Protokoll:
14123

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 123

  • date_rangeDatum: 11. Oktober 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:49 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . 11783 A Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Aktuali- sierung des deutschen Stabilitätspro- gramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11783 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11783 B Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11784 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11784 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11786 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11786 B Rainer Brüderle F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11787 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11787 B Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11788 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11788 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11788 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 11788 D Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 14/4206) . . . . . . . . . . . . . . . . 11788 D Eventuelle Eingliederung des BMZ in das Aus- wärtige Amt MdlAnfr 1 PeterWeiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Antw StSekr Erich Stather BMZ . . . . . . . . . . . 11789 A ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 11789 A ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 11789 D Aussage des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt Pleuger hinsichtlich einer Eingliederung des BMZ in das Auswärtige Amt MdlAnfr 4 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . . 11790 A ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU 11790 A ZusFr Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 11790 D Zugang zur gesetzlichen Rentenversicherung für Tagesmütter MdlAnfr 6, 7 Ina Lenke F.D.P. Antw StSekr Peter Haupt BMFSFJ . . . . . . . .11791 A, C ZusFr Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . .11791 B, C Aufnahme von Transporten abgebrannter Brennelemente MdlAnfr 8, 9 Dr. Paul Laufs CDU/CSU AntwPStSekr’inGilaAltmannBMU 11792 C, 11793 A ZusFr Dr. Paul Laufs CDU/CSU . . . 11792 D, 11793 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 11793 C Nichteinladung Österreichs zu den Einheitsfei- erlichkeiten am 3. Oktober 2000 MdlAnfr 12, 13 Dr. Klaus Rose CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11793 D, 11794 C ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . .11794 A, D Plenarprotokoll 14/123 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 123. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000 I n h a l t : ZusFr Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11794 B, 11795 A Nichteinladung Österreichs zu den Feierlich- keiten anlässlich der deutschen Einheit; Fort- setzung der Sanktionspolitik MdlAnfr 14, 15 Max Straubinger CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11795 B, 11796 C ZusFr Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11795 C, 11796 C ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 11796 A ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11796 A, 11797 A ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11796 B, 11797 B Finanzierung des Weiterbaus der A 6 zwischen Amberg und Waidhaus, insbesondere mit ei- nem Darlehen der Europäischen Investitions- bank MdlAnfr 16, 17 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11797 C, 11800 C ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 11797 D ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11798 C, 11800 C ZusFr Reinhold Strobl SPD . . . . . . . . . . . . . . 11798 D ZusFr Georg Girisch CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11799 A, 11801 B ZusFr Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11799 C, 11801 C ZusFr PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11799 D, 11801 D ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 11800 A Finanzierungsvorschlag des Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank (EIB), Wolfgang Roth, für das fehlende Teilstück der A 6 zur tschechischen Grenze MdlAnfr 18 Renate Blank CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 11802 A ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11802 B ZusFr PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 11802 C ZusFr Georg Girisch CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11803 B Zeitpunkt der Fertigstellung des fehlenden Teil- stücks der A 6 zur tschechischen Grenze MdlAnfr 23 Renate Blank CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 11803 D ZusFr Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . 11804 B Aufstellung eines neuen Bundesverkehrswege- plans; Neuerarbeitung der Unterlagen für die Einstufung als „vordringlich“ und „Neubau“, zum Beispiel bei der Ortsumgehung Roten- burg/Lispenhausen im Zuge der B 83 MdlAnfr 24, 25 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11804 D, 11805 C ZusFr Helmut Heiderich CDU/CSU . . 11805 A, D Anbindung von ländlichen Regionen an das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn AG MdlAnfr 26 Dr. Gerd Müller CDU/CSU Antw PStSekr Siegfried Scheffler BMVBW 11806 B ZusFr Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . 11806 C ZusFr Heinz Wiese (Ehingen) CDU/CSU . . . 11807 A ZusFr Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . 11807 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Unterschiedliche Vorschläge aus der Koalition, die Beiträ- ge zur Arbeitslosenversicherung kurz- fristig abzusenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11808 A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . . . . 11808 A Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMA . . . . . 11809 A Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11811 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11812 D Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11813 D Renate Jäger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11814 D Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 11815 D Andrea Nahles SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11816 D Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 11817 C Walter Hoffmann (Darmstadt) SPD . . . . . . . . 11818 C Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 11819 D Renate Rennebach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11821 A Dr. Bernd Protzner CDU/CSU: . . . . . . . . . . . . 11821 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Vereinbarte Debatte zur Situation in Ju- goslawien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11822 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000II Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 11822 D Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . . 11824 C Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11826 C Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . 11827 D Dr. Klaus Kinkel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11828 C Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 11830 A Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11831 A Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 11831 D Dr. Eberhard Brecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 11833 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11834 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11835 A Anlage 2 Eventuelle Verschärfung der §§ 86, 86 a Straf- gesetzbuch (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungs- widriger Organisationen) MdlAnfr 5 Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 11835 C Anlage 3 Nichteinladung Österreichs zum zehnten Jah- restag der deutschen Einheit MdlAnfr 10, 11 Jürgen Koppelin F.D.P. Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 11835 D Anlage 4 Zunahme der Zahl von Förderprojekten nach § 96 Bundesvertriebenengesetz; Projekte im Jahr 2000 MdlAnfr 2, 3 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Michael Naumann BK . . . . . 11836 B Anlage 5 Ungleichbehandlung von Soldaten gegenüber Beamten bei Verwundung in einem Krisenre- aktionseinsatz in der nachdienstlichen Versor- gung; Veränderungen bei den Einberufungskri- terien für Wehrpflichtige MdlAnfr 19, 20 Günther Friedrich Nolting F.D.P. Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 11836 D Anlage 6 Änderung von § 25 Abs. 3 Soldatengesetz im Hinblick auf Interessenkonflikte bei der Wahr- nehmung kommunaler Ämter durch Soldaten MdlAnfr 21, 22 Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 11837 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000 Dr. Eberhard Brecht 11834 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000 11835 (C) (D) (A) (B) Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 11.10.2000 Breuer, Paul CDU/CSU 11.10.2000 Burchardt, Ursula SPD 11.10.2000 Elser, Marga SPD 11.10.2000 Dr. Gehb, Jürgen CDU/CSU 11.10.2000 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 11.10.2000 Haack (Extertal), SPD 11.10.2000 Karl-Hermann Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 11.10.2000 Hemker, Reinhold SPD 11.10.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 11.10.2000 DIE GRÜNEN Dr.-Ing. Jork, Rainer CDU/CSU 11.10.2000 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 11.10.2000 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 11.10.2000 Lippmann, Heidi PDS 11.10.2000 Meckel, Markus SPD 11.10.2000 Neumann (Gotha), SPD 11.10.2000 Gerhard Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 11.10.2000 DIE GRÜNEN Nietan, Dietmar SPD 11.10.2000 Ostrowski, Christine PDS 11.10.2000 Philipp, Beatrix CDU/CSU 11.10.2000 Pieper, Cornelia F.D.P. 11.10.2000 Rühe, Volker CDU/CSU 11.10.2000 Schily, Otto SPD 11.10.2000 Schlee, Dietmar CDU/CSU 11.10.2000 Schloten, Dieter SPD 11.10.2000* Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 11.10.2000 Hans Peter Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 11.10.2000 Andreas Schösser, Fritz SPD 11.10.2000 Dr. Schwall-Düren, SPD 11.10.2000 Angelica Welt, Jochen SPD 11.10.2000 Wettig-Danielmeier, SPD 11.10.2000 Inge * für die Teilnahme an der 104. Jahreskonferenz der Interparlamen- tarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick auf die Frage des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 14/4206, Frage 5) Beabsichtigt die Bundesregierung eine Verschärfung der §§ 86, 86 a Strafgesetzbuch (Verbreiten von Propagandamitteln verfas- sungswidriger Organisationen und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung beim Rechtsextremismus? Die Strafvorschriften in den §§ 86, 86 a und 130 StGB sind 1994 geändert bzw. neu eingeführt worden. Neben den allgemeinen Strafvorschriften zum Schutz von Leben und Gesundheit (§§ 211 ff., §§ 223 ff. StGB), die in den Jahren 1994 und 1998 erheblich verbessert, auch ver- schärft worden sind, leisten sie einen wichtigen und un- verzichtbaren Beitrag zur entschiedenen Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Es kommt entscheidend darauf an, die vorhandenen Strafvorschriften in der Praxis konsequent anzuwenden und dabei die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Strafrahmen auszu- schöpfen. Die in den §§ 86, 86 a und 130 StGB geregelten Propagandadelikte könnten mit Freiheitsstrafe bis zu drei oder fünf Jahren bestraft werden; bei tätlichen Angriffen drohen noch höhere Strafen. Die Tatsache, dass zurzeit kein unmittelbarer gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben ist, ändert allerdings nichts daran, dass die Bun- desregierung die gewonnenen Erfahrungen in der Praxis weiterhin beobachtet und auch in Zukunft ständig prüfen wird, ob und gegebenenfalls durch welche Maßnahmen die strafrechtlichen Vorschriften gegen Rechtsextremis- mus und Fremdenfeindlichkeit verbessert werden können. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) (Druck- sache 14/4206, Fragen 10 und 11): entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Welche Gründe haben die Bundesregierung bewogen, wederden österreichischen Bundespräsidenten noch den österreichischenBundeskanzler zur Feier des zehnten Jahrestages der deutschenEinheit einzuladen? Kann sich die Bundesregierung daran erinnern, dass Tausendevon Flüchtlingen aus der ehemaligen DDR von Ungarn aus überÖsterreich in die damalige Bundesrepublik Deutschland kommenkonnten und diese reibungslose Passage nur mit Hilfe der öster-reichischen Regierung möglich war? Zu Frage 10: Zu den Feierlichkeiten zum zehnten Jahrestag der Ein- heit Deutschlands am 3. Oktober 2000 in Dresden hat die Bundesregierung – auch im Namen des Bundespräsiden- ten und des Bundesratspräsidenten – Vertreter der auslän- dischen Staaten, die den Zwei-Plus-Vier-Vertrag unter- zeichnet haben, die so genannte EU-Troika und die Višegrad-Staaten auf der Ebene der Staats- und Regie- rungschefs eingeladen. Die EU-Mitgliedstaaten – ein- schließlich Österreich – sind durch die EU-Troika vertre- ten gewesen. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass darüber hinaus der österreichische Botschafter – wie auch alle anderen in Deutschland akkreditierten Botschafter – auf Vorschlag der Bundesregierung eingeladen worden ist und an den Feierlichkeiten teilgenommen hat. Zu Frage 11: Ja. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Michael Naumann auf die Fragen des Abgeordneten Hartmut Koschyk (CDU/CSU) (Drucksache 14/4206, Fragen 2 und 3): Wie beurteilt die Bundesregierung die Äußerung des Beauf-tragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur undder Medien, Staatsminister Dr. Michael Naumann, in der Zeit-schrift „Die Woche“ vom 29. September 2000, er habe sich überdas Anwachsen der „Förderung im Rahmen des Vertriebenenför-derungsgesetzes von knapp 8Millionen DM jährlich auf strecken-weise 58 Millionen DM“ „sehr gewundert“, angesichts der derBundesregierung entstehenden Verpflichtung aufgrund des ge-setzlichen Auftrages aus § 96 Bundesvertriebenengesetz, und hältdie Bundesregierung die in der Vergangenheit und gegenwärtigvon ihr vorgenommene Förderung in diesem Bereich für unver-hältnismäßig, zum Beispiel vor dem Hintergrund der Tatsache,dass allein für Zuweisungen zu laufenden kulturellen Aufwen-dungen der Bundesstadt Bonn im Entwurf des Bundeshaushaltesfür das Jahr 2001 60 Millionen DM veranschlagt sind? Welche Projekte fördert die Bundesregierung im laufendenJahr im Rahmen des § 96 Bundesvertriebenengesetz (mit Angabeder Höhe der Förderung), und bei welchen Anträgen zu Projektenaus diesem Bereich hat die Bundesregierung eine Förderung imlaufenden Jahr abgelehnt? Zu Frage 2: Der Bundeshaushalt (Titelgruppe 07) gibt Aufschluss über den Anstieg der Fördermittel in den letzten Jahr- zehnten. Während 1982 noch rund 8 Millionen DM För- dermittel veranschlagt waren, erfolgte zwischen 1990 und 1992 praktisch eine Verdoppelung von 30 Millio- nen DM auf rund 59 Millionen DM. Dass die Empfänger dieses Geldsegens etwas überfordert waren, sei nur am Rande erwähnt. Danach blieben im Jahre 1992 rund 8 Mil- lionen DM ungenutzt. Die Erforschung, Erhaltung und Präsentation der deutschen Kultur und Geschichte im öst- lichen Europa ist eine Aufgabe von gesamtstaatlicher Be- deutung, die auch künftig für die Bundesregierung ihren besonderen Stellenwert haben wird. Nach der politischen Öffnung der osteuropäischen Staaten und der Herstellung der deutschen Einheit haben sich jedoch die Anforderun- gen an die Kulturarbeit nach § 96 BVFG gewandelt. Die- se veränderte Aufgabenstellung war Anlass für den Be- auftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, ein neues Förderkonzept zu erar- beiten, das vom Bundeskabinett verabschiedet wurde und gegenwärtig dem Deutschen Bundestag zugeleitet wird. In Umsetzung der Konzeption wird die Bundesregierung Haushaltsmittel in angemessener Höhe zur Verfügung stellen. Bei den angesprochenen Zuweisungen zu laufen- den kulturellen Aufwendungen der Bundesstadt Bonn han- delt es sich um überkommene Verpflichtungen, die de- gressiv abgesenkt werden. Ein Zusammenhang zwischen diesen Leistungen und den Fördermitteln nach § 96 Bun- desvertriebenengesetz besteht nicht. Zu Frage 3: In diesem Jahr wurden bereits über 370 Einzelprojekte gefördert. Eine Auflistung wäre in diesem Zusammen- hang zu umfangreich. Sie geht dem Fragesteller gesondert zu. Über abgelehnte Projektförderungsanträge wird keine Statistik geführt. Angaben hierüber könnten nur mit einem unvertretbar hohen Verwaltungs- und Zeitaufwand erstellt werden, der in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen In- formationswert steht. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (F.D.P.) (Drucksache 14/4206, Fragen 19 und 20): Trifft es zu, dass Soldaten bei Verwundung in einem Krisenre-aktionseinsatz in der nachdienstlichen Versorgung schlechter ge-stellt sind als Beamte? Plant das Bundesministerium der Verteidigung, außer der mitt-lerweile bekannt gewordenen Streichung des Tauglichkeitsgra-des 7, weitere Verschärfungen bzw. Veränderungen bei den Ein-berufungskriterien für Wehrpflichtige? Zu Frage 19: Ein Vergleich sämtlicher Versorgungsansprüche von Soldaten aller Statusgruppen, die in einem Krisenreakti- onseinsatz verwundet werden, mit den Versorgungsan- sprüchen der Beamten im Falle eines Dienstunfalls kann wegen der Regelungsvielfalt der betreffenden Systeme nicht zu einer allgemeingültigen bewertenden Aussage führen. Schon die unterschiedlichen Versorgungsrege- lungen für Berufssoldaten auf der einen und für Soldaten auf Zeit sowie Soldaten, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, auf der anderen Seite sind durch die verschiedenartige Ausgestaltung der Dienstverhältnisse bedingt. Die Versorgungsleistungen für die nur vorüber- gehend dienenden Soldaten auf Zeit und Soldaten, die auf- grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, sind in erster Li- nie auf eine Wiedereingliederung in das zivile Leben Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 200011836 (C) (D) (A) (B) ausgerichtet. Ihre soziale Sicherheit nach dem Ausschei- den aus der Bundeswehr wird durch Leistungen der Be- schädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsge- setz und durch Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sichergestellt. Der zur Dienstleistung auf Lebenszeit verpflichtete Berufssoldat erhält demge- genüber bei Eintritt des Versorgungsfalles eine dem Be- amtenrecht nachgebildete Versorgung, sodass allenfalls dieser Personenkreis mit der versorgungsrechtlichen Si- tuation eines dienstunfallgeschädigten Beamten ver- gleichbar ist. Bei diesem Vergleich ist von Bedeutung, dass die Begriffe „Wehrdienstbeschädigung“ und „Dienst- unfall“ nicht deckungsgleich sind. Die Regelungen und Vorschriften über die Wehrdienstbeschädigung im Solda- tenversorgungsgesetz unterscheiden sich wesentlich von denen über die Dienstunfallversorgung der Beamten. Der Wehrdienstbeschädigungsbegriff ist dabei weitergehend als der Begriff des Dienstunfalls im Beamtenrecht. So ha- ben Soldaten bei Dienstunfällen, wehrdienstbedingten Erkrankungen und gesundheitlichen Schädigungen auf- grund wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse Versor- gungsschutz, während dieser Schutz für Beamte lediglich auf Dienstunfälle und Berufskrankheiten begrenzt ist. Da- neben können Berufssoldaten neben der Grundrente wei- tere Leistungen aus der Beschädigtenversorgung erhalten, soweit diese höher sind als der Unterschiedsbetrag zwi- schen der Normal- und der Unfallversorgung. Die Vorschriften über die einmalige Entschädigung bzw. einmalige Unfallentschädigung, die bei bestimmten Unfällen durch Tätigkeiten mit besonderer Gefährdung oder bei einem rechtswidrigen Angriff in Betracht kom- men, finden sowohl auf Soldaten aller Statusgruppen als auch auf Beamte Anwendung. Eine Schlechterstellung der Soldaten liegt somit nicht vor. Hinsichtlich der Unter- schiede in der Heilbehandlung zwischen wehrdienstbe- schädigten Soldaten und dienstunfallbeschädigten Beam- ten nach dem Eintritt in den Ruhestand wird auf die ausführliche Antwort des Bundesministeriums der Vertei- digung vom 19. Mai 2000 – Drucksache 14/3421 –, die na- mens der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der F. D. P. vom 12. April 2000 – Drucksache 14/3212 – über- mittelt wurde, hingewiesen. Zu Frage 20: Die Streitkräfte stehen vor einem Prozess grundlegen- der Verkleinerung und Umstrukturierung, der von zuneh- mender Professionalisierung begleitet sein wird, um glei- che Aufgaben mit weniger Personal bewältigen zu können. Dadurch erhöhen sich die an die Wehrpflichtigen zu stel- lenden Mindestanforderungen. Die Abschaffung des Ver- wendungsgrades „T 7“ ist die Konsequenz hieraus. Ob es weitergehender Anpassungsmaßnahmen bedarf, wird der Truppenalltag nach Einnahme der neuen Strukturen zeigen müssen. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb (F.D.P.) (Drucksache 14/4206, Fragen 21 und 22): Beabsichtigt die Bundesregierung eine Änderung des § 25Abs. 3 Soldatengesetz dahin gehend, dass die Wahrnehmung vonAufgaben, die einem Soldaten durch ein kommunales Wahlamtentstehen, untersagt werden kann, sofern dienstlichen Interessengegenüber den Interessen der kommunalen Selbstverwaltung Vor-rang einzuräumen ist, und welche Art von dienstlichen Interessenkönnten dies sein? Wie beurteilt die Bundesregierung diese Regelung vor demHintergrund des Leitbildes des Staatsbürgers in Uniform, und siehtdie Bundesregierung in dieser geplanten Änderung die Gefahr ei-ner politischen Einflussnahme von Vorgesetzten der Bundeswehrauf kommunale Selbstverwaltungsorgane mit soldatischen Mit-gliedern? Zu Frage 21: In dem Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Sol- datengesetzes und anderer Vorschriften“ ist die Änderung mit dem in der Frage formulierten Inhalt vorgesehen. Das allgemeine gesetzgeberische Anliegen einer stundenwei- sen Befreiung vom Dienst kann auf der Basis der bisheri- gen gesetzlichen Regelung („ist ... Urlaub ... zu ge- währen“) zwar im inländischen Routinedienstbetrieb verwirklicht werden, weil zeitweilige Abwesenheiten von Soldaten aufzufangen sind. Dies gilt jedoch nicht mehr speziell bei Auslandseinsätzen, an die bei Schaffung der derzeitigen Bestimmungen im Jahre 1979 noch nicht zu denken war. Es ist daher notwendig, die vorgesehene Ge- setzesänderung einzufügen. Ich erinnere daran, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte Verfassungsrang besitzt (BVerfGE 48, S. 127, 160). Es ist deshalb sachgerecht, im Einzelfall ei- ne Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlich garan- tierten Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und der ebenfalls verfassungsrechtlich geforderten Verteidigungs- fähigkeit der Bundeswehr vorzunehmen. Zwischen diesen konkurrierenden Verfassungsgütern muss dann ein scho- nender Ausgleich gefunden werden. Bei der Abwägung werden die Fälle äußerst selten auftreten, in denen auf ei- nen kommunalen Mandatsträger nicht verzichtet werden kann, weil er als dringend benötigter, nicht ersetzbarer Spezialist in den Streitkräften dient. Insoweit schafft der umfangreiche Personalbestand der Bundeswehr bereits weitgehende Personalersatzmöglichkeiten. Aber selbst im Hinblick auf den unentbehrlichen Experten müsste ge- prüft werden, ob seine ständige Präsenz im Auslandsein- satz unumgänglich ist oder ob es etwa ausreicht, dass er sich im Inland für einen kurzfristigen Einsatz verfügbar hält. Zu Frage 22: Die Bundesregierung hat keinen Anlass, an der Fähig- keit und am Willen der Disziplinarvorgesetzten zu zwei- feln, die notwendigen Entscheidungen sachgerecht und unvoreingenommen zu treffen. Befürchtungen sind um so weniger begründet, als im Falle eines Verdachts des Miss- brauchs von Kompetenzen oder der Überbetonung der In- teressen des Dienstherrn alle Möglichkeiten des Be- schwerderechts, einschließlich des Eilverfahrens, offen stehen. Damit ist auch die Kontrolle durch unabhängige Gerichte gewährleistet. Um jedoch zu einer einheitlichen, allen übergeordneten Belangen gerecht werdenden Ent- scheidungspraxis zu kommen, wird daran gedacht, die Feststellung des Vorrangs dienstlicher Interessen in jedem Einzelfall auf der ministeriellen Ebene zu treffen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000 11837 (C) (D) (A) (B) Die Bundeswehr hat in ihrer Tradition des Konzepts der Inneren Führung auch weiterhin größtes Interesse daran, dass Soldaten als Staatsbürger in Uniform durch Aus- übung eines kommunalen Mandats unmittelbar am politi- schen Geschehen teilhaben können und die Integration der Bundeswehr in das gesellschaftliche Gefüge fördern. An der wo immer möglichen Förderung der Ausübung die- ser Ehrenämter wird sich nichts ändern. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 200011838 (C)(A) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412300000
Die Sit-
zung ist eröffnet.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
heutige Tagesordnung um eine vereinbarte Debatte zur
Situation in Jugoslawien erweitert werden. Vorgesehen
ist, den Zusatzpunkt um 16 Uhr aufzurufen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann
werden wir so verfahren.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Aktualisierung des deutschen
Stabilitätsprogramms. Das Wort für den einleitenden
fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister der Finan-
zen, Hans Eichel. Herr Eichel, bitte schön.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412300100
Herr Prä-
sident! Meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett
hat heute die von mir vorgelegte Aktualisierung des deut-
schen Stabilitätsprogramms beschlossen. Im Sommer
1997 haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union
ihr klares Bekenntnis zu dauerhafter finanzpolitischer
Stabilität mit der Verabschiedung des Stabilitäts- und
Wachstumspaktes unterstrichen. Die Umsetzung der Be-
stimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wird
in den Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen der Mit-
gliedstaaten dokumentiert. Diese Programme sind jähr-
lich zu aktualisieren.

Auf der Basis einer Bewertung durch die Europäische
Kommission prüfen der Wirtschafts- und Finanzaus-
schuss der Europäischen Union und danach der Ecofin-
Rat, ob die Programme den Vorschriften des Stabilitäts-
und Wachstumspaktes entsprechen. Im Rahmen eines
kontinuierlichen finanzpolitischen Überwachungsprozes-
ses auf der Ebene der Europäischen Union werden wir
künftig sehr viel intensiver auch hier im Deutschen Bun-
destag darüber zu beraten haben, weil damit die Rahmen-
daten für unsere wirtschafts- und finanzpolitischen Ent-
scheidungen gesetzt werden. Mit der Verantwortung für
die gemeinsame Währung müssen wir gemeinsam Wirt-

schafts- und Finanzpolitik betreiben. Es wird also regel-
mäßig überprüft, ob die aktuelle Haushaltsentwicklung in
den einzelnen Mitgliedstaaten im Einklang mit den Zielen
der Programme steht.

Deutschland hat sein erstes Stabilitätsprogramm An-
fang Januar 1999 vorgelegt. Die Aktualisierung des Pro-
gramms vom Dezember 1999 hat gezeigt, dass die ur-
sprünglich im Programm ausgewiesenen Ziele vorsichtig
und realistisch gesetzt wurden. Im Januar dieses Jahres
haben wir eine Ergänzung des aktualisierten Stabilitäts-
programms vorgelegt, die die Auswirkungen der Steuer-
reform 2000 berücksichtigt. Der jetzt vorgelegte Entwurf
für eine Aktualisierung des deutschen Stabilitätspro-
gramms belegt, dass die Politik der Bundesregierung den
Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes voll
und ganz Rechnung trägt.

Sowohl im Jahr 2000 als auch im Jahr 2001 bewegt
sich das Staatsdefizit auf der im aktualisierten Stabilitäts-
programm vom Januar dieses Jahres vorgegebenen Linie.
Für das Jahr 2000 erwarten wir für den Staat in der
Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung,
also unter Einschluss der Gebietskörperschaften und So-
zialversicherungen, ein Defizit von 1 Prozent des Brut-
toinlandsprodukts. Damit erreichen wir das für Deutsch-
land ursprünglich erst für das Jahr 2002 festgelegte
mittelfristige Stabilitätsziel. 2001 allerdings werden wir
wegen der Steuerreform einen auf ein Jahr begrenzten An-
stieg des Staatsdefizites auf 1,5 Prozent haben. Im Jahr
2002 wird das Staatsdefizit wieder 1 Prozent betragen. Im
Jahr 2004, dem Endjahr der Projektion, wird das Defizit
ganz verschwunden sein. Damit werden wir dem Anlie-
gen gerecht, einen zusätzlichen Sicherheitsabstand zum
mittelfristigen Stabilitätsziel zu schaffen. Erstmals gibt es
dann beim Staat insgesamt – ich betone das – keine neuen
Schulden.

Der Bundeshaushalt ist, wie Sie wissen, im Jahr 2004
noch mit einer Nettoneuverschuldung von 20 Milliar-
den DM projektiert. Zu diesem Zeitpunkt können bereits
die Gesamtheit von Ländern und Kommunen sowie im
Übrigen auch die Sozialversicherungssysteme mit Über-
schüssen rechnen, während der Bundeshaushalt noch
nicht in dieser Situation sein wird.

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123. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 11. Oktober 2000

Beginn: 13.00 Uhr

Ich weise auf diese Tatsache hin, weil in der letzten Zeit
immer wieder diskutiert wird, was die Länder leisten kön-
nen und was der Bund leisten kann. Die Länder als Ge-
samtheit sind in ihrem Stabilitätsbemühen weiter. 2006
wird auch der Bundeshaushalt ausgeglichen sein.

Bei der Rückführung der Schuldenstandsquote werden
wir durch die Verwendung der Erlöse aus der Versteige-
rung der UMTS-Lizenzen zur Schuldentilgung auf jeden
Fall besser abschneiden, als in der letzten Aktualisierung
unterstellt. Erstmals seit der Einrichtung der Euro-Zone
werden wir ab dem Jahr 2001 – damit ein Jahr früher als
geplant – den Maastricht-Referenzwert von 60 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts deutlich unterschreiten. Für
den Schuldenstand 2004 erreichen wir einen Wert von
54,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die deutsche Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik
steht mit ihrer Ausrichtung auf günstige gesamtwirt-
schaftliche Rahmenbedingungen einerseits und nachhal-
tige Strukturreformen andererseits voll im Einklang mit
den europäischen Grundzügen der Wirtschaftspolitik –
dies alles unter den, denke ich, als realistisch anzusehen-
den Annahmen, die wir dieser Projektion zugrunde gelegt
haben; das ist immer die Voraussetzung.

Die heute im Kabinett beschlossene Aktualisierung des
Stabilitätsprogramms wird damit sowohl den europä-
ischen als auch den nationalen finanzpolitischen Erfor-
dernissen gerecht. So weit mein Bericht über die heute
beschlossene Aktualisierung des deutschen Stabilitätspro-
gramms.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412300200
Vielen
Dank, Herr Bundesminister.

Wir kommen zu den Fragen. Ich bitte, zunächst Fragen
zu dem angesprochenen Themenbereich zu stellen. Als
Erster hat sich Kollege Michelbach gemeldet. Bitte schön,
Herr Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1412300300
Herr Präsident! Sehr
geehrter Herr Bundesfinanzminister! Sie haben die Ak-
tualisierung des deutschen Stabilitätsprogramms in Ver-
bindung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von
1997 angesprochen. Sie haben erklärt, dass die Verant-
wortung für die Währung natürlich insbesondere bei der
gemeinsamen Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitik
liegt; natürlich gehört zur Finanzpolitik auch die Steuer-
politik.

Wie wir wissen, Herr Bundesfinanzminister, haben wir
einen sehr starken Verfall des Euro-Außenwertes von über
25 Prozent. Dies wird natürlich auf teilweise fehlende
Harmonisierung zurückgeführt. Haben Sie, was die Har-
monisierung der Steuerpolitik betrifft, nicht erhebliche
Defizite durch einseitige Erhöhungen der Steuern insbe-
sondere bei den Verbrauchsteuern durch die Ökosteuer in
Deutschland und zusätzliche Kaufkraftbelastungen des
deutschen Verbrauchers? Haben Sie nicht gleichzeitig bei
wichtigen Entscheidungen – zum Beispiel bei der einheit-
lichen Zinsbesteuerung und bei anderen Harmonisie-
rungsaufgaben – keine weiteren Fortschritte erzielt? Ist
das nicht auch ein Grund, warum die Märkte die Wirt-

schafts- und Währungsunion in Verbindung mit unserer
Währung, dem Euro, letzten Endes negativ beurteilen?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412300400
Herr Kol-
lege Michelbach, dies war jetzt nicht Gegenstand des Sta-
bilitätsprogramms; darauf weise ich zunächst hin.

Des Weiteren befinden wir uns in einem vertrags-
gemäßen Stadium, das heißt, die Verträge von Maastricht
und Amsterdam geben zurzeit keine Handhabe für weiter
gehende Harmonisierung – obwohl ich Ihnen zustimme:
Ich wünsche sie mir ganz ausdrücklich.

Das Ganze geht übrigens in verschiedene Richtungen.
Sie haben gesagt, bei uns seien bestimmte Verbrauchsteu-
ern höher. Das ist nur zum Teil richtig. Einige Steuern sind
auch wesentlich niedriger; die Mehrwertsteuer bei uns ist
mit am niedrigsten in ganz Europa. Was die Besteuerung
des Benzins betrifft, gibt es eine Reihe von Ländern, die
eine höhere Belastung haben, als Deutschland sie hat, wie
Sie wissen. Das ist übrigens auch Ausdruck von Wettbe-
werb, und zwar im Rahmen der geltenden Verträge in Eu-
ropa.

Man muss sich auch einmal entscheiden, Herr Kollege
Michelbach: Will man in Europa jetzt alles angleichen
oder will man Wettbewerb? Ich habe gerade Ihre Fraktion
so verstanden, als ob sie europäischen Wettbewerb wolle.
Wenn man europäischen Wettbewerb will, muss man auch
akzeptieren, dass es unterschiedliche Steuersätze gibt;
man muss dann nur dafür sorgen, dass es keinen unfairen
Steuerwettbewerb gibt.

An dieser Stelle sage ich: Wir haben in den Verträgen
noch keine hinreichende Handhabe. Es gibt einen unfai-
ren Steuerwettbewerb. Wir sind in diesem Detail auch
schon vorangekommen. Der Code of Conduct ist inzwi-
schen beschlossen und es geht jetzt sozusagen um das
Rückabwickeln von unfairen Steuerpraktiken bei den in-
direkten Steuern. Bei den direkten Steuern – auch dort
wüsste ich eine Reihe von unfairen Praktiken – sind wir
dagegen noch nicht weit genug, da wir dort keine ausrei-
chende Rechtsgrundlage haben. Wir müssen sehen, dass
wir erst eine Rechtshandhabe bekommen, um uns auch
bei den direkten Steuern mit dieser Frage beschäftigen zu
können.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412300500
Eine wei-
tere Frage, Herr Kollege Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1412300600
Herr Finanzminister,
Sie haben bei Ihrer Aktualisierung des Stabilitätspro-
gramms die Frage des Staatsdefizits und der Schulden-
standsquote angesprochen. Meine Frage hierzu ist: Wie
schätzen Sie denn die Entwicklung der wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen ein, die letztendlich wesentlich auf
die Konjunkturentwicklung, die Steuereinnahmen und
damit auch auf die Erfüllung des vorgegebenen Stabi-
litätszieles Einfluss haben werden?

Wir haben aktuell die Aussage eines führenden Wirt-
schaftsinstitutes vorliegen, wonach wir durch die jetzigen
politischen Rahmenbedingungen eine Konjunkturbremse




Bundesminister Hans Eichel
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(B)


erwarten müssten. Demnach hätten wir in diesem Jahr ein
Wachstum von 3,0 Prozent zu erwarten, für das nächste
Jahr wird ein Wachstum von weniger als 3,0 Prozent pro-
gnostiziert. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Würde eine solche Entwicklung nicht nur die Konjunktur
beeinträchtigen, sondern darüber hinaus auch die Errei-
chung des Stabilitätszieles erschweren?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412300700
Die Er-
reichung des Stabilitätszieles ist natürlich umso leichter,
je größer das Wachstum ist, wenn man gleichzeitig – das
ist zwingende Voraussetzung – Ausgabendisziplin übt.
Wie Sie wissen, haben wir diesen Konsolidierungsprozess
im vergangenen Jahr mit dem Haushalt 2000 eingeleitet
und damit von dieser Seite ausdrücklich die Vorausset-
zungen geschaffen. Wir werden dieses Bemühen mit dem
Haushalt 2001 als dem zweiten in Folge fortsetzen und es
wird spannend sein zu sehen, wie sich alle zu diesem
Haushalt verhalten werden.

Was die Rahmenbedingungen betrifft, so möchte ich
nur darauf hinweisen, dass die Ölpreisentwicklung, wenn
sie lange Zeit auf so hohem Niveau, wie wir es kurzfristig
hatten, verharren würde – was im Moment aber nicht der
Fall ist –, gegebenenfalls auch einen bremsenden Effekt
auf die konjunkturelle Entwicklung haben könnte.

Die Prognosen fast aller Institute sowie des Interna-
tionalen Währungsfonds liegen hinsichtlich der Wachs-
tumsentwicklung höher als die Annahme der Bundesre-
gierung. Wir haben im Stabilitätsprogramm für dieses
Jahr einen erhöhten Wert von 2,75 Prozent zugrunde ge-
legt – es kann möglicherweise noch etwas mehr werden,
und zwar bis zu 3 Prozent – und sind auch für das nächste
Jahr von 2,75 Prozent sowie für die Folgejahre von
2,5 Prozent ausgegangen. Darin steckt auch die Annahme,
dass durch die Steuerreform ein halbes Prozent an zusätz-
lichem Wachstum erzeugt wird. Das sehen auch die Wirt-
schaftsforschungsinstitute, soweit sie sich zu diesem
Thema geäußert haben, als eine realistische Projektion an.
Im Übrigen, Herr Kollege Michelbach, liegt die Wachs-
tumsrate dann, wenn das so kommt – ich bin dabei immer
etwas vorsichtig –, weit über dem, was der Durchschnitt
der 90er-Jahre gewesen ist.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist das !)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412300800
Eine wei-
tere Frage, Herr Kollege Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1412300900
Herr Finanzminister,
die Aktualisierung des Stabilitätsprogramms ist sehr eng
mit der grundsätzlichen Festlegung der Stabilitätskrite-
rien im Maastricht-Vertrag und dem damit verbundenen
Stabilitäts- und Wachstumspakt verbunden. In diesem Zu-
sammenhang stellt sich die Frage, wie unsere Währung,
die dann im Euro-Land eine gemeinsame ist, von den Bür-
gern akzeptiert wird. Wie verhält es sich dann, dass ge-
wissermaßen das notwendige Vertrauenssignal für die Er-
höhung der Akzeptanz des Euro in der Bevölkerung nicht
gegeben wird, wenn jetzt zum Beispiel das Steuer-Euro-

glättungsgesetz leider nicht der Tatsache Rechnung trägt,
dass die Umstellung bei der Euro-Einführung keine reine
Währungsumstellung ist, sondern sich die Zahlen teil-
weise erheblich ändern? Die Zahlen ändern sich und der
Wert verändert sich auch. Normalerweise müsste der Wert
bei der Umrechnung gleich bleiben. Zum Beispiel haben
Sie den Sonderausgabenpauschbetrag, der bisher 108 DM
beträgt, in diesem Gesetz, das heute im Finanzausschuss
beraten worden ist, auf 36 Euro reduziert. Das entspricht
nur 70,41 DM; Sie kürzen also den Betrag für die Bürger,
die den Sonderausgabenpauschbetrag bisher erhalten ha-
ben, um über 30 Prozent. Glauben Sie nicht, dass dies
– bei aller Wachstums- und Stabilitätsbemühung – dann
kontraproduktiv für eine positive Einschätzung der ge-
meinsamen Währung ist?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412301000
Herr
Bundesminister, bitte schön.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412301100
Ich will
dazu zwei Dinge sagen.

Erstens. Was das Steuer-Euroglättungsgesetz betrifft:
Weil es keine 1:1-Relation zwischen D-Mark und Euro
gibt, sondern das eine leicht krumme Zahl ist, muss man
nach oben oder unten runden. Das Ergebnis dieser Run-
dungen ist übrigens, dass der Staat bei der Umstellung auf
insgesamt rund 350 Millionen DM an Einnahmen ver-
zichtet. Man kann aber natürlich nicht jedes Mal nach un-
ten abrunden; denn dann entstehen Einnahmeausfälle, die
nach der Steuerreform niemand mehr verkraftet. Sie ken-
nen die Erklärung der Bundesländer zu diesem Fall. Ich
bitte jedenfalls festzuhalten: Bei der Umstellung gewinnt
der Staat nichts, sondern gibt rund 350 Millionen DM ab.

Zweiter Punkt. Was das Vertrauen zur Währung be-
trifft, weise ich nur darauf hin, dass alle Daten in der Euro-
Zone, seit wir den Euro haben, besser sind als in der
D-Mark-Zeit in den 90er-Jahren. Auch dies muss sich ein-
mal öffentlich herumsprechen. Unter dieser Vorausset-
zung, Herr Kollege Michelbach, hätten wir alle – in Ihrer
Regierungszeit ist der Euro eingeführt worden und wir ha-
ben dem auch zugestimmt – gemeinsam allen Grund, ein
Stückchen mehr Vertrauensarbeit für die gemeinsame
Währung zu betreiben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412301200
Herr
Michelbach, wir wollen hier natürlich nicht nur einen Dia-
log haben. Ihre letzte Frage also, bitte schön.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1412301300
Ich möchte diese
letzte Frage dazu noch stellen. Sicherlich hat das Steuer-
Euroglättungsgesetz insgesamt 380 Millionen DM weni-
ger Belastung für die gesamten Steuerzahler gebracht.
Aber die Steuerzahler, die den Sonderausgabenpausch-
betrag nutzen, trifft es insgesamt mit 115 Millionen DM
mehr Belastung. Auch das, Herr Bundesfinanzminister,
bitte ich zu sehen. Ist damit nicht verbunden, dass der
Steuerzahler, der davon betroffen ist, unser Steuer-Euro-
glättungsgesetz und unseren Euro letzten Endes natürlich
nicht positiv darstellen wird?




