Protokoll:
15089

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 89

  • date_rangeDatum: 30. Januar 2004

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:37 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/89 Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Hofmann (Volkach) SPD . . . . . . . . . . Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . . Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . Reinhard Weis (Stendal) SPD . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin BMVBW. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: 7886 D 7888 C 7889 D 7891 D 7892 C 7893 A 7893 B 7893 D 7895 B 7895 D 7896 A 7902 B 7904 C 7907 C 7909 B 7912 B 7914 C 7916 B 7918 A Deutscher B Stenografisch 89. Sitz Berlin, Freitag, den 3 I n h a l Benennung des Abgeordneten Dr. Volker Wissing als nachfolgendes Mitglied im Deut- schen Bundestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuregelung von Luftsicher- heitsaufgaben (Drucksache 15/2361) . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . P D T 7881 A 7881 B 7881 B 7881 B 7883 C 7885 D Jürgen Herrmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach SPD . . . . . . . . . . . . 7896 C 7897 B undestag er Bericht ung 0. Januar 2004 t : etra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP: Leitlinien für die Voll- endung der Bahnreform (Drucksache 15/2156) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gutachtenver- gabe zu Fahrgastrechten revidieren – Neutralen Gutachter beauftragen (Drucksache 15/2279) . . . . . . . . . . . . . 7898 C 7899 C 7900 D 7902 A 7902 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 Entwurfs eines Vierundzwanzigsten Ge- setzes zur Änderung des Abgeordneten- gesetzes (Drucksache 15/2440) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Michael Müller (Düsseldorf), Astrid Klug, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abgeordneten Michael Kauch, Birgit Homburger, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP: Einrich- tung eines parlamentarischen Beira- tes für nachhaltige Entwicklung (Drucksache 15/2441) . . . . . . . . . . . . . b) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56 a der Geschäftsord- nung: Technikfolgenabschätzung hier: Sachstandsbericht – „Lang- zeit- und Querschnittsfragen in eu- ropäischen Regierungen und Parla- menten“ (Drucksache 15/2129) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Einrichtung eines Zukunftsaus- schusses (Drucksache 15/2387) . . . . . . . . . . . . . Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . Dr. Günter Krings CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Flachsbarth CDU/CSU . . . . . . . . . Astrid Klug SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon CDU/CSU . . . . . . . . . . . T D D B H F D C Z H U D P D V E H B D M H M D A H 7919 C 7919 D 7920 D 7921 C 7922 C 7923 B 7923 B 7923 C 7923 C 7924 D 7926 B 7927 D 7929 A 7930 B 7932 B agesordnungspunkt 23: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Gold- mann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Distanzierung der Bundesregierung von gesetzwidri- gen Zerstörungen von Freisetzungs- versuchen mit gentechnisch verän- derten Pflanzen (Drucksache 15/1825) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Freilandversu- che mit gentechnisch veränderten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlin- burg durchführen (Drucksache 15/2352) . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan FDP . . . . . . . . . r. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär MVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan FDP . . . . . . elmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . riedrich Ostendorff BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan FDP . . . . . . hrista Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . usatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tion der CDU/CSU: Zukunft der Pflege- versicherung orst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . lla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . aniel Bahr (Münster) FDP . . . . . . . . . . . . . etra Selg BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . r. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . erena Butalikakis CDU/CSU . . . . . . . . . . . rika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ildegard Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . irgitt Bender BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . atthias Sehling CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . ilde Mattheis SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aria Michalk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . r. Marlies Volkmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . nnette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . orst Schmidbauer (Nürnberg) SPD . . . . . . 7934 A 7934 B 7934 C 7936 A 7937 A 7937 D 7939 B 7940 D 7941 B 7942 B 7943 C 7945 B 7946 D 7948 A 7948 D 7949 D 7951 A 7952 B 7953 B 7954 B 7956 A 7957 A 7957 D 7959 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 III Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Leitlinien für die Vollendung der Bahnreform – Gutachtenvergabe zu Fahrgastrech- ten revidieren – Neutralen Gutach- ter beauftragen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Distanzierung der Bundesregierung von gesetzwidrigen Zerstörungen von Freisetzungsversuchen mit gen- technisch veränderten Pflanzen – Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlinburg durchführen (Tagesordnungspunkt 23 a und b) Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7960 D 7961 A 7962 A 7962 C 7963 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 7881 (A) ) (B) ) 89. Sitz Berlin, Freitag, den 3 Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 7961 (A) ) (B) ) sammlung de NATO *Lehder, Christine SPD 30.01.2004 sammlung des Europarates * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-Kramme, Anette SPD 30.01.2004 Anlage 1 Liste der entschuldigt Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.01.2004 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30.01.2004 Bindig, Rudolf SPD 30.01.2004* Braun, Helge CDU/CSU 30.01.2004 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 30.01.2004 Caesar, Cajus CDU/CSU 30.01.2004 Deittert, Hubert CDU/CSU 30.01.2004* Eichstädt-Bohlig, Franziska BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.01.2004 Gloser, Günter SPD 30.01.2004 Göllner, Uwe SPD 30.01.2004 Göppel, Josef CDU/CSU 30.01.2004 Götz, Peter CDU/CSU 30.01.2004 Grill, Kurt-Dieter CDU/CSU 30.01.2004 Freiherr von und zu Guttenberg, Karl- Theodor CDU/CSU 30.01.2004 Hartnagel, Anke SPD 30.01.2004 Hermenau, Antje BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.01.2004 Höfer, Gerd SPD 30.01.2004* Jäger, Renate SPD 30.01.2004* Jonas, Klaus Werner SPD 30.01.2004* Dr. Jüttner, Egon CDU/CSU 30.01.2004 Karwatzki, Irmgard CDU/CSU 30.01.2004 L L L M M M M R R R R R R R S S S D S S D A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten etzgus, Peter CDU/CSU 30.01.2004* eutheusser- Schnarrenberger, Sabine FDP 30.01.2004* ips, Patricia CDU/CSU 30.01.2004 antel, Dorothee CDU/CSU 30.01.2004 ayer, Conny (Baiersbronn) CDU/CSU 30.01.2004 ichelbach, Hans CDU/CSU 30.01.2004 üller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.01.2004 aidel, Hans CDU/CSU 30.01.2004** auber, Helmut CDU/CSU 30.01.2004* ehbock-Zureich, Karin SPD 30.01.2004 iester, Walter SPD 30.01.2004* öspel, René SPD 30.01.2004 oth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.01.2004 übenkönig, Gerhard SPD 30.01.2004 auer, Thomas SPD 30.01.2004 chaaf, Anton SPD 30.01.2004 charping, Rudolf SPD 30.01.2004 r. Scheer, Hermann SPD 30.01.2004* chmidbauer, Bernd CDU/CSU 30.01.2004 chultz (Everswinkel), Reinhard SPD 30.01.2004 r. Schwanholz, Martin SPD 30.01.2004 bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich 7962 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 (A) ) (B) ) Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Leitlinien für die Vollendung der Bahnre- form – Gutachtenvergabe zu Fahrgastrechten revi- dieren – Neutralen Gutachter beauftragen (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Ziel der Bahnre- form, nachzulesen auf den Internetseiten des BMVBW, ist es, das ständig steigende Bedürfnis nach Mobilität in umweltgerechter Weise abzusichern, die vorhersehbaren Verkehrszuwächse sowohl im nationalen als auch im in- ternationalen Personen- und Güterverkehr zu einem gro- ßen Teil auf die Schiene zu bringen, …“. Bundesminister Stolpe selbst sagte anlässlich der Feiern zu zehn Jahren Bahnreform, dass dieses ganz große Ziel nicht erreicht worden sei. Besonders kontraproduktiv wirken die aktuellen Preis- erhöhungen der DB im Fernverkehr. Das Hauptziel der Bahnreform, „mehr Verkehr auf die Schiene“ zu bringen, wurde nicht erreicht. Im Gegenteil, Kürzungen stehen auf der Tagesordnung: Kürzung der Regionalisierungs- mittel, Kürzungen des Ausgleichsbetrages durch Ände- rung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und fehlende Mittel bzw. drohende Kürzungen für Investitionen im Schienenverkehr durch die Mautausfälle. Völlig unbe- achtet bleibt im Antrag die Daseinsvorsorge, die auch Funktion der Bahn sein muss und von der sich Herr Mehdorn schon öffentlich losgesagt hat. Die PDS formuliert folgende Anforderungen an die Bahnreform: Wettbewerb ja, aber keine Privatisierung auf Teufel komm heraus; Effizienzsteigerung ja, aber nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter; Ausbau des Stre- ckennetzes und nicht Stilllegung von Strecken! Und abschließend: Die Bahn muss preiswerter wer- den. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass im Jahr 2005 die Mehrwertsteuer auf Fernverkehrstickets halbiert werden soll, um durch niedrigere Fahrpreise mehr Fahrgäste zu gewinnen. Wir sind auf die Umset- zung gespannt. Die Wirklichkeit sieht im Augenblick anders aus: Fernfahrten werden teurer! Das geht nach hinten los und schreckt die Fahrgäste ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Anträge: – Distanzierung der Bundesregierung von ge- setzwidrigen Zerstörungen von Freiset- s d f d w Z d A h l d V S z m Z r k v z s k A S z F d O d s s b K g k d g b v d e s e c b G M n w k (C (D zungsversuchen mit gentechnisch veränder- ten Pflanzen – Freilandversuche mit gentechnisch verän- derten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlin- burg durchführen (Tagesordnungspunkt 23 a und b) Matthias Weisheit (SPD):Zwei Anträge der FDP tehen heute zur Debatte, zum einen zur Durchführung er Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Ap- elsorten in Pillnitz und Quedlinburg, zum anderen wird ie Distanzierung der Bundesregierung von den gesetz- idrigen Zerstörungen von Freilandversuchen gefordert. u Letzterem möchte ich nur wenige Worte verlieren, enn wie die Damen und Herren von der FDP in ihrem ntrag ja anhand mehrerer Zitate belegen, besteht über- aupt kein Zweifel daran, dass die Zerstörung von Frei- andversuchen einen Gesetzesverstoß darstellt und dass ie Bundesregierung solch mutwillige Zerstörungen von ersuchsfeldern verurteilt. Die an die Ministerin gestellte Frage in der zitierten endung „Frontal 21“ legte einen Zusammenhang nahe wischen einem gemeinsamen Auftritt der Ministerin it Greenpeace und der Einstellung der Ministerin zur erstörung von Versuchsfeldern. Das ist Freiheit der Be- ichterstattung. Wenn sich die Ministerin einem solch onstruierten Zusammenhang mit einer frechen Antwort erweigert, dann wiederum ist das ihre Freiheit. Daraus u schließen, die Bundesregierung toleriere solche Ge- etzesverstöße, ist an den Haaren herbeigezogen. Es ann nicht angehen, dass man sich durch gemeinsame uftritte mit Greenpeace schon der klammheimlichen ympathie für solche Rechtsbrüche verdächtig macht, umal ja auch die Kolleginnen und Kollegen von der DP unter Punkt 6 in ihrem Forderungskatalog die Bun- esregierung zum Dialog mit Greenpeace und anderen rganisationen auffordern. Den Antrag lehnen wir ab, enn er ist überflüssig. Zum FDP-Antrag zur Durchführung der Freilandver- uche in Pillnitz und Quedlinburg: Feuerbrand, Apfel- chorf und Apfelmehltau sind ernst zu nehmende Pro- leme für den Obstbau. Wie Sie wissen, liegt mir der ampf gegen Feuerbrand besonders am Herzen, denn erade in Baden-Württemberg ist diese bakterielle Er- rankung eine Bedrohung für die Obsterzeuger, der in er Vergangenheit schon viele Apfelanlagen zum Opfer efallen sind. Jeder, der schon einmal solche nach Feuer- randbefall gerodeten Anlagen gesehen hat, weiß, wo- on ich rede. Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung es Feuerbrands war bisher Streptomyzin und bisher gibt s keine vergleichbar wirksame Alternative. Genau dort etzen die Versuche an: Kann auf gentechnischem Weg ine Resistenz gegen Schaderreger insbesondere pilzli- her und bakterieller Herkunft entwickelt werden? Ich in der Meinung, auch wenn ich kein großer Freund der rünen Gentechnik bin: Bei der Suche nach wirksamen itteln gegen einen so aggressiven und Existenzen ver- ichtenden Erreger müssen alle Möglichkeiten erforscht erden, das heißt, die Gentechnik sollte dabei zwar eine Priorität haben, denn eventuell gibt es weniger Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 7963 (A) (C) (B) ) umstrittene Lösungen, aber sie sollte auch nicht außen vor bleiben. Die Frage ist also: Wie finden wir ein wirksames Mit- tel? Ist aber Gentechnik die Antwort? Ich selbst bin da noch zu keiner abschließenden Meinung gekommen. Ich sehe nur Folgendes: Aus Gründen des vorsorgenden Ver- braucherschutzes, aber auch weil es keine gesellschaftli- che Akzeptanz mehr für die Anwendung solcher antibio- Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss tikahaltigen Pflanzenschutzmittel gibt, müssen wir geordnet aus der Anwendung von Streptomyzin ausstei- gen. Das aber genau ist der Punkt: Auch für die Anwen- dung der Gentechnik gab es keine gesellschaftliche Ak- zeptanz. In Quedlinburg war die Lage nicht so problematisch. Dort sollten auf 0,2 ha die Bäume nach 3 bis 4 Jahrern vor dem adulten Stadium mit verstärkter Blütenbildung und Fruchten abgeholzt werden bzw. sollte bei eventueller Blütenbildung diese sofort manuell entfernt werden. Dort gab es auch nur wenig Einwände. Ich persönlich hätte keine Probleme damit, wenn dort der Versuch durchgeführt würde, denn ohne Blüten kann es nicht zu Auskreuzungen kommen. Aber das Verfahren ruht ja auch zunächst. In Pillnitz dagegen sieht die Sache anders aus. Dort gab es großen Widerstand gegen diese Freisetzungs- Großversuche (immerhin l ha). Zwar sollten dort zu- nächst die Blütenstände bis zur Abblüte mit Kreuzungs- tüten aus Polyester isoliert und dann ab adultem Stadium ganze Baumreihen in Folientunneln geschützt werden. Einen hundertprozentigen Schutz vor Pollenverbreitung sah aber auch die Projektleiterin der Bundesanstalt für Züchtungsforschung – BAZ – dadurch nicht garantiert. Ob solche Folientunnel allen Witterungsbedingungen widerstehen können, ist auch nicht sicher zu sagen. In dem Gebiet wird auch Ökolandbau betrieben. Pillnitz ist ein Obstanbaustandort mit langer Tradition. Befürchtun- gen wegen des guten Rufes des Pillnitzer Obstes sind in Anbetracht der großen Mehrheit der Verbraucher, die die Grüne Gentechnik ablehnen, nicht von der Hand zu wei- sen. Das Verfahren auszusetzen ist in Anbetracht man- gelnder Akzeptanz bei der Bevölkerung die richtige Ent- scheidung gewesen, denn auf diese Akzeptanz sind wir alle angewiesen. Das wissen auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition. Außerdem werte ich die Tat- sache, dass die Einwände gegen den Versuch in Quedlin- burg vergleichsweise gering waren, als Zeichen, dass die Bevölkerung durchaus in der Lage ist, zu differenzieren, Deshalb sollten wir die Befürchtungen der Menschen auch ernst nehmen und deshalb lehnen wir den Antrag der FDP ab. (D – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Ver- sammlung der Westeuropäischen Union/interparlamentari- sche Europäische Versammlung für Sicherheit und Vertei- digung (WEU/iEVSV) über die Tagung der Versammlung vom 2. bis 4. Juni 2003 in Straßburg – Drucksachen 15/1622, 15/1947 Nr. 1 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der OSZE über die Zwölfte Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 5. bis 9. Juli 2003 in Rot- terdam/Niederlande – Drucksachen 15/1641, 15/1947 Nr. 2 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2003 Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 30 04 Titel 632 11 (BAföG – Schülerinnen und Schüler), Titel 632 12 (BAföG – Zuschüsse an Studierende) und bei Titel 661 11 (BAföG – Zinszuschüsse und Erstattung von Darlehensausfällen an die Kreditanstalt für Wie- deraufbau) – Drucksachen 15/2055, 15/2105 Nr. 4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2003 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 08 03 Titel 636 02 – Verwaltungskostenerstattung für die Zentrale Stelle der BfA zur Durchführung des Altersvermögensgeset- zes (AvmG) – – Drucksachen 15/2063, 15/2105 Nr. 6 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2003 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 14 03 Titel 525 41 – Aus- und Fortbildung – – Drucksachen 15/2115, 15/2207 Nr. 2 – Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahr 2002 – Drucksachen 15/1660, 15/2021 Nr. 1 – 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 89. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. Januar 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508900000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Als Nachfolger für die verstorbene Kollegin Marita

Sehn hat der Abgeordnete Dr. Volker Wissing am
23. Januar 2004 die Mitgliedschaft im Deutschen Bun-
destag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen sehr
herzlich.


(Beifall)

Interfraktionell ist vereinbart worden, die Gesetzent-

würfe der Bundesregierung zum Telekommunikations-
gesetz auf Drucksachen 15/2316 und 15/2345 und zur
Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien auf
Drucksache 15/2250 jeweils dem Ausschuss für Touris-
mus nachträglich zur Mitberatung zu überweisen. Sind
Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wider-
spruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neure-
gelung von Luftsicherheitsaufgaben
– Drucksache 15/2361 –
Überweisungsvorschlag:

G
n
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a
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c
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k
L

Redet
Innenausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes-
minister Otto Schily das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1508900100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren

Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, da

(C (D ung 0. Januar 2004 0 Uhr efahren konfrontiert sind, die die bisherigen Dimensioen, die wir aus der Vergangenheit kennen, bei weitem bersteigen. Seit dem 11. September 2001 sieht die Welt nders aus als zuvor. Wir müssen uns auf diese Gefahren instellen und dürfen in der Wachsamkeit nicht nachlasen. Neue Sicherheitserfordernisse brauchen auch eine lare rechtliche Grundlage. Die rechtlichen Grundlagen üssen praxisnah und übersichtlich sein. Daher hat die undesregierung einen Gesetzentwurf zur Neuregelung on Luftsicherheitsaufgaben vorgelegt, den wir heute eraten. Das neue Gesetz fasst erstmals alle Regelungen zu ammen, die der Abwehr von Gewaltakten gegen den uftverkehr dienen. Wir könnten als Leitsatz formulieen: Luftsicherheit aus einer Hand. Neben den Regelungen zum Einsatz der Streitkräfte andelt es sich insbesondere um die Vorschriften hinichtlich der Eigensicherungsmaßnahmen der Flughaenbetreiber und Luftfahrtunternehmen, die hoheitlihen Maßnahmen zur Kontrolle der Passagiere und ihres epäcks sowie die Regelungen über die Zuverlässigeitsüberprüfung von Personengruppen im Bereich der uftfahrt. ext Die Zusammenfassung dieser Regelungen steht auch im Einklang mit der internationalen Entwicklung. Auch andere Staaten haben sich entschlossen, Neuregelungen zu treffen. Auf europäischer Ebene ist die am 19. Januar vergangenen Jahres in Kraft getretene Luftsicherheitsverordnung maßgeblich. Ein Regelungsausschuss wird in den nächsten Jahren kontinuierlich Duchführungsbestimmungen beschließen. Diese werden zum Teil auch eine Anpassung nationaler Luftsicherheitsbestimmungen erforderlich machen. Ein eigenständiges Luftsicherheits rt diese Anpassungen und vereinfacht den Überblick über die einschlägigen ndere Länder verfügen schon jetzt über elwerk. Kollegen! ss wir mit gesetz erleichte den Anwendern Vorschriften. A ein solches Reg Bundesminister Otto Schily Im internationalen Vergleich haben die Luftsicher heitsmaßnahmen in Deutschland ein sehr hohes Niveau. Das wird auch international anerkannt. Das war schon weit vor dem 11. September 2001 der Fall. Gleichwohl hat die Bundesregierung unmittelbar nach den Anschlägen in den USA das gesamte System der nationalen Luftsicherheitsmaßnahmen überprüft und Maßnahmen zu seiner Verbesserung ergriffen. Ich habe eine Reihe von Gesprächen auch mit den Chefs der entsprechenden Unternehmen geführt. Wir brauchen allerdings zur Sicherung des Luftverkehrs auch ein hohes Maß an Engagement und Eigenverantwortung der Wirtschaft, also der privaten Infrastrukturbetreiber. Ziel der gemeinsamen Anstrengungen muss ein zuverlässiges, in sich schlüssiges und umfassendes Gesamtsystem sein. Wirksame Sicherheit entsteht durch ein Ineinandergreifen einer Vielzahl von Vorkehrungen und Kontrollmaßnahmen. Wir sprechen daher – das habe ich schon in der Vergangenheit immer getan – von einem gestaffelten Schutzsystem. Nach den Terroranschlägen in den USA sind zunächst die Kontrollmaßnahmen auf den deutschen Flughäfen verstärkt worden, und zwar insbesondere für sämtliche Flüge in die USA und nach Israel sowie für britische Luftverkehrsunternehmen, weil dort besondere Gefahrenlagen angenommen werden müssen. Wir haben außerdem eine jährlich zu wiederholende Zuverlässigkeitsüberprüfung für das Personal in sicherheitsempfindlichen Bereichen der Flughäfen verbindlich eingeführt. Diese Überprüfung wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf noch einmal verschärft. In internationalen Verhandlungen konnte eine rasche Einigung über den Einbau schusssicherer Cockpittüren erreicht und umgesetzt werden. Auch aufgegebenes Reisegepäck wird inzwischen zu 100 Prozent überprüft. Seit dem 19. Januar dieses Jahres werden ebenfalls Waren und Personal im Sicherheitsbereich auf Flughäfen entsprechenden Sicherheitskontrollen unterzogen. Dabei werden die betrieblichen Erfordernisse der Flughafenbetreiber selbstverständlich angemessen berücksichtigt. In das Gesamtkonzept gehört auch der Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern in deutschen Luftfahrzeugen. Der Bundesgrenzschutz hat damit schon wenige Tage nach den Anschlägen in den USA begonnen. Ich freue mich darüber, dass wir in dieser Frage auch mit der amerikanischen Regierung, insbesondere mit dem neuen Minister für Homeland Security, Tom Ridge, gut zusammenarbeiten. Beim BGS in Frankfurt am Main habe ich eine Inspektion „Sicherheit im Luftverkehr“ einrichten lassen, die den Einsatz der Flugsicherheitsbegleiter organisiert sowie eine beständige Analyse und Auswertung lagerelevanter Erkenntnisse durchführt. Die Anforderungen an Flugsicherheitsbegleiter sind außergewöhnlich hoch, gerade weil sie unter den übrigen Fluggästen unauffällig bleiben und nur im Ernstfall eingreifen sollen. Der Bundesgrenzschutz hat diesbezüglich in den vergangenen zwei Jahren vorbildliche Arbeit geleistet. Auf einer internationalen Tagung für Flugsicherheitsbegleiter in der Grenzschutzschule Lübeck sind i M a d d d D d w t d d D h d F n u v v d l r V e a d f s b l g q f P e A g m i z b t e A r u r H R d d k (C (D m Oktober letzten Jahres mit Vertretern von 29 Staaten öglichkeiten einer intensiveren Zusammenarbeit auch uf dem Gebiet der Ausund Fortbildung erörtert woren. Ich möchte an dieser Stelle gerade den Beamten, die iese schwierige Aufgabe übernommen haben, besoners herzlich danken. as Einsatzkonzept für Flugsicherheitsbegleiter erforert aber eine strikt vertrauliche Behandlung der Details, ie sich jeder denken kann. Daher wird über Einzelheien der konkreten Personalstärke, der Vorgehensweisen, er Bewaffnungen und der technischen Ausstattungen in er Öffentlichkeit nicht diskutiert. Dafür muss ich die amen und Herren der Presse um Verständnis bitten. Einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Luftsicher eit stellt die Einführung biometrischer Verfahren ar. Die Erfassung biometrischer Merkmale – seien es ingerabdrücke, Lichtbilder oder Irisfotos – erleichtert icht nur die Identifikation von einreisenden Personen nd Passagieren, sondern dient vor allem auch der zuerlässigen Verifikation, also der eindeutigen Zuordnung on Dokumenten zu ihren Inhabern. Vor der Einführung neuer Techniken müssen diese je och in der Praxis getestet werden und so weit wie mögich international standardisiert sein. Die Bundesregieung setzt sich daher maßgeblich für ein abgestimmtes orgehen der Europäischen Union und der G-8-Staaten in. Das nächste Biometrieprojekt in Deutschland ist die utomatisierte und biometriegestützte Grenzkontrolle, ie der Bundesgrenzschutz auf dem Frankfurter Flughaen starten wird. In zwei Wochen werden wir mit einem echsmonatigen Praxistest beginnen. Die zahlreichen und aufeinander abgestimmten vor eugenden Maßnahmen gewährleisten ein außerordentich hohes Maß an Sicherheit. Die Qualitätsanforderunen sind enorm. Wir müssen uns aber auch die uantitative Herausforderung noch einmal vor Augen ühren: Weltweit reisen jährlich mehr als 1,6 Milliarden assagiere mit dem Flugzeug. Allein in Deutschland gab s im vergangenen Jahr rund 120 Millionen Fluggäste. ngesichts dieser Zahlen wäre es fahrlässig, ein Versaen des Schutzsystems nicht in Betracht zu ziehen. Wir üssen auch an den Ernstfall denken, dass ein Flugzeug n die Hände von Terroristen oder eines verwirrten Eineltäters fällt, wie wir es damals in Frankfurt erlebt haen. Diesem hypothetischen Fall, der hoffentlich nie ein reten wird, trägt der dritte Abschnitt dieses Gesetzntwurfs Rechnung; er regelt die Unterstützung und mtshilfe der Streitkräfte bei schwerwiegenden Gefahenlagen, in denen die Länder nicht über die personelle nd technische Ausstattung zum Handeln verfügen. Voaussetzung für rasches, effizientes und verantwortbares andeln in diesem Bereich sind Rechtssicherheit und echtsklarheit, zumal für die Soldatinnen und Soldaten er Bundeswehr. Die Bundesregierung hat sich daher entschlossen, den urch die Verfassung bereits erlaubten Einsatz der Streiträfte zur Bekämpfung schwerer Gefahren, die aus dem Bundesminister Otto Schily Luftraum kommen, näher auszugestalten. Dies geschieht im Rahmen der bewährten Sicherheitsarchitektur. Der Auftrag der Streitkräfte wird nicht erweitert, sondern nur konkretisiert. Dieser Punkt ist besonders wichtig; wir sollten die Abgrenzung zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben nicht aufgeben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


Auf Basis von Art. 35 des Grundgesetzes schafft das
neue Luftsicherheitsgesetz eine solide Voraussetzung für
die Streitkräfte, um die Polizei bei ihren Aufgaben wirk-
sam zu unterstützen, wenn dies die einzige Möglichkeit
zur Abwendung einer Gefahr für das Leben von Men-
schen ist. Der Gesetzentwurf regelt in sehr engen Gren-
zen auch die Zulässigkeit eines Flugzeugabschusses. Es
wäre unredlich und unverantwortlich, einer Erklärung
gerade in diesem extremen Fall auszuweichen. In unse-
rer Demokratie kann nur die Politik eine derart schwere
Verantwortung übernehmen. Wir dürfen diese Last nicht
den Soldatinnen und Soldaten aufbürden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nur der Verteidigungsminister kann seinen Piloten einen
entsprechenden Befehl geben.

Die Bundesregierung ist sich der Bedeutung und
Komplexität einer solchen Regelung bewusst. Unser Ge-
setzentwurf sieht keine Änderungen des Grundgesetzes
vor. Im weiteren Verlauf der Beratungen sollten wir aber
vorurteilsfrei prüfen, ob eine Klarstellung in Art. 35 des
Grundgesetzes notwendig erscheint oder empfehlens-
wert ist,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

ohne den materiellen Inhalt dieser Vorschrift zu verän-
dern. Es geht also nur um die Ausdrucksweise in diesem
Artikel und nicht um den substanziellen Inhalt, der – da-
von sind wir überzeugt – eine solche Regelung bereits
trägt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die genauen Konstellationen, in denen gekaperte

Flugzeuge als Waffen gegen Menschen missbraucht
werden können, kennen wir nicht. Das Gesetz soll daher
eine generelle Grundlage für das Zusammenwirken aller
Beteiligten auf Landes- und Bundesebene schaffen. Die
Länder behalten ihre Zuständigkeiten und wirken im
Rahmen ihrer Zuständigkeit an der Gefahrenabwehr mit.

Um im Ernstfall ein schnelles Handeln tatsächlich zu
gewährleisten, haben wir bereits ein Nationales Lage-
und Führungszentrum Luftsicherheit eingerichtet. Ich
habe es zusammen mit meinem Kabinettskollegen Struck
vor einiger Zeit besucht. Seit dem 1. Oktober 2003 sind in
Kalkar Soldaten und Beamte des Bundesgrenzschutzes
rund um die Uhr im Einsatz. Ihre Aufgaben sind die Zu-
sammenfassung, Bewertung und Steuerung aller vorhan-
denen Informationen über die Luftsicherheitslage im
deutschen und benachbarten Luftraum, die Einleitung
von operativen Maßnahmen sowie die Beratung der Ent-

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(C (D cheidungsträger in Bezug auf die Luftsicherheitslage nd die bestehenden Handlungsoptionen. Die Länder ind in die Informationsund Kommunikationsabläufe inbezogen. Hierzu wurde eine Vereinbarung über die ntsprechenden Meldeund Alarmierungswege getroffen. Meine Damen und Herren Kollegen, mit dem neuen uftsicherheitsgesetz stellen wir den Schutz der zivilen uftfahrt vor kriminellen und terroristischen Angriffen uf eine solide und übersichtliche Grundlage. Ich hoffe arauf, dass wir alle uns der besonderen Verantwortung ewusst sind und die Debatte konstruktiv und sachlich ühren werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508900200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang
osbach, CDU/CSU-Fraktion.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1508900300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach die-

er dynamischen Rede des Innenministers können wir
ichts anderes sagen als: Die Unionsfraktion begrüßt die
bsicht der Bundesregierung, durch diesen Gesetzent-
urf den Schutz des Luftverkehrs vor kriminellen und
erroristischen Angriffen zu erhöhen und den Einsatz der
undeswehr, genauer gesagt: unserer Luftwaffe, zur Ab-
ehr von Gefahren aus der Luft gesetzlich zu regeln.
as gilt insbesondere für die Fälle, in denen ein ziviles
lugzeug gestohlen oder mit Gewalt entführt und von
en Tätern zu einer todbringenden Waffe umfunktioniert
ird.
Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist zwar

rundsätzlich Aufgabe der Länder. In besonderen Gefah-
enlagen aber kann es im wahrsten Sinne des Wortes not-
endig sein, dem Bund unmittelbar Kompetenzen zu
bertragen. Bei Angriffen aus der Luft dürfte es fast im-
er der Fall sein, dass mehrere Länder betroffen sind.
a bei dem Tempo und der Reichweite moderner Flug-
euge territoriale Zuständigkeiten in wenigen Minuten,
a in Sekunden wechseln können, ist eine Kompetenz
es Bundes bei solchen Gefahrenlagen nicht nur sinn-
oll, sondern auch dringend geboten. Gerade dann brau-
hen wir schnelle Entscheidungsprozesse und kurze Re-
ktionszeiten.
Wir begrüßen auch, dass sich die Bundesregierung

icht von den zum Teil wirklich haarsträubenden Argu-
enten aus den eigenen Reihen gegen das Gesetz hat ir-
itieren lassen.


(Sebastian Edathy [SPD]: Welche denn?)

Es gab zum Beispiel den Vorwurf, das sei eine Lizenz
um Töten. Mit den Regelungen dieses Gesetzes aber
ollen Menschenleben gerettet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD)







(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach

Gegen einzelne Regelungen des Entwurfs sind von-

seiten der Länder zum Teil erhebliche fachliche Beden-
ken geltend gemacht worden. Auch die Unionsfraktion
sieht an mehreren Stellen Korrekturbedarf. Das möchte
ich aber nicht weiter ausführen, zumal die Kollegen
Clemens Binninger und Jürgen Herrmann hierzu noch
sprechen werden.

Der entscheidende Einwand gegen den Gesetzentwurf
besteht darin, dass gegen ihn erhebliche verfassungs-
rechtliche Bedenken bestehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der geplante Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr von
Gefahren aus der Luft dürfte ohne eine Änderung oder
Ergänzung des Grundgesetzes verfassungswidrig sein.
Deshalb kann die Bundesregierung nicht erwarten, dass
wir diesem Gesetz vorbehaltlos zustimmen. Gerade weil
den Streitkräften mit diesem Gesetz sehr weit reichende
Befugnisse zur Abwehr von Gefahren bei Inlandstaten
übertragen werden, ist es zwingend notwendig, ihren
Einsatz auf eine verlässliche Rechtsgrundlage zu stellen.
Genau daran fehlt es.

Durch ein einfaches Parlamentsgesetz kann dies je-
denfalls dann nicht geschehen, wenn dessen Regelungen
im Widerspruch zu unserer Verfassung stehen, und das
ist der Fall. Diese Rechtsansicht wird im Übrigen auch
von elf der 16 Bundesländer im zuständigen Fachaus-
schuss des Bundesrates ausdrücklich geteilt, im Proto-
koll nachzulesen. Wer sagt, dass im Bundesrat keine ver-
fassungsrechtlichen Bedenken erhoben wurden, sagt
nicht die Wahrheit.

Durch den Gesetzentwurf werden den Streitkräften
bei Inlandstaten eigene Befugnisse übertragen. Sie kön-
nen aber nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nur zur Unter-
stützung der Länderpolizeien eingesetzt werden. Es ist
unstreitig, dass dann die Entscheidungsgewalt dem je-
weiligen Land obliegt und das Handeln der Streitkräfte
im Rahmen der Amtshilfe den Länderpolizeien zuge-
rechnet wird. Danach können die Streitkräfte im Rah-
men der Amtshilferegelungen nur von den Befugnissen
Gebrauch machen, die ihnen durch das jeweilige Lan-
desrecht eingeräumt werden. Der Gesetzentwurf sieht je-
doch den Einsatz der Streitkräfte aus eigenem Recht vor,
mit einer Entscheidungsgewalt des Bundesministers der
Verteidigung und mittels bundesgesetzlicher Befugnisse.
Damit überschreitet der Gesetzentwurf die Grenzen der
Amtshilfevorschriften des Grundgesetzes.

Gerade im Hinblick auf den extremen Fall, in dem ein
gekapertes und zu einer tödlichen Angriffswaffe um-
funktioniertes Flugzeug nur noch durch die Luftwaffe
zur Umkehr oder zur Landung gezwungen oder durch
Abschuss zum Absturz gebracht werden kann, dürfen
sich weder dem Inhaber der Befehlsgewalt noch den
Ausführenden offene rechtliche Fragen stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerade diejenigen, die in einer solchen Extremsituation
die Verantwortung tragen, haben einen Anspruch darauf,
auf einer sicheren Rechtsgrundlage zu entscheiden und

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(C (D u handeln. Wer ihnen dies verweigert, handelt unverntwortlich. Zwar kann die Bundeswehr schon heute im Innern ingesetzt werden, zum Beispiel bei der Bewältigung on Naturkatastrophen oder im Spannungsund Verteiigungsfall, aber eben nur in den Fällen, in denen es das rundgesetz ausdrücklich erlaubt. Die Abwehr terroistischer Gefahren im Allgemeinen gehört jedenfalls icht dazu. Das gilt selbst dann, wenn nur die Bundesehr, nicht aber die Polizeien des Bundes und der Läner über die Fähigkeiten verfügt, die zur Gefahrenbwehr notwendig und daher zum Schutz der evölkerung unverzichtbar sind. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern kann auch icht auf Art. 35 Abs. 2 des Grundgesetzes mit der Pasage „Hilfe ... bei einem besonders schweren Unglücksall“ gestützt werden. Es ist ja gerade streitig, ob die treitkräfte nur für die Bewältigung der Folgen eines beeits eingetretenen Unglücksfalls oder auch zu dessen erhinderung eingesetzt werden dürfen. Es ist daher notendig, das Grundgesetz zu ändern oder zu ergänzen je nach Sprachgebrauch –, um den Einsatz der Streiträfte im Innern zur Abwehr terroristischer Gefahren nur darum geht es – auf eine sichere Rechtsgrundlage u stellen. Natürlich wird diese Forderung auch heute wieder re lexartige Empörung bei der Koalition, insbesondere bei en Grünen, auslösen. Die würde sich dann allerdings uch gegen den eigenen Verteidigungsminister, gegen eter Struck, richten, der bis zu seiner Domestizierung ittels Kabinettsdisziplin selber eine Änderung des rundgesetzes gefordert hat. Selbst der Innenminister at nicht erst heute, sondern bereits im Oktober letzten ahres eine Ergänzung des Grundgesetzes zur rechtichen Klarstellung nicht ausgeschlossen. Demgegenber hält der verehrte Kollege Dr. Wiefelspütz eine Eränzung des Grundgesetzes nicht für erforderlich, und war – das muss ich zugestehen – mit einer wirklich icht unoriginellen Begründung. r räumt zwar – ich zitiere – gewisse interpretatorische chwierigkeiten ein, fügt aber hinzu, mit einer – so wörtich – mutigen Auslegung des Grundgesetzes könne man en Gesetzentwurf durchaus als verfassungskonform beeichnen. (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Nur Mut!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Ja, so ist er!)


mgangssprachlich formuliert: Wir biegen uns das
rundgesetz zurecht und tun einfach mal so, als ob der
esetzentwurf dem Grundgesetz entspräche. Das ist
erfassungsrecht à la Wowereit.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

o darf man mit unserem Grundgesetz nicht umgehen.
Selbst die Vertreter der „Das ist doch alles vom
rundgesetz gedeckt“-Theorie bestreiten nicht, dass ihre
echtsansicht streitig ist. Aber gerade in extremen






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach

Situationen, in denen in kürzester Zeit weitreichende
Entscheidungen mit möglicherweise schwerwiegenden
Folgen getroffen werden, darf es keine schwerwiegen-
den rechtlichen Zweifel geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Verantwortlichen müssen sich darauf verlassen

können, dass ihr Handeln verfassungskonform ist. Für
diejenigen, die die Entscheidung über die Alternativen
treffen müssen, geht es um eine Entscheidung über Le-
ben und Tod. Jede Entscheidung kann fatal falsch sein.
Es kann fatal falsch sein, ein Flugzeug zum Absturz zu
bringen, und es kann fatal falsch sein, es nicht zum Ab-
sturz zu bringen. Wenn etwas passiert, wird selbstver-
ständlich zu prüfen sein, ob der Befehl rechtmäßig erteilt
worden ist. Wollen wir denn auch die Entscheidung die-
ser Frage dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
überlassen?


(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])


Was spricht dagegen, ins Grundgesetz zu schreiben, was
Sie angeblich selber wollen? Nichts spricht dagegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wahrscheinlich kommt jetzt gleich wieder die Be-

hauptung, der Union gehe es in Wahrheit nur darum, der
Bundeswehr generell Polizeiaufgaben zu übertragen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt wacht er auf! Guten Morgen!)


Zwar wird diese falsche Behauptung auch durch stän-
dige Wiederholung nicht richtig; aber wer in der Sache
selbst keine Argumente hat, erliegt eben der Versuchung,
gegen Forderungen zu polemisieren, die überhaupt nie-
mand erhebt.

Deshalb noch einmal zum Mitschreiben: Niemand in
der Union denkt daran, der Bundeswehr peu à peu Poli-
zeiaufgaben zu übertragen. Niemand denkt daran, sie zu
einer Art zweiten Bereitschaftspolizei zu machen, zumal
ja nicht nur die Aufgaben, sondern auch Ausrüstung und
Ausbildung von Polizisten und Soldaten völlig verschie-
den sind. Aber mittlerweile müsste eigentlich jedem klar
sein, dass sich die traditionelle, in der Vergangenheit gut
begründete, scharfe Trennung von äußerer und inne-
rer Sicherheit nicht mehr aufrechterhalten lässt. Die
Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit ver-
schwimmen angesichts der terroristischen Bedrohungen
immer mehr. Hierauf müssen sich sowohl der Gesetz-
geber als auch die Sicherheitsbehörden in geeigneter
Weise einstellen, um entsprechend reagieren zu können.
Hierfür ist der vorliegende Gesetzentwurf ein gutes Bei-
spiel. Er dient ja gerade dazu, die Einsatzkompetenz der
Bundeswehr zur Abwehr von Gefahren bei Inlandstaten
zu begründen.

Es kann nicht richtig sein, dass wir die Bundeswehr
außerhalb des Verteidigungs- und Spannungsfalles auch
dann nicht zum Schutz ziviler Objekte, also zum Bei-

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(C (D piel lebenswichtiger Infrastruktureinrichtungen, einseten können, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Da wollen Sie doch mehr! Das hat nichts mehr mit Luftverkehr zu tun!)


bwohl wir eine ganz konkrete Gefährdungslage haben
nd die Polizeien der Länder und des Bundes diese not-
endige Aufgabe nicht mehr übernehmen können, weil
ie aufgrund der besonderen Gefährdungen schon jetzt
n ihre Grenzen stoßen. Es stellt sich da nur die Frage,
b wir die Bevölkerung schutzlos lassen oder nicht. Uns
eht es darum, die Bundeswehr zur Abwehr terroris-
ischer Gefahren auch dann im Inland einsetzen zu kön-
en, wenn nur sie über diejenigen Fähigkeiten verfügt,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also wollen Sie sie doch überall einsetzen, auch auf dem Land! – Zurufe von der SPD)


ie dringend gebraucht werden, um die Bevölkerung vor
chweren Folgen schützen zu können. Das gilt beispiels-
eise für die Abwehr von ABC-Gefahren. Wir haben
eltweit die besten ABC-Abwehrkräfte. Es kann doch
icht sein, dass wir sie, um den Bundesverteidigungs-
inister zu zitieren, am Hindukusch einsetzen können,
ber nicht in Hildesheim, wenn dort eine Gefahr abzu-
enden ist. Das macht doch keinen Sinn.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es wäre verantwortungslos, die Bevölkerung in einer

olchen Situation nur deshalb schutzlos zu lassen, weil
s für den Einsatz der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr
n einer sicheren Rechtsgrundlage fehlt. Hierbei darf es
uch nicht darauf ankommen, ob die terroristische Ge-
ahr vom Boden, von See her oder aus der Luft droht.
Wir sind zu jeder Zeit bereit, über die notwendige Än-

erung bzw. Ergänzung des Grundgesetzes mit der Bun-
esregierung und mit der Koalition ernsthaft und kon-
truktiv zu verhandeln. Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie
ieses Angebot annehmen oder nicht. Sollte ein Einver-
ehmen nicht erzielbar sein, werden wir einen eigenen
esetzentwurf einbringen. Es ist nicht nur unser Recht,
ondern es ist angesichts der terroristischen Gefahren,
ie vom Bundesinnenminister richtigerweise regelmäßig
ehr wortreich beschworen werden, auch unsere Pflicht,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Steuerreform lässt grüßen! – Weitere Zurufe von der SPD)


ie Bevölkerung so wirksam wie möglich zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508900400

Ich erteile das Wort Silke Stokar von Neuforn,
ündnis 90/Die Grünen.

(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mög-

chkeit eines terroristischen Angriffs mit einem entführten






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Silke Stokar von Neuforn

zivilen Flugzeug ist seit dem 11. September 2001 keine
Fiktion mehr, sie ist brutale Realität. Wir können nicht
mehr ausschließen, dass Deutschland Ziel eines ähnli-
chen Terrorangriffs werden könnte. Wir tragen die Ver-
antwortung; wir müssen uns dieser Realität stellen. Wir
müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, mögliche
Gefahren von den Bürgerinnen und Bürgern abwenden
zu können.

In intensiven Beratungsrunden haben wir die hier
eben von Herrn Bosbach angesprochenen verfassungs-
rechtlichen Fragen, die sich insbesondere aus den §§ 13
und 14 ergeben, geprüft. Meine Damen und Herren, wir
würden als grüne Fraktion – das Gleiche gilt für die SPD
und für die Bundesregierung – nicht hier vor das Parla-
ment treten und Ihnen ein Gesetz vorlegen, wenn wir
Zweifel hätten, dass dieses Gesetz verfassungsgemäß ist.

Nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung der
Verfassungsreferate aller Ministerien und weiterer Ver-
fassungsrechtler sind wir zu der Auffassung gelangt,
dass das Gesetz verfassungsgemäß ist. Wir sehen keiner-
lei Veranlassung, in Zusammenhang mit dem Luftsicher-
heitsgesetz über eine Verfassungsänderung zu diskutie-
ren. Ich sage es ganz deutlich: Jede Klarstellung, jede
Ergänzung würde eine Änderung unseres Grundgesetzes
nach sich ziehen. Unser Grundgesetz ist klar;


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Unklar!)

das Luftsicherheitsgesetz ist verfassungskonform.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Einsatz der Luftstreitkräfte ist die Ultima Ratio;
er ist beschränkt auf den Fall, dass ein Flugzeug von Ter-
roristen entführt und als „fliegende Bombe“ gegen das
Leben am Boden eingesetzt wird, erfolgt also nur, wenn
er das einzige Mittel ist, um eine schwerwiegende Ge-
fahr für das Leben einer Vielzahl von Menschen abzu-
wenden.

Meine Damen und Herren, wir schaffen mit diesem
deutschen Luftsicherheitsgesetz – der Herr Innenminis-
ter hat es gesagt – auch nichts gänzlich Neues. Bei einem
Angriff von außen – wenn etwa ein Flugzeug in Paris
startet und in den deutschen Luftraum eindringt – ist
schon heute nach Art. 115 a des Grundgesetzes die Zu-
ständigkeit der Bundeswehr im Luftverkehr gegeben.
Außerdem gibt es eine entsprechende NATO-Verord-
nung. Die meisten europäischen Länder haben diese Mi-
litärverordnung übernommen. Es gibt eine Regelungslü-
cke lediglich bei deutschen Inlandsflügen.

Meine Damen und Herren, ich komme zu einigen
weiteren Aspekten des Luftsicherheitsgesetzes. Ich gehe
davon aus, dass wir uns einig sind, dass wir präventiv al-
les tun müssen, dass der schlimmste Fall nie Wirklich-
keit wird. Die Sicherheit in der Luft fängt am Boden an.
Am Boden müssen wir präventiv tätig werden, um Kata-
strophen in der Luft zu verhindern. Die Zustimmung zu
den erweiterten Kontrollen, Zuverlässigkeitsprüfungen
und neuen Dateien ist uns nicht leicht gefallen. Um aber
im Vorfeld zu verhindern, dass es zu einer Katastrophe
kommt, haben wir diesen Regelungen zugestimmt.

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(C (D Der Gesetzentwurf sieht zahlreiche weitere prävenive Maßnahmen vor, die eine Ergänzung zu dem sind, as Rot-Grün bereits im Rahmen der Sicherheitspakete uf den Weg gebracht hat. So gibt es zum Beispiel ereiterte Zuverlässigkeitsüberprüfungen und die Durchuchungen werden auf das Flughafenpersonal vor dem utritt zu sensiblen Bereichen des Flughafens ausgeehnt. Sky Marshals – das wissen Sie – gibt es bereits. Wir werden in einer öffentlichen Anhörung – der wir elassen entgegensehen; Rot-Grün hat sie selber beanragt – die Gelegenheit haben, auch die angesprochenen erfassungsrechtlichen Fragen noch einmal intensiv zu rörtern. Ich habe es sehr begrüßt, Herr Bosbach, dass er Bundesrat in seinen Einwendungen und in seiner chriftlichen Stellungnahme mit den 42 Änderungspunken, die uns vorliegt, keine Bedenken verfassungsrechtliher Art geäußert hat. Ich bitte auch die CDU/CSUraktion, bei dem Luftsicherheitsgesetz zu bleiben – Sie ürden sonst dem gemeinsamen Anliegen schaden – nd keine allgemeine Debatte über den Einsatz der Buneswehr im Innern zu führen. Wir sehen für einen solhen Einsatz keinen Anlass; wir sehen ihn als schädlich n. Wir sind der Auffassung, dass die deutsche Sichereitsarchitektur verlässlich und gut ist. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508900500

Ich erteile das Wort Kollegen Ernst Burgbacher, FDP-

raktion.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1508900600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

orliegende Gesetzentwurf berührt außerordentlich
chwierige politische und verfassungsrechtliche, vor al-
em aber auch schwierige ethische Fragen.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Das muss einmal thematisiert werden!)


Herr Bundesminister Schily, ich sichere Ihnen aus-
rücklich zu: Die FDP-Fraktion wird ergebnisoffen in
iesen Diskussionsprozess gehen. Wir sehen der Anhö-
ung mit Spannung entgegen und erwarten, dass dabei
icht nur Verfassungsrechtler, sondern auch Luftfahrt-
nd Luftsicherheitsexperten befragt werden. Auch in
em Bereich der Luftsicherheit gibt es eine ganze Reihe
on Problemen, die nach unserer Ansicht bisher noch
icht gelöst sind.
In einem weiten Bereich, was die Sicherheit an Flug-

äfen, die Überprüfung von Passagieren und von Perso-
al betrifft, sind wir uns weitgehend einig. Darüber brau-
hen wir heute nicht zu diskutieren.
Es gibt trotzdem viele Fragen und erhebliche Zweifel

nd Bedenken bei der FDP-Fraktion, die ich trotz meiner
urzen Redezeit ansprechen will. Der Bundesrat hat in
einer Stellungnahme gesetzestechnische Bedenken
rhoben, die nicht von der Hand zu weisen sind. Der
undesrat hat moniert, dass die Verteilung der Rege-






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(B) )


Ernst Burgbacher

lungsbereiche auf das Luftverkehrsgesetz und das Luft-
sicherheitsgesetz künftig den Überblick über die Rechts-
materie erschwert. Dies ist auch unsere Meinung. Es
wäre daher besser gewesen, Herr Innenminister, das
Luftsicherheitsgesetz auf den zentralen Regelungsge-
genstand zu beschränken, nämlich auf die Frage des Ein-
satzes der Luftwaffe.


(Beifall bei der FDP)

Ein weitere Frage. Im Gesetz ist ständig von einer

Luftsicherheitsbehörde die Rede. Es fehlen aber Infor-
mationen zu dieser Behörde. Die Warnung des Bundes-
rates vor Synergieverlusten wird in der Gegenäußerung
der Bundesregierung nicht wirklich entkräftet.

Wir erleben zurzeit in vielen Bereichen rot-grüner Po-
litik, ganz besonders in der Innenpolitik: Es werden Be-
hörden geschaffen, Behörden umbenannt, umstruktu-
riert, Standorte verlagert, Stichwort: Verlegung des
BKA, und es wird – dies ist ein weiteres Beispiel – die
Errichtung eines Bundesamtes für Bevölkerungsschutz
und Katastrophenhilfe geplant.

Meine Damen und Herren von Rot-Grün, es nutzt uns
nichts, wenn wir jetzt in blinden Aktionismus verfallen.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wer macht das denn? – Sebastian Edathy [SPD]: Fragen Sie einmal Herrn Bosbach!)


Das hat noch nie zur Lösung beigetragen, sondern hat
die Probleme eher verschärft.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Auf welcher Veranstaltung sind Sie eigentlich? Sie sind auf der falschen Veranstaltung!)


Wir sollten die Mitarbeiter der Behörden jetzt nicht ver-
unsichern und ihre Arbeitskraft verschwenden. Wir soll-
ten sie vielmehr gerade in der heutigen Situation ermun-
tern, damit sie ihre Arbeit in optimaler Weise verrichten
können. Darum geht es heute. Deshalb, Herr Minister
Schily, fordere ich Sie eindringlich auf, sich auf diese
Fragen zu beschränken und im Hinblick auf Ämter und
Behörden nicht ständig neue Ideen in die Diskussion zu
bringen.

Skepsis ist im Hinblick auf den zentralen Punkt des
neuen Luftsicherheitsgesetzes angebracht, nämlich wenn
es um den Versuch geht, den Abschuss von Zivilflug-
zeugen durch die Bundeswehr gesetzlich regeln zu
wollen. Ich möchte einen Fachmann zitieren, nämlich
den Geschäftsführer der dba, Hans Rudolf Wöhrl:

In den seltensten Fällen dienen diese neuen Vor-
schriften und Verordnungen der Sicherheit des
Flugverkehrs, sondern nur der Sicherheit von Re-
gierungen und Behörden, damit man sich im Falle
des Falles von jeglicher Mitverantwortung freispre-
chen kann.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nun wirklich Unsinn!)


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(C (D Getreu dem Motto „Wir haben ja etwas getan“ werden Vorschriften erlassen, über die Fachleute nur den Kopf schütteln können. (Sebastian Edathy [SPD]: Machen Sie sich das zu Eigen?)

Wir müssen schon fragen – wir tun das auch in der
nhörung –, welche praktischen Konsequenzen das Ge-
etz hat.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es regelt die Zuständigkeit! Das ist doch vernünftig!)


Herr Minister, Sie haben den Fall des Sportflugzeuges
ber Frankfurt angesprochen. Hat man eigentlich jemals
rnsthaft darüber diskutiert, was die Alternative war und
elcher Schaden hätte entstehen können? Was geschähe
igentlich, wenn ein großes Zivilflugzeug aufgrund tech-
ischer Schwierigkeiten, zum Beispiel durch den Ausfall
er Bordelektronik, in die Nähe eines Kernkraftwerks
der eines anderen hochsensiblen Bereichs gelangen
ürde und seitens der Behörden und der Politik als ge-
ährliches Objekt eingestuft würde? Wer will hier den
efehl zum Abschuss erteilen? Was ist mit dem Leben
er Flugzeuginsassen? Wir müssen uns auch fragen:
elche Alternativen gibt es? All das sind Fragen, die
ir auf der Expertenanhörung stellen werden. Deshalb
erden wir Wert darauf legen, dass insbesondere auch
uftfahrt- und Luftsicherheitsexperten befragt werden.
Eine ganz große Skepsis verursachen die verfassungs-

echtlichen und rechtspraktischen Aspekte bei uns. Es
eißt unter dem Stichwort „Grundrechtseinschränkun-
en“ in § 22 des Gesetzentwurfes:

Die Grundrechte auf Leben, körperliche Unver-
sehrtheit und Freiheit der Person … und das Grund-
recht des Postgeheimnisses … werden nach Maß-
gabe dieses Gesetzes eingeschränkt.

ei uns schrillen die Alarmglocken. Ich warne mit
enjamin Franklin:

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewin-
nen, wird am Ende beides verlieren.

Wenn die Bundesregierung entgegen unserer Tendenz
abei bleiben sollte, statt allgemeiner Rechtsgrundsätze
ine ausformulierte Gesetzesbestimmung für die Zu-
ssigkeit des Abschusses von entführten Flugzeugen
urchzusetzen, müssen wir über weitere kritische Fragen
iskutieren. Ich will in der Kürze der Zeit vier nennen:
Erstens. Mit dem Abschuss eines Flugzeuges ist der

chutz des Lebens dritter Personen beabsichtigt. Nur für
iesen einzigen Zweck kann diese einschneidende Maß-
ahme selbstverständlich überhaupt in Betracht kom-
en.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ässt das Grundgesetz es aber wirklich zu, das Leben
nschuldiger Flugzeuginsassen preiszugeben, um das
eben Dritter zu retten? Art. 2 Abs. 2 des Grundgeset-
es verbürgt jedem Menschen ohne Unterschied das






(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher

Grundrecht auf Leben. Es stellt sich also die Frage, ob
eine Abwägung von Leben gegen Leben überhaupt ver-
fassungsrechtlich zulässig ist.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Schwierige Frage! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Zweitens. In der Debatte wird gerne an die polizei-
rechtlichen Bestimmungen zum finalen Rettungsschuss
erinnert. Dieser Vergleich passt aber überhaupt nicht.
Der finale Rettungsschuss – etwa bei einer Geiselnahme –
zielt darauf ab, den Täter an der weiteren Tatausübung
zu hindern, das Opfer jedoch zu retten. Es besteht aber
bei unserem Problem ein gewaltiger Unterschied zu den
polizeirechtlichen Bestimmungen zum finalen Rettungs-
schuss. Denn beim Abschuss eines Flugzeuges trifft man
mit Sicherheit nicht nur die Täter, sondern bewusst und
unvermeidlich auch die Opfer.

Drittens. Im Strafrecht ist durch ständige Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass kein
rechtfertigender Notstand vorliegt, wenn ein Mensch ge-
tötet wird, um einen anderen zu retten.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gesetz steht auch nichts anderes!)


In diesen Fällen nimmt der Bundesgerichtshof eben ge-
rade keinen Rechtfertigungsgrund an, sondern nur einen
Schuldausschließungsgrund.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier steht auch nichts anderes!)


Herr Ströbele, müssen nicht die praktischen Fälle, die
hoffentlich nie eintreten werden, mit den Regeln des
übergesetzlichen Notstands gelöst werden?


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Das bleibt auch so!)


Nach der Kommentarliteratur ist ein Rückgriff des Staa-
tes auf diese allgemeinen Grundsätze in außerordentli-
chen Fragen durchaus zulässig.

Viertens. Selbstverständlich sind wir als FDP bereit,
noch einmal die Frage zu thematisieren, ob die Amtshil-
fevorschrift des Grundgesetzes, Art. 35, ausreicht, um
einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren zu erlauben.
Wir neigen bisher zu der Auffassung, dass es der Polizei
nach Art. 35 gestattet ist, die Bundeswehr zu Hilfe zu ru-
fen. Dies setzt einen schwerwiegenden Unglücksfall vo-
raus. Ob ein terroristischer Angriff unter die Definition
des Unglücksfalls zu rechnen ist, muss noch einmal erör-
tert werden.


(Beifall des Abg. Frank Hofmann [Volkach] [SPD])


Ich komme zum Schluss. Es gibt Situationen, die
unkalkulierbar sind und bleiben werden. Zu Recht gibt
der Standardkommentar zum Strafgesetzbuch von
Dreher/Tröndle zu bedenken:

Es gibt Güterkollisionen, die sich einer exakten le-
gislatorischen Beschreibung entziehen.

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(C (D (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb steht das hier auch nicht!)


Hierfür hat die deutsche Rechtsordnung seit langem
llgemeine Grundsätze entwickelt. Möglicherweise rei-
hen die Regeln für „Notstand“ und „Nothilfe“ aus, um
ie im Einzelfall erforderlichen Entscheidungen zu tref-
en. Mit diesen politischen, ethischen und verfassungs-
echtlichen Fragen werden wir uns sehr ernsthaft zu be-
chäftigen haben.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508900700

Ich erteile das Wort dem Kollegen Frank Hoffmann,

PD-Fraktion.


Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1508900800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber
err Burgbacher, mir ist aufgefallen, dass Sie sehr viel
ert auf den Aspekt der Wirtschaft gelegt haben. Ich
enke, dass es darum geht, die Wirtschaft bei der Lösung
er Sicherheitsfragen mitzunehmen.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Ich habe doch nicht von den Interessen der Wirtschaft geredet!)


Bundesminister Schily hat angesprochen, dass es
uch um das Engagement und das Eigeninteresse der
irtschaft gehe. Ich will gerade in diesem Zusammen-
ang sagen: Sicherheit geht uns alle an. Sicherheit kann
an nicht beim Staat abladen. Staat, Wirtschaft und Pas-
agiere können alle zur Sicherheit beitragen.
Herr Burgbacher, ich möchte auf das Argument der

ersplitterung der Regelungsbereiche eingehen. Ich
enke, mit der Zusammenfassung der Luftsicherheits-
orschriften in einem Gesetz – wie Bundesminister
tto Schily gesagt hat: durch „Luftsicherheit aus einer
and“ – tun wir genau das Richtige. Ich bin auch da-
on überzeugt, dass wir mit dem neuen Luftsicherheits-
esetz, unter Anpassung an die europäische Luftsicher-
eitsverordnung, den Standard in den Ländern Europas
ochmals heben werden. Ich möchte ferner daran erin-
ern, dass die Ausdehnung der Zuverlässigkeitsüberprü-
ungen im Luftverkehr Sicherheitslücken schließt.
Wir sind davon überzeugt, dass die Gewährleistungen

on Sicherheit, nicht in der Luft beginnt, auch nicht auf den
lughäfen, sondern bei der allgemeinen Gefahrenabwehr
urch die Polizei. Der tatsächliche Schwerpunkt bei die-
em Luftsicherheitsgesetz liegt deswegen nicht in der
rage, ob man ein Flugzeug im Notfall, wenn es die ein-
ige Möglichkeit ist, abschießen darf oder nicht, sondern
arin, dass auf dem Boden – bei der Überwachung, der
ontrolle – alles getan wird. Unser Leitsatz lautet des-
alb: Flugzeugentführungen werden am Boden ermög-
icht oder verhindert. Genau das steht im Mittelpunkt des
uftsicherheitsgesetzes: schärfere Kontrollen an Flughä-






(A) )



(B) )


Frank Hofmann (Volkach)


fen und schärfere Überprüfung von Personen, die auf
dem Flugplatzgelände arbeiten.

Daneben ist bereits seit dem 1. Oktober 2003 in
Kalkar das Nationale Lage- und Führungszentrum als
zentrales Koordinierungselement im Einsatz. Dort sind
bereits Soldaten, BGS-Beamte und Mitarbeiter der Flug-
sicherung tätig, um Tag und Nacht die Luftsicherheits-
lage zu beurteilen. Ebenso wenig wie über dieses Lage-
zentrum wird in der Öffentlichkeit auch darüber
diskutiert, wo die tatsächlichen Schwerpunkte liegen.
Diskutiert wird vielmehr – das haben Sie auch angespro-
chen, Herr Burgbacher –, ob der Staat anordnen darf,
dass entführte Flugzeuge, die wie am 11. September
2001 als Waffe benutzt werden, abgeschossen werden,
obwohl dadurch auch unschuldige Passagiere zu Tode
kämen.

Wir machen es uns nicht leicht und wir haben es uns auch
nicht leicht gemacht und bereits lange über diese Frage dis-
kutiert. Es geht nicht nur um die rechtliche Dimension, es
geht auch um die moralisch-ethische Dimension.


(Ernst Burgbacher [FDP]: So ist es!)

Wir wissen, dass der vorliegende Vorschlag eine neue
Qualität hat. Aber kann der Staat in Entführungsfällen,
bei Bedrohungen aus der Luft durch Terroristen, sagen:
„Ich handle nicht“? Reichen die allgemeinen Grundsätze
des deutschen Rechtssystems für den Abschuss von ent-
führten Flugzeugen aus, wie die FDP – Herr Burgbacher
hat das eben noch einmal bestätigt – meint? Ich möchte
das mit einem entschiedenen Nein beantworten. Der
Deutsche Bundestag würde sich aus der Verantwortung
stehlen. Wir dürfen die Piloten nicht alleine lassen; sie
brauchen eine sichere Rechtsgrundlage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir geben ihnen eine klare gesetzliche Grundlage. Dafür
stehen dann der Verteidigungsminister und, nicht zu ver-
gessen, auch der Innenminister – deren Einvernehmen
ist nämlich, soweit es geht, herzustellen – in der politi-
schen Verantwortung. Nicht nur das – sie stehen auch in
der moralischen Verantwortung und müssen es auch mit
ihrem Gewissen vereinbaren. Versetzen wir uns doch
einmal in die Lage: Lassen wir einmal an uns heran, wie
es sich anfühlen muss, wenn wir entscheiden müssten,
ob ein mit Passagieren voll besetztes Flugzeug vom
Himmel geholt werden muss, um Schlimmeres zu verhü-
ten! Stellen Sie sich die Gewissensqual vor, in der sich
die Verantwortlichen befinden! Wenn man sich die
menschlichen und persönlichen Konsequenzen einer sol-
chen Entscheidung einmal klar vor Augen hält: Grenzt
es dann nicht auch fast an Unzumutbarkeit, einem Mi-
nister dies abzuverlangen?

Wenn man an diesem Punkt angelangt ist, dann ist
klar: Diese Verantwortung darf nicht auf den Piloten als
das letzte Glied in der Entscheidungskette abgeschoben
werden. Hier hat der Gesetzgeber zu handeln und die
Minister haben die Verantwortung zu übernehmen –
auch wenn sie fast unerträglich ist. Hängt damit nun das
Leben eines Passagiers, der in ein Flugzeug steigt, von
der Nervenstärke und den prognostischen Fähigkeiten
des jeweiligen Verteidigungsministers ab? – Nein. Wenn

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(C (D underttausende von Menschen täglich in Flugzeuge insteigen, geht es darum, dass alles getan wird – und war doppelt und dreifach –, damit kein Entführungsfall, ein Sabotageakt und kein Terrorangriff von einem deutchen Flughafen ausgehen. Für den hoffentlich unwahrcheinlichsten Fall der Fälle eines Einsatzes von Waffenewalt durch die Bundeswehr ist in einem Rechtsstaat ine gesetzliche Regelung erforderlich. Eine weitere Frage, die sich hier zentral stellt, ist: Ist ür den Einsatz der Bundeswehr zur Gefahrenabwehr ine Grundgesetzänderung nötig? Schon im Vorfeld er Erarbeitung des Gesetzentwurfes hat die Fraktion der DU/CSU immer wieder gefordert – Herr Bosbach hat s jetzt auch wieder getan –, der Einsatz der Bundeswehr üsse hier geregelt werden. Für mich war interessant: er Bundesrat wiederholt zwar diese Forderung; deziierte Aussagen zu Unterstützung und Amtshilfe durch ie Streitkräfte fehlen jedoch. Nach der Rede von Herrn Bosbach bin ich mir noch ehr als schon zuvor im Klaren: Die Fraktion der CDU/ SU will hier den Hebel für eine allgemeine Regelung es Bundeswehreinsatzes im Innern ansetzen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz genau!)


azu sagen wir entschieden Nein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

ir wollen auf keinen Fall Tür und Tor für einen allge-
einen Einsatz der Bundeswehr im Innern öffnen. Es
ibt gute Gründe, nicht die gesamte Sicherheitsarchitek-
ur zu ändern. Wir werden uns im Rahmen der bewähr-
en Sicherheitsarchitektur bewegen können, ohne das
rundgesetz umfassend ändern zu müssen. Die Voten
er Verfassungsressorts BMI und BMJ zeigen: Eine
rundgesetzänderung ist nicht erforderlich.
Ich weiß aus den vielen Vorgesprächen und auch aus

en Reden, die hier schon gehalten wurden, dass dies bei
ns Innenpolitikern strittig ist. Ich schlage vor, in der
ächsten Innenausschusssitzung eine Sachverständigen-
nhörung zu beschließen, damit wir das Gesetz zügig in
raft treten lassen können – zum Schutz der Piloten,
um Schutz der Passagiere und zum Schutz der Bevölke-
ung.
Danke.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508900900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Clemens
inninger, CDU/CSU-Fraktion.


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1508901000

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren! Unsere Gesellschaft ist si-
her nirgendwo so leicht zu verwunden wie im Bereich
er zivilen Luftfahrt. Flugzeuge, die als Waffen einge-
etzt werden, sind ohne Frage eine der größten Gefahren,






(A) )



(B) )


Clemens Binninger

die uns drohen – erst recht, seitdem wir wissen, dass die
Chefplaner des 11. September – zwischenzeitlich beide
festgenommen – ursprünglich auch Atomkraftwerke als
Ziele im Visier hatten.

Ich glaube, wir sind uns darüber einig, dass wir alles
tun müssen, um solche Anschläge zu verhindern.
Hierzu gehören Maßnahmen am Boden genauso wie
Maßnahmen in der Luft. Das Luftsicherheitsgesetz be-
fasst sich mit beiden Dingen. Es regelt Sicherheitsüber-
prüfungen und die Einrichtung einer Luftsicherheitsbe-
hörde – darüber kann man gewiss geteilter Meinung
sein –, vor allen Dingen aber den Einsatz der Bundes-
wehr, der Luftwaffe, im Innern. Das macht Sinn, weil
letztendlich nur die Luftwaffe über die personellen und
technischen Möglichkeiten verfügt, Gefahren aus der
Luft abzuwehren.

Dieses Gesetz aber ohne verfassungsrechtliche
Grundlage vorzulegen, ist wirklich völlig inakzeptabel.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister Schily, während manche Ihrer Kabinetts-
kollegen zu viele Berater haben, haben Sie nach meinem
Eindruck zu wenige.


(Widerspruch bei der SPD)

Wer in einem Gesetz erlaubt – das ist die bittere Wahr-
heit –, dass eine zivile Verkehrsmaschine mit vielen un-
schuldigen Menschen an Bord im schlimmsten Falle ab-
geschossen werden kann, der kann doch nicht sagen:
Das ist von der Verfassungslage gedeckt.

Sie wissen ganz genau, dass Art. 35 Abs. 1 – die
Amtshilfe – hier nicht greift, weil die Bundeswehr eine
ständige eigene Aufgabe übertragen bekommt. Sie wis-
sen, dass Art. 35 Abs. 2 und 3 nicht greifen können, weil
der dort geforderte Unglücksfall bei einem entführten
Flugzeug gerade noch nicht eingetreten ist. Sie wissen
auch, dass sich die Bedrohungslage verändert hat, dass
die Grenzen von innerer und äußerer Sicherheit heutzu-
tage verschwimmen. Die Väter unserer Verfassung
konnten diesen Fall noch gar nicht im Blick haben, als
sie Abs. 2 und 3 einführten. Die Behauptung, die Verfas-
sung decke das ab, ist völlig unglaubwürdig. Das nimmt
Ihnen niemand ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang hilft vielleicht ein Kom-

mentar aus der „Stuttgarter Zeitung“ zu diesem Luftsi-
cherheitsgesetz. Er beschreibt in zwei Worten sehr tref-
fend, wie man sich hier darum drückt, die Verfassung zu
ändern: „Chaotisch“ und „blamabel“ heißt es in diesem
Kommentar.


(Sebastian Edathy [SPD]: Na, na, na! Das gilt für Ihre Ausführungen, Herr Kollege!)


Man muss sagen: Die „Stuttgarter Zeitung“ hat in die-
sem Fall wirklich Recht.

Über die Gründe, warum Sie sich mit einer Verfassungs-
änderung so schwer tun, kann man nur spekulieren. Denn
wir wissen, dass sich sowohl Minister Schily als auch Mi-
nister Struck einer Verfassungsänderung bzw. -klarstellung


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(C (D wie Sie es auch nennen möchten – nicht grundsätzlich ntziehen. Auch Kollege Wiefelspütz hat in einem Artiel in der Fachzeitschrift „Die Polizei“ vom November tzten Jahres durchaus Sympathien dafür erkennen lasen, die Verfassung im Bereich des Art. 35 zu ändern. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber eine Chefsache!)


Warum geht es trotzdem nicht vorwärts? Die Gründe
ierfür sind bei Ihrem Koalitionspartner, den Grünen, zu
ehen. Sie wissen ganz genau, dass Sie mit diesem Vor-
aben wieder einmal an Ideologien rütteln, wozu die
rünen aber nicht bereit sind.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Verfassung ist keine Ideologie! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie rütteln am Grundgesetz!)


ber, Frau Stokar von Neuforn, die derzeitige Situation
n diesem Land ist doch niemandem mehr zu vermitteln.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kann man nur das Grundgesetz zur Ideologie erklären? Was ist das für eine Haltung? Das ist ja unglaublich!)


ittlerweile setzen wir die Bundeswehr auf der ganzen
elt ein, um Gefahren aus der Luft oder von der See ab-
uwehren und um ABC-Schutz zu betreiben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)


ir setzen die Bundeswehr auf der ganzen Welt ein.
ur im eigenen Land, zum Schutz der eigenen Bevöl-
erung, dürfen wir das nicht tun. Das wollen Sie doch
ohl niemandem erzählen. Das ist völlig inakzeptabel.
eshalb brauchen wir hier eine verfassungsrechtliche
nderung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Wir haben eigene Regelungen dafür!)


Nein, dafür besteht keine verfassungsrechtliche Rege-
ng.
Sie wissen, dass eine solche Regelung, wenn wir sie

chaffen würden, an den Grundfesten Ihrer Auffassun-
en rütteln würde. Aber hier habe ich doch noch etwas
offnung. Denn wer die Bundeswehr, so wie Sie von
en Grünen, in zahlreiche militärische Einsätze ge-
chickt hat und wer auch keine Hemmungen hat, Atom-
raftwerke nach China zu verkaufen, der wird irgend-
ann auch dann in der Realität ankommen, wenn es um
en Schutz der eigenen Bevölkerung geht. Da bin ich
ir sehr sicher.


(Sebastian Edathy [SPD]: Gucken Sie mal in Ihre eigenen Reihen!)


Wenn das, was in der „taz“ vom November letzten
ahres zu lesen war, stimmt, nämlich dass Sie sich Ihre
ustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf im Kabi-
ett dadurch haben erleichtern lassen, dass Sie Ihren
unschkandidaten für die Position des Bundesbeauf-






(A) )



(B) )


Clemens Binninger

tragten für den Datenschutz durchsetzen konnten, dann
sagt das alles über Ihr Verständnis von Sicherheitspoli-
tik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, das Gesetz ist so schlecht! Ich verstehe das gar nicht! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Ströbele, stimmt das?)


Herr Kollege Ströbele, Sie haben auch ein seltsames
Verfassungsverständnis,


(Sebastian Edathy [SPD]: Das hat er nicht!)

wenn Sie hier heute sagen, dass alle Regelungen von der
Verfassung gedeckt sind.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht hier drin!)


In der letzten Sitzungswoche waren es die Grünen, die
unseren Antrag auf die Erweiterung der Erfassung des
genetischen Fingerabdrucks mit Hinweis auf die Verfas-
sung und den Datenschutz abgelehnt haben,


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, so ist es!)


weil ihnen der Datenschutz von Sexualstraftätern wichti-
ger war als der Schutz möglicher Opfer vor Sexualstraf-
taten.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendjemand muss ja noch auf die Verfassung achten!)


Aber heute wären Sie bereit, einem Gesetzentwurf zuzu-
stimmen, der den schwersten nur denkbaren Grundrechts-
eingriff beinhaltet, ohne dass es dafür eine Verfassungs-
grundlage gibt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir verteidigen das Grundgesetz und Sie wollen es kaputtmachen!)


Dazu ist nur ein Wort zu sagen: scheinheilig.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Inhaltlich sind wir uns bei diesem Gesetzentwurf
– das klang vorhin bereits an – in einigen Punkten, viel-
leicht sogar in wesentlichen, durchaus einig.


(Sebastian Edathy [SPD]: Das ist aber nicht sonderlich deutlich geworden!)


Aber wir brauchen Verfassungsänderungen. Das einzige,
was uns heute hier weiterhilft, sind klare Aussagen von
Rot-Grün: Sind Sie bereit, diesen Weg mit uns zu gehen?


(Sebastian Edathy [SPD]: Welchen denn?)

Sind Sie bereit, mit uns über diese Verfassungsänderun-
gen zu reden?


(Sebastian Edathy [SPD]: Ein genereller Einsatz der Bundeswehr im Inland, oder was?)


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(C (D ind Sie bereit, zu akzeptieren, dass sich die Sicherheitsage in Deutschland gravierend geändert hat und dass die erzeitige Verfassungslage ihr nicht mehr entspricht? ind Sie auch bereit, alles dafür zu tun, um den Schutz er Bevölkerung in Deutschland vor solchen Anschlägen u ermöglichen? (Sebastian Edathy [SPD]: Was heißt denn das?)


ur wenn Sie dazu bereit sind, macht es Sinn, weiterhin
ber diese Thematik zu reden. Wenn Sie nicht dazu be-
eit sind, dann ist der vorliegende Gesetzentwurf des
uftsicherheitsgesetzes das Papier, auf dem er steht,
icht wert.
Wir werden gespannt sein, welche Argumente Sie da-

ür anführen werden, dass doch schon alle Regelungen
urch die Verfassung gedeckt sind. Ich habe es vorhin
ngesprochen: Hier helfen weder Art. 35 Abs. 1 noch
ie Abs. 2 und 3 als Rechtsgrundlage weiter.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Wir brauchen keine Anhörung mehr! Er ist schon festgelegt!)


ie erfassen die diesbezüglichen Fälle nicht. Den Ab-
chnitt über den Einsatz der Bundeswehr in diesem Ge-
etzentwurf auch noch mit dem Wort „Amtshilfe“ zu
berschreiben ist von jeglicher Realität wirklich weit
eg. Es ist gerade keine Amtshilfe, wenn hier die Luft-
affe ständig eigene, neue Aufgaben übertragen be-
ommt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht: „Unterstützung und Amtshilfe“!)


Ja, aber hierbei handelt es sich überhaupt nicht um
mtshilfe. Das Wesen der Amtshilfe, Herr Kollege
tröbele, besteht doch darin, dass eine Dienststelle, die
igentlich nicht zuständig ist, in einem Ausnahmefall he-
angezogen wird, weil sie über bestimmte Möglichkeiten
erfügt, um die Lage besser zu bewältigen.
Die Regelung, die Sie in Ihrem Gesetz vorsehen, ist

ber genau das Gegenteil: Die Bundeswehr wird für den
all, dass entführte Flugzeuge als Waffe eingesetzt wer-
en, mit eigener Kompetenz und Entscheidungsgewalt
etraut. Das ist alles, nur keine Amtshilfe mehr. Sie wer-
en mir also zugestehen: Dies müssen wir ändern und
rauchen deswegen von Ihnen eine klare Positionierung.
lles andere hilft uns nicht weiter.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508901100

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
bgeordneten Otto Schily.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Er kann es einfach nicht ertragen, dass andere Recht haben!)



Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1508901200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

ch glaube, es macht keinen Sinn, dass wir mit dieser De-
atte die Anhörung des Innenausschusses gewissermaßen






(A) )



(B) )


Otto Schily

vorwegnehmen. Herr Kollege Binninger, die Verve, mit
der Sie Ihre Position vertreten, erweckt in mir den Ein-
druck, dass Sie von dem, was Sie hier vertreten, nicht
sonderlich überzeugt sind. Wenn das der Fall wäre, wür-
den Sie Ihre Position anders vortragen und würden mit
mehr Selbstvertrauen in die Anhörung gehen. Lassen Sie
uns doch dort unsere Ansichten mit aller Sachlichkeit
austauschen.

Ich bin im Übrigen der Meinung, wir sollten die De-
batte nicht so sehr auf den Fall fokussieren, den Herr
Burgbacher hier sehr eindrucksvoll geschildert hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist in der Tat ein Thema, das viele moralische und
rechtliche Fragen aufwirft. Klar ist: Denjenigen, der in
solch einem Fall zu entscheiden hat, würde die Entschei-
dung in eine wirklich äußerst schwierige Lage bringen.
Kollege Peter Struck hat gesagt, dass eine solche Ent-
scheidung, hätte er sie jemals zu treffen – ich hoffe, er
wird niemals in diese Lage kommen –, das Ende seiner
Amtszeit als Minister bedeuten würde. Man muss res-
pektieren, wenn sich jemand so einlässt.

Das Einzige, das feststeht, wie man in einem solchen
Fall zu handeln hat, ist, dass ein solches Vorgehen wirk-
lich die Ultima Ratio sein muss und sein wird. Bei dem
Testfall, den wir in Kalkar vorgeführt haben, wurde die
Maschine nicht abgeschossen, sondern durch militäri-
sche Mittel zur Landung gezwungen. Es gibt also eine
Abstufung der Mittel. Deshalb spreche ich immer von
einem gestaffelten Abwehrsystem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir uns den Ablauf des 11. Septembers vor Augen
führen und präzise durchdenken, was alles diesem Ereig-
nis vorausgegangen ist, dann muss uns klar sein, dass die
Abwehrmechanismen dort anzusetzen sind, damit eine
Entführung von vorneherein verhindert wird. Kurz vor
dem Eindringen der Flugzeuge in das World Trade Cen-
ter und in das Pentagon hätte man nicht mehr eingreifen
können, man hätte mit militärischen Mitteln nichts mehr
ausrichten können.

Ich bitte Sie also darum, diesen Extremfall auch als
einen Extremfall anzusehen. Aber dennoch haben die
Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen An-
spruch darauf – das war unsere gemeinsame Überzeu-
gung; ich hoffe, es ist sie auch jetzt noch –, dass wir die
größtmögliche Transparenz hinsichtlich der rechtlichen
Grundlagen herstellen. Deswegen wäre ich Ihnen sehr
dankbar, wenn wir diese Debatte mit der gebotenen
Sachlichkeit und, Herr Bosbach, meinethalben auch mit
der notwendigen Dynamik führen.

Aber es ist erforderlich, dass wir aufeinander zuge-
hen. In dieser Frage ist es notwendig, dass Konsens in
diesem Hause besteht. Sie hat eine solche Dimension,
dass man über sie nicht parteipolitisch diskutieren kann.
Sie ist von solcher Tragweite, dass wir uns auf die sach-
lichen Gesichtspunkte konzentrieren müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D as ist meine ganz herzliche Bitte. Wenn wir uns das vor ugen halten, dann werden wir, so glaube ich, zu einer inigung gelangen können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508901300

Es haben sich gleich zwei Kollegen angesprochen ge-

ühlt und möchten darauf reagieren. Zunächst Kollege
inninger und dann Kollege Burgbacher.


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1508901400

Herr Abgeordneter Schily, ich freue mich, dass meine
ede Sie dazu bewogen hat, zu erklären, dass wir uns
ber eine Verfassungsänderung, wozu wir eine klare Po-
ition haben, Gedanken machen müssen. Ihre Ausfüh-
ungen unterscheiden sich aber fundamental von dem,
as kurz zuvor die Kollegin Stokar von den Grünen ge-
agt hat. Sie hat nämlich gesagt, sie sehe überhaupt kei-
en Bedarf, sich über Verfassungsänderungen Gedanken
u machen. Das ist auch das Problem. Ich muss ja nicht
uf die Punkte eingehen, bei denen Einigkeit besteht,
ondern ich gehe auf den Punkt ein, bei dem der Dissens
esteht.
Der schwerwiegendste Punkt ist nun einmal die Ver-

assungsänderung. Sie sind gesprächsbereit, weil auch
ie sehen, dass die Rechtsgrundlage, die durch die Ver-
assung gegeben ist, offensichtlich nicht ausreichen
ann.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Nein! Sie haben es falsch verstanden!)


ie Grünen lehnen es strikt ab. Es gibt hier eine riesige
ifferenz zwischen beiden Positionen. Das muss geklärt
erden. Deshalb bleibe ich dabei: Wir haben in der Ver-
assung keine ausreichende Gesetzesgrundlage hierfür.
ür einen solch schwierigen Fall, den Sie zu Recht als
olchen beschrieben haben und der hoffentlich nie ein-
reten wird


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nicht darin!)


natürlich steht es darin –, brauchen wir aber eine klare
erfassungsrechtliche Grundlage.
Ich möchte einmal einen kurzen Auszug aus den

mpfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates zum
ntwurf dieses Gesetzes zitieren:

Der Gesetzentwurf begegnet hinsichtlich seiner Re-
gelungen zum Einsatz der Streitkräfte der Gefahren
aus der Luft ... erheblichen verfassungsrechtlichen
Bedenken.

lf Länder waren dieser Ansicht. Das heißt, wir sollten
ehr genau darüber reden.






(A) )



(B) )


Clemens Binninger

Es wird aber Ihr und nicht unser Problem sein, die

Grünen von ihrer Position abzubringen oder es ohne die
Grünen mit uns zu machen. Wir sind dazu bereit.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508901500

Kollege Burgbacher, bitte.


Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1508901600

Herr Kollege Schily, es ist als Vertreter einer kleinen

Fraktion, die nur wenig Redezeit zur Verfügung hat, im-
mer schwierig, entsprechende Schwerpunkte zu setzen.
Deshalb möchte ich noch einmal klarstellen – ich habe
es bereits in einem Satz gesagt –: Zwischen uns besteht
in sehr großen Bereich Konsens.

Natürlich geht es uns allen darum, solche terroristi-
schen Anschläge im Vorfeld zu verhindern. Alle Sicher-
heitsvorkehrungen auf Flughäfen, beim Personal und bei
den Passagieren, die möglich sind, müssen getroffen
werden. Das ist völlig unstrittig. Ich habe mich auf den
schwerwiegenden Fall konzentriert, weil ich glaube,
dass hier tatsächlich der Knackpunkt im Gesetzentwurf
ist. Es wird die Frage auftauchen, ob die bisherigen Re-
gelungen im Gesetz wirklich ausreichen oder ob wir
weitere Maßnahmen brauchen. Eine andere Frage, die
uns ebenfalls wirklich bewegt, lautet: Was sind die
Grundlagen für den Verteidigungs- und den Innenminis-
ter, wenn wir dieses Gesetz verabschieden? Ich glaube,
das sollten wir alle miteinander mit großem Ernst disku-
tieren. Würde die Schwelle nicht ein Stück weit gesenkt
werden, wenn der Minister Instrumente an die Hand be-
käme, die er bisher nicht hatte? Kann das nicht sogar
dazu führen, dass er in einer bestimmten Phase fast dazu
genötigt wird, etwas zu tun? Über diese Fragen müssen
wir diskutieren.

Ich möchte noch einmal betonen: Wir als FDP-Frak-
tion diskutieren intern darüber und gehen ergebnisoffen
in die Anhörung. Diese neuen Erfordernisse, die auf uns
alle zukommen, bedürfen neuer Antworten. Man muss
einiges überdenken. Wir sind aber nicht bereit, gewisse
Grundsätze über Bord zu werfen. In diesem Spannungs-
feld werden wir das diskutieren.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508901700

Nun erteile ich Kollegen Christian Ströbele, Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Mäßigen Sie sich, Herr Ströbele!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kollege Burgbacher, in diesem Gesetz findet sich
gerade keine Regelung für den Abschuss eines Flugzeu-
ges, das mit Passagieren besetzt ist, die überhaupt keinen
Bezug zu einem terroristischen Anschlag haben. Diese

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(C (D egelung findet sich in dem Gesetz nicht. Wir haben sie ort bewusst nicht hineingeschrieben, weil man dadurch atsächlich versuchen würde, einen Fall des übergesetzlihen Notstandes zu regeln. Die Regelung eines übergeetzlichen Notstandes muss weiterhin gemäß den Kriteien vorgenommen werden, welche die Rechtsprechung estgelegt hat. Das kann und soll man in einem Gesetz icht regeln. In diesem Gesetz wird lediglich die Anwendung von affengewalt geregelt, ohne dass darüber entschieden ird, inwieweit von der Anwendung von Waffengewalt enschen betroffen sind und welche Menschen gegebeenfalls betroffen sind, ob es nur die Täter oder auch ichtbeteiligte sind. Das ist in diesem Gesetz absichtlich icht geregelt worden. Deshalb können Sie sich diese Auseinandersetzung icht ersparen. Sie müssten sie bei der gegenwärtigen echtslage führen und Sie werden sie auch dann zu fühen haben, wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist. Das st Absicht. Kollege Ströbele, gestatten Sie eine Zwischenfrage es Kollegen Stadler? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508901800
Ja, natürlich.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1508901900

Herr Kollege Ströbele, sind Sie bereit, zur Kenntnis

u nehmen, dass in § 14 Abs. 3 dieses Entwurfs Folgen-
es formuliert ist:

Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist
nur zulässig, wenn nach den Umständen davon aus-
zugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben
von Menschen eingesetzt werden soll, …

timmen Sie mir zu, dass durch diese Formulierung die
nmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt – im Klar-
ext: der Abschuss eines Flugzeuges – möglich ist, selbst
enn dieses Flugzeug nicht nur mit einem Täter, son-
ern auch mit unschuldigen Passagieren besetzt ist?
Das führt zu einem unglaublich schwierig zu lösen-

en Problem, weil Art. 2 des Grundgesetzes ohne Wenn
nd Aber jedem, auch dem unschuldigen Passagier an
ord eines solchen Flugzeuges, das Grundrecht auf Le-
en garantiert. Wenn man nun versucht – natürlich in gu-
er Absicht –, eine Lösung herbeizuführen, um das Le-
en Dritter zu retten, führt dies zu einem unauflösbaren
ilemma, weil man nicht Leben gegen Leben abwägen
ann.
Stimmen Sie mir zu, dass es aus dieser Ausgangslage

eraus sehr wohl erörternswert ist, ob der Staat nicht
arauf verzichten muss, ein unlösbares Dilemma gesetz-
ich zu normieren, sodass im Einzelfall eine unumgäng-
iche Entscheidung nach allgemeinen Grundsätzen zu
reffen ist?






(A) )



(B) )



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, ich stimme Ihnen in allen Punkten zu,

die Sie genannt haben. Dieses Dilemma gibt es in der
Tat. Der Staat – das war für mich eine der Antriebsfe-
dern, warum wir die Regelung so und nicht anders ge-
troffen haben; es gab dazu andere Vorschläge – kann und
soll aufgrund der verfassungsrechtlichen und menschli-
chen Überlegungen, die Sie angesprochen haben, für
dieses Dilemma keine gesetzliche Regelung treffen.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Aber es steht doch drin!)


Dazu – darin stimme ich mit Ihnen nicht überein –
findet sich für diesen Fall keine Regelung. Was durch
Waffengewalt bewirkt wird, hängt von dem jeweiligen
Einzelfall ab. Wenn die Möglichkeit besteht – der Innen-
minister hat es angeführt –, könnte dies eine Einwirkung
sein, mit der das Flugzeug zur vorzeitigen Landung ver-
anlasst wird.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Das steht in Abs. 1!)

Das könnte aber auch der Abschuss eines Flugzeuges
sein. Aber hier ist überhaupt nicht geregelt, ob und unter
welchen Gesichtspunkten diese Regelung angewendet
werden soll oder darf, wenn das Flugzeug nicht nur mit
Tätern, Beschuldigten oder Verdächtigen, sondern auch
mit unbeteiligten Zivilisten besetzt ist.

All das ist nicht geregelt. Das muss nach wie vor nach
den normalen Kriterien entweder des übergesetzlichen
Notstandes – wenn für staatliches Handeln auch überge-
setzlicher Notstand Anwendung finden kann – oder nach
den sonstigen Regelungen für Notstand und Nothilfe
entschieden werden. Wir haben gerade nicht gesagt:
Wenn soundsoviele Menschenleben in Gefahr sind, dann
dürfen durch unmittelbaren Einsatz von Waffengewalt
eine entsprechende Zahl von Menschen getötet wer-
den. – Diese Abwägung wird dem Verteidigungsminis-
ter, der hierüber zu entscheiden hat, durch das Gesetz
nicht abgenommen. Das bleibt nach wie vor eine Abwä-
gung nach allgemeinen Regeln. Darauf lege ich ganz
besonderen Wert. Sie haben völlig Recht: Die Frage ist,
ob der Gesetzgeber eine solche Regelung überhaupt tref-
fen darf.

Anders ist es bei dem so genannten finalen Rettungs-
schuss.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Richtig!)

Dazu steht in den einschlägigen Gesetzen, dass ein mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlicher
Schuss abgegeben werden darf, wenn bestimmte Voraus-
setzungen erfüllt sind. Eine solche Festlegung haben wir
in dem vorliegenden Gesetz nicht getroffen, weil da-
durch – das haben mehrere Redner richtig gesagt – nicht
nur Täter, sondern auch völlig Unbeteiligte in Gefahr ge-
bracht werden. Diesen Konflikt kann und will das Ge-
setz nicht regeln.

Nun komme ich zu dem Kollegen Bosbach. Herr Kol-
lege Bosbach, Sie haben ein etwas eigenartiges Beispiel
von Dialektik gebracht, das etwas daneben war. Zu-
nächst haben Sie erklärt, es sei eine Unterstellung, dass

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(C (D ie Union den Einsatz der Soldaten der Bundeswehr im nland auch über solche Fälle hinaus ausdehnen möchte. ann haben Sie weiter ausgeführt, die Grünen würden in olchen Fällen reflexartig reagieren und der Union imer gleich das Schlimmste unterstellen. Im nächsten bsatz haben Sie dann minutenlang erläutert, in welchen ereichen Sie über diesen Fall hinaus die Bundeswehr insetzen möchten. (Jürgen Herrmann [CDU/CSU]: Das macht auch Sinn!)


ch weiß nicht, wie das zusammenpassen soll.
Unser Gesetz wird einen Einsatz der Bundeswehr

usschließlich für Luftzwischenfälle regeln, nicht für ir-
endetwas anderes. Sie wollen, dass die Bundeswehr im
nneren in unendlich vielen Bereichen eingesetzt werden
ann. Sie haben gesagt: auf dem Land, zu Wasser und
ei allen möglichen Gelegenheiten. – Das ist der Unter-
chied zwischen der Union und der Koalition. Das wol-
en wir nicht. Wir wollen nicht, dass die Bundeswehr zu
inem Allzweckmittel bei der Bekämpfung von Sicher-
eitsgefahren in der Bundesrepublik Deutschland wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Kein Mensch will das! Quatsch!)


Jetzt komme ich zu der verfassungsrechtlichen Frage,
err Kollege Bosbach. Sie haben gesagt – das steht auch
n einem Teil der Überschrift –, die Bundeswehr solle le-
iglich im Wege der Amtshilfe für die Länder, das heißt
nnerhalb des Kompetenzbereiches der Länder, einge-
etzt werden. Das stimmt nur zum Teil. Das stimmt nur
ür den Fall des Art. 35 Abs. 2 Grundgesetz, nicht für
en Fall des Art. 35 Abs. 3 Grundgesetz.
Für den Fall des Art. 35 Abs. 3 hat die Bundesregie-

ung nämlich ausdrücklich ein eigenes Recht – so steht
s schon heute im Grundgesetz –, die Länder anzuwei-
en. Das heißt, die Bundesregierung kann die Bundes-
ehr gemäß Art. 35 Abs. 3 nach eigenem Recht einset-
en, wenn es sich um einen länderübergreifenden
wischenfall handelt. Aus diesem Grunde passt Ihre Ar-
umentation überhaupt nicht auf den Art. 35 Abs. 3.
enn das ist ein völlig anderer Fall. Wir wollen mit der
egelung dieses Gesetzes der Bundeswehr und im Übri-
en auch der Bundesregierung gerade nicht mehr Kom-
etenzen geben, als das Grundgesetz heute schon zubil-
igt.
Deshalb haben wir sowohl den Abs. 2 als auch den
bs. 3 des Art. 35 des Grundgesetzes ausdrücklich in
as Gesetz geschrieben und darüber hinaus sogar einen
eil des Wortlautes der beiden Grundgesetzbestimmun-
en in das Gesetz übernommen, und zwar aus einem ein-
igen Grund: um klar zu machen, dass wir mit diesem
esetz nicht mehr Rechte an die Bundeswehr oder die
undesregierung geben wollen, als ihnen heute schon
om Grundgesetz her zufallen. Deshalb kann es keine
useinandersetzung darüber geben, ob das verfassungs-
emäß ist. Denn wir orientieren uns im Wortlaut genau
n den Bestimmungen des Grundgesetzes. Dieses Gesetz
st kein Gesetz, das den Abschuss von Passagierflug-






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

zeugen, die mit unschuldigen Menschen besetzt sind,
rechtfertigen soll.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Erlaubt es aber!)


Dieses Gesetz ist lediglich ein Gesetz, das nach der
bestehenden Rechtslage eine Zuständigkeit festlegt, da-
mit sich nicht so etwas wie bei dem Zwischenfall in
Frankfurt wiederholt, wo unterschiedliche Instanzen und
Behörden sich darüber auseinander gesetzt haben, wer
für die Entscheidung zuständig ist. Solche Fälle wollen
wir klar regeln. In diesem Gesetz ist geregelt, dass
grundsätzlich die Zuständigkeit beim Bundesverteidi-
gungsminister bzw. bei seinem Stellvertreter liegt. Die-
ses Gesetz sagt eindeutig, dass wir keine Legitimation
zum Abschuss unschuldiger Menschen in Passagierflug-
zeugen erteilen wollen. Wir binden die Entscheidung
vielmehr an die allgemeinen Rechtsgrundsätze und die
allgemeinen Abwägungsregelungen, an die sich selbst-
verständlich der Bundesverteidigungsminister zu halten
hat.

Deshalb ist das Gesetz so in Ordnung. Es regelt einen
Fall, der hoffentlich nie eintritt und bisher noch nie ein-
getreten ist. Es ist völlig zu Recht darauf hingewiesen
worden, dass auch der Anschlag vom 11. September
kein Beispiel war. Das Gesetz regelt einen bisher Gott
sei Dank theoretischen Fall. Ich hoffe, dass diese Be-
stimmung des Gesetzes nie angewendet werden muss.
Ich denke, diese Bestimmung ist vertretbar und verfas-
sungsgemäß. Das wird sich auch bei der Anhörung im
Rechtsausschuss erweisen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508902000

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Wolfgang Bosbach.

Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1508902100

Herr Kollege Ströbele, ich erkläre Ihnen das gerne

noch einmal. Die politischen Kontroversen leiden darun-
ter, dass sich die Argumentation gegen eine Behauptung
richtet, die niemand geäußert hat. Ich habe wortwörtlich
gesagt, dass es nicht darum gehen könne, der Bundes-
wehr sukzessive Aufgaben der Polizei zu übertragen. Ich
habe wörtlich gesagt, dass niemand daran denke, die
Bundeswehr in eine Art Bereitschaftspolizei umzuwan-
deln, und ich habe darauf hingewiesen, dass Ausbildung
und Ausrüstung von Soldaten und Polizisten grundver-
schieden sind.


(Frank Hofmann [Volkach] [SPD]: Das haben Sie auch gesagt!)


Es geht um folgende Konstellation: Kann es richtig
sein, die Bevölkerung bei Inlandstaten, die mit militäri-
schen Mitteln geführt werden oder Folgen von militäri-
scher Wucht haben – wie am 11. September –, nur des-
halb schutzlos zu lassen, weil die Polizei erkennbar nicht
über die Mittel verfügt, diese Gefahr abzuwehren, und
die Bundeswehr nach geltendem Verfassungsrecht bei
Inlandstaten nicht zur Gefahrenabwehr im Inland einge-

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(C (D etzt werden kann? Das gilt völlig unabhängig davon, ob ie Gefahr von der See, aus der Luft oder auf dem Boden roht. Die Polizeien des Bundes und der Länder haben keine uftstreitkraft und keine ABC-Abwehrkräfte. Können ir vor diesem Hintergrund die Bevölkerung mit der Beründung ungeschützt lassen, dass die Bundeswehr nicht ingesetzt werden kann? Die Bundeswehr soll bei der bwehr terroristischer Gefahren ausschließlich dann im nland eingesetzt werden, wenn die Polizei – aus welhen Gründen auch immer – nicht in der Lage ist, die efahr abzuwehren. (Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das sagt doch das Grundgesetz schon! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Grundgesetz!)


iemand denkt daran, die Artillerie gegen Ladendiebe
inzusetzen. Ich weiß, dass es in diesem Zusammenhang
in Verhetzungspotenzial gibt. Frau Kollegin Stokar hat
n einer anderen Debatte im Deutschen Bundestag über
ns gesagt, wir wollten die Armee gegen Bürgerkriegs-
lüchtlinge einsetzen. – Dieses Niveau ist nicht mehr zu
nterbieten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen die Frage beantworten, ob Sie in einem

olchen Fall, den wir uns alle nicht wünschen, die Bevöl-
erung schutzlos lassen oder ob Sie eine entsprechende
rundgesetzänderung durchführen wollen.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Art. 35! Amtshilfe, Herr Bosbach!)


ine dritte Möglichkeit gibt es nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508902200

Kollege Ströbele.

(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Kollege Bosbach, waren die Väter und die weni-

en Mütter des Grundgesetzes Ihrer Meinung nach so
enig vorausschauend, dass die von Ihnen konstruierten
älle im Grundgesetz nicht geregelt worden sind? Wenn
ie Art. 35 Abs. 2 noch einmal gründlich lesen, dann
tellen Sie fest, dass auch in genau solchen Fällen, in de-
en die Mittel der Polizei nicht ausreichen – so ist das
efiniert –, das Land beim Bund und auch bei der Bun-
eswehr Amtshilfe ersuchen kann.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Nach Landesrecht! Aber hier ist doch eine Bundeskompetenz in Rede!)


Wenn nur ein Bundesland betroffen ist, dann ist auch
as Landesrecht ausreichend. Dann können sich zum
eispiel das Land Nordrhein-Westfalen oder das Land
essen an die Bundesregierung und an das zuständige
inisterium wenden und mit dem Hinweis darauf, dass
ie eigenen Mittel nicht ausreichen, Amtshilfe erbitten.
enn mehrere Bundesländer betroffen sind, dann bietet






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

das Grundgesetz schon heute der Bundesregierung die
Möglichkeit, für die Länder Entscheidungen zu treffen,
ihnen Weisungen zu erteilen und dort Sicherheitskräfte
einzusetzen.

Der Unterschied zwischen Ihnen und uns besteht da-
rin, dass Sie ein solches neues Gesetz, das dann wohl
nicht Luftsicherheitsgesetz heißen könnte, sondern eher
eine Überschrift wie „Allgemeines Inlandseinsatzrecht
für die Bundeswehr“ tragen müsste – schließlich wollen
Sie seinen Geltungsbereich nicht auf Luftzwischenfälle
reduzieren oder konzentrieren; nur so ist es zu verstehen –,
auf alle Bereiche ausdehnen wollen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Nein!)

Wir achten die Regelungen des Grundgesetzes und wol-
len sie im Gegensatz zu Ihnen weder ändern noch gar er-
weitern. Insofern – das muss immer wieder betont wer-
den – besteht ein grundsätzlichen Unterschied zwischen
Ihnen und uns.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508902300

Die Kollegin Stokar hat auch noch das Bedürfnis, auf

Ihre Ausführungen zu reagieren, Herr Bosbach. Das
nennt man Streuwirkung.


(Heiterkeit – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Kollateralschaden!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich hier schon direkt angesprochen werde und
wenn wir entgegen dem Rat unseres Herrn Ministers
versuchen, tief greifende verfassungsrechtliche Fragen
im Rahmen von Kurzinterventionen zu klären, dann
möchte ich an Sie, Herr Kollege Bosbach, eine Frage
richten.

Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass unter Rot-Grün die
Berufsfeuerwehr und das Technische Hilfswerk mit so
exzellenten ABC-Schutzfahrzeugen – das gab es unter
Ihrer Regierung nicht – ausgerüstet worden sind, dass
alle Experten, mit denen ich gesprochen habe, der Über-
zeugung sind, dass diese Fahrzeuge für ABC-Einsätze
im Innern viel besser geeignet sind als die bei der Bun-
deswehr vorhandenen ABC-Spürpanzer, die für andere
Aufgaben konzipiert sind, und dass auch das dort tätige
Personal viel besser ausgebildet ist als das der Bundes-
wehr?


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Dann sind wir uns ja einig!)


– Ich bitte Sie! Sie haben doch gerade behauptet, dass
wir von Rot-Grün – das weise ich hiermit mit aller Ent-
schiedenheit zurück – im Falle eines ABC-Angriffs
durch Terroristen unsere Bevölkerung schutzlos ließen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508902400

Wir wollen jetzt die Zwiegespräche beenden.

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(C (D Ich gebe dem Kollegen Jürgen Herrmann, der brav ewartet hat, das Wort. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heuigen Tag endet – zumindest teilweise – eine lange Zeit es Wartens. Nach mehr als zwei Jahren – genau gerechet sind bereits 871Tage seit den Terroranschlägen in en USA am 11. September 2001 vergangen – schafft es ie rot-grüne Regierungskoalition endlich, einen Gesetzntwurf vorzulegen, der sich gezielt, aber bei weitem icht ausreichend mit den Auswirkungen von möglichen erroranschlägen beschäftigt. Sicherlich wurden zwichenzeitlich Sicherheitspakete verabschiedet. Diese aren aber nicht konkret auf spezielle Szenarien abgetimmt. Der nun vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Neu egelung von Luftsicherheitsaufgaben kann nur der erste chritt sein, der heutigen Bedrohung durch terroristische ktivitäten vorzubeugen. Dies gilt umso mehr, als die symmetrische Bedrohung durch den internationalen errorismus ein erschreckendes Maß angenommen hat, as es unumgänglich macht, ausreichende gesetzliche rundlagen zu schaffen. Kein Szenario von Selbstmordttentätern ist heute mehr unvorstellbar. Die Urheber von erroristischen Attacken sind oftmals nicht auszumahen. Ob staatlich gelenkt, durch Warlords unterstützt der von Einzeltätern angezettelt, Terrorangriffe sind unerechenbar und drohen zu Wasser, zu Lande und aus er Luft. In der Begründung Ihres Gesetzentwurfes weisen Sie usdrücklich auf die Terroranschläge in den USA, aber uch auf die Entführung des Motorseglers am 5. Januar 003 in Frankfurt am Main hin. Hier stellt sich – Bezug ehmend auf den langen Entscheidungsprozess – nicht ur dem aufmerksamen Beobachter die Frage: Warum aben die zuständigen Regierungsbehörden nicht schneler gehandelt und einen umfassenden Gesetzentwurf vorelegt? – Sicherlich waren die unterschiedlichen Sichteisen der Regierungsfraktionen – Kollege Binninger at das bereits heute Morgen ausführlich dargelegt – daür verantwortlich, ob zum Beispiel die Bundeswehr bei er Sachverhaltslösung mit einbezogen werden darf oder icht. Aber auch die Frage nach den gesetzlichen Grundagen – sie wurden bereits heute Morgen mehrfach angeprochen – entzweite die Regierungskoalition. Die CDU/CSU-Fraktion hat keinerlei Bedenken ge en den Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten im Inand, wenn dies zum Schutz unserer Bevölkerung gechieht und auf eine verfassungsrechtlich gesicherte rundlage gestellt wird. Es macht wahrlich keinen Sinn, enn wir unsere sehr gut ausgebildeten Militärs in der anzen Welt zur Terrorismusbekämpfung einsetzen düren, der deutschen Bevölkerung dieser Schutz aber verehrt bleibt bzw. im internen Koalitionsstreit auf der trecke bleibt. Jürgen Herrmann Die CDU/CSU-Fraktion hat sich in dieser Frage immer klar positioniert. Wir befürworten und fordern eine Grundgesetzänderung im Hinblick auf den Einsatz der Bundeswehr im Inland. Dies gilt insbesondere bei den neu zu regelnden Anforderungsprofilen. (Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Was denn jetzt? Bosbach erzählt etwas ganz anderes!)

Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1508902500

(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


– Die Grundgesetzänderung muss her, auch wenn Sie
sich ständig mit Hilfsformulierungen begnügen wollen.


(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Ihr wollt einen Einsatz der Bundeswehr im Innern!)


– Generell wollen wir diesen Einsatz nicht. Das ist doch
schon heute Morgen so oft zum Ausdruck gekommen,
dass wir es hier wohl nicht mehr zu erwähnen brauchen.
Sie sollten den Kollegen vielleicht einmal zuhören! Herr
Bosbach hat sowohl in seiner Rede als auch in der Kurz-
intervention gesagt, dass wir die Bundeswehr im Inland
nicht konsequent, sondern nur bei ganz bestimmten Sze-
narien einsetzen wollen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber bei vielen Szenarien!)


Aufgrund der rechtlichen Erfordernisse hat der ehe-
malige Bundesverfassungsrichter Konrad Hesse mit gu-
tem Grund gefordert, dass die verfassungsrechtlichen
Grundlagen in besonderem Maße den Anforderungen
der Rechtsklarheit, der Verständlichkeit und der Über-
sichtlichkeit genügen müssen. Ich meine, dass der Ent-
wurf des Luftsicherheitsgesetzes diesem Anspruch nicht
gerecht wird.


(Sebastian Edathy [SPD]: Wir meinen das schon!)


– Ja, das ist klar.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508902600

Kollege Herrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1508902700

Bitte.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1508902800

Herr Kollege, Sie haben jetzt wieder das Beispiel

ABC-Schutz angeführt. Herr Bosbach wollte darauf
nicht eingehen. Können Sie der staunenden Bevölkerung
erklären, warum Sie 384 bestausgerüstete ABC-Spür-
fahrzeuge, die der Bund für den ABC-Schutz ausgelie-
fert hat und die im Wesentlichen von gut ausgebildeten
Feuerwehrleuten geführt werden, durch rund
17 Bundeswehrfahrzeuge mit gleicher, teilweise älterer
Technik ersetzen wollen, nur weil sie gepanzert sind?
Wie wollen Sie der Bevölkerung erklären, dass wir das
Grundgesetz nur wegen dieser Panzerung ändern müs-
sen?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Herr Kollege, Sie werden auch zur Kenntnis nehmen üssen, dass die technischen Voraussetzungen bei der undeswehr noch immer andere als die beim THW sind nd dass die gut ausgerüstete Bundeswehr von Ihnen zu peziellen Einsätzen dieser Art entsandt worden ist. Ich rinnere daran, dass Sie die ABC-Abwehrtruppe nach uwait entsandt haben – nehmen Sie mir mein Interesse aran bitte ab; denn sie ist unter anderem in meinem ahlkreis Höxter stationiert –, um dort die Sicherheit er Bevölkerung zu gewährleisten. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kuwait ist nicht Deutschland! Die deutsche Feuerwehr ist in Kuwait nicht zuständig!)

Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1508902900

(Widerspruch bei der SPD)


us genau diesem Grund sollten wir in einem Extremfall
icht darauf verzichten, die Bundeswehr im Inland zum
BC-Schutz einzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass es hier um eine Grundgesetzänderung geht, das

at auch der Verteidigungsminister bereits im letzten
ahr erkannt und nicht erst, nachdem ein Flugzeug über
er Frankfurter Skyline für Verunsicherung gesorgt hat.
uch er begrüßte eine Grundgesetzänderung. Der
undesminister hat noch im Oktober eingeräumt, „dass
an über eine Klarstellung nachdenken kann“. Es ist be-
auerlich, dass aus dieser Klarstellung ein Gesetzent-
urf gebastelt wurde, dem gerade diese Klarheit fehlt.
Der Innenausschuss des Bundesrates – das ist eben

chon angesprochen worden; Kollege Binninger ist da-
auf eingegangen – hat sich ganz klar dafür ausgespro-
hen, dass grundgesetzliche Änderungen vorgenommen
erden müssen. Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen,
ass sich SPD-geführte Bundesländer dieser Auffassung
ngeschlossen haben.
Eine Anpassung wäre notwendig. Dies gilt insbeson-

ere unter dem Gesichtspunkt, den bei der Bewältigung
on so genannten Renegade-Fällen eingesetzten Ent-
cheidungsträgern eine sichere gesetzliche Grundlage zu
ewähren. Das Nationale Lage- und Führungszentrum in
alkar am Niederrhein – dort sind Soldaten, BGS-Be-
mte und Mitarbeiter der Flugsicherung tätig – leistet
ierbei eine hervorragende Arbeit. Auch wenn der Rene-
ade-Fall – hoffentlich – die Ausnahme bleibt, kann die
eleistete Arbeit nicht hoch genug bewertet werden.
ehrere hundert Flugbewegungen gleichzeitig auf den
ildschirmen erfordern höchste Aufmerksamkeit.
Durchschnittlich täglich sechs „Losscomms“ – es

eht um Fälle, in denen der Funkkontakt von sich nä-
ernden Flugobjekten für längere Zeit abgebrochen ist –
eigen jedoch, wie schnell sich die Situation verändern
ann. Am Ende der möglicherweise eingeleiteten opera-
iven Maßnahmen könnte der Abschuss eines mit vie-
en hundert Passagieren besetzten und für einen terro-
istischen Angriff gekaperten Ferienfliegers – das wäre
ür uns alle wohl der schlimmste Fall – stehen. Gerade
eshalb wird es unser Anliegen bleiben, die an der






(A) )



(B) )


Jürgen Herrmann

Entscheidung Beteiligten mit ausreichenden und verfas-
sungsrechtlich einwandfreien gesetzlichen Grundlagen
auszustatten.

Lassen Sie mich auf die von mir zuvor genannten
Fallgruppen terroristischer Angriffe zurückkommen.
Mit dem nun vorliegenden Luftsicherheitsgesetz wird le-
diglich, mehr schlecht als recht, die Security am Himmel
geregelt. Die von mir zu Beginn genannten Fälle der ter-
roristischen Bedrohung zu Wasser oder zu Lande werden
nicht erfasst. Obwohl wir immer wieder über diese Sze-
narien sprechen, haben Sie es hier versäumt, klare
Grundlagen zu schaffen, die einen umfassenden Schutz
der Bevölkerung gewährleisten. Es macht wenig Sinn,
die eben genannten Fallgruppen auch noch in Einzelge-
setzen regeln zu wollen. Dies würde bei der Arbeitsge-
schwindigkeit der Koalition zu lange dauern.

Ein sinnvoller Ansatz zur Bekämpfung terroristischer
Gefahren wäre die Einbindung von innerer und äußerer
Sicherheit in ein Gesamtverteidigungskonzept bei
gleichzeitiger Umsetzung einer ressortübergreifenden
Sicherheitspolitik. Landesverteidigung und Heimat-
schutz müssen viel stärker als bisher in Einklang ge-
bracht werden, Sicherheitslücken müssen geschlossen
werden. Zu diesem Ergebnis ist man im Übrigen auch
auf einer Fachtagung von Sicherheitsexperten am ver-
gangenen Dienstag bei einer Veranstaltung der Bertels-
mann-Stiftung gekommen. Eckart Werthebach, ehemali-
ger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz,
sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, den
Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen
als Gemeinschaftsaufgabe in das Grundgesetz aufzuneh-
men.


(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast [SPD]: Das erzählt er seit zwei Jahren!)


– Auch wenn das schon seit zwei Jahren gesagt wird: Ir-
gendwann müssten Sie es einmal begreifen, damit wir
diese Dinge gemeinsam umsetzen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben der Stärkung der originär zuständigen Stellen

der Terrorismusbekämpfung sowie der zivilen Katastro-
phenschutzbehörden und Hilfsdienste ist es zwingend er-
forderlich, die zivil-militärische Zusammenarbeit im In-
land wieder zu beleben. Hierbei sollten wir uns die
Fähigkeiten der Bundeswehr zunutze machen, ohne
gleich die Grundfeste der Demokratie gefährdet zu se-
hen.

In besonderen Gefährdungslagen, zum Beispiel im
Katastrophenschutz oder bei der Abwehr und Bewälti-
gung terroristischer Gefahren, muss die Bundeswehr mit
ihren spezifischen Fähigkeiten zur Unterstützung – wirk-
lich nur zur Unterstützung – von Polizei und BGS er-
mächtigt werden. Hierzu werden seitens der CDU/CSU-
Fraktion in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat – Kol-
lege Bosbach hat das schon angesprochen – demnächst
entsprechende gesetzliche Regelungen auf den Weg ge-
bracht.

Lassen Sie mich zum Abschluss jedoch eines feststel-
len: Unserer Fraktion liegt es fern, der Bundeswehr

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(C (D ompetenzen einzuräumen, die allein in den Aufgabenatalog der Polizei fallen. Wir sind aber in dem Bemüen, den bestmöglichen Schutz für die Menschen in unerem Land zu garantieren, aufgefordert, alles zu tun, amit wir weiter in Frieden und Freiheit leben können. Ich erteile das Wort der Kollegin Petra Pau. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir iskutieren heute über ein Luftsicherheitsgesetz, ein Geetz, von dem der uns alle beratende wissenschaftliche arlamentsdienst bereits vor zwei Jahren gesagt hat, es ei völlig unnötig. Die wiederkehrende Begründung für dieses Gesetz ist eichlich bemüht worden. Sie wollen die Bundesrepublik nd ihre Menschen vor Terrorakten schützen. Zu solchen errorakten rechnen Sie Angriffe mit entführten Verehrsflugzeugen auf Atommeiler oder dicht besiedelte tädte. Dafür wollen Sie eine Sonderermächtigung, die en Einsatz der Bundeswehr im Innern regelt, wohlemerkt über das in Ausnahmesituationen ohnehin chon zulässige Maß des Einsatzes der Bundeswehr hiaus. Das ist der erste Grund, warum die PDS im Bunestag diese Gesetzesvorlage ablehnt. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo steht das denn im Gesetz?)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508903000
Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508903100

Sie wissen, dass Ihr Gesetz zudem eine sehr kompli-
ierte ethische Frage berührt. Burkhard Hirsch, vielen
och als Vizepräsident des Bundestages bekannt, ande-
en als früherer Bundesinnenminister, fragt dazu: Will
er Minister den lieben Gott spielen?


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Wann war der Bundesinnenminister?)


Sein Gedankenspiel ist leicht nachzuvollziehen – der
ollege Stadler hat dies vorhin schon dargestellt –: Ge-
etzt den Fall, ein Passagierflugzeug wird entführt. Dann
liegen mit ihm zwei oder drei Täter sowie 100 oder
00 Passagiere, also Opfer des Verbrechens. Sie vermu-
en, dass die Entführer einen Terroranschlag im Schilde
ühren, und es gelingt Ihnen nicht, dieses Flugzeug abzu-
rängen und zur Landung zu zwingen. Sie geben also
en Befehl zum Abschuss des Flugzeuges. Mit einem
olchen Befehl würden Sie zugleich das Todesurteil über
00 oder 200 unschuldige Passagiere fällen, und zwar
ur auf diese Vermutung hin. Wer soll, wer will das Le-
en der Bewohnerinnen und Bewohner zum Beispiel ei-
es Hochhauses gegen das Leben dieser 100 oder
00 Passagiere abwägen und dann eine Entscheidung
reffen?
Nun kann man über den moralischen Aspekt trefflich

treiten. Es ist aber auch ein rechtlicher Aspekt. Un-
estreitbar ist, dass der Verband der Allgemeinen Luft-
ahrt e. V. auch nach Abwägung dieser Argumente Ihr






(A) )



(B) )


Petra Pau

Luftsicherheitsgesetz ablehnt. Er ist der Auffassung, es
sei „nicht dazu geeignet, die Sicherheit in der Luftfahrt
zu erhöhen“. Kein bislang bekannter Fall, so der Ver-
band, rechtfertige dieses Streben nach einem utopischen,
also nicht herstellbaren Sicherheitsniveau. Auch der Ver-
band der Allgemeinen Luftfahrt e. V. wittert also andere
Beweggründe für dieses Gesetz als die von Ihnen hier
bemühten.

Damit steht er nicht allein. Auch bei der Humanisti-
schen Union schrillen alle Alarmglocken. Sie meint,
dass Sie mit diesem Gesetz eine Superbehörde Flugsi-
cherheit schaffen, die unter anderem mit den deutschen
Inlands- und Auslandsgeheimdiensten zusammenarbei-
ten


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Böswillige Unterstellung!)


und präventiv Daten über potenzielle Terroristen sam-
meln soll. Dazu gehören auch die angesammelten Daten
zu den Sicherheitsüberprüfungen an und auf Flughäfen.
Potenziell verdächtig sind Flugpersonal, Flughafenmit-
arbeiter, aber auch Lieferanten, also Zigtausende.


(Sebastian Edathy [SPD]: Wer am Flughafen arbeitet, soll nicht überprüft werden? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!)


Hinzurechnen muss man das, was an persönlichen Daten
zwischen der EU und den USA ausgetauscht wird bzw.
demnächst gehandelt werden soll. Das hat weder etwas
mit der Flugsicherheit noch mit dem Grundgesetz zu tun.
Wenn Sie all die Regelungen wollen, die in diesem Ge-
setzentwurf stehen, dann – da hat Herr Bosbach Recht –
bewegen Sie sich tatsächlich nicht mehr auf dem Boden
des Grundgesetzes. Wenn Sie konsequent sein wollen,
dann müssen Sie unsere Verfassung in diesem Sinn än-
dern.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Die PDS sagt dazu klar Nein.
Nach dem Eiertanz, den der Kollege Ströbele heute

hier aufgeführt hat, sagen ich Ihnen, liebe Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen: Behaupten Sie nicht
mehr, dass Sie Welten von der Bürgerrechtspolitik und
der Innenpolitik der CDU/CSU trennen!


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Jetzt muss ich aufpassen! Jetzt werde ich unruhig! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Jetzt wehren wir uns aber!)


Wenn man sich die Ergebnisse Ihrer Politik ansieht,
kommt man zu dem Schluss: Das sind nur noch Mikro-
welten, die mit bloßem Auge überhaupt nicht mehr zu
erkennen sind. Sie schütten nur noch Ihre Soße darüber.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508903200

Ich erteile Kollegen Dieter Wiefelspütz, SPD-Frak-

tion, das Wort.

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(C (D Herr Präsident, gelegentlich habe ich den Eindruck, ass in diesem Parlament zu viele Juristen sitzen. Die aben die besondere Fähigkeit, Debatten in Richtungen u bringen, die vielleicht doch nicht angebracht sind. Aber wenigstens hier oben sitzt ein Nichtjurist. (Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Das ist irgendwie beruhigend!)

Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1508903300
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508903400


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1508903500

Respekt, Respekt. – Ich gehöre ja selber zu dieser

eltsamen Berufsgruppe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe den Ein-

ruck, dass in der Debatte heute manche Chance ver-
asst worden ist, miteinander zu reden. Stattdessen
urde, wie ich leider häufiger habe feststellen müssen,
neinander vorbeigeredet.
Wir alle wissen, dass die zivile Luftfahrt besonders

erletzbar ist. Die Philosophie der Sicherheitsarbeit die-
er Bundesregierung, dieses Bundesinnenministers und
ieser rot-grünen Koalition heißt: Wer mehr Sicherheit
n der Luft haben will, muss deutlich mehr für die Si-
herheit am Boden tun. – Das ist der Kern des Luftsi-
herheitsgesetzes und das ist der Kern zahlreicher Maß-
ahmen, schon seit Jahren, nicht erst seit dem
1. September 2001. Das ist ein Prozess, der weiterge-
en wird. Es gibt keine totale Sicherheit, aber man kann
as Menschenmögliche tun. Das packen wir an, sehr
berzeugend, mit sehr viel Geld, mit sehr viel Initiative,
it sehr viel qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitar-
eitern. Wir bemühen uns, zu erreichen, dass sie in Zu-
unft noch bessere Arbeit abliefern können, als sie das
eute schon tun. Wir erreichen Schritt für Schritt höhere
tandards. Das ist in dieser Debatte, wie ich finde, viel
u wenig vorgekommen und viel zu wenig gewürdigt
orden. Ich sage noch einmal ausdrücklich, dass der
undesinnenminister die gemeinsame Unterstützung der
ot-grünen Koalition dabei hat, seine Bemühungen in
ieser Richtung fortzuführen.
Wir werden auch andere Teile in diesem Sicherheits-

ereich komplettieren, beispielsweise den Küsten- und
eeresschutz. Dazu werden demnächst ähnliche Mo-
elle vorgestellt werden und dann sicherlich auch auf
ine gute organisatorische und gegebenenfalls gesetzli-
he Grundlage gestellt werden.
Bei dem Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheits-

ufgaben finde ich sehr wichtig, dass die Sicherheitsar-
hitektur unseres Landes nicht verändert, sondern ge-
tärkt wird.


(Beifall bei der SPD)

iese Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik
eutschland besteht aus der Sicherheitsarbeit, aus der
uten Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Das hat
ich bewährt. Daran wollen wir nichts ändern. Es gibt für
ie äußere Sicherheit die Bundeswehr – mit einem hohen
eistungsprofil – und es gibt für die innere Sicherheit die






(A) )



(B) )


Dr. Dieter Wiefelspütz

Polizei und den Bundesgrenzschutz. Das ist die grundle-
gende Aufgabenverteilung, die sich in unserem Staat be-
währt hat. An ihr wollen wir nichts ändern. Wenn Sie,
Herr Binninger und Herr Bosbach, sagen, dass Sie daran
nichts ändern wollen, nehmen wir Sie beim Wort.

Man hörte auch schon einmal anderes von Ihnen. Ich
erinnere an Gesetzesinitiativen in den vergangenen Le-
gislaturperioden im Bundesrat, bei denen das anders
ausgesehen hat. Wenn Sie heute sagen, dass Sie an dem
bewährten Zusammenspiel in unserer Sicherheitsarchi-
tektur nichts ändern wollen, besteht zwischen uns ein
Stück weit Gemeinsamkeit. Das möchte ich unterstrei-
chen und keine anders lautenden Verdächtigungen an
Ihre Adresse richten. Vielmehr nehme ich Sie beim
Wort, dass Sie an dieser Architektur nichts ändern wol-
len.

Wir haben hier viel von Verfassungsänderungen ge-
hört. Ich will vorab mit Ihnen einmal zwei Fragen debat-
tieren.

Denken Sie doch bitte als Erstes daran, wie sich die
Position Deutschlands zur Frage Auslandseinsätze der
Bundeswehr entwickelt hat.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Fragen Sie einmal die Grünen! – Weitere Zurufe von der FDP und der CDU/CSU)


Überlegen Sie bitte einmal, was von der rechten und der
linken Seite des Hauses zu dieser Fragestellung mit Be-
rufung auf die Verfassung alles vertreten worden ist.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Vor allem von der linken Seite!)


– Herr Binninger, lassen Sie uns doch einmal den Ver-
such unternehmen, miteinander zu reden, statt über-
einander herzufallen.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Die Unterschiede muss man benennen!)


Nehmen Sie doch auch einmal meine Argumente wahr. –
Ihre Fraktion hat noch vor wenigen Jahren eine Ände-
rung des Art. 87 a Grundgesetz vorgeschlagen; daran
wollen Sie sich heute nicht mehr gerne erinnern lassen.
Wir haben das Grundgesetz nicht geändert, obwohl wir
eine völlig andere Staatspraxis haben. Bis 1993/94 ist
von der damaligen Bundesregierung behauptet worden,
Auslandseinsätze der Bundeswehr seien nicht zulässig.
Heute machen wir das alles, ohne das Grundgesetz geän-
dert zu haben, weil wir wissen, dass die Verfassung das
zulässt. Ich bitte einmal zu überlegen, ob wir mit Grund-
gesetzänderungen nicht besonders vorsichtig sein soll-
ten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Natürlich kann man das Grundgesetz ändern. Die Frage
ist aber: Ist das wirklich zwingend erforderlich?

Ich möchte Ihnen eine zweite Frage stellen: Was wäre
denn, wenn es heute einen solchen Luftzwischenfall
– wir alle hoffen, dass er nie passieren möge – gäbe?
Hätten wir dann, Herr Bosbach, eine Schutzlücke in un-

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(C (D erem Grundgesetz? Dürften wir die Bundeswehr nicht insetzen? Meine persönliche Überzeugung ist: Eine solhe Lücke besteht nicht. Die Bundeswehr dürfte nach em Grundgesetz schon heute – jetzt in dieser Sekunde – ingesetzt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Wo steht das?)


Wir dürfen die Bundeswehr nach Maßgabe von Art. 35
insetzen.
Am 5. Januar letzten Jahres, Herr Bosbach, sind zwei
bfangjäger in Frankfurt aufgestiegen. Zum Glück hat
an diesen Fall friedlich lösen können. Aber war dieses
erhalten der Bundeswehr rechtswidrig? Nein, es war
echtmäßig. Allerdings haben wir gesagt, dass wir hier-
ür eine klare Rechtsgrundlage schaffen wollen. Man
ätte sich, Herr Burgbacher, durchaus die Frage stellen
önnen: Sollen wir einen solchen Extremfall überhaupt
egeln?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ernst Burgbacher [FDP]: Das ist die Frage!)


as infrage zu stellen ist eine durchaus vertretbare Argu-
entation.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508903600

Kollege Wiefelspütz, gestatten Sie eine Zwischen-

rage des Kollegen Bosbach?


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1508903700

Bitte.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1508903800

Herr Kollege Wiefelspütz, ich habe allen Respekt vor

hrer Rechtsansicht. Vor mir liegt die „Zeitschrift für
echtspolitik“, Ausgabe 4/2003, in der auch ein Artikel
on Ihnen steht. Haben Sie den Artikel gelesen, der ne-
en Ihrem Artikel gestanden hat? In ihm ist mit überzeu-
enden Argumenten zumindest festgestellt worden:

Die Meinung, die Streitkräfte hätten … eingesetzt
werden dürfen, ist vertretbar, aber wenig gesichert.
Die Rechtslage ist unklar und verworren … Man
sollte nicht auch diese Frage dem BVerfG zuschie-
ben.

er Autor ist immerhin ein ehemaliger Richter am Bun-
esverfassungsgericht, nämlich Professor Dr. Klein.
Ist Ihnen bekannt, dass der ehemalige Bundesminister

er Verteidigung Georg Leber, rückblickend auf einen
uftzwischenfall während der Schlussfeier der Olympi-
chen Spiele 1972 in München, in seinen Memoiren ge-
chrieben hat, diese Rechtsfrage müsse unbedingt ein-
al verfassungsrechtlich geklärt werden, denn sie sei
erfassungsrechtlich nicht klar und es sei keinem zu-
umuten, auf einer unsicheren verfassungsrechtlichen
rundlage zu entscheiden und zu handeln?






(A) )



(B) )



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1508903900

Herr Bosbach, selbstverständlich kenne ich diesen

Beitrag von Herrn Hans Hugo Klein, der – anders, als
Sie es vortragen – anerkennt, dass meine Auffassung
vertretbar ist. Ich spreche über Kollegen, die sich rechts-
wissenschaftlich äußern, selbstverständlich sehr fair und
respektvoll. Ich kenne die Diskussionen sehr genau und
ich kann Ihnen nur sagen: Ich freue mich auf die Anhö-
rung vor dem Innenausschuss, ich bin geradezu rasend
interessiert an dieser Anhörung, und ich werde keine Se-
kunde fehlen, lieber Herr Bosbach; denn ich bin wirklich
hochgespannt auf die Äußerungen der ersten Garde der
deutschen Verfassungsrechtler, die dort vertreten sein
werden. Ich habe mich schon selber als Sachverständi-
gen ins Gespräch gebracht,


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

aber meine Fraktion will mich nicht vorschlagen, Herr
Bosbach, was ich sehr bedaure.

Ich kenne diese Debatte natürlich; aber ich bitte sehr
um Verständnis für die Position, die ich vertrete – nicht
nur mit einer Sprechblase in der „Zeit“, die Sie zitiert ha-
ben, sondern in Form einer vertieften Auseinanderset-
zung mit den Fragestellungen in der „Zeitschrift für
Rechtspolitik“, in der Zeitschrift „Die Polizei“, in der
„Neuen Zeitschrift für Wehrrecht“ und in anderen Publi-
kationen –, nämlich dass das sehr wohl verfassungs-
rechtlich vertretbar ist. Gehen Sie bitte davon aus, dass
diese Bundesregierung und die rot-grüne Koalition nie-
mals ein Gesetz zu einer ersten Lesung in den Bundestag
einbringen würden, bei dem sie verfassungsrechtliche
Zweifel hätten. Das wäre doch nicht verantwortbar!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das kann man uns auch nicht unterstellen.
Ich weiß, dass man in dieser Frage anderer Auffas-

sung sein kann. Wir werden uns selbstverständlich der
Anhörung stellen. Wir sind hochinteressiert und offen;
man kann mich überzeugen. Aber Sie sollten auch un-
sere Überzeugung zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie die
Verfassung so interpretieren, dass man zwar die Folgen
von Unfällen mithilfe der Bundeswehr beseitigen darf,
aber nicht die Ursachen, dann kann ich nur sagen: Die
Verfassung ist klüger als Sie und Herr Binninger.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es wäre wirklich ein Schildbürgerstreich, wenn in der
Verfassung stünde, dass man warten müsste, bis ein Un-
glück passiert, und dann nur aufräumen dürfte, dass aber,
wenn die Möglichkeit bestünde, das Unglück dennoch
nicht verhindert werden dürfte. Das ist doch abwegig,
Herr Bosbach!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Bosbach [CDU/ CSU]: Also Ja zum Einsatz der Bundeswehr im Innern!)


Ich sage: abwegig! Die Verfassung ist klüger als Sie.
Eine Verfassung, die solch eine Interpretation zuließe,

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(C (D äre in der Tat eine schlechte Verfassung. Wir haben ein utes Grundgesetz, Herr Bosbach. Lesen Sie es, studieen Sie es, verinnerlichen Sie es! Wir können das Grundgesetz natürlich ändern; aber ir haben schon eine ganz besondere Beweislast, wenn ir das tun. Wir haben vielleicht an der einen oder andeen Stelle eher zu viel des Guten auf diesem Sektor gean, statt klug mit der Verfassung umzugehen. Ich timme Ihnen zu, Herr Bosbach und Herr Binninger: Es ohnt sich, über die verfassungsrechtliche Seite zu diskuieren, natürlich. Als 1968 Art. 35 des Grundgesetzes erfasst wurde, gab es die heutige terroristische Bedroung nicht. rt. 35 hat seine innere Ursache in der Flutkatastrophe on 1962; das wissen wir alle. Sollen wir wegen jeder euartigen Gefahr die Verfassung ändern, meine Damen nd Herren? Sollten wir, der Bundestag, uns nicht vielehr bemühen, eine gemeinsame, kluge Interpretation ieses Grundgesetzes vorzunehmen? Das ist doch das iel näher Liegende! Hier ist immer die Rede davon, was die Bundeswehr arf und was sie nicht darf. Ich rate Ihnen, auch darüber inmal etwas mehr nachzudenken. Die Bundeswehr darf der Bundesinnenminister hat dankenswerterweise eine rbeitsgruppe eingesetzt, um das klären zu lassen – der olizei in weit größerem Maße Amtshilfe leisten, als das andläufig angenommen wird. Selbstverständlich kann ie Bundeswehr in vielen Bereichen helfen. Es gibt verassungsrechtlich lediglich dann ein Problem, wenn sie it Zwangswirkung eingesetzt wird; dann bedarf es in er Tat einer grundgesetzlichen Ermächtigung. Selbst er berühmte Spürpanzer „Fuchs“ oder andere gepanerte Fahrzeuge dürfen in Deutschland im Innern eingeetzt werden, solange die Soldaten nicht bewaffnet sind. as geht alles; man muss das nur einmal durchchecken. ch bin sehr an den Ergebnissen der Arbeitsgruppe der nnenministerkonferenz interessiert. Herr Kollege Wiefelspütz, Sie müssen bitte zum Ende ommen. Ich komme gerne zum Ende. Diese Debatte soll nicht u einem juristischen Seminar werden; das wäre in der at fatal. Ich bin der Auffassung, dass dieses Gesetz ein ganz ichtiger Beitrag ist, die Sicherheitsarchitektur in eutschland zu verstärken und zu vertiefen. Es ist ein eiterer großer Erfolg von Rot-Grün und von Bundesnnenminister Otto Schily. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: In der Tat!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
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Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1508904100


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1508904200

Ich schließe die Aussprache.






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-

wurfs auf Drucksache 15/2361 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b
auf:

a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP
Leitlinien für die Vollendung der Bahnreform
– Drucksache 15/2156 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen),
Eberhard Otto (Godern), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP
Gutachtenvergabe zu Fahrgastrechten revi-
dieren – Neutralen Gutachter beauftragen
– Drucksache 15/2279 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dirk Fischer, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1508904300

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und

Kollegen! Es ist höchste Eisenbahn für die richtigen
Weichenstellungen zur Vollendung der Bahnreform.


(Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: „Höchste Eisenbahn“ im wahrsten Sinne des Wortes!)


Das Maut-Desaster zeigt in erschreckender Deutlich-
keit, wohin die Reise unter rot-grüner Verkehrspolitik
geht: nicht nur aufs Abstellgleis, sondern führerlos und
mit Volldampf ins Chaos.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Dass Dampflokomotiven nicht mehr fahren, wissen Sie?!)


– Herr Kollege Weis, bevor Sie einen weiteren Zwi-
schenruf machen, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass
im Moment eine Meldung über den Ticker läuft, dass die
Eisenbahngewerkschaft Transnet bekannt gibt, dass der
Vorstand der DB AG für 2 500 Arbeitnehmer Kurzarbeit
beantragt hat. Ich sage dies, damit Sie wissen, was die
Stunde geschlagen hat und wie die Wahrheit aussieht.

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(C (D Der Bund gibt der Bahn nicht das versprochene Geld ür Schieneninvestitionen. Mehdorn muss den Tiefbaunternehmen schreiben, dass alle Ausschreibungen und ergaben gestoppt und laufende Bauvorhaben qualifiiert abgebrochen werden müssen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja ungeheuerlich!)


Wir wollen, dass die von uns 1994 begonnene Bahn-
eform konsequent weitergeführt wird. Wird dieses im
oment aber getan? Die damaligen Ziele gelten unver-
ndert: mehr Verkehr auf die Schiene und weniger Be-
astung des Steuerzahlers. Deshalb wollen wir unterneh-
erische Unabhängigkeit der Bahn statt Behördenbahn,
eistungs- und Qualitätssteigerung sowie mehr Wettbe-
erb und dazu einen diskriminierungsfreien Zugang
ritter zum Schienennetz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Offenbar hat die Bundesregierung diese Ziele aus den
ugen verloren; denn seit Schröders Amtsantritt ist die
ahnreform mit einem klaren Dezentralisierungsmodell
urch ein Rezentralisierungsmodell mit einem ständig
achsenden Wasserkopf und einem kleinen Napoleon an
er Spitze ersetzt worden.


(Renate Blank [CDU/CSU]: „Kleiner Napoleon“ ist richtig!)


Das hat natürlich Konsequenzen. Es gibt amtliche
ahlen des Bundesverkehrsministeriums, veröffentlicht
n „Verkehr in Zahlen“, und des Bundesfinanzministe-
iums. Gelegentlich wundert mich, dass die DB AG und
err Mehdorn in Diskussionen diese amtlichen Zahlen
estreiten und behaupten, sie seien Unfug. Dass so mit
er Wahrheit umgegangen wird, ist unerträglich. Liest
an diese unbestreitbaren amtlichen Zahlen, die mehr
ussagen als die unternehmensgefertigte Propaganda,
ann wird deutlich, dass die DB AG auf dem besten
ege zurück in die Pflegebedürftigkeit ist.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Erstens. Nach unserer Auffassung ist diese Bundes-

egierung mit ihren vier Kurzfrist-Verkehrsministern
chuld daran. Sie haben es versäumt, für klare ordnungs-
olitische Rahmenbedingungen zu sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

rdnungspolitik ist aber die originäre Aufgabe des Staa-
es.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das stimmt! So steht es in der Verfassung!)


em Vorstandschef Mehdorn wird ein Gebaren erlaubt,
ls würde Daimler-Chef Schrempp zu Trittin ins Minis-
erium laufen und sich selbst niedrige Abgasgrenzwerte
achen. Dies darf nicht hingenommen werden. Denn so
ird die Chance vergeben, zu einer leistungsfähigen
undenorientierten Wettbewerbsbranche, die zu größerer
erlässlichkeit, Sicherheit und sinkenden Preisen führt,
u kommen. So bleibt ein unverändert dominierendes
onopolistisches Staatsunternehmen mit Marktanteilen
m Schienenverkehr von 99,5 Prozent im Personenfern-






(A) )



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Dirk Fischer (Hamburg)


verkehr, 91,5 Prozent im Personennahverkehr – ohne die
Regionalisierungsmittel und die Bestellermöglichkeiten
der Länder hätten wir wahrscheinlich auch hier einen
Anteil von knapp 99 Prozent – und 97,2 Prozent im Gü-
terverkehr bestehen.

Die Konsequenz ist: Wann und wo im Schienenver-
kehr Wettbewerb stattfinden darf, entscheidet letztlich
Herr Mehdorn. Ich finde, dazu passt ein Zitat. Er hat
wörtlich gesagt:

Mein größtes Problem ist, dass alle eine kleine
elektrische Eisenbahn zu Hause haben, damit spie-
len und Spaß haben. Und alle denken, sie könnten
auch mit der großen Eisenbahn spielen. Ich bin aber
der Einzige, der die große hat.

Das könnte auch von Napoleon stammen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Durch Minister Stolpes Glanzleistung bei
der Einführung der LKW-Maut sinken die Haushalts-
mittel für Bahninvestitionen von 4,4 Milliarden Euro
auf nur noch 3,3 Milliarden Euro in diesem Jahr; Ten-
denz weiter fallend.


(Zuruf des Abg. Reinhard Weis [Stendal] [SPD])


Denn nach der Haushaltsplanung – Herr Kollege Weis,
ich wundere mich, dass Sie das alles so gelassen hinneh-
men –


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das wundert mich auch!)


sollen diese Mittel bis 2008 sogar auf nur noch knapp
3 Milliarden Euro reduziert werden.


(Zuruf von der SPD: Wer ist schuld?)

Neubauvorhaben müssen gestoppt und in die Zukunft
verschoben werden. Selbst für die Erhaltung des Be-
standsnetzes reichen die Mittel nicht aus. England lässt
grüßen!


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Es ist eigentlich ein Skandal, dass das so ist!)


Drittens. Die rapide Entwicklung der Neuverschul-
dung der DB AG ist besorgniserregend. Zu leiden haben
am Ende wie immer die Bürger und Steuerzahler, denen
mittlerweile zusätzlich zur Entschuldung zu Beginn der
Bahnreform 1994 trotz weiter fließender erheblicher
staatlicher Subventionen Neuschulden von rund
25 Milliarden Euro, aufgelaufen zwischen 1994 und
2003 – dies ist ein zweieinhalbmal so hohes Verschul-
dungstempo wie vor der Bahnreform –, auf ihr Schuld-
konto geschrieben werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wahnsinn!)

Viertens. Seit Jahren sinken die Verkehrsleistungen

kontinuierlich. Die letzten verbindlichen amtlichen Zah-
len liegen bei minus 6,2 Prozent im Schienenpersonen-
verkehr und minus 3,2 Prozent im Schienengüterver-
kehr.

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(C (D Fünftens. Seit Jahren stagnieren die Umsätze bei rund 5 Milliarden Euro. Hierbei muss man den Zukauf von tinnes natürlich herauslassen. Diese Situation besteht rotz regelmäßiger Preiserhöhungen. Zum 1. April 2004 ird eine weitere Preiserhöhung von im Durchschnitt ,4 Prozent als ein massives Kundenopfer für das fehlgechlagene Bahnpreissystem durchgesetzt. Der angeblich ttraktive Höchstpreis von 111 Euro für Fahrtstrecken on mehr als 700 Kilometer ist nur für Flensburger atraktiv, die ständig zum Bodensee reisen und dabei hartäckig jedes Angebot eines Billigfliegers ignorieren – nd das, obwohl Herr Mehdorn im Oktober 2002 im ernsehsender Phoenix wörtlich sagte, Zugfahrten über ier Stunden seien eine Tortur. Es drängt sich die Frage auf: Ist dieses Unternehmen örsenreif? Werden Aktionäre – vor allem nach den tolen Erfahrungen bei der Telekom – wie wild hinter DBktien her sein? Ein Kriterium der Börsenfähigkeit von ransportunternehmen ist die Bewertung mit dem Elffahen des EBIT, also des Jahresgewinns vor Zinsen und teuern. Dies würde bei der DB AG ein EBIT von ,6 Milliarden Euro erfordern. Nach der letzten verbindichen Zahl von 2002 lag das EBIT leider bei nur 7 Millionen Euro. Ein weiteres Kriterium der Börsenfäigkeit ist der Free Cash Flow, der auch die Dividendenähigkeit des Unternehmens ausdrückt. Dieser müsste lus 1,4 Milliarden Euro betragen. Leider lag die letzte erbindliche Zahl 2002 bei minus 1,4 Milliarden Euro. ie DB AG bräuchte für ein Rating A – sonst würden ie Zinsen sehr teuer – eine Tilgungsdeckung von 0 Prozent. 2002 hatte sie leider nur eine von 1,1 Prozent. Das Verhältnis von Fremdund Eigenkapial muss bei etwa 1 : 1 liegen, bei der DB AG lag es aber 002 bei 2,7 : 1. Diese Zahlen habe ich mir nicht ausgedacht, um ir endetwas infrage zu stellen, was wunderbar ist, sondern as sind die Zahlen der Bundesregierung. (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ah ja! – Renate Blank [CDU/CSU]: Das ist interessant!)


Wie man hört, ist die Eigenkapitaldecke der DB AG
n der Zwischenzeit recht dünn geworden. Am
1. Dezember 2002 betrug die Eigenkapitalquote
2,4 Prozent und sie ist zwischenzeitlich weiter gesun-
en.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das überrascht aber nicht!)


as heißt, das Unternehmen braucht eine Kapitalspritze
es Bundes, was vor allem ihre Kreditfähigkeit bei den
anken stärken würde.
Angeblich – so hört man – will die Pflegemutter zur

flegetochter ganz besonders lieb sein. So soll angeblich
ie Eigenmittelbeteiligung der DB AG an Infrastruktur-
rojekten von 2004 bis 2008 um 750 Millionen Euro ge-
indert werden. Angeblich sollen auch künftig in erheb-
ichem Umfang dem Unternehmen gegebene zinslose
arlehen des Bundes in Eigenkapital umgewandelt wer-
en. So soll wohl auch die Mitwirkung des Deutschen
undestages an Investitionsentscheidungen Schiene
ber den Bedarfsplan Schiene ausgehebelt werden.






(A) )



(B) )


Dirk Fischer (Hamburg)



(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Da schau her!)

Die Forderungen meiner Fraktion lauten: Wir wollen

unverändert an dem Ziel eines Schienenverkehrsmarktes
festhalten, auf dem kundenfreundliche und in fairem
Wettbewerb konkurrierende Unternehmen tätig sind.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Genau!)

Davon kann aber auch nach zehn Jahren Bahnreform im-
mer noch keine Rede sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage ganz deutlich: Uns geht es darum, die Infra-

strukturverantwortung des Staates für sein steuerfi-
nanziertes Schienennetz zu erhalten.


(Beifall des Abg. Eduard Oswald [CDU/ CSU])


Das Schienennetz darf nach den schlechten Erfahrungen
in England nicht zum Renditeobjekt des Kapitalmarkts
gemacht werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies geschähe allerdings, würde man entgegen den Pla-
nungen der Bahnreform 1994 die Gesamtholding ein-
schließlich Netz an die Börse bringen. Darum wird im
Kern gestritten.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jawohl!)

Der diskriminierungsfreie Zugang eines jeden

Wettbewerbers zum Schienennetz ist für uns von heraus-
ragender Bedeutung. Ich erinnere daran, dass der Sach-
verständige Pällmann als Vorsitzender der Pällmann-
Kommission in unserem Ausschuss danach gefragt hat,
warum die Bahn das System CIR-ELKE nicht weiterent-
wickelt hat, das durch Verringerung der Blockabstände
erheblich mehr Abwicklungskapazität im deutschen
Schienennetz bringen würde und damit die Finanzierung
zugunsten der Steuerzahler günstiger gestalten würde.
Damit würden mehr Trassenentgelte eingenommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Warum wurde es nicht weiterentwickelt? Die Bahn

hat überhaupt kein Interesse daran, über den Eigenbedarf
hinaus Kapazitäten bereitzustellen, die nur von Wettbe-
werbern genutzt werden. Die Bahn schätzt es eher zu sa-
gen: Das tut uns Leid, es ist nichts mehr frei; der Fahr-
plan ist ausgereizt, ihr könnt nicht mehr.

Das ist nicht unser Vorwurf, sondern der Vorwurf des
Vorsitzenden der Pällmann-Kommission, die Herr
Müntefering seinerzeit als Minister einberufen hat. Da-
ran möchte ich hier erinnern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Warum lässt sich die Bundesregierung bei der Umset-

zung der Task-Force-Ergebnisse – nach EU-Richtlinie
müssten sie seit dem 15. März 2003 im Gesetzblatt ste-
hen – so viel Zeit? Das ist doch immerhin ein sinnvoller
Zwischenschritt bei der Reform des Eisenbahnwesens.
Ich dachte eigentlich, Herr Mehdorn würde gewaltigen
Druck machen. Es ist aber gar nichts passiert, und man

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(C (D ewinnt den Eindruck, dass man noch nicht einmal die inimalen Forderungen der Task Force beschleunigt msetzen will. Ich frage also: Wann können wir endlich it dem Gesetzentwurf der Bundesregierung rechnen? Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit. (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ich könnte ihm ewig zuhören!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508904400


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1508904500

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Eine zü-

ige und umfassende Bestandsaufnahme und kritische
ewertung der Effekte der Bahnreform mit externer
valuierung und ordnungspolitischen Empfehlungen an
en Gesetzgeber und den Bund als Alleineigentümer ist
naufschiebbar. Darauf haben wir als Parlament einen
nspruch und – das sage ich ausdrücklich – das verlan-
en wir von der Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508904600

Das Wort hat nun der Kollege Reinhard Weis, SPD-

raktion.

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt kommt die Antwort!)



Reinhard Weis (SPD):
Rede ID: ID1508904700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Wer die Diskussionen im Bundestag zum
hema Bahnpolitik seit Beginn der Bahnreform auf-
erksam verfolgt hat, der muss bei der heutigen Opposi-
ion – hier meine ich vor allen Dingen die Union – einen
rstaunlichen Wandlungsprozess feststellen. Man könnte
agen, die Union hat sich im Laufe der Zeit mehrere
äutungen erlaubt.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Überhaupt nicht! – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir sind sehr gradlinig!)


In der 13. Wahlperiode feierten Sie – damals noch als
egierungsfraktion – die Bahnreform als durchaus er-
olgreich. Aus einigen Reden des Kollegen Fischer geht
as klar hervor. An keiner Stelle findet sich bei der
nion vor 1998 ein Hinweis auf die Trennung von Netz
nd Betrieb als das zentrale bahnpolitische Thema;
anz anders, als Herr Fischer es jetzt zum Ende seiner
ede vorgestellt hat.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Nein!)

atürlich weiß ich, dass die Trennung in der Bahnreform
ls eine Option angelegt war, sie war aber nicht zwin-
end. Sonst hätte man vor zehn Jahren der DB AG das
igentum am Netz ja nicht übertragen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist nicht wahr!)


aran waren Sie maßgeblich beteiligt.






(A) )



(B) )


Reinhard Weis (Stendal)



(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Man sollte hier nicht die Märchen des Herrn Mehdorn erzählen!)


Ich akzeptiere auch, dass die Bundesregierung in die-
sen zehn Jahren ergebnisoffen weitergedacht hat. Die
Frage, ob die DB AG mit oder ohne Netz bessere Chan-
cen im Wettbewerb haben wird, können wir nicht allein
nach reinen Wettbewerbskriterien beantworten. Wer am
vergangenen Mittwoch die Veranstaltung des Deutschen
Verkehrsforums zur Bilanz und zu Ausblicken der Bahn-
reform unvoreingenommen verfolgt hat, der wird zuge-
ben müssen, dass der reinen Wettbewerbstheorie eine
ganze Reihe praktischer Probleme gegenüberstehen.

Wir dürfen auch die betriebswirtschaftliche Seite un-
seres bundeseigenen Unternehmens nicht ausblenden.
Dazu gehört natürlich auch die Frage, ob der Konzern
mit oder ohne Netz die besseren Chancen beim Einwer-
ben privaten Kapitals hat. Wer diese Fragen vorschnell
ideologisch oder parteipolitisch beantwortet, schwächt
das leistungsfähigste deutsche Bahnunternehmen vor
Öffnung des europäischen Schienenverkehrsmarktes.
Das kann nicht in unserem nationalen Interesse liegen.


(Beifall bei der SPD)

Ich komme zurück zu den Anträgen der CDU/CSU-

und der FDP-Opposition, die Anlass der heutigen De-
batte sind. Ihre Schwerpunktverlagerung auf die Tren-
nung von Netz und Betrieb zeigte sich schlagartig, als
Sie sich nach der Bundestagswahl 1998 auf den Opposi-
tionsbänken wiederfanden. Das Thema stand plötzlich
im Mittelpunkt. Es sollte neuen Schwung für das System
Schiene bringen – so titelte auch ein Antrag der CDU/
CSU-Fraktion. Es gab einen weiteren zur konsequenten
Trennung von Netz und Betrieb im deutschen Schienen-
verkehr. Sie hielten sogar Anfang 2002 einen verkehrs-
politischen Kongress ab.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Großes Echo!)

Erst Ihr Kanzlerkandidat, der bayerische Ministerpräsi-
dent, hatte damals am 22. April 2002 – übrigens pikan-
terweise trotz Ihres verkehrspolitischen Kongresses und
entgegen der erwünschten Botschaft – die Diskussion
über das Thema Trennung für beendet erklärt. Das war
ein erneuter Richtungswechsel in Ihrem Zickzackkurs.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Wenn wir heute über die Bahnreform reden, ist dreier-
lei festzuhalten:

Das erste Ziel, die Haushaltsentlastung, ist erreicht
worden, und zwar stärker, als nach den Prognosen vor
der Bahnreform ursprünglich erwartet. Sie behaupten
das Gegenteil, aber hier gilt: Wenn man alle gesetzlichen
Zahlungsverpflichtungen des Bundes im Bahnsektor,
zum Beispiel für den Beamtenbereich, der jetzt im Bun-
deseisenbahnvermögen verankert ist, und auch die In-
vestitionsmittel des Bundes für das Netz, die mit Verfas-
sungsauftrag begründet sind, berücksichtigt, hat sich die
Haushaltsbelastung für die DB AG gegenüber der Situa-
tion der alten Bundesbahn und der Reichsbahn deutlich
verringert. Das ist unbestreitbar.

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(C (D Das zweite Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr auf ie Schiene zu bringen, ist bisher nur teilweise erreicht orden. a liegt keine Erfolgsbilanz vor. Im Personennahverkehr st die Rechnung durch die Regionalisierung aufgeganen. Die Zuwachsraten im Personennahverkehr der etzten Jahre sind unbestreitbar. Hier hat die Schiene mit und 30 Prozent zugelegt. Im Personenfernverkehr und tärker noch im Güterverkehr muss die Schiene natürlich och deutlich zulegen. Da sind die Ziele nicht erreicht orden. n beiden Bereichen ist vor allem die DB AG als größter ransporteur, aber auch die Politik in der Pflicht. Unsere ufgabe wird es auch in den kommenden Jahren sein, ie Rahmenbedingungen für die Schiene zu verbessern, nd zwar für die DB AG genauso wie für alle Eisenbahen, die in Konkurrenz zur DB AG ihre Positionen am arkt verbessern sollen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Gar nicht!)


(Zuruf von der SPD: Richtig!)


Für den Güterverkehr möchte ich beispielhaft das
on uns in Gang gesetzte Gleisanschlussprogramm
ennen. Mit diesem Programm kann es gelingen, dem
chienengüterverkehr zusätzliche Potenziale zu erschlie-
en. Für das Haushaltsjahr 2004 beginnen wir bereits
it der Förderung von privaten Gleisanschlüssen.


(Zuruf von der SPD: Bravo!)

ehr Unternehmen als bisher sollen mit Gleisanschlüs-
en direkt an die Schiene angebunden werden.


(Zuruf von der SPD: Das haut hin!)

elbstverständlich werden wir diese Förderung an ver-
indliche Zusagen zur Transportmenge knüpfen, damit
eine Fehlförderungen initiiert werden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Mit welchem Geld denn? Wo soll denn das herkommen?)


it den verbesserten Netzstrukturen im Netzzugang
erden wir die Attraktivität der Schiene für die verla-
ende Wirtschaft deutlich erhöhen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ihr könnt ja nicht mal das einhalten, was ihr zugesagt habt, geschweige denn neue Projekte!)


ieses Konzept funktioniert in unserem Nachbarland
sterreich sehr erfolgreich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Selbstverständlich kann ein verstärkter Wettbewerb
uf der Schiene zu mehr Schienenverkehr führen. Ich
laube, auch das ist unbestritten. Mit der jetzt anstehen-
en Novelle des Allgemeinen Eisenbahngesetzes






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(B) )


Reinhard Weis (Stendal)


werden wir den Ordnungsrahmen dafür neu stecken. Die
Empfehlungen der Task Force „Zukunft der Schiene“,
die mit dem neuen europäischen Recht im Einklang sind,
werden wir mit der AEG-Novelle in vollem Umfang um-
setzen. Ich freue mich, dass auch die Opposition diese
Empfehlungen inzwischen als einen wichtigen Schritt in
Richtung mehr Wettbewerb anerkannt hat.


(Zuruf von der SPD: Ja, manchmal sind sie auch sehr vernünftig!)


Drittens muss ich sagen: Die Bahnreform dauert wei-
ter an. Ein Teil des Weges ist geschafft. Einen weiteren
Teil haben wir noch vor uns. Das gilt auch für den
Sanierungsprozess bei der DB AG, dem größten deut-
schen Bahnunternehmen. Der Vorstandsvorsitzende,
Hartmut Mehdorn, den Sie offensichtlich als Ihren
Hauptgegner auserkoren haben, hat hier in den letzten
Jahren insgesamt einen erfolgreichen Job gemacht. Das
sage ich mit aller Deutlichkeit, auch wenn es Vorstands-
entscheidungen geben mag, die im Nachhinein korrigiert
werden mussten. Es gab Entscheidungen, die uns Politi-
ker geärgert haben oder für die uns das Verständnis
fehlte. Bis heute haben allerdings einige Politiker, aber
auch Journalisten und die Öffentlichkeit noch nicht ak-
zeptiert, dass wir uns 1993 alle miteinander für die Um-
gestaltung der Bahn in ein Wirtschaftsunternehmen ent-
schieden haben.


(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Das bedeutet, dass der Vorstand für den wirtschaftlichen
Erfolg des Unternehmens einzustehen hat.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Donnerwetter! Das ist ja eine völlig neue Erkenntnis!)


Die Fortschritte, die das Unternehmen DB AG inzwi-
schen gemacht hat, kann und darf man nicht wegdisku-
tieren. Ein Zuwachs an Produktivität, ein besseres Kos-
tenmanagement und eine stärkere Kundenorientierung
sind klar erkennbar geworden. Es ist aber auch allen
klar, dass die Bahn noch leistungsfähiger werden und
sich noch mehr an den Interessen und Bedürfnissen ihrer
Kunden orientieren muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Allerdings ist es mit der Grundsatzentscheidung für
eine unternehmerische Bahn unvereinbar, dass Sie – ich
schaue wieder in Richtung CDU/CSU –, wie gegen Ende
der letzten Legislaturperiode geschehen, die Finanzierung
des Personenfernverkehrs durch den Bund fordern. Hierzu
gibt es einen Antrag von Ihnen mit dem Titel „Gewähr-
leistung des Schienenpersonenfernverkehrs“. Durch die
Umsetzung dieser Forderung würde der jetzt eigenwirt-
schaftliche Sektor des Unternehmens wieder dauerhaft
von staatlichen Zuschüssen abhängig.


(Zuruf von der SPD: Das kann doch nicht wahr sein!)


An dieser Stelle hätten Ihr Subventionsabbauspezialist,
Ministerpräsident Koch, und unserer, Ministerpräsident
Steinbrück, den Rotstift dann allerdings zu Recht ange-
setzt. Ich nehme aber an, dass Sie diese Linie inzwischen

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(C (D icht mehr ernsthaft verfolgen. Damit wären wir wieder ei dem Zickzackkurs, den ich bereits vorhin erwähnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über die erspektiven des größten deutschen Eisenbahnunternehens sprechen, müssen wir auch über seine Kapitalarktfähigkeit diskutieren. In seiner Rede anlässlich es zehnten Jahrestages der Deutschen Bahn AG hat der undeskanzler am 14. Januar dieses Jahres deutlich geacht – ich zitiere ihn –: Und wenn man eine konsequente unternehmerische Ausrichtung will, dann muss man sich auch mit dem Thema des Börsengangs der Deutschen Bahn AG beschäftigen. Nach meiner festen Überzeugung wird die Beteiligung privater Investoren die unternehmerische Entwicklung der Bahn beschleunigen. Auch deshalb ist ein Börsengang der Bahn ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. amit ist meiner Meinung nach alles zur Begründung er Überlegungen zum Thema Börsengang gesagt. Ich denke, wir sind uns fraktionsübergreifend einig, ass ein solcher Schritt aber nur dann sinnvoll und erolgversprechend sein kann, wenn die betriebswirtchaftlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie Bahn muss dauerhaft schwarze Zahlen vorlegen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)


ine schöne Bilanz in einem guten Jahr reicht nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daher erwarten wir von der Bundesregierung und

em Bahnvorstand, dass sie im Anschluss an eine einge-
ende betriebswirtschaftliche Prüfung die Chancen und
isiken eines Börsengangs klar aufzeigen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr! Wo er Recht hat, hat er Recht!)


ir erwarten, dass die Bundesregierung die verkehrs-
nd haushaltspolitischen Auswirkungen eines Börsen-
angs umfassend prüft. Natürlich werden wir uns in die-
en Prozess einbringen müssen.


(Zuruf von der SPD: Aber ganz sicher! – Zuruf von der CDU/CSU: Wenn wir dürfen!)


or allem das verkehrspolitische Ziel, mehr Verkehr auf
ie Schiene zu bringen, muss auch nach einem Börsen-
ang bzw. nach der Herstellung der Börsenfähigkeit der
B AG verfolgt werden.
Damit wird klar: Weder die Kapitalmarktfähigkeit

och ein Börsengang können und dürfen Selbstzweck
ein. Messlatte ist auch dabei das verkehrspolitische
iel. Wir legen daher großen Wert darauf, dass das
chienennetz in Bezug auf Netzstandards und Netz-
röße eindeutig definiert wird.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Darauf müssen wir sehr aufpassen!)







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Reinhard Weis (Stendal)


– Richtig. – Um das verkehrspolitische Ziel zu erreichen,
müssen alle Modelle für eine Zuordnung des Netzes um-
fassend und ergebnisoffen geprüft werden.

Bundesregierung und Koalitionsfraktionen nehmen
ihre Infrastrukturverantwortung sehr ernst; wir brau-
chen also keine Ermahnung des Kollegen Fischer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben in den letzten Jahren erhebliche Mittel für den
Aus- und Neubau sowie die Modernisierung des Schie-
nennetzes bereitgestellt. Deutlich mehr Mittel sind von
uns vergeben worden als von Ihnen in den letzten Jahren
Ihrer Regierungsverantwortung. Das verschweigen Sie
gerne.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist doch nicht wahr!)


Wegen Ihrer finanziellen Fehlentscheidungen bei der
Bahn wurde vor allem das Bestandsnetz der Bahn in den
ersten Jahren nach der Bahnreform sträflich vernachläs-
sigt.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Na, na! Jetzt gehen Sie aber zu weit!)


Rot-Grün hat diese Fehlentwicklung gestoppt und die In-
vestitionsmittel für die Schiene deutlich aufgestockt.
Diese Tatsache kann gar nicht oft genug wiederholt wer-
den.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Sie ist objektiv richtig!)


Zusätzlich haben wir die Investitionen für die
Schiene von zinslosen Darlehen ganz überwiegend auf
Baukostenzuschüsse umgestellt. Wir haben den Schwer-
punkt der Investitionen auf die Erhaltung und die Mo-
dernisierung des Bestandsnetzes verlagert. Auch hier ha-
ben wir neue Akzente in der Bahnpolitik gesetzt.

Trotz der aktuellen Finanzengpässe, die in diesen
Tagen berechtigterweise diskutiert werden – in erster
Linie im Rahmen der Diskussion um das Thema Maut-
ausfälle, aber auch im Rahmen der Diskussion um die
unseligen Vorschläge der Ministerpräsidenten Koch und
Steinbrück, die sich verheerend auf die Schienenver-
kehrspolitik auswirken würden –,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


werden wir eine solide und planbare finanzielle Grund-
lage für die Erhaltung und den Ausbau des Schienennet-
zes schaffen. Die Lösung können wir Ihnen jetzt noch
nicht präsentieren, aber Sie können uns abnehmen, dass
wir sie schnell vorlegen werden. Denn es ist eine Bin-
senweisheit: Die Bahnen – ich rede ausdrücklich im Plu-
ral – brauchen ein leistungsfähiges Schienennetz, um im
Wettbewerb mit den anderen Verkehrsträgern bestehen
zu können.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig!)


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(C (D Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Prozess der ahnreform ist noch nicht abgeschlossen. Mit der Geetzgebung zur Umsetzung des ersten europäischen isenbahnpaketes werden wir diesen Weg weitergehen. ie öffentliche Anhörung am 29. März zur Bilanz der ahnreform und zum Ausblick wird uns dafür weitere nregungen geben. Ich möchte abschließend die Opposition bitten, im treit um die besseren Argumente nicht nur die Bedingunen für den Wettbewerb auf dem deutschen Schienennetz Blick zu haben, sondern auch die strategische Stärke nseres größten deutschen Schienenverkehrsanbieters für en beginnenden europäischen Wettbewerb auf der chiene. Wir könnten dann – davon bin ich überzeugt – anche Auseinandersetzung sachbezogener miteinander usfechten. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508904800

Ich erteile das Wort dem Kollegen Horst Friedrich,

DP-Fraktion.

Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1508904900

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Es ist Zeit, dass die Debatte über zehn Jahre Bahn-
eform wieder die Institution erreicht, von der sie ausge-
angen ist, nämlich das deutsche Parlament.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

ir hatten hier die Grundlagen dafür geschaffen. Wir

ind deswegen auch berechtigt, hier und heute, losgelöst
on Jubelfeiern wie im Ritz-Carlton, einen Blick auf die
akten zu werfen, um zu sehen, wie die Situation tat-
ächlich aussieht. Dankenswerterweise hat die Parla-
entsgruppe Schienenverkehr vorgestern einen ersten
chritt gemacht, insbesondere Herr Pällmann, der aufge-
ählt hat, dass nicht alles so goldig aussieht, wie es ge-
agt wurde und wie es manchmal scheint.
Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Alle

ahlen, die ich nenne, entstammen dem Büchlein „Ver-
ehr in Zahlen“.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wer hat das denn herausgegeben?)


erausgeber ist das Bundesministerium für Verkehr. Ver-
ntwortlich ist das DIW, also weder die FDP-Fraktion
och ich als Abgeordneter. Das sage ich, damit es hinter-
er keinen Ärger mit irgendwelchen Gerichten gibt.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo kein Kläger, da auch kein Richter!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bahnreform von
993/94 hatte drei große Schwerpunkte. Einer davon, die
rganisationsprivatisierung, ist vor allen Dingen – die-
en Dank muss man aussprechen – auch dank der Ein-
atzbereitschaft der Mitarbeiter der Bahn einigerma-
en gelungen. Das will niemand klein reden und das






(A) )



(B) )


Horst Friedrich (Bayreuth)


redet auch niemand klein. Das kann uns aber doch nicht
daran hindern, kritisch zu hinterfragen, wie es mit den
anderen beiden Zielen aussieht, die mindestens gleich-
wertig waren,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

nämlich weniger Belastung für den Steuerzahler und
mehr Verkehr auf die Schiene.

Wenn man sich wirklich Gedanken darüber macht, wie
es weitergehen soll, dann muss man sich hier genau über-
legen, wie das Zahlenmaterial zustande gekommen ist, auf
das sich Herr Mehdorn noch vorgestern bezogen hat. Er
hat gesagt, die Schiene habe im Personenverkehr von
1993 bis heute einen Zuwachs von 11 Prozent aufzuwei-
sen. Ich empfehle einen Blick in das schon zitierte Büch-
lein „Verkehr in Zahlen“. Wenn man sich die Seite 213
anschaut, wird man feststellen, dass es bestenfalls von
1994 auf 1995 einen Zuwachs gab. In der Fußnote auf
der Seite 212 steht jedoch: „Ab 1995 Neuberechnung der
Personenverkehrszahlen durch die Deutsche Bahn AG“.
Von 1995 bis jetzt das alte Lied: Von da an ging es näm-
lich bergab. Wenn man schon statistische Daten erfasst
und sie vergleicht, dann muss man auch konsistente
Zeiträume heranziehen. Man darf keine Kunstzahl aus
dem Jahre 1993 nehmen und sie mit der entsprechenden
Größe von heute vergleichen, wenn man inzwischen die
Berechnungsart verändert hat.

Die gleiche Argumentation gilt natürlich auch für die
sehr monokausale Kette, man müsse nur die anderen
Verkehrsträger kräftig verteuern, damit die Schiene im
Güterbereich eine Chance hat. Herr Kollege Weis, wenn
das so wäre, dann müsste der Güterverkehr auf der
Schiene seit 1998 geradezu explodiert sein; denn durch
Ihre Politik ist die Belastung für den Verkehrsträger
Straße um sage und schreibe 14 Milliarden Euro ange-
wachsen, wobei die Maut hier noch gar nicht eingerech-
net ist.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: 44 Milliarden Euro!)


– Herr Kollege Fischer, sie ist um 14 Milliarden Euro
auf derzeit 50 Milliarden Euro angewachsen.

Was ist aber die Sachlage? Schauen wir einmal näher
hin. Der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene hat
von 15,7 Prozent auf 14,2 Prozent abgenommen. Das
Gegenteil ist also passiert. Man kann nun natürlich etwas
tun: Man kann so lange an der Kostenschraube für die
anderen Verkehrsträger – darin bezieht man dann die
Billigflieger mit ein – drehen, bis es irgendwann viel-
leicht doch zu einer Bewegung kommt. Dann muss man
allerdings auch fragen, welcher gesamtwirtschaftliche
Schaden entsteht, wenn man andere Verkehrsträger kon-
tinuierlich verteuert, nur damit irgendeiner irgendwann
vielleicht einmal besser wird.

Es muss doch geradezu aufweckend sein, dass selbst
Herr Mehdorn vorgestern zugegeben hat, dass er Pro-
bleme hatte, die Zuwächse des letzten Jahres, die da-
durch zustande kamen, dass für die Binnenschifffahrt zu
wenig Wasser in den Flüssen war, zu bewältigen, und
dass vieles davon auf der Straße gelandet ist. Liebe Kol-

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(C (D eginnen und Kollegen von Rot-Grün, man muss sich och tatsächlich fragen, wie man denn bei der Erstellung es Bundesverkehrswegeplanes ernsthaft annehmen ann, bis 2015 auf der Schiene eine Steigerung um 00 Prozent hinzubekommen. (Jörg van Essen [FDP]: Höchstens bei der Modelleisenbahn! Nicht bei der großen Bahn!)


ie machen sich doch selbst etwas vor, ohne zur Kennt-
is zu nehmen, was notwendig ist.
Hier sind wir beim eigentlichen Punkt: Eine diskrimi-

ierungsfreie Öffnung des Netzes ist notwendig. Herr
ollege Weis, das ist bei uns nicht erst seit dem Regie-
ungswechsel im Jahre 1998 ein Thema.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Sondern schon vorher!)


ass allerdings ausgerechnet Sie den Finger heben und
agen, wir hätten das damals nicht umgesetzt, ist natür-
ich pfiffig. Wenn ich mich nämlich recht erinnere, dann
ind bestimmte Bedingungen der Bahnreform damals
ur deswegen nicht umgesetzt worden, weil die SPD un-
er dem Druck der Grundgesetzänderung über die Län-
erkammer bestimmte Stellschrauben festgezurrt hatte,
odurch eine klare ordnungspolitische Ausrichtung, die
n der Vorlage der Regierungskommission Bahn zum
usdruck kam und die auch wir befürwortet haben, ver-
indert wurde.


(Jörg van Essen [FDP]: So ist es!)

er eine Kombination aus Markt und Marx ins Gesetz
chreibt, der erhält Murks und keine ordnungspolitische
larheit. Genau das ist die Realität, von der wir jetzt
usgehen müssen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es wird auch nicht dadurch besser, dass die Bahn jetzt

agt: Wer nicht glühenden Herzens und vollen Mundes
lles das lauthals nachschreit, was wir vorgeben, der ist
egen die Bahnreform und gegen die Bahner und der re-
et die Erfolge klein. Das ist doch Unsinn. Niemand
acht das. Aber ich lasse mir weder von Herrn Mehdorn
och von sonst jemandem verbieten, berechtigte sach-
iche Kritik, die sich auf Fakten stützt, vorzutragen.
iese Kritik soll dazu beitragen, das Thema weiter zu
iskutieren und Probleme aufzuzeigen, um an den richti-
en Stellschrauben zu drehen.
Wie notwendig Wettbewerb und Öffnung tatsächlich

ind, zeigt die Diskussion über unseren zweiten Antrag:
ie Vergabe eines Gutachtens zu Fahrgastrechten auf
er Schiene. Es ist geradezu abenteuerlich: Die Frau
taatssekretärin kommt in den Ausschuss und erzählt
rohen Herzens, der Gutachterauftrag sei in öffentlicher
usschreibung an Herrn Freise vergeben worden. Be-
orben hat er sich als Professor der Universität zu
rankfurt. Dort ist er auch Professor, einmal die Woche
ält er dort eine Vorlesung.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das reicht doch! – Siegfried Scheffler [SPD]: Vorurteile!)







(A) )



(B) )


Horst Friedrich (Bayreuth)


Im Hauptberuf ist er aber Geschäftsführer der Deutschen
Verkehrs-Assekuranz. Sie ist zu 75 Prozent eine Tochter
der Deutschen Bahn AG, die restlichen 25 Prozent wer-
den vom Sozialwerk der Bahngewerkschaften finanziert.
Wie so jemand bei aller fachlichen Akzeptanz in der
Lage sein kann, ein neutrales Gutachten in der Abwä-
gung zwischen Ansprüchen der Fahrgäste und der Bahn
zu erstellen, hat sich mir bisher noch nicht erschlossen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Volkmar Uwe Vogel [CDU/CSU]: Gerster fragen!)


Dankenswerterweise hat Herr Freise zumindest die
Größe gehabt, vor diesem Hintergrund den Gutachter-
auftrag zurückzugeben. Jetzt müssen wir dafür sorgen,
dass dieser Fehler nicht wiederholt wird. Ich habe inzwi-
schen gehört, wer sich unter anderem um diesen Auftrag
beworben hat, nämlich die Allianz pro Schiene. Dazu
kann ich nur sagen: Wir kommen vom Regen in die
Traufe. Es muss deutlich gemacht werden: Wer diesen
Gutachterauftrag bekommt, der muss tatsächlich unab-
hängig sein. Dann können wir gern über den Inhalt re-
den. Das zeigt eigentlich, wie notwendig klare ordnungs-
politische Grundausrichtungen sind, sonst kann es nichts
werden. Das ist die politische Aufgabe.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wen schlagen Sie denn vor?)


Das werden wir in der Anhörung am 29. März deutlich
machen. Dann bin ich gespannt, Herr Kollege Danckert,
was Sie dazu sagen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905000

Ich erteile das Wort dem Kollegen Albert Schmidt,

Bündnis 90/Die Grünen.

Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Zehn Jahre Bahnreform – das ist weder ein
Grund zum Jammern noch zum Jubeln. Es ist der Anlass
für eine ehrliche und, wie ich meine, durchaus selbstkri-
tische Zwischenbilanz. Genau das will ich hier versu-
chen.

Zu den wichtigsten Pluspunkten dieser Zwischen-
bilanz gehört aus unserer Sicht erstens die Umwandlung
der früheren Behördenbahn – nach der schwierigen In-
tegration der Reichsbahn in die Bundesbahn – in ein pri-
vatrechtlich organisiertes Unternehmen. Das hat un-
bestreitbar große Fortschritte in der Produktivität
ermöglicht. Dabei streite ich mich hier nicht um Zahlen.
Vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren
und sind es, die hier Gewaltiges geleistet haben, und
zwar zum Teil oft unter großen persönlichen Opfern. Ich
bin froh, dass wir alle zusammen der Auffassung sind,
dass ihnen der Dank und die Anerkennung des ganzen
Hauses gebührt.

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(C (D (Beifall im ganzen Hause – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das habe ich doch betont! Dr. Peter Danckert [SPD]: Man kann auch wiederholen, was der Friedrich sagt! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Warum regt ihr euch denn so auf? – Dr. Peter Danckert [SPD]: Wir regen uns doch nicht auf! Sie regen sich auf! – Gegenruf des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ich rege mich nicht auf!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905100

Ich stelle fest, dass wechselseitig keine Aufregung be-

teht, sodass der Fortsetzung der Rede des Kollegen
chmidt nichts im Wege steht.
Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der

ollzug der Bahnreform. Diese Reform hat den Bundes-
aushalt und damit auch den Steuerzahler in erhebli-
hem Umfang entlastet.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wo denn?)

ies war eines der Hauptziele der Bahnreform. Helmut
chmidt hat damals gesagt: Bundesbahn oder Bundes-
ehr – beides zugleich kann man sich eigentlich nicht
eisten.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ihr schafft beides nicht!)


ch will mich nun nicht darüber streiten, ob der Bundes-
aushalt um 108 oder nur um 50 Milliarden Euro entlas-
t worden ist. Eines steht fest: Die Entlastung für den
aushalt ist deutlich höher, als 1993 vorhergesagt
urde. Das ist ein Erfolg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dritter Punkt. Dank gewaltiger Investitionen, in Stre-
ke wie in neue Züge, ist die Bahn heute leistungsfähiger
nd moderner als vor zehn Jahren. Allein unter der
mtszeit dieser Regierung seit 1998 wurden die Schie-
enbaumittel von damals unter 5 Milliarden DM auf
in Rekordniveau von zuletzt, im Jahr 2003, 4,5 Milliar-
en Euro gesteigert.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist fast verdoppelt! – Siegfried Scheffler [SPD]: Da könnt ihr ruhig mal klatschen!)


er damit erreichte Fortschritt ist von den Kundinnen
nd Kunden jeden Tag buchstäblich „erfahrbar“.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


as heißt nämlich: moderne Streckentechnik und kom-
ortablere Fahrzeuge, insbesondere im Nahverkehr. Das
anze alte Gerümpel ist von der Schiene. In vielen Städ-
n gibt es neue und attraktive Bahnhöfe. Darauf kann
nd darauf darf man stolz sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Peter Danckert Albert Schmidt [SPD]: Das Nicken ist im Protokoll nicht zu sehen! – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ruhe auf der linken Seite!)





(A) )


(B) )


Der vierte Pluspunkt. Im Nahverkehr konnte das
Zugangebot um 20 Prozent gesteigert werden. Die Ver-
kehrsleistung ist meines Erachtens, nach Durchsicht al-
ler kritischen statistischen Veränderungen, durchaus ge-
wachsen. Ich streite mich nicht um Zahlen, aber es hat
ein erhebliches Wachstum gegeben. Voraussetzung dafür
sind allerdings auch die enormen Regionalisierungs-
mittel, die der Bund jedes Jahr zur Verfügung stellt.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Aber nur da!)


Auch diesen Posten haben wir unter Rot-Grün auf heute
knapp 7 Milliarden Euro pro Jahr erhöht und sogar bis
2007 dynamisiert. Ich kenne kein einziges Bundesge-
setz, das dermaßen großzügig ist wie das Regionalisie-
rungsgesetz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Jetzt wird wieder gekürzt!)


– Eine einmalige kleine Delle in Höhe von 2 Prozent ist
verkraftbar.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Es ist richtig, dass wir erhöht haben und dynamisieren,
denn im Nahverkehr wird jeden Tag die Schlacht ge-
schlagen. Dort sind jeden Tag über 5 Millionen Fahr-
gäste unterwegs. 90 Prozent aller Bahnfahrerinnen und
Bahnfahrer sind im Nahverkehr unterwegs, auf dem Weg
zur Arbeit oder im Freizeitverkehr. Dort wird von der
DB-Regio, aber zunehmend auch von anderen Bahnen
der Hauptumsatz jeden Tag gemacht. Jetzt sage ich all
den Schlaumeiern, die behaupten, das sei zu viel Geld
für die Schiene: Stellen Sie sich bitte einmal einen Mo-
ment vor, diese 5 Millionen Fahrgäste pro Tag allein im
Nahverkehr würde man zusätzlich auf den Straßen unse-
rer Innenstädte, unserer Ballungszentren und auf den
Pendlerstrecken wiederfinden. Das wäre der Dauerstau.
Das wäre das Ende der Mobilität auch auf der Straße.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deshalb ist das ein Erfolg.
Fünfter Punkt. Es gab Fortschritte bei der Herstellung

von Chancengleichheit. Das ist in erster Linie unser poli-
tischer Job gewesen. Wir haben Fortschritte erzielt. Ich
nenne die Gleichbehandlung bei den Investivmitteln.
Das ist auch schon vom Kollegen Reinhard Weis ange-
sprochen worden. Ich nenne die Befreiung der Bahn
vom halben Ökosteuersatz von ihren Linienbussen
– die Bahn hat auch Busse –, über die S-Bahn bis hin
zum ICE, was mit jedem Erhöhungsschritt der Öko-
steuer einen relativen Preisvorteil zugunsten der Bahn
gebracht hat. Ich nenne die Angleichung der Pendler-
pauschale durch die Anhebung auf das gleiche Niveau
wie für den Autofahrer.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Was hat uns das genützt?)


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(C (D uch wenn wir jetzt mit Recht verlangen, die Pendlerauschale insgesamt zu senken, so wird es eine Rückehr zur Privilegierung der Autofahrer nicht mehr geen. Das ist vorbei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dem aber stehen ernüchternde Ergebnisse in anderen
ereichen gegenüber, die ich genauso deutlich benennen
öchte. Erster Punkt. Das Hauptziel der Bahnreform
das ist wiederholt angesprochen worden –, nämlich
ehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu holen,
urde, anders als im Nahverkehr, im Fernverkehr und
Güterverkehr nicht oder nur ungenügend erreicht.
uch die Umsatzentwicklung in diesen Segmenten sta-
niert seit Jahren.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ein weiteres Abweichen von der Prognose!)


urch hausgemachte Fehler im Bahnmanagement, be-
onders durch das verkorkste Fahrpreissystem des letz-
en Jahres, wurden zusätzlich Umsatzeinbrüche verur-
acht, deren Behebung jetzt Zeit und zusätzlichen
ufwand kostet.
Zweiter Punkt. Ich sage selbstkritisch dazu – Ihre Mi-

ister waren da nicht unbeteiligt –: Es wurde zu lange zu
iel Geld in einige wenige überteuerte Großprojekte
nter Vernachlässigung des Bestandsnetzes in der Fläche
esteckt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


as haben wir ein Stück weit korrigiert, aber es belastet
ns noch.
Ein dritter Punkt, der selbstkritisch zu sehen ist: Der
it der Bahnreform eingeschlagene Weg zu selbststän-
ig operierenden Transportgesellschaften im Nahver-
ehr, Fernverkehr und Güterverkehr wurde zugunsten
iner immer zentralistischeren Konzernstruktur verlas-
en. Das halte ich für eine fatale Fehlentwicklung.


(Beifall im ganzen Hause)

Vierter Punkt. Auch die Absicht, durch mehr Wettbe-
erb mehr Leben in die Bude zu bringen, also mehr Ver-
ehr auf die Schiene zu bringen, wurde nur unzurei-
hend umgesetzt.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Dann ändert es doch!)


ch möchte aber hinzufügen: Wenn ich unsere Nachbar-
nder sehe, dann stelle ich fest, dass die Situation dort
och viel schlechter als bei uns ist. Da müssen wir uns
icht verstecken.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wir sollten uns nicht an den Schlechteren orientieren!)


Ganz richtig. Da stimme ich ausdrücklich zu. –
Fünfter Punkt. Der Schuldenstand ist schon ange-

prochen worden. Den sehe ich genauso wie andere Kol-
gen auch mit Sorge.






(A) )



(B) )


Albert Schmidt (Ingolstadt)


Was bleibt nach dieser durchwachsenen Bilanz zu

tun? Die Weichen müssen noch konsequenter nicht nur
pro Bahn, sondern pro Schiene gestellt werden. Denn
viele Unternehmen sollen dort erfolgreich arbeiten kön-
nen.


(Beifall im ganzen Hause)

Erstens. Die Bahn muss pünktlicher und vor allem im

Kommunikationsstil gegenüber dem Kunden freund-
licher werden. Was wir zum Teil in letzter Zeit gehört
haben, grenzt an Kundenbeschimpfung. Das muss auf-
hören.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zweitens. Durch einen verbesserten Marktzugang
auch für andere Bahnunternehmen kann und muss mehr
Dynamik entstehen. Die Novellierung des Allgemeinen
Eisenbahngesetzes, die längst überfällig ist,


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ja, wann kommt sie denn?)


wird hoffentlich ein wichtiger erster Schritt in diese
Richtung sein.

Drittens. Das sage ich in allem Ernst, liebe Kollegin-
nen und Kollegen: Hände weg vom Schienen- und vom
Bahnetat!


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wer hat denn die Mehrheit?)


Das ist kein Steinbruch zur Haushaltssanierung. Es gibt
keinen sachlichen Grund für einen Stillstand oder Rück-
schritt bei der Modernisierung der Infrastruktur oder der
Fahrzeuge. Notwendig ist vielmehr eine Verstetigung
der Bundesmittel auf dem von uns erreichten hohen Ni-
veau. Dafür kämpfen wir.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Tun Sie das auch in der Regierungskoalition!)


Angesichts der knappen Kassen weise ich aber auch
darauf hin – ich bin kein Illusionist; ich gelte als Realpo-
litiker –: Wir müssen von überteuerten Lieblings- und
Prestigeprojekten Abschied nehmen. Auch das gehört
zur selbstkritischen Bestandsaufnahme.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will an dieser Stelle die einzelnen Projekte nicht
nennen, um keinen Zoff anzufangen, aber die betreffen-
den Herrschaften wissen sehr genau, was gemeint ist.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Dann gucken wir einmal in den Verkehrswegeplan! Wer hat den denn beschlossen?)


Ich kann die Sorge des Vorstandsvorsitzenden der
Deutschen Bahn AG, Hartmut Mehdorn, um ausrei-
chende Bundesmittel für das Schienennetz durchaus
nachvollziehen.

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(C (D uch wir kämpfen dafür, dass die Bahn über ausreihende Mittel verfügen kann. Aber eines kann ich nicht nachvollziehen: Warum ill der Bahnvorstand den Hauptbremsklotz für seine nternehmensbilanz – nämlich das Netz – unbedingt im onzern behalten? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ich auch!)


Der Streckenausbau und -neubau wird immer vom
uten Willen des Finanzministers, von den politischen
ehrheiten und zum Teil sogar von der Unfähigkeit der
eutschen Industrie abhängig sein, die in einem Konsor-
ium namens Toll Collect mittelbar negativen Einfluss
uf die Bilanz der Deutschen Bahn AG im Jahr 2004
usübt. Warum um Himmels willen will man diese Ab-
ängigkeiten zementieren, statt sie aufzulösen? Das ver-
tehe ich nicht.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das wird die große Frage des Jahres 2004 sein!)


Ich glaube, der integrierte Börsengang würde eine
olche Zementierung bedeuten. Das wäre so, als würde
an die Unternehmensbilanzen der LKW-Spediteure
om Straßenbauetat des Bundes abhängig machen. Das
ber geht schief.
Notwendig ist, das Unternehmen Bahn für die Beteili-

ung privaten Kapitals attraktiv zu machen. Darin teile
ch die Auffassung des Kollegen Reinhard Weis völlig.
as bedeutet aber die konsequente Weiterentwicklung
iner Unternehmensstruktur, die auch zielführend ist.
as Streckennetz wird immer – wie auch das Straßen-
etz – ein Zuschussgeschäft sein.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: So ist es!)

as Streckennetz ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Das
eißt, Infrastruktur muss auch dort vorgehalten werden,
o sie sich nicht unbedingt rechnet. Das Streckennetz ist
ls Renditeobjekt für private Anleger ungeeignet. Denn
nders als mildtätige Einrichtungen wollen sie ihr Kapi-
al verzinst sehen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist auch gut so!)


as aber ist bei Beteiligungen öffentlicher an Infrastruk-
r nicht zu erwarten.
Mit dem Transportgeschäft dagegen lässt sich, wenn
an es richtig macht, Geld verdienen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist keine staatliche Aufgabe!)


Deshalb liegt es für mich in der Logik der Bahnre-
orm, die Transportgesellschaften schrittweise zu priva-
sieren, das Eigentum an der Infrastruktur aber in der
ffentlichen Hand zu halten. Was die Regionalnetze an-
eht, könnten das durchaus die Länder sein, die auch den
erkehr auf diesen Netzen bestellen und sehr gut geeig-
et wären, ihre eigenen Netze zu bekommen.






(A) )



(B) )


Albert Schmidt (Ingolstadt)



(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU] – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das wird nichts!)


Ein überstürzter Börsengang nach einem falschen
Modell, erkauft durch einen halben Investitionsstopp des
Konzerns bei der Infrastruktur und bei der Fahrzeug-
beschaffung zur Erreichung schwarzer Zahlen auf Teufel
komm raus, hilft uns nicht weiter. Im Gegenteil: Er rich-
tet Schaden an.

Deshalb liegt es in unserer gemeinsamen Verantwor-
tung, die Weichen richtig zu stellen und darüber hinaus
für mehr Chancengleichheit für alle Bahnen gegenüber
den anderen Verkehrsträgern zu sorgen. Das heißt für
mich: Weg mit dem Mehrwertsteuerprivileg im grenz-
überschreitenden Luftverkehr! Schluss mit dem Skandal
der einseitigen Privilegierung des Luftverkehrs bei der
Kerosinsteuer!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das schadet übrigens auch dem Autoverkehr.
Weg mit den rechtlichen und technischen Grenzbar-

rieren innerhalb der Europäischen Union!

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905200

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN):
Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz. – Für

mich besteht der nächste Schritt – neben der Einführung
der LKW-Maut, mit der die Waffengleichheit mit dem
Güterzug hergestellt wird – konkret in der Halbierung
der Mehrwertsteuer für den Fernverkehr, wie es in ande-
ren europäischen Ländern längst der Fall ist. Dieses
Preissignal verstehen die Kunden; es hilft ihnen bei der
Kaufentscheidung.

Es gibt viel zu tun – für den Vorstand, aber auch für
uns in der Verkehrspolitik. Lassen Sie uns das Thema
diskutieren, aber nicht zu lange! Packen wir es an!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP – Eduard Oswald [CDU/CSU]: An wen haben sich diese Worte jetzt wohl gerichtet?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905300

Nun hat der Kollege Eduard Lintner für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.

Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1508905400

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich war auf
der Veranstaltung der Parlamentsgruppe „Schiene“,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Eine sehr gute Parlamentsgruppe!)


die schon mehrfach angesprochen worden ist und auf der
darüber geklagt worden ist, dass die Bahnreform zu

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(C (D chlecht gemacht werde und dass die positiven Ergebisse zu wenig gewürdigt worden seien. Deshalb möchte ch als einleitenden Satz anmerken, dass die Bahnreform ls Konzeption und grundsätzliche ordnungspolitische ntscheidung richtig war und durchaus einen Erfolg dartellt. An diesem Erfolg haben damals sehr viele mitgeirkt: eben der damaligen Bundesregierung alle Fraktionen ieses Hauses außer der PDS, der Bundesrat, die Eisenahner, und zwar sowohl vor als auch nach 1993, und uch die für die Bahn zuständigen gewerkschaftlichen rganisationen. Das sei nochmals in Erinnerung geruen. Der Erfolg liegt auch darin, dass das Riesenschiff Deut che Bahn durch die vorgenommene prinzipielle Weichentellung auf einen zukunftsträchtigen Kurs gelenkt woren ist. Das ist ein ordnungspolitischer Erfolg – das wollen ir durchaus anerkennen –, um den uns heute viele anere Länder beneiden, die einen solchen radikalen chritt bis heute nicht gewagt haben, die sich aber darüer im Klaren sind, dass sie ihn in den nächsten Jahren ehen müssen. Ich kann außerdem bestätigen, dass das rscheinungsbild der Bahn in vielen Bereichen durchaus ttraktiver geworden ist. Aber das ändert nichts daran, ass damals viele Mittel, die der Bund zur Verfügung getellt hat, nicht abgerufen worden sind. Herr Kollege chmidt, wenn Sie gebetsmühlenartig darauf hinweisen, (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin ein frommer Mensch!)


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr!)


ass seinerzeit weniger Geld zur Verfügung gestellt wor-
en sei als in den letzten Jahren, dann muss ich Ihnen sa-
en, dass das nicht zutreffend ist; denn Sie verschweigen
en anderen Teil der Wahrheit, dass das Geld zwar, wie
esagt, vorhanden gewesen ist, dass es aber von der
ahn nicht verbaut bzw. verplant werden konnte.


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war noch nicht einmal vorhanden! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Es war vorhanden! Das gibt die Bahn inzwischen sogar zu!)


enn wir schon dabei sind, Bilanz zu ziehen, möchte ich
och darauf hinweisen, dass Sie auf dem besten Wege
ind, die Mittel für die Bahn auf unter 4 Milliarden Euro
u senken, also unter das, was beispielsweise Herr
ällmann auf der besagten Veranstaltung als unverzicht-
ares Minimum bezeichnet hat.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wissen wir schon lange! Auch das haben Sie nicht annähernd erreicht!)


Wir müssen leider feststellen – der Kollege Fischer
nd der Kollege Friedrich haben das bereits erwähnt –,
ass die wesentlichen Zielsetzungen der Bahnreform
eute wieder gefährdet sind. Das liegt auch daran, dass
ie nicht konsequent weiter verfolgt worden ist, Herr
ollege Weis. Ich wundere mich, dass Sie uns Inkonse-
uenz bei der Bahnpolitik vorwerfen; denn ich denke,






(A) )



(B) )


Eduard Lintner

dass wir in diesem Bereich ein Muster an Konsequenz
sind.


(Lachen bei der SPD – Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist ein kleiner Scherz hier im Plenum!)


Sie sind doch dabei, vom Pfad der Tugend abzuwei-
chen. Bezeichnend ist, dass, als Herr Schmidt für eine
Trennung von Netz und Betrieb plädiert hat, der Bei-
fall nicht nur von der rechten Seite kam, sondern dass
auch einige Ihrer Kollegen geklatscht haben. Das ist ein
deutlicher Hinweis auf die richtige Weichenstellung.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Wort Trennung habe ich gar nicht in den Mund genommen!)


Bahnchef Hartmut Mehdorn hat beim gestrigen Emp-
fang gesagt, man sei noch lange nicht fertig. Damit hat
er natürlich völlig Recht. Insbesondere sind bis heute
zwei Kernziele nicht erreicht worden: die Stärkung der
Schiene innerhalb des Verkehrsmarktes und die nachhal-
tige Entlastung des Bundeshaushalts. Die Zahlen sind al-
les andere als positiv. Der Personenverkehr stagniert im
Großen und Ganzen, und dies auch nur deshalb, weil im
regionalen Bereich deutliche Zuwächse zu verzeichnen
sind. Der Anteil des Güterverkehrs ist mittlerweile von
weit über 20 Prozent auf unter 15 Prozent gefallen. Dazu
ist es deshalb gekommen, weil die Bundesregierung und
insbesondere ihre zahlreichen Verkehrsminister nicht
solche Rahmenbedingungen geschaffen haben, dass die
Bahn hätte loslegen können und in der Lage gewesen
wäre, ungezwungener zu wirtschaften, als sie das tat-
sächlich tun konnte.

Lassen Sie mich einen Aspekt herausheben, der in die-
sem Zusammenhang nicht unterschätzt werden sollte – er
hat auch bei den Veranstaltungen, die diese Woche statt-
gefunden haben, eine gewisse Rolle gespielt –: Wir alle
wissen – das ist völlig unbestritten –, dass vor allem der
Gütertransport über längere Strecken eine besonders
starke Seite des Schienenverkehrs ist. Angesichts dessen
ist Deutschland fast zu klein. Die Bahn hat deshalb ein
ganz elementares Interesse daran, Güter auch über
Staatsgrenzen hinweg möglichst reibungslos transportie-
ren zu können.

Im Gegensatz zum LKW, der innerhalb der EU heute
praktisch jeden Punkt, ohne anzuhalten, anfahren kann,
dürfen die Züge der Deutsche Bahn nicht einfach nach
Frankreich oder nach Italien fahren, sondern sie müssen
vorher zahlreiche Hindernisse überwinden. Soweit diese
technischer Art sind, handelt es sich um etwas Lästiges,
was bewältigt werden muss; darin sind wir uns einig.
Aber wo ein Wille ist, ist sicherlich auch ein Weg.

Dieser Wille hat bis heute im Hinblick auf die Öff-
nung der nationalen Schienennetze für die ausländische
und für die inländische Konkurrenz gefehlt. Deutschland
hat seine Schienenwege geöffnet und andere wichtige
europäische Länder sind ihm dabei bis heute leider nicht
gefolgt. Frankreich leistet noch immer ganz hartnäcki-
gen Widerstand, wenn es um die Liberalisierung des Zu-
gangs zum eigenen Schienennetz geht.

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(C (D Das Ganze wäre aus unserer Sicht vielleicht nicht so ramatisch, wenn sich die SNCF, die staatliche französiche Eisenbahngesellschaft, über Tochterfirmen hier bei ns nicht wie der Hecht im Karpfenteich verhielte, wähend unserer Bahn andererseits nicht erlaubt wird, in rankreich tätig zu werden. Solange der von mir kurz beschriebene Zustand an ält, ist es einfach nicht zu erwarten, dass die Bahn in er Lage ist, im internationalen Güterverkehr, beispielseise dem LKW, Paroli zu bieten. Faktisch ist es doch o, dass heute Züge der Bahn, etwa an der Grenze zu rankreich oder innerhalb Frankreichs, tagelang stehen nd dass damit natürlich jegliche Verlässlichkeit, was ie Transportzeit, die Pünktlichkeit usw. angeht, verloen geht. Damit wird dem LKW ein ganz entscheidender orteil verschafft, der bis heute leider nicht beseitigt orden ist. An dieser Stelle setzt mein Vorwurf gegenüber der undesregierung an. Wir beklagen diesen Zustand seit ahren; dennoch hat sie es versäumt, innerhalb der EU it Nachdruck auf eine Änderung dieser Situation hinuwirken. Vielmehr hat man in einer Art Kuhhandel ompromisse zugunsten bestimmter Branchen geschlosen. Einen solchen Kompromiss ist man beispielsweise ugunsten des Bergbaus und zulasten des Verkehrs und amit der Bahn eingegangen. Das – bereits erwähnte – neue EU-Eisenbahnpaket nthält die Vorgabe der Liberalisierung bis 2006. Dies roht dadurch stark verwässert zu werden, dass man ersucht, diesen Termin bis zur Liberalisierung der naionalen Netze, also um Jahre, hinauszuschieben. Nicht msonst hat Herr Mehdorn den Vertretern der Bundesreierung auf dem gestrigen Empfang gesagt, dass die Öffung der Grenzen ein wesentlicher Faktor für den Erfolg er Bahn sei. Darin ist ihm zuzustimmen. Wiederum an ie Vertreter der Bundesregierung gewandt, sagte er, sie üssten mit eiserner Hand als Vertreter Deutschlands in rüssel dafür eintreten, dass der Termin der Liberalisieung eingehalten wird. Wie Sie sehen, wird die Dramatik in dieser Angele enheit gar nicht von der Opposition erzeugt, sondern on denen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen zu eiden haben, nämlich von den Vertretern der Deutschen ahn. Die Bundesregierung muss sich hier Versäumisse vorhalten lassen. Ich hoffe, dass sie die Chance, die ich bei den Verhandlungen wieder ergibt, entschlosseer ergreift, als sie es in der Vergangenheit getan hat. Ein weiterer Kernpunkt war die Frage der Zuschüsse us dem Bundeshaushalt. Es geht darum, wie die Bahn n die Lage versetzt werden kann, wirtschaftlichere Erebnisse zu erzielen. Wie bereits betont worden ist, pielt die Wettbewerbsfähigkeit dabei eine große Rolle. ier muss die Bahn aber auch die Bereitschaft haben, ich diesem Wettbewerb ehrlich zu stellen. Ich möchte jetzt nicht auf die grundsätzlichen As ekte eingehen. Eines aber ist mir bei der Diskussion der etzten Tage aufgefallen: Die Bahn lässt sich offenbar on Investmentbankern ausrechnen, was zu erwarten äre, wenn sie die materielle Privatisierung, also den Eduard Lintner Börsengang, in der Einheit von Netz und Betrieb betreibt. Sie weigert sich aber hartnäckig, dieselbe Rechnung auch für die Konstruktion „Trennung von Netz und Betrieb“ anstellen zu lassen. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!)





(A) )


(B) )


Nun frage ich Sie: Können wir es verantworten, ins-
besondere der Bund als Eigentümer der Bahn, dass eine
so schwer wiegende Entscheidung auf der Grundlage un-
vollkommener Erkenntnisse bzw. Informationen getrof-
fen wird? Es wäre doch insbesondere aufgrund der be-
stehenden kontroversen Meinungslage das Mindeste,
von der Bahn zu fordern, dass sie neben der Variante
„Netz und Betrieb“ auch die Variante „Trennung von
Netz und Betrieb“ prüfen lässt. Dann wäre eine Grund-
lage gegeben, auf der wir und möglicherweise auch sie
selbst ehrlich beurteilen könnten, was der richtige Weg
ist.

Ich sage Ihnen heute schon: Wenn die Bahn diese Al-
ternative tatsächlich nicht untersuchen lässt, was leider
zu erwarten ist, dann ist es die Pflicht der Bundesregie-
rung, diese Variante prüfen zu lassen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Aber neutral!)


– Von neutralen Gutachtern, selbstverständlich, Herr
Kollege Friedrich. – Nur dann sind wir in der Lage, eine
vernünftige Entscheidung zu treffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905500

Herr Kollege, ich muss Sie darauf aufmerksam ma-

chen, dass Ihre Redezeit schon deutlich überschritten ist.


Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1508905600

Ich bin dabei zum Schluss zu kommen, Herr Präsi-

dent.
Aus diesen Worten mögen Sie erkennen, dass wir

weiterhin bereit sind, konstruktiv, kritisch, aber auch
zielorientiert das weitere Schicksal der Bahnreform zu
begleiten.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: So ist es! Wir wollen Erfolge sehen! Uns liegt die Bahn am Herzen!)


Wir werden aber sehr darauf achten – das ist einer der
Punkte, an denen das ganz deutlich wird –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905700

Nein, Herr Kollege, ich muss Sie jetzt wirklich bitten,

den Schluss nicht nur anzukündigen, sondern ihn auch
zu vollziehen.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das hat er immer so gemacht! Die ganze Bahnpolitik von denen ist so!)


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(C (D – sofort, Herr Präsident –, ob Sie es mit der Bahnre orm ehrlich meinen oder nicht. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP] – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jawohl! Das ist der Punkt!)

Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1508905800


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508905900

Das Wort hat nun die Parlamentarische Staatssekretä-

in Angelika Mertens.

A
Angelika Mertens (SPD):
Rede ID: ID1508906000

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

en! Herrn Lintner kann man eigentlich nur beglück-
ünschen für diese in vielen Phasen wohltuend gute
ede. Ich werde gleich darauf zurückkommen, weil er
inen sehr wichtigen Punkt angesprochen hat; denn ich
enke, die offenen Grenzen sind für das, was wir vorha-
en, das A und O.
Ich will zu Beginn ganz kurz etwas zum Haushalt sa-

en. Wir haben objektiv Probleme. Das hat mit der Maut
u tun, das hat aber auch mit dem Ergebnis im Vermitt-
ungsausschuss zu tun. Es hat damit zu tun, dass es zwei
inisterpräsidenten gibt – der eine heißt Koch, der an-
ere heißt Steinbrück –, die sich etwas ausgedacht ha-
en, was zulasten der Bahn geht.
Ich habe immer ein bisschen das Gefühl, dass Sie

iese Herren gar nicht kennen.

(Jörg van Essen [FDP]: Bei uns im Lande kennt man die kaum! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wenn ich mich recht erinnere, ist einer davon Mitglied der SPD!)


ir werden uns damit befassen müssen.

(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Es war doch die Bundesregierung, die dieses Papier eingeführt hat! Wer hat denn das Koch/Steinbrück-Papier überhaupt zur Grundlage gemacht? Beschwert euch doch nicht!)


Die FDP kann sich zurücklehnen; das stimmt. – Ich
timme dem Subventionsbegriff dieser beiden Herren
icht zu. Ich denke, dass wir darüber reden müssen.
Vor einigen Tagen haben wir den zehnjährigen
eburtstag der DB AG begangen. Ich werte den An-
rag der CDU/CSU und der FDP als eine Art Wortmel-
ung zum Geburtstag. Für eine Glückwunschkarte hat es
icht ganz gereicht.
Für eine Opposition ist das auch nicht ganz einfach,

ie ist in einer Art Zwickmühle: Es darf auf keinen Fall
er Eindruck hinterlassen werden, dass es nicht so
chlecht läuft, wie man es sich gewünscht hat. Auf der
nderen Seite muss man natürlich alles vermeiden, was
uch nur ansatzweise darauf hindeuten könnte, dass man
ie eigene Reform infrage stellt.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens

Ich habe dieses Problem nicht, ganz abgesehen da-

von, dass ich, als die Bahnreform beschlossen wurde,
noch nicht im Parlament war. Ich kann nur sagen: Es war
eine richtige Reform, es war eine gute Reform, es war
eine der wichtigsten Reformen dieses Landes. Nach
zehn Jahren kann man auch sagen: Die Reform war
überfällig. Sie war für die Entwicklung des Verkehrs-
marktes wichtig. Ich bin froh darüber und stolz darauf,
dass meine Partei dabei war.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich teile das, was Herr Friedrich gesagt hat, nicht. Er

hat gemeint, der Kompromiss sei letztlich Murks; Marx
und Markt könne man nicht miteinander verbinden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ich habe gesagt: Die Kombination von Markt und Marx ist meistens Murks!)


– Sie können nachher nachlesen, was Sie gesagt haben,
Herr Friedrich.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ich brauche nicht nachzulesen! Ich weiß, was ich gesagt habe! Nur Sie wissen es nicht! – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir doch alle, dass Marx Murks ist!)


Vielleicht haben Sie jetzt auch einen falschen Eindruck
hinterlassen. – Ich denke jedenfalls, dass diese Reform
richtig und gut war.

Die Reform ist nicht vollendet. Vor allem was die
Verlagerung von der Straße auf die Schiene angeht, ha-
ben wir alle uns mehr erhofft. Das hat nicht nur mit den
absoluten Zahlen zu tun, sondern das hat vor allem mit
dem Modal Split zutun. Da gibt es – da beißt die Maus
doch überhaupt keinen Faden ab – große Enttäuschung.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Aus die Maus!)


Da sollten wir aber auch fair sein. Wir können das nicht
der DB AG allein anlasten.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist wahr!)


Verlader und Spediteure, egal ob zu Wasser, zu Lande
oder in der Luft, gehören in der Regel nicht zu den Ro-
mantikern.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Was heißt das denn?)


Für sie zählen Preis und Zuverlässigkeit als Kombina-
tion, fast sogar symbiotisch.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Offensichtlich zwei Punkte, die die Bahn nicht hinkriegt!)


Ich hatte das Vergnügen, neulich im Musterland der
Schienenwege, in der Schweiz, an einer internationalen
Tagung teilzunehmen. Dort hat man versucht, sein Sor-
genkind darzustellen. Das Sorgenkind ist trotz der
Schwerverkehrsabgabe der grenzüberschreitende Gü-
terverkehr. Man hat Probleme mit der Pünktlichkeit.
Genau das bedrückt und ärgert auch uns hier am meis-

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(C (D en. Deshalb sind die Spediteure und Verlader hier sehr urückhaltend – bei allen kleinen und vielleicht auch alen größeren Erfolgen, die wir haben, vor allem im kominierten Verkehr. Die Alternative ist ganz einfach – wir lle wissen das im Grunde –: Entweder gibt es für den chienenverkehr offene Grenzen oder der Schienenverehr, vor allem der Güterverkehr, wird zweite Wahl bleien. Das erste Eisenbahnpaket stammt aus dem Jahr 1991. as die formale Umsetzung angeht, sage ich hier nur: sche auf unser Haupt. Ich denke aber, dass wir nicht ie Letzten sein werden, die das für sich sagen müssen. (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


(Beifall bei der SPD)


ie wissen, dass derzeit ein Gesetzentwurf in der Län-
er- und Verbändeanhörung ist.
Was die faktische Umsetzung angeht: Wir haben un-

er Netz geöffnet. Fast 300 Unternehmen fahren auf dem
etz der DB AG. Der übliche Einwand, dabei handele es
ich nur um Museumsbahnen, ist – Sie wissen das auch –
alsch. Der Großteil der Unternehmen, die darauf fahren,
at nichts mit dem Freizeitgedanken zu tun.
Meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP,
it Ihrem Antrag rennen Sie zum Teil offene Türen ein.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Schauen wir mal, wo die Mauern dann sind!)


ie unterstellen aber auch so etwas wie Verrat an der
ahnreform.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wo steht etwas von Verrat? Vielleicht von Fahrrad, aber nicht von Verrat!)


as Gegenteil ist der Fall.
Zur Vollendung der Bahnreform gehört auch das Er-

eichen der Kapitalmarktfähigkeit. Dazu zitiere ich
inmal sehr verkürzt den Aufsichtsratsvorsitzenden
r. Frenzel,


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das macht es nicht besser!)


er gestern eigentlich nur gesagt hat: Was denn sonst?

(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Frage ist, wie! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Bei seiner Historie stelle ich mir das auch so vor!)


ch kann das hier nur unterstreichen.
Der Antrag enthält einige Detailforderungen für den

all des Börsengangs. Deshalb möchte ich an dieser
telle Folgendes noch einmal sehr deutlich machen:
ichts wird aus dem Handgelenk entschieden. Für einen
olchen Schritt brauchen wir, wie damals bei der Bahn-
eform, gute und verlässliche Informationen sowie einen
esellschaftspolitischen Konsens.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Angelika Mertens

Das betrifft auch die Entscheidung des Eigentümers

über einen möglichen Börsengang. Nach wie vor bleibt
das grundlegende Ziel, die DB AG börsenfähig zu ma-
chen. Priorität hat dabei die Herstellung der Kapital-
marktfähigkeit des Unternehmens. Erst wenn diese
Grundvoraussetzung erfüllt ist, kann über einen Börsen-
gang entschieden werden. Das Bundesministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ist ja nicht das ein-
zige Ressort – wenn auch das wichtigste –, das daran be-
teiligt ist. Es sind deshalb jetzt gemeinsame Arbeitsgrup-
pen der Ressorts und der DB AG gebildet worden. Wir
nehmen dabei die verfassungsrechtliche Verantwortung,
die der Bund für das Schienennetz hat, sehr ernst.

Meine Damen und Herren, die Task Force „Zukunft
der Schiene“ hat nach sorgfältiger Prüfung Empfehlun-
gen abgegeben, unter anderem die Empfehlung, das Un-
ternehmen nicht aufzuspalten, sondern als Holding be-
stehen zu lassen. Ich glaube, dass in diesem Punkt der
meiste Dissens zwischen uns besteht.

Ich würde mich freuen – das ist jetzt nicht als Ange-
bot von oben herab, sondern als freundliche Aufforde-
rung zu verstehen –, wenn wir unaufgeregt, in gegensei-
tigem Respekt und ohne Vorbedingungen – es wird ja
immer wieder versucht, solche hier hereinzubringen –
über das gemeinsame Ziel, nämlich den erfolgreichen
Abschluss der Bahnreform, miteinander sprechen könn-
ten. Ich stehe Ihnen hierfür jederzeit zur Verfügung. Ich
würde mich freuen, wenn Sie darauf eingehen würden.
Ich glaube, dass wir wie damals bei der Bahnreform ge-
meinsam vorgehen sollten. Noch ist es nicht so weit. Im
Moment werden wir nichts entscheiden. Erst brauchen
wir gute Informationen, bevor wir etwas entscheiden.
Diese werden wir Ihnen zur Verfügung stellen und wir
sollten sie auch gemeinsam miteinander diskutieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508906100

Ich erteile das Wort dem Kollegen Enak Ferlemann,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1508906200

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Zehn Jahre Bahnreform – man
muss, wie ich glaube, auch die Sichtweise derer berück-
sichtigen, für die wir Politik machen, nämlich die Bürge-
rinnen und Bürger dieses Landes und damit auch die
Nutzer des Verkehrsträgers Schiene. Ich als Vielfahrer
bei der Bahn bekomme immer einiges zu hören, wenn
bekannt wird, dass ein Bundestagsabgeordneter im Zug
ist, der auch noch Verkehrspolitik macht.


(Sören Bartol [SPD]: Haben Sie ein Schild umhängen?)


So bekommen Sie immer wieder zu hören, dass Reisen
mit der DB AG, also Bahn fahren, immer noch eine mo-
derne Form des Abenteuers ist.

Sie können allerlei mit der Bahn erleben.


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(C (D (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sehe an Ihren Reaktionen ja, dass auch Sie solche
espräche führen. – Es ist ja nicht so, wie es hier von ei-
igen dargestellt wurde, dass alles im grünen Bereich sei
nd alles wunderbar laufe, man nur mit der Privatisie-
ung nicht ganz zurechtkomme. Sie müssen einfach ein-
al sehen, was im Betrieb konkret passiert: Sie bekom-
en keine Anschlusszüge, weil der eigene Zug laufend
erspätet ist.
Was sich der Kunde von der Bahn wünscht, ist
erlässlichkeit. Genau das ist das, was das Bahnsystem
n Deutschland nicht bringt. Es ist nicht verlässlich. Als
utzer kann man sich bei seinen Planungen nicht darauf
erlassen. Oft sind die Klimaanlagen defekt und die Kü-
hen ausgefallen oder werden nicht bewirtschaftet. So
at man keine Möglichkeit, sich unterwegs zu versorgen.
ndauernd passieren diese Dinge.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist doch Quatsch und Blödsinn! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sie übertreiben jetzt!)


nsofern ist das, was mit der Bahnreform für die Nutzer
rreicht werden sollte, aus Sicht der Kunden noch lange
icht erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit der Bahnreform sind von der Politik bestimmte

iele verfolgt worden – wir haben das heute Morgen
chon mehrfach gehört –, beispielsweise mehr Verkehr
on der Straße auf die Schiene zu bringen und eine Ent-
astung des Bundeshaushaltes zu erreichen. Zum Letzte-
en ist schon einiges gesagt worden. Ich sage jetzt noch
twas zur verkehrspolitischen Zielsetzung, mehr Ver-
ehr auf die Schiene zu bringen. Dieses Ziel ist ja so
icht erreicht worden. Die Bahn hat immer geringere
nteile an den Verkehrsleistungen. Wir wollen hoffen,
ass der Erwerb von Stinnes und die Umgestaltung zu
ailion wenigstens im Cargo-Bereich den Durchbruch
ringt, den wir uns alle erhoffen. Dies scheint ein gelun-
ener Zukauf zu sein; wollen wir sehen, wie es sich ent-
ickelt.
Das Erscheinungsbild ist katastrophal.

(Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist doch Blöd sinn!)

ie Preisreform, über die wir, im Übrigen auch im Aus-
chuss, sehr engagiert diskutiert haben – das ist noch gar
icht lange her –, war ein klarer Fehlschlag, eine
chlimme Marketingmaßnahme, die zurückgenommen
nd jetzt deutlich verbessert wurde.
Zur Verlässlichkeit habe ich einiges gesagt.

(Siegfried Scheffler [SPD]: Jetzt beschimpfen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DB AG!)


Herr Schmidt hat gesagt, die Qualität der Züge habe
ich verbessert. Bei den Zügen, mit denen ich fahre,
ann ich das nicht feststellen. Der Gipfel war – das habe
ch selber erlebt –, dass das Zugmaterial in einem Fall so






(A) )



(B) )


Enak Ferlemann

alt war, dass die Lokomotive vor einem Zug gebrannt
hat. Sie müssen sich einmal vorstellen, was das für die
Reisenden bedeutet. Ich habe selber erlebt, dass die frei-
willige Feuerwehr das Feuer an der Lokomotive löschen
musste. Meine Damen und Herren, wenn Sie in Bezug
auf die Züge von einem Qualitätsstandard sprechen,
dann müssen Sie auf anderen Strecken fahren als ich.


(Sören Bartol [SPD]: Das ist wohl wahr!)

Ein schlechter Standard ist das, was die Leute tagtäglich
erleben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


– Ich finde es gut, wenn bei Ihnen etwas Bewegung bei
diesem Thema ist; das halte ich für richtig.

Wie sieht es mit dem Wettbewerb aus? Wir haben
auf der Schiene keinen Wettbewerb. Es gibt einige an-
dere Betreiber, zum größten Teil auf Nebenstrecken,
kaum auf Hauptstrecken, im Kerngeschäft. Woran liegt
das? Die Deutsche Bahn AG kann kein Interesse daran
haben, Konkurrenz auf die Schiene zu lassen, weil es ihr
unmittelbar schadet.

Es gibt auch keine nachhaltige Entlastung des Bun-
deshaushaltes. Wir hatten bei der Bahn von 1961 bis
1993 Verbindlichkeiten in Höhe von 34,3 Milliarden
Euro; in der Zeit von 1994 bis Ende 2002 sind schon
wieder 24,5 Milliarden Euro an neuen Schulden bei der
Deutschen Bahn aufgelaufen. Das zeigt, in welcher Ra-
sanz wir hier in eine Schuldenbahn gelaufen sind. Und
das Thema ist noch lange nicht beendet: Das Netz hängt
am Tropf des Bundes und der Nahverkehr hängt am
Tropf der Länder.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Beides hängt am Geld des Steuerzahlers!)


– Genau, beides hängt am Geld des Steuerzahlers. Inso-
fern wird auch der Bundeshaushalt nicht entlastet. Damit
ist für eine Privatisierung, wie sie angedacht wurde,
noch kein Raum. Das Ziel wurde nicht erreicht.

Deswegen muss die Bundesregierung zehn Jahre nach
der Bahnreform eine umfassende Bestandsaufnahme und
Bewertung der Erfolge sowie der vielen Misserfolge der
Reform mittels externer Evaluierung durchführen.
Gleichzeitig bedürfen die verkehrs- und haushaltspoliti-
schen Voraussetzungen und Auswirkungen eines Bör-
senganges der DB AG einer eingehenden Prüfung. Ich
stimme denjenigen zu, die heute schon gesagt haben,
dass der Deutsche Bundestag frühzeitig beteiligt werden
muss, um die Voraussetzungen für eine breite Unterstüt-
zung der zukünftigen Schienenverkehrspolitik zu schaf-
fen, wie sie bereits ursprünglich Grundlage der Bahnre-
form war.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das Wichtigste scheint zu sein, dass der Bund – zu-
mindest mittelbar – Alleineigentümer des Schienennet-
zes der DB AG bleibt.

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(C (D (Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: „Bleibt“? Er ist es nicht! Das ist doch sachlich falsch!)


ie verfassungsrechtlich verankerte Verantwortung des
undes für die Schieneninfrastruktur muss konkretisiert
nd gesichert werden. Ich kann mir natürlich vorstellen,
ass die DB AG gerne das Netz privatisieren möchte –
as hat sie denn sonst schon an Sicherheiten zu bieten?
enn sie für einen Börsengang kapitalmarktfähig wer-
en will, dann muss sie Sicherheiten bieten. Wenn sie
ie nicht hat, dann kann sie nicht so privatisiert werden,
ie man sich das gemeinhin vorstellt. Da scheint ein
roßes strukturelles Problem in der Politik zu liegen.
Dass Herr Mehdorn das Interesse nicht hat, kann man

achvollziehen; er ist seinen privatwirtschaftlich orien-
ierten Zielen verpflichtet. Aber wir als Deutscher Bun-
estag haben andere Ziele im Auge, die wir nur errei-
hen können, wenn wir die Verantwortung für die
chieneninfrastruktur weiterhin im Hause behalten. Es
st eben nicht so, dass, wie oft dargestellt wird, aus-
chließlich die DB AG zuständig sei; nein, Alleineigen-
ümer ist die Bundesrepublik Deutschland und damit ist
ie Regierung in der Verantwortung. Sie sitzt ja auch in
en Aufsichtsräten und kann die Politik der Bahn gut
itsteuern und mitentwickeln. Das wird leider viel zu
enig getan.
Deshalb ist eine materielle Privatisierung – auch nur

eilprivatisierung – der Deutschen Bahn mit Netz abzu-
ehnen. Ein Vorgriff auf zukünftige Gestaltungsmöglich-
eiten des Haushaltsgesetzgebers etwa in Form einer
angfristigen Verpflichtungsermächtigung für Infrastruk-
urinvestitionsmittel muss ausgeschlossen werden.
Benötigt wird eine konsequente Ausrichtung der

chienenverkehrspolitik darauf, den entscheidenden
chritt zu einer Wettbewerbsbranche zu vollziehen und
en dazu notwendigen Wettbewerbsrahmen zu schaffen.
as kann nur dann gelingen, wenn das bundeseigene
nternehmen Deutsche Bahn AG dazu angehalten wird,
inen ordnungspolitischen Auftrag des Eigentümers un-
ernehmenspolitisch umzusetzen. Kernelement dieses
rdnungspolitischen Auftrags muss sein, den strategi-
chen Ansatz der zweiten und dritten Stufe der Bahn-
eform wieder aufzugreifen und fortzuführen.
Eine zukünftige Organisationsstruktur der Deutschen
ahn AG muss, wie im Rahmen der Bahnreform vorge-
ehen, dem Transparenzgedanken Rechnung tragen. Das
ilt insbesondere für die Unternehmensbereiche, in die
ffentliche Finanzmittel fließen. Direkte oder indirekte
uerfinanzierungen, wie bei der Maut – wenn sie denn
ommt – vorgesehen, sind zu vermeiden.
Als erster Schritt sind die Empfehlungen der Task

orce „Zukunft der Schiene“ unverzüglich umzusetzen,
obei die Vorgaben des Eisenbahninfrastrukturpakets
er Europäischen Union, das die EU-Richtlinien bein-
altet, strikt beachtet werden müssen. Die Richtlinien
ätten bereits bis zum 15. März 2003 in deutsches Recht
mgesetzt sein müssen. Das haben Sie nicht erreicht; das
iegt noch vor uns. Auch das ist ein großes Versagen der
egierung.






(A) )



(B) )


Enak Ferlemann

In einem nächsten Schritt – das ist das Wesentliche –

muss die Privatisierung der Verkehrsbereiche des DB-
Konzerns eingeleitet werden. Der danach im Bundesei-
gentum verbleibende DB-Konzern wird auf die Schie-
neninfrastruktur reduziert, inklusive aller Einrichtungen,
zu denen alle Wettbewerber in fairer Weise einen Zu-
gang haben müssen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508906300

Herr Kollege, bitte achten auch Sie auf die Redezeit.

Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1508906400

Herr Präsident, ich komme zum Schluss.
Die Bahnreform muss nach zehn Jahren neu bewertet

werden. Daraus müssen die richtigen Konsequenzen
zum Wohle des Verkehrsträgers Schiene und damit zum
Wohle aller Bürgerinnen und Bürger gezogen werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508906500

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Sören Bartol, SPD-Fraktion.

Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1508906600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Ferlemann, am Anfang meiner Rede
muss ich Ihnen sagen: Es ist mir völlig unverständlich,
wo Sie in Deutschland mit der Bahn fahren.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Sie können mich einmal begleiten!)


Ich glaube, dass Sie den Schwerpunkt eindeutig auf das
Auto legen.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Nein!)

Sonst hätten Sie gemerkt, dass sich nach zehn Jahren
Bahnreform doch einiges bei der Bahn geändert hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie hätten ebenfalls gemerkt, dass in Deutschland eine
brennende Lok nicht der Normalfall ist.

Herr Ferlemann, ich sage Ihnen ganz ehrlich – das ist
hier schon von einigen Rednern angesprochen worden –:
Diese Vorwürfe sind ungerecht gegenüber der Deutschen
Bahn AG und vor allen Dingen gegenüber ihren Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern, die sich in diesem Prozess
nun wahrlich angestrengt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Thema Fahrgastrechte hat den Bundestag in den
vergangenen zwei Jahren wiederholt beschäftigt, zuletzt
vor zwei Monaten. Dies geschah zu Recht; denn ein
Baustein einer Strategie für einen attraktiven öffentli-
chen Personenverkehr ist die Stärkung des Verbraucher-
schutzes. Nur wenn Busse und Bahnen kundenfreund-
lich und zuverlässig sind, nur wenn das Preis-Leistungs-

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(C (D erhältnis im öffentlichen Verkehr stimmt, werden mehr enschen das Auto stehen lassen. Wir haben deshalb bereits 2002 die Initiative ergriffen it unserem Antrag „Qualitätsoffensive im öffentlichen ersonenverkehr – Verbraucherschutz und Kundenrechte tärken“ und die Bundesregierung mit der Erstellung eier umfassenden Bestandsaufnahme beauftragt. Das orschungsvorhaben ist im letzten Sommer ausgeschrieen und Ende des Jahres vergeben worden. Wie Sie, eine Damen und Herren von der FDP und vor allem ein lieber Kollege Horst Friedrich, wissen, ist Ihr Anag, das Vorhaben neu auszuschreiben, bereits überholt. Die Entscheidung des Verkehrsministeriums, den Ju isten Rainer Freise als Gutachter einzusetzen, war fachch gut begründet. Doch ist der Verdacht – ob begründet der unbegründet –, er vertrete einseitig die Interessen er Deutschen Bahn AG, unserer Absicht, eine ausgewoene Regelung der Fahrgastrechte zu finden, nicht zuäglich. Wir hoffen nun, dass die neue Ausschreibungsrunde ehr Angebote unabhängiger, fachlich qualifizierter utachter bringt. Wir erwarten auch, dass das Verkehrsinisterium zügig die vom Parlament geforderte umfasende Bestandsaufnahme vorlegt, in der Handlungsalterativen auch für die Neuregelung der Fahrgastrechte ufgezeigt werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund er anstehenden EU-Regelung für den grenzüberschreinden Personenverkehr sehr wichtig. Die Kommission ird wahrscheinlich noch vor der Sommerpause einen ntwurf vorlegen. Wir brauchen gerade deshalb zügig ine fundierte Entscheidungsgrundlage. Wenn wir Kundenrechte stärken, aber die Verkehrs nternehmen nicht überfordern wollen, gehört dazu auch ine realistische Abschätzung der Folgen. Eine Verbeserung der Fahrgastrechte ist nicht im Interesse der Kuninnen und Kunden, wenn sie deswegen deutlich mehr ahlen müssen und/oder länger unterwegs sind. Denn erade bei der in Deutschland großen und in Europa beipiellosen Taktdichte ist das Risiko hoch, einen Anchluss zu verpassen, Herr Ferlemann. Wenn die Verkehrsunternehmen versuchen, dieses Ri iko durch Angebotsausdünnung und längere Reisezein zu vermeiden, kann dies nicht im Sinne eines attrakven öffentlichen Personenverkehrs sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Sehr richtig!)


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Richtig!)


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Sehr richtig!)


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Sehen Sie!)


assen Sie uns deshalb gesetzliche Neuregelungen – ob
BGB oder anderswo – nicht überstürzen, solange wir

eine fundierten Einschätzungen über die Folgen haben!

(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das hat das BGB auch nicht verdient!)







(A) )



(B) )


Sören Bartol

Die öffentliche Diskussion über die Pünktlichkeit

von Bussen und Bahnen ist indessen nicht wirkungslos
geblieben. Die Deutsche Bahn AG und andere Verkehrs-
unternehmen haben erkannt, dass sie ihr Image verbes-
sern und Fahrgäste gewinnen, wenn sie bei Verspätun-
gen mehr als bisher auf Kundenwünsche eingehen. Das
bedeutet, auch Entschädigungen zu gewähren.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Aha!)

Auch die Mobilitätsgarantie zum Beispiel des Verkehrs-
verbundes Rhein-Ruhr und das Garantieticket des Ver-
kehrsverbundes Rhein-Sieg zeigen, dass die Verkehrsun-
ternehmen selbst Lösungen finden können und auch
wollen.

Die Deutsche Bahn AG arbeitet daran, ab Oktober
2004 neue Entschädigungsregelungen in ihre Allge-
meinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wenn das so wird wie das neue Preissystem, kann das nichts werden!)


Wir hoffen, dass die Gespräche der Deutschen Bahn AG
mit dem Verkehrsministerium und dem Verbraucher-
schutzministerium bald zu einem konkreten Ergebnis
führen.

Wer von Ihnen die Bahn nutzt, hat das Bemühen be-
merkt, die Fahrgäste am Bahnsteig und im Zug wissen
zu lassen, warum sich ein Zug verspätet.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wissen ist Macht!)


Das kommt gut an und zeigt: Gesetzlich geregelte Ent-
schädigungsansprüche sind nicht alles. Aus Sicht der
Kunden sind für die Attraktivität von Bussen und Bah-
nen auch Kundenfreundlichkeit und Service entschei-
dend. Dazu gehören nicht nur Informationen über Ursa-
chen von Verspätungen und über alternative
Reisemöglichkeiten, sondern auch verständliche Tarife
und eine gute Beratung.

Ich bin überzeugt, dass der zunehmende Wettbewerb,
wenn wir ihn fair gestalten, zu günstigen Preisen und
besserer Qualität führt. Auf der Schiene haben wir be-
reits für mehr Wettbewerb gesorgt,


(Renate Blank [CDU/CSU]: Das ist aber ganz neu!)


und dies mit Erfolg. Viele neue Bahnbetreiber haben in-
zwischen ihren Weg auf die Trassen der DB Netz gefun-
den. Auch das nützt den Verbraucherinnen und Verbrau-
chern.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Jeder lange Weg beginnt mit dem ersten Schritt! – Gegenrufe von der SPD: Oh!)


– Herr Friedrich, das war wirklich ein wunderbarer Zu-
ruf. –


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen wir feiern!)


– Genau.

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(C (D Wenn Sie am Markt erfolgreich sein wollen, müssen ie sich an den Wünschen der Kunden orientieren. Wer ehr Fahrgäste und höhere Einnahmen will, muss ein atraktives Angebot machen und Fahrgastrechte wirklich rnst nehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508906700

Die Kollegin Dr. Lötzsch hat ihre Rede zu Protokoll

egeben.1)
Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

en Drucksachen 15/2156 und 15/2279 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist offensichtlich
er Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vier-
undzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Abgeordnetengesetzes
– Drucksache 15/1687 –

(Erste Beratung 66. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung (1. Ausschuss)

– Drucksache 15/2440 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Uwe Küster
Eckart von Klaeden
Volker Beck (Köln)

Jörg van Essen

Interfraktionell ist für die Aussprache eine Fünfminu-
enrunde vereinbart worden. – Ich höre dazu keinen Wi-
erspruch. Dann können wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
ollegen Uwe Küster für die SPD-Fraktion das Wort.

Dr. Uwe Küster (SPD):
Rede ID: ID1508906800

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

en! Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Vierund-
wanzigsten Gesetz zur Änderung des Abgeordnetenge-
etzes lösen die Bundestagsfraktionen der SPD und des
ündnisses 90/Die Grünen das Versprechen ein, alle
ürgerinnen und Bürger ohne Ansehen der Person am
otwendigen Umbau des Sozialstaates zu beteiligen.
Auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages

ind ebenso wie jedermann – anders als immer wieder
ehauptet – von den Folgen der Sozialreform betroffen.

Anlage 2






(A) )



(B) )


Dr. Uwe Küster

Bereits im interfraktionellen Entschließungsantrag zum
Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kranken-
versicherung vom September letzten Jahres wurde der
Wille aller Fraktionen des Deutschen Bundestages un-
missverständlich zum Ausdruck gebracht, die Abgeord-
neten ebenso wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger
an der Neugestaltung der Krankenversicherungsleistun-
gen zu beteiligen. Die für alle geltenden Regelungen der
Krankenversicherung sollen demnach sowohl für die
Abgeordneten des Deutschen Bundestages als auch für
Minister und Beamte gelten.

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Gesund-
heitssystems wurde zur Stabilisierung der Situation der
gesetzlichen Krankenversicherung das so genannte Ster-
begeld aus dem Leistungskatalog des Sozialgesetzbu-
ches vollständig gestrichen. Für Beihilfeberechtigte
wurde eine wirkungsgleiche Anpassung der Beihilfevor-
schriften vorgenommen. Damit wurde die Forderung des
Deutschen Bundestages für Abgeordnete automatisch
mit umgesetzt.

Es war nie unsere Absicht, die Gesundheitsreform nur
formal nachzuvollziehen. Vielmehr ist es die Überzeu-
gung meiner Fraktion, dass dort, wo der Abgeordnete
wie jedermann an einer sozialen Leistung unseres Ge-
meinwesens teilnimmt, auch materiell eine Gleichstel-
lung erreicht werden muss. Daher haben die Fraktion der
Grünen und meine Fraktion bereits Anfang Oktober letz-
ten Jahres den heute zu behandelnden Gesetzentwurf in
die parlamentarischen Beratungen eingebracht.

Der Gesetzentwurf sieht vor, den Hinterbliebenen ei-
nes Abgeordneten des Deutschen Bundestages einen der
ursprünglichen Höhe des Sterbegeldes in der gesetzli-
chen Krankenversicherung entsprechenden Betrag in
Höhe von 1 050 Euro abzuziehen. Die Hinterbliebenen
eines verstorbenen Abgeordneten erhalten also zukünftig
keinerlei Zuschüsse zu den Bestattungskosten.

Darüber hinaus haben alle Fraktionen die Einbezie-
hung der ehemaligen Abgeordneten in die Pflicht der
Rentner, zukünftig den vollen Pflegeversicherungsbei-
trag zu leisten, beschlossen. Wir setzen damit den unter
allen Fraktionen unumstrittenen Weg der solidarischen
Teilhabe der Abgeordneten an den Reformen der Sozial-
kassen fort. Das, was wir den Bürgerinnen und Bürgern
zumuten müssen, fordern wir uns auch selbst ab.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz auf
die veröffentlichte Meinung zum Thema „Sterbegeld
und Abgeordnete“ eingehen. Das, was wir und die deut-
sche Öffentlichkeit im Herbst des letzten Jahres erlebt
haben, hat mich persönlich sehr getroffen. Es stand der
Vorwurf im Raum, Abgeordnete würden sich dem Weg-
fall des Sterbegeldes entziehen. Dies war und ist – der
heutige Tag zeigt es deutlich – nie die Absicht gewesen.
Hier wurde eine Kampagne gestartet, in der es nicht da-
rauf ankam, was ein Abgeordneter persönlich leistet. Es
kam auch nicht darauf an, ob wir Abgeordnete die kom-
plexe Rechtslage, die von den Fachministerien in
schwierigen Beratungen und Verhandlungen geschaffen
wurde, quasi über Nacht in das Rechtssystem des Abge-
ordnetengesetzes umsetzen konnten.

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(C (D Nein, bei dieser Art von veröffentlichter Meinung am es ausschließlich darauf an, das Bild des Abgeordeten in der Öffentlichkeit zu diffamieren. Das Mitglied es Deutschen Bundestages sollte nicht als demokratisch ewählter Vertreter des Volkes, sondern als Absahner ahrgenommen werden. Diesen demokratiefeindlichen ersuchen der Blätter mit den großen Buchstaben treten ir entschieden entgegen. Wir können uns nicht unmittelbar gegen eine verzer ende und verfälschende Berichterstattung wehren, wir önnen ausschließlich das machen, was wir heute tun: ir können ehrliche, transparente und anständige Ge etze verabschieden; wir können nur versuchen, die öfentliche Wahrnehmung mit Transparenz und Offenheit u beeinflussen. Lassen Sie mich zum Abschluss daher Folgendes eststellen: Der von der Koalition vorgelegte Gesetzenturf zeigt den Willen aller Abgeordneten des Deutschen undestages, die der Allgemeinheit auferlegten Lasten olidarisch mitzutragen. Sonderrechte für Abgeordnete m Bereich der Krankenversicherung wird es nach dem illen der SPD-Bundestagsfraktion nicht geben. Der eute vorliegende Gesetzentwurf ist ein Beweis für die ichtigkeit und Verlässlichkeit der politischen Aussagen einer Fraktion. Ich bitte Sie daher alle, dem vorliegenen Gesetzentwurf zuzustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508906900

Das Wort hat der Kollege Eckart von Klaeden, CDU/
SU-Fraktion.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1508907000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

s gehört zu den in der Öffentlichkeit sorgsam gepfleg-
en Irrtümern, dass es für Abgeordnete ein Sonderrecht
n der Krankenversicherung gebe. Das ist falsch. Abge-
rdnete können, wenn sie aus dem Beamtenverhältnis
ommen, wählen, ob sie weiter beihilfeberechtigt sein
ollen. Alternativ gibt es für sie wie für alle anderen
ürger, die derselben Gehaltsklasse angehören, die
öglichkeit, entweder freiwillig Mitglied in der gesetz-

ichen Krankenversicherung zu sein oder sich vollstän-
ig privat zu versichern. Es gibt also kein Privileg für
bgeordnete. Aus den von mir beschriebenen Gründen
elten entweder die allgemeinen Regelungen für den öf-
entlichen Dienst oder die der privaten oder gesetzlichen
rankenversicherung, je nachdem, welche Wahl getrof-
en wurde.
Das hat zur Konsequenz, dass die Abgeordneten, die

ich für eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetz-
ichen Krankenversicherung entscheiden, die dort vorge-
ommenen Leistungsreduzierungen mitzutragen haben.
ür die anderen gilt, dass der Umfang der Leistungen
estandteil des zivilrechtlichen Vertrages mit ihrer pri-
aten Krankenversicherung ist.






(A) )



(B) )


Eckart von Klaeden

Wir sprechen heute erneut über die Streichung des so

genannten Sterbegeldes für Abgeordnete. Auch dazu hat
es eine ganze Reihe von Verwirrungen gegeben. Das
Sterbegeld für Abgeordnete ist bereits 1989 im Rah-
men einer Gesundheitsreform gestrichen worden.


(Jörg van Essen [FDP]: Genauso ist es!)

Die damalige Regelung im Abgeordnetengesetz ist er-
satzlos gestrichen worden. Man hat stattdessen ein Über-
brückungsgeld eingeführt, bei dem ausdrücklich nicht
auf die Bestattungskosten Bezug genommen wurde. Es
ist vielmehr an ähnliche Regelungen in Tarifverträgen
der freien Wirtschaft angelehnt worden.

Dieses Überbrückungsgeld, das ausdrücklich kein
Sterbegeld gewesen ist, kürzen wir nun um 1 050 Euro.
Dieser Betrag entspricht der Leistungsreduzierung in der
gesetzlichen Krankenkasse. Die Kolleginnen und Kolle-
gen, die freiwillig gesetzlich versichert sind, werden da-
mit dreimal betroffen, nämlich durch die Streichung des
Sterbegeldes im Abgeordnetenrecht, die Streichung in
der gesetzlichen Krankenversicherung und jetzt noch
einmal durch die Reduzierung des Überbrückungsgeldes
im Abgeordnetenrecht. Die anderen haben den Vorteil,
nur zweimal eine Kürzung hinnehmen zu müssen.

Wir halten es angesichts der öffentlichen Diskussion
gleichwohl für richtig, das zu tun. Dieser komplizierte
Sachverhalt ist offensichtlich nicht zu vermitteln und der
eine oder andere Journalist hat scheinbar auch kein Inte-
resse daran, ihn zu verstehen.


(Jörg van Essen [FDP]: Auch das ist leider richtig!)


Diese Streichung findet also die Zustimmung unserer
Fraktion.

Der zweite Punkt, über den wir heute beschließen, be-
trifft die Einführung einer Regelung, nach der ehemalige
Abgeordnete den vollen Pflegeversicherungsbeitrag
zahlen müssen. Damit übernehmen wir für ehemalige
Abgeordnete die Regelung, die von der Koalition für die
gesetzliche Rentenversicherung eingeführt worden ist.

Ich will ganz deutlich sagen, dass wir die Einführung
dieser Regelung in die gesetzliche Rentenversicherung
abgelehnt haben und auch weiterhin ablehnen, denn da-
durch kommt es zum ersten Mal zu einer realen Renten-
kürzung. Das ist weder mit dem Wahlversprechen der
Koalition zu vereinbaren noch entspricht es unserer Vor-
stellung von einer leistungsbezogenen Rente.

Es wäre aber umgekehrt nicht hinnehmbar, wenn die
Bürger diese Kürzung in der Rentenversicherung hin-
nehmen müssten, wir aber gleichzeitig den hälftigen
Pflegeversicherungsbeitrag für ehemalige Abgeordnete
erhalten wollten. Deswegen übernehmen wir diese Re-
gelung aus der Rentenversicherung 1 : 1 ins Abgeordne-
tenrecht. Damit ist aber nicht zu verbinden, dass wir auf
diese Weise im Nachhinein der Änderung des Renten-
rechts zustimmen wollen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Ich erteile dem Kollegen Volker Beck, Bündnis 90/ ie Grünen, das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von laeden, Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie en Bürgerinnen und Bürgern versprechen wollen, niedigere Beiträge oder höhere Leistungen. Beides gleicheitig geht nicht, wenn Sie nicht irgendwo eine Geldruckmaschine anwerfen. as gebietet die Seriosität dieser Diskussion, ist aber nur in Teil des Problems, das wir hier jetzt diskutieren wolen. Wir haben als Koalition ganz klar gesagt: All das, was ir den Bürgerinnen und Bürgern, die Mitglied in den esetzlichen Sozialversicherungssystemen sind, durch ie Reformen zumuten, wollen wir wirkungsgleich auf eamte und Abgeordnete übertragen. Es kann nämlich icht sein, dass eine gesellschaftliche Gruppe von den eformen ausgenommen wird, die jedoch grundsätzlich hre Leistungen aus den gesetzlichen Systemen dieses taates erhält. Es müssen gleiche Bedingungen für die leiche soziale Sicherheit gelten. Wenn wir die Rentenreform abgeschlossen haben, erden wir uns auch noch einmal die Altersbezüge für ie Abgeordneten ansehen müssen. Wir müssen dann ie entsprechenden Beträge wirkungsgleich in gleichem mfang senken, wie wir das für die gesetzliche Rentenersicherung vorgeschlagen haben. Mit diesem Gesetzentwurf zeigen wir heute, dass wir uch nicht ein Jota, einen Hauch von Nichtübertragung ulassen. Wir haben dieses Gesetz ursprünglich in Anriff genommen, um der Bundesrepublik Deutschland age und schreibe 3 500 Euro – so die Verwaltung – im ahr zu sparen. Nun ist es so, dass natürlich die gesetzlich versicher en Kollegen, die schon von der Streichung des Sterbeeldes in der gesetzlichen Krankenversicherung betrofen sind, besonders belastet werden. Angesichts der egelung für das Überbrückungsgeld für verstorbene bgeordnete, bei dessen Berechnung damals fiktive Betattungskosten angesetzt worden sind, haben wir, um ie Sache ganz perfekt zu machen, gesagt: Die Erstatung dieser Bestattungskosten muss gestrichen werden, enn auch für den einfachen Bürger und die einfache ürgerin diese Bestattungskosten nicht von der gesetzlihen Krankenversicherung abgedeckt werden. Das ist war nur ein kleiner Schritt, aber er zeigt, dass Abgeordete – entgegen dem öffentlichen Vorurteil – keinerlei onderrechte genießen, sondern dass entsprechende Anleichungen minutiös, bis ins Kleinste, umgesetzt weren. Der zweite Punkt, den wir erst im Laufe des Verfah ens in die Vorlage aufgenommen haben und der gar icht Anlass für diesen Gesetzentwurf war, war auch egenstand der Sozialreformen: die Regelungen zur Volker Beck Übernahme der Pflegeversicherungsbeiträge durch Rentner. Es ist so, dass den Rentnern die Leistungen der Pflegeversicherung gewährt werden, obwohl die heutigen Rentner, denen diese Leistungen zugute kommen, während ihrer Erwerbsphase regelmäßig nicht oder nur kurz durch eigene Beiträge zur Finanzierung beigetragen haben. Das war einer der Gründe, warum man sich entschieden hat, für Rentner den vollen Pflegeversicherungsbeitrag zu erheben. Dies führt für diese Rentnerinnen und Rentner zu einer Kürzung der Rentenbezüge. Da auch die Abgeordneten, die Altersbezüge auf der Basis ihrer Abgeordnetenentschädigung bekommen, nicht länger eingezahlt haben, haben wir diese Regelung wirkungsgleich auf sie übertragen. Hier geht es tatsächlich um ein bisschen Geld: Die geschätzten Einsparungen betragen circa 100 000 Euro pro Jahr. Meine Damen und Herren, in den letzten Wochen wurde eine absurde Diskussion geführt, weil die Kenntnisse über die Bezugssysteme von Abgeordneten in der Bevölkerung nicht hinreichend verbreitet sind. Dabei ging es um die Praxisgebühr, die Abgeordnete zahlen. Für Abgeordnete gab es bei der Praxisgebühr nie eine Sonderregelung. Allerdings besteht das Problem, dass es hier im Bundestag – Entsprechendes gilt für die gesamte Gesellschaft – sozialversicherungsrechtlich dreierlei Sorten von Abgeordneten gibt: diejenigen, die freiwillig in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, ehemalige Beamte, die beihilfeberechtigt sind, und die Kolleginnen und Kollegen, die Mitglied einer privaten Krankenversicherung sind. Das sind drei grundverschiedene Systeme. In der Tat hatten wir Probleme, folgende Frage zu beantworten: Wie kann die Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung in das System der Beihilfe, das ganz anders funktioniert, wirkungsgleich übertragen werden? Ein Beamter zahlt nämlich die eine Hälfte seiner Aufwendungen selbst; dafür muss er sich versichern. Die andere Hälfte zahlt der Staat, nicht irgendeine Krankenkasse. Es war strittig, wie man diese Regelung wirkungsgleich überträgt. Allerdings war diese Frage nicht strittig, weil es hierbei um Abgeordnete ging, sondern weil es um das System der Beamtenversorgung ging. Hier haben wir dem öffentlichen Druck in gewisser Weise nachgegeben, obwohl es auch vorher schon eine Form der wirkungsgleichen Übertragung gab. Das kann man finden, wie man mag. Letztendlich sehen wir aber, dass die unterschiedlichen Systeme, die im Bereich der Krankenversicherung bestehen, von den Menschen nicht mehr verstanden und offensichtlich auch wegen ihrer unterschiedlichen Struktur als ungerecht empfunden werden. Deshalb meine ich, dass diese Diskussion erneut gezeigt hat, dass die einzig vernünftige Lösung die Perspektive einer Bürgerversicherung ist: einer Versicherung, bei der alle Bürgerinnen und Bürger – Ab g c k f K E b h f r s k s d s a – h B d A k l g n v d o w K v F a D s (C (D eordnete und Selbstständige, Beamte und Rentner gleihermaßen – im selben System integriert sind. Herr Kollege! Wir hoffen, dass wir darüber in der nächsten Zeit dis utieren werden. Dann wird dieses Problem, zumindest ür den Bereich der Krankenversicherung, gelöst sein. Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508907100
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508907200

(Zuruf von der SPD: Die Union kann das!)





(A) )


(B) )


(Jörg van Essen [FDP]: Ja, richtig!)


(Zuruf von der SPD: Ja, hier!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508907300
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508907400


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508907500

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
ollege Jörg van Essen, FDP-Fraktion.

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1508907600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur

intopf wird durch häufiges Erwärmen besser. Bei De-
atten im Bundestag ist das nicht so. Zwar spürt man das
äufig nicht so sehr, aber es stimmt. Deswegen kann ich
ür meine Fraktion, die FDP-Bundestagsfraktion, erklä-
en: Alle Argumente, die hier bisher vorgetragen worden
ind, werden von uns geteilt. Für Abgeordnete gibt es
eine Sonderversorgung und keine Sonderregelungen,
ondern sie werden jeweils so behandelt wie diejenigen,
ie in gleicher Weise wie sie versichert sind. Das ist un-
ere Maxime, die wir auch in Zukunft vertreten werden;
uch dann, wenn wir die eine oder andere Regelung
beispielsweise die Praxisgebühr, die wir für falsch
alten – heftig kritisieren. Daher haben wir als FDP-
undestagsfraktion einen Antrag in den Deutschen Bun-
estag eingebracht, sie wieder abzuschaffen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ber solange die Bürger, die in der gesetzlichen Kran-
enversicherung versichert sind, die Praxisgebühr zah-
en müssen, müssen das selbstverständlich auch die Ab-
eordneten tun.
Ich will einen Aspekt nachtragen, den die Kollegen

icht angesprochen haben. Bei der Kampagne, die leider
on einem unserer Kollegen losgetreten worden ist, ist in
er Presse immer wieder behauptet worden, die Abge-
rdneten brauchten keine Praxisgebühr zu bezahlen. Ich
ill die Fakten hierzu liefern: Etwa die Hälfte unserer
ollegen ist in der gesetzlichen Krankenversicherung
ersichert.


(Dr. Christoph Bergner [CDU/CSU]: Richtig!)

ür sie hat von Anfang an die gleiche Regelung wie für
lle anderen gesetzlich versicherten Bürger gegolten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as sollte meiner Meinung nach in dieser Debatte ange-
prochen werden, weil wir so deutlich machen können,






(A) )



(B) )


Jörg van Essen

dass die Diskussion, die der Kollege losgetreten hat,
ohne jeglichen Grund geführt wird.

Wir schaffen heute die Grundlage für die Gleichbe-
handlung von Abgeordneten und allen anderen Bür-
gern. Diese Gleichbehandlung ist für uns ganz selbstver-
ständlich; das hat schon immer gegolten. Wir als FDP-
Bundestagsfraktion werden dem Gesetzentwurf zustim-
men.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508907700

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den

Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Vierundzwanzigsten Geset-
zes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes auf
Drucksache 15/1687. Der Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2440, den Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Ge-
setzentwurf in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 sowie Zusatz-
punkt 5 auf:
22 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael

Müller (Düsseldorf), Astrid Klug, Ulrike Mehl,
weiterer Abgeordneter und der Fraktionen der
SPD, der Abgeordneten Winfried Hermann,
Dr. Reinhard Loske, Volker Beck (Köln), weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeord-
neten Michael Kauch, Birgit Homburger, Rainer
Brüderle und der Fraktion der FDP
Einrichtung eines parlamentarischen Beirates
für nachhaltige Entwicklung
– Drucksache 15/2441 -

b) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

(17. Ausschuss) gemäß § 56 a der Geschäftsord-

nung
Technikfolgenabschätzung
hier: Sachstandsbericht – „Langzeit- und Quer-
schnittsfragen in europäischen Regierungen
und Parlamenten“
– Drucksache 15/2129 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

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(C (D P 5 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Einrichtung eines Zukunftsausschusses – Drucksache 15/2387 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem ollegen Michael Müller. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1987 ird über die Idee der Nachhaltigkeit gesprochen. In er Zwischenzeit wurden in der Bundesrepublik Vorrbeiten hierzu geleistet. In der Europäischen Union gibt s einen Beschluss dazu, an dem sich die Europäische nion als Leitlinie orientieren will. Auf internationaler bene haben dazu zwei Weltgipfel stattgefunden. Daraus ollen wir nun die Konsequenz ziehen. Wir meinen, ass auch das Parlament, also das Gremium, das die poitischen Diskussionen in unserem Land zu führen hat, nstitutionell die Debatte über Nachhaltigkeit führen ollte. Das halten wir für einen wichtigen Beitrag, um ie Zukunftsfähigkeit zu sichern und um dafür zu soren, dass die langfristig aktuellen, globalen Themen im undestag stärker und kontinuierlicher diskutiert weren. Das ist Hintergrund und Sinn unseres Antrags. Um der Globalisierung begegnen zu können, brau hen wir ein zeitgemäßes Konzept. Die Nachhaltigkeit etrachten wir dabei als einen wichtigen Ansatzpunkt. In ieser Hinsicht gibt es, wie ich meine, auch keinen Wierspruch zwischen den Fraktionen. Ich begrüße im rundsatz auch Ihren Antrag auf Einrichtung eines Zuunftsausschusses, auch wenn ich mich etwas darüber undern musste, dass das Thema Nachhaltigkeit in der ndfassung nicht mehr enthalten ist. Aus meiner Sicht st Nachhaltigkeit das wichtigste Synonym für Zukunftsähigkeit. Aber im Grundsatz schätzen Sie die Bedeuung dieses Themas genauso hoch ein wie wir. Das finen wir gut. Wir, das Parlament, müssen uns einigen, dass wir icht nur über die Tagespolitik entscheiden, Krisenanagement betreiben und das, was uns gerade von Euopa zugewiesen wird, behandeln, sondern dass wir auch ie langfristigen zentralen Themen bearbeiten, die mit en Stichworten Zukunftsverträglichkeit, Nachhaltigeit usw. beschrieben werden können. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Michael Müller (SPD):
Rede ID: ID1508907800

Aus meiner Sicht ist bei der Entwicklung der Zivili-
ation eine dreifache Problematik zu erkennen:
Erstens. Wenn wir die großen Zukunftsprobleme lö-

en wollen, dann müssen wir zu einem anderen Umgang
it der Zeit kommen. Es ist beispielsweise nicht mög-

ich, die großen ökologischen Probleme und die Fragen
er Innovation sowie der Generationengerechtigkeit zu
ösen bzw. zu beantworten, wenn wir nicht zu einem an-
eren Umgang mit der Zeit kommen. Das heißt, wir sind






(A) )



(B) )


Michael Müller (Düsseldorf)


zu Lösungen nicht in der Lage, wenn allein die Kurzfris-
tigkeit der Maßstab bei politischen Entscheidungen
bleibt. Damit kann man keine Zukunftsprobleme lösen.
Die Idee der Nachhaltigkeit bedeutet in erster Linie, zu
einem längerfristigen rationalen Umgang mit der Zeit zu
kommen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der zweite wesentliche Aspekt der Nachhaltigkeit ist
aus meiner Sicht, dass wir den historischen Fehler der
modernen Zivilisation überwinden müssen. Die moderne
Zivilisation hat nämlich eigentlich schon seit Beginn der
Aufklärung, zum Teil aber auch schon seit Beginn der
Neuzeit immer geglaubt, die Natur sei ein sich selbst re-
gulierendes System. Die Grundidee der Moderne war
immer, es gehe alles immer weiter, schneller und größer.
Tatsächlich sind die natürlichen Lebensgrundlagen
aber ein limitierender Faktor. Wir können eben nicht von
einer Grenzenlosigkeit ausgehen. Insbesondere aufgrund
der Erkenntnisse der Ökologie muss man postulieren:
Die Menschheit muss mit Grenzen rational umgehen.
Das bedeutet zwar nicht die Aufgabe des Wachstumsge-
dankens, aber das bedeutet die Überführung und Fortent-
wicklung des Wachstumsgedankens hin zur Idee der
Entwicklung eines qualitativen Wachstums, wie wir es
früher bezeichnet haben, bzw. einer nachhaltigen Ent-
wicklung, wie es aus meiner Sicht heute zu bezeichnen
ist.

Drittens. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft gibt es
immer mehr Teillogiken, die für sich genommen fast
alle richtig sind, insgesamt aber nicht stimmig sind.
Nachhaltigkeit ist ein Ansatz, um Teilbereiche wieder zu
einem organischen Ganzen zusammenzuführen, wie es
der Club of Rome gesagt hat. Insofern kennzeichnet die
Idee der Nachhaltigkeit für uns in erster Linie einen Pro-
zess, umzudenken, neue Schwerpunkte zu setzen und zu
begreifen, dass wir auf die drei großen Herausforderun-
gen, nämlich auf den Umgang mit der Zeit, den Umgang
mit Grenzen und die Integration komplexer Gesellschaf-
ten, andere Antworten geben müssen.

Wir haben bewusst keinen Ausschuss gebildet, weil
dann sofort die Konkurrenz zu anderen Ausschüssen ent-
standen wäre. Herr Kollege Krings, wir haben darüber
intensiv diskutiert. Wir merkten, dass in allen Fraktionen
Widerstand aufkam und die Frage gestellt wurde, ob
denn ein Superausschuss geschaffen werden solle. Des-
halb sagen wir: Wir wollen das nicht. Wir wollen Pro-
zesse in Gang setzen und diese drei großen Fragen bei
allen Entscheidungen mit einbeziehen. Ich habe Ihren
Antrag so verstanden, dass auch Sie das wollen. Deshalb
glaube ich, dass der Weg, den wir jetzt gewählt haben,
der richtigere ist.

Meine Damen und Herren, die Idee der Nachhaltig-
keit ist eine Chance, in der Bundesrepublik wieder sehr
viel mehr Zukunftskompetenz und -verankerung zu in-
stallieren. Es ist die Idee, das Augenmerk nicht nur auf
die Ökonomie zu legen – so wichtig sie auch ist; ohne
eine funktionierende Ökonomie gäbe es auch keine
Nachhaltigkeit –; denn eine Ökonomie für sich genom-
men, ohne soziale und ökologische Leitplanken und

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(C (D hne Einordnung in eine Dauerhaftigkeit, wird auf auer keinen Bestand haben. Deshalb ist die Idee der achhaltigkeit gleichzeitig auch die Idee einer langfristien und umfassende Reform, die vor allem vor dem Hinrgrund der Globalisierung eine wachsende Bedeutung ewinnt. Lassen Sie mich einen zweiten sehr wichtigen Punkt ennen. Vor dem Hintergrund der zunehmend globalen robleme fragt man sich, wer diese Probleme eigentlich och steuern und regulieren kann. Ich sage: Ich möchte ein globales Regime, weil es sich dabei aus meiner icht um eine technokratische Weltherrschaft handeln ürde, die allein schon deshalb, weil sie so weit vom ürger entfernt ist, die Freiheitsrechte fundamental einchränken müsste. Die große Idee der Nachhaltigkeit hat ine Chance, weil sie sehr unterschiedliche Wege zusst, auf denen man Probleme löst. Mit der Nachhaltigeit beschreiben wir Probleme, Prinzipien und Regeln. ie Nachhaltigkeit in den einzelnen Feldern umgesetzt ird, ist von Mal zu Mal, von Land zu Land und von kteur zu Akteur verschieden. Dies bietet die große hance, eine globale Politik in Gang zu setzen, ohne daür die Einrichtung eines Weltregimes vorauszusetzen, elches sowieso am Widerstand großer Staaten scheirn würde und welches auch unter Demokratieaspekten roblematisch wäre. Was wir machen wollen, ist, den Prozess der Nachhal igkeit zu begleiten. Die Bundesregierung legt dazu den weiten Bericht vor, mit dem sich das Parlament stärker ls bisher beschäftigen muss. Es kann nicht sein, dass ir überall in unseren Reden das Prinzip der Nachhaltigeit hochhalten und es im Bundestag nicht systematisch erfolgen. Insofern wäre die Einrichtung eines Beirates enau das Richtige. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508907900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Krings,
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1508908000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren Kollegen! Lieber Herr Müller, drei Fraktionen
ieses Hauses präsentieren uns heute einen Entwurf für
inen Nachhaltigkeitsbeirat, mit dem sie unsere Arbeit
m Parlament bereichern wollen. In der Tat klingt der
egriff der Nachhaltigkeit modern und schick. Ich kann
hnen bestätigen: Auch wir haben ihn im Gegensatz zu
hrer Behauptung in unseren Antragstext aufgenommen.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Wo denn?)


Im dritten Spiegelstrich unserer Forderungen werden
ie, wenn Sie genau hinschauen, auf diesen Begriff sto-
en. Er springt Sie an dieser Stelle förmlich an.






(A) )



(B) )


Dr. Günter Krings

Ich unterstelle den Urhebern dieses Antrags, Herr

Müller, durchaus die besten Absichten. Aber wir stellen
nach langer Beschäftigung mit diesen Themen auch fest:
Nicht überall da, wo Nachhaltigkeit draufsteht, ist auch
zukunftsfähige und generationengerechte Politik drin.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Kratzt man nur ein wenig an der Oberfläche des An-
tragstextes, so scheinen einem relativ schnell sehr viel
mehr Fragen als Antworten entgegen.

Die erste Frage ergibt sich aus den Aufgaben, die Sie
Ihrem Nachhaltigkeitsbeirat zubilligen wollen. Warum
sprechen Sie nur von parlamentarischer Begleitung der
Regierungspolitik? Warum darf Ihr Beirat die Nachhal-
tigkeitsstrategie nicht aktiv steuern und kontrollieren,
sondern nur Vorschläge zu ihrer Fortentwicklung ma-
chen? Es entspricht jedenfalls nicht meinem Selbstver-
ständnis als Parlamentarier, wenn einem Bundestagsgre-
mium gerade einmal die Abgabe von Empfehlungen und
die Kontaktpflege zu anderen Parlamenten zugestanden
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist durch die Vereinten Nationen so geregelt! Das wissen Sie doch! Das ist internationales Recht!)


Mit einem solchen sehr zurückhaltenden Organ errei-
chen Sie nichts, außer den Gedanken zukunftsorientier-
ter und nachhaltiger Politik in diesem Hause zu diskredi-
tieren.

Die zweite Frage ist, ob die rot-grüne Mehrheit dieses
Hauses ausschließlich die Umweltprobleme unseres
Landes als Belastungen für die künftigen Generatio-
nen anerkennt. Die Schwerpunktsetzung Ihrer Rede
sprach für mich dafür. Seit der UN-Konferenz für Um-
welt und Entwicklung von 1992, auf die Sie sich in Ih-
rem Antrag gleich im ersten Absatz beziehen,


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Zu Recht!)


hat der Nachhaltigkeitsbegriff einen sehr viel weiteren
Zuschnitt erhalten. Unsere Fraktion war daran maßgeb-
lich beteiligt.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Leider nicht!)


Wenn wir uns mit Deutschlands Zukunft beschäftigen,
dann dürfen wir nicht nur ökologische Altlasten untersu-
chen,


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das wissen wir doch!)


sondern müssen uns auch überlegen, wie wir die ticken-
den Zeitbomben in unseren Staatshaushalten und unse-
ren sozialen Sicherungssystemen entschärfen können.

Eine weitere Frage. Warum schlägt die Mehrheit die-
ses Hauses nicht schlicht und ergreifend die Einsetzung
eines Ausschusses zum Thema Nachhaltigkeit vor?

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(C (D (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das habe ich Ihnen doch erklärt! Sie haben nicht zugehört!)


arum bedienen Sie sich eines gänzlich neuen Kon-
truktes namens Beirat? Sie haben eine Erklärung ange-
oten; ich biete Ihnen gleich eine andere an. Die Aufga-
en und Kompetenzen von Ausschüssen sind in der
eschäftsordnung unseres Hauses klar und verbindlich
eregelt. Ein Beirat muss seine Rolle erst mühsam fin-
en. Er läuft daher Gefahr, sich mehr mit sich selbst als
it der Sache zu beschäftigen. Das verläuft dann nach
em Motto: Gut, dass wir einmal darüber geredet haben.
Fakt ist, dass die Regierungsfraktionen bei der ganz

ormalen Einsetzung eines Ausschusses nach den Ge-
chäftsordnungsregeln keinen Zugriff auf den Aus-
chussvorsitz haben. Diesen bekommen sie aber bei dem
onderkonstrukt Beirat. Da scheint offenbar die nachhal-
ge Personalpolitik eines Herrn Müntefering Pate bei
iesem Antrag gestanden zu haben.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ihr seid schon clever! Das ist ein guter Trick!)


Als Junge Gruppe innerhalb der Unionsfraktion ha-
en wir bereits im Herbst des vergangenen Jahres das
onzept eines Zukunftsausschusses entwickelt und vor-
estellt. Nahezu jedes Sach- und Fachinteresse – darin
timme ich Ihnen vollkommen zu, Herr Müller – verfügt
ber eine parlamentarische Lobby in den 21 Ausschüs-
en unseres Hauses. Nur die Interessen künftiger Ge-
erationen finden sich in unseren Parlamentsgremien
icht wieder. Man darf sich daher nicht wundern, wenn
eit Jahrzehnten, quer durch alle Regierungen, Interes-
enkonflikte dadurch gelöst wurden und werden, dass
an heute allen Seiten Gutes tut und die Zeche erst mor-
en von denen zahlen lässt, die sich heute noch nicht
ehren können. Unbeeindruckt von einer schrumpfen-
en Zahl von Geburten finanzieren wir unseren heutigen
onsum auf den immer schmaler werdenden Schultern
er künftigen Generationen. Das letzte grandiose Bei-
piel „nachhaltiger“ Finanzpolitik haben Ende letzten
ahres Schröder und Eichel geliefert, als sie uns kurz vor
eihnachten eine Steuersenkung mit 80 Prozent Neu-
erschuldung bescheren wollten.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Ihr wolltet doch noch viel mehr!)


Wir wollten weniger Neuverschuldung und haben da-
ür gesorgt, dass die Neuverschuldung in Grenzen ge-
lieben ist. Schauen Sie sich die Protokolle an. Die Neu-
erschuldungspartei sind leider Sie.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist doppelbödig, aber nicht nachhaltig!)


Der von der CDU/CSU beantragte Zukunftsaus-
chuss soll anders als Ihr Beirat echte Befugnisse und
igenständige Aufgaben haben. Er soll Gesetzentwürfe
uf ihre Generationenverträglichkeit überprüfen. Er soll
chluss machen mit einem politischen Blindflug in unse-
er sozial- und finanzpolitischen Gesetzgebung und allen
eteiligten vor Augen führen, wie Gesetze von heute






(A) )



(B) )


Dr. Günter Krings

unsere Steuern, Abgaben und Schulden von morgen be-
einflussen.

Die Idee, die hinter der Verträglichkeitsprüfung steht,
beruht auf den harten Zahlen der Mathematik und
heißt: Generationenbilanz. Dieses Informationsinstru-
ment wurde in den USA entwickelt und in Deutschland
von Professor Bernd Raffelhüschen weiterentwickelt.
Der Name dürfte Ihnen auf der linken Seite des Hauses
noch aus der Rürup-Kommission bekannt sein.

Meine Damen und Herren auf der linken Seite des
Hauses, wenn es Ihnen schwer fällt, einem Antrag der
Union im Deutschen Bundestag zuzustimmen, so hilft
Ihnen vielleicht ein Blick über den Tellerrand unserer
nationalen Politik bei Ihrer Entscheidungsfindung. In an-
deren Ländern innerhalb und außerhalb der EU wurden
bereits erfolgreiche Strategien für mehr Generationenge-
rechtigkeit im parlamentarischen Verfahren umgesetzt.
Diesen Ansätzen folgt unser Antrag. So hat in Israel die
Knesset vor drei Jahren einen neuen parlamentarischen
Ausschuss mit dem Namen „Ausschuss für künftige Ge-
nerationen“ geschaffen, der Gesetzesvorhaben auf ihre
Generationenverträglichkeit überprüft. In dem von Ihren
sozialdemokratischen Bildungspolitikern so gelobten
Finnland gibt es bereits seit 1999 einen ähnlich angeleg-
ten „Ausschuss für die Zukunft“. Auch deutsche Bun-
desländer, zum Beispiel Sachsen, gehen mit gutem Bei-
spiel voran. Der Sächsische Landtag hat sich auf
Betreiben meines Parteifreundes Lars Rohwer für die
Einführung einer Generationenbilanz in Deutschland
ausgesprochen.

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren
von der SPD und den Grünen, ich kann verstehen, dass
Sie angesichts Ihrer aktuellen Umfragewerte schon beim
Wort „Zukunft“ ein flaues Gefühl in der Magengrube be-
kommen.


(Horst Kubatschka [SPD]: Sie werden sich noch wundern!)


Unter Ihrer Magenverstimmung sollten aber die nach
uns kommenden Generationen wirklich nicht zu leiden
haben. Folgen Sie daher zur Abwechslung einmal nicht
Ihrem Bauch, sondern Ihrem Kopf und stimmen Sie für
unseren Zukunftsausschuss!

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1508908100

Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried

Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508908200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, vor Monaten haben wir Ihrer Fraktion das Ange-
bot gemacht, bei einem solchen Gremium mitzuwirken,
bei der Konstruktion des Gremiums und bei den Inhal-
ten. Lange haben wir nichts von Ihnen gehört.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Schlecht gehört!)


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(C (D etzt – ich muss Ihnen sagen, die Überraschung ist Ihnen elungen – haben Sie in dieser Woche, nachdem Sie jegiche Kommunikation verweigert haben, mit Ihrem Zuunftsausschuss sozusagen ein Überraschungsei gelanet. Es war in der Tat überraschend, weil ich gedacht abe, es kommt überhaupt nichts mehr von Ihnen. Ich ebe zu, dass Sie damit eine kesse Oppositionsidee geabt haben. Ich wundere mich, wie Sie mit diesem Vorchlag durch die Fraktion gekommen sind. Ich bin mir elativ sicher, dass Sie unter anderen Bedingungen einen olchen Antrag nie hätten präsentieren können. (Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wir haben bald Gelegenheit, das festzustellen!)


Natürlich haben Sie mit den Begriffen der Zukunft
nd der Generationengerechtigkeit zentrale Fragen der
achhaltigen Entwicklung angesprochen. Aber – hören
ie jetzt genau zu! –


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Gern!)

ukunftsfähigkeit und Generationengerechtigkeit sind
icht das Gleiche. Nachhaltigkeit ist weit mehr. Da geht
s nicht nur um die Generationengerechtigkeit, sondern
uch um die Gerechtigkeit innerhalb einer Generation,
wischen Arm und Reich und zwischen Nord und Süd.
s geht übrigens auch um die Frage, wie wir mit den na-
ürlichen Ressourcen umgehen und wie wir Techniken
nd Technologien entwickeln, um die Zukunft bewälti-
en zu können.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Aber nicht nur!)


as alles haben Sie ausgeklammert. Insofern muss man
agen: Ihr Antrag zum Zukunftsausschuss und zur Gene-
ationengerechtigkeit deckt nur einen Teilbereich ab. Es
andelt sich nicht wirklich um eine Alternative. Wenn es
ine solche sein sollte, wäre es eine beschränkte Alterna-
ive.
Ich komme nun zu unserem Antrag und unserem An-

atz. Ich möchte gerne anhand von zwei Leitfragen er-
äutern, warum wir das Ganze machen. Warum brauchen
ir ein solches Gremium und was muss der parlamenta-
ische Beirat leisten?
Zunächst zu der Frage, warum wir ein solches Gre-
ium brauchen. Wir wurden auch immer wieder gefragt,
ie es beschaffen sein soll.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Nach einigen Jahren, in denen ich im Parlament Er-
ahrungen in der Frage der Nachhaltigkeit gesammelt
abe, muss ich, offen gesagt, feststellen – ich glaube,
iele teilen diese kritische Einschätzung –: Obwohl der
nstoß zur nachhaltigen Entwicklung und zur Nachhal-
igkeitsstrategie aus diesem Parlament gekommen ist,
at die parlamentarische Beteiligung nicht wirklich
ut funktioniert.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Richtig!)

ie hat häufig gar nicht stattgefunden.






(A) )



(B) )


Winfried Hermann

Wie so oft war es auch in diesem Fall so, dass, wenn

sich alle zuständig fühlen, letztendlich keiner zuständig
ist.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auch richtig!)


Das ist ein wesentlicher Grund für unsere Forderung
nach einem Gremium, das sich der nachhaltigen Ent-
wicklung in besonderer Weise annimmt.

Wenn man ein neues Politikkonzept vorlegt, das an-
dere Arbeitsformen verlangt, wird deutlich, dass es aller-
hand Barrieren und Hindernisse gibt. Dazu gehören die
Ressortborniertheit, die Tatsache, dass bei uns alle Zu-
ständigkeiten in den Ausschüssen, Gremien und Arbeits-
kreisen klar geregelt sind, und – was auch von Michael
Müller angesprochen wurde – die Kurzatmigkeit, der
Alltagsdruck in der Politik wie auch die fehlende Kohä-
renz und Kooperation zwischen Politikfeldern und Han-
delnden. Das ist übrigens nicht nur ein Problem der Re-
gierungsparteien, sondern auch der Oppositionsparteien.
Das ist ein grundlegendes Problem der Politik.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen und andere
Experten haben uns deutlich ins Stammbuch geschrieben:
Hier ist das Parlament nicht gut aufgestellt. Wenn die
Nachhaltigkeitsstrategie auf parlamentarischer Ebene be-
gleitet werden soll, dann sind in diesem Bereich institutio-
nelle Verbesserungen notwendig. „Capacity building“
heißt der Fachbegriff. Das heißt, wir müssen selbst die In-
stitutionen schaffen, mit denen es gelingt, das anspruchs-
volle Konzept der nachhaltigen Entwicklung voranzutrei-
ben. Dazu gehört, Querschnittsaufgaben und eine
langfristige Politik zu organisieren, komplexe Zusam-
menhänge zusammenzuführen und das, was noch weit
auseinander klafft, auf bestimmte Leitideen zusammen-
zuführen.

Ein solches Konzept setzt eine neue Beratungs- und
Steuerungsstruktur voraus. Dazu soll der Beirat mit bei-
tragen. Er wird das nicht alleine schaffen; aber er stellt
eine Voraussetzung auf parlamentarischer Ebene dar, um
das zu verbessern, was bisher nicht wirklich gelungen
ist.

Der Beirat muss sich aus meiner Sicht zwingend als
Anwalt der nachhaltigen Entwicklung in diesem Parla-
ment verstehen und zugleich aufpassen, dass er nicht das
Parlament quasi entsorgt. Das darf nicht passieren. Der
Beirat muss dem Plenum und den Ausschüssen immer
wieder Anstöße geben und sich als Ansprechpartner aller
Abgeordneten verstehen, weil jeder Abgeordnete
schließlich auch Vermittler und Kommunikator gegen-
über den Bürgerinnen und Bürgern in den Wahlkreisen
ist.

Was sind die Aufgaben? Neben denen, die ich bereits
ausgeführt habe, ist vor allem wichtig, dass der Beirat an
der Gestaltung, Entwicklung und Fortentwicklung der
nationalen Nachhaltigkeitsstrategie aktiv mitwirkt, statt
nur im Nachhinein informiert zu werden, wie es bisher
zum Teil der Fall war.

Notwendig ist eine aktive parlamentarische Beglei-
tung. Das heißt, mit dem Beirat entsteht neben dem

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(C (D rünen Kabinett und dem Nachhaltigkeitsrat das ritte Standbein für die nachhaltige Entwicklung im Parament. Seine Mitwirkung wird dadurch gewährleistet. Neben diesen eher innergesellschaftlichen, nationalen ufgaben haben wir, wie ich meine, auch die vornehme ufgabe, den internationalen Austausch zu suchen. Sie aben das – darin gebe ich Ihnen völlig Recht – bereits ngesprochen. In verschiedenen anderen Ländern wie elgien, Großbritannien und Schweden gibt es parlaentarische Gremien, die das Thema bearbeiten. Zudem ibt es dort regelmäßige Berichte der Regierung im Parament und konsequente Auseinandersetzungen über den eg zur nachhaltigen Entwicklung. An dieser Stelle önnen wir von anderen lernen. Gleichzeitig müssen wir mit anderen zusammenarbei en, damit es uns auf europäischer Ebene gelingt, die achhaltigkeitsstrategie für die Europäische Union so oranzutreiben, dass sie denselben Maßstäben entpricht, die wir auf nationaler Ebene immer wieder einlagen. Auch hieraus ergibt sich ein Auftrag, nämlich ie Mitwirkung an einer europäischen Strategie. Ich komme zum Schluss. Ich habe wie einige andere Anesende im Jahr 2002 an einer interparlamentarischen onferenz in Johannesburg teilgenommen, bei der ich Parlamentarier aus aller Welt mit der Frage auseinnder gesetzt haben, wie sich die Parlamente bei diesem hema einbringen können. Im Schlusskommuniqué heißt es: Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben der Parlamentarier, das Regierungshandeln für nachhaltige Entwicklung durch Reform seiner Institution zu stärken, einschließlich der politischen Entscheidungsprozesse und der Parlamente. ch meine, der Beirat für nachhaltige Entwicklung ist in iesem Sinne ein guter Baustein. Dieser Beirat ist – diees Wort ist ja im Moment in aller Munde – eine instituionelle Innovation und Nachhaltigkeit ist ein neues Poliikkonzept. Beides ist also etwas sehr Innovatives. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, stimen Sie dem vorliegenden Antrag zu. Wenn Sie heute erlieren, sind Sie herzlich eingeladen, sich mit Ihrem nliegen betreffend die Generationengerechtigkeit, das ir alle teilen, in den neuen Beirat einzubringen. Dort ürfen Sie sich immer zu Wort melden und mitreden. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508908300

Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Kauch von

er FDP-Fraktion.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1508908400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutsch-
nd muss zukunftsfähiger und generationengerechter wer-
en. Das betrifft die Umwelt und die Ressourcennutzung






(A) )



(B) )


Michael Kauch

ebenso wie die Sozialsysteme, die Bildung und die
Staatsfinanzen. Hier stimme ich dem Kollegen von der
CDU/CSU ausdrücklich zu.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das haben wir alle gesagt!)


Notwendig ist ein neues Verständnis von Wohlstand und
Lebensqualität, das sich nicht an Wahlperioden von vier
Jahren, sondern an langen Zeiträumen orientiert. Das ist
der Kern nachhaltiger Politik.


(Beifall bei der FDP)

Warum ein Beirat für nachhaltige Entwicklung? – In

den meisten europäischen Ländern spielt das Thema
Nachhaltigkeit in den Parlamenten kaum eine ernsthafte
Rolle. Der Deutsche Bundestag ist hier leider keine Aus-
nahme. Zwar wurde mit der Enquete-Kommission
„Schutz des Menschen und der Umwelt“ ein beachtli-
cher Beitrag zur Nachhaltigkeitsdebatte geleistet. Jedoch
ist daran bislang nicht angeknüpft worden. Die Formu-
lierung und die Weiterentwicklung der nationalen Nach-
haltigkeitsstrategie erfolgte bisher weitgehend am Parla-
ment vorbei. Sie wurde und wird vom Kanzleramt
koordiniert. Wenn ich aber in Richtung Regierungsbank
schaue, muss ich fragen, wo die Vertreter des Kanzler-
amtes während dieser Debatte sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es ist zwar sehr erfreulich, dass drei Ministerien vertre-
ten sind. Aber ich hätte schon eine Präsenz des Kanzler-
amtes erwartet. Der zuständige Staatssekretärsausschuss
ist jedenfalls jeder Einflussnahme des Parlaments entzo-
gen. Er macht Nachhaltigkeit nicht zur Chefsache, son-
dern zur Geheimsache.

Der 2001 von der Bundesregierung als Expertengre-
mium eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung
krankt an Unterfinanzierung und eine Prüfung der kon-
kreten Gesetzgebung auf Nachhaltigkeit und Generatio-
nengerechtigkeit findet nicht statt. Wie sonst wären die
aktuelle Renten- und die Gesundheitsreform sowie die
Finanzpolitik der Regierung zu erklären? Schon 2002
hätte im Zuge der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
ein parlamentarisches Gremium eingesetzt werden müs-
sen, das die Nachhaltigkeitspolitik der Regierung beglei-
tet und kontrolliert. Das haben Sie, liebe Kollegen von
Rot-Grün, leider verschleppt.

Der Beirat kommt spät. Aber mit der heutigen Ent-
scheidung wird ein wichtiger Schritt in die richtige Rich-
tung getan. Doch wir sollten weiter und vor allem über
die eigenen nationalen Grenzen hinaus denken. Andere
EU-Länder wie Großbritannien und Finnland, aber auch
die anderen skandinavischen Länder sind uns in Sachen
Nachhaltigkeit voraus. Es ist wichtig – das hat der Kol-
lege Hermann schon angedeutet –, dass wir die Strategie
der EU-Kommission für eine nachhaltige Ressourcen-
nutzung mit unserer Arbeit thematisch vernetzen.


(Beifall bei der FDP)

Es wäre schön gewesen, wenn es einen gemeinsamen

Antrag aller Fraktionen zum Thema Nachhaltigkeit ge-
geben hätte.

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(C (D (Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


as wäre ein Signal der Geschlossenheit für eine nach-
altige Entwicklung in Deutschland gewesen. Doch lei-
er konnte sich die Union nicht dazu durchringen, unse-
en gemeinsamen Antrag zu unterstützen. Die Fraktion
er CDU/CSU hat nun einen eigenen Antrag gestellt
dieser ist zwei Tage alt –, und das, obwohl Sie uns vor-
er klar signalisiert haben, dass Sie gar kein Gremium
keinen Ausschuss, keinen Beirat, nichts – wollen.
Wir von der FDP lehnen die Einrichtung des von Ih-

en geforderten Zukunftsausschusses ab.

(Beifall bei der FDP)


as Ziel, die Gesetzgebung einer generellen „Generatio-
enverträglichkeitsprüfung“ zu unterziehen, findet je-
och unsere Zustimmung.


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie doch zu!)


ie FDP fordert seit vielen Jahren auch, Generationen-
ilanzen zu erstellen. Allerdings ist Ihr Weg dabei das
alsche Instrument.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Erstellen von Generationenbilanzen – nach Ihrem
ntrag soll dies Aufgabe dieses Ausschusses sein – geht
eit über das hinaus, was ein parlamentarischer Aus-
chuss leisten kann. Eine Generationenverträglichkeits-
rüfung, eine Nachhaltigkeitskontrolle oder wie man es
uch immer nennen mag, muss jeder Fachausschuss zu-
ächst einmal selber durchführen. Eine Art Oberkon-
rollausschuss ist nicht der richtige Weg. Ein solcher
usschuss wäre mit dieser Arbeit hoffnungslos überfor-
ert.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, im
brigen erscheint mir dieser Antrag eher als ein untaug-
icher Versuch, auf ein Boot aufzuspringen, das schon
ängst abgelegt hat.


(Beifall bei der FDP)

ir – da spreche ich wohl auch für die Kolleginnen und
ollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen – hätten
ie gern von Anfang an im Boot gehabt. Doch der von
hnen gestellte Antrag ist nichts anderes als blanker Ak-
ionismus.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Ich freue mich – lassen Sie mich das zum Abschluss
agen –, dass diese parlamentarische Initiative auf ein
reites, die Grenzen von Regierung und Opposition
berschreitendes Fundament gestellt wurde. Ich hoffe,
ass dies der Anfang einer großen gesellschaftlichen De-
atte über mehr Nachhaltigkeit in unserer Politik wird.
Vielen Dank.






(A) )



(B) )


Michael Kauch


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Dann viel Spaß mit einem Alibigremium!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508908500

Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1508908600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung in
Deutschland hat der Deutsche Bundestag die Thematik
Nachhaltigkeit bereits in zahlreichen Enquete-Kommis-
sionen aufgegriffen: Sowohl in der 12. als auch in der
13. und 14. Wahlperiode waren dazu Kommissionen ein-
gerichtet. Sie trugen die Titel „Schutz des Menschen und
der Umwelt“, „Nachhaltige Energieversorgung“ und
„Demographischer Wandel“. Sie beziehen sich auf das
Drei-Säulen-Modell: Nachhaltigkeit ist ein Gesamtpaket
aus sozialer, ökonomischer und ökologischer Entwick-
lung. Durch die Arbeit dieser Enquete-Kommission wird
die Definition von Nachhaltigkeit der Brundtland-Kom-
mission bekräftigt. Diese Definition besagt, Nachhaltig-
keit bedeutet, den Bedürfnissen der heutigen Generation
zu entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Gene-
rationen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, zu ge-
fährden.

Auf Anraten der Enquete-Kommission „Schutz des
Menschen und der Umwelt“ kam die Bundesregierung
im Jahr 2000 der Aufforderung der Agenda 21 von 1992
nach, einen Rat für Nachhaltige Entwicklung einzu-
setzen, der den Entwurf einer nationalen Nachhaltig-
keitsstrategie erarbeitet hat. Die Bundesregierung legte
diesen Entwurf 2002 vor.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist falsch!)


Wenn man sich mit dem Thema „Nachhaltigkeit in
Deutschland“ beschäftigt, dann stellt man fest, dass es
keinen Mangel an Sachverstand, Konzepten und sogar
konkreten – in mehreren Bereichen vorhandenen – Hand-
lungsanweisungen gibt.

Wie sieht es nun aber mit der Umsetzung dieses Wis-
sens in konkrete Politik aus? Richtet sich Politik in
Deutschland an der gleichberechtigten und gleichwerti-
gen Sicherung und Respektierung ökonomischer, ökolo-
gischer und sozialer Bedürfnisse der heutigen Genera-
tion und der zukünftigen Generationen aus? Schauen wir
uns einige Politikbereiche konkret an.

Finanz- und Haushaltspolitik: Die dramatische Verschul-
dung der öffentlichen Haushalte des Bundes, der Län-
der und der Kommunen von über 1 300 Milliarden Euro
und das wiederholte Verletzen der Maastricht-Kriterien
ist bereits angesprochen worden.

Ich will Ihnen von einer ganz persönlichen Erfahrung
berichten. Unser zehnjähriger Junge interessiert sich in-
zwischen für das Lesen von Zeitungen. Er fragte mich

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(C (D ürzlich: Mama, wer zahlt eigentlich all diese Schulden urück? Ich antwortete: Du und alle anderen Kinder. Das ar eine ehrliche Antwort. Sie können sich die Reaktion arauf vorstellen. Sieht so eine nachhaltige Politik aus? Entspricht das er Grundregel der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesegierung? Diese Regel besagt: Jede Generation muss ihre Aufgaben selbst lösen und darf sie nicht den kommenden Generationen aufbürden. Ich komme nun auf einen anderen Politikbereich zu prechen, der mir als Umweltpolitikerin besonders am erzen liegt: die aktuelle Energiepolitik. Deutschland ezieht seinen Strom derzeit noch zu 30 Prozent aus ernkraftwerken. Rot-Grün hat 2000 den Ausstieg aus er Atomenergie beschlossen; man hat es bislang aber ersäumt, ein schlüssiges Energiekonzept vorzulegen. (Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Stimmt nicht!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


ie Energieversorgung ist jedoch einer der wichtigsten
tandortfaktoren; sie wird die Entwicklung Deutsch-
ands auf ökologischem, ökonomischem und sozialem
ektor maßgeblich beeinflussen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie passt der Atomausstieg mit den von Deutschland

m Rahmen der Kioto-Verpflichtung und des nationalen
limaschutzziels zu erreichenden Klimaschutzzielen zu-
ammen? Es liegt kein realistisches, durchgerechnetes
zenario vor, das vor dem Hintergrund, dass bis 2020
indestens 45 neue Kraftwerke gebaut werden müssen,
chlüssig wäre.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Wieso denn das?)


ie passt in dieses Konzept, dass die Bundesregierung
ie Kohleförderung im Haushalt 2004 mit circa 16 Milli-
rden Euro festgeschrieben hat?
Ob man für oder gegen Atomstrom ist, darüber kann
an sprechen. Aber Deutschland erzeugt Strom aus
ernkraft und hat meiner festen Überzeugung nach da-
er auch die ethische Verpflichtung, für eine sichere Ent-
orgung dieses hochgiftigen Abfalls zu sorgen. Ein mög-
icher Lagerstandort, der Salzstock in Gorleben – er
önnte geeignet sein –, darf nicht weiter untersucht wer-
en. Nach einer Investition in die Erkundung dieses
alzstocks in Höhe von 1,3 Milliarden Euro gibt es nun
in Moratorium, das pro Jahr lächerliche 20 Millionen
uro kostet.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wir haben es ja!)


ochgiftiger Atommüll muss oberirdisch in natürlich
benfalls für viel Geld zu errichtenden Zwischenlagern
elagert werden. Ist das nachhaltig?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Sehr nachhaltig! – Dr. Maria Flachsbarth Dr. Axel Berg [SPD]: Atomkraft ist per se nicht nachhaltig!)





(A) )


(B) )


Deutschland war weltweit führend in der Sicherheits-
technik im Bereich Kernkraft. Qualifizierte Techniker
und Ingenieure wurden im Rahmen des Moratoriums
entlassen und sind praktisch nicht ersetzbar, da es auch
die entsprechenden Ausbildungskapazitäten nicht mehr
gibt. Ist das nachhaltig? Hat das etwas mit Verantwor-
tung für die heutige und kommende Generation zu tun?

Ein weiteres Beispiel ist die EU-Chemikalienpolitik.
Natürlich unterstützen wir das Ziel der EU, den Umgang
mit Chemikalien für Mensch und Umwelt so sicher wie
möglich zu machen. Doch man darf nicht vergessen: Die
Sicherheit für den Umgang mit Chemikalien ist bereits
im Rahmen einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnun-
gen recht gut geregelt. Die neue EU-Chemikalienpolitik
gefährdet den größten europäischen Chemiestandort
Deutschland erheblich. Die 90 Prozent kleinen und mitt-
leren Unternehmen in diesem Bereich sind besonders be-
troffen, da sie durch den Wegfall zahlreicher Stoffe auf
individuelle Kundenwünsche auch in kleinen Chargen
nicht mehr wie bisher schnell reagieren können. Das
mindert ihre Wettbewerbschancen. Es steht zu befürch-
ten, dass Arbeitsplätze verloren gehen und Firmen ihre
Produktionsstandorte in Drittländer verlegen. Ist das un-
ter besonderer Berücksichtigung ökonomischer, sozialer
und ökologischer Gesichtspunkte nachhaltig?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wie man sieht, haben wir

wieder einmal keinen Mangel an Erkenntnissen, sondern
einen Mangel in Bezug auf die Umsetzung konkreter
Nachhaltigkeitsziele in konkrete Gesetzesvorhaben. Da-
bei müsste der Gedanke der Nachhaltigkeit, die Sorge
um die Zukunft, immanent in die Ausarbeitung von Ge-
setzesvorhaben einfließen, sodass ein weiteres Kontroll-
gremium eigentlich entbehrlich wäre.

Unter den gegebenen Umständen ist allerdings die
Einrichtung eines Zukunftsausschusses entsprechend un-
serem Antrag erforderlich. Bei dem nunmehr von den
Regierungsfraktionen und der FDP vorgeschlagenen
Beirat handelt es sich hingegen um ein bloßes Phantom.
In der Geschäftsordnung dieses Hauses taucht dieses In-
stitut nicht auf, stattdessen der Begriff Ausschuss.

Wir brauchen nicht noch ein Gremium, das sich theo-
retisch mit Erkenntnisgewinn beschäftigt. Wir brauchen
endlich eine Regierung, die das als richtig Erkannte auch
politisch umsetzt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508908700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Astrid Klug von der

SPD-Fraktion.

Astrid Klug (SPD):
Rede ID: ID1508908800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Po-

litik für heute ist nur gut, wenn sie auch morgen noch

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(C (D ichtig ist. Darum geht es beim Thema Nachhaltigkeit. rau Flachsbarth, wenn Sie in diesem Zusammenhang ie Atomkraft und den Atommüll anführen, dann muss ch sagen, dass Sie den Begriff Nachhaltigkeit offenichtlich immer noch nicht richtig verstanden haben. tomkraft ist per se nicht nachhaltig; (Beifall bei der SPD – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wir haben das doch verstanden! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie müssen sich auch um den Müll kümmern!)


enn die Atomkraft stellt ein Risiko für die nächsten Ge-
erationen dar.
Das Wort Nachhaltigkeit hat aber Konjunktur. Wer als
nternehmer etwas auf sich hält, erstellt einen Nachhal-
igkeitsbericht. Viele lokale Agendagruppen engagieren
ich vor Ort für konkrete Projekte der Nachhaltigkeit.
tiftungen und Forschungsinstitute entdecken zuneh-
end die Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist in aller
unde. Während sich aber die einen an dem etwas stei-

en Begriff verschlucken, wird er von anderen geradezu
nflationär eingesetzt – für alles, was irgendwie mit Zu-
unft zu tun hat. Ich sage Ihnen: Als Modeerscheinung
st uns die Nachhaltigkeitsdebatte zu schade. Wir wollen
tattdessen, dass sie zum Kompass für Gesellschaft und
olitik wird.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb haben Bundesregierung und Bundestag vor
wei Jahren die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie
Perspektiven für Deutschland“ beschlossen. Darin
eht es sehr wohl um Generationengerechtigkeit. Es geht
arum, wie wir es erreichen können, dass wir unseren
indern, unseren Enkeln und unseren Urenkeln intakte
atürliche Lebensgrundlagen und genügend finanziellen
pielraum für ihre eigenen Handlungen hinterlassen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ich sage nur: Pflegeversicherung!)


s geht darum, dass wir heute Vorsorge betreiben, indem
ir in Innovation und Bildung investieren. Herr Krings,
s geht um wesentlich mehr als nur um Generationenge-
echtigkeit. Es geht auch um Lebensqualität, um Mobili-
ät, um gesunde Luft, um gesunde Nahrungsmittel.


(Zurufe von der CDU/CSU: Es geht um Zukunft! – Dann macht doch einen Zukunftsausschuss!)


s geht um den sozialen Zusammenhalt in der Gesell-
chaft, um die Verteilung von Arbeit und um Perspekti-
en für Familien. Es geht ferner um unsere Verantwor-
ung in der internationalen Zusammenarbeit. Es geht um
nseren Beitrag zur gerechten Verteilung von Chancen
n dieser Welt und zur weltweiten Bekämpfung von Ar-
ut in einer globalisierten Welt.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Reden Sie mal ein bisschen nachhaltiger!)







(A) )



(B) )


Astrid Klug

Das Green Cabinet, der ressortübergreifende Staats-

sekretärsausschuss,

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Für einen Minister hat es nicht gereicht!)

arbeitet interdisziplinär an der Umsetzung und der Wei-
terentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie. Wir haben
schon gehört: Es gab in den vergangenen Legislaturperi-
oden zahlreiche Enquete-Kommissionen, die wichtige
und wertvolle inhaltliche Grundlagen für unsere Arbeit
gelegt haben.

Der von der Bundesregierung 2001 berufene Nach-
haltigkeitsrat hat den Auftrag, die Bundesregierung in
Sachen Nachhaltigkeitspolitik zu beraten,


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Davon merkt man nur nichts! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wir als Abgeordnete wollen nicht beraten, wir wollen entscheiden!)


Ziele, Indikatoren und Projekte vorzuschlagen und die
öffentliche Debatte zu forcieren. Viele wichtige Impulse
– das muss man an dieser Stelle noch einmal betonen –
sind in dieser Zeit vom Nachhaltigkeitsrat ausgegangen.
Uns in der Politik wurden auch kritische Worte mit auf
den Weg gegeben, die unsere weitere Arbeit prägen soll-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir in der SPD-Fraktion wollen, dass das Parlament

in der Nachhaltigkeitsdebatte eine Katalysatorenrolle
übernimmt,


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wir möchten steuern!)


sich aktiv in die Nachhaltigkeitsdebatte einmischt und
die Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie
konstruktiv und kritisch begleitet; denn obwohl mittler-
weile viel über Nachhaltigkeit geredet wird, sind wir von
dem Ziel einer nachhaltigen Politik – da haben Sie völlig
Recht – immer noch weit entfernt, das aber schon seit
Jahrzehnten und unabhängig davon, welche Parteifarbe
in dieser Republik regiert hat.

Woran liegt das? Politisches Handeln ist nach wie vor
viel zu kurzfristig an Haushaltsjahren und an Wahlperio-
den orientiert.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie regieren doch gerade!)


Die Versuchung, in unserer kurzlebigen Mediengesell-
schaft schnell sichtbaren – vermeintlichen – Erfolgen
mehr Aufmerksamkeit zu widmen als langfristigen Wir-
kungen, ist zu groß. Die Bedürfnisse und Interessen der
nächsten Generationen – diese können sich nicht äu-
ßern und nicht in die Debatte einmischen, weil sie noch
gar nicht geboren sind – kommen im politischen Alltags-
geschäft immer wieder unter die Räder.

Die arbeitsteilige Organisation von Politik verhindert
die Klammer, die einzelne Themen und widerstreitende
Interessen zu einem Leitbild zusammenbindet. Die Men-
schen sehnen sich aber nach Orientierung und Halt. Wir
sind der Meinung, dass die Nachhaltigkeit als Leitbild

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(C (D olitischen Handelns diese Orientierung geben kann und eben muss, und zwar dann, wenn messbare qualitative aßstäbe für Transparenz sorgen, Ziele vorgeben und ine Zielkontrolle ermöglichen. Die Nachhaltigkeitsstragie mit ihren 21 Indikatoren – das geht von der Resourcenschonung über die Staatsverschuldung bis zum lächenverbrauch und zur Familienpolitik – bietet dafür iele Ansätze. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie ist unser Fahr lan für eine vorausschauende Politik. Jetzt müssen wir emeinsam dafür sorgen, dass die ehrgeizigen Ziele, die ie Nachhaltigkeitsstrategie setzt, auch wirklich erreicht erden. Wir brauchen dazu effiziente Instrumente im olitischen Entscheidungsprozess, die negative ökologiche, ökonomische und soziale Wirkungen minimieren nd dafür sorgen, dass alle Entscheidungen einen ehrlihen Nachhaltigkeitscheck durchlaufen. Wir reden zurzeit viel von Innovation. (Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Sie machen nur nichts dafür!)


uch der Politikbetrieb und das klassische Politikver-
tändnis der letzten Jahre brauchen Innovation. Wir sind
er Meinung, dass wir mit dem Beirat, den wir Ihnen
eute vorschlagen, genau die richtige Innovation in die-
em Bereich auslösen, damit Nachhaltigkeit eine Chance
at, auch wirklich umgesetzt zu werden.


(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion, die Fraktion des Bündnisses 90/
ie Grünen und die FDP-Fraktion schlagen dafür die
inrichtung eines Parlamentarischen Beirates für die
achhaltige Entwicklung vor.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das wissen wir ja jetzt!)


ieser Beirat soll Plattform

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Mehr platt als Form!)

nd Impulsgeber für eine fortschrittliche Nachhaltig-
eitsdebatte sein, die interdisziplinär Fäden zusammen-
ührt, langfristige Perspektiven entwickelt, Querschnitts-
ragen koordiniert und kritisch hinterfragt, ob politische
ntscheidungen dem Ziel der nachhaltigen Wirkung ge-
echt werden.
Der Beirat soll die Umsetzung und die Weiterent-
icklung der Nachhaltigkeitsstrategie begleiten, kon-
ollieren und auch mitgestalten. Wir wollen Kontakte zu
llen Akteuren der Nachhaltigkeitsdebatte pflegen, mit
nen Diskussionen führen, uns insbesondere auch mit
ertretern anderer Parlamente austauschen und von ih-
en lernen und auf diese Weise die Debatte europaweit
ernetzen.
An dieser Stelle möchte ich an den TAB-Bericht

Langzeit- und Querschnittsfragen in europäischen
egierungen und Parlamenten“ erinnern. Dieser
AB-Bericht ist auf Initiative der SPD-Bundestagsfrak-
on entstanden; ich möchte mich dafür besonders bei
er Kollegin Ulla Burchardt bedanken. Darin wurde






(A) )



(B)


Astrid Klug

untersucht, wie andere europäische Länder mit diesem
Thema umgehen, wie dort langfristige politische Strate-
gien und Querschnittsthemen in die politische Debatte
eingebunden werden und mit welchen Instrumenten ge-
arbeitet wird. Das Büro für Technikfolgenabschätzung
hat uns die Empfehlung gegeben, hier bei uns ein parla-
mentarisches Gremium zu installieren,


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

das diese Debatte begleitet und konstruktiv und kritisch
unterstützt und die entsprechenden Impulse gibt.

Ich will mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und
Kollegen der FDP dafür bedanken, dass sie den Antrag
auf Einrichtung dieses Beirats unterstützen und damit
das in dieser Frage so wichtige Signal der partei- bzw.
fraktionsübergreifenden Verantwortung für die Zukunft
geben. Sie unterstreichen damit, wie ernst sie es nehmen.
Ich bedauere, dass die CDU/CSU-Fraktion nicht über ih-
ren Schatten springen konnte, stattdessen aber kurz vor
Toresschluss wie Phönix aus der Asche ihren Zukunfts-
ausschuss präsentiert hat, der sich alleine mit dem
Thema Generationengerechtigkeit beschäftigen und
diesen Bereich kontrollieren soll.


(Dr. Ole Schröder [CDU/CSU]: Alleine? – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Ihrem Antrag
steht nichts von Nachhaltigkeit. Das heißt, Sie haben die
Bedeutung dieses Themas nicht begriffen. Nachhaltig-
keit hat viel mit Generationengerechtigkeit zu tun, aber
eben nicht nur. Es geht dabei um wesentlich mehr. Das
wollen wir mit unserem Ansatz entsprechend unterstrei-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Einen Ausschuss nach Ihrem Muster hätten wir ein-

richten können, wenn wir das Thema üblichen Parteiritu-
alen und einem Kampf der Generationen hätten ausset-
zen wollen. Aber genau das wollten wir nicht. Wir
wollen einen Prozess in Gang setzen, wir wollen den Di-
alog, wir wollen, dass sich das Politikverständnis weiter-
entwickelt und es zu einer nachhaltigen Veränderung in
den Köpfen und in den Herzen kommt. Daran mitzuar-
beiten, dazu laden wir Sie ausdrücklich ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508908900

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort dem Kollegen Georg Fahrenschon
von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Georg Fahrenschon (CSU):
Rede ID: ID1508909000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Frau Kollegin Klug, wenn diese Rede jetzt die Bewer-
bungsrede für den Vorsitz war, dann war sie okay.

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(C (D (Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Auch dann nicht!)


as Tempo, das Sie an den Tag gelegt haben, um diese
inge durchzudrücken, scheint mir allerdings eher ein
inweis darauf zu sein, welch schlechtes Gewissen Sie
aben.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Über den Kern des Themas sind wir uns doch einig.
eshalb will ich hier auch nicht über den Begriff der
achhaltigkeit reden. Sie wissen selber, dass es sich da-
ei im Grunde um einen zutiefst deutschen Begriff han-
elt, der in der deutschen Forstwirtschaft entwickelt
urde. Von Anfang an war damit der Gedanke verbun-
en, nur das zu nutzen, was im gleichen Zeitraum wieder
achwächst. Von Anfang an waren in ihm ökologische,
oziale wie auch wirtschaftliche Elemente enthalten.
ber wenn wir das Thema für so wichtig erachten und
m Parlament verankern wollen, müssen wir uns schon
arüber unterhalten, warum wir den Weg der Einrich-
ung eines Beirates wählen und nicht vielmehr einen
usschuss, wie wir es wollen, im deutschen Parlament
inrichten. Da gehört das Thema nämlich hin.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Begriff der Nachhaltigkeit ist seit 1713 unter-

chiedlich ausgelegt worden. Die große Euphorie ist erst
urch den Brundtland-Bericht 1987 entstanden. Er fin-
et sich dann auf der Rio-Konferenz 1992 wieder und
ittlerweile ist er im Nachhaltigkeitskonzept 2002 der
undesregierung wiederzufinden. Jetzt kommt das Inte-
essante: Der Sachverständigenrat für Umweltfragen
agt in seiner Stellungnahme zur Konzeption der Bun-
esregierung, in Bezug auf die Nachhaltigkeit betreibe
ie Bundesregierung eine Begriffsauflösung, sie nehme
ie nicht mehr wirklich wahr.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

ritz Vorholz geht in der „Zeit“ sogar noch weiter. Er
chreibt:

Warum indes das Konvolut
der Bundesregierung –

mit dem Nachhaltigkeitsetikett geadelt wurde ... ist
auf den ersten Blick kaum ersichtlich.

Nachhaltigkeit wird durch Sie zur Leerformel, die für
lles steht, was Rot-Grün sowieso plant bzw. verabschie-
et; wir erleben es heute wieder. Ich frage Sie: Warum
ehen wir eigentlich nicht den Weg, dass wir die Dinge,
ie heute unter diesem Tagesordnungspunkt zusammen-
efasst sind, in den zuständigen Geschäftsordnungsaus-
chuss verweisen, um uns dort darüber zu unterhalten?


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Da war er doch!)


Nein, er war es nicht. – Sie drücken auf das Tempo und
rängen auf eine sofortige Abstimmung ohne Überwei-
ung.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Stimmt doch nicht! Falsch!)

)






(A) )



(B) )


Georg Fahrenschon

Ich komme zum Punkt: Der Beirat, den Sie uns hier

unbedingt unterjubeln wollen,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht unterjubeln, sondern abstimmen!)


ist ein weiterer Beleg Ihres falschen Verständnisses von
Nachhaltigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist der Vorwurf, den ich Ihnen machen muss. Wir
sind eine parlamentarische Demokratie, noch sind wir
keine Räterepublik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was verstehen Sie von Räterepublik? – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Der erste Beirat zu dem Thema war bei Kohl!)


Wir wollen dieses Thema dort behandeln, wo es hinge-
hört.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Kennen Sie den Beirat bei Kohl?)


Deshalb lautet unser Gegenkonzept klipp und klar: Wir
brauchen einen Ausschuss. Er muss umfassend zustän-
dig sein, sich selbstverständlich mit Umweltschutz und
der Entwicklung der natürlichen Ressourcen auseinander
setzen, er muss sich aber eben auch mit der demographi-
schen Entwicklung, mit der Entwicklung auf dem Ar-
beitsmarkt, mit der Entwicklung der sozialen Siche-
rungssysteme und mit der Entwicklung von
Wissenschaft und Bildung am Standort Deutschland aus-
einander setzen. Er braucht einen umfassenden Auftrag.


(Ulrike Mehl [SPD]: Wie groß soll der Ausschuss denn werden?)


Wir haben auch ein Mittel dazu: das Mittel der Gene-
rationenverträglichkeitsprüfung, das Mittel der Genera-
tionenbilanz ist entwickelt. Selbst die Bundesbank
macht bereits alljährlich Prüfungen und Rechnungen, die
die Generationenverträglichkeit, die Generationenbilanz
Deutschlands darstellen. Die Werte sind unter Ihrer Re-
gierung nicht besser geworden; das wundert uns auch
nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir fordern bewusst einen

Querschnittsausschuss; wir haben uns das wohl über-
legt. Wir wollen diesen Ausschuss vor der ersten Lesung
in den Fachausschüssen mit entsprechenden Themen be-
fassen, um den Fachleuten die Dinge mit auf den Weg zu
geben, die wir in diesem Fachausschuss umfassend und
generationengerecht entwickeln.


(Ulrike Mehl [SPD]: Viel Spaß mit den Kollegen!)


Dafür gibt es ein Beispiel: Der Europaausschuss ist aus
denselben Gründen als Querschnittsausschuss aufgestellt
worden, nämlich weil wir gesagt haben: Das deutsche

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(C (D arlament muss sich generell mit den Dingen, die in Euopa entwickelt werden, auseinander setzen. Mindestens o wichtig wie Europa muss uns doch die zukünftige ntwicklung in Deutschland sein. Frau Kollegin Klug, Sie haben den Bericht des Tech ikfolgenabschätzungsbüros genannt. Aber wenn Sie ihn chon zitieren, zitieren Sie ihn bitte richtig! Ich darf Ihen vorlesen, was auf Seite 31 der Drucksache 15/2129 teht: Eine hervorgehobene Form der Institutionalisierung der Beschäftigung des Deutschen Bundestages mit Langzeitund Querschnittsfragen wäre – orientiert etwa am Modell des Zukunftsausschusses des finnischen Parlaments – die Einrichtung eines speziellen Gremiums für Nachhaltigkeit oder Zukunftsfragen ... s folgt die Begründung, der wir uns ausdrücklich anchließen: Dies nur ein Ausschuss – würde entsprechend der auf Regierungsseite erfolgten Institutionalisierung in Form des Nachhaltigkeitsrates und des Staatssekretärausschusses für Nachhaltige Entwicklung die Arbeitsstruktur der Regierung spiegeln und entspräche der bisherigen parlamentarischen Institutionalisierungspraxis. (Beifall bei der CDU/CSU – Ulrike Mehl [SPD]: Alle, die da klatschen, sollen das mal in ihrer Fraktion durchsetzen! Das möchte ich mal sehen!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)


Ich fordere Sie deshalb noch einmal auf – ich kann
ur an Sie appellieren –: Machen Sie nicht Politik à la
rittin – tricksen, tarnen, täuschen –, sondern nutzen Sie
nser Angebot zu einer breiten parlamentarischen Ausei-
andersetzung über eine erfolgreiche nachhaltige Ent-
icklung.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das haben Sie doch noch nicht einmal im Text stehen!)


ber wenn schon, denn schon! Lassen Sie uns das rich-
ig machen, denn der beste Weg, die Zukunft vorauszu-
agen, ist, sie zu gestalten.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508909100

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der

raktionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen und
er FDP auf Drucksache 15/2441 mit dem Titel „Ein-
ichtung eines parlamentarischen Beirates für nachhal-
ige Entwicklung“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-
Fraktion gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion an-
genommen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/2129 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Zusatzpunkt 5. Wir kommen zur Abstimmung über
den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
15/2387 mit dem Titel „Einrichtung eines Zukunftsaus-
schusses“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion
gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a und 23 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten

Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael
Goldmann, Daniel Bahr (Münster), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP
Distanzierung der Bundesregierung von ge-
setzwidrigen Zerstörungen von Freisetzungs-
versuchen mit gentechnisch veränderten
Pflanzen
– Drucksache 15/1825 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael
Goldmann, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP
Freilandversuche mit gentechnisch veränder-
ten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlinburg
durchführen
– Drucksache 15/2352 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
FDP-Fraktion fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
Christel Happach-Kasan das Wort für die FDP-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ibt keine Anhaltspunkte dafür, dass gentechnisch vernderte Pflanzen eine Gesundheitsgefährdung darstellen, o Ministerin Künast bei der Vorstellung der Novelle des entechnikgesetzes. Wenn sie Recht hat, dann hat sie echt. Man muss feststellen, dass es erstmalig Beifall der Oposition für eine Feststellung von Ministerin Künast ibt. Der Protest grüner Abgeordneter gegen diese zutref ende Feststellung ließ nicht auf sich warten. Aber er ist n der Sache verfehlt. Mit ihrer Äußerung hat die Miniserin umgesteuert und anerkannt, was in der Wissenchaft unumstritten ist. Wir wünschen der Ministerin in ieser Frage Durchsetzungskraft bei ihrer grünen Klienel. Ich muss anmerken: Für ihre Parteifreunde ist der erlust des Feindbildes Grüne Gentechnik schmerzlich. chon in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der DP-Fraktion im Frühjahr letzten Jahres war deutlich eworden, dass auch die Bundesregierung für die angebichen Gefahren der Grünen Gentechnik keine Beipiele kennt. Bundeskanzler Schröder hat das Jahr mit einer Inno ationsinitiative begonnen. Das ist gut so. Von dieser nitiative können aber nur Impulse ausgehen, wenn auch aten folgen. Die erste Tat muss sein, dass sich die Bunesregierung von den gesetzwidrigen Zerstörungen von reisetzungsversuchen distanziert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1508909200

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ie muss auch den ihr nahe stehenden Kritikern deutlich
achen, dass auch sie an rechtsstaatliches Handeln ge-
unden sind, und sie muss dieses Handeln auch einfor-
ern.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Sehr richtig!)

s gibt in unserem Rechtsstaat keinen Freibrief für
echtswidriges Handeln.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Übersicht über die zerstörten Versuche zeigt: Es
urden Versuchsfelder von Pflanzenzuchtunternehmen
enauso zerstört wie Felder, die der Sicherheitsfor-
chung dienten. Es wurden Felder von Kulturpflanzen
erstört, die auskreuzen, genauso wie Felder von Arten,
ie nicht auskreuzen können. Zerstörung und nichts an-
eres, was auch sonst als Motiv genannt sein mag, steht
m Vordergrund.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

Der Bund der Pflanzenzüchter beziffert die Schäden

urch die Zerstörung von Versuchen auf zwischen
,5 Millionen und 2,5 Millionen Euro. Hinzu kommt der
erlust an Wissen, an Marktchancen, an Zukunftschan-
en für junge Menschen, die Themen der Sicherheits-






(A) )



(B) )


Dr. Christel Happach-Kasan

forschung in Diplom- und Doktorarbeiten bearbeiten
wollten.

Im Grundgesetz ist der Schutz des Eigentums veran-
kert. Es kann nicht sein, dass eine Bundesministerin die
Zerstörung von Eigentum toleriert.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich fordere Sie, Ministerin Künast – ich bedauere sehr,
dass sie heute nicht anwesend ist –, nachdrücklich auf:
Distanzieren Sie sich klipp und klar von den Feldzerstö-
rungen, egal von wem sie durchgeführt wurden! Das ist
das Mindeste, was Sie als Ministerin für den Schutz des
Eigentums und für unseren Rechtsstaat leisten müssen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es muss Sie doch nachdenklich stimmen, Frau Minis-
terin, dass die Biologische Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft jährlich 50 000 Euro allein für den
Schutz von Versuchsfeldern aufwendet. Das sind Mittel,
die anders wesentlich besser verwandt werden könnten.
Da verwundert nicht nur das Verhalten von Ministerin
Künast, die sich im ZDF auf konkrete Nachfrage nicht
von den gesetzwidrigen Zerstörungen distanziert hat.
Auch auf dem Server der Universität Kassel finden sich
Links zu den Seiten von Gentechnikgegnern. Dort heißt
es dann – ich zitiere wörtlich –:

Inwieweit die bereitgestellten Informationen ge-
nutzt werden, um die demokratischen Rechte gegen
die Gentechnologie wahrzunehmen, bleibt jedem
und jeder selbst überlassen.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Für die FDP stelle ich klar: Es gibt kein demokrati-

sches Recht auf Zerstörung von Versuchsfeldern mit
transgenen Pflanzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die fehlende Distanzierung der Ministerin Künast ge-
winnt vor dem Hintergrund der Novellierung des Gen-
technikgesetzes an zusätzlicher Bedeutung. In dem Ge-
setz wird gefordert, dass die Freisetzung und der Anbau
transgener Sorten in einem Standortregister erfasst wer-
den, das allgemein zugänglich sein soll. Frau Ministerin,
Sie müssen sich entscheiden: Ist das Standortregister ein
Instrument der behördlichen Überwachung von Feldern
mit transgenen Pflanzen, wie es in der Gesetzesbegrün-
dung heißt, oder ist es ein Hilfsmittel für Gentechnik-
gegner, Zerstörungen von Feldern zu organisieren?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sehr richtig!)


Zum zweiten Antrag. Der Apfel war im Altertum
Symbol für Liebe und Fruchtbarkeit. Alma Ata heißt
„Stadt des Apfels“. Von dort gelangten die ersten Äpfel
in den Mittelmeerraum und von dort nach Mitteleuropa.
867 000 Tonnen Äpfel wurden in Deutschland im ver-
gangenen Jahr geerntet. Damit steht Deutschland in
Europa beim Apfelanbau an dritter Stelle. Dieselbe
Menge importieren wir noch einmal.


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(C (D Äpfel schmecken gut und sind gesund. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich freue mich, dass ich den Beifall des ganzen Hauses
ekomme. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den
rünen, Sie widersprechen damit natürlich einer alten
eisheit der Grünen: All das, was Spaß macht und gut
chmeckt, ist entweder verboten oder macht dick. – Äp-
el nicht.
Auch Obstbäume werden von Krankheiten bedroht.

euerbrand ist eine hoch ansteckende bakterielle Erkran-
ung, die bereits in den Obstplantagen insbesondere in
aden-Württemberg erhebliche Schäden verursacht hat.
hne Streuobstwiesen würde die Kulturlandschaft an
eiz verlieren und der Lebensraum für viele Tierarten
erloren gehen.
Deshalb ist es gut, dass sich die Bundesanstalt für

üchtungsforschung in der Züchtung von Sorten enga-
iert, die gegen die bakterielle Erkrankung Feuerbrand
nd gegen die Pilzerkrankungen Apfelschorf und Apfel-
ehltau resistent sind. Zur Bekämpfung dieser Krank-
eiten werden im konventionellen Anbau Antibiotika
nd Fungizide eingesetzt. Die Bundesregierung setzt
ich für einen völligen Verzicht der Anwendung antibio-
ikahaltiger Pflanzenschutzmittel ein. Wenn man nicht
änzlich auf den Anbau von Äpfeln verzichten will
wer will das wirklich? –, ist das nur möglich, wenn re-
istente Sorten zur Verfügung stehen. Die mit herkömm-
ichen Methoden gezüchteten Sorten genügen nicht den
riterien, die an eine Weltsorte gestellt werden. Daher
st es konsequent, wenn zur Züchtung neuer Sorten die
ethoden der Gentechnik angewandt werden.


(Beifall bei der FDP)

Bisher wurden 1,14 Millionen Euro aufgewandt – viel
eld, das nur dann sinnvoll aufgewendet wurde, wenn
ie notwendigen Freisetzungsversuche in Pillnitz und
uedlinburg durchgeführt werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508909300

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1508909400

Ja. – Vor dem Hintergrund der vorliegenden Novellie-

ung des Gentechnikgesetzes, der Kanzlerinitiative zur
nnovation und der Klarstellung durch Ministerin
ünast, dass es keinerlei Hinweise für eine Gesundheits-
efährdung durch transgene Pflanzen gebe, stellt ein
eiteres Aufschieben dieser gut vorbereiteten Versuche
ie Glaubwürdigkeit der Bundesregierung infrage. Wel-
hen Wert haben Kanzlerinitiativen, wenn keine Taten
olgen, wenn die Innovationsleistungen der gesamten
iotechnologiebranche in Aktenschränken verstauben
nd nicht zur Anwendung kommen, wenn die Wert-
chöpfung aus den Ergebnissen der wissenschaftlichen
orschung freiwillig an das Ausland abgegeben wird?
ie soll der dringend notwendige Abbau der Arbeitslo-

igkeit gestaltet werden, wenn die Abwanderung gut






(A) )



(B) )


Dr. Christel Happach-Kasan

ausgebildeter Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
nicht wenigstens begrenzt wird?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508909500

Frau Happach-Kasan, Sie müssen zum Schluss kom-

men.

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1508909600

Ich komme zum letzten Satz. – Ich fordere die Bun-

desregierung auf, nicht nur von Innovation zu reden,
sondern auch die vielen Innovationen im Bereich der
Biotechnologie aktiv zu unterstützen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508909700

Das Wort für die Bundesregierung hat der Parlamen-

tarische Staatssekretär Gerald Thalheim.

(Jürgen Koppelin [FDP]: Der Staatssekretär ist ganz blass geworden!)

Dr.
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1508909800


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In weni-
gen Wochen werden wir anlässlich der Beratung über
den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Gen-
technikrechts Gelegenheit haben – Frau Happach-Kasan,
vielleicht vor größerem Publikum und aus besserem An-
lass –, über diese ganze Problematik etwas ausführlicher
und sachlicher zu diskutieren, als Sie das soeben getan
haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die entscheidende Tat der Bundesregierung bzw. des
Bundeskanzlers, die Sie eingefordert haben, ist, im Hin-
blick auf die Neuordnung des Gentechnikrechts in
Umsetzung der europäischen Richtlinie 2001 einen
Rechtsrahmen zu schaffen, um auch in Deutschland gen-
technisch veränderte Pflanzen – die entsprechende Ge-
nehmigung vorausgesetzt – anbauen zu können.

Das sollte uns gemeinsam zu denken geben: Allein
die Ankündigung des Gesetzentwurfs und der Inhalt die-
ses Entwurfs haben eine – ich möchte fast sagen – ex-
trem kontroverse Diskussion in Deutschland ausgelöst.
Sehr viel Kritik ist geäußert worden.


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Weil er nichts taugt!)


Es gab Widerstand gegen diese Regelung, die wohlge-
merkt eine Umsetzung des europäischen Rechts dar-
stellt.


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Weil Sie draufgesattelt haben!)


Es bleibt festzuhalten: Eine Mehrheit der Bürger in
unserem Land steht der Anwendung der Gentechnik bei

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(C (D er Nahrungsund Futtermittelproduktion skeptisch egenüber, weil der Nutzen für den Verbraucher nicht zu rkennen ist. Das ist der Vorwurf, der letztlich auch der ndustrie, also den Anbietern, zu machen ist. Wir können die Ängste und den Widerstand nicht ein ach wegbeschließen und wir können die Risiken dieser echnik nicht einfach sozialisieren und vielleicht sogar och die Werbung mit öffentlichen Mitteln finanzieren, ährend die Gewinne privatisiert werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben überhaupt keine Alternative dazu, die Sorgen
er Bevölkerung ernst zu nehmen und im Gesetzent-
urf zu berücksichtigen. Das ist auch im Interesse derer,
ie die Gentechnik anwenden wollen. Der Gesetzent-
urf muss ferner die Rückverfolgbarkeit, die Kenn-
eichnung – sie sind wichtige Teile des ganzen Projek-
es, um die sich viele sorgen – und die Koexistenz
icherstellen. Das heißt, wer auch in Zukunft gentech-
ikfrei produzieren will, kann dies auch tun.
Eine der Schimären, die Sie in die Öffentlichkeit zu

ringen versuchen, ist, dass die Skepsis allein aus dem
ot-grünen Regierungslager komme. Sie wissen ganz ge-
au, dass sie viel eher aus dem konservativen Lager
ommt. Frau Reichard, unterhalten Sie sich einmal mit
raf von Bassewitz vom Deutschen Bauernverband,


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Öfter als Sie!)


er die Initiative für eine gentechnikfreie Zone in Meck-
enburg-Vorpommern ergriffen hat.
Sie werden noch staunen, was sich in Sachsen-Anhalt

bspielen wird. Ich könnte Ihnen dazu Leserbriefe aus
er „Magdeburger Volksstimme“ vorlesen. Wir müssen
nd werden die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger
rnst nehmen und am Ende eine Regelung finden, die
eides berücksichtigt, die Sorgen und die Interessen der
ndustrie.
Es kann nicht hingenommen werden – dazu mache

ch eine klare Aussage in Richtung der Antragsteller –,
ass die Ängste diskreditiert werden, indem sie zum
orwand für Zerstörungen von Freisetzungsversuchen
it gentechnisch veränderten Pflanzen dienen.
Ich kann Ihnen die schriftliche Antwort der Bundesre-

ierung auf die Große Anfrage auf Drucksache 14/2942
orlesen, wonach die Bundesregierung mutwillige Zer-
törungen von Versuchsfeldern von gentechnisch verän-
erten Organismen verurteilt. Ihre Interpretation der
ussagen der Bundesministerin Frau Künast entspricht
infach nicht den Tatsachen. Im Übrigen teilen wir auch
hre Bewertung in Ihrem Antrag, dass das Vorgehen be-
timmter Organisationen rechtlich nicht zulässig und
olglich ganz klar zu verurteilen ist.
Allerdings ist nicht die Bundesregierung in der Ver-

ntwortung, dagegen vorzugehen, sondern die Landes-
ehörden. Ich staune daher schon, dass kaum bekannt
st, dass die entsprechenden Landesbehörden in dieser
ichtung aktiv geworden sind.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim

Ihr Antrag ist gegenstandslos und zielt ins Leere.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt auch für den zweiten Antrag, der sich mit der
Freisetzung von Apfelbäumen in Pillnitz und Quedlin-
burg befasst. Die Bundesministerin lehnte den Antrag
aufgrund politischer und sachlicher Erwägungen ab. Zu-
nächst zu den politischen Gründen: Wir sind mit der
Neuordnung des Gentechnikrechts dabei – ich habe es
bereits erwähnt –, den Weg für die praktische Anwen-
dung in Deutschland freizumachen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508909900

Herr Staatssekretär, erlauben Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Dr. Happach-Kasan?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1508910000


Aber gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508910100

Bitte schön, Frau Happach-Kasan.


Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1508910200

Herr Staatssekretär, der Antrag der FDP-Bundestags-

fraktion bezieht sich auf einen Vorfall im Sommer des
vergangenen Jahres, zu dem die Ministerin in der Sen-
dung „Frontal 21“ gefragt wurde – ich zitiere –:

Ihre Behörde genehmigt einen Weizenversuch in
Gotha und anschließend schlägt Greenpeace diesen
Versuch entzwei und ruiniert diesen Versuch. Sie
treten gemeinsam auf. Ist das Absicht oder billigen
Sie das nicht, dass Felder zerstört werden?

Auf diese Frage hat die Ministerin ausweichend ge-
antwortet. Sie hat gesagt, ich gehe davon aus: Das ist
eine brillante Frage von „Frontal 21“, um einen Ihrer be-
rühmten Berichte zu machen.

Ich meine, dass dies keine Distanzierung von der Zer-
störung von Freisetzungsversuchen ist.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das war doch eine gute Antwort! – Peter Dreßen [SPD]: Da hat sie doch wohl Recht!)


Sie haben etwas zitiert, was auch ich nachgelesen
habe, nämlich eine Antwort der Bundesregierung aus der
vergangenen Legislaturperiode. Ich beziehe mich jedoch
auf Vorgänge im vergangenen Sommer und hätte es
schon gerne gehabt, dass sich die Ministerin von diesen
Vorgängen genauso distanziert, wie sie es in der letzten
Legislaturperiode bei anderen Vorgängen gemacht hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Dr Frau Happach-Kasan, es gibt wohl keinen geeignete en Ort als das Rednerpult des Deutschen Bundestages, m hier klar Stellung zu beziehen und zu sagen, dass wir as nicht akzeptieren können. Dies können Sie im Protooll dann nachlesen. Die Gründe dafür habe ich bereits argelegt. Diese unterscheiden sich im Übrigen nicht on der Begründung Ihres Antrags: Rechtsbruch ist einach nicht hinzunehmen. Ich war dabei, einige Bemerkungen zu den Freiset ungsversuchen zu machen. Ich habe ausgeführt, dass s für die Ablehnung politische Gründe gab. Insbesonere nenne ich die Frage der Glaubwürdigkeit. Es ist einach nicht möglich, einerseits zu sagen: „Wir können entechnik nur anwenden, wenn die Koexistenz geährleistet ist, wenn Ängste entsprechend ernst genomen werden“ und andererseits gleichzeitig eine Freisetung zu genehmigen. Es gab auch sachliche Einwände. Wie Sie wissen, hatte as Umweltbundesamt noch keine Genehmigung erteilt, eil es in einer Region wie Pillnitz, dem Elbtal, wo es sehr iele Obstzüchter gibt, die Gefahr von Auskreuzungen esehen hat. Auch aus dem Bereich gab es erheblichen iderstand. Ich denke, Frau Bundesministerin Künast ar gut beraten, in dieser Phase so zu entscheiden, wie ntschieden worden ist. Wenn das Gesetz verabschiedet ist, wenn der Rechts ahmen im Wege der Umsetzung der entsprechenden ichtlinie auch für die Anwendung von Gentechnik in eutschland geregelt ist, kann dieses Projekt möglichereise für einen anderen Standort, an dem es dafür mehr kzeptanz gibt, noch einmal diskutiert werden. Gegenärtig ist dafür aus den Gründen, die ich ausführlich argelegt habe, nicht der geeignete Zeitpunkt. Recht vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1508910300

(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508910400

Das Wort hat jetzt der Kollege Helmut Heiderich von

er CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1508910500

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen!
ie Vorgänge zur Grünen Gentechnik in Deutschland
ind schon ziemlich einmalig. „Staatlich veräppelte For-
chung“ hat das die Presse kürzlich landauf, landab titu-
iert.


(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Presse?)


Da gibt ein Ministerium Steuergelder aus, um neue Er-
enntnisse in der Wissenschaft zu gewinnen, und eine an-
ere Ministerin ordnet persönlich ein Forschungsverbot






(A) )



(B) )


Helmut Heiderich

für genau dasselbe Vorhaben an. Herr Dr. Thalheim,
wenn das kein Tollhaus ist, wo finden wir es dann sonst?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Bei Ihnen!)


Es kommt aber noch besser: Genau das, was Ministe-
rin Künast ihrer eigenen politischen Weltanschauung ge-
opfert hat, fand sich vor wenigen Tagen im Internet wie-
der: Keine geringere Organisation als die National
Academy of Science der USA vermeldet dort einen wis-
senschaftlichen Durchbruch. Mithilfe der Gentechnik
– so wird dort dargestellt – sei es gelungen, marktfähige
Apfelbäume virusresistent zu machen. Genau das, was
Frau Künast in Deutschland abgewürgt hat, wird dort als
wissenschaftlicher Durchbruch gefeiert.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass durch diese
neue Möglichkeit bis zu 15 Pflanzenschutzspritzungen
in den Obstplantagen eingespart werden könnten.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Aha!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn

das für den Verbraucher und die Wissenschaft kein Vorteil
ist, dann frage ich mich, was dann ein Vorteil sein soll.
Dass die Ministerin so etwas in Deutschland verbietet,
spricht nun wirklich Bände. Herr Dr. Thalheim, an diesem
Punkt mussten Sie ja eben auch etwas herumeiern. Denn
die Verantwortlichen im Ministerium hatten ja zuerst be-
hauptet – Sie haben das eben teilweise wiederholt –, dass
der Versuch wegen der Auskreuzungsgefahr kritisch zu
beurteilen gewesen sei. Dann mussten Sie aufgrund un-
serer Nachfragen aber einräumen, dass in Quedlinburg in
Sachsen-Anhalt bei den Versuchsbäumen überhaupt
keine Blütenbildung vorgesehen war. Wo nichts blüht,
kann aber auch nichts auskreuzen. Insofern war dies eine
reine Scheinbehauptung, die aber nicht der Wahrheit ent-
sprochen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Danach haben Sie diesen einzigartigen Eingriff in die

Freiheit der Wissenschaft – auch das ist eben gesagt wor-
den – damit begründet, dass die Akzeptanz der Bevölke-
rung in den betroffenen Regionen gefehlt hätte. An die-
ser Stelle hat meine Kollegin Frau Heller in der Frage-
stunde nachgeforscht. Daraufhin haben Sie zugeben
müssen, dass bei dem Versuch in Quedlinburg vor Ihrer
Entscheidung ganze drei – ich wiederhole: ganze drei –
Einwendungen vorgelegen haben.

Wenn Sie also aufgrund von drei Einwendungen die
Meinung vertreten, die gesamte Bevölkerung habe sich
gegen diese Versuche gewehrt, dann kann ich nur sagen:
Damit kann man solche Entscheidungen wirklich nicht
begründen. Ich glaube, noch deutlicher kann die Schein-
heiligkeit dieser Argumentation nicht aufgedeckt wer-
den. In diesem Bereich der Forschung kommt man sich
allmählich vor, als sei man in Zeiten zurückversetzt, in
denen das, was die Untertanen tun durften, von des Fürs-
ten Gnaden abhängig war.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Zweitens hat die Ministerin hier im Parlament – darüer haben wir auch gestern wieder diskutiert – gegenber der Öffentlichkeit schlicht Unwahrheiten über den oldenen Reis und seine Nutzungsmöglichkeiten verreitet. Der Erfinder des Goldenen Reis, Professor otrykus, hat sich ja auch schriftlich an uns Abgeordnete nd auch an sie gewandt und um Klarstellung gebeten. azu ist weder gestern von der Ministerin noch heute on Ihnen ein einziges Wort der Klarstellung gesagt orden. Drittens hat die Ministerin vor einiger Zeit persönlich n einer Greenpeace-Aktion, die zusammen mit EDEKA ord durchgeführt wurde, teilgenommen, die letztendich auf Verbrauchertäuschung hinauslief. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Sie ist aber auch beim Bauernverband! Sie geht überall hin!)


Es waren ja mehrere Personen anwesend. Aber ich
öchte Ihnen einmal Folgendes sagen: Mit großem
amtam hat sie damals erklärt, dass es dort angeblich
entechnikfreies Schweinefleisch gebe. Dann haben wir
achgeforscht, wie dieser Sachverhalt im Ministerium
eurteilt wird. Uns wurde gesagt,


(Peter Dreßen [SPD]: Von wem denn im Ministerium? Nennen Sie doch einmal Ross und Reiter!)


ass man beim aus Brasilien importierten Soja überhaupt
icht klären könne, ob es mit oder ohne Gentechnik pro-
uziert worden sei. Bei der Einfuhr werde es von den
ollbehörden daraufhin überprüft, ob die gelieferten Gü-
er in äußerlich erkennbarer Weise den Angaben in den
okumenten entsprächen.


(Peter Dreßen [SPD]: Auf Hörensagen geben wir nichts! Vor Gericht gilt Hörensagen nichts!)


Auch durch Lautstärke können Sie den Fakten, die
erantwortliche Ihres Hauses zusammengestellt haben,
icht entgegenwirken.


(Peter Dreßen [SPD]: Aber Hörensagen ist doch nicht in Ordnung! Hörensagen gilt einfach nichts! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unterstellungen, Unwahrheiten, keine Kompetenz!)


es Weiteren hat ein Kollege von Dr. Thalheim auf eine
achfrage bestätigt, dass dort in der Produktion gentech-
isch hergestellte Zusatzstoffe heute üblich seien, näm-
ich Enzyme, Aminosäuren und Vitamine – sie werden
eute allesamt gentechnisch hergestellt –, und dass es
icht zulässig sei, so das Ministerium, solche Produkte
ann als gentechnikfrei zu kennzeichnen.


(Manfred Helmut Zöllmer [SPD]: Kommen Sie doch endlich mal zur Sache! – Peter Dreßen [SPD]: Von wem? Von wem im Ministerium?)


Warum nenne ich diese Punkte? Das tue ich deswe-
en, weil die Ministerin mit ihrem Verhalten ein öffentli-
hes Bild der modernen Biotechnik in der Landwirt-






(A) )



(B) )


Helmut Heiderich

schaft erzeugt, das völlig verzerrt ist. Frau Dr. Happach-
Kasan hat eben darauf hingewiesen, dass die Ministerin
bei allen Aktionen wegschaut, bei denen in gesetzwidri-
ger Weise Forschung, insbesondere solche der öffentli-
chen Hand, zerstört wird. Gerade haben auch Sie, Herr
Dr. Thalheim, wieder von diesem Verhalten abgelenkt
und versucht abzuwiegeln.

Welche Welten zwischen dem Verhalten in Deutsch-
land und dem in unserem Nachbarland Frankreich lie-
gen, will ich Ihnen an einem kleinen Beispiel deutlich
machen. Auch in Frankreich gibt es einen Kämpfer ge-
gen Globalisierung und – wie er es nennt – „la mal-
bouffe“. Er ist, seit er im Jahre 1999 einmal eine McDo-
nald’s-Filiale demontiert hat, eine Art nationale Größe
geworden. José Bové wurde von der Presse sogar einmal
als Präsidentschaftskandidat ins Spiel gebracht. Doch
auch diese Berühmtheit und Bekanntheit haben die fran-
zösische Regierung nicht daran gehindert, ihn wegen der
Zerstörung von gentechnisch verändertem Saatgut im
vergangenen Jahr zu einer Freiheitsstrafe von zehn Mo-
naten zu verurteilen. Die Strafe wurde von Jacques
Chirac persönlich zwar deutlich verkürzt, aber der Vor-
gang an sich macht, wie ich finde, sehr deutlich, welche
Unterschiede im Umgang mit diesem Thema zwischen
unseren beiden Ländern bestehen. In Frankreich schaut
man nicht weg und scheut sich nicht, auch national be-
kannte Größen zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie in
dieser Weise gesetzwidrig gegen Forschungsvorhaben
der Biotechnik vorgehen.

Im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Dr. Thalheim,
eben geäußert haben, finde ich, dass es dringend notwen-
dig ist, dass sich die Bundesregierung von den gesetz-
widrigen Aktionen deutlich distanziert, damit mit diesen
Aktionen in Deutschland endlich Schluss ist. Ich be-
grüße, was Sie eben von dieser Stelle aus gesagt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Initiative der FDP ist vollkommen richtig und fin-

det unsere volle Unterstützung.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508910600

Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Ostendorff

vom Bündnis 90/Die Grünen, der für die Kollegin Ulrike
Höfken einspringt, die erkältet ist.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Bevor ich auf den Antrag der FDP zu sprechen
komme, will ich etwas zu den Ausführungen von Herrn
Heiderich sagen. Herr Heiderich, gerade beim Pro-
gramm der EDEKA Nord, das Sie angesprochen haben,
gibt es, wie übrigens bei vielen anderen Programmen
auch, außerordentlich genaue Definitionen zum Einsatz
von Sojaschrot und hinsichtlich der Fütterung. Wenn Sie
sich ernsthafter damit beschäftigt hätten,


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Haben wir!)


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(C (D ätten Sie Ihre Aussage, die Sie hier eben gemacht haen, so nicht aufrecht erhalten können. Als ich den Antrag der Kollegen der FDP zum ersten al gelesen habe, dachte ich, es handele sich um einen eitrag zum diesjährigen Karneval. Aber nach der gesrigen Goldmann’schen Kravalldebatte hier im Bundesag war uns klar, dass es sich nicht um einen Rosenmonagsscherz handelt, sondern dass wir aufgefordert sind, ns ernsthaft mit diesem Unsinn zu beschäftigen. Sehr geehrte Kollegin Happach-Kasan, sehr geehrter ollege Goldmann, wir von den Grünen fragen uns angsam, ob das Ihre Auffassung von ernsthafter Politik st, die Sie im Agrarausschuss und besonders im Plenum n letzter Zeit zur Aufführung bringen. Wir sagen dazu ein. Wenn Ihnen nicht mehr einfällt, dann ersparen Sie ns bitte diese Debatten. Wir sind bemüht, ernsthaft um grarpolitische Fragen zu ringen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Herr Ostendorff, Sie sind die lebende Weisheit!)


Was verstehen Sie eigentlich unter den geheimnisvol-
en „regierungsnahen Organisationen“, die laut Ihrem
ntrag Felder zerstören sollen?


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Das wissen Sie doch selber!)


ch habe das Gefühl, dass Sie zu viel Harry Potter gele-
en oder zu viele Verschwörungsfilme im Kino gesehen
aben, anstatt sich ernsthaft mit diesen Themen zu be-
chäftigen.
Man muss sich einmal vorstellen: Ministerin Renate
ünast soll sich von etwas distanzieren, was sie weder
nterstützt noch gar begangen hat, zu dem sie sich ledig-
ich nicht geäußert hat.


(Christa Reichard [Dresden] [CDU/CSU]: Keine Antwort ist auch eine Antwort!)


s gibt vieles in dieser Republik, wozu sich Minister
icht äußern. Es ist meiner Meinung nach auch nicht die
ufgabe von Ministern, sich zu allen Vorgängen in die-
em Land zu äußern.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Es ist peinlich, was Sie hier abliefern! Einfach peinlich!)


ie Regierung wird von Ihnen ohne den geringsten An-
atz eines Hinweises oder gar eines Beweises in Verbin-
ung zu Feldzerstörungen gebracht, mit denen sie über-
aupt nichts zu tun hat.


(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)


cCarthy lässt grüßen, meine lieben Kollegen von der
DP.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Meine Immunität wurde noch nicht aufgehoben!)


nd das von einer Partei, die das Wort „liberal“ im Na-
en führt!






(A) )



(B) )


Friedrich Ostendorff

Stellen Sie sich einmal vor, wohin das führen könnte.

In einer Aktuellen Stunde soll sich Guido Westerwelle
von Forderungen nach komplettem Sozialabbau distan-
zieren. Das hätte noch eine gewisse Logik qua inhaltli-
cher Nähe.


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Machen Sie jetzt Karneval, oder was?)


Oder die FDP soll sich für das, was Haider verbreitet,
entschuldigen. Niemand verlangt das von Ihnen, sehr
verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Sie
aber scheinen aus profilneurotischen Gründen den Bun-
destag zu einer Satireveranstaltung machen zu wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ihr Antrag passt gut in Ihre Politik zur Agrogentech-
nik. Sie haben sich noch nie ernsthaft mit dieser Proble-
matik befasst, sondern vertreten schon immer einäugig
die Interessen von Lobbyisten der Gentech-Multis, und
das ohne jeden Zweifel, ohne jede Skrupel und gegen die
Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher und
der deutschen Landwirtschaft.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist wirklich eine Unverschämtheit!)


Ihren blinden Fortschrittsglauben, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der FDP, braucht das Land ebenso we-
nig wie Feldzerstörungen. Was wir brauchen ist eine
Gentechnikpolitik mit Augenmaß, die Vorsorge und Si-
cherheit für Gesundheit und Umwelt in den Vordergrund
stellt. Deshalb werden wir in Kürze ein Gentechnikge-
setz vorlegen, das die Vorsorge und die Haftung in den
Vordergrund stellt.

Darüber hinaus werden wir dafür sorgen, dass bei An-
wendung der Gentechnik beim Anbau und in der Le-
bensmittelproduktion größtmögliche Sicherheit besteht.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das machen wir auch!)


Oft wird behauptet, Gentechnik würde schon jahrelang
angewendet und es hätten sich noch keine Risiken erge-
ben. Die Auswirkungen gentechnisch veränderter Orga-
nismen sind bisher aber nur bei etwa einem Prozent der
weltweiten experimentellen Freisetzungen untersucht
worden. Sie handeln nach dem Motto: Wer gar nicht erst
nach Risiken sucht, der wird auch keine Risiken finden.

In den wenigen Studien, die es gibt, wird gezeigt, wie
wichtig das Vorsorgeprinzip ist, für das sich Bündnis 90/
Die Grünen einsetzen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ganz bestimmt!)


Die kürzlich in Großbritannien veröffentlichte Studie ist
deswegen so bemerkenswert, weil es in Großbritannien
über 200 großflächige Standorte gibt, auf denen gentech-
nisch veränderte Organismen stehen.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Bei uns geht das nicht, weil sie zerstört werden!)


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(C (D iese sind über einen Zeitraum von drei Jahren unterucht worden. Dabei stellte sich heraus, dass sich durch en Anbau herbizidresistenter Pflanzen massive Auswirungen auf die Vielfalt von Ackerkräutern und Insekten rgeben, die unter anderem auf den Einsatz der mit den V-Pflanzen verknüpften Totalherbizide zurückzufühen sind. (Christa Reichard [Dresden] [CDU/CSU]: Auf welchem Beet ist das gewonnen worden?)


udem konnten die britischen Wissenschaftler nachwei-
en, dass das Auskreuzungspotenzial von gentechnisch
eränderten Pflanzen – vor allem Raps – höher als bisher
ermutet ist. Die Bienen trugen die Pollen bis zu
6 Kilometer weit.
Es ist unsere politische Überzeugung, dass es notwen-

ig ist, Fragen zur Sicherung der gentechnikfreien Pro-
uktion und zur Haftung gesetzlich zu beantworten, be-
or es zu einem kommerziellen Anbau von gentechnisch
eränderten Pflanzen in Deutschland kommt.


(Christa Reichard [Dresden] [CDU/CSU]: Dazu dient doch die Forschung!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508910700

Herr Kollege Ostendorff, erlauben Sie eine Zwischen-

rage der Kollegin Happach-Kasan?

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508910800

Bitte schön, Frau Kollegin Happach-Kasan.

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1508910900

Herr Kollege Ostendorff, sind Ihnen auch die Unter-

uchungen bekannt, in denen transgene herbizidresis-
ente Rapssorten mit nicht transgenen herbizidresisten-
en Rapssorten verglichen worden sind, wobei
estgestellt wurde, dass die Herbizidresistenz bei beiden
orten die gleichen Auswirkungen hat, es also in dieser
insicht keinerlei Unterschiede gibt?

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Mir sind nationale Versuche, die universitär ausge-
ertet wurden und die ein solches Ergebnis erbracht ha-
en, nicht bekannt. Sie können sie uns gerne zur Verfü-
ung stellen.


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Wieso reden Sie dann von England? – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er redet von England, kennt aber die Ergebnisse nicht!)


Ich fahre fort. In Kanada zum Beispiel, wo die Siche-
ung der gentechnikfreien Produktion nicht geregelt ist,
önnen Biobauern und konventionelle Bauern seit der
inführung des kommerziellen Anbaus von gentech-
isch veränderten Pflanzen nicht mehr gentechnikfrei
roduzieren. Diese Entwicklung werden wir in Deutsch-






(A) )



(B) )


Friedrich Ostendorff

land mit dem neuen Gentechnikgesetz verhindern. Das
geht nicht dadurch, dass wir die Hände in den Schoß le-
gen und abwarten, bis die EU-Kommission weitere Gen-
produkte zulässt. Das geht nur, indem wir uns der He-
rausforderung stellen.

Für die Sicherheitsforschung ist es wichtig, dass auch
mögliche unspezifische Auswirkungen gentechnisch
veränderter Pflanzen auf die Nahrungsketten, die Arten-
vielfalt und die Lebensgemeinschaft von Pflanzen unter-
sucht werden.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie sollten sich nicht alles aufschreiben!)


Die Auswirkungen der Gentechnologie auf den konven-
tionellen und den ökologischen Landbau und auch mög-
liche langfristige Wirkungen müssen untersucht werden.

Dafür werden wir sorgen.

(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Das ist welt weit schon hundertfach geschehen!)

Wer hier im Parlament ist eigentlich dagegen, dass es
weiterhin einen gentechnikfreien Anbau gibt?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Helmut Heiderich [CDU/ CSU]: Sie verbieten doch die Untersuchungen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508911000

Die Rede des Kollegen Matthias Weisheit von der

SPD-Fraktion nehmen wir mit Ihrer Billigung zu Proto-
koll.1)


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Herr Ostendorff hätte seine Rede auch zu Protokoll geben sollen! – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Er hat ja nur eine fremde Rede vorgelesen!)


Deswegen hat jetzt die Kollegin Christa Reichard von
der CDU/CSU-Fraktion als letzte Rednerin zu diesem
Tagesordnungspunkt das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Christa Reichard (CDU):
Rede ID: ID1508911100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich be-

grüße den Antrag der Liberalen zu den Freilandver-
suchen in Pillnitz und Quedlinburg. Glauben Sie mir: Ich
werde nicht tatenlos zusehen, wie in meiner Heimatstadt
Dresden ein international führendes Forschungsinstitut
durch grüne Willkür gefährdet wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


Fehlende Akzeptanz bei den Obstbauern und bei der
Bevölkerung soll der Grund sein, Herr Dr. Thalheim. Ich
habe Frau Künast schriftlich gefragt, was sie unternom-
men hat, um die Akzeptanz der Bevölkerung für die

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s1) Anlage 3

(C (D reilandversuche in Pillnitz und Quedlinburg zu ermiteln. Innerhalb von drei Wochen konnte das Ministerium eine Antwort darauf geben und bat um Fristverlängeung. Wenn Sie tatsächlich irgendetwas zur Information nd Aufklärung unternommen hätten, dann wäre es kein roblem, zu antworten. Was sagen Sie denn dazu, dass ich der Sächsische Landesverband der Obstbauern und ie Fachgruppe Obstbau im Bundesausschuss Obst und emüse im Dezember für die Durchführung der Versuhe in Dresden-Pillnitz ausgesprochen haben? Ist das die ehlende Akzeptanz der Obstbauern? (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meinen Sie wirklich, dass 250 Einsprüche aus ganz
eutschland ohne Prüfung auf deren Relevanz im Ge-
ehmigungsverfahren wichtiger als die Interessen der
grarwirtschaft und der Erwerbsbauern sind, die auf die
rgebnisse aus Pillnitz warten? Besonders rätselhaft ist
ür mich, warum der Versuch auch in Quedlinburg ge-
toppt wurde, obwohl es dort keine Akzeptanzprobleme
ibt und die Bundesregierung selbst einräumt, dass dort
eine Auskreuzung möglich ist. Nötiger denn je ist eine
mfassende Aufklärung der Bevölkerung; denn fast alle,
ie sich mit der Grünen Gentechnik wirklich beschäftigt
aben, sind von einer anfangs skeptischen Haltung abge-
ückt, selbst der Vatikan. So weit zum fachlichen Teil der
ebatte.
Wegen der zu erwartenden Genehmigung – Aussagen

uständiger Sachverständiger legen dies nahe – hat Frau
ünast persönlich das Verfahren gestoppt, also im letz-
en Moment die Reißleine gezogen. Hat es Vergleichba-
es schon einmal gegeben? Warum hat sie Angst vor ei-
er Genehmigung? Die fadenscheinige Begründung der
inisterentscheidung zeigt mir, dass es dafür noch an-
ere Gründe geben muss; denn der Auftrag für diese
orschung kam schließlich aus ihrem Ministerium. Alle
ntworten auf unsere Fragen haben für den plötzlichen
inneswandel keine plausible Begründung ergeben.
Denken Sie, es ist Zufall, dass Ende September vori-

en Jahres eine Versammlung unter grüner Regie in
resden stattfand und eine Kampagne gegen die Freiset-
ung gestartet wurde? Denken Sie, es ist Zufall, dass die
rüne Dresdner Bundestagskollegin Hermenau kurz da-
ach sächsische Spitzenkandidatin der Grünen für die
andtagswahl wurde? Zurzeit weisen die Grünen in
achsen stolze 2 Prozent Zustimmung auf.


(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke, Christa, super!)


enken Sie, es ist Zufall, dass am 24. Oktober nur eine
riumphierende Pressemitteilung der sächsischen grünen
bgeordneten über eine interne Entscheidung des Minis-
eriums zur Verhinderung der Freilandversuche infor-
ierte, bevor das Institut in Pillnitz davon überhaupt
enntnis erhielt?
Könnte es vielleicht sein, dass der eigentliche Grund

ür den Verfahrensstopp vor allem Rückenwind für die
ächsischen Grünen sein soll und dieses Vorgehen von






(A) )



(B) )


Christa Reichard (Dresden)


Anfang an parteiintern abgestimmt war? Frau Ministe-
rin, das wäre Willkür nach Gutsherrenart.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir im Sächsischen Landtag, oder was?)


Eine von Ideologie und Parteipolitik geprägte Entschei-
dung schadet der bundeseigenen Forschung in Dresden
und Quedlinburg, setzt 1,14 Millionen Euro der Steuer-
zahler in den Sand und wird die Grünen in Sachsen nicht
wieder in den Landtag bringen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warten wir ab!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508911200

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf

den Drucksachen 15/1825 und 15/2352 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Zukunft der Pflegeversicherung

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antrag-
stellende Fraktion hat der Kollege Horst Seehofer.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1508911300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es vergeht mittlerweile keine Woche, in der die-
ser Bundesregierung nicht ein gravierender Fehler unter-
läuft. Das Stichwort dieser Woche ist die Pflegeversiche-
rung. Damit hat die Bundesregierung das zweifelhafte
Kunststück fertig gebracht, dass nach der Rentenver-
sicherung, der Krankenversicherung und der Arbeits-
losenversicherung nun auch die Pflegeversicherung in
einer ernsten Krise steckt. Ich bin schon lange in diesem
Parlament, aber noch keine Bundesregierung hat es ge-
schafft, alle Versicherungszweige gleichzeitig in die
Krise zu führen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu viel der Ehre!)


Dienstag erklärte der Bundeskanzler, eine Reform der
Pflegeversicherung komme nicht infrage. Das ist ein
ganz fatales Signal: Unser Land kann im Moment alles
vertragen, aber keinen politischen Stillstand. Nach der
Politik der ruhigen Hand kommt nun wohl die Politik
des Stillstandes.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D eute erklärt die Bundesregierung in Gestalt ihrer Parlaentarischen Staatssekretärin beim Pflegekongress, dass ie Bundesregierung Beitragserhöhungen in der Pflegeersicherung nicht ausschließe. er geplante Zeitzuschlag für Demenzkranke und die ynamisierung der Pflegeleistungen ließen sich nur fianzieren, wenn es tendenziell höhere Beiträge gebe, so ie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundessozialinisterium, Marion Caspers-Merk. Diese Bundesregieung ist mittlerweile der absolute Inbegriff der Unfähigeit. Anders kann man es nicht sagen. Es gibt zwei Gründe, warum wir eine Reform der flegeversicherung brauchen. Seit 1999 schreibt die flegeversicherung rote Zahlen, bis 1998 verzeichnete ie Überschüsse. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum?)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie roten Zahlen haben einen politischen Grund. Das
rste nämlich, was die neue Bundesregierung nach 1998
at, ging zulasten der Pflegeversicherung: Im Wege eines
erschiebebahnhofs hat sie die Beiträge, die Bezieher
on Arbeitslosenhilfe an die Pflegeversicherung leiste-
en, reduziert. Das war der eigentliche Grund, warum
uch diese Sozialversicherung in die Krise kam. Es liegt
icht an der Struktur der Pflegeversicherung, dass wir
eute über eine Schieflage diskutieren, sondern an der
alschen Politik, die in der Pflegeversicherung seit 1999
etrieben wird.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein starkes Stück!)


Seit April 2001 haben wir zudem ein Urteil des Bun-
esverfassungsgerichts, wonach Familien mit Kindern
eim Beitrag zur Pflegeversicherung besser gestellt wer-
en müssen. Drei Jahre hatte die Bundesregierung mitt-
erweile Zeit. Es gab Gründe, warum sie nicht gehandelt
at und warum sie jetzt das beabsichtigte Handeln wie-
er rückgängig macht.
Der erste Grund war und bleibt, dass angesichts von

4 Wahlen in diesem Jahr auch jetzt wieder versucht
ird, die Wähler zu täuschen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

etzt sage ich Ihnen einmal, was Ihr Fraktionsvorsitzen-
er Müntefering vor der Bundestagswahl zum selben
hema gesagt hat:


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Daran erinnert er sich gar nicht mehr!)


ir müssen den Leuten vor der Wahl sagen, wie wir uns
ie Lösung bei der Pflegeversicherung vorstellen. – So
ußerte sich Ihr Fraktionsvorsitzender Müntefering vor
er Bundestagswahl 2002.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich kann nicht glauben, dass er das gesagt hat!)







(A) )



(B) )


Horst Seehofer

Sie haben es nicht gesagt. Sie haben die Wahl abgewar-
tet und anschließend das Konzept erarbeitet, um das es
in diesen letzten Wochen ging.

Jetzt zieht der Bundeskanzler die Entscheidung zur
Pflegeversicherung zurück, und zwar aus den gleichen
Gründen, die er in all den letzten Jahren vor jeder Wahl
hatte. Vor der Wahl wird schön geredet und nach der
Wahl wird das Gegenteil getan. Jetzt geht es wieder da-
rum, die dringend notwendige Reform der Pflegeversi-
cherung wegen der anstehenden Wahl in Hamburg, der
Wahl zum Europäischen Parlament und vieler anderer
Wahlen in diesem Jahr hinauszuschieben. Erst im
Herbst, in der Endphase dieses Jahres, wird man im
Hopplahopp-Verfahren das Parlament mit diesem Thema
befassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der alleinige Grund dafür ist, der Bevölkerung die
Wahrheit vorzuenthalten. Das ist der Grund für Ihr Han-
deln. Ihnen ist es völlig gleich, ob Sie die dringend not-
wendigen Verbesserungen für Demenzkranke und für
Pflegebedürftige ebenfalls auf die lange Bank schieben.

Das Erste, was diese Pflegeversicherung braucht, ist
die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsge-
richts, wonach Kinder erziehende Familien besserzustel-
len sind. Seit drei Jahren gibt es diesen Auftrag des Bun-
desverfassungsgerichts.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie hätten Sie es denn gerne?)


Das Zweite ist, dass wir die Lücken, die die Pflege-
versicherung heute noch aufweist, schließen: Wir brau-
chen leistungsrechtliche Verbesserungen für Demenz-
kranke und müssen die seit 1996 nicht mehr angepassten
Pflegesätze für die ambulanten Stationen – das ist ein
Skandal – erhöhen. Beides ist wegen dieser Entscheidung
des Bundeskanzlers auf absehbare Zeit nicht möglich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ein Skandal!)

Es gibt noch etwas, das wir sehr kritisieren. Es gibt

auch einen inhaltlichen Fehler. Es gibt bei der Ausgestal-
tung des Kinderbonus bzw. der Besserstellung von Kin-
der erziehenden Familien in der Sozialversicherung viele
denkbare Modelle. Aber, Frau Schmidt, eines kann man
nicht machen, nämlich Familien, die in der Vergangen-
heit Kinder großgezogen haben und deren Kinder aus
dem Haus sind, jetzt einen höheren Pflegeversicherungs-
beitrag zumuten, wie Sie es beabsichtigt haben. Denn
diese Familien hatten niemals den Vorteil eines Kinder-
bonus in der Vergangenheit. Die haben die gleichen Bei-
träge gezahlt wie alle anderen Familien auch. Daher geht
es nicht, wie Sie beabsichtigt hatten, dass diese Fami-
lien, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, einen hö-
heren Pflegeversicherungsbeitrag bezahlen.

Was immer Sie nach dieser zurückgestellten Entschei-
dung überlegen – für eine solche Bestrafung von Fami-
lien, die in der Vergangenheit Kinder großgezogen ha-
ben, werden Sie unsere Stimmen nicht bekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Herr Kollege Seehofer, kommen Sie zum Schluss! Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung an die dresse der Koalition. Nein, Herr Kollege Seehofer, wir sind in einer Aktu llen Stunde. Das geht nicht. Meine Redezeit von fünf Minuten ist um. Vielen Dank. Das Wort hat die Bundesministerin Ulla Schmidt. Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und oziale Sicherung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich in sehr froh, Herr Kollege Seehofer, dass die Entscheiung des Bundeskanzlers zumindest dazu führt, dass das hema Pflegeversicherung auch von Ihrer Seite diskuiert wird. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Ihr habt drei Anträge von uns abgelehnt! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist ja Karneval!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508911400
Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1508911500
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508911600
Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1508911700

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508911800

ir können über vieles reden. Sie haben im Laufe der
eit so manchen Antrag in den Deutschen Bundestag
ingebracht.
Vieles, über das wir heute diskutieren und das auch

otwendig ist, hat nichts damit zu tun, dass die Pflege-
ersicherung plötzlich in eine Krise gerät. Die finanzi-
lle Deckung der Pflegeversicherung ist immer noch ge-
eben, aber es besteht Handlungsbedarf. Das ist übrigens
in Grund, warum wir die Rürup-Kommission und Sie
ie Herzog-Kommission eingesetzt haben: um die Fra-
en der Finanzierung und der langfristigen Entwicklung
er Pflegeversicherung zu klären.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Warum machen Sie das dann nicht?)


Man sollte in seinen Redebeiträgen immer anständig
ein und beim Thema bleiben. Als ich in den vergange-
en beiden Tagen die Berichterstattung in den Medien
erfolgt habe, hatte ich wiederholt den Eindruck, dass
anz Deutschland und auch viele Politiker nach Refor-
en rufen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nach wichtigen Reformen, Frau Ministerin!)







(A) )



(B) )


Bundesministerin Ulla Schmidt

Aber wenn es darum geht, die Reformen umzusetzen,
dann möchte man mit ihren Auswirkungen am liebsten
nichts zu tun haben.


(Beifall bei der SPD – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Basta!)


Ich denke dabei nicht nur an die aktuelle Gesundheitsre-
form.

Es geht auch darum, dass wir, wenn wir Verbesserun-
gen im Bereich der Pflege vor allem der älteren Genera-
tion – es gibt durchaus auch jüngere Menschen, die da-
rauf angewiesen sind, aber hier geht es in erster Linie um
die ältere Generation – erreichen wollen, in Deutschland
eine Debatte darüber führen müssen, was uns die Pflege
wert ist und wie wir sie organisieren wollen.

Wenn hier die Wahrhaftigkeit eine Rolle spielen soll,
dann muss der Redlichkeit halber auch anerkannt wer-
den, dass die Pflegeversicherung schon bei ihrer Einfüh-
rung mit Mängeln behaftet war. Das ist auch jedem be-
kannt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Mängel zu akzeptieren war unumgänglich, damit
dieser wichtige Zweig der Sozialversicherung eingerich-
tet werden konnte.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Ihr habt doch mitgestimmt!)


Ich will das auch nicht kritisieren. Aber so zu tun, als
seien die Mängel erst 1998 aufgetreten und als liege es
an der rot-grünen Bundesregierung, dass ein fester Bei-
tragssatz gesetzlich verankert wurde, wohl wissend, dass
dies jeder tun muss, der ein neues Sozialversicherungs-
system einführt, ist unredlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Denn wer Leistungen und Beiträge deckelt, Herr Kol-
lege Seehofer, der kalkuliert von Anfang an ein, dass
weder die Nachhaltigkeit der Finanzierung gewährleistet
werden kann, noch dass die Leistungen in dem ange-
sichts eines zunehmenden Pflegebedarfs und der demo-
graphischen Entwicklung notwendigen Umfang erbracht
werden können. Der Redlichkeit halber sollten auch
diese Tatsachen angesprochen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei der Einführung der Pflegeversicherung wurde
lange über den Umgang mit Menschen, die demenziell
erkrankt sind, psychisch Kranken und Behinderten so-
wie mit Menschen, die eine eingeschränkte Alterskom-
petenz aufweisen, debattiert. Seinerzeit ist die Entschei-
dung getroffen worden, zunächst den Einstieg in diese
Versicherung anzugehen, weil bereits die Frage ihrer
Einführung so umfangreiche Debatten mit sich gebracht
hat wie die heute anstehende Weiterentwicklung der
Pflegeversicherung.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir reden von 2004!)


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(C (D nsofern ist schon damals die Weiterentwicklung beusst ausser Acht gelassen worden. Deshalb wäre es redlich gewesen, wenn Sie, Kollege eehofer, die Sie zu den Gründungsvätern dieser Säule er Sozialversicherung gehören, in diesem Zusammenang darauf hingewiesen hätten, dass seinerzeit eine Dekelung des Beitragssatzes bei 1,7 Prozent erfolgt ist und ass spätestens jetzt die Zeit gekommen ist, eine Dynaisierung vorzunehmen. Damit hätten Sie uns die Hand ereicht, um die Pflegeversicherung gemeinsam weiteruentwickeln. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben doch Anträge eingebracht! Die haben Sie abgelehnt!)


Sie haben in Ihrer Regierungszeit trotz aller Diskus-
ionen über den notwendigen Änderungsbedarf bis 1998
ichts mehr getan.
Wir haben seit 1998 notwendige Reformen in der

flegeversicherung vorgenommen. Ich nenne nur das
ierte Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialge-
etzbuch, wodurch die häusliche Pflege gestärkt worden
t. Eine Verbesserung ist, dass sich Menschen, die An-
ehörige zu Hause pflegen, sich für vier Wochen eine
rsatzkraft leisten können, um sich zu erholen. Ich
enne das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, das erst-
als – wenn auch nur in begrenztem Rahmen – eine Lö-
ung für die Probleme derjenigen bietet, die zu Hause
emenzkranke pflegen. Es gibt nun eine Betreuungs-
ilfe. Und ich nenne das Pflege-Qualitätssicherungsge-
etz.
Ich möchte auf die Vorschläge des CDU-Parteitags

nd der Herzog-Kommission nicht näher eingehen.
uch der Kollege Seehofer hat das nicht getan, weil er
ine andere Meinung hat. Nur so viel: Danach wollen
ie die Pflegeversicherung abschaffen und eine feste
opfpauschale in Höhe von 69 Euro im Monat einfüh-
en, und zwar für jeden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


er Kollege Storm, der sich bisher nicht zur Verbesse-
ung der Leistungen geäußert hat, hat in dieser Woche
esagt, man solle für die Entlastung derjenigen, die Kin-
er erziehen, einfach 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung
tellen. Herr Kollege Storm, ich habe gerade auf der
ednerliste gesehen, dass Sie nicht reden werden; das
edauere ich. Ich rede jetzt oft, weil Sie das so erfreut.
ch hätte mir gewünscht, dass Sie heute sagen, welche
teuern Sie erhöhen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ollen Sie die Steuerfreibeträge für Feiertags-, Nacht-
nd Schichtarbeit abschaffen? Wollen Sie die Entfer-
ungspauschale und die Eigenheimzulage weiter redu-
ieren oder wollen Sie die Mehrwertsteuer anheben?
err Kollege Storm, einfach 1,6 Milliarden Euro zu for-
ern und mir vorzuwerfen, ich würde mich erst in vier
ochen, nach der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft, zu






(A) )



(B) )


Bundesministerin Ulla Schmidt

diesem Problem äußern, hat mit Redlichkeit nichts zu
tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schade, dass Sie in der Aktuellen Stunde keine Zwi-
schenfrage stellen können. Ich hätte gerne gehört, was
Sie machen wollen. Auf die Vorschläge der FDP möchte
ich erst gar nicht eingehen.

Wir werden in diesem Jahr das Urteil des Bundesver-
fassungsgerichts umsetzen, und zwar schnell und fristge-
recht. Vieles muss verändert werden. Darüber sollten Sie
sich aber keine Gedanken machen. Herr Kollege
Seehofer, ich möchte nur auf eines hinweisen: Man kann
darüber diskutieren, ob man den Weg, den die Rürup-
Kommission vorgeschlagen hat – danach ist das Urteil
des Bundesverfassungsgerichts so zu verstehen, dass El-
tern in der aktiven Phase der Erziehung zu entlasten
sind, damit nicht Erziehungsleistungen und finanzielle
Leistungen sowie gleichzeitig hohe Beiträge zur Pflege-
versicherung zu erbringen sind –, oder den einfachen
Weg der Entlastung über Steuern oder Beiträge oder den
Weg, den ich vorgeschlagen habe – alle zahlen mehr, mit
Ausnahme der Eltern –, einschlägt. Wer aber meint, dass
diejenigen, die nie Kinder erzogen haben, die Entlastung
der Eltern in der aktiven Phase der Erziehung zahlen
müssten, der vereinfacht die gesellschaftliche Debatte in
unzulässiger Weise; denn es gibt viele Menschen, die un-
gewollt kinderlos sind. Wir werden darüber diskutieren
und einen Weg finden.

Wir werden in dieser Legislaturperiode außerdem die
notwendigen Schritte unternehmen, um die Versorgung
von Demenzkranken und Menschen mit eingeschränkter
Alltagskompetenz zu verbessern. Mit der Reform der
Pflegeversicherung soll die ambulante Pflege vor der
stationären gefördert und sollten die Leistungen dynami-
siert werden, damit auch die ambulanten Pflegedienste
ihre Aufgaben wahrnehmen können. Das werden wir an-
gehen. Wir werden aber auch diejenigen, die Verantwor-
tung im Pflegebereich tragen, in die bevorstehende
breite Diskussion einbeziehen.

Ich wäre sehr froh, wenn auch Sie sich daran beteili-
gen würden; denn wenn ich Sie richtig verstanden habe,
dann wollen auch Sie Veränderungen. Wenn der Kollege
Storm uns dann noch sagt, woher die 1,6 Milliarden
Euro kommen sollen, sind wir schon einen Schritt wei-
ter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508911900

Das Wort hat jetzt der Kollege Daniel Bahr von der

FDP-Fraktion.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1508912000

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Frau Ministerin Schmidt, Sie haben gerade eine Pi-

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(C (D ouette gedreht, für die ich Ihnen nur die Bestnote geben ann. (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie ist ins Eis eingebrochen!)


ie haben viel gesagt, aber nicht, was wirklich passieren
ird. Sie haben nichts als bloße Ankündigungen ge-
acht; das sind noch lange keine Reformen.


(Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wohl wahr! – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was will die FDP in der Pflegeversicherung? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Die FDP wird zum Pflegefall!)


ir wissen nicht, wann in diesem Jahr etwas gemacht
ird und was es sein wird.
Das Defizit der Pflegeversicherung steigt jedenfalls

eit 1999 unaufhörlich. Betrug das Defizit im Jahre 2002
och 400 Millionen Euro, so waren es laut Berechnun-
en des VdAK im vergangenen Jahr 500 Millionen
uro. Die Zahlen belegen eindeutig, dass es ohne eine
rundlegende Reform der Pflegeversicherung nicht mehr
eitergehen kann.


(Beifall bei der FDP)

s gibt zwar noch Rücklagen in Höhe von circa
Milliarden Euro, doch diese werden relativ schnell
ufgebraucht sein, wenn die Pflegeversicherung jedes
ahr ein neues Rekorddefizit einfährt.
Vergessen Sie nicht die demographische Entwick-
ng: Im Jahre 2020 werden laut Berechnungen
Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig
ein; bisher sind es fast 2 Millionen. Wir brauchen wirk-
ich eine grundlegende Pflegereform, die dem Rechnung
rägt. Das reine Verschieben einer Reform bedeutet noch
nge nicht, dass die Probleme verschoben werden.


(Beifall bei der FDP)

Noch am 22. Oktober, vor gerade einmal drei Mona-
n, ließ Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ein
ckpunktepapier zur Reform der Pflegeversicherung
erbreiten und erklärte – ich zitiere –:

Mit diesem Konzept beweist die Bundesregierung
auch in diesem Bereich, dass Reformen rasch …
auf den Weg gebracht werden. Die Weiterentwick-
lung der Pflegeversicherung ist Teil der Rundum-
Erneuerung der sozialen Sicherungssysteme und
damit auch Teil der Agenda 2010.

er Bundeskanzler sagte am 25. Oktober – nur drei Tage
anach – in einem Interview der SPD-Postille „Vor-
ärts“:

Es gibt ganz einfach objektive Probleme, die gelöst
werden müssen. Und diese Probleme lassen uns
keine Ausrede: Wir müssen handeln.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: In der Tat!)

er Kanzler hat Recht.
Die demographische Entwicklung und der steigende

flegebedarf lassen der Regierung keine Zeit zu warten.






(A) )



(B) )


Daniel Bahr (Münster)


Sie können vielleicht die Pflegereform verschieben; die
Probleme können Sie nicht verschieben. Das, was Sie
betreiben, ist keine verlässliche Politik zum Wohle der
Bürger. Sie verfolgen einen Zickzackkurs. Die Regie-
rung hat anscheinend kein Konzept für die Pflege. Der
Regierung fehlen offenbar der Mut und die Kraft für eine
wirkliche Pflegereform.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich habe heute im Ticker gelesen, dass Regierungs-
sprecher Anda gesagt hat, Einzelheiten der geplanten
Reform sollten nun mit Experten geklärt werden. Was
haben Sie denn bisher gemacht? Sind die Eckpunkte
etwa nicht mit Experten abgestimmt worden? War die
Rürup-Kommission etwa keine Expertenkommission?


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Frage ist berechtigt!)


Was Sie dort machen, ist Hickhack. Was Sie vorlegen, ist
kein Konzept. Ich sage Ihnen voraus: Das reine Ver-
schieben – das machen Sie jetzt –, das reine Warten auf
Lösungen wird dazu führen, dass es weiter Rationierun-
gen der Pflege geben wird, dass die Rücklage weiter auf-
gebraucht wird und dass am Ende gestiegene Beiträge
stehen werden. Das ist unverantwortlich!


(Beifall bei der FDP)

Die Resonanz auf die Äußerungen des Bundeskanz-

lers war eindeutig: Unverständnis und Ablehnung auf al-
len Seiten. Rürup, der Leiter der von der Bundesregie-
rung eingesetzten gleichnamigen Kommission, bedauert
den Aufschub der geplanten Reform der Pflegeversiche-
rung mit den Worten:

Die Regierung hat sich ein bisschen Zeit gekauft,
aber der Reformbedarf wird jetzt größer.

Die Kirchen sprechen von der „Pflege als Pflegefall“.
Auch aufseiten der Regierungskoalition wurden die Of-
fenbarungen des SPD-Vorsitzenden mit Erstaunen zur
Kenntnis genommen.

Meine Damen und Herren von den Grünen, ich bin
einmal gespannt, ob auf die vollmundigen Versprechen,
die heute in der Zeitung zu lesen waren, auch Taten fol-
gen werden, ob Sie die SPD bei diesem Thema zur Rede
stellen werden.

Die Position der FDP zur Reform der Pflegeversiche-
rung ist klar und deutlich: Das jetzige System ist so nicht
mehr haltbar. Wir müssen eine tief greifende Reform der
Pflege angehen. Kernpunkt einer Reform muss der Auf-
bau eines Kapitaldeckungsverfahrens wie bei der Alters-
sicherung sein.


(Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Jetzt kommt die Katze aus dem Sack! Die alte Leier!)


– Herr Schmidbauer, die Probleme, vor denen wir ste-
hen, sind nicht neu. Die FDP hat schon Mitte der 90er-
Jahre genau gesagt, dass das Umlageverfahren vor die-
sen Problemen stehen wird.

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist immer noch richtig und wird von Tag zu Tag richtiger!)


ehenden Auges haben Sie trotzdem mit der CDU/CSU
usammen diese Reform – gegen den Willen der FDP –
eider durchgesetzt. Es war damals für eine kleine Partei
ie die FDP schwierig, sich gegen die beiden Blöcke
on Unverständnis und Uneinsichtigkeit durchzusetzen.


(Beifall bei der FDP)

Das jetzige Umlageverfahren in der Pflegeversiche-

ung ist zum Scheitern verurteilt. Wir brauchen eine ka-
italgedeckte Säule für die private Eigenvorsorge. Das,
as wir alle gemeinsam für die Alterssicherung erkannt
aben, dass wir sie nämlich nicht allein auf dem Umla-
everfahren aufbauen können, muss doch Anlass für uns
ein, jetzt bei der Pflegeversicherung umzusteuern und
uf Kapitaldeckung zu setzen.
Ich will auch noch etwas zur Ungleichbehandlung

on Familien und Kinderlosen sagen: Durch die jetzt
iskutierte Freibetragsregelung für Erziehende wird dem
ystem erneut Geld entzogen, sodass nunmehr die Re-
erven der Pflegeversicherung noch schneller abschmel-
en werden als vorher. Dadurch wird es unmöglich, die
eiträge über 2006 hinaus konstant zu halten. Auch der
rsprünglich geplante Strafzuschlag von 2,50 Euro für
inderlose, der jetzt vom Tisch sein soll, war doch auch
ichts anderes als eine verkappte Beitragserhöhung für
lle, mit Ausnahme der Kindererziehenden. Von Entlas-
ung der Familien kann nun wirklich nicht die Rede sein.


(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin Schmidt, sagen Sie doch, dass Sie

icht umhinkommen, die Beiträge zu erhöhen, statt die-
es Hickhack zu veranstalten! Haben Sie den Mut zu ei-
er wirklichen Reform! Die Unterstützung der FDP für
ine wirklich grundlegende Änderung der Pflegeversi-
herung mit dem Ziel der Einführung des Kapitalde-
kungsverfahrens hätten Sie.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber nur dafür!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508912100

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Selg vom Bünd-

is 90/Die Grünen.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt kommt die Wahrheit, nichts als die Wahrheit!)


Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508912200

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren!

ch sage nichts als die Wahrheit. Aber, lieber Herr Bahr,
ch kann Ihnen versichern: Ihre Vorschläge zur Umstel-
ung auf ein Kapitaldeckungsverfahren werden wir nicht
rauchen.
Herr Seehofer, ich denke, Sie hatten Recht, als Sie

orhin sagten, dass es in jeder Sitzungswoche eine Aktu-
lle Stunde zu den notwendigen Reformen gibt. Letztes
al drehte die FDP Pirouetten zur Gesundheitsreform,






(A) )



(B) )


Petra Selg

heute drehen Sie Pirouetten zur Pflegeversicherungsre-
form.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Moment einmal! Verwechseln Sie da nicht etwas?)


– Nein, ich verwechsle nichts, Herr Zöller, leider nicht.

(Andreas Storm [CDU/CSU]: Da haben Sie mitgedreht!)

Das bisher Vorliegende zur Reform der Pflegeversi-

cherung – das kann ich sagen – waren wertvolle Bau-
steine, die, wie Sie zu Recht gesagt haben, zu erhebli-
chen Verbesserungen in diesem wichtigen Zweig führen
werden. So wird endlich der ambulante Sektor gegen-
über dem stationären Sektor gestärkt. Wir alle wissen
aber, dass der stationäre Sektor wieder erheblich zu-
nimmt. Deshalb bedarf es dringend einer Änderung. Es
werden auch wesentliche Verbesserungen für die Pflege-
bedürftigen, insbesondere für die Demenzkranken, und
die Angehörigen erzielt; dies bezieht sich auch auf die
Dynamisierung. Nur weil es bei einem einzigen Baustein
in diesem System unterschiedliche Auffassungen gibt,
nämlich wie die Finanzierung dieses Reformprozesses
erfolgen soll, speziell die Ausgestaltung der Regelungen
für Kindererziehende – natürlich muss man sich das
noch einmal genau ansehen und darüber diskutieren –,
rufen Sie und mit Ihnen auch gleich die Medien wieder
„Reformstopp!“, „Ruhige Hand!“ oder auch „Zitternde
Hand!“.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wer hat das denn gesagt?)


– Das sind alles Zitate.
Das, was Sie hier betreiben, auch das, was Herr

Seehofer gesagt hat, trägt nicht dazu bei, die Probleme
tatsächlich zu lösen. Sie führen weiter eine Bürgerverun-
sicherungsdebatte erster Klasse. Dabei haben Sie nicht
nur einen Vorschlag für die Lösung der Probleme in der
Pflegeversicherung. Nein, Sie haben gleich zwei. Ich
finde es ganz spannend, dass es innerhalb einer Partei
gleich zwei Lösungsvorschläge gibt.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir sind zwei Parteien!)


Das Problem ist nur: Sie passen nicht zusammen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Vielfalt – oder Ein falt?)

Heute Morgen habe ich Herrn Seehofer im Fernsehen

gesehen. Er hat wie immer, auch hier, die Schwierigkei-
ten und die Defizite in der Pflegeversicherung par excel-
lence beschrieben und gesagt, dass Eltern immer Eltern
bleiben und sie deswegen nach der Erziehungsphase
nicht mehr belastet werden dürften. Gleichzeitig sagt er,
dass das Ganze nicht über Steuern zu finanzieren sei.
Man müsse vielmehr nach einem Lösungsweg innerhalb
des Systems suchen. – Dann habe ich gelesen, dass Herr
Storm 10 Euro pro Kind vorgeschlagen hat. Dies soll
aber nicht innerhalb des Systems finanziert werden, son-
dern über Steuern. Ich frage mich: Wie wollen Sie diese
1,6 Milliarden Euro finanzieren? Ihre beiden Konzepte
passen überhaupt nicht zusammen.

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(C (D Für alles andere, was Sie vorschlagen, um die besteenden Probleme in der Pflegeversicherung zu lösen die Versorgung Demenzkranker, die Dynamisierung, er Aufbau einer Kapitaldeckungsreserve usw. –, brinen Sie keinen einzigen Finanzierungsvorschlag oder ber Sie sagen einfach: über Kapitaldeckung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ie Finanzierung Ihrer Vorschläge ist völlig offen. Ich
chlage Ihnen vor, erst einmal in Ihren beiden Parteien
in Synopse zu erstellen und dann zu schauen, was zu-
ammenpasst. Dann werden Sie feststellen, dass nichts
usammenpasst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wie schon in der Pflegeversicherung geht es inner-
alb der CDU/CSU auch bei anderen Dingen nicht zu-
ammen: Weder bei der Rente noch bei der Gesundheit,
eschweige denn bei der Steuer gibt es gemeinsame
onzepte. Es ist immer so, dass der eine dies vorlegt, der
ndere jenes. Ich rate Ihnen, den Artikel „In Zwietracht
ereint“ in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen
eitung“ zu lesen:

Die Bayern-Truppe ist fest überzeugt, dass die
„Brachialreformer“ der CDU die Menschen ab-
schrecken und so die Wahl 2006 schon jetzt in den
Sand setzen.
In der CDU wiederum wollen sich maßgebliche
Kräfte nicht mehr von der CSU bremsen lassen, die
sie als eine „Nostalgo-Wessi-Partei“ empfinden, …

ch schlage Ihnen vor: Einigen Sie sich erst einmal auf
ealisierbare und finanzierbare Konzepte! Wir werden
as innerhalb dieser Legislaturperiode tun und eine Lö-
ung innerhalb der Pflegeversicherung vorschlagen.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wenn Sie so weitermachen, sind Sie bald beim halben Mehrwertsteuersatz! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wie wollen Sie das finanzieren?)


ngesichts all der Probleme – Dynamisierung, Demenz-
rkrankte, ambulante und stationäre Pflege – ist das drin-
end notwendig. Wir werden uns auch über eine nach-
altige Finanzierung der Pflegeversicherung und ebenso
arüber Gedanken machen, wie Kindererziehende ent-
astet werden können.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Gedanken sollen Sie sich machen, aber nicht nur! Sie denken schon seit sechs Jahren!)


Nein, das tun wir nicht seit sechs Jahren, Herr Zöller.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Eben! Das ist auch das Problem!)

Wenn Sie Vorschläge einbringen, dann gestalten wir

iese gern mit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer regiert denn hier?)







(A) )



(B) )


Petra Selg

Solange Sie sich aber nicht darüber einigen können, über
was Sie eigentlich reden und wie Sie in diesem Lande
was reformieren wollen,


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Sie können das an uns abgeben!)


muss ich Ihnen sagen: Machen Sie erst einmal Ihre
Hausaufgaben!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Wer regiert denn? Habt ihr das schon mitbekommen?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508912300

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1508912400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist aber nicht korrekt! Das wissen Sie! – Zuruf von der CDU/ CSU: Das hätten wir so gar nicht gemerkt!)


Nach meinem Dafürhalten wird in dieser Debatte zu
viel über Zahlen gesprochen und zu wenig über die Men-
schen, die gepflegt werden, und die Menschen, die pfle-
gen. Ich habe mehrere Pflegeheime besucht und mit
Pflegerinnen gesprochen. Sie klagten über die unerträg-
liche und täglich zunehmende Bürokratie. Jeder Hand-
griff muss aufgeschrieben werden. Alles muss dokumen-
tiert werden. Die Pflegerinnen verbringen zu viel Zeit
mit Formularen und zu wenig Zeit mit den pflegebedürf-
tigen Menschen.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, Sie haben mit Ihren Geset-

zen und Verordnungen den Fordismus aus dem letzten
Jahrhundert in die Pflege eingeführt. Doch hier werden
keine Autos im Minutentakt zusammengeschraubt, son-
dern hier geht es um Menschen.

Nun hat Frau Bundesministerin Schmidt einen runden
Tisch zur Pflege mit 80 Personen installiert, der bis 2005
Vorschläge zum Bürokratieabbau erarbeiten soll. Hier
soll also die Bürokratie über den Abbau der Bürokratie
beraten. Das ist ein wirklich aussichtsloses Unterfangen.

Wir von der PDS fordern einen Abbau der Bürokratie
und eine Stärkung der Selbstverantwortung der Pflege-
einrichtungen. Wir wollen weg vom unpersönlichen
Sachleistungsprinzip und hin zu personenbezogenen
Budgets. Wir wollen den Pflegebedürftigen und dem
Pflegepersonal die Möglichkeit geben, die Pflegedienst-
leistung nach ihren persönlichen Bedürfnissen abzustim-
men. Wenn nur dieser eine Vorschlag umgesetzt würde,
würde man bei der Verwaltung sehr viel Geld sparen und
auch dazu beitragen, dass die direkt Betroffenen mit der
Pflege und mit ihrer Arbeit persönlich wesentlich zufrie-
dener sind.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


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(C (D In unserem Land fehlen – so hat der Bund der Pflegeersicherten ausgerechnet – 135 500 Pflegerinnen und fleger. Jedem ist wohl klar, dass dieser Mangel an Pfleepersonal nicht durch weitere Arbeitsverdichtung beeitigt werden kann. Wir brauchen also mehr Geld für ie Pflege der Pflegebedürftigen. Allerdings geht das nicht so, wie sich die Regierung as vorgestellt hat. Es kann doch nicht sein, dass Frauen, ie Kinder großgezogen haben, dann, wenn die Kinder us dem Haus sind, extra zur Kasse gebeten werden und öhere Beiträge in die Versicherung einzahlen müssen. as die SPD jetzt will, nämlich die Reform der Pflegeersicherung verschieben, nur weil ihre Umfragewerte m Keller sind, (Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kappes! – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das verbessert die Umfragewerte nicht!)


as kann ja wohl auch keine Lösung sein.
Wir von der PDS fordern eine dauerhafte Entlastung

er Menschen, die einen großen Teil ihrer Lebenszeit in
ie Erziehung ihrer Kinder gesteckt haben. Wir schlagen
uch für die Pflegeversicherung den Weg einer solidari-
chen Bürgerversicherung vor – das hat heute ja bei
chon einem anderen Tagesordnungspunkt eine Rolle
espielt – und dazu die Einführung einer Wertschöp-
ungsabgabe.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

enn diese Vorschläge umgesetzt würden, wäre auch
ie Pflegeversicherung gut zu finanzieren.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508912500

Das Wort hat jetzt die Kollegin Verena Butalikakis

on der CDU/CSU-Fraktion.

Verena Butalikakis (CDU):
Rede ID: ID1508912600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Berücksichtigung der Demenzkranken ist auf Eis
elegt“ – so lautet das Fazit eines Bundesverbandes für
oziale Dienste, nachdem der Kanzler die Reform zur
flegeversicherung gestoppt hat.


(Zuruf von der SPD: Sie hätten den Anfang umschreiben müssen!)


agegen verkündet der Kollege Schmidt, immerhin Par-
amentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, in der
resse, dass noch in diesem Jahr eine Neuregelung für
ie Betreuung Demenzkranker angestrebt wird.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was denn nun?)

Die Aussagen von heute waren auch nicht erhellend.
enn ich das richtig verstanden habe, hat die Bundesmi-
isterin gesagt: Ja, wir werden etwas für die Demenz-
ranken tun. – Frau Selg, von der ich eine Aussage dazu
rwartet habe, erging sich eher darin, Zitate aus der
resse über die CDU und die CSU zu bringen, was ja für
ns ganz gut ist, aber in der Sache natürlich nicht weiter-
ührt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Verena Butalikakis

Von den 1,2 Millionen Menschen mit einer demen-

ziellen Erkrankung, wie zum Beispiel der Alzheimer-
Krankheit, werden derzeit 600 000 durch die Leistungen
der Pflegeversicherung nicht ausreichend unterstützt. Ich
glaube, dass wir uns alle darin einig sind, dass wir hier
etwas tun müssen. Diese Menschen und die mitbetroffe-
nen Angehörigen haben ein Recht auf klare Aussagen;
diese wurden bisher aber nicht getroffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deshalb wollen wir einmal etwas Licht in die rot-grü-

nen Aussagen bringen und auf die jüngere Geschichte
eingehen. Bisher wurde immer auf frühere Zeiten ver-
wiesen. Im Oktober 2000 erklärten die Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag „Wei-
terentwicklung der sozialen Pflegeversicherung“ – ich
zitiere –:

Für Leistungsverbesserungen stehen in der Pflege-
versicherung maximal jährlich 500 Millionen DM
zur Verfügung. … Dieser Finanzspielraum lässt
eine Lösung nicht zu, nach der bei Dementen bei
der Feststellung der Pflegebedürftigkeit der Hilfe-
bedarf der allgemeinen Beaufsichtigung und Be-
treuung mit 30 oder 40 Minuten täglich im Rahmen
der Grundpflege zu berücksichtigen wäre. Die da-
mit verbundenen Mehrausgaben, die bei den ge-
nannten Zuschlägen nach Schätzungen des zustän-
digen Bundesministeriums für Gesundheit sogar bei
mindestens 2,5 Milliarden DM jährlich liegen, sind
mit dem gesetzlich festgelegten Beitragssatz von
1,7 vom Hundert nicht zu finanzieren.

Als die CDU/CSU-Fraktion im März 2001 – viel-
leicht sollten Sie jetzt einmal zuhören, Frau Bundes-
ministerin; Sie sagen ja immer, wir hätten nichts getan –


(Ulla Schmidt, Bundesministerin: Ich höre zu!)


die Versorgung der Demenzkranken durch Bezahlung
von zusätzlichen 30 Minuten beim allgemeinen Hilfe-
und Betreuungsaufwand verbessern wollte, hat die rot-
grüne Regierungskoalition mit genau der eben zitierten
Begründung dieses abgelehnt, obwohl das Konzept eine
tatsächliche, damals auch noch mögliche Gegenfinanzie-
rung vorsah. Das heißt, wir haben Vorschläge gemacht,
wie man 2,5 Milliarden DM tatsächlich aufbringen kann,
um die Bedingungen für Demenzkranke zu erleichtern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Laut Plenarprotokoll wurde der Vorschlag damals als
„absolut unredlich“ vonseiten der SPD beschimpft.
Heute, noch nicht einmal drei Jahre später, steht die Pfle-
geversicherung finanziell schlechter da – die Ausfüh-
rungen dazu haben wir ja teilweise schon gehört und das
Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Entlastung von El-
tern muss umgesetzt werden und das kostet 1,6 Milliar-
den zusätzlich. Aber der Kanzler verbietet eine Reform.

Genau heute, in dieser Situation, hören wir aus den
Reihen der Koalitionsfraktionen Ankündigungen, dass
sie Verbesserungen für Demenzkranke in Form eines

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(C (D eitzuschlages von 30 Minuten bei deren Betreuung ollen. Nur die Erklärung, woher denn nun plötzlich diese Milliarden DM, heute rund 1 Milliarde Euro, kommen ollen, fehlt. Nun könnte man sagen, man greift auf die Rücklage urück. Aber bei einer Finanzierung aus der Rücklage önnen die Verbesserungen für demenziell erkrankte enschen nur über zwei Jahre finanziert werden. Aber ielleicht wollen Sie uns auch wieder eine Minilösung nbieten, wie wir sie seit 2002 haben, nämlich 1,26 Euro ro Tag: Das war eine unheimliche Unterstützung; das at sehr geholfen, die Betreuung von demenziell errankten Menschen zu verbessern. – Natürlich verhält es ich nicht so. Nein, meine Damen und Herren von den Koalitions raktionen, Sie geben hier leere Versprechungen ab. Das st absolut unredlich. Genauso wird es auch von den Betroffenen gesehen, enn auch diese können rechnen. Die Deutsche Alzheier-Gesellschaft beklagt in ihrer heutigen Presseerkläung, dass mit dem Stopp der Strukturreformen der Pfleeversicherung auch die Demenzkranken „wieder außen or“ sind. Sie haben erkannt: Wo kein Geld ist, von da ann auch keine Hilfe kommen. Deshalb fordere ich Sie im Namen der CDU/CSU raktion auf: Belügen Sie nicht die Menschen, die am ötigsten und vor allen Dingen schnell Hilfe benötigen. (Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das werden wir nicht tun!)


(Erika Lotz [SPD]: Freut euch doch!)


ir brauchen dringend und schnell eine grundlegende
eform der Pflegeversicherung, um gerade auch an De-
enz erkrankten Menschen in diesem Land helfen zu
önnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508912700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Erika Lotz von der

PD-Fraktion.

Erika Lotz (SPD):
Rede ID: ID1508912800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
ir alle wissen, dass eine sachliche Debatte über die Zu-
unft der Sozialsysteme in unserer Gesellschaft notwen-
ig ist. Ob diese Aktuelle Stunde zu einer Klärung bei-
ragen wird, liegt letztendlich an uns allen; aber
ngesichts der bisherigen Debatte sind da Zweifel ange-
racht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hatte heute Morgen – das sage ich, weil es mich
chon seit Stunden drückt – das zweifelhafte Vergnügen,
ie, Herr Seehofer, im „Morgenmagazin“ zu sehen.


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gesundheitsschädlich beim Erika Lotz Frühstück! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Gesundheitsschädliches Fernsehen!)





(A) )


(B) )


Die Pflegeversicherung war ein Thema bei diesem Inter-
view. Aber, Herr Seehofer, wie Sie sich bei der Frage zu
den Praxisgebühren und der Unruhe in der Bevölkerung
einen weißen Fuß gemacht haben und die Schuld auf das
Ministerium geschoben haben, war für mich sehr enttäu-
schend; denn Ihre Haltung ist sonst eine andere.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ist das Problem gelöst?)


Ich finde es ungeheuerlich; es ist einfach nicht seriös,
was Sie dort gemacht haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Seehofer, zeig her die Füßchen!)


Zur Seriosität will ich noch etwas sagen: Sie beklagen
hier das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dem
Familien, die Kinder erziehen, bei der Beitragsaufbrin-
gung anders gestellt, entlastet werden sollen. Aber dieses
Urteil gibt es seit drei Jahren und es bezieht sich auf ei-
nes Ihrer Gesetze.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das haben wir gemeinsam beschlossen!)


– Wir haben es gemeinsam beschlossen, aber letztend-
lich ist es Ihr Gesetz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Andreas Storm [CDU/ CSU]: Frau Lotz, da waren Sie aber auch schon besser!)


Sie sagen, die Kasse sei gut gefüllt gewesen. Ver-
schweigen Sie dabei aber bitte nicht, dass bei der Ein-
führung sowohl der ambulanten wie auch der stationären
Pflege jeweils drei Monatsbeiträge ohne Gegenleistung
erhoben worden sind. Daher rührt das. Wenn wir darüber
diskutieren, was notwendig ist und wie die Kassenlage
in der Pflegeversicherung aussieht, dann müssen wir
auch das betonen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist richtig: Wir müssen das Urteil umsetzen. Dazu
ist Zeit bis zum Jahresende. Richtig ist auch: Wir werden
es umsetzen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Was denn?)

Da das kein ganz einfacher Vorgang ist, werden wir uns
darüber noch einmal mit Fachleuten beraten; wir werden
über die Vorschläge mit den Kolleginnen und Kollegen
Fachpolitikern diskutieren und dann zu einer Lösung
kommen.

Ich denke, es gehört zum üblichen Ablauf politischer
Willensbildung, dass Bundesregierung und Fraktionen
dies miteinander beraten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dass der Kanzler persönlich so etwas stoppt, ist nicht üblich!)


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(C (D inzelne Vorschläge werden auch öffentlich diskutiert nd kommentiert, auch um die gesellschaftliche Akzepanz auszuloten. (Andreas Storm [CDU/CSU]: Zwei Tage nach der abgesagten Sondersitzung!)


ie brauchen nicht so zu tun, als ob Sie dieses Geschäft
icht verstehen würden. Ich brauche mir nur Ihre Vor-
chläge beispielsweise zur Steuerpolitik anzusehen: ein-
al so, ein anderes Mal so. Auch das war doch wahr-
cheinlich ein Ausloten. Sonst müsste man das
ermutlich mit etwas viel Schlimmerem bezeichnen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Reden Sie doch zur Pflege!)


Die politische Entscheidung wird getroffen und auf
en Weg gebracht. Warum also jetzt die Aufregung? Wir
iehen doch keinen Gesetzentwurf zurück. Sie tun so, als
b es ein Gesetz gegeben hätte, das wir jetzt zurückzie-
en würden.
Nichts drängt uns, die Novellierung der Pflegeversi-

herung im Hauruckverfahren durchzuziehen. Wir wer-
en uns das in Ruhe anschauen. Panikmache ist nicht an-
ebracht. Ältere Bürger werden durch eine solche
anikmache unnötig verunsichert. Die Pflegeversiche-
ung hat noch Rücklagen in Milliardenhöhe.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Die müssen wir wahrscheinlich erst einmal aufbrauchen, bevor Sie etwas tun!)


ir haben auch genügend Zeit, uns über die Notwendig-
eiten, die zweifellos bestehen, im Bereich der Demenz-
rkrankungen und über die Dynamisierung der Pflege-
eistungen zu verständigen. Ebenso müssen wir uns
nschauen, ob die Gewichtung von ambulant und statio-
är richtig ist.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wann denn?)

Das werden wir alles in Ruhe mit den Fachleuten dis-

utieren. Sie sind herzlich dazu eingeladen, Ihren Sach-
erstand einzubringen. Lassen Sie uns die Menschen
icht weiter verunsichern! Wir wissen alle, dass wir im
ereich der Sozialversicherung schwierige Probleme zu
ösen haben.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Sagen Sie das einmal der Regierung!)


u dem, was wir miteinander beschlossen haben, sollte
an – dieser Appell geht an Sie, Herr Seehofer – auch
tehen.
Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508912900

Das Wort hat die Kollegin Hildegard Müller von der
DU/CSU-Fraktion.






(A) )



(B) )



Hildegard Müller (CDU):
Rede ID: ID1508913000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Bundesregierung führt in letzter Zeit zwei
Begriffe sehr gerne im Mund. Der eine ist Innovation
und der andere ist Nachhaltigkeit. In Bezug auf die Pfle-
geversicherung handelt die Bundesregierung im Moment
jedoch weder innovativ noch nachhaltig.


(Beifall des Abg. Andreas Storm [CDU/CSU])

Denn weder die bisherigen Pläne aus dem Hause
Schmidt noch das Veto des Bundeskanzlers erfüllen die
von Ihnen selbst gestellten Ansprüche.

So zeugt das Veto des Bundeskanzlers und die von
der Sozialministerin gerade einmal in Aussicht gestellte
Minimalentlastung der Erziehenden innerhalb des bishe-
rigen Systems der Pflegeversicherung – wir wissen aber
immer noch nicht, wann und wie – nicht gerade von in-
novativem Schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies ist nicht nachhaltig; denn es wurden und
werden – so eine Definition von Nachhaltigkeit – weder
die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt noch wird
durch das, was Sie hier vortragen, das Risiko umgangen,
die Ansprüche künftiger Generationen nicht mehr befrie-
digen zu können.

Es sieht so aus, als würde die Pflegeversicherung, wie
andere Sozialsysteme leider auch, weiter in die Pleite
steuern. Dies ist jetzt keine höhnische Kritik der Oppo-
sition. Denn Kronzeugin hierfür ist die Kollegin Bender
vom Bündnis 90/Die Grünen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aha!)

Sie hat, wenn die „Frankfurter Rundschau“ sie richtig zi-
tiert hat – dazu dürften Sie, Frau Kollegin Bender, gleich
Stellung nehmen –, zu den Kanzlerplänen so treffend,
wie ich finde, bemerkt: Wenn man nur die Entlastung
der Kindererziehung umsetzt und keine weiteren Refor-
men, dann drohen die Reserven auf null zu fahren. Dem
ist nichts hinzuzufügen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Recht hat sie!)


Experten rechnen schon jetzt damit, dass die Reser-
ven angesichts der steigenden Zahl von Leistungsemp-
fängern 2007 aufgebraucht sein werden. Einer dieser Ex-
perten ist übrigens der Vorsitzende der SPD-Fraktion. Er
hat das nicht nur vor den Wahlen gesagt, sondern auch
vor 14 Tagen auf einer rot-grünen Klausurtagung in
Leipzig. Vielleicht hätten Sie zuhören sollen, was er dort
zu sagen hatte, nämlich dass die Reserven spätestens in
drei Jahren aufgebraucht sein werden.

Es besteht also erhöhter Handlungsbedarf. Frau Mi-
nisterin, bis vor zwei Wochen sahen Sie das noch ge-
nauso. Jetzt scheint es aber so zu sein, als habe der Herr
Bundeskanzler angesichts der bevorstehenden Wahl-
kämpfe seine alte Politik der ruhigen Hand, die immer
schon sehr „erfolgreich“ war, wiederentdeckt. Jetzt rächt
sich sein Populismus vor den Wahlen. Was haben Sie

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(C (D ns kritisiert, nur weil wir die Notwendigkeit für Veränerungen – im Übrigen vor und nach Wahlen – immer ieder betont haben! Jetzt sprechen Sie davon, weitere elastungen seien den Menschen nicht zumutbar. Nicht u handeln und feige vor den Herausforderungen zuückzuweichen, das ist die größte Belastung für die enschen. Von Innovation keine Spur. Die Zeit drängt; das sagen lle Experten. Die Rürup-Kommission scheint nur vor er Veröffentlichung der Ergebnisse mit Experten beetzt gewesen zu sein. Nach dem Vorliegen der Ergebisse war das anscheinend nicht mehr der Fall. Die Vorchläge der Rürup-Kommission zum Beitragsbonus sind m Übrigen identisch mit unseren Vorschlägen. Ich weiß lso nicht, was Sie uns hier erzählen wollen. Jetzt auf eine wirkliche Reform der Pflegeversiche ung zu verzichten ist der falsche Weg und wäre fatal. enn wir nur bei den Erziehenden entlasten und alle brigen Beitragszahler nicht zusätzlich belasten möchen, dann geht das nur, wenn Sie entweder auf das Fianzpolster der Versicherung zurückgreifen oder wenn ie Mittel aus dem ebenfalls klammen Bundeshaushalt ommen. Das ist Flickschusterei. Sagen Sie das den enschen! Die künftige Finanzierung der Pflegeversicherung ist efährdet; denn der Anteil der Leistungsbezieher wird eiter steigen. Die ambulante Pflege in den Familien ird allein aus demographischen Gründen kaum noch öglich sein. Sie müssen heute handeln. Diese Entwickung wird zu massiven Beitragssatzsteigerungen führen, elbst wenn man davon ausgeht, dass wegen der höheren ebenserwartung die Pflegebedürftigkeit künftig in eiem höheren Alter eintritt. Es ist deshalb meines Erachtens ein Fehler, wenn wir ie Pflegeversicherung weiter so eng an die immer düner werdende Basis der abhängigen Beschäftigung kopeln. In meinen Augen ist bei der Finanzierung eine Abehr von diesem Vorgehen erforderlich. Wir müssen rgänzend zur Umlage – nicht als Ersatz – kapitalgeeckte Elemente stärken – das wissen wir alle, die wir ier im Deutschen Bundestag sind –, etwa durch die Bilung von Rückstellungen. Es ist höchste Zeit, diese ückstellungen aufzubauen; denn ohne den Aufbau eies Kapitalstocks werden die Kosten der Pflege bald zur ntragbaren Last. Dies würden die Menschen in diesem and noch weniger verstehen als 2,50 Euro mehr Beirag. Vor dieser Frage drückt sich aber nicht nur der Kanz er mit seinem Veto, sondern auch die Koalition mit allen hren bisherigen Vorschlägen. Es ist immer das beliebte piel: Sie warten auf unsere Vorschläge. Alle drei Oppoitionsparteien haben wenigstens Vorschläge zu diesem hema. Man kann zwar anderer Meinung sein, aber Sie aben noch nicht einmal eigene Vorschläge. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch der Abg. Gudrun SchaichWalch [SPD])


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Hildegard Müller

Sie müssen die Menschen bei den Reformen mitneh-

men und nicht in Basta-Manier notwendige Reformen
verschieben. Der Ärger der Bevölkerung über Sie, Ihr
persönlicher Frust als Mitglied der einst so stolzen SPD
über den Zustand der Partei, miserable Umfragewerte,
vor allem aber Ihre immer wiederkehrenden handwerk-
lichen Fehler, die Sie ohne Unterlass begehen, lähmen
Sie.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie können es nicht!)


Persönlich mag man diesen Frust vielleicht verstehen.
Wenn Sie keine Kraft mehr für notwendige Veränderun-
gen haben, bleibt Ihnen nur eine Alternative. Die Wähler
haben Sie nicht gewählt, damit Sie zweieinhalb Jahre vor
der nächsten Bundestagswahl das Regieren einstellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Erika Lotz [SPD]: Keine Angst, Frau Müller!)


Machen Sie sich Gedanken über die Zukunft der Pfle-
geversicherung! Hier gibt es nach wie vor ein Lamento.
Der Kanzler ermahnt uns alle ja immer, die Deutschen
sollten nicht so viel jammern. Hören Sie mit dem Jam-
mern auf! Legen Sie gute Vorschläge auf den Tisch oder
treten Sie als Regierung und Koalition ab!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Erika Lotz [SPD]: Wir machen das aber nicht!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508913100

Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender vom Bünd-

nis 90/Die Grünen.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So, jetzt nichts als die Wahrheit!)



Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1508913200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ver-

stehe ja angesichts der Berichte der letzten Tage den
Reiz für die Opposition, eine Aktuelle Stunde zu bean-
tragen.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Sie hätten sie am liebsten selbst beantragt!)


Sie haben nur den Fehler gemacht, alle Ihre Reden ges-
tern schreiben zu lassen. Deswegen sind Sie auch auf
dem Stand von gestern,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aha! Heute schon wieder etwas Neues?)


als es vielleicht noch mehr Fragezeichen gab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)


Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Op-
position,


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Wird die Rentenreform abgesetzt?)


steht fest, Herr Seehofer: Einen Stillstand wird es nicht
geben. Es wird in dieser Legislaturperiode eine umfas-
sende Reform der Pflegeversicherung geben.

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(C (D (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist morgen schon wieder vorbei!)


ie Ausgestaltung im Einzelnen ist diskussionsbedürftig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Beitragserhöhungen!)


arum muss man nicht herumreden; das ist auch kein
einbruch.
Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von
DU und CSU: Der Diskussionsbedarf in der Koalition
st weit geringer als der unter Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Den Eindruck haben wir nicht! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wollen wir es einmal testen?)


ehen Sie sich doch einmal an, was Sie wollen. – Ich
preche jetzt nicht von der FDP. Bei der ist es ja üblich,
ass sie sagt: Hau weg den Sozialklimbim! – Wie ist
enn die Merkel-CDU in Sachen Pflegeversicherung
ufgestellt?


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Brillant! – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sehr gut! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Ein Pflegefall!)


a heißt es: Erst einmal werden die Beiträge auf 3,2 Pro-
ent erhöht. Ich gratuliere! Was sagt Herr Stoiber zu die-
er Erhöhung der Lohnnebenkosten? Dann heißt es: Es
ird privatisiert. Alle zahlen Pauschalen zur Absiche-
ung des Pflegerisikos, aber differenziert nach dem Alter.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht! Frau Bender, Sie sollten die Beschlüsse lesen!)


azu sage ich: Gratulation!

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Quatsch! Sie sind ja schon ein halbes Jahr zurück!)

e älter, desto teurer wird die Absicherung des Pflegeri-
ikos? Herr Seehofer, was sagen Sie denn dazu? Ich sage
hnen: Das ist kein Weg zu einem Altern in Würde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind aber weit zurück!)


Meine Damen und Herren von der Opposition, zu den
onkreten Problemen der Pflege bzw. der Pflegeversi-
herung haben wir heute von Ihnen nichts gehört.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Wir laden Sie das nächste Mal zu unserem Parteitag ein! Dann wissen Sie es besser!)


err Storm hat sich dieser Tage zitieren lassen, die Um-
etzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils sei ganz
infach: Eine Entlastung um 10 Euro – Sie haben sogar
in bisschen gerechnet –


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Der kann rechnen, was es kostet!)


oste 1,6 Milliarden Euro.

(Andreas Storm [CDU/CSU]: Richtig!)







(A) )



(B) )


Birgitt Bender

Die würden aus Steuermitteln gezahlt. Dazu sage ich:
Gratulation! In diesem Fall frage ich nicht, was Herr
Seehofer darüber denkt. Denn das weiß ich. Er hat näm-
lich gesagt: Keine Entlastung der Erziehenden aus Steu-
ermitteln!

Ich frage aber: Was sagt eigentlich Herr Merz dazu?

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben erst Januar!)

Gab es nicht einmal ein Steuerkonzept mit einem Defizit
von 24 Milliarden Euro? Langsam nähern Sie sich wie-
der den Realitäten. Der letzte Stand ist, glaube ich, dass
Sie 10 Milliarden Euro weniger einnehmen wollen. Jetzt
frage ich: Wo kommen die 1,6 Milliarden Euro her? Sie
sollten sich einmal zusammensetzen und sich darüber
unterhalten, wie Sie das machen wollen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir wollen etwas über Ihre Vorschläge hören!)


Wenn Sie glauben, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der CDU, Sie könnten mit dem Füllhorn über das
Land gehen


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Frau Bender, Sie sind eine brillante Opposition!)


und das auch bei der Pflegeversicherung so handhaben,
dann frage ich Sie: Wo ist Ihre Erbtante aus Amerika, die
das alles finanzieren wird? Die brauchen Sie dann näm-
lich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Hättet ihr die nicht so verärgert!)


Solange bei Ihnen das Chaos regiert, sind Belehrun-
gen an die Adresse der Regierung ganz und gar fehl am
Platze.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508913300

Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Sehling von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Erika Lotz [SPD]: Der erzählt uns jetzt, wo die Erbtante herkommt!)



Matthias Sehling (CSU):
Rede ID: ID1508913400

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Diese Woche hat eine böse Überraschung für alle Pflege-
bedürftigen gebracht. Der Bundeskanzler stoppt die Re-
form der Pflegeversicherung.


(Erika Lotz [SPD]: Das ist auch von gestern!)

Die „Welt“ titelt: Schröder legt die Reform aufs Eis. Die
„Süddeutsche Zeitung“ schreibt: Kanzler stoppt Ulla
Schmidts Pflegereform. Heute heißt es, wie wir aus einer
Agenturmeldung gehört haben: Jetzt können Beitragser-
höhungen in der Pflegeversicherung doch nicht ausge-
schlossen werden.

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(C (D Da darf hier schon einmal nachgefragt werden: Wie iel ist in der rot-grünen Koalition das Wort der Gesundeitsministerin noch wert? Wie viel ist der Koalition die esundheitsministerin selbst noch wert? Im Oktober atte die Gesundheitsministerin vollmundig ihr Konzept ür die Reform der Pflegeversicherung vorgestellt und abei ihre Absicht verkündet, die Pflegeversicherung im rühjahr 2004 für die betroffenen Menschen zu verbesern. Wie viel ist in der rot-grünen Koalition noch das Wort ines SPD-Fraktionsvorsitzenden wert? Noch am Diensagmorgen hat er laut Presseberichten gegenüber der pitze der Grünen erklärt, dass die Reform der Pflegeersicherung notwendig sei. Wenige Stunden später war as Kanzleramt offenbar gescheiter als die Fraktionsfühungen von Rot und Grün zusammen: Die Pflegeversiherung war – wohl angesichts der neuesten Forsa-Umrage, die die Sozialdemokraten bei 24 Prozent sieht – is auf Weiteres abgesagt. (Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind nicht auf dem neuesten Stand!)


Damit wird Gesundheitsministerin Ulla Schmidt nach
undesverkehrsminister Manfred Stolpe zum zweiten
nkündigungsminister in der Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

as hatte die Gesundheitsministerin nicht alles in ihrem
ckpunktepapier – man wird doch noch daran erinnern
ürfen, Frau Ministerin – im Oktober angekündigt! Es
andele sich um ein Pflegekonzept, welches die Pflege-
ersicherung zukunftssicher mache.


(Erika Lotz [SPD]: Das ist die Rede von gestern!)


as Konzept sichere die Nachhaltigkeit in der Finanzie-
ung und im Übrigen würden die aus der demographi-
chen Entwicklung resultierenden Beitragsbelastungen
öglichst gerecht auf die Generationen verteilt. Die
ede war von der Besserstellung der Demenzkranken im
ereich der Grundpflege, von höheren Beträgen in allen
tufen der häuslichen Pflege und von der Dynamisie-
ung der Pflegeleistungen ab dem Jahr 2007. Das waren
ie Ankündigungen, fast nichts ist davon übrig geblie-
en.
Frau Ministerin, setzt die Bundesregierung so die

mpfehlungen der Rürup-Kommission um?

(Erika Lotz [SPD]: Jetzt widersprechen Sie sich selbst!)

ozu haben Sie so viel Steuergelder für die Beratung
urch die Rürup-Kommission ausgegeben? Jetzt folgen
ie dem Beratungsergebnis nicht einmal ansatzweise
nd sagen die Reform komplett ab.
Eine Reform der Pflegeversicherung bleibt aber drin-

end notwendig, und dies nicht nur, weil das Bundes-
erfassungsgericht – das haben wir heute schon mehr-
ach gehört – der Politik aufgegeben hat, die
lternleistung bei der Finanzierung der Pflegeversiche-
ung stärker herauszustellen. Die finanziellen Rücklagen
er Pflegeversicherung schmelzen wie das Eis in der






(A) )



(B) )


Matthias Sehling

Sonne, wie die „Frankfurter Rundschau“ am Donnerstag
schrieb.

Dabei hat sich die Pflegeversicherung – ich glaube,
das ist allgemeine Auffassung – als Absicherung des
letzten großen Lebensrisikos „Pflege“ im Grundsatz be-
währt. Die soziale Pflegeversicherung sollte auch künf-
tig ein eigenständiger Zweig der sozialen Sicherungssys-
teme bleiben. Die finanzielle Ankoppelung an den
Arbeitslohn muss aber künftig begrenzt werden, damit
die Kalkulierbarkeit der Arbeitskosten und die Wettbe-
werbsfähigkeit des Standorts Deutschland erhalten wer-
den können. Wir sollten dazu den Pflegeversicherungs-
beitrag auf dem jetzigen Niveau festschreiben, den
Arbeitgeberanteil also auf 0,85 Prozent.

Der wichtigste Punkt einer notwendigen Reform – sie
bleibt weiterhin notwendig – ist die Besserstellung der
Familien in der Erziehungsphase. Sie, Frau Ministerin,
hatten mit Ihrem Beitragszuschlag für alle Kinderlosen
allerdings den falschen Weg, nämlich den der Bestrafung
einer ganzen gesellschaftlichen Gruppe, beschreiten
wollen. Es wäre weit sinnvoller – ich glaube, so sieht es
auch der Bundeskanzler –, die Eltern pro Kind während
der Erziehungsphase mit einer Beitragsentlastung zu be-
lohnen.

Nach der neuesten Emnid-Umfrage stehen Sie, werte
Kolleginnen und Kollegen von der rot-grünen Koalition,
mit solch einer Ankündigungs- und Rückzugspolitik
nicht sehr überzeugend da: 85 Prozent der Bevölkerung
beurteilen die Arbeit der Bundesregierung als plan- und
visionslos.

Ihre jetzige Pflegepleite so kurz nach der LKW-Maut-
Pleite vertieft diese vorhandene Einschätzung der Arbeit
von Rot-Grün. Die Bundesregierung handelt weiterhin
einfach plan- und visionslos.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508913500

Das Wort hat jetzt die Kollegin Hilde Mattheis von

der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)



Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1508913600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin

sehr froh, dass sich heute zeigt, dass nicht jede lautstark
vorgebrachte Behauptung nachhaltiger wirkt als sachli-
che Argumentation.


(Beifall bei der SPD)

Ihre Behauptungen, die Sie seit Dienstag aufgebaut ha-
ben, sind seit einigen Stunden völlig haltlos.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Glauben Sie!)

Sie, Frau Müller, schlagen hier vor, den Kapitalstock

aufzubauen,

(Hildegard Müller [CDU/CSU]: Ergänzend!)


verweigern aber natürlich die Aussage dazu, wer das
denn bezahlen soll.

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(C (D (Hildegard Müller [CDU/CSU]: Nein! Lesen Sie es nach! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Ökosteuer!)


ie sagen auch, dass das die einzige Alternative zu dem
st, was wir und auch die Ministerin bisher vorgestellt
aben.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wo ist denn was? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Was ist denn hier vorgelegt? Habe ich was verpasst?)


azu muss ich Ihnen sagen: Sie vergessen, dass die Pfle-
eversicherung bislang als Teilkaskoversicherung konzi-
iert ist


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das vergessen wir bestimmt nie!)


nd dass die Menschen bislang sehr wohl mit einem ei-
enen Beitrag eintreten.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Das hat doch damit gar nichts zu tun! – Annette WidmannMauz [CDU/CSU]: Sagen Sie das Ihrem SPDOberbürgermeister! Der freut sich!)


Mein Oberbürgermeister freut sich oft über mich.

(Beifall bei der SPD)


Mein Vorredner hat die Zukunft der Ministerin ange-
prochen. Sie jedoch haben eine Aktuelle Stunde zur Zu-
unft der Pflegeversicherung beantragt und um die geht
s eigentlich. Lassen Sie mich am Anfang einen kleinen
ückblick wagen:


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ein Ausblick wäre uns lieber! – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Zukunft!)


ls die Pflegeversicherung 1995 als fünfte Säule des so-
ialen Sicherungssystems etabliert wurde,


(Wolfgan Zöller [CDU/CSU]: Haben Sie zugestimmt!)


aren dem 20 Jahre heftige Diskussionen vorausgegan-
en. Bis dahin waren zehn Gesetzentwürfe gescheitert.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das probieren wir jetzt noch einmal! Noch einmal zehn Entwürfe!)


Das habe ich nicht gesagt.

(Hildegard Müller [CDU/CSU]: Ja, sagen Sie es mal!)

arten Sie ab.
Dass wir eine Reform brauchen, ist in unseren Beiträ-

en sehr wohl zum Ausdruck gekommen. Es wird sich
uch niemand zu der Aussage hinreißen lassen, dass al-
es so bleiben soll, wie es ist.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Nur der Kanzler!)

ach neun Jahren Erfahrung mit der Pflegeversicherung
issen wir, dass dort selbstverständlich Anreize zu ent-
ickeln sind und dass das Prinzip „ambulant vor statio-
är“ stärker durchgesetzt werden muss. Wir wissen






(A) )



(B) )


Hilde Mattheis

natürlich, dass die Definition des Begriffes der Pflegebe-
dürftigkeit dringend überarbeitet werden muss. Wir wis-
sen, dass bedarfsgerechte Leistungsbemessung ein wich-
tiger Punkt ist, den wir angehen müssen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Warum tun Sie es dann nicht?)


Wir wissen, dass die Unterstützung pflegender Angehö-
riger und die Förderung bürgerschaftlichen Engage-
ments in diesem Bereich wichtig sind. Das alles wissen
wir.

Wenn jetzt so getan wird, als sei alles das, was ich
jetzt gerade aufgezählt habe, in den nächsten Wochen zu
erledigen, sonst würden alle Hilfestrukturen zusammen-
brechen,


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Bei den Zivis fangen Sie ja schon damit an!)


werden hier – das meine ich auch mit Blick auf das In-
terview heute Morgen im „Morgenmagazin“ – in unver-
antwortlicher Weise Unsicherheit und Angst geschürt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sie machen es tatsächlich, indem Sie die Zivis abschaffen! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Um die Zeit habe ich schon gearbeitet! Und Sie schauen Fernsehen!)


Sie tun so, als wenn sich die Regierung und wir uns
als Fraktionen sämtlichen Reformen verweigern würden.
Ich weiß nicht, woher Sie diese Information haben.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Der Kanzler! Kanzleramt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


– Waren Sie bei der Fraktionssitzung? Ich habe Sie nicht
gesehen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Laden Sie uns ein! Ich würde kommen!)


Sie sollten Ihre Informationen so auswerten, dass Sie
hier in der Aktuellen Stunde auch aktuell diskutieren
können.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Man müsste hier einen Ticker stehen haben, um da mitzukommen!)


Wir lassen uns in dieser Sache nicht verunsichern.
Die Ministerin hat die nächsten Reformschritte darge-
stellt. Es geht uns um mehr als nur um die Schlagzeile
von heute.


(Lachen bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der FDP)


– Ja. Es geht darum, Menschen im Alter die Teilnahme
am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen,


(Hildegard Müller [CDU/CSU]: Niemand bestreitet das!)


sie nicht an den Rand zu drängen. Es geht darum, die
Belastungen zwischen den Generationen, die für die Fi-
nanzierung sorgen, gerecht zu verteilen.

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(C (D Die Pflegeversicherung ist eng mit dem Namen Blüm erbunden. (Beifall des Abg. Matthias Sehling [CDU/CSU])


uch wenn dieser Name bei Ihnen nicht mehr so hoch
m Kurs steht, stellen wir fest: Die Grundlage, die er und
ndere geschaffen haben, ist in Ordnung. Wir stellen
uch fest: Korrekturen und Reformen sind nötig. Anstatt
ie Regierung jetzt, nachdem die Eckpunkte vorliegen
nd nachdem auch die Schritte vorgestellt worden sind,
ie in der nächsten Zeit, vor der nächsten Bundestags-
ahl, angegangen werden, zu unterstützen – –


(Lachen bei der CDU/CSU – Jens Spahn [CDU/CSU]: Die ist 2006!)


Wir lassen uns da nicht unter Zeitdruck setzen. Zwi-
chen dem Jahr 2004 und dem Jahr 2006 liegt das Jahr
005.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir sind für die Hinweise auf Neuwahlen dankbar!)


as ist eine logische Konsequenz.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Ministerin hat gerade gesagt: 2004!)

Die nächsten Schritte sind klar. Wir werden uns ge-
einsam mit diesem Thema beschäftigen und uns auf
en Weg machen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohin denn? – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nach nirgendwo!)


ch lade Sie ein. Bisher haben Sie leider nicht bewiesen,
ass Sie Einladungen auch folgen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Doch, zur SPD-Fraktion!)


Wir hatten zwar vereinbart, einen interfraktionellen
ntrag zum Thema Demenz zu formulieren. Aber Sie
aben sich kurzfristig verweigert.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

och kurzfristiger haben Sie daraufhin – zur gleichen
eit wie wir – einen eigenen Antrag eingebracht.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben unseren Antrag abgelehnt! Das darf ja wohl nicht wahr sein!)


omöglich wollten Sie dokumentieren, dass Sie schnel-
r sind. Das stimmt aber nicht.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Nehmen Sie das sofort zurück!)


enn Sie sich den Ablauf ansehen, werden Sie feststel-
n, dass eher das Gegenteil der Fall ist.
In der nächsten Sitzungswoche werden wir ausführ-

ch über dieses Thema diskutieren. Ich freue mich schon
arauf und lade Sie dazu ein. Denn auch in Ihrer politi-
chen Verantwortung geht es darum, den Menschen eine
ilfestellung zu geben, und nicht darum, dieses Thema
urzfristig für eine Schlagzeile auszuschlachten.






(A) )



(B) )


Hilde Mattheis


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wer regiert denn dieses Land?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508913700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Maria Michalk von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1508913800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! In Deutschland leben etwa zwei Millionen Men-
schen, die zwar in unterschiedlichem Ausmaß, aber dauer-
haft auf Pflege angewiesen sind. 70 Prozent der
Pflegebedürftigen werden von ihren Angehörigen be-
treut. Allein das beweist, dass die Familie auch in die-
sem Bereich eine total unverzichtbare Rolle spielt und
für unsere Zukunft nicht wegzudenken ist.

Kein Staat dieser Welt könnte all die Leistungen fi-
nanzieren, die wegfallen würden, wenn es nicht die Fa-
milienarbeit und gegenseitige Hilfe gäbe. Genau deshalb
hat auch das Bundesverfassungsgericht entschieden,


(Zuruf von der SPD: Die Familie abzuschaffen?)


dass wir die Familien anders behandeln müssen,

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Entlasten!)


– ja, sie entlasten müssen. Frau Ministerin, es ist Ihre
Aufgabe, hierzu endlich Vorschläge vorzulegen, die
nicht zu solchem Hickhack führen, den wir heute hören
müssen,


(Zuruf von der SPD: Den machen Sie doch!)

sondern die es vielmehr ermöglichen, über die Sache zu
diskutieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Erika Lotz [SPD]: Hickhack – CDU!)


Mit der Einführung der Pflegeversicherung wurde die
Pflegearbeit aus ihrem Schattendasein an die Öffentlich-
keit gebracht.


(Zuruf von der SPD: Sie stehen ganz schön im Schatten!)


Sie geht alle an und wird von allen finanziert. Deshalb
haben auch alle einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie
es um die finanzielle Situation dieser Versicherung steht.
Um Ihnen in Erinnerung zu rufen, welches wunderbare
Werk wir damals mit der Pflegeversicherung gemeinsam
geschaffen haben, möchte ich Ihnen ein paar Punkte zur
Pflegesituation in den neuen Bundesländern sagen.

Die trostlosen Zustände in den Alten- und Pflegehei-
men der DDR sind Gott sei Dank Geschichte.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch unsere Rede!)


Es wurde an der richtigen Stelle investiert. Es sind
zweckmäßige und ansehnliche Pflegeheime entstanden.
Der Einsatz von modernen Mitteln bei der Pflege ist eine

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(C (D elbstverständlichkeit geworden. Das bewundernswerte ngagement der Mitarbeiter kann man nicht oft genug oben, weil die Begeisterung für den Pflegeberuf am chweren und manchmal auch tristen Alltag sehr schnell erschellen kann. Es hat sich ein breiter ambulanter Pfleedienst entwickelt. All dies ist nur durch eine kräftige Anschubfinanzie ung, die die Regierung Kohl geleistet hat, möglich georden. (Zuruf von der SPD: Das ist doch Ihre Rede von 1994!)


ie Trägerlandschaft ist ausgesprochen plural und sichert
en Betroffenen eine ihre Lebenseinstellung und ihre Be-
ürfnisse berücksichtigende Wahlmöglichkeit. So sind
um Beispiel in Sachsen 60 Prozent der stationären Ein-
ichtungen in freigemeinnütziger Trägerschaft, 27 Prozent
n privater und nur 13 Prozent in öffentlicher Träger-
chaft.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Auffallend ist, dass in den Pflegediensten in den

euen Ländern besonders viele Vollzeitbeschäftigungen
ntstanden sind, nämlich über 40 Prozent. Der Bundes-
urchschnitt liegt bei 29 Prozent. Die immer länger wer-
ende Lebenszeit der Menschen, die ja ein Glück ist, und
er permanente Wegzug vor allem junger Menschen be-
irkt, dass der Bedarf an professioneller Pflege wächst.
ie ambulanten Pflegedienste haben alle Hände voll zu
un und kämpfen hart mit den gegebenen Normativen,
ie auch mit den Kosten zu tun haben. Denn neben der
flege wird – egal, ob bezahlt oder nicht bezahlt – natür-
ich auch menschliche Zuwendung erwartet.
Während der Anteil der Pflegebedüftigen im Alter

wischen 75 und 85 Jahren in Baden-Württemberg bei
1,2 Prozent liegt, beträgt er zum Beispiel in Mecklen-
urg-Vorpommern 17,7 Prozent, also 6,5 Prozent mehr.
ieser Trend wird sich noch verstärken. Deshalb ist es
nverantwortlich, heute nicht Vorsorge für morgen zu
reffen und eine für die Zukunft tragende Reform der
flegeversicherung nicht sofort in Angriff zu nehmen.
it dem Motto „Stopp und basta“ nach Kanzlermanier
ringt man die Pflegeversicherung insgesamt in die
rise. Wir kennen doch die demographische Entwick-
ung und die Tatsache, dass seit 1999 die Ausgaben der
flegeversicherung die Einnahmen übersteigen.
Die Verschiebung der Reform und das Wegducken

or den Problemen der Pflegekassen ist ein weiteres Bei-
piel für die Sprunghaftigkeit dieser Regierung und erin-
ert mich bitter an die Zeit, als wir quasi ohnmächtig zu-
ehen mussten, wie die DDR-Regierung die Menschen
n der DDR um die Früchte ihrer Arbeit gebracht hat, bis
as Land bankrott war.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ein schlechter Vergleich!)


Das darf bei der Pflegeversicherung nicht passieren.
eswegen fordere ich Sie auf: Handeln Sie!
Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







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Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508913900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Marlies Volkmer

von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)



Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1508914000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU
und FDP, Ihr Auftreten heute in dieser Debatte war sehr
unglaubwürdig.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, na, na!)

Sie haben im Grunde genommen nichts Inhaltliches dazu
beigetragen, wie die Pflege ausgestaltet werden soll,
sondern haben nur etwas zur Finanzierung gesagt.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gesagt? Gar nichts! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das war schon mehr, als Sie gesagt haben!)


Ihr Vergleich zwischen der Situation, die wir zurzeit ha-
ben, Frau Michalk, mit der Situation in der DDR kurz
vor der Wende war hier völlig unpassend; das wissen Sie
selbst.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Die sind in den 80erJahren stecken geblieben!)


Was hätten Sie gemacht, wenn wir noch in diesem
Jahr die komplette Reform der Pflegeversicherung um-
gesetzt hätten? – Sie wären die Ersten gewesen, die ge-
gen uns ins Feld gezogen wären; Herr Seehofer, Sie ni-
cken.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das galt aber nicht Ihrer Behauptung!)


– Doch, Sie haben gerade genickt. – Sie hätten uns davor
gewarnt, gleichzeitig zur Gesundheitsreform auch noch
das ganze Konzept zur Pflegeversicherung umzusetzen.

Sie sind sich untereinander nicht einig, was Sie wol-
len. Herr Sehling hat gesagt, er wolle die Familien ent-
lasten, die zurzeit Kinder erziehen. Herr Seehofer hat ge-
sagt, er wolle auch die Familien entlasten, die Kinder
erzogen haben. Das ist ein großer Unterschied.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Ja!)

Herr Storm hat gesagt – darauf ist schon hingewiesen
worden –, er wolle alle Familien mit 10 Euro pro Kind
entlasten, sagt aber nicht, woher er das Geld nehmen
will.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Eine Entlastung um 10 Euro pro Kind!)


Wir wissen, welcher Reformbedarf im Pflegebereich
besteht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann tun Sie doch etwas!)


Uns ist klar, dass das mit der demographischen Entwick-
lung zusammenhängt. Eine Reform beschränkt sich

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(C (D icht auf die Klärung der Frage der Finanzierung, sonern stellt insgesamt große Anforderungen an uns. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das merkt man! Sie sind zu groß!)


ir müssen dafür sorgen, dass eine Pflegebedürftigkeit
ermieden wird, indem wir die Prävention stärken und
ie Therapie chronisch Kranker und die Rehabilitation
lter Menschen verbessern. Wir müssen dafür sorgen,
ass der Grundsatz „ambulant vor stationär“ wirklich
mgesetzt wird. Dazu müssen die Strukturen in der am-
ulanten Betreuung verbessert werden.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Dann machen Sie das doch!)


ir brauchen Alternativen zur Unterbringung und Ver-
orgung der Patienten in Heimen und müssen deswegen
uch alternative Wohnkonzepte entwickeln. Um diese
iele zu erreichen, bedarf es einer breit angelegten Dis-
ussion.
Die Verbesserung der Betreuung Demenzkranker ist

esonders wichtig. Diese Aufgabe werden wir als
ächste angehen.
Dass wir bis zum 31. Dezember das Urteil des Bun-

esverfassungsgerichtes umsetzen müssen, ist unbestrit-
en und stellt uns natürlich vor eine große Aufgabe. Wir
üssen eine Lösung finden, die gerecht ist, müssen aber
leichzeitig zusehen, dass das nicht zu Einschnitten in
en Leistungen der Pflegeversicherung führt.
Ich denke, Innovation bezieht sich nicht nur auf die

ntwicklung und Umsetzung neuer Technologien, Inno-
ation bedeutet auch – und zwar zunehmend –, zu sagen,
ie sich die Gesellschaft weiterentwickeln soll. Sie ver-
angt auch in der Gesellschaft ein neues Denken und
andeln. Wir müssen dafür sorgen, eine Gesellschaft zu
ntwickeln, in der auch die zukünftige Generation gut le-
en kann.
Dazu müssen wir alle gemeinsam beitragen. Ich for-

ere Sie hier noch einmal auf, gemeinsam an einer Pfle-
eversicherung mitzuarbeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wobei denn? Wir wissen ja noch nicht einmal, worum es gehen soll!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508914100

Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Widmann-
auz von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1508914200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
och gestern hat der Bundeskanzler an die Deutschen
ppelliert, sie sollten aufhören zu jammern.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie lesen zu viel „Bild“-Zeitung!)


m selben Tag wird der Kanzler von Panik und Angst
or weiteren Jammerwellen ergriffen und legt Ulla






(A) )



(B)


Annette Widmann-Mauz

Schmidts Pläne zur Pflegeversicherung, deren Entwurf
ja schon an die Verbände verschickt worden war, kurz
vor der Verabschiedung in der Fraktion eiskalt auf Eis.
Das war eine nette Überraschung für die Fachpolitiker
der SPD-Fraktion und der Grünen. Diese nette Überra-
schung für den Koalitionspartner war wohl Ausdruck
des Kommunikationsstils, der in der Koalition herrscht.
Es war eine Ohrfeige für Ulla Schmidt.

Der Kanzler weiß aber, dass Ohrfeigen bei Frauen
nicht gut ankommen. Deshalb schiebt Schröder ganz
schnell nach: Ulla Schmidt sitze am Tisch des Kanzlers
und da werde sie auch bleiben.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Am Katzentisch!)


Ich frage Sie aber: Was nützt es, wenn Ulla Schmidt
sitzen bleibt, aber nichts zu sagen hat? Die Pläne des So-
zialministeriums sind seit Herbst 2003 bekannt und hät-
ten auch dem Bundeskanzler bekannt gewesen sein müs-
sen.


(Hildegard Müller [CDU/CSU]: Er braucht halt länger!)


Angesichts von 14 Wahlen in diesem Jahr, einem Umfra-
gewert von 25 Prozent für die SPD bei der Sonntags-
frage


(Zuruf von der CDU/CSU: 24 Prozent!)

und der Perspektive auf Wahlniederlagen in Nordrhein-
Westfalen bekommt der SPD-Vorsitzende aber einfach
kalte Füße.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Erinnern wir uns: Am 14. März letzten Jahres hat der

Kanzler von diesem Platz aus seine Agenda 2010 mit pa-
thetischen Worten vorgestellt. Jetzt erschrickt der Kanz-
ler vor seinen eigenen Worten und Taten. Der Fraktions-
vize der Grünen Reinhard Loske warnt Schröder jetzt
schon wieder davor, die Politik der ruhigen Hand wieder
aufleben zu lassen. Frau Selg, ich denke, Sie müssten in
Ihrer Fraktion einmal ein wenig reden.

Schröder meint in seiner Erklärungsnot, die Änderun-
gen am Pflegekonzept seien Einzelmaßnahmen und in
Bezug auf die Reform nichts Generelles.


(Verena Butalikakis [CDU/CSU]: So ein Schröder!)


Gleichzeitig erklärt Ihre Fraktionsvorsitzende Frau
Göring-Eckardt im Deutschlandfunk: Zusätzliche Belas-
tungen der Bürger an anderer Stelle wird es nicht geben.
Frau Caspers-Merk sagt heute, dass sie Beitragserhöhun-
gen in der Pflegeversicherung nicht ausschließt.


(Andreas Storm [CDU/CSU]: Was gilt denn nun? – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das ist der Chor der Vielstimmigen!)


17 Millionen Rentnerinnen und Rentner erhalten ab
1. April 2004 Rentenkürzungen. Ich frage Sie: Weiß
diese Bundesregierung eigentlich überhaupt noch, dass
sie mit dem Alterseinkünftegesetz noch weitaus
schmerzlichere Belastungen für die Bürger bereithält?

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(C (D ie Anhörung im Finanzausschuss in dieser Woche hat utage gebracht, dass das Rentenniveau bis zum ahre 2030 auf 52 Prozent absinken wird. Insofern sind eitere Belastungen vorprogrammiert. Es sind noch keine vier Wochen vergangen, seit SPD nd Grüne zu ihren Klausurtagungen zusammengekomen sind. Man fragt sich schon, was Sie zu Beginn des ahres dort eigentlich gemacht haben. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel wie Sie!)


etzt fordern Sie wieder neue Kommissionen mit neuem
ach- und Fachverstand und bilden wieder neue Berater-
remien.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Beschäftigungstherapie!)


ch glaube, Sie müssten mehr Chaosforscher in diese Be-
atergremien berufen. Dann kämen wir nämlich wahr-
cheinlich schneller zum Zug.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Sprunghaftigkeit und Kurzlebigkeit dieser Politik

eht voll zulasten der Pflegebedürftigen, ihrer Angehöri-
en, der Pflegekräfte und der Beitragszahler in Deutsch-
and. Sie warten dringend darauf, dass die Leistungen in
er Pflegeversicherung den Kosten der Lebenshaltung
ngepasst werden. Seit die Pflegeversicherung in Kraft
st, steht die Dynamisierung der Leistungen aus – mit der
olge, dass Pflegebedürftigkeit wieder zur Sozialhilfe-
bhängigkeit führt.
Die Demenzkranken und ihre Angehörigen haben

arauf gehofft, endlich Leistungen aus der Pflegever-
icherung zu erhalten.


(Petra Selg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt noch!)


eit dem Jahr 1999 hat die Union insgesamt neun Initia-
iven in Bund und Ländern eingebracht. Sie aber haben
it Ihrer Mehrheit in Bundestag und Bundesrat diese
orschläge immer und immer wieder abgelehnt. Jetzt
rücken Sie sich mit der Basta-Entscheidung Ihres
anzlers um eine Lösung für all die wesentlichen Fragen
ieser Menschen.
Wenn der Kanzler für seine Entscheidung schon die
erechtigkeit strapaziert, dann müssen Sie diese Sach-
erhalte zur Kenntnis nehmen;


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nur unfinanzierbare Vorschläge!)


enn diese Entscheidung bedeutet, dass Familien und
lleinstehende mit ihren Problemen zur Pflege weiter al-
eingelassen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen Vorschläge und sagen nicht, wer sie bezahlen soll!)


Wenn Rot-Grün die Umsetzung des Bundesverfas-
ungsgerichtsurteils nicht durch einen Strafzuschlag von
)






(A) )



(B) )


Annette Widmann-Mauz

2,50 Euro für Kinderlose finanzieren will, dann stellt
sich die Frage, wie Erziehende denn nun entlastet wer-
den sollen. Offenbar denken Sie nun an Freibeträge bei
der Beitragsbemessung. Das bedeutet in der Konsequenz
für Familien eine Entlastung in Centhöhe und weitere
Beitragszuschläge und -steigerungen für die Beitrags-
zahler.

Was für ein irrsinnig bürokratischer Aufwand, an des-
sen Ende nichts bzw. nichts Positives steht! Der Kanzler
treibt mit dieser Entscheidung Fraktion und Ministerium
endgültig nach Absurdistan. Den Menschen bleibt nichts
erspart. Nein, Ihre Ratlosigkeit kommt die Beitragszah-
ler, insbesondere die Pflegebedürftigen teuer zu stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Situation in der Pflegeversicherung ist angesichts

unserer jetzigen Lage schlimm genug. Diese Regierung
löst keine Probleme, sondern sie schafft – nicht erst seit
heute – immer wieder neue. Sie selbst ist das Problem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie ist Teil des Problems!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508914300

Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt

erteile ich das Wort dem Kollegen Horst Schmidbauer
von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


Horst Schmidbauer (SPD):
Rede ID: ID1508914400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man

sich die letzte Stunde vor Augen und Ohren führt,

(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Dann weiß man nicht, was das soll!)

dann hat man den Eindruck, dass die Opposition unter
einem geradezu strukturtypischen Zwang steht.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was? – Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Die könnten alle schon im Wahlkreis arbeiten!)


Dieser strukturtypische Zwang ist der Versuch, aus einer
Situation Kapital zu schlagen, wohl wissend, dass man-
gels Argumente und Grundlage ein Misserfolg vorpro-
grammiert ist.

Schauen wir uns die Sache einmal genau an. Der Ver-
such, aus der Situation Kapital zu schlagen, ist weder de-
nen gelungen, die heute Krokodilstränen über ein Re-
formkonzept vergossen haben, das nicht auf ihrem
eigenen Mist gewachsen ist


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wo ist denn das Konzept?)


– Sie wollten es im Bundesrat sowieso zu Fall bringen –;

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Über welches Konzept reden Sie denn?)

noch ist es denen geglückt, die das Veto des Bundes-
kanzlers zu neuen Reformen insgeheim begrüßen. Na-
türlich müssen sie dabei aufpassen, dass sie den Kanzler

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(C (D icht versehentlich loben. In diesem Fall würde sich ämlich herausstellen, was auch die Menschen sehen. ie erkennen, dass der Bundeskanzler den Mut hat, Unequemes zu tun, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist der Witz des Jahres!)


r aber gleichzeitig auch über die Umsicht verfügt, dabei
icht über das Ziel hinauszuschießen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Den Satz muss man noch einmal nachlesen! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Glauben Sie eigentlich, was Sie sagen?)


Seit wir beginnen, bei den Sozialversicherungssyste-
en den Reformstau aufzulösen, hechelt die Union mit
ängender Zunge hinterher. Ich habe gedacht, Sie wür-
en es heute begrüßen, dass wir Ihnen eine kleine Ver-
chnaufpause verschaffen, weil das sicherlich auch Ihrer
esundheit gut tun würde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU – Jens Spahn [CDU/CSU]: Bravo!)


Wir sollten froh darüber sein, dass wir bei der wichti-
en Frage der Reform der Pflegeversicherung Zeit ge-
onnen haben und es keine Hauruck-Gesetzgebung gibt.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das kostet die Beitragszahler aber Geld, Herr Schmidbauer!)


ir haben nun die Chance – diese sollten wir auch er-
reifen –, alle Vorschläge für eine solidarische und so-
ial tragfähige Pflegeversicherung, die in der Gesell-
chaft diskutiert und von Fachleuten eingebracht
erden, zu prüfen.


(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich, wo zu diesem Thema Ihre Vorschläge

ind. Außer Verwirrung haben Sie nichts vorzuweisen.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/ CSU)

ch frage auch Sie, wo in der Zeit Ihres Regierungshan-
elns diese Probleme konkret angegangen worden sind.
trukturelle Veränderungen auf der Einnahmenseite oder
er Ausgabenseite? – Fehlanzeige!


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer regiert denn dieses Land?)


rotzdem meinen Sie, Sie müssten uns mit erhobenem
eigefinger ermahnen.


(Hildegard Müller [CDU/CSU]: Herr Schmidbauer, Sie müssten rot werden vor Scham!)


ie scheuen noch nicht einmal davor zurück – das haben
ir vorhin erlebt –, Zitate falsch vorzutragen. Wenn man
ich das Zitat der Staatssekretärin ansieht, dann stellt
an fest, dass sie davon gesprochen hat, dass man Geld
enötigt, wenn man die Leistungen für Demenzkranke
erbessern und die Dynamisierung im System erreichen






(A) (C)



(B) )


Horst Schmidbauer (Nürnberg)

will. Das ist doch logisch. Dass man dazu die Einnah-
men erhöhen muss, ist auch logisch. Sie hat nicht über
den Weg der Finanzierung gesprochen,


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Ich habe Ihnen neun Initiativen genannt, die Sie alle abgelehnt haben!)


sondern sie hat von der Notwendigkeit gesprochen, dass
man mehr Geld für die Aufgaben ausgeben muss. Des-
halb darf man nicht die Fehlinformation in die Welt set-
zen, wie Sie es getan haben, dass der Beitragssatz erhöht
werden müsse. Diese Frage möchte ich in aller Gelas-
senheit im Parlament und in der Koalition diskutieren.

Ich frage mich immer, was diese Aufgeregtheit in der
Union soll. Das frage ich mich seit zwei Tagen.


(Lachen bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Ablenken vom eigenen Streit!)


Wieso interessiert sich die Opposition plötzlich für das
Kommen oder Scheitern von Modellen für eine solidari-
sche, umlagefinanzierte Pflegeversicherung, wo doch


(Hildegard Müller [CDU/CSU]: Welches Konzept schlagen Sie vor?)


Aber Sie wollen vor der Öffentlichkeit lieber in die Rolle
des wohltätigen Samariters schlüpfen, der die Wunden,
die von den bösen Räubern der Regierungskoalition ver-
ursacht worden sind, verbindet. Diese Methode funktio-
niert nicht. Es ist gerade jetzt sichtbar geworden, wie
diese Methode ausschaut.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Hoffentlich sind die fünf Minuten bald zu Ende!)


Wie immer unser Konzept letztendlich aussehen wird:

(Lachen bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: „Wie immer“ – das ist es ja!)


Sie von der Union werden Nein sagen und aus Prinzip
Ihr Spiel weiterspielen. Das ist ein Spiel mit viel rhetori-
schem Wind und aufgeblähten Politikmuskeln. Das Spiel
wird aber denen schaden, denen wir eigentlich helfen
wollten und denen wir Sozialdemokraten auch helfen
werden. Das sind die pflegebedürftigen, alten und kran-
namhafte Vertreter der CDU/CSU längst deren Abschaf-

fung gefordert haben?

(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Kopf in den Sand!)

Ich glaube, Diskussionsbedarf mit den Bürgerinnen und
Bürgern im Land besteht darüber, was es bedeuten wird,
wenn die Union von dem einst so lautstark gefeierten
„Modell Blüm“ Abschied nehmen will und, so wie es
aus der Herzog-Kommission klingt, den Bürgern eine
obligatorische private – verdammt teure – Absicherung
des Pflegerisikos zumuten will.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hinzu kommt die Abschaffung eines weiteren Feier-

tages. Das sollten Sie den Bürgerinnen und Bürgern sa-
gen, damit klar wird, was Sie ihnen zumuten und wie die
Lösungsvorschläge der Union aussehen.

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(D en Menschen in unserem Lande. Dabei bleibt es. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1508914500

Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-

rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

estages auf Mittwoch, den 11. Februar 2004, 13 Uhr,
in.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Die Sit-

ung ist geschlossen.