesordnungspunkt 24 b und c. Interfraktionell wirdberweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/7567nd 16/5817 an die in der Tagesordnung aufgeführtenusschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-en? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen soeschlossen.Tagesordnungspunkt 24 d. Beschlussempfehlung desltestenrates zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mitem Titel „Einsetzung eines Ausschusses des Deutschenundestages für die Angelegenheiten der neuen Ländernd für andere strukturschwache Regionen“. Der Ältes-enrat empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 16/1220, den Antrag der Fraktion Die Linkeuf Drucksache 16/130 abzulehnen. Wer stimmt füriese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-altungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-en aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktionie Linke angenommen.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsJetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 25 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten KaiGehring, Krista Sager, Priska Hinz ,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENGute Lehre an allen Hochschulen gewährleis-ten, herausragende Hochschullehre prämieren– Drucksache 16/8211 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
FinanzausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhaltensoll. Gibt es Widerspruch dagegen? – Das ist nicht derFall. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Kai Gehring vom Bündnis 90/DieGrünen das Wort. – Herr Gehring, einen Moment. Ichdarf die Kollegen, die an dieser Debatte nicht teilnehmenwollen, bitten, den Saal zu verlassen. – Bitte schön, HerrKollege Gehring.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fü-gen wir mal eins und eins zusammen:
Selbst bei konservativen Annahmen fehlen uns künftigjedes Jahr 50 000 neue Akademikerinnen und Akademi-ker. Dies entspricht einem Viertel des heutigen Absol-ventenjahrgangs. Dazu passt die Zahl der Studienabbre-cher: Von fünf Studierenden verlässt mindestens einerdie Hochschule ohne Abschluss. Das verwundert nicht.Denn von fünf Studierenden geben nur zwei der Qualitätder Lehre an deutschen Hochschulen gute Noten. Wer danoch glaubt, gute Lehre an Universitäten und Fachhoch-schulen sei ein Thema für Sonntagsreden, hat nichts ver-standen.
Es geht um Studienqualität, Studienerfolg und um un-seren Fachkräftestandort in der Wissensgesellschaft. Beider Bundesregierung ist dies noch nicht richtig ange-kommen. Sie beteuern zwar immer, dass Initiativen fürgute Lehre eine gute Sache seien. Warum initiieren Siedann aber keine, warum setzen Sie einseitig nur auf For-schungsförderung? Wo beginnt denn gesamtstaatlicheVerantwortung, wenn nicht bei der Bekämpfung desFachkräftemangels?
Bereits im Oktober 2006, vor eineinhalb Jahren, ha-ben wir Grüne die Bundesregierung aufgefordert, sichgemeinsam mit den Ländern für eine bessere Lehre ein-zusetzen. Weil seitens der Großen Koalition noch immernvSnjdrdisAiludDmagnMLduKgeSdenmnanbIkr
Der zweite Schritt: Wir wollen gute Lehre in Perso-alentwicklung und Qualitätsmanagement verankern.
ehr Hochschullehrer allein reicht nicht aus – guteehre braucht gute Professorinnen und Professoren. Iner wissenschaftlichen Ausbildung, bei der Berufungnd in regelmäßigen Fortbildungen müssen didaktischeompetenzen eine zentrale Rolle spielen. Einen wichti-en Beitrag dazu leisten hochschuldidaktische Zentren.Um gute Lehre zu identifizieren, brauchen wir zudemine systematische Evaluierung von Studienqualität undtudienerfolg: Was hat das Seminar gebracht? Hat sicher Dozent engagiert? Diese Fragen müssen methodischrhoben werden und Konsequenzen haben, bis hin zu ei-er, leistungsbezogenen Bezahlung. Auch in der Lehreuss gelten: Leistung zahlt sich aus.
Der dritte Schritt: Mit den bislang genannten Maß-ahmen können wir gute Lehre in der Fläche erreichen;ber genau wie in der Forschung dürfen wir uns damiticht zufriedengeben. Wir müssen weitere Impulse ge-en. Auch in der Lehre braucht es immer wieder neuedeen, Best-Practice-Beispiele und innovative Zukunfts-onzepte. Deshalb wollen wir einen Wettbewerb für he-ausragende und innovative Lehre.
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Kai GehringNach seiner Erprobung sollte dieser Wettbewerb alsvierte Säule in die bestehende Exzellenzinitiative inte-griert werden. Das heißt, dass ab 2011 eine Hochschulenur dann als Spitzenuniversität gelten kann, wenn sie ne-ben herausragender Forschung auch exzellente Leistun-gen in der Lehre erbringt. Das Erfolgsrezept der deut-schen Hochschulen – die Einheit von Forschung undLehre – spiegelt sich dann endlich auch in der Exzellenz-initiative wider.Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Regierungs-fraktionen, erkennen Sie endlich an, dass qualitativhochwertige Lehre an den Hochschulen nicht nur inGrußworten und Länderappellen ein Thema sein darf.Was die KMK auf Initiative des Stifterverbandes für dieDeutsche Wissenschaft beschlossen hat, ist ein ersterSchritt, reicht aber bei weitem nicht aus. Der Bund sel-ber muss aktiv werden.
Es geht letztlich darum, dass die Studienbedingungenin Deutschland international wettbewerbsfähig werden.Sie müssen auf ein anständiges Niveau angehoben wer-den, damit die Voraussetzungen dafür geschaffen wer-den, dass künftig deutlich mehr junge Menschen zufrie-den und erfolgreich ihr Studium abschließen können.Das wollen wir Grünen mit unserer Initiative erreichen.Ich hoffe auf breite Unterstützung in diesem Haus.Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin
Monika Grütters das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LieberHerr Kollege Gehring, wir haben nicht im Oktober 2006,sondern ziemlich genau vor zwei Jahren – nämlich am16. Februar 2006 – den Antrag „Mehr Qualität für dieHochschulen“ beraten. Nun könnte man feststellen: Dieprächtigen Grünen lassen einfach nicht locker. Richtigwäre aber, Sie einmal mehr daran zu erinnern, dass derBund bei aller Einsicht und allem Respekt vor Ihrer Nei-gung zu diesem Thema nur eine sehr begrenzte Zustän-digkeit hat. Das wollen Sie nicht gerne einsehen. Da Sieals Grüne in den Ländern so wenig Einfluss haben,
dass Sie Ihre Themen dort nicht platzieren können, wäh-len Sie die für die Oppositionsarbeit beste aller mögli-chen Redezeiten im Deutschen Bundestag – wie Sie esvorgestern formuliert haben –, um über Ihr Spezialthemareden zu dürfen.
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ie widerlegen Ihre Behauptung aber gleich selbst, in-em Sie völlig zu Recht auf die Exzellenzinitiative
nd – das ist in diesem Kontext viel wichtiger – auf denochschulpakt zu sprechen kommen.
en hat nämlich keine unserer Vorgängerregierungenauch Rot-Grün nicht – auf den Weg gebracht.Gerade der Hochschulpakt ist ein Instrument, mit demie Studienanfängerzahlen berücksichtigt und die Be-reuungsrelationen verbessert werden. Dabei musste derund auch hierbei regelrecht föderale Tricks anwenden,m zu diesem Zweck den Ländern finanzielle Wohltatenewähren zu dürfen.
Wenig ausgegoren geht es in Ihrem Antrag weiter. Sietellen Notwendigkeiten wie eine steigende Grundfinan-ierung der Hochschulen – das ist ein prima Appell anie Länder – oder die systematische Verankerung vonehrqualität in Personalentwicklung an allen Hochschu-en heraus. Diese Aufforderung richtet sich nicht an denund, sondern an die Universitäten.
eim Wettbewerbsverfahren zur Auszeichnung heraus-agender Lehrleistungen bleiben Sie uns in Ihrem um-angreichen Antrag konkrete Angaben oder Konzeptechuldig, lieber Herr Gehring.Im Übrigen stellen Sie richtigerweise fest:Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müs-sen in erster Linie die Länder die Unterfinanzierungihrer Hochschulen beenden.
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Monika GrüttersDanach verhaspeln Sie sich ein wenig zwischen einerFlexibilisierung der KapVO und einer verbesserten Be-treuungsrelation, ohne konkret zu sagen, was Sie wirk-lich wollen. Auch Gender-Aspekte dürfen in Ihrem An-trag nicht fehlen. Auch das ist richtig. An mancher Stellekam mir die Idee, Sie dem Stifterverband oder der HRKals Berater zu empfehlen.
Lassen Sie uns unabhängig von den Problemen diesesAntrags zur Sache feststellen: Für die Forschung – damithaben Sie recht – ist mit der Exzellenzinitiative in derTat viel erreicht worden, und der Hochschulpakt hat zu-mindest quantitativ die Lehrsituation erheblich verbes-sert. Nicht richtig ist aber in diesem Zusammenhang IhreAussage, Herr Gehring, dass der Bund im Hochschul-pakt weniger als ein Drittel der von der Bundesregierungselbst angesetzten Studienplatzkosten übernehme. Viel-mehr haben Bund und Länder im Hochschulpakt einenBetrag von 22 000 Euro pro Studienanfänger als ange-nommene Durchschnittskosten zugrunde gelegt. DieseSumme entspricht den durchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für die Lehre.Konkret fordern Sie die Berücksichtigung der Quali-tät der Lehre in Hochschulpakt und Exzellenzinitiative.Eine Integration des Themas in bestehende Maßnahmenhalten wir nicht für sinnvoll, weil sowohl Hochschulpaktals auch Exzellenzinitiative bereits klar im Fokus stehen.Die Frage einer Bundesbeteiligung an Maßnahmen zurVerbesserung der Qualität der Lehre wird sich spätestensnach der Veröffentlichung der Empfehlungen des Wis-senschaftsrats zu diesem Thema stellen. Nur damit daseinmal klar ist: Wir reden dabei über einen jährlichen Fi-nanzbedarf in Milliardenhöhe, der mit Sicherheit nichtallein von der Bundesregierung getragen werden könnte.Sie fordern, die Lehrqualität bei der Förderung derBildungsforschung zu berücksichtigen. Entweder habenSie es nicht zur Kenntnis genommen, oder Sie haben esvorsichtshalber nicht erwähnt: Unter dem Dach desBMBF-Rahmenprogramms „Empirische Bildungsfor-schung“ geschieht das bereits. Im Rahmen dieses Pro-gramms wurde ein spezieller Förderschwerpunkt Hoch-schulforschung etabliert. Dabei steht natürlich dieHochschullehre im Mittelpunkt. Das BMBF wird imLaufe dieses Jahres entsprechende FuE-Projekte im Um-fang von 12 bis 15 Millionen Euro starten. Hinzu kom-men Kompensationsmittel der Länder.Wenn Sie schon einen so ausführlichen Antrag schrei-ben, dann hätten Sie diese bestehenden, nicht unerhebli-chen Maßnahmen fairerweise zumindest erwähnen müs-sen, statt mit ihren Forderungen den Bund zu beauftragen,seinerseits die Länder zu beauftragen und damit die Zu-ständigkeitsfrage zu umgehen.
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ie, Herr Gehring, klagen an einem anderen Punkt im-er ein, dass die Wirtschaft sich stärker beteiligen sollte.er Stifterverband ist eine Organisation, die sich auspenden der Wirtschaft zugunsten der Wissenschaft fi-anziert.
a haben Sie genau das, was Sie an anderer Stelle habenollten. Dann ist aber der Stifterverband – ob Sie esollen oder nicht – auch nach Ihrer Logik die richtigedresse. Gerade gestern haben KMK, Länder und Stif-erverband ein entsprechendes Konzept mit einem Fi-anzierungsvolumen von immerhin 10 Millionen Euroür drei Jahre vorgestellt.
Mäkeln Sie nicht herum, sondern nehmen Sie bitte zurenntnis, dass die richtigen Ansätze zur Umsetzung des-en, was Sie fordern, gewählt wurden.
ch halte das vorgestellte Konzept zumindest für einenuten Ansatz.Außerdem hat sich der Stifterverband das ThemaLehre“ zu Beginn des Jahres in seiner großen Presse-onferenz auf die Fahnen geschrieben. Er möchte sogarine Deutsche Lehrgemeinschaft gründen und stellt da-ür 5 Millionen Euro zur Verfügung. Auch das muss hieresagt werden. Ob das der richtige Weg ist, hängt vonem Mobilisierungsgrad solcher Wettbewerbe ab.Des Weiteren fordern Sie Lehrpreise. Davon gibt esereits einige; das unterschlagen Sie in Ihrem Antrag.um einen gibt es den Ars-legendi-Preis, der von derochschulrektorenkonferenz und dem Stifterverbandemeinsam vergeben wird. Zum anderen gibt es denreis „Exzellenz in der Lehre“ des Hessischen Wissen-chaftsministeriums, das in letzter Zeit so stark in derritik stand. Das ist der bundesweit höchstdotierte Lehr-reis überhaupt.
Außerdem gibt es den Medida-Prix, der mit00 000 Euro Preisgeld dotiert ist und unter anderemom BMBF finanziert wird. Da haben Sie den von Ihneneforderten Bundesbeitrag, Herr Gehring. Selbst diechwerfällige KMK hat eine Amtschefkommission miter Qualitätssicherung an Hochschulen beauftragt. Au-erdem will sie ein Informationsportal eröffnen.
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Monika Grütters
All das hätten Sie in Ihrem Antrag erwähnen müssen.Abschließend möchte ich sagen, dass es nicht ganzeinfach ist, solch ein Thema angemessen zu beraten. Wirhaben die Bedeutung dieses Themas begriffen; das müs-sen Sie nicht einfordern, das haben wir uns hier bei jederGelegenheit gegenseitig versichert. Da gibt es einenbreiten überparteilichen Konsens. Bei diesen hochschul-politischen Themen ist es aber immer wichtig, die föde-ralen Zuständigkeiten anzuerkennen, ohne sich gleichdem Verdacht aussetzen zu müssen, man nehme dasThema nicht ernst. Sie haben diesen Antrag geschrieben,und wir haben noch einmal aufgelistet, welche Instru-mente und Einzelaktivitäten es gibt. Wir sind uns eben-falls darin einig, dass noch jede Menge mehr geschehenkann.Sie haben in Ihrem Antrag an vielen Stellen eine Auf-forderung an den Bund mit einem Appell an die Länderoder Universitäten verbunden. Der Bund kann aber nurgemeinsam mit den Ländern Programme auflegen; erkann es nicht über ihre Köpfe hinweg tun.
Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiodenicht zuletzt mit dem Hochschulpakt mehr als alle Vor-gängerregierungen getan. Der Bund darf aber nicht – eswäre ein Missverständnis des Föderalismus, ihn dazuaufzufordern – die Rolle eines Wächters einnehmen undüberwachen, wie die Länder ihre Aufgaben erfüllen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Uwe Barth für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Situation der Lehre an den deutschen Hochschulenist mangelhaft und wird sich in den kommenden Jahrenvoraussichtlich weiter verschlechtern. So schön es ist,dass es den Hochschulpakt 2020 gibt: Auch er ist drama-tisch unterfinanziert und nicht geeignet, eine gerechteVerbesserung der Bedingungen herbeizuführen. Darinsind sich alle Experten einig.Die Forderungen der Grünen zur Verbesserung derGrundfinanzierung der Hochschulen oder zur Entwick-lung neuer Personalkategorien, um eine bessere Betreu-ungsrelation und damit eine hochwertige Lehre zu er-möglichen, werden von der FDP ausdrücklich geteilt.Auch der Hochschulpakt II muss besser ausgestattetwerden. Wir müssen die staatlichen Aufwendungen fürden Hochschulbereich drastisch steigern und endlich aufinternationales Niveau heben.GftmWStTsWsgIgesPiAkKsdaidEHwrDmtrGgUHwnLsbZGl3sGpfH
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Exzellente Lehre für alle – in dieser Forderung ste-cken drei wesentliche Elemente. Erstens. Es muss einausreichendes Angebot an Studienplätzen zur Verfügungstehen. Zweitens. Alle müssen die gleiche Chance ha-ben, ein Studium zu beginnen, auch in materieller Hin-sicht.
Drittens. Die Qualität der Lehre muss stimmen.Zunächst zur Quantität. Wir haben mit dem Hoch-schulpakt einen riesigen Schritt gemacht, um das Ange-bot an Studienplätzen in Deutschland auszubauen. DieGrünen fordern aber in ihrem Antrag vollkommen zuRecht, dass die Verhandlungen über die Fortsetzung desHochschulpaktes zügig aufgenommen werden, damit dieHochschulen für die folgenden Jahre eine verlässlichePlanungsgrundlage haben. Mit diesem Hochschulpakt IImüssen wir, so denke ich, noch eine ordentliche Schippedrauflegen. Wir müssen dabei immer im Sinn haben,dass mehr Studierende nicht etwa eine Belastung sind,ein dräuender Berg am Horizont, sondern eine tolleChance für unser Land. Wir wollen die Menschen fürddPdtgeDsCdnbvVjudgmLtldpmdsddsdWoWGzuugGdlzbDb
Wir Sozialdemokraten sind darum vorsichtig, wasine Änderung der Kapazitätsverordnung anbetrifft.iese Verordnung geht auf Urteile des Bundesverfas-ungsgerichts zurück. Es ist festgelegt, dass jeder diehance zur Aufnahme eines Studiums haben muss undass die Hochschulen darum entsprechend ihren perso-ellen und räumlichen Kapazitäten Studienplätze an-ieten müssen. Ich nehme die Kritik an der Kapazitäts-erordnung durchaus ernst. Es wird argumentiert, dasserbesserungen in der Lehre kaum möglich seien, weileder zusätzliche Professor mehr Studierende erzwingend somit die Betreuungsrelation schlecht bleibe. Aller-ings gibt es auch dort hohe Abbrecherquoten, wo weni-er Studierende auf einen Hochschullehrer kommen. Esuss also noch andere Gründe für die Probleme in derehre geben. Vor allem aber besteht ohne die Kapazi-ätsverordnung eine große Gefahr: Dann gibt es viel-eicht ein optimales Verhältnis von Professoren zu Stu-ierenden, aber eben nur für ganz wenig Studierende.
Ich will mir die Hochschulwelt nicht gerne ohne Ka-azitätsverordnung oder ein ähnliches Instrument aus-alen. Ich glaube, es würden noch deutlich mehr Stu-ierwillige vor verschlossenen Toren der Hochschulentehen, schließlich in die berufliche Ausbildung abwan-ern und einen entsprechenden Verdrängungseffekt mitem Ergebnis hervorrufen, dass am Ende junge Men-chen ganz ohne Ausbildung und Zukunftsperspektiveastehen. Das ist der falsche Weg.
ir müssen also sehr vorsichtig mit der Kapazitätsver-rdnung umgehen; denn sie sichert vielen Menschen deneg in die Hochschulen. Änderungen können nur mitarantien für ein ausreichendes Angebot an Studienplät-en einhergehen.Wir Sozialdemokraten fordern gleiches Recht für allend darum auch exzellente Lehre für alle. Wir begnügenns nicht damit, für einige wenige besondere Anstren-ungen zu unternehmen. Das ist nicht nur eine Frage vonleichheit und Gerechtigkeit, sondern das ist auch fürie Wissenschaft wichtig; denn nur wenn wir alle Ta-ente optimal fördern, bekommen wir auch viele Spit-enleute, die wiederum die Wissenschaft nach vorneringen.
iese Spitzenleute müssen natürlich auch gute Arbeits-edingungen haben. Wir unterstützen das.
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Swen Schulz
Aber wir dürfen die sogenannte Breite nicht schlecht-reden, lieber Herr Kollege Barth. Die ganz normalen Be-triebswirtschaftler, Lehrer, Psychologen und Ingenieuresind Fachkräfte, die die Gesellschaft und die Wirtschaftbrauchen. Ein Hochschulsystem, das sich nur um dieNobelpreisträger kümmert und den Rest so nebenherlau-fen lässt, ist grundlegend falsch organisiert.
Auch darum ist es so wichtig, dass wir in materiellerHinsicht Chancengleichheit gewährleisten. Diese Koali-tion hat wirklich gute Verbesserungen beim BAföG be-schlossen. Was wir hier im Bundestag leider nicht be-schließen können, ist ein Verbot von Studiengebühren.
Das ist nach der Föderalismusreform Aufgabe der Bun-desländer.Die CDU/CSU und die FDP glauben, dass sie bei demThema Studiengebühren die historische Wahrheit auf ih-rer Seite haben.
Ich sage Ihnen voraus, lieber Kollege Barth: Sie werdendiese Position eines Tages räumen. Sie ist nämlich vonder Sache her falsch, und Sie bekommen von den Men-schen keine Unterstützung dafür.
Sie müssen den Leuten in der Bildung den roten Tep-pich auslegen, anstatt Bildungsangebote mit Gebührenzu belegen, die sich viele nicht leisten können. Das hatsich bei der Schule durchgesetzt.
Das setzt sich gerade auch bei den Kindertagesstättendurch, Herr Kollege Barth,
und das wird sich auch bei den Hochschulen wiederdurchsetzen; da bin ich mir sicher. Die Menschen wer-den sich daran erinnern, wer sich für sie eingesetzt hatund wer nicht.
Neben einem ausreichenden Angebot an Studienplät-zen, zu denen alle Zugang haben, die können und wol-len, muss auch noch die Qualität stimmen. Da haben wirganz offenkundig erhebliche Probleme; zu Recht wirddas im Antrag der Grünen angesprochen. Die hohen Ab-brecherquoten, auch die Schwierigkeiten bei Bachelorund Master machen dringenden Handlungsbedarf deut-lich.In den letzten Jahren haben wir – neben dem Hoch-schulpakt – vor allem sehr viel für die Spitzenforschunggetan, etwa mit der Exzellenzinitiative. Das war und istrlcmdeGgddrgkBssflmgdgVwtltAgczishwezgdbndDhlnGdmlGln
uch das ist eine gute Idee, um die Lehre voranzubrin-en, Anreize zu schaffen, gute Beispiele publik zu ma-hen und die Hochschullandschaft generell in Bewegungu bringen. Lassen Sie mich dazu gleichwohl sagen, dassch, was die Wettbewerbsinstrumente anbetrifft, inzwi-chen ein bisschen zurückhaltend geworden bin. Ichabe nämlich den Verdacht, dass tendenziell einigeenige, finanziell besonders gut ausgestattete undtablierte Einrichtungen über solche Wettbewerbe eineusätzliche Förderung absahnen. Die Rahmenbedingun-en müssten deswegen entsprechend gestaltet werden,amit auch die Kleinen und Armen Gewinnchancen ha-en.Zum Schluss meiner Rede möchte ich auf eines mei-er Lieblingsthemen zu sprechen kommen, nämlich aufas Konzept „Geld folgt Studierenden“. Gestern in derebatte um ein mögliches Wissenschaftsfreiheitsgesetzabe ich bereits darauf hingewiesen, dass die Hochschu-en die Lehre häufig als Last empfinden, weil sie sichicht lohnt. Wissenschaftler und Hochschulen erhalteneld und Renommee über die Forschung und nicht fürie Lehre. Um das umzukehren, müssen wir die Rah-enbedingungen so gestalten, dass sich die Hochschu-en um die Studierenden gewissermaßen reißen, weil sieeld bringen. Kein Bundesland wird es sich bei der Rea-isierung des Konzeptes „Geld folgt Studierenden“ dannoch leisten wollen und können, Studierende einfach
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Swen Schulz
ziehen zu lassen, und für die Hochschulen wären dieStudierenden dann keine Last mehr, sondern eineFreude.
– Das habe ich gestern gesagt.Das ist ein spannendes und wichtiges Feld. Ich hoffe– die SPD-Fraktion setzt sich engagiert dafür ein –, dasswir hier im Deutschen Bundestag eine Mehrheit für ent-sprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre be-kommen.Herzlichen Dank.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin
Cornelia Hirsch.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Linke begrüßt es sehr, dass die Grünen heute das
Thema „Gute Lehre“ auf die Tagesordnung gesetzt ha-
ben. Im Namen meiner Fraktion möchte ich drei Punkte
nennen, mit denen ich teilweise Widerspruch zu den In-
halten des Antrags deutlich mache, sie teilweise aber
auch einfach als Ergänzung und Bereicherung ansehe.
Erster Punkt. Uns fehlt in dem Antrag die Feststel-
lung, dass gute Lehre auch immer gute Arbeitsbedingun-
gen bedeutet; wir haben in der gestrigen Debatte bereits
darüber diskutiert. Wir als Linke sind der Auffassung,
dass sich die Große Koalition in dieser Hinsicht nicht ge-
rade mit Ruhm bekleckert hat, weil sie mit dem Wissen-
schaftszeitvertragsgesetz die Hire-and-fire-Mentalität in
der Wissenschaft noch viel stärker verbreitet hat.
Wir finden es auch nicht richtig, dass einfach hinge-
nommen wird, wie mein Kollege Volker Schneider ges-
tern dargestellt hat, dass im akademischen Mittelbau
teilweise wirklich katastrophale Arbeitsbedingungen
herrschen und der Stundenlohn beispielsweise für Pro-
movierende unter dem Mindestlohn in der Reinigungs-
branche liegt. Die Linke wird das auf keinen Fall akzep-
tieren. Wenn wir gute Lehre haben wollen, dann muss
sich an dieser Stelle etwas ändern.
Zweiter Punkt. Gute Lehre heißt auch, dass wir nicht
weiter in die Sackgasse der Elite- und Exzellenzwettbe-
werbe rennen dürfen. Hier melden wir in Bezug auf den
Antrag der Grünen ganz deutlichen Widerspruch an.
Nachdem sich jetzt der erste riesige Freudentaumel und
die Begeisterung über die erste Exzellenzinitiative der
Bundesregierung gelegt haben, zeigt sich, dass schon
diese Exzellenzinitiative mehr Probleme aufwirft, als sie
Lösungen für die Misere an den Hochschulen anbietet.
Das beste Beispiel ist die Debatte über die Frage, ob
die jetzt geförderten Hochschulen in der Förderung blei-
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Dritter Punkt. Gute Lehre muss auch die Frage beant-
orten: Was wird eigentlich gelehrt und gelernt? Da bie-
et sich aus Sicht der Linken ein Blick nach Venezuela
n. Ich konnte in der letzten Woche im Rahmen einer
elegationsreise die vor einigen Jahren gegründete Boli-
arische Universität in Caracas besuchen. Diese Hoch-
chule ist nicht nur deshalb beeindruckend, weil da so-
iale Öffnung anders als hier kein Fremdwort, sondern
ie Grundlage der Hochschule ist, sondern auch deshalb,
eil die Einheit von Forschung und Lehre, die bei uns
mmer wieder betont wird, dort noch um ein drittes Ele-
ent ergänzt wird, nämlich um das Element der Praxis.
Dazu ein Beispiel. Praxis an dieser Hochschule kann
o aussehen, dass Studentinnen und Studenten der Archi-
ektur direkt in die Armenviertel gehen, sich vor Ort an-
chauen, was dort überhaupt passiert, das in die Hoch-
chule zurücktragen und überlegen, wie die Wissenschaft
azu beitragen kann, dass ein soziales Grundrecht auf
ohnen realisiert wird.
Schon dieses Beispiel zeigt, dass der Praxisbegriff dort
as Gegenteil von dem Praxisbegriff in der deutschen
ochschulpolitik ist. Bei uns geht es rein um Anpassung
n bestehende Verhältnisse, um eine bessere kapitalisti-
che Verwertbarkeit, aber nicht um das Vorankommen der
esellschaft, nicht um eine Wissenschaft im gesamtge-
ellschaftlichen Interesse.
Wir als Linke hoffen, dass diese Ansätze aus Vene-
uela auch hier in Deutschland und in Europa aufgegrif-
en werden und etwas von dieser revolutionären Kraft
uch hier ankommt. Diese revolutionäre Kraft brauchen
ir für eine gute Lehre an den Hochschulen und auch in
llen weiteren gesellschaftlichen Bereichen.
Besten Dank.
Ich schließe die Aussprache.
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtInterfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 16/8211 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist dieÜberweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten JanMücke, Horst Friedrich , PatrickDöring, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPZukunft der Flugsicherung verfassungskon-form gestalten– Drucksache 16/7133 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieVerteidigungsausschussAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieFraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höredazu keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfah-ren.Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat derKollege Jan Mücke für die FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 23. Okto-ber 2006 hat der Herr Bundespräsident das Parlamentdarüber informiert, dass er das hier im Hause beschlos-sene Flugsicherungsgesetz nicht unterschreiben werde,weil er es für evident verfassungswidrig hält.Nun haben wir seit mehreren Jahren den Zustand,dass in einigen Gebieten von Deutschland die Flugsiche-rung durch nichtdeutsche Flugsicherungsdienste durch-geführt wird. Das bekannteste Beispiel hierfür ist, wieich glaube, die Firma Skyguide, die die Flugsicherungim südbadischen Raum übernommen hat, obwohl esnach Auffassung des Herrn Bundespräsidenten eigent-lich verfassungsrechtlich unzulässig ist, dass sie dort tä-tig ist. Er hat sich nämlich auf ein Gutachten bezogen, indem es heißt, dass Flugsicherungsaufgaben nach der der-zeitigen Lage des Grundgesetzes hoheitlich wahrzuneh-mende sonderpolizeiliche Aufgaben des Staates sind.Insbesondere problematisch wird dieser Fall dadurch,dass gegenüber ausländischen Flugsicherungsorganisa-tionen keinerlei Eingriffsrechte durch den deutschenStaat bestehen. Aus diesem Grunde haben wir seit meh-reren Jahren in Deutschland einen verfassungswidrigenZustand, mit dem man sich eigentlich nur deshalb abfin-den konnte, weil man eine Servitutslösung gefunden hat.Man erklärt also diese Flugsicherungsdienste zu einerAAPNezteisdgwngzrtrrchmrrsbmtsmlWnwbhwwwntczwvddf
ie Möglichkeit gibt, wirtschaftlich über den derzeit ei-enen Tätigkeitsraum in Deutschland hinaus tätig zuerden. Deshalb stellt sich für uns die Frage, ob wiricht jetzt endlich den Weg nach vorne einschlagen undemeinsam Schritte gehen sollten, um das Grundgesetzu ändern. Damit könnten wir der Deutschen Flugsiche-ung eben auch ermöglichen, außerhalb Deutschlands tä-ig zu werden.Europa gibt dafür im Übrigen den Takt vor. Nach eu-opäischer Auffassung handelt es sich bei Flugsiche-ungsdiensten nämlich keineswegs um sonderpolizeili-he Aufgaben, sondern nach europäischer Auffassungandelt es sich dabei schlicht um Dienstleistungen. Dasacht auch Sinn. Auf europäischer Ebene wird ja da-über nachgedacht, funktionale Luftraumblöcke einzu-ichten. Es soll also versucht werden, die Flugsicherung,tatt sie wie bisher an den nationalen Grenzen aufhörenzw. beginnen zu lassen, etwas breiter aufzustellen. Da-it könnten Flugsicherungsdienste länderübergreifendätig werden. Hieraus ergibt sich für uns die klare Kon-equenz, dass wir verfassungsrechtlich tätig werdenüssen. Dazu möchten wir Sie mit unserem Antrag ein-aden.
Es gibt ein weiteres Argument, warum Europa dieseneg eingeschlagen hat. Europa hat sich nämlich vorge-ommen, einen Single European Sky zu kreieren. Damitären große Erleichterungen für den Flugverkehr ver-unden, sowohl hinsichtlich der Reisezeiten als auchinsichtlich der ökologischen Seite, die immer wichtigerird. Es macht ja schlicht keinen Sinn, dass riesige Um-ege in Europa in Kauf genommen werden müssen,eil Flugzeuge entlang von Ländergrenzen bzw. durchationale Luftraumblöcke fliegen müssen. Diese könn-en vermieden werden, wenn funktionale bzw. Flugsi-herungsgrenzen keine Rolle mehr spielten und Flug-euge von Punkt zu Punkt fliegen dürften.
Es gibt dazu unterschiedliche Schätzungen. Das Um-eltbundesamt geht von möglichen CO2-Einsparungenon mindestens 9 Prozent aus. Andere sagen, 16 Prozentes CO2-Ausstoßes könnten allein dadurch eingespart wer-en, dass man innerhalb von Europa von Punkt zu Punktliegt. Voraussetzung dafür sind länderübergreifende
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Jan Mückefunktionale Luftraumblöcke. Von daher wäre es aus un-serer Sicht richtig, diesen Weg zu beschreiten und zuversuchen, eine verfassungsrechtlich saubere Lösung zufinden. Warum tun wir das im Wege einer Kapitalprivati-sierung? – Es geht dabei nicht so sehr darum, dass Flug-sicherungsdienste von ausländischen Organisationenauch in Deutschland erbracht werden können. Dagegenist nichts zu sagen. Wir Liberale sind Fans von Wettbe-werb. Aber wir wollen vor allen Dingen, dass, wenn Sin-gle European Sky geschaffen wird, die deutsche Flug-sicherung die Chance hat, im Wettbewerb zu bestehen.
Das kann sie nur, wenn sie technisch optimal ausgerüstetist. Technisch optimal ausgerüstet werden kann sie nur,wenn sie genügend Kapital besitzt, um in anderen Län-dern tätig zu sein und investieren zu können.
Diesen Weg wollen wir der deutschen Flugsicherungnicht verbauen. Im Gegenteil: Wir möchten ihr dieChance geben, am Kapitalmarkt Finanzmittel zu besor-gen, um über Ländergrenzen hinaus international tätigzu werden, damit der erfolgreiche Weg dieses ganz her-vorragenden Unternehmens – es war ja ursprünglich eineBundesanstalt, die wir alle gemeinsam 1993 auf denWeg in Richtung Privatisierung, in Richtung Dienstleis-tung geführt haben –, der dem Unternehmen sehr gut ge-tan hat, weiter beschritten werden kann.Wir laden Sie alle herzlich ein, mit uns gemeinsameine Lösung zu finden. Die FDP-Bundestagsfraktion istbereit, das Grundgesetz entsprechend zu ändern und an-zupassen. Sie sind herzlich eingeladen, mitzumachen.Vielen Dank.
Der nächste Redner ist der Kollege Norbert
Königshofen für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Lieber Herr Kollege Mücke! Besonders begrüßenmöchte ich unseren Sprecher, Dirk Fischer, der eigensaus Hamburg gekommen ist, um an dieser Debatte teil-zunehmen.
Zunächst einen Glückwunsch an die SPD. Ich habegerade erfahren, dass das Experiment in Hessen gestopptworden ist.
– Das hat mit der Debatte nichts zu tun, ist aber eineNeuigkeit, die von besonderer Bedeutung ist.Meine Damen und Herren, ich freue mich außer-ordentlich, dass wir heute zur Primetime vor vollemHaus auf Antrag der Kollegen der FDP das Thema Flug-sbgbdG2sBaEsdAPüPztdsluzsuwtfddlimdgdnRz–cngg2wdvwma
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Norbert KönigshofenIch darf daran erinnern, dass wir bei dem ersten Gesetz-entwurf zur Kapitalprivatisierung der DFS über Frak-tionsgrenzen hinweg mit Ausnahme der Linken eine ein-heitliche Haltung vertreten haben. Nach dem Parteitagder SPD in Hamburg ist die Sache aber nicht leichter ge-worden. Das muss man offen ansprechen. Sehen Sie, wirnehmen die Bedenken der FDP ernst, die Bedenken un-seres Koalitionspartners nehmen wir aber besondersernst. Darüber muss man diskutieren. Ich hoffe, dass wireinen Weg finden, der uns gemeinsam zum Ziel führt.Ich erinnere daran, dass wir uns im Koalitionsvertragdarauf verständigt haben, die Deutsche Flugsicherungeiner Teilkapitalprivatisierung zuzuführen. Ich meine,dieses Vorhaben ist nach wie vor richtig und notwendig.Der Bundespräsident hat in seinen Erläuterungen einenWeg gewiesen. Ich glaube, dass wir einen neuen Anlaufstarten und diesen Weg beschreiten sollten.Es wird zu fragen sein, wie hoch der Prozentsatz füreine Teilkapitalprivatisierung sein soll. Damals sind wirvon 74,9 Prozent ausgegangen. Wenn Sie die Erläuterun-gen zur Entscheidung des Bundespräsidenten genau le-sen, werden Sie feststellen, dass auch das überdacht wer-den muss. Die Frage ist, ob wir mehr als 49,9 Prozentveräußern können. Das muss sorgfältig geprüft werden.All das geschieht aber erst im zweiten Schritt. Im ers-ten Schritt müssen wir den verfassungswidrigen Zustandin Deutschland beseitigen. In weiteren wichtigen Schrit-ten müssen wir die SES-Vorgaben umsetzen, die Regu-lierungsbehörde einsetzen und die DFS in die Lage ver-setzen, im europäischen Einigungsprozess an führenderStelle mitzuspielen. Unsere Auffassung war doch im-mer: Wenn wir schon die beste Flugsicherung Europas,vielleicht sogar der Welt haben – so wurde sie jedenfallsausgezeichnet –, wäre es fahrlässig, bei einer Vereinheit-lichung der Flugsicherung auf europäischer Ebene nichtan führender Stelle dabei zu sein.
Dafür müssen die Voraussetzungen geschaffen werden.Ich gehe davon aus, dass das Ministerium, mutig wiees ist, bald eine Vorlage erstellen wird, die uns in dieLage versetzen wird, das Notwendige zu beschließenund umzusetzen. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn wirden Eindruck gewinnen sollten, dass das, aus welchenGründen auch immer, nicht über eine Vorlage der Regie-rung geht, dann sind die Koalitionsfraktionen gefordert.Das haben wir schon einmal gemacht: Ich darf daranerinnern, dass das Parlament 1993 in einem zweitenAnlauf fraktionsübergreifend einen Schritt in RichtungPrivatisierung unternommen hat. Deswegen bin ich zu-versichtlich. Wir werden hierüber im Ausschuss disku-tieren. Ich gehe davon aus, dass wir hinterher wieder einGesetz beschließen, das mit breiter Mehrheit, und zwarnicht nur von CDU/CSU und SPD, sondern auch vonweiten Teilen der Opposition, getragen wird. Das ist not-wendig, weil Deutschland es braucht, weil Europa esbraucht und weil es letzten Endes dazu beiträgt, dasseine ganz wichtige Wirtschaftsbranche, nämlich dieLuftfahrt, in eine geordnete Zukunft gehen kann.Danke schön.DEdeDflntadFJIIDlsqvvHpfagfDssZrf82
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin
orothée Menzner das Wort.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!s wurde schon einiges über die künftige Ausrichtunger Flugsicherung gesagt. Es geht um einen Antrag, derigentlich eine falsche Wortfolge in der Überschrift hat.ie Überschrift heißt „Zukunft der Flugsicherung ver-assungskonform gestalten“. Doch wer diesen Antragiest, wird feststellen, dass die FDP das Gegenteil will,ämlich das Grundgesetz flugsicherungskonform gestal-en, also das Grundgesetz so verändern, dass es zu derktuellen Situation passt.Dabei hat sich schon Professor Schoch, der Gutachteres Bundespräsidenten, klar geäußert. Ich zitiere dierankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Mai letztenahres:Aber bei allen Varianten der Privatisierung derFlugsicherung gibt es einen strukturellen Schnittzwischen der Aufsicht durch die öffentliche Handund dem operativen Geschäft der Privaten. AufLetzteres kann der Bund nicht mehr einfach durch-greifen.ch möchte noch zwei weitere Sätze aus demselbennterview zitieren:Nach einer Privatisierung der Flugsicherung hat derBund nicht mehr die volle Entscheidungsgewalt …Man braucht nicht viel Phantasie, um sich Krisen-situationen vorzustellen, in denen dies schädlichsein könnte.as, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wol-en Sie mit diesem Antrag allen Ernstes noch toppen?Nach dem hoheitlichen Aspekt, den ich eben ange-chnitten habe, komme ich zu den finanziellen Konse-uenzen einer jeden Privatisierung. Wir kennen das auchon der Bahn. Oft wird von privatisierten Gewinnen underallgemeinerten Kosten gesprochen. Dazu habe ich iminblick auf die Flugsicherung die Bundeshaushalts-läne der letzten Jahre durchforstet. Siehe da, ich binündig geworden, und zwar bei den Ruhestandsbezügenll derjenigen, die für die Flugsicherung in der Vergan-enheit gearbeitet haben. Auch diese Aufwendungenließen in die Gebühren der Flugsicherung ein. Dieeutsche Flugsicherung GmbH müsste sie dem Bund er-tatten, denn er zahlt die Pensionen. Aktuell bezahlt erie sogar allein.Genaueres steht im Haushaltstitel 261 05-751. Unteriffer 1, „Erstattungen … durch die Deutsche Flugsiche-ung GmbH“ findet sich Folgendes: „Gebührenanteileür die Altersversorgung“. Im Jahr 2005 waren das,5 Millionen Euro, 2006 nur noch 1,5 Millionen Euro,007 nur noch 150 000 Euro und 2008, ganz aktuell,
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Dorothée Menznersage und schreibe 0 Euro. Das macht von 2006 bis 2008satte 20 Millionen Euro, die von den Steuerzahlerinnenund Steuerzahlern getragen werden. Auch so kann manBilanzen bei Privatisierungen eindrucksvoll schönrech-nen.Mit Verlaub: Der einzig gangbare Schritt aus dem Pri-vatisierungsschlamassel, den wir in dieser Legislaturpe-riode erlebt haben, liegt nun im Aufbau einer Aufsichtder Flugsicherung, dem Aufbau einer Bundesanstalt fürFlugaufsicht, der BAF. Diese Behörde ist mit genügendPersonal auszustatten, und zwar mit Bundesbeamten,nicht mit Angestellten.
Diese Beamten müssen – darauf ist zu achten – unabhän-gig von Weisungen der Flugsicherung GmbH sein. Nurdas wäre mit der EU-Verordnung in Einklang.An der Umsetzung arbeitet offensichtlich die Bundes-regierung, das begrüßen wir. So verstehe ich auch dieÄußerung des Vertreters der Bundesregierung auf demSymposium „Perspektiven für die Flugsicherung inDeutschland und Europa“, das kürzlich hier in Berlinstattfand.Eine solche solide Trennung von Aufsicht und Durch-führung der Flugsicherung ist nichts anderes als das, wasmeine Fraktion in der Bundestagsdrucksache 16/3803schon im Dezember 2006 gefordert hat. Von daher wer-den wir uns das, was vorgelegt wird, sehr genau anse-hen. Wir hoffen, dass es – wie es den Anschein hat – indie richtige Richtung geht.Ich danke.
Nächster Redner ist der Kollege Uwe Beckmeyer für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Wenn man an den Luftraum und an die Flug-sicherung denkt, vermutet man, sie seien in Europa gren-zenlos. Man wünscht sich das; aber das Gegenteil ist derFall. Zurzeit haben wir Grenzen in einem Bereich, dereigentlich anders strukturiert und gestaltet sein sollte. Esgibt eine EG-Verordnung zur Schaffung eines einheitli-chen europäischen Luftverkehrsraums. Ich denke, wirhaben auch in Deutschland die Pflicht, unsere nationalausgerichtete und organisierte Flugsicherung diesemneuen Umstand anzupassen. Dazu hat es in dieser Legis-laturperiode einen ersten Anlauf gegeben. Einige Kolle-gen haben bereits darauf hingewiesen.Es geht uns in dieser Legislaturperiode darum, end-lich auch hier in Deutschland eine rasche Rechts- undStrukturreform durchzuführen, nicht unbedingt eine Ka-pitalprivatisierung, über die immer wieder diskutiertwird, sondern eine Rechts- und Strukturreform der deut-ssdrfGzDzTFdgdDdddwmaruociWlbDsawfsEmguDreistuwwgF
Insofern sind diese Rechts- und Strukturfragen raschnzugehen. Es gibt zurzeit unter den Fachleuten und Be-ichterstattern die Diskussion, ob das einzelgesetzlichnterhalb einer Änderung des Grundgesetzes möglich istder nicht. Ich bin der Meinung: Wenn es eine gesetzli-he Form gibt, die ohne Grundgesetzänderung möglichst, dann gerne, aber es muss rechtlich zweifelsfrei sein.enn es nicht rechtlich zweifelsfrei ist, wird dieses Par-ament an einer Änderung des Grundgesetzes nicht vor-eikommen.
enn ich möchte nicht, dass wir hier ein Gesetz verab-chieden, das dann im Bundespräsidialamt erneut nichtusgefertigt wird. Ich denke, über diese Hürde müssenir uns im Klaren sein. Wir brauchen auch von den Ver-assungsressorts klare Antworten hinsichtlich einer ent-prechenden Gesetzesnovelle. Wir brauchen Klarheit.ine verfassungsrechtliche Grauzone kann und wird esit dem Haus hier nicht geben können.
Ich will noch etwas sagen, das wichtig ist und klar-estellt werden muss: Die Situation in Deutschlandnterscheidet sich von der in anderen Staaten. Ineutschland ist die Flugsicherung in der Verfassung ge-egelt. Dadurch wollten wir deutlich machen, dass sieine Aufgabe des Bundes und keine Aufgabe der Länderst. In den Verfassungen unserer europäischen Nachbar-taaten sind keine Regelungen zur Flugsicherung enthal-en. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass es sich hierbeim eine Dienstleistung handelt. Als Mann von der Küsteeise ich nur darauf hin: Unser Lotswesen beispiels-eise ist nicht im Grundgesetz verankert. Man muss alsoenau hinschauen, um welche Thematik und um welcheragestellungen es jeweils geht.
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Uwe BeckmeyerIch habe die Hoffnung, dass die Deutsche Flugsiche-rung bei der Einrichtung funktionaler Luftraumblöcke inEuropa schon bald eine wichtige und gestaltende Rollespielt. Auf europäischer Ebene brauchen wir eine gestal-terische Kraft, und die Deutsche Flugsicherung – das istvorhin schon erwähnt worden – gehört zu den bestenFlugsicherungen der Welt. Sie erbringt eine wichtigeDienstleistung. Die Sicherheit in diesem Bereich konnteimmer weiter erhöht werden. Die Bürgerinnen und Bür-ger bzw. die Passagiere verlangen von der DeutschenFlugsicherung eine einzigartig gute Leistung.In diesem Zusammenhang sind aber noch einige Fra-gen zu klären. Dabei geht es um die Flugsicherung an re-gionalen Flughäfen, um die Flugsicherung in Grenzge-bieten, insbesondere im süddeutschen Luftraum durchSkyguide, aber auch um die Umsetzung des Konzeptsder funktionalen Luftraumblöcke. Diese Themen müs-sen sauber abgearbeitet werden. Das verlangt schon derUmstand, dass sie immer noch auf unserer Tagesord-nung stehen. Auf diese Themen sollten wir uns bei unse-rer Arbeit konzentrieren.Jetzt möchte ich einen Punkt ansprechen, der in derderzeitigen öffentlichen Diskussion zu kurz kommt –Kollege Königshofen hat diesen Gedanken bereits auf-gegriffen, und ich will diesen Aspekt betonen: Wir ha-ben die Chance, durch die Umsetzung des Konzepts derfunktionalen Luftraumblöcke in Europa für einen enor-men Minderverbrauch von Kerosin zu sorgen. Durch dieRealisierung dieses Konzepts können Umwegflüge– teilweise machen diese Umwege einige hundert Kilo-meter aus – in Europa vermieden werden. Das ist einhehres Ziel. Nichtsdestotrotz sollten wir uns vornehmen,dieses Ziel zu erreichen.Da wir immer davon reden, dass das Flugzeug einemissionsträchtiges Transportmittel ist, möchte ich da-rauf hinweisen: Wir müssen auch für die Fluggesell-schaften die Voraussetzungen schaffen, dass sie vonFrankfurt nach Madrid nicht 1 600 Kilometer fliegenmüssen, sondern dass sie für diese Strecke vielleicht nur1 100 Kilometern brauchen, weil sie die kürzeste Luftli-nie fliegen können und nicht aufgrund verschiedener na-tionaler Luftraumzuständigkeiten Umwege fliegen müs-sen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.
Fachleute schätzen, dass wir dadurch circa 12 Prozentdes Kerosinverbrauchs einsparen könnten. Diese Per-spektive verdient eine nationale bzw. europäische An-strengung. Indem wir die Verkehrsströme und die Flug-routen optimieren, würden wir nicht nur für mehrSicherheit in Europa sorgen, sondern auch einen ökolo-gisch sehr sinnvollen Ansatz zur Vermeidung zusätzli-cher Emissionen verfolgen.Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sicherheitist bei all dem oberstes Gebot. Die Deutsche Flugsiche-rung funktioniert sehr gut. In der Vergangenheit habenwir es auch geschafft, eine Abgrenzung von militäri-scher und ziviler Flugsicherung vorzunehmen. Die inte-grierte Flugsicherung funktioniert in Deutschland her-vuwcaaWnHpJzZgmsavmtdwndgnsLgSwfEnlwWmmfrs
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
infried Hermann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
en.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich glaube, als der Bundespräsident die Kapital-rivatisierung der Flugsicherung vor rund anderthalbahren gestoppt hat, waren die meisten von uns dochiemlich überrascht. Auch wir hatten natürlich gewisseweifel. Dass die Entscheidung damals so eindeutig aus-efallen ist, hat uns aber überrascht. Seitdem – das mussan nüchtern feststellen – hängt die Deutsche Flug-icherung buchstäblich in der Luft, und seitdem hängenuch einige andere Flugsicherungsgesellschaften ohneerfassungsmäßige Grundlage in der Luft. Denn wennan das Gutachten und den Spruch des Bundespräsiden-en ernst nimmt, dann kommt man zu dem Ergebnis,ass das Grenzregime von privaten Flugsicherungen, dasir in Süddeutschland haben – die Skyguide –, auchicht verfassungskonform ist. Dann ist es auch nicht miter Verfassung in Einklang zu bringen, dass wir auf Re-ionalflughäfen private Fluglotsen haben, die auch kei-er Bundesbehörde angehören. Hier herrscht also offen-ichtlich ein Zustand, der korrigiert werden muss.Die Große Koalition stochert bei der Suche nach einerösung ein bisschen im Nebel; das muss man schon sa-en.
onst würde uns nach anderthalb Jahren ein Gesetzent-urf vorliegen.
Auf Nachfragen bei der Bundesregierung haben wirestgestellt, dass es auch in der Bundesregierung keineinigkeit gibt. Die verschiedenen Ressorts haben sichicht darauf einigen können, wie man das angeht; sonstäge ein Gesetzentwurf vor.Ich sage dies nicht mit besonderer Häme; denn icheiß, dass die Problematik nicht einfach zu lösen ist.ir haben damals bei diesem Gesetzentwurf mitge-acht und – das sage ich ganz offen – geglaubt, dassan mit einem geschickten Gesetzentwurf an einer Ver-assungsänderung vorbeikommt. Je länger man darüberäsoniert, desto mehr denke ich, dass das auch ein Ver-uch war, an der Realität vorbeizuschauen. Die Realität
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Winfried Hermannder deutschen Verfassung gibt meines Erachtens nichther, was durch das Privatisierungsgesetz versucht wor-den ist.Ich will das an folgendem Bild deutlich machen. DasGrundgesetz schreibt im Grunde genommen vor, dassdie Flugsicherung von einer Bundesbehörde wahrge-nommen werden muss. Das hat man sich vor 50 Jahrenso ausgedacht. Da war aber die Situation in Deutschlandund in Europa völlig anders. Die damaligen Verfas-sungsväter konnten sich nicht vorstellen, dass es einmaleinen einheitlichen europäischen Himmel geben würde.Sie konnten sich auch nicht vorstellen, dass es einmal soviel Luftverkehr geben würde und dass es am Schlusskeine hoheitliche Aufgabe, sondern überwiegend eineDienstleistungsaufgabe sein würde.Insofern muss man einfach sagen, die derzeitigegrundgesetzliche Regelung trägt der Realität im europäi-schen Luftverkehr, die sich in den letzten 50 Jahren ver-ändert hat, nicht mehr Rechnung. Deshalb müssen wir,glaube ich, darüber nachdenken, wie wir eine Gesetzes-regelung, eine Organisationsform hinbekommen, die ei-nerseits die europäischen Anforderungen realer undrechtlicher Art erfüllt und die Verordnung Single Euro-pean Sky umsetzt, die auf der anderen Seite aber verfas-sungsmäßig sauber abgesichert ist.
Nun gehöre ich zu den Leuten, die sagen, die Verfas-sung tastet man nicht einfach an, schon gar nicht wegennur eines Gesetzes. Aber wenn man feststellt, dass dieVerfassung eine Regelung enthält, die überhaupt nichtmehr zeitgerecht ist, dann muss man darüber nachden-ken, wie man die Organisation und die Verfassung zu-sammenbringt.Wenn wir allerdings zu einer vernünftigen Regelungkommen wollen – das sage ich ganz klar –, dann müssenwir, glaube ich, einen neuen Anlauf machen. Wir kom-men nicht weiter, wenn wir an dem alten Modell, mitdem wir gescheitert sind, hier noch ein bisschen herum-basteln und dort noch ein bisschen herumbasteln undeinfach das Grundgesetz ändern. Vielmehr müssen wirmit dem neuen Modell die folgenden Fragen klar beant-worten: Wie sichern wir die Grenzregime ab? Wie schaf-fen wir rechtliche Voraussetzungen für funktionale Luft-räume in Europa, die nicht mehr national sein können?Wie stellen wir sicher, dass ein nationales Kontroll-regime trotzdem funktioniert? Denn es geht nicht nur umDienstleistungen, sondern es gibt auch hoheitliche Funk-tionen. Wie stellen wir sicher, dass das Quasimonopol,das es in diesen funktionalen Lufträumen dann gebenwird, kontrolliert werden kann? Das muss sichergestelltwerden. Ein Bundesamt muss entsprechende Kontroll-rechte haben. Darüber hinaus muss es klare Kontroll-rechte auch im Sinne des europäischen Rechts geben.
Ich komme zum Schluss. Es ist, Kollege Beckmeyer,in der Tat eine intelligente Lösung gefragt, die zu findenschwierig und eine große Herausforderung ist. Ich plä-dsFzsfkkDfvÜMSbGFhDDdugmFElw1)
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/7133 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist dieberweisung so beschlossen.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 27:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-neten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. MartinaBunge, weiteren Abgeordneten und der FraktionDIE LINKE eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Änderung des Fünften Sozial-gesetzbuches– Drucksache 16/4808 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Gesundheit
– Drucksache 16/8243 –Berichterstattung:Abgeordnete Mechthild RawertHier haben die Kolleginnen und Kollegen Mariaichalk, Mechthild Rawert, Dr. Konrad Schily, Frankpieth und Birgitt Bender ihre Reden zu Protokoll gege-en.1)Damit kommen wir sofort zur Abstimmung über denesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung desünften Sozialgesetzbuches. Der Ausschuss für Gesund-eit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 16/8243, den Gesetzentwurf der Fraktionie Linke auf Drucksache 16/4808 abzulehnen. Ich bitteiejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,m das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Enthaltun-en? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratungit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-raktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke beinthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abge-ehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung dieeitere Beratung.Anlage 3
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008 15759
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtNun rufe ich den Zusatzpunkt 6 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion DIE LINKE.Massenentlassungen bei deutschen DAX-Kon-zernen trotz GewinnexplosionIch eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-nerin der Kollegin Ulla Lötzer von der Fraktion DieLinke das Wort.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! „Wir
alle zusammen müssen Ethik und Verantwortung hoch-
halten. Wir sind Vorbilder“, erklärte der Chef des Bun-
desverbandes der Deutschen Industrie, Thumann, im
Spitzengespräch mit Frau Merkel. Vorbilder worin? Den
Aktionären und sich selbst die Taschen zu stopfen und
Beschäftigte für 20 statt 15 Prozent Rendite auf die
Straße zu setzen?
Nach Nokia vermeldet jetzt BMW einen Rekordge-
winn und will 8 000 Arbeitsplätze abbauen. Henkel stei-
gert seinen Gewinn von 1,3 auf 1,34 Milliarden Euro.
Der Dank an die Beschäftigten: 3 000 Stellen werden ge-
strichen, die Dividende erhöht. Siemens meldet einen Re-
kordgewinn von 4 Milliarden Euro und will 3 200 Stellen
bei der Tochter SEN streichen. Das ist keine Ethik, Kol-
leginnen und Kollegen, das ist eher der Rückfall in den
Raubtierkapitalismus des 19. Jahrhunderts.
Die Konzernvorsitzenden schicken die Menschen in
die Arbeitslosigkeit, bedrohen sie mit Armut, zerstören
ihre sozialen Beziehungen und vernichten ihr langjährig
erworbenes Wissen, und zwar weit über die direkt be-
troffenen Beschäftigten hinaus. Die Angst vor dem Ar-
beitsplatzverlust lähmt und macht Menschen erpressbar,
zu jeder Bedingung zu arbeiten.
Jahrzehntelang prägte die Mittelschicht des Fach-
arbeiters oder Angestellten mit Durchschnittsverdiensten
das Land. Im Jahr 2000 gehörten noch 62 Prozent dazu,
schon 2006 nur noch 54 Prozent. Wer früher als Vor-
arbeiter gut vom Lohn leben konnte, ist heute arbeitslos
oder Leiharbeiter und muss zum Lohn noch Hartz IV be-
antragen. Seit 2000 wurden 5 Millionen Deutsche aus
der Mitte an den Armutsrand katapultiert – eine verhee-
rende Entwicklung, die man endlich stoppen und zäh-
men muss.
Auch vonseiten der Regierung gibt es durchaus Kri-
tik, ebenso von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen. Frau
Merkel fordert mehr Managermoral, und Arbeitsminister
Scholz fordert die Manager auf, ihrer Verantwortung ge-
recht zu werden. Gut so! Doch wie werden Sie in den
Regierungsfraktionen Ihrer Verantwortung in dieser
Frage gerecht, von der Regierung ganz zu schweigen?
Kollege Wend, es freut mich, dass Sie sich jetzt unserer
Forderung angeschlossen haben, die Bezahlung von Ma-
nagern mit Aktienoptionen zu begrenzen.
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ch hoffe, dieser Ankündigung folgen Taten. Wir werden
ie dann unterstützen.
Aber das reicht noch nicht. Die Ersten, die bei Nokia
nd BMW gehen mussten, waren die Leiharbeiter. Es
ann doch nicht sein, dass Leiharbeiter zum wehrlosen
pielball für Massenentlassungen verkommen. Deshalb
uss die Leiharbeit selbst endlich wieder begrenzt wer-
en.
Seit langem fordern die Gewerkschaften eine echte
itbestimmung in der Beschäftigungssicherung. Sie,
olleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, ha-
en diese Mitbestimmung bei der letzten Reform des Be-
riebsverfassungsgesetzes abgelehnt. Auch da tragen Sie
itverantwortung. Das sollten Sie endlich korrigieren.
Kündigungen einzig und allein zur Renditesteigerung
ollten von Ihnen nicht nur in Sonntagsreden als sozial
ngerechtfertigt gebrandmarkt werden. Stellen Sie das
ielmehr im Kündigungsschutzgesetz klar; dann haben
ie Betroffenen eine Möglichkeit, sich zu wehren, und
er Betriebsrat kann sie dabei unterstützen.
Das Gesetz schreibt vor, dass Betriebsrat und Unter-
ehmensleitung rechtzeitig und umfassend über einen
nteressenausgleich verhandeln. Allerdings handelt es
ich hier nur um ein Beratungsrecht. Bei Konflikten kön-
en Arbeitgeber ihre Auffassung durchsetzen. Wer an
inem Ausgleich kein Interesse hat, für den sind solche
eratungen nur noch eine Farce, die, wie zum Beispiel
ei Nokia, schon gar nicht mehr durchgeführt werden.
Wir brauchen in diesen Fragen ein echtes Mitbestim-
ungsrecht, damit wieder von Ausgleich die Rede sein
ann. Im Aufsichtsrat muss sichergestellt werden, dass
ntscheidungen, die Belange der Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer betreffen, nicht gegen ihre Stimmen
etroffen werden können. Das alles wären wichtige
aßnahmen.
Es ist eine Sache, dann, wenn die Kameras laufen, die
olidarität mit den Beschäftigten zu deklamieren. Das
ieht gut aus, und den einen oder anderen mag es trösten.
och dafür sind Sie nicht gewählt. Sie sind dafür ge-
ählt, die Zustände, die die sozialen Grundlagen unserer
esellschaft zerstören, zu beseitigen. Handeln Sie end-
ich, damit uns weitere Aktuelle Stunden zu diesem
hema erspart bleiben!
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Peter Weiß für dieDU/CSU-Fraktion.
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15760 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008
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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Es kann kein Zweifel bestehen: Wir Abgeordnetenerwarten von jedem Unternehmen, dass um den Erhalteines jeden Arbeitsplatzes gekämpft wird. Aber wir Ab-geordneten freuen uns auch darüber, dass viele Hundert-tausende Arbeitslose in den vergangenen Jahren endlichwieder einen Arbeitsplatz in Deutschland gefunden ha-ben.
In einer solchen Debatte zur Arbeitsmarktpolitik istals Erstes festzustellen, dass sich die arbeitsmarktpoliti-sche Bilanz dieser Großen Koalition sehen lassen kann.
Über 700 000 neue sozialversicherungspflichtige Ar-beitsplätze wurden geschaffen.
In diesem Ausbildungsjahr, das im Herbst 2007 begon-nen hat, gab es die Höchstzahl an neuen Ausbildungs-verträgen seit der Wiedervereinigung.
Das sind Hunderttausende neuer Chancen für Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer,
für Auszubildende in Deutschland.
Das ist der Erfolg einer auf Wachstum und Beschäfti-gung ausgerichteten Politik dieser Bundesregierung.
– Die Zurufe zeigen, dass die Opposition daran nicht in-teressiert ist;
denn sie ist nicht an den Menschen, sondern ausschließ-lich an Polemik interessiert.
Nun ist es interessant, sich genauer anzuschauen, wodie neuen Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstandensind.
Da sieht man, dass zwischen 2005 und 2007 vor allem inden kleinen und mittelständischen Unternehmen fasteAufplttisgwrsmWMdsEfinmdpETDmiEAsMDs
Dies zeigt: Die in der Regel von den Eigentümerfami-ien selbst geführten kleinen und mittelständischen Un-ernehmen sind mit Renditen zufrieden, die deutlich un-er denen großer DAX-Unternehmen liegen. Sie nehmenhre Verantwortung vor Ort wahr und schielen nicht aus-chließlich auf Gewinnmaximierung. Sie sorgen für eineute Unternehmenskultur und eine gesunde und dahereniger krisenanfällige Wirtschaftsstruktur.Soziale Marktwirtschaft bedeutet: Gewinnmaximie-ung ist nicht das alleinige Ziel des Wirtschaftens. Ange-ichts der Vorgänge in manchen Großunternehmen
üssen wir in der Tat die Frage stellen: Wird dieseirtschaftsethik, die einer funktionierenden sozialenarktwirtschaft zugrunde liegt, in den Vorstandsetageneutscher Großunternehmen so gesehen, wie das wün-chenswert ist?
s ist auch unsere Erwartung, dass sich die Wirtschafts-ührer in unserem Land dadurch auszeichnen, dass siehre soziale Verantwortung für die Beschäftigten wahr-ehmen – trotz aller Veränderungen, die ihre Unterneh-en im globalen Wettbewerb vornehmen müssen.
Nachdem wir das festgestellt haben, müssen wir unsie Frage stellen, welche Konsequenzen wir für unserolitisches Handeln ziehen müssen.
s ist doch interessant, dass die Vorrednerin über diehemen, auf die es ankommt, nicht geredet hat.
ie Konsequenz muss doch sein, dass wir die Unterneh-en stärken, die der Jobmotor in Deutschland sind, diehre soziale Verantwortung wahrnehmen.
s gibt genügend Stichworte, die auf unserer politischengenda stehen: Die Unternehmensteuerreform, die Erb-chaftsteuerreform, Entbürokratisierung,
itarbeiterbeteiligung, soziale Kapitalpartnerschaft.
as alles sind Themen, bei denen die Linke lieber ab-eits steht.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008 15761
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Peter Weiß
Mit den Rezepten der Linken werden wir es nicht schaf-fen, Jobs in Deutschland zu schaffen bzw. Entlassungenzu vermeiden.
Wer die Debatte über die Arbeitsmarktsituation inDeutschland und über die Zukunft der sozialen Markt-wirtschaft seriös führen will, der darf nicht nur die knapp5 Prozent der Arbeitsplätze in den sogenannten Groß-unternehmen sehen, der muss die Breite der Unterneh-men, der muss die Beschäftigungssituation insgesamtsehen. Nur dann kommt man zu einem realistischen Ge-samturteil.
Es geht auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nämlichweiterhin aufwärts.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Martin Zeil für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Diese Aktuelle Stunde gibt uns die Gelegenheit, derscheinheiligen Empörungsrhetorik der Linken entgegen-zutreten.
Deutsche Unternehmen und ihr Topmanagement sindinternational anerkannt, sie schaffen Jobs und sorgen fürein gewaltiges Wirtschaftswachstum. Das gibt es nichtumsonst: Ständige Umstrukturierungen sind in einer glo-balisierten Wirtschaft nicht zu vermeiden. Dies führt ei-nerseits zu einem ständigen Wegfall von Arbeitsplätzen,andererseits werden, wie man an der Erwerbstätigenzahlsieht, ständig neue Jobs geschaffen, und zwar nicht nurim Ausland.
Das ist Ihnen vor lauter gespielter Empörung offenbarentgangen.
Dass die Steuereinnahmen momentan sprudeln, habenwir nicht der Politik, sondern den Menschen und denUnternehmen in diesem Land zu verdanken. Die Unter-nwmhdlKUcIGuddndamduvJctJDwc1hMfalidSSddFa
Wenn ein Unternehmen die Entscheidung trifft, Stel-en abzubauen, so sollte man, bevor man unreflektiertritik übt, bedenken, dass auch Vorstände von DAX-nternehmen Stellen nicht aus Jux und Tollerei strei-hen.
m Übrigen sitzen in jedem Aufsichtsrat Vertreter derewerkschaften – denen Sie ja immer so nahe sind –,nd in vielen sitzen auch Vertreter des Staates. Die Be-eutung des menschlichen Kapitals ist auch bei deneutschen Großunternehmen angekommen. Kein Unter-ehmen wird Mitarbeiter-Know-how einfach so, ohneass es Gründe dafür gibt, vor die Tür setzen.
Sie haben den Fall BMW angesprochen. Dort sind vorllem Unternehmensbereiche betroffen, die als personellassiv überbesetzt gelten. Außerdem handelt es sich beien Maßnahmen um ein Fünfjahresprogramm und nichtm einen Schnellschuss. Ebenso wichtig ist – das wirdon Ihnen gern übersehen –, dass BMW allein diesesahr über 500 Leute einstellt, nur eben in anderen Berei-hen. Letztendlich wird die Zahl der bei BMW Beschäf-igten durch weitere Neueinstellungen auch imahr 2012 nicht geringer sein als 2007.
ies haben Sie sicherlich vor lauter gespielter und un-issender Empörung ebenso übersehen wie die Tatsa-he, dass BMW in den letzten acht Jahren mehr als4 000 Jobs – davon 11 000 in Deutschland – geschaffenat.
an kann aber den Begriff „Jobkahlschlag“ gut verkau-en, ob er wahr ist oder nicht.Ich halte auch Vorschläge für falsch, wie sie derzeitus der SPD-Fraktion kommen, zum Beispiel die Speku-ationsfrist für Aktienoptionen zu verlängern, wo dochm Rahmen der fehlerhaften Unternehmensteuerreformer Regierungskoalition gerade die Abschaffung derpekulationsfrist zum 1. Januar 2009 beschlossen wurde.tattdessen hätten Sie sich besser mit den – gerade fürie Arbeitsplätze im Mittelstand – nachteiligen Folgener Besteuerung im Zusammenhang mit der sogenanntenunktionsverlagerung beschäftigen sollen.
Wir müssen uns auch in Deutschland endlich damitbfinden, dass lebenslange Beschäftigungsverhältnisse
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Martin Zeileher seltener werden. Die Wirtschaft muss sich heuteschneller als je zuvor anpassen und sich dem internatio-nalen Wettbewerb stellen. Gerade deshalb sind die Flexi-bilisierung des Arbeitsmarktes und der entschlosseneAbbau von Eintrittsbarrieren überfällig.Zudem bedarf es einer ständigen Stärkung des Mittel-stands, der mit einer großen sozialen Verantwortung Ar-beitsplätze schafft. Vorausschauendes Handeln ist hier-bei von essenzieller Bedeutung.Es nutzt niemandem, wenn die Unternehmen denStrukturwandel verschlafen oder verschleppen. Die da-rauf folgenden Entlassungen wären viel schlimmer.
Es ist die Aufgabe des Parlaments, dafür zu sorgen, dassdie Menschen durch eine vernünftige und entschlosseneWirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik schnell wieder zuJobs kommen. Eine einseitige und dazu noch unerträg-lich populistische Kritik an den Unternehmen löst keineProbleme.
Nun hat der Kollege Dr. Rainer Wend für die SPD-
Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir le-ben in einer sozialen Marktwirtschaft, wie immer wiederzu lesen ist. Dabei stellt sich die Frage, wie wir sozialeMarktwirtschaft definieren. Ich möchte zwei historischeDefinitionen zitieren. Die erste stammt von LudwigErhard:Die Politik der Sozialen Marktwirtschaft stand seitdem Tage der Währungsreform unter der Leitidee,auf dem Boden einer freien Wettbewerbswirtschaftpersönliche Freiheit, wachsenden Wohlstand undsoziale Sicherheit in Einklang zu bringen …Alfred Müller-Armack hat ausgeführt, die Wirtschaftmüsse sich in den Dienst von überwirtschaftlichen Din-gen und Werten wie das Menschliche und das Kulturellestellen.
Leben wir in diesem Sinne noch in einer sozialenMarktwirtschaft? Ich glaube, wir müssen in dieser Fragezu einem gespaltenen Ergebnis kommen. Was das Rück-grat der deutschen Wirtschaft – den Mittelstand und vorallem die eigentümergeführten Unternehmen – angeht,gibt es viel zu kritisieren. Ich glaube aber, dass sie demIdeal der sozialen Marktwirtschaft noch am nächstenkommen. 80 Prozent aller Jugendlichen werden in Be-trieben des Mittelstandes ausgebildet. 70 Prozent allerBnblelnsgwdsd2dF3rAdsgsWbsdwtDttWdnmAhwdwwFun
as ist häufig in erster Linie dadurch möglich, dass Kos-en reduziert werden, und Kostenreduktion erfolgt in ers-er Linie über Mitarbeiterentlassungen.
enn nicht mehr die Arbeitnehmer und die Region, iner man produziert, ins Auge gefasst werden, sondernur der kurzfristige Anstieg des Aktienkurses, ist nichtehr das vorhanden, was Ludwig Erhard und Müller-rmack sich unter sozialer Marktwirtschaft vorgestelltaben. Das ist nicht in Ordnung.
Was können wir tun? Die gesellschaftliche Debatte istichtig. Sowohl im Parlament, wie heute, aber auch inen Medien und auf Veranstaltungen muss das diskutierterden. Wir müssen aber mehr tun und uns fragen, obir als Gesetzgeber handeln können. Den Vorschlag, denrau Lötzer im Namen der Linksfraktion gemacht hat,nterstütze ich nicht. Ihr Vorschlag ist, dass die Arbeit-ehmerseite beim Interessenausgleich im Rahmen der
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Dr. Rainer WendMitbestimmung zustimmen muss. Was meinen Sie, wieoft ich an Verhandlungen über Sozialpläne und Interes-senausgleiche beteiligt war und mir in der konkreten Si-tuation genau das gewünscht habe, weil ich frustriert waraufgrund der Tatsache, dass wir als Betriebsrat und Ge-werkschaft nicht mitentscheiden konnten?Die ganze Wahrheit ist aber, dass ich glaube, dass un-ser Wirtschaftssystem am Ende gut damit fährt, wenn dieVerantwortung für solche Entscheidungen auf der Seiteder Eigentümer der Produktionsmittel liegt und wir imRahmen von Sozialplänen beim Ausgleich dieser Ent-scheidungen ein zwingendes Mitbestimmungsrecht ha-ben. Wenn wir das aufgeben, geben wir auch eine Trieb-feder der Entwicklung in unserer Gesellschaft auf.Davon rate ich ab, wenngleich ich Ihren kurzfristigenFrust verstehen kann.Ich habe drei Vorschläge, die ich mit drei Sätzen indie Diskussion einbringen möchte: Erstens. Die Mana-ger werden zu häufig mit Aktienoptionen bezahlt mit derFolge, dass sie ein übermäßiges Interesse an der kurz-fristigen Gewinnentwicklung der Aktien haben.
Diesbezüglich schlage ich eine Reduzierung vor.
Zweitens. Die Haltefristen – das hat nichts mit Speku-lationsfristen zu tun – betragen bei Aktienoptionen zweiJahre. Danach dürfen die Manager die Optionen geltendmachen. Diese Frist ist zu kurz, weil in einer so kurzenZeit das Interesse an Kurssprüngen der Aktien im Vor-dergrund steht. Diese Frist muss verlängert werden.
Es gibt noch zwei Punkte, die ich nicht als endgültigeVorschläge vorbringe, sondern diskutieren möchte:
– Ich weiß. Der letzte Satz hat zwei Gesichtspunkte.
Sollte man ähnlich wie in Frankreich Aktionären, dieihre Aktien länger als vier Jahre gehalten haben, einTreuestimmrecht geben, um auf diese Weise ein Inte-resse an der Kontinuität von Unternehmensentwicklun-gen zu wecken?Letzter Punkt: Sollten wir nicht vielleicht erwägen,das Depotstimmrecht von Banken wieder einzuführen,damit die Entwicklung hin zu einem übermäßigen Ge-wicht der Stimmen kurzfristig interessierter Finanzin-vestoren auf Hauptversammlungen gebremst wird?Das sind realistische Vorschläge, die passen, die wir-ken und die vielleicht das aufrechterhalten können, wasin unserer Wirtschaftsordnung im Rahmen der sozialenMarktwirtschaft einmal funktioniert hat.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieichtigste Aufgabe von Unternehmen ist es, Güter undienstleistungen möglichst effizient zu produzieren. Ra-ionalisierungen und damit einhergehende Entlassungenind deshalb nicht per se zu kritisieren. Wenn die gleicheder eine höhere Produktivität mit weniger Arbeitskraftöglich ist, sind Rationalisierungen sogar volkswirt-chaftlich geboten. Das gilt, liebe Freundinnen undreunde von der Linken, auch dann, wenn die Unterneh-en Gewinne machen. Auch dann können Entlassungenolkswirtschaftlich durchaus Sinn machen.
Im vergangenen Jahr wurden über 8 Millionen Men-chen arbeitslos. Über 8 Millionen Menschen! Aberleichzeitig sind noch mehr aus der Arbeitslosigkeit her-usgekommen. Das heißt, es gibt eine große Dynamikuf dem Arbeitsmarkt. In dem Strukturwandel, in demir uns befinden, lässt es sich gar nicht vermeiden, dassn einer Stelle Arbeitsplätze wegfallen, während an an-erer Stelle Arbeitsplätze entstehen. Und das ist gut so.ichtig ist, dass dieser Prozess sozial ausreichend abge-edert wird und die betroffenen Menschen wiederchnell sinnvolle und gut bezahlte Arbeit finden.
in Blick nach Skandinavien zeigt, wie man ein hohesaß an sozialer Sicherung und Flexibilität auf dem Ar-eitsmarkt vernünftig in Einklang bringen kann. Hier ha-en nicht nur die Politik, sondern auch die Unternehmenerantwortung. Eigentum verpflichtet.
Diesbezüglich haben wir tatsächlich ein Problem. Dieon der Linken angeprangerten Entlassungen müssenber in einem größeren Zusammenhang gesehen werden.ine gute Unternehmerin und ein guter Unternehmer wis-en, dass es sinnvoll ist, die Beschäftigten gut zu bezah-en. Sie wissen um ihre soziale Verantwortung bei einemnstehenden Stellenabbau sowie um ihre Verantwortungegenüber der Umwelt und zukünftigen Generationen.iele Personenunternehmen kommen – das betone ich –ieser Verantwortung durchaus nach. Die Politik ist aberefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein sol-hes Verhalten ermöglichen und fördern.
Das Problem ist allerdings, dass dieses unternehmeri-che Denken in Aktiengesellschaften, insbesondere inen großen – das gilt auch für die DAX-30-Unterneh-en –, nicht mehr beheimatet ist. Die zentralenntscheidungen werden nicht von selbstständigen
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Dr. Wolfgang Strengmann-KuhnUnternehmerinnen und Unternehmern getroffen, son-dern von abhängig beschäftigten Managern, deren ein-zige Aufgabe es ist, den Shareholder-Value kurzfristig zumaximieren, unabhängig von sozialen und ökologischenKonsequenzen. Es hat sich dabei eine Klasse von Spit-zenmanagern herausgebildet, die teilweise ihre Gehälterselbst festsetzen, nur noch kurzfristig auf Profitmaximie-rung setzen, jeden Bezug zur Realität verloren habenund ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht mehrnachkommen.
Es gibt noch immer Unternehmen, die sich rühmen, dasssie trotz hoher Gewinne kaum Steuern zahlen. Das istnicht akzeptabel.
Es gibt eine neue soziale Frage. Das Deutsche Institutfür Wirtschaftsforschung hat in dieser Woche aufgezeigt,dass die Mittelschicht in Deutschland dramatischschrumpft. Auf der einen Seite entsteht persönlicherReichtum, der nicht mehr mit Leistung gerechtfertigtwerden kann. Dieser Reichtum basiert zum Teil darauf,dass auf der anderen Seite die Reallöhne selbst in einerAufschwungphase kaum steigen oder sogar sinken. Mitt-lerweile leben 15 Millionen Menschen mit ihrem Ein-kommen unter der Armutsrisikogrenze nach EU-Stan-dard. Das sind 5 Millionen mehr als 2001. 5 Millionenmehr arme Frauen, arme Männer und vor allen Dingenarme Kinder! Immer mehr „normal“ arbeitende Er-werbstätige und vor allem – das finde ich besonders er-schreckend – Familien rutschen von einem mittlerenEinkommen in die Nähe der Armutsgrenze oder sogardarunter oder befürchten den Absturz. Das ist weder so-zial noch ökonomisch hinnehmbar.
Was müssen wir tun? Wir brauchen unbedingt eineDebatte über mehr Demokratie in Aktiengesellschaften,und zwar sowohl auf der Arbeitnehmerseite als auch beiden Aktionärinnen und Aktionären.
Wir brauchen ein Steuersystem, das dazu führt, dass sichdie großen Unternehmen und die Reichen wieder stärkeran der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen.
Wir brauchen ein solidarisches Sozialversicherungssys-tem, eine Bürgerversicherung, bei der es unmöglich ist,dass sich ein Teil der Gesellschaft ausklinkt.
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chließlich brauchen wir eine stabile, soziale und ar-utsfeste Absicherung, die vor allem Erwerbstätige undamilien besser schützt und ihnen die Angst vor dembsturz nimmt.Ich komme zum Schluss. Das sind die zentralen Fra-en, die wir beantworten müssen, wenn wir den gesell-chaftlichen Zusammenhalt stärken und die bestehendenxistenzängste, die es in der Bevölkerung gibt, abbauenollen. Eine Skandalisierung von Entlassungen undlattes Schimpfen auf die Großindustrie bringen unsicht weiter, aber ebenso wenig hohle Appelle an dieanager in den Großunternehmen.Danke schön.
Herr Kollege, das war Ihre erste Rede in diesem
aus. Ich gratuliere Ihnen und wünsche Ihnen für Ihre
eitere Arbeit alles Gute.
Nun hat der Kollege Stefan Müller für die CDU/CSU-
raktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!as ist wieder eine von den vielen von der Linken bean-ragten Aktuellen Stunden, bei denen man sich immerie Frage stellt, ob es ihr um die betroffenen Menschender eher um Agitation geht. Ich glaube, das Letztere istichtig.
hnen geht es nicht um die Menschen, sondern darum,hre populistischen Thesen vorzutragen und grundsätz-ich Kritik am Kapitalismus loszuwerden.
ie Grünen bringen ihre gesamten Ladenhüter als Vor-chläge. Das ist nicht verwunderlich, aber auch nicht be-onders innovativ. Herr Zeil, auch Ihnen möchte ich et-as sagen. Ich frage mich schon, ob Sie die Rede, dieie heute hier gehalten haben, auch in Niederbayern beien betroffenen Mitarbeitern eines Automobilkonzernsehalten hätten.
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Stefan Müller
Wir werden noch die Gelegenheit zur Auseinanderset-zung haben. In Bayern findet bekanntlich in diesem Jahrdie Landtagswahl statt. Ich lade Sie ein, diese Rede imWahlkampf in Niederbayern noch einmal zu halten. Wirwerden deutlich machen, dass es nicht ganz so einfachist, wie Sie es darstellen.
Ich will darauf verweisen, was schon der KollegePeter Weiß ausgeführt hat, nämlich dass wir uns über dieEntwicklung am Arbeitsmarkt freuen können. Die Bun-desagentur für Arbeit hat in der vergangenen Wochewieder bessere Zahlen vorlegen können. Das ist in derTat ein Grund zur Freude. Wir freuen uns für alle jene,die noch vor einem oder zwei Jahren arbeitslos warenund dieses Jahr nicht mehr von staatlicher Fürsorge ab-hängig sein müssen.
Wenn aber vor dem Hintergrund dieser außerordentlicherfreulichen Entwicklung am Arbeitsmarkt große Unter-nehmen massive Stellenstreichungen ankündigen, dannist das für mich nicht nur verwunderlich, sondern auchschlicht unfassbar.
Es ist vor allem deswegen unfassbar, weil die gleichenUnternehmen zeitnah gute Zahlen veröffentlichen. Ganzoffensichtlich will auch das wirtschaftlich gut aufge-stellte Unternehmen die guten Rahmenbedingungendazu nutzen, um noch höhere Renditen zu erzielen. Da-gegen ist zunächst einmal nichts zu sagen, aber wenn dasnur auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird,dann – das sage ich ganz deutlich – habe ich dafür keinVerständnis.
Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass sozialeVerantwortung und unternehmerischer Erfolg nicht mehrzwingend zwei Seiten derselben Medaille sind. Ichglaube, dass ein solches Verhalten mit dem Bild der so-zialen Marktwirtschaft – das hat der Kollege Wendschon ausgeführt – nicht vereinbar ist;
denn wegen eines solchen Verhaltens geht nicht nur dasVertrauen in unser Wirtschaftssystem verloren, sondernauch der Glaube daran, dass sich Leistung in unsererWirtschaft heute noch lohnt. Das darf jedenfalls nicht soweit führen, dass der Eindruck entsteht, dass gute Arbeitalleine bei börsennotierten Unternehmen keine Garantiemehr für einen sicheren Arbeitsplatz ist. Vieles von dem,was wir in den letzten Wochen erlebt haben, sendet lei-der dieses Signal aus. Das halte ich für falsch.Die Globalisierung hat in den letzten 20 Jahren sichervieles verändert. Auf diese Veränderungen haben sichdeutsche Unternehmen richtigerweise eingestellt. DieGlobalisierung hat den Wettbewerb verschärft, Grenzenüberwunden und das Tempo des Warenverkehrs deutlicherhöht. Auf all diese Dinge hat die deutsche WirtschaftrEdedgnddmEdsiddndiwuZMmEtwfdstvdsssnvnwPlmud
Ich möchte im Übrigen ausdrücklich betonen, dassies kein generelles Problem der deutschen Wirtschaftst. Es ist ein Phänomen einzelner Großkonzerne. Ichill diese Gelegenheit durchaus nutzen, um eines klarnd deutlich herauszustellen – das muss man in diesemusammenhang immer wieder sagen –: Dem deutschenittelstand kann man diesen Vorwurf jedenfalls nichtachen.
s waren nämlich gerade die kleinen und mittleren Be-riebe, die in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dassir beim Abbau der Arbeitslosigkeit unsere heutigen Er-olge vorweisen können.Es tröstet mich nicht, wenn man darauf hinweist, dassie aktuelle Arbeitsmarktlage so gut ist, dass die Entlas-enen schnell wieder eine Beschäftigung finden. Michröstet auch nicht, dass es sich bei den Entlassenen inielen Fällen um Zeitarbeitnehmer handelt; denn auchas vermag letztendlich nicht darüber hinwegzutäu-chen, dass hier Menschen von Entlassungen betroffenind.Wir dürfen diese Debatte nicht dazu nutzen, Entlas-ungen generell zu brandmarken. Herr Zeil, ich gebe Ih-en recht: Natürlich kann es Fälle geben, in denen es un-ermeidlich ist, dass es zu Entlassungen kommt, weilur so der Gesamtbestand des Unternehmens gesicherterden kann. Aber es muss schon möglich sein, dass wirolitiker darüber reden, ob das, was im Augenblick ab-äuft, tatsächlich in Ordnung ist. Ich jedenfalls wünscheir eine ernsthafte Debatte in der Wirtschaft über Ethiknd Moral. Es ist gut, wenn wir vonseiten der Politikazu einen Beitrag leisten.
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Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort der Kol-
lege Hüseyin Aydin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Die Redner der Union habengerade wieder behauptet – wie die Kanzlerin –, dass derAufschwung bei den Menschen angekommen sei. Ichfrage nur: Wen meinen Sie? Bei wem ist Ihr Auf-schwung angekommen? Auch Herr Weiß sprach davon.Zur Kenntnis müssen Sie aber nehmen, dass er bei denArbeitnehmern nicht angekommen ist. Zur Kenntnismüssen Sie nehmen, dass Ihr Aufschwung nicht dazu ge-führt hat, dass die Arbeitnehmereinkommen gestiegensind und dass sie damit auch bessere Teilhaberechte be-kommen haben. Die neuesten Zahlen des StatistischenBundesamtes belegen dies: Das vierte Jahr in Folge müs-sen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Reallohn-verluste hinnehmen.Ich frage noch einmal: Wen meinen Sie? Vielleichtmeinen Sie die Topmanager und Großaktionäre. Sie, derKollege von der CSU, haben recht: Wir sprechen hiernicht über den Mittelstand, sondern über die DAX-Un-ternehmen.
Die 30 DAX-Unternehmen konnten 2007 ihre Rekord-gewinne aus dem Vorjahr noch einmal um satte14 Prozent steigern. Von der Telekom bekommen dieAktionäre nun 3,4 Milliarden Euro Dividende. Der Dankan die Beschäftigten ist: Stellenabbau, Gehaltskürzungenund Arbeitszeitverlängerungen. Das gleiche Bild gilt fürBMW, Henkel oder Nokia: Überall kündigen die Mana-ger in einem Atemzug Rekordgewinne und weitere Ent-lassungen an.Warum? Der Grund ist einfach – das müssen Sie lang-sam kapiert haben –: Die Profitgier ist so unersättlich ge-worden, dass die Umsatzrendite noch weiter gesteigertwerden muss. Dadurch werden Zehntausende Menschenin die Arbeitslosigkeit geführt.
Wo soll das enden? Das ist kapitalistischer Wahnsinn.Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis!
Wir müssen uns doch einmal die Frage stellen: Wofür istdie Wirtschaft da? Sind wir Menschen für die Wirtschaftda, oder ist es umgekehrt? Das ist das Kernelement dersozialen Marktwirtschaft.Liebe Freunde von der Union, die Menschen, von de-nen Sie sprechen, erwarten keine wohlfeilen Worte vonIhnen. Sie erwarten, dass die Regierung endlich dieMacht der Unternehmen begrenzt. Die Linke wird hiereinen Gesetzentwurf einbringen, der Massenentlassun-gwiWsgdsDKLndcAHuILsddVDsStshahhb8NBSwtudkdzS
interher tun Sie unschuldig und klagen heuchlerisch dierroganten Manager an, wie Sie das vorhin bereits getanaben. Sparen Sie sich Ihre Krokodilstränen! Sie selbstaben die Bedingungen geschaffen, die Sie hier heuteeklagen.Dann ist da noch der Fall Nokia. Erst zahlen Sie8 Millionen Euro an Subventionen, doch dann machtokia nach Ablauf der Rückforderungsfrist das Werk inochum zu und wandert nach Rumänien ab. Wir sagen:ubventionen sollen in Zukunft nur bezahlt werden,enn der Staat in Höhe der Subventionen an diesem Un-ernehmen dann auch beteiligt ist.
Wir fordern mehr Mitbestimmung in den Betriebennd auf der Unternehmensebene. Herr Zeil von der FDP,ie Mitbestimmungsrealität auf Unternehmensebeneennen Sie mittlerweile besser als ich. Dort entscheideter Neutrale mit. Da brauchen die Arbeitnehmer nichtsu tun. Sie können gar nicht mitentscheiden. Nehmenie das zur Kenntnis!
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Hüseyin-Kenan Aydin
Wir, die Linke, wollen jetzt hier im Bundestag denentfesselten Raubtierkapitalismus in die Schranken wei-sen. Wir wollen, dass die Mitbestimmung gestärkt wird.Wir wollen, dass Sie endlich aufhören, alle unsere An-träge, die wir hier einbringen, abzulehnen.
Die Managergehälter haben Sie zu Recht gegeißelt, aberunseren Antrag mit dem Ziel, die Managergehälter zubegrenzen, haben Sie in der Großen Koalition abgelehnt.
Das ist die Heuchelei.
Herr Kollege, ich muss Sie an die Redezeit erinnern.
Ich komme zum Ende.
Die Linke ist die einzige Kraft in diesem Parlament,
die nicht in der Geiselhaft der Lobbyisten ist.
Dies tut uns und unserem Land gut. Da draußen hören
die Leute uns zu. Die Linke wird im Jahr 2009 hier nicht
mit 53, sondern mit 130 Abgeordneten sitzen.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist weit überschritten.
Dann werden wir die richtige Politik, für die wir hier
stehen, umsetzen.
Das Wort hat nun der Kollege Ortwin Runde für SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte bei dem anknüpfen, mit dem Rainer Wendbegonnen hat, bei den Zitaten zur sozialen Marktwirt-schaft.
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Hier wird auch deutlich, was Herr Müller gesagt hat,ämlich dass die Einbindung in unser Wertesystem beien Unternehmen unterschiedlich ausgeprägt ist. Wirönnen feststellen, dass sehr viele kleine und mittlerenternehmen, sehr viele Handwerksbetriebe bei ihremirtschaftlichen Handeln ganz selbstverständlich gesell-chaftliche Verantwortung wahrnehmen.Wenn wir uns aber ansehen, welche Wert- und Ziel-orstellungen viele Großunternehmen, die im internatio-alen Wettbewerb stehen, äußern, dann stellt sich dierage, ob dort eine solche Einbettung noch gegeben ist.ch darf in diesem Zusammenhang aus der Rede des Mit-lieds des Vorstands der BMW AG, zuständig für Perso-al- und Sozialwesen, zitieren, die er auf einer Presse-onferenz gehalten hat. Da heißt es:Alle Maßnahmen, die wir ergreifen, sind auf Zu-kunftssicherung und Wertsteigerung ausgerichtet.Das heißt konkret: Wir arbeiten an der Verbesse-rung unserer Rendite. Zwei Größen sind hierbeientscheidend:Erstens: die Rendite auf das eingesetzte Kapital
. Sie soll im
Automobilsegment bis 2012 auf mehr als 26 Pro-zent steigen.Zweitens: die Umsatzrendite. Sie wollen wir imAutomobilsegment bis 2012 auf 8 bis 10 Prozentanheben.ier wird deutlich, welchen Bezugsrahmen die Unter-ehmen für ihre Zielsetzungen haben.
Das bedeutet, dass wir uns fragen müssen, wie wir ininer globalisierten Welt mit einem globalisierten Wett-ewerb diese Entwurzelung aus unserem Wertesystemieder rückgängig machen können. Dass die Arbeit-ehmerinnen und Arbeitnehmer darüber empört sind,ass die Managergehälter zwischen 1987 und heute vom4-Fachen des Durchschnittsgehalts der Arbeitnehme-innen und Arbeitnehmer auf das 44-Fache angestiegenind,
st doch sehr gut nachzuvollziehen.
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Ortwin RundeWenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, diein den letzten zehn Jahren durch Einkommensverzichte,durch Lohneinbußen – die Realeinkommen in den letz-ten fünf Jahren sind nämlich nicht gestiegen, sondern zu-rückgegangen – dazu beigetragen haben, dass wir nachwie vor Exportweltmeister sind, ist doch nachzuvollzie-hen, dass sie empört sind, wenn es nun heißt: Damit wirauch künftig hohe Renditen erzielen können, müsst ihrnun Massenentlassungen hinnehmen. – Ich nenne alsBeispiele nur Nokia, BMW und Siemens. Es ist dochganz klar, dass das Empörung hervorruft.Ich muss auch all denjenigen, die als Vertreter vonbürgerlichen Parteien hier mitreden, ins Stammbuchschreiben, dass das zu Erosionsprozessen in der Mittel-schicht führt.
Diese Entwicklung muss uns doch alle zusammen zu tie-fem Nachdenken anregen. Wir müssen uns nun fragen,wie wir diese Erosion in den Griff bekommen. Es gehtnicht darum, dass angesichts der Verschiebung vonWährungsrelationen bestimmte Produktionsbestandteilein den Dollarraum verlagert werden. Diese Anpassungs-prozesse sind für jemanden, der als früherer HamburgerBürgermeister mit Globalisierung und Welthandel zu tunhatte, eine Selbstverständlichkeit. Es stellt sich aberdoch die Frage, welche Auswirkungen diese Prozesseauf unsere Gesellschaft haben
und wie man sie abfedert.Rainer Wend hat völlig recht, wenn er dazu auffor-dert, zu überlegen, ob wir nicht falsche Anreizsystemeim Bereich der Vorstandsgehälter haben.
Ich muss sagen, wenn Vorstandsgehälter dermaßen ex-plodieren, wie eben beschrieben, hat das mit angemesse-nem Leistungsentgelt nichts mehr zu tun.
Angesichts des Entgeltes, das die Vorstandsvorsitzendenund Vorstandsmitglieder in japanischen Unternehmenbekommen, muss man sagen: Das, was bei uns ge-schieht, liegt außerhalb jeder Norm. Wir müssen daherzum Beispiel schauen, wie wir die Gewährung von Ak-tienoptionen so gestalten, dass der Hauptanreiz nichtmehr darin besteht, kurzfristige Kurserhöhungen zu er-zielen, sondern darin, langfristig und nachhaltig im Inte-resse des Unternehmens zu handeln. Man könnte sagen,dass in dieser Beziehung eine Art von Tonnenideologieaus sozialistischer Zeit auf unsere international agieren-den Unternehmen übertragen wurde.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.CHhbSgFIKtWaHIbskendazudwsElnVsM
Nächster Redner ist der Kollege Kai Wegner für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Alle Jahre wieder – bereits vor gut einem Jahraben die Linken eine Aktuelle Stunde zu diesem Themaeantragt. In der Vorbereitung auf die heutige Aktuelletunde habe ich mir überlegt, was die Linken wohl brin-en werden. Ich hatte durchaus die Erwartung an Ihreraktion, vielleicht einmal neue, andere, praktikableredeen von Ihnen zu hören. Aber, liebe Kolleginnen undollegen von den Linken, auch da haben Sie mich ent-äuscht.
ieder einmal gibt es nur populistische Ausführungen,llgemeine Unternehmensschelte, Klassenkampf pur.err Aydin, Ihnen sage ich: Durch Schreien werden dienhalte, die Sie von sich geben, nicht richtiger und nichtesser.
Herr Lafontaine und überhaupt die Redner der Linkenprechen generell in Deutschland von einem Raubtier-apitalismus, der um sich greift. Mir kommt es hingegenher so vor, als wenn Ihre Partei wie ein Raubtier auf dieächsten Entlassungen lauert, um sich dann auf Kostener Betroffenen zu profilieren. Das ist unredlich und ver-ntwortungslos.
Sie versuchen, in diesem Land Depressionen herbei-ureden. Die CDU/CSU sowie unser Koalitionspartnernd die Bundesregierung arbeiten am Aufschwung fürie Menschen. Das ist unsere Aufgabe, und der werdenir auch gerecht.
Meine Damen und Herren, der ehemalige Bundesprä-ident Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt:Soziale Marktwirtschaft vollzieht sich nicht in Ge-setzbüchern, sondern im Denken und Handeln derMenschen.
ntlassungen sollten für ein Unternehmen niemals eineeichte Entscheidung sein. Gerade das Management ei-es großen Konzerns sollte sich daher seiner sozialenerantwortung bewusst sein.
Ich habe großen Respekt vor unternehmerischen Ent-cheidungen. Aber es ist völlig unverständlich und denenschen auch nicht mehr vermittelbar, wenn Konzerne
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Kai Wegnermedienwirksam ihre Rekordgewinne bekanntgeben undim nächsten Moment einen drastischen Stellenabbauverkünden.
Mehr noch: Eine solche Unternehmenspolitik untergräbtdas Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft. DennMarktwirtschaft, gerade die soziale Marktwirtschaft, lebtvon sozialer Verantwortung. Wer allerdings der Meinungist, soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaftließe sich einfach gesetzlich verordnen, der, meine Da-men und Herren von der Linken, ist auf dem Holzweg.Es würde mich gar nicht verwundern, wenn Ihre Frak-tion demnächst ernsthaft mit dem Gedanken spielte, Ent-lassungen bei Unternehmen gesetzlich zu verbieten. Waswürden Sie wohl damit erreichen? Genau das Gegenteil!Die Unternehmen würden einen großen Bogen um unserLand machen. Gerade die großen Konzerne würden als-bald ihre Arbeitsplätze ins Ausland verlegen.Wenn Sie schon der Bundesregierung fälschlicher-weise eine Mitverantwortung an den Entlassungen zu-schreiben, dann sollten Sie doch wenigstens so ehrlichsein, Herr Aydin, der gleichen Bundesregierung eineMitverantwortung am Beschäftigungsaufbau zuzugeste-hen, der zwar unspektakulärer vonstatten geht, aber denAbbau von Beschäftigung bei weitem übertrifft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz dernegativen Beispiele, die ja heute gekommen sind, ist undbleibt die soziale Marktwirtschaft die beste und leis-tungsfähigste Wirtschaftsordnung für unser Land.
Was die Politik der Linken bedeutet, wird gerade in Ber-lin zu deutlich. Deswegen sollten Sie jetzt einmal ganzleise sein. Statt um Investoren zu werben, werden sie indieser Stadt beschimpft und vergrault, und das ist IhrePolitik.
Die Menschen in Berlin haben Angst vor Armut und vordem Verlust von Arbeitsplätzen, und hier tragen Sie mitIhrem Wirtschaftssenator Harald Wolf die Verantwor-tung.
Das Schlimmste dabei ist jedoch die Art und WeiseIhrer Worte und Erklärungen. Sie setzen einige wenigeEntscheidungen von Konzernen, die ich nicht rechtferti-gen will, in eins mit der allgemeinen deutschen Wirt-schaft. Auch Sie sollten mittlerweile wissen, dass diedeutsche Wirtschaft vorwiegend aus kleinen und mittel-ständischen Unternehmen besteht. 99,7 Prozent derdeutschen Unternehmen sind Mittelständler. Das sinddie Unternehmen, die in diesem Land Arbeitsplätzeschaffen und damit Menschen eine Perspektive geben.SeDsgtwieDsdsHkznSHZdstwwdklfbdvvpss
Deshalb ist der Kurs dieser Bundesregierung der rich-ige. Wir werden ihn konsequent weitergehen. Auchenn Sie noch so viel schreien: Wir lassen uns nicht be-rren. Wir werden den Mittelstand weiterhin fördern undntlasten.
amit werden wir Arbeitsplätze für die Menschen in un-erem Land schaffen.Herr Aydin, das wird vielleicht zur Folge haben, dassie Linke zukünftig keine 130 Abgeordneten, sondernehr viel weniger haben wird.
err Aydin, merken Sie sich einmal eines: Hochmutommt vor dem Fall. Was linke Mehrheiten bedeuten,eigt Hessen. Ich jedenfalls freue mich sehr auf dieächste Bundestagwahl.Herzlichen Dank.
Als letzter Redner hat nun der Kollege Dr. Ditmar
taffelt für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich teile all das, was hier zu Moral und Ethik imusammenhang mit Unternehmensführung gesagt wor-en ist.Ich wünsche mir insbesondere, dass die Unternehmenehr viel mehr und sehr viel besser kommunizieren undransparenter werden. Ich glaube, das ist ein Punkt, denir nicht unterschätzen sollten. Es ist doch ganz normal,enn man nicht verstehen kann, dass auf der einen Seiteie Renditen steigen und gleichzeitig Entlassungen be-anntgegeben werden. Das kann doch niemandem ein-euchten. Und dann wird noch nicht einmal gesagt, wo-ür die Rendite, die bei BMW zum Beispiel 26 Prozenteträgt, Verwendung findet, ob sie für Investitionen inie Zukunft des Unternehmens und damit den Aufbauon Arbeitsplätzen oder ausschließlich zur Bedienungon Shareholdern verwendet wird. Ich finde, dieser As-ekt sollte in dem Verhaltenskodex von Unternehmentärker betont werden. Das sollten wir politisch unter-tützen.
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15770 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. März 2008
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Dr. Ditmar StaffeltBei diesem Thema fällt mir eine weitere Frage ein:Was können wir vor dem Hintergrund einer globalisier-ten Welt tun? Als Sozialdemokrat kann ich nur sehrselbstbewusst sagen: Wir müsentwickeln.
hávez in Venezuela soll-dem Hintergrund sehen,ndustrie in Venezuela da-rkschaften und auch freiert werden. All das hattens wollen wir nicht nochDeutschland wegfallen und in andere Länder transpor-tiert werden. Wir müssen der Realität ins Auge schauen.Dazu gehört, dass wir die jungen Leute qualifizieren.Wir müssen sie besser ausbilden, die Hauptschule vonder „Restschule“ wegführen und unser Programm derGanztagsschule durchziehen. All das sind Programm-punkte, die Deutschland stark machen und für die Zu-kunft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außer-ordentlich wichtig sind.
Wir müssen den Zahlen ins Auge blicken: Siemensbeschäftigt 33 Prozent seiner Beschäftigten weltweit inDeutschland; nur 17 Prozent seines Umsatzes machtSiemens in Deutschland, aber 70 Prozent der Forschungfinden weiterhin in Deutschland statt. Was wird daraus?Wie verhalten wir uns angesichts dessen? Wir müssendafür sorgen, dass uns das nicht wegbricht; denn dieSchieflage wird eher größer als kleiner. Dieser Heraus-forderung können wir nicht mit wilden Sprüchen undPopulismus entgegentreten. Wir müssen den Unterneh-men in diesem Land vielmehr systematisch gute Rah-menbedingungen bieten.
Ich möchte Sie einmal hören, wenn ein Verteidi-gungsministerium in Deutschland ein halbes Jahr vor ei-ner Wahl entschieden hätte, einen 40-Milliarden-Dollar-Auftrag nicht an Airbus, sondern an Boeing zu vergeben.Da wäre aber hier etwas los – die Hütte würde brennen –,und Sie wären dabei an der Spitze.erwguVkVdbüabodBerichtig
Populismus ist nicht die richtige Antwort auf die He-ausforderungen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dassir als Bundesregierung die Rahmenbedingungen festle-en, uns mit den Unternehmern an einen Tisch setzennd den Druck für ethisch vernünftiges und moralischeserhalten nicht mindern, sondern erhöhen. Aber wirönnen uns nicht nur hinstellen und ein entsprechendeserhalten verlangen. Wir müssen den Unternehmen auchie entsprechenden Aktionsspielräume bieten, die sierauchen, um im Wettbewerb mit anderen Standortenberleben zu können, denn ihre Rendite kommt am Endeuch dem Standort Deutschland zugute. Das sollten wirei aller Kritik nicht vergessen.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 12. März 2008, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.