Hans Michelbach

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(C)



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(A)



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Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412301400
Herr
Bundesminister, bitte schön.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412301500
Also
noch einmal: Es profitieren fast alle davon, weil rund
350 Millionen DM an Steuereinnahmen ausfallen. Alle
profitieren – gerade auch der, der den Sonderausgaben-
pauschbetrag nutzt – in gewaltigem Maße von der Sen-
kung der Einkommensteuer. Das alles tritt zum 1. Januar
in Kraft, und zwar in ganz massiver Weise. Deswegen
muss ich ausdrücklich sagen: Es macht wirklich keinen
Sinn, ein einzelnes Element herauszupicken und gegen
das Ganze zu wenden. Das Ganze – ich sage es noch ein-
mal – führt zu einem Einnahmeverlust von rund 350 Mil-
lionen DM. Der Bundesrat muss das auch noch be-
schließen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412301600
Jetzt hat
der Kollege Koppelin eine Frage.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1412301700
Herr Bundesminister, da
wir von einer gemeinsamen Währung sprechen: Darf ich
Sie bei dieser Gelegenheit fragen, wie Sie den Volksent-
scheid in Dänemark beurteilen, den Euro abzulehnen? Sie
hätten eigentlich Interesse daran haben müssen – wie alle
Finanzminister –, dass sich Dänemark für den Euro ent-
scheidet. Sehen Sie da nicht auch Diskrepanzen mit dem
Außenminister? Unter anderem die Politik unseres
Außenministers hat dazu geführt, dass es zu einem sol-
chen Entscheid in Dänemark gekommen ist, nämlich
durch seine starre Haltung gegenüber Österreich. Ein
wichtiges Argument für dieses Nein zum Euro in Däne-
mark war die Haltung gegenüber Österreich. Das hat eine
entscheidende Rolle gespielt; das hat der sozialdemokra-
tische Ministerpräsident auch sehr deutlich gemacht.
Meine Frage ist also: Wie beurteilen Sie diesen Volksent-
scheid? Müssten Sie nicht einmal mit dem Außenminister
darüber reden, dass er sich gegenüber kleineren Ländern
wie Österreich etwas mehr zurücknimmt, damit möglichst
alle den Euro bekommen?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412301800
Herr Bun-
desminister, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412301900
Herr Kol-
lege Koppelin, das geht auch nach dem Motto: Der Ele-
fant frisst wärmer – es gibt drei Arten von wärmer. Sie
kommen immer auf dasselbe Thema zurück. Die Antwort
ist relativ einfach und Sie kennen sie auch. Sie wissen,
dass das eine gemeinsame Aktion von 14 Mitgliedern der
Europäischen Union gegenüber dem 15. Mitglied gewe-
sen ist und dass die Bundesregierung keineswegs an der
Spitze der Bewegung gestanden hat, sondern sich in dem
Rahmen solidarisch verhalten hat. Das mögen Sie zwar
kritisieren. Aber das ist zigmal im Bundestag diskutiert
worden. Dem habe ich auch vonseiten der Bundesregie-
rung nichts Neues hinzuzufügen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412302000
Herr
Koppelin, eine weitere Frage, bitte schön.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1412302100
Ich möchte Sie, Herr Bun-
desfinanzminister, trotz dieser Aussage noch einmal fra-
gen, wie Sie den Volksentscheid in Dänemark bewerten.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412302200
Auch
dazu haben wir, die Finanzminister, uns gemeinsam
geäußert. Wir hätten natürlich ein anderes Votum begrüßt.
Wir bedauern dieses Votum. Aber Sie wissen auch – ich
möchte das ein Stück weiterführen; das gilt in sehr diffe-
renziertem Maße für die kleineren Mitglieder –, dass Dä-
nemark besonders sensibel – das wird noch eine große
Rolle spielen – auf Fragen des Souveränitätsverzichtes
reagiert. Sie wissen, unsere Position – nicht nur, aber spe-
ziell die deutsche – ist sehr integrationsfreundlich. Die
dänische war in diesem Punkt sehr zurückhaltend. Sie
wissen, dass Dänemark ohnehin eine Sonderposition in-
nerhalb der Europäischen Union einnimmt und wie Groß-
britannien eine Opting-out-Klausel hat. Ich sage es etwas
salopp: Dänemark brauchte zwei Volksabstimmungen,
um Mitglied in der Europäischen Union zu werden. Mög-
licherweise wird das bei der gemeinsamen europäischen
Währung auch der Fall sein.

Dänemarks Nein zum Euro hat im Übrigen – das haben
Sie auch an den Reaktionen der Märkte gemerkt – für die
Währung keine weitere Bedeutung gehabt, weil Däne-
marks Volkswirtschaft für Euro-Land nur eine sehr ge-
ringe Bedeutung hat. Dänemarks Volkswirtschaft hat nur
einen Anteil von 2,7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt des
Euro-Raums. Aber ich sage ausdrücklich: Ich als dezi-
dierter Befürworter der europäischen Integration – das
gilt für die gesamte Bundesregierung – hätte mir ein posi-
tives Votum Dänemarks gewünscht, keine Frage.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412302300
Eine wei-
tere Frage, Herr Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1412302400
Eine kurze Frage, Herr
Bundesminister: Erstaunlich war, dass etwa 60 Prozent
der dänischen Bevölkerung, als die ersten Umfragen
durchgeführt wurden, für die Einführung des Euro waren.
Wie erklären Sie sich, dass es zum Schluss ein ablehnen-
des Votum gegeben hat? Welche Kriterien mögen da eine
Rolle gespielt haben?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412302500
Ich kann
das schwer beurteilen, weil ich die innenpolitische Situa-
tion in Dänemark nicht genau kenne. Aber es gab auch in
Deutschland eine ähnliche Entwicklung. Der Zustim-
mung zum Euro gingen auch in Deutschland sehr unter-
schiedliche Phasen voraus: Als der Euro eingeführt
wurde, waren nicht nur die Märkte euphorisch, sondern
auch die Mehrheit der Bevölkerung stimmte ihm zu. Nach
jetzt durchgeführten Meinungsumfragen ist das nicht
mehr so. Insofern gibt es parallele Entwicklungen.

Herr Koppelin, wir sind sicherlich verpflichtet, das
Thema der europäischen Integration im eigenen Land






(C)



(D)



(A)



(B)


noch offensiver zu diskutieren. Jedes Mitgliedsland steht
in dieser Verantwortung.


(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Die österreichische Regierung!)


– Wenn Sie den Bericht der drei Weisen lesen, die sich mit
der österreichischen Situation beschäftigt haben, dann
werden Sie feststellen, dass dort eine Reihe von Sorgen
zum Ausdruck gebracht wird. Es geht dort unter anderem
– das ist einer der Vorbehalte – auch um die Frage der In-
tegrationsfreundlichkeit der Regierungen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412302600
Eine
Frage des Kollegen Brüderle.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1412302700
Herr Bundesfinanzminis-
ter, Sie sagten eben, die Abstimmung in Dänemark habe
keine Auswirkungen auf den Euro gehabt. Sollten Sie das
nicht überdenken? Denn man hatte erwartet, dass der
Euro-Kurs wieder steigen würde, wenn Dänemark seiner
Einführung zustimmt. Die jetzige Situation der Gemein-
schaftswährung ist noch immer bedrückend. Das liegt
nicht etwa daran, dass finstere Mächte des weltweiten
Turbokapitalismus im Rahmen einer Verschwörung den
Kurs des Euro nach unten drücken; das ist vielmehr Folge
der freien Entscheidung der Unternehmen und der
Wirtschaftsbürger der Welt, die Euro-Land – Deutschland
ist das Kernstück – im Vergleich zum Dollarraum deutlich
weniger zutrauen.

Solange man davon ausgeht, dass man im Dollarraum
bessere Renditen erzielen kann, so lange wird das Geld
eher in die Vereinigten Staaten als in Euro-Land fließen.
Deshalb ist mit dem Nein der Dänen zum Euro die Chance
auf Besserung des Euro-Kurses vertan worden. Die fatale
Folge könnte sein, dass jetzt die Schweden und die Briten
– wenn sie die Abstimmung bald durchführen – ähnlich
ablehnend reagieren werden. Es wäre schon eine schwie-
rige psychologische Situation – die Entwicklung einer
Währung hängt entscheidend von psychologischen Fak-
toren ab –, wenn die europäischen Völker die Einführung
der neuen Währung in Volksabstimmungen ablehnten.

Wir haben im Gegensatz zu den Dänen und den Fran-
zosen nicht einmal den Mut gehabt, bei uns eine Volksab-
stimmung über Maastricht durchzuführen. Die Stim-
mungslage wird sich nicht ändern, wenn wir das
Reformtempo nicht beschleunigen und wenn wir nicht
wenigstens die europäischen Nachbarländer überzeugen
können, dass der Euro eine gute Währung ist.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412302800
Herr Kol-
lege Brüderle, bei Ihren Ausführungen konnte ich nicht
genau die Frage erkennen. Daher will ich einige wenige
Bemerkungen zu Ihren Äußerungen machen.

Erstens. Zur Volksabstimmung. Ich habe überhaupt
kein Problem damit, dass wir die Frage der europäischen
Einigung mit unserer Bevölkerung ganz intensiv disku-
tieren. Das halte ich für dringend notwendig. Sie richten
diese Frage aber an die falsche Adresse. Sie wissen, dass
die Partei, der ich angehöre, Volksabstimmungen längst
im Grundgesetz festgeschrieben haben wollte. Wenn ich

mich recht erinnere, war es die damalige Bundestags-
mehrheit, die das in den 90er-Jahren immer abgelehnt hat,
als wir im Zusammenhang mit der deutschen Einigung
den Versuch gemacht haben, plebiszitäre Elemente in das
Grundgesetz hineinzubringen. Wenden Sie sich also nicht
an meine Adresse.

Zweitens. Ich weise darauf hin, dass die D-Mark im
Verhältnis zum Dollar gerade auch zu Zeiten Ihrer Regie-
rung teilweise weitaus schlechter stand als heute der Euro,
ohne dass wir eine solch dramatische Debatte um unsere
Währung, die D-Mark, geführt hätten. Dies hat auch da-
mit zu tun, dass es eine neue, eine junge Währung ist, die
erst unser Vertrauen benötigt. Dazu gehört, dass wir die
Debatte sachlich führen. Dazu gehört auch der Sachver-
halt, dass die D-Mark zum Dollar schon viel schlechter
stand als heute der Euro zum Dollar. Das muss mit in die
Betrachtung einbezogen werden, um auf diesen Sachver-
halt einigermaßen rational zu reagieren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412302900
Herr
Brüderle, eine weitere Frage, bitte.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1412303000
Herr Bundesfinanzminis-
ter, werden Sie sich bei Ihrer Leidenschaft für Volksab-
stimmungen dafür einsetzen, dass die Anregung Ihres
Parteifreundes Verheugen, eine Volksabstimmung über
die Osterweiterung durchzuführen, bald die Umsetzung
durch die Bundesregierung erfährt? Oder ist Ihre Leiden-
schaft für Volksabstimmungen themenabhängig?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412303100
Herr
Brüderle, zunächst einmal weise ich darauf hin, dass es in
Ihrer Partei bisher überhaupt keine Bereitschaft gegeben
hat, Volksabstimmungen ins Grundgesetz aufzunehmen.
Diese Bereitschaft hat es nie gegeben, auch nicht als Sie
an der Regierung waren. Insofern finde ich Ihre Frage
merkwürdig.

Wenn man diese Frage diskutiert, wird man sehr genau
diskutieren müssen, was der Gegenstand von Volksab-
stimmungen sein kann und was nicht. Hierzu gehören
zum Beispiel Fragen der inneren Gesetzgebung. Aber
auch die weitestreichenden Vorschriften in Deutschland,
die von Ihnen und Ihrer Partei nie mitgetragen worden
sind, schließen zum Beispiel Haushaltsgesetze aus. Das
gilt sowohl für die Kommunal- als auch für die Länder-
verfassungen, in denen es Volksabstimmungen gibt.

Sie wissen, dass es Parteiengespräche gibt, ob wir ple-
biszitäre Elemente ins Grundgesetz einführen sollen. Die-
ser Frage werden Sie sich im Herbst stellen müssen. Bei
Fragen, die nur uns betreffen, habe ich kein Problem da-
mit, zum Beispiel, ob wir beitreten oder nicht. Wir müs-
sen aber sehr darüber nachdenken, ob wir in Deutschland
eine Debatte führen wollen, dass zum Beispiel Polen der
Europäischen Union beitritt. Das ist nicht nur unsere
Entscheidung. Herr Verheugen hat ausdrücklich betont,
dass er eine solche Anregung nicht gegeben hat. Ich habe
meine Bedenken, eine solche Frage überhaupt zum Ge-
genstand von Volksabstimmungen zu machen. Wir müs-
sen darüber intensiv nachdenken, ob das bei unserem Ver-
hältnis zu Polen und Europa gut gehen kann.




Bundesminister Hans Eichel

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Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412303200
Noch eine
Frage, Herr Kollege Brüderle?


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1412303300
Würden Sie mir zustim-
men, dass es keine Beantwortung meiner Frage ist, wenn
ich Sie nach Ihrer Haltung frage und Sie darauf verwei-
sen, dass wir eine andere Haltung haben? Ich persönlich
bin überhaupt nicht für eine Volksabstimmung über die
Osterweiterung und bin bei diesem Thema außerordent-
lich vorsichtig. Ich möchte von Ihnen keine Bewertung
unserer Position haben, sondern möchte Ihre Position
kennenlernen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412303400
So wie es
mir nicht zusteht, Ihre Frage zu bewerten, Herr Abgeord-
neter, müssen Sie bitte akzeptieren, dass ich die Antwort
so gebe, wie ich sie gebe.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412303500
Gibt es
weitere Fragen zu dem angesprochenen Themenbereich? –
Herr Michelbach.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1412303600
Herr Bundesfinanz-
minister, in der Wissenschaft wird zur Stabilisierung des
Euro die Diskussion geführt, ob es nicht besser sei,
zunächst einmal die Euro-Zone mit Großbritannien und
den skandinavischen Ländern zu erweitern, bevor man die
bisher nicht finanzierte Erweiterung in Angriff nimmt.
Müsste diese Stabilisierung des Euro nicht absoluten Vor-
rang genießen? Welche Auffassung hat die Bundesregie-
rung zu diesem Thema?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412303700
Herr Ab-
geordneter, Sie haben eben zwei völlig verschiedene
Sachverhalte miteinander verglichen. Eine solche Debatte
gibt es in Europa überhaupt nicht. Die Frage, wie man die
Euro-Zone erweitert, ist – übrigens mit unserer Zustim-
mung – zu einer Zeit vertraglich geregelt worden, als Sie
die Regierung gestellt haben. Daraus ergibt sich alles
Übrige. Deshalb gibt es die von Ihnen eben gestellte Frage
in der politischen Wirklichkeit überhaupt nicht.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412303800
Herr Kol-
lege Michelbach stellt jetzt die letzte Frage zum ange-
sprochenen Themenbereich. Danach werden wir zu ande-
ren Fragen kommen.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1412303900
Herr Bundesfinanz-
minister, auch Sie sind doch mit Sicherheit der Auffas-
sung, dass im Moment der Euro-Außenwert verfällt und
es notwendig ist, ihn zu stabilisieren. Besteht daher nicht
die Aufgabe, darüber nachzudenken, wie man den Euro
stabilisieren kann, und ist der von mir in meiner Frage an-
gesprochene Weg der Stabilisierung des Euro durch Er-
weiterung des Euro-Landes um wesentliche Volkswirt-
schaften nicht einer der Wege, die hier zu beschreiten
wären?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412304000
Herr Bun-
desminister, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412304100
Ich wie-
derhole: Diese Debatte gibt es in Europa überhaupt nicht,
weil die Frage der Erweiterung des Euro-Landes vertrag-
lich geregelt ist. Eine Erweiterung hängt ausschließlich
von Antragstellung und Erfüllung von Kriterien ab. Das
ist bereits völkerrechtlich geregelt. Dabei lege ich darauf
Wert, dass es bei der Erfüllung der Kriterien keinen Ra-
batt gibt.

Offenbar verquicken Sie in Ihrer Fragestellung etwas,
was nichts miteinander zu tun hat: Die Osterweiterung ist
keine Osterweiterung von Euro-Land, sondern eine Er-
weiterung der Europäischen Union. Wer der Europä-
ischen Union beitritt, ist also noch lange nicht im Euro-
Land. Vielmehr muss er eine Reihe zusätzlicher Kriterien
erfüllen, um im Euro-Land aufgenommen werden zu
können.

Nehme ich aber das, was Sie angesprochen haben, als
eine reale Fragestellung – es gibt, wie gesagt, diese Fra-
gestellung in der europäischen Politik überhaupt nicht –,
dann würde es bedeuten, dass die Osterweiterung der Eu-
ropäischen Union erst kommen kann, wenn zum Beispiel
die Briten Euro-Land beigetreten sind. Ein solches Junk-
tim gibt es nicht. Führen Sie diese Debatte doch einmal in
den eigenen Reihen – dabei wünsche ich Ihnen viel Ver-
gnügen –; ich bin ganz sicher, dass Sie mit dieser These
allein stehen werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412304200
Ich be-
ende jetzt diesen Themenbereich der heutigen Kabinetts-
sitzung. Eine Frage zu einem anderen Thema stellt der
Abgeordnete von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1412304300
Herr Minister, ich
frage Sie, ob sich das Kabinett mit dem Wunsch meiner
Fraktion beschäftigt hat, die Bundesregierung möge we-
gen der Verletzung des Immunitätsrechts Verfassungs-
klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen erheben.
Unser Fraktionsvorsitzender hatte dazu gestern dem Bun-
deskanzler geschrieben. Allein antragsberechtigt ist die
Bundesregierung. Deswegen meine Frage, ob Sie sich da-
mit heute schon beschäftigt haben oder nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412304400
Das war
nicht Gegenstand der Kabinettssitzung.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1412304500
Danke sehr.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412304600
Gibt es
weitere Fragen, die über den angesprochenen Themenbe-
reich hinausgehen? – Das ist nicht der Fall. Damit beende
ich die Befragung der Bundesregierung. Vielen Dank,
Herr Bundesminister.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
– Drucksache 14/4206 –






(C)



(D)



(A)



(B)


Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung. Zur Beantwortung steht Herr Staatssekretär
Erich Stather zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Weiß auf:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Existenz eines

eigenständigen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung auch für die Zukunft notwendig
oder wird seitens der Bundesregierung kurz-, mittel- oder lang-
fristig eine Integration des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in das Auswärtige
Amt angestrebt?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412304700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beant-
worte den ersten Teil der Frage mit Ja und den zweiten
Teil der Frage mit Nein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412304800
Herr Kol-
lege Weiß, eine Zusatzfrage?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das drängt sich auf!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1412304900
Herr
Staatssekretär, bevor ich die Zusatzfrage stelle, muss ich
eine Anmerkung machen. Nachher wird noch das Aus-
wärtige Amt eine Frage von mir zu diesem Thema beant-
worten; eben ist vom BMZ die zweite von mir einge-
reichte Frage beantwortet worden. Daher geht der
Zusammenhang etwas verloren.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sind aber kompliziert!)


– Kompliziert ist die Methodik der Beantwortung durch
die Bundesregierung und nicht die Frage eines Abgeord-
neten.

Herr Staatssekretär, da aus Ihrem Hause immer wieder
Klagen aufkommen, wie beschwerlich es ist, dass das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung seinen Sitz in Bonn hat, während die
Kopfstelle in Berlin ist – gerade für kleinere Häuser wie
das BMZ ist diese Situation besonders schwierig zu be-
wältigen –: Gibt es erste Überlegungen – vielleicht für die
Phase nach der nächsten Bundestagswahl –, dass durch
eine Eingliederung des BMZ in das AA das
Berlin/Bonn-Gesetz in diesem Punkt unterlaufen werden
könnte?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412305000
Herr
Staatssekretär, bitte.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412305100

Herr Abgeordneter, auf diese Frage kann ich einfach mit
Nein antworten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412305200
Eine wei-
tere Zusatzfrage, bitte schön.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1412305300
In dem
Zeitungsartikel der „taz“, zu dem das Auswärtige Amt
nachher Stellung nehmen wird, wird am Schluss ein Spre-
cher des BMZ, also Ihres Hauses, zitiert: „Es gibt bei uns
im BMZ keine Überlegungen, das AA zu integrieren“.
Kommt mit dieser Bemerkung nicht doch zum Ausdruck,
dass in Ihrem Hause offensichtlich einiges an Verärgerung
darüber besteht, dass seitens des Staatssekretärs im Aus-
wärtigen Amt Pleuger eine Integration des BMZ in das
AA zur Sprache gebracht worden ist?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412305400
Herr
Staatssekretär, bitte.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412305500

Herr Abgeordneter, diese Äußerung ist so zu verstehen,
dass eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit zwi-
schen meinem Ministerium und dem Auswärtigen Amt
besteht. Was Berichte in Zeitungen wie der „taz“ betrifft:
Ich habe vor etwa drei Wochen einen längeren Artikel
über Sie in der „Badischen Zeitung“, der Zeitung unserer
gemeinsamen Heimat, gelesen. Ich hatte den Eindruck,
dass auch Sie davon überzeugt sind, dass Journalisten
nicht immer vollständig das berichten, was Staatsse-
kretäre oder Abgeordnete sagen. Insofern müssen wir mit
der Berichterstattung durch Zeitungen leben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412305600
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1412305700
Herr Staatssekretär, Sie
haben soeben behauptet, es gebe eine gute und vertrau-
ensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen
Amt und dem BMZ. Daher darf ich Sie fragen, ob es ein
Beispiel für die gute Zusammenarbeit ist, wenn das Aus-
wärtige Amt Botschaften in Afrika schließt, ohne Rück-
sprache mit dem BMZ zu nehmen.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412305800

Wir haben auch in dieser Frage unsere Meinungen ausge-
tauscht. Es kann sein, dass wir nicht bei jeder Schließung
einer Botschaft mit dem Auswärtigen Amt einer Meinung
sind. Aber die Bundesregierung hat sich eine gemeinsame
Meinung gebildet.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412305900
Die Fra-
gen 2 und 3 des Kollegen Koschyk werden schriftlich be-
antwortet.

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Staatsminister
Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

11789


(C)



(D)



(A)



(B)



(Emmendingen)

gesprochen – auf:

Trifft es zu, dass der Staatssekretär im Auswärtigen Amt,
Gunter Pleuger, zum Abschluss der ersten deutschen Botschafter-
konferenz geäußert hat, dass durch eine Eingliederung des Bun-
desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung in das Auswärtige Amt Synergieeffekte erzielt werden
könnten und dass bei den Gesprächen zur Bildung der derzeitigen
Bundesregierung eine solche Zusammenlegung der beiden Bun-
desministerien erörtert worden ist, wie dies die „taz“ am 7. Sep-
tember 2000 gemeldet hat?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412306000
Herr Kollege Weiß, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Auf Frage eines Journalisten hat Staatssekretär
Dr. Gunter Pleuger eine Äußerung des französischen
Außenministers Védrine auf der Botschafterkonferenz
bestätigt, wonach die französische Regierung durch die
Zusammenlegung des Entwicklungshilferessorts mit dem
französischen Außenministerium Synergieeffekte erzielt
habe. Der Staatssekretär hat ferner auf die bekannte Tat-
sache verwiesen, dass wir in Deutschland weiterhin –
auch als Ergebnis der Koalitionsgespräche – ein eigen-
ständiges Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412306100
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1412306200
Herr
Staatsminister Volmer, in dem bereits zitierten Artikel der
„taz“ wird aber auch ausgeführt, dass Herr Staatssekretär
Pleuger in diesem Gespräch offensichtlich einen Einblick
in die Koalitionsverhandlungen gewährt hat. Er habe dort
geäußert, dass bei der Regierungsbildung im Gespräch
war – es ist dann anders gekommen –, beide Ministerien,
Auswärtiges Amt und BMZ, zusammenzulegen. Das be-
stätigt offensichtlich – auch wenn das Ergebnis war, dass
es bei zwei Häusern bleibt –, dass in der Koalition solche
Überlegungen angestellt worden sind. Trifft das zu? Wie
war der Abwägungsprozess?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412306300
Ich selber habe den zitierten Artikel in der „taz“
nicht gelesen. Insoweit dort behauptet wird, ein Ge-
sprächsgegenstand der Koalitionsverhandlungen sei ge-
wesen, die beiden Häuser zusammenzulegen, kann ich Ih-
nen sagen, dass wir darüber definitiv nicht geredet haben.
Die Koalitionsverhandlungen zur Außenpolitik wurden
von dem Kollegen Verheugen und mir geführt. Dieses war
absolut kein Thema.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412306400
Eine wei-
tere Zusatzfrage, Kollege Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1412306500
Herr
Staatsminister, Sie haben bei der Beantwortung der ersten
Frage bereits darauf hingewiesen, dass die Äußerung von
Herrn Staatssekretär Pleuger offensichtlich auf Äußerun-

gen von Herrn Védrine zurückgeht, in denen er Frank-
reich als Vorbild dargestellt hat.

Nun erleben wir ja derzeit innerhalb der Europäischen
Kommission eine Neuorganisation, die, insbesondere
durch die Gründung des neuen Amtes Europaid, tenden-
ziell dazu führt, dass die Entwicklungszusammenarbeit
quasi in den Bereich Auslandsbeziehungen der Europä-
ischen Union integriert wird. Es findet also genau der Pro-
zess statt, dass die Entwicklungshilfe Bestandteil der
Außenpolitik wird bzw. unter das Primat der Außenpoli-
tik gerät. Sind denn diese Tendenzen in der Europäischen
Union, die von der Bundesregierung in gewisser Weise
mitzuverantworten sind, und die in anderen europäischen
Ländern für die Bundesregierung ein Anlass, dass auch in
Deutschland diese Frage erörtert und diskutiert wird?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412306600
Herr
Staatsminister.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412306700
Es kann wohl nicht bestritten werden, dass es einen
Zusammenhang und Schnittstellen zwischen Entwick-
lungs- und Außenpolitik gibt und dass man sich immer
wieder Gedanken machen muss, wie man diese Schnitt-
stellen organisiert, also auf der einen Seite darüber, wie
man die Arbeit aufteilt, und auf der anderen Seite darüber,
wie man dann wieder kooperiert. Solche Überlegungen
zur Gestaltung der gemeinsamen Arbeit werden täglich
angestellt. Das führte aber nicht dazu, dass wir uns Ge-
danken über den Neuzuschnitt des gesamten Ressortsys-
tems gemacht haben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412306800
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Koppelin.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1412306900
Herr Staatsminister, ist Ih-
nen auch das Gerücht zur Kenntnis gekommen, dass bei
den Koalitionsverhandlungen nur deswegen nicht be-
schlossen wurde, BMZ und Auswärtiges Amt zusammen-
zulegen, weil man ein Ministerium für Frau Wieczorek-
Zeul suchen musste? Das Ministerium selber hat ja kaum
Einfluss und auch keine freien finanziellen Möglichkei-
ten.

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412307000
Das war, Herr Koppelin, nicht nur, kein Gegenstand
von Gesprächen, sondern auch kein Gegenstand von Fan-
tasien.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Aber so alte Geschichten noch einmal aufzuwärmen ist auch ganz lustig!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412307100
Vielen
Dank, Herr Staatsminister. Es gibt keine weiteren Fragen
zu diesem Punkt.

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Die Frage 5 des Abgeordneten
Austermann soll schriftlich beantwortet werden.




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
11790


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir kommen damit gleich zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend. Zur Beantwortung steht Staatssekretär Peter
Haupt zur Verfügung.

Ich rufe die Fragen 6 und 7 der Kollegin Ina Lenke auf:
Wann wird die Bundesregierung die durch die Bundesministe-

rin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine
Bergmann, bereits im Januar in der Zeitschrift „Focus“ angekün-
digte Verbesserung der Sozialversicherungssituation für Tages-
mütter herbeiführen und ihnen einen Zugang zur gesetzlichen
Rentenversicherung verschaffen?

Wo sieht die Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf, um
die Situation der Tagesmütter generell zu verbessern?

P
Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1412307200
Frau Abgeord-
nete Lenke, ich möchte Ihre beiden Fragen gemeinsam
beantworten.

In dem von Ihnen zitierten „Focus“-Artikel hat Frau
Bundesministerin Dr. Bergmann keine Verbesserung der
Sozialversicherungssituation von Tagesmüttern angekün-
digt, sondern sie hat die Länder und Gemeinden gebeten,
diese Art der Kinderbetreuung finanziell stärker zu unter-
stützen und auf sichere landesrechtliche Grundlagen zu
stellen. Für die Kinderbetreuung sind bekanntlich die
Bundesländer und die Kommunen verantwortlich.

Die soziale Absicherung von Tagesmüttern hat nicht
nur für die Bundesregierung einen hohen Stellenwert.
Auch die Jugendministerinnen- und Jugendministerkon-
ferenz hat dieses bereits vor zwei Jahren bekräftigt, sich
jedoch angesichts der angespannten Finanzlage der öf-
fentlichen Haushalte nicht in der Lage gesehen, gesetzli-
che Regelungen zu treffen. Wir werden weiterhin mit den
Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden im Ge-
spräch bleiben, um insgesamt Verbesserungen im Bereich
der Kinderbetreuung und damit auch für die Tagespflege
zu erreichen.

Der Zugang zur Rentenversicherung ist Tagesmüttern,
wie Sie wissen, nicht grundsätzlich verschlossen. Sie ha-
ben zum Beispiel die Möglichkeit, durch eine freiwillige
Versicherung in die Rentenversicherung zu kommen. Das
wird aber bedauerlicherweise nicht hinreichend genug in
Anspruch genommen, weil es den Tagesmüttern wegen
der geringen Vergütung häufig nicht möglich ist, die Mit-
tel für die Rentenversicherung aufzubringen.

In der Sache geht es uns also gemeinsam um eine Ver-
besserung der finanziellen und sozialversicherungsrecht-
lichen Rahmenbedingungen für die Tagesmütter. Dies
können wir aber nur gemeinsam mit den Ländern und
Kommunen erreichen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412307300
Zusatz-
frage, Frau Lenke.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1412307400
Ich muss mich schon fragen, Herr
Staatssekretär, warum die Frauenministerin dann eine sol-
che Pressemitteilung herausgibt, mit der sie ja auch die
Botschaft geben wollte, dass sie sich darum kümmert.

Meine erste Frage lautet: Was hat die Bundesregierung
in den letzten neun Monaten seit Erscheinen dieser Pres-
semitteilung konkret getan, um das Versprechen von Frau
Bergmann zu erfüllen bzw. die Erwartungen, die sie bei
den Tagesmüttern, als sie diese Pressemitteilung lasen,
geweckt hat, auch zu erfüllen? Was ist im Ministerium
ganz konkret geschehen?

P
Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1412307500
Ich sagte be-
reits, dass wir die Länder und die Kommunen lediglich
auffordern können. Das tun wir regelmäßig in den Sit-
zungen der Jugendministerinnen- und Jugendminister-
konferenz. Aber wir haben auch Gespräche mit den kom-
munalen Spitzenverbänden geführt. Es gibt im Bereich
der Kinderbetreuung inzwischen sehr viele neue Ele-
mente, die die einzelnen Länder auch erproben wollen. In
diesem Zusammenhang beziehen wir uns zusätzlich im-
mer wieder auf die Tagespflege. Das ist ein ständiger Pro-
zess, ein ständiges Arbeiten mit den Ländern und Kom-
munen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412307600
Weitere
Zusatzfrage, Frau Lenke?


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1412307700
Es geht hier um die gesetzliche
Rentenversicherung. Sie haben selber gesagt, dass die Ta-
gesmütter angesichts der niedrigen Stundenlöhne, die sie
bekommen, kaum noch die Möglichkeit haben, die hohen
Beiträge, die höher als bei einer Arbeitnehmerin sind, in
die Rentenversicherung einzuzahlen. Deshalb meine
Frage, in welche Richtung Ihre Überlegungen gehen: hin
zur individuellen Absicherung, also einer privaten Ren-
tenversicherung, oder sehr stringent hin zur gesetzlichen
Rentenversicherung? Wie hätten Sie es gern?

P
Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1412307800
Frau Abgeord-
nete Lenke, sehr viele Tagesmütter unterliegen bereits der
gesetzlichen Rentenversicherung. Das betrifft zum Bei-
spiel diejenigen, die mehrere Kinder betreuen. In einzel-
nen Bereichen, wie zum Beispiel in Baden-Württemberg,
ist es so, dass die Verbände Tagesmütter anstellen und
auch entsprechend die Rentenversicherungsbeiträge über-
nehmen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Wer regiert denn da?)

– Ähnliche Regelungen gibt es auch in Schleswig-Hol-
stein und in Mecklenburg-Vorpommern. Verschiedene
Länder und ebenso verschiedene Kommunen haben der-
artige Regelungen.

Aber uns geht es nicht darum, dass die gesetzliche Ren-
tenversicherung in diesem Bereich sofort zum Zuge
kommt, sondern wir müssen erst einmal das Gesamtsys-
tem der Betreuung durch Tagesmütter in Gang setzen.
Dazu gehören die Weiterbildung sowie die Renten- und
die Sozialversicherung. Natürlich müssen die Länder und
Kommunen diesen Bereich der Kinderbetreuung auch
hinreichend bezahlen. Wenn das der Fall ist, hat eine Ta-
gesmutter die Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern.




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

11791


(C)



(D)



(A)



(B)


Möglicherweise hat sie auch andere Arbeitsbedingungen,
die zur gesetzlichen Rentenversicherung führen. Jeden-
falls sehen wir zurzeit nicht die Notwendigkeit, hier ge-
setzliche Veränderungen vorzunehmen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412307900
Weitere
Zusatzfrage, Kollegin Lenke?


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1412308000
Herr Staatssekretär, Sie haben die
Länder und Kommunen auch heute wieder indirekt auf-
gefordert, die finanzielle Situation der Tagesmütter zu
verbessern. Welche Vorstellungen haben Sie denn den
Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden in die-
ser Hinsicht vorgetragen?

P
Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1412308100
Wir arbeiten
mit den Ländern und Gemeinden an der Verbesserung der
Kinderbetreuung insgesamt. Sie wissen, dass die Kinder-
betreuung für Kinder unter drei Jahren und für Kinder
über sechs Jahren noch sehr verbessert werden muss. Des-
halb muss immer wieder das gesamte System ange-
sprochen werden.

Zweitens kommt es darauf an, dass wir einzelnen
Kommunen verdeutlichen, dass die Tagesmütter eine
ganz wichtige Betreuungsaufgabe wahrnehmen und dass
man diese Aufgabe unterstützen sollte. Wir haben uns
zum Beispiel angeboten, gute Beispiele einzelner Kom-
munen zu veröffentlichen, um deutlich zu machen, was es
in diesem Bereich in der Republik bereits gibt. Die Kom-
munen haben allerdings erhebliche Bedenken; denn die
einzelnen Aktivitäten sind von der jeweiligen finanziellen
Situation abhängig und es gibt unterschiedliche Auffas-
sungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeit der Ta-
gesmütter und der Gestaltung der Kinderbetreuung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412308200
Frau
Lenke, weitere Zusatzfrage?


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1412308300
Ich habe jetzt drei Fragen an die
Bundesregierung gestellt und Sie, Herr Haupt, haben mir
als Staatssekretär geantwortet. Können Sie mir zumindest
eine ganz konkrete Überlegung Ihres Hauses hinsichtlich
der Sozialversicherung für Tagesmütter, eine ganz kon-
krete Idee, die Sie gegenüber den Ländern und Gemein-
den geäußert haben, vortragen? Bisher haben Sie nichts
Konkretes gesagt, nur, dass Sie in Gesprächen sind. Ich
würde gerne heute eine konkrete Idee von Ihnen aus die-
sem Hause mitnehmen.

P
Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1412308400
Wir haben bei-
spielsweise den Kommunen gesagt, dass die Modelle zur
Vermittlung der Tagesmütter über die entsprechenden Ta-
gesmütterverbände und die entsprechende Unterstützung
dieser Verbände ein gutes Beispiel für die Gestaltung der
Kinderbetreuung sind. Es gibt verschiedene Kommunen,
die sich diese Beispiele anschauen und dann entscheiden,
ob sie diesem Weg folgen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412308500
Gibt es
weitere Fragen zu diesem Punkt? – Das ist nicht der Fall.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische
Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs
auf:

In welchem Umfang erwartet die Bundesregierung zur Ver-
meidung von Betriebsbeeinträchtigungen deutscher Kernkraft-
werke Transporte abgebrannter Brennelemente?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412308600

Herr Dr. Laufs, Sie fragen, in welchem Umfang die Bun-
desregierung Transporte abgebrannter Brennelemente
erwartet. Dazu antworte ich Ihnen wie folgt:

Den Kraftwerken Biblis, Neckarwestheim und Phi-
lippsburg sind im Januar und Juli dieses Jahres Genehmi-
gungen für Transporte bestrahlter Brennelemente in das
Zwischenlager Ahaus erteilt worden. Die erteilten Geneh-
migungen umfassen die Beförderung von 16 Behältern.

Am 22. September dieses Jahres hat das Bundesamt für
Strahlenschutz Transporte abgebrannter Brennelemente
zur Wiederaufarbeitung genehmigt. Es handelt sich um
Transporte aus den Atomkraftwerken Biblis, Philippsburg
und Stade zur Wiederaufarbeitungsanlage der Cogema in
La Hague.

Die Zahl der zukünftigen erforderlichen Transporte
hängt ganz wesentlich davon ab, wie schnell es den Be-
treibern gelingt, die beantragten standortnahen Zwi-
schenlager in Betrieb zu nehmen. Nach der Vereinbarung
zwischen der Bundesregierung und den Energieversor-
gungsunternehmen vom 14. Juni 2000 dürfen die Betrei-
ber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bis
zur Inbetriebnahme der jeweiligen standortnahen Zwi-
schenlager in die regionalen Zwischenlager sowie bis zur
Beendigung der Wiederaufarbeitung ins Ausland trans-
portieren. Die Wiederaufarbeitung setzt allerdings den
Nachweis der schadlosen Verwertung voraus.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412308700
Zusatz-
frage, Kollege Laufs.


Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID1412308800
Frau Staatssekretärin,
wird die Bundesregierung in Abstimmung mit den betrof-
fenen Landesregierungen darauf hinwirken, dass die Auf-
nahme von Atomtransporten möglichst unspektakulär er-
folgen kann?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412308900
Si-
cherlich.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: War das jetzt die Antwort?)





Staatssekretär Peter Haupt
11792


(C)



(D)



(A)



(B)



Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID1412309000
In welchem Zeitrahmen
können die Atomtransporte nach Ihrer Meinung tatsäch-
lich stattfinden?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412309100

Das hängt davon ab, zu welchem Ergebnis die noch aus-
stehenden Prüfungen kommen. Die Empfehlungen aus
den Gutachten sind abgearbeitet. Es gab aber noch Prü-
fungen nach § 4 des Atomgesetzes durch das BfS. Die
Prüfungen betrafen zum Beispiel die Zuverlässigkeit des
Beförderers, die Sicherungsmaßnahmen bezüglich Frei-
setzung und Diebstahl. Es ging auch um die Qualifizie-
rung des Personals und um die atomrechtliche Deckungs-
vorsorge. Des Weiteren wird noch die verkehrsrechtliche
Zulassung geprüft, um Kontaminationen zu vermeiden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412309200
Ich rufe
nun die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs auf:

Was unternimmt die Bundesregierung, um die baldige Auf-
nahme von Transporten zu ermöglichen?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412309300

Sie fragen, was die Bundesregierung unternimmt, um die
baldige Aufnahme von Transporten zu ermöglichen. Ich
antworte Ihnen darauf – ergänzend zu dem, was ich Ihnen
eben mitgeteilt habe – wie folgt: Die Schaffung der Vo-
raussetzungen für Transporte ist grundsätzlich Sache der
Betreiber. Die Behörden des Bundes und der Länder prü-
fen lediglich, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Die
Voraussetzungen habe ich Ihnen gerade genannt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412309400
Zusatz-
frage, Herr Kollege Laufs.


Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID1412309500
Sie haben gerade eine
beachtliche Liste von offenen Fragen vorgetragen. Wann
wird das BfS diese Überprüfung abgeschlossen haben?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412309600

Herr Kollege Laufs, wir haben diese Diskussion schon öf-
ter geführt. Ich kann nur wiederholen: Die Überprüfungen
erfolgen nach Recht und Gesetz und nicht nach politi-
schen Erwägungen. Insofern liegt es im Ermessen der Be-
hörden, zu entscheiden, wann die Prüfungen abgeschlos-
sen sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412309700
Weitere
Zusatzfrage, Herr Laufs.


Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID1412309800
Verstehen Sie angesichts
der Tatsache, dass Atomtransporte die einzig verbliebene
Möglichkeit sind, um den Betrieb bestimmter Kern-
kraftwerke aufrechtzuerhalten, den Unmut und das Unbe-
hagen der Betroffenen darüber, dass nun seit vielen Jah-
ren von den Ihnen unterstellten Behörden Fragen geprüft

werden, ohne dass sich abzeichnet, wann solche Prüfun-
gen abgeschlossen sind?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412309900

Ich kann den Unmut, den Sie gerade beschrieben haben,
nicht nachvollziehen, weil wir im Juni dieses Jahres die in
diesem Zusammenhang stattgefundenen Konsensge-
spräche erfolgreich abgeschlossen haben. Darüber hinaus
gibt es die ständig bestehende Koordinierungsgruppe
„Transporte“, die die Fragen, die Sie gerade angesprochen
haben, regelt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412310000
Eine wei-
tere Frage des Kollegen von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1412310100
Frau Staatssekre-
tärin, Sie haben gerade in Ihrer Antwort auf die Frage des
Kollegen Laufs darauf hingewiesen, dass allein nach
Recht und Gesetz entschieden werde und politische Erwä-
gungen dabei keine Rolle spielten, und in diesem Zusam-
menhang auf das Ermessen der Behörde hingewiesen.
Gehe ich richtig in der Annahme, dass politische Erwä-
gungen bei der Ermessensausübung keine Rolle spielen?

G
Gisela Altmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412310200
Es
geht hier darum, nach fachlichen Erwägungen zu urteilen.
Aufgrund der Vorkommnisse, die in der Vergangenheit
zum Stopp von Atomtransporten geführt haben, ist dies
das Mindeste, was wir tun können und was wir zu tun ha-
ben. Aufgabe der Politik ist es letztlich, hier Überzeu-
gungsarbeit zu leisten. Wie gesagt, die Abwägung bezieht
sich auf rein fachliche, rechtliche und gesetzliche Ge-
sichtspunkte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412310300
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Ver-
fügung.

Die Fragen 10 und 11 des Kollegen Koppelin sollen
schriftlich beantwortet werden.

Deswegen rufe ich nun die Frage 12 des Kollegen
Dr. Klaus Rose auf:

Welche Beweggründe hatte die Bundesregierung, Österreichzu den Feierlichkeiten am 3. Oktober 2000 in Dresden nicht ein-zuladen, obwohl sich die österreichischeRegierungmit derGrenz-öffnung zu Ungarn für die ausreisewilligen deutschen Bürger ausder ehemaligen DDR historische Verdienste erworben hat?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412310400
Herr Kollege Rose, Ihre Frage be-
antworte ich wie folgt: Zu den Feierlichkeiten zum zehn-
ten Jahrestag der Einheit Deutschlands am 3. Oktober
2000 in Dresden hat die Bundesregierung – übrigens auch






(C)



(D)



(A)



(B)


im Namen des Bundespräsidenten und des Bundesrats-
präsidenten – Vertreter der ausländischen Staaten, die den
Zwei-plus-Vier-Vertrag unterzeichnet haben, die so ge-
nannte Troika und die Višegrad-Staaten auf der Ebene der
Staats- und Regierungschefs eingeladen. Die EU-Mit-
gliedstaaten – einschließlich Österreichs; darauf zielt ja
Ihre Frage – sind durch die EU-Troika vertreten gewesen.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass darüber hi-
naus auf Vorschlag der Bundesregierung der österreichi-
sche Botschafter – wie alle anderen in Deutschland ak-
kreditierten Botschafter auch – eingeladen worden ist und
an den Feierlichkeiten teilgenommen hat.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412310500
Ihre Zu-
satzfrage, Herr Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1412310600
Herr Staatssekretär,
sind Sie sich bewusst, dass es eine etwas schofelige An-
gelegenheit war, die Österreicher mit diesem sehr all-
gemein gehaltenen Argument auszugrenzen, nachdem es
ohne die Österreicher gar nicht zur Beteiligung der
Višegrad-Staaten und anderer gekommen wäre?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412310700
Herr Kollege Dr. Rose, diese Mei-
nung teile ich nicht.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412310800
Eine wei-
tere Zusatzfrage? – Bitte.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1412310900
Darf ich dann fragen,
ob sich die Bundesregierung bewusst ist, dass die deut-
schen Mitbürger verärgert sind und sich für diese Haltung
der Berliner Regierung sogar schämen, und dies nicht nur
an der Grenze zu Österreich und in konservativen Krei-
sen, sondern auch – öffentlich geäußert – in sozialdemo-
kratischen Kreisen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412311000
Herr Dr. Rose, ich glaube, dass es
keinen Anlass gibt, sich in irgendeiner Form zu schämen.
Das Protokoll hat klare Kriterien dahin gehend vorge-
sehen, wer eingeladen wird und wer nicht eingeladen
wird. Ich habe Ihnen erläutert, dass Österreich aufgrund
bestimmter Kriterien eingeladen worden war. Diese Ein-
ladung ist ja im Übrigen auch angenommen worden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört, hört!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412311100
Bitte
schön, Herr Kollege Straubinger.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412311200
Herr Staatssekretär,
wie verträgt sich Ihre Begründung, die österreichische
Bundesregierung nicht zusätzlich einzuladen, obwohl die
Višegrad-Staaten eingeladen worden sind, mit der Tatsa-
che, dass die finnische Staatspräsidentin teilgenommen

hat, deren Einladung meines Erachtens durch Ihre Argu-
mentation nicht abgedeckt ist?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412311300
Herr Kollege, Sie wissen, dass
Frau Halonen aus Finnland kommt und als Vertreterin ih-
res Landes Mitglied der Troika ist. Sie wissen vielleicht
auch, dass der eigentliche Vertreter, der Vertreter Portu-
gals, aus gewissen – aus seiner Sicht verständlichen –
Gründen absagen musste. So ist die Einladung von Frau
Halonen zu verstehen: in ihrer Eigenschaft als Mitglied
der Troika. Ich denke, protokollarisch ist das in keinster
Weise zu beanstanden. Es ist korrekt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412311400
Dann
kommen wir zur Frage 13 des Kollegen Klaus Rose:

Wird sich die Bundesregierung für die Nichteinladung Öster-
reichs zu den Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober 2000 bei der
österreichischen Bundesregierung entschuldigen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412311500
Herr Kollege Rose, es tut mir
Leid, diese Frage in aller Kürze mit einem klaren und ein-
fachen Nein beantworten zu müssen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412311600
Eine Zu-
satzfrage von Herrn Rose, bitte.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1412311700
Herr Staatssekretär, Ihr
Nein bezieht sich also – dies nur zu meinem Verständ-
nis – auf meine Frage, ob sich die Bundesregierung bei
der österreichischen Bundesregierung entschuldigen will.
Wenn Sie dies mit Nein beantworten, dann muss ich Sie
fragen, ob die Bundesregierung andere Schritte überlegt,
die – vielleicht wird das diplomatisch anders ausgedrückt,
aber es hat doch das gleiche Ziel – einer Entschuldigung
nahe kommen.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412311800
Ich sage Ihnen noch einmal ganz
deutlich: Das protokollarische Verfahren, das vorgab, wer
in welcher Form eingeladen worden ist, gibt keinen An-
lass, sich in irgendeiner Form zu entschuldigen. Das war
korrekt und ist korrekt und bleibt korrekt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412311900
Eine wei-
tere Zusatzfrage von Herrn Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1412312000
Herr Staatssekretär,
praktiziert die Bundesregierung diesbezüglich schon eine
Art Reisediplomatie? Falls Sie als Vertreter des Innenmi-
nisteriums das nicht wissen sollten, frage ich, ob Sie be-
reit sind, dem Bundeskanzleramt und dem Auswärtigen
Amt nahe zu legen, möglichst bald engere Kontakte mit
dem inzwischen ja nicht mehr mit Sanktionen belegten
Österreich anzustreben und zu einer besseren Nachbar-
schaft beizutragen.




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
11794


(C)



(D)



(A)



(B)


F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412312100
Was diese Verhaltensweise anbe-
langt, braucht die Bundesregierung, glaube ich, Herr Kol-
lege Dr. Rose, keine guten Ratschläge. Wir werden das
Verhältnis zu Österreich auch in Zukunft auf der Grund-
lage der EU-Beschlüsse pflegen. Ich denke, das werden
auch Sie noch sehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412312200
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Straubinger, bitte schön.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412312300
Herr Staatssekretär,
bedauert die Bundesregierung wenigstens das Versehen,
Österreich nicht zu den Feierlichkeiten am 3. Oktober ein-
geladen zu haben, angesichts der Tatsache, dass sich Ös-
terreich im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung
Deutschlands historische Verdienste erworben hat? Denn
Österreich und Ungarn waren ja die ersten Staaten, die
den Eisernen Vorhang an ihrer Grenze geöffnet haben. Die
damaligen Außenminister von Österreich und Ungarn ha-
ben diesen symbolträchtigen Schritt vollzogen und damit
vielen ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der DDR
schnellstmöglich zur Freiheit verholfen.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412312400
Herr Kollege Straubinger, ich
muss Sie insofern korrigieren, als es sich hierbei nicht um
ein Versehen handelt, sondern man nach klaren protokol-
larischen Kriterien vorgegangen ist. Österreich war ein-
geladen in der Person des Botschafters, der diese Einla-
dung angenommen hat, und war auf EU-Ebene vertreten
durch die Anwesenheit der so genannten Troika. Wenn Sie
sich ein bisschen in protokollarischen Dingen auskennen,
werden Sie meine Aussage verstehen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412312500
Wir kom-
men dann zur Frage 14 des Kollegen Straubinger, die ja
den gleichen Inhalt hat wie die eben gestellte Frage:

Wird die Bundesregierung weiterhin, trotz der historischen
Verdienste, Österreich bei Feierlichkeiten zur deutschen Einheit
nicht einladen?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412312600
Herr Kollege Straubinger, die in
der Frage enthaltene Feststellung, dass Österreich zu den
Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am 3. Ok-
tober 2000 nicht eingeladen wurde, trifft nicht zu.
Der österreichische Botschafter in Deutschland, Herr
Dr. Lutterotti, ist auf Vorschlag der Bundesregierung zu-
sammen mit allen anderen in Deutschland akkreditierten
Botschaftern eingeladen worden und hat, wie ich das vor-
hin schon ausgeführt habe, an den Feierlichkeiten in Dres-
den teilgenommen. Darüber hinaus war Österreich
– ich wiederhole mich leider noch einmal – wie alle an-
deren EU-Mitgliedstaaten durch die Anwesenheit der so
genannten Troika auf der Ebene der Staats- und Regie-
rungschefs repräsentiert.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412312700
Zusatz-
frage, Kollege Straubinger.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412312800
Herr Staatssekretär,
einem Zeitungsbericht der „Passauer Neuen Presse“ ent-
nehme ich, dass die Regierungen Polens, Tschechiens, der
Slowakei und Ungarns aufgrund ihrer besonderen Unter-
stützung der dortigen Gruppen, die seinerzeit für Freiheit
und damit für die Überwindung des Eisernen Vorhangs
eingetreten sind, besonders eingeladen worden sind.
Hätte man nicht trotzdem zwangsläufig an Österreich
denken müssen, weil es den Eisernen Vorhang mit geöff-
net hat?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412312900
Herr Kollege Straubinger, ich
habe Ihnen die Kriterien des Protokolls dargelegt und er-
klärt, wer aufgrund welcher Tatsache eingeladen worden
ist. Sie haben die so genannten Višegrad-Staaten genannt.
Was Sie sagen, war in der Tat so. Ich habe das bereits bei
der Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Rose mit-
geteilt.

Im Übrigen waren die Zwei-plus-Vier-Vertragstaaten
ebenso wie die EU eingeladen und vertreten. Ich sage
noch einmal deutlich – das ist ein kleiner Unterschied, den
Sie bitte verinnerlichen sollten –: Österreich war in einer
bestimmten Form eingeladen und diese Einladung wurde
auch angenommen. Das habe ich bereits deutlich gemacht
und daran gibt es nichts herumzureden. Das Protokoll war
ebenso wie die Handhabung korrekt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412313000
Zweite
Zusatzfrage, Herr Kollege Straubinger.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412313100
Herr Staatssekretär,
Sie verweisen immer auf das Protokoll und haben in der
Beantwortung der ersten Frage des Kollegen Rose darauf
hingewiesen, dass der Bundeskanzler diese Einladungen
auch im Namen des Bundestagspräsidenten und des
Bundesratspräsidenten ausgesprochen hat. Wurde die
Problematik, Österreich nicht einzuladen, auch in enger
Abstimmung mit dem Bundestags- und dem Bundes-
ratspräsidenten erörtert?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412313200
Herr Kollege Straubinger, ich be-
antworte als Vertreter des Bundesinnenministeriums diese
Fragen, weil das Bundesinnenministerium für das so ge-
nannte Inlandsprotokoll zuständig ist. Darüber hinaus
darf ich auf Ihre Frage bemerken, dass es keinerlei Dis-
kussionen und Streitereien über die Art der verschiedenen
Einladungen gegeben hat. Es gab auch keine Ausei-
nandersetzung darüber, wer welche Einladung an welcher
Stelle unterschrieben hat. Auch das ist im Einklang mit
der Sächsischen Staatsregierung erfolgt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412313300
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.






(C)



(D)



(A)



(B)



Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1412313400
Herr Staatssekre-
tär, teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass Österreich
einen besonderen Beitrag zur Öffnung des Eisernen Vor-
hangs, der mit dem Beitrag der Višegrad-Staaten ver-
gleichbar ist, geleistet hat?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412313500
Dass Österreich einen besonderen
Beitrag im Zuge der deutsch-deutschen Einigung geleis-
tet hat, ist keine Frage. Deshalb ist auch eine Einladung
Österreichs in der Form, die ich bereits mehrere Male dar-
gestellt habe, erfolgt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412313600
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Dr. Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1412313700
Herr Staatssekretär, die
Frage des Kollegen Straubinger war darauf gerichtet, ob
die Bundesregierung auch in Zukunft Österreich nicht
einladen wird. Ich möchte Sie fragen, ob Sie in Zukunft
bei der gleichen protokollarischen Auffassung bleiben,
dass Sie nämlich unter Österreich immer den öster-
reichischen Botschafter verstehen. Oder laden Sie doch
einmal die österreichische Regierung ein?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412313800
Sie wissen, Herr Kollege
Dr. Rose, dass es verschiedene Veranstaltungen gibt, über
die protokollarisch zu entscheiden ist. Wir werden von
Fall zu Fall entscheiden, wie das Protokoll gestaltet wer-
den soll.

Ich merke an Ihren Fragen, dass Sie lieber eine offene
Flanke der Bundesregierung gesehen und in den Wunden
herumgegraben hätten. Das gelingt Ihnen nicht, weil das
Protokoll korrekt war. Es wird auch zukünftig korrekt
sein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412313900
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Deß.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Sagenhaft!)



Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1412314000
Herr Staatssekretär, es
wurde heute immer wieder auf das Protokoll hingewiesen.
Es hat Äußerungen gegeben, dass man aus Platzgründen
nicht Vertreter von mehr Staaten eingeladen hat. Was hätte
man getan, um das Protokoll korrekt einzuhalten, wenn
sich alle CSU-Abgeordneten angemeldet hätten? Wären
sie aus Platzgründen wieder ausgeladen worden?


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben eine ganz tolle Sorge! – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Die Gefahr bestand ja!)


F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412314100
Wer etwas zu dem Thema Platz-
gründe geäußert hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich
sage aber ganz offen: Protokollfragen sind häufig ganz
praktische Fragen, bei denen manchmal auch die Anzahl

der Sitzplätze eine Rolle spielt. Dafür müssen Sie Ver-
ständnis haben. Im Übrigen denke ich, dass das in Bezug
auf die erwähnten Feierlichkeiten am 3. Oktober korrekt
gehandhabt wurde. Hier gibt es nichts zu beanstanden und
ist kein Platz für Kritik.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412314200
Wir kom-
men jetzt zur Frage 15 des Abgeordneten Straubinger:

Möchte die Bundesregierung mit der Nichteinladung Öster-
reichs zu den Einheitsfeierlichkeiten die Sanktionspolitik der EU-
Länder gegen Österreich fortsetzen, obwohl diese offiziell für be-
endet erklärt wurde?


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Das ist doch auch schon beantwortet worden!)


F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412314300
Herr Kollege Straubinger, Nein ist
meine Antwort.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Sehr gut! Es wird langsam lächerlich!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412314400
Eine Zu-
satzfrage, Kollege Straubinger?


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412314500
Herr Staatssekretär,
Sie werden mir wohl Recht geben, dass es für internatio-
nale Verhandlungen und Vereinbarungen immer gut ist,
eine besondere Atmosphäre zu schaffen. Auch der Bun-
deskanzler handelt mittlerweile entsprechend. Er bemüht
sich zum Beispiel um eine besondere Atmosphäre in der
deutschen Parteienlandschaft.

Wäre es nicht im Interesse einer besonderen und bes-
seren Atmosphäre innerhalb der EU und im Interesse der
engeren Verbindung der Länder gewesen, nach den un-
glücklichen Sanktionen gegen Österreich, an denen sich
die Bundesregierung maßgeblich beteiligt hat, die Regie-
rung Österreichs einzuladen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412314600
Herr Kollege Straubinger, Sie ma-
chen einen Fehler. Sie bringen nämlich das Protokoll in
Zusammenhang mit den EU-Sanktionen gegen Öster-
reich, die in der Tat offiziell als beendet betrachtet wer-
den. Die Form unserer Einladung und unsere Einladungs-
liste beruhen auf bestimmten Protokollfragen. Diese habe
ich Ihnen erklärt. Ich denke, daran gibt es nichts zu bean-
standen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412314700
Zusatz-
frage, Kollege Straubinger.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412314800
Herr Staatsekretär,
wird bei zukünftigen EU-Verhandlungen das Protokoll
eine größere Rolle spielen als etwa atmosphärische Fra-
gen, um innerhalb der Europäische Union zu besseren
Entscheidungen zu kommen?






(C)



(D)



(A)



(B)


F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412314900
Sie dürfen bestimmte Dinge wie
zum Beispiel das Protokoll auf nationaler Ebene und das
auf EU-Ebene nicht verwechseln. Ich möchte Ihnen nur
ein Beispiel nennen: Es gab eine Bodenseekonferenz, an
der ganz normal die Innenminister aller Alpenregion-Län-
der beteiligt waren. Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie
diese Verhaltensweise der Bundesregierung, wie sie sich
in der Vergangenheit zeigte, für richtig halten. Das kann
ich nur bestätigen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412315000
Eine wei-
tere Zusatzfrage, Kollege Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1412315100
Herr Staatssekretär,
nachdem Sie das Ende der Sanktionen klar befürwortet
haben, möchte ich Sie fragen: Kann ich davon ausgehen
und darf ich dies auch der Bevölkerung bei uns sagen,
dass Mitglieder der Bundesregierung demnächst, wenn
sie wieder in die Toskana oder sonst wohin fahren, eine
Zwischenstation in Österreich machen und alles wieder
gut wird?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412315200
Herr Kollege Dr. Rose, wo er Ur-
laub macht, kann jeder selbst entscheiden. Im Übrigen
war die Entscheidung über die Sanktionen nicht Sache der
Bundesregierung, sondern dies war eine Entscheidung der
EU. Sie ist so getroffen worden, wie sie Ihnen bekannt ist.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412315300
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1412315400
Herr Staatssekretär, hat die
Bundesregierung Sanktionen gegen den Fraktionsvorsit-
zenden der SPD, Struck, eingeleitet, nachdem dieser sich
während der Sanktionszeit an der Bundestags-Motorrad-
fahrt von Berlin nach Wien beteiligt hat?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412315500
Herr Kollege Deß, ich will Ihnen
als Antwort etwas sehr Persönliches sagen: Ausgerechnet
in der Woche um den 3. Oktober weilte ich privat in Ös-
terreich. Mir ist nicht bekannt, dass daran etwas zu bean-
standen war und dies Folgen nach sich zieht.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Haben Sie sich denn da zu erkennen gegeben?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412315600
Ich darf
Sie vielleicht darüber aufklären, dass der Kollege Struck
an dieser Reise nicht teilgenommen hat.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Der Kollege Thierse war Schirmherr dieser Reise und der ist auch in der SPD! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Aus Sorge vor Sanktionen?)


– Ich habe selbst mitgemacht, deswegen weiß ich das.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1412315700
Herr Vizepräsident, herzlichen
Dank. Ich war nicht so genau über das Reiseprogramm
meines Fraktionsvorsitzenden und darüber informiert, wo
er zu- und wo er abgesagt hat. Aber ich denke, dass Mo-
torradfahren ein schönes Hobby ist.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Ich habe letztes Mal Kaiserschmarren gegessen! Ist das auch was für Sanktionen?)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412315800
Das kann
ich bestätigen.


(Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller zur Verfü-
gung.

Wir kommen zur Frage 16 des Kollegen Hofbauer:
Wird die Bundesregierung im Zuge der Herstellung einer

durchgehenden Autobahnverbindung auf der europäischen Ma-
gistrale zwischen Paris und Prag für den Weiterbau der Autobahn
A 6 zwischen Amberg und Waidhaus das Angebot der Europä-
ischen Investitionsbank annehmen, 50 Prozent der Finanzierung
des 600-Millionen-DM–Projektes als zinsloses Darlehen zu ge-
währen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412315900
Herr Kollege Hofbauer, ein konkreter Fi-
nanzierungsvorschlag seitens der Europäischen Investiti-
onsbank ist der Bundesregierung bisher nicht unterbreitet
worden. Die Autobahn A 6 ist nach Auffassung der Bun-
desregierung ein wichtiger Baustein sowohl im nationa-
len wie im europäischen Autobahnnetz. 10 Kilometer der
54 Kilometer langen Strecke zwischen Amberg und der
Bundesgrenze sind – wie Ihnen selbst bestens bekannt –
bereits für den Verkehr freigegeben. Weitere 8 Kilometer
sind im Bau.

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, die A 6 zu-
nächst zwischen Pfreimd und der Bundesgrenze konti-
nuierlich weiterzubauen. Sie beabsichtigt jedoch nicht,
Vorfinanzierungsangebote anzunehmen, die die bestehen-
den Vorbelastungen des Straßenbauhaushaltes von mehr
als 8 000 Millionen DM noch weiter erhöhen. Vorfinan-
zierungsmodelle schränken nämlich für den Haushaltsge-
setzgeber künftiger Jahre die disponiblen Mittel ein. So
erreichen die Vorbelastungen aus den bislang vorfinan-
zierten 27 Straßenbauprojekten etwa ab dem Jahr 2004
rund 600 Millionen DM jährlich und werden erst ab dem
Jahre 2015 spürbar zurückgehen. Vor dem Hintergrund
unseres konsequenten Konsolidierungskurses beabsichti-
gen wir also, dieses Instrument nicht mehr einzusetzen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412316000
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Hofbauer.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1412316100
Herr Staatssekretär,
zunächst ist es bemerkenswert, dass meine Frage, die die






(C)



(D)



(A)



(B)


Finanzierung einer ganz konkreten Straße betrifft, vom
Finanzministerium beantwortet wird. Aber kann ich Ihrer
Antwort entnehmen: Wenn Sie das Angebot bekämen,
würden Sie es nicht annehmen und für den restlichen Teil
müsste eine neue Finanzierung gesucht werden?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412316200
Herr Kollege Hofbauer, ich habe mich bei
dem Büro von Herrn Wolfgang Roth in Luxemburg kun-
dig gemacht und dankenswerterweise seinen Redetext für
diese Veranstaltung – ich glaube, sie war in Nürnberg – er-
halten. Ich habe mir seine Ausführungen, angeschaut und
mir bei einer ersten Prüfung eine ganze Reihe von dicken
Fragezeichen machen müssen.

Das „shadow-toll“-Finanzierungsinstrument ist bisher
in Großbritannien und Portugal angewandt worden. Die
Europäische Investitionsbank weist darauf hin, dass sie
beispielsweise den Vorzug hat, „triple A“ eingestuft zu
sein. Das heißt, sie kann Kredite zu günstigsten Konditio-
nen aufnehmen. Das ist für andere Staaten durchaus in-
teressant, für die Bundesregierung nicht, weil die Bun-
desrepublik Deutschland ebenfalls „tripleA“ bewertet ist.
Das heißt, niemand kann günstiger Kredite als der Bund
selbst aufnehmen.

Im Übrigen hat Herr Roth selbst darauf hingewiesen,
dass Dreh- und Angelpunkt eines „shadow-toll“-Konzep-
tes ist, dass die Konzessionäre, also die privaten Bauge-
sellschaften, schon den ersten Planungsschritt selber ma-
chen können. Bis zur Planfeststellung müssen also nicht
mehr die Staatsbauämter oder die Straßenbauprojektäm-
ter des Staates alles betreiben, sondern die Konzessionäre
sind von Anfang an eingeschaltet, um mit ihrem techni-
schen Know-how vielleicht zu einer Linienführung zu ge-
langen, die kostengünstiger ist, oder um andere techni-
sche Konzeptionen für die Verwirklichung einer Strecke
anzubieten, was sich dann im Preis niederschlägt.

Darüber hinaus macht Herr Roth in seinen Ausführun-
gen auf Folgendes aufmerksam – ich zitiere ihn –:

Der Fremdmittelanteil ist bei „shadow-toll“-Projek-
ten normalerweise hoch, da die erforderlichen Auto-
bahngebühren so berechnet sind, dass sie den Schul-
dendienst mit einer Sicherheitsmarge decken.

Das würde bedeuten: Wir hätten nicht nur die Zinsbelas-
tung, dies sich aufgrund von „triple A“ ergibt, sondern
auch noch eine Sicherheitsmarge zu tragen, die wir in un-
serer bisherigen Finanzierung gar nicht haben. Deswegen
denke ich, dass man, wenn man sich das einmal intensi-
ver anschaut, viele Haken bis hin zu Folgendem findet:
Herr Roth sagte selbst, dass die Betreiber dann für die ge-
samte „shadow-toll“-Strecke geradestehen müssen. Das
sind dann 30 Jahre. Das lassen sie sich auch bezahlen,
weswegen sich das Ganze noch einmal verteuert.

Es ist die Frage zu stellen – das müsste meines Erach-
tens auch Sie politisch interessieren –: Wird eine „sha-
dow-toll“-Lösung nicht dazu führen, dass wir in diesem
Bereich nicht nur Generalunternehmer, sondern auch Ge-
neralübernehmer haben und dass der normale Hand-
werksbetrieb, der sich vielleicht noch beim Bau einer ein-
zigen Brücke engagieren könnte, völlig außen vor ist?

Ich denke, man sollte sich das Ganze noch einmal ge-
nau anschauen. Ein Angebot liegt nicht vor. Aber im Prin-
zip schätzen wir das „shadow-toll“-Modell so ein, dass es
nichts anderes als eine private Vorfinanzierung ist. Was
ich zur privaten Vorfinanzierung gesagt habe, gilt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412316300
Eine wei-
tere Zusatzfrage, Kollege Hofbauer, bitte schön.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1412316400
Herr Staatssekretär, es
ist zunächst bemerkenswert, dass Sie diese Frage schon
sehr intensiv geprüft und gewürdigt haben. Kann ich an-
nehmen, dass ein solches Finanzierungsmodell ausfällt?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412316500
Wenn es sich bei den Prüfungen tatsächlich
herausstellt, dass es sich um ein privates Vorfinanzie-
rungsmodell handelt, dann fällt es aus.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412316600
Weitere
Zusatzfrage, Kollegin Blank.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412316700
Herr Staatssekretär, ist
Ihnen bekannt, dass ich bei der damaligen Veranstaltung
mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Investitions-
bank anwesend war und dass der Vizepräsident ausführte,
es sei eine Schande, dass dieses Projekt der A6 noch nicht
weiter vorangetrieben wurde und dass die derzeitige rot-
grüne Bundesregierung dringend handeln sollte?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412316800
Verehrte Kollegin, mir persönlich ist Ihre
Anwesenheit nicht bekannt gewesen. Ich nehme das zur
Kenntnis.

Im Übrigen kann Herr Roth mit seiner Kritik nur die
frühere Bundesregierung gemeint haben; denn dieses Pro-
blem existiert ja seit 1989 und was bisher bereitgestellt
worden ist, sieht man ja. Sie – so könnte man unterstel-
len – entdecken dieses Thema erst, nachdem Sie nicht
mehr in der Verantwortung sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412316900
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Strobl.


Reinhold Strobl (SPD):
Rede ID: ID1412317000
Herr Staatssekretär, trifft es
zu, dass die Europäische Investitionsbank zur Finanzie-
rung eine so genannte Schattenmaut verlangen würde?
Wer müsste diese Mehrkosten tragen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412317100
Herr Kollege, verzeihen Sie, ich habe den
englischen Ausdruck gebraucht. „Shadow-toll“ heißt auf
Deutsch: Schattenmaut. Schattenmaut wird sie genannt,
weil nicht der Benutzer wie üblich die Gebühren zahlt.
Wenn Sie zum Beispiel durch Frankreich fahren, müssen
Sie an einem Häuschen Ihren Obolus entrichten, um wei-
terfahren zu können; das gäbe es an einer solchen Strecke




Klaus Hofbauer
11798


(C)



(D)



(A)



(B)


nicht. „Shadow-toll“ bedeutet: Statt des PKW- oder
LKW-Fahrers wirft – im übertragenen Sinne – der Staat
die Münze ein; der Staat hätte also diese Mautgebühren zu
zahlen.

Wie hoch die Mautgebühren sein sollen, müsste man
natürlich erst einmal schätzen. Das heißt, es müssten Ver-
kehrsprognosen zugrunde gelegt werden: Fahren dort
10 000, 20 000, 50 000 oder 80 000 PKW, wie viele tau-
send LKW passieren die Strecke in 24 Stunden? Daraus
würde sich dann eine Gebühr errechnen. Dann ist die
spannende Frage: Wie schließt man solche Verträge – mit
einer Revisionsklausel? Wenn sich die Prognosen nicht
bewahrheiten: Wer trägt dann die Ausfallkosten? – Wenn
die Prognosen übertroffen werden: Wer kriegt dann den
Profit? Wie wird das Ganze dann wieder korrigiert?

Es gibt einen Rattenschwanz von zusätzlichen Proble-
men, deswegen muss man das Ganze sehr sorgfältig prü-
fen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412317200
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Girisch.


Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1412317300
Herr Staatssekretär, leh-
nen Sie diese Art der Finanzierung auch dann ab, wenn im
Zuge der EU-Osterweiterung ein Vorschlag von der EU
kommt? Lehnen Sie diesen Vorschlag auch ab, wenn er
wegen der EU-Osterweiterung sehr von der Bayerischen
Staatsregierung befürwortet wird? Sie wissen ja, dass die-
ses im Zuge der EU-Osterweiterung besonders dringlich
ist.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412317400
Wissen Sie, ich bin kein Bayer wie Sie, son-
dern ich bin Rheinland-Pfälzer.


(Rainer Brüderle [F.D.P.]: Das hat auch was für sich!)


Hier sitzt der frühere rheinland-pfälzische Verkehrsmi-
nister Rainer Brüderle. Er hatte zusammen mit der damals
verantwortlichen Bundesregierung ein ähnliches Problem
hinsichtlich einer europäisch wichtigen Straße, die vom
Verkehrsaufkommen so ähnlich wie auch Ihre A 6 einzu-
schätzen ist: Sie ist bei bei der letzten Prüfung noch rela-
tiv schwach, weil das Nutzen-Kosten-Verhältnis bei
1,7 Prozent lag, glaube ich – dafür ist eigentlich ein ande-
res Ressort zuständig – und nicht bei 3 Prozent, wie es Be-
dingung ist, wenn eine Maßnahme als vordringlicher Be-
darf anerkannt werden soll.

Aber die rheinland-pfälzische Landesregierung ist da-
mals an die Bundesregierung herangetreten und hat ge-
sagt: Die A 60 zwischen Bitburg und der belgischen
Staatsgrenze ist uns so wichtig, dass wir uns mit Landes-
mitteln an der Finanzierung beteiligen. Vielleicht machen
Sie einmal diesen Vorschlag der Bayerischen Staatsregie-
rung und dann kann das Fachressort zusammen mit der
Bayerischen Staatsregierung darüber nachdenken.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412317500
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Straubinger. – Herr Girisch,
Sie haben nur das Recht auf eine Frage.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412317600
Herr Staatssekretär,
Sie haben das Stichwort gegeben und sich vorhin bei
Ihren Antworten vehement gegen Vorfinanzierungen auch
von privater Seite ausgesprochen. Wie muss ich es ver-
stehen, dass die Bundesregierung zum Beispiel bei einem
Teilstück der A31 in Niedersachsen bereit ist, eine private
Vorfinanzierung durch Unternehmer, Landkreise und das
Land Niedersachsen zu gestatten?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412317700
Herr Kollege, ich bitte die Frage an das zu-
ständige Ressort zu richten, weil ich im Moment nicht re-
kapitulieren kann, wie die genauen Finanzierungskondi-
tionen für die von Ihnen genannte Strecke waren. Das
Finanzministerium ist nicht für den Bau der einzelnen
Strecken zuständig, sondern höchstens für die generelle
Frage der Finanzierung.

Ich persönlich darf dazu bemerken: Als es darum ging,
die Zahl der privat vorfinanzierten Strecken zu erhöhen,
war ich als Mitglied des Haushaltsausschusses einer der
Befürworter eines Versuches. Aber die Befürworter waren
sich über alle Parteigrenzen hinweg einig: Wenn die erste
auf diese Weise vorfinanzierte Strecke nach einem til-
gungsfreien Jahr dem Bund zur Tilgung übereignet wird,
brauchen wir zusätzliches Geld und dieses zusätzliche
Geld hat Ihre Regierung nicht vorgesehen, im Gegenteil:
Sie hat uns im Verkehrshaushalt viele Finanzierungspro-
bleme hinterlassen, weil viele Projekte angefangen wor-
den sind, ohne dass deren Finanzierung in der mittelfristi-
gen Finanzplanung bis zum Ende gesichert war. Das ist
eines unserer großen Probleme. Hätten Sie damals sorg-
fältiger gehandelt, wäre es heute um vieles leichter.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412317800
Vielleicht
wäre Herr Staatssekretär Scheffler bereit, Ihre Antwort zu
ergänzen? – Bitte schön, Herr Scheffler.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412317900
Vie-
len Dank, Herr Präsident. Lieber Kollege, Sie kennen an
sich die Antwort. Die so genannte Emsland-Autobahn
wird völlig anders als der hier besprochene Vorschlag zur
A6 finanziert. In dem Fall der A 31 hat die Wirtschaft den
Vorschlag gemacht, Geld zur Verfügung zu stellen – es
waren anfangs 200 Unternehmen und mittlerweile sind es
600 Unternehmen – dann kamen Kommunen und andere
Gebietskörperschaften dazu. Was ganz wichtig ist: Das
Land Niedersachsen finanziert 285 Millionen DM. Der
Bund wird diese Aufwendungen später refinanzieren, und
zwar zu dem Zeitpunkt, an dem diese Straße bzw. Auto-
bahn zum Bau vorgesehen ist.

Das Entscheidende ist: Die Refinanzierung erfolgt
ohne Zinsbelastung und ohne Tilgung. Diese zusätzlichen
Belastungen werden also vom Land Niedersachsen bzw.
von den Kommunen und anderen Gebietskörperschaften




Parl. Staatssekretär Karl Diller

11799


(C)



(D)



(A)



(B)


übernommen. Insofern kann man diese – ich nenne sie
einmal – Mischfinanzierung nicht mit dem bayerischen
Vorschlag vergleichen, da die Bayerische Staatsregierung
ausdrücklich erklärt hat, sie wolle nicht die Zinslasten
übernehmen. Sie will zwar die Maßnahme vorgezogen
haben, wie es Herr Kollege Diller hier richtig vorgetragen
hat, aber die Zinsbelastung und die Belastung aus der Til-
gung sollen vom Bund getragen werden. Deshalb wollen
wir dieses so genannte Betreibermodell nicht.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412318000
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.

Es bleibt noch die Zusatzfrage des Kollegen Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1412318100
Herr Staatssekretär Diller,
da Sie der alten Bundesregierung an dieser Stelle Ver-
säumnisse anlasten, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, dass
SPD-Politiker vor Ort diese Autobahn bis Anfang der
90er-Jahre für überflüssig gehalten haben und dass ein
SPD-Landtagskollege dem damaligen Wirtschafts- und
Verkehrsminister Gustl Lang sogar vorgehalten hat – ich
zitiere sinngemäß –, dass er eine Autobahn plant, die ins
Niemandsland führt?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412318200
Herr Kollege, Sie werden verstehen, dass
ich weder die Diskussion vor Ort kenne noch sie von hier
aus in toto kommentieren will. Jedenfalls bestätigt das,
was ich eben vom Kollegen Scheffler gehört habe, ei-
gentlich das, was ich am Beispiel von Rheinland-Pfalz ge-
sagt habe. Wenn die Bayerische Staatsregierung hochgra-
dig daran interessiert ist, dass diese Autobahn frühzeitiger
gebaut wird, als wir es aufgrund unserer finanziellen
Möglichkeiten machen können, bliebe ihr die Überlegung
unbenommen, sich – wie Rheinland-Pfalz und, wie ich
höre, andere Bundesländer auch – mit Eigenmitteln zu be-
teiligen. Da der bayerische Staatshaushalt in einer völlig
anderen Situation ist als der Bundeshaushalt, müsste das
für die Staatsregierung besonders leicht sein.

Ich darf noch einmal auf Folgendes hinweisen: Als wir
von Herrn Dr. Theodor Waigel das Finanzministerium
und damit auch die Schulden des Bundes und die Zinslas-
ten übernommen haben, mussten wir jede vierte Mark, die
wir an Steuern von den Bürgerinnen und Bürgern einneh-
men durften, nur für das Zahlen von Zinsen ausgeben. Das
Bundesverfassungsgericht hat einmal im Falle von Saar-
land und Bremen geurteilt: Wer jede vierte Mark seiner
Steuereinnahmen nur für das Zahlen von Zinsen ausgeben
muss, befindet sich – so wörtlich – in einer extremen
Haushaltsnotlage. – Das ist das Erbe, das wir jetzt schul-
tern müssen.


(Albert Deß [CDU/CSU]: Leider darf ich keine weitere Zusatzfrage stellen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412318300
Wir kom-
men jetzt zur Frage 17 des Abgeordneten Hofbauer:

Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die dann
verbleibende Restfinanzierung sicherzustellen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412318400
Herr Kollege Hofbauer, Finanzierungsmo-
delle, die eine Vorbelastung künftiger Haushalte nach sich
ziehen, kommen für uns nicht in Betracht. Die Bundesre-
gierung strebt an, die Fertigstellung der A 6 zwischen
Pfreimd und der Bundesgrenze bis zum Jahre 2010 si-
cherzustellen. Positiv wirkt sich hierbei aus, dass für die
Restlaufzeit des Investitionsprogrammes, also in den Jah-
ren 2001 und 2002, insgesamt rund 1 100 Millionen DM
mehr für Straßenbauprojekte des Bundes zur Verfügung
stehen, als zum Zeitpunkt der Aufstellung des Program-
mes abzusehen war.

Mit der Bayerischen Staatsregierung wird der Betrag
festzulegen sein, der für die A 6 aus dem auf Bayern ent-
fallenden Anteil zur Verfügung gestellt werden kann. Für
die Zeit nach 2002 obliegt es Ihnen, dem Deutschen Bun-
destag, im Rahmen der Novellierung des Fernstraßenaus-
baugesetzes über die Beibehaltung oder die Änderung
von Prioritäten im Bundesfernstraßenbau zu entscheiden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412318500
Zusatz-
frage, Kollege Hofbauer? – Das ist nicht der Fall.

Es liegt eine Reihe von weiteren Wortmeldungen vor.
Ladies first – Frau Blank, bitte schön.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412318600
Herr Staatssekretär, Sie
führen aus, dass Sie keine Projekte im Konzessionsmodell
mehr vorantreiben oder genehmigen wollen. Ist Ihnen be-
kannt, dass die Haushälter der SPD in der Zeit, in der sie
in der Opposition waren, die von uns vorgeschlagenen
Projekte noch einmal um 13 oder 14 Projekte ergänzt ha-
ben, um ihre eigenen Straßen vor Ort zu haben? Wie be-
urteilen Sie, nachdem Sie vorher sehr kritisch mit diesem
Finanzierungsmodell umgegangen sind, aus heutiger
Sicht Ihre damalige Zustimmung zu diesem Modell?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412318700
Verehrte Frau Blank, ich habe mich schon
vorhin als einer derjenigen geoutet, der – vor sechs Jahren
war es wohl – im Haushaltsausschuss mit dafür gesorgt
hat, dass es einen breiten Konsens zur Ausweitung der
Modelle gegeben hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich einmal

die Hoffnung hatte, eine andere bundesdeutsche Auto-
bahn fertig stellen zu lassen, nämlich die A1, die von Kiel
nach Saarbrücken führt und über 700 Kilometer lang ist.
Die gesamte Strecke ist fast fertig gestellt. Es fehlen nur
noch 35 Kilometer in der Eifel. Seit 1987, als ich Mitglied
des Deutschen Bundestages wurde, habe ich mich darum
bemüht, dort Bewegung hineinzubekommen. Während
Ihrer Regierungszeit konnten gerade einmal 4 Kilometer
der A 48 zwischen der Anschlussstelle Mehren und der
Anschlussstelle Daun fertig gestellt werden. Ich habe ge-
hofft, die restlichen Kilometer könnten im Rahmen eines
Modells der privaten Vorfinanzierung fertig gestellt wer-
den.




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
11800


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich habe vorhin auch gesagt – darüber waren wir uns
damals alle bewusst –: Wir brauchen zusätzliches Geld,
wenn die Tilgung beginnt. Ich möchte Ihnen das an einem
Beispiel aus Rheinland-Pfalz deutlich machen: Der Bau
der A 60 von Bitburg bis nach Wittlich wird privat vorfi-
nanziert. Der letzte Bauabschnitt – den ersten habe ich
kürzlich übergeben dürfen – wird ab 2002 dem Verkehr
übergeben werden. Dann beginnt die Tilgung. Nach der
alten Konzeption, die während Ihrer Regierungszeit ent-
standen ist, bedeutet dies, dass die Hälfte der Tilgungs-
summe von den Neubaumitteln, die dem Bundesland
Rheinland-Pfalz nach dem berühmten Schlüssel eigent-
lich zustehen, über 15 Jahre hinweg abgezogen wird. Der
Autobahnbau in Rheinland-Pfalz würde ab dem Jahr 2002
zum Stillstand kommen, wenn nicht zusätzliche Mittel zur
Verfügung gestellt werden. Die spannende Frage ist, ob
das gelingen wird.

Wir sind der Meinung: Den Weg der privaten Vorfi-
nanzierung zu gehen, um dadurch Zeit zu gewinnen, hilft
nur kurzfristig. Mittelfristig holt uns das wieder ein und
fällt uns doppelt und dreifach auf die Füße, weil ein Still-
stand im Autobahnbau eintritt. Deshalb ist die private Vor-
finanzierung, so wie Sie sie während Ihrer Regierungszeit
vorgesehen hatten und wie ich sie zunächst unterstützt
hatte, kein Weg für die Zukunft.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412318800
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Girisch.


Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1412318900
Herr Staatssekretär, Sie
haben sich zur Frage der privaten Vorfinanzierung kritisch
geäußert. Sie haben aus einem Redetext des Präsidenten
Roth zitiert. Meine Frage ist: Könnten Sie uns diesen Re-
detext und die Bewertung aus Ihrem Hause zuleiten?
Nach meinen Informationen hat sich Herr Roth in diesem
Text auch über die derzeitige Bundesregierung kritisch
geäußert, weil die Finanzierung der A 6 zögerlich behan-
delt wird.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412319000
Herr Kollege, ich stelle Ihnen gerne – ich
habe überhaupt keine Bedenken – den Redetext des Herrn
Roth zur Verfügung. Die Anmerkungen, die ich vorgetra-
gen habe, stammen nicht aus meinem Hause; sie spiegeln
vielmehr meine kritischen Gedanken wider, die mir heute
Morgen, nachdem ich den Redetext auf meinen Schreib-
tisch bekommen habe, spontan eingefallen sind. Insofern
ist dem im Augenblick nichts hinzuzufügen.

Herr Roth muss zur Kenntnis nehmen, dass es einen
Prioritätenkatalog gibt, der uns verpflichtet, zunächst alle
Straßenbauprojekte abzuarbeiten, die in Ihrer Regie-
rungszeit zwar begonnen worden sind, für die aber keine
dauerhafte und saubere Finanzierung vorliegt. Das ist un-
ser Problem. Hätten Sie uns dieses Problem nicht hinter-
lassen, dann wären wir in vielen Bereichen schon weiter.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412319100
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Straubinger.


Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1412319200
Herr Staatssekretär,
angesichts Ihrer Äußerung, dass in den einzelnen Bun-
desländern letztendlich überhaupt keine Autobahnen
mehr gebaut werden könnten, wenn man sie vorfinan-
zierte, möchte ich Sie fragen: Gilt das nicht im selben
Maße für die A 31, da auch dieses Projekt, wie Herr
Staatssekretär Scheffler vorhin ausgeführt hat, vorfinan-
ziert ist und die Tilgungssumme von den Neubaumitteln,
die dem Land Niedersachsen zustehen, später abgezogen
wird, und zwar nach meinen Informationen ab dem Jahr
2010?

Wir können beide nicht wissen, wie der Verkehrshaus-
halt im Jahr 2010 aussehen wird und welche finanzielle
Unterstützung wir haben werden. Darum haben wir das
entsprechende Gutachten des Wissenschaftlichen Diens-
tes des Deutschen Bundestages in Auftrag gegeben, nach
dem die Vorfinanzierung der A 31 finanzverfassungs-
rechtlichen Gesichtspunkten nicht stand hält.

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412319300
Ich bitte, die Frage über die A 31 mit dem
Fachressort zu diskutieren. Bezüglich des schnelleren
Verwirklichens möchte ich zunächst einmal festhalten,
was durch die Kenntnis der Drucksache 14/4090 – Be-
schlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen – über die A 6 bekannt
geworden ist. Hier sind offenbar noch nicht in allen Be-
reichen die entsprechenden Voraussetzungen nach dem
Baurecht erfüllt. Dies muss erst noch geschehen. Man
sollte sich erst darum kümmern, dass die Voraussetzungen
nach dem Baurecht gegeben sind. Ich rate jedem drin-
gend: Reden Sie einmal mit der Bayerischen Staatsregie-
rung, ob sie sich nicht das Land Rheinland-Pfalz zum
Vorbild nimmt und mit eigenem Geld ohne Anspruch auf
Rückzahlung durch den Bund dazu beiträgt, ein bestimm-
tes Straßenbauprojekt voranzutreiben, weil es ihr regional
bzw. überregional besonders wichtig ist. Ich wünsche Ih-
nen dabei viel Erfolg.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412319400
Herr
Staatssekretär Diller, vielen Dank.

Herr Staatssekretär Scheffler ist bereit, die Frage er-
gänzend zu beantworten.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412319500
Er-
gänzend möchte ich anmerken – ich habe angenommen,
dass das vorhin Ausgeführte deutlich genug war –, dass
dies keine zusätzliche Belastung des Bundeshaushaltes
erfordert. Sie haben die Jahreszahl 2010 genannt. Natür-
lich haben wir die klassischen Finanzierungsinstrumente,
die für ein Fernstraßenausbaugesetz und für Maßnahmen
nach dem Bundesverkehrswegeplan ab einem Zeitraum X
– nehmen wir einmal das Jahr 2010 oder das Jahr 2015 –
erforderlich sind. Ab dem Jahr 2010 oder 2015 werden die
Maßnahmen, vorbehaltlich der Zustimmung des Deut-
schen Bundestages – man unterliegt der Jährlichkeit der
Haushalte –, durchgeführt. Das geschieht aber ohne zu-
sätzliche Tilgungsquote und ohne zusätzliche Zinsquote
zu der entsprechenden Länderquote. Insofern ist dies ein




Parl. Staatssekretär Karl Diller

11801


(C)



(D)



(A)



(B)


erheblicher Unterschied, denn die Handlungsspielräume
werden entsprechend der gemeinsamen Vereinbarung nur
eingeschränkt. Als Berliner salopp gesagt: Sie wollen
doch als Land diese Maßnahme nicht geschenkt bekom-
men. Die Haushaltsfinanzierung muss natürlich gesichert
werden.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Herr Staatssekretär Diller hat gerade etwas anderes ausgeführt!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412319600
Herr
Straubinger, Ihr Fragerecht ist erschöpft.

Wir kommen zur Frage 18 der Kollegin Blank:
Ist die Bundesregierung bereit, dem vom Vizepräsidenten derEuropäischen Investitionsbank, EIB, Wolfgang Roth, vorgeschla-genen Finanzierungsmodell, bei dem die EIB bis zu 50 Prozentder noch notwendigen Investitionskosten von circa 600 Million-en DM durch ein zinsgünstiges langfristiges Darlehen mit bis zu18 zins- und tilgungsfreien Jahren vorfinanziert, beizutreten unddie dazu notwendigen 300 Millionen DM im Konzessionsmodellzur Verfügung zu stellen?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412319700
Herr Präsident, ich bin in einer schwierigen
Situation. Die Kollegin hat die gleiche Frage gestellt wie
der Kollege Straubinger. Sie ist im Prinzip schon beant-
wortet worden. Ich kann nichts Neues hinzufügen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412319800
Vielleicht
möchte die Kollegin Blank noch eine Zusatzfrage stellen.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412319900
Es ist richtig, dass ich
zwei Zusatzfragen stellen möchte.

Herr Staatssekretär Diller, ist Ihnen bekannt, dass die
neue Bundesregierung alles besser machen wollte und
dass sie sich nach der Bemerkung des Kollegen Scheffler
der Infrastrukturverantwortung entzieht, wenn Sie zum
Beispiel einen Landesanteil aus Bayern, Rheinland-Pfalz
oder anderen Ländern wollen? Ist dies ein Rückzug aus
Ihrer Infrastrukturverantwortung? Sie haben zu der Arbeit
der vorherigen Bundesregierung gesagt, dass sie die A 6
hätte fertig stellen sollen. Ist Ihnen bekannt, dass von der
alten Bundesregierung die Baureife im Zusammenhang
mit der A6 immer schnell realisiert wurde, sodass für die
restlichen 54 Kilometer die Voraussetzungen nach dem
Baurecht erfüllt sind?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412320000
Verehrte Frau Kollegin, ich habe lediglich
darauf hingewiesen, dass sich die Bundesregierung ange-
sichts der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mög-
lichkeiten bemüht, das alles bis zum Jahre 2010 sicherzu-
stellen. Wer also einen früheren Zeitpunkt will, der möge
einmal darüber nachdenken, ob nicht der Weg gangbar
wäre, den beispielsweise Rheinland-Pfalz seinerzeit be-
schritten hat, um zu einem früheren Abschluss des Baus
der A 60 zu kommen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412320100
Herr
Staatssekretär Scheffler, bitte schön.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412320200
Herr
Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Blank, ich werde
nachher noch die von Ihnen eingereichte Frage beantwor-
ten; aber vielleicht betrachten Sie dies als einen fließen-
den Übergang.

Ich stimme dem Kollegen Diller vollinhaltlich zu, dass
die alte Bundesregierung Gelegenheit gehabt hätte, die
genannten Maßnahmen im Rahmen der Finanzierung der
Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan bzw. aus dem
Fünfjahresplan vorzuziehen. Sie wissen, dass die Voraus-
setzungen aber erst seit Juli mit dem Baurecht für die
Strecke Amberg-Ost–Pfreimd vorliegen, und zwar mit der
Möglichkeit des sofortigen Vollzugs. Aber auch der so-
fortige Vollzug unterliegt der Jährlichkeit der Haushalte.
Es gilt hier also wieder, wie der Berliner sagt: Ohne Moos
nichts los. Insoweit geht es der neuen Bundesregierung
wie der alten: Wenn die entsprechenden Mittel nicht im
Haushalt ausgewiesen sind, kann nicht gebaut werden.
Die Mittel für die von mir genannte Strecke konnten aber,
wie gesagt, nicht in den Haushalt eingestellt werden, weil
kein Planungsrecht bestand.

Im Übrigen erinnere ich daran, Kollegin Blank, dass
für den Abschnitt Woppenhof–Kaltenbaum noch ein
Planfeststellungsverfahren bis voraussichtlich Mitte 2001
läuft. Neben Baurecht brauchen wir das Kriterium der si-
cheren Durchfinanzierung einer Strecke im Investitions-
plan 1999 bis 2002. In diesem Zusammenhang ist daran
zu erinnern, dass uns die alte Bundesregierung eine Bug-
welle oder Unterfinanzierung des Bundesverkehrswege-
plans in Höhe von 80 bis 100 Milliarden DM hinterlassen
hat. Demgegenüber hat jetzt der Bundesminister für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen in Abstimmung mit dem
Finanzminister – ich bin meinem Kollegen Karl Diller
außerordentlich dankbar, dass er dem zugestimmt hat, ob-
wohl er, wie wir gehört haben, weniger ein Lobbyist für
Bayern als vielmehr für Rheinland-Pfalz ist – in das IP-
Mittel für entsprechende Streckenabschnitte eingestellt
und darüber hinaus aus der Reduzierung der globalen
Minderausgabe, die immerhin 1,1 Milliarden DM aus-
macht, für Bayern noch einmal circa 140 Millionen DM
lockergemacht. Ihnen ist sicherlich der Brief des Bundes-
ministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an den
zuständigen bayerischen Staatsminister Beckstein be-
kannt, in dem es heißt, dass sowohl zur Verstärkung des
in Bau befindlichen Abschnittes der A6 als auch für einen
Neubauabschnitt der A 6 der vom Kollegen Diller ge-
nannte Zehnjahreszeitraum von der Bundesregierung ge-
sichert ist. Es entspricht übrigens auch der mündlichen
Vereinbarung unserer Vorgängerregierung, dass die
Strecke bis zur tschechischen Grenze in den nächsten
zehn Jahren realisiert werden soll.

Wir suchen hier natürlich gemeinsam, verehrte Kolle-
gin Blank, nach neuen Möglichkeiten. Ohne dass bereits
danach gefragt worden wäre – vielleicht wird diese Frage
nachher noch gestellt –, sage ich, dass es dem Bundes-
kanzler, dem Finanzminister und dem zuständigen Fach-
minister mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland – Sie
haben ihn vorhin angesprochen – ernst ist. Die Tatsache,
dass sie gewillt sind, eine vernünftige Verkehrsinfrastruk-
tur zur Verfügung zu stellen, zeigt dies ganz deutlich, wo-




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
11802


(C)



(D)



(A)



(B)


hingegen Ihre frühere Regierung die Bereiche Forschung
und Bildung ebenso wie den Infrastrukturbereich ver-
nachlässigt hat. Sie haben zwar von Nord nach Süd sehr
viele kleine Spatenstiche gemacht; aber die Finanzierung
war nicht gesichert. Umso wichtiger ist unser Weg, durch
die Zinseinsparungen aufgrund des Schuldenabbaus
durch die Mittel aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen
entsprechende Gelder zur Verfügung zu stellen. Die not-
wendigen Abstimmungen sind natürlich noch nicht abge-
schlossen. Es ist aber klar, dass sich für den Zehnjahres-
zeitraum weitere Möglichkeiten ergeben.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412320300
Eine wei-
tere Zusatzfrage der Kollegin Blank.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412320400
Herr Staatssekretär
Diller, wie stehen Sie heute zu den Anträgen der damali-
gen SPD-Opposition, dass die Tilgungsleistungen für
Konzessionsmodelle nicht aus dem Haushaltsplan 12,
sondern aus dem Haushaltsplan 32 erfolgen sollten? Oder
sind Ihnen diese Anträge nicht bekannt?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412320500
Diesen Antrag möchte ich gerne erst einmal
sehen.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412320600
Einverstanden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412320700
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Girisch.


Georg Girisch (CSU):
Rede ID: ID1412320800
Meine Herren Staatsse-
kretäre, Sie merken, dass wir Sie zu diesem Thema sehr
intensiv befragen. Wir tun dies deshalb, weil wir erstens
davon überzeugt sind, dass eine besondere Dringlichkeit
besteht, und weil wir zweitens der Meinung sind, Sie
müssten wissen, dass wir täglich oder mindestens einmal
in der Woche über unsere SPD-Kollegen in der Zeitung le-
sen, dass sie sich in Berlin massiv für zusätzliches Geld
einsetzen. Jetzt höre ich von Ihnen beiden immer wieder:
Vor 2010 wird die A 6 zwischen Amberg-Ost und Waid-
haus nicht fertig. Glauben Sie, dass man aufgrund der
Dringlichkeit – auch wegen eines Besuchs des Herrn Bun-
deskanzlers – eine Finanzierung zustande bringt, die eine
schnellere Fertigstellung als bis zum Jahr 2010 ermög-
licht?

K
Karl Diller (SPD):
Rede ID: ID1412320900
Auch ich führe gelegentlich mit Bürgerin-
nen und Bürgern in meinem Wahlkreis Diskussionen da-
rüber, welche Bedeutung der vordringliche Bedarf in der
Realität hat. Einer der den Bürgerinnen und Bürgern
schwer vermittelbaren Gesichtspunkte ist – ich hoffe, die
Vermittlung gelingt wenigstens bei Ihnen –: Um sich
überhaupt um die Finanzierung zu kümmern, ist nicht ein
Planfeststellungsbeschluss Voraussetzung, sondern ein
nicht mehr beklagbares Baurecht.

Wenn ich Sie jetzt frage: „Haben wir schon für sämtli-
che 54 Kilometer nicht mehr beklagbares Baurecht?“,
dann werden auch Sie mir antworten: Nein. Deswegen
wäre es absolut unverantwortlich, Ihnen heute ein festes
Datum für die Übergabe der gesamten Strecke zu nennen.
Wir wissen überhaupt nicht, wann wir für die noch be-
klagbaren Entscheidungen im Planfeststellungsverfahren
tatsächliches Baurecht bekommen. Wenn sich abzeichnet,
dass die Voraussetzungen nach dem Baurecht vorliegen,
dann wird es in der Tat Zeit, sich um die Finanzierung zu
kümmern. Das wollen wir dann gerne tun. Der Zeithori-
zont ist Ihnen genannt worden. Ich habe für die Bundes-
regierung erklärt, dass sie Ihre Auffassung der nationalen
und internationalen Bedeutung der A 6 teilt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412321000
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.

Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung – die Fragen 19, 20, 21 und 22 –
sollen schriftlich beantwortet werden.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, bei dem
wir uns schon eben teilweise aufgehalten haben. Herr
Staatssekretär Scheffler steht zur Beantwortung der Fra-
gen zur Verfügung.

Die Frage 23 der Kollegin Blank ist eigentlich schon
mehrfach beantwortet worden. Ich weiß nicht, ob Sie Wert
darauf legen, dass wir die Antwort noch einmal hören.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Aber selbstverständlich!)


– Sie wollen sie noch einmal hören. Dann rufe ich die
Frage 23 der Kollegin Blank auf:

Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur zeitna-
hen Fertigstellung des fehlenden 54 Kilometer langen Teilstücks
beim wichtigen Infrastrukturprojekt Autobahn A 6 in Richtung
Tschechische Republik?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412321100
Sehr
geehrte Frau Kollegin Blank, diese Frage ist in der Ver-
gangenheit schon mehrfach behandelt worden. Wir kön-
nen daraus auch eine zweistündige Debatte machen.

Herr Präsident, gestatten Sie eine Vorbemerkung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412321200
Herr
Staatssekretär, da wir dieses Thema schon mehrfach be-
handelt haben, bitte ich Sie, sich bei der Beantwortung
kurz zu fassen.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412321300

Werte Kollegin Blank, Sie wissen, dass ich von Freitag bis
Sonntag voriger Woche in Lindau am Bodensee, Ingol-
stadt, Donauwörth und in anderen Städten, Kommunen
und Gemeinden, die auch hoch belastet sind und in denen
fehlende Ortsumgehungen und fehlende Lückenschlüsse




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler

11803


(C)



(D)



(A)



(B)


bei den Bundesfernstraßen zu beklagen sind, parteiüber-
greifend Gespräche geführt habe. Dort sagte man: Es gibt
abseits der A 6 auch noch Kommunen und Gemeinden,
und es kann nicht sein, liebe Bundesregierung, dass euer
ganzes Geld in die A6 fließt. – Ich möchte daran erinnern,
dass für den Abschnitt der A 6 in Baden-Württemberg
rund 50 Millionen DM im Investitionsprogramm vorge-
sehen sind.

Nun zur Beantwortung Ihrer Frage, die sowohl vom
Kollegen Diller als auch von mir an sich schon beantwor-
tet wurde: Entsprechend der Bedeutung, die die Bundes-
regierung dem Teilstück Amberg-Ost–Waidhaus der A 6
– das ist die Bundesgrenze – sowohl im nationalen als
auch im europäischen Autobahnnetz beimisst, verfolgt sie
wie ihre Vorgängerin konsequent deren kontinuierlichen
Ausbau. Priorität hat dabei der Abschnitt von Pfreimd im
Bereich der A 93 zur Bundesgrenze nach Waidhaus auf-
grund der Vereinbarung mit der tschechischen Regierung,
die D 5 von Prag über Pilsen nach Waidhaus baldmög-
lichst an das deutsche Autobahnnetz anzubinden. Hierfür
wird die durchgehende Fertigstellung innerhalb der
nächsten zehn Jahre angestrebt.

Erleichternd wirkt sich hier die Entscheidung des Bun-
deskabinetts zum Bundeshaushalt 2001 und zur Finanz-
planung bis 2004 vom 21. Juni dieses Jahres aus, die Mit-
tel für den Bundesfernstraßenbau in den kommenden
Jahren gegenüber der bisherigen, dem Investitionspro-
gramm 1999 bis 2002 zugrunde liegenden Finanzplanung
zu erhöhen. Ob eine Finanzierung für das Schlussstück,
den Abschnitt zwischen Amberg-Ost und Pfreimd im Be-
reich der A 93, nach einer Bestätigung des vordringlichen
Bedarfs im Rahmen der Novellierung des Fernstraßen-
ausbaugesetzes innerhalb dieses Zeitraums möglich ist,
kann gegenwärtig nicht gesagt werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412321400
Vielen
Dank. – Frau Blank, jetzt bitte ich darum, die Geduld der
Kolleginnen und Kollegen nicht zu missbrauchen. Das
Thema ist eigentlich abgehandelt. Bitte schön.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412321500
Herr Präsident, erlauben
Sie mir bitte als Parlamentarierin die Anmerkung, dass es
nicht kritikwürdig ist, ob, wie oft, wie lange Parlamenta-
rier eine Frage stellen und ob sie dieses Thema jede Wo-
che aufgreifen. Herr Staatssekretär, ich verbitte mir das.
Es liegt in unserem ureigenen Interesse, dass wir hier Fra-
gen, die die Bevölkerung vor Ort interessieren, jederzeit
stellen können.


(Renate Rennebach [SPD]: Das ist keine Frage! Die Rügen hat der Präsident vorzunehmen! – Ilse Janz [SPD]: Aber Sie müssen es nicht an einem Tag dreimal fragen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412321600
Frau Kol-
legin Blank, kommen Sie bitte zu Ihrer Frage.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1412321700
Meine Frage lautet: Herr
Staatssekretär, gehen Sie davon aus, dass für die Fertig-
stellung dieses wichtigen Stücks der A 6, die Verbindung

von Nürnberg nach Prag, eventuell durch den Bundes-
kanzler, wenn er in die Oberpfalz kommt, eine Zusage er-
teilt wird?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412321800
Ich
beteilige mich hier nicht an Spekulationen. Ich weiß nicht,
was der Bundeskanzler vor Ort zusagt. Ich weiß aber, dass
in Abstimmung zwischen Bundeskanzler, Finanzminister
und auch Minister Klimmt – ich sagte das bereits – aus
den Zinseinsparungen aufgrund des Schuldenabbaus
durch die Mittel aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen
zusätzliche Gelder gerade für den Ausbau der Ver-
kehrsinfrastruktur in Form einer Verstärkung der Bahn-
strecken – das in erheblichem Maße –, der Straßen und si-
cher auch der Wasserstraßen bereitgestellt werden. Dann
gilt es, in Abstimmung mit der Bayerischen Staatsregie-
rung zur A 6 Stellung zu nehmen.

Im Übrigen, werte Kollegin Blank, darf ich wiederho-
len, dass im Schreiben des Bundesverkehrsministers an
Staatsminister Beckstein schon vorgeschlagen wurde, für
die Verstärkung der im Bau befindlichen Abschnitte der
A 6 bzw. für den Abschnitt der A 6, der noch nicht neu be-
gonnen wurde, finanzielle Mittel aus der globalen Min-
derausgabe bereitzustellen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412321900
Wir kom-
men jetzt zur Frage 24 des Kollegen Helmut Heiderich:

In welchem Jahr bzw. in welchem konkreten Zeitraum wird
die Bundesregierung in der Lage sein, von den Ländern angemel-
dete Straßenbaumaßnahmen nach Dringlichkeit, Kostenvolumen
und, ausreichende Landesplanung vorausgesetzt, Verwirkli-
chungsjahr auszuweisen, vor dem Hintergrund ihrer Erklärung,
sie wolle den Bundesverkehrswegeplan nach von ihr noch festzu-
legenden Gesichtspunkten neu erstellen?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412322000
Herr
Kollege Heiderich, die Bundesregierung hat sich zum Ziel
gesetzt, den Bundesverkehrswegeplan 1992 zügig zu
überarbeiten. Viele der einzelnen Arbeitsschritte bauen
aufeinander auf. Der Zeitbedarf für eine langfristige Netz-
konzeption der DB AG lässt eine abschließende Fest-
legung bezüglich der Fertigstellung des Bundesverkehrs-
wegeplans noch nicht zu.

Es kann deshalb derzeit nicht ausgeschlossen werden,
dass es im Ergebnis zu Verzögerungen gegenüber dem ur-
sprünglich geplanten Zeitbedarf kommt. Aufgrund des
vorgelegten Investitionsprogramms 1999 bis 2002 hat
dies keine Auswirkung auf die notwendige Kontinuität
der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Der überar-
beitete Bundesverkehrswegeplan soll nach Maßgabe des
voraussichtlich verfügbaren Finanzrahmens alle Maß-
nahmen enthalten, die innerhalb des Geltungszeitraums
des neuen Bundesverkehrswegeplans verwirklicht wer-
den sollen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412322100
Zusatz-
frage, Herr Kollege Heiderich.




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
11804


(C)



(D)



(A)



(B)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1412322200
Herr Staatssekretär,
ich darf fragen, ob Sie schon Kenntnis haben, wann die
grundsätzlichen Kriterien verfügbar sein werden, nach
denen Sie die angemeldeten Maßnahmen beurteilen und
einstufen wollen.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412322300
Wir
hatten zum Beispiel heute im Ausschuss für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen eine Anhörung dazu, wie es mit der
Bahnreform bzw. dem Schienenverkehr insgesamt wei-
tergehen soll. Die DB AG hat ihre strategischen Überle-
gungen, ob im Personenfernverkehr, im Regionalverkehr
oder auch im Güterverkehr, noch nicht abgeschlossen. In-
sofern kann ich Ihnen heute nicht sagen, wann die ent-
sprechenden Ergebnisse an die Bundesregierung weiter-
gegeben werden. Aber Sie werden mir sicher zustimmen,
dass ein überarbeiteter Bundesverkehrswegeplan ohne die
neuen Planungen hinsichtlich der Schiene völlig unreali-
stisch wäre.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1412322400
Weitere
Zusatzfrage, Herr Heiderich?


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1412322500
Herr Staatssekretär,
ich möchte auf Ihre eben gemachte Anmerkung zurück-
kommen. Sehen auch Sie es so, dass die verfügbaren Fi-
nanzmittel, die Sie für die Finanzierung des Programms
1999 bis 2002 brauchen, noch bis etwa in das Jahr 2007
hinein so weit gebunden sein werden, dass in dieser Zeit
keine neuen Straßenbaumaßnahmen, jedenfalls nicht in
größerem Umfang, vollzogen werden können?


(V o r s i t z: Vizepräsident Rudolf Seiters)


S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412322600
Dem
stimme ich nicht zu. Ich stimme jedoch zu, dass die neue
Bundesregierung durch die Unterfinanzierung des alten
Bundesverkehrswegeplanes in Höhe von 80 bis 100 Mil-
liarden DM gezwungen war, hier ein Investitionspro-
gramm 1999 bis 2002 aufzulegen, und dass sie sich
natürlich Gedanken gemacht hat, wie der Infrastruktur-
nachholebedarf künftig zu finanzieren ist. Deshalb set-
zen wir zur Finanzierung des Engpassbeseitigungspro-
gramms, des Anti-Stau-Programms, ab dem Jahre 2003
mit einer Laufzeit bis zum Jahre 2007 die streckenbezo-
gene LKW-Gebühr neben der klassischen Haushaltsfi-
nanzierung an die erste Stelle. Ferner setzen wir zusätz-
lich 1,1 Milliarden DM im Zeitraum des Investitionspro-
gramms ein, die durch die Reduzierung der globalen Min-
derausgabe frei werden. Daran erkennen Sie das
Bemühen der Bundesregierung – nicht nur unseres Hau-
ses –, hier mehr als die Vorgängerregierung für den Aus-
bau der Verkehrsinfrastruktur zu tun.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412322700
Es gibt keine weite-
ren Zusatzfragen.

Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Helmut Heiderich
auf:

Werden die im Rahmen der Aufstellung des Bundesverkehrs-
wegeplanes 1992 erarbeiteten Unterlagen – zum Beispiel Um-
weltverträglichkeitsprüfungen – für die Einstufung von Maßnah-
men im neuen Bundesverkehrswegeplan als „vordringlich“ und
„Neubau“ in Hessen wie zum Beispiel auch bei der Umgehungs-
straße Rotenburg/Lispenhausen an der B 83 neu erarbeitet werden
müssen und wird die Bundesregierung gegebenenfalls die hessi-
sche Landesregierung zur Vorlage dieser Unterlagen innerhalb ei-
ner bestimmten Frist verpflichten?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412322800
Herr
Kollege Heiderich, es ist vorgesehen, dass die Dringlich-
keit für alle noch nicht realisierten und noch nicht im Bau
befindlichen Projekte neu festgestellt wird. Dabei wird in
der Regel eine erneute gesamtwirtschaftliche Bewertung
mit einer neuen Nutzen-Kosten-Betrachtung durchge-
führt. Hierbei werden aktualisierte Kostenangaben, Ver-
kehrsdaten und Prognosen zugrunde gelegt werden. Die
für die gemeldeten Maßnahmen benötigten Daten zur Ak-
tualisierung der Kosten- und Planungsdaten wurden dem
BMVBW inzwischen von der hessischen Landesregie-
rung zur Verfügung gestellt.

Die Ortsumgehung B 83 Rotenburg/Lispenhausen ist
im aktuellen Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen im
„weiteren Bedarf“ enthalten. Die B 83 Rotenburg/Lispen-
hausen gehört zu den vom Land gemeldeten Maßnahmen
für die anstehende Überarbeitung des Bundesverkehrswe-
geplanes und Fortschreibung des Bedarfsplanes für die
Bundesfernstraßen und wird erneut bewertet.

Die 1995 abgeschlossene Umweltverträglichkeitsstu-
die wird, soweit erforderlich, zur ökologischen Beurtei-
lung der Maßnahmen im Rahmen der Arbeiten zur
Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes herange-
zogen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412322900
Zusatzfrage?


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1412323000
Herr Staatssekretär,
habe ich Sie eben richtig verstanden, dass die Kosten-
schätzungen nicht einfach nur um einen Faktor fortge-
schrieben werden, der sich aus der zeitlichen Verzögerung
ergibt, sondern dass die entsprechenden Zahlen auf Basis
heutiger Technik und der heutigen Wettbewerbssituation
völlig neu ermittelt werden?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412323100
Sie
haben Recht. Ich will das an einem aktuellen Beispiel er-
läutern. Im Falle der von Ihnen angeführten Bundesstraße
besteht die Chance, dass diese Maßnahme gegebenenfalls
auf der Grundlage aktueller Verkehrs- und Kostendaten
und eines dadurch bedingten besseren Nutzen-Kosten-
Verhältnisses – ich will hier nicht spekulieren – vom wei-
teren Bedarf in den vordringlichen Bedarf eingestuft wird,
sofern die hessische Landesregierung bzw. der Deutsche
Bundestag, der über den Bedarfsplan entscheidet, zustim-
men. Vorher hätte es keine Chance gegeben – die Reali-
sierung dieser Maßnahme wäre aufgrund der unter der






(C)



(D)



(A)



(B)


Vorgängerregierung vorgenommenen Einstufung in den
weiteren Bedarf nach hinten gerutscht –, dass diese Straße
in absehbarer Zeit gebaut worden wäre.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412323200
Eine zweite Zusatz-
frage.


Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1412323300
Herr Staatssekretär,
Sie haben eben die Einstufung angesprochen. Das Land
Hessen hat meines Wissens die Einstufung in den vor-
dringlichen Bedarf beantragt. Ich darf fragen, wie sich
diese zukünftige Einstufung von der bisherigen Einstu-
fung des alten Bundesverkehrswegeplanes unterscheiden
wird? Oder wird es bei der alten Einstufung bleiben?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412323400
Die
hessische Landesregierung hat die Einstufung dieser
Maßnahme in den vordringlichen Bedarf beantragt, wozu
zunächst im Rahmen der Überarbeitung des Bundesver-
kehrswegeplanes eine neue Bewertung und damit die
Überprüfung der Möglichkeit einer eventuellen Einstu-
fung in den vordringlichen Bedarf erforderlich sind. Das
ist ein Unterschied.

Ich könnte Ihnen mit Blick auf die Überarbeitung des
Bundesverkehrswegeplanes die neuen Daten nennen, die
sich von den Daten der alten Bundesregierung unter-
scheiden. Der Umweltgesichtspunkt, also der ökologische
und der raumordnerische Gedanke, aber auch der städte-
bauliche Effekt spielen bei der Neubewertung eine stär-
kere Rolle als bisher. Die Bewertung erfolgt nämlich nach
den neuesten Kriterien.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412323500
Dann rufe ich die
Frage 26 des Kollegen Dr. Gerd Müller auf:


(DB AG)

wird, auch ländliche Regionen an das Fernverkehrsnetz der DB
AG anzubinden?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412323600
Herr
Kollege Müller, nach Art. 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes
gilt:

Der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der All-
gemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen,
beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Ei-
senbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsan-
geboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht
den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rech-
nung getragen wird. Das Nähere wird durch Bundes-
gesetz geregelt.

Für den Infrastrukturbereich ist die Konkretisierung
durch das Schienenwegeausbaugesetz erfolgt. Danach fi-
nanziert der Bund im Rahmen der zur Verfügung stehen-
den Haushaltsmittel Investitionen in die Schienenwege
der Eisenbahnen des Bundes. Die Investitionen umfassen
Bau, Ausbau sowie Ersatzinvestitionen.

Die Gestaltung der Schienenfernverkehrsangebote der
DB AG gehört seit der Bahnreform zum ausschließlich ei-
genverantwortlichen unternehmerischen Bereich der nach
dem Aktiengesetz arbeitenden Gesellschaft. Es ist Auf-
gabe des Unternehmens selbst, das Angebot daraufhin zu
beobachten, wie es vom Markt angenommen wird, und
entsprechende Anpassungen an die Nachfrage vorzuneh-
men. Hierzu gehört auch die Einführung von neuen Fern-
verkehrsangeboten auf bestimmten Strecken und die Auf-
gabe von Leistung bei ungenügender Nachfrage.

Der Bund kommt dem grundgesetzlichen Auftrag
durch die Bereitstellung von Investitionshilfen für das
Netz nach, die gleichzeitig die DB AG in die Lage verset-
zen, auf dieser Basis das nach dem Grundgesetz erforder-
liche Angebot zu realisieren. Er wird sein finanzielles En-
gagement für den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes
künftig noch weiter verstärken.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412323700
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Müller.


Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1412323800
Herr Präsident, darf ich
vielleicht eine Vorbemerkung machen und mich dann auf
eine Zusatzfrage beschränken?

Es macht den Kolleginnen und Kollegen zunehmend
Probleme, Fragen zu stellen – die Bundestagsverwaltung
lehnt diese ab –, die im Zusammenhang mit der Politik der
Bahn stehen. Die Bahn ist eine hundertprozentige Tochter
des Bundes. Sie ist aber selber nicht imstande, wichtige
Anfragen bezüglich der inneren Organisation und der dor-
tigen Zustände zu beantworten. Es gibt also keine Kon-
troll- und Nachfragemöglichkeiten mehr. Man sollte die-
ses Thema einmal fraktionsübergreifend im Ältestenrat
behandeln.

Konkrete Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, Hof–
Oberstdorf und Ulm–Lindau sind nur zwei Beispiele für
die Streichorgie der Bahn im Fernverkehr. Die Bahn zieht
sich über das ganze Land hinweg aus dem Fernverkehr
zurück – ich nenne die Streichung von Interregios – und
übereignet die Bedienung an die Länder, ohne dass dafür
vom Bund entsprechende Gelder zur Verfügung gestellt
werden. Dies widerspricht dem grundgesetzlichen Auf-
trag, nicht nur die Ballungszentren, sondern auch die
ländlichen Regionen zu bedienen. Was unternimmt der
Bund im Aufsichtsrat der BahnAG, um dieser Politik, die
gegen die Fläche, gegen die ländlichen Regionen gerich-
tet ist, entgegenzuwirken?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sehr berechtigte Frage!)


S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412323900

Zunächst ist festzustellen: Für den Infrastrukturbereich ist
ja durch das Bundesschienenwegeausbaugesetz eine Kon-
kretisierung erfolgt. Danach finanziert der Bund im Rah-
men der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Inves-
titionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des
Bundes. Diese umfassen, wie ich bereits ausgeführt habe,
Bau, Ausbau und Ersatzinvestitionen.




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
11806


(C)



(D)



(A)



(B)


Damit keine Ausdünnung erfolgt, ist durch die Bun-
desregierung das so genannte investive Zukunftspaket
Schiene auf den Weg gebracht worden, mit dem wir dem
Schienenverkehr insgesamt, aber insbesondere auch dem
Schienenfernverkehr eine Zukunftsperspektive eröffnen
wollen, damit trotz begrenzter Finanzmittel – ich möchte
jetzt nicht wieder auf den Zeitraum von vor 1998 zurück-
kommen – mehr als bisher investiert werden kann und die
DB AG ihr Netz beibehalten kann. Dabei sind nicht die
gefahrenen Zugkilometer entscheidend. Vielmehr ist von
Bedeutung, wie wir mehr Kunden, also mehr Personen
bzw. mehr Güter, auf die Schiene bekommen. Deshalb hat
die Bundesregierung das Zukunftspaket Schiene, das in
den nächsten zehn bis 15 Jahren umgesetzt werden soll,
auf den Weg gebracht, durch das der DBAG voraussicht-
lich 2 bis 2,5 Milliarden DM jährlich zur Verfügung ge-
stellt werden können.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412324000
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Wiese.


Heinz Wiese (CDU):
Rede ID: ID1412324100
Herr Staatsse-
kretär, teilen Sie meine Auffassung, dass die Steigerung
der Attraktivität der Bahn im ländlichen Raum auch da-
durch erfolgen kann, dass das Netz leistungsfähig ausge-
baut wird? Ich möchte genau die Strecke ansprechen, die
mein Kollege Müller gerade erwähnt hat, die Strecke von
Ulm nach Lindau, die so genannte Südbahn. Das Land
Baden-Württemberg bemüht sich seit Jahren darum, die
Südbahn zu elektrifizieren. Bei der Südbahn handelt es
sich um die letzte Strecke zwischen Hamburg und Rom,
die mit Dieselloks betrieben wird; man muss sich das ein-
mal vorstellen. Wir wollen diese Strecke im Hinblick auf
die internationale Anbindung leistungsfähiger machen.
Das Land Baden-Württemberg hat 40 Millionen DM zur
Mitfinanzierung angeboten. Die Steigerung der Attrakti-
vität in diesem Bereich könnte dazu führen, dass eine
Ausdünnung des Netzes im ländlichen Raum nicht erfolgt
und dass die Nutzung von Interregiozügen wieder attrak-
tiv sein könnte.

