Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße alle anwesenden
Kolleginnen und Kollegen herzlich; die Lage ist ja ziem-
lich übersichtlich.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Personalrahmenkonzept der
Bundesregierung zu zentralen Fragen der internatio-
nalen Personalpolitik.
Dazu wird der Staatsminister im Auswärtigen Amt
Günter Gloser einen einführenden Bericht vortragen. –
Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Das Kabinett hat heute Morgen das Personal-rahmenkonzept der Bundesregierung zu zentralen Fra-gen der internationalen Personalpolitik beschlossen.Dieses Konzept ist im Laufe der letzten 18 Monate unterFederführung des Auswärtigen Amtes gemeinsam imRessortkreis entwickelt und verhandelt worden. Das Per-sonalrahmenkonzept definiert – natürlich im RahmennaznkhmPIp–znPsrlKKgdtRedetder jeweiligen personalwirtschaftlichen Möglichkeitenund dienstlichen Erfordernisse – einen für alle Ressortsanzustrebenden, gemeinsamen Mindeststandard für diezentralen, den öffentlichen Dienst betreffenden Frage-stellungen in der internationalen Personalpolitik.Ich darf einige Regelungsinhalte dieses Konzeptesvorstellen: erstens, die Umsetzung des Spiralmodells– das betrifft den Wechsel zwischen nationaler und inter-nationaler Karriere –, zweitens, die systematische Er-fassung strategischer Zielpositionen in internationalenInstitutionen und die Erfassung geeigneter deutscher Be-werberzielgruppen, drittens, die Systematisierung derAus- und Fortbildung zum Erwerb internationaler Kom-petenzen, viertens, die Ausdehnung der Nachderung für internationale Karrieren und, füVerbesserung der rechtlichen Rahmenbedingdeutsche internationale Bedienstete.
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oder allgemein andere Fragen an die Bundesregierung
gibt. Ich werde auf Ihre Wortmeldung also im späteren
Verlauf des Nachmittags zurückkommen.
Gibt es Fragen zum Bericht des Staatsministers? –
Kollege Ruck.
Herr Kollege, im Gegensatz zu der vorherigen Wort-
meldung bin ich sehr dankbar, dass dieses strategisch
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Gibt es sonst Fragen an die Bundesregierung mit
Blick auf die heutige Kabinettssitzung oder andere Fra-
gen, unabhängig von unserer üblichen Fragerunde? –
Das ist nicht der Fall.
Dann bedanke ich mich, Herr Staatsminister Gloser,
und beende damit die Befragung der Bundesregierung.
Da mit einem so zügigen Ablauf des Tagesordnungs-
punkts 1 offenkundig keiner derjenigen Kolleginnen und
Kollegen gerechnet hat, die Fragen für die nun folgende
Fragestunde eingereicht haben, unterbreche ich die Sit-
zung jetzt für circa fünf Minuten. Ich werde dann die
Fragestunde aufrufen, in der wir mit den dringlichen
Fragen beginnen werden.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 16/6571, 16/6592 –
Wir beginnen mit den dringlichen Fragen. Ich rufe zu-
nächst die dringliche Frage 1 des Kollegen Volker Beck
auf:
Welche Gründe – Erkenntnisse aus dem Besuch vom Vor-
sitzenden der Partei Die Linke, Oskar Lafontaine, unter ande-
rem – und welche Neuausrichtung der Politik gegenüber der
kubanischen Regierung und Opposition sind mit der Ausla-
dung der kubanischen Opposition zum Empfang der deut-
schen Botschaft auf Kuba am Nationalfeiertag verbunden
?
Zur Beantwortung steht der Staatsminister im Aus-
wärtigen Amt Günter Gloser zur Verfügung.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Beck – –
– Ich nehme den Doktortitel wieder zurück. Es tut mir
leid, aber ich habe das so drin.
Zumindest darüber lässt sich offenkundig sofort eine
Verständigung herbeiführen. Wollen wir einmal abwar-
ten, ob das so bleibt.
Man muss den Dialog gut vorbereiten.
Herr Kollege Beck, meine Antwort lautet wie folgt:
Bereits in den Vorjahren hat die deutsche Botschaft in
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Zusatzfrage, Kollege Beck.
Ich hatte in meiner Ausgangsfrage gefragt, ob es Er-enntnisse aus der Reise des Parteivorsitzenden derinkspartei gab, die zu dieser neuen Einladungspraxiseführt haben. Darauf wurde leider nicht geantwortet.ielleicht könnten Sie das im Nachhinein noch beant-orten.Ansonsten wollte ich fragen: Wenn Ihre Ausführun-en richtig sind, wie kommt es dann dazu, dass sich derenschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung mit denorten zitieren lässt:Ich hoffe, dass die Menschenrechtsaktivisten inKuba das nicht als einen Versuch zur Systemstabili-sierung begreifen. Als ehemaliger DDR-Bürger-rechtler wisse er, so Herr Nooke –wie es wirkt, wenn man zur falschen Zeit auf derCouch von Honecker sitzt.n diesem Fall ist es die Couch von Fidel Castro.Wenn man diese Einladungspraxis anders interpretie-en muss als als Bückling gegenüber der kubanischenegierung – Sie haben ja zugestanden, Sie wollten sichlle Handlungsmöglichkeiten offenhalten –, frage ichie: Müssen wir nicht auch gegenüber der kubanischenpposition handlungsfähig sein, indem wir uns deutlich
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Volker Beck
solidarisch mit denjenigen zeigen, die sich für Demokra-tie und Bürgerrechte in diesem Land einsetzen?
Herr Beck, erstens nehmen Delegationsreisen, die
jetzt stattgefunden haben, keinen Einfluss auf die Praxis
der Bundesregierung. Ich habe gesagt, dass diese Veran-
staltungen bereits in der Vergangenheit in dieser Form
stattgefunden haben und wir eine weitere Entzerrung an-
streben.
Zweitens ist es so – da gibt es kein Vertun –, dass die
Bundesregierung weiter für Demokratie und für Rechts-
staatlichkeit eintritt und das auch gegenüber den für
Kuba Verantwortlichen immer wieder erklärt hat.
Drittens glaube ich nicht, dass wir die Opposition de-
savouiert haben. Im Gegenteil, dieser pragmatische An-
satz ist ja der Grund, dass viele Dissidenten sagen: Wir
brauchen euren Einfluss. Wie solltet ihr Einfluss neh-
men, wenn nicht noch irgendwo Gesprächsmöglichkei-
ten da sind? – Ich glaube, in bestimmten Punkten ist eine
diskrete Diplomatie notwendig. Das zeigt sich an ver-
schiedenen Fällen, in denen wir interveniert haben und
es zur Freilassung von Gefangenen gekommen ist. Diese
Handlungsweise zu vergleichen mit Ereignissen, die ir-
gendwo anders stattgefunden haben, entspricht nicht den
Tatsachen, entspricht nicht dem, wie die Bundesregie-
rung, aber auch andere Mitgliedstaaten auf Kuba bzw. in
Havanna arbeiten.
Zweite Zusatzfrage.
Dazu hätte ich dann schon die Nachfrage, ob Sie
Herrn Nooke von diesem Ihrem Standpunkt inzwischen
überzeugen konnten oder ob Herr Nooke weiter zu sei-
nen Äußerungen im Spiegel vom Montag dieser Woche
steht, die sich ja im Widerspruch zu der von Ihnen vor-
getragenen Haltung des Auswärtigen Amtes befinden.
Noch einmal – ich wiederhole das gerne –: Wenn die
Mehrheit der Dissidenten und auch die katholische Kir-
che in Kuba, die ja eine ganz bestimmte, eine wichtige
Rolle spielt, zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Weg
der richtige ist, dann brauchen wir diese Kritik nicht an-
zunehmen. Insofern arbeiten wir, wie ich glaube, auch
im Sinne des Menschenrechtsbeauftragten. Ich hatte
nicht die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen; aber ich
nehme Ihre Anregung gern auf und werde mit ihm da-
rüber sprechen.
– Herr Beck, das werde ich gerne tun.
Zusatzfrage, Kollege Gehrcke.
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Wie schön. Dann haben wir das ordentlich abgeschlos-en. Diese Frage wird schriftlich beantwortet.Man könnte den Umfang der Befassung des Präsiden-en im Übrigen auch dadurch einschränken, dass manine Frage, mit deren schriftlicher Beantwortung manotfalls auch einverstanden ist, vorher nicht als außeror-entlich dringlich anmelden würde.
Ich erspare mir jetzt natürlich jeden Kommentar; die-en Hinweis wollte ich aber doch geben.
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Präsident Dr. Norbert Lammert– Frau Gleicke, ich kann mich nicht erinnern, überhauptjemals jemanden beschimpft zu haben, schon gar nichtin diesem Zusammenhang.Wir kommen jetzt zu den für diese Woche eingereich-ten Fragen und ihrer Beantwortung.Ich beginne mit dem Geschäftsbereich des Bundesmi-nisteriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parla-mentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach zur Verfü-gung.Ist der Kollege Montag inzwischen da? – Jawohl, erist da. Wie schön.Ich rufe zunächst die Frage 1 des Kollegen Montagauf:Plant die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Er-gebnisse des Zwischenberichts zur Evaluation des ZweitenBetreuungsrechtsänderungsgesetzes, nach dem unter anderemein signifikanter Rückgang des persönlichen Kontaktes zwi-schen dem Berufsbetreuer und dem Betreuten konstatiertwurde, zeitnahe Veränderungen im Vergütungssystem für be-rufsmäßig geführte Betreuungen?A
Herr Präsident, wir beide hatten uns zunächst freund-
lich begrüßt, wie sich das gehört. Er kam daher natürlich
zuerst zu mir, sodass Sie ihn nicht gleich sehen konnten.
Ich nehme das mit Respekt zur Kenntnis, will aber
darauf hinweisen, dass wir die knappen Redezeiten jetzt
nicht auch noch dadurch verringern sollten, dass jeder
ausdrücklich zu Protokoll gibt, wen er vorher ordentlich
begrüßt hat. – Bitte schön.
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Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Montag,
meine Antwort auf Ihre Frage: Der Übergang von der
oftmals anonymen Verwaltung von Fällen zur persönli-
chen Betreuung ist ein zentrales Anliegen des Betreu-
ungsrechts. Deshalb gibt es Anlass zur Sorge, dass sich
aus dem Zwischenbericht des Instituts für Sozialfor-
schung und Gesellschaftspolitik, ISG, Anzeichen – ich
wiederhole: Anzeichen – eines Rückganges des persönli-
chen Kontaktes zwischen Berufsbetreuern und Betreuten
ergeben.
Ob dieser Rückgang auf das Pauschalisierungssys-
tem, das Sie ja noch mitbeschlossen haben, zurückzufüh-
ren ist, kann allerdings noch nicht gesagt werden. Des-
halb sind kurzfristige Änderungen am Vergütungssystem
keinesfalls angezeigt. Die Bundesregierung verfolgt al-
lerdings die Entwicklung in enger Zusammenarbeit so-
wohl mit dem ISG als auch mit den Landesjustizverwal-
tungen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Montag? – Bitte.
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Das mag wohl sein, aber Sie haben zunächst einmal zu
er beantworteten Frage zwei Zusatzfragen. Die haben
ie jetzt gestellt.
Ich rufe jetzt die Kollegen auf, die sich zum gleichen
achverhalt gemeldet haben. Ich nehme Sie, Herr
zepka, in die Reihe der Interessenten auf. Dann kom-
en wir zu einer friedlichen Lösung. – Herr Kollege
oppelin.
Frau Staatssekretärin, warum hat Ihr Haus es in die-
em Fall, in dem es sich um Abgeordnete des Berliner
bgeordnetenhauses handelte, nicht für nötig gehalten,
leichzeitig den Präsidenten des Abgeordnetenhauses
arüber zu informieren? Darf ich ergänzend fragen: War
hrem Haus nicht bekannt oder später bekannt gemacht
orden, dass die Abgeordneten zum Beispiel am
8. September und am 30. August dem Präsidenten des
bgeordnetenhauses ihr Einverständnis zur Einblick-
ahme in die Steuerakten erklärt haben? Ist Ihnen auch
icht das Schreiben des Präsidenten des Abgeordneten-
auses von Berlin vom 13. September an den Regieren-
en Bürgermeister bekannt gewesen, in dem er um Auf-
lärung der Sache gebeten hat? Finden Sie nicht, dass
ich auch die Leitung Ihres Hauses mit der Angelegen-
eit hätte intensiver befassen müssen?
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Nein, ich finde nicht, dass wir, die Leitung des Hau-es, uns mit der Angelegenheit hätten intensiver befas-en müssen. Ich bleibe dabei, dass es vollkommen rich-ig ist, dies zur Vermeidung des Anscheins eineröglichen politischen Beeinflussung zu unterlassen.eshalb haben wir das so gehandhabt. Ich selber war iner vorigen Woche nicht im Dienst. Am 1. Oktober, alsie Veröffentlichung stattfand, hatte ich Urlaub. Ich willich davon aber nicht freizeichnen. Darum geht es auchar nicht. Es lag nicht etwa daran, dass ich in der Wocherlaub hatte. In der Woche zuvor, als die Entscheidun-en fielen, war ich im Dienst. Die Veröffentlichung fieluf den 1. Oktober.Es ist das übliche Verfahren. In diesem Fall handelt esich um den Sachverhalt, dass drei Abgeordnete wahr-eitswidrige Behauptungen in der Öffentlichkeit aufge-tellt haben, und zwar seit August fortwährend in der Ta-
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricksgespresse und im Regionalfernsehen, und es ging darum,schwerwiegenden Schaden hinsichtlich des Vertrauensauf ordnungsmäßige Handlungen der Finanzverwaltungzu entkräften. Die Abgeordneten hatten sich nicht bereiterklärt, vollständig und umfassend auf ihr Steuergeheim-nis zu verzichten, sondern nur – in Anführungszeichen –gegenüber einzelnen Mitgliedern des Ältestenrates, nichtgegenüber dem ganzen Ältestenrat. Aber wenn durchwahrheitswidrige Behauptungen in der Öffentlichkeitder Eindruck erweckt wird, als würde die Finanzverwal-tung – hier des Landes Berlin; das kann natürlich auch ineinem anderen Land sein – nicht korrekt arbeiten, sokann dieser Eindruck auch nur in der Öffentlichkeit zu-rückgewiesen werden.§ 30 Abgabenordnung bietet gleichsam eine beson-dere Gegendarstellungsmöglichkeit der Finanzverwal-tung, die selbstverständlich nur durch die oberste Fi-nanzbehörde des Landes, hier der Senatsverwaltung vonBerlin, im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministe-rium erfolgen kann. Hier sind natürlich Hemmnisse ein-gebaut, aber die Senatsverwaltung von Berlin hat in ei-ner umfänglichen Sachverhaltsdarstellung dargetan, dasses notwendig war, so zu verfahren, und deswegen ist imBundesministerium der Finanzen das Einvernehmen er-teilt worden.
Kollege Thiele, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie sagten, das sei ein übliches
Verfahren. Dazu habe ich eine Frage: § 30 Abgabenord-
nung stellt das Steuergeheimnis sicher, und Amtsträger
haben das Steuergeheimnis zu wahren. Amtsträgern ist
es nach § 355 Strafgesetzbuch auch strafrechtlich verbo-
ten, das Steuergeheimnis zu verletzen. Das ist eben der
starke Ausfluss des Persönlichkeitsrechts des Einzelnen,
auch gegenüber der Steuerverwaltung als Eingriffsver-
waltung.
In § 30 Abgabenordnung ist dann im Einzelnen dar-
gelegt – Sie beziehen sich auf Abs. 4 Nr. 5 –, dass die
Offenbarung zulässig sei, wenn für sie ein zwingendes
öffentliches Interesses besteht, und ein zwingendes öf-
fentliches Interesse sei namentlich gegeben, wenn – ich
zitiere jetzt –
a) Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen
gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und
seine Einrichtungen verfolgt werden oder verfolgt
werden sollen,
b) Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder ver-
folgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise
oder wegen des Umfangs des durch sie verursach-
ten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche
Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der
Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftli-
chen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit
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lung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer
Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die
Verwaltung erheblich zu erschüttern …
Wenn Sie sagen, das wäre das übliche Verfahren,
ann möchte ich Sie fragen: Wie häufig haben Sie denn
n der Vergangenheit das Einvernehmen zu einer solchen
eröffentlichung von Steuergeheimnissen unter Bezug
uf diese Nr. 5 seitens des BMF überhaupt erteilt?
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Herr Kollege Thiele, diese Frage kann ich Ihnen aus
em Kopf nicht beantworten. Ich habe nur gesagt: Es ist,
enn ein solcher Fall vorkommt, das übliche Verfahren,
ass auf Referatsebene abschließend gezeichnet wird,
m gerade den Anschein einer politischen Einfluss-
ahme zu vermeiden. – Darum habe ich vom üblichen
erfahren in der Art und Weise der Herstellung des Ein-
ernehmens gesprochen. Ich habe nicht damit zum Aus-
ruck gebracht, dass es ein übliches im Sinne von häufi-
es und immer wieder vorkommendes Verfahren ist.
Natürlich ist es nicht das erste Mal, dass in der Bun-
esrepublik Deutschland entsprechend dem von Ihnen
ichtig zitierten § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe c der Abga-
enordnung so verfahren wird. Aber er ist natürlich dazu
a, damit er im Zweifelsfall angewandt werden kann,
nd er lautet, wie Sie richtig sagen, wenn
die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung
in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsa-
chen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Ver-
waltung erheblich zu erschüttern.
Ich kann Ihnen sicherlich demnächst nachliefern, wie
iele Veröffentlichungen von Steuersachverhalten es
um Beispiel in den letzten fünf Jahren gegeben hat. Das
ill ich gerne tun. „Üblich“ bezieht sich nur darauf – ich
age es noch einmal –, auf welche Art und Weise das
invernehmen mit dem Bundesfinanzministerium herge-
tellt wird.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Wellmann.
Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, Sie seien mitiesem Vorgang nicht befasst gewesen. Diese Vorwürfeurden seit dem Jahre 2005 öffentlich erhoben; zuletzturde darüber Mitte August dieses Jahres in einer Berli-er Zeitung und in der Abendschau umfassend berichtet.arauf gab es nicht die geringste Reaktion der Berlinerinanzverwaltung; man verlangte keine Richtigstellun-en oder Erklärungen dazu. Sind Sie angesichts des toll-ühnen Umgangs des Herrn Sarrazin mit den Vorschrif-en der Abgabenordnung bereit, sich mit diesemachverhalt auseinanderzusetzen?
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Karl-Georg WellmannSind Sie außerdem bereit, sich mit dem Umstand zubeschäftigen, dass der Ältestenrat des Berliner Abge-ordnetenhauses im August bereit war, diesen Vorgangaufzuklären, dass der Parlamentspräsident dem Senatmitgeteilt hat, er wünsche in der Sache strikte Vertrau-lichkeit, dass die Veröffentlichung gleichwohl mitSchreiben der Berliner Finanzverwaltung vom 27. Sep-tember angedroht wurde und dass den Betroffenen mitSetzung der Frist 28. September – das war der frühest-mögliche Tag des Eingangs dieses Schreibens – erklärtwurde, dass der Vorgang veröffentlicht werde, falls siebis zu diesem Tag nicht hinreichend Stellung nähmen?Sind Sie bereit, sich damit auseinanderzusetzen?D
Ich bin sehr gerne bereit, mich damit auseinanderzu-
setzen. Zunächst weise ich die Formulierung „tollkühner
Umgang“ des Berliner Finanzsenators zurück.
Der Berliner Finanzsenator hat nach Recht und Gesetz
und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der
Finanzen gehandelt.
Ich kann darin keine Tollkühnheit erkennen.
Ich darf auf eine Unrichtigkeit in Ihren Einlassungen
hinweisen. Die Berliner Finanzverwaltung hat den Be-
troffenen am 20. September – nicht am 27. September! –
2007 ein Übergabeeinschreiben – der Vorgang ist also je-
derzeit nachprüfbar – übersandt und somit Gelegenheit
zur Stellungnahme gegeben. Die Empfänger wurden auf
die beabsichtigte Durchbrechung des Steuergeheimnis-
ses hingewiesen. Ihnen wurde Gelegenheit zur Stellung-
nahme bis zum 28. September, also acht Tage lang, ein-
geräumt. Eine Äußerung der Betroffenen erfolgte nicht,
und die Durchbrechung des Steuergeheimnisses erfolgte
dann am 1. Oktober 2007.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Rzepka.
– Man hat eine friedliche Lösung gefunden. – Herr Kol-
lege Rzepka, Sie haben das Wort.
Meine zweite Zusatzfrage eben war eine Unterfrage
zu meiner ersten Zusatzfrage, sodass ich die Möglichkeit
habe, das durch eine weitere Zusatzfrage zu vertiefen.
Frau Staatssekretärin, hier ist schon deutlich gewor-
den, dass das Steuergeheimnis einen sehr hohen, auch
verfassungsrechtlich abgesicherten Rang hat und dass
vor diesem Hintergrund die Frage der Erforderlichkeit
der Veröffentlichung und der Verhältnismäßigkeit sehr
sorgfältig abgewogen werden muss. Ich habe der Kom-
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ch habe darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung
urch die Veröffentlichung nachweisen konnte, dass die
orwürfe der drei Betroffenen allesamt unwahr waren.
ch habe nicht gesagt, dass richtige Daten veröffentlicht
urden. Im Gegenteil, durch die Veröffentlichung
onnte nachgewiesen werden, dass die andere Seite un-
ahre Behauptungen aufgestellt hatte. Das ist ein großer
nterschied. Darauf lege ich Wert, auch für das Proto-
oll; aber das Protokoll ist ja sowieso sorgfältig, da ma-
he ich mir keine Sorgen.
Zuständig für eine Durchbrechung des Steuergeheim-
isses nach § 30 der Abgabenordnung – egal nach wel-
hem der genannten Buchstaben, die von Herrn Thiele
ichtig zitiert worden sind – ist immer die oberste
inanzbehörde des jeweiligen Landes, in diesem Fall
lso der Finanzsenator von Berlin. Dazu wird das Ein-
ernehmen mit dem Bundesfinanzministerium herge-
tellt. Das muss nicht zwingend der Bundesfinanzminis-
er oder die politische Leitung sein. Infolgedessen ist
atürlich klar, dass die Veröffentlichung, so sie denn wie
n diesem Fall für unabdingbar notwendig gehalten wird,
mmer durch die oberste Finanzbehörde des Landes er-
olgen muss. Niemand sonst kann das tun, weil niemand
onst das darf. Deswegen kann der Finanzsenator von
erlin, der mit einer solchen Veröffentlichung naturge-
äß seine Pressestelle beauftragen muss, gar nicht nicht
efasst sein mit diesem Vorgang.
Ja, klar. Der Minister oder Senator, der seine Presse-
telle veranlasst, etwas zu veröffentlichen – die Presse-
telle kann das ja nicht von sich aus machen –, muss als
erson unterrichtet sein. Das kann nicht anders sein.
Herr Kollege Königshaus, Sie haben die nächste
rage.
Frau Staatssekretärin, Ihre letzte Bemerkung verstehe
ch nicht, denn wenn es richtig ist, dass das mehr oder
eniger auf Sachbearbeiterebene behandelt werden soll,
m politische Einflussnahme – –
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Das Einvernehmen! Bitte vermischen Sie doch nicht
lles!
Na gut. Wenn es hier um solche Sachverhalte geht,ie klargestellt werden sollen, dann ist es doch Aufgabeer Pressestelle des Finanzamtes, das klarzustellen, undicht die Aufgabe des politisch verantwortlichen Sena-ors.Aber ich wollte eine andere Frage stellen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Oktober 2007 12093
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Nein, Herr Kollege Königshaus! Die Durchbrechung
des Steuergeheimnisses –
Frau Kollegin!
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– nach § 30 der Abgabenordnung kann nur durch die
oberste Finanzbehörde eines Landes – also nicht durch
das Finanzamt – erfolgen. Das steht so in der Abgaben-
ordnung.
Das hatten wir verstanden. Aber die Anordnung, das
zu veröffentlichen, muss nicht der Senator selbst geben.
Aber unabhängig davon: Wenn es denn so war, dass
eine umfangreiche Sachverhaltsdarstellung an den Refe-
ratsleiter gegeben wurde, der hier seine Zustimmungs-
erklärung abgegeben hat, ist dann dort auch mitgeteilt
worden, was man konkret zu veröffentlichen denkt?
Denn es ist doch – so habe ich bisher die Zusammen-
hänge verstanden – so, dass all die Vorgänge, um die es
hier geht, nach Darstellung des Berliner Finanzsenators
deshalb nicht Folge eines Mobbings sein können, weil
die zeitlichen Zusammenhänge das nicht hergeben.
Wieso ist es denn dann erforderlich, dass man Daten aus
persönlichen Steuererklärungen veröffentlicht, wenn
man sich darauf beschränken könnte, schlichtweg die
rein zeitliche Abfolge darzustellen?
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Das ist so geschehen, Herr Kollege Königshaus. Denn
es sind nicht etwa Daten aus der Steuererklärung be-
kannt gemacht worden, aus denen man schließen könnte,
dass der Betroffene soundso viel verdient und soundso
viel Steuern gezahlt hat. Das ist nicht Gegenstand der
Veröffentlichung gewesen.
– Nein. Das ist nicht Gegenstand der Veröffentlichung
gewesen. Gegenstand der Veröffentlichung waren der
zeitliche Ablauf der Handlungen und die Erklärung, wa-
rum sie stattgefunden haben.
Einer der Beteiligten hatte zum Beispiel Steuerschul-
den, und sein Konto wurde gepfändet. Ein anderer Betei-
ligter, der ein Baugeschäft betreibt, hat eine Aufforde-
rung bekommen, eine Tabelle auszufüllen, damit
Schwarzarbeit bekämpft werden kann. Dazu hat die taz
einen interessanten Beitrag veröffentlicht. Diese Auffor-
derung war aber ein ganz normaler Vorgang. Denn die
Berliner Finanzverwaltung hat an über 700 Bauunter-
nehmen ein Formschreiben mit der Bitte verschickt, über
die Subunternehmer, mit denen sie zusammenarbeiten,
Auskunft zu geben. Damit wurde einer Anregung des
Bundesrechnungshofes gefolgt. Die Berliner Finanzver-
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s kommt aber auch nicht so häufig vor, dass drei Abge-
rdnete unwahre Tatsachenbehauptungen über die Berli-
er Finanzverwaltung oder eine andere Finanzverwal-
ung verbreiten. Abgeordnete haben eine besondere
erantwortung. Insofern ist es auf beiden Seiten ein un-
ewöhnlicher Vorgang – das ist nicht zu bestreiten –,
um einen, weil es sich um Abgeordnete handelt; zum
nderen, gerade weil Abgeordnete besonders sorgfältig
orgehen sollten.
Als das Bundesministerium der Finanzen sein Einver-
ehmen erteilte, war ihm bekannt, dass die Betroffenen
iner Durchbrechung des Steuergeheimnisses, die geeig-
et gewesen wäre, das Vertrauen der Öffentlichkeit in
ie Verwaltung wiederherzustellen, nicht zugestimmt
aben. Die Offenbarung allein gegenüber dem Ältesten-
at des Berliner Abgeordnetenhauses wäre, selbst wenn
ie umfassend gewesen wäre – dazu waren die Betroffe-
en nicht bereit –, nicht geeignet gewesen, die in der Öf-
entlichkeit verbreiteten unwahren Tatsachenbehauptun-
en richtig zu stellen.
Ich muss es noch einmal deutlich sagen: Es wurden
nwahre Tatsachenbehauptungen über die Finanzver-
altung verbreitet, die dazu geeignet waren, das Ver-
rauen in das ordnungs- und rechtmäßige Handeln der
erliner Finanzverwaltung nachhaltig zu erschüttern.
ie Veröffentlichung war notwendig, um das Vertrauen
er Bürgerinnen und Bürgern wiederherzustellen.
Herr Kollege Wieland.
Frau Staatsekretärin, grüne Parlamentarier sind nichteteiligt. Auch auf Senatsebene und in Ihrem Haus sindrüne nicht beteiligt. Deswegen: sine ira et studio.Sie haben gerade überzeugend ausgeführt, dass esberhaupt kein alltäglicher Vorgang ist, wenn man dieteuerdaten von Abgeordneten veröffentlicht. Sie habenesagt, dass in dieser Frage, obwohl die Parteibücher ge-ischt waren, politisch kein Einfluss ausgeübt werdenollte. Deswegen hat der Referatsleiter schlussgezeich-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Oktober 2007 12095
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Wolfgang Wielandnet. Wer hat denn veranlasst, dass der Referatsleiterschlusszeichnet? Der Brief des Senators ist doch wohlauf der Chefebene angekommen und nicht über die Post-verteilung gleich ins zuständige Referat gebracht wor-den.Daraus ergibt sich meine Anschlussfrage: Warumkam niemand auf die Idee, den Parlamentspräsidentensozusagen in seiner Schutzfunktion für die Parlamenta-rier einzuschalten?
Stellen Sie sich vor, hier würde so etwas geschehen. Dawürde man doch als Erstes erwarten, dass Präsident undPräsidium eingeschaltet werden, bevor man einem Sena-tor, den wir – das muss ich einmal sagen – nur als toll-kühn kennen und der gar nicht anders bezeichnet werdenwill, so einen Freifahrtschein ausstellt.D
Zunächst, Herr Kollege Wieland: Es war kein Schrei-
ben des Senators an das Bundesministerium der Finan-
zen. Infolgedessen ist es nicht auf der Leitungsebene
eingegangen. Es war schlussgezeichnet durch einen Ber-
liner Beamten, dessen Namen ich im Moment nicht prä-
sent habe. Aber es war jedenfalls nicht auf der Ebene ei-
nes Senators oder Staatssekretärs; deren Namen kenne
ich natürlich. Es war ein mir nicht bekannter Name; es
war ein Beamter. Ich weiß nicht, auf welcher Ebene,
aber mindestens unterhalb vom Staatssekretär; denn de-
ren Namen sind mir bekannt. Ich habe das Schreiben erst
vorgestern zur Kenntnis genommen.
Ich sage noch einmal: Der Sachverhalt war auf, ich
glaube, 13 Seiten überzeugend dargelegt. Daraufhin hat
der verantwortliche Referatsleiter nach Prüfung des
Sachverhaltes sein Einvernehmen erteilt, und zwar,
wenn ich das richtig weiß, mit Schreiben vom
28. September dieses Jahres. Da möchte ich mich aber
nicht ganz festlegen. Danach ist ja veröffentlicht wor-
den.
Der Referatsleiter hat nach meinem Dafürhalten in ei-
gener Verantwortung entschieden, dass er schlusszeich-
net. Er ist von niemandem dazu angewiesen worden; al-
lenfalls vielleicht von seinem nächsten Vorgesetzten
innerhalb der zuständigen Steuerabteilung. Das könnte
ich nachprüfen. Jedenfalls ist er nicht von der Leitung
des Hauses, vom Staatssekretär oder wem auch immer
angewiesen worden, schlusszuzeichnen.
Herr Kollege Wegner.
Frau Staatssekretärin, andere Stellen – das hat Kol-
lege Rzepka schon einleitend in dieser Runde gesagt –
werden letztlich den Straftatbestand zu klären haben.
Mich interessiert aber: Sie selbst haben eingestanden,
dass Sie, der Finanzminister und die parlamentarischen
Staatssekretäre, die politische Verantwortung tragen.
Mich würde in diesem Zusammenhang schlicht und er-
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zugrunde gelegt werden und es dadurch zu extre-
men Nachteilen für die Landwirte kommt?
Wer diese schwierige Frage außer dem Fragesteller und
mir verstanden hat, dem spendiere ich nachher ein Glas
Milch.
Die Antwort ist ebenso spezifisch, Herr Dr. Geisen.
Hinsichtlich der allgemeinen gesetzlichen Kranken-
versicherung besteht im SGB V seit Einführung des
Arbeitslosengeldes II ein Nebeneinander der Versiche-
rungspflicht und damit auch Beitragspflicht von Arbeit-
nehmern und Beziehern von Arbeitslosengeld oder von
Arbeitslosengeld II. Eine Angleichung der Regelungen
im KVLG 1989 wurde durch das GKV-WSG nachge-
holt. Mit der Einführung von § 2 Abs. 1 Nr. 6 KVLG
1989 wurde ein zusätzlicher Pflichtversicherungstatbe-
stand für Personen geschaffen, die Arbeitslosengeld oder
Arbeitslosengeld II beziehen. Diese Einführung der
doppelten Versicherungspflicht auch in der landwirt-
schaftlichen Krankenversicherung war aus Gleichbe-
handlungsgründen geboten; ansonsten hätte nämlich die
Arbeitsagentur nur bei Mitgliedern einer allgemeinen
Krankenkasse Krankenversicherungsbeiträge zu zahlen,
bei Mitgliedern einer landwirtschaftlichen Krankenkasse
hingegen nicht. Die zusätzliche Versicherungs- und Bei-
tragspflicht der Arbeitslosengeld-II-Bezieher führt für
die betroffenen Landwirte jedoch nicht zu einer zusätzli-
chen finanziellen Belastung.
Ihre Zusatzfragen, Herr Kollege.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Verehrter Herr
Staatssekretär, ich habe diese Fragen natürlich aufgrund
aktueller Anlässe gestellt und bitte, nachprüfen zu las-
sen, ob der letzte Satz, den Sie gerade geäußert haben,
den Tatsachen entspricht. Dann hätten wir kein Problem.
Mir ist demgegenüber bekannt, dass es hier zu Doppel-
belastungen kommt. Die Arbeitslosengeld-II-Empfän-
ger, die gleichzeitig Landwirte sind, müssen zwei
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Herr Staatssekretär, die Website des BKA war bei mir
bislang unter „Favoriten“ abgelegt. Ich finde sie höchst
informativ, und von Zeit zu Zeit mache ich mich als in-
nenpolitische Sprecherin sachkundig, indem ich auf die
Website des BKA zurückgreife.
Ich muss jetzt das Geständnis ablegen, dass mich
nach Rostock und den Auseinandersetzungen um den
G-8-Gipfel auch die Internetseite zur militanten Gruppe
interessiert hat. Daher meine Frage an Sie als Staats-
sekretär: Zähle ich jetzt zu den Verdächtigen? Bin ich
jetzt beim BKA als gefährliche Linksextremistin gespei-
chert, oder hat die Analyse meines Zugriffs auf die
BKA-Website in diesem Fall vielleicht ergeben, dass ich
tatsächlich ein Informationsinteresse hatte?
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1)
Herr Staatssekretär – –
Nein, Frau Stokar, diese Frage kann ich nicht mehr
ulassen. Sie haben nur eine Zusatzfrage.
Gut, machen Sie das.
Die Frage 11 des Kollegen Christian Ströbele wird
chriftlich beantwortet.1) Deswegen können wir auch
iesen Geschäftsbereich verlassen. Herr Staatssekretär,
ielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums für Bildung und Forschung auf. Die Fragen wird
err Parlamentarischer Staatssekretär Andreas Storm
eantworten.
Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Cornelia Pieper
uf:
Inwiefern ist es auf der Grundlage der Föderalismusre-
form I möglich oder beabsichtigt, seitens der Bundesregie-
rung auf die Ausgestaltung von Schulabschlüssen oder einer
bundeseinheitlichen Lehrerbildung Einfluss geltend zu ma-
chen, und beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen der
Föderalismusreform II die bundesstaatlichen Kompetenzen
für den Bildungsbereich wieder zu erweitern?
A
Ich beantworte die Frage der Abgeordneten Pieperie folgt: Die Bundesregierung sieht in der von Bundes-ag und Bundesrat beschlossenen Modernisierung derundesstaatlichen Ordnung, der Föderalismusreform I,inen wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Trans-arenz in der Kompetenzverteilung zwischen Bund undändern. Für die Schulpolitik, nach der Sie gefragtaben, waren die Länder schon vor der Föderalismusre-orm I zuständig. Die in Art. 91 b des Grundgesetzes neuormulierten Möglichkeiten des Zusammenwirkens vonund und Ländern im Bildungswesen stellen moderneteuerungsinstrumente dar, die auf Vergleichsdaten, em-irische Bildungsforschung und gemeinsame Empfeh-ungen setzen. Der föderale Wettbewerb und die damiterbundene Vielfalt der Regelungen in den Ländern ma-hen Vergleichbarkeit erforderlich, um in DeutschlandDie Frage wird zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet.
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Parl. Staatssekretär Andreas StormMobilität zu gewährleisten. Dazu braucht es keine er-weiterten Bundeskompetenzen. Vielmehr verlangt esAbsprachen zwischen den Ländern, die der Bund mit In-strumenten der Bildungsforschung und der Leistungs-vergleiche unterstützt. Dies gilt in gleicher Weise fürSchulabschlüsse wie für die Lehrerausbildung.Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, imRahmen der Föderalismusreform II, die primär auf dieModernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungenzielt, die Kompetenzaufteilung in der Bildungspolitik zuthematisieren.
Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, was Sie gerade ausgeführt haben,
ist mir nicht neu. Wenn das aber die Position der Bun-
desministerin für Bildung und Forschung ist, dann muss
ich Sie fragen, warum sie dann in der Öffentlichkeit ve-
hement bundesweit einheitliche, vergleichbare Schulab-
schlüsse und einheitliche Schullehrbücher gefordert hat
und – wie ich meine, zu Recht – auch bei der Lehreraus-
bildung bundeseinheitliche Regelungen fordert, weil die
KMK, die nach der Föderalismusreform I in der gesamt-
staatlichen Koordinierung im Bildungsbereich mehr Zu-
ständigkeiten gewonnen hat, auf diesem Gebiet versagt
hat.
Was die Ministerin in der Öffentlichkeit fordert, wi-
derspricht dem, was Sie eben ausgeführt haben. Meine
Frage ist, warum sie das fordert. Plant sie einen Bil-
dungsgipfel, um in dieser Frage gemeinsam mit den
Ländern voranzukommen?
A
Frau Abgeordnete Pieper, das widerspricht sich natür-
lich nicht. Frau Ministerin Annette Schavan hat mit ih-
ren Äußerungen zu den von Ihnen genannten Themen ei-
nen Prozess angestoßen, der das Zusammenwirken der
Länder und das Finden einheitlicher Standards bereits
jetzt erkennbar beschleunigt hat. Das wird auch in der
Antwort auf die folgende Frage zum Thema Abitur deut-
lich werden.
Darüber hinaus ist in der Tat im Zusammenhang mit
der für den Herbst geplanten Nationalen Qualifizie-
rungsinitiative geplant, im Herbst 2008 einen gemeinsa-
men Bildungsgipfel mit den Ländern zu veranstalten, der
aber im Hinblick auf die Themen weit über schulpoliti-
sche Fragen hinausgehen wird.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wenn ich es richtig
sehe, dann hat die Bundesregierung darauf gedrängt
– das wissen Sie so gut wie ich –, dass die Bund-Länder-
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Wir werden Zeugen eines zunächst noch parteiinternenWahlkampfes zulasten der Beitragszahler in der Arbeits-losenversicherung. Kurt Beck, der politische Prügel-knabe der letzten Monate, tätigt im Streben nach einemguten Wahlergebnis auf dem kommenden Parteitag indiesen Tagen ein Geschäft zulasten Dritter.Weil das Signal zur Umkehr ganz offensichtlich beieiner großen Zahl von SPD-Mitgliedern und auch SPD-Kollegen in diesem Hause verfängt, stellt sich für unsdie drängende Frage, die wir mit dieser AktuellenStunde klären wollen: Ist die Geschäftsgrundlage derKoalition, wie der erste Geschäftsführer der Union,Norbert Röttgen, gestern feststellte, gefährdet, weil derJuniorpartner in der Koalition,
die SPD, mit sich selbst um den richtigen Kurs ringt?Hat diese Bundesregierung noch die ordnungspolitischeOrientierung und auch die innere Kraft, das im Interessedieses Landes und seiner Menschen Notwendige zu tunund die Notwendigkeit dieses Handelns auch dann zu er-klären, wenn dieses Handeln unpopulär ist? Wir erwar-ten, dass die Bundesregierung hier und heute dazu klarStellung bezieht. Ich finde es einen Skandal, Herr Parla-mentarischer Staatssekretär – bei aller persönlichen Ver-ehrung –,
dass der zuständige Minister Franz Müntefering heutehier nicht erschienen ist, sondern kneift und diesem Par-lament nicht Rede und Antwort stehen will.
Hat also die Koalition noch den Willen zur Gestaltungvon Reformen,
oder geht sie den einfachen Weg, den Weg des geringstenWiderstandes, und schüttet, trunken von arbeitsmarktpo-litischen Erfolgen, die, Herr Kollege Brauksiepe, zwarerfreulich, aber am allerwenigsten Ergebnis der Politikdieser Koalition sind, erneut das Füllhorn sozialer Wohl-taten aus?dseSdsMnWRklmmki–MNddszehSDjCbtdhnseamMiwfAau
Da brauchen Sie nicht zu lachen. – Wer wie Franzüntefering, den manche von Ihnen gerne spöttisch alsachlassverwalter von Gerhard Schröder bezeichnen,ie Hartz-Reformen ohne Wenn und Aber verteidigt hat,er kann nach einem anderslautenden Parteitagsbe-chluss – und der ist mit Händen greifbar – nicht einfachur Tagesordnung übergehen. Was wir in diesen Tagenrleben, ist der Anfang vom Ende des Mannes, der frü-er einmal als das personifizierte soziale Gewissen derPD galt.
Wenn man nun sieht, dass bei der SPD Feuer unter demach ist, dann soll doch nicht vergessen werden, dass der-enige, der zuerst gezündelt hat, ein Ministerpräsident derDU war. Es war Jürgen Rüttgers, der selbsternannte Ar-eiterführer aus Düsseldorf, der den gedanklichen Sys-embruch mit der Reformpolitik, für die die Verkürzunger Bezugszeit des Arbeitslosengeldes I steht, vollzogenat. Schon dieser Vorschlag war falsch; denn es geht hiericht, wie Jürgen Rüttgers dieser Tage im Frühstücksfern-ehen uns glauben machen wollte, um die Frage, ob manine verlängerte Zahlung des Arbeitslosengeldes besserm Lebensalter oder an der Beitragszahlungsdauer fest-acht.
an kann in einem umlagefinanzierten System, in demn jedem Jahr die Einnahmen auch wieder ausgegebenerden, also mithin keine Rücklagen gebildet werden,ür Beitragsleistungen der Vergangenheit keine neuennsprüche begründen. Das funktioniert nicht und istuch nicht bezahlbar nach dem Motto „Das können wirns wieder leisten“. Ich sage hier sehr deutlich: Wer eine
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Dr. Heinrich L. Kolban sich mögliche Beitragssenkung unterlässt, der be-wirkt auf Dauer das Gleiche wie eine Beitragserhöhung.
Wer wie die Große Koalition die Rentenbeiträge er-höht, wer als Folge einer verkorksten Gesundheitsreformdas Steigen der Krankenversicherungsbeiträge zu ver-antworten hat, wer die Beiträge zur Pflegeversicherungerhöhen will und die Mehrwertsteuer schon angehobenhat, der hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit,dort, wo Beitragssenkungen möglich sind, das Geldnicht für alle möglichen Wohltaten anderweitig auszuge-ben, sondern den Menschen in diesem Land ihr Geld,ihre Beiträge, zurückzugeben.
Eine Senkung auf nicht nur 3,9, sondern mindestensauf 3,5 wenn nicht gar auf 3,2 Prozent ist machbar.
Herr Kollege Kolb, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Diese Sen-
kung ist dann machbar, wenn Wahlgeschenke à la Beck,
die alleine bei der Verlängerung der Bezugsdauer des
Arbeitslosengeldes I ein Volumen von 0,1 Beitragspunk-
ten ausmachen, unterbleiben.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
Gerd Andres.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die wichtigste Aufgabe dieser Regierung ist es,Arbeit zu schaffen und Arbeit zu erhalten.
Dies hat das Bundeskabinett bei seiner Klausurtagung inMeseberg noch einmal ausdrücklich bestätigt. DieFrankfurter Rundschau hat es letzten Donnerstag aufden Punkt gebracht: Uns geht es um Perspektive stattFrührente. Das haben wir uns für die Älteren mit den Re-formen am Arbeitsmarkt vorgenommen. Das haben wirauch erreicht.Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist so gut wie seitzwölf Jahren nicht mehr. Das Wachstum kann seine Wir-kung entfalten. Früher – ich rede von der Zeit vor 1998 –wäre selbst bei einem Wachstum, wie wir es derzeit ver-zeichnen können, die Beschäftigungsschwelle kaumüberschritten worden. Heute schlägt die gute Konjunkturvdv4fdAs–fdvmE„umbTdCkbwz5dWstdzt–Iüagaknp
ir wollen, dass sich diese Quote bis 2010 – das ist un-er Ziel – auf mindestens 55 Prozent erhöht. Das bedeu-et Arbeit für noch einmal mindestens 600 000 Ältere.Wenn Ältere arbeitslos werden, ist das für sie nichtas Ende. Das war früher meist anders: Ein kurzer So-ialplan und die anschließende Frühverrentung bedeute-en oft das Ende aller Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Ich will etwas erklären.
n diesem Jahr sind bislang rund 1 Million Menschenber 50 Jahren arbeitslos geworden. In diesem Jahr sindber auch 1 235 000 Ältere aus der Arbeitslosigkeit ab-emeldet worden. Wer sich die Zahlen zu diesem Themanschaut, muss feststellen, dass wir bei der Arbeitslosig-eit Älterer einen deutlich stärkeren Abbau zu verzeich-en haben als im Durchschnitt aller anderen Altersgrup-en.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Ich bin schon über 50, ich finde ja dochnichts mehr!“, hört man immer seltener, weil er immerweniger stimmt.
Zu dem, was hier eben gesagt worden ist, will ich aus-drücklich sagen: Die durchschnittliche Bezugsdauer vonArbeitslosengeld I beträgt bei den 50- bis 55-Jährigen imDurchschnitt rund sechs Monate – mir ist klar, was„Durchschnitt“ heißt –, bei den 55- bis 60-Jährigen rundsieben Monate und bei den 60- bis 65-Jährigen rund elfMonate. Ich sage ganz leise und gelassen: Das ist ziem-lich weit weg von der Grenze 12 oder 18 Monaten. Auchdas muss man einmal schlicht zur Kenntnis nehmen.
Darum sage ich: Die Ziele sind richtig. Die Richtungstimmt. Die Älteren haben eine Perspektive auf Arbeit.Wir haben die falsche Praxis der Frühverrentung beendetund mit der Initiative „50 plus“ neue Chancen auf Arbeitgeschaffen.
Ich will die Chance nutzen, die Arge Vogtlandkreis zugrüßen, die es mit ihrem Projekt „Vital ab 50“ geschaffthat, über 540 Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeits-markt zu vermitteln, und das in einer Region mit einerArbeitslosigkeit von 15 Prozent. Der Vorwurf, Älterefänden überhaupt keine Arbeit, ist schlicht Unsinn. Dasist nicht wahr und wird immer weniger wahr.Wir haben die Basis für eine nachhaltige Senkung derBeiträge zur Arbeitslosenversicherung gelegt; Herr Kolbhat das angesprochen. Innerhalb eines Jahres senken wirden Beitrag um 2,6 Prozentpunkte ab und entlasten dieBeitragszahler um 19 Milliarden Euro. Herr Kolb, Siekönnen ja einmal nachschauen, wie sich der Beitrag zurArbeitslosenversicherung während Ihrer Regierungsbe-teiligung entwickelt hat. Er ging immer steil nach oben,nie nach unten. Wir hingegen senken den Beitrag; damitdas einmal klar ist.
Wir haben es erreicht, dass die Gefahr, in die Falle derLangzeitarbeitslosigkeit zu geraten, deutlich gesunkenist. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen belegendas. Ich finde es faszinierend, dass uns jetzt Zahlen undUntersuchungsergebnisse vorliegen, die belegen, dasswir das, was wir mit der Absenkung der Bezugsdauerdes Arbeitslosengeldes erreichen wollten, auch errei-chen: ein anderes Verhalten bei den betroffenen Men-schen und ein anderes Verhalten bei den beteiligten Be-trieben.
Gerade Ältere profitieren überproportional von der gutenEntwicklung.gtlADRcDAdHzdddvAPDdDPditusgvekhBIsfk
rbeit schaffen, statt Arbeitslosigkeit zu verlängern.
erspektiven auf Beschäftigung statt Frührente.
as wollte ich hier für die Bundesregierung erklären.Nun will ich noch eines sagen, Herr Kolb: Was aufem SPD-Parteitag beschlossen wird, bleibt abzuwarten.as wissen Sie genauso wenig wie ich. Das muss derarteitag erst einmal beschließen. Welche Positionenann in der Koalition verhandelt und verabredet werden,st eine Frage der Koalition. Das ist immer so bei Koali-ionsregierungen; auch das wissen Sie ganz genau. Fürns gilt gegenwärtig, was in der Koalitionsvereinbarungteht. Dort steht nichts von der Verlängerung. Aber esilt natürlich auch das, worauf sich Koalitionspartnererständigen. Einer der Koalitionspartner hat vor langeminen Parteitagsbeschluss gefasst. Er hat ihn bis heute ineine Koalitionsabsprache eingebracht.
Deswegen sage ich Ihnen ausdrücklich: Das, was ichier geschildert habe, sind Erfolge der Politik dieserundesregierung und der Vorgängerregierung.
ch finde, die Reformen, die wir eingeleitet und umge-etzt haben, tragen jetzt sehr gute Früchte und zeigen Er-olge. Das gilt es festzuhalten. Alles andere wird die Dis-ussion in der Zukunft zeigen.Schönen Dank, meine Damen und Herren.
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Parl. Staatssekretär Gerd Andres
Das Wort hat der Kollege Volker Schneider für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn der alte Satz der Öffentlichkeitsarbeiter, dassselbst schlechte Nachrichten in irgendeiner Form guteNachrichten sind, Wahrheit hat, dann kann die SPD mo-mentan wahrhaftig die Sektkorken knallen lassen. SeitTagen ist der Pressespiegel meiner Fraktion voll mit Be-richten über Sozialdemokraten, die mal stolz auf dieAgenda 2010 und mal stolz auf ihren Vorsitzenden sind.Bundesminister Müntefering – er ist heute leider nichtanwesend; aber wir haben eben gehört, dass ALG I inder Kabinettssitzung nicht einmal ein Thema war, alsoist es nicht verwunderlich – ist wahlweise im Streit mitseinem Vorsitzenden, auf der Suche nach einem Kom-promiss oder kurz vor dem Rücktritt. Die SPD sieht sicheinerseits auf dem Weg zu neuen Ufern, während anderein derselben Partei das Ende der ach so erfolgreichenAgenda 2010 nahen sehen. Kurt Beck spricht derweilselbst von einer Weiterentwicklung der Agenda.Keine Angst, liebe Kolleginnen und Kollegen von derSPD, ich werde hier nicht auf den Weg von Herrn Kolbeinschwenken. Dass wir hier gemeinsam eine AktuelleStunde beantragt haben, hat ausschließlich organisatori-sche und keine inhaltlichen Gründe.
Mir geht es eher darum, einmal nüchtern zu schauen,was fern von jeder Aufregung tatsächlich hinter dieseraktuellen Diskussion steht. Einiges dabei scheint mirviel Lärm um nichts zu sein. Was ist geschehen? Teileder SPD – nicht unbegründet ist die Vermutung: eineMehrheit der SPD – will die Bezugsdauer des Arbeitslo-sengeldes I verlängern, genauer: Arbeitslose, die älter als45 Jahre sind, sollen ALG I 15 Monate und über 50-Jäh-rige sollen ALG I 24 Monate beziehen können. DieUnion kontert in Person des Parlamentarischen Ge-schäftsführers der Fraktion, Kollege Norbert Röttgen,mit einer Verbalattacke, die laut Spiegel zu den deftigs-ten gehörte, die aus der Union im Laufe der über zwei-jährigen Tätigkeit der Großen Koalition an die SPD-Spitze gerichtet wurden. Wieso eigentlich? Der lautUmfragen bekannteste Sozialdemokrat von Nordrhein-Westfalen, CDU-Ministerpräsident Rüttgers, hat mit sei-ner Forderung versucht, die SPD links zu überholen.Übrigens, Herr Kolb, ich habe in dieser Frage keine gro-ßen Proteste von Ihrem Kollegen Herrn Pinkwart gehört.
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Aber wir haben hinzugefügt: Weil wir keine zusätzli-
chen Lasten für die Beitragszahler, die Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber, wollen,
müssen wir das kostenneutral gestalten. Das ist der Be-
schluss. Er wurde sehr wohl, Kollege Andres, in die
Koalition eingeführt, nämlich im Januar vergangenen
Jahres. Seinerzeit bissen wir auf Granit. Wir haben un-
sere Meinung gebildet, übrigens die CSU in genau der
gleichen Weise wie die CDU.
Wenn man seine Meinung inzwischen geändert hat
und jetzt Raum für Diskussionen sieht, warum sollte
man im Besitz einer gefestigten Meinung nicht ge-
sprächsbereit sein? Ich sage allerdings noch einmal: Für
uns gibt es in allen Gesprächen über den politischen
Kurs eine klare Priorität. Gerechte Leistungen für Ar-
beitslose sind sehr wichtig. Aber für die Union hat es
oberste Priorität, die Arbeitslosigkeit abzubauen bzw. zu
verhindern und in Deutschland neue Arbeitsplätze zu
schaffen.
Dabei sind wir bisher nicht gerade erfolglos gewesen:
1,1 Millionen weniger Arbeitslose als vor zwei Jahren,
700 000 weniger als im vergangenen Jahr und
555 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr
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s ist in der Großen Koalition bereits beschlossene Sa-
he, ihn noch weiter zu senken, und zwar auf 3,9 Pro-
ent, also um zusätzliche 0,3 Prozentpunkte.
Wir von der Union rufen Ihnen zu: Wir müssen uns
och einmal mit dem Beitragssatz zur Arbeitslosenversi-
herung beschäftigen und alle Finanzressourcen, die sich
ns aufgrund der günstigen Entwicklung bei der Bun-
esagentur für Arbeit bieten, nutzen, um diesen Bei-
ragssatz noch kräftiger und nachhaltiger als bisher auf
,5 Prozent zu senken.
as hat für die Union oberste Priorität. Das ist angebots-
nd nachfrageorientierte Politik. Wir stärken dadurch die
ettokaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
er, und wir begrenzen die Lohnnebenkosten der Ar-
eitgeber und verbessern auf diese Weise ihre Wettbe-
erbsbedingungen auf dem Markt.
In Zahlen heißt das: Für den Durchschnittsarbeitneh-
er würde sich aus dieser Senkung des Beitragssatzes
in Kaufkraftvorteil von 450 Euro netto pro Jahr erge-
en. Für seinen Arbeitgeber würde das eine Senkung der
osten um ebenfalls 450 Euro pro Jahr bedeuten. In der
olkswirtschaftlichen Summe stärken wir dadurch den
onsum bzw. die Nachfrage und machen das Angebot
eistungsfähig. Das ist der richtige Weg, um in Deutsch-
and mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätze zu
chaffen.
Ich bedanke mich.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun dieollegin Brigitte Pothmer das Wort.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Oktober 2007 12109
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ver-längerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I istfalsch.
Das weiß Herr Beck, und das wissen auch diejenigen,die Herrn Beck unterstützen.
Als Herr Rüttgers diesen Vorschlag im Herbst letztenJahres gemacht hat, hat Herr Beck ihn als Unsinn be-zeichnet und deutlich gemacht, dass dieser populäre Vor-schlag dem Stimmenfang dienen soll; das wissen Sie.
Aber das weiß nicht nur die SPD, sondern das weißauch die CDU.
Sie erschrecken sich jetzt zu Tode. Denn Sie habengedacht, Sie könnten auf Ihrem Parteitag beschließen,was Sie wollen, weil Sie davon ausgingen, dass IhreFreunde von der Sozialdemokratie, zum Beispiel FranzMüntefering, schon dafür sorgen würden, dass Sie dieSuppe, die Sie sich eingebrockt haben, nicht auslöffelnmüssen.
Aber jetzt stehen Sie da und müssen auf einmal selbstPosition beziehen. Ich muss sagen: Das finde ich richtig.Herr Weiß, Ihnen möchte ich eine Frage stellen. Aufder einen Seite sind Sie für die Verlängerung der Be-zugsdauer des ALG I. Auf der anderen Seite sagen Sie,dass alles, was erwirtschaftet wird, zur Senkung des Bei-tragssatzes zur Arbeitslosenversicherung genutzt werdenmuss. Wollen Sie uns etwa erzählen, es sei gerecht, dassdie Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I auf Kos-ten der Jüngeren geht? Dann müssten wir beide uns tat-sächlich einmal über Ihren Gerechtigkeitsbegriff unter-halten.
Ich will deutlich sagen: Wir Grüne sind überhauptnicht der Auffassung, das Hartz IV für sich genommenoder die Agenda 2010 als Paket sakrosankt sind. Auchich finde, dass es Veränderungsbedarf gibt; dazu will ichnoch etwas sagen. Aber was ich absurd finde, ist, dassSie ausgerechnet eine Regelung verändern wollen, diebewiesenermaßen erfolgreich ist. Tatsächlich hat dieVerkürzung des ALG I die Wirkung gezeigt, die wir unsalle gewünscht haben: Die Arbeitslosigkeit bei den Älte-ren geht stärker zurück als im Durchschnitt, und zwarfast doppelt so stark. Und genau in diesem Moment wol-lmzg„WsgwleVDdzvAAtubPSmTzSvAckfsFrtuhlewSsf2sA
Sie sagen immer, es geht Ihnen darum, der Lebens-eistung der älteren Menschen Respekt zu zollen; das seiin Ausdruck von Gerechtigkeit. Das, was Sie mit Ihremorschlag erreichen, ist maximal gefühlte Gerechtigkeit.enn wirklich helfen, wirklich Sicherheit geben heißtoch nicht, das Arbeitslosengeld I sechs Monate längeru zahlen. Sicherheit bietet ein Arbeitsplatz. Sie wollenersuchen, diesen Menschen den Anspruch auf einenrbeitsplatz mit der sechsmonatigen Verlängerung desLG I abzukaufen. Das hat mit Gerechtigkeit nichts zun.
Lassen Sie mich jetzt noch Folgendes sagen, was miresonders wichtig ist: Sie investieren in eine falscheolitik, weil die Kinder, die jetzt in Kindergärten undchulen schlecht gefördert werden, nicht das bekom-en, was sie brauchen, um später im Leben tatsächlicheilhabe zu haben, um Jobs auszufüllen. Wenn 30 Pro-ent einer Jahrgangskohorte das Bildungssystem ohnechulabschluss oder mit einem schlechten Schulabschlusserlassen, wenn 40 Prozent einer Jahrgangskohorte ohneusbildung auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen versu-hen, wie soll es dann funktionieren, dass die immerleiner werdende Gruppe der Erwerbstätigen die Ältereninanziert und auch noch diejenigen, die, weil siechlecht ausgebildet sind, auf dem Arbeitsmarkt nichtuß fassen können? Das kann nicht funktionieren. Ge-echtigkeit ist, wenn wir etwas für die jungen Menschenn.Politik heißt eben auch, Prioritäten setzen. Die Be-auptung, man kann das eine tun, ohne das andere zuassen, ist letztlich nichts anderes, als sich schützend vorine Politik zu stellen, die ihre Erfolglosigkeit schon be-iesen hat.
ie setzen die falschen Prioritäten.Wenn wir an der Agenda 2010 etwas verändern müs-en, dann geht es vor allen Dingen darum, die Regelsätzeür Kinder anzuheben. Es ist nicht möglich, ein Kind für,50 Euro am Tag gesund zu ernähren. Wir müssen tat-ächlich – da gebe ich Ihnen recht, Herr Weiß – über dieltersvorsorge reden. Wir können nicht propagieren, die
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Brigitte PothmerMenschen müssen individuell vorsorgen, ihnen diesesGeld aber, wenn sie arbeitslos werden, wegnehmen. Daskann nicht funktionieren.
Ich finde, dass der Vorschlag von Kurt Beck einenschalen Beigeschmack hat.
Kollegin Pothmer, Sie müssen bitte zu Ihrem letzten
Satz kommen.
Ich komme zum Schluss. – Denn unter dem Mantel
der Gerechtigkeit werden hier Populismus und persönli-
che Eitelkeit vertreten. Ich erinnere mich übrigens noch
an folgenden Satz von Herrn Beck: „Waschen Sie sich
mal, rasieren Sie sich mal, dann wird das schon was mit
dem Job!“
Ich kann Ihnen nur sagen: Der Kopf sollte nicht nur zum
Haareschneiden da sein.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Heinz-Peter Haustein für
die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir reden heute zum wiederholten Mal über dieArbeitslosigkeit. Das aktuelle Problem ist die Verlänge-rung des Bezugs von ALG I. Wir sind ein reiches Landund haben trotzdem 3,5 Millionen Arbeitslose. Arbeitgibt dem Menschen Würde, Hoffnung, das Gefühl, ge-braucht zu werden, Sicherheit. Arbeit ist der Kern dermenschlichen Entwicklung.Wir reden und reden von der Arbeitslosigkeit und ver-walten sie jedes Jahr und immer wieder mit Milliardenund Abermilliarden Euro. Jetzt wollen Sie auch noch dieArbeitslosigkeit verlängern und entsprechend bezahlen.
Sie zäumen das Pferd von hinten auf, reagieren auf Wir-kungen und bekämpfen nicht die Ursachen. Das ist einKardinalfehler.
Ziel sollte es sein, dass jeder, der arbeiten möchte, aucheine Arbeit bekommt. Darüber, und nicht darüber, wiewir die Arbeitslosigkeit bezahlen und verlängern, solltenwir uns den Kopf zerbrechen.Als Unternehmer kann ich Ihnen ein paar Tipps dafürgeben, wie man Arbeitsplätze schafft: Machen Sie eineinfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem!WLdBtpDddkdWBWusiAeDDtgÜeGugHVgSsOrWfizul
auen Sie die Bürokratie ab, und machen Sie keine Un-ernehmensteuerreform, durch die 21 neue Berichts-flichten entstehen!
as brauchen wir, um Arbeitsplätze zu schaffen.Stattdessen reden wir darüber, wie die Bezugsdaueres ALG I auf 20 oder 24 Monate verlängert und wieies bezahlt werden kann. Wer weiß, wohin diese Dis-ussion noch führt. Überbieten sich Schwarz und Rot inen nächsten zwei Jahren bis zur Bundestagswahl imettbewerb mit Verteilungsgeschenken? Auch Herreck hatte zum ALG I einmal eine andere Haltung.enn die SPD den Wahlkampf jetzt schon eröffnet hatnd glaubt, sich die Menschen mit einfachen populisti-chen Versprechungen gewogen zu machen, dann fragech mich, ob wir hier bald über eine Bezugsdauer desLG I von 30 oder 40 Monaten reden.
Die BA sammelt jährlich Beiträge in Milliardenhöhein.
a es durch die gute Weltkonjunktur, die endlich aucheutschland erreicht hat, nun mehr versicherungspflich-ige Beschäftigungsverhältnisse und weniger Arbeitsloseibt – worüber wir uns sehr freuen –, hat auch die BAberschüsse. Diese Überschüsse hat die BA aber nichtrwirtschaftet, sondern eingesammelt. Genau dieseseld sollte zur weiteren Senkung der Lohnnebenkostennd nicht zur Verlängerung der Bezugsdauer des ALG Ienutzt werden.
Der Hinweis auf die Kosten für die Verlängerung inöhe von 1 Milliarde Euro, den die Befürworter dererlängerung hier vorbringen, taugt doch nichts. Das Ar-ument hält doch nicht von Mittag bis um 12 Uhr stand.obald die Konjunktur nachlässt – die ersten Anzeichenpüren wir ja schon –, fliegen Ihnen die Kosten um diehren. Dann werden wir wieder hier stehen und uns da-über unterhalten, dass es 5 Millionen Arbeitslose gibt.er ist dann schuld? Natürlich die Konjunktur.Eine Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I ist deralsche Weg. Dadurch entstehen mehr Arbeitslose. Dasst eine rein populistische Maßnahme des Parteivorsit-enden Beck. Es geht hier nicht um die Sache, sondernm reine Parteipolitik – letztlich zulasten der Arbeits-osen.
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Heinz-Peter HausteinSie werden zum Spielball gemacht. Schlimm ist so et-was.Nehmen Sie das freie Geld und senken Sie die Lohn-nebenkosten! Machen Sie richtige Reformen, die denNamen auch verdient haben! Sorgen Sie für mehr Inves-titionen, und schaffen Sie dadurch mehr Arbeitsplätze!Hören Sie auf, die Arbeitslosigkeit zu verwalten und,wie in diesem Fall, auch noch zu verlängern! Mit diesemVorschlag machen Sie den Beck – Verzeihung: den Bock –zum Gärtner und wundern sich, warum hinterher die Ro-sen abgefressen sind.
In diesem Sinne ein herzliches „Glück auf!“ aus demErzgebirge.
Das Wort hat der Kollege Ludwig Stiegler für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diskus-sionen in den Koalitionsfraktionen sind die Höhepunkteeines tristen Oppositionslebens.
Ich habe das während der schwarz-liberalen Oppositionauch immer genossen. Es gab sozusagen einmal einenSieg, dann war die Rakete aber verraucht und das alteElend war wieder da.
So wird es Ihnen auch ergehen. Der Triumph des Augen-blicks ist nichts gegenüber dem Glanz der Dauer.
Deshalb sind wir froh und glücklich, dass wir dieseerfolgreiche Bundesregierung tragen und stützen kön-nen.
Wir tragen sie sogar auf den Händen.Jeder, der Gerd Andres ansieht, wird aber verstehen,dass wir zwischendurch eine Pause machen müssen.
In dieser Pause haben wir natürlich auch Verbindung mitdem Volk.
Wir sind ja auch Volksvertreter und nehmen das auf, wasin der Bevölkerung, in den Gewerkschaften und in denBetriebsräten gedacht wird.PDSdmnwsMeuetbi33G–siddMsIdwussVKbnddwJhsm
Ich wundere mich über die Grünen. Wenn Rot-Grünm Jahre 2005 Erfolg gehabt hätte, wären wir heute bei2 Monaten, und wir würden darüber streiten, ob wir die2 Monate auf 24 Monate reduzieren oder ob wir dasanze verlängern. Also, Sie waren schon einmal klüger.
Ja, das ist dieser Wechsel. Thea Dückert hatte noch einoziales Herz. Aber das ist durch die liberalen Avancenn diesem Bereich verschwunden.Damals haben wir gemeinsam gesagt: Wir haben beien Älteren längst noch nicht die Eingliederungsquote,ie wir uns wünschen. Wir spüren das Empfinden derenschen, und das wollen wir adressieren. Das war un-ere gemeinsame Politik.
ch denke, Sie sollten das nachprüfen. Da es mit Jamaikaoch nichts wird, müssen Sie sich bei denen nicht an-anzen.
Meine Damen und Herren, manche sagen, wir hättennsere Meinung geändert. Ich kann das für mich nichtagen. Die Fraktion hat das damals, 2005, in großer Ge-chlossenheit mit Rot-Grün beschlossen. Wir haben denorschlag von Herrn Rüttgers abgelehnt; denn, Herrollege Weiß – das wissen Sie genauso gut wie ich –,ei dem Rüttgers-Vorschlag handelt es sich um ein schö-es Plakat. Auf den ersten Blick erscheint es gut, aberas Kleingedruckte würde vor den Verbraucherverbän-en keinen Bestand haben,
eil er nämlich die Verbesserung für die Älteren von denüngeren und von den Frauen bezahlen lassen will. Sieaben eben selbst noch gesagt – wenn ich in Ihre Seelechaue, muss ich sagen: zähneknirschend –, Aufkom-ensneutralität sei Ihnen von der Fraktionsführung vor-
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Ludwig Stieglergegeben worden. Aber ich weiß, in Ihrem Herzen möch-ten Sie mit uns diese Verbesserung vornehmen.
Wenn wir die Beschlüsse fassen, dann, denke ich, wer-den wir schon miteinander ins Gespräch kommen.
Der Rüttgers-Vorschlag hat bei uns keine Chance,weil wir allen helfen müssen. Die Jüngeren brauchen dieUnterstützung genauso wie die Älteren. Ich denke, wirhatten mit dieser Politik gemeinsam Erfolg und könnenjetzt Sorgen von den Älteren nehmen. Das sollte unserZiel sein, damit kein Schatten über dem Erwerbslebender Älteren liegt und sie wieder mehr Hoffnung mitei-nander schöpfen, sodass sie auch wieder kaufkräftigerwerden und damit in die Gesellschaft integriert werden.Übrigens hat Kurt Beck nicht etwa einen Alleinganggemacht. Er hat das aufgegriffen, was aus der Bevölke-rung und den Gewerkschaften kommt.
Wir sind dankbar, dass er das getan hat. Ich denke, Siewerden sich wundern. Wir werden miteinander einenWeg finden. Dann können die Leute die launigen FDP-Reden hören, die für das Kabarett sind. Aber für das Le-ben haben sie dann die Politik der SPD und der Koali-tion, auf die sie bauen können.Danke.
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege
Werner Dreibus das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Diese gemeinsam beantragte Debatte – in den Bei-trägen ist schon deutlich geworden, dass die Gemein-samkeit damit auch zu Ende ist – hat einen sehrkomplizierten Titel, der – je nach Designfassung – dreioder vier Zeilen lang ist.Man hätte dieser Debatte auch eine sehr kurze Über-schrift geben können: Links wirkt, die Linke wirkt.
Ein bisschen ausführlicher könnte man sagen: Je stär-ker die Linke, desto sozialer wird unser Land. Zumindestwas die politischen Debatten betrifft, sind wir schon einStückchen weiter. Aber ich füge hinzu: Reden ist Silber,Handeln wäre Gold.
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ie müssten eigentlich Ausländseinsätze wie in Afgha-istan, worüber am Freitag abgestimmt wird, ablehnen,enn Sie wirklich ernst nehmen, was die Menschen innserem Land sagen.
ch befürchte, dass das hohle Rhetorik ist, die nicht ein-al sonderlich gut gelungen ist.
Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Revisioner Arbeitsmarkt- und Sozialgesetzgebung – und zwarine viel umfassendere als die jetzt eingeleitete – längstberfällig ist. Es ist viel zu viel Zeit verstrichen, und Sieaben mehrfach Gelegenheit gehabt, zumindest Schritten diese Richtung, über die zurzeit in Teilen der SPD dis-utiert wird, einzuleiten.Ich erinnere zum Beispiel an den 23. November 2006,ls wir in der Debatte zum Haushalt 2007 in unseremntrag, mit einem konkreten Finanzierungsvorschlagerbunden, genau das gefordert haben, worüber derzeitn der SPD diskutiert wird. Sie alle, wie Sie hier sitzen,aben das unisono abgelehnt.
Ich erinnere an unseren Antrag zu diesem Thema miter Überschrift „Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes Ierlängern“ vom 21. November 2006. Die erste Bera-ung erfolgte in diesem Haus am 22. März 2007. In die-er Debatte haben Sie das alles unisono als Teufelswerkerdammt, ganz anders, als sich das heute auf Ihren Par-eiveranstaltungen und in der Öffentlichkeit anhört.Wir werden in den nächsten Wochen die zweite Bera-ung dieses Antrags und eine namentliche Abstimmungurchführen. Dann werden wir sehen, inwieweit Ihreneden auch tatsächlich Taten folgen.
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Werner DreibusGestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu derFrage, ob die Arbeitsmarktreformen wirken. Es ist nichtzu bestreiten – ich laufe schließlich nicht mit Scheuklap-pen durch die Welt, wie es mir manche unterstellen –,dass die Arbeitslosigkeit zum Glück zurückgeht, wennauch noch lange nicht so, wie wir alle es uns wünschen.Die Erwerbsquote steigt. Ich will aber einige Tatsachenin Erinnerung rufen. Ein Beispiel ist die Studie des Insti-tuts für Makroökonomie und Konjunkturforschung vomJuni 2007 mit der Überschrift „Viel Lärm um nichts? –Arbeitsmarktreformen zeigen im Aufschwung bisherkaum Wirkung“. In einer, wie ich finde, fachlich sehrfundierten Studie wird im Vergleich zu vorherigen Auf-schwungperioden in den 90er-Jahren und zu Beginn die-ses Jahrzehnts nachgewiesen, dass die Situation vor denArbeitsmarktreformen eher besser war.Als letztes Beispiel nenne ich einige Zahlen. Die Zahlder Arbeitslosengeld-II-Empfänger über 55 Jahre ist von581 000 im Februar 2006 bis Mai 2007 auf 651 000 ge-stiegen. Gegenwärtig gibt es über 13 Prozent mehrALG-II-Empfänger über 55 Jahre als im Februar 2006.Das zeigt, dass die Arbeitsmarktpolitik in diesem Zeit-raum kein Erfolgsmodell ist.
Wir laden Sie herzlich ein – Links wirkt –, in dennächsten Tagen und Wochen unseren dazu vorliegendenAnträgen zuzustimmen. Wir werden sehen, ob aus Re-den tatsächlich Handeln wird.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die
Unionsfraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Die niedrigsten Arbeitslosenzahlenseit zwölf Jahren, zusätzliche Milliardeneinnahmen derBundesagentur für Arbeit – das lässt den Vorschlag desCDU-Parteitages von Dresden im Dezember 2006, derim Übrigen von Herrn Beck im Rahmen der Koalitions-ausschusssitzung am 10. Januar 2007 noch vehement ab-gelehnt wurde,
in neuem Licht erscheinen. Warum sollte man also daszusätzliche Geld nicht einsetzen und zum Beispiel dieBezugsdauer beim ALG I ausweiten? Warum sollte mannicht insbesondere Ältere finanziell abfedern? Das ist sogut gemeint wie verständlich. Mehr als 80 Prozent derBundesbürger denken so. Hinter dem Mehr an Geld ver-schwindet aber oft, dass weniger Arbeitslose und vor al-lem weniger ältere Arbeitslose nicht nur einer gutenKonjunktur, sondern auch einer guten Politik geschuldetsind, was Sie, Herr Dreibus, freundlicherweise zugeste-hen. Die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung isthw51Sli2G1hdMdtäFbAAbSsdgAszdbAhlmwbksskuülrJDstdAzgtbwl
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Zuallererst dürfen wir uns ganzherzlich bei den Initiatoren dieser Aktuellen Stunde be-danken,
weil sie uns die Möglichkeit gibt, die Erfolge der GroßenKoalition, aber auch der Vorgängerregierung gerade inder Arbeitsmarktpolitik herauszustellen.
Die Arbeitslosigkeit geht in diesem Land zurück. SeitMonaten sinken die Arbeitslosenzahlen deutlich. ImSeptember hatten wir den niedrigsten Stand seit zwölfJahren. Der Zuwachs an sozialversicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnissen ist uns besonders wichtig.Heute gibt es davon 550 000 mehr als im letzten Jahr.Das kann sich sehen lassen. Es sind mehr Menschen inArbeit, Menschen, die wieder auf eigenen Beinen ste-hen. Das ist unser Ziel, und dafür kämpfen wir.
Wir haben die Chance genutzt, den Arbeitsmarkt zureformieren. Das ist es, was wir tapfer verteidigen, HerrKolb. Für die Erfolge, die wir am Arbeitsmarkt erzielthaben, müssen wir uns nicht schämen. Sie sollten unsbsn5MdbugrfsäDmdtSavdzÜdgbliszgtnMagwLdTdIDVmtÄ
Gerade bei den Älteren können wir Erfolge verzeich-en. Im September 2007 waren in der Gruppe der über0-Jährigen im Vergleich zum Vorjahr über 200 000enschen weniger arbeitslos. Wir wollen dafür sorgen,ass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiter ver-essert. Den Menschen muss durch den Aufschwungnd die wirtschaftliche Entwicklung eine Perspektiveegeben werden. Davon müssen alle profitieren.Gleichwohl sehen wir, dass die Verunsicherung ge-ade bei den Älteren nach wie vor groß ist. Darüber dür-en wir nicht einfach hinweggehen. Deshalb ist der Vor-chlag von Kurt Beck, dem Sicherheitsbedürfnis geradelterer Menschen Rechnung zu tragen, richtig.
as Signal, dass wir die Sorgen der Menschen ernst neh-en und nicht kalt über sie hinweggehen, ist ein notwen-iges Signal. Die SPD macht sich über die nachhaltigeiefe Verunsicherung gerade der Älteren Gedanken. Dieituation Älterer auf dem Arbeitsmarkt ist zwar besserls noch vor einigen Jahren, dennoch haben sie nach wieor schlechtere Chancen als Jüngere, eine Arbeit zu fin-en. Deshalb halte ich es für richtig, wenn wir die Be-ugsdauer des Arbeitslosengeldes mindestens für einenbergangszeitraum verlängern.
Bei diesem Punkt möchte ich ganz deutlich sagen,ass wir schon einmal im Sommer 2005 eine solche Re-elung gefordert haben, sogar ein Gesetz vorgelegt ha-en, aber dieses Gesetz am Widerstand vieler Bundes-änder, leider CDU/CSU-geführter Länder, gescheitertst. In diesem Punkt muss ich ausnahmsweise meinemehr geschätzten Kollegen Weiß widersprechen, derwar richtig herausstellt, dass auch die CDU die Verlän-erung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Äl-ere fordert, aber nicht erwähnt, dass dieser Vorschlagie in den Koalitionsausschuss eingebracht worden ist.inister Müntefering hat die Kanzlerin ausdrücklichufgefordert, das einzubringen. Aber das ist nicht Ge-enstand der Beratungen des Koalitionsausschusses ge-orden. Insofern sage ich ganz deutlich: Nicht nur dieippen spitzen, sondern auch pfeifen! Wir erwarten voner Kanzlerin Führungsstärke, damit sie genau dieseshema behandelt.
Richtig ist im Übrigen – das ist völlig korrekt –, dassas Thema im Koalitionsvertrag eine Rolle gespielt hat.n diesem Zusammenhang ist darüber diskutiert worden.amals gab es noch die 24-Monate-Regelung. Unsereorschläge haben aber keine Mehrheit gefunden. Wirüssen heute sagen, dass die Stimmung und die Situa-ion in diesem Land so sind, dass wir mit dem Anliegenlterer ernsthafter umgehen müssen.
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Klaus Brandner
Zu den Linken muss man ganz deutlich sagen: Alswir dieses Gesetz verabschiedet haben, lagen Lafontaineund andere noch in der Hängematte. Da haben die nochgar nicht daran gedacht, eine solche Regelung zu verab-schieden.
Deshalb sollten Sie die Backen nicht so aufblasen. Siesollten sich beim Wort nehmen lassen.Für uns jedenfalls ist wichtig, dass es nicht allein da-rum geht, wie lange jemand in die Arbeitslosenversiche-rung eingezahlt hat. Wir müssen besonders das höhereRisiko für Ältere am Arbeitsmarkt berücksichtigen. Des-halb stellt unser Vorschlag auch besonders auf das Alterab und nicht auf die Zeit, in der jemand Beiträge zur Ar-beitslosenversicherung gezahlt hat. Zahlung des Arbeits-losengeldes I für Ältere verlängern – ja, für Jüngere kür-zen – nein. Das will ich hier ganz deutlich sagen. EineKürzung für jüngere Arbeitslose kommt für uns nicht in-frage, weil wir die Arbeitslosenversicherung zu einerBeschäftigungsversicherung weiterentwickeln müssen.
Wir müssen dafür sorgen, dass auch diejenigen, die ersteine kurze Zeit Beiträge gezahlt haben, aber eine lang-fristige Unterstützung brauchen, gefördert werden, damitsie eine lange Erwerbsbiografie erreichen können. Wirmüssen vorsorgende Arbeitsmarktpolitik betreiben undnicht so tun, als wäre die Arbeitslosenversicherung eineAnsparversicherung. Wir müssen dafür sorgen, dass dieBeschäftigungsfähigkeit dauerhaft gesichert und erwei-tert wird, und für dieses Ziel treten wir ein.
Die Arbeitslosenversicherung muss deshalb aus mei-ner Sicht eine solidarische Risikoversicherung bleibenund zu einer Beschäftigungsversicherung weiterentwi-ckelt werden. Wer den Leistungsumfang der Arbeitslo-senversicherung kennt, der weiß, dass nicht allein dieEinzahlungsdauer der Maßstab für den Leistungsan-spruch sein kann. Uns allen muss klar sein, dass auch inZukunft nicht das lange Alimentieren den Menschenweiterhilft, sondern dass im Vordergrund Anstrengungenstehen müssen, die Menschen in Arbeit zu halten und sozu fördern, dass eine nachhaltige Beschäftigung möglichist.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg für
die Unionsfraktion.
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eht es heute – keiner hat es gesagt – um einen Macht-ampf zwischen Beck und Müntefering? Geht es um ei-en Kurswechsel bei der SPD? Geht es um parteipoliti-che Profilierung? – Ich weiß das alles nicht und werdeeswegen in dem Kaffeesatz auch gar nicht weiter lesen.
ie als unser geschätzter Koalitionspartner haben ja nochrei Wochen Zeit, darüber zu diskutieren und zu einemernünftigen Ergebnis zu kommen.Dass die FDP und die Linke Arm in Arm diese Veran-taltung beantragen, ist auch nichts Neues mehr. Opposi-ion macht ja dann Spaß, wenn man hier viel reden darf,ber nichts entscheiden muss.
ie wollen hier Unruhe in die Diskussion bringen,
nd deswegen meine ich,
ass wir als größerer Koalitionspartner der Großen Ko-lition heute einfach einmal in Ruhe hier auftreten undin paar Punkte festhalten sollten:Erstens. Vielleicht stimmen wir darin noch überein,err Kolb, dass es vorrangiges Ziel ist und bleibt, mehrrbeitsplätze zu schaffen, Menschen in Arbeit zu brin-en und in Arbeit zu halten.
ass wir da auf einem guten Weg sind, sollte Sie als Op-osition eher beunruhigen; denn wir haben eine Mengerreicht. Die Arbeitslosenquote ist im September 2007uf einem Stand wie seit zwölf Jahren nicht mehr in ei-em September. Da hat sich etwas bewegt. Vor allem istie Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigteneit April letzten Jahres monatlich gestiegen. Die Zahleniegen Monat für Monat über denen des jeweiligen Vor-ahresmonats. Das war übrigens unter der Vorgänger-
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Wolfgang Meckelburgregierung über einen Zeitraum von fünf Jahren anders.Damals ging die Zahl der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten von Monat zu Monat zurück. Das habenwir, seitdem wir mit in der Regierung sind, entscheidendverändert.
Wir sind da schon auf einem guten Weg, und wir haltendaran fest. Wir müssen den anhaltenden Aufschwung aufdem Arbeitsmarkt stärken. Das ist unsere erste Aufgabe.Zweitens. Wir wollen – das gehört implizit dazu, undich sage es ganz bewusst – keine Bewirtschaftung desArbeitsmarktes, und wir wollen keine neuen Anreize fürFrühverrentung.Drittens. Wir werden alles tun, was Wachstum undArbeitsplätze voranbringt. Dazu gehört neben der Sanie-rung des Haushalts und der Reduzierung der Neuver-schuldung auch, dass wir die Ausgaben für die Arbeits-marktpolitik nicht erhöhen. Dazu gehört weiter dieBündelung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen– das haben wir uns in der Großen Koalition vorgenom-men – und vor allem auch die Senkung des Beitrages zurArbeitslosenversicherung.
Ich erinnere nur daran, wie Sie als FDP vor etwa andert-halb Jahren in diese Diskussion eingestiegen sind. Ichsage jetzt einfach nur: Ich finde es großartig, was wirbisher erreicht haben. Wir haben den Beitrag zur Ar-beitslosenversicherung von 6,5 Prozent zum 1. Januar2007 auf 4,2 Prozent gesenkt und peilen jetzt an – dashaben wir verabredet –, ihn zum 1. Januar nächsten Jah-res auf 3,9 Prozent zu senken.
Ich sage ganz offen: Ich glaube, dass wir uns darauf eini-gen werden, dass der Arbeitslosenversicherungsbeitragab 1. Januar 2008 bei 3,5 Prozent liegen wird. Das sind3 Prozentpunkte weniger und bedeutet eine Senkung derLohnnebenkosten.
Auch das ist ein Erfolg dieser Regierung.
Ich will mich auch der Frage zuwenden – das ist dieeigentliche Frage, über die diskutiert wird –, wie langeund unter welchen Bedingungen das Arbeitslosengeld Igezahlt wird, bevor jemand Arbeitslosengeld II erhält.Ich darf einfach einmal festhalten: Es gibt mehr Dyna-mik im Bereich des Arbeitslosengeldes I. Wie wir inzwi-schen wissen, finden die Vermittlungen immer schnellerstatt, und es sind immer weniger Menschen, die vonALG I in ALG II wechseln. Auch das ist ein Ergebnisdieser Politik. Man muss das wissen.Der Arbeitsmarkt für Ältere ist in Bewegung geraten,nicht nur durch die allgemeine Entwicklung, sondernasasÄrwddIWojMFoivs–dnbliSdddbSBantrwG
Ja, war ich immer schon, Herr Stiegler. Wir warenoch zusammen im Vermittlungsausschuss. – Mir warämlich Folgendes bewusst: Viele Menschen, die in Ar-eit waren, hatten die gefühlte Unsicherheit, dass sie re-ativ schnell in Hartz IV landen. Diesen Menschen hättech gern ein Stückchen gefühlte Sicherheit und eintückchen Gerechtigkeit gegeben. Deswegen finde ichen Rüttgers-Vorschlag besser.
Kollege Meckelburg, Sie müssen Ihren zweiten Ge-
anken kürzer fassen.
Ich komme zum Schluss.
Gefühlte Sicherheit, gefühlte Gerechtigkeit, das ist
as Thema. Wenn wir es wirklich schaffen, eine Sachde-
atte über die Daten – die brisanteste Rede heute hat der
taatssekretär gehalten; was er gesagt hat, bringt richtig
ewegung in die Diskussion – zu führen, dann sind wir
uf dem richtigen Weg. Herr Stiegler, ich kann Ihnen
icht empfehlen, den Weg des Populismus zu beschrei-
en. Die Linke hat dort bereits eine Marathondistanz zu-
ückgelegt. Die holen Sie nicht mehr ein. Lassen Sie uns
eiter gemeinsam verantwortungsvoll Politik machen!
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Wolfgangrotthaus das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Lassen Sie mich den Einstieg in der Form su-chen, dass ich ein Wort aufgreife, das Kollege Kolb inseinen Ausführungen benutzt hat,
nämlich „Regierungsfähigkeit“. Dieses Wort geistertauch durch die Gazetten. Wer diesen Punkt aufgreift, umdie Regierungsfähigkeit infrage zu stellen, der kennt in-nerparteiliche Demokratisierungsprozesse nicht. WäreIhre Partei betroffen, hätte ich für Ihre BemerkungenVerständnis: Dort, wo ich herkomme, finden Ihre Partei-veranstaltungen in einer Telefonzelle statt.
Daher muss in Ihrer Partei kein Demokratisierungspro-zess durchgeführt werden.
Bei uns findet etwas ganz Normales statt: Eine Parteiklärt ihre strategische Ausrichtung in wichtigen politi-schen Fragen. Deshalb ist es richtig, eine Parteitagsent-scheidung herbeizuführen. Ich glaube, dies ist bei derSPD nicht anders als in allen anderen Parteien.Bei dem heute Diskutierten geht es uns nicht um po-pulistische Ausführungen oder Vorschläge, wie sie vor-hin ein, von meiner Seite aus gesehen, links sitzenderKollege gemacht hat, sondern um ein Ringen in derFrage, ob das Arbeitslosengeld I wieder länger gezahltwerden soll und ob damit möglicherweise der Trend zurFrühverrentung befördert wird oder ob es bei dem jetzi-gen System bleibt. Zur Frühverrentung könnte ich Ihnenjetzt eine halbe Stunde lang etwas erzählen,
weil ich als Betriebsratsvorsitzender dies unterstützthabe. Heute – das sage ich in aller Deutlichkeit – bereueich, dass es so weit gekommen ist, weil wir nämlich Kol-leginnen und Kollegen, von denen sich Arbeitgeber tren-nen wollten, aus dem Arbeitsprozess entfernt und dieszulasten der Allgemeinheit aus den Sozialkassen finan-ziert haben.
Es stellt sich die Frage, ob wir mit einer Veränderung desArbeitslosengeld-I-Bezugs bestimmten Dingen dieserArt Vorschub leisten,
und diese Frage müssen wir neu diskutieren.Auf den ersten Blick spricht alles für die Beibehal-tung des ALG-I-Bezugs in der jetzigen Form. Ich willdz9esBs2bdhMdDü1DdmBxmWmwaWweEDsbuuAuiStdDmi
arüber sollten Sie einmal nachdenken.Trotzdem, Frau Pothmer, gibt es noch Menschen, dieber 50 Jahre alt sind und nicht innerhalb von 12 oder8 Monaten einen neuen Job finden.
ies wird sich ändern. Der demografische Wandel wirdie Unternehmer bzw. die Unternehmen zwingen, ver-ehrt Ältere in den Betrieben zu halten; durch bessereildungsangebote können sie in den Betrieben auch fle-ibler eingesetzt werden.Dies bedarf jedoch – so sage ich in Übereinstimmungit vielen in der SPD-Fraktion – einer Übergangszeit.ir wollen, dass noch mehr ältere Menschen im Arbeits-arkt verbleiben oder in den Arbeitsmarkt integrierterden. Deshalb muss die Qualifizierungsseite deutlichufgewertet werden.
ir wollen keine Rückkehr zur Frühverrentung. Deshalberden wir uns damit beschäftigen, ob wir die Wieder-inführung der Erstattungspflicht für Arbeitgeber bei derntlassung langjährig beschäftigter Arbeitnehmer in dieiskussion bringen. Wir werden uns auch damit zu be-chäftigen haben, wie wir die Humanisierung von Ar-eitsplätzen insbesondere für ältere Mitarbeiterinnennd Mitarbeiter vorantreiben können.
Sie sehen: Es geht bei unserer Diskussion nicht nurm den Arbeitslosengeld-I-Bezug, sondern auch um diebsicherung von Arbeitsplätzen für ältere Menschen,m eine schnellere Integration, aber auch – das sage ichn aller Deutlichkeit – um ein Stückchen mehr sozialericherheit. Dabei – dies ist unstrittig – steht in der Priori-ätenliste die schnellere Vermittlung an erster Stelle; erstanach kommt die Alimentierung.Lassen Sie uns als SPD also erst einmal diskutieren!abei wird die SPD ihre Schwerpunkte selbst bestim-en. Die SPD wird Kompromisse finden. Danach wirdnnerhalb unserer Fraktion, innerhalb unserer Partei alles
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Wolfgang Grotthausseinen geregelten Gang gehen. Dies ist – das sage ich inaller Deutlichkeit – keine Abkehr von der Agenda 2010,
sondern eine Diskussion aufgrund der Veränderung ge-sellschaftlicher Rahmenbedingungen. Würden wir dieseVeränderung nicht aufgreifen und diskutieren, würdenwir politisch sträflich handeln.
Lassen Sie mich abschließend eine Bemerkung zumKollegen Dreibus machen. Herr Kollege Dreibus, Siekönnen noch so viele namentliche Abstimmungen bean-tragen – wir werden erst dann entscheiden, wenn wir füruns eine Meinung gefunden haben.
Wenn wir dies auf dem Parteitag beschlossen und diesgemeinsam mit unserem Koalitionspartner beraten ha-ben, dann werden wir – nicht in Ihrem Sinne, sondern inunserem, dem Sinne der Koalition – entscheiden.
Von daher: Warten Sie ab! Wir werden die richtigen Ent-scheidungen auf unserem Parteitag treffen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Maria Michalk für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Wenn ich für mich ein Resümee der bis-her vorgebrachten sachlichen Argumente zum Themader heutigen Aktuellen Stunde, die sich nun langsamdem Ende zuneigt, ziehe, dann will ich das unter folgen-dem Motto tun – so jedenfalls habe ich die Debatte heuteverstanden –: Was ökonomisch auf Dauer falsch ist,kann politisch auf Dauer nicht richtig sein.Ökonomisch ist es auf Dauer falsch, Menschen, dieleider ihre Arbeit verloren haben, länger mit staatlichenTransferleistungen zu stützen und ihnen dadurch das Ge-fühl zu vermitteln, dass man nach dem Motto lebenkönne: Ich habe noch etwas Zeit; ich werde schon nochetwas finden; irgendwie wird es schon gehen.Ökonomisch richtig ist es, vom ersten Tag der Ar-beitslosigkeit an – und de facto eigentlich schon davor –Gas zu geben, sich um eine neue Stelle zu bewerben undalles dafür zu tun, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zukrAdhgi11dgwM5bgdbnAmzgwzdMamsAWrRmngdf3MzcbdGgnuaw
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Deshalb sage ich: Die Möglichkeit zu eröffnen, die Zeitder Arbeitslosigkeit zu verlängern, wäre Gift für Jungund Alt. Die zielgenaue, ganz auf die Person ausgerich-tete Arbeitsvermittlung muss weiter gestärkt werden.Wer Arbeitsangebote ablehnt, kann nicht auf die Solidar-gemeinschaft bauen. Deshalb sollten wir lieber die Bei-träge zur Arbeitslosenversicherung senken als neue Um-verteilungsmechanismen beschließen.Man kann Vergleichbares auch aus Matthäus, Kapi-tel 24, herauslesen – ich will das einmal tun, das kannuns ja nicht schaden –, dessen Worte ein Kommentatorso zusammengefasst hat, dass sie auch auf unsere derzei-tige Situation angewendet werden können:Verführung ist für die Gemeinde gefährlicher alsVerfolgung. Verfolgung eint die Gemeinde, Verfüh-rung spaltet sie.
Verfolgung lässt das Echte hervortreten, Verführungdas Unechte triumphieren.Deshalb müssen wir alle Anstrengungen unterneh-men, um mehr Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen.Dann brauchen wir diese Diskussion nicht mehr zu füh-ren. Ich bitte Sie deshalb, uns auf diesem Weg weiter zuunterstützen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich will zu Beginn auf Herrn Kolb zurückkommen.
Herr Kolb, ich bin immer wieder schwer beeindruckt,wie Sie in der Lage sind, Ihre eigene Verantwortung bis1998 zu verdrängen.
Wenn Sie sich einmal die Abgaben- und die Steuerquotebis 1998 anschauen, dann stellen Sie fest, dass wir – mitSicherheit Rot-Grün, aber auch die Große Koalition –sehr erfolgreiche Regierungen sind.
Sie führen immer den mündigen Bürger an. Aber Sieführen ihn immer nur dann an, wenn es darum geht, dieLdmgdvSDSnrslhPNdbhzuCsnGfmelglIemgjmsmdzDwsnt
ie benutzen sozusagen den mündigen Bürger immerur dann, wenn es um Individualisierung und Privatisie-ung geht. Das muss hier einmal in aller Deutlichkeit ge-agt werden.Der Vorschlag, den Kurt Beck gemacht hat, ist natür-ich absolut anders als das, was die Union beschlossenat. Frau Pothmer, Sie haben gesagt, wir hätten uns demarteitagsbeschluss der Union anschließen können.atürlich nicht! Denn der Vorschlag der Union entsoli-arisiert. Er stellt darauf ab, dass jemand, der länger Ar-eitslosenversicherungsbeitrag eingezahlt hat, mehrerausbekommt und die Jüngeren das letzten Endes be-ahlen. Er sieht also eine Umverteilung vor. Das ist nichtnsere Position. Wir wollen nicht mitmachen, wenn derharakter der solidarisch-paritätischen Arbeitslosenver-icherung geändert werden soll. Darum geht es unsicht. Kurt Beck hat gesagt, dass für eine bestimmteruppe der Bevölkerung, nämlich für ältere, vor allemür nichtqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-er, ein besonders hohes Risiko besteht. Dieses Risikornst zu nehmen und, auch vor dem Hintergrund vonangjähriger Beschäftigung, festzustellen, dass sie einerößere Solidarität verdient haben als andere, ist völligegitim.
ch sehe da auch überhaupt keinen Systemwechsel, wier unterstellt wird.Im Titel der Aktuellen Stunde war auch von der Renteit 67 die Rede. Dazu ist wenig gesagt worden. Aber daibt es ja die eine oder andere Befürchtung, das werdeetzt aufgeweicht. Ich sage dazu sehr deutlich: Wennan sich Gedanken darüber macht, wie Menschen ge-und und qualifiziert bis ins Renteneintrittsalter kom-en, dann ist das kein Aufweichen einer Reform, son-ern die Grundlage dafür, dass diese Reform überhauptiehen kann.
as hat die SPD in Arbeitsgruppen erarbeitet, und sieird dem Parteitag dazu einen entsprechenden Vor-chlag unterbreiten.Da geht es nicht um ein Aufweichen, wobei ich dieje-igen, auch seitens des Koalitionspartners, die etwas kri-ischer hinschauen, daran erinnere, dass wir im Gesetz
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Anton Schaafeine Vorbehaltsklausel haben, nach der wir uns in 2010die arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Situationder älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an-schauen wollen, um dann vor diesem Hintergrund zuentscheiden, ob die Rente mit 67 ab 2012 kommt. Ichzweifle nicht daran, dass wir das hinbekommen. Ichzweifle aber auch nicht daran, dass wir tatsächlich mehrdarauf hinarbeiten müssen, dass wir die Humanisierungder Arbeitswelt in den Griff bekommen.
Ich zweifle nicht daran, dass Weiterbildung und Qualifi-zierung für den Beruf ein individuelles Recht sein müs-sen.
Ebenso zweifle ich nicht daran, dass wir immer nocheine Lösung für die finden müssen, die aus langer Arbeitheraus kaputt sind. Da müssen wir unsere Antwortenschon noch einmal überprüfen.All das haben wir uns auf die Agenda gesetzt, und esist im Einklang mit dem, was wir gemeinsam gemachthaben. Ein Wackeln oder Zaudern gibt es da nicht.Lassen Sie mich noch eines an die Linksfraktion, ins-besondere an den Kollegen Dreibus, gerichtet sagen: Wirsind an der Stelle nicht getrieben. Der Kollege Stieglerund andere haben darauf hingewiesen, wie wir schon2005 mit dem Thema der Bezugsdauer des Arbeitslosen-geldes I umgegangen sind.
Sie werden uns auch nicht damit treiben, dass Sie überein solches Thema erneut namentlich abstimmen lassen.Denn eines ist völlig klar: Sozialdemokraten sind ver-lässliche Partner.
– Herr Dreibus, wir werden auf dem Parteitag unserePosition deutlich machen. Wie sich das für einen verläss-lichen Partner gehört – es ist mir schon klar, dass Sie andieser Stelle nicht so gut mitreden können –, werden wirnach Erreichen dieser abgestimmten Mehrheitspositionder SPD mit dem Koalitionspartner sprechen und an-schließend entsprechend handeln. So sind wir im Gegen-satz zu Ihnen.
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die Beratung von zwei Vorlagen zu Birma auf
Drucksachen 16/6600 und 16/6611 zu erweitern und
diese jetzt als Zusatzpunkte 2 und 3 aufzurufen. – Ich
sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist dies so be-
schlossen.
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Leibrecht, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu
Birma/Myanmar stärken
– Drucksachen 16/5608, 16/6611 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Detlef Dzembritzki
Harald Leibrecht
Monika Knoche
Kerstin Müller
Zu dem Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD
nd FDP liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Auch dazu höre
ch keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Bundes-
egierung hat der Kollege Günter Gloser.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Nach den erschreckenden Ereignissen der ver-angenen Wochen ist die Lage in Myanmar weiterhinesorgniserregend. Durch die Gewaltanwendung der Mi-itärregierung gegen die weit überwiegend friedlich de-onstrierenden Menschen – die Rede ist von weit über0 000 Teilnehmern am Wochenende des 22./23. Sep-ember – sind nach bestätigten Angaben bisher 13 Toteu beklagen. Aber wahrscheinlich ist die Zahl der Opferiel höher. Es gab Hunderte Verletzte.Besonders besorgniserregend ist – auch das ist nichtu akzeptieren –, dass inzwischen auch eine große An-ahl einfach Beteiligter und Zuschauer der Demonstra-ionen durch das Militärregime in Haft genommen wer-en. Dies geschieht unter Zuhilfenahme der verhängtenächtlichen Ausgangssperren. Die verhafteten Bürgererden an unbekannten Orten festgehalten.Das Regime in Myanmar hat mit einer regelrechtenerhaftungswelle auf die Meinungsäußerungen des Vol-es reagiert. Es gab wahrscheinlich mehr als 3 000 Fest-ahmen. Klöster wurden abgeriegelt und durchsucht.as Regime hat die Lage nun wieder in seinem stähler-en Griff. Die sogenannte Safran-Revolution ist vorerstescheitert.
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Staatsminister Günter GloserUnsere Informationen über das weitere Vorgehen derMilitärregierung zeigen: Das Regime geht wie vor denUnruhen von einer Position der Stärke aus. Es will dasHeft des Handelns beim Übergang zu einer, wie es dasRegime nennt, disziplinierten Demokratie nicht aus derHand geben. Das an Vorbedingungen geknüpfte Ge-sprächsangebot an Oppositionsführerin Aung San SuuKyi ist dabei möglicherweise nur taktischer Natur. Einschneller Systemwechsel, wie von einigen Teilen der ak-tiven Auslandsopposition gefordert, erscheint in jedemFalle in weite Ferne gerückt.Die Bundesregierung hat die willkürlichen Verhaftun-gen scharf verurteilt und die Regierung von Myanmaraufgefordert, die Verhafteten freizulassen. Das gilt – daswill ich hier unterstreichen – auch für die seit langemfestgehaltene Friedensnobelpreisträgerin San Suu Kyi.Auch die Europäische Union hat in diesem Sinne an dieRegierung von Myanmar appelliert.Die Militärregierung muss wissen, dass ihr Verhaltennicht folgenlos bleiben wird. Der Sicherheitsrat ist mitdieser Angelegenheit befasst. Die Bundesregierung hatsich mit Erfolg dafür eingesetzt, dass beim Treffen dereuropäischen Außenminister am kommenden Montag inLuxemburg über zielgerichtete Sanktionen gegen dasRegime in Myanmar beraten wird.Unsere Position ist klar: Sanktionen müssen gezieltgegenüber dem Militär wirken. Sie dürfen dabei die not-leidende Bevölkerung nicht noch weiter treffen. In dergegenwärtigen Situation bestehen unsere Optionen zumeinen in der Verschärfung der bestehenden Sanktionengegen das Regime in Myanmar und zum anderen in derVerhängung neuer, zusätzlicher Sanktionsmaßnahmen.Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich den Be-ratungen der Außenminister insoweit nicht vorgreifenkann oder will. Ich möchte aber deutlich sagen, dass dieEuropäische Union dem Militärregime bereits vor zweiWochen klar bedeutet hat, dass Gewalt gegen Unbewaff-nete und gegen friedliche Demonstranten nicht ohneKonsequenzen auch vonseiten der EU bleiben wird.Die Bundesregierung setzt sich darüber hinaus dafürein, dass die Nachbarn Myanmars auf das Militärregimeeinwirken. Aus unserer Sicht sind die Nachbarn der ei-gentliche Schlüssel zur Lösung des Problems. Mit„Nachbar“ ist China gemeint, aber auch Indien undRussland. Auch die ASEAN kann in dieser Frage einewichtige Rolle spielen. Derzeit erfolgen in den relevan-ten Staaten hierzu Demarchen der Vertreter der Europäi-schen Union gegenüber den dortigen Regierungen. Da-neben nutzen wir aber auch unsere bilateralen Kontakte.Ein gewaltsames, militärisches Vorgehen gegen dieeigene Bevölkerung ist aus Sicht der Bundesregierungnicht akzeptabel. Ich möchte dem Deutschen Bundestagversichern, dass sich die Bundesregierung beim Rat derAußenminister mit Nachdruck in diesem Sinne positio-nieren wird.Vielen Dank.
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Deutschland und die EU sollten den Kreis der Personenaus dem Militärregime ausweiten, die mit Reisebe-schränkungen belegt werden. Diktatoren und deren An-gehörige dürfen kein Visum für unser Land oder Europabekommen. Sie sind hier nicht willkommen.
Staatliche Gelder im Ausland und Auslandskonten vonRegierungsmitgliedern müssen eingefroren werden. Re-gierungseigene Betriebe sollten keine Kredite mehr ausder Europäischen Union erhalten.Das sind Beispiele für einige gezielte Maßnahmen ge-gen das Regime – wenn auch nur Nadelstiche –, die wirunbedingt durchführen müssen. Doch ganz gleich, wel-che Maßnahmen letztendlich beschlossen werden: Siegreifen nur dann, wenn China, Indien und die ASEAN-Staatengemeinschaft mitziehen.Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die demokrati-sche Opposition wieder Möglichkeiten bekommt, am öf-fentlichen und politischen Leben in Birma teilzunehmen.Aung San Suu Kyi, Friedensnobelpreisträgerin undSymbolfigur der demokratischen Opposition, muss end-lich aus ihrem seit Jahren fast durchgängig bestehendenHausarrest freigelassen werden.
Wichtig ist auch die Unterstützung der Arbeit derpolitischen Stiftungen. Diese leisten unter schwierigenBedingungen eine wichtige Arbeit. An dieser Stellemöchte ich jedoch die Friedrich-Ebert-Stiftung bitten,die Äußerungen ihres Delegationsleiters richtigzustellen,
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Holger Haibach hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sieich ein Land vor, in dem es keine Meinungsfreiheit,eine Versammlungsfreiheit, keine Religionsfreiheit,eine Bewegungsfreiheit, keine Rechte für Frauen undeine Rechte für Minderheiten gibt, ein Land, in dem einegime Kindersoldaten rekrutiert, Kinderarbeit zumin-est duldet, in dem es Fälle von extralegaler Tötung, Todn der Haft, Verschwindenlassen, Vergewaltigung, Fol-er, Missbrauch von Gefangenen und Haft ohne Ge-ichtsurteile aus politischen Gründen gibt. Stellen Sieich ein Land vor, in dem ein Regime es zulässt, dass diehemalige Reisschüssel Asiens – dies wurde eben schonngesprochen – sich zu einem der schwierigsten Länder
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Holger Haibachhinsichtlich der Nahrungsversorgung der Bevölkerung inAsien entwickelt hat, ein Land, in dem das Regime eszulässt, dass über 1,6 Millionen Menschen durch dasWorld Food Programme ernährt werden müssen, einLand, das weniger als 2 Prozent – auch das wurde schonerwähnt – für das Gesundheitswesen ausgibt, aber mehrals 40 Prozent des Staatshaushaltes für das Militär, indem es jedes Jahr 97 000 neue Fälle von Tuberkulosegibt, Malaria die häufigste Todesursache ist und 70 Pro-zent der Menschen in Ansteckungsgebieten leben, einLand, in dem es in jedem Jahr wegen Aids 37 000 To-desfälle und 600 000 Ansteckungsfälle gibt, ein Land,das nach einer Statistik der Weltgesundheitsorganisationden Platz 190 von 191 einnimmt. Dieses Land, meinesehr geehrten Damen und Herren, ist Birma, das Land,über das wir heute reden.Wir reden heute nicht zum ersten Mal über Birma. Icherinnere daran, dass der Deutsche Bundestag am 6. Juni2003 in einer einstimmig gefassten Resolution die sofor-tige Freilassung der Oppositionsführerin Aung San SuuKyi forderte. Damals hatte ich ebenfalls die Gelegenheitund die Ehre, hier sprechen zu dürfen. Heute Morgenhabe ich mir meine Rede noch einmal angeschaut; imGrunde genommen könnte ich sie jetzt noch einmal hal-ten, weil sich die Verhältnisse kaum verändert haben;wenn sie sich überhaupt verändert haben, dann zumSchlechteren. Die Ereignisse der letzten Tage, die hierschon zur Sprache gekommen sind, zeigen eines ganzdeutlich – was ich damals gesagt habe, kann ich heutewiederholen; es stimmt immer noch –: Der DeutscheBundestag kann und darf an dieser Stelle nicht schwei-gen, sondern muss mit denen sein, die in ihrem Land fürDemokratie und Menschenrechte eintreten.
13 bestätigte Tote, 200 unbestätigte Tote, mehrereTausend Menschen, die verhaftet worden sind, das Ab-schalten des Internets – die Nachrichten kommen immerspärlicher zu uns. Aber immerhin, es ist eine andereSituation als noch vor 15 oder 20 Jahren, als wir viel-leicht überhaupt keine Information über die Situation indiesem Land bekommen hätten.Die Frage lautet: Was können wir tun? Der Antrag,der heute von drei Fraktionen dieses Hauses unterstütztwird, zeigt den Weg auf, den wir gehen müssen. Nach allden Jahren der Sanktionen ist die Frage durchaus er-laubt, ob dieser Weg richtig ist und ob wir die richtigenMittel gefunden haben. Wenn ich mir die Situation inBirma anschaue, kann ich diesen Eindruck nicht unbe-dingt gewinnen. Nun sagen die einen, man müsse andersmit den Sanktionen umgehen und sie vielleicht sogaraufheben, während andere dies für falsch halten, daSanktionen, auch wenn sie nicht immer eine große Wir-kung entfalten, einen symbolischen Akt darstellen, indem klar wird, worum es eigentlich geht.Es ist schon wahr: Europa und Deutschland sind nichtdie größten Handelspartner des Regimes in Birma. Aberauch wir haben eine moralische Verantwortung. Deswe-gen ist es nach meiner Überzeugung richtig, zu sagen:SgmurAtEIsdhtgcRadsgdiglsDdfBpdjhBsidersdwsAeafvg
Bei all dem Negativen, was man über die Situation inirma sagen kann, darf man aber nicht die positiven As-ekte vergessen, die es durchaus gibt. Es ist beachtlich,ass sich eine Organisation wie die ASEAN, die sich bisetzt immer streng an das Prinzip der Nichteinmischungielt, zweimal sehr deutlich dazu geäußert hat, was inirma passiert ist. Dass das überhaupt möglich war, haticherlich auch damit zu tun, dass die ASEAN-Staatennsgesamt versuchen, sich mehr als bisher dem Modeller Europäischen Union anzunähern und so etwas wieine Verfassungscharta zu schaffen, in der Menschen-echte und Rechtsstaatlichkeit eine große Rolle spielenollen.Über diese mündlichen Verlautbarungen hinaus mussas Ganze aber auch an Taten zu erkennen sein. Dasird der entscheidende Lackmustest. Hier kommt esehr stark auf China, Indien und die ASEAN-Staaten an.n die ganze Welt muss das Signal ausgehen – das istine weitere Aufgabe, die wir der Bundesregierung mituf den Weg geben müssen –, dass wir diese Staaten auf-ordern, das Ihrige zu tun, um die Situation in Birma zuerbessern. Dieses ganz klare Zeichen muss vom heuti-en Tag ausgehen.
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Holger HaibachMan kann natürlich fragen: Muss man alles schwarz-sehen, oder gibt es auch in Birma positive Signale? DieTatsache, dass der stellvertretende Arbeitsminister alsGesprächspartner gegenüber der Opposition bzw. AungSan Suu Kyi benannt worden ist, ist auf den ersten Blicksicherlich ein positives Zeichen. Aber ich glaube, Kol-lege Leibrecht hat recht, wenn er vor Euphorie warnt.Wir müssen genau beobachten, ob das nur eine kurzfris-tige Aktion ist, um die internationale Öffentlichkeit zuberuhigen, oder ob das von Dauer ist und die Regierungtatsächlich den Willen hat, sich mit der Opposition im ei-genen Lande konstruktiv auseinanderzusetzen. Das wirddie Zukunft erweisen. Wir werden abwarten müssen, obes tatsächlich so kommt, wie wir es uns erhoffen.Natürlich haben wir Aufgaben und eine Verantwor-tung, die über die Frage von Sanktionen und über dieFrage, welche politischen Maßnahmen getroffen werdenkönnen, hinausgehen. Es geht vor allem um die humani-täre Hilfe zur Unterstützung der Bevölkerung. Hier be-finden wir uns ganz eindeutig in einem Dilemma: Aufder einen Seite wäre dieses Land durchaus in der Lage,sich selbst zu ernähren, wenn es denn vernünftig geführtwürde. Auf der anderen Seite haben wir es mit einem Re-gime zu tun, das sogar internationalen Organisationenwie dem World Food Programme, die zumindest die ab-solut notwendigen Dinge des täglichen Lebens bereitstel-len wollen, den Zugang zu Gebieten, in denen Minder-heiten leben, verwehrt. Birma ist reich an verschiedenenBodenschätzen. Eigentlich wäre dieses Land also in derLage, mit seinem Haushalt zurechtzukommen. Trotz al-ledem müssen wir im Bereich der Entwicklungszusam-menarbeit das eine oder andere tun; darauf wird der Kol-lege Klimke sicherlich noch zu sprechen kommen.Bei aller Kritik an der Haltung Chinas, die ich, so-wohl was die UN-Resolution als auch was den Men-schenrechtsrat betrifft, voll und ganz teile, kann man ei-nes feststellen: China hat geholfen, als es um dieEinreise des Sondergesandten des UN-GeneralsekretärsBan Ki-moon nach Birma ging. Ich glaube, an diesemPunkt muss man sagen: Hier gibt es ganz offensichtlichzumindest eine gewisse Form der Verantwortung. Natür-lich hat China eigene Interessen, was den Zugang zumMeer, die Bodenschätze und viele andere Aspekte an-geht. Aber ich glaube, dass es hier zumindest ein gewis-ses Mindestmaß an Verantwortung gibt. Dass das mehrsein könnte, bestreitet niemand. Dass man Druck aus-üben muss, bestreitet auch niemand. Aber an dieserStelle wirken wir nur mittelbar. Wir sind nicht diejeni-gen, die das Heft des Handelns in der Hand haben. Dasentbindet uns allerdings nicht von unserer moralischenPflicht, etwas zu unternehmen.Genauso wie die Bemühungen der Regierung vonBirma einer kritischen Überprüfung daraufhin unterzo-gen werden müssen, ob sie von Dauer sind und aufrecht-erhalten werden, muss man auch beobachten, wie dieÄußerungen, die von den ASEAN-Staaten getroffenworden sind, zu ihrer Politik der kommenden Wochenund Monate passen, vor allem vor dem Hintergrund,dass sich diese Organisation im November dieses Jahresin ihrer Charta zu Menschenrechten und Rechtsstaatlich-keit bekennen will.zduEnLFfsndSsuhldum–HAAdMsOveADAtLess
Ich erteile Michael Leutert das Wort für Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s ist völlig klar: Auch die Linke verurteilt die Ereig-isse und Zustände in Birma ohne Wenn und Aber. Dieiste der Menschenrechtsverletzungen – Todesstrafe,olter, Hinrichtungen, auch extralegale Hinrichtungen,ehlende Meinungsfreiheit, Zwangsarbeit, Zwangsum-iedlung, Kindersoldaten – ist lang, sodass wir uns hieroch viele Stunden mit Birma beschäftigen könnten.Wir haben heute zwei Anträge zu Birma vorliegen, inenen es wieder um Verurteilung und Sanktionen geht.anktionen haben natürlich das Problem – dies ist ange-prochen worden –, dass sie nur bedingt erfolgreich sindnd hin und wieder die Falschen treffen. Ich möchte des-alb aufzeigen, was wir über Sanktionen und Verurtei-ung hinaus ganz praktisch tun können. Ich stelle Ihnenie Frage: Stimmen bei uns im Hinblick auf Birma Wortnd Tat überein? Ich muss leider zu dem Ergebnis kom-en: Auch das ist ein trauriges Kapitel. Pro Asyl hatdas dürfte bekannt sein – mitgeteilt, dass im erstenalbjahr 2007 77 Menschen aus Birma in Deutschlandsyl beantragt haben. Noch Anfang des Jahres lag dienerkennungsquote bei circa 98 Prozent. Seit Anfanges Sommers hagelt es Ablehnungen.Man muss die Frage stellen: Was ist im Februar oderärz dieses Jahres passiert? Dazu gibt es einen interes-anten Artikel vom 9. Oktober dieses Jahres auf Spiegel-nline, in dem es genau um diese Sache geht. Doch zu-or noch einmal zu Pro Asyl. Pro Asyl schreibt, es gebeine neue Entscheidungsgrundlage des Auswärtigenmtes für Asylverfahren. Darin heiße es:Nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes stellteine abweichende politische Überzeugung inMyanmar keinen Straftatbestand dar und führt nichtunmittelbar zu Repressalien und Verfolgung …
as ist dieses Jahr im März herausgegeben worden.Jetzt stellt sich einfach die Frage: Wie kommt dasuswärtige Amt im März 2007 zu dieser neuen Bewer-ung? Es grenzt doch an Zynismus, so etwas über einand zu schreiben, in dem eine Verfassung nicht einmalxistiert – ich muss das nicht weiter ausbreiten. Interes-ant an besagtem Spiegel-Online-Artikel ist, dass dortteht, dass die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung – eine
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Michael LeutertStiftung mit ehrenwerten Zielen; das will ich nicht be-streiten – Gespräche in Birma geführt hat, eines im Sep-tember 2006 und, komischerweise, eines im Februar2007. Nun kann das alles Zufall sein. Aber merkwürdigist es schon: Die politischen Verhältnisse verändern sichnicht, im Februar gibt es Gespräche, und im Märzschätzt das SPD-geführte Außenministerium die Lagevöllig anders ein, jeder Realität widersprechend.Ich muss diesen Zusammenhang deshalb herstellen,weil ich in den letzten zwei Jahren in anderen Fällenmitbekommen habe, dass so etwas hier gang und gäbeist. Ich erinnere an Usbekistan: 2005 sind in Andischanmehr als 800 Menschen niedergemetzelt worden. Trotz-dem zahlt die Bundesregierung auch 2006 mehrere Mil-lionen Euro Wirtschaftshilfe. Warum?
Die Bundeswehr unterhält einen Flughafen in Termes,der für die Verlegung von Truppen wichtig ist. Der FallZammar ist bekannt – der Untersuchungsausschuss tagtja noch –: Im Juni 2002 werden Ermittlungsverfahrengegen syrische Geheimdienstler eingestellt, und im No-vember 2002 fahren Ermittlungsbeamte von BKA undBND in den syrischen Folterknast, um den DeutschsyrerZammar dort zu vernehmen. Kann es da einen Zusam-menhang geben?
Diese Frage möchte ich hier gerne in den Raum stellen.Damit kommen wir zu den ganz praktischen Schrit-ten, die man machen könnte – abseits von Verurteilungund Sanktionen, die natürlich wichtig sind –: Wäre esmöglich, dass die von mir zitierte Einschätzung des Aus-wärtigen Amtes zurückgezogen wird
und dass Asylbewerber aus Birma anerkannt werden?Zurückziehen ist eigentlich zu wenig: Die Bundesregie-rung müsste sich für diesen Fehltritt entschuldigen!
Waffenlieferungen im Zusammenhang mit China undIndien sind angesprochen worden; damit bin ich beimnächsten Punkt. Es ist richtig, China und Indien dafür zukritisieren. Auch wir kritisieren das. Es geht nicht, dassein solches Regime, eine solche Militärdiktatur, durchWaffenlieferungen unterstützt wird.Amnesty International berichtet aber zum Beispiel vonfolgender Sache – Indien liefert demnächst einen Militär-hubschrauber an das Regime in Birma; ich zitiere –:Zentrale Komponenten des Systems – an dessen Ent-wicklung deutsche Unternehmen beteiligt waren –stammen aus europäischen Staaten: HydraulischeEinheiten, Getriebe und Treibstofftanks kommenbsuSDsBTadNNghg3gsMmddeE4vdagssZGAcdf
as wären doch konkrete Schritte, die wir hier heute be-chließen könnten.Wenn das, was ich gerade angesprochen habe, in dieeschlusstexte einfließen würde, dann würden Wort undat meines Erachtens übereinstimmen und dann würdeuch die Linke den vorliegenden Anträgen zustimmen.Ich danke.
Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Kerstin Mülleras Wort.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ach den hoffnungsvollen Tagen der Demokratiebewe-ung herrscht leider Friedhofsruhe in Birma. Die Juntaat gezeigt, dass sie weiterhin bereit ist, über Leichen zuehen, um ihre Macht zu sichern. Ich erinnere an 1988:000 friedliche Protestierer sind damals im Kugelhagelestorben. Jetzt spricht man von 13 Toten. Tatsächlichind es wahrscheinlich viele Hundert Tote, darunter vieleönche. Die Oppositionsbewegung spricht davon, dassehr als 6 000 Menschen inhaftiert wurden. Die Razzienauern an. Man erfährt leider nur noch sehr wenig, weilas Internet gekappt und jede journalistische Bericht-rstattung brutal unterbunden wurde. Der systematischeinsatz von Zwangsarbeit und eine riesige Armee von00 000 Soldaten, die 40 Prozent des Staatshaushaltserschlingt – all dies dient der Sicherung der Macht under Ausplünderung der Ressourcen.Ich schließe mich den Vorrednerinnen und Vorrednernn: Wir alle, der gesamte Deutsche Bundestag, müssenegenüber der Militärjunta ein ganz deutliches Zeichenetzen: Erstens. Wir verurteilen diese brutale Nieder-chlagung der friedlichen Massendemonstrationen.weitens. Wir fordern die Freilassung aller politischenefangenen, vor allen Dingen der Oppositionsführerinung San Suu Kyi. Drittens. Wir fordern einen friedli-hen Übergang zur Demokratie und einen echten Dialoges Regimes hierüber, wie es Aung San Suu Kyi einmalormuliert hat.
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Kerstin Müller
Herr Gloser, damit bin ich beim Rat der Außenminis-ter am Montag, dem Sie ja nicht vorgreifen wollen. Inso-fern haben wir noch viel Spielraum, hier Vorschläge da-für zu machen, was dort beschlossen werden könnte. Ichdenke, das Vorgehen der Junta muss ganz klar verurteiltwerden; das dürfte unumstritten sein. Klar muss auchsein, dass sich die Europäische Union gemeinsam undgeschlossen dafür einsetzen muss, dass endlich auch derSicherheitsrat das Vorgehen der Junta und die schwerenMenschenrechtsverletzungen in Birma verurteilt.
Wir brauchen ein internationales Waffenembargo – undnicht nur eines der Europäischen Union. Wir braucheneine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen die Militär-junta, wobei klar ist, dass die bisherigen Sanktionen leiderins Leere laufen, weil einerseits Investitionen in den Roh-stoffsektor größtenteils ausgespart werden – wie wirheute im Ausschuss gehört haben, soll das jetzt verändertwerden – und weil sie andererseits in verschärfter Formvon China, aber auch von Indien und den ASEAN-Staatenunterlaufen werden.Die EU-Sanktionen haben eine eher symbolischeFunktion; Herr Haibach, Sie haben das angesprochen.Ich denke aber trotzdem, dass wir uns zum jetzigen Zeit-punkt für eine Verschärfung aussprechen sollten, wiedies die Opposition fordert, weil dies in einem solchenMoment auch ein Zeichen der internationalen Solidaritätist, wohl wissend, dass es Symbolik ist.
Jetzt komme ich zu Ihrem Antrag. Sie haben sich hier,Herr Haibach, sehr klar für eine Verschärfung der Sank-tionen ausgesprochen. Ich verstehe nicht, warum Sie alsKoalition sich in Ihrem Antrag um eine klare Ansage he-rumdrücken. Da taucht nämlich das Wort „Sanktion“überhaupt nicht auf. Ich meine, wenn die Bundesregie-rung für eine Verschärfung der Sanktionen ist, wenn,Herr Gloser, die Bundesregierung sich am Montag dafüreinsetzen wird, dass das passiert, dann, finde ich, mussdas auch klipp und klar im Bundestag festgestellt wer-den, und dann gehört das in den Antrag.
Wir stimmen dem Antrag der FDP zu; es ist ein sehrguter Antrag. Es liegt jetzt ein Änderungsantrag vor.Wenn Sie dieser Meinung sind, dann können Sie denKoalitionsantrag an dieser Stelle sinnvoll ergänzen.
Ich will ganz klar sagen: Verschärfte Sanktionen dür-fen natürlich nicht zu einer politischen Ersatzhandlungwerden. Wir alle wissen, China ist der Schlüssel. Chinaist zurzeit noch der Garant für das Überleben des Re-gimes. Es liefert Waffen, darf im Gegenzug die Ressour-cen des Landes plündern und erhält den strategischwichtigen Zugang zum Indischen Ozean. Das ist der ei-gentliche Grund, warum China bisher jede ResolutiongviuntgbuGdügdsfaAsdvbDbKdckBZZvekdnhkwskGwWsdcf
Die ASEAN-Staaten wurden erwähnt. Wir brauchenlso eine internationale diplomatische Initiative. DieSEAN-Staaten haben ja für ihre Verhältnisse relativcharf Kritik geübt. Genau daran muss meines Erachtensie internationale Gemeinschaft anknüpfen; sie mussersuchen, eine entsprechende Initiative auf den Weg zuringen.Ich glaube, das Beispiel Darfur hat gezeigt, dassruck und Diplomatie sich nicht ausschließen. Das hatei China Wirkung gezeigt. In Darfur haben sie einenurswechsel eingeleitet.In diesen Tagen warnen die burmesischen Mönche,ass sie, sollte China eine Verurteilung der Junta im Si-herheitsrat wieder ablehnen, zu einem Olympia-Boy-ott aufrufen werden. Ich meine, wir müssen uns demoykott nicht anschließen. Dafür ist, finde ich, jetzt dereitpunkt noch nicht da. Aber wir müssen ganz klar daseitfenster bis zur Olympiade für diplomatische Initiati-en nutzen, damit es zu einer klaren Bewegung hin zuiner demokratischen Entwicklung auch in Birmaommt.
Im Antrag der Koalition vermisse ich Aussagen zuen EU-Sanktionen, zum Waffenembargo und zu einerotwendigen Resolution des Sicherheitsrates. Deshalbaben wir einen Änderungsantrag eingebracht. Demönnen Sie, wenn Sie eigentlich dieser Meinung sind,ie hier betont, zustimmen.Ich will auch noch – wie der Kollege von der Linken –ehr klar auf das Thema Asylanerkennung zu sprechenommen. Es wurde uns heute im Ausschuss gesagt, Herrloser, heute würde man sicherlich zu einer anderen Be-ertung der Lage kommen. Das kann doch nicht sein.ir haben hier in den letzten Tagen ein brutales Nieder-chlagen einer Demokratiebewegung beobachtet undiskutiert. Da kann es doch nicht sein, dass es eine sol-he Auskunft des Auswärtigen Amtes gibt, die dazuührt – das steht in allen Asylbescheiden drin; ich habe
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Kerstin Müller
früher viel damit zu tun gehabt; das ist für das Bundes-amt für Migration und Flüchtlinge wie in Stein gemei-ßelt –, dass der Schalter umgelegt wird und die Leutenicht mehr anerkannt werden. Angesichts dessen erwarteich vom Auswärtigen Amt, dass das eingestellt wird,einfach eingestellt wird, aus dem Verkehr gezogen wird.
Das können Sie. Dazu brauchen Sie noch nicht einmalden Außenminister. Das ist ja nun wirklich eine Sache,bei der man zeigen kann: Wir liegen hier falsch; wirmüssen heute zu einer anderen Bewertung kommen.Auch das ist eine ganz konkrete Form der internationa-len Solidarität, die die Exilopposition, aber auch die De-mokratiebewegung von uns erwarten kann. Dass wir ge-flohenen Burmesen – sie haben es schwer genug – Asylgewähren, ist eine Form der praktischen Solidarität.
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Schluss kom-
men.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Ich hoffe, dass wir das in Zukunft gemeinsam deut-
lich machen werden.
Der Kollege Detlef Dzembritzki hat jetzt das Wort für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Ereignisse der letzten Wochen in Birma haben der
Welt eindringlich die Natur eines Militärregimes vor Au-
gen geführt, das dieses Land seit vielen Jahren be-
herrscht und unterdrückt und eine positive Entwicklung
verhindert. Dafür, dass Birma endlich in den Fokus der
internationalen Aufmerksamkeit gerückt ist, haben die
Menschen einen hohen Preis gezahlt: Tote, Verwundete,
Massenverhaftungen und Menschenrechtsverletzungen
sind zu beklagen.
Die Lage der burmesischen Bevölkerung ist nicht erst
seit einigen Monaten so schlimm; das ist bereits seit
Jahrzehnten der Fall. Deswegen, Frau Kollegin Müller,
erkläre ich eindeutig, dass ich für Ihre Aussagen in Sa-
chen Asyl viel Verständnis habe und dass wir uns nicht
damit abfinden können, dass im Februar 2007 eine sol-
che Aussage, wie sie vom Kollegen Leutert getroffen
worden ist, möglicherweise der Maßstab für zukünftiges
Handeln sein sollte. Ich hätte 2007 eine solche Entschei-
dung nicht für richtig gehalten, um das deutlich zu sa-
gen. Denn ich finde, es ist richtig, dass wir in dieser
Frage nicht das Trennende, sondern die Gemeinsamkei-
ten betonen.
In diesem Zusammenhang habe ich mich – ich habe
dabei meine Freundinnen und Freunde von den Grünen
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Vielen Dank, Herr Dzembritzki. – Es ist klar, dass icher FES oder der SPD nicht unterstelle, das Regime un-erstützen zu wollen. Darum geht es nicht. Trotzdem willch noch einmal nachhaken; denn auch die FAZ und an-ere Zeitungen haben berichtet, dass eine Vermittlungs-nitiative unter der Leitung des früheren Asienbeauftrag-en der Bundesregierung Hauswedell, die sozusagennter dem Dach der FES und parallel zu den Bemühun-en der UNO, aber auch zu den Diskussionen um schär-ere Sanktionen erfolgt ist, bei Briten, Franzosen und Ita-ienern zu Erstaunen und scharfer Kritik geführt hat. Ichitiere: „Wie kann man in dieser Lage ein Zeichen dernnäherung setzen wollen?“Teilen Sie meine Auffassung, dass – selbst wenn diebsicht grundsätzlich richtig war – der gewählte Zeit-unkt einer Annäherung bzw. einer Vermittlungsinitia-ive an der Europäischen Union und der UNO vorbei un-assend war?
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Verehrte Frau Kollegin, wichtig ist mir, zuallererst
festzuhalten, dass sich Herr Hauswedell selbst geäußert
hat und die ihm unterstellten Äußerungen zurückgewie-
sen hat. Wenn wir zum jetzigen Zeitpunkt darüber disku-
tieren, dann ist sicherlich festzuhalten, dass die Situa-
tion, verursacht durch die stattgefundenen Ereignisse im
Lande, schwierig ist. Es gibt kein Missverständnis da-
rüber, dass es zum augenblicklichen Zeitpunkt nicht
sinnvoll ist – das gilt für beide Institutionen –, Vermitt-
lungsvorschläge zu machen. Vielmehr kommt es darauf
an, dass die Länder der Europäischen Union gemeinsam
handeln.
Damit kommen wir zum entscheidenden Punkt. Es ist
sicherlich schwierig, darüber ohne Missverständnisse zu
diskutieren. Sie selbst haben eben darauf hingewiesen,
dass Sanktionen, wenn sie so unterlaufen werden, wie es
in Birma der Fall ist, nicht wirken. Im Gegensatz zu Ih-
nen bezweifle ich sogar den symbolträchtigen Charakter
solcher Sanktionen. Wir müssen konstatieren, dass wir
mit allen Maßnahmen, die wir seit 1996 ergriffen haben,
keine Verbesserungen für die Menschen in Birma er-
reicht haben. Wichtig ist, dass wir trotz des vorhandenen
Problemdrucks Entscheidungen treffen, die uns Kon-
takte zu den Menschen sowie insbesondere zur Oppo-
sition und zu den Institutionen im Lande ermöglichen
– ich denke in diesem Zusammenhang auch an die Min-
derheiten –, die sich hier um einen Dialog bemühen. Im
Augenblick findet kein Dialog statt. Es kommt im Au-
genblick nicht darauf an, darüber nachzudenken, was
man nicht machen will. Vielmehr müssen wir Chancen
eröffnen, den Dialog in diesem Land zu führen.
Es wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass der
Schlüssel zur Problemlösung in Birma/Myanmar in der
Region selbst liegt. Wir müssen von europäischer Seite
dazu beitragen, dass Länder wie China oder Indien sich
in ihrem Verhalten gegenüber diesem Land grundsätz-
lich ändern und ihre Interessen nicht mehr zulasten der
dort lebenden Menschen wahrnehmen. Deswegen wird
es darauf ankommen, China als Vetomacht im UN-
Sicherheitsrat dazu zu bewegen, eine andere Regional-
politik zu betreiben. Hoffen lässt, dass die ASEAN-Län-
der – anders als vor Jahren – nicht mehr den Standpunkt
vertreten, dass es hier um Nichteinmischung geht. Viel-
mehr hat Birma deutliche Signale bekommen. Ich erin-
nere daran, dass es nicht den Vorsitz in der ASEAN-
Region übernehmen durfte. Indonesien hat sich im Ge-
gensatz zu anderen Ländern massiv dafür eingesetzt, das
Thema Birma/Myanmar auf die Tagesordnung der IPU
zu setzen. Die IPU hat sich damit intensiv auseinander-
gesetzt und eine Resolution zur Missbilligung der Zu-
stände in Birma verabschiedet. Es ist ein gutes Signal,
dass man innerhalb der Region verstärkt Verantwortung
übernimmt.
Die Europäische Union hat Sanktionen ausgespro-
chen, aber sechs Länder der Europäischen Union treiben
– ich bedauere das sehr, ich denke, hier müssen wir uns
an die eigene Nase fassen – laut Amnesty-International-
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Jürgen Klimke hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rotz aller Warnungen, trotz aller Appelle und trotz Dro-ungen seitens der Europäer, der USA und auch derNO haben die Generäle ab dem zehnten Tag der De-onstrationen begonnen, mit Gewalt den Aufstand derewaltlosen niederzuknüppeln. Im Moment ist es offen-ichtlich ruhig in den Straßen von Rangun, aber wir soll-en uns nicht täuschen lassen: Auch heute noch gibt esrügeleien im Geheimen, auch heute noch wird gefol-ert, und auch heute noch werden Todesopfer in Kaufenommen. Wir wissen, dass die Junta nicht davor zu-ückscheut, am Rande der Stadt Internierungslager ein-urichten, deren humanitäre Zustände katastrophal seinollen.Doch was zeigt sich darin, außer der Dummheit, dieeder Brutalität innewohnt? Etwa Stärke, etwa Überle-enheit? Von wegen. Die Eskalation der Gewalt istichts anderes als der Beweis der Ohnmacht eines Re-imes, das das Land seit Jahrzehnten ausgebeutet hat, je-en Kredit verspielt hat, das ehedem reichste Land Süd-stasiens – das muss man immer wieder deutlich machen –irtschaftlich völlig ruiniert und Parteien und Gewerk-chaften zerschlagen hat. Es hat sich aus Angst vor demolk auf Anweisung der Götter aus der Hauptstadtangun in den Dschungel zurückgezogen. Die Armee istis an die Zähne bewaffnet. Tausende von Menschenind ins Gefängnis geworfen worden, und man hat dieenschen zu Zwangsarbeit im Straßenbau und in Stein-rüchen verurteilt. Mit welchem Erfolg?Viele der jungen Mönche und viele andere Teilneh-er der Demonstrationen, die sich dem Militär todesmu-ig entgegengestellt haben, waren beim Aufstand 1988aum geboren. Sie kennen nichts anderes als diese raff-ierige Bande von Soldatenkönigen, wie sie die Regie-
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Jürgen Klimkerung ironisch nennen. Sie haben keinerlei Kontakte insAusland, keine Vorstellung von Wohlstand, von Demo-kratie oder Pressefreiheit. Sie wollen sich aber auchnicht an das Gegenteil gewöhnen. So pathetisch esklingt: An der sogenannten Safranrevolution zeigt sich,dass sich der menschliche Drang nach Freiheit nichtaberziehen und sich auf Dauer auch nicht unterdrückenlässt. Deshalb ist es unbedingt notwendig, dass wir dieaufbegehrende Bevölkerung Myanmars unterstützen,und zwar mit allen Mitteln, die Deutschland und die EUhaben.
Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte An-trag leistet dazu einen Beitrag. Er ist eine unbedingt not-wendige Reaktion auch des Deutschen Bundestages aufdiese Vorkommnisse. Insbesondere der Verweis auf dieResolution des UN-Menschenrechtsrats zeigt, dass dasVorgehen der Militärregierung verurteilt wird. Wir unter-stützen in diesem Zusammenhang auch den UN-Sonder-gesandten Gambari, dem es anscheinend gelungen ist,das Militärregime davon zu überzeugen, den Arbeitsmi-nister als Gesprächspartner der Friedensnobelpreisträge-rin zu installieren. Das ist ein großes Zeichen; denn zumersten Mal wird sie als offizielle Gesprächspartnerin derMilitärs anerkannt. Ihre Auftritte im Fernsehen unter-streichen das. Von besonderer Bedeutung ist auch dieEU-Troika. Sie hat gegenüber China einen Erfolg erzielt,den ich unserem Außenminister, der im Rahmen derUN-Vollversammlung sehr eindringlich mit dem chine-sischen Außenminister über Myanmar gesprochen unddie Haltung Deutschlands und der EU deutlich gemachthat, zuschreibe.Von entscheidender Bedeutung zur Ausgestaltung derdiplomatischen Möglichkeiten sehe ich vor allen Dingendie Frage der Sanktionen. Das Auswärtige Amt verfolgtim Rahmen einer Kompromisslinie innerhalb der Euro-päischen Union eine Strategie von Sanktionen und An-reizsystemen. In diesem Zusammenhang wird auch voneiner Verschärfung der Sanktionen gesprochen. Ver-schärfung ja, aber dann direkt gegen das Militär undhundertprozentig von allen auf internationaler Ebene,nicht aber gegen die Menschen.
Insofern wundere ich mich ein bisschen über Ihren An-trag, Frau Müller, in dem Sie von den Grünen als dieselbst ernannten Hüter der Menschenrechte von einer– unspezifizierten und undefinierten – Verschärfung derEU-Sanktionen gegenüber Myanmar sprechen und darinoffensichtlich auch die Menschen einbeziehen wollen.Da kann ich nur fragen: Wissen Sie, welche dramati-schen Folgen die bisherigen Sanktionen für die Zivilbe-völkerung haben? Ich will versuchen, es Ihnen zu erklä-ren. Es geht dabei nicht um die Frage: Sanktionen – jaoder nein? Es geht um die Frage: Wie schütze ich dieZivilgesellschaft?Zuallererst ist die Militärjunta für die dramatischeLage der 56 Millionen Menschen in Myanmar verant-wortlich. Krankheiten, fehlende Elementarbildung unddnbDSrcknlhocrKsgBiawSndMdMASngsddpsuhIumbWldkpmMM
Wie könnte eine neue Linie aussehen, die ganz ein-eutig die Situation der entwicklungspolitischen Lage inyanmar berücksichtigt? Wie behalten wir einen Fuß iner Tür und bleiben weiter im Gespräch, auch mit derilitärjunta? Deutschland muss dazu beitragen, dass dienreizmechanismen, die es in Art. 3 des Gemeinsamentandpunktes der EU gegenüber Myanmar ja gibt, ge-utzt werden, weil damit Myanmar eine Perspektive ge-eben wird und gleichzeitig die zivilen Strukturen ge-tärkt werden. Deswegen sollte die Bundesregierung aufer Sitzung des Europäischen Rates am 15. Novemberafür eintreten, dass Art. 3 des Gemeinsamen Stand-unktes vollständig erhalten bleibt. Die diversen deut-chen NGOs und Stiftungen müssen ebenso wie die EUnd die UNO durch das Entwicklungsministerium befä-igt werden, mehr und größer angelegte Projekte imnteresse der Menschen durchzuführen. Art. 3 erlaubtns, mehr zu tun im Bereich Bildung, im Bereich der hu-anitären Hilfe, im Bereich von Biodiversität und auchei der Streitschlichtung innerhalb der Zivilgesellschaft.ir stärken damit die Mobilisierung von unten, die mög-icherweise auch auf die mittleren Führungsebenen undie jüngeren Mitglieder der Militärjunta durchschlagenönnte.Grundsätzlich halte ich es auch für notwendig, Mehr-arteiengespräche, ähnlich wie sie im Zusammenhangit Nordkorea geführt worden sind, auch gegenüberyanmar durchzusetzen.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ja, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren, dieönche haben keine anderen Waffen genutzt als ihre
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Jürgen Klimkeleeren Reisschüsseln, die sie im Angesicht der Soldatenumgedreht haben. In keiner anderen Geste zeigt sichdeutlicher ihre moralische Macht. Lassen Sie uns denMenschen helfen und sie nicht durch Sanktionen deut-lich weiter isolieren. Wie immer das Kräftemessen aus-geht, noch blutiger oder vielleicht doch einem Kompro-miss für die Menschen: In Wahrheit haben dieMenschen, in Wahrheit hat das Volk schon gewonnen.
Zu einer Kurzintervention erhält jetzt der Abgeord-
nete Gloser das Wort. Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte auf die
Ausführungen der Kollegin Müller und des Kollegen
Leutert eingehen.
Diese Pressemeldung war unvollständig. Der generel-
len Anfrage lag ein bestimmter Sachverhalt zugrunde.
Man hat darauf geantwortet, ohne dem Motto „Wenn
man einen Asylantrag stellt, dann hat das in dem ent-
sprechenden Land keine Konsequenzen“ zu folgen. Viel-
mehr hat man ausdrücklich festgestellt – ich zitiere –:
Nach Kenntnissen des Auswärtigen Amtes stellt
eine abweichende politische Überzeugung in
Myanmar keinen Straftatbestand dar und führt nicht
unmittelbar zu Repressalien und Verfolgung, sie
kann aber zur Folge haben, dass Betroffene von
myanmarischen Sicherheitsdiensten unter Beobach-
tung gestellt werden. Wird dann eine Straftat – wie
beispielsweise eine Missachtung des Versamm-
lungsverbotes – begangen, müssen Betroffene hin-
gegen mit erheblichen Drangsalierungen und einer
unnachsichtigen Strafverfolgung rechnen.
Es ist also nichts verharmlost worden. Es ist nur eine
sehr abstrakte Frage zu einer ganz bestimmten Situation
gestellt worden.
Im Übrigen wurde noch vor den Unruhen, bereits im
August, aufgrund entsprechender Berichte die Grund-
lage für die Bearbeitung von Anträgen durch das Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge geändert. Daher
bitte ich, nicht zu behaupten, hier sei eine Grundlage ge-
schaffen worden. Das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge muss jeden Einzelfall, losgelöst von abstrak-
ten Beantwortungen, beurteilen. Das Auswärtige Amt
übernimmt keine rechtliche Beurteilung. Insofern war
immer die Möglichkeit gegeben, aktuelle Gegebenheiten
in Myanmar zu berücksichtigen.
Zur Erwiderung hat die Kollegin Müller das Wort.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Kollege Gloser, mir ist sehr wohl bewusst, dass
es sich um eine Einzelauskunft handelt. Diese Einzelaus-
kunft liegt mir vor.
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Jetzt spricht für die SPD die Kollegin Christel
iemann-Hanewinckel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Debatte und auch die Auseinandersetzung über dieerschiedenen Punkte zeigen, dass es gut gewesen wäre,enn wir es in diesem Hause geschafft hätten, einen in-erfraktionellen Antrag zustande zu bringen. Wir habenurch eine intensive Diskussion festgestellt, dass es eineanze Reihe von Punkten gibt, in denen wir offensicht-ich einer Meinung sind. Wir sind nicht nur einer Mei-ung in der Beurteilung der Situation in Birma, sondernuch in der Verurteilung der Menschenrechtsverletzun-en. Ich habe aus dem, was alle Rednerinnen und Redneresagt haben, herausgehört, dass wir zum Teil ratlosind, welche Mittel und Möglichkeiten die Weltgemein-chaft hat, um tatsächlich Veränderungen herbeizufüh-en, und dass es gleichzeitig darum gehen muss, dassöglichst viele das Gleiche sagen und für das gleicheiel arbeiten und kämpfen.Ich habe mich bei der Vorbereitung meiner Rede ge-ragt: Was ist zu tun? Was können wir von uns aus undon hier aus tun?
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Christel Riemann-HanewinckelNatürlich können und müssen wir alle Gremien, dieweltweit etwas zu sagen haben und Veränderungen be-wirken können, ansprechen. Die Vereinten Nationen, derSicherheitsrat, der Menschenrechtsrat, der ASEAN-Staatenbund, die Europäische Union, die Bundesregie-rung und auch der Deutsche Bundestag müssen sich ein-mischen. Offenbar wird weiterverhandelt, ob es nichtdoch noch gelingt, einen Antrag auszuarbeiten, mit demwir uns alle einverstanden erklären können.Ich möchte jetzt zu einzelnen Punkten etwas sagen,die mich hier sehr erregt und geärgert haben. HerrLeutert, ich beziehe mich auf das, was Sie zur Friedrich-Ebert-Stiftung und zu den Auswirkungen, die eine Ver-anstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung haben soll, ge-sagt haben. Es tut mir leid, aber für mich ist das, was Siehier betrieben haben, Denunziation.
Sie wissen von der Rosa-Luxemburg-Stiftung: WennStiftungen in einem Land wie Birma arbeiten, in dem dieMenschenrechte verletzt werden – die Friedrich-Ebert-Stiftung war die erste vor Ort und arbeitet intensiv an die-sem Problem und mit denen, die unterdrückt werden –,dann kann man doch nicht unterstellen, dass sich eineVeranstaltungsreihe, die schon im Jahr 2006 begonnenhat – es hat jetzt bereits eine dritte Veranstaltung stattge-funden –, so auswirkt, dass der Botschafter oder das Aus-wärtige Amt den Lagebericht entsprechend verändert.Wenn Sie diese Vermutung oder diesen Verdacht vor ei-nem halben Jahr gehabt hätten, dann wäre es an Ihnen ge-wesen, genau das anzusprechen und den Lageberichtschon da zu kritisieren.Ich kann Ihnen nur sagen: In meiner Zeit als Bundes-tagsabgeordnete im Petitionsausschuss – dabei ging esvor allen Dingen um Asylbewerber – war es sehr oft so– leider ist das offenbar die Achillesferse eines jedenAuswärtigen Amtes, egal unter welcher Führung –, dassdie Lageberichte nicht der Realität entsprochen haben.Das habe ich erlebt, als Hans-Dietrich Genscher Außen-minister war, das habe ich erlebt, als Joschka FischerAußenminister war, und das erleben wir jetzt offenbarauch an diesem Punkt, beim Lagebericht mit Blick aufBirma. Aber das berechtigt Sie noch lange nicht, findeich, solche Vermutungen auszusprechen, zumal es schonRichtigstellungen vonseiten der Friedrich-Ebert-Stiftunggibt. Wir könnten jetzt hier noch eine halbe Stunde da-rüber diskutieren. Es gibt nämlich noch mehr Punkte, diebei Spiegel-Online und bei der FAZ falsch dargestelltworden sind. Ich bin immer wieder überrascht, wieschnell wir uns, wenn es uns in den Kram passt, auf Zei-tungsmeldungen berufen und behaupten, dass sie dieWahrheit und nichts als die Wahrheit sagen.
Ich frage mich noch etwas anderes: Müssen wir nichtauch unser Engagement im Blick auf die Nichtregie-rungsorganisationen, die in Birma sind, verstärken? Wirwissen, dass mit 3 Millionen Euro Nichtregierungsorga-nisationen unterstützt werden – die können vor Ort ar-beiten –, weil es keine bilaterale Zusammenarbeit gibt;efmSlDsiirßmpfrvwRdldGdMGbdiSnfnadWeestknS„
Wenn wir eine Lösung für Birma suchen, dann – auchas ist schon gesagt worden – führt an Indien und vor al-en Dingen an China kein Weg vorbei. China hält bisherer Militärregierung aus wirtschaftlichen und politischenründen den Rücken frei.Ein knappes Jahr vor den Olympischen Spielen willie Volksrepublik ja ein weltoffenes Image bekommen.enschenrechte, Religionsfreiheit, Pressefreiheit undewaltlosigkeit können dann keine leeren Worte blei-en. Deshalb ist es an uns, auch China gegenüber dieeutliche Erwartung auszusprechen, dass es sich, auchm Verbund der ASEAN-Staaten, anders verhält. Dietaatengemeinschaft sollte die Zeit vor der Olympiadeutzen und China dringend dazu auffordern, seinen Ein-luss auf Birma nachhaltig zu nutzen.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfenicht – das werden wir auch nicht tun – die Hoffnungufgeben, dass sich die Situation in Birma ändert undass sich mithilfe von Dialogen und eines Kampfes ohneaffen, also eines Verhandelns mit Argumenten, aberben auch mithilfe von Sanktionen das Regime in Birmaines anderen besinnt, damit das gesamte Land, das jaehr reich ist, aber dessen Bevölkerung das Regime bet-elarm gemacht hat, endlich auf den Weg der Demokratieommt.Vielen Dank.
Damit schließe ich die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zu-ächst über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU,PD und FDP auf Drucksache 16/6600 mit dem TitelMenschenrechte und Demokratie in Birma durchset-
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12132 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Oktober 2007
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardtzen“ ab. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst ab-stimmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-sache 16/6608? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Druck-sache 16/6609? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen derKoalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt.Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 16/6600mit der soeben beschlossenen Änderung? – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mit denStimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünenund FDP bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ange-nommen.
Ich komme zu Zusatzpunkt 3: Beschlussempfehlungdes Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Frak-tion der FDP mit dem Titel „Den Gemeinsamen Stand-punkt der EU zu Birma/Myanmar stärken“. Der Aus-schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 16/6611, den Antrag der Fraktion der FDPauf Drucksache 16/5608 abzulehnen. Wer stimmt fürdiese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-men der Koalition bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP und Enthaltung der Fraktion DieLinke angenommen.Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-nung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Donnerstag, den 11. Oktober,9 Uhr, ein.Genießen Sie die gewonnenen Einsichten und denAbend!Die Sitzung ist geschlossen.