Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 272. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der entschuldigten Abgeordneten.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage den Abgeordneten Dr. Bertram , Birkelbach, Dr. Blank (Oberhausen), Dr. von Brentano, Dr. Gerstenmaier, Dr. Henle, Imig, Dr. Kopf, Dr. Kreyssig, Dr. von Merkatz, Ollenhauer, Pelster, Dr. Preusker, Dr. Pünder, Dr. Schöne, Srauß, Wehner
als deutschen Vertretern in der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, weiter den Abgeordneten Karpf, Mauck und Neubauer. Der Herr Präsident hat für
zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Frau Kipp-Kaule und Frau Hütter. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Handschumacher, Volkholz und Lemmer.
Danke schön! Meine Damen und Herren, trotz der Entschuldigungen ist ein größerer Teil der Abgeordneten, die der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl angehören, anwesend. Es wird niemand dagegen Einspruch erheben.
Ich habe Glückwünsche auszusprechen zum 61. Geburtstag am 16. Juni Herrn Abgeordneten de Vries;
heute haben Geburtstag: Herr Abgeordneter Funcke den 68.
und Herr Abgeordneter Wartner den 70.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 12. Juni 1953 die Kleine Anfrage Nr. 339 der Abgeordneten Mehs, Kemper, Gibbert, Dr. Wuermeling und Genossen betreffend Übergriffe von LSU-Mannschaften des Flugplatzes SpangDahlem — Drucksache Nr. 4367 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4455 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 3. Juni 1953 die Halbjahresübersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen nach dem Stand vom 1. April 1953 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 155. Sitzung übersandt; sie wird als Drucksache Nr. 4480 vervielfältigt.
Zur heutigen Tagesordnung habe ich bekanntzugeben, daß nach einer Vereinbarung der Punkt 9 — Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verwaltung des ERP-Sondervermögens — zur Klärung aufgetauchter Fragen im ERP-Ausschuß heute abgesetzt werden soll. — Das Haus ist damit einverstanden.
Vor Eintritt in die Tagesordnung wünscht der Herr Bundeskanzler eine
Erklärung
abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ereignisse in Berlin haben in der deutschen Öffentlichkeit und darüber hinaus in der Welt starken Widerhall gefunden. Die Bundesregierung erklärt zu den Vorgängen: Wie auch die Demonstrationen der Ostberliner Arbeiter in ihren Anfängen beurteilt werden mögen, sie sind zu einer großen Bekundung des Freiheitswillens des deutschen Volkes in der Sowjetzone und in Berlin geworden. Die Bundesregierung empfindet mit den Männern und Frauen, die heute in Berlin Befreiung von Unterdrückung und Not verlangen. Wir versichern ihnen, daß wir in innigster Verbundenheit zu ihnen stehen. Wir hoffen, daß sie sich nicht durch Provokationen zu unbedachten Handlungen hinreißen lassen,
die ihr Leben und die Freiheit gefährden könnten.
Eine wirkliche Änderung des Lebens der Deutschen in der Sowjetzone und in Berlin kann nur durch die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit erreicht werden.
Der Weg hierzu ist, wie der Bundestag in seinem Beschluß vorn 10. Juni erneut bekräftigt hat, die Abhaltung freier Wahlen in ganz Deutschland, die Bildung einer freien Regierung für ganz Deutschland, der Abschluß eines mit dieser Regierung frei zu vereinbarenden Friedensvertrags, die Regelung aller noch offenen territorialen Fragen in diesem Friedensvertrag, die Sicherung der Handlungsfreiheit für ein gesamtdeutsches Parlament und eine gesamtdeutsche Regierung im Rahmen der Grundsätze und der Ziele der Vereinten Nationen.
Die Bundesregierung wird nach diesen Grundsätzen handeln und sich darüber hinaus bemühen. daß bald wirksame Erleichterungen im Interzonenverkehr und in den Verbindungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik verwirklicht werden, die der wiedererstehenden Einheit den Weg bahnen sollen. Die Bundesregierung verfolgt die Entwicklung der Ereignisse mit größter Aufmerksamkeit. Sie steht mit den Vertretern der Westmächte in ständiger enger Verbindung. In dieser bedeutsamen Stunde wollen wir alle ohne Unterschied politischer Auffassungen für das große gemeinsame Ziel zusammenstehen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Kenntnis genommen. Der Vertreter der kommunistischen Gruppe hat mir mitgeteilt, daß die kommunistische Gruppe eine Aussprache über diese Erklärung wünscht. Ich frage: Wer wünscht eine Aussprache? — Ich stelle fest, daß außer der kommunistischen Gruppe niemand im Hause eine Aussprache wünscht.
Meine Damen und Herren, zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Tagesordnung der Sitzung für den morgigen Donnerstag steht als Punkt 1 die Aussprache über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion über Vier-Mächte-Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands. Einige Mitglieder unserer Fraktion, insbesondere unsere politischen Freunde aus Berlin, haben das verständliche Bedürfnis, bei der Situation, wie sie sich jetzt in Berlin entwickelt hat, in Berlin und unter den Berlinern zu sein.
Wir bitten, diesen Wunsch zu respektieren und die morgige Aussprache über Punkt 1 der Tagesordnung auf die nächste Woche zu vertagen.
Meine Damen und Herren, ich entnehme aus der überwiegenden Zustimmung des Hauses, daß das Haus mit der Absetzung des Punktes 1 der morgigen Tagesordnung und seiner Verschiebung auf die nächste Woche einverstanden ist.
— Gegen die Stimmen der KPD. Ich habe keine Bedenken, das ausdrücklich festzustellen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 1 des Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Bundeswahlgesetzes ;
Bericht des Wahlrechtsausschusses (Nr. 4450 der Drucksachen; Anträge Nrn. 973, 979, 982, 983, 986 der Drucksachen). (Erste Beratung: 253. und 254. Sitzung.)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Brandt. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Brandt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Meinungsverschiedenheiten darüber, welches Wahlsystem den Erfordernissen der Demokratie am besten gerecht wird, gehen bei den Trägern der politischen Meinungs- und Willensbildung in unserem Volk — aber nicht nur in unser e m Volk — beträchtlich auseinander. Der 52. Ausschuß, für den zu berichten ich die Ehre habe, hat von Anfang an auf den Versuch verzichten müssen, die Grundsatzdebatte zum Wahlrecht wieder aufzunehmen oder gar zu vertiefen. Seiner Arbeit war ein relativ enger Rahmen gesetzt.
Wir stehen vor der Notwendigkeit, ein neues Wahlgesetz zu schaffen, nachdem das 49er Gesetz ausdrücklich nur für die Wahl zum ersten Bundestag geschaffen worden war. Wir standen und stehen außerdem unter einem gewissen Zeitdruck. Der Regierungsentwurf lag dem Bundestag erst im März dieses Jahres zur ersten Beratung vor. Die sachlichen Meinungsverschiedenheiten über die Güte oder Zweckmäßigkeit dieses oder jenes Wahlsystems sind teilweise durchkreuzt und vielfach überschattet worden durch tagespolitische Gesichtspunkte, die mit den Vorbereitungen zum Wahlkampf selbst zusammenhängen.
Sicherlich ist es nicht der Weisheit letzter Schluß, über das Wahlsystem unmittelbar vor Neuwahlen beschließen und dabei noch über wesentliche Änderungen des Systems entscheiden zu wollen. Der Ausschuß hatte jedoch dem Hause einen Vorschlag zu machen; das war sein Auftrag. Der Ihnen in Drucksache Nr. 4450 vorliegende Vorschlag stützt sich leider vom Ausschuß her nicht auf eine so breite Mehrheit, wie sie in Anbetracht des Gegenstandes zu wünschen gewesen wäre. Die Mehrheit hat sich jedoch von der Erwägung leiten lassen, daß den allgemein-politischen Notwendigkeiten am ehesten ein Kompromiß entsprechen würde, ein Kompromiß, das gewisse Grundzüge des 49er Wahlsystems aufrechterhält und sie durch neue Gesichtspunkte ergänzt. Eine solche Lösung wird hoffentlich dazu beitragen können, daß das Gefühl der Fairneß vorherrscht, wenn die Wähler in weniger als drei Monaten an die Urnen treten.
Nach dieser Vorbemerkung darf ich von den drei Gesetzentwürfen ausgehen, die dem Ausschuß überwiesen worden waren, nämlich erstens dem Regierungsentwurf mit einem System von Hauptstimmen und Hilfsstimmen in den Wahlkreisen und mit einem internen Proporz bei der Anrechnung von Wahlkreismandaten auf die nach verbundenen Bundeslisten zu verteilenden Sitze, zweitens dem
Entwurf der Abgeordneten Dr. Wuermeling, Strauß und Genossen mit einer Kombination von relativem und absolutem Mehrheitswahlrecht — das Mandat im Wahlkreis sollte demjenigen Bewerber zufallen, der mindestens ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigt hätte, im andern Fall sollte eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern stattfinden, die die meisten Stimmen erhalten hätten — und drittens dem Entwurf der Fraktion der SPD, der, von einigen mehr technischen Änderungen abgesehen, dem Wahlgesetz zum ersten Bundestag vom Jahre 1949 entsprach.
Der Ausschuß beschloß zunächst, seinen Beratungen den Regierungsentwurf zugrunde zu legen. Dafür sprach vor allem, daß die detaillierten technischen Bestimmungen im Entwurf der Regierung systematisch besonders gut gegliedert waren. Sie werden durch eine Fußnote auf Seite 5 der Drucksache bemerkt haben, daß der Wortlaut der Beschlüsse des Ausschusses auf den Wortlaut des Regierungsentwurfs bezogen ist, so daß Änderungen auf der rechten Seite in Fettdruck und in der linken Spalte durch Kursivdruck erscheinen.
Ich werde im Verlauf meines Berichts nicht auf alle kleineren, mehr redaktionellen Änderungen in den technischen Bestimmungen eingehen. Ich darf hinzufügen, daß ich es selbst bedauere, auf keinen schriftlichen Bericht verweisen zu können; aber das hängt einfach damit zusammen, daß der Ausschuß seine Beratungen erst in der vergangenen Woche abgeschlossen hat und es auf technische Schwierigkeiten stieß, einen solchen schriftlichen Bericht fristgemäß vorlegen zu können.
Was das Kernstück des Gesetzes, die Bestimmungen über das Wahlsystem angeht, so hat der Ausschuß keinem der ihm überwiesenen drei Entwürfe seine Zustimmung gegeben. Der Regierungsentwurf ist in dieser Beziehung von keiner Seite aufgenommen worden. An Stelle des Entwurfs der Abgeordneten Dr. Wuermeling, Strauß und Genossen haben der Abgeordnete Dr. Jaeger die Einführung des relativen und der Abgeordnete Dr. Wuermeling die Einführung des absoluten Mehrheitswahlrechts beantragt. Diese Anträge sind im ersten Fall mit 4 gegen 16 Stimmen bei 7 Enthaltungen und im zweiten Fall mit 8 gegen 16 Stimmen bei 3 Enthaltungen vom Ausschuß abgelehnt worden. Das durch den SPD-Entwurf übernommene Wahlgesetz von 1949 wurde mit 10 gegen 17 Stimmen abgelehnt. Mit 13 gegen 14 Stimmen verfiel auch ein Antrag des Abgeordneten Onnen der Ablehnung. Dieser Antrag beinhaltete im wesentlichen das gleiche System wie das 49er Gesetz, allerdings bei einer Erhöhung der Abgeordnetenzahl auf 484 und bei Veränderung des Verhältnisses zwischen Wahlkreismandaten und Listenmandaten von 60 zu 40 auf 50 zu 50.
Mit 14 gegen 13 Stimmen hat der Ausschuß dann auf Antrag des Abgeordneten Scharnberg in erster Lesung beschlossen, ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht vorzuschlagen. Nach dem auch in der Öffentlichkeit so genannten Scharnberg-Entwurf sollte jeder Wähler eine Erststimme für die Wahl im Wahlkreis und eine Zweitstimme für die Wahl nach Bundesliste erhalten. Im Wahlkreis sollte der Bewerber gewählt sein, der mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten hätte. Erhielt er diese Stimmenzahl nicht, sollte eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen innerhalb acht Tagen stattfinden, und bei der Stichwahl wäre der Bewerber mit den meisten Stimmen zum Zuge gekommen. In den Wahlkrei-
sen sollte demnach die Hälfte der Gesamtzahl der Abgeordneten nach dem Prinzip der absoluten Mehrheit ermittelt werden. Mit der Zweitstimme sollte der Wähler eine Bundesliste wählen können. Die jeweilige Bundesliste sollte aus den Landeswahlvorschlägen der betreffenden Partei bestehen. Dabei waren auf Bundesebene Listenverbindungen und Gesamtlistenverbindungen vorgesehen. Ebenfalls sollte der interne Proporz aus dem Regierungsentwurf übernommen werden. Kandidaten, die im ersten Wahlgang ein Drittel der Stimmen im Wahlkreis erhalten hätten, sollten auf der Liste vorrangieren, wenn sie im zweiten Wahlgang nicht gewählt worden wären.
Der Entwurf des Abgeordneten Scharnberg ging also wie der Regierungsentwurf davon aus, daß insgesamt 484 Abgeordnete zu wählen seien. Die Regierung hatte in der schriftlichen Begründung zu ihrem Entwurf bereits auf die ständig wachsende parlamentarische Arbeit und auf die zunehmende Inanspruchnahme der Abgeordneten durch Mitwirkung in europäischen Organisationen hingewiesen und eine Erhöhung der Abgeordnetenzahl aus diesen Gründen als nicht nur gerechtfertigt, sondern auch als notwendig bezeichnet. Anträge der Abgeordneten Dr. Jaeger und Dr. Wuermeling einerseits und des Abgeordneten Brandt andererseits, weiterhin von einer Abgeordnetenzahl von 400 auszugehen, hatten im Ausschuß keine Mehrheit gefunden. In der zweiten Lesung des Ausschusses verblieb es dann bei der Zahl 484, wie sie im Regierungsentwurf vorgesehen war.
Im übrigen wurde das Wahlsystem in der zweiten Lesung dadurch abgeändert, daß ein von der Fraktion der FDP eingebrachter Antrag mit 15 gegen 12 Stimmen angenommen wurde. Dieser Antrag, dem die Beschlüsse zu § 6 und den folgenden Paragraphen entsprechen, lehnt sich an den Scharnberg-Entwurf an, was das Zweistimmensystem und die Relation 50 zu 50 zwischen Wahlkreismandaten und Listenmandaten betrifft. Jeder Wähler erhält also eine Erststimme für die Wahl im Wahlkreis und eine Zweitstimme für die Wahl nach Landeslisten, nicht Bundeslisten. Der Wähler hat die Möglichkeit, seine Zweitstimme der Liste einer anderen Partei zu geben als jener politischen Gruppierung, für deren Bewerber er sich im Wahlkreis entscheidet.
Die Zahl der in den einzelnen Ländern zu wählenden Abgeordneten ist im Gesetz selbst festgelegt, wobei die veränderten Bevölkerungszahlen gegenüber 1949 berücksichtigt warden sind.
Die Einteilung der Wahlkreise erfolgt durch Bundesgesetz, und für die Wahl zum zweiten Bundestag gilt die gleiche Wahlkreiseinteilung, die 1949 gegolten hat. § 55 a verweist auf die Anlage, aus der sich die Wahlkreiseinteilung im einzelnen ergibt. Für die Beibehaltung der bisherigen Kreise sprach vor allem, daß der Verwaltung nach der Verkündung des Wahlgesetzes nur eine verhältnismäßig knappe Zeit zur Verfügung stehen wird. Außerdem wird der durch die Bevölkerungsentwicklung entstandene Größenunterschied zwischen einer Anzahl von Kreisen weitgehend durch die Gesamtverrechnung der Zweitstimmen unter Berücksichtigung der Wahlkreismandate ausgeglichen.
Mit der Erststimme wird nach dem jetzt vorgeschlagenen System also jener Wahlkreisbewerber gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt. Die Stichwahl entfällt. Es bleibt auf dieser Ebene, bei der Auswahl von 242 Abgeordneten, bei der relativen Mehrheit. Die Zweitstimme gilt für die Wahl nach Landeslisten. Alle im Lande für eine Partei abgegebenen Zweitstimmen werden zusammengezählt. Aus diesen Summen werden nach dem Höchstzahlverfahren die jeder Partei zustehenden Sitze errechnet, wobei zuvor die Sitze in Abzug gebracht werden, welche auf Kreiswahlvorschläge parteiloser Bewerber entfallen sind. Nachdem so die auf jede Partei entfallenden Abgeordnetensitze berechnet sind, werden die in den Wahlkreisen errungenen Sitze abgezogen. Die der Partei danach noch zustehenden Sitze werden aus ihrer Landesliste in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt. Es bleibt entsprechend dem 49er Gesetz dabei, daß in den Wahlkreisen errungene Mandate der Partei auch dann verbleiben, wenn sie die nach dem Höchstzahlverfahren ermittelten Zahlen übersteigen.
Nach § 9 a ist die Verbindung von Wahlvorschlägen mehrerer Parteien unstatthaft. Das entspricht § 16 des 49er Gesetzes.
Eine neue Bestimmung in § 52 besagt, daß bei Ungültigkeit der Wahl im Wahlkreis der Abgeordnete Mitglied des Bundestages bleibt, wenn er zugleich auf der Landesliste gewählt war, aber dort nicht zum Zuge gekommen ist, da seine Wahl im Wahlkreis vorgegangen ist.
Nach § 26 müssen alle Wahlvorschläge politischer Parteien von der zuständigen Landesleitung der Partei unterzeichnet sein. Zusätzlich bedürfen jedoch die Wahlvorschläge von Parteien, die im Bundestag oder in der Volksvertretung eines Landes in der letzten Wahlperiode nicht ununterbrochen mit mindestens 5 Abgeordneten oder als Fraktion vertreten waren, 500 Unterschriften von Wahlberechtigten des Wahlkreises. Außerdem verlangen die §§ 25 und 35 von den eben genannten Parteien den Nachweis, daß sie einen nach demokratischen Grundsätzen gewählten Vorstand, eine schriftliche Satzung und ein Programm haben. § 35 enthält in bezug auf die Landeslisten die entsprechende Bestimmung hinsichtlich der Unterzeichnung durch die Landesleitung einer Partei oder durch 500 Wahlberechtigte.
Nach § 26 Abs. 2 muß auch die Kandidatur eines parteilosen Bewerbers im Wahlkreis durch 500 Wahlberechtigte unterstützt werden. § 26 Abs. 2 bestimmt weiter, daß auf solchen, d. h. parteilosen Wahlvorschlägen nicht benannt werden kann, „wer innerhalb von 6 Monaten vor der Wahl einer Partei als Mitglied angehört hat, wenn die Partei, aus der er ausgeschieden ist, keinen eigenen Bewerber aufgestellt hat". Durch diese Bestimmung sollte nach Meinung des Ausschusses vermieden werden, daß Parteien in den Wahlkreisen gewisse ihrer Anhänger als Parteilose aufstellen, die dann, wenn sie ein Mandat errungen hätten, als Parteilose nach § 9 Abs. 1 auf die nach Landeslisten zu errechnenden Abgeordnetensitze der Partei nicht angerechnet würden. Es soll gewissermaßen einem Vorgehen vorgebeugt werden, durch das sich einzelne Gruppen faktisch zuungunsten anderer zusätzlich Mandate verschaffen könnten.
Gegen den § 26 sind in der letzten Sitzung des Ausschusses ernste Bedenken geltend gemacht worden. Es wurde der Meinung Ausdruck gegeben, daß Angehörige von Parteien benachteiligt würden, wenn sie nicht auch in den Wahlkreisen als parteiungebundene Kandidaten aufgestellt werden könnten. In diesem Zusammenhang wurde weiter die Frage aufgeworfen, ob nicht der Grundsatz der
Wahlgleichheit verletzt werde und damit ein Verstoß gegen Art. 38 des Grundgesetzes gegeben sein könne. Als diese verfassungsrechtlichen Bedenken angemeldet wurden, hatte der letzte Satz von § 26 Abs. 2 jedoch noch eine andere Fassung als die, die dem Hause jetzt vorgeschlagen wird. Der Ausschuß ist bei der jetzt vorliegenden Fassung für § 26 davon ausgegangen, daß eine echte Trennung eines parteiungebundenen Bewerbers von der Partei dann unterstellt werden darf, wenn die betreffende Partei einen eigenen Bewerber aufstellt. Im anderen Fall müsse angenommen werden — so meinte die Mehrheit des Ausschusses —, daß ein tatsächlicher Parteivertreter nur zur Tarnung als parteiloser Bewerber auftrete. Eine solche Möglichkeit wollte der Ausschuß im Interesse einer klaren Entscheidung der Wähler ausschließen.
Im Zusammenhang mit der soeben erörterten Frage haben 11 Mitglieder des Ausschusses — die Vertreter der CDU/CSU und der Deutschen Partei — die letzte Sitzung des Ausschusses vorzeitig verlassen und sich an den abschließenden Beratungen nicht beteiligt. Aus den Reihen der Mehrheit des Ausschusses wurde dazu festgestellt, daß der Minderheit nicht verweigert worden wäre, die aufgeworfenen Zweifel oder auch verfassungsrechtlichen Bedenken zu dem umstrittenen § 26 während einer Unterbrechung der Sitzung nochmals zu prüfen. Dem entgegen meinte die Mehrheit, nicht einer vorzeitigen Unterbrechung der Sitzung zustimmen zu können, da sich der Ausschuß bei der Abstimmung über den Unterbrechungsantrag erst bei der zweiten Beratung des § 9 befand.
Die Ausschußmehrheit hat dann die Beratungen abgeschlossen, da die Durchführung der zweiten und dritten Lesung im Plenum dringend geboten erschien. Es darf darauf hingewiesen werden, daß der Wahlrechtsausschuß zwar 13 Sitzungen abgehalten hat, daß jedoch eine Reihe der Sitzungen vorzeitig abgebrochen worden waren und andere überhaupt nicht zu Beratungsergebnissen geführt hatten, weil nicht weniger als achtmal Vertagungsanträgen Rechnung getragen wurde.
Ich kehre nun noch einmal zu dem § 9, Landeslisten, zurück, dessen Abs. 4 die sogenannte Sperrklausel enthält. Während im 49er Gesetz festgelegt worden war, daß Parteien mit einer Gesamtstimmenzahl von weniger als 5% im Lande bei der Errechnung und Zuteilung der Sitze unberücksichtigt bleiben sollten, wird jetzt vorgeschlagen, die Grenze bei 3 % der gültigen Zweitstimmen im Lande zu setzen. In Übereinstimmung mit dem 49er Gesetz findet die Sperrklausel keine Anwendung, sofern die betreffende Partei im Wahlkreis des Landes einen Sitz errungen hat.
Neu ist der zweite Satz in Abs. 5 von § 9. Er besagt, daß die Vorschrift in Abs. 4, also die Sperrklausel, keine Anwendung findet auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen. Der Ausschuß ist dabei von dem einzigen gegenwärtig zur Erörterung stehenden Beispiel, dem der dänischen Minderheit in Schleswig, ausgegangen. Der dortige Südschleswigsche Wählerverband kann auch nach einer Formulierung des Bundesverfassungsgerichts nicht als eine Splitterpartei bezeichnet werden. Es würde nicht billig sein, seine Stimmen auf das ganze Landesgebiet zu beziehen. Die jetzt vorgeschlagene Regelung würde bedeuten, daß die bei den Wahlen in Erscheinung tretende nationale Minderheit einen Sitz dann erhielte, wenn er ihr nach dem Höchstzahlverfahren zustünde, auch ohne daß in diesem Fall — bei nationalen Minderheiten — die 3%-Grenze im Landesmaßstab erreicht wäre. Auf Antrag des Abgeordneten Scharnberg ist der Partei einer nationalen Minderheit weiter in § 54 a zugebilligt, daß sie einen Vertreter mit beratender Stimme, und zwar den ersten Bewerber auf ihrer Landesliste, in den Bundestag entsenden kann, wenn sie nach § 9 zwar keinen Sitz erhalten hat, wenn sie aber im Bundesgebiet mehr als ein Vomtausend der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten hat.
Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zum § 54 über die Ausdehnung des Wahlgesetzes auf Berlin. Die Vertretung Berlins, eines Landes, in dem die Anwendung des Grundgesetzes noch Beschränkungen unterliegt, ist in Art. 144 Abs. 2 des Grundgesetzes vorgesehen. Die Militärgouverneure haben im Mai 1949 bestimmt, daß die Vertretung Berlins im Bundestag auf eine kleinere Zahl beschränkt bleiben solle, daß die Abgeordneten aus Berlin im Bundestag nicht stimmberechtigt sein sollten und daß Berlin nicht unmittelbar durch den Bundestag regiert werden dürfe. Der letztere Punkt mag in diesem Zusammenhang unerörtert bleiben. Der Vorbehalt wegen der Zahl der Abgeordneten aus Berlin ist bei der Änderung des bisherigen Wahlgesetzes zu Beginn des vorigen Jahres hinfällig geworden. In der Frage der Stimmberechtigung sind die Alliierten offensichtlich bis auf weiteres nicht geneigt, eine volle Gleichstellung der Abgeordneten aus Berlin zuzulassen. Dem wird Rechnung zu tragen sein. Der Ausschuß war jedoch in Übereinstimmung mit einer Stellungnahme des Bundesrats der Meinung, daß es nicht richtig sein würde, wenn der deutsche Gesetzgeber von sich aus am Begriff „beratende Abgeordnete" festhielte und damit Einschränkungen für die Abgeordneten aus Berlin aus deutschem Recht statt bisher aus Besatzungsrecht einführte. Es ist auch darauf hingewiesen worden, daß schon der jetzige tatsächliche Status der Berliner Abgeordneten — ihre Mitwirkung in den Ausschüssen etwa und die Mitwirkung Berlins im Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat — nicht mehr mit der Formulierung „beratende Abgeordnete" übereinstimmt.
Im Ausschuß ist darauf hingewiesen worden, daß die Militärgouverneure 1949 keine Auflage wegen des Verfahrens erteilt hätten, nach dem die Abgeordneten in Berlin zu wählen seien. Der damals einmütig zum Ausdruck gebrachte Wunsch des Berliner Stadtparlaments nach direkten Wahlen scheiterte an einem Einspruch der lokalen Kommandantur. Der Wahlrechtsausschuß hat in Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters von Berlin darüber beraten, welche Formulierung des Berlin-Paragraphen den politischen Gegebenheiten und den nationalpolitischen Erfordernissen am besten Rechnung tragen würde. Eine beträchtliche Mehrheit verständigte sich zunächst darauf, vorzuschlagen, daß das Land Berlin nach den Grundsätzen dieses Gesetzes, also des Bundeswahlgesetzes, gemäß Art. 144 des Grundgesetzes soundso viele Abgeordnete entsendet. Es ist dann bekanntgeworden, daß auf alliierter Seite in diesem Zusammenhang ernste Bedenken gegen die direkte Bezugnahme auf die Grundsätze des Bundeswahlgesetzes und auf das Grundgesetz bestünden. Daraufhin wurde im Ausschuß festgelegt, lediglich vorzuschlagen, daß das Land Berlin soundso viele Abgeordnete entsendet und das Nähere durch ein Gesetz des Landes Berlin geregelt wird. Schließlich jedoch hat der Ausschuß in seiner abschließenden Sitzung be-
schlossen, die Ihnen vorliegende Formulierung zu unterbreiten, die folgendermaßen lautet:
Die wahlberechtigte Bevölkerung des Landes Berlin entsendet zweiundzwanzig Vertreter in den Bundestag.
Das Nähere regelt ein Gesetz des Landes Berlin.
Durch diese Formulierung sollte zum Ausdruck kommen, daß auch die Vertreter aus Berlin ihr Mandat von der wahlberechtigten Bevölkerung erhalten sollten, unabhängig von der Frage, ob sie im übrigen schon volles Stimmrecht erhalten, und ausgehend von der Erwartung, daß nicht besatzungsrechtliche Schritte gegen eine direkte Wahl unternommen werden.
Es ist im übrigen, was die deutsch-rechtliche Lage angeht, darauf verwiesen worden, daß sich Art. 144 Abs. 2 des Grundgesetzes auf Art. 38 bezieht, nach dem alle Abgeordneten in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen sind.
Einen Hinweis auf den eben von mir erörterten § 54 finden Sie in § 6 Abs. 3. Ich darf in diesem Zusammenhang noch erwähnen, daß der Wohnsitz oder dauernde Aufenthalt im Lande Berlin bei den Bestimmungen über das Wahlrecht und die Wählbarkeit in den §§ 1 und 5 mit den entsprechenden Voraussetzungen im Bundesgebiet gleichgestellt worden sind und daß weiter Berlin in § 57 bei der Wahl der Ländermitglieder zur Bundesversammlung berücksichtigt wird.
Sie finden also, wenn Sie den Vorschlag des Ausschusses im ganzen betrachten, im Ersten Teil unter I die Bestimmungen über Wahlrecht und Wählbarkeit. Dabei ist der Regierungsentwurf im wesentlichen unverändert übernommen. Unter II ist in den §§ 6 bis 12 das Wahlsystem geregelt. Dazu habe ich das erforderlich Erscheinende in diesem Zusammenhang bereits gesagt.
Abschnitt III befaßt sich mit der Vorbereitung der Wahl. Dazu ist auf einige redaktionelle Änderungen hinzuweisen, unter anderem auf die Änderung der Fristen in einer Reihe von Paragraphen, in §§ 35 und 37, aber auch in §§ 33 und 34.
Ich darf in Zusammenhang mit diesem Abschnitt III noch auf ein technisches Versehen aufmerksam machen, das sich bei der raschen Drucklegung ergeben hat und das ich hier zur Sprache bringen möchte, damit nicht ein besonderer Antrag gestellt werden muß. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die politisch nicht problematisch ist. Der § 26, wie Sie ihn in der Vorlage finden, enthält nur zwei Absätze. Die vorn Ausschuß bereits beschlossenen Absätze 3 und 4 sind versehentlich nicht aufgenommen worden. Diese beiden Absätze zu § 26 haben folgenden Wortlaut:
Der Wahlvorschlag darf nur den Namen eines Bewerbers enthalten. Jeder Bewerber kann nur in einem Wahlkreis und hier nur in einem Wahlvorschlag benannt werden. In den Wahlvorschlag kann nur aufgenommen werden, wer seine Zustimmung dazu schriftlich erteilt hat.
Wahlvorschläge von Parteien müssen den Namen der einreichenden Partei, andere Wahlvorschläge ein Kennwort enthalten.
Ich darf darum bitten, Herr Präsident, daß dieses Versehen berücksichtigt und der Mündliche Bericht des Ausschusses entsprechend ergänzt wird.
Abschnitt IV enthält die Bestimmungen über die Wahlhandlung. Dabei ist in § 41 das Verbot der Wahlpropaganda im Wahlgebäude aufrechterhalten worden, nicht aber im Umkreis von 50 Metern, wie es der Regierungsentwurf vorsah.
Abschnitt V handelt von der Feststellung des Wahlergebnisses. Hier wurde eine Reihe mehr redaktioneller Änderungen vorgenommen.
Abschnitt VI enthält die besonderen Vorschriften für Nachwahlen und Wiederholungswahlen.
Die unter VII — Ausscheiden und Ersatz von Abgeordneten — fallende Zusatzbestimmung bei § 52 habe ich bereits erwähnt.
In § 52 b sind nun die Folgen eines Parteiverbotes geregelt. Hiernach verlieren Abgeordnete einer Partei oder Teilorganisation, die zur Zeit der Antragstellung oder der Verkündung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungswidrigkeit dieser Partei angehört haben, ihren Sitz. Sind die Abgeordneten jedoch in Wahlkreisen gewählt, so ist die Wahl in diesen Kreisen zu wiederholen, wobei die Abgeordneten, die ihren Sitz verloren haben, nicht als Bewerber aufgestellt werden können. Soweit solche Abgeordnete auf Landesliste gewählt worden sind, bleibt der Sitz unbesetzt und die gesetzliche Mitgliederzahl des Bundestages verringert sich entsprechend. Das gilt jedoch nicht, wenn die Abgeordneten auf der Landesliste einer anderen Partei gewählt worden sind. In diesem Falle wird der nächste nichtgewählte Bewerber der Liste einberufen.
Durch § 53 ist das System der Ersatzwahl, wie es das 49er Wahlrecht kennt, weggefallen. In den jetzt vorliegendenen Entwurf ist die Regelung aufgenommen worden, die zur Zeit durch die Novelle zum Wahlgesetz von 1949 gilt, nämlich daß in jedem Falle, wenn ein Abgeordneter stirbt, die Wahl ablehnt oder sonst aus dem Bundestag ausscheidet, der Sitz nach der Landesliste derjenigen Partei besetzt wird, für die der Ausgeschiedene bei der Wahl aufgetreten ist. Damit entfallen die Nachwahlen. Lediglich bei parteilosen Wahlkreisbewerbern muß eine Ersatzwahl stattfinden.
Unter VIII finden Sie die Schlußbestimmungen, von denen die wichtigeren hier bereits genannt wurden.
Im Zweiten Teil enthalten die §§ 57 und 58 die Bestimmungen für die Wahl der Bundesversammlung und des Bundespräsidenten mit einer gegenüber dem Regierungsentwurf kleinen, Berlin betreffenden Änderung.
Hinzugefügt worden ist schließlich ein § 59 mit der Regelung über das Inkrafttreten des Gesetzes.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, namens der Mehrheit des Wahlrechtsausschusses ersuchen, dem Antrag, der Ihnen auf Drucksache Nr. 4450 vorliegt, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe zunächst auf Erster Teil, §§ 1 bis 5. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der KP, Umdruck Nr. 979 Ziffer 1 vor. Zur Begründung hat Frau Abgeordnete Thiele das Wort.
Meine Herren und Damen, die kommunistische Fraktion beantragt zu § 1 folgende Änderung:
Wahlberechtigt sind alle Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes, die am Wahltage
1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben.
Als Begründung für unseren Antrag möchte ich folgende Bemerkungen machen. Jeder Staat hat die Pflicht, der Jugend das Recht einzuräumen, daß sie an der Bestimmung ihrer Geschicke und auch am Aufbau ihrer Zukunft selbst aktiv teilnehmen kann. Die Stellung der Jugend im Produktionsprozeß, die Not der Jugend in der Auswirkung von zwei Weltkriegen und vor allen Dingen die Maßnahmen zur Rekrutierung der Jugend in der Vorbereitung für einen neuen Krieg, ja, für einen Bruderkrieg, sind unvereinbar mit dem im Entwurf festgelegten einundzwanzigsten Lebensjahr.
Die kommunistische Fraktion fordert: Wahlrecht für jeden Jugendlichen ab 18 Jahren! Die Folgen von Krieg und Nachkriegszeit, die elenden Lebensverhältnisse der Jugend haben diese jungen Menschen schon früh reif gemacht
und haben sie auch im Produktionsprozeß, in der Gestaltung der Lebensverhältnisse mit großer Verantwortung belastet. Viele Jungen und Mädel in diesem Alter sind heute schon Ernährer ihrer Familie; viele Jungen und Mädel sind heute schon gezwungen, dort, wo der Vater fehlt, auch die Fürsorge für die jüngeren Geschwister zu übernehmen. Nach dem EVG-Vertrag, nach den Absichten der Adenauer-Regierung und auch nach den Absichten der amerikanischen Rüstungs- und Finanzkräfte wird die Jugend dann als mündig angesehen, wenn es darum geht, daß sie die Soldaten stellen soll, wenn es darum geht, daß sie die Uniform anziehen soll, daß sie in die Kasernen geht, ja wenn es darum geht, daß sie in einem neuen Krieg noch einmal ihr Leben lassen soll. Wenn diese Jugend aber über diese ihre eigenen Lebensfragen selbst bestimmen will, indem sie Vertreter wählt, die ihre Interessen vertreten, indem sie Vertreter wählt, die eine andere Politik festlegen, dann soll sie auf einmal nicht mündig sein.
Die Jugend ist das höchste Gut eines Volkes.
Alle — Sie selbst sagen es auch — erklären: der Jugend gehört die Zukunft.
Die Jugend hat darum aber auch das Recht, an der
Gestaltung des politischen Lebens teilzunehmen,
weil ja dieses politische Leben auch ihre ganze Zukunft, ihr ganzes eigenes Leben bedeutet. Die Jugend hat die Lehren aus zwei Weltkriegen gezogen.
Sie lehnt die Rekrutierung und die Rüstung ab.
Die Jugend ist der schärfste Gegner der Verträge
von Bonn und Paris, und sie ist auch der schärfste
Gegner der Kriegspolitik der Adenauer-Regierung,
und zwar deswegen, weil sie heute schon die Auswirkungen dieser Rüstungspolitik spürt, weil sie merkt und weil sie weiß, daß Aufrüstung und Hilfe für die Jugend unvereinbar sind. — Herr Kollege Strauß, trotz Ihrer Zwischenrufe können Sie die
Lebensfragen der Jugend nicht dadurch lösen, daß Sie zu jeder Frage einfach sagen „Ostzone", „Berlin" usw. Das nimmt Ihnen die Jugend heute nicht mehr ab.
Die Jugend will eine Friedenspolitik, sie will Verständigung mit allen Völkern. Sie will in guter Gemeinschaft mit den jungen Menschen aller Völker leben. Sie will ihre Leistungen auf kulturellem, auf beruflichem Gebiet, sie will ihre Leistungen auf sportlichem Gebiet in echter Gemeinschaft mit den jungen Menschen aller Völker messen, so wie es bei den Weltfestspielen in Berlin 1951 der Fall war
— meine Herren und Damen, glücklicherweise habe ich heute etwas mehr Zeit als sonst und kann darum warten, bis Sie mit Ihrer Unruhe zu Ende sind —,
so wie es bei den Olympischen Spielen in Oslo 1952 war, so wie es auch bei den Weltfestspielen in Bukarest in diesem Jahre sein wird; das will die Jugend. Dadurch, daß sie schon mit 18 Jahren das Recht erhält, Vertreter zu den politischen Körperschaften zu wählen, die dieser Politik entsprechen, kann sie daran mitwirken, ein solches Leben auch in Westdeutschland und in Gesamtdeutschland zu gestalten. Diese Jugend will sich nämlich nicht mehr in Haß und mit Mordwaffen gegenüberstehen; sie will durch die Wahl für eine Politik der Verständigung der Deutschen untereinander eintreten und in der Verständigung der Völker untereinander ein Wort mitreden. Darum muß die Jugend die Möglichkeit haben, bei den Wahlen zu den politischen Körperschaften und ganz besonders bei der Wahl zum nächsten Bundestag ihre Entscheidung für Frieden und Verständigung — gegen die Kriegspolitik — abzugeben.
Nun zu § 5! Unser Änderungsantrag dazu lautet folgendermaßen:
Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der am Wahltag das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat und ... .
Zur allgemeinen Begründung über die Rechte der jungen Menschen auf die Mitwirkung am politischen Leben verweise ich auf meine Begründung zu § 1. Aber ich möchte dabei noch darauf hinweisen, daß dieses Recht noch viel mehr bei der Wählbarkeit der jungen Menschen in Erscheinung tritt. Die kommunistische Fraktion fordert: Jeder Jugendliche kann ab 21 Jahren gewählt werden. Mit welchem Recht sollen junge Menschen von 21 bis 25 Jahren von der politischen Verantwortung ausgeschaltet werden, wenn dieser Generation auf allen übrigen Ebenen des gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens eine so ungeheure Verantwortung auferlegt wird?
Wir sind der Meinung, daß dieser Generation nicht nur Pflichten, sondern auch die ihr zustehenden Rechte zugebilligt werden müssen, daß sie ein Recht hat, auch die politische Mitverantwortung zu fordern.
Meine Herren und Damen, auch in diesem — entschuldigen Sie — überalterten Bundestag wäre es recht gut gewesen, wenn neben der Erfahrung
aus früheren Parlamenten auch hier junge Menschen gesessen hätten, die in die Zukunft blicken und selbst die Situation der Jugend kennen und daran mitgeholfen hätten, daß in diesen vier Jahren in diesem Bundestag eine andere Politik gemacht worden wäre.
Schließlich ist eine tiefe Kluft zwischen den Versprechungen der Regierung und ihrer Politik bzw. ihren Taten festzustellen. Dr. Adenauer, der Bundeskanzler, hat am 20. September 1949 in seiner Regierungserklärung zur Jugend folgendes gesagt:
Den Jugendlichen, namentlich denjenigen, denen die Erziehung durch Familie und Schule während der Kriegszeit und der wirren Zeit nach dem Kriege und eine gute Ausbildung gefehlt hat, werden wir zu Hilfe kommen müssen. Wir werden
— so Herr Dr. Adenauer —
überhaupt versuchen, unsere Pflicht gegenüber der jungen Generation anders zu betrachten, als das früher geschehen ist.
So die Versprechungen.
Wie aber sehen die Taten aus? — Ich denke, gerade bei der Frage, daß junge Menschen an der politischen Verantwortung beteiligt sein müssen, ist es auch erforderlich, einmal einen kurzen Rückblick zu halten und Rechenschaft darüber zu geben, wie die Taten dieser Regierung aussehen und wie die Situation in Westdeutschland ist. Hierzu einige Informationen!
Nach dem Bericht der „Neuen Zeitung" vom 16. April 1953, Ihrer Zeitung, der amerikanischen Zeitung, die jetzt allerdings nach Herrn McCarthy auf einmal kommunistisch sein soll, heißt es:
1 625 000 Jugendliche sind ohne Arbeit. Jeder elfte Jugendliche in der Bundesrepublik ist ohne Arbeit. Nach Berichten vom Landesarbeitsamt — —
— Herr Dr. Mende, ich weiß, daß ihnen das unangenehm ist. Aber Sie spekulieren ja darauf, daß Sie diese arbeitslosen jungen Menschen in die neue Armee bekommen.
Nach Berichten vom Landesarbeitsamt HessenNassau sind allein von den Schulentlassenen 10 000 Schülerinnen über ein Jahr arbeitslos, In Nordrhein-Westfalen blieben von den 1952 aus der Schule Entlassenen 100 000 ohne Lehrstellen.
Frau Abgeordnete Thiele, wir haben keine Debatte über allgemeine Jugendprobleme, sondern über das Wahlgesetz. Ich rufe Sie zur Sache.
Sie haben recht, aber es ist notwendig, Herr Präsident, bei der Behandlung der Frage, daß den jungen Menschen die Verantwortung im Bundestag nicht zugestanden werden soll, zu erläutern, wie wichtig es ist, daß junge Menschen im Bundestag sind, damit solche Verhältnisse in der kommenden Saison nicht mehr möglich sind.
— Nun gut, nehmen Sie Session, dann haben Sie das gleiche. Vielleicht war Ihre vergangene Regierungszeit eine Saison.
Es ist aber doch notwendig, noch auf einige Dinge hinzuweisen, insbesondere darauf, daß nicht nur die Jugend aus der Arbeiterschaft eine solch ungeheure Notlage zu verzeichnen hat, sondern daß es auch gerade den Studenten in Westdeutschland
so schlecht geht, Studenten, die nach Ihren eigenen Informationen und Meldungen mehr als 30 Stunden in der Woche in artfremden Berufen arbeiten müssen, als Bauarbeiter, Holzfäller, Hilfsmonteure usw., und die in Abstellräumen und in Kellerlöchern schlafen müssen.
Frau Abgeordnete Thiele, ich mache Sie noch einmal auf das Thema der Besprechung aufmerksam. Ich rufe Sie zum zweiten Mal zur Sache und mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufes zur Sache aufmerksam.
Gut! Dann darf ich zum Schluß noch darauf hinweisen, daß gerade die Tatsache, daß 0,08 % des Gesamtetats für Jugendfragen ausgegeben worden sind, unsern Antrag rechtfertigt, nach dem es den jungen Menschen von 21 bis 25 Jahren möglich sein soll, in diesem Bundestag mitzuarbeiten. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, darauf hinzuweisen, daß diese jungen Menschen eine ganz andere Politik verlangen, als sie in der Vergangenheit gemacht worden ist. Die heutige Lage der Jugend in Westdeutschland ist eine recht böse Bilanz Ihrer Politik, aber es ist ein Ergebnis der Spaltungs- und Kriegspolitik. Wir Kommunisten wollen demgegenüber, daß junge Menschen in der ganzen politischen Verantwortung helfen sollen, diese Probleme zu lösen.
Es geht um noch mehr. Die junge Generation muß auch rechtzeitig Gelegenheit haben, sich darauf vorzubereiten, die Geschicke des Staates in die Hand zu nehmen. Sie muß lernen können, aus den Erfahrungen der älteren Generation und aus der eigenen Tätigkeit die Lehren zu ziehen, die sie befähigen, die kommende Staatspolitik in die Hand zu nehmen. Sie selbst muß es in der Hand haben, daß ein geeintes Deutschland geschaffen wird, in dem alle Kraft der jungen Generation eingesetzt wird für ein blühendes, für ein glückliches Deutschland, für ein anderes Deutschland, als es heute besteht: ein gespaltenes Deutschland, das in Gefahr steht, ein Kriegs- und Unruheherd zu werden.
— Dieses Berlin, daran haben Sie einen entscheidenden Teil mitgewirkt, das wissen Sie selbst ganz genau. — Diese Jugend will solche Verhältnisse überwinden, daß Deutsche gegen Deutsche stehen, sie will nicht eine solche Politik, daß sich Deutsche gegen Deutsche richten.
Sie will keine Rekruten für fremde Interessen,
sondern gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle Jugendlichen, ausreichende Lehrstellen, Studienmöglichkeiten, Förderung im Beruf, freie Berufswahl, gleichen Lohn für gleiche Arbeit,
Förderungsmaßnahmen, Jugendschutzgesetze.
Frau Abgeordnete Thiele, Sie sprechen wieder zu einem Thema, das mit der Beratung nichts zu tun hat. Ich rufe Sie zum dritten Mal zur Sache. Ich muß Ihnen nach der Geschäftsordnung in dieser Angelegenheit das Wort entziehen.
Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung zu den §§ 1 bis 5. Ich bitte die Damen und Herren, die dem kommunistischen Änderungsantrag — —
— Ich hatte die Besprechung geschlossen, Herr Abgeordneter Fisch.
— Wortmeldungen müssen nach der Geschäftsordnung schriftlich gemacht werden, Herr Abgeordneter Fisch. Ich bedaure sehr, es übersehen zu haben, wenn Sie sich vorher gemeldet haben. Ich habe die Besprechung geschlossen und bedaure, das nicht rückgängig machen zu können.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 2, — 3, — 4. — Keine Änderungsanträge. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. Das ist die Mehrheit; sind angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem kommunistischen Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Renner beugt vor.
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die dem § 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf § 6. Dazu der Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe — der am weitesten geht
— auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 3. Zur Begründung Herr Abgeordneter Fisch!
Meine Damen und Herren! Wir beantragen in Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 979, die gegenwärtige Formulierung des § 6 durch eine andere Fassung zu ersetzen. Zunächst möchte ich mich aber der Behandlung eines besonderen Punktes zuwenden, der mit dem § 6 der vorliegenden Ausschußfassung, und zwar mit dessen Abs. 13 zusammenhängt. In diesem Abs. 3 heißt es:
Dazu
— nämlich zu den 242 Abgeordneten, die in Wahlkreisen zu wählen sind, und derselben Anzahl, die auf Landesliste zu wählen sind, zu diesen insgesamt 484 Abgeordneten —
treten zweiundzwanzig Abgeordnete des Landes Berlin gemäß § 54.
Ich möchte, da es sich um ein und dieselbe Sache handelt, darum bitten, daß mir gestattet wird, gleichzeitig den Antrag meiner Fraktion zu begründen, in dem sie die Streichung des § 54 verlangt. Das ist die Ziffer 26 des Umdrucks Nr. 979.
Bitte!
Diese beiden Fragen gehören zusammen. Es handelt sich in beiden Fällen darum, daß diesem Hause auch Abgeordnete angehören sollen, die im Lande Berlin gewählt worden sind, und zwar nach einem Gesetz, das in West-Berlin selbst durch das dortige Abgeordnetenhaus zu verabschieden ist.
§ 5 der Ausschußvorlage, über den bereits abgestimmt wurde, enthält den Vorschlag, daß auch wählbar sein soll, wer seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Lande Berlin hat, falls er die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt. Über diese Frage, ob die Bevölkerung von West-Berlin an der Wahl zum Bundestag beteiligt sein soll, hat es sehr langdauernde und teilweise heftige Auseinandersetzungen im Ausschuß und außerhalb des Ausschusses gegeben. Der Streit ging vor allem um die Frage, ob die bestehenden interalliierten Bestimmungen für die Entscheidung in dieser Frage maßgeblich sein sollten oder ob, wie die andere Seite sagte, die deutschen Wünsche maßgeblich sein sollten, und zwar unabhängig von der jetzigen Form der alliierten Bestimmungen, die auf Viermächtebasis getroffen worden sind. Natürlich sind wir der Auffassung, daß die echten deutschen Interessen vor alliierten Bestimmungen den Vorrang zu genießen haben, soweit die alliierten Bestimmungen diesen deutschen Interessen entgegenstehen. Hier ist aber mit allem Ernst die Frage zu prüfen, ob eine Beteiligung der West-Berliner Bevölkerung an den Wahlen zum Bundestag tatsächlich den gesamtdeutschen Interessen entspricht. Ich glaube, deutsche Wünsche sollten dadurch gekennzeichnet sein, daß sie darauf abzielen, alles zu unterlassen, was der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands im Wege steht, und alles zu fördern, was die Wiedervereinigung Deutschlands erleichtert. Wenn die im Ausschuß aufgestellte Forderung nach Beteiligung der West-Berliner Bevölkerung an den Wahlen zum Bundestag zum Gesetz erhoben werden sollte, so wäre das ein Beitrag zur Vertiefung der Spaltung Deutschlands. Die Annahme dieser Bestimmung würde den gegenwärtigen Bemühun-
gen, auf Grund einer allgemeinen Verständigung zu einer Lösung der deutschen Frage zu kommen, im Wege stehen.
Dieser Wunsch, die West-Berliner Bevölkerung an den Wahlen zum Bundestag teilnehmen zu lassen, ist in einer bestimmten Weise eine Verwirklichung der These, daß West-Berlin ein Teil der Bundesrepublik sei, die Verwirklichung der These, daß darum West-Berlin auch formell in die Bundesrepublik eingegliedert werden sollte.
Nun, meine Damen und Herren, diese Frage ist keineswegs, auch außerhalb der Anhänger meiner politischen Auffassung, unumstritten. Ich möchte Sie daran erinnern, daß noch vor einiger Zeit in diesem Hause von der überwiegenden Mehrheit die Auffassung vertreten wurde, daß auch das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik theoretisch und politisch zur Bundesrepublik gehöre. Es gab Sprecher dieses Hauses, die da erklärten, nicht nur Dresden und Magdeburg, sondern auch Groß-Berlin seien Bestandteil der Bundesrepublik.
Aus dieser Auffassung resultiert doch wohl der Vorschlag, der sich in der Ausschußfassung findet, daß nämlich die Bevölkerung von West-Berlin auch ihre Abgeordneten in dieses Haus schicken möge. Wir haben aber in der Zwischenzeit erlebt, daß besonders jene Partei, die früher auf die Feststellung so großen Wert legte, Groß-Berlin sei ein Teil der Bundesrepublik, diese Auffassung widerrufen hat. Sie erklärte jetzt — ich meine die Sozialdemokratische Partei —, daß Adenauer nicht befugt sei, für ganz Deutschland zu sprechen, daß vor allen Dingen die Bundesrepublik nicht befugt sei, irgendwelche Entscheidungen vorwegzunehmen, die nur ein Gesamtdeutschland treffen könne, und daß sie vor allem nicht berechtigt sei, Entscheidungen zu treffen, die von der Nationalversammlung des kommenden geeinten Deutschlands zu treffen seien.
Wenn Sie aber heute durch einen solchen willkürlichen Beschluß etwa festlegen sollten, daß in die bestehenden Verhältnisse willkürlich eingegriffen wird, nicht auf der Grundlage einer Verständigung, sondern auf der Grundlage eines einseitigen Aktes, dann nehmen Sie tatsächlich Entscheidungen vorweg, die einer künftigen gesamtdeutschen gesetzgebenden bzw. verfassunggebenden Körperschaft vorbehalten sein müssen.
Und noch ein Weiteres, meine Damen und Herren. Ein großer Teil der Mitglieder dieses Hauses war ja früher immerhin der Auffassung, Berlin, und zwar Groß-Berlin, könne in gewissem Sinne ein Ausgangspunkt zur Lösung der gesamtdeutschen Frage werden, und zwar gerade wegen seiner Sonderstellung, die es innerhalb Deutschlands einnimmt. Gerade weil für Groß-Berlin heute noch ein Viermächtestatus gültig ist, gerade darum sind sie der Meinung, daß man auf dem Boden Berlins sozusagen ein Exempel statuieren könnte, wie die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands vor sich gehen könne. Ich möchte Sie an diese Ihre Politik erinnern, und ich glaube, es steht mit der damals vertretenen These nicht im Einklang, wenn Sie jetzt die Gleichschaltung West-Berlins mit der Bundesrepublik verlangen.
Übrigens müßten Sie auch sonst ein wenig mehr Konsequenz an den Tag legen, meine Damen und Herren. Sie haben die Sonderstellung Berlins aus einer ganzen Reihe von politischen Erwägungen bisher stets bejaht. Ich erinnere Sie daran, daß die Bestimmungen über die Sonderstellung von WestBerlin im Generalvertrag von keiner Seite dieses
Hauses, mit Ausnahme der kommunistischen Fraktion, angefochten worden sind. Sie wollten damals aus diesem Anlaß Ihre ausdrückliche Zustimmung zur Aufrechterhaltung des Sonderstatus für Berlin aussprechen, weil Sie glaubten, Sie könnten damit eine Garantie für die bestehenden Machtverhältnisse, für die bestehenden politischen Verhältnisse in West-Berlin erreichen, und zwar bezogen sowohl auf die deutschen Verwaltungsorgane, auf die deutsche Politik, wie vor allem auch auf die Politik und auf die Positionen der westlichen Besatzungsmächte. Wenn Sie also einerseits eine Sonderstellung von West-Berlin oder von ganz Berlin mit Rücksicht auf die gegenwärtige deutsche Lage für angebracht halten, dann können Sie andererseits aus Anlaß dieser Wahlgesetzdebatte nicht die Herstellung von einseitigen Entscheidungen befürworten und praktisch eine Anschlußpolitik durch einseitigen Akt durchführen.
Im übrigen möchte ich Ihnen sagen: Was Sie hier vorschlagen, ist nicht nur keine Lösung, sondern es ist nicht einmal der geringste Schritt in der Richtung zu einer Lösung sowohl der Berliner wie der gesamtdeutschen Frage. Die kommunistische Fraktion hat seinerzeit bei der zweiten Lesung des Generalvertrags am 4. und 5. Dezember 1952 dem Hause konstruktive Vorschläge unterbreitet, wie wir zu einer Lösung der Berliner Frage kommen können, die im Interesse der Berliner Bevölkerung und auch im Interesse der gesamten deutschen Bevölkerung liegen. Ich möchte diesen Vorschlag darum heute zitieren, weil es notwendig ist, solchen Vorschlägen, die aus rein agitatorischen Überlegungen geboren sind, die schädlich sind und die der gesamtdeutschen Wiedervereinigung im Wege stehen, andere Vorschläge gegenüberzustellen, die der Wiedervereinigung und der Verständigung der Deutschen dienlich sind.
Wir verlangten damals:
1. Die drei Westmächte werden aufgefordert, mit der Sowjetunion in Verhandlungen zu treten mit dem Ziel des sofortigen Abzugs aller militärischen Garnisonen aus Berlin, der Aufhebung der Sektorengrenzen und der Durchführung freier demokratischer Wahlen zu einem Gesamtberliner Magistrat.
2. Die drei Westmächte werden aufgefordert, das kleine Besatzungsstatut für Berlin vom 8. März 1951 aufzuheben. Die Bevölkerung West-Berlins muß unverzüglich, ebenso wie die Bevölkerung Ost-Berlins, alle im Grundgesetz garantierten demokratischen Rechte und Freiheiten erhalten.
Meine Damen und Herren, diese Erklärung, die wir damals abgegeben und die wir in die Form eines Entschließungsantrags gekleidet haben, ist heute, im Juni 1953, wortwörtlich noch so gültig wie damals. Aus diesem Grunde sieht sich die kommunistische Fraktion veranlaßt, den Formulierungen in den §§ 1, 5, 6 und 54, die sich auf die Anteilnahme von West-Berlin an den Bundestagswahlen beziehen, abzulehnen.
Nun zu den übrigen Komplexen, die in den §§ 6 ff angesprochen sind. Ich darf auch hier darum bitten, Herr Präsident, mir zu gestatten, schon bei diesem Anlaß alle nachfolgenden Punkte mitbegründen zu dürfen, die in Umdruck Nr. 979, Änderungsantrag der KPD, enthalten sind, und zwar bis einschließlich Ziffer 15, weil sie inhaltlich alle mit unserem Antrag zusammenhängen, den § 6 durch eine andere Fassung zu ersetzen.
Herr Abgeordneter, ich darf Sie vorsorglich darauf aufmerksam machen, daß Ihre Höchstredezeit eine Stunde ist.
Ich danke Ihnen für die Belehrung, Herr Präsident!
Eine Viertelstunde haben Sie bereits gesprochen.
Wir sind der Auffassung, daß es sich im § 6 bereits um die Kernfrage des ganzen Wahlgesetzes handelt, nämlich um die Frage, nach welchem Grundsatzsystem der neue Bundestag gewählt werden soll. Wir sind der Auffassung, daß die jetzt vorliegende Fassung eines Wahlgesetzentwurfs eine bedeutsame Verbesserung gegenüber dem von der Regierung vorgelegten Entwurf darstellt. Wir begrüßen diese Verbesserung vor allem darum, weil wir in dem Entwurf eine Möglichkeit sehen, dem von der Regierung beabsichtigten System des Wahlbetrugs, dem System der Tricks und Drehs., mit dem der Wählerwille verfälscht werden soll, entgegenzutreten.
Herr Abgeordneter, der Vorwurf des Wahlbetrugs ist eine Beleidigung. Ich rufe Sie zur Ordnung. Im übrigen mache ich Sie darauf aufmerksam, daß Sie das Wort haben zur Begründung Ihrer Anträge, nicht zur allgemeinen Aussprache; diese findet am Freitag statt.
Trotzdem sind wir der Auffassung, daß so, wie § 6 der vorliegenden Fassung die ganzen Bestimmungen charakterisiert, auch hierdurch keine exakte, keine restlos zufriedenstellende Verwertung und Auswertung des Wählerwillens gegeben ist. Ich möchte daran erinnern, daß bei den Wahlen von 1949, wo nach einem ähnlichen System gewählt worden ist, wie es hier in § 6 zum Ausdruck kommt, Hunderttausende von Stimmen, die für die Kommunistische Partei abgegeben worden sind, unbeachtet blieben, so daß der Wille der Wähler nicht zum Ausdruck kam. Ich möchte darauf hinweisen, daß beispielsweise allein im Lande Bayern 195 000 für die kommunistische Partei abgegebene Stimmen auf Grund dieses Wahlsystems unbeachtet blieben und keine Vertretung in diesem Hause gefunden haben.
Insbesondere kommt die Ungerechtigkeit und der undemokratische Charakter dieses Systems an folgender Zahlengegenüberstellung wohl am besten zum Ausdruck: Um ein Mandat für einen kommunistischen Abgeordneten zu erzielen, mußten im Bundesgebiet 90 000 Stimmen abgegeben werden. Um ein Mandat für die Partei des Bundeskanzlers, für die CDU, zu erzielen, mußten lediglich 54 000 Stimmen abgegeben werden. Sie werden zugeben müssen, meine Damen und Herren, daß diese unterschiedliche Bewertung der Stimmabgabe mit dem Prinzip der Gleichheit der Wahl unvereinbar ist. Auch in der jetzigen Fassung besteht noch immer die Möglichkeit, daß Hunderttausende von Stimmen unbeachtet bleiben und keine Verwertung in der Bestätigung von gewählten Abgeordneten finden. Auch in der jetzt vorliegenden Fassung gibt es immer noch eine ungleichmäßige Bewertung der Stimmen, nicht zuletzt dadurch, daß zum System der Doppelstimme gegriffen wurde, wobei eine Stimme im Wahlkreis und eine andere für eine Landesliste abgegeben werden kann.
Die kommunistische Fraktion hat mit ihren Änderungsanträgen unter den Ziffern 3 bis 15 des Umdrucks Nr. 979 wohlüberlegt auf das in der Weimarer Republik angewandte Wahlsystem zurückgegriffen. Wir haben uns ziemlich genau an das Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag vom März 1924 gehalten. Wir sind der Auffassung, daß das damalige Reichstagswahlgesetz am ehesten noch dem Prinzip der Verhältniswahl entspricht und damit eine gerechte Auswertung und eine gerechte Anwendung des Wählerwillens garantiert. Unsere Vorschläge in dem Ihnen vorliegenden Umdruck beinhalten im wesentlichen folgende Punkte.