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412324200
Bei
der Beantwortung der ersten Frage in diesem Zusammen-
hang sagte ich, dass die DB AG ihr künftiges Konzept
noch nicht abschließend erarbeitet hat. Sie heben viel-
leicht auf das neue Konzept MORA ab, über das in den
nächsten Monaten eine Entscheidung getroffen wird.

Für den Bund besteht gemäß EWG-Verordnung
1191/69 die Verpflichtung der Sicherstellung eines dem
Wohl der Allgemeinheit dienenden Verkehrsangebotes.
Aber das Ziel des Gewährleistungsauftrages, der vorhin
angesprochen worden ist, nämlich das Wohl der Allge-
meinheit, orientiert sich an den tatsächlichen Verkehrsbe-
dürfnissen. Insofern kann ich von hier aus nicht konkret
beantworten, ob die Strecke Lindau–Ulm letztendlich
dem jetzigen Verkehrsbedürfnis entspricht.

Ich möchte noch einmal kurz auf die Vorbemerkung
des Kollegen Dr. Müller eingehen: Wenn schriftliche Fra-
gen an die Bundesregierung gestellt werden, die die DB

AG betreffen, dann werden wir – ich denke, das ist par-
teiübergreifend so – die Stellungnahme der DB AG ein-
holen und Ihnen nicht nur die Positionen der Bundesre-
gierung, sondern auch die Stellungnahme der DB AG
– auch die zu bestimmten Strecken – darlegen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412324300
Ich lasse jetzt noch
eine Zusatzfrage des Kollegen Schauerte zu.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1412324400
Herr Staatssekre-
tär, Ihr wiederholter Verweis darauf, dass Sie noch nichts
sagen können, weil die Bahn ihr Konzept noch nicht vor-
gelegt habe, veranlasst mich zu einer Bemerkung und ei-
ner daran anschließenden Frage. Es ist ja erstaunlich, dass
wir nach Überschreiten der Halbzeit dieser Legislaturpe-
riode erkennen müssen, dass Sie im Umgang mit der Bahn
und ihren Konzepten noch nichts vorweisen können. Um
dazu beizutragen, dass diese Zeit des Abwartens, die ja
schädlich ist für Deutschland, verkürzt wird, frage ich:
Wann rechnen Sie denn damit, dass die Deutsche Bahn Ih-
nen ein Konzept vorlegt, bzw. was können Sie tun, damit
die Bahn das möglichst bald tut?

S
Siegfried Scheffler (SPD):
Rede ID: ID1412324500
Hier
geht es nicht nur um Konzepte, sondern um mit Bund und
Ländern abgestimmte Strecken, die in einem zukünftigen
Bundesverkehrswegeplan der verkehrlichen Entwicklung
– man denke nur an die Öffnung in Richtung Osteuropa –
bis zum Jahre 2015 Rechnung tragen müssen. Insofern
sind wir auch abhängig von der DBAG.

Sie haben das Stichwort Halbzeit genannt. Ich könnte
Ihnen natürlich aufzählen, was alles schon erreicht wurde.
So ist die Abstimmung mit den Ländern bei den Straßen
und bei den Wasserstrassen erfolgt und ein Konzept für
die Luftfahrt vorgelegt worden. Die Koalitionspartner
sind in der Tat angetreten, um in enger Abstimmung mit
der DB AG ein entsprechendes Konzept für die Schiene
zu realisieren. Aber ich muss schon darauf verweisen,
dass dies anfangs auch wegen des Vorgängers, den Sie
eingesetzt haben, problematisch war.

Erst heute wieder haben wir im Ausschuss für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen eine Anhörung mit dem
Thema „Wo geht die Bahn hin? – Bilanz der Bahnreform“
durchgeführt. Wir gehen davon aus, dass uns die DB AG
noch in diesem Jahr ein Konzept vorlegt.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Aha, in diesem Jahr noch!)


Die einjährige Verzögerung hat aber natürlich Konse-
quenzen auf die Erarbeitung des Bundesverkehrswege-
plans.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412324600
Ich danke Ihnen,
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Wir sind am Ende der Fragestunde. Die Fraktionen ha-
ben sich darauf verständigt, die Sitzung des Bundestages
nicht zu unterbrechen, sondern sogleich in die Aktuelle
Stunde überzuleiten.




Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler

11807


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich rufe also den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Unterschiedliche Vorschläge aus der Koalition,
die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
kurzfristig abzusenken

Ich gebe zunächst für die antragstellende Fraktion dem
Kollegen Hans-Joachim Fuchtel das Wort.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1412324700
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat schon bei der Haus-
haltsdebatte die Absenkung der Beiträge zur Arbeitslo-
senversicherung vorgeschlagen und gefordert. In der Zwi-
schenzeit stoßen auch Kollegen der Grünen in dieses
Horn. Selbst die Gewerkschaften haben sich entsprechend
geäußert. Frau Engelen-Kefer ist, was das politische
Spektrum angeht, ja wirklich nicht unsere Freundin.
Wenn aber selbst diese Dame, deren Äußerungen wir an-
sonsten wirklich kritisch betrachten, davon spricht, die
Regierung solle ihre Verschiebebahnhöfe aufgeben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Dann muss es ernst sein!)


dann zeigt dies, wie weit es gekommen ist. So etwas ha-
ben wir bisher noch nicht erleben dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es gibt etliche sachliche Gründe, warum eine solche

Absenkung zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist:
Erstens. Die Arbeitslosigkeit geht zurück.


(Konrad Gilges [SPD]: Das habt ihr 16 Jahre nicht geschafft!)


Zweitens. Die Bundesregierung hält mit ihren Haus-
haltsansätzen für das nächste Jahr die Ausgaben künstlich
hoch, indem sie Verlagerungen aus dem Bundeshaushalt
hin zum Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit vornimmt.

Drittens. Die Bundesanstalt für Arbeit hat mit nunmehr
12,5 Milliarden DM Außenstände in Rekordhöhe.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer ist denn dafür verantwortlich? Sagen Sie das auch mal!)


Viertens. Wenn die Zahl der Arbeitslosen sinkt, kann
man mit Fug und Recht verlangen, dass auch die Bundes-
anstalt schlanker wird und Einsparungen bei ihr vorge-
nommen werden.

Meine Damen und Herren, daraus ergibt sich bei soli-
der Berechnung ein Spielraum von 16,5 Milliarden DM.
Zieht man die Gewerkschaftsunterlagen heran, so wächst
der Spielraum auf 20 Milliarden DM. Deswegen ist es
angezeigt, die Absenkung jetzt vorzunehmen. Ich sage
hier ganz deutlich, dass das überhaupt nichts mit Leis-
tungseinschränkungen zu tun hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das ist nicht wahr!)


Der Herr Staatssekretär wird sicher gleich hier das Ge-
genteil behaupten; deswegen muss ich ihm noch etwas
vorrechnen. Erstens. Wir schlagen vor, die Absenkung im

Jahre 2001 von 6,5 auf 6 Beitragspunkte vorzunehmen.
Das macht 7 Milliarden DM aus.

Zweitens. Wenn die Entwicklung es zulässt, sollte im
Jahre 2002 eine weitere Absenkung um 0,5 Beitrags-
punkte vorgenommen werden. Das würde weitere 7 Mil-
liarden DM ausmachen, die wir an die Beitragszahler
zurückgeben könnten. Das ist auch gerechtfertigt.


(Peter Dreßen [SPD]: Bei Ihnen waren immer nur Erhöhungen an der Tagesordnung!)


Wenn wir ein Polster in Höhe von 16,5Milliarden DM ha-
ben und 7 Milliarden DM an die Beitragszahler zurück-
geben, befinden wir uns immer noch in der Situation, dass
wir allen Risiken begegnen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


So pfleglich ist die frühere Opposition mit uns in der Re-
gierungszeit von Helmut Kohl nicht umgegangen. Des-
wegen ist es ganz eindeutig: Wir müssen die Sache jetzt
in Angriff nehmen, und Sie als Gewerkschaftler sollten
vielleicht einmal Frau Engelen-Kefer Gehör schenken;
denn diese Dame denkt in diesem Punkt offensichtlich
weiter als Sie.

Wenn wir pro 100 000 Arbeitslose weniger 3 Milliar-
den DM veranschlagen, dann ergibt das bei prognosti-
zierten 320 000 Arbeitslosen weniger nach Adam Riese
eine Bruttoentlastung in Höhe von 9,6 Milliarden DM.


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Die glauben nicht an ihre eigenen Zahlen! Das ist das Problem!)


Im Jahre 2000 wird der Arbeitsminister 3 Milliar-
den DM als Zuschuss brauchen. Wenn man diese Zahlen
zugrunde legt, hat man im nächsten Jahr 6,6 Milliar-
den DM zur Verfügung. Wenn Sie sich jetzt vergegen-
wärtigen, dass 0,5 Beitragspunkte 7 Milliarden DM aus-
machen, ist schon allein aus diesem Grunde eine
Beitragssenkung möglich.


(Peter Dreßen [SPD]: So kann man keine aktive Arbeitsmarktpolitik machen!)


Hinzu kommen noch die Punkte, die ich gerade schon ge-
nannt habe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Diese Zahlen sind realistisch und wir sollten den ge-
zeichneten Weg gehen. Wir sollten ihn auch deshalb ge-
hen, weil wir den Beitragszahlern weiterhin ins Auge
schauen wollen. Die Beitragszahler wurden seit der deut-
schen Einheit ganz schön belastet. Jetzt haben wir die
Möglichkeit, sie zu entlasten, und wir sollten die Chance
nutzen und die Entscheidung nicht auf das Wahljahr ver-
schieben. Deswegen kommt unser Vorschlag heute.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: So schnell wie
möglich!)

Wir hoffen, dass wir uns im Interesse der Menschen auf
ein gutes Ergebnis einigen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)





Vizepräsident Rudolf Seiters
11808


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412324800
Für die Bundesregie-
rung spricht der Parlamentarische Staatssekretär beim
Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Gerd
Andres.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie könnten sich jetzt sehr beliebt machen! Sagen Sie Ja!)


G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1412324900
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich will zunächst fest-
halten: Diese Aktuelle Stunde ist das Eingeständnis von
CDU und CSU, dass sie die Erfolge der Bundesregierung
in der Arbeitsmarktpolitik wahrnehmen und anerkennen.
Darüber freuen wir uns. Vielen Dank dafür.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist Quatsch!)


Ich bezweifle aber, dass die Union in der Frage der Bei-
tragssenkung und des Schuldenabbaus ein guter Ratgeber
ist.


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist wahr!)

Wenn ich auf die Entwicklung der Beitragssätze und des
Bundeszuschusses zu Zeiten der Regierung Kohl schaue,
muss ich feststellen, dass weder die Interessen der Bei-
tragszahler noch die der Arbeitsämter bei Ihnen in guten
Händen waren. Die Entwicklung der Beiträge zur Ar-
beitslosenversicherung war zu Ihrer Zeit ein fröhliches
Rauf und Runter. Meistens ging es rauf und nur selten run-
ter.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Zu der Zeit wollte der Gerd Andres noch eine steuerfinanzierte Arbeitsmarktpolitik!)


So haben Sie 1991 den Beitragssatz um satte 2,5 Pro-
zent auf 6,8 Prozent erhöht. 1993 wollten Sie trotz safti-
ger Beitragserhöhungen den Haushalt der Arbeitsämter
ohne Bundeszuschuss ausgleichen. Der Bundeszuschuss
belief sich zum Jahresende 1993 auf über 24 Milliar-
den DM.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie ha-
ben in Ihrer Regierungszeit den Defizit-, Beitrags- und
Arbeitslosenrekord aufgestellt.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist Geschichte! Schauen Sie in die Zukunft!)


Damit sind Sie dreifacher Rekordhalter. Das muss hier
festgehalten werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Union sollte auch ihre Strategie in der Arbeits-
marktdebatte überdenken.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie sind wirklich sehr qualifiziert!)


Letztes Jahr hat die CDU/CSU-Fraktion – hören Sie gut
zu, Herr Laumann, zu Ihnen komme ich auch noch –


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Zu mir? Ich bin eine nicht wegzudenkende Größe in der Sozialpolitik!)


beantragt, den Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit
auf Null zu senken. Ein Jahr später kommt der Kollege
Andreas Storm – nach Presseberichten – zu der Erkennt-
nis, dass es nicht sinnvoll zu begründen sei, warum der
Zuschuss gegen Null laufen solle. – Sie reden nachher
noch und können etwas dazu sagen.

Im Übrigen finde ich, dass auch die Fraktion der F.D.P.
keinen Anlass zur Schadenfreude hat. Sie hat im letzten
Jahr den gleichen Antrag gestellt.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Und im vorletzten auch! Das hätten wir schon viel früher haben können!)


Meine Damen und Herren, der Präsident der Bundes-
anstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, hat letzte Woche die
niedrigste Arbeitslosenquote in einem September seit
1993 verkündet. Eine Arbeitslosenquote von 9 Prozent ist
sicher noch viel zu hoch. Vor allem im Osten sind wir
noch lange nicht am Ziel.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und in Nordrhein-Westfalen! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Und erst in Hannover! – Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Was ist denn jetzt mit den Beiträgen? Rauf oder runter? Was jetzt?)


Aber die Zahlen beweisen, dass unsere Reformpolitik an-
geschlagen hat. Dies ermutigt uns, den eingeschlagenen
Weg konsequent fortzusetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nur so kommen wir endlich von den Rekordständen bei
den Arbeitslosenzahlen herunter, die uns die Kohl-Regie-
rung hinterlassen hat.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal etwas über die Zukunft! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Etwas mehr Niveau, Herr Kollege!)


Natürlich freuen wir uns, dass die gute Wirtschafts-
und Arbeitsmarktentwicklung Anlass gibt, über eine
Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu
diskutieren. All diejenigen, die Beiträge zur Arbeitslosen-
versicherung zahlen, sollen von den Erfolgen der Bun-
desregierung in der Arbeitsmarktpolitik nicht nur monat-
lich in den Medien hören oder lesen; sie sollen sie auch im
Portemonnaie spüren können.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Also senken!)

Deshalb ist die Bundesregierung dafür, den Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung so schnell wie möglich zu sen-
ken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Auf geht’s! – KarlJosef Laumann [CDU/CSU]: 2002 macht ihr es! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Genau das ist unsere Forderung!)







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(B)


Aber wir dürfen die richtigen Debatten nicht zum
falschen Zeitpunkt führen. Eine Beitragssatzsenkung im
nächsten Jahr können wir uns einfach noch nicht leisten.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Weil dann noch keine Bundestagswahl ist!)


Herr Fuchtel, Sie sind ja Haushälter und bilden sich ein,
rechnen zu können.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Der Mann kann rechnen!)


Ihnen sage ich ganz offen: Bei einem Gesamtetat der Bun-
desanstalt für Arbeit von rund 100 Milliarden DM über
Polster in Höhe von 16,5 Milliarden DM bis gar 20 Milli-
arden DM zu philosophieren – das wären 20 Prozent der
Gesamtausgaben – ist völlig absurd; lassen Sie sich das
einmal sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir jetzt vorschnell handeln, gefährden wir nur un-
sere erfolgreiche Reformpolitik, die letztlich auch für den
Arbeitsmarkt ganz wichtig ist.

Wir können die Beiträge auch schon deshalb nicht
schnell senken, weil die Regierung Kohl unbezahlte
Rechnungen hinterlassen hat. Wie Sie wissen, hat das
Bundesverfassungsgericht im Juni dieses Jahres entschie-
den, dass Einmalzahlungen wie Urlaubs- oder Weih-
nachtsgeld in die Bemessungsgrundlage von Arbeitslo-
sengeld einzubeziehen sind. Die alte Bundesregierung
hatte sich in der Vergangenheit stets geweigert, Beiträge
aus Einmalzahlungen auch auf der Leistungsseite zu
berücksichtigen. Das ist ein Kapitel, das ich mit Ihnen,
Herr Laumann, und ein paar anderen Kollegen zu bespre-
chen habe.

Wir haben Ihnen in Hearings und Debatten vorherge-
sagt, was kommt. Sie aber haben die Ohren auf Durchzug
gestellt und eine gesetzliche Regelung geschaffen, deren
Folgen wir jetzt leider ausbaden müssen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Warum habt ihr sie nicht sofort geändert?)


– Weil wir auf das Urteil gewartet haben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)


– Langsam. Wir haben das Urteil begrüßt und setzen es
zügig um – im Gegensatz zu Ihnen. Sie haben doch nur
weiße Salbe darauf geschmiert. Auch Sie hatten ein Urteil
des Bundesverfassungsgerichts.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Warum kriegen die, die keine Einsprüche eingelegt haben, denn dann kein Geld?)


Es stellt ein Stück sozialer Gerechtigkeit wieder her. Al-
lerdings sind die finanziellen Konsequenzen aus dem Ein-
malzahlungs-Urteil gravierend und belasten den Haushalt
der Bundesanstalt für Arbeit in diesem Jahr mit etwa
2,4 Milliarden DM und im kommenden Jahr mit rund
3,7 Milliarden DM.

Diese Entscheidung ist ein Beispiel dafür, wie die Re-
gierung Kohl durch eine unverantwortliche Sozial- und

Finanzpolitik den Arbeitsämtern erhebliche Hypotheken
aufgeladen hat. Sie trägt damit ein gerüttelt Maß Mitver-
antwortung daran, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt
einfach noch nicht möglich ist, die Beiträge zur Arbeits-
losenversicherung zu senken.


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Möglich ist es!)


Die Entscheidung zu den Einmalzahlungen war im
Übrigen nicht die erste Entscheidung aus Karlsruhe, auf-
grund derer diese Bundesregierung für verfassungswidri-
ges Handeln der früheren Bundesregierung geradestehen
muss.

Die gute wirtschaftliche Entwicklung und der Rück-
gang der Arbeitslosigkeit machen es möglich, dass die
Bundesanstalt für Arbeit im kommenden Jahr voraus-
sichtlich ohne Bundeszuschuss auskommt.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das hätten wir schon vor zwei Jahren haben können!)


Das ist ein Erfolg, auf den wir stolz sind, den wir aber
auch nicht gefährden dürfen. Der Vorwurf, wir würden
den Zuschuss zusammenstreichen, ist völliger Unsinn.
Der Bund muss nur dann einen Zuschuss leisten – das wis-
sen Herr Fuchtel, die Union und auch die F.D.P. nur zu ge-
nau –, wenn bei den Arbeitsämtern ein Defizit anfällt. We-
gen der sinkenden Arbeitslosenzahlen werden nach den
jetzigen Schätzungen beim Arbeitslosengeld deutlich ge-
ringere Ausgaben anfallen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Na also!)

Ein Bundeszuschuss wird nicht nötig sein. Damit hat die
Selbstverwaltung der Bundesanstalt seit langer Zeit wie-
der die Möglichkeit, aus eigener Kraft einen ausgegliche-
nen Haushalt vorzulegen. Herr Fuchtel, damit Sie sich
auch dies merken: Das ist seit 1987 das erste Mal wieder
der Fall. Von 1987 bis 1998 hatten Sie die Verantwortung,
auch für die Bundesanstalt für Arbeit. Sie waren die ganze
Zeit nicht in der Lage, für diese Bundesanstalt einen aus-
geglichenen Haushalt auf die Beine zu stellen. Auch das,
finde ich, ist ein wichtiger Tatbestand.

Auch ohne Bundeszuschuss werden die Mittel der Ar-
beitsämter ausreichen, um die Arbeitsmarktpolitik weiter-
hin auf hohem Niveau zu verstetigen. Die Regierung Kohl
hat bei jedem noch so leichten Rückgang der Arbeits-
marktzahlen die Arbeitsmarktpolitik zusammengehauen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Herr Andres, wie ist das denn mit der steuerfinanzierten Arbeitsmarktpolitik?)


Diesen Fehler werden wir nicht machen. Wir werden Ihre
Politik nicht wiederholen.

Diese Bundesregierung setzt unverändert deutlich an-
dere Akzente in der Arbeitsmarktpolitik. Ich will nur ei-
nige Beispiele nennen. Wir schichten von den passiven zu
den aktiven Leistungen um.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Am Ende seiner Amtszeit ist er in der Realität angelangt!)


Es ist besser, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Mit unserem Jugendsofortprogramm haben wir ein deut-




Parl. Staatssekretär Gerd Andres
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(D)



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liches Signal gegen den Skandal gesetzt, dass vielen jun-
gen Menschen schon der Start in das Berufsleben kaputt-
gemacht wird.


(Beifall der Abg. Andrea Nahles [SPD])

Mit der Neuregelung des Schlechtwettergeldes haben wir
die witterungsbedingte Arbeitslosigkeit am Bau reduziert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Fortentwicklung der Altersteilzeit trägt dazu bei, wei-
tere Arbeitsplätze auch mit jüngeren Menschen besetzen
zu können. Unser Gesetz zum Abbau der Arbeitslosigkeit
Schwerbehinderter wird eine besonders benachteiligte
Gruppe auf dem Arbeitsmarkt stärken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich könnte das noch entsprechend fortsetzen. Allen
hier im Hause unterstelle ich einfach, dass sie bei etwas
gutem Willen erkennen können, dass wir mit einer Sen-
kung der Beitragssätze zur Arbeitslosenversicherung un-
sere erfolgreiche Politik gefährden würden.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sie ist ohnehin gefährdet!)


Das wollen wir nicht. Die Bürgerinnen und Bürger bitte
ich noch um etwas Geduld, wenn es mit der Senkung der
Beitragssätze noch nicht so schnell geht, wie wir uns dies
alle sicherlich wünschen. Das ist wie bei der Rentenversi-
cherung.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Vor den Wahlen werden Sie sich bewegen!)


An die Adresse der Union sage ich: Ein Polster von
20 Milliarden DM, ein Fünftel der Gesamtausgaben der
Bundesanstalt für Arbeit, zu konstatieren halte ich für un-
verantwortlich. Sie werden uns nicht dazu bringen, Herr
Fuchtel, Ihnen auf den Leim zu gehen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das war eine Rede von gestern!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412325000
Ich gebe nunmehr
dem Kollegen Dirk Niebel für die F.D.P.-Fraktion das
Wort.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Jetzt kommt der geballte Sachverstand der F.D.P.!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1412325100
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Wir freuen uns über jeden ein-
zelnen Menschen, den wir weniger in der Arbeitslosen-
statistik haben. Das ist völlig klar. Aber tun Sie doch bitte
nicht so, Herr Staatssekretär, als wenn dies das Ergebnis
glorreicher Regierungspolitik wäre.


(Zurufe von der SPD: Doch!)

Wir haben allein aufgrund der demographischen Ent-
wicklung jedes Jahr 200 000Arbeitslose weniger. Sie hät-

ten unter Ihrem Stein sitzen bleiben können und sich gar
nicht zu bewegen brauchen, diesen Rückgang hätten wir
genauso gehabt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Darüber hinaus haben wir in einem exportorientierten

Land aufgrund des schwachen Euros und seiner Außen-
wirkung im Moment glücklicherweise auch mehr Arbeits-
plätze. Das ist selbstverständlich. Die positiven Effekte
spüren wir jetzt. Aber nichtsdestoweniger verwechseln
Sie immer noch das Geld der Bundesregierung mit dem
Geld der Beitragszahler.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sind zögerlich und zaghaft. Sie haben jetzt genü-
gend Spielräume, um die Beiträge zu senken.


(Konrad Gilges [SPD]: Sie haben doch nie Beiträge gezahlt!)


– Ich habe selbstverständlich schon Beiträge gezahlt, Kol-
lege Gilges. –


(Konrad Gilges [SPD]: Wo?)

Sie haben jetzt die Möglichkeiten, die Beiträge um
0,5 Prozentpunkte zu senken, und zwar sofort und nicht
erst im kommenden Jahr. Anfang des kommenden Jahres
können Sie den Satz um weitere 0,5 Prozentpunkte sen-
ken. Ich werde Ihnen vorrechnen, wie das möglich ist.

Sie haben das Sofortprogramm gegen die Jugendar-
beitslosigkeit aufgelegt, das sich mit Menschen beschäf-
tigt, die noch niemals Beiträge eingezahlt haben, und es
aus der Finanzierung durch den Gesetzgeber in die
Finanzierung durch die Bundesanstalt mit 2 Milliar-
den DM überführt. Das heißt, es wird durch die Beitrags-
zahler finanziert.


(Andrea Nahles [SPD]: Sachlich falsch!)

Darüber hinaus haben Sie die Kosten für die Strukturan-
passungsmaßnahmen und weitere arbeitsmarktpolitische
Leistungen in Höhe von 2,35 Milliarden DM aus dem
Haushalt von Herrn Riester herausgelöst und in den Haus-
halt der Bundesanstalt überführt. Das nennt Herr Riester
– mit Verlaub gesagt – im Rahmen der Haushaltskonsoli-
dierung auch noch „sparen“. Ich verstehe unter Sparen et-
was anderes.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Allein die nicht realisierten Forderungen der Bundes-
anstalt für Arbeit in der Größenordnung von 4 Milliarden
DM würden einen großen Spielraum schaffen. Wenn Sie
noch dazu berücksichtigen, dass die Arbeitslosenzahlen in
diesem Jahr um 250 000 gesunken sind und wenn ich auch
nur 1 Milliarde DM an Einsparungen für jeweils 100 000
weniger Arbeitslose ansetzen würde, dann kommen wir
hier noch mal auf 2,5 Milliarden DM. Zusammen mit
dem, was ich gerade genannt habe, macht das mehr als
14 Milliarden DM für die Bundesanstalt. Das ist mehr als
ein Beitragspunkt.




Parl. Staatssekretär Gerd Andres

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(A)



(B)


Noch nicht erwähnt habe ich hierbei, dass Frau
Engelen-Kefer im Namen des DGB oder der Bundesan-
stalt – ich weiß nicht, für wen sie in dem Interview ge-
sprochen hat – am 9. Oktober im „Handelsblatt“ fest-
gestellt hat, dass sich weitere 6 Milliarden DM versiche-
rungsfremde Leistungen für Jugendliche, die noch nie
eingezahlt haben, im Haushalt der Bundesanstalt finden.

Die überdimensionierte Arbeitsmarktpolitik mit
23 Milliarden DM habe ich nicht angesprochen. Ich habe
nicht angesprochen, dass auf der einen Seite durch sin-
kende Beitragszahlungen, auf der anderen Seite durch die
Kaufkraft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die
Investitionsbereitschaft und die Schaffung von Arbeits-
plätzen natürlich erhöht werden. Dadurch zahlen wieder
mehr Beitragszahler ein, sodass noch mehr Spielräume
für Entlastungen geschaffen werden.


(Beifall bei der F.D.P. – Konrad Gilges [SPD]: Wenn Sie noch weiterrechnen, kommen Sie auf null, Sie Künstler! – Renate Rennebach [SPD]: In welcher Gesellschaft wollen Sie eigentlich leben?)


Ich habe nicht angesprochen, dass sich das Arbeitslo-
sengeld von der Versicherungsleistung mehr und mehr zu
einer Daueralimentierung entwickelt hat und man selbst-
verständlich auch Spielräume schaffen kann, indem man
hier den Leistungsbezug durch Begrenzung auf 12 bis 18
Monate neu regelt.

Ich habe nicht angesprochen, dass Herr Jagoda im
nächsten Jahr mit mindestens 300 000Arbeitslosen weni-
ger rechnet. Und ich habe nicht die Leistungsausweitung
bei den Sonderzahlungen, wie Weihnachts- und Urlaubs-
geld, angesprochen. Es macht überhaupt keinen Sinn,
dass Sie Leistungen ausweiten, anstatt die Sonderzahlun-
gen von den Beiträgen freizustellen;


(Beifall bei der F.D.P.)

kein einziger Leistungsempfänger hätte auch nur einen
einzigen Pfennig weniger bekommen, als das heute der
Fall ist. Vielmehr hätten Sie Spielräume geschaffen und
den Menschen das Geld zurückgegeben. Das wäre sinn-
voll gewesen.

Ich habe auch noch nicht angesprochen, dass Sie bei
der Bundesanstalt für Arbeit neue Wege beschreiten müs-
sen. Sie müssen zumindest in Modellprojekten versuchen,
den Arbeitsämtern vor Ort Globalhaushalte zuzuweisen,
mit denen sie inklusive des Personalhaushaltes den Ar-
beitsmarktausgleich vor Ort regeln können, weil die Allo-
kation tatsächlich nur regional richtig funktionieren wird.

Liebe Kollegin Dückert, wenn ich mir die Diskussion
bei den Grünen anschaue, kann ich feststellen, dass Sie
vielleicht im Jahre 2002 die Beiträge um eventuell
0,8 Prozentpunkte senken wollen. Aber es ist offenkun-
dig, was Sie damit vorhaben: 2002 sind Bundestagswah-
len; die Grünen wollen Geschenke verteilen, anstatt jetzt
die Menschen in diesem Land, Arbeitnehmer und Arbeit-
geber, zu entlasten und Spielräume für neue Beschäfti-
gung zu schaffen.

Akzeptieren Sie endlich, Kollege Andres, dass die
Menschen in diesem Land besser mit ihrem eigenen Geld
umgehen können, als es der Staat kann.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Das schafft den Menschen Luft und den Investoren die
Möglichkeit, Arbeit zu schaffen. Es sichert zukünftige
Beitragszahler in den sozialen Sicherungssystemen


(Konrad Gilges [SPD]: Sie haben das Geld der Bürger verplempert!)


und es schafft neue Arbeitsplätze.
Das ist die Politik, die Sie in der Zukunft beschreiten

müssen. Dann können Sie den Arbeitsmarktausgleich
vielleicht schaffen. Wir sind dann gerne bereit, Sie an Ih-
rer Leistung zu messen und nicht an dem Umstand, dass
die Menschen in diesem Land früher aus dem Arbeits-
markt ausscheiden und etwas älter geworden sind.

Tun Sie was! Machen Sie Arbeitsmarktpolitik! Ruhen
Sie sich nicht auf demographischen Zahlen aus!

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Renate Rennebach [SPD]: Was macht die F.D.P.: Sie lässt das Tafelsilber mitgehen! Erst verkaufen Sie das letzte Tafelsilber und dann wollen Sie es wieder mitnehmen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Auf Ihren Lorbeeren können wir uns nicht ausruhen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412325200
Die Kollegin Dr.
Thea Dückert spricht nunmehr für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412325300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbst-
verständlich ist es so, dass die Senkung der Lohnneben-
kosten ein ganz wesentlicher Faktor für die Entspannung
der Beschäftigungssituation ist.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann seien Sie doch einfach ein bisschen mutig!)


Dass wir die Sache ernst nehmen und dass wir etwas ma-
chen, will ich Ihnen vorführen.

Schauen Sie sich die Zahlen noch einmal an – Herr
Niebel, sie sind gerade für Sie, aber auch für die
CDU/CSU, besonders peinlich –: Vom Jahre 1990 bis
zum Jahre 1998, also innerhalb von acht Jahren, sind die
Lohnnebenkosten von 35,5 Prozent auf 42,1 Prozent um
6,6 Prozent gestiegen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ich glaube, da war doch was, 1990! – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: War da nicht ein großes deutsches Ereignis?)


Im Jahre 1991 stiegen allein die Beiträge der Arbeitslo-
senversicherung um 2,5 Prozent. Wir haben die Lohnne-
benkosten in unserer Regierungszeit bereits um 1 Prozent




Dirk Niebel
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gesenkt. Ich finde, da gibt es für Sie keinen Grund, hier
den Mund zu spitzen und zu versuchen, zu pfeifen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist doch unter Ihrem Niveau! Sie wissen doch, dass die Wiedervereinigung dazwischen lag!)


Sie haben die Entwicklung zu verantworten. Herr Fuchtel,
bei uns ist es nicht so, dass wir nur in ein Horn blasen, wie
Sie meinen. Wir haben schon längst gehandelt. Das ist die
Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich geht es darum, der positiven Entwicklung am

Arbeitsmarkt, die durch das Gesamtkonzept der Politik
der Bundesregierung in Gang gesetzt worden ist, eine
weitere Senkung der Steuern und Abgaben folgen zu las-
sen. Dass wir diese positive Beschäftigungsentwicklung
haben – Herr Niebel, Sie kennen die Zahlen sehr wohl –,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Die Zahlen sind von Mai bis Juni um 2,3 Prozent gestiegen!)


hat nicht einfach nur mit der demographischen Entwick-
lung zu tun. Dass wir diese positive Beschäftigungsent-
wicklung haben, ist eindeutig die Frucht einer Politik, die
auf beides gesetzt hat, auf Abgabensenkung und auf Steu-
ersenkung, einer Politik, die versucht, aus Haushalts-, Fi-
nanz- und Arbeitsmarktpolitik ein Gesamtkonzept zu ent-
wickeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die vorsichtigsten Prognosen zeigen uns, dass wir in
den nächsten Jahren mit einer weiteren Entspannung am
Arbeitsmarkt rechnen dürfen. Aber, Herr Fuchtel, es ist
doch so, dass Sie uns zum Beispiel bei den Einmalzahlun-
gen eine Last hinterlassen haben, mit der Folge, dass wir
in diesem und im nächsten Jahr Beiträge an die Beitrags-
zahlerinnen und Beitragszahler zurückgeben müssen. Das
werden wir tun, indem wir die Einmalzahlungen ausglei-
chen. Wir zahlen also Gelder zurück, die Sie – das ist
durch das Bundesverfassungsgericht verbrieft – diesen
Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern in verfassungs-
widriger Weise weggenommen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich sage Ihnen noch eines: Es ist ein Irrglaube, anzu-
nehmen, dass es bei einer positiven Arbeitsmarktentwick-
lung, wie wir sie jetzt haben, möglich ist, gleichzeitig die
aktiven Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik zu reduzie-
ren. Wenn wir uns die strukturellen Probleme beispiels-
weise im Ost-West-Gefälle und bei der Jugend-
arbeitslosigkeit ansehen, müssen wir erkennen, dass wir
Maßnahmen wie das JUMP-Programm, das wir sofort
aufgelegt haben, weiterführen müssen. Wenn wir das
nicht täten, säßen wir nämlich dem Irrglauben auf, den Sie
hier verbreiten: dass die positive Entwicklung schon An-
lass bieten würde, sich aus der Arbeitsmarktpolitik
zurückzuziehen. Aber das ist nicht richtig. Wir müssen
beides tun, wir müssen eine Doppelstrategie fahren,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die alte grüne Doppelstrategie!)


wir müssen die positive Beschäftigungsentwicklung ei-
nerseits zur Beitragsentlastung und andererseits für Maß-

nahmen nutzen, die insbesondere Langzeitarbeitslosen
und jugendlichen Arbeitslosen helfen.


(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist und bleibt das richtige Ziel, mit der Senkung der
Lohnnebenkosten weiterhin eine positive Entwicklung
auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Fangen Sie damit an! Dazu laden wir Sie ein!)


Das ist der Beitrag, den die Arbeitsmarktpolitik leisten
kann. Das ist insbesondere für die Ausdehnung der Nach-
frage im Bereich der gering Qualifizierten, die ein niedri-
ges Einkommen haben, sowie im Bereich der Teilzeitar-
beit notwendig.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Herzliche Einladung!)


Deswegen – das sage ich ganz deutlich – stehen wir
weiterhin zu dem Ziel,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Geben Sie sich einen Ruck!)


die Lohnnebenkosten in dieser Legislaturperiode, bis zum
Jahre 2002, auf unter 40 Prozent zu senken. Der Spiel-
raum hierzu liegt in der Arbeitslosenversicherung. Ich bin
auch weiterhin davon überzeugt, dass die Arbeits-
marktentwicklung im Jahre 2002 eine Beitragssenkung
von ungefähr 0,8 Prozent zulassen wird. Um welche Pro-
zentzahl sich der Beitrag dann letztendlich senken lässt,
wird sich zeigen, wenn sich die Entwicklung so stabili-
siert, wie wir das hoffen. Aber das Ziel, das wir uns vor-
genommen haben, nämlich die Beiträge unter 40 Prozent
zu senken, verfolgen wir weiterhin.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412325400
Für die Fraktion der
PDS spricht der Kollege Dr. Klaus Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1412325500
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Es ist sowohl meine feste Überzeu-
gung als auch die meiner Fraktion, dass sich dieses Thema
nicht für politische Grabenkämpfe eignet.


(Beifall bei der PDS)

Herr Kollege Fuchtel, Sie haben pathetisch festgestellt,

man müsse den Arbeitnehmern in die Augen schauen.
Schauen Sie den Arbeitslosen in die Augen und reden Sie
dann aus deren Sichtweise!

Herr Kollege Niebel, wenn Sie von einer überdimen-
sionierten Arbeitsmarktpolitik sprechen, sollten Sie das
aus Ihrer Erfahrung als Arbeitsmarktvermittler den Ar-
beitslosen sagen, deren einzige Hoffnung und Chance
oftmals der Arbeitsplatz auf dem zweiten Arbeitsmarkt
ist.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Der Ansatz ist falsch! – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Der Ansatz mag falsch sein, aber das ist die Realität!)





Dr. Thea Dückert

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Angesichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt, das
heißt des Umfangs der offenen und der verdeckten Ar-
beitslosigkeit sowie der Teilzeitarbeitslosigkeit – Sie tun
ja so, als ob auf dem Arbeitsmarkt der Wohlstand ausge-
brochen wäre –, und angesichts der seit Jahren abge-
schmolzenen Absicherung der Betroffenen gibt es keinen
Anlass, über die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosen-
versicherung zu diskutieren. Soweit es – aus unterschied-
lichen Gründen – die erfreuliche Senkung der Arbeitslo-
senquote gibt – Kollege Fuchtel und Kollege Niebel, Sie
haben sich dazu geäußert –, gilt immer noch: Eine
Schwalbe macht noch keinen Sommer. Die saisonale Be-
lebung der Arbeitslosigkeit – sprich: der Anstieg der Ar-
beitslosigkeit – steht vor der Tür. Ich erinnere mich sehr
genau an die Einschätzung des ehemaligen Präsidenten
der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn Franke, der davon
sprach, dass der Winter den Arbeitsmarkt im eisigen Griff
hat. Der nächste Winter kommt bestimmt.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Der wird kalt und grausam mit der Ökosteuer!)


Hinzu kommt, dass im Osten die Signale am Arbeits-
markt auf Rot stehen. Bisher ist der Osten an der Senkung
der Arbeitslosigkeit kaum beteiligt gewesen. Stattdessen
vernehmen wir Ankündigungen von weiteren Entlassun-
gen. Wir wissen, dass es einen sich selbst tragenden Auf-
schwung nicht gibt.

Die Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung wer-
den angesichts dieser Entwicklung dringend gebraucht,
um die Lohnersatzleistungen und die dringend erforderli-
chen Maßnahmen der Arbeitsförderung zu finanzieren.
Wir sehen eher ein Loch in der Finanzierung durch die
Bundesanstalt für Arbeit, und zwar auch wegen der Strei-
chung der Bundeszuschüsse an die Bundesanstalt.

Für den Fall, dass die von uns erwünschte, aber nicht
absehbare Sensation der nachhaltigen Verbesserung auf
dem Arbeitsmarkt eintreten sollte, sehen wir dringenden
Handlungsbedarf bei der Rücknahme der sozialen Grau-
samkeiten – das ist ein Terminus, der von beiden Seiten
des Hauses verwendet worden ist –


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Immer weiter ausgeben, immer obendrauf! – Gegenruf der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Es geht um Menschen, verdammt noch mal!)


der vergangenen und gegenwärtigen Regierungskoalition.
Die Liste ist lang, sehr lang. Sie reicht von der Kürzung
des Arbeitslosengeldes und der Arbeitslosenhilfe über die
Streichung der originären Arbeitslosenhilfe, die jährliche
Kürzung der Arbeitslosenhilfe, Senkungen der Leistun-
gen für Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung
bis zur Beendigung der Zahlung von Sachkostenzuschüs-
sen.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Schlagen Sie doch eine Beitragserhöhung vor!)


Jedes Nachdenken über Veränderungen im Haushalt
der Bundesanstalt für Arbeit, gleich welcher Art, muss
von dem Ausmaß der Betroffenheit und der realen Situa-
tion dieser Menschen ausgehen. Das ist erfolgverspre-
chender und – das ist unsere Überzeugung – auf Dauer

auch finanziell einträglicher, als die Achterbahn, das Auf
und Ab der Beitragssätze zu besteigen. Sie wissen so gut
wie ich – die deutsche Einheit hat es bewiesen –: Es ist re-
lativ einfach, Beiträge zu senken. Das ist den Leuten
leicht plausibel zu machen. Aber es ist schwer, die Bei-
tragssätze erneut anzuheben. Machen Sie nichts vorzeitig.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Abkassieren durch die ganze Bank, was?)


– Das ist kein Abkassieren. Bisher hat jeder Arbeitnehmer
das noch zahlen können. Aber ich verstehe schon Ihre
Auffassung als Mitglied der Partei der Besserverdienen-
den, Herr Kollege Niebel.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Wer hat denn 40 Jahre Misswirtschaft betrieben? Wenn wir auf die Ebene wollen, sind wir dabei!)


– Sie betreiben jetzt eine bessere Wirtschaft; das sehe ich.

(Dirk Niebel [F.D.P.]: Offenkundig!)


Wenn Sie dem Gedankengang folgen können, dass
man einen anderen Denkansatz verfolgen sollte, dann
werden Sie noch lange Zeit nicht über eine Absenkung der
Beiträge nachdenken können.

Nicht bekannt sind auch die unterschiedlichen Wir-
kungen von Entlastung und Belastung. Sollten die Vor-
schlagenden der Auffassung anhängen, dass eine Senkung
der Lohnnebenkosten Arbeitsplätze schafft, so kann ich
nur auf das Leben verweisen: 20 Jahre lang haben Sie es
versucht. 20 Jahre lang haben Sie die Unternehmen sub-
ventioniert,


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Sie haben es 40 Jahre getan!)


haben Lohnkostenzuschüsse gezahlt mit dem Ergebnis,
dass die Arbeitslosigkeit kontinuierlich gestiegen ist. Ich
verstehe sehr gut, dass die gegenwärtige Regierungsko-
alition diesen Weg nicht beschreiten will.


(Beifall bei der PDS – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sie Kaputtmacher, Sie!)


– Eine sehr sachliche Bemerkung. Ich bedanke mich.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412325600
Ich gebe nun der Kol-
legin Renate Jäger für die SPD-Fraktion das Wort.


Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1412325700
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Kolleginnen und Kollegen! Fast alle im Deutschen
Bundestag vertretenen Parteien haben bereits in der ver-
gangenen Legislaturperiode massivst die Senkung der
Lohnnebenkosten angemahnt und eingefordert.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Jetzt können wir es machen!)


Die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände haben
diese Forderung gleichermaßen erhoben, und zwar in der
Erwartung und in der Hoffnung, dass dadurch mehr Be-
schäftigung angeregt wird.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Jetzt können wir es machen! Jetzt geht es!)





Dr. Klaus Grehn
11814


(C)



(D)



(A)



(B)


Die CDU/CSU und die F.D.P., die 16 Jahre lang die
Möglichkeit hatten, die Lohnnebenkosten zu senken, re-
deten zwar davon, aber handelten nicht.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Also, die deutsche Einheit kam 1990!)


Wir, die SPD, waren damals in der Minderheit und konn-
ten nicht handeln.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Aber nun können Sie!)

– Ja, nun haben wir die Mehrheit. – Wir haben in den letz-
ten zwei Jahren bereits vielfältige Maßnahmen ergriffen,
die wesentlich zur Senkung bzw. zur Stabilisierung der
Lohnnebenkosten beigetragen haben. Selbst Letzteres ha-
ben Sie nicht geschafft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Sie haben doch die Sache mit den 630-MarkArbeitsplätzen gemacht! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Und die Ökosteuer eingeführt!)


Die neue Mehrheit hat also nicht nur geredet, sondern
auch gehandelt. Sie hat ihre Maßnahmen zur Senkung der
Lohnnebenkosten gegen die Stimmen derer durchgesetzt,
die noch vor drei Jahren hätten handeln können. Ausge-
rechnet die gleiche Seite des Hauses erhebt heute wieder
die Forderung, die Lohnnebenkosten über die Beiträge
zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Natürlich ver-
folgen auch wir langfristig dieses Ziel. Aber man kann
dies nicht tun, ohne die reale Situation auf dem Arbeits-
markt außer Acht zu lassen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: „Langfristig“ heißt vor der Bundestagswahl?)


Wir haben real einiges vorzuweisen. Die Situation hat
sich auch real verbessert. Meine Kollegen wiesen bereits
darauf hin, dass der Bundesanstalt für Arbeit erstmals seit
1987 kein Bundeszuschuss, der aus Steuergeldern finan-
ziert wird, gewährt werden muss. Das ist ein Ergebnis und
ein Erfolg der positiven Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und
Steuerpolitik dieser Bundesregierung.

Bedenken wir aber auch: Die Arbeitsmärkte in Ost und
West sind noch gespalten. Sie entwickeln sich zum Teil
auseinander – so bedauerlich das auch ist; Sie kennen das –:
Während die Zahl der Arbeitslosen im Westen sinkt, stag-
niert bzw. steigt die Zahl der Arbeitslosen, insbesondere
die der jungen Leute, im Osten. Dies ist eine Folge des
Umstrukturierungsprozesses, der bei weitem noch nicht
abgeschlossen ist. Während sich die Beschäftigungslage
im Osten im gewerblichen Bereich – darauf habe ich kürz-
lich in meiner Rede zum Haushalt 2001 hingewiesen –
deutlich verbessert hat, müssen im Bau- und Verwal-
tungsbereich erhebliche Überkapazitäten abgebaut wer-
den. In den letzten acht Jahren Ihrer Regierungszeit haben
Sie den Umstrukturierungsprozess nicht zum Erfolg füh-
ren können. Deswegen kann nach zwei Jahren auch den
Nachfolgern diesbezüglich kein Vorwurf gemacht wer-
den.

Natürlich ist es bitter, dass viele junge Leute im Bau-
bereich von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Bitter ist es
auch, dass junge Leute aufgrund des Abbaus von Überka-

pazitäten im Verwaltungsbereich auch dort keine Be-
schäftigung finden. Aber genau deshalb darf die aktive
Arbeitsmarktpolitik nicht zurückgefahren werden.
Mir ist schon bewusst, dass es das erklärte Ziel einiger
Unionspolitiker ist, dies doch zu tun; zum einen deshalb,
weil sie generell gegen eine aktive Arbeitsmarktpolitik
sind und den zweiten Arbeitsmarkt nicht fördern wollen
– sie sagen das mitunter nicht laut –,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Quatsch! Sonst hätten wir es doch 16 Jahre lang nicht gemacht!)


und zum anderen deshalb, weil sie die Effektivität einzel-
ner Maßnahmen infrage stellen. Es ist natürlich in Ord-
nung, wenn man den Sinn der einen oder anderen Maß-
nahme hinterfragt: Ist sie günstiger oder ungünstiger
hinsichtlich der Chancen auf Eingliederung in den ersten
Arbeitsmarkt?

Effektivität und Zielgenauigkeit sind zwar ohnehin
ständig zu überprüfen, gegebenenfalls zu verändern oder
auch anzupassen. Aber wenn nun einmal der erste Ar-
beitsmarkt insbesondere im Osten zu wenige Beschäf-
tigungsmöglichkeiten bietet und wenn wettbewerbsfähige
Arbeitsplätze nicht vorhanden sind, dann ist eine Maß-
nahme noch immer mehr wert als Vandalismus auf der
Straße oder Resignation mit einem Ende in Alkohol und
Drogen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Verstetigung der aktiven Arbeitsmarktpolitik auf
hohem Niveau und der Beitrag des BMA-Haushalts zur
Haushaltskonsolidierung lassen eine Beitragssenkung für
2001 nicht sinnvoll erscheinen.

Eine Beitragssenkung zum jetzigen Zeitpunkt könnte
sich sogar kontraproduktiv auf die weitere Arbeitsmarkt-
entwicklung auswirken. Sie als Opposition sollten sich
freuen, dass die Verbindung von guter, qualitätsvoller Ar-
beitsmarktpolitik mit Haushaltskonsolidierung so erfolg-
reich gelungen ist.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412325800
Der Kollege Heinz
Schemken spricht für die CDU/CSU-Fraktion.


Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1412325900
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Der Arbeitsmarkt lebt in den
letzten Monaten von Sondermeldungen. Das nehmen wir
zur Kenntnis. Diese Sondermeldungen müssen wir aber
gründlichst hinterfragen. Das ist wichtig, denn es wurde
deutlich, dass der Herr Staatssekretär auf eine Palette von
Angeboten zurückgriff, die noch nicht wirksam sind.

Vorab, damit ich nicht missverstanden werde: Wir
waren uns immer darüber einig, dass jeder einzelne Ar-
beitslose ein Schicksal ist. Es kommt darauf an, jeden ein-
zelnen Arbeitslosen in Arbeit zu bringen. Aber der Ar-
beitsmarkt ist nicht nur die statistische Größe der




Renate Jäger

11815


(C)



(D)



(A)



(B)


Arbeitslosen, sondern der Arbeitsmarkt ist entscheidend
danach zu bewerten, wo neue Arbeitsplätze entstehen. Die
entstehen durch die Wirtschaft, durch den Handel, durch
das Handwerk und durch die Dienstleistungsangebote.
Hier sieht es eben nicht so rosig aus. Das müssen wir,
wenn wir ehrlich sind, zugeben.

Wenn die letzten drei Jahre seit 1998 bewertet werden,
so stellen wir fest, dass im Jahr 1998 ein positiver Ansatz
vorhanden war. Es gab nämlich einen Zuwachs an Ar-
beitsplätzen von 350 000. Wenn man im Vergleich dazu
den Zuwachs an Arbeitsplätzen des letzten Jahres von
120 000 nimmt und das unselige 630-Mark-Gesetz einbe-
zieht, ist festzustellen: Das war eine Nullrunde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das ist lediglich eine statistische Größe.


(Konrad Gilges [SPD]: Das glaubt doch keiner! Du machst doch wieder irgendwelche Kunstgriffe!)


Die sinkenden Arbeitslosenzahlen werden von der Regie-
rung als Verdienst ihrer Politik reklamiert. Das ist falsch.


(Konrad Gilges [SPD]: Hör doch auf mit dem Stricken!)


– Ich weiß, dass das nicht passt.

(Renate Rennebach [SPD]: Es passt nicht nur nicht, es stimmt auch nicht!)

Der Rückgang der Arbeitslosenquote beträgt bei uns

1 Prozent. Vergleichen Sie das einmal mit anderen Län-
dern in Europa – ob Sie es hören wollen oder nicht –:
Frankreich 2 Prozent, Spanien 4 Prozent, Finnland 2 Pro-
zent.

In einer Darstellung der Beschäftigungspolitik durch
die Bertelsmannstiftung – die nicht in dem Verdacht
steht, für die CDU/CSU als Hauspostille zu schreiben –
heißt es, dass die Bundesrepublik Deutschland im Wett-
bewerb mit vergleichbaren Ländern – die Bewertung geht
von 0 bis 10 – an 15. Stelle mit 5,8 liegt. Das ist eine Tat-
sache. Das ist ein Bericht der Bertelsmannstiftung aus
dem Jahr 2000. Hätten wir nicht die demographische Ent-
wicklung, hätten wir gar keine Entlastung. Denn es gibt
keinen Millimeter Bewegung bei der Beschäftigung – das
ist das Entscheidende –


(Beifall bei der CDU/CSU)

und auch nicht in der Arbeitslosenzahl. Da der Generatio-
nenvertrag aber letztlich von der Beschäftigungslage bzw.
der Zahl der Arbeitslosen abhängig ist, gilt das Versiche-
rungsprinzip in jeder Hinsicht: bei der Gesundheit, bei der
Rente, bei der Arbeitslosenversicherung und auch bei der
Pflege.

Hinzu kommt, Herr Staatssekretär – hier beißt keine
Maus den Faden ab –, dass Sie bei dieser Lage, die sich
im finanziellen Bereich bei der Bundesanstalt für Arbeit
durchaus positiv darstellt, hergehen und verlagern:
Langzeitarbeitslosenprogramm mit 750 Millionen DM,
Strukturanpassungsprogramm Ost mit 1,7 Milliar-
den DM. Sogar die 2 Milliarden DM für das JUMP-Pro-
gramm verlagern Sie aus dem Bundeshaushalt, der durch

alle Steuerzahler finanziert wird, in den Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit, der durch die Beitragszahler fi-
nanziert wird.

Ich stelle mir vor, dass hier die Redner Andres, Dreßler
und Schreiner stehen und so argumentieren, wie sie es
seinerzeit taten, als es darum ging, die versicherungs-
fremden Leistungen aus den Versicherungssystemen he-
rauszuhalten.


(Renate Rennebach [SPD]: Das haben wir doch gemacht!)


– Ja, das haben wir gemacht.

(Renate Rennebach [SPD]: Ihr habt es ver sucht, wir haben es gemacht!)

– Sie wissen genau, dass Sie jetzt wieder mit 4,4 Milliar-
den DM die Arbeitslosenversicherung belasten. Sie gehen
sogar mit der aktiven Arbeitsmarktspolitik in den Haus-
halt der Bundesanstalt, wodurch Sie die Beitragszahler
mit weiteren 5 Milliarden DM belasten. Die alte Regie-
rung hatte diese Maßnahmen zu Recht in den allgemeinen
Haushalt eingestellt.

Noch einmal zur Vergangenheit: Es gab in den
16 Jahren unserer Regierung wirklich einen beträchtli-
chen Anstieg der Beschäftigtenzahl. Als wir die wirk-
same Steuerreform 1986/90 durchführten, ist die Zahl
der Beschäftigten in der alten Bundesrepublik von 26Mil-
lionen auf 29 Millionen erhöht worden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Jeder weiß, dass dann die Wiedervereinigung kam; wir
sollten uns hier nichts vormachen. Wer wollte sich zu je-
ner Zeit den Problemen verschließen? Wir haben diese
Probleme gemeinsam gelöst; Sie, Frau Jäger, haben es ge-
rade noch einmal zum Ausdruck gebracht. Es ist im
Grunde genommen schon ein Trick, jene Probleme der al-
ten Bundesregierung anzulasten.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412326000
Herr Kollege
Schemken, Sie müssen jetzt leider zum Schluss kommen.


Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1412326100
Wir werden das nicht
mitmachen und deshalb darauf bestehen, dass die Bei-
träge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden, da-
mit die Lohnnebenkosten sinken. Nur so entstehen neue
Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412326200
Für die SPD-Frak-
tion spricht die Kollegin Andrea Nahles.


Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1412326300
Herr Präsident! Meine Kolle-
ginnen und Kollegen! Haben wir wirklich gemeinsam das
Ziel, die Arbeitslosigkeit auf Dauer zu senken? Wenn ich
mir diese Debatte anhöre, bekomme ich Zweifel. Was be-
treiben Sie denn mit dieser Debatte? Zum einen erzeugen
Sie bewusst falsche Hoffnungen bei den Beitragszahlern,


(Renate Rennebach [SPD]: Richtig!)





Heinz Schemken
11816


(C)



(D)



(A)



(B)


zum anderen verunsichern Sie die Leistungsempfänger
der aktiven Arbeitsmarktpolitik.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wieso das denn?)

– Ja, natürlich. Zum Dritten entziehen Sie den Arbeitsäm-
tern das, was sie am dringendsten brauchen, nämlich eine
langfristige Perspektive für ihre Planungen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Was sagen Sie denn dazu, dass das JUMP-Programm jetzt vom Beitragszahler finanziert wird?)


Das alles machen Sie im alten Stil: rein in die Kartof-
feln, raus aus den Kartoffeln. Sie haben in der Vergan-
genheit die Arbeitsmarktspolitik immer dann vernachläs-
sigt, wenn keine Wahlen vor der Tür standen, und sie
kurzfristig verstärkt, wenn Wahlkampf war. Dieser Politik
haben wir ein Ende gesetzt.


(Beifall bei der SPD – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Der Beitragszahler ist eine Melkkuh!)


Wir haben zwei Ziele. Wir werden einerseits die allge-
meine Arbeitslosigkeit weiter absenken; ich bin da sehr
optimistisch. Andererseits werden wir jene Kontinuität
und klare Linie beibehalten, die wir mit der Verstetigung
der Arbeitsmarktpolitik in den letzten zwei Jahren schon
bewiesen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will Ihnen Folgendes ganz klar sagen: Sie reden die
Erfolge herunter. Aber allein im letzten Monat sind 96 000
Menschen weniger arbeitslos gewesen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ja, klasse! Das haben aber nicht Sie gemacht!)


Wir haben uns ganz konkret um benachteiligte Gruppen
gekümmert. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen – ein Sor-
genkind von uns allen – ist, wie Walter Riester heute im
Ausschuss berichtet hat, durch unsere zielgruppenorien-
tierte Schwerpunktsetzung im letzten halben Jahr um
180 000 zurückgegangen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dann haben wir das Programm zur Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit aufgelegt. Im Westen haben wir es
geschafft, die Jugendarbeitslosigkeit um 17 Prozent abzu-
bauen. Besonders viel Freude macht mir, dass wir das ein-
zige Land in Europa sind, in dem junge Frauen in gerin-
gerem Maße, nämlich um 1 Prozent weniger, als junge
Männer arbeitslos sind. In allen anderen europäischen
Ländern sind junge Frauen mehr, zum Teil um 10 Prozent
mehr, von Jugendarbeitslosigkeit betroffen. Das ist ge-
zielte Arbeitsmarktpolitik, die wir fortführen werden.

Aber – jetzt kommen wir zu dem entscheidenden
Punkt –: Leider können wir keine Entwarnung geben. Ich
habe von den Erfolgen gesprochen. Doch trotz unserer
Bemühungen ist die Jugendarbeitslosigkeit im Osten be-
dauerlicherweise um 9 Prozent gestiegen. In der mittleren
Altersgruppe besteht die Tendenz zur Verfestigung der
Arbeitslosigkeit. Wer jetzt im Rahmen unserer Arbeits-

marktpolitik auf die Bremse tritt und nicht durchstartet,
der nimmt die Verfestigung von Arbeitslosigkeit bewusst
in Kauf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist die Quintessenz Ihrer Forderungen.
Ich muss sagen: Mein Verständnis für die Opposition

hält sich wirklich in Grenzen.

(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Dann sind wir auf dem richtigen Weg!)

Wir setzen unsere klare Linie fort. Wir werden die Bei-
tragssätze erst dann senken, wenn wir es verantworten
können.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412326400
Ich erteile dem Kol-
legen Johannes Singhammer, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1412326500
Herr Präsi-
dent! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Lohn-
nebenkosten müssen jetzt gesenkt werden, nicht irgend-
wann einmal.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Und die Arbeitslosenzahlen nach oben, nicht?)


Bei der Arbeitslosenversicherung besteht ein Spielraum
in Höhe von einem halben Prozent.


(Peter Dreßen [SPD]: Sie hat Ihnen doch erklärt, warum! Sie müssen einmal die Ohren aufmachen!)


Nehmen Sie nicht immer wieder einen langen Anlauf – in
Ihren Wahlprogrammen kündigt der Bundeskanzler die
Senkung der Lohnnebenkosten an –, sondern springen Sie
endlich! Herr Staatssekretär Andres, ich erkläre Ihnen,
warum Sie es gefahrlos tun können. Lehnen Sie sich ein-
mal entspannt zurück


(Andrea Nahles [SPD]: Der ist überhaupt nicht unentspannt!)


und stellen Sie sich Folgendes vor: Am 12. Oktober des
Jahres 2000 starten Sie, Ihr Arbeitsminister Riester und
der Bundeskanzler in die Toskana. Sie bleiben dort ein
Jahr, bis zum 12. Oktober des Jahres 2001.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Lassen Sie sie bis 2002 da! Das ist viel besser!)


Sie verbringen dort den Herbst und das Frühjahr; Sie ge-
nießen den Sommer, trinken Wein, rauchen eine Zigarre,
lehnen sich zurück und erfreuen sich Ihres Lebens – eine
schöne Vorstellung. Dann kommen Sie am 12. Oktober
des Jahres 2001 zurück. Ich garantiere Ihnen Folgendes:
Die Zahl derjenigen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung
stehen, ist um mindestens 230 000 geringer geworden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist das!)





Andrea Nahles

11817


(C)



(D)



(A)



(B)


Warum ist das so? Das liegt daran, dass immer mehr
Menschen in Deutschland beschlossen haben, keinen
Nachwuchs zu bekommen. Es werden immer weniger
Kinder geboren,


(Peter Dreßen [SPD]: Herr Singhammer, das glauben Sie doch selber nicht, was Sie da erzählen!)


und die nachfolgende Generation wird – das steht schon
jetzt fest – um ein Drittel kleiner als die jetzige Genera-
tion sein. Aus diesem Grund wird sich der Arbeitsmarkt
weiter entspannen. Das geschieht völlig unabhängig von
Ihrer Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Peter Dreßen [SPD]: Herr Singhammer, Sie sollten nicht mit dem Kehlkopf, sondern mit dem Kopf reden!)


Weil die Zahl der Arbeitslosen ohne Ihr Zutun geringer
wird, Herr Kollege Dreßen, werden natürlich auch weni-
ger Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung notwen-
dig. Es ist klar: Weniger Arbeitslose bedeuten weniger
Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist logisch!)

Der Spielraum, der sich damit eröffnet, ist beträchtlich.

Die Kollegen haben hier schon eine Reihe von Gründen
benannt. Die wichtigsten möchte ich wiederholen, um
Ihnen zu zeigen, welche Möglichkeiten Sie haben:
100 000 Arbeitslose bedeuten, gesamtvolkswirtschaftlich
betrachtet, 3 Milliarden DM weniger. Schon im laufenden
Jahr hätte die Bundesanstalt für Arbeit, wenn sie genau
rechnete, den Zuschuss von 7 Milliarden DM gar nicht
nötig; vielmehr benötigte sie nur einen Zuschuss von
3 Milliarden DM.


(Peter Dreßen [SPD]: Ihre Rechenart hat zu 1,5 Billionen Schulden geführt!)


Gleichzeitig werden die Einnahmen auch in diesem und
im nächsten Jahr um 2,5 bis 4 Milliarden DM steigen.

Was macht die Bundesregierung nun mit diesem Geld-
segen? Das Geld wird nicht denjenigen zurückgegeben,
die einen Anspruch darauf haben, nämlich den in der Ar-
beitslosenversicherung Versicherten; stattdessen werden
die eingezahlten Beiträge zur Ausgabenersparnis des
Herrn Eichel verwandt. Die Versicherten sind die Duka-
tenesel des Herrn Eichel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Susanne Kastner [SPD]: So ein Quatsch!)


Da sind die 2 Milliarden DM aus dem Programm JUMP.
Da sind die 750 Millionen DM aus dem Langzeitarbeits-
losenprogramm, und ab dem kommenden Jahr kommen
Gelder aus dem Strukturanpassungsprogramm Ost dazu.

Der Kumpel, der sich jetzt krumm legt und in die
Arbeitslosenversicherung einzahlt, zahlt letztendlich eine
Art Zusatzsteuer an Herrn Eichel, weil dieser die eigent-
lich notwendigen Zahlungen aus dem Steuersäckel nicht
herausrückt. Das ist es!


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Das ist blanker Unsinn!)


Deshalb sage ich Ihnen, Herr Andres: Geben Sie den
27,7 Millionen Versicherten die Beiträge zurück, die ih-
nen gehören. Sie gehören nicht Ihnen, sondern den Versi-
cherten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich garantiere Ihnen eines: Sie werden die Ökosteuer

nicht durchhalten.

(Dirk Niebel [F.D.P.]: Abkassierer!)


Der Fraktionsvorsitzende Merz hat Ihnen eine entspre-
chende Wette angeboten. Ich könnte Ihnen bezüglich der
Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ge-
nauso eine Wette anbieten. Sie werden die Arbeitslo-
senversicherungsbeiträge senken, aber Sie wollen es erst
im Jahre 2002 als Wahlgeschenk tun. Machen Sie es jetzt!
Setzen Sie es schon im kommenden Jahr um! Das ist sau-
ber und gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Das war eine dumme Rede!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412326600
Nun spricht für die
SPD-Fraktion der Kollege Walter Hoffmann.


Walter Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1412326700
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich
denke, es gibt für uns alle heute Anlass zur Freude. Wir
haben in der Tat eine neue Qualität der Diskussion. Jahre-
lang diskutierten wir über eine Erhöhung der Beiträge zur
Sozialversicherung. Jahrelang diskutierten wir über eine
Kürzung von Leistungen bzw. eine Einschränkung von
Leistungen. Heute sind wir aufgrund der günstigen Situa-
tion am Arbeitsmarkt in der Lage, endlich über eine Sen-
kung von Beiträgen zu diskutieren. Das hat doch für uns
alle eine neue Qualität, und das ist auch gut so.


(Beifall bei der SPD)

Sie wissen, dass sich seit unserem Regierungsantritt in

der Tat einiges positiv verändert hat. Die Arbeitslosenzahl
im September 1998 betrug 3,9 Millionen, heute sind es
3,684 Millionen. Die Quote sank von 10,3 Prozent auf
9 Prozent – ein Minus von 1,3 Prozent. Auch das ist un-
term Strich eine erfreuliche Entwicklung.

Ihnen, Herr Schemken, möchte ich eines noch einmal
sagen, weil ich schon sehr genau darauf achte, ob in den
Zahlen der Erwerbstätigen bzw. der sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigten auch die geringfügig Beschäftig-
ten mit enthalten sind. Fakt ist: Bei den Erwerbstätigen
haben wir 0,5 Millionen mehr als vor einem halben Jahr;
es sind nun 38,55 Millionen Erwerbstätige.


(Dr. Bernd Protzner [CDU/CSU]: Inklusive 630-Mark-Beschäftigte!)


Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben
wir eine Steigerung auf 27,9 Millionen – ohne die 630-
Mark-Versicherungsverhältnisse – zu verzeichnen. Auch
das sind 0,5 Millionen mehr.


(Widerspruch bei der F.D.P. – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist falsch aufgeschrieben worden!)





Johannes Singhammer
11818


(C)



(D)



(A)



(B)


Auch das ist eine erfreuliche Entwicklung. Wir sind hier
wirklich auf einem guten Weg.

Sie haben es nicht geschafft – das muss man einfach
objektiv festhalten; ich bewerte das zunächst gar nicht –,
während Ihrer Regierungszeit den Arbeitslosenbeitrag zu
senken. Von daher habe ich volles Verständnis dafür, dass
es für Sie reizvoll ist, endlich in eine Diskussion über Bei-
tragssenkungen einzutreten, nachdem Sie allein den Ar-
beitslosenbeitrag seit 1982 insgesamt viermal erhöht ha-
ben. Zu Beginn im Jahre 1982 – auch da müssen wir
einfach noch einmal die Fakten benennen – betrug er
4 Prozent; heute sind es 6,5 Prozent.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das wichtigste Faktum verschweigen Sie jetzt aber!)


– Darauf komme ich jetzt zu sprechen, Frau Schwaetzer. –
Entscheidend ist: Auch vor der Wiedervereinigung haben
Sie es nicht geschafft, den Beitragssatz unter den zu Be-
ginn Ihrer Regierungszeit gültigen Wert zu senken.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


– Schauen Sie es doch einmal genau nach.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Aber wir ha ben nach 1990 gesenkt!)

Ich erinnere noch einmal an die fatale Entwicklung der

Lohnnebenkosten: 1982 lagen sie bei 34 Prozent, 1998 bei
43 Prozent. Ich bin sicher, dass es uns gemeinsam gelin-
gen wird, auch in der Arbeitslosenversicherung eine Sen-
kung des Beitragssatzes unter den zu Beginn unserer Re-
gierungszeit gültigen Wert zu bewerkstelligen.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Aha! Nur im Wahljahr wollen Sie es machen!)


Der entscheidende Unterschied zwischen uns und Ih-
nen besteht darin, dass wir diese Änderungen erst dann
vornehmen, wenn sie solide und seriös finanzierbar sind.


(Beifall bei der SPD)

Es wird nichts weiter auf Pump finanziert.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das will keiner!)

Diese Grundsätze durchziehen unsere gesamte Finanzpo-
litik. Auch das hat sich in diesen zwei Jahren positiv ver-
ändert.


(Beifall bei der SPD)

Es gibt einen weiteren Unterschied. Wir haben die

Lohnnebenkosten bereits in zwei Schritten gesenkt. Ich
erinnere an die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge
von 20,3 Prozent auf 19,3 Prozent. Für das Jahr 2001 ist
ein kleinerer Schritt der Senkung vorgesehen, aller Vo-
raussicht nach auf 19,1 Prozent.

Sie führen eine Kampagne gegen die Ökosteuer.

(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Da ma chen wir weiter!)

Wir senken mithilfe der Ökosteuer die Lohnnebenkosten,
um Arbeit zu verbilligen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Schmarren!)


Sie wissen: Eine Rücknahme der Ökosteuer bedeutet eine
höhere Beitragsbelastung, höhere Rentenversicherungs-
beiträge und höhere Lohnnebenkosten.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sie geben es doch gar nicht für die Rentenversicherung aus!)


Sie führen also eine Kampagne für höhere Lohnneben-
kosten, stellen sich aber hier hin und diskutieren die Not-
wendigkeit von Beitragssenkungen.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist doch Quatsch!)


Die Argumentation der Arbeitgeber in diesem Zusam-
menhang ist vielleicht ehrlicher. Sie fordern, genau wie
Sie, eine Senkung des Beitrags.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Der DGB auch!)

Aber sie sagen im gleichen Atemzug, dass dies nur bei ei-
ner Einschränkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik mög-
lich ist.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Habe ich etwas anderes gesagt?)


Genau das wollen wir nicht.

(Beifall bei der SPD)


Wir haben ein klares Konzept: Wir wollen die Arbeits-
marktpolitik auf hohem Niveau, bei 44 Milliarden DM,
verstetigen,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist völlig überdimensioniert!)


wir werden die Lohnnebenkosten zum richtigen Zeit-
punkt senken, wir betreiben forciert einen Rückgang der
Staatsverschuldung und wir werden alle vorhandenen
Ausgaben und Beitragssenkungen seriös finanzieren. Ich
bin überzeugt, dass die Menschen, die Wählerinnen und
Wähler in diesem Land die Ehrlichkeit dieser Politik dau-
erhaft honorieren werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie jetzt „Ehrlichkeit“ gesagt?)


Ich bin auch überzeugt, dass es uns mit diesen Instrumen-
ten gelingen wird, die Lage auf dem Arbeitsmarkt zu ver-
bessern. Dies liegt letztlich in unser aller Interesse.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412326800
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Andreas Storm.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1412326900
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Der Kollege Hoffmann hat eben die
Senkung der Lohnnebenkosten noch einmal als Ziel der
Koalition ausgegeben.


(Andrea Nahles [SPD]: Das machen wir doch!)


Frau Dr. Dückert hat angekündigt, man wolle in dieser
Wahlperiode unter die 40-Prozent-Marke kommen. An




Walter Hoffmann (Darmstadt)


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(C)



(D)



(A)



(B)


Adam Riese führt kein Weg vorbei: Ohne eine Senkung
des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung werden Sie das
nicht schaffen.

Nach den eigenen Zahlen des Bundesarbeitsministers
in seinem Rentenkonzept liegt der Rentenbeitrag im Jahr
2002 nach der Reform bei 19 Prozent. Dass der Beitrag
zur Krankenversicherung unter die13,6 Prozent fällt, die
wir im Moment haben, glaubt die Gesundheitsministerin
selber nicht mehr. Wir haben Defizite in der Pflegeversi-
cherung. Der Beitrag wird bei mindestens 1,7 Prozent
bleiben. Das bedeutet, eine Absenkung des Gesamt-
sozialversicherungsbeitragssatzes unter die 40-Prozent-
Marke ist ohne eine gravierende Absenkung des Beitrags
zur Arbeitslosenversicherung nicht machbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Nun ist die spannende Frage: Warum wollen Sie dies

allenfalls, wenn überhaupt, im Wahljahr machen? Warum
nicht gleich?


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ich finde die Frage gar nicht so spannend! Sie ist doch ganz klar zu beantworten!)


Die Kollegen haben Ihnen geschildert, dass der notwen-
dige Spielraum vorhanden ist.

Es ist die Politik des Arbeitsministers, den Bundeszu-
schuss zur Bundesanstalt für Arbeit wider jede sozial- und
ordnungspolitische Vernunft ersatzlos zu streichen. Der
Kollege Staatssekretär Andres war auch noch stolz darauf.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Traurig, traurig!)


Es war ein anerkannter Grundsatz über die Fraktions-
grenzen hinweg, dass Maßnahmen der Arbeitsförderung
im Bereich von Fortbildung und Umschulung sowie Maß-
nahmen etwa im Bereich der Arbeitsbeschaffung zumin-
dest in Teilen gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind und
deshalb teilweise aus Steuermitteln zu finanzieren sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich darf in Erinnerung rufen, was der heutige sozialpo-

litische Sprecher der SPD-Fraktion, der Kollege Adolf
Ostertag, in der Arbeitsmarktdebatte am 7. November
1996 formuliert hat:

Wir brauchen eine Reform der Arbeitsförderung, die
diesen Namen wirklich verdient.


(Beifall bei der SPD)

Fortschrittlich wäre gewesen, die Arbeitsmarktpoli-
tik auf eine solide Finanzbasis zu stellen. Hierzu
gehört ein stabiler, regelgebundener Bundeszu-
schuss,

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

um die aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen
zu verstetigen


(Andrea Nahles [SPD]: Damals war das ja auch nötig!)


und um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der
Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit zu finanzie-
ren.

Die SPD hat noch im Juni 1997 einen Antrag zur Senkung
der Lohnzusatzkosten eingebracht, in dem sie eine Entlas-
tung der Sozialversicherung von der Finanzierung allge-
mein gesellschaftlicher Aufgaben


(Zuruf von der SPD: Das haben wir doch gemacht!)


durch die Senkung des Beitrages an die Bundesanstalt für
Arbeit um 1 Prozentpunkt vorgeschlagen hat.

Frau Kollegin Dückert, die Grünen haben im April
1997 im Rahmen eines Gesetzentwurfs gefordert – das ist
auch in ihr Wahlprogramm eingegangen –: „Die Finan-
zierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist auf eine weit-
gehende Finanzierung aus Steuermitteln umzustellen.“


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der Koali-
tion: Wie tief sind Sie eigentlich gesunken, es als eine so-
zialpolitische Errungenschaft hinzustellen, dass sich der
Steuerzahler mit keiner einzigen Mark an der Finanzie-
rung des Haushaltes der Bundesanstalt für Arbeit beteili-
gen soll?


(Beifall bei der CDU/CSU)

In Bezug auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat

die Koalition in der Tat kein Ruhmesblatt vorzuweisen.
Der erste Akt begann im vergangenen Jahr, als Walter
Riester die Zahlung an die gesetzliche Rentenversiche-
rung für die Empfänger von Arbeitslosenhilfe um mehr
als die Hälfte reduziert hat. Entgegen Ihren Lippenbe-
kenntnissen bedeutet dies:


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das bedeutet Altersarmut!)


Anstatt die Altersarmut zu bekämpfen, schaffen Sie zum
ersten Mal für diejenigen, die längere Zeit arbeitslos sind,
ein gravierendes Problem hinsichtlich der sozialen Si-
cherheit im Alter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Peter Dreßen [SPD]: Tragen Sie doch die Grundsicherung mit!)


Das ist ein sozialpolitischer Kahlschlag, wie ihn die deut-
sche Sozialpolitik in Jahrzehnten nicht gekannt hat.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist sozialpolitische Kälte!)


Es wird deutlich, dass dem Arbeitsminister jeglicher
sozialpolitischer Kompass fehlt. Sparen ist kein Selbst-
zweck.


(Andrea Nahles [SPD]: Deswegen habt ihr die Wahl verloren!)


Wer im Bundeshaushalt spart und damit Löcher in die So-
zialkassen reißt, wer Beitragszahlern das Geld aus der Ta-
sche zieht – es ist ja nicht das Geld des Finanzministers
oder des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit, Herrn
Jagoda, sondern es sind die schwerverdienten Groschen




Andreas Storm
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der Männer und Frauen, die die Beiträge entrichten, und
der Unternehmen, die die Arbeitgeberanteile zahlen –, der
schadet unserem Land und er schadet damit langfristig
dem Arbeitsmarkt und seiner Entwicklung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412327000
Nun spricht für die
SPD-Fraktion die Kollegin Renate Rennebach.


Renate Rennebach (SPD):
Rede ID: ID1412327100
Sehr verehrter Herr Prä-
sident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte einige Kollegen aus der Opposition zitieren: Herr
Fuchtel hat so etwas noch nie erlebt. Herr Schemken wun-
dert sich, wenn die Arbeitslosenzahlen sinken, und redet
von Tricks. Herr Schauerte sagt, an allem sei die Einheit
Schuld.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sind wir hier im Kabarett?)


Herr Niebel will gar keine Arbeitsmarktpolitik mehr.

(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist überhaupt nicht wahr!)

Herr Singhammer klärt uns auf.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Natürlich! – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Und Herr Storm fordert Beitragssenkungen!)


Wir hatten schon immer das Gefühl, Sie haben 16 Jahre
lang nicht in dieser Republik gelebt. Jetzt weiß ich genau
– Sie haben uns aufgeklärt –, wo Sie gelebt haben: Sie leb-
ten in der Toskana, und zwar allesamt. Die heutige Oppo-
sition hat 16 Jahre in der Toskana gelebt und tut heute so,
als hätte sie mit allem nichts mehr zu tun.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Keiner war so oft dort gewesen wie der Bundeskanzler!)


Wenn Sie nicht mehr weiterwissen, dann sagen Sie, dass
die Einheit Schuld sei. Ich finde, dies ist ein unmögliches
Verhalten.

Ich weiß noch genau, wie ich im Mai 1991 hier im
Reichstag meine erste Rede im Deutschen Bundestag
hielt. Dreimal dürfen Sie raten, worum es ging. Es ging
darum, dass der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit,
Jagoda, die Notbremse gezogen hat, weil die Bundesan-
stalt es sich aufgrund der deutschen Einheit nicht mehr
leisten konnte, die Arbeitsmarktpolitik in den neuen Län-
dern über die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler fi-
nanzieren zu lassen. Dreimal dürfen Sie raten, was die da-
malige Bundesregierung gemacht hat. Sie hat die Beiträge
um 2 Prozentpunkte angehoben.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Damit es nicht so auffällt, haben Sie noch den Griff in die
Rentenkasse gemacht: 1 Prozentpunkt weniger Renten-
versicherungsbeiträge.

Sie haben also ab April 1991 den Beitrag von 4,3 Pro-
zent auf 6,8 Prozent angehoben, weil wir eine sehr hohe

Arbeitslosigkeit hatten, die es zu bewältigen galt – selbst-
verständlich.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Aha!)

Diese Arbeitslosigkeit betrug in Gesamtdeutschland
7,3 Prozent, 6,3 Prozent im Westen und 10,3 Prozent im
Osten.

Sie haben damals einen Haushalt von knapp 72 Milli-
arden DM gehabt. Heute beträgt er 100 Milliarden DM.
Noch heute beträgt dank Ihrer freundlichen Senkung der
Sozialleistungen, die Sie uns in den letzten Jahren Ihrer
Regierung, in der Zeit, in der sich die Arbeitslosigkeit ver-
doppelt hat, beschert haben,


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Haben Sie die rückgängig gemacht? Davon habe ich nichts mitbekommen!)


die Arbeitslosenrate in Westdeutschland 7,2 Prozent und
in Ostdeutschland 16,6 Prozent.

Das gilt es zu ändern. Wir wollen stabile Arbeitsmarkt-
zahlen in West- und Ostdeutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen eine Arbeitsmarktpolitik, die ihren Namen
auch verdient, die Arbeit schafft. Wir wollen die Arbeits-
losigkeit verringern. Sie verunsichern die Beitragszahle-
rinnen und Beitragszahler lediglich mit Ihrem Gedöns
über Prozentherauf- und -herabsetzungen. Wir arbeiten
aktiv und werden es weiter tun.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Den Arbeitnehmern das Geld zu lassen, das sie verdient haben, ist doch keine Verunsicherung!)


Wenn Sie, Herr Singhammer, in den nächsten Jahren in
die Toskana führen, dann würde mich das sehr freuen.
Denn dann müssten wir uns nicht mehr anhören, was
Adam Riese und Eva Zwerg bei Ihnen alles falsch ge-
macht haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wenn Sie mir den Urlaub zahlen, mache ich es!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412327200
Als letzter Redner in
der Aktuellen Stunde spricht für die CDU/CSU-Fraktion
der Kollege Dr. Bernd Protzner.


(Renate Rennebach [SPD]: Der sieht auch braun aus, finde ich! Der war auch in der Toskana!)



Dr. Bernd Protzner (CSU):
Rede ID: ID1412327300
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Frau Rennebach, Sie müssen
sich entscheiden, was Sie tun. Die SPD hat – ungeachtet
der Wirklichkeit – ihre Arbeitsmarktpolitik der letzten
Monate so sehr gelobt, dass die Arbeitnehmer bei uns im
Land jetzt sagen: Jetzt muss die Konsequenz kommen;




Andreas Storm

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jetzt müssen die Beiträge gesenkt werden. – Sie werden
von Ihrem Selbstlob eingeholt; das ist Ihr Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

In der Tat ist es so, dass Sie sich entscheiden müssen:

Betreiben Sie eine Versicherungskasse oder betreiben Sie
eine Sparkasse? – Herr Staatssekretär Andres, ich ver-
stehe, dass Sie Reserven haben wollen, auf die man bei
Gelegenheit zurückgreifen kann. – Oder betreiben Sie gar
eine andere Form von Kasse, eine Verschiebekasse zu-
gunsten Herrn Eichels und seines Bundeshaushaltes?

Ich kann mich an die jahrelangen Diskussionen über
versicherungsfremde Leistungen in der Rentenversiche-
rung hier im Hause erinnern. Die haben wir abfinanziert;
die haben wir über die Steuerkasse übernommen.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie? Das ist wohl der größte Witz!)


Ständig werden nun aber den Beitragszahlern in der Ar-
beitslosenversicherung neue versicherungsfremde Leis-
tungen aufgebürdet. Das muss ein Ende haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Beitragszahler empfinden die heutigen Beiträge

aufgrund der zu hohen Punkte als Strafzahlung, als Straf-
kasse. Das muss ein Ende haben. Übrigens hat das Ihr
Bundeskanzler angekündigt. Er hat gesagt, er wolle die
Arbeitskosten, die Lohnnebenkosten senken. Ich bin si-
cher, dass er Sie dazu bringen wird. Spätestens dann,
wenn die nächsten Wahlen näher rücken, wird eine Sen-
kung erfolgen.

Sie muss auch erfolgen. Mittlerweile geben wir in die-
sem Bereich pro Jahr 100 Milliarden DM aus. Wir müs-
sen uns entscheiden, ob wir eine Staatswirtschaft wollen,
in der Bürokraten bzw. Verwaltungen entscheiden, ob Ar-
beitsplätze entstehen, oder ob wir eine soziale Marktwirt-
schaft haben wollen, in der die Marktkräfte gestärkt wer-
den und Arbeitnehmer und Personalleiter entscheiden, wo
sie arbeiten und wo Arbeitsplätze entstehen. Dafür müs-
sen Mittel zur Verfügung gestellt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf der Abg. Renate Rennebach [SPD])


– Frau Rennebach, erzählen Sie doch einmal den Arbeit-
nehmern, warum sie 130 DM oder bis zu 250 DM mehr,
als es erforderlich ist, in die Arbeitslosenversicherung
zahlen müssen.


(Renate Rennebach [SPD]: Wo denn?)

Wenn wir den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um
0,5 Prozent absenken würden, ergäbe sich im Durch-
schnitt ein Betrag von 130 DM, den ein Arbeitnehmer we-
niger zu zahlen hätte.


(Renate Rennebach [SPD]: Das ist reine Komik oder Frechheit, was Sie hier von sich geben! Reine Komik!)


Wenn man konsequent vorgehen würde und das Zwei-
Stufen-Modell des Kollegen Fuchtel umsetzen würde,
dann ergäbe sich ein Betrag von 260 bis 400 DM, den ein

Arbeitnehmer mehr zur Verfügung hätte. Umgekehrt wäre
auch bei den Unternehmen mehr Geld für neue Investi-
tionen und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorhan-
den.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Alles Abzocker!)

Ich kann Ihnen nur sagen: Der Druck wird steigen. Sie

selber werden angesichts der anstehenden Wahlen unter
Druck geraten. Ich kann Sie nur auffordern: Entscheiden
Sie sich jetzt für eine Beitragssenkung! Zögern Sie die Sa-
che nicht hinaus! Die Bürger brauchen dieses Geld drin-
gend. Sie werden ja von Ihnen in anderen Bereichen, zum
Beispiel im Rahmen der Ökosteuer, sehr stark belastet.
Geben Sie den Arbeitnehmern das zurück, was ihnen
gehört, und lassen Sie es nicht beim Staat und bei der Bun-
desanstalt für Arbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412327400
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.

Ich rufe nunmehr Zusatzpunkt 2 auf:
Vereinbarte Debatte
zur Situation in Jugoslawien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Das Haus ist damit
einverstanden.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort zunächst
dem Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412327500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Er-
eignissen vom vergangenen Donnerstag und dem Sturz
von Milosevic, mit der friedlichen, demokratischen und
freiheitlichen Revolution in Belgrad ist, so können wir
feststellen, der letzte Teil einer kommunistischen Diktatur
mit zehnjähriger Verspätung gefallen, sind die Ereignisse
von 1989/90 auch dort nachgeholt worden.

Allerdings: Es handelt sich hier um einen tragischen,
einen blutigen Umweg, den Serbien unter der Diktatur
Milosevics genommen hat. Mit dem Auseinanderbrechen
Jugoslawiens kam es zu vier Kriegen, für die Milosevic
die Verantwortung zu tragen hat: in Slowenien, in Kroa-
tien, in Bosnien-Herzegowina und schließlich im Kosovo.
Solange nicht eingegriffen wurde, solange man Milosevic
nicht in den Arm gefallen ist, hat er weitergemacht, sodass
wir als Ergebnis dieser Kriege heute feststellen müssen:
Es gab mehr als 300 000 Tote, Millionen von Flüchtlingen
haben ihre Heimat verloren, es ist unsägliches Leid über
die Menschen gebracht worden.

Das Eingreifen war richtig und es war notwendig.
Wenn man etwas kritisieren kann, dann nicht, dass es
stattgefunden hat, sondern eher, dass es zu spät gekom-
men ist. So sehr ich die Argumente dagegen verstehe,
möchte ich doch einen Augenblick zurückblicken und fra-
gen, wo wir heute stünden, wenn wir ihnen gefolgt wären.
Es hätte garantiert nicht einen Sieg der Demokratie in Bel-
grad gegeben und damit die große Chance, die Kriege auf




Dr. Bernd Protzner
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dem Balkan dauerhaft zu beenden und eine nachhaltige
Friedensordnung zu schaffen, die es ermöglicht, diesen
Teil Europas an das Europa der Integration aufschließen
zu lassen, ihn heran- und eines fernen Tages auch hinein-
zuführen, sondern wir stünden vor einer weiteren Eskala-
tion von Gewalt, von Terror, von Krieg.

Deswegen, meine Damen und Herren: So schwer uns
diese Entscheidung auch gefallen ist, sie war richtig. Es
war hohe Notwendigkeit, der großserbischen Politik
Milosevics, die auf Krieg, auf Vertreibung, auf Terror, auf
Massenvergewaltigungen setzte, im Kosovo Einhalt zu
gebieten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte bei diesem kurzen Rückblick aber auch
nochmals betonen, dass die deutsche Politik im Kosovo-
Krieg – ich möchte mich bei allen hier im Haus bedanken,
die diese Politik unterstützt haben – von Anfang an darauf
gesetzt hat, dass wir zu einem nachhaltigen, zu einem dau-
erhaften Frieden kommen. Unter der deutschen Präsi-
dentschaft haben wir den Fünf-Punkte-Plan entwickelt,
der dann in der Petersberger Vereinbarung umgesetzt
wurde. Auf dem Kölner Gipfel wurden alle wesentlichen
Elemente der Resolution 1244, die heute die Grundlage
der Politik gegenüber dem Kosovo darstellt und insofern
auch Grundlage für die Beendigung des Krieges im Ko-
sovo war, entwickelt. Dass Russland wieder ins Boot ge-
holt wurde, war eine Initiative von Bundeskanzler
Schröder im Rahmen der deutschen Präsidentschaft.

Wir haben eine Politik entwickelt, die präventiv tätig
werden will, das heißt, die vermeiden will, dass solche
Konfliktpotenziale überhaupt noch zur Explosion kom-
men können respektive dass solche verbrecherischen
Ideologien Unterstützung finden. Diese Politik hat uns
dazu gebracht, die Idee des Stabilitätspaktes zu ent-
wickeln und den Stabilitätspakt dann mit der Unterstüt-
zung unserer Partner tatsächlich als zentrales Element
präventiver Politik und einer nachhaltigen Friedensord-
nung auf dem Balkan ins Leben zu rufen und umzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Genau dort müssen wir jetzt ansetzen. Wir haben uns
in all den Monaten seit dem Ende des Kosovo-Krieges en-
gagiert: in der Stärkung der demokratischen Opposition,
in der Stärkung der zivilgesellschaftlichen Selbsthei-
lungskräfte. Ich möchte allen politischen Stiftungen, die
sich daran beteiligt haben, und all denen, die sich bei der
Städtepartnerschaft in der Bundesrepublik Deutschland
und bei den kritischen Medien engagiert haben, herzlich
danken; denn über Monate hinweg waren dies entschei-
dende Beiträge für den Sieg der Demokratie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)


Daran ist nichts geheim gewesen. Jetzt kann man lesen,
das wäre geheim gewesen. Dazu kann ich Ihnen nur sa-
gen: Viele hat das nicht interessiert,


(Karl Lamers [CDU/CSU]: So ist es!)


aber es ist alles auf dem offenen Markt geschehen. An die-
ser ganzen Sache gab es nichts Geheimes.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das macht es nicht besser!)


– Den Zwischenruf „Das macht es nicht besser“ muss ich
doch zu Protokoll geben. Sie finden es falsch, dass wir uns
aufseiten der demokratischen Opposition engagiert ha-
ben?


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Überhaupt nicht, Herr Kollege Fischer!)


– Gut, dann legen wir es ad acta. Das hätte mich sonst
auch erstaunt, Herr Gehrcke.

Es war von entscheidender Bedeutung – ich möchte Sie
daran erinnern, wie wichtig das im Übergangsprozess von
der Franco-Diktatur oder der Salazar-Diktatur zur Demo-
kratie war –, dass sich die Demokraten engagiert haben.
Ich sehe darin keine Einmischung von außen.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben es getan, um die Demokratie zum Sieg zu
führen; umso mehr müssen wir es jetzt tun, um diesen
Prozess, der mitnichten gefestigt ist, erfolgreich zur Kon-
solidierung bringen zu können, damit sich die Demokra-
tie in Serbien dauerhaft durchsetzen kann.

Die Europäische Union hat dazu erste Schritte mit der
Aufhebung des Öl- und Flugembargos und den ersten An-
sätzen zur Herstellung normaler Wirtschaftsbeziehungen
getan. Ich denke, das ist entscheidend, auch wenn die
Frage der Kontrolle und des Einfrierens der Konten von
Milosevic und seiner engeren Gefolgschaft noch nicht ge-
klärt ist. Auch der Visabann sollte noch nicht aufgehoben
werden.

Aber wir müssen zügig vorankommen. Wir müssen
den Stabilitätspakt dafür einsetzen. Die Europäische
Union muss ihre Entscheidungen treffen. National haben
wir unsere Entscheidungen getroffen und sind bereit, uns
etwa bei der Räumung der Donau wie auch bei anderen
Infrastrukturprojekten, bei humanitären Projekten, bei der
Stärkung demokratischer Institutionen und beim Aufbau
einer demokratischen Struktur zu engagieren. Wir wollen
uns wie früher einbringen, um die Beziehungen zwischen
unserem Land und Serbien wieder positiv zu gestalten.

Wir sind auch bereit, Serbien mit offenen Armen wie-
der in die Völkergemeinschaft aufzunehmen und auf dem
Weg nach Europa positiv zu begleiten. Allerdings hat die
Konsolidierung der Demokratie jetzt Vorrang. Die
Gerechtigkeitsfrage und der Aspekt derjenigen, die
schwerste Schuld auf sich geladen haben – 300 000 Tote
wiegen schwer –, werden auf Dauer nicht ausgeblendet
werden können. Auch das ist eine Frage der Selbstreini-
gung. Gerade wir wissen, wovon die Rede ist. Das ist eine
Frage der inneren Stabilität der Demokratie. Auch wenn
sie jetzt nicht vorrangig ist – die Konsolidierung der de-
mokratischen friedlichen Veränderungen muss Vorrang
haben –, wird diese Frage auf der Tagesordnung bleiben;
denn Gerechtigkeit muss sich durchsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Bundesminister Joseph Fischer

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Meine Damen und Herren, Europa und im Rahmen des
Stabilitätspaktes auch unser Partner Russland sowie die
USA, Japan und andere, aber auch die Bundesrepublik
Deutschland sind bereit, das Ihrige dazu beizutragen. Wir
müssen uns allerdings davor hüten, dass jetzt ein Serbien-
zuerst-Eindruck entsteht. Wir brauchen einen regionalen
Ansatz, der allen am Stabilitätspakt Beteiligten hilft.

Dass sich die Demokratie in Belgrad durchsetzt, ist die
entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir dauerhaften
Frieden auf dem Balkan schaffen können. Der westliche
Balkan ist eine Region Europas. Wenn wir hier über den
Sieg der serbischen Revolution und seine Konsequenzen
diskutieren, müssen wir wissen, dass der westliche Bal-
kan Teil einer europäischen Gesamtverantwortung ist. Es
handelt sich nicht de jure um einen Erweiterungsprozess
der Europäischen Union, aber de facto ist es ein Bestand-
teil dieses Prozesses.

Diese Region muss an das Europa der Integration he-
rangeführt und aus dem Zeitalter der Kriege und der na-
tionalistischen Verblendung und des nationalistischen
Hasses herausgeführt werden. Sie wird Bestandteil dieser
Anstrengung hinsichtlich des gesamteuropäischen Verei-
nigungsprozesses in einem Europa, das über fünf Jahr-
zehnte hinweg geteilt war. Gerade das wiedervereinigte
Deutschland trägt hier eine besondere Verantwortung.

Mit dem Sieg der Demokratie in Belgrad haben wir
jetzt die große Chance, dazu beizutragen, dass sich diese
wirklich unumkehrbar konsolidiert, dass sich die Demo-
kratie durchsetzt. Es besteht die große Chance, dafür zu
sorgen, dass auch die letzte kommunistische Diktatur der
Vergangenheit angehört. Wir haben die große Chance,
dazu beizutragen, dass es mit den blutigen Morden auf
dem Balkan, mit den Balkankriegen, ein Ende hat. Wir ha-
ben die große Chance, Demokratie in einem sich vereini-
genden Europa zu schaffen, wenn wir uns der Herausfor-
derung, die die Erweiterung dieses Europas an uns stellt,
gerecht erweisen.

Deswegen wird es notwendig sein, dass wir uns nicht
nur materiell engagieren, sondern dass wir zusammen mit
unseren Partnern dauerhaft mit der Bundeswehr, aber
auch mit zivilen Kräften in der Region präsent sind, so-
lange dies notwendig ist.

Frieden setzt voraus, dass Vertrauen geschaffen wird.
Vertrauen wird nur wachsen, wenn Sicherheit gewährleis-
tet ist und gleichzeitig die Wahrheit ausgesprochen wird.
Sie ist die Grundlage der Versöhnung und Versöhnung ist
die Grundlage, auf der der Frieden steht. Dies werden
noch sehr schmerzhafte Prozesse. Dies setzt voraus, dass
wir uns dauerhaft und langfristig engagieren. Aber die
Chance, die wir jetzt haben, nämlich in diesem Europa
dauerhaft Frieden zu schaffen, ist diesen Einsatz wert.

Ich bedanke mich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412327600
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Christian Schmidt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1412327700
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Ein Bürgerkrieg löst heute keine einzige Frage. Es
käme nur zu Massakern, wie während des Zweiten
Weltkrieges zwischen serbischen Tschetniks und
kroatischen Ustaschen. Da könnte Europa nicht ruhig
zusehen.

– Der wohl bekannteste jugoslawische Dissident,
Milovan Djilas, hat diese Sätze in seinen späten Jahren
nach dem Zusammenbruch des Tito-Jugoslawiens gesagt.
Wie Recht er doch hat und wie gut es doch ist, dass es bei
dieser – lassen Sie mich es so sagen – Halbrevolution in
den letzten Tagen in Serbien keinen Bürgerkrieg zwischen
verschiedenen Lagern gegeben hat, so wie wir ihn viermal
in der letzten Dekade erleben mussten. Dies muss zual-
lererst gesagt werden.

Der Dank geht an alle besonnenen Kräfte, auch an die,
die dem System Milosevic gedient haben und erkannt ha-
ben, dass das letzte Aufbäumen, die letzte Agonie einer
Diktatur, einer Autokratie, nicht auch noch zu einem Blut-
vergießen im eigenen Volk führen darf. Auch denen will
ich für diese eine Einsicht danken.

Europa kann hierüber zwar erfreut sein, aber nicht ru-
hig zusehen. Unser Handeln und Abwägen ist gefordert.
Deswegen ist es auch gut, dass wir über die Situation in
Jugoslawien so kurz nach den dramatischen Ereignissen
dort diskutieren, in einer Zeit, in der wir – hier stimme ich
Ihnen zu – natürlich noch nicht von einer Konsolidierung
des Prozesses ausgehen können. Die Nachrichten des
gestrigen und heutigen Tages über das Verhalten der noch
immer Milosevic-orientierten Mehrheit im serbischen
Parlament sprechen Bände hinsichtlich der Schwierigkeit,
eine Regierung zustande zu bringen. Ich hoffe, dass uns in
den nächsten Tagen und Wochen nicht noch mehr Schwie-
rigkeiten in dieser Richtung ins Haus stehen.

In Wahrheit erleben wir die Agonie der letzten stalinis-
tischen Bastion Europas. Spät, zehn Jahre nach dem Fall
der Mauer in Berlin, fällt auch dieses System in sich zu-
sammen. In Wahrheit sind mit dem Zusammenbruch des
Reiches von Milosevic auch ideologische Fantasien end-
gültig beerdigt worden, die in früheren Jahren, was Jugo-
slawien betrifft, bei uns sehr viel Sympathie gefunden hat-
ten. Ich will an diesem Tag schon noch einmal erwähnen,
was alles Rühmendes über das Modell der jugoslawischen
Gesellschaft, der Arbeiterselbstverwaltung, der Block-
freiheit, in linken Studierstuben geschrieben und geäußert
worden ist. Wie kläglich hat dieses Modell jetzt – wenn
man ein Bild nehmen möchte – geendet: mit der Flucht
des letzten Hauptschmarotzers, des Sohnes von
Milosevic, nachdem er das Günstlingssystem in diesem
Wirtschaftsmodell nicht mehr fortsetzen konnte.

Milosevic konnte sich so lange über die Zeit retten,
weil er den kommunistischen Anstrich, den Tito seiner
Diktatur gegeben hatte, durch einen nationalistischen er-
setzt hat. Ich erinnere an die Rede von Milosevic auf dem
Amselfeld im Jahre 1989 vor 1 Million Menschen. Sie
fand an dem Denkmal zur Schlacht auf dem Amselfeld
statt, das heute von norwegischen KFOR-Soldaten be-
wacht wird. Es war bemerkenswert, wie sehr er auf dem




Bundesminister Joseph Fischer
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Klavier des Chauvinismus gespielt hat. Beide Diktatur-
formen waren der Ausgangspunkt für die Missachtung
und Verletzung der Menschenrechte von einzelnen Bür-
gern und ethnischen Minderheiten.

Nun hat das Volk in Serbien gesprochen. Es hat sich
klar gegen Milosevic ausgesprochen. Das ist eine Nieder-
lage von Milosevic. Damit es ein Sieg der Demokratie
wird, bedarf es noch vieler Arbeit. Es wird sehr viel an der
Person von Präsident Kostunica hängen. Ich glaube aber,
dass wir gut beraten sind, nicht allein einzelnen Personen
anzuhängen, denn Demokratie hat in ihrem Wesensgehalt
nicht die Orientierung auf eine Person, sondern die Orien-
tierung auf eine bürgerliche Gesellschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht um den friedlichen Ausgleich mit den Nachbarn,
das Land muss weg vom Chauvinismus und der Plan-
bzw. Chaoswirtschaft hin zu einem offenen, europaorien-
tierten Land geführt werden.

Hier sehe ich die Schwierigkeiten, ohne Wasser in den
Wein gießen zu wollen, und auch in der Frage, aus wel-
cher Motivation nun der Umschwung stattgefunden hat,
nicht bei denen von Otpor, nicht bei denen, die seit Jahren
in der Opposition sind und die wir alle nach Kräften un-
terstützt haben. Dies war manchmal nicht ganz einfach;
denn man musste manchmal abwägen: Schade ich ihm
mehr, als dass ich ihm nutze, wenn ich ihm helfe? Bringe
ich ihn in Gefahr?

Ich darf bei dieser Gelegenheit den Dank an die po-
litischen Stiftungen noch einmal aufgreifen. Herr
Minister, wir haben heute früh im Ausschuss darüber
diskutiert. Es war wieder einmal – in diesem Fall bin ich
so vermessen – von der deutschen politischen Bildung
der Stiftungen und auch aus einer konkreten Nach-
kriegssituation ein Export von Demokratiebestrebungen
und von Zusammenarbeit im besten Sinne. So wie er
auch in Spanien funktioniert hat, so können wir einen
kleinen Teil – sicherlich nicht den großen Anteil; ihn hat
das serbische Volk und die Opposition für sich in An-
spruch zu nehmen – am Erodieren des Systems Milosevic
von dieser Seite den Stiftungen zuzuschreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


Das mache ich gerne bei dieser Gelegenheit und auch weil
ich mit Freude den Beifall fast des ganzen Hauses zur
Kenntnis nehme.

Dabei möchte ich darauf hinweisen – der Finanzminis-
ter ist nicht da, also richte ich den Appell direkt an den
Bundeskanzler –:


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Er kann auch ein bisschen Außenpolitik machen!)


Der Herr Außenminister bekommt für seinen Etat für die
politischen Stiftungen 5 Millionen DM weniger. Wir hal-
ten das nicht für gut.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist in den nächsten Jahren wichtig. Es geht nicht da-
rum, den Kollegen Scharping, der sowieso zu wenig Geld
für seine Bundeswehrreform hat, die er nicht finanzieren
kann, anzugreifen,


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das diskutieren wir morgen!)


– dann diskutieren wir morgen weiter –, aber im Sinne der
Prävention ist es besser, 5 Millionen DM für die politi-
schen Stiftungen zu belassen, weil sie bei der Konsolidie-
rungsarbeit der nächsten Jahre Erhebliches werden leisten
können und müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dass wir allerdings ein Schwergewicht der Arbeit beim
Stabilitätspakt sehen, den wir unterstützen, ist selbstver-
ständlich. Nun muss ich allerdings auch hier sagen: Der
Kollege Weiß, der sich sehr intensiv um die Mittel in den
neuen Haushalten für Osteuropa bemüht hat, sagte mir
nicht nur zu meinem Erschrecken, dass die Mittel für den
Stabilitätspakt von 541Millionen DM in diesem Haushalt
im nächsten um 151 Millionen DM, also um 28 Prozent,
gekürzt werden. Dort ist eine große Diskrepanz zwischen
Anspruch und Wirklichkeit. Nun machen Sie einmal in
der Regierung Ihre Arbeit, meine Damen und meine Her-
ren!

Ich will zu einem weiteren Punkt unserer Politik Stel-
lung nehmen. Die Frage der notwendigen militärischen
Intervention, die Frage der Präsenz der NATO ist – ich
sage das hier – im Wesentlichen unstreitig. Über die Mit-
tel der Behandlung eines diktatorischen, aggressiven Re-
gimes müssen wir allerdings in einem Punkt noch einmal
reden. Möglicherweise sehr viele in diesem Haus und in
der Regierung spüren Unbehagen gegenüber der Sankti-
onspolitik in der Form, wie sie bisher gelaufen ist. Wenn
wir die Erfolge und Konsequenzen der Sanktionspolitik
nüchtern und vorurteilsfrei diskutieren – ich empfehle
uns, das in einigen Wochen einmal zu tun –, dann werden
wir nach meiner Überzeugung feststellen, dass beispiels-
weise das Ölembargo längst nicht den Effekt gehabt hat,
den es hätte haben sollen. Demnach hätte die Revolution
im Winter stattfinden müssen; denn da war es kalt. Nein,
sie hat jetzt aufgrund anderer Umstände stattgefunden.


(Zuruf von der SPD: Wahlen!)

– Völlig richtig, es waren die Wahlen. Das Problem war,
dass man die Zivilbevölkerung trifft. – Die Kamarilla, die
die Macht hatte, hat sich in den warmen Stuben gewärmt
und das Geld auf die Seite geschafft. Das ist kein über-
zeugender Ansatz, Menschen für die Demokratie zu ge-
winnen. Deswegen will ich diese Sache hier ansprechen.
Ich weiß, das die Adressaten dieser Diskussion nicht nur
hier im Deutschen Bundestag und in der Bundesregie-
rung, sondern im transatlantischen Dialog zu finden und
zu suchen sind. Ich finde, wir als Parlamentarier, die wir
mit Leuten aus anderen Parlamenten reden, wie zum Bei-
spiel aus dem amerikanischen Kongress, sollten uns das
Ganze noch einmal genauer anschauen.




Christian Schmidt (Fürth)


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(D)



(A)



(B)


Es ist richtig, dass die Quick-Start-Projekte, die an-
gekündigt worden sind, kommen. Ich glaube, es ist nun
notwendig, das wir Herrn Kostunica unterstützen, indem
die Infrastruktur verbessert wird und Straßen gebaut wer-
den. Aber wichtiger als Straßen ist in der nächsten Zeit vor
allem die Etablierung der Demokratie. Es muss der
Rahmen für eine Demokratie geschaffen werden, nämlich
eine Verfassung. Es ist die Frage, welche Pfeiler der
Rechtsordnung in den nächsten Monaten mit unserer Un-
terstützung und mit der des Südosteuropapaktes, soweit
das gewollt ist, eingerammt werden können. Das wird
über die Zukunft der Regierung Kostunica, über Otpor
und alles, was dazu gehört, entscheiden.

Ein Punkt macht mir allerdings noch Sorge: Wir haben
alle genügend Erfahrung, wie in den Reformstaaten in ei-
ner Anfangseuphorie die Erwartungen von der Bevölke-
rung verständlicherweise unwahrscheinlich hochge-
puscht werden und dann festzustellen ist, dass in einem
desolaten, zugrunde gerichteten Wirtschaftssystem die
Gesundung der Wirtschaft und der damit zusammenhän-
gende Wohlstandszuwachs nicht automatisch kommen.
Die Not der Regierungen, zu begründen, dass sie das
Ganze in den ersten Jahren nicht bewältigen können, wird
groß werden. Es muss verhindert werden, dass es so weit
kommt und verzweifelte Regierungen dorthin flüchten,
wo Milosevic angefangen hat: in den Nationalismus.

Diese Frage ist noch nicht entschieden. Bei allem guten
Willen, den ich unterstelle, hören wir natürlich schon
noch kritische Äußerungen über die Zukunft des Kosovo,
über die Frage des Verhältnisses Montenegro/Serbien,
über das Verhalten der nach der Resolution 1244 instal-
lierten Behörde unter Verwaltung von Herrn Kouchner
und über andere Dinge, so über den „Aggressor NATO“.
Darüber müssen wir reden – zwar nicht heute oder mor-
gen, aber auch nicht zu spät. Die Euphorie darf nicht dazu
verführen, so zu tun, als wären die Dinge alle in Butter.
Sie sind es in Serbien nicht. Es ist der Anfang gemacht
worden, dass wir sie gemeinsam ins Reine bringen kön-
nen.

Es ist viel Diplomatie gefragt. Wenn ich die Besuchs-
diplomatie verfolge und mir überlege, wer alles in nächs-
ter Zeit in Belgrad erscheint oder Kontakte dorthin hat,
bitte ich darum, dass bei diesen Gelegenheiten Herrn
Kostunica auch deutlich gemacht wird, dass es unver-
rückbare Positionen gibt, die er auch nicht durch sein Ver-
halten in den nächsten Monaten in eine solche Schieflage
bringen kann, dass später keine vernüftige, friedliche
Regelung des Friedens und der Zukunft beispielsweise
des Kosovo möglich ist. Das ist eine Besorgnis, über die
wir in diesem Hause immer wieder reden müssen, um klar
zu machen, dass Milosevic ebenso ausgeliefert werden
muss wie Karadzic und Mladic, die ebenso noch frei he-
rumlaufen, obwohl sie Kriegsverbrecher sind.

Es muss, Herr Außenminister, auch eine Regelung un-
ter Einbeziehung der Kosovo-Albaner geschaffen wer-
den, die verhindert, dass die Bundeswehr auf Dauer dort
bleiben muss. Wir wollen, dass die KFOR zum gegebenen
Zeitpunkt aus dem Kosovo heraus kann, und wir wollen,
dass sich diese Region selbst befriedet, damit die Men-
schen friedlich miteinander leben können.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412327800
Ich gebe das Wort
dem Kollegen Gernot Erler für die SPD-Fraktion.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1412327900
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Der 5. Oktober dieses Jahres wird als
ein Tag des sensationellen Szenenwechsels in Belgrad mit
weit reichenden Folgen in ganz Südosteuropa in die
Zeitgeschichte eingehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es geht ein hörbares Aufatmen durch ganz Europa. Wir
gedenken in dieser Stunde aber auch der Hunderttausende
von Opfern des 13-jährigen Regimes des Slobodan
Milosevic. Es ist gut, dass einige dieser Opfer im Inneren
von Serbien nicht umsonst gewesen sind.

Es ist ein politischer Wechsel eingeleitet, aber noch
nicht vollendet. Das hängt mit der nach der Konstitution
relativ schwachen Position des jugoslawischen Präsiden-
ten zusammen, mit der Machtposition, die in der serbi-
schen Regierung und dem serbischen Präsidenten kon-
zentriert ist, aber auch damit, dass die bisherige
Nomenklatura von Milosevic noch nicht abgedankt hat.
Sie testet vielmehr jeden Tag – auch heute – ihren politi-
schen Spielraum. Deswegen sollte hier ein Konsens da-
rüber bestehen, dass für uns und für alle in Europa die
höchste Priorität heute heißen muss: Stabilisierung des
politischen Wechsels in Jugoslawien.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Man nimmt jetzt von allen Seiten Fragezeichen und
Einwände wahr. Auch Sie, Herr Kollege Schmidt, haben
eben sehr vorsichtig darauf hingewiesen, dass Kostunica,
der neue Präsident, ein Nationalist sei. Er bestreitet das im
Übrigen selbst nicht. Man muss aber eine Rückfrage da-
bei stellen: Ohne eine nachdrückliche und demonstrative
Vertretung der serbischen Interessen, ohne eine prakti-
zierte Distanz zum Westen, auch eine kritische Distanz zu
all dem, was der Westen auch während des Krieges in die-
ser Region gemacht hat, hätte Kostunica – davon bin ich
überzeugt – diese Mehrheit nicht gewonnen und wir sind
doch froh, dass er sie gewonnen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kostunica hat auch für die Zukunft eine feste Position
hinsichtlich der serbischen bzw. jugoslawischen Inte-
grität. Das bezieht sich sowohl auf Montenegro als auch
auf den Kosovo. Der entscheidende Unterschied ist: Er ist
bereit, darüber einen Dialog zu führen. Ich frage: Wäre es
nicht katastrophal, wenn die Auflösung der Bundesrepu-
blik Jugoslawien, die weder der Westen noch die interna-
tionale Gemeinschaft Milosevic abgetrotzt hat, jetzt als
eine Forderung an den neuen, demokratisch gewählten
Präsidenten Kostunica herangetragen würde? Das wäre
falsch. Insofern kann ich von hier aus Herrn Djukanovic
nicht nur wünschen, dass er sich schnell von seinem Au-
tounfall erholt, sondern ihn auch auffordern: Nehmen Sie
die ausgestreckte Hand zum Dialog an und unterstützen




Christian Schmidt (Fürth)

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(A)



(B)


Sie den neu gewählten Präsidenten! Das ist das, was wir
von Ihnen erwarten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Andernfalls glaube ich, dass der große politische Erfolg
ganz schnell gefährdet sein und sich in eine Niederlage
verwandeln könnte.

Wenn die Hauptaufgabe also in der Stabilisierung des
politischen Wechsels besteht, war es richtig, sofort politi-
sche Unterstützung zu organisieren. Ich glaube, wir kön-
nen hier der Bundesregierung und den anderen europä-
ischen Regierungen dafür dankbar sein, dass sie das
schnell und überzeugend getan haben. Die Aufnahme per-
sönlicher Kontakte ist auch psychologisch sehr wichtig.
Es ist daher gut, dass jetzt viele Leute nach Belgrad fah-
ren. Ich freue mich, dass auch der Bundestag dabei ver-
treten ist. Heute Morgen sind zwei unserer Kollegen, die
seit langem Kontakte zur serbischen Opposition haben,
Gert Weisskirchen und Christoph Moosbauer, dorthin
aufgebrochen.

Aber es ist klar: Die größten Erwartungen richten sich
jetzt auf den ökonomischen und finanziellen Bereich.
Dazu möchte ich gleich sagen: Ich begrüße es sehr – ich
hoffe, wir alle tun das –, dass das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung heute
im Rahmen einer Soforthilfe 10 Millionen DM zur Ver-
fügung gestellt und gesagt hat, dass in diesem Jahr wei-
tere 20Millionen DM für den Aufschub von Projekten zur
Verfügung stehen. Das genau ist es, was gebraucht wird:
schnelle Soforthilfe.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir finden es auch richtig, dass die Außenminister der
Europäischen Union am Montag einen Teil der Sanktio-
nen, nämlich die, von denen die Bevölkerung am meis-
ten betroffen ist, aufgehoben haben. Wir sagen aber
genauso: Es hat keine Eile, zum Beispiel das Waffenem-
bargo aufzuheben. Ich finde es nicht überzeugend, dass
unsere russischen Freunde jetzt diesbezüglich einen Vor-
stoß machen. Es hat auch keine Eile, dass die Visabe-
schränkungen für die noch bestehende Nomenklatur auf-
gehoben werden, und schon gar nicht, dass die Konten,
die diese Nomenklatur im Ausland angelegt hat und die
noch eingefroren sind, geöffnet werden.

Nein, man muss es einmal deutlich beim Namen nen-
nen: Milosevic und seine Familie sind nicht nur ein Hort
von Kriegsverbrechern. Milosevic ist auch ein raffgieri-
ger Feigling, der in einer Zeit, in der sein Volk die größ-
ten Entbehrungen ertragen musste, MillionenDM beiseite
geschafft hat, um notfalls ein sorgenfreies Leben im Aus-
land führen zu können.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


Die soziale Lage der Bevölkerung in Jugoslawien ist in
der Tat katastrophal: Der Durchschnittslohn beträgt
100 DM pro Monat, die Arbeitslosigkeit 40 Prozent. Die
Inflationsrate kann in diesem Jahr noch 100 Prozent er-
reichen. In Jugoslawien, in Serbien gibt es – das ist eine
Tatsache, die man manchmal vergisst – immer noch

600 000 Kriegsflüchtlinge aus Kroatien, aus Bosnien-
Herzegowina, aus dem Kosovo.

Jetzt ist die Glaubwürdigkeit Europas bzw. des Wes-
tens gefordert. Wir haben immer gesagt: Wenn das Pro-
blem Milosevic weg ist, wird es großzügige Zusagen ge-
ben. An die EU richten wir jetzt vor allem die Erwartung,
dass nicht nur Zusagen erfolgen, sondern dass auch ohne
große bürokratische Hemmnisse schnell gehandelt wird.
Es gibt einen Fonds, der für die Einbeziehung von Jugo-
slawien in die europäischen Programme zur Verfügung
steht. Natürlich ist es auch notwendig, Jugoslawien so
schnell wie möglich in den Stabilitätspakt einzubeziehen.

Herr Kollege Schmidt, Sie haben eben etwas Kriti-
sches über die Ausstattung gesagt. Ich hoffe, wir sind uns
hier einig und in gleicher Weise informiert. Es gibt zwei
Ebenen. Nach wie vor gibt es kein europäisches Land, das
wie die Bundesrepublik zusätzlich zu den europäischen
Beiträgen zum Stabilitätspakt ein bilaterales Programm
von 1,2 Milliarden DM aufgelegt hat. Es würde mich
freuen, wenn die anderen europäischen Länder das ge-
nauso machten. Auch das gehört zu einem korrekten Bild
dazu; das muss hier einmal gesagt werden.

Eines aber darf jetzt auf keinen Fall passieren: Die Ein-
beziehung Jugoslawiens in den Stabilitätspakt darf nicht
zu einem Verdrängungswettbewerb führen. Ich stehe noch
unter dem Eindruck einer Reise, die ich letzte Woche, also
während dieser Ereignisse, durch Bulgarien, Mazedonien
und Albanien gemacht habe. Dort wurde überall besorgt
gefragt, was dies an Verdrängung auslösen könnte. Wir
müssen im finanziellen und im politischen Bereich auf je-
den Fall dafür sorgen, dass die Nachbarn Jugoslawiens
jetzt auf keinen Fall politische Opfer des von uns so be-
grüßten Wechsels in Belgrad werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412328000
Herr Kollege Erler,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weiß?


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1412328100
Gerne.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1412328200
Herr Kol-
lege Erler, nach diesen Ausführungen möchte ich Sie fra-
gen: Wie will die Koalition gewährleisten, dass das, was
Sie vorgetragen haben, tatsächlich stattfindet, nämlich
dass es Unterstützung für die Bundesrepublik Jugosla-
wien, insbesondere für die Teilrepublik Serbien, im Rah-
men unserer bilateralen Hilfen gibt, ohne dass es zu einer
Schmälerung der Hilfen und der Zusammenarbeit mit
den anderen Ländern Südosteuropas und Osteuropas
kommt? Wie soll also die zusätzliche Hilfe für Serbien
bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Hilfe für die an-
deren Länder gewährleistet werden – das haben Sie eben
vorgetragen –, wenn nach den uns jetzt vorliegenden
Haushaltsentwürfen der Bundesregierung die gesamten
Mittel für Mittel- und Osteuropa sowie für Südosteuropa
von jetzt 541 Millionen DM – ich habe die Mittel der Ti-
tel für Südosteuropa, MOE und für die Transformations-
programme zusammengerechnet – im Jahr 2001 um
151 Millionen DM, also um 28 Prozent, gekürzt werden?




Gernot Erler

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(A)



(B)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1412328300
Herr Kollege Weiß, ich habe
eben schon gesagt – dafür gab es Beifall –, dass das BMZ
heute extra 30 Millionen DM zur Verfügung gestellt hat.
Alle Projekte des Quick-Start-Programms sind im Rah-
men des Stabilitätspaktes finanziell abgesichert. Ich gebe
Ihnen in einem Punkt Recht: Ich persönlich bin der Mei-
nung, dass es zu Beginn des nächsten Jahres eine weitere
Geberkonferenz bzw. Finanzierungskonferenz über den
Stabilitätspakt geben muss. Aber unterscheiden auch Sie
bitte zwischen dem, was ohnehin im Rahmen der europä-
ischen Programme gemacht wird, und dem, was auf
bilateraler Ebene zusätzlich getan wird.


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Es gibt weniger Geld! Das steht fest!)


Wir sind weiterhin verpflichtet, das militärische Enga-
gement der KFOR in Jugoslawien fortzusetzen. Ich
glaube, darüber sind wir uns auch einig, weil die KFOR
immer eine doppelte Aufgabe zu erfüllen hatte. Es ist zwar
sicherlich richtig, dass die Aufgabe der KFOR, den Ko-
sovo vor Übergriffen jugoslawischer Sondereinheiten und
Militärs zu schützen, inzwischen weniger bedeutend ge-
worden ist. Das begrüßen wir. Aber die KFOR hat auch
noch die Aufgabe, den Bürgerfrieden im Kosovo zu er-
halten und Minderheiten vor radikalisierten Albanern zu
schützen. Allein aus diesem Grund wird es – das müssen
wir bedenken – kein schnelles Ende dieser Mission geben
können, zu der die Bundeswehr mit 8 000 Soldaten einen
wesentlichen und wichtigen Beitrag leistet, den wir auch
sehr anerkennen.

Mein letzter Punkt betrifft die Frage der Gerechtigkeit.
Ich glaube, wir dürfen keinen Zentimeter von der For-
derung abweichen, dass Milosevic und die anderen iden-
tifizierten Kriegsverbrecher vor den Internationalen Ge-
richtshof in Den Haag gestellt werden müssen. Aller-
dings muss die Frage, in welchem Zeitraum das passieren
muss und kann, in Verbindung mit der Priorität der
Stabilisierung des politischen Wechsels in Belgrad gese-
hen werden.

In diesem Zusammenhang muss noch ein anderer ver-
nünftiger Gedanke berücksichtigt werden. Das Sen-
sationelle an der politischen Entwicklung in Jugoslawien
ist doch die Selbstbefreiung. Das Ende des Regimes
Milosevic ist von innen und nicht von außen eingeleitet
worden. Aber Milosevic hat auch sehr viele Verbrechen
gegen die eigene Bevölkerung begangen. Die neue Ge-
sellschaft in Jugoslawien hat die Chance und auch das
Recht, dies von sich aus zu klären und das begangene Un-
recht selber aufzuarbeiten. Dagegen könnten wir keinen
Einwand erheben, selbst wenn wir die Forderung auf-
rechterhalten, dass die Verbrechen auch noch auf interna-
tionaler Ebene verfolgt werden müssen.

Der 5. Oktober bietet uns eine riesige Chance und ist
uns zugleich Verpflichtung. Wir haben immer gesagt: Nur
dann, wenn Milosevic weg ist, kann es dauerhafte Stabi-
lisierung in Südosteuropa geben. Ich finde, wir haben
viele gute Gründe, jetzt zusammenzuarbeiten und die Sta-
bilisierung gemeinsam zu unterstützen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412328400
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht der Kollege Dr. Klaus Kinkel.


Dr. Klaus Kinkel (FDP):
Rede ID: ID1412328500
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Glückwunsch an das serbische
Volk, das nach langer Lethargie und Passivität das Joch
des Diktators und Kriegsverbrechers Milosevic abge-
schüttelt hat! Die Opposition konnte sich zu lange nicht
einigen; wir haben es erlebt. Die ganze Hoffnung ruht
jetzt auf dem neuen Präsidenten Kostunica. Er wird es
nicht einfach haben. Ich füge hinzu: Wir werden es mit
ihm auch nicht einfach haben. Aber er braucht dringend
eine Chance. Er braucht Unterstützung, weil das serbische
Volk seine ganze Hoffnung auf ihn setzt.

Ich möchte gleich am Anfang sagen, dass alle Serben
– auch die hier in der Bundesrepublik lebenden – wissen
sollten, was wir immer wieder erklärt haben: Wir möch-
ten, dass die Serben in die Völkergemeinschaft, nach Eu-
ropa zurückkehren. Nichts richtet sich gegen das serbi-
sche Volk.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD und der CDU/ CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Serben gehören zu uns, wir wollen sie bei uns haben.
Jetzt kommt auf die Bundesregierung, auf den Bundestag,
auf uns alle einiges zu. Ich denke, wir sollten uns auf die
Frage konzentrieren: Was kann man tun?

Erstens. Ich schließe an das an, was Sie gesagt haben,
Herr Erler: Der neuen Führung in Belgrad muss – ich
sage das deutlicher als Sie – unmissverständlich klar ge-
macht werden, dass ein demokratischer Neuanfang mit
Milosevic nicht möglich und nicht denkbar ist.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Da darf es kein Herumdeuteln und kein Zögern geben:
Milosevic gehört nicht nach Belgrad, sondern nach Den
Haag. Es darf ihm auch niemand Asyl geben.

Frau Beer – gerade war sie noch anwesend – war zu-
sammen mit mir und anderen Kollegen in der letzten Wo-
che drei Tage im Kosovo. Ich war am 10. Jahrestag der
Wiedervereinigung nicht nur in Pristina und Prizren bei
der Bundeswehr, sondern auch in den Bergdörfern. Ge-
meinsam mit Rupert Neudeck von der Cap Anamur war
ich in etwa sechs bis acht dieser Dörfer. Wenn Sie dabei
gewesen wären, hätten Sie die Folgen dieser unseligen
Zerstörungswut bis auf 1 000, 1100 bzw. 1 200 Meter hi-
nauf sehen können: Kein einziges Haus ist dort intakt. Die
Bergbauern, mit denen ich zusammengekommen bin, ha-
ben am 14. Mai letzten Jahres entweder durch Granaten
oder durch brutale Ermordung elf Familienmitglieder ver-
loren. Sie hausen heute im Schafstall. Ich war erschüttert.
Bei diesem Besuch ist mir wieder klar geworden, was die-
ser Mann für eine Verantwortung auf sich geladen hat.

Das, was ich heute sage, habe ich nicht erfunden. Ich
habe es in den letzten Jahren immer wieder gesagt, auch
als ich ihm als Außenminister die Hand geben musste, um
ganz bestimmte Dinge durchzusetzen. Bei den Gesprä-
chen habe ich immer das Gefühl gehabt, dass die Frage
im Raum stand: War da etwas? Man musste ihm und






(C)



(D)



(A)



(B)


Milutinovic, Herr Kollege Fischer, sagen: Ja, da war et-
was. Da waren vier Aggressionskriege. Es gab schreckli-
ches Morden und Verwüsten, nicht nur jetzt im Kosovo,
sondern auch vorher in Bosnien, in Mostar. Dieser Mann
gehört zur Verantwortung gezogen. Ich sage mit Klarheit:
Jemand, der so viel Schlimmes verursacht hat und dafür
die Hauptverantwortung trägt, darf nicht ruhig schlafen.
Ich habe nichts gegen eine Vor-Gericht-Stellung in Jugo-
slawien, aber ich habe nicht den Eindruck, dass dies in ab-
sehbarer Zeit geschieht. Deshalb ist es ganz wichtig, dass
sich die Stärke des Rechts durchsetzt.

Zweitens. Wir müssen den Serben zeigen, dass sie zu
Europa gehören. Deshalb war es richtig – das unterstützen
wir –, die Sanktionen aufzuheben, im Augenblick ohne
Bedingungen. Hilfsprogramme sind notwendig: Hilfe
beim wirtschaftlichen und demokratischen Aufbau und
eine schnelle, direkte Hilfe vor dem Winter für die be-
troffenen Menschen, vor allem im Kosovo, wo die Situa-
tion wirklich furchtbar ist.

Drittens. Dazugehören in Europa heißt natürlich auch,
Perspektiven in den europäischen und internationalen
Organisationen zu haben. Deshalb glaube ich, dass man
den Serben im Hinblick auf den Europarat Licht am Ende
des Tunnels aufzeigen muss, ebenso im Hinblick auf die
OSZE. Man muss auch Licht am Ende des Tunnels auf-
zeigen, was das Schild in der Vollversammlung der Ver-
einten Nationen anbetrifft – Herr Kollege Fischer, Sie
werden es bei Ihrem diesjährigen Besuch wieder gesehen
haben –, hinter dem derzeit niemand sitzt. Schließlich
muss auch Licht am Ende des Tunnels aufgezeigt werden,
was eine direkte Affinität zu Europa anbelangt. Ich wage
in diesem Zusammenhang einen Gedanken zu äußern,
von dem ich weiß, dass er nicht unumstritten sein wird:
Wenn sich die demokratischen Strukturen durchsetzen,
sollte man den Serben ein Assoziierungsverhältnis beson-
derer Art in Aussicht stellen. Ich spreche ausdrücklich von
einem Verhältnis besonderer Art, einem, wenn man so
will, „Vorzimmerstatus“ ohne konkrete Zusagen.

Viertens. Hinsichtlich der Flüchtlingsfrage bitte ich
gerade nach meinem Kosovo-Besuch in der letzten Wo-
che herzlich darum, dass wir nichts übereilen.


(Beifall der Abg. Sabine LeutheusserSchnarrenberger [F.D.P.])


Die Flüchtlinge müssen zurück und sie wollen alle
zurück. Aber sie jetzt, vor einem harten Winter, und in ei-
ner Situation, in der in den Dörfern oben – bereits jetzt
herrscht dort massive Kälte, bereits jetzt fällt dort
Schnee – noch die Hälfte der Menschen in UNHCR-Zel-
ten lebt, zurückzuschicken, das sollte man sich sehr genau
überlegen. Wir haben lange genug Zeit gehabt und sollten
auch jetzt noch ein bisschen Zeit haben.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Fünftens. Ich warne vor Euphorie – Herr Schmidt hat
das auch getan – in Bezug auf den weiteren Fortgang der
Dinge. Es wird nicht ganz einfach werden.

Sechstens. Wir dürfen bitte nicht die Nachbarvölker
der Serben vergessen. Ich weiß, dass jetzt die Statusfrage
eine ganz große Rolle spielen wird. Was die Resolution
1244 des UN-Sicherheitsrats für den Kosovo angeht, gibt
es in absehbarer Zeit keine Chance auf Änderung. Das
heißt, es kann um nicht mehr als um eine Zusage weitest-
gehender Autonomie gehen. Den Wunsch aller Kosova-
ren, um Gottes willen die Unabhängigkeit zu erreichen,
weil es nie mehr möglich sein werde, mit den Serben zu-
sammenzuleben, dürfen wir, darf die Völkergemeinschaft
nach meiner Meinung letztlich nicht akzeptieren. Ein
Groß-Albanien kommt übrigens für die Kosovaren nicht
in Frage; mit Albanien wollen sie nicht zusammengehen.
Auch findet man keinerlei Widerhall, wenn man mit ih-
nen über die Albaner in Griechenland und Mazedonien
spricht. Eine Unabhängigkeit allein für den Kosovo wird
es aber nicht geben können. Dasselbe gilt für Montene-
gro. Aber wir dürfen beide Regionen nicht vergessen und
müssen mit den Menschen dort ehrlich diskutieren. Wir
dürfen auch nicht so tun, als stehe unmittelbar etwas be-
vor – das hat die Bundesregierung nicht getan; das will ich
ausdrücklich sagen –, was wir nicht zusagen können.

Fazit: Die erfreuliche Entwicklung in Serbien stellt
eine große Chance dar, jetzt die Balkanregion zu stabili-
sieren und an Europa heranzuführen. Gerade in diesen Ta-
gen ist mir aufgefallen – man ist ja fast beschämt, wenn
man durch den Kosovo reist; das wird Ihnen auch so ge-
gangen sein –, wie wir Deutsche mit überschwänglichem
Dank überschüttet werden. Dieser Dank gebührt jetzt in
erster Linie der Bundeswehr, die dort eine tolle Arbeit
leistet.


(Beifall bei der F.D.P., der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Dank gebührt aber auch allen Nichtregierungsor-
ganisationen wie beispielsweise Help und Cap Anamur.
Der hier manchmal so angegriffene Rupert Neudeck hat
in der Zwischenzeit allein im Kosovo 3 400 Häuser ge-
baut.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich mag nicht die Hinterzimmervisionäre, sondern die
Macher.


(Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Wenn er sie allein gebaut hätte!)


– Er hat sie quasi allein initiiert. – Diese Macher sollten
wir unterstützen.

Mein Dank gilt im Übrigen den Deutschen, die über
lange Jahre hier viele Flüchtlinge aufgenommen haben
und die auch privat Enormes gestiftet haben, damit Not
und Elend in der Balkanregion einigermaßen gemildert
werden können. Einen solchen Dank sollten wir gerade in
einer solchen Situation nicht ganz hintanstellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)





Dr. Klaus Kinkel

11829


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(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412328600
Für die Fraktion der
PDS spricht der Kollege Wolfgang Gehrcke.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1412328700
Sehr geehrter Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die PDS-Bun-
destagsfraktion begrüßt mit aufrichtigem Herzen den de-
mokratischen Wechsel in Jugoslawien. Wir wünschen
dem neuen Präsidenten Kostunica Glück bei seiner
schweren Aufgabe, zu Frieden, Demokratie und Aussöh-
nung beizutragen. Allein wird er es nicht leisten können,
wenn es die Zivilgesellschaft nicht leistet. Ich wünsche
vor allen Dingen, dass das Leben in Jugoslawien für die
einzelnen Menschen und für das Volk insgesamt etwas
leichter wird, weil sich die Situation verbessert. Darum
muss es letztlich gehen.

Die Menschen in Jugoslawien selbst haben die Ära
Milosevic beendet. Die Politik von Milosevic war – ich
sage das in bewusster Hinwendung zum Außenminister
und zum Kollegen Schmidt – alles, nur nicht kommunis-
tisch oder sozialistisch. Die Politik von Milosevic war
despotisch und nationalistisch; er hat seinem Volk und der
Balkanregion großen Schaden zugefügt. Gerade nach der
Rede des Kollegen Schmidt füge ich hinzu: Ich glaube,
dass man auch von diesem Pult aus die serbischen Sozia-
listinnen und Sozialisten, die serbischen Kommunistin-
nen und Kommunisten gegen Milosevic in Schutz neh-
men muss. Ich verteidige die Würde der serbischen
Sozialistinnen und Sozialisten, weil zu ihrer Geschichte
der Widerstand gegen Hitler und Stalin gehört. Auch das
sollten wir aus unseren Debatten nicht ausblenden. Wer
das tut, der fälscht ebenfalls die Geschichte.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wie Wahlergebnisse!)


Politiker wie Milosevic und der verstorbene Tudjman
– ich sage das voller Bitternis; ich glaube, man merkt sie
einem an – waren durch die Politik der damaligen Bun-
desregierung möglich. Die vorschnelle Anerkennung der
Loslösung einzelner Staaten und die Zerschlagung Jugo-
slawiens sind die Wurzel dieser entsetzlichen Entwick-
lung.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Karl Lamers [CDU/CSU]: Das ist unglaublicher Unsinn, den Sie da erzählen!)


– Es sind Wurzeln in unterschiedlicher Art und Weise. Vor
dieser geschichtlichen Verantwortung kann man sich
nicht davonstehlen.

In der Rückschau sollte man überlegen, was alles hätte
entwickelt werden können und wie viel besser die Situa-
tion für die Menschen gewesen wäre, wenn man die Gel-
der nicht für den Krieg und für Kriegsfolgen, sondern für
die Förderung sozialen Wohlstands eingesetzt hätte.


(Angelika Beer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte Milosevic aufgehört?)


Ich widerspreche der hier vom Außenminister ent-
wickelten Logik, dass der Krieg, die Sanktionen, der
Druck den Wechsel in Belgrad möglich gemacht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)


Herr Außenminister, wenn man Ihrer Logik folgt, dann
kommt man zu dem Ergebnis, dass es keine Entwicklung
von innen war. Sie sagen: Letztendlich war es der äußere
Druck; der Krieg selbst hat das bewirkt. Ich behaupte: Es
war eine Entwicklung von innen; die Menschen selbst
haben es bewirkt und die Menschen selbst haben sich ent-
schieden.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Es war jedenfalls nicht der historische Materialismus! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal etwas zum Wahlergebnis!)


– Natürlich hat Milosevic die Wahlen verloren. Es war
richtig, dass sich die Menschen erhoben haben, keine
Wahlfälschung zugelassen haben und Milosevic gehen
musste. Das ist eindeutig und unstrittig.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS )

Die Völker Jugoslawiens und nicht Bomben, Raketen und
Sanktionen der NATO haben über die politischen Mehr-
heitsverhältnisse entschieden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die habt ihr mit ausgezählt, die Stimmen!)


– Ich habe sie genauso wenig wie Sie ausgezählt. Das ist
doch Unsinn.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Die SED war das!)

Ich sage mit Bedacht und Überlegung: Der völker-

rechtswidrige Krieg der NATO war auch eine Misstrau-
enserklärung gegen das Volk Jugoslawiens. Keiner, der
den Krieg verantwortet bzw. unterstützt hat, kann sich
deshalb aus meiner Sicht heute mit ruhigem Gewissen auf
das Volk von Jugoslawien berufen, auf das er letztendlich
Bomben hat werfen und Raketen hat schießen lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Gernot Erler [SPD]: Nur die PDS!)


Der Krieg hat die Veränderung in Jugoslawien nicht her-
beigeführt, sondern nur hinausgezögert. Der Krieg hat
letztendlich zu einer Verlängerung der Amtszeit von
Milosevic beigetragen.


(Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Eine ganz interessante These!)


Herr Außenminister, ich will meinen Zwischenruf er-
klären, mit dem ich gesagt habe, das mache die Sache
nicht besser. Sie haben nur einen Teil Ihrer politischen
Vorgehensweise dargestellt. Ich halte die Unterstützung
der demokratischen Opposition in der ganzen Welt für
eine Selbstverständlichkeit. Da hätte man sehr viel mehr
tun müssen. Ihre Politik hat eine Doppelstrategie verfolgt:
Unterstützung der demokratischen Opposition und Sank-
tionen. Die Sanktionen haben nach meiner Überzeugung
das einfache Volk getroffen; sie haben Nationalismus ge-
schürt und ihn nicht abgebaut. Deswegen habe ich formu-
liert, das mache die Sache nicht besser.

Man darf jetzt keine zusätzlichen Belastungen und Sta-
bilitätsrisiken zulassen oder gar herbeiführen. Ich meine,
das gilt besonders für den Status Montenegros und des
Kosovos. Wer heute eine Statusdebatte beginnt – Kollege






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Kinkel hat hier damit bereits angefangen –, der zündelt an
dem erreichten Zustand und gefährdet die Stabilität. Wir
sollten alles tun, um die Stabilität nicht zu gefährden. Wir
brauchen Wiederaufbau, Zuwendung, Auseinanderset-
zung, Debatte, Wahrheit und Aufklärung. Ohne das geht
es nicht.

Wir brauchen auch – das will ich von dieser Stelle aus
deutlich sagen – eine Einbeziehung in den Stabilitätspakt.
Nur direkte Hilfe, wie sie angesprochen wurde, reicht
nicht aus.

Ich bin für die Aufhebung vieler Sanktionen, aber nicht
für die Aufhebung von Waffenembargos. Ich halte die rus-
sische Politik in diesem Bereich für völlig unakzeptabel.
Vielmehr möchte ich, dass wir Waffenembargos auch ge-
gen andere Länder aussprechen. Da hätten wir gemeinsam
eine Menge zu tun. Einbeziehung ist nötig, aber auch Be-
reitschaft zum Wiederaufbau und zur Übernahme der
Kriegsfolgen und -lasten in Serbien selbst. Wenn diese
Zeichen nicht kommen, werden sich die Startbedingun-
gen für Kostunica sehr schnell verschlechtern.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412328800
Der Kollege
Dr. Helmut Lippelt spricht nunmehr für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1412328900

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Erlauben Sie mir als jemandem, der seit 1991 jedes Jahr
immer wieder nach Belgrad gefahren ist, weil er wusste,
dass es dort nicht nur das Regime Milosevic gab, sondern
auch Leute, die die europäischen Werte hochhielten und
die Zivilgesellschaft im besten Sinne darstellten, hier ei-
nige Namen zu nennen und denen zu danken, denen wir
neben dem Dank, den wir hier heute schon gehört haben,
auch zu danken haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte die Professoren der juristischen Fakultät in
Belgrad nennen, die noch 1991, als die ethnischen Kriege
längst begonnen hatten, in Belgrad ein Symposion zu Idee
und Wirklichkeit des Rechtsstaates veranstalteten.

Ich möchte die Frauen in Schwarz nennen, die mit
ihren wöchentlichen Mahnwachen gegen Krieg und Ras-
sismus antraten. Sie wurden viel beschimpft und waren
noch vor einem halben Jahr schwersten Repressionen
ausgesetzt – Hausdurchsuchungen usw. –, sodass einige
fliehen mussten.

Ich möchte Sonja Biserko und das gesamte Helsinki-
Komitee für Menschenrechte in Serbien mit allen Mitar-
beitern nennen, die jedes Jahr tapfer ihr Buch über die
Menschenrechtssituation herausgebracht haben.

Ich möchte Natasa Kandic nennen und die Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter des Humanitarian Law Center, die
viel dokumentiert haben von dem, was noch in Den Haag

zur Sprache kommen wird. Ich möchte Borka Pavicevic
nennen, die das Zentrum für Kulturelle Dekontamination
gründete.

Ich möchte Biljana Srbljanovic nennen, die in all den
Jahren die „Belgrader Trilogie“ schrieb und die noch
während des Kosovo-Krieges im Bombenhagel ihre
Beiträge und ihr Tagebuch schrieb, das wir alle im „Spie-
gel“ nachlesen konnten.

Wir haben der jungen Studentenbewegung Otpor zu
danken. Hunderte von ihnen sind verprügelt, kurzfristig
verhaftet und einige sogar schwer gefoltert worden.

Ich möchte die vielen Deserteure nennen, die sich an-
gesichts der Realität dieses ethnischen Krieges von
Milosevic abgewandt haben. Viele von Ihnen haben in
Europa vergeblich um Asyl nachgesucht.

Unser Dank gilt auch den Professorinnen und Profes-
soren, die entlassen wurden, weil sie vor drei Jahren keine
Ergebenheitserklärung unterzeichnet haben, als das in-
fame Universitätsgesetz als Teil der psychologischen
Kriegsvorbereitung für den Kosovo-Krieg erlassen
wurde. Nach ihrer Weigerung, die Erklärung zu unter-
zeichnen, haben sie in alternativen Seminaren weiter ge-
lehrt.

Wir danken auch den unabhängigen Journalisten
und Journalistinnen, die trotz der Repression ihrer Me-
dien, trotz Geldbußen und Haftstrafen ihre Arbeit der
Aufklärung fortgesetzt haben. Vorgestern wurde von
Kostunica der Journalist Filipovic begnadigt, der wegen
Berichten über das serbische Militär und seine Verbrechen
im Kosovo zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wor-
den war. Wir hoffen sehr, dass auch Flora Brovina, die
couragierte kosovo-albanische Ärztin, Dichterin und
Menschenrechtlerin, die seit April 1999 im Gefängnis in
Pozarevac festgehalten wird, in den nächsten Tagen frei-
gesprochen wird. Wir hoffen, dass viele von den noch fast
1 000 aus dem Kosovo verschleppten kosovo-albanischen
politischen Gefangenen ebenfalls freigelassen werden.

Ich nenne auch zwei Politiker, die nie Chauvinisten ge-
worden sind: Zarco Korac und Goran Svilanovic.

Alle, die ich genannt habe, waren das Gewissen ihres
Landes und werden, denke ich, die Garanten für eine de-
mokratische und zivile Gesellschaft in Serbien sein.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412329000
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Karl Lamers.


Karl Lamers (CDU):
Rede ID: ID1412329100
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Unter uns gibt es ein großes
Maß an Übereinstimmung hinsichtlich der Beurteilung
der Lage in Serbien. Wir sind alle glücklich und froh, dass
in Serbien eine Revolution – ich zögere, es zu sagen –
stattgefunden hat. Jedenfalls hat sie begonnen. Wir sind
froh, dass dieses Volk jetzt eine Chance hat, zu Demokra-
tie, Wohlfahrt und zu Europa zu finden.

Wir wissen, dass sich auch Chancen für ein neues Ver-
hältnis zwischen diesem Land, Europa und dem Westen




Wolfgang Gehrcke

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aufgetan haben. Aber Chancen sind keine Wirklichkeit.
Wir alle wissen sehr gut, dass der Ausgang dieses Prozes-
ses noch offen ist. Wir müssen das sehr nüchtern ins Kal-
kül ziehen.

Wir wissen, dass der neue Präsident und die Kräfte, die
ihn unterstützen, vor einer ungewöhnlich schwierigen
Aufgabe stehen. Wir wissen, dass die ganze Politik und
die Institutionen demokratisiert werden müssen. Wir wis-
sen noch besser, dass es auch eine Revolution in den Köp-
fen geben muss; sie hat bestenfalls bei einigen wenigen
begonnen. Ich bin nicht einmal sicher, inwieweit sie im
Kopf des neuen Präsidenten schon stattgefunden hat.

Auch Sie haben es gesagt, Herr Minister: Ohne der
Wahrheit ins Gesicht zu blicken, ohne sich einzugestehen,
welche Verbrechen im Namen des serbischen Nationalis-
mus begangen worden sind, und ohne sich einzugestehen,
dass der zehnjährige, sich in vier Etappen abspielende
Krieg von Serbien verloren worden ist, wird alles, was
bislang stattgefunden hat, und alles, was wir tun können,
tun wollen und auch wirklich tun werden, nicht dazu
führen, dass der Prozess ein glückliches Ende findet.

Deswegen finde ich es richtig, was der Kollege Kinkel
gesagt hat: Wir müssen die hier lebenden Serben bitten,
alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um eine solche Re-
volution in den Köpfen in Serbien stattfinden zu lassen.

Ich stelle mit großer Freude fest, dass jenes Element in
der serbischen Gesellschaft, das – bei allen Einschrän-
kungen, die ich mache – doch wohl der größte und rele-
vanteste Teil der Zivilgesellschaft Serbiens ist, nämlich
die serbisch-orthodoxe Kirche, seine Haltung in der letz-
ten Zeit deutlich – und zwar zum Richtigen, zum Guten
hin – verändert hat und dass die serbisch-orthodoxe Kir-
che hier sich sehr engagiert. Wir sollten das mit allem
Nachdruck unterstützen.

Wir wissen: Keines der Probleme ist gelöst. Das, was
man im Falle Serbiens zu Recht – ohne jedwede, uns
merkwürdig erscheinende Konnotation – als die nationale
Frage bezeichnen kann, ist nicht gelöst. Besser müsste ich
sagen: Sie ist in einem ganz anderen Sinne gelöst, als
Milosevic sie lösen wollte. Milosevic wollte sie lösen, in-
dem er alle Serben in einem Großserbien zusam-
menfasste. Jetzt leben fast alle Serben sozusagen in einem
Kleinserbien. Das bedeutet, dass 750 000 Flüchtlinge in
Serbien leben, und nicht etwa nur 600 000, wie Sie, Herr
Erler, es gesagt haben. Es sind nicht alles Serben, aber
doch gewiss der größte Teil.

Ist das die endgültige Antwort der Geschichte? Die
Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube, wenn
Klaus Kinkel sagt: Sie müssen alle zurückkehren. – Es
wäre die erste unter den zahllosen Vertreibungen, die wir
im vergangenen Jahrhundert erlebt haben, die wieder
rückgängig gemacht werden würde. Die bisherigen Er-
gebnisse sprechen nicht dafür, dass wir in diesem Fall et-
was Neues erleben.


(Gernot Erler [SPD]: Ins Kosovo sind 1 Million zurückgekehrt!)


– Aber mit unserer militärischen Hilfe, Herr Kollege
Erler. Außerdem sind, wie Sie wissen, die Serben zu ei-
nem großen Teil geflohen.


(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wissen doch, dass 50 000 KrajinaSerben in die Krajina gegangen sind!)


Sie werden nicht bestreiten können, dass sie im Augen-
blick nicht zurückkehren können.

Es stellt sich in der Tat die Frage: Wie kann unsere
Hilfe aussehen? Ich unterstreiche das, was alle Kollegen
hier gesagt haben: Wir müssen alles in unseren Kräften
Stehende tun, um zu helfen, wobei die symbolische Be-
deutung vielleicht noch größer ist. Wir müssen dem ser-
bischen Volk klar machen: Wir, also der Westen, die Eu-
ropäische Union, sind nicht sein Feind, sondern sein
Partner. Wir wollen sein Freund sein. Wer schnell hilft,
hilft doppelt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christian Sterzing [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist richtig, wenn wir den Serben helfen wollen, nach
Europa zurückzukehren. Wenn wir darunter die Mitglied-
schaft in der Europäischen Union verstehen, dann muss
man realistischerweise sagen, dass diese sehr ferne Per-
spektive den Serben heute nicht unmittelbar helfen kann.
Wir sehen doch, wie schwierig es ist, unsere östlichen
Nachbarn in der von uns erhofften und gewünschten Zeit
in die Europäische Union einzugliedern.

Die Frage stellt sich schon, ob uns nicht – ich sage es
einmal bewusst salopp – etwas Neues einfallen muss.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Haben wir doch!)


– Wir haben noch nichts Neues, Herr Minister. – Ich fand
sehr interessant, was Klaus Kinkel hier gesagt hat. Ich
gehe weiter. Heute Morgen waren im Auswärtigen Aus-
schuss Kollegen aus Mazedonien zu Gast. Der mazedoni-
sche Kollege hat mehrmals betont – Sie waren ja dabei,
Herr Kollege Erler –: Wir brauchen so etwas wie eine in-
stitutionalisierte Kooperation. – Das ist vollkommen rich-
tig. Wieso institutionalisieren wir nicht den Stabilitäts-
pakt?


(Joseph Fischer, Bundesminister: Das machen wir doch!)


– Nein, das verstehe ich nicht unter Institutionalisierung.
Ich verstehe darunter, dass dieser Stabilitätspakt eine In-
stitution wird wie die Europäische Union. Er soll gewis-
sermaßen zu einer Euregio besonderer Art werden, an der
alle – nicht nur die Staaten des früheren Jugoslawien, son-
dern auch die Nachbarn wie etwa die Ungarn und die
Griechen – beteiligt sind, in der sie Kooperation üben, in
der die Europäische Union sie dazu veranlassen, nötigen-
falls auch zwingen kann, mitzuarbeiten. In dieser Institu-
tion sollte die Europäische Union nicht nur einen Sitz und
eine Stimme haben, sondern – auch eine ausschlagge-
bende Rolle spielen.




Karl Lamers
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Ich glaube, dies ist eine sehr viel realistischere Vorstel-
lung von der Heranführung dieses Teils unseres Konti-
nents an die Europäische Union als das Versprechen einer
wirklich fern liegenden Mitgliedschaft in der Europä-
ischen Union.

Es mag sein, dass der Gedanke zu kühn sein mag. Ich
bin allerdings davon überzeugt, dass die bisherigen Wege
mit Sicherheit nicht ausreichen. Unsere größte Anstren-
gung muss die in unseren eigenen Köpfen sein.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412329200
Nun spricht für die
SPD-Fraktion der Kollege Dr. Eberhard Brecht.


Dr. Eberhard Brecht (SPD):
Rede ID: ID1412329300
Sehr geehrter Herr Prä-
sident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Politiker
sollten eigentlich nicht sentimental sein. Und trotzdem:
Als die Bilder von den Hunderttausenden von Menschen,
die durch die Straßen Belgrads marschierten und ihre No-
menklatura in die Pensionierung schickten, über den
Äther gingen, da wurden meine Augen feucht. Ich glaube,
das war bei manch anderem Kollegen ähnlich.

In den Zeitungen liest man in diesem Zusammenhang
Worte wie „schwärmen“ und „Euphorie“. Eine Zeitung
schrieb, dass man angesichts der Entwicklungen nicht be-
soffen werden sollte. Das sollten wir in der Tat nicht
– viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner haben das ja
bereits festgestellt –, denn eine Konsolidierung ist noch
nicht durchgesetzt. Die Revolution ist noch nicht endgül-
tig gewonnen.

In einem solchen Moment sollten wir einmal zurück-
schauen: Was haben wir denn noch vor wenigen Wochen
der serbischen Opposition zugetraut? Da gab es die Eli-
ten und da gab es das serbische Volk, dem wir nachsagten,
dass es in seiner großen Mehrheit lethargisch und ergeben
sei. Wir meinten, die Serben hätten sich bereits im De-
zember 1996 bei den Demonstrationen, die überwiegend
erfolglos waren, die Füße wund gelaufen. Wir meinten,
die Serben hätten kein Vertrauen mehr zu der völlig zer-
splitterten Opposition. Wir meinten, das serbische Volk
sei in seiner materiellen Not darauf fixiert, den täglichen
Überlebenskampf zugunsten der Familien zu gewinnen.

Dabei hätten wir uns an den Herbst 1989 erinnern kön-
nen. Niemand von uns Ostdeutschen konnte damals das
Ergebnis vorhersehen, das wir mit unseren kleinen Einga-
ben, unseren Protesten und den zarten Friedensgebeten
mit am Anfang 20, 30 Menschen angeschoben haben.
Schließlich fiel von uns im Laufe dieses Prozesses die
Angst ab und wir bekamen von Tag zu Tag mehr Kraft
zum Gestalten, sodass schließlich klar wurde, dass nicht
ein Diktator, sondern nur das Volk mit seinen frei ge-
wählten Vertretern der wahre Souverän sein kann. Das ist
auch hier in Serbien passiert.

Doch nicht nur den Menschen in Serbien ist an dieser
Stelle zu danken. Ohne die präventive Politik der west-
lichen Regierungen, der Nichtregierungsorganisationen
und Kommunen wäre das Wunder von Belgrad vermut-

lich so nicht möglich gewesen. Die Hilfen für die von der
Opposition regierten Städte durch Energielieferungen,
durch Straßenbau und Bildungsangebote waren ein Bau-
stein dieser Politik. Ein anderer war die Unterstützung der
Opposition und der freien Medien mit Telefonen, Com-
putern und Büromaterial. Schließlich möchte ich an das
beharrliche Bemühen unseres Außenministers und seiner
engagierten Mitstreiter erinnern, durch sanften Druck von
außen den Oppositionssolisten in Belgrad klarzumachen,
dass sie nur Erfolg haben können, wenn sie in einem Or-
chester spielen. Wir hoffen nun darauf, dass dieses Or-
chester zusammenbleibt und nicht zerfällt und dass es
dazu beiträgt, dass es zu weniger dissonanten Tönen auf
dem Balkan kommt. Für diese ausgezeichnete Konflikt-
prävention sei der Bundesregierung von dieser Stelle aus
herzlich gedankt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine Äußerung des Abgeordneten Gehrcke veranlasst
mich zu einer weiteren Bemerkung. Mit Ihrer Erlaubnis,
Herr Präsident, zitiere ich im Originalton eine Presseer-
klärung von Herrn Gehrcke:

Es bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn der Wes-
ten einen Erfolg der Opposition mit einer selten so
massiv praktizierten Einmischung verbunden hat.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Richtig!)

Dieser ungeheuerliche Satz müsste einmal interpretiert

werden.

(Karl Lamers [CDU/CSU]: Wieso? Zu dieser Einmischung bekennen wir uns!)

Denn diese Einmischung war ein Teil der Voraussetzung
für die jetzigen Entwicklungen. Diesen bitteren Beige-
schmack hatte Herr Gehrcke hoffentlich auch bei der von
Milosevic angerichteten Apokalypse, als Hunderttau-
sende von Menschen umgekommen sind,


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Das wissen Sie doch!)


als Hunderttausende von Menschen als Flüchtlinge durch
den Balkan irrten, und angesichts der dortigen Zerstörun-
gen und des Hasses, der zwischen den Generationen auf-
gebaut worden ist. Die Verwüstungen in den Köpfen wer-
den wahrscheinlich den Neuanfang des neuen Jugos-
lawiens erheblich erschweren.

Zunächst geht es nun um die innenpolitische Konsoli-
dierung Jugoslawiens. Nach der weitgehenden Aufhe-
bung der Sanktionen stehen jetzt für die Bundesrepublik
und die EU eine humanitäre Soforthilfe und die Einbezie-
hung Jugoslawiens in den Stabilitätspakt auf dem Pro-
gramm. Wir haben eben gerade gehört, was beschlossen
worden ist. Es wäre fatal – darauf haben schon verschie-
dene Redner hingewiesen –, wenn die finanziellen Mittel
innerhalb des Stabilitätspaktes nun zulasten der anderen
Empfängerländer umgeschichtet werden. Deswegen
muss der Stabilitätspakt in der Tat ergänzt und erweitert
werden. Ich hoffe, dass die Haushälter noch bis zur Be-
reinigungssitzung zu einer Verständigung kommen und




Karl Lamers

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dies, wenn das möglich ist, auch seinen Niederschlag im
Einzelplan 05 findet.

Das serbische Volk hat in seiner großen Mehrheit am
5. Oktober die Revolution gewonnen. Das serbische Volk
ist der Gewinner. Dass umgekehrt Milosevic und seine
Nomenklatura die klaren Verlierer sind, liegt auf der
Hand.

Daneben gibt es die in der Region, die ich vielleicht
einmal „sekundäre Verlierer“ nennen möchte: Da sind die
nationalistischen Serben um Radovan Karadzic in der Re-
publik Srpska, die nun ihren Übervater verloren haben. Es
ist nur zu hoffen, dass die radikalen Kräfte schwächer
werden. Diese Hoffnung ist begründet durch das ebenfalls
nachlassende Störfeuer der kroatischen Nationalisten in
der Föderation nach dem Tode von Franjo Tudjman.

Auch die serbischen Hardliner im Kosovo haben mit
Slobodan Milosevic ihren fanatischsten Mitstreiter für
frühere Privilegien gegenüber den Albanern verloren.
Dennoch ist es derzeit völlig offen, in welchem Ausmaß
sich Präsident Kostunica in seiner Kosovo-Politik von
seinem Amtsvorgänger unterscheiden wird.

Auch diejenigen Montenegriner, die eine Sezession
von Serbien, unabhängig von den politischen Verhältnis-
sen in Belgrad, betreiben, werden kaum noch auf die – oh-
nehin verhaltene – Unterstützung des Westens für ihr Vor-
haben rechnen können. Die ersten Reaktionen aus
Podgorica auf die Revolution waren entsprechend verhal-
ten. Milo Djukanovic und sein Kabinett sollten nicht an
alten Unabhängigkeitsträumen für die winzige Teilrepu-
blik festhalten, sondern auf dem Verhandlungswege eine
akzeptable Neufassung der jugoslawischen Verfassung
erstreiten. Zu diesem schweren, aber realistischen Weg
sollten wir beide Seiten ermuntern, wenn nicht gar drän-
gen.

Schließlich befürchten nun die Kosovo-Albaner, dass
die internationale Gemeinschaft ihren Anspruch auf eine
unabhängige Republik Kosovo von der Agenda interna-
tionaler Gespräche streichen wird. Mit einem imperialen
Diktator im Rücken als Feindbild war die Notwendigkeit
einer albanischen Republik Kosovo leichter vermittelbar.

Auch die Kosovo-Albaner werden sich den neuen Rea-
litäten stellen müssen. Eine Regelung des Status der
früher autonomen Provinz Kosovo scheint auf absehbare
Zeit nicht erreichbar. Hier sollten keine falschen Hoffun-
gen erweckt werden. Wichtiger ist es vielmehr, den ge-
genseitigen Hass aus der Ära Milosevic abzubauen. Mit
kleinen Schritten der Vertrauensbildung könnte es mög-
lich sein, langfristig den Boden für eine Statusregelung zu
bestellen. Denn erst wenn die Menschen begreifen, dass
ihr persönliches Glück, ihre Lebensqualität weniger von
Grenzverläufen, Flaggen und Hymnen als vielmehr von
der Einhaltung der Menschenrechte, von Demokratie,
Prosperität und Bildung abhängen, wird für sie ein Leben
in Frieden und Glück möglich sein.

Die Geschichte der letzten zehn Jahre – die „Erbfolge-
kriege“ eines größenwahnsinnigen Diktators – macht das
Verhältnis der Serben zu ihren Nachbarn nicht gerade ein-
fach. Eine Ausgrenzung der Serben würde dem Geist des
Stabilitätspaktes und auch unseren Interessen widerspre-
chen. Mit der Revolution der letzten Woche wurde eine
notwendige Bedingung für die Wiederherstellung von
Vertrauen geschaffen. Hinreichend ist dies noch lange
nicht. Wir sollten dem serbischen Volk und seinen Nach-
barn dabei helfen, das Konfliktpotenzial abzubauen und
Vertrauen aufzubauen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1412329400
Ich schließe die Aus-
sprache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächs-
te Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen,
Donnerstag, den 12. Oktober 2000, 9 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.