Erstens die Beachtung des Prinzips des Verhältniswahlrechts. Zweitens dementsprechend die Forderung, daß allgemein auf je 50 000 für eine Partei oder eine Wählergruppierung abgegebene Stimmen ein Abgeordneter entfällt. Drittens bekennen wir uns zum System der Wahlkreisverbände, innerhalb deren eine Aufrechnung der Stimmen und auch der Reststimmen erfolgen kann, und zum System der Bundesliste entsprechend der Reichsliste in der Weimarer Republik. Wir bekennen uns weiterhin zu dem Grundsatz einer Aufrechnung der Reststimmen, so daß bis auf eine kleine Zahl, die im Gesamtergebnis unbedeutend bleibt, eine jede Wählerstimme, die im Bundesgebiet abgegeben worden ist, auch zur Wirkung gelangt. Schließlich stehen wir auf dem Standpunkt, daß ein jeder Wähler nur eine Stimme zur Verfügung haben soll.
Meine Damen und Herren, wir befinden uns mit diesen Vorschlägen nicht nur in Übereinstimmung mit den demokratischen Grundsätzen des Reichstagswahlgesetzes von 1924, sondern — und ich bitte Sie, nicht zu erschrecken — im gewissen Sinne sogar in Übereinstimmung mit älteren Vorschlägen der Bundesregierung und insbesondere des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen Jakob Kaiser. Ich darf bei dieser Gelegenheit an die Debatte erinnern, die in diesem Hause am 27. September 1951 stattfand. Damals antwortete die Bundesregierung auf die ihr eigene Art auf den Vorschlag der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, unverzüglich in gemeinsame Beratungen über ein für ganz Deutschland geltendes Wahlgesetz eintreten zu wollen. Die Bundesregierung verkündete ihren Standpunkt damals in den sogenannten 14 Punkten, die sie für unabdingbar erklärte, und es ist heute nicht nur für alle Spezialisten der Wahlgesetzgebung, sondern auch für jeden einfachen Wähler interessant, die Grundsätze dieser 14 Punkte der Bundesregierung sich einmal anzusehen und zu vergleichen, inwiefern die heutige Stellungnahme der Bundesregierung und der Koalitionsparteien CDU und DP in Übereinstimmung mit den damaligen Auffassungen steht. Zwar ließ sich die Bundesregierung damals sehr viel Zeit, um von der Verkündung allgemeiner Grundsätze bis zur Vorlage eines bestimmten Gesetzentwurfs zu kommen — sie brauchte von Ende September bis Anfang Februar dazu —, aber was sie dann schließlich Anfang Februar dem Hause vorlegte, kann man immerhin noch als im Grunde genommen mit den 14 Punkten von September 1951 übereinstimmend ansehen. Herr Bundesminister Kaiser legte damals einen Gesetzentwurf vor, als dessen Zweck er es bezeichnete, er solle den Vereinten Nationen und den westlichen Besatzungsmächten vorgelegt werden, damit sie ihrerseits ein Wahlgesetz für ganz Deutschland machen sollten. Das sollte heißen: die Bundesregierung erklärte, die Besatzungsmächte und die UNO als letzte und schließlich einzig ausschlaggebende Instanz — —
Herr Abgeordneter Fisch, würden Sie mir freundlichst sagen, welchen Antrag Sie im Augenblick begründen? — Wir haben keine allgemeine Aussprache. Ich rufe Sie zur Sache.
Ich erinnere also jetzt — um für jeden zu unterstreichen, daß diese Fragen zur Sache gehören — an die Grundsätze, die damals, am 5. Februar 1952, von der Bundesregierung verabschiedet und diesem Hause am 6. Februar, am Tage danach, vorgelegt wurden. Darin hieß es z. B. in Art. 1:
In den vier Besatzungszonen Deutschlands- -
Herr Abgeordneter Fisch, Sie sprechen wieder einmal zur allgemeinen Aussprache. Ich rufe Sie zum zweitenmal zur Sache. Sie haben das Wort zur Begründung Ihrer Änderungsanträge.
Ich begründe meine Änderungsanträge, indem ich die Regierungskoalitionsparteien ersuche, sich auf die von ihnen selbst verkündeten Grundsätze zu besinnen. Ich glaube, es gehört zur Sache, wenn ich diese Grundsätze hier dem Hause vortrage.
Herr Abgeordneter Fisch, wir sind in einer Einzelbesprechung der zweiten Beratung und nicht in einer allgemeinen Aussprache. Ich bitte Sie, sich daran zu halten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht, Herr Präsident, um den Grundsatz, der hier in § 6 der Vorlage zum Ausdruck kommt, und ich habe darum gebeten, gleich zu den darauf folgenden Paragraphen mit sprechen zu können, weil es sich inhaltlich um die gleiche Sache handelt.
Eben, dazu haben Sie das Wort. Ich bitte Sie, sich daran zu halten.
In der Vorlage von damals hieß es, es solle nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Ich stelle also erstens fest, daß die Bundesregierung in der Frage des Verhältniswahlrechts ihren damaligen Standpunkt geändert hat. Zweitens hieß es in § 2 der Vorlage:
Das Gebiet der Wahl bildet einen einheitlichen Wahlkreis. Jede Partei reicht einen Wahlvorschlag für das gesamte Wahlgebiet ein.
Der damalige Standpunkt der Bundesregierung war also, ganz Deutschland solle seine Abgeordneten nach einer Liste wählen, die für ganz Deutschland aufgestellt werde. Herr Kaiser hatte damals erklärt: „Sie wissen ohne weitere Erläuterung die Gründe zu würdigen, die hierfür bestimmend sind". Die Gründe waren wohl die, daß beabsichtigt war, eine wirklich echte Wiedergabe des Volkswillens propagandistisch zu verkünden. Aber jetzt, wo es darum geht, in diesem Teil Deutschlands ein Gesetz zu machen, das nicht nur propagandistischen Wert haben, sondern das angewendet werden soll, da verrät der Verfasser der damaligen Vorlage seine eigenen Prinzipien. Er verrät das Prinzip des Verhältniswahlrechts und legt uns die heutige Fassung vor. Damals hieß es: „Auf je 75 000 Stimmen entfällt ein Abgeordneter". Sie werden es also für recht begründet halten, wenn wir uns heute unter anderem auch auf die damals verkündeten Grundsätze stützen, weil wir der Auffassung sind: ein Wahlgesetz ist nicht für
den kalten Krieg, sondern dafür da, den Willen der Wähler zum Ausdruck zu bringen. Das betrifft hier die Wahl zum Bundestag, und das betrifft ebenso die Wahl zur deutschen Nationalversammlung, die hoffentlich möglichst bald im gesamten Gebiet Deutschlands durchgeführt wird.
Wir lehnen die vorliegende Fassung des § 6 und der folgenden Paragraphen ab, weil sie ein Zweckgesetz schaffen, mit dem erreicht werden soll, daß gewisse Mehrheitsverhältnisse von vornherein gesichert werden. Wir bekennen uns zu den demokratischen Grundsätzen
des Weimarer Wahlgesetzes, nicht zuletzt darum, weil wir in einem solchen Bekenntnis die beste Voraussetzung für eine gesamtdeutsche Verständigung über ein Wahlgesetz für gegeben ansehen, nach dessen Grundsätzen eine Wahl zur gesamtdeutschen verfassunggebenden Versammlung stattfinden kann.
Zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 982 hat Herr Abgeordneter Scharnberg das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich auf unseren Änderungsantrag zu § 6 näher eingehe, muß ich zum Verständnis unseres Antrags einige grundsätzliche Ausführungen zu den Wahlsystemen, die hier in Rede stehen, machen.
Das vom Ausschuß vorgeschlagene Wahlsystem stellt ein reines Verhältniswahlrecht dar.
Es entspricht mit einigen unwesentlichen Modifikationen dem Wahlrecht, welches wir vorher hatten.
Der Ausschußantrag bringt sogar insofern noch eine Verschlechterung, als das Verhältnis zwischen den Wahlkreismandaten und den Listenmandaten statt wie 60 zu 40 nun wie 50 zu 50 sein soll. Damit ist es praktisch völlig unmöglich gemacht, daß Überhangmandate entstehen, d. h. daß auch der letzte bescheidene Rest von Mehrheitswahlrecht, der in dem Wahlgesetz zum ersten Bundestag enthalten war, verschwunden ist. Eine Kompromißlösung, wie der Herr Berichterstatter sagte, stellt jedenfalls nach unserer Meinung die Ausschußfassung keineswegs dar; denn sie beinhaltet, wie ich sagte, ein reines Verhältniswahlrecht.
Meine Kollegen Wuermeling und Jaeger und auch ich haben an dieser Stelle anläßlich der ersten Lesung des Wahlgesetzes eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß die CDU/CSU ein Verhältniswahlrecht nicht annehmen wird. Ich hätte den Ausführungen, die wir damals zu diesem Punkt gemacht haben, heute nichts hinzuzufügen — zumal wir ja auch anläßlich der dritten Lesung noch unsere grundsätzlichen Ausführungen machen werden —, wenn mir nicht heute eine Begründung des Herrn Kollegen Onnen für seine Vorschläge zugegangen wäre, die mich doch veranlaßt, einige in dieser Begründung enthaltene Unrichtigkeiten und Mißverständnisse richtigzustellen. Herr Kollege Onnen schreibt hier, unser Vorschlag habe zur Folge, daß eine Partei wie die seinige, die wenige Wahlkreismandate erringen könne, nicht die Anzahl der
Mandate erhalte, die ihr nach den für sie als Partei auf die Landesliste abgegebenen Stimmen gerechterweise zustehen würde. Demgegenüber sage ich, daß dieser Einwand unzutreffend ist. Ich stelle folgendes fest. Jede Partei bekommt nach unseren Vorschlägen ihren prozentualen Anteil an 242 Listenmandaten. Ich stelle weiterhin fest, daß jede an der Listenverbindung beteiligte Partei genau den Prozentanteil an den gemeinsam errungenen Wahlkreismandaten bekommt, und ich stelle ferner fest, daß infolge des 50%igen Mehrheitswahlrechtscharakters die stärkste Gruppe, die sich bildet, die meisten Wahlkreismandate bekommt. Innerhalb dieser Gruppe hat die stärkste Partei zwar die meisten Mandate, durch den internen Proporz wird hieran aber jede der listenverbundenen Parteien beteiligt.
Der Herr Kollege Onnen sagt dann weiter, daß ich mit meinem Antrag ein Zweiparteiensystem anstrebe. Ich möchte dazu mit aller Deutlichkeit hervorheben: unser Ziel ist nicht die Herbeiführung eines Zweiparteiensystems.
Herr Onnen sagt, ich hätte diese Zielsetzung „Integration" genannt.
Herr Abgeordneter Scharnberg, darf ich auch hier bitten, nach Möglichkeit im Rahmen der Einzelbesprechung der zweiten Beratung zu bleiben. Wir geraten immer wieder in die Gefahr, in eine Generaldebatte hineinzukommen.
Ich werde diesen Punkt beschränken, werde aber auch weiterhin noch gewisse Ausführungen zu dem System machen müssen, Herr Präsident, denn ohne diese Ausführungen werden unsere Anträge hierzu nicht verständlich sein.
Nun aber zu den Systemen, die hier in Rede stehen, noch folgendes. Ich habe gesagt: die CDU/ CSU ist seit jeher Anhänger des Mehrheitswahlrechts gewesen.
Vor Einbringung der Regierungsvorlage haben langwierige Verhandlungen zwischen meiner Fraktion und den beiden anderen Regierungsfraktionen stattgefunden. In diesen Verhandlungen haben wir uns zu einer Kompromißlösung verstanden, die die Billigung unserer Freunde von der Deutschen Partei gefunden hat, nicht aber einheitlich in der Fraktion der Freien Demokratischen Partei beurteilt worden ist. Diese Kompromißlösung, die vorsah, daß die Hälfte der Abgeordneten nach dem Mehrheitsprinzip und die andere nach dem Verhältnisprinzip gewählt werden sollte, fand in dem Regierungsentwurf ihren Niederschlag. Im Mehrheitswahlsektor beruhte der Regierungsentwurf auf dem Prinzip des absoluten Mehrheitswahlrechts, strebte aber durch die Einführung der Hilfsstimme eine Zusammenziehung der zum Prinzip der absoluten Mehrheitswahl an sich gehörenden zwei Wahlgänge in einen Wahlgang an. Da die
Hilfsstimme eine überwiegend ablehnende Beurteilung gefunden hat, habe ich im Ausschuß namens meiner Freunde den Antrag gestellt, zur unverfälschten absoluten Mehrheitswahl zurückzukehren, d. h. daß auf dem Mehrheitssektor, auf dem 242 Abgeordnete in Wahlkreisen zu wählen sind, im ersten Wahlgang nur derjenige Abgeordnete gewählt ist, der mehr als die Hälfte der in seinem Wahlkreis abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt, während in den Wahlkreisen, in denen kein Kandidat diese absolute Mehrheit erringt, eine Woche später eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten stattfindet, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten.
Herr Abgeordneter Scharnberg, Sie sind bei der Begründung des Änderungsantrags zu § B. Ich darf bitten, sich zunächst auf § 6 beschränken zu wollen.
Herr Präsident, es ist nun einmal nötig. Alle Paragraphen von § 6 bis § 10 sind ja miteinander verbunden, und es ist nicht gut möglich, hier zu begründen, weswegen die Änderungsanträge zu § 6 gestellt sind, wenn man zu diesen Dingen nicht auch ein allgemeines Wort über das Wahlsystem sagen kann. Ich bin aber sofort fertig.
Außer der grundsätzlichen Änderung hatten wir in den Anträgen, die ich im Wahlrechtsausschuß namens meiner Freunde gestellt habe, noch eine zweite Änderung vorgesehen. Diese Änderung bezweckte, eine noch schärfere Trennung zwischen dem Mehrheits- und dem Verhältnissektor durchzuführen, als der Regierungsentwurf es schon vorsah. Wir hatten nämlich vorgeschlagen, dem Wähler zwei Stimmen zu geben, von denen die eine für die Mehrheitswahl und die andere für die Verhältniswahl gedacht war. Auf diese Weise sollte im Sinne des Personenwahlrechts dem Wähler die Möglichkeit gegeben werden, einer Persönlichkeit sein Vertrauen und seine Stimme auch dann zu geben, wenn diese Persönlichkeit einer Partei angehört, welcher der betreffende Wähler seine Stimme nicht geben will. In diesem Fall kann er die zweite, für die Verhältniswahl gültige Stimme der Liste einer andern Partei geben.
Der Ausschuß hat nun der Einführung der zwei Stimmen, nicht aber der von uns gewünschten Trennung zwischen Mehrheitswahl und Verhältniswahl zugestimmt, so daß alle in der Mehrheitswahl errungenen Mandate auf die verhältnismäßig zu verteilenden Sitze angerechnet werden sollen, wodurch das reine Proporzsystem für den ganzen Bundestag zum Zuge kommt. Dieses System aber lehnen wir ab, und wir wünschen, an dessen Stelle die Trennung zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl wiederherzustellen, um auf diese Weise dem Grundsatz der Mehrheitswahl wenigstens zu 50 % Geltung zu verschaffen.
Die Änderungsvorschläge, die wir zu § 6 einbringen, ergeben sich aus dieser von uns gewünschten Änderung des Systems. In § 6 sind drei Änderungen vorzunehmen.
In Abs. 1 muß zunächst das Wort „mindestens" gestrichen werden. Die Streichung ist deshalb nötig, weil bei unserm System eine Aufstockung des Parlaments nicht in Frage kommt, während bei dem System des Ausschusses zwar nicht praktisch, aber theoretisch Überhangmandate entstehen konnten,
wodurch sich die Gesamtzahl der Mandate erhöhen würde.
Die zweite Änderung bezieht sich darauf, daß unser System mit Bundeslisten arbeitet, die sich aus einzelnen Landeswahlvorschlägen zusammensetzen. Ich komme hierauf anläßlich unseres Antrags zu § 9 noch zurück. Das Wort „Landeslisten" muß also durch das Wort „Bundeslisten" ersetzt werden.
Die dritte Änderung bezieht sich auf die Absätze 2 und 4 der Ausschußfassung. Nach dem Antrag des Ausschusses werden sämtliche 484 Mandate auf die neun Länder verteilt. Wir wollen aber nur für die 242 Wahlkreise eine solche starre Aufteilung vornehmen. Die 242 Listenmandate sollen nach unserm Wunsch auf Grund der Vorschläge, die wir zu § 9 machen werden, entsprechend den gültigen Stimmen, die in jedem Land abgegeben werden, auf die einzelnen Länder verteilt werden. Dieses Verfahren ist einer starren Einteilung insofern vorzuziehen, als hierdurch wahlfreudige gegenüber wahlunlustigen Gegenden belohnt werden. Hierin liegt also ein Anreiz zur Bekämpfung der Wahlmüdigkeit.
Im übrigen versteht es sich, daß die Einteilung der 242 Wahlkreise durch ein Gesetz geregelt werden muß. Dieses Gesetz muß vor allem auch Vorsorge treffen, daß die Wahlkreiseinteilung verändert wird, wenn Bevölkerungsverschiebungen eintreten. Es darf nicht wieder dahin kommen, daß, wie in der Zeit vor 1914, ganz ungleich große Wahlkreise bestehen. Da wir beabsichtigen — wie ich zu § 34 und zur Überschrift noch ausführen werde —, vorzuschlagen, daß das jetzige Gesetz nur für die Wahl zum zweiten Bundestag gültig sein soll, und da sich jedermann darüber im klaren ist, daß schon aus Zeitmangel eine Neueinteilung der Wahlkreise anläßlich dieser Wahl nicht mehr möglich ist, sieht unser Änderungsantrag vor, daß bei der bevorstehenden Wahl nach der bisherigen Wahlkreiseinteilung gewählt wird. Das entspricht im übrigen auch dem Antrag des Ausschusses. Die Änderung der Formulierung ist lediglich dadurch bedingt, daß wir das Gesetz nur für die Wahl zum zweiten Bundestag machen wollen, während der Ausschußantrag ein Dauergesetz vorsieht.
Ich bitte das Hohe Haus, unsere Anträge anzunehmen.
Herr Abgeordneter Scharnberg, darf ich vorschlagen, daß Sie Ihre Änderungsanträge zu den §§ 7 und 8 auch gleich begründen. Die kommunistische Gruppe hat ihren Antrag zu § 8 auch gleich mitbegründet. Diese Anträge stehen offenbar in einem sachlichen Zusammenhang.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehe ich meinen Änderungsantrag zu § 7 begründe, muß ich zunächst die Berichterstattung des Herrn Berichterstatters in einem Punkte richtigstellen. Wenn ich den Herrn Berichterstatter richtig verstanden habe, so hat er eine nicht ganz zutreffende Darstellung über das Verlassen der Abgeordneten der CDU/CSU in der letzten Sitzung des Wahlrechtsausschusses gegeben. Es waren — das darf ich hier noch einmal feststellen — schwere und, wie übrigens der jetzt vorliegende Antrag der SPD zu § 9 zeigt, durchaus begründete verfassungsmäßige Bedenken gegen die Fassung des § 9 und des § 26, der ja auch eine Änderung erfahren hat, seitens der Regierung geäußert worden. Wir, die Abgeordneten der CDU/CSU und der Deutschen
Partei, hatten keine Gelegenheit, hierüber unter uns zu sprechen.
Wir hatten den Wunsch, das zu tun, und haben eine Stunde Unterbrechung beantragt. Entgegen aller Übung ist diese Unterbrechung — das stelle ich hier fest — abgelehnt worden. Dabei ist in keiner Weise, wie es der Herr Berichterstatter meines Wissens gesagt hat, geäußert worden, daß man die Unterbrechung später vornehmen könne, sondern der Antrag ist ohne weiteren Zusatz abgelehnt worden.
Im übrigen darf ich zu unserem Änderungsantrag zu § 7 auf das verweisen, was ich schon zu § 6 ausgeführt habe. Wir haben den Wunsch, daß das Wort „Landeslisten" durch „Bundeslisten" ersetzt wird.
In § 8 der Ausschußvorlage ist vorgesehen, daß die Wahl in den Wahlkreisen nach der relativen Mehrheitswahl erfolgt. Wir schlagen dagegen die absolute Mehrheitswahl vor. Die Gründe, die uns hierzu veranlassen, sind folgende. Nach dem Ausschußvorschlag wird den Wählern vorgetäuscht, daß eine Mehrheitswahl bestehe. In Wirklichkeit werden aber 242 Abgeordnete nicht nach der Mehrheitswahl, sondern nur nach der Personenwahl gewählt. Wir wollen, daß 50 % der Abgeordneten nach der reinen Mehrheitswahl gewählt werden. Wenn wir dabei die absolute der relativen Wahl vorziehen, dann deswegen, weil die relative Wahl, wie Herr Onnen sehr richtig sagt, zur Bildung von zwei Parteien führt bzw. mit dem Zweiparteiensystem verbunden ist. Wenn eine relative Mehrheitswahl zur Anwendung kommt, dann funktioniert dieses Wahlrecht nur, wenn gleichzeitig zwei Parteien existieren. Wir wollen aber nicht, daß nur zwei Parteien existieren. Wir glauben infolgedessen, daß wir den Parteiverhältnissen, wie sie hier gegeben sind, am besten dadurch Rechnung tragen, daß mehrere Parteien bestehen bleiben, und zu dem Zweck benötigen wir die absolute Mehrheitswahl. Das ist der Grund, weswegen unsere Änderungsanträge zu § 8 gestellt sind.
Meine Damen und Herren, ich bitte zunächst Herrn Abgeordneten Freudenberg, zur Begründung der von ihm gestellten Anträge zu den §§ 6, 7 und 8 auf Umdruck Nr. 973 Ziffern 1 bis 2 zu sprechen.
— Als Berichterstatter Herr Abgeordneter Brandt! Darf ich bitten!
Herr Kollege Scharnberg hat eben der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Darstellung des Berichterstatters von den Vorgängen in der letzten Sitzung des Wahlrechtsausschusses nicht mit dem tatsächlichen Ablauf dieser Sitzung übereinstimmt. Ich darf dazu folgendes feststellen. Als der erwähnte Antrag der Minderheit, die dann die Sitzung verlassen hat, gestellt wurde, hat Herr Abgeordneter Dr. Menzel den Vorschlag gemacht, dem Wunsch, der in dem Aussetzungsantrag zum Ausdruck kam, Rechnung zu tragen, sobald der § 26 aufgerufen würde. Der Vorsitzende des Ausschusses hat dazu festgestellt — das ist aus dem stenographischen Protokoll jederzeit nachzuweisen —, daß dieser § 26 noch nicht aufgerufen sei, sondern daß sich der Ausschuß noch mit der Beratung des § 9, zu dem diese Bedenken nicht geltend gemacht wurden, befaßte. Diesem Tatbestand trägt mein Bericht
Rechnung, den ich im übrigen dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses zur Kenntnis gebracht habe, bevor ich ihn hier vorgetragen habe. Ich kann insofern nicht anerkennen, daß mir eine nicht objektive Berichterstattung unterstellt wird.
Herr Abgeordneter Freudenberg, bitte!
Meine Damen und Herren! Ich habe seinerzeit den Antrag Wuermeling mit unterschrieben, weil ich der Meinung bin, daß es für die Entwicklung unserer allgemeinen Verhältnisse das Glücklichste wäre, wenn wir zur Mehrheitswahl übergingen. Nachdem sich nun herausstellt, daß sich in diesem Bundestag keine Mehrheit für das Mehrheitswahlrecht findet, bin ich der Meinung, daß alles und jedes versucht werden muß, um eine möglichst große und breite Mehrheit für das Wahlrecht zu finden, selbst wenn man das Gesetz, das heute zur Verabschiedung steht, nur auf die Wahl des zweiten Bundestages beschränken will.
Aus dem Grunde habe ich mir erlaubt, einige Änderungsanträge zu der Ausschußvorlage vorzulegen, die bezwecken, restlose Klarheit darüber zu schaffen, daß die jetzige Ausschußvorlage nichts anderes als eine Vorlage zur Schaffung des reinen Verhältniswahlrechts ist. Ich bin der Meinung, wir sollten, wie die Dinge jetzt stehen, versuchen, uns zu einer Mehrheit zusammenzufinden, indem wir sagen: Die Hälfte der Abgeordneten soll im reinen Mehrheitswahlrechtsverfahren gewählt werden. Das kann erreicht werden, wenn wir den § 8 der Ausschußvorlage dahingehend ändern:
Gewählt ist derjenige Bewerber, der die meisten Erststimmen, mindestens jedoch ein Drittel
aller gültigen Erststimmen auf sich vereinigt.
Die Einschränkung auf ein Drittel mache ich aus zwei Gründen. Einfach die relative Mehrheit zu belassen, wie es der Ausschuß vorschlägt, halte ich für außerordentlich bedenklich. Wenn in einem Wahlkreis 8 oder gar 10 Kandidaten kandidieren, dann könnte es passieren, daß mit einer Mehrheit von 10, 12 oder 15 Prozent ein Abgeordneter im Wahlkreis gewählt ist.
Das hat nichts mehr mit Mehrheitswahl zu tun.
Ich bin persönlich durchaus damit einverstanden, daß man auf die absolute Mehrheit mit Stichwahl geht. Den Vorschlag mit 33 1/3 % habe ich gemacht, um zu versuchen, eine Brücke zwischen den beiden großen Fraktionen zu schlagen, die die Verantwortung für dieses Wahlrecht in allererster Linie zu tragen haben. Soviel zu der Begründung des § 8 Abs. 1.
Damit gleichzeitig wird der Abs. 2 begründet, daß, falls keiner der Bewerber ein Drittel der Stimmen aufbringt, eine Stichwahl zwischen den beiden, die die meisten Stimmen im ersten Wahlgang aufgebracht haben, am nächstfolgenden Sonntag zu erfolgen hat.
Maßgebend und entscheidend aber ist, daß der § 9 eine klare Trennung zwischen Verhältniswahl und Direktwahl vornimmt. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es unsere Demokratie schlechthin nicht verträgt, daß wir der Bevölkerung sagen: Wir machen ein Direktwahlrecht; — und de facto machen wir nichts anderes als ein Verhältniswahlrecht.
Aus diesen Gründen bin ich der Meinung, daß wir da, wo wir von Direktwahl sprechen, Abstand nehmen müssen von jedem inneren Proporz, sei es dem internen allgemeinen Proporz, wie er sich aus der Ausschußvorlage ergibt, sei es von dem internen Parteiproporz, wie er sich aus der Vorlage oder den Anträgen Scharnberg ergibt.
Ich bin der Meinung, daß wir den Mut haben müssen, die beiden Abgeordnetenhälften ganz klar zu wählen und zu sagen: Die eine Hälfte wird im reinen Direktwahlverfahren gewählt, und die andere Hälfte soll dann, weil wir es nicht für alle erreichen können, im Wege des Proporz gewählt werden. Das ist ein Wahlvorgang, den jeder klar versteht, und darauf kommt es letzten Endes bei der Bevölkerung an.
Ich möchte mit den Worten schließen: Es kommt darauf an, ein sauberes, für jeden klares Wahlrecht zu schaffen, und es kommt nicht darauf an, in dieser Stunde abzuwägen, ob die eine oder die andere Partei durch das Wahlrecht, das wir schaffen, mutmaßlich einen Vorteil erzielen wird.
Meine Damen und Herren, die Änderungsanträge sind begründet. Das Wort hat der Abgeordnete Onnen zu den §§ 6 bis 8, die zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung stehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, überhaupt in der zweiten Lesung zu sprechen, weil ich die Handhabung der Geschäftsordnung nicht erschweren möchte.
Die Ausführungen des Herrn Scharnberg zwingen mich aber, ganz kurz folgendes zu sagen. Dem ganzen Hause und der Öffentlichkeit sind ja im großen und ganzen die Gründe bekannt, die von Herrn Scharnberg für seinen Wahlgesetzentwurf ins Feld geführt werden, und die Gründe, die für die FDP maßgeblich waren, diesen Kompromißvorschlag einzubringen, den wir nun einmal als Kompromißvorschlag von uns aus
angesehen haben. — Herr Kollege Wuermeling, Sie haben ja die Möglichkeit, eine andere Meinung zu vertreten. Aber Sie können mich und die FDP ja nicht daran hindern, zu betonen, daß uns wirklich ernstlich daran liegt, das unsrem Volk im nächsten Wahlkampf zu ersparen, was nach unserer Auffassung das Schädlichste wäre, nämlich einen Streit um die Art des Wahlrechts zu entfachen,
und den Anschein zu vermeiden, den dieser Streit erweckt hat.
Den Einwand, daß unser Wahlrecht es nicht ermögliche, stabile Verhältnisse herbeizuführen,
können wir nicht gelten lassen, weil dieses Wahlrecht nämlich — es ist ein Verhältniswahlrecht, das ist nie von uns bestritten worden —
mit Sicherheit die Möglichkeit gibt, daß diejenigen Parteien, denen es gelingt, durch ihre Leistung in der Vergangenheit die Mehrheit der Wähler hinter sich zu bringen, auch die Mehrheit der Mandate bekommen.
Grundsätzliche Ausführungen will ich der dritten Lesung überlassen.
Ich möchte Ihnen jedoch noch eins sagen. Gerade die gesamtpolitische Lage, sowohl die außenpolitische wie die gesamtdeutsche und die innenpolitische, zwingt nach unserer Auffassung dazu, nach einem Wahlgesetz zu suchen,
das so einfach, so klar und für jeden einzelnen Wähler so leicht verständlich ist, daß die Wahl eine echte politische Entscheidung bringt.
Wir sind der Auffassung, daß in der schweren Zeit, in der wir leben, nur diejenige Regierung dem Ausland gegenüber echt verhandlungsfähig ist, die sich nicht allein auf die Mehrheit der Mandate verlassen, sondern gleichzeitig nachweisen kann, daß auch die Mehrheit des Volkes hinter ihr steht.
Zur Stichwahl und zu der von uns vorgeschlagenen relativen Entscheidung im ersten Wahlgang möchte ich im einzelnen folgendes bemerken. Wir glauben gerade durch die Einführung der zweiten Stimme auch der Opposition einiges Unangenehme geboten zu haben. Sie weiß selbst und erkennt vermutlich — das ist auch eine echte Kompromißbereitschaft, auf die sich alle Parteien besinnen sollten —, daß gerade diese Stimme ermöglicht, das, was viele bedauern und was Herr Scharnberg durch eine Gesetzesänderung vorschlagen möchte, in Zukunft schon in der Praxis zu erreichen. Es liegt dann nämlich nicht an den Parteien, sondern durchaus an den Wählern, ob sie im Wahlkreis im Direktwahlgang ihre Stimme einem bestimmten Kandidaten in dem Ausmaß geben, daß schon dieser nicht mit geringer, sondern mit einer sehr starken Mehrheit, die vermutlich die 30%-Grenze überschreiten wird, nach unserem Wahlvorschlag in Zukunft gewählt wird.
Herr Kollege Scharnberg hat auf die Begründung, die von mir für unsern Gesetzentwurf gegeben wurde, Bezug genommen. Über die Gründe unserer Haltung, Herr Kollege Scharnberg, ist so viel Unrichtiges verbreitet worden, daß es einem Wunsch der Fraktion und auch vieler außenstehender Kreise entsprach, Ihnen einmal Gelegenheit zu bieten, zu erfahren, was denn nun wirklich unsere Gründe seien. Aber hierauf will ich jetzt nicht eingehen, weil wir in der zweiten Lesung sind und ich dem Herrn Präsidenten seine Arbeit nicht erschweren möchte. Ich werde hierauf in der dritten Lesung zurückkommen.
— Es war gar nicht so bös gesprochen. Wir sind darum bemüht und hoffen immer noch, Herr Kollege Wuermeling, daß sich ein Großteil von Ihnen noch gewinnen läßt; denn dieser Vorschlag — das möchte ich Ihnen im Ernst sagen —
ist ja von uns nicht deshalb gemacht, weil wir der Auffassung sind, wir hätten das beste Wahlgesetz erfunden. Wenn etwas jedem zu denken geben sollte, dann ist es die Tatsache, daß der Bundestag so viel Zeit verloren hat, daß es bei einem umkämpften Wahlgesetz zeitlich überhaupt nicht mehr möglich erscheint, noch rechtzeitig ein Gesetz zu schaffen; denn es würde Ende Juli und später, bis wir es korrekt verkünden könnten.
Es ist also ein echtes Anliegen von uns, wenn wir das Haus bitten, diesem Kompromißvorschlag möglichst mit großer Mehrheit zuzustimmen. Unser Vorschlag ist so, daß dieses Haus, um sein eigenes Ansehen und die ernsten Belange der Demokratie zu fördern, sich bereit erklären könnte, das Gesetz nur für die nächste Wahl zu verabschieden, weil ihm ja sicher auch Mängel anhaften. In einem neuen Bundestag sollten wir uns dann alle bemühen, nicht nur für den Bundestag selbst ein Wahlgesetz zu finden, sondern — dann haben wir ja sehr viel Zeit, und dann besteht auch nicht die Gefahr des Eindrucks einer ad-hoc-Gesetzgebung — wir sollten dann in den tragenden Parteien versuchen, uns über Grundsätze eines Wahlrechts zu einigen, das auch in den Ländern Geltung haben könnte. Gelänge dies, so, glaube ich, wäre damit unserer jungen Demokratie und allen im Bundestag vertretenen Parteien ein außerordentlicher Dienst erwiesen.
Aus diesen Gründen muß ich Sie bitten, diese Änderungsanträge abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß noch einmal in wenigen Sätzen dem Herrn Berichterstatter entgegentreten. Ich habe seinerzeit, als der § 7 beraten wurde, beantragt, daß die Verfassungsfragen erörtert würden. Es ist darauf — das ist richtig — von dem Herrn Vorsitzenden gesagt worden, man solle das bei § 26 tun. Entgegen dieser Äußerung sind dann aber bei § 8 oder § 9 — ich weiß es nicht mehr genau — bei einem dieser Paragraphen - doch von Herrn Staatssekretär Ritter von Lex die Verfassungsfragen vorgetragen worden. Nachdem das geschehen ist, habe ich den Antrag gestellt, man möge die Sitzung unterbrechen, um uns Gelegenheit zu geben, darüber zu beraten. Diesem Antrag — das muß ich festhalten — ist entgegen der Übung in diesem Hause nicht stattgegeben worden. Das ist der Grund, weswegen wir die Sitzung verlassen haben.
Herr Abgeordneter Dr. Schröder!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit doch noch einige Augenblicke in An-
spruch nehmen, um auf Herrn O n n en zu erwidern. Herr Onnen hat hier gesagt, daß unser Bestreben sein müsse, der jungen Demokratie einen Dienst zu tun. Das ist richtig, denn unser ganzes Bestreben und die äußerst langwierigen Auseinandersetzungen um das Wahlrecht haben gar keinen anderen Zweck als diesen.
— Meine Herren, wenn Sie das so außerordentlich amüsant finden, dann werde ich Sie weiter mit einigen Argumenten beschäftigen müssen.
Die eigentliche Entscheidung, ganz ohne Rücksicht auf die Einkleidung, in der sie hier vorgeführt wird, geht überhaupt nur um zwei Prinzipien — was allmählich alle wissen sollten —, nämlich um die Frage, ob in Zukunft nach einem Wahlrecht gewählt wird, das reine Proportion darstellt, also auflöst und zertrümmert, oder ob nach einem Wahlrecht gewählt wird, das wenigstens in einem gewissen Maße einen sammelnden Effekt zur Folge hat.
Diese beiden Prinzipien und nichts anderes stehen hier zur Debatte. Unsere junge Demokratie hat in der Tat allen Anlaß, sich mit dieser Frage sehr, sehr intensiv zu beschäftigen.
Uns trennen noch nicht allzu viele Jahre von jener Epoche der deutschen Geschichte, die man als die Weimarer Epoche bezeichnet. Vielleicht darf ich Sie in einigen Punkten daran erinnern. Wir haben damals in knapp 14 Jahren einen Verschleiß von 13 Kanzlern gehabt,
von 13 Kanzlern mit 22 Kabinetten!
Die Durchschnittszeit dieser Kabinette hat acht Monate betragen.
Die kürzeste Amtszeit in dieser Epoche
betrug eineinhalb Monate, die längste Amtszeit
betrug damals knappe und mühselige zwei Jahre.
Meine Damen und Herren, in den ersten vier Jahren jener Epoche, also etwa in dem Zeitabschnitt, in dem wir hier zusammen sind, hat man nicht weniger — hören Sie gut zu, Ihre Geschichtskenntnisse in diesem Punkt können vielleicht noch etwas aufgefrischt werden —
als sieben Reichskanzler verschlissen. Sieben in vier Jahren! Wenn Sie das alles wiederhaben wollen, und wenn Sie glauben, daß eine parlamentarische Demokratie in Deutschland das noch einmal vertrüge, dann brauchen Sie nur ein reines Verhältniswahlrecht hier einzuführen. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Herr Abgeordneter Brill?
— Bei wem?
— Ich habe lediglich bemerkt, daß Sie gefragt haben, wer auf der Rednerliste steht; eine Meldung ist nicht notiert. — Aber bitte schön, nehmen Sie das Wort.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich zunächst auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Scharnberg erwidere. Als er seinen Vertagungsantrag einbrachte, hatte sich der Wahlrechtsausschuß bis dahin schon achtmal vertagt.
Jede Vertagung ist aus den Grundsatzfragen heraus beantragt worden. Und es ging uns wirklich zu weit, daß nun, als die Grundsatzfragen zum neunten Male anstanden, abermals eine Vertagung ausgesprochen werden sollte.
Außerdem, meine Damen und Herren: das staatsrechtliche Dokument, von dem Herr Scharnberg spricht und dessentwegen er die Vertagung beantragte, war der Opposition nicht zugegangen, auch nicht der Fraktion der Freien Demokratischen Partei. Der Herr Bundesinnenminister hat es für richtig gehalten, über staatsrechtliche Zweifelsfragen nur seine eigene Partei im Ausschuß zu informieren.
Das erschien uns als eine solche Taktlosigkeit, daß man von uns in diesem Moment einen besonderen Takt und eine besondere Rücksichtnahme nicht mehr verlangen konnte.
Nun gestatten Sie mir einige Bemerkungen zu den Grundprinzipien des § 8, über die sich die Herren Scharnberg und Onnen eben auseinandergesetzt haben. Es handelt sich ja um nichts Neues, was durch die Anträge Scharnberg und durch die Anträge seiner politischen Freunde eingeführt werden soll. Die Stichwahl ist eine Einrichtung unseres Wahlrechts von 1871 bis zum Jahre 1918 gewesen. Wir Sozialdemokraten lehnen diese Stichwahl ab, weil wir mit ihr besondere und besonders schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Die Stichwahl ist in dieser ganzen Zeit eine ununterbrochene Geschichte gebrochener Versprechungen, eine Geschichte der Treulosigkeit und eine Geschichte der offenen und stillen Korruption gewesen,
durch Bier, durch Schnaps und durch Geld.
Wir wollen nicht, daß solche Zustände wieder in unser politisches Leben einziehen.
— Nein, Sie machen es mit dem Klerikalismus; da können Sie sich noch den Schnaps sparen.
— Wir haben doch die Erfahrung der Kanzelbriefe in allen Wahlen seit 1946 gehabt. Wollen Sie das bestreiten?
— Von einer Abwehr habe ich noch nichts gemerkt. Ich habe nur etwas von einer Aggression gegen demokratische, liberale, atheistische und materialistische Kräfte gemerkt.
Ich verweise darauf, meine Damen und Herren, daß es für unsere Beurteilung des Charakters der Stichwahl in der Periode von 1871 bis 1918 ganz unverdächtige Zeugen gibt. Lesen Sie die großen politischen Zeitschriften dieser Zeit nach! Lesen Sie den „Grenzboten", lesen Sie die „Deutsche Rundschau", lesen Sie „Die Hilfe", lesen Sie „Die Neue Zeit"! Vergegenwärtigen Sie sich, was Männer wie Friedrich Naumann, Hellmut von Gerlach und Karl Kautsky gegen die Stichwahl geschrieben haben, und Sie werden das bestätigt finden, was ich über die ganze Natur der Stichwahlen damals gesagt habe.
Nun ist nicht anzunehmen, daß die politische Moral des deutschen Volkes nach einer solchen Diktatur und nach einem solchen zweiten Weltkrieg heute höher steht als damals in den Jahrzehnten zwischen 1871 und 1918;
denn jede Stichwahl verlangt mindestens von einer politischen Partei eine absolute Verleugnung ihrer gesamten politischen Einstellung. Mindestens eine Partei muß bei der Stichwahl ihren Wählern den Rat geben, vielleicht den Gegner der Hauptwahl zu wählen. Das ist, unserer Überzeugung nach, dem deutschen Volke heute noch weniger zuzumuten als im deutschen Kaiserreich.
Sie würde nur Gesinnungskorruption und Verwirrung stiften, aber keine Klarheit bringen.
Eine gesunde Grundlage der Demokratie, Herr Dr. Schröder, können wir in der Bundesrepublik und im kommenden Deutschen Reich nur dann schaffen, wenn die Gegensätze im Parteiwesen klar herausgearbeitet, aber nicht durch die Stichwahlen verwischt werden. Deshalb stimmen wir gegen alle Änderungsanträge und bitten Sie, der Ausschußvorlage Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Steuer der Wahrheit möchte ich lediglich feststellen, daß meine Vertreter im Wahlrechtsausschuß meine Bedenken über die Verfassungswidrigkeit gewisser Vorschläge ausführlich vorgetragen haben. Mir steht es sowohl als Innenminister wie als Mitglied dieses Hohen Hauses ja auch frei, mich mit einzelnen Abgeordneten brieflich über diese meine Auffassung noch besonders zu unterhalten.
Herr Abgeordneter Maier!
Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Wahlrechtsausschusses darf ich feststellen, daß die Ausführungen, die Herr Scharnberg bezüglich der Verfassungswidrigkeit der vorliegenden Anträge — wie er es bezeichnete — gemacht hat, auf einen Brief zurückgingen, den Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr an die CDU/CSU-Fraktion geschrieben hat.
Das hat Herr Scharnberg im Ausschuß bekanntgegeben. Ich habe daraufhin festgestellt, daß ich erstaunt bin, als Vorsitzender des Ausschusses von diesen Verfassungsbedenken des Innenministeriums keine Kenntnis erhalten zu haben.
Außerdem ist von sozialdemokratischer Seite dagegen protestiert worden, daß keine andere Fraktion, nicht einmal die FDP als Koalitionspartner, von dieser Verfassungswidrigkeit Kenntnis erhalten hatte. Daraufhin hat der Vertreter des Herrn Bundesinnenministers, Herr Staatssekretär Ritter von Lex, dem Ausschuß die verfassungsrechtlichen Bedenken des Innenministeriums vorgetragen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung und komme zur Abstimmung über den sich am meisten vom Ausschußvorschlag entfernenden Antrag der KP, und zwar Umdruck Nr. 979
— ich war eben dabei, es anzusagen, Herr Abgeordneter Scharnberg — Ziffern 3, 4 und 5 zu den §§ 6, 7 und 8. Ich darf unterstellen, daß eine gemeinsame Abstimmung zweckmäßig ist, da es sich um Anträge handelt, die einen Gesamtkomplex umfassen. Ich bitte die Damen und Herren, die den Änderungsanträgen der Gruppe der KPD zu den §§ 6 bis 8 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP zu den §§ 6 bis 8.
Es handelt sich um die Anträge Umdruck Nr. 982 Ziffern 2, 3 und 4.
— Sie beantragen namentliche Abstimmung namens der Fraktion?
— Damit ist der Antrag hinreichend unterstützt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. Es wird abgestimmt über die Anträge Umdruck Nr. 982 Ziffern 2, 3 und 4 insgesamt. —
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir, während die Auszählung stattfindet, die Begründung der Änderungsanträge zu § 9 hören. Der Antrag der kommunistischen Gruppe ist bereits begründet. Zum Änderungsantrag der CDU/ CSU Umdruck Nr. 982 Ziffer 5 Herr Abgeordneter Scharnberg! — Meine Damen und Herren, darf ich bitten, Platz zu nehmen, damit wir die Begründung der Anträge zu § 9 hören können.
Ich wiederhole die Bitte, meine Damen und Herren. Ich bitte, freundlichst Platz zu nehmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der § 9 enthält ebenso wie der folgende § 10 die entscheidenden Merkmale der beiden sich gegenüberstehenden Systeme. Der Ausschußantrag sieht in den Absätzen 1 und 2 vor, daß aus den für die einzelnen Parteien abgegebenen Zweitstimmen ihre verhältnismäßigen Anteile an den gesamten 484 Mandaten errechnet werden. Auf diese Anteile werden die 242 in den Wahlkreisen von den einzelnen Parteikandidaten errungenen Mandate angerechnet. Die dann den Parteien an ihrem verhältnismäßigen Anteil noch fehlenden Mandate werden ihnen aus ihren Listen zugeteilt.
Unser Antrag sieht im Gegensatz dazu eine allgemeine Anrechnung der Wahlkreismandate nicht vor. Diese Anrechnung findet vielmehr nur statt unter solchen Parteien, die dies durch Verbindung ihrer Listen — hierauf komme ich bei der Begründung zu § 10 zurück — wünschen. Außer den Bestimmungen, die in unserem Antrag den Ersatz der Verhältniswahl durch die Kompromißlösung zwischen Verhältnis- und Mehrheitswahl bewirken, enthält unser Antrag zu § 9 noch einige unwesentlichere Änderungen. Während der Ausschußantrag mit Landeslisten arbeitet, verwenden wir, wie ich schon vorhin sagte, Bundeslisten. Der Grund liegt darin, daß die Listenverbindungen auf der Bundesebene verabredet werden müssen; denn es handelt sich bei der Erklärung der Listenverbindung um eine grundsätzliche und bedeutungsvolle Entscheidung der betreffenden Partei zur Bundespolitik. Diese Entscheidung kann aber nicht auf Landesebene, sondern muß auf Bundesebene erfolgen. Andererseits haben wir nicht die Absicht, die Aufstellung der Listen den Landesorganen der einzelnen Parteien zu entziehen.
Herr Abgeordneter Scharnberg, darf ich für einen Augenblick unterbrechen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie freundlichst, sich auf Ihre Plätze zu begeben und Ruhe zu halten. Ich frage: Sind noch Abgeordnete vorhanden, die zu der namentlichen Abstimmung ihre Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Abstimmung.
Bitte schön, Herr Abgeordneter Scharnberg!
Ich sagte, daß wir nicht die Absicht haben, die Aufstellung der Listen den Landesorganisationen der einzelnen Parteien zu entziehen. Wir schlagen infolgedessen vor, daß sich die Bundeslisten aus einzelnen Landeswahlvorschlägen zusammensetzen sollen. Die Landesorganisationen der einzelnen Parteien stellen also die Listen sowohl nach der personellen Seite wie nach der Reihenfolge hin auf. Die Zuteilung der Mandate auf die einzelnen Landesvorschläge und damit die Reihenfolge, nach der die Bundeslisten-Mandate zugeteilt werden,
ergibt sich nach dem Verhältnis der seitens der Parteien in den einzelnen Ländern errungenen Zweitstimmen. Der Vorteil dieses Vorschlags liegt auch, wie ich schon bei der Beratung des § 6 sagte, darin, daß sich hierdurch eine starre Aufteilung der Listenmandate auf die einzelnen Länder erübrigt.
Meine Damen und Herren, ich bitte wiederholt darum, dringende Gespräche draußen zu führen, damit der Herr Antragsteller die Möglichkeit hat, seinen Antrag zu begründen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Aufteilung ergibt sich automatisch auf Grund der in den einzelnen Ländern abgegebenen Stimmen. Dabei müssen natürlich die im Wahlkreis von den einzelnen Parteien errungenen Sitze abgesetzt werden; denn sonst würde der Mandatsanteil einer Partei in den Ländern, in denen sie viele direkte Mandate errungen hat, unverhältnismäßig hoch, in den Ländern aber, in denen sie wenige direkte Mandate erobert hat, unverhältnismäßig niedrig sein.
Schließlich ist noch ein Wort zu der Sperrklausel zu sagen. Nach der Ausschußfassung sollen Parteien, deren Gesamtstimmenzahl weniger als 3 % der gültigen zweiten Stimmen in einem Lande beträgt, bei der Zuteilung von Sitzen auf der Landesliste in dem betreffenden Land unberücksichtigt bleiben. Da unser Vorschlag nicht mit Landeslisten, sondern mit Bundeslisten arbeitet, muß unsere Sperrklausel logischerweise auf die Bundesebene abgestellt werden. Wir schlagen demnach vor, nur solche Parteien durch Zuteilung von Sitzen auf den Landeslisten zu berücksichtigen, die mindestens 3 v. H. der insgesamt im Bundesgebiet abgegebenen Zweitstimmen erhalten haben. In Übereinstimmung mit der Ausschußfassung ist im übrigen bei uns vorgesehen, daß diese Sperrklausel nicht für Parteien angewandt wird, die in einem Wahlkreis einen Sitz errungen haben. Die Bestimmung der Ausschußfassung aber, nach der die Sperrklausel auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen keine Anwendung finden soll, haben wir in unserem Vorschlag nicht vorgesehen,
weil wir glauben, daß eine solche Bestimmung mit dem im Grundgesetz niedergelegten Prinzip der Wahlgleichheit unvereinbar ist.
§ 9 a des Ausschußantrags verbietet die Verbindung von Listen. Dieses Verbot lehnen wir ab. Die Verbindung von Listen hat es in der Verhältniswahl immer gegeben; infolgedessen sehen wir nicht den geringsten Grund, warum eine solche Listenverbindung bei dem hundertprozentigen Verhältniswahlrecht, welches der Ausschuß vorschlägt,
unstatthaft sein soll. Da auch unser Antrag zur Hälfte auf dem Prinzip der Verhältniswahl beruht, wünschen wir im Gegensatz zu der Ausschußfassung die Listenverbindung zuzulassen. Dem dient der Antrag, den wir hinsichtlich der Wiederherstellung des § 10 des Regierungsentwurfs — in einer redaktionell etwas andern Form — gestellt haben.
Zu § 10 darf ich sagen — —
Ich habe § 10 noch nicht aufgerufen!
Ich möchte vorschlagen, gleichzeitig § 10 begründen zu dürfen, weil § 10 der Ersatz für § 9 a ist.
Die Listenverbindung, die wir in § 10 vorschlagen, hat neben der Bedeutung, die wir aus der Weimarer Zeit kennen und deren Auswirkung in einer besseren Auswertung der Höchstzahlen liegt — wobei es sich übrigens praktisch nie um mehr als die Differenz von einem Mandat handelt —, noch die weitere Bedeutung des sogenannten internen Proporzes. Die diesbezügliche Bestimmung finden Sie in Abs. 3 des wiederherzustellenden § 10. Diese Bestimmung sieht vor, daß diejenigen Parteien, die ihre Listen miteinander verbunden haben, die Verteilung der in den Wahlkreisen und auf den Listen errungenen Mandate untereinander so vornehmen, wie es der Ausschußantrag allgemein für alle Parteien vorsieht. Der Unterschied zwischen der Ausschußfassung und unserm Antrag liegt also darin, daß die Listenverbindung hinsichtlich des internen Proporzes bei uns nur von den Parteien, die hieran interessiert sind, verabredet werden kann, während bei dem Ausschußantrag diese Listenverbindung und damit der Proporz allgemein automatisch besteht. Die Verrechnungstechnik ist genau die gleiche, wie sie der Ausschußantrag enthält und wie wir sie bisher in dem Bundestagswahlrecht zum ersten Bundestag hatten. Wenn die Verrechnungstechnik als zu kompliziert und für die Masse der Wähler schwer verständlich kritisiert wird, so ist zu dieser Kritik zu sagen, daß dann als ebenso schwer verständlich die bisherige Verrechnung von Wahlkreis- und Listenmandaten bezeichnet werden muß und daß der Ausschuß diese bisherige komplizierte Verrechnung unverändert übernommen hat.
Im übrigen möchte ich zu den Einwänden, die immer gegen den internen Proporz gemacht werden, noch folgendes eindeutig feststellen. 1. Durch die Listenverbindung geht nicht ein einziges im Wahlkreis errungenes Mandat verloren. 2. Durch den internen Proporz wird keine Partei, die an der Listenverbindung nicht beteiligt ist, geschädigt.
— Dann haben Sie die Sache nicht verstanden. — 3. Der interne Proporz ist, wie das Wort „intern" sagt, eine rein interne Angelegenheit der Parteien, die sich durch Verbindung ihrer Bundeslisten hierzu bekennen; denn er besagt, wie ich schon erwähnt habe, gar nichts anderes, als daß die Parteien, welche ihre Listen miteinander verbinden, damit verabreden, daß die Mandate, die sie in den Wahlkreisen und auf den Listen errungen haben, im Verhältnis der für sie abgegebenen Zweitstimmen aufgeteilt werden.
Welches ist der Sinn dieser Vorschläge? Das Mehrheitswahlrecht in seiner konsequentesten Form als relatives Mehrheitswahlrecht ist, wie die Verhältnisse in den Ländern zeigen, die dieses Wahlrecht anwenden, mit dem Zweiparteiensystem verbunden. In Deutschland haben wir nicht zwei, sondern eine Mehrzahl von Parteien, und wir würden einer Utopie nachjagen, wenn wir aus dieser Vielzahl von Parteien zwei Parteien machen wollten. Ich möchte hier nochmals mit allem Nachdruck erklären, daß dies nicht das Ziel unseres Entwurfs ist; im Gegenteil! Das Mehrheitswahlrecht begünstigt nun einmal die größten Parteien. Wenn sich daher die Mehrheitswahlrechtler mit den Verhältniswahlrechtlern auf der Mitte treffen wollen und nicht, wie es unserem Vorschlag entspricht, die Bestimmung des internen Proporzes vorsehen, so würden alle mittleren und kleineren Parteien hierbei benachteiligt werden. Das ist jedoch keineswegs unsere Absicht. Wohl aber ist es unser Wunsch, daß die Gegensätze zwischen den Parteien möglichst nicht verschärft, sondern eher abgeschliffen werden. Wir wollen zudem die Möglichkeit schaffen, daß dem Wähler bei der Wahl nicht nur die Frage vorgelegt wird, welche Partei und welche Abgeordneten er zu wählen wünscht; wir möchten dem Wähler auch schon vor der Wahl sagen, welche Parteien sich durch Verbindung ihrer Listen angenähert haben und infolgedessen im allgemeinen auch beabsichtigen, zusammen die zukünftige Regierungspolitik . zu machen.
Wir sind überzeugt, daß die breite Masse der Wähler eine Überspitzung der Parteiengegensätze ablehnt und es stattdessen begrüßt, wenn ein versöhnendes Element in die parteipolitischen Auseinandersetzungen getragen wird. Vor allem aber wünschen die Wähler, daß klare Mehrheits- und stabile Regierungsverhältnisse geschaffen werden. Diesem Wunsch und dieser Zielsetzung dienen unsere Anträge, die wir anzunehmen bitten. Wir beantragen im übrigen auch für die Abstimmung über die §§ 9, 9 a und 10, die, wie ich annehme, gemeinsam abgestimmt werden sollen, namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich habe noch das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung bekanntzugeben. Insgesamt sind 384 Stimmen sowie die Stimmen von 16 Berliner Abgeordneten abgegeben worden. Mit Ja haben gestimmt 175, mit Nein 202 Abgeordnete; der Stimme enthalten haben sich 7 Abgeordnete. Von den Berliner Abgeordneten haben 4 mit Ja und 12 mit Nein gestimmt. Damit sind die Änderungsanträge Umdruck Nr. 982 Ziffern 2 bis 4 abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Freudenberg Umdruck Nr. 973 Ziffer 2, nachdem der Antrag Ziffer 1 zurückgezogen ist. Wer für die Annahme dieses Antrages des Abgeordneten Freudenberg ist — ich wiederhole: Umdruck Nr. 973 Ziffer 2 —, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir können nun über die §§ 6 bis 8 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen nach der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Nunmehr zurück zur Beratung der §§ 9, 9 a und 10. Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13501
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag auf Umdruck Nr. 986 unterscheidet sich von der Ausschußvorlage in folgendem Punkt. Es heißt bisher in § 9 Abs. 4: „weniger als 3 v. H. . . . im Lande". Das bedeutet, daß hier eine Sperrklausel so festgelegt ist, daß die Partei, die zum Zuge kommen will, in jedem einzelnen Lande 3 % erreichen muß. Unser Vorschlag geht nun dahin, daß die Erreichung der Sperrklausel in einem Lande genügt, gleichviel in welchem. Wenn die Sperrklausel irgendeinen Sinn hat — darüber können wir an anderer Stelle streiten; ich will damit die Debatte nicht aufhalten —, so kann es doch nicht der sein, daß eine Partei, die in einem Lande schon einmal zum Zuge gekommen ist, in einem anderen Lande daran gehindert wird; denn unterdrücken kann man sie ja doch nicht, ob sie nun beliebt ist oder nicht.
Es ist aber auch in sich, vom Politischen abgesehen, unlogisch, eine solche Sperrklausel vorzusehen, die in jedem einzelnen Lande ihre Wiederholung findet. Denn wenn man schon einer Partei, die nur einen einzigen Sitz errungen hat, konzediert, daß sie berücksichtigt wird, dann muß man doch erst recht einer Partei, die sogar in einem so großen Lande wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen die 3% überrannt hat, die Möglichkeit geben, überall berücksichtigt zu werden. 3 % sind im allgemeinen viel mehr als ein Mandat. In Nordrhein-Westfalen z. B. bedeuten 3 % sechs oder sieben Mandate. Das heißt also praktisch, daß unter Umständen die Partei, die schon eine Gruppe auf stellen kann, daran gehindert werden soll, in kleineren Ländern, die zahlenmäßig keine Rolle spielen, noch berücksichtigt zu werden. Das ist unlogisch und ungerecht. Es hat überhaupt keinen Sinn als den einer reinen Schikane.
Deswegen bitten wir Sie, diesen Paragraphen in dem Sinne abzuändern, daß, wenn schon eine Sperrklausel da ist, diese Sperrklausel von 3%, wie sie im Ausschußvorschlag enthalten ist, nur mit der Maßgabe gilt, daß sie auf ein Land bezogen wird, und daß die Parteien, deren Gesamtzahl wenigstens in einem Lande 3 % erreicht, Berücksichtigung finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Nur noch ein kurzes Wort zur Begründung meines Antrags zu § 9. Ich beantrage, in Abs. 1 die beiden Halbsätze:
wobei zuvor die Sitze in Abzug gebracht werden, welche auf Kreiswahlvorschläge parteiloser Bewerber entfallen sind,
zu streichen und an deren Stelle hinzuzufügen: die in der Reihenfolge ihrer Landesliste besetzt werden.
Ich habe zu diesem Teil meines Antrags nur zu sagen, daß er die Konsequenz meiner Auffassung ist, daß die Hälfte der Abgeordneten in direkter Wahl und die andere Hälfte nach der Verhältniswahl gewählt werden sollten. Diese beiden Prinzipien sollte man nicht miteinander vermengen.
Infolgedessen habe ich auch beantragt, den Abs. 2 dieses Paragraphen zu streichen, der festlegt, daß im internen Proporz die unmittelbar gewählten Abgeordneten auf die den Parteien auf Grund der Landeslisten zustehenden Gesamtmandate angerechnet werden.
Ich kann nur noch einmal sagen, daß es meines Erachtens für die Demokratie und die demokratische Auffassung unerträglich ist, wenn wir der Bevölkerung vormachen, wir wählen die Abgeordneten in Wahlkreisen, während de facto nicht in Wahlkreisen gewählt wird, sondern die in Wahlkreisen gewählten Abgeordneten einfach auf den Proporz angerechnet werden. Entweder sollten wir den Mut haben, einen klaren und sauberen Proporz zu machen. Dann weiß die Bevölkerung, woran sie ist. Oder aber wir sollten ein klares Mehrheitswahlrecht machen; dann weiß sie auch, woran sie ist. Aber diese Verpanschung der Dinge miteinander muß dazu führen, daß das Ansehen der Demokratie in der Bevölkerung zum Teufel geht.
Das Wort hat der Abgeordnete Clausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, einiges zu dem § 9 Abs. 5 zu sagen. Der Herr Kollege Scharnberg hat darauf hingewiesen, daß die Ausschußfassung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Er hat dabei auf den letzten Satz des Abs. 5 hingewiesen, in dem gesagt ist, daß die in Abs. 4 vorgesehene Prozentklausel keine Anwendung auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen findet.
Ich muß hier nochmals das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zitieren, das in der Urteilsbegründung zu dem 7 1/2-%-Klausel-Prozeß vom 25. April 1952 ganz klar gesagt hat: Der SSW, also die politische Vertretung der dänisch-friesischen Minderheit, vereinigt ein Fünftel der Stimmen in diesem Landesteil auf sich, der geschichtlich ein besonderes Schicksal gehabt hat und geographisch klar abgegrenzt ist und dessen kulturelles Gesicht durch eine nationale Minderheit mit geprägt wird. Eine solche Partei ist keine Splitterpartei. Will man Splitterparteien durch gegen sie gerichtete, geeignet erscheinende Maßnahmen ausschalten, so darf man nationale Minderheiten in diese Gruppe nicht mit einbeziehen. Der § 9 Abs. 4 ist eine klare Maßnahme gegen Splitterparteien. Das dürfte wohl einwandfrei feststehen, und deshalb kann nach unserer Meinung dieser Absatz nicht gegen eine nationale Minderheit angewendet werden.
Nun einige Worte zum Gleichheitsgrundsatz. Darüber kann man natürlich lange diskutieren. Wir können nach unserer geschichtlichen Vergangenheit und auf Grund unserer klaren geographischen Abgrenzung nur in einem Drittel des Landes Schleswig-Holstein Kandidaten aufstellen, und so kann man nicht von uns verlangen, daß wir auch noch eine Prozentzahl der Stimmen in dem Landesteil Holstein aufbringen, der doppelt so groß ist wie unser Landesteil. Dies war von jeher eine Benachteiligung des Südschleswigschen Wählerverbandes, und erst diese Änderung dürfte nach unserer Meinung dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen. Wir begrüßen daher den Vorschlag des Wahlrechtsausschusses, der uns endlich mit den anderen Parteien gleichstellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Brill zu § 9.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 9 Abs. 1 sieht vor, daß die Mandate parteiloser Bewerber vor der Zuteilung der Mandate auf die Landeslisten der Parteien von der Gesamt-
zahl der zu verteilenden Mandate, die sich ja aus
§ 6 ergibt, abgezogen werden. Wir beantragen,
diese Vorschrift durch folgenden Satz zu ergänzen:
Wird in einem Wahlkreis ein parteiloser oder unabhängiger Bewerber gewählt, dann werden die von seinen Wählern abgegebenen Zweitstimmen bei der Zusammenstellung nicht berücksichtigt.
Sie finden diesen Antrag auf Umdruck Nr. 983 Ziffer 1.
Ich erlaube mir, Ihnen zur Begründung folgendes vorzutragen. Herr Kollege Clausen hat sich eben mit dem Gleichheitssatz beschäftigt. Auf diesem Satz fußend sind Anträge mit dieser Tendenz, die wir bereits im Ausschuß angekündigt haben, kritisiert worden. Ich glaube, daß man sich nicht wie mein Herr Vorredner damit begnügen darf, zu sagen, unter dem Gleichheitssatz könne man sich dieses oder jenes vorstellen. In diesem Zusammenhang ist es vielmehr notwendig, recht konkrete Begriffe davon zu haben, was Art. 3 Absätze 1 und 3 juristisch meinen. Um das zu ermitteln, ist es von jeher eine gute Methode gewesen, Freiheits-
und Gleichheitsrechte mit dem Gesicht zur Vergangenheit zu lehren, d. h. zu fragen, was nach der Geschichte ihrer Entstehung ihr Rechtsinhalt ist. So betrachtet steht der Inhalt meiner Meinung nach zweifelsfrei fest: Es ist das Verbot der ungleichen rechtlichen Behandlung natürlicher Personen. Dieses Verbot wird ja im Abs. 3 des Artikels 3 an einigen Beispielen deutlich gemacht; die Aufzählung dort ist nicht erschöpfend. In der neueren Zeit wird der Gleichheitsgrundsatz dahin verstanden, daß auch ein Verbot der ungleichen rechtlichen Behandlung gleicher Tatbestände ausgesprochen werden soll.
Nun bin ich der Auffassung, meine Damen und Herren, daß der Gleichheitssatz in dem Falle, der uns hier beschäftigt, nur im Zusammenhang mit Art. 21 des Grundgesetzes, der vom Recht der Parteien handelt, betrachtet werden darf. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß es sehr wohl zulässig ist, den Art. 21 in die Betrachtung einzuführen; denn nach dem Text des Art. 21 des Grundgesetzes über das Parteienrecht, Abs. 3, ergibt sich, daß verschiedene Bundesgesetze, nicht ein einziges Bundesgesetz, über das Parteienrecht möglich sind. Nach der Genesis des Art. 21 im Parlamentarischen Rat steht fest, daß die ursprüngliche Fassung der Absätze 1 und 2 unmittelbares Wahlrecht enthielt. Der Abs. 1 ist gestrichen worden; der Abs. 2 ist auf dem Wege vom Fachausschuß über den allgemeinen Redaktionsausschuß in den Hauptausschuß und in das Plenum des Parlamentarischen Rates verlorengegangen.
Will man also den Gleichheitssatz auf den Art. 21 anwenden, so gebietet er nach meinem Dafürhalten nichts weiter als die gleiche Behandlung der politischen Parteien. Dem steht im aktiven Wahlrecht nicht entgegen, daß bestimmte Personen — strafrechtlich Verurteilte, Geisteskranke — ausgeschlossen sind. Es steht im passiven Wahlrecht nicht entgegen, daß es Prozentklauseln gibt — im Parlamentarischen Rat erörterte man Prozentklauseln von 3 bis 10% —, und es steht nicht entgegen, daß es die Beachtung von Überhangstimmen gibt usw. usw. Solche Abweichungen sind alle gedeckt durch den Art. 19 des Grundgesetzes, der es gestattet, daß durch allgemeines Gesetz — ein individueller Fall wäre verboten — Einschränkungen der Grundrechte stattfinden, und der vorschreibt, daß der Wesensgehalt des Grundrechts nicht angetastet werden darf.
Wenn wir also eine gewisse Einschränkung im Verhältnis von Parteiabgeordneten und parteilosen Abgeordneten vorschlagen, dann befinden wir uns, glaube ich, nach der Beweisführung, die ich eben vorgetragen habe, durchaus im Einklang mit dem Grundgesetz.
Das Problem ist: Wie sollen im Parteirecht parteilose Abgeordnete im Verhältnis zu Parteikandidaten unter Beachtung des Geichheitssatzes behandelt werden? Dazu zunächst einmal eine Vorbemerkung! Wer das ganze Material, das uns vorliegt, aufmerksam liest, wird finden, daß die parteilosen Abgeordneten privilegiert werden. Sie sind in dem vom Ausschuß vorgelegten Text nicht der Vorschrift des § 27 unterworfen; sie brauchen keine Vorwahl durch eine Mitglieder- und Vertreterversammlung; sie sind nach dem Text der Regierungsvorlage frei von dem Nachweis eines Programms, eines Statuts und eines Vorstands ihrer Wählervereinigung.
Und eine zweite Vorbemerkung! Der Sinn der Landesliste ist doch, aus der Gesamtzahl der Mandate in einem Lande die Zahl der Mandate einer Partei zu ermitteln und die Wahlkreismandate zu verrechnen. Ein parteiloses Mandat kann auf keine Parteiliste verrechnet werden. Der Wähler, der einen parteilosen Kandidaten wählt, hat damit eine Willenserklärung des Inhalts abgegeben, daß er keine Verrechnung wünscht, und in einem gewissen Sinne ist er als Wähler wieder privilegiert. Die Ausschußfassung des Gesetzes zieht daraus die richtige Konsequenz, daß die parteilosen Bewerber von der Gesamtzahl der Mandate in Abzug gebracht werden. Unser Antrag bildet diese Konsequenz weiter; denn, meine Damen und Herren, wie sieht die Vorschrift des § 9 Abs. 1 der Ausschußfassung, auf die Stimmen, die für die Mandate abgegeben worden sind, übertragen, aus? Die Gesamtzahl der Mandate entspricht der Gesamtzahl aller Stimmen. Indem auf die Gesamtzahl aller Mandate der Parteien die Mandate der Parteilosen angerechnet, d. h. von ihnen abgezogen werden, erfolgt zugleich eine Anrechnung aller für alle parteilosen Kandidaten abgegebenen Stimmen auf die Gesamtzahl der Stimmen, die allen Mandaten entspricht. Die Stimmen für die Parteilosenmandate sind also bei der Anrechnung dieser Mandate auf die Gesamtzahl der Mandate in einem Land verbraucht, und es ist logisch nicht möglich, diese Stimmen ein zweites Mal auf eine bestimmte Partei anzurechnen, um ihr weitere Mandate zuzuschanzen. Sonst würde ein neues und, ich glaube diesmal untragbares Privileg in dem Sinne begründet, daß die Zweitstimme eines Wählers, der einen parteilosen Kandidaten im Wahlkreis gewählt hat, den doppelten Wert auf der Landesliste hätte. Unser Antrag ist also lediglich eine Konsequenz der jetzt vom Ausschuß beschlossenen Fassung des § 9 Abs. 1, letzter Satzteil. Er ist selbstverständlich, und ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
Das Wort hat dei Abgeordnete Dr. Schröder.
Meine Damen Herren! Wir haben zu den §§ 9, 9 a und 10 namentliche Abstimmung beantragt. Wir verzichten auf die namentliche Abstimmung zu diesen Paragraphen.
Wir beantragen aber eine andere namentliche Abstimmung, nämlich zu dem Antrag Umdruck Nr. 986, der sich auf § 9 Abs. 4 bezieht. Die dort vorgeschlagene Splitterklausel bleibt so weit hinter jeder verantwortbaren Splitterklausel zurück, daß wir diese Frage doch zu einer betonten Abstimmung stellen möchten.
Herr Abgeordneter, habe ich Sie recht verstanden? Die namentliche Abstimmung entfällt sowohl für die Änderungsanträge als auch für die Paragraphen der Vorlage?
Das Wort hat Herr Abgeordneter Onnen.
Nachdem die Entscheidung über die §§ 6, 7 und 8 gefallen ist, ist es eine Selbstverständlichkeit, daß wir den Änderungsanträgen aus dem Entwurf Scharnberg nicht zustimmen können. Es ist auch unmöglich, den Antrag Freudenberg in die vom Bundestag mit der Mehrheit von 202 Stimmen beschlossene Fassung einzufügen.
Zu dem Antrag des Zentrums und zu den Ausführungen des Kollegen Schröder möchte ich folgendes bemerken. Herr Kollege Schröder hat behauptet, der neue Zentrumsantrag vermindere die Sperrklausel derart. daß dadurch die Gefahr der Zersplitterung erheblich vergrößert würde. Dazu darf ich folgendes sagen. Die CDU hat in ihrem eigenen Änderungsantrag zu § 9 als Abs. 3 Satz 1 folgenden Satz vorgesehen:
Bei Verteilung der Sitze auf die Bundeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens in einem Wahlkreis einen Sitz errungen oder 3 v. H. der insgesamt abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben.
Nun ist sicher richtig, daß die 3 % im ganzen Bundesgebiet mehr sind als 3 % in einem Land. Aber die Klarheit und die Wahrheit verlangen doch, festzustellen, daß das eine Direktmandat — was hier auch durch den CDU-Antrag deutlich wird — ja seine eigene Bedeutung hat, die ich hier nicht näher erläutern möchte, die aber doch sicher jedem im Hause, der die Verhältnisse kennt, klar ist. Nun möchte ich doch wirklich einmal an Sie appellieren, die Dinge objektiv zu beurteilen. Will denn wirklich einer im Ernst behaupten, daß die 3 % in einem Land, die der Zentrumsantrag vorsieht, stimmenmäßig nicht um ein Vielfaches mehr sind als die Anzahl der Stimmen, die ein Direktmandat verlangt,
das sicher mit 40 000 Stimmen erreicht werden kann?
Ich will nichts hinzufügen. Aber da wir uns ja um ein klares Wahlgesetz bemühen, erkläre ich hiermit --
— Sie können sich ja dazu äußern! Ich glaube, ich habe klar genug gesprochen. Ich möchte hiermit erklären, daß wir diesem Antrag des Zentrums — nachdem der CDU-Antrag in der gleichen Form vorgelegt war — konsequenterweise zustimmen werden.
— Ja, das „Hört! Hört!" schließt sich vollständig dem Antrag an, der hier ein Mandat für das gesamte Bundesgebiet vorsieht. Ich hätte gern gehabt,
daß Sie sich sehr eingehend damit befaßt und begründet hätten, warum meine Ausführungen etwa nicht folgerichtig sind.
Ich komme dann zu dem Antrag der SPD zu § 9 Abs. 1. Hier ist die Frage der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem Grundgesetz angeschnitten worden. Nach den Ausführungen des Innenministeriums dürfte diese Fassung ja nunmehr unbedenklich sein. Die FDP hat diesen Antrag nur aus einem besonderen Grunde eingebracht. Ich darf dem Hause in Erinnerung rufen, daß diese Bestimmung nur folgendes will. Das Gesetz sieht vor, daß auch sogenannte parteilose Kandidaten aufgestellt werden können. Wir haben den Ausdruck „unabhängig" absichtlich beseitigt, damit man sich auch in der Gesamtöffentlichkeit wirklich von der Vorstellung entfernt, als ob die Mitglieder der großen Parteien, die noch dazu im Grundgesetz als die Träger der politischen Willensbildung geschützt und anerkannt sind, nun in Zukunft etwa als abhängig erscheinen. Ich nehme an, daß das die Zustimmung des gesamten Hauses findet.
— Sie können ja nachher sprechen. Ich pflege das zu sagen, was ich für richtig halte, und auch nicht die Art meiner Ausführungen durch Zwischenrufe im wesentlichen ändern zu lassen.
Wir wollten also erreichen, daß der Mann, der parteilos ist — ich will es etwas deutlicher sagen, damit es keine Mißverständnisse gibt —, wirklich echt parteilos ist. Denn es ist uns mitgeteilt worden, daß gewisse Kreise die Absicht haben, nur einen Mann als parteilos oder als unabhängig nach dem alten Begriff abzustellen,
der die Stimmen der Wähler auf sich vereinigen soll, und zwar zu dem Zweck, das Gesetz, das dieser Bundestag nun nach der Hauptentscheidung beschließt und das vorsieht, daß die Direktmandate angerechnet werden, zu umgehen.
Denn man hatte sich ausgerechnet, daß auf diese Art der Unabhängige ja nicht angerechnet zu werden brauche, weil er nach außen hin als Unabhängiger deklariert sei. Es bestand die Absicht, nach erfolgter Verrechnung und nach einer gewissen Karenzzeit von einigen Monaten, die je nach Haltung der Partei notwendig erschien, ihn als Hospitant oder Mitglied wieder in die Reihen seiner Partei zurückkehren zu lassen.
Es hätte mich außerordentlich interessiert, was das Innenministerium zu dieser Art Vorhaben sagt. Ich bin der Auffassung, daß der Wähler doch wohl verlangen kann, daß man ihm klar und offen gegenübertritt, und ich hatte geglaubt und hatte auch die Herren des Innenministeriums gebeten, daß man nicht nur unter dem anderen Gesichtspunkt die Verfassungsmäßigkeit überprüfe, sondern einmal feststelle, ob es nicht geradezu mindestens eine echte Interessenkollision sei, wenn man hier verhindern wolle, daß eine derartige Irreführung des Wählers möglich werden sollte.
Ich meine, das ist so klar und so sauber, daß das Haus darin einig sein sollte. Um aber die Bedenken rein formal zu zerstreuen, haben wir dann nach Möglichkeiten gesucht, und — wir sind nun nicht so, daß wir alles selber erfinden müssen — nun kommt der Antrag der SPD, der vorsieht, daß das
Gesetz anders gefaßt wird. Wir halten diese Fassung für geeignet, dem Zwecke zu dienen, den wir wollen, und gleichzeitig auch das Innenministerium zu beruhigen, denn es ist ja wirklich die Pflicht eines Ministeriums, echte Gründe zu vertreten.
— Sehen Sie, ich lasse Ihnen gerade in der CDU reichlich Gelegenheit, das zu belachen. Sie wissen ja selber am besten, daß viele Entscheidungen dieser Koalition sehr zum Schmerz der FDP von Ihnen, die Sie so sehr gelacht haben, mit der SPD beschlossen worden sind, gegen Ihren Partner.
Sie können in aller Ruhe abwarten. Wir wollen gerne darüber sprechen. Wir sehen nämlich in diesen Versuchen, die Atmosphäre zu beschweren und zu vergiften und der FDP zu unterschieben, daß sie ein Wahlgesetz mache, um in Zukunft mit der SPD Regierungen zu bilden, eine Behauptung, die bisher durch nichts bewiesen ist.
Ich bin so ruhig und so sicher, daß ich fest weiß — ich freue mich über diese Erregung, sie ist sicher erstaunlich —, daß in der CDU überhaupt niemand mehr ist, der den Gedanken einer großen Koalition in Zukunft noch laut auszusprechen wagt.
Ich nehme an, daß dieses Vorgehen von mir den Herrn Bundeskanzler wesentlich beruhigt, da es alle Gefahren, die ihn in Zukunft auch in seiner eigenen Fraktion bedrohen, aus dem Wege räumt.
Ich will Sie aber einmal an etwas ganz anderes erinnern. Wir haben es wirklich ernst mit unserem Vorhaben gemeint. Wir haben ehrlich geglaubt, daß man in diesem Hause das Wahlgesetz, in dem wir nämlich nur die Spielregeln einer fairen Auseinandersetzung sehen, nicht mit politischen Zweckvorstellungen belasten sollte.
— Herr Scharnberg, ich will Ihnen noch etwas sagen, was Sie hoffentlich weiter beruhigen kann: Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn Sie einmal in Ruhe darüber nachdächten, ob dieses Zusammengehen in dieser Frage zwischen FDP und SPD nicht geradezu als beispielhaft dafür anerkannt werden könnte, daß selbst politische Gegner trotz ihrer verschiedenen Ansichten so ruhig und vernünftig sind, sich wenigstens über die Spielregeln zu einigen, um die Bevölkerung vor falschen Vorstellungen zu bewahren.
Es tut mir unendlich leid, Herr Scharnberg, daß ich Ihre Situation nicht erleichtern kann; ich täte es sehr gern.
— Wie in Hessen?! Ich darf hinzufügen: Lesen Sie
doch — —
— Herr Schütz, ich kann nicht alle Zwischenrufe auf einmal erledigen. Reden Sie meinetwegen auch alle. Aber Sie werden mich wirklich nicht von dem abbringen, was ich sagen will.
— Schön! Sie beklagen, was in Hessen und sonstwo vorgekommen ist. Ich habe Ihnen etwas vorgeschlagen und hoffe, daß das gelingt. Dann müssen wir natürlich insgesamt mehr bereit sein, einander entgegenzukommen, und nach einem Wahlgesetz suchen, das wirklich alle befriedigt. Dieses Wahlgesetz soll nur für den nächsten Bundestag gelten. Wir sollen uns dann ernstlich bemühen — das ist eine absolut ernste Absicht von mir —, zu versuchen, nicht nur für den Bundestag die Grundsätze zu finden — das ist auch ein Appell an die Opposition —, sondern Grundsätze, die gleichzeitig im Bund und in den Ländern gelten. Warten Sie ab, Herr Scharnberg, was dabei herauskommt. Ich will nicht mehr dazu sagen; ich glaube, es ist genügend beleuchtet.
Ich bin also der Auffassung, daß die vorgeschlagene Bestimmung den Zweck erreicht, den wir nur erreichen wollen: Den Wähler davor zu bewahren, daß ihm ein Kandidat als parteilos vorgesetzt wird, der es in Wirklichkeit nicht ist. Niemand kann doch etwas Derartiges ernstlich bezweifeln und bekämpfen wollen. Ich appelliere an die Einsicht aller, daß diesem Prinzip der Sauberkeit nun wirklich die Zustimmung aller gegeben wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Heiland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz zu den Ausführungen des Abgeordneten Schröder etwas sagen. Der Abgeordnete Schröder befürchtet, daß mit dem Antrag der FU und der Herabsetzung der Mindestklausel gegenüber dem 49er Gesetz um 2 % die kleinen Parteien zu stark ins Rennen kommen könnten. Herr Abgeordneter Schröder, Sie hätten sich mal die Mühe machen sollen, den internen Proporz des Regierungs- und des Scharnberg-Entwurfs genau anzusehen; dann werden Sie feststellen, daß Sie mit diesem internen Proporz bei jeder kleinen Partei, die sich diesen Listenverbindungen anschließt, die letzte Stimme verwertbar machen wollen, selbst wenn sie unter 1 % sind. Sie sollten endlich aufhören, im Wahlrecht mit doppelter Moral zu arbeiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Meine Damen und Herren! Ich will nur wenige Worte auf die Ausführungen des Herrn Heiland erwidern, da er mich apostrophiert hat. Ich kann mir vorstellen,
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Edert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich gegen § 9 Abs. 5 wenden, und zwar gegen den letzten Satz: „Sie findet keine Anwendung auf die Listen der nationalen Minderheiten." Mit diesem Satz bekommt die Minderheit ein Vorrecht. Nach meiner Auffassung verstößt das gegen den Art. 3 des Grundgesetzes, wonach niemand „wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt" werden darf. Hier wird der Minderheit ein Vorrecht eingeräumt. Es handelt sich hier im wesentlichen ja um die Südschleswigsche Wählervereinigung, um die dänische Minderheit.
Wir verstehen unter „nationaler Minderheit" die Glieder einer Volksgruppe, die als gleichberechtigte Staatsbürger im Herbergsstaat leben, aber nach ihrer Geschichte, Kultur, Sprache oder Rasse einem anderen Volk angehören. In diesem Sinne sind die 30 000 Deutschen, die nach der Abstimmung 1920 in Dänemark verblieben, eine echte Minderheit und ebenso die 10 000 Dänen, die nach der Abstimmung in Südschleswig verblieben. Aber was sich nach 1945 zu dieser echten Minderheit in Südschleswig hinzugesellt hat, das sind nach unserer Auffassung zum großen Teil Deutsche, die sich aus Zweckmäßigkeitsgründen vom Mutterland trennen wollen. Die dänische, in der SSW vereinigte Volksgruppe verdient nach ihrer Mehrzahl nicht den Namen „Minderheit". Sie hat das Ziel, mit friedlichen Mitteln die Loslösung Schleswigs von der Bundesrepublik zu erreichen. Auf ihrem Programm steht heute noch die verwaltungsmäßige Trennung Schleswigs von Holstein. Wir sehen darin die Vorstufe der endgültigen Abtrennung.
Während die deutsche Volksgruppe in Dänemark ihre Loyalität gegenüber dem dänischen Staat feierlich verkündet hat, warten wir heute immer noch vergebens auf eine Loyalitätserklärung der Südschleswigschen Wählervereinigung gegenüber der Bundesrepublik.
Ich sehe daher keinen Anlaß, einer solchen, in ihren letzten Zielen auf die Abtrennung unseres Landes gerichteten Bewegung einen besonderen Vorzug einzuräumen, um so weniger, als auch in Dänemark der deutschen Volksgruppe ein solches Vorrecht in keiner Hinsicht gewährleistet ist. Wir könnten eine solche Frage am besten in der Form der Gegenseitigkeit in einem Vertrage regeln. Sie gehört aber nicht in unser Bundeswahlgesetz. Die SSW ist im Schleswig-Holsteinischen Landtag mit vier Abgeordneten vertreten. Das genügt vollständig, um die kulturellen Belange dieser Volksgruppe zu befriedigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Onnen.
Ich wollte nur ein paar Worte zu der besonderen Bestimmung für die nationalen Minderheiten sagen. Ich bin der Auffassung, daß man diese Frage nicht nach den Begriffen des Wahlrechts entscheiden sollte, sondern nach rein praktischen nationalen Überlegungen. Das war der Grund für den Ausschuß. Ich will mich hier nicht zu der Minderheit in Schleswig-Holstein äußern. Ein starker Staat kann meines Erachtens die Entwicklung seinen Bürgern in dem betreffenden Teil überlassen. Im übrigen sollte er die Großzügigkeit bezeugen, die er für seine eigenen Minderheiten in anderen Ländern selber wünscht.
Eine derartige Bestimmung sollte daher möglichst einstimmig angenommen werden, da ja auch insbesondere für Dänemark Aussicht besteht, daß eine entsprechende Regelung uns dort schon sehr bald zugestanden wird. Ich meine, es steht uns nicht schlecht an, wenn wir gerade in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel vorangehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Clausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere außerordentlich, daß ich gezwungen bin, nach diesen Ausführungen an dieser Stelle noch einmal das Wort zu nehmen. Ich will alles versuchen, keine weiteren Schärfen in diese Dinge hineinzutragen. Aber eines möchte ich Herrn Dr. Edert sagen: Das Bekenntnis in unserem Grenzlande ist stets frei gewesen, solange wie dieses Grenzland besteht, und Herr Dr. Edert hat nichts dagegen, daß die deutsche Minderheit in Dänemark bei der letzten Wahl 2000 Stimmen
gewonnen hat, also vorwärtsgegangen ist. Auch dort ist das Bekenntnis frei. Wenn Herr Dr. Edert nun immer noch von „echt" und „unecht" spricht, dann möchte ich darauf hinweisen, daß acht Jahre vergangen sind und daß in diesen acht Jahren die Dinge dort oben sich vollständig stabilisiert haben, daß das, was heute noch an dänischer Gesinnung in Südschleswig vorhanden ist, echt ist und daß es absurd ist, heute, nach acht Jahren, noch von „echten" und „unechten" Dänen zu reden.
Noch eins, meine Damen und Herren. Herr Dr. Edert hat gesagt, wir hätten noch keine Loyalitätserklärung abgegeben. Ich bitte, die Protokolle nachzuschlagen. Von dieser Stelle habe ich vor zwei, drei Jahren erklärt, daß unsere Arbeit oben an der Grenze stets innerhalb der staatlichen Ordnung und innerhalb der staatlichen Gesetze vor sich gehen wird. Wenn das keine Loyalitätserklärung ist, dann weiß ich nicht, was ich noch machen soll.
Dann zur Frage der Gegenseitigkeit. Herr Onnen hat schon erwähnt: das kleine Dänemark gibt der stärker gewordenen deutschen Minderheit im nächsten Parlament, im nächsten Reichstag in Kopenhagen, für 8500 Stimmen wieder einen stimmberechtigten Kandidaten. Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich: Sie können nicht verantworten, die Gegenseitigkeit zu versagen; Sie müssen die Voraussetzungen schaffen, daß auch in den kommenden Bundestag ein Vertreter der dänischen Minderheit diesseits der Grenze, die immer noch 50 000 bis 60 0000 Stimmen aufbringen wird, einzieht. Ich glaube, das ist Gegenseitigkeit. Darüber soll man sich klar sein, daß man dann auch Gegenseitigkeit übt und die nötigen Bestimmungen schafft, die diese Gegenseitigkeit gewährleisten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist diesmal kompliziert. Ich will deswegen ganz kurz erläutern, wie ich sie vorzunehmen gedenke.
Wir stimmen ab über den Komplex der §§ 9, 9 a und 10. Es liegen hierzu vor Änderungsanträge der CDU/CSU und DP — Umdruck Nr. 982 —, ein Änderungsantrag des Kollegen Freudenberg — Umdruck Nr. 973 —, Änderungsanträge der KPD —Umdruck Nr. 979 —, ein Änderungsantrag der SPD — Umdruck Nr. 983 — und ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union — Umdruck Nr. 986. Namentliche Abstimmung ist nur noch für den letzten der von mir genannten Änderungsanträge beantragt. Herr Dr. Schroeder, ich habe Sie wohl recht verstanden: Sie verlangen die namentliche Abstimmung für den Änderungsantrag der Föderalistischen Union, nicht für die Ausschußfassung?
Ich werde in folgender Reihenfolge abstimmen lasen: Nr. 982, 973, 979, 983, 986.
Zunächst Anträge der CDU/CSU und DP — Umdruck Nr. 982 Ziffern 5 bis 7. Die Antragsteller sind wohl damit einverstanden, daß ich en bloc abstimmen lasse.
— Der Antrag ist zurückgezogen! — Wer für die
Annahme dieser Änderungsanträge ist, den bitte
ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Die Mehrheit ist nicht festzustellen; wir müssen durch Hammelsprung entscheiden.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. -
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte Sie, sich mit der Auszählung zu beeilen.
Ich bitte, die Türen zu schließen; die Auszählung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist: Abgestimmt haben 384 Mitglieder des Hauses; mit Ja haben gestimmt 182, mit Nein 198, der Stimme enthalten haben sich vier Abgeordnete.
Damit sind die Änderungsanträge abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 973 Ziffer 3; das ist der Antrag des Abgeordneten Freudenberg. Der Abgeordnete Freudenberg bittet um getrennte Abstimmung nach Absätzen.
Zunächst soll über den Antrag abgestimmt werden, in Abs. 1 die beiden Halbsätze:
wobei zuvor die Sitze in Abzug gebracht werden, welche auf Kreiswahlvorschläge parteiloser Bewerber entfallen sind,
zu streichen und durch folgende Worte zu ersetzen:
die in der Reihenfolge ihrer Landesliste besetzt werden.
Ich lasse zunächst über diesen Teil des Änderungsantrages abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Die große Mehrheit; er ist abgelehnt.
Nunmehr soll über den nächsten Absatz von Ziffer 3 abgestimmt werden:
Abs. 2 wird gestrichen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Nunmehr soll über den nächsten Absatz abgestimmt werden:
Abs. 3 wird gestrichen.
Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. -
Gegenprobe! — Abgelehnt.
Nunmehr soll über die nächsten beiden Absätze, also über den Rest der Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 973 abgestimmt werden. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den Antrag der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 979 Ziffern 6 bis 14 in einem abstimmen. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über den Antrag der SPD Umdruck Nr. 983 Ziffer 1 abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 986. Hier
ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist genügend unterstützt. Ich bitte, zur Abstimmung zu schreiten.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, bis zur Beendigung der Auszählung der Stimmen zu § 12 überzugehen und den Änderungsantrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 8 zu begründen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten das Hohe Haus nicht unnötig in Anspruch nehmen. Ich erkläre deshalb, daß wir unsere Anträge Umdruck Nr. 982 von Ziffer 8 bis einschließlich Ziffer 29 zurückziehen.
Damit ist der ganze Umdruck Nr. 982 der Fraktion der CDU/CSU erledigt.
Herr Abgeordneter von Thadden erklärt, daß er Ziffer 12 dieses Antrags aufnehme.
Bei § 25 werde ich Gelegenheit geben, den Antrag zu begründen.
Der nächste Änderungsantrag liegt zu § 19 auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 15 vor. Hier verzichtet die kommunistische Gruppe auf Begründung. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Der Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe zu § 25, Umdruck Nr. 979 Ziffer 8, ist bereits abgelehnt.
Sind noch Mitglieder dieses Hauses vorhanden, die ihre Stimme zur namentlichen Abstimmung nicht abgegeben haben? — Das ist nicht der Fall. Dann wird die namentliche Abstimmung geschlossen.
Zu § 25 Herr von Thadden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der zu § 25 Abs. 2 unter Ziffer 12 des Umdrucks Nr. 982 gestellte Änderungsantrag ist von mir aufgenommen worden. Dazu gehören sachlich ferner die Ziffern 13 a desselben Umdrucks, weiter die Ziffern 16 c und f des gleichen Umdrucks. Eine Begründung erübrigt sich.
Ich darf um Annahme der von mir verlesenen Ziffern und Buchstaben des Umdrucks Nr. 982 bitten.
Das Wort hat der Abgeordnete Onnen.
Meine Herren Kollegen, wir sind bereit, das, was die CDU in ihrem Antrag für richtig gehalten hatte, aufzunehmen, und werden daher der Ziffer 12 des Antrags der CDU-Fraktion unsere Zustimmung geben.
Wir können dann zu § 26 übergehen. Der diesen Paragraphen betreffende Antrag Umdruck Nr. 973 Ziffer 4 des Abgeordneten Freudenberg ist zurückgenommen worden.
Wir stimmen ab über Ziffer 16 des Umdrucks Nr. 979. Es handelt sich um einen Antrag der kommunistischen Gruppe. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!
— Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
— Wozu wollen Sie das Wort, Herr Abgeordneter Bodensteiner?
— Wir sind schon in der Abstimmung, Herr Abgeordneter. Es tut mir leid; Sie müssen aufmerksamer folgen.
— Sie haben aber noch eine dritte Lesung vor sich.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 986 bekannt. Ihre Stimme haben insgesamt 386 Mitglieder des Hauses und 14 Berliner Abgeordnete abgegeben. Mit Ja haben 221, mit Nein 164 gestimmt; eine Enthaltung. Zehn Berliner Abgeordnete haben mit Ja gestimmt; vier mit Nein. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Wir können nunmehr über sämtliche Paragraphen zwischen §§ 9 und 25 abstimmen. Besteht darüber Klarheit? — Wir stimmen nunmehr ab über § 9.
— Nur zum Text?
— Bitte schön!
Ich möchte nur textkritisch zu einem Wort etwas sagen, das sowohl im Entwurf der CDU, im Änderungsantrag Umdruck Nr. 962 Ziffer 13 a — also für die Fassung des § 26 Abs. 1
— als auch schon vorher unter Ziffer 12 dieses Antrags der CDU zu § 25 Abs. 2 enthalten ist. Hier heißt es nämlich:
Parteien, die seit der letzten Wahl nicht ununterbrochen im Bundestag vertreten waren und auch nicht in der Volksvertretung eines Landes während der letzten Wahlperiode ununterbrochen mit mindestens 5 Abgeordneten vertreten waren ....
Ich glaube, dem Sinn des CDU-Antrags entspricht
es — das ist ganz klar —, wenn hier die Worte
„und auch" anders formuliert werden, nämlich: Parteien, die seit der letzten Wahl nicht ununterbrochen im Bundestag vertreten waren, oder auch nicht in der Volksvertretung eines Landes ....
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13501
Das Wort hat der Abgeordnete Onnen.
Herr Kollege Loritz sagte mir eben, das sei der springende Punkt. Ich gebe ihm recht. Es heißt aber „und" und nicht „oder".
Herr Abgeordneter Loritz, stellen Sie einen Änderungsantrag?
— Dann bitte ich, ihn mir schriftlich zu übergeben.
— Bitte, geben Sie ihn mir dann.
In der Zwischenzeit können wir die Begründung des Antrags Umdruck Nr. 983 Ziffer 2 entgegennehmen. Wer begründet? — Es wird verzichtet. Aber Sie verzichten nicht auf den Antrag?
Dann werden wir über die Anträge abstimmen, die Herr von Thadden gestellt hat: Umdruck Nr. 982 Ziffern 12, 13 a, 16 c und 16 f. Beantragen Sie getrennte Abstimmung? —
Herr Onnen, bitte, begründen Sie.
Während wir dem Antrag Ziffer 12 zu § 25 Abs. 2 zustimmen, kann den Ziffern 13 a und 16 nicht zugestimmt werden, weil da von Bundeslisten die Rede ist. Etwaige Änderungen müßten dann der dritten Lesung vorbehalten bleiben und erfordern eine genaue Formulierung.
Wir können nur dem ersten Antrag zu § 25 Abs. 2 zustimmen; die anderen Anträge werden abgelehnt.
Dann stimmen wir getrennt ab, und zwar zunächst über den Antrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 12, aufgenommen von Herrn von Thadden.
Zur Abstimmung Herr Dr. Schröder!
Wir hatten, meine Damen und Herren, wie Sie wissen, die Absicht, dem Hause eine Abstimmung darüber zu ersparen; wir hatten den Antrag deshalb zurückgenommen. Nachdem er aber hier auf eine so große Gegenliebe stößt, möchte ich erklären, daß wir für ihn stimmen werden.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrags ist — ich wiederhole: es handelt sich nur um Umdruck Nr. 982 Ziffer 12 —, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
— Das Haus verdankt dies Herrn von Thadden.
Nunmehr lasse ich abstimmen über die Änderungsanträge Umdruck Nr. 982 Ziffern 13 a, 16 c und 16 f. Habe ich Ihre Anträge richtig verstanden, Herr von Thadden? — Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit. Diese Anträge sind abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Antrag des Abgeordneten Loritz abstimmen, der lautet:
§ 25 Absatz 2 soll heißen:
Parteien, die seit der letzten Wahl nicht ununterbrochen im Bundestag vertreten waren oder auch — —
- Sie haben hier „oder auch nicht" geschrieben.
(Erneute Heiterkeit. — Zurufe: Erledigt
durch die vorhergehende Abstimmung! —
Ist ja abgelehnt! — Abg. Schoettle: Herr
Präsident!)
— Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Nur zwei Sätze, Herr Präsident! Über den Antrag Loritz kann gar nicht mehr abgestimmt werden; denn das Haus hat bereits Ziffer 12 des Antrags Umdruck Nr. 982 angenommen.
Der Herr Abgeordnete Schoettle hat vollkommen recht. Wir können über den Antrag nicht mehr abstimmen.
Nunmehr ist über sämtliche Änderungsanträge zu den §§ 19 bis 26 einschließlich, soweit sie nicht zurückgezogen worden sind, abgestimmt.
Ich lasse jetzt über diese Paragraphen in der Ausschußfassung bzw. in der durch die Abstimmung geänderten Fassung abstimmen.
- Herr Abgeordneter Menzel, wollen Sie das Wort?
- Das Wort hat der Abgeordnete Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht abgestimmt worden über Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 983 der sozialdemokratischen Fraktion.
Ja, Sie haben recht. Ich bitte um Entschuldigung.
Wir stimmen also zunächst über Umdruck Nr. 983 Ziffer 2 ab.
Herr Abgeordneter Onnen, bitte!
Die Frage, die in § 26 Abs. 2 Satz 2 behandelt war, hat ihre Regelung in § 9 gefunden. Wir sind mit der Streichung dieses Abs. 2 Satz 2 einverstanden.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck Nr. 983 Ziffer 2 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich glaube, daß nunmehr wirklich über alle Änderungsanträge abgestimmt ist.
Wir stimmen nunmehr ab über die §§ 9 bis 26 in der durch die bisherigen Abstimmungen festgestellten Fassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzei-
chen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; diese Paragraphen sind angenommen.
Zu § 27 liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 979 Ziffer 17 vor. — Sie verzichten auf Begründung, Herr Abgeordneter Renner?
— Wer für die Annahme dieses Änderungsantrags Umdruck Nr. 979 Ziffer 17 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 14 zu § 33 ist zurückgezogen. Ziffer 15 des Umdrucks Nr. 982 zu § 34 ist ebenfalls zurückgezogen.
Ziffer 18 des Umdrucks Nr. 979. Sie verzichten auf Begründung, Herr Abgeordneter Renner?
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 16 zu § 35 ist zurückgezogen.
Umdruck Nr. 979 Ziffer 19 wird nicht begründet. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 17 zu § 36 ist zurückgezogen, ebenso Ziffer 18 zu § 37.
Umdruck Nr. 979 Ziffer 20 wird nicht begründet. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Zu § 38 ist der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 982 Ziffer 19 zurückgezogen. Wird der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 983 Ziffer 3 begründet? — Wird nicht besonders begründet. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses Antrags der SPD-Fraktion ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich muß bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Ich habe kein klares Bild. Wer für die Annahme des Änderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 21 wird nicht begründet. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Zu § 39 und § 40 liegen keine Anträge vor.
Wir stimmen nunmehr ab über die §§ 27 bis 40 einschließlich in der durch die Abstimmung festgestellten Fassung. Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; diese Bestimmungen sind angenommen.
Ich rufe auf § 41. Zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 22 hat das Wort der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Mit unserem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 22 wollen wir die Grundlage dafür schaffen, daß wirklich freie Wahlen durchgeführt werden können.
— Ich glaube, Sie werden sehr schnell Ihr Lachen einstellen, wenn ich Ihnen an Hand der Vergangenheit und der Praxis nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder beweise, in welchem Umfang die Durchführung freier Wahlen im Bundesgebiet und in verschiedenen Ländern behindert worden ist.
Die Grundlage unseres Antrages entspricht im wesentlichen den Forderungen — sowohl bezüglich der Wahlpropaganda wie auch der Verteilung von Wahl- und Propagandamaterialien, der gleichmäßigen Benutzung der Rundfunkanstalten und ihrer Einrichtungen, der Sicherung der Durchführung von Wahlversammlungen und der Zurverfügungstellung aller für Wahlzwecke geeigneten Räume —,
die in dem Schreiben der Bundesregierung an den Bundestag auf Drucksache Nr. 3063 vom 5. Februar 1952, das bereits mein Fraktionskollege Walter Fisch erwähnt hat, enthalten sind.
In diesem Schreiben des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen werden für die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen folgende Grundsätze aufgestellt. In § 4 Abs. 1 heißt es:
Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird gewährleistet.
In Abs. 3 desselben Paragraphen heißt es:
Jedem ordnungsgemäß vorgeschlagenen Bewerber um einen Sitz in der Nationalversammlung wird bis zum Zusammentritt der Nationalversammlu•g im gesamten Wahlgebiet die persönliche Freiheit gewährleistet.
In dem § 5 dieser von der Bundesregierung für eine kommende gesamtdeutsche Wahl aufgestellten Grundsätze heißt es:
Öffentliche Versammlungen der Parteien, die einen ordnungsmäßigen Wahlvorschlag eingebracht haben, und ihrer Bewerber sind unbeschränkt zugelassen und unter öffentlichen Schutz zu stellen.
In demselben Paragraphen heißt es in Abs. 2: Die Verbreitung von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften, die in einem deutschen Lande erscheinen, und der Empfang von Rundfunksendungen dürfen im ganzen Wahlgebiet nicht behindert werden.
Die Auffassung der Bundesregierung geht auch dahin, daß in § 6 Abs. 1 gesagt wird: „Das Wahlgeheimnis wird gewährleistet." Abs. 2 desselben Paragraphen bestimmt u. a.:
Die Wahlzettel und ihre Umschläge sind für alle Wahlberechtigten gleich und dürfen mit keinen Merkmalen versehen sein, die die Person des Wählers erkennen lassen.
Meine Damen und Herren, das sind also gewisse Prinzipien für die Durchführung freier und geheimer Wahlen, die von der Bundesregierung aufgestellt worden sind und die in den wesentlichen Punkten in unserem Antrag ihren Niederschlag gefunden haben. Wie es nun aber entgegen diesen Prinzipien seitens der Bundesregierung in der Praxis aussieht — und damit begründe ich unseren Änderungsantrag —, das möchte ich ganz kurz noch aufzeigen.
Es ist eine Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannte Tatsache, daß z. B. bei den letzten Kommunalwahlen
nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Nordrhein-Westfalen und in anderen Ländern die Wahlmaterialien der Kommunistischen Partei in einem erheblichen Umfange gesetzeswidrig beschlagnahmt worden sind. In Nordrhein-Westfalen wurden Wahlmaterialien unserer Partei, die durch die Post zur Verteilung gelangten, von der Postdirektion beschlagnahmt. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Prinzip gleicher und geheimer Wahlen z. B. im Lande Rheinland-Pfalz bei den letzten Kommunalwahlen entscheidend durchbrochen worden ist und daß seitens der Landesregierung von Rheinland-Pfalz neben den amtlichen Stimmzetteln auch private Stimmzettel, also nichtamtliche Stimmzettel, zugelassen worden sind, deren Verteilung bereits am Tage vor der Wahl erlaubt wurde, so daß selbst die Regierungsparteien im Landtag von Rheinland-Pfalz feststellen mußten, daß dieses Verfahren als nicht ganz geheim betrachtet werden könnte. Durch diese Methoden wurde u. a. ein gewisser Druck, sogar eine Nötigung auf den Wähler ausgeübt, und man konnte durch das Zulassen zweier verschiedener Wahlstimmzettel, also von amtlichen und nichtamtlichen Stimmzetteln, bei der Abgabe des Wahlstimmzettels dann feststellen, welcher Partei oder welchem Kandidaten der betreffende Wähler seine Stimme gegeben hatte.
Meine Damen und Herren, nun zu der Frage der Behinderung der Wahlen durch das Verbot von Versammlungen und die Auflösung von Versammlungen. Ich habe erst am vergangenen Samstag erlebt, wie man seitens der Polizei eingriff, um eine von uns angesetzte Versammlung zu verhindern und zu verbieten. Wir stellen fest, daß auch bei den letzten Kommunalwahlen eine ganze Reihe von Versammlungen durch rechtswidrige Eingriffe der Polizei verhindert bzw. aufgelöst worden ist. In Neumünster fand eine Versammlung statt, die zur Bundestagsnachwahl durchgeführt werden und in der mein Fraktionskollege Fritz Rische sprechen sollte. Diese Versammlung wurde zwei Minuten vor Beginn mit der Behauptung verboten, daß an der Adenauer-Regierung Kritik geübt würde. So wurde z. B. eine Versammlung des Bundes der Deutschen, die in Kassel stattfinden sollte, verboten. Im Lande Nordrhein-Westfalen wurden eine Reihe von Versammlungen verboten, was zum Teil auf ein geschicktes Zusammengehen und Zusammenarbeiten zwischen der Polizei und dem BDJ zurückzuführen gewesen ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an eine Versammlung, die bei Essen stattfinden sollte, wo dem Saalbesitzer von solch einem BDJ-Banditen erklärt wurde: wenn er — der Besitzer — die Versammlung durchführen lasse und der Kommunistischen Partei den Saal zur Verfügung stelle, dann würde der BDJ diese Versammlung mit Stinkbomben usw. stören. Das
Resultat war, daß dem Saalbesitzer am nächsten Tage von der Polizei eröffnet wurde: die Versammlung ist verboten, da mit Störungen zu rechnen ist. Das sind keine Einzelerscheinungen; wir haben das verschiedentlich festgestellt.
Eine andere Frage ist die Benutzung und der Einsatz von Lautsprecherwagen durch die Parteien. Bei den vergangenen Wahlen wurde immer wieder die Tatsache erhärtet, daß, wenn Lautsprecherwagen für die Kommunistische Partei Propaganda machen sollten, sehr oft von den Polizeibehörden das Herumfahren und die Benutzung solcher Lautsprecherwagen unterbunden wurde. Ich möchte einen ganz konkreten krassen Fall, der aber bezeichnend ist, hier erwähnen.
Bei den Kommunalwahlen sollte in Ludwigshafen ein Lautsprecherwagen eingesetzt werden. Nach mehrmaligem Herantreten an die Polizeidirektion Ludwigshafen wurde von dieser erklärt, es bestehe eine Verordnung der Landesregierung vom 31. Oktober 1952, die besage, daß nur der CDU, der FDP und der SPD für die Wahl Lautsprecherwagen genehmigt werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, das wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf die Frage, was Sie und was die Organe des Herrn Dr. Lehr und seine verlängerten Arme in den Ländern unter demokratischen Wahlen verstehen.
Zur Frage der Versammlungslokale noch ein be-besonderes Wort. In Gießen sollte eine Versammlung meiner Partei stattfinden, und zwar in der Aula der Universität. Von der Universität wurde die Aula nicht zur Verfügung gestellt.
Auch das zuständige Ministerium in Hessen hat auf
die Beschwerde darüber keine Antwort gegeben.
- Wenn Sie sagen: „Das war auch richtig", dann beweisen Sie damit nur, was Sie unter Demokratie verstehen.
Meine Damen und Herren, wir haben im Lande Nordrhein-Westfalen in einer ganzen Reihe von Kreisen bei den Kommunalwahlen feststellen können, daß von staatlichen, aber auch kirchlichen Stellen die Besitzer von Sälen davor gewarnt worden sind, ihre Versammlungssäle für die Kommunistische Partei zur Verfügung zu stellen. Man drohte ihnen mit Entzug der Konzession. Nun, das hat die Arbeiterbewegung in ihrer ganzen Geschichte schon sehr oft erlebt. Ich glaube, die sozialdemokratischen Kollegen wissen aus der Vergangenheit ihrer Partei, wie man auf diese Art und Weise die Wahlagitation zu verhindern verstanden hat. Wir sind der Meinung, daß Sicherungen geschaffen werden müssen, daß diese Säle, die zur Verfügung stehen, in gleicher Weise allen Parteien zur Verfügung gestellt werden.
In den angezogenen Bestimmungen der Grundsätze, die seitens der Bundesregierung aufgestellt worden sind, ist u. a. auch die Sicherheit der Bewerber und der Kandidaten für eine Wahl erwähnt worden. Wie es damit aussieht, das möchte ich nur an Hand der letzten Kommunalwahlen aufzeigen, wo der sozialdemokratische Kandidat Ruthner in Sandkrug bei Oldenburg nach einer Wahlversammlung zusammengestochen worden ist. Das ist eine,
ich glaube, sehr drastische Illustration für die Durchführung eines solchen Grundsatzes, zugleich aber auch dafür, wie seitens der Bundesregierung, seitens des Herrn Polizeiministers und seiner Länderminister die Durchführung und die Sicherung freier Wahlagitation nicht beachtet wird. Wir werden erleben — d. h. wir erleben es ja jetzt schon —, daß diese Methode eines gewissen Zusammenspiels zwischen solchen Terrororganisationen und der Polizei auch bei den kommenden Wahlen Praxis werden wird.
Man schickt einige von diesen Banditen in die Versammlung hinein, nachdem man sich vorher mit ihnen abgesprochen hat; sie verursachen Störungen, und das Ergebnis ist dann, daß die Polizei eingreifen wird, um die Versammlung aufzulösen.
Ich habe nur in wenigen Punkten an Hand der Praxis aufgezeigt, wie es mit der Sicherung freier Wahlen in der Vergangenheit aussah und welche Erfordernisse sich daraus für die kommenden Bundestagswahlen ergeben. Wenn ich dem noch unsere Forderung hinzufüge, daß der Rundfunk in gleicher Weise allen Parteien und den Kandidaten, den Bewerbern, zur Verfügung gestellt werden muß, dann ist das wohl eine Selbstverständlichkeit für jeden, der demokratische Wahlen durchgeführt wissen will. Andererseits ist es ja heute die Praxis, daß der Rundfunk — ob es der hessische oder der nordwestdeutsche oder welcher Rundfunk immer ist — bereits jetzt in einer ständigen Hetzpropaganda gegen uns und gegen die Deutsche Demokratische Republik durch Lügenmeldungen und durch diese Hetze die Wahlpropaganda für die, AdenauerRegierung und ihre Parteien durchzuführen bestrebt ist. Wir sind der Meinung, daß die Forderung, daß der Rundfunk allen Parteien und allen Kandidaten gleichmäßig zur Verfügung gestellt werden muß, absolut berechtigt ist. Ich bitte Sie deshalb, dem Ausdruck zu verleihen, daß Sie für wirklich demokratische Wahlen sind, indem Sie unserem Antrag Ihre Zustimmung geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu § 41 und lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 979 Ziffer 22. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich kann noch feststellen, daß der Antrag zu § 43 auf Umdruck Nr. 982 Ziffer 20 zurückgezogen ist.
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 979 Ziffer 23 wird nicht begründet. Ich lasse über diesen Änderungsantrag der KP abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Zu § 44 ist der Änderungsantrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 21 zurückgezogen.
Zu § 48 ist der Änderungsantrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 22 ebenfalls zurückgezogen.
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 979 Ziffer 24 wird nicht begründet. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag zu § 49 — Umdruck Nr. 973 Ziffer 5 — ist zurückgezogen. Der Antrag zu § 49 a — Umdruck Nr. 982 Ziffer 23 — ist ebenfalls zurückgezogen. Der Antrag zu Abschnitt VI, § 50 — Umdruck Nr. 973 Ziffer 6 — ist zurückgezogen, ebenso die Anträge Umdruck Nr. 973 Ziffer 7 und Umdruck Nr. 982 Ziffern 24 und 25. Weiter ist zurückgezogen der Antrag zu § 52, Umdruck Nr. 982 Ziffer 26. Zu § 52 b ist zurückgezogen der Antrag Umdruck Nr. 982 Ziffer 27. Soll der Antrag Umdruck Nr. 979 Ziffer 25 begründet werden?
Dann lasse ich über die bisher aufgerufenen Paragraphen bis einschließlich § 52 a abstimmen. Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; diese Paragraphen sind angenommen.
Zu § 52 b Herr Abgeordneter Renner zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 979 Ziffer 25.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag nicht deshalb gestellt, um einem eventuellen Verbot der KPD und seinen Folgen vorzubeugen. Wir wissen, daß Sie die KPD nicht verbieten können. Wir stellen diesen Antrag, um grundsätzlich herauszustellen, was mit diesem § 52 b von seinen Bejahern gewollt ist. Durch diesen § 52 b, Folgen eines Parteiverbots, soll zum Gesetz erhoben werden, daß Abgeordnete einer Partei oder sogar einer Teilorganisation dieser Partei ihr Mandat verlieren, wenn die Partei oder die Teilorganisation einer Partei durch das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 21 des Grundgesetzes für verfassungswidrig erklärt wird. Sie wissen sicherlich von dieser lächerlichen Aufstellung — die in die vielen -zig geht — der verfassungsfeindlichen Teilorganisationen und „Tarnorganisationen der KPD", die der Herr Bundespolizeiminister aufgestellt hat. Nehmen Sie einmal an, eine dieser von ihm als verfassungsfeindlich deklarierten, an und für sich gar nicht existierenden Teilorganisationen der KPD wird — das ist passiert, das ist möglich — vom Bundesverfassungsgericht, ohne daß überhaupt ein Beklagter da ist und zu ermitteln ist, verboten; dann fallen unsere Mandate hier weg, weil das Bundesverfassungsgericht eine gar nicht existierende, nur in der Phantasie des Herrn Bundespolizeiministers bestehende Organisation formal verboten hat. Diese Möglichkeiten sind nach dem Gesetz gegeben, und hier auf Auswirkungen und Auslegungen dieser Möglichkeiten hinzuweisen, halte ich mich wirklich für verpflichtet.
Es soll weiter zum Gesetz erhoben werden, daß, falls diese Abgeordneten in Wahlkreisen gewählt worden sind, die Wahl zu wiederholen ist. Dabei soll sogar festgelegt werden, daß Abgeordnete, die auf Grund ,dieses Gesetzes ihren Sitz verloren haben, bei Wiederholung der Wahl nicht als Bewerber auftreten können. Die Sitze von Abgeordneten, die auf Landeslisten gewählt werden, sollen nach diesem Gesetz unbesetzt bleiben; mit einer bezeichnenden Einschränkung allerdings, die dahin geht, daß, wenn diese Abgeordneten auf der Landesliste einer nicht für verfassungswidrig erklärten Partei gewählt worden sind, später aber sich dieser als verfassungswidrig deklarierten Partei angeschlossen haben, der nächste nicht gewählte Bewerber der ursprünglichen Landesliste nachrücken soll. Außerdem wird durch das Gesetz festgelegt, daß die Mitgliederzahl des Bundestages sich um die Zahl der
abgesprochenen Mandate verringert, deren Inhaber das Mandat verloren haben. Ein ganzer Rattenschwanz also von Bestimmungen, die alle an und für sich verfassungswidrig sind und die der ganzen bisherigen Konzeption vom Wesen des Mandats eines Abgeordneten, wie sie bisher seitens der Koalitionsparteien und der SPD vertreten worden ist, ins Gesicht schlagen.
Durch diesen neuen Paragraphen soll eine Verletzung des Grundgesetzes sanktioniert werden, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1952 gegen die SRP erfolgt ist. In diesem Urteil wurde bekanntlich statuiert, daß die Bundestags- usw. -mandate von Abgeordneten, „die auf Grund von Wahlvorschlägen der SRP gewählt sind oder zur Zeit der Urteilsverkündung dieser Partei angehörten, ersatzlos fortfallen". Das Bundesverfassungsgericht hat in Begründung seines Urteils vom 23. Oktober 1952 ausdrücklich ausgeführt, daß es für den einzelnen individuellen Fall die verfassungsmäßige Voraussetzung für den Wegfall des Mandats nicht feststellen könne und auch nicht feststellen wolle. Damit hat sich das Bundesverfassungsgericht über die Bestimmung des § 13 Nr. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht hinweggesetzt, dessen Inhalt der Berichterstatter des Rechtsausschusses des Bundestags, der Herr Abgeordnete N e u m a y er von der FDP, in der Bundestagssitzung vom 18. Januar 1951 dahingehend erläutert hat:
Ein Mandatsverlust kann nach der Gesetzesvorlage in diesem Falle nicht ausgesprochen werden.
Er hat also gesagt, daß ein Mandatsverlust im Falle eines Parteiverbotes durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht herbeigeführt werden könne, daß der Mandatsverlust in diesem Gesetz nicht vorgesehen sei und demnach nicht stattfinden solle. Herr Neumayer hat damals weiter gesagt:
Ein solcher kann sich aber aus einem Verfahren wegen Verwirkung der Grundrechte gegen den einzelnen Angehörigen der Partei ergeben, wenn ihm die Wählbarkeit abgesprochen wird. Das Verbot der Partei als solcher zieht nicht den Verlust des Mandats ihrer Abgeordneten nach sich.
So der Herr Berichterstatter anläßlich der Verabschiedung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht.
In der 239. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 27. November 1952 hat sich der Herr Berichterstatter Dr. Schneider, FDP, an diesem schwierigen Komplex mit der Feststellung vorbeigedrückt:
... konnten wir nur noch die einzige Schlußfolgerung ziehen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil schon gezogen hatte, nämlich daß die Voraussetzungen des Mandatsverlustes in der Person des Abgeordneten Dr. Dorls gegeben waren.
Zu dem Bericht des Ausschußberichterstatters in der Sitzung vom 27. November 1952 habe ich erklärt:
Ich behaupte, daß das Grundgesetz keine Möglichkeit zuläßt, einem gewählten Abgeordneten
das Mandat abzusprechen mit der Begründung,
die Partei, auf deren Liste oder für die er gewählt worden sei, sei verfassungswidrig. In der ganzen Debatte im Parlamentarischen Rat um diesen Artikel hat niemand auch nur andeutungsweise eine derartige Möglichkeit bejaht. Ja,
— so sagte ich damals —
ich behaupte, daß bereits im Parlamentarischen Rat diese Möglichkeit einstimmig abgelehnt worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nach unserer Auffassung also, statt im Rahmen des Grundgesetzes zu urteilen, ob diese Partei verfassungswidrig ist oder nicht, eigenes Verfassungsrecht geschaffen. Das ist nicht die Funktion des Bundesverfassungsgerichts.
Damals sagte ich:
Aber da Sie ja offensichtlich bereit sind, widerspruchslos diese Kompetenzüberschreitung des Bundesverfassungsgerichts anzuerkennen und hinzunehmen, halte ich mich verpflichtet, doch noch auf eine Seite der Sache einzugehen, um die ganz eigenartige derzeitige Haltung der Fraktionen ins rechte Licht zu setzen und sie mit der ursprünglichen Haltung bei der Abfassung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes zu vergleichen. In dem Regierungsentwurf zu diesem Gesetz, Bundestagsdrucksache Nr. 788, hieß es:
Die Aberkennung eines Mandates, das Angehörige der verbotenen Parteien besitzen, ist nicht vorgesehen, weil das nur vertretbar wäre, wenn damit eine Neuwahl des Parlaments verbunden werden könnte.
Also nicht eine Neuwahl in dem einzelnen Fall, sondern eine Neuwahl des Parlaments! Das hat damals der Regierungsvertreter als Meinung des zuständigen Ministeriums vorgetragen.
Die Abgeordneten der verbotenen Parteien
— so sagte der Regierungsvertreter damals — bleiben als fraktionslose Mitglieder des Parlaments.
Ich habe in der Sitzung vom 27. November 1952 weiter erklärt:
In dem zuständigen Ausschuß, der sich laut Beschluß des Bundestags mit diesem Entwurf befaßt hat, hat lediglich der Herr Abgeordnete Kiesinger einmal die Meinung vertreten, es sei keine Verfassungsverletzung, wenn ein solcher Mandatsverlust ausgesprochen werde.
Ich erinnere daran, welche Diskussionen um den Charakter eines Mandats im Parlamentarischen Rat geführt worden sind und daß damals das Mandat von der Fraktion bzw. von der Partei absolut getrennt worden ist. Niemand kann heute die Richtigkeit meiner
— damaligen —
Feststellung bestreiten. Aber in diesem Ausschuß hat dann der damalige Abgeordnete Zinn eine ganz scharf ablehnende Stellungnahme zu der Auffassung des Herrn Kollegen Kiesinger vorgetragen, und Herr Dr. Geiger vom Bundesjustizministerium hat damals ausgeführt, in der Frage der Aberkennung eines Mandats sei man im Ministerium der Meinung, daß sich der Art. 21 des Grundgesetzes nur
- hören Sie gut zu! —
auf die Vernichtung der Parteiorganisation beziehe, nicht aber auf die einzelnen Angehörigen
der Partei, auch nicht auf ihre Abgeordneten.
Der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz, DP, hat in der damaligen Parlamentssitzung erklärt — ich zitiere wörtlich —:
Aber die Frage der Zugehörigkeit zu diesem Hause, die Frage des Mandats, das unabhängig von der Parteizugehörigkeit zu beurteilen ist, ist die Grundlage eines parlamentarisch-demokratisch regierten Staates. Ich
- so sagte Herr Merkatz damals —
möchte seitens meiner Fraktion einen ausdrücklichen Protest zu Protokoll geben, daß die Aberkennung des Mandats nicht durch ein individuelles Verfahren durchgeführt worden ist, sondern daß sie global und, wie ich glaube, im Widerspruch zum Wesen des Mandats und zu den Verfassungsgrundsätzen mit in den Spruch gegen die Partei — als Exekutionsfolge — eingeschlossen worden ist ....
Für die Zukunft möchte ich ... namens meiner politischen Freunde grundsätzlich diesen Protest zu Protokoll geben, damit künftig die Aberkennung des individuellen Mandats durch individuelle Verfahren erfolgt.
In der 252. Sitzung des Bundestages am 4. März 1953 hat sich der Bundesjustizminister Dr. Dehler persönlich zu dem Komplex geäußert. Er hat gesagt:
Das Entscheidende bei diesem Urteil — ich will auf Einzelheiten gar nicht eingehen — ist doch wohl, daß das Verfahren sich nur gegen die Partei als solche richtete und daß das Urteil Mandate aberkannte — meine Damen und Herren, Mandate, die ja nicht durch die Partei, sondern durch die Wähler gegeben worden sind, mit der Folge, daß diese Wähler in den Parlamenten nicht mehr vertreten sind. Ich sage, daß für diese Aberkennung keine rechtliche Möglichkeit, aber auch kein Bedürfnis bestand, weil die Möglichkeit der Aberkennung der Mandate im Wege des Verwirkungsantrags
— gemeint, so füge ich hinzu, ist ein Verwirkungsantrag nach Art. 18 des Grundgesetzes —
bestanden hätte.
In der Debatte um einen Mißbilligungsantrag gegen den Herrn Bundeskanzler hat der Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, der Herr Abgeordnete Dr. Arndt, am 5. März dieses Jahres folgendes erklärt:
Ich habe gegen einzelne Teile des Urteils des Bundesverfassungsgerichts wegen des Verbots der SRP so starke Bedenken, daß ich mich seinerzeit, als Sie Herrn Dorls aus dem Hause ausschlossen, ostentativ der Stimme enthalten habe, sicherlich nicht aus irgendeiner Sympathie für Herrn Dorls. Wenn Sie aber der Meinung waren, daß hier verfassungsrechtliche Bedenken trotz des Urteils beständen, so hätten Sie eigentlich anders stimmen sollen.
Das war also die Meinung des Herrn Arndt, des Sprechers der SPD.
Selbst Herr Kiesinger von der CDU mußte an diesem Tag — allerdings in der Abwehr des Mißbilligungsantrags der SPD gegen den Herrn Bundeskanzler — erklären:
Auch mich hat dieses Urteil mit tiefstem Bedenken erfüllt, und zwar wegen der Konsequenzen, die es haben kann. Ich will auch hier
dem Bundesverfassungsgericht in keiner Weise vorwerfen, daß es parteiisch Recht gesprochen habe. Aber gerade dieses Urteil zeigt, wie bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts politische Erwägungen mit Rechtserwägungen fast untrennbar verbunden sind.
Und Herr Kiesinger fuhr fort:
... aber gewisse Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Frage des Verbots einer Partei und des damit verbundenen Mandatsverlustes und seine Ausführungen darüber, daß sich der Grundgesetzgeber über die prinzipielle Unvereinbarkeit des Art. 38 GG, der ja die Unabhängigkeit der Abgeordneten festlegt, und des Art. 21 GG nicht im klaren gewesen sei, und die daraus für die Zukunft etwa noch zu erwartenden weiteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nötigen uns ja, dazu Stellung zu nehmen.
Ich könnte dieser Stellungnahme führender Politiker aus dem Hohen Hause noch die Stellungnahme eines prominenten Staatsrechtswissenschaftlers, des Herrn Geiger, hinzufügen, der in seinem Kommentar zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht dazu folgendes sagt—ich zitiere—:
Das Verfahren richtet sich gegen die Partei. Auf sie hat sich deshalb die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit ihrem Inhalt und ihrer Wirkung zu beschränken . Sie kann weder die Existenz einer Parlamentsfraktion, die aus Abgeordneten der verbotenen Partei besteht, noch das Mandat dieser Abgeordneten berühren; denn die Fraktion ist keine Einrichtung der Partei, sondern eine entsprechend der Geschäftsordnung des Parlaments gebildete und dort mit besonderen Rechten ausgestattete Gruppe von Abgeordneten, die nicht notwendig ein und derselben Partei angehören müssen, einer Partei überhaupt nicht anzugehören brauchen. Auch das Mandat des Abgeordneten
- so sagt Geiger in seinem Kommentar —
ist von der Existenz seiner Partei unabhängig. Es ist ihm durch die Wahl des Volkes zugefallen. Er behält es deshalb auch nach dem Verbot der Partei und führt es als „Parteiloser" fort.
Ich bin nun der Meinung, daß diese Bezugnahme auf die Meinung von Politikern und Staatsrechtswissenschaftlern Ihnen Anlaß genug sein müßte, diesen Paragraphen des Gesetzentwurfs zu streichen; denn in diesem Paragraphen wird die „Stellungnahme", die Herr Kiesinger damals gefordert hat, bezogen, aber nicht etwa gegen das verfassungswidrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts, sondern in der Linie, dieses Urteil dadurch zu sanktionieren, daß Sie nun durch ein einfaches, simples Gesetz eine Verfassungsänderung beschließen wollen. Das ist der wahre Inhalt dieses Paragraphen. Sie wollen also statt einer notwendigen Verfassungsänderung, um dieselbe Wirkung zu erzielen, jetzt auf dem kalten Wege, mit einem einfachen Gesetz, dieselbe Wirkung erzeugen.
Politische Erwägungen, aber keine Rechtserwägungen sind für die Bejaher dieses § 52 b über Folgen eines Parteiverbots bestimmend. Es kommt den Bejahern dieses Paragraphen darauf an, den
kommunistischen Abgeordneten im neuen Bundestag die Mandate zu rauben, die ihnen das deutsche Volk zugesprochen hat. Ich glaube, Sie sollten sich, da Sie doch immer wieder den rechtsstaatlichen Charakter Ihres Staates herausstellen und bei jeder Gelegenheit betonen, wie sehr Sie das Grundgesetz mit Händen und Zähnen zu verteidigen bereit sind, bei diesem § 52 b wirklich überlegen, was Sie tun. Sie begehen einen Rechtsbruch, indem Sie die Verfassung durch ein einfaches, simples Gesetz ändern. Man soll jedoch den Anfängen widerstehen. Das ist ein alter Grundsatz. Bei der Großzügigkeit, mit der sowieso gewisse Minister dieser Bundesregierung, dieser Adenauer-Regierung mit dem Grundgesetz umspringen, bei dieser Grundsatzlosigkeit, die z. B. gewisse Maßnahmen des Herrn Bundespolizeiministers zum Zwecke der Abtreibung von Sälen usw. — Sie wissen genau, was ich meine — kennzeichnet, sollten sich die Vertreter des Rechtsprinzips und der Demokratie fein überlegen, ob sie einem derartigen Paragraphen ihre Zustimmung geben können.
Wir beantragen also wegen der Grundsätzlichkeit und weil dieser Paragraph unserer festen Überzeugung nach — was Sie früher selbst durch Ihre prominentesten Vertreter haben zum Ausdruck bringen lassen — gegen das Grundgesetz verstößt, seine Streichung. Wir hoffen, daß unserem Antrag stattgegeben wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 979 Ziffer 25. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die dem § 52 b in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 53 auf. Dazu lagen zwei Änderungsanträge vor, die zurückgezogen sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Maier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Abs. 3 des § 53 ist eine falsche Verweisung erfolgt. Der erste Satz: „Die Feststellung, wer nach Abs. 2 als Listennachfolger eintritt", muß heißen: wer nach Abs. 1 als Listennachfolger eintritt". Ich möchte zum Antrag erheben, die Worte „Abs. 2" in „Abs. 1" zu ändern.
Meine Damen und Herren, es bedarf wohl darüber keiner Abstimmung. Ich nehme an, das Haus ist mit dieser rein formellen Änderung einverstanden. Weitere Wortmeldungen zu § 53 liegen nicht vor.
Ich bitte diejenigen, die dem § 53 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe den § 54 auf. Dazu liegen zwei Anträge vor, einmal der Antrag auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 26, der schon begründet ist, und ein neuer Antrag auf Umdruck Nr. 987.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle diesen Antrag im Namen der Fraktionen der FDP und der CDU/CSU. Es handelt sich um eine Änderung des letztbeschlossenen Passus. Wir beantragen, zu sagen: „Das Land Berlin entsendet", und nicht: „Die wahlberechtigte Bevölkerung des Landes Berlin entsendet". Darüber ist im Ausschuß und in Berlin sehr viel debattiert worden. Ich glaube, es sind hochpolitische Gründe, die uns heute mehr denn je veranlassen sollten, zu sagen: „Das Land Berlin entsendet".
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.
Meine Damen und Herren! Hinter dieser unterschiedlichen Formulierung verbirgt sich in der Tat die Frage, ob das Wählervolk von Berlin das Recht haben soll oder nicht, das ihm nach dem Grundgesetz zusteht, seine Abgeordneten direkt zu wählen. Ich frage Sie — und da knüpfe ich an die letzten Worte des Herrn Abgeordneten Dr. Krone an —: Soll das Volk von Berlin gut genug sein, für die Freiheit auf die Straße zu gehen,
und soll es dann nicht gut genug sein, seine Abgeordneten so zu wählen, wie die Abgeordneten im übrigen Deutschland gewählt werden?
Tatsache ist, daß es kein alliiertes Veto gegen direkte Wahlen gibt, sondern daß es deutsche parteiegoistische Interessen sind, die solche direkte Wahlen nicht wollen. Das will ich hier anprangern. Tatsache ist, daß 1949 die drei demokratischen Parteien gemeinsam mit dem Herrn Minister für gesamtdeutsche Fragen als einem der damaligen Sprecher in Berlin für die direkten Wahlen eingetreten sind, obgleich zu jener Zeit nur acht Abgeordnete gewählt werden durften. Wieviel richtiger wäre es heute, wo die Gesamtzahl gewählt werden darf, diese Forderung auf direkte Wahlen aufrechtzuerhalten! Im Ausschuß ist gesagt worden, man könne den Berlinern einen Wahlkampf vor direkten Wahlen nicht zumuten; man müsse sozusagen Rücksicht auf die Nerven der Berliner nehmen. Die Nerven der Berliner haben ganz andere Belastungen als die mit einem solchen Wahlkampf verbundenen Belastungen ausgehalten! Es handelt sich nicht um Parteien, nicht um Parteiführer, nicht um Abgeordnete, sondern um das Recht des Wählers. Dieses Recht des Wählers soll auf diesem Umweg ausgeschaltet werden, indem man eine zufällige Mehrheit dafür einsetzen will, die direkten Wahlen nicht zuzulassen.
Es ist schließlich gesagt worden, man sollte die direkte Wahl nicht fordern, wenn die Abgeordneten nicht das volle Stimmrecht im Bundestag hätten. Aber, meine Damen und Herren, wieso denkt man nicht an den Wähler? Der Wähler hat doch wohl dort wie hier das Recht, unmittelbar darüber zu befinden, wer sein Abgeordneter ist, und zwar auch dann, wenn dieser Abgeordnete noch
nicht das gleiche Recht wie die anderen Abgeordneten im deutschen Westen hat.
Ich glaube darüber hinaus, dieser Bundestag hat — wenn ihn nicht besatzungsrechtliche Vorschriften daran hindern — überhaupt nicht das Recht, andere Abgeordnete in seine Mitte aufzunehmen als solche, die nach Art. 38 durch direkte und geheime Wahl entsandt worden sind.
Im übrigen hat der Herr Abgeordnete Dr. Will
vor dem Ausschuß erklärt, daß dann, wenn es die
Besatzungsmächte nicht verhinderten, niemand in
Berlin auf den Gedanken komme, nicht direkt zu
wählen. Warum also dann das Ausweichen vor der
einzig klaren Formulierung: „Die wahlberechtigte
Bevölkerung von Berlin entsendet ...."? Es geht
also darum, ob der Bundestag den Berliner Wählern ein Recht einräumen will, das ihnen nach dem
Grundgesetz zusteht. Wenn er dieses Recht nicht
einräumte, würde er — davon bin ich zutiefst überzeugt — eine nationalpolitische Chance verpassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Will.
Meine Damen und Herren! Zunächst einmal rein sachlich: Die Frage, ob das Land Berlin zum nächsten Bundestag Abgeordnete entsenden soll, die vom Abgeordnetenhaus in Berlin gewählt werden, oder in Urwahl gewählte Abgeordnete, beschäftigt uns, wie Sie wissen, in Berlin schon sehr lange. Es könnte den Anschein haben, als bestünden unter den drei Berliner Parteien Meinungsverschiedenheiten darüber, ob Berlin — sei es das Abgeordnetenhaus, seien es die Berliner Wähler — stimmberechtigte und vollgültige Abgeordnete in den Deutschen Bundestag schicken könne und solle oder nicht. So ist es natürlich nicht, sondern — und das hat Herr Kollege Brandt mit Recht erwähnt — es steht fest, daß die Berliner Abgeordneten auch im neuen Bundestag das volle Stimmrecht zum allgemeinen lebhaften Bedauern bis auf weiteres nicht haben werden. Darüber liegen eindeutige Erklärungen — wie Sie alle, auch die Herren von der SPD, wissen — sowohl von der Berliner Kommandantur als auch den Oberkommissaren bis in die letzten Tage hinein vor.
Wenn es also so ist, daß dieses Stimmrecht den Berliner Abgeordneten im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben werden kann, dann handelt es sich jetzt darum — und nun muß ich etwas auf die Tonart des Herrn Kollegen Brandt eingehen —, ob die Berliner Bevölkerung denn auf die Straße gehen soll, um Abgeordnete zu wählen, die hier dann doch nicht vollgültig auftreten und selbst in den Berliner Angelegenheiten nicht mitstimmen können, wie es doch bisher der Fall gewesen ist. Solange die Situation so ist, ist es nicht zumutbar, daß gerade die Berliner Bevölkerung disqualifiziert wird, indem man ihren Abgeordneten das Stimmrecht in diesem Hause nicht gibt, nicht geben kann, während es die anderen Abgeordneten haben. Wie Sie wissen, hat sich der Berliner Senat mit diesen Dingen beschäftigt und mit Mehrheit beschlossen, im gegenwärtigen Zeitpunkt das Verfahren noch nicht zu ändern und es somit bei der Wahl durch das Berliner Abgeordnetenhaus zu belassen.
Hier ist gesagt worden, es handele sich um eine zufällige Mehrheit. So kann man das natürlich schon sagen, meine Herren. Es hat ja auch schon einmal eine zufällige Mehrheit der SPD gegeben; das ist noch gar nicht so lange her, und wer weiß, wie die Dinge werden. Es ist durchaus einzusehen, daß eine Partei, die bei den letzten Wahlen nicht das längere Ende für sich gehabt hat, nun jede sich bietende Gelegenheit möglichst schnell ergreifen will, um das Ruder herumzuwerfen. Das nimmt man ihr gar nicht übel. Aber das ist für die Mehrheit kein Grund, in dieser Atmosphäre, die wir jetzt in Berlin haben und die auch die SPD-Wähler dort haben, einen Bundeswahlkampf zu entfesseln mit dem Ergebnis, daß der Wähler das, was er erreichen will, nämlich die Berliner Vertreter als vollgültige Abgeordnete, doch nicht erreichen wird.
Darüber hinaus möchte ich aber glauben, meine Damen und Herren, daß es doch dem Land Berlin überlassen bleiben sollte, zu bestimmen, mit welchen Methoden die Berliner Abgeordneten in den Bundestag geschickt werden sollen. Das ist nicht die Aufgabe des Bundestags. Die Aufgabe des Bundestags ist es, zu beschließen, daß Abgeordnete hier aufgenommen werden können. Aber die Einzelheiten darüber — das ist auch in Abs. 2 des § 54 vorgesehen — sollten doch wohl dem Berliner Abgeordnetenhaus und damit auch der Berliner Bevölkerung überlassen bleiben.
Ich stimme also Herrn Kollegen Krone zu und bitte namens der Fraktion der FDP gleichfalls, den Änderungsantrag Nr. 987 anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Ich hatte die Begründung zu unserem Antrag sehr sachlich vorgetragen, Herr Kollege Brand t. Ich habe Sie immer als einen sehr ruhigen und sachlichen Debatter kennengelernt und bin deshalb erstaunt, daß Sie dem, was wir hier wollen, solche Gedankengänge unterlegt haben. Wir sind in den großen nationalen Fragen Berlins bisher immer einer Meinung gewesen; wir haben auch die Lage Berlins in dieser Frage — —
— Kollege Brandt, wir sind in der großen Berliner Frage immer einer Meinung gewesen. Wir sind in dieser Frage auch der Meinung, wir sollten geschlossen vorgehen. Das ist leider nicht der Fall. Aber uns zu unterstellen, Herr Kollege Brandt, daß wir damit parteiegoistische Gedankengänge verbinden wollten, das möchte ich doch im Interesse Berlins zurückweisen.
Und ein Zweites! Sie haben geäußert, das Volk sei dafür gut, auf die Straße zu gehen, aber es solle nicht wählen; man wolle ihm das Wählen verbieten. — Herr Kollege Brandt, einen solchen Satz würde ich heute, wo in Berlin Dinge vor sich gehen, wie wir sie erfahren haben, nicht aussprechen!
Herr Kollege Brandt, der Senat, der eine Meinung hat, die unserer Auffassung entspricht, möge, wie wir vorgeschlagen haben, bei den Alliierten feststellen, wie deren Meinung in dieser Frage ist. Wir sind der Auffassung, daß die Abgeordneten Berlins auch vom Volke gewählt werden müssen,
sobald sie volles Stimmrecht haben. Das ist nicht der Fall. Darum bitte ich Sie, unseren Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei ernster Würdigung aller Argumente, die Herr Kollege Krone dargelegt hat, bedaure ich, in diesem Falle der Auffassung unserer beiden Koalitionspartner nicht beitreten zu können.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist von jeher der Ansicht gewesen — das geht aus unseren Auffassungen über die Staatsgrundlagen und über die deutsche Situation hervor —, daß die Berliner Abgeordneten kein anderes Mandat haben sollten als alle Abgeordneten dieses Hauses. Denn Berlin ist die Reichshauptstadt, und die völlig anomale Situation, in die unser Land hineingestürzt worden ist, kann uns nicht veranlassen, die besatzungsrechtlichen Gesichtspunkte auch in der Form zu akzeptieren und auf die direkte Wahl der Berliner Abgeordneten zu verzichten. Ich möchte dabei zum Ausdruck bringen, daß unsere Entscheidung für eine Wahl durch die Bevölkerung durchaus auch in Abwägung der sehr ernsten Augumente des Herrn Kollegen Krone aufrechterhalten werden muß. Ich bedaure, daß bei dieser Debatte gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt von Herrn Kollegen Brandt so starke Worte gebraucht worden sind, die mit der zu entscheidenden Frage nichts zu tun haben und an der Verantwortung, die wir tragen, weit vorbeigehen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schröter.
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß wir hier im Bundestag anläßlich dieser Frage das Schauspiel bieten, daß die Berliner, die sich 1949 in dieser Frage, wie mein Freund Brandt betonte, einig waren, sich jetzt darüber auseinandersetzen. Ich glaube aber, Herr Dr. Will, Ihre Wünsche können noch erfüllt werden. Sie haben dafür plädiert, man solle das den Wählern überlassen. Der Ausschußantrag besagt ausdrücklich: „Das Nähere regelt ein Gesetz des Landes Berlin." Wir wünschen hier nur zum Ausdruck zu bringen, daß im ersten Absatz nicht einfach der Begriff „das Land Berlin", sondern der Ausdruck „die wahlberechtigte Bevölkerung des Landes Berlin" eingefügt wird, weil wir das Recht des Wählers herausstellen wollen.
Sie wissen, daß wir von den Alliierten gehindert worden sind, in dieser Frage manche Schritte vorwärts zu tun. Jetzt sollten wir nicht noch von deutscher Seite Schwierigkeiten machen und nicht weitere Nachteile hinzufügen;
denn der Wähler kann auch einen nicht voll stimmberechtigten Abgeordneten wählen. Und nun darf ich Ihnen noch etwas sagen: Auch für diese Abgeordneten wird es gut sein, wenn sie dadurch in direkte Beziehung zu den Wählern kommen und künftig stärker als bisher verpflichtet sind, die Fühlung mit diesen Wählern auch zu suchen.
Es ist hier bemängelt worden, daß mein Kollege Brandt sich unter dem Eindruck der heutigen Ereignisse in Berlin einige Hinweise gestattet hat. Wollen Sie mir auch gestatten, auf folgendes hinzuweisen. Die Frage des Stimmrechts der Abgeordneten, Herr Kollege Will, hat damit, daß wir dem Wähler die Möglichkeit geben, direkt Einfluß zu nehmen, nichts zu tun. Ich will auf die übrige Polemik nicht eingehen, auf die kleinen Andeutungen bezüglich der Mehrheit und auf das Wort „Disqualifizierung". Das will ich mir sparen. Aber ich möchte Ihnen doch etwas in Erinnerung rufen. Wenn Sie mit Berlinern sprächen, dann würden Sie wahrscheinlich gerade heute von einem echten Berliner eine Antwort bekommen, die besagt: Wir Berliner haben etwas von dem Geist des Wortes gespürt, das Mateotti gesprochen hat:
Die Freiheit ist wie Luft und Licht. Erst wenn wir sie verloren haben, wissen wir, daß wir ohne sie nicht leben können.
Um sich dieses Gefühl zu erhalten, braucht man eine Aufmunterung, und diese seelische Aufmunterung geben Sie dem Berliner, indem Sie ihm, der jetzt noch fern abseits stehen muß, die Gelegenheit geben, selber mitzuwirken. Also geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und nehmen Sie den Ausschußantrag an, der die wahlberechtigte Bevölkerung des Landes Berlin dazu ermächtigt! Das weitere wollen wir nicht hier im Bundestag ausfechten; das machen wir in Berlin im Abgeordnetenhaus. Also stimmen Sie zu, Kollege Will!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den weitestgehenden Antrag; das ist der Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 26. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Dann kommt der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Umdruck Nr. 987. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! —
— Ja, meine Damen und Herren, es besteht bezüglich der Schätzung keine Einstimmigkeit. Ich bitte um Auszählung. Darf ich die Herren Schriftführer bitten, die Türen zu besetzen, und die übrigen Mitglieder des Hauses, den Saal so schnell wie möglich zu räumen.
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen und Platz zu nehmen. Das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 163, mit Nein 173, enthalten haben sich 3 Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die § 54 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 54 a auf. Hierzu liegt kein Änderungsantrag, auch keine Wortmeldung vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen nun zu § 55 mit dem Änderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 27. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Müller.
Meine Damen und Herren! Wir wollen Ihnen mit unserem Antrag Gelegenheit geben, Ihr demokratisches Herz zu offenbaren
und zu dem Grundsatz, den Sie doch immer hinsichtlich der Sauberkeit in der Öffentlichkeit vertreten, ein offenes Bekenntnis abzulegen.
Ich kann mir vorstellen, daß einige Mitglieder dieses Hauses bei diesem Antrag etwas trübe Augen in Erinnerung dessen bekommen, was sich vor längerer Zeit in einem Ausschuß dieses Hauses, in dem „Spiegel"-Ausschuß abgespielt hat.
Unser Antrag verlangt, daß die zentralen Vorstände der an der Wahl beteiligten Parteien verpflichtet sind, sofort nach Zusammentritt des neugewählten Bundestags diesem öffentlich über die Höhe der für die Durchführung der Wahl verausgabten Gelder Rechnung zu legen, ihre Verwendung im einzelnen kundzutun sowie Angaben über die Herkunft dieser Gelder zu machen.
Wenn ich nochmals an den „Spiegel"-Ausschuß erinnern darf: es steht doch wohl zweifellos fest, daß dieser Ausschuß nicht tief genug in die Materie eingestiegen ist, sondern sie nur etwas angekratzt hat. Aber ich glaube, auch das allein genügte schon, um verschiedene Tatbestände aufzuhellen hinsichtlich der Frage, woher Gelder kommen zur Korrumpierung, Gelder kommen für Wahlen, wem sie zugewiesen worden sind und was mit diesen Geldern gemacht wurde. Und weil wir möchten, daß im Hinblick auf bereits jetzt bekannte Tatsachen über die Finanzierung der Koalitionsparteien Klarheit bezüglich der Herkunft dieser Gelder und ihrer Verwendung geschaffen wird, haben wir diesen Antrag gestellt. Vielleicht ist Herr Pferdmenges so liebenswürdig, uns etwas darüber zu informieren, wo die bisher bereits gesammelten 34 Millionen für den Wahlfonds der Regierungskoalition hergekommen sind. Aus der Presse der Industrie oder aus den der Industrie und Wirtschaft nahestehenden Zeitungen wie auch aus den Rundbriefen der Unternehmerverbände dürfte Ihnen wahrscheinlich auch nicht entgangen sein, wie diese Wahlen mit Hilfe der Mittel der Industrie und der Wirtschaft bereits vorbereitet und finanziert werden. Ich denke, meine Damen und Herren, Sie werden alle — alle Fraktionen, alle Parteien — ein Interesse daran haben, daß der Öffentlichkeit eine klare Rechnungslegung über Herkunft und Verwendung der Gelder erteilt wird. Deswegen darf ich wohl auch annehmen, daß Sie diesem unserem Antrag Ihre Zustimmung geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der kommunistischen Fraktion befaßt sich mit einem Gebiet, das nicht in das Wahlgesetz hineingehört. Wir sind auch der Überzeugung: Wenn die Abgeordneten der KPD-Fraktion wüßten, daß dieser Antrag angenommen werden würde, dann würden sie ihn gar nicht gestellt haben.
Wir lehnen ihn ab!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, daß Herr Kollege Menzel sich die Begründung für sein Nein, das doch das Nein seiner Fraktion ist, sehr leicht gemacht hat.
Herr Menzel, ich kann mich erinnern — da ich nicht nur Mitglied der Gewerkschaften bin, sondern auch ihre Zeitungen lese —, welche Kritik z. B. die „Welt der Arbeit" an der bekanntgewordenen Tatsache geübt hat, daß die Unternehmerverbände sich vor einigen Monaten in Frankfurt zusammengefunden und dabei festgelegt haben, daß in Form von Umlagen die Unternehmerverbände den Koalitionsparteien den kleinen runden Betrag von 34 Millionen DM zur Durchführung der Wahlagitation zur Verfügung stellen wollen.
Das hat in sozialdemokratischen Zeitungen genau
wie in den Gewerkschaftszeitungen und in unseren
Zeitungen ein sehr lebhaftes Echo hervorgerufen.
Wir haben inzwischen festgestellt, daß die Unternehmer dann, wenn es sich darum handelt, eine Lohnforderung der Arbeiter zu realisieren, erklären, daß sie kein Geld haben. Auf der anderen Seite aber können sie zur Schmierung der Wahlmaschine der Koalition diese 34 Millionen zur Verfügung stellen. —
Herr Abgeordneter, ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen: dieser § 55 bezieht sich auf die Wahlkosten, die die amtliche Durchführung der Wahl angehen, aber nicht auf private Aufwendungen politischer Gruppen. Infolgedessen sprechen Sie nicht zur Sache, wenn Sie sich mit privaten Aufwendungen beschäftigen.
Ich verstehe nicht, warum Sie dann überhaupt die Diskussion des Antrags zugelassen haben. Wir haben doch das Recht, zu einem Antrag einen Ergänzungsantrag zu stellen, der nicht nur die Frage der Finanzierung der Wahl aus öffentlichen Mitteln regeln, sondern sich auch mit der Frage der Finanzierung aus privaten Mitteln befaßt und sie verbieten will.
Ich stelle hier vor aller Öffentlichkeit fest: Wenn es sich darum handelt, Lohnerhöhungen vorzunehmen, haben die Unternehmerverbände angeblich kein Geld. Aber um die Wahlmaschine der Koalitionsparteien zu schmieren, haben sie, wie bekanntgeworden ist, 34 Millionen DM! Ich bin der Meinung, daß vom Standpunkt der Unternehmer diese Kapitalanlage sehr positiv und sehr produktiv ist; aber das gehört nicht hierher. Ich erinnere jedoch die hohen Herren der Koalitionsparteien an ihre so oft hier geäußerte Forderung, daß es notwendig sei, die Frage der Gelder der Parteien offenzulegen. Hier bieten wir Ihnen dazu eine Gelegenheit, und nun machen Sie von der Gelegenheit, sich reinzuwaschen und sich freizumachen von der Behauptung, daß Sie von den Unternehmerverbänden geschmiert werden, keinen Gebrauch! Das auszusprechen, war mir doch ein Bedürfnis, und ich hoffe, daß auch diese Ausführungen den Gewerkschaftlern in der SPD Anlaß geben, einmal darüber nachzudenken, ob man mit diesem Nein an dem Problem vorbeikommt.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der KPD zu § 55 auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 27. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die § 55 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen nun zu den §§ 55 a, — 56, — 57, — 58, — 59. — Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Die Anträge, die dazu vorlagen, sind zurückgenommen. Ich darf also über diese Paragraphen abstimmen lassen. Wer diesen Paragraphen in der Fassung der Vorlage zustimmt, den bitte ich, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Dann Einleitung und Überschrift. Dazu liegt der Antrag der CDU/CSU und DP auf Umdruck Nr. 982 unter Ziffer 1 vor, der Überschrift die Fassung zu geben: „Wahlgesetz zum zweiten Bundestag und zur Bundesversammlung". Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, es muß dann noch über die Anlage — Wahlkreiseinteilung — abgestimmt werden. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; auch das ist angenommen.
Damit sind wir mit diesem Punkt der Tagesordnung fertig.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes ;
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung
Für die allgemeine Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an und eröffne die Aussprache der dritten Beratung.
— Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe die Paragraphen, zu denen Änderungsanträge vorliegen, auf.
Das ist zuerst bei § 7 der Fall. Es liegen gleichlautende Änderungsanträge auf Umdruck Nr. 978 Ziffer 1 und auf Umdruck Nr. 984 Ziffer 1 vor. — Zur Begründung ist das Wort nicht gewünscht; dann kann ich die Aussprache schließen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den Änderungsanträgen, die ich eben aufgerufen habe, zustimmen, die Hand zu heben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; die Änderungsanträge sind abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die dem § 7 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben.
— Zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe weiter auf den § 11 mit einem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 985. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Even.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung zum Arbeitsgerichtsgesetz wurde hier vom Herrn Kollegen Ludwig der Einwand gemacht, daß die konfessionellen Arbeitnehmervereinigungen die Aufgabe der Prozeßvertretung nicht für sich in Anspruch nehmen könnten. Ich habe damals darauf aufmerksam gemacht, daß das ein jahrzehntealtes Recht ist. Wir haben uns aber dann entschlossen, zu beantragen, die Worte „konfessioneller Arbeitnehmervereinigungen" zu streichen und dafür die Worte zu setzen: „von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung". Wir hoffen, daß wir damit in etwa Ihrer Auffassung entgegenkommen, und bitten Sie, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Ebenfalls bitten wir, der Änderung in § 20 Abs.1, wo hinter dem Wort „Gewerkschaften" die Worte „von selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung" eingefügt werden sollen, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion vertritt die Ansicht, daß diese Bestimmung weder in § 11 noch in § 20 eingefügt werden sollte. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß es voll und ganz genügt, wie es seit 1927 im Arbeitsgerichtsgesetz und seit 1945 in den Ländergesetzen gang und gäbe war, daß die Gewerkschaften einerseits und die Arbeitgeberorganisationen andererseits als Prozeßvertreter vor den Arbeitsgerichten auftraten und, wie in § 20 bestimmt wird, berechtigt waren, Vorschläge für die Berufung der Arbeitsrichter zu machen. Wir bedauern sehr, daß Herr Even seinen Standpunkt soeben wieder vertreten hat.
Wir haben uns auch gegen die Aufnahme einer derartigen Bestimmung in das Selbstverwaltungsgesetz mit aller Entschiedenheit gewandt.
Daß unsere Auffassung richtig war, beweist die Tatsache. daß von über 2100 Versicherungsträgern in der gesamten Sozialversicherung nur bei ganz wenigen — man kann sie an der Hand abzählen — Wahlen stattgefunden haben. D. h., die Arbeitnehmer, die Versicherten und ihre Gewerkschaften haben sich verständigt, und zwar auf einer Basis, die von allen Versicherten als ausreichend und tragbar angesehen wurde. Sie haben sich verständigt auf einer Basis, die als gerecht angesehen wurde. Man soll nicht in Institutionen Wahlen durchführen, in denen Wahlen von den Betreffenden, die ihre Organe selber zu wählen haben, als überflüssig angesehen werden.
Genau so ist es auch hier wieder. Ich will kein Monopol für den DGB oder für die Gewerkschaften im DGB. Ich bin der Auffassung, daß alle Gewerkschaften berechtigt sein müssen, Prozesse vor den Arbeitsgerichten zu vertreten, und daß alle Gewerkschaften berechtigt sein müssen, die Vorschläge für die Richter an den Arbeitsgerichten zu machen. Vereinigungen aber, die mit der Fortentwicklung des Arbeitsrechts unmittelbar nichts zu tun haben, die im Arbeitsleben überhaupt keine unmittelbare Verantwortung tragen,
derartige Vereinigungen haben nach unserer Auffassung in diesen Angelegenheiten nichts zu tun. Die Vereinigungen, die Sie, Herr Kollege Winkelheide, im Auge haben, die katholischen Arbeitervereine, waren auch schon 1927 vorhanden. Die haben eine jahrzehntelange Existenz. Aber diese Vereinigungen wurden auch bei dem 1927 geschaffenen Arbeitsgerichtsgesetz nicht berücksichtigt. Damals hat man sich ebenfalls auf die Gewerkschaften verständigt und hat ihnen diese Funktion übertragen. Die Gewerkschaften sind Organisationen, die von der Arbeitnehmerschaft gerade für diese Fragen gebildet worden sind. Sie sind Organisationen, die von den Arbeitnehmern freiwillig geschaffen worden sind und nur aus Mitteln der Arbeitnehmer bestehen. Sie sind unabhängig vom Staat, von der Wirtschaft und von sonstigen Stellen. All dies ist doch beachtlich, und das sollte man nicht ohne weiteres übergehen.
Ich möchte aber noch darauf hinweisen, daß auf zahlreichen internationalen Konferenzen — zur Zeit tagt gerade die 36. Internationale Arbeitskonferenz in Genf — immer und immer wieder von allen dort versammelten Vertretern — also von 66 Nationen — die Forderung erhoben worden ist, die Länder sollten ihren Einfluß dahin geltend machen, d. h. also auf unseren Fall angewandt: unsere Bundesregierung und Bundestag, daß in den angeschlossenen Ländern der Einfluß der Gewerkschaften gefestigt und verstärkt werde. Sie aber machen mit Ihrem Antrag gerade das Gegenteil. Man kann da wirklich nicht von Gewerkschaftsfreundlichkeit sprechen. Meine Fraktion wird deshalb Ihren Antrag ablehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Nr. 985 Ziffer 1 zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, es ist sehr schwer festzustellen, wer abstimmt, wenn manche überhaupt nicht abstimmen. Wenn ich die Gegenprobe mache und die Enthaltungen feststelle, müssen alle Hände irgendwann einmal gekommen sein. — Ich wiederhole die Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? — Jetzt war das erste die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte diejenigen, die dem § 11 in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung mit der eben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Der nächste Paragraph, zu dem Änderungsanträge vorliegen, ist § 18 mit den Anträgen Umdrucke Nrn. 978 Ziffer 2 und 984 Ziffer 2. Die beiden Anträge sind gleichlautend. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Leuze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag, der nunmehr in dritter Beratung auf Umdruck Nr. 978 gestellt ist, schon in der zweiten Beratung eingebracht und dabei klargestellt, daß es sich um zwei Fragen handelt, nämlich um die erste, ob die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte die Befähigung zum Richteramt haben sollen, und die zweite, ob die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte von vornherein auf Lebenszeit angestellt werden sollen. Ich habe in der zweiten Beratung die Feststellung gemacht, daß beide Gesichtspunkte geeignet sind, möglicherweise verletzend zu wirken. Ich habe diese Feststellung mit einem gewissen Bedauern, wie ich offen erklären muß, gemacht, denn ich weiß nicht, wo hier etwas Verletzendes liegen könnte. Wenn wir nämlich vor allem den Grundsatz vertreten, daß die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte auf Lebenszeit angestellt werden müssen, so würden wir diesen Grundsatz nicht nur für Vorsitzende, die die Befähigung zum Richteramt haben, vertreten, sondern auch für Vorsitzende, die nicht die Befähigung zum Richteramt haben und auf Grund der Vorschriften in § 18 Abs. 3 der Ausschußfassung berufen werden. Ich bitte das klarstellen und vor allem darauf hinweisen zu dürfen, daß hier wirklich ein ernstes, sachliches Problem vorliegt, das jeder persönlichen Diskriminierung völlig fernliegt.
Das Zweite. Wir sind der Ansicht, daß eine zuverlässige, aus vollem Überblick kommende gerechte Rechtsprechung nun einmal nur unter einem Vorsitzenden gedeihen kann, der durch und durch über eine juristische Fachbildung verfügt. Das soll wiederum nichts Diskriminierendes in sich haben und hat es auch nicht. Es ist ein wirklich ernstes, sachliches Problem, denn gerade uns muß daran liegen, daß die Gerichtsbarkeit, die von den Arbeitsgerichten ausgeht, gleich gut sei nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmer.
Darum geht es, daß hier eine Gerichtsbarkeit ersteht, die, je länger, je mehr, ein fest begündetes Vertrauen in den Rechtsuchenden vor den Arbeitsgerichten, im rechtsuchenden Volk, der Bevölkerung überhaupt findet.
Dann ein Letztes. Ist denn wirklich ein Mißtrauen gegen den Juristen von heute als Richter in Arbeitsgerichten noch berechtigt? Ist es denn noch berechtigt, zu fürchten, dieser Jurist könne nicht ein volles Maß von Verständnis gerade auch
für den Arbeitnehmer haben? Ich bitte Sie alle; sich noch einmal zu erinnern, welches heute der Lebensweg eines Juristen ist. Ich möchte doch glauben, daß die Annahme richtig ist, daß heute der überwiegende Prozentsatz von Juristen während des Studiums den Weg des Werkstudenten geht, in soundso vielen Ferien — ich rede hier aus eigener Erfahrung schon für meine Generation — neben den Arbeitern in den Betrieben steht und wie die Arbeiter sich im Wege des Tagelohns das Studium verdient. So können Sie sich durchaus in die Psyche eines Mannes versetzen, der Tag für Tag an seinem Arbeitsplatz steht und Handarbeit verrichtet. Diese Juristen haben alle ihre Hungerjahre, bis sie endlich in ein angemessenes Dasein hineinwachsen. Sie alle haben in ihrem Leben etwas von der Not und von dem Zwang des Sparens verstehen gelernt. Sie haben etwas von dem Zwang des Sicheinschränkens kennengelernt. Ich glaube, daß es wirklich nicht gerechtfertigt ist, heute diesen Juristen mit einem Ressentiment entgegenzutreten und zu sagen, sie hätten doch immer eine gewisse Ferne vom Arbeitnehmer und eine übermäßige Nähe zum Arbeitgeber.
Endlich möchte ich sehr stark darauf hinweisen, daß niemand von meiner Fraktion auch nur den geringsten Vorbehalt dagegen geäußert hat, daß nach den Übergangsbestimmungen diejenigen, die bisher Vorsitzende von Arbeitsgerichten geworden sind, in ihrem Amt verbleiben. Auch darin, glaube ich, kommt klar zum Ausdruck, wie ernst es uns hier um die Sache geht und wie wenig uns hier an Persönlichem gelegen ist. Ich meine also, daß das Hohe Haus aus rein sachlichen Gründen unserem Antrag seine Zustimmung geben kann und geben muß.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Wortmeldung, die ungefähr gleichzeitig mit der des Kollegen Leuze erfolgte, ist vielleicht in manchem durch das, was er gesagt hat, überholt. Es liegt uns daran, eine gewisse Schärfe, die in die Diskussion hineingekommen war und durch die sich insbesondere — erlauben Sie, daß ich ihn namentlich nenne — unser Freund Pelster getroffen fühlte, aus der Diskussion wieder herauszubringen. Eine Spitze gegen so verdienstvolle Leute, die, wie er mit Recht selbst gesagt hat, sich gerade in einer Zeit zur Verfügung gestellt haben, als keiner dazu bereit war, lag und liegt uns völlig fern.
Auf der andern Seite kann ich nicht umhin, zu betonen, daß eine deutsche Rechtstradition existiert hat, wonach die Vorsitzenden Juristen sein mußten. Dies möchten wir wieder einführen. Es gehört nicht zu den guten Dingen, die die Besatzungsbehörden bei uns eingeführt haben, daß davon abgewichen worden ist; denn es waren die Besatzungsbehörden. Ich glaube, die Notwendigkeit einer einheitlichen Rechtsprechung — nicht einer Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, der Zivilgerichte usw. — und die Einsicht in die Kompliziertheit unserer Wirtschaftsstruktur, die natürlich auch vor den Dingen, die beim Arbeitsgericht verhandelt werden, nicht haltgemacht hat, sind eine hinreichende Basis für die Berechtigung unseres in dritter Lesung nunmehr wiederholten Antrages.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst noch einmal feststellen, daß es sich bei der ganzen Diskussion um dieses Problem nicht darum gehandelt hat, daß diejenigen, die die Ausschußvorlage vertreten, nun ein Mißtrauen gegen den Berufsrichter gepredigt hätten; es war vielmehr umgekehrt. Es ist von der andern Seite das Mißtrauen gegen den Laien gepredigt worden.
Niemand hat hier jemals den Versuch gemacht, ein Mißtrauen gegen den Berufsrichter auszusprechen. Ich glaube also, wir sollten die Diskussion um dieses Problem nicht verlagern.
Nun hat Herr Dr. Wellhausen darauf hingewiesen, daß es sich hier ja eigentlich darum handle, ein Stück Besatzungsrecht abzuschaffen. Ich glaube, die Dinge werden auch von Ihnen, Herr Dr. Wellhausen, hier zu einfach gesehen. Es ist richtig, daß das Kontrollratsgesetz Nr. 21 die Möglichkeit vorsah, Laien in der ersten Instanz der Arbeitsgerichtsbarkeit als Vorsitzende zu bestellen. Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 hatte diese Möglichkeiten nicht vorgesehen. Ich darf allerdings darauf hinweisen, daß wir im Gewerbegerichtsgesetz nicht die Bestimmung hatten, wonach nur Volljuristen Vorsitzende der Gewerbegerichte sein konnten. Sie wissen, daß die Gewerbegerichte immerhin eine jahrzehntelange Praxis hatten.
Nun darf nicht übersehen werden, daß man in den Ländergesetzen die Bestimmung des Art. 6 des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 übernommen hat. Es wird gesagt, man habe diese Bestimmung nur übernommen, weil sonst die Ländergesetze von den Besatzungsmächten nicht akzeptiert worden wären. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, die Landtagsprotokolle durchzusehen, dann werden Sie feststellen, daß man diese Bestimmung in den Ländergesetzen mit guten Gründen beibehalten hat. Man hatte nämlich festgestellt, daß sie sich bewährt hatte. So war es doch letztlich: es war in den Länderparlamenten bei der Schaffung der Ländergesetze wirklich kein nennenswerter Widerstand gegen diese Regelung vorhanden. Das sollten wir doch klar sehen.
Ich möchte aber darüber hinaus noch folgendes sagen. Die Tatsache, daß in § 18 Abs. 3 zunächst auf den Berufsrichter abgehoben wird, zeigt doch daß er in Vorhand steht, daß er ein gewisses Primat hat. Darüber hinaus soll dann die Möglichkeit bestehen, sonstige Personen mit der Funktion des Vorsitzenden bei den Arbeitsgerichten erster Instanz zu betrauen, wenn sie umfassende Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht besitzen. In Abs. 1 des § 18 wird die Berufung dieser Vorsitzenden geregelt. Sie werden von der Landesregierung bestellt. Aber es ist hier ein Sieb eingebaut, das sicherstellt, daß wirklich nur Personen zum Zuge kommen, die für diese Funktion geeignet sind.
Herr Dr. Leuze hat darauf hingewiesen, daß wahrscheinlich durch die Diskussion in der zweiten Lesung manche Mißverständnisse entstanden seien. Ich muß sagen, daß Einzelteile dieser Diskussion sehr bedenklich waren. Ich halte z. B. die Anspielung auf den Volksrichter für sehr bedenklich.
Isabel)
Ich sage in aller Offenheit: ich lehne diese Anspielung mit aller Entschiedenheit ab.
— Nein, das ist nicht überholt, Herr Dr. Wellhausen. Letztlich ist doch die Rechtsordnung entscheidend, in der der Richter wirkt, und nicht die Tatsache, ob es sich um einen Volljuristen oder um einen anderen Menschen handelt.
Es ist auch abwegig, zu behaupten, daß der Nichtjurist als Vorsitzender nicht die notwendige Unabhängigkeit habe und es ihm an der notwendigen Objektivität mangele. Es wurde als Begründung angeführt — lesen Sie die Protokolle durch —, daß diese Richter einmal Sachwalter der Arbeitnehmer oder Unternehmer gewesen seien. Wollte man diesen Menschen die Objektivität und Unabhängigkeit bestreiten, dann müßte man praktisch diese Einwendungen doch allüberall erheben; denn letztlich kommt jeder Richter — auch der Berufsrichter — aus einem bestimmten Lebenskreis. Wir müßten auch hier sagen, daß er in diesem Lebenskreis schon so geworden ist, daß es ihm an der notwendigen Unabhängigkeit und Objektivität mangeln muß.
Ich glaube, Objektivität, Korrektheit, gesundes Rechtsempfinden und Kenntnis des Rechts sind nicht an einen bestimmten Stand gebunden.
Die Erfahrung hat uns gezeigt, daß auch der Berufsrichter Mängel haben kann. Auch Berufsrichter haben sich im Dritten Reich — bitte, lassen Sie mich das einmal sagen — zu Bütteln eines Unrechtsstaates erniedrigen lassen.
Wir denken nicht daran, heute daraus die Konsequenz zu ziehen, einen ganzen Berufsstand zu diffamieren. Wir wissen, daß es Gott sei Dank Ausnahmen waren. Aber wir wehren uns auch dagegen, daß nun einem anderen Personenkreis Vorwürfe gemacht werden. Ich sage: die Praxis hat den Beweis dafür geliefert, daß Nichtvolljuristen sich als Vorsitzende der Arbeitsgerichte bestens bewährt haben. Dies wurde auch in Besprechungen von den Vorgesetzten, also von den Präsidenten der Berufungskammern, wiederholt anerkannt. Ich möchte nicht annehmen, daß die Berufung von Laienrichtern aus Angst vor einer Konkurrenz abgelehnt wird.
Ich bin der Auffassung, daß die vom Ausschuß vorgeschlagene Fassung den Bedürfnissen der Praxis Rechnung trägt, und empfehle deshalb, diese Fassung zu akzeptieren.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es notwendig ist, im Interesse der historischen Wahrheit eine
Feststellung zu treffen, und zwar angesichts der
Reden des Herrn Dr. Leuze und des Herrn Dr. —
— — des Herrn Kollegen Dr. Wellhausen. Herr Kollege Dr. Wellhausen , als wir 1946 in der amerikanischen Zone die Arbeitsgerichte in Gang setzten, bestand die Bestimmung, daß in der Arbeitsgerichtsbarkeit, im Gegensatz zur allgemeinen Gerichtsbarkeit, kein Jurist verwendet werden dürfe, der politisch belastet sei. Und sehen Sie: Wir haben den herrlichen Zustand gehabt, daß zwar genügend Belastete da waren, aber zu wenig Unbelastete, um die Kammern mit Volljuristen zu besetzen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keiner der Antragsteller des Antrags Umdruck Nr. 984 bezweifelt, daß wir in Deutschland Richter als Arbeitsgerichtsvorsitzende haben, die nicht aus der juristischen Laufbahn hervorgegangen sind, die sich aber in einer ausgezeichneten Weise in ihr Tätigkeitsgebiet und in ihre Aufgaben eingearbeitet haben und unser volles Vertrauen verdienen. Ich möchte dies ausdrücklich feststellen.
Wenn wir trotzdem heute erneut diesen Antrag eingereicht haben, so hat dies tiefere Ursachen und Gründe, die ich Ihnen in wenigen Worten darstellen möchte. Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine weitgehende Entwicklung von Sonderdisziplinen des Rechts gehabt. Das Steuerrecht mag den Weg der Verselbständigung am weitesten gegangen sein; das Arbeitsrecht, das Sozialrecht sind ihm nachgefolgt. Diese Rechtsentwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß sich ein immer größeres Stoffgebiet ansammelt. Dieser Bundestag hat in vierjähriger Arbeit dazu beigetragen, den Stoff des Rechts, der beherrscht und angewendet werden muß, in einem außerordentlich großen Maße zu erweitern. Diese ständige Erweiterung des Stoffes kann nur dann geistig bewältigt werden, wenn man immer und immer wieder zu den Grundlagen des Rechts zurückfindet. Die Einheit dieses Rechts kann aber nicht dadurch gewahrt werden, daß man gedächtnismäßig und wissensmäßig immer mehr versucht, in die Weite zu gehen. Nur dadurch, daß man zu den gemeinsamen Wurzeln des Rechts zurückfindet, können die Schwierigkeiten der ungeheuer großen Stoffanhäufung und Stofferweiterung gemeistert werden.
Die allgemeinen Bestimmungen, die Grundnormen des Rechts sind aber allen Rechtsdisziplinen gemeinsam, und gemeinsam sind ihnen die Methoden der Rechtsfindung und der juristischen Begriffsbildung. Der Rückgriff auf allgemeine Grundsätze des Rechts ist in besonderem Maße im Arbeitsrecht notwendig, das auch heute noch ein fragmentarisches Rechtsgebiet geblieben ist, das zahlreiche Lücken aufweist, die nur ergänzt und gefüllt werden durch Regeln, die dem allgemeinen bürgerlichen Recht entnommen sind.
Die Notwendigkeit, die Rechtseinheit aufrechtzuerhalten, läßt es uns wünschenswert erscheinen, solche Personen zu Arbeitsgerichtsvorsitzenden zu bestellen, die als geschulte und voll ausgebildete
Juristen Teilhaber dieser Rechtseinheit sind. Dies ist der erste Gesichtspunkt, der zu unserem Antrage geführt hat.
Der zweite Gesichtspunkt ist folgender. Der Arbeitsrichter soll nicht nur ein beschränkt verwendbarer Richter sein. Er soll ein Richter auf Lebenszeit sein. Gerade in dieser Bestellung auf Lebenszeit erblicken wir die besondere Garantie für seine richterliche Unabhängigkeit.
Er soll auch in ständiger Verbindung mit den anderen Rechtsgebieten und mit dem Wesen des Rechts bleiben. Es soll ihm daher die Möglichkeit erhalten bleiben, ausgetauscht und ausgewechselt zu werden und vielleicht auf einige Jahre als Vorsitzender eines Arbeitsgerichts und dann wieder in anderer richterlicher Funktion tätig zu sein.
Von dieser Auswechselbarkeit des Richters versprechen wir uns eine Befruchtung der anderen Rechtsdisziplinen, weil diesem Richter die Erfahrungen aus dem Gebiet des Arbeitsrechts zugute kommen. Wir versprechen uns hierdurch auch für das Arbeitsrecht eine besondere Förderung, weil sich die Kenntnisse und Erfahrungen, die der Richter in anderen Rechtsgebieten gewonnen hat, wiederum segensreich in der Arbeitsgerichtsbarkeit auswirken können.
Gestatten Sie mir, einen letzten und dritten Gesichtspunkt anzuführen! Es ist manchmal zweckmäßig, den Blick über die deutschen Grenzen zu werfen. Unser Nachbarland Österreich hat sich mit ähnlichen Rechtsproblemen auseinanderzusetzen gehabt. Es hat im Jahre 1948 ein neues Arbeitsgerichtsgesetz geschaffen. Manche der Lösungen, die Österreich gefunden hat, verdienen unsere Beachtung. Österreich hat die Regelung getroffen, daß der Vorsitzende des Arbeitsgerichts nur ein Jurist sein kann. Es hat die Arbeitsgerichte der Aufsicht der Justizbehörde unterstellt und hat weiterhin bezüglich der zwei oberen Instanzen bestimmt, daß keine speziellen Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Gerichte als Berufungs- und Revisionsgerichte entscheiden sollen.
In dieser Regelung kommt die Tendenz zum Ausdruck, die Rechtseinheit zu wahren und das Arbeitsrecht zwar als eine selbständige und wertvolle Rechtsdisziplin, aber doch als einen Zweig am großen Baume des Rechts aufzufassen.
Wenn wir heute diesen unseren Antrag wiederholt haben, so tun wir das nicht etwa deshalb, um ein längst überholtes und dem Untergang geweihtes Juristenmonopol aufrechtzuerhalten. Wir tun es deshalb, weil wir die hohe Bedeutung der Arbeitsgerichtsbarkeit dann am besten würdigen zu können glauben, wenn wir ihr die besten Richter verschaffen, die wir ihr verschaffen können.
Zu diesen Voraussetzungen des besten Richters rechne ich die Begabung, die überall vorhanden sein kann, gerade auch außerhalb der Juristenkreise; ich rechne dazu die Erfahrung, die überall und auch außerhalb der Juristenkreise vorhanden sein kann. Ich rechne dazu aber auch die wissenschaftliche Schulung.
Wenn diese drei Elemente zusammenkommen, dann ist die Garantie dafür gegeben, daß das Arbeitsgerichtsgesetz in der Weise und in dem Geiste angewendet wird, wie es unserem gemeinsamen Wunsch und den Bedürfnissen der rechtsuchenden Bevölkerung am meisten entspricht.
Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Kopf haben mir und, ich glaube, der Mehrheit des Hauses bestätigt, daß die Fassung des Ausschusses hinreichend ist, alle seine Forderungen zu erfüllen.
Er spricht davon, daß Berufsrichter im Arbeitsgerichtswesen tätig sein müssen. Der Abs. 3 der Ausschußfassung stellt den Berufsrichter an die erste Stelle und denjenigen, der sich, wie es weiter heißt, „durch längere, mindestens fünfjährige Tätigkeit in der Beratung arbeitsrechtlicher Angelegenheiten und in der Vertretung vor Arbeitsgeachten umfassende Kenntnisse und Erfahrungen im Arbeitsrecht erworben hat", erst an die zweite Stelle.
Aus seinen weiteren Ausführungen gewinnt man den Eindruck, als wenn an allen Arbeitsgerichten der Bundesrepublik zur Zeit nur sogenannte Laienrichter als Vorsitzende tätig wären. Das Gegenteil ist doch der Fall. Durch diese Bestimmung wird nicht festgelegt, daß in Zukunft nur sogenannte Laienrichter als Vorsitzende berufen werden. Nur wenn eine in der Praxis besonders bewährte Persönlichkeit da ist, wird sie berufen werden. Es gibt zirka 200 Arbeitsgerichte, wenn ich mich nicht irre, und ich glaube, daß auch die Berufsrichter ein hinreichendes Tätigkeitsgebiet haben. Aber es sind auch die Landesarbeitsgerichte da, und mit diesem Gesetz wird das Bundesarbeitsgericht geschaffen. Da werden doch gerade die Stellen sein, wo in erster Linie die Berufsrichter ihre hohen Aufgaben zu erfüllen haben. Ich stimme mit Herrn Kollegen Kopf auch darin überein, daß der beste Richter als Vorsitzender eines Arbeitsgerichtes gerade gut genug ist.
Meine Damen und Herren, Sie haben das letzte Mal beantragt, daß über § 18 eine namentliche Abstimmung stattfindet. Ihr Antrag wurde damals mit 188 gegen 113 Stimmen abgelehnt. Es ist aber, glaube ich, nicht mehr als recht und billig, daß auch über die jetzt vorliegenden gleichlautenden Anträge Umdrucke Nrn. 984 und 978 namentliche Abstimmung stattfindet, die ich im Auftrag meiner Fraktion hiermit beantrage.
Weitere Wortmeldungen? — Da der Antrag auf namentliche Abstimmung von einer großen Fraktion gestellt ist, ist er ja ausreichend unterstützt. Also namentliche Abstimmung über die beiden gleichlautenden Anträge auf den Umdrucken Nrn. 978 Ziffer 2 und 984 Ziffer 2. Ich bitte, die Stimmkarten möglichst schnell abzugeben.
Meine Damen und Herren, nach dieser Abstimmung tritt der Unterausschuß „Remboursschulden", der zum Londoner Schuldenabkommen tätig ist, im Zimmer 02 zusammen.
Darf ich dann nochmals bitten, die Stimmkarten abzugeben, damit die Abstimmung geschlossen werden kann. — Haben Mitglieder des Hauses ihre Stimme noch nicht abgegeben? — Dann ist die Abstimmung geschlosesn. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich glaube, wir können dann schon zum nächsten Abschnitt übergehen. Das ist der Antrag auf Einfügung des § 18 a auf Umdruck Nr. 978 Ziffer 3 und auf Umdruck Nr. 984 Ziffer 3. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Ich brauche zu dem Antrag zu § 18 a keine Begründung zu geben. Er gehört untrennbar mit den Anträgen zu § 18 zusammen, und je nachdem, wie die namentliche Abstimmung ausfällt, muß auch hier die Entscheidung fallen.
Also, meine Damen und Herren, dieser Antrag ist erläutert. Wir stellen die Abstimmung darüber zurück, bis das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über § 18 vorliegt.
Ich rufe auf § 19. Zu diesem Paragraphen liegen wieder Bleichlautende Anträge auf den Umdrucken Nrn. 978 Ziffer 4 und 984 Ziffer 4 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
— Das Wort wird nicht gewünscht. Die Abstimmung müssen wir zurückstellen, weil sie vom Ausfall der Abstimmung zu § 18 abhängig ist.
Zu § 20 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 985 Ziffer 2 vor. — Dazu keine Wortmeldung. Auch diese Sache werden wir wohl zurückstellen müssen, bis über § 18 entschieden ist.
- Wir können unabhängig von dieser Abstimmung entscheiden. Dann bitte ich diejenigen, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 985 Ziffer 2 zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 20 in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 33 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge Umdruck Nr. 970 Ziffer 1, Umdruck Nr.978 Ziffer 1 und Umdruck Nr. 984 Ziffer 1 vor, die gleichlautend sind. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und' Herren, zunächst der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 970 Ziffer 1, das Wort „Benehmen" durch das Wort „Einvernehmen" zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.—Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, ich bitte, das durch Aufstehen zu klären. Einer der Herren Schriftführer ist im Zweifel über das Ergebnis der Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, sich von ihren Plätzen zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Darf ich fragen, meine Damen und Herren, ob noch Abgeordnete vorhanden sind, die zur namentlichen Abstimmung ihre Stimme abzugeben wünschen? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 978 Ziffer 1. Es ist der gleiche Antrag wie Umdruck Nr. 970 Ziffer 1 und durch die Abstimmung darüber erledigt.
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 984 Ziffer 1 beinhaltet das gleiche und ist somit auch erledigt. Damit ist diese Änderung beschlossen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 33 unter Berücksichtigung der erfolgten Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
Der nächste Paragraph, zu dem eine Einzelberatung stattfinden muß, ist § 41. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 970 Ziffer 2 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 970 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit!; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 41 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 42 und die hierzu gestellten Änderungsanträge auf, also wiederum Umdruck Nr. 978 Ziffer 1, Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen, Umdruck Nr. 970 Ziffer 3 und Umdruck Nr. 984 Ziffer 1, der mit dem erstgenannten Änderungsantrag übereinstimmt. Ich bitte die Damen und Herren, die den übereinstimmenden Anträgen — —
— Daß „Einvernehmen" und „Einvernehmen" dasselbe ist, dürfte unstreitig sein. In Umdruck Nr. 978 Ziffer 1 wird das Wort „Einvernehmen" und in Umdruck Nr. 984 Ziffer 1 ebenfalls das Wort „Einvernehmen" gewünscht. Auch in der Schreibweise stimmt es überein.
— Herr Abgeordneter Sabel, auch w i r sind einig?
— Sie wollten dazu etwas sagen? Ich hatte die Besprechung bereits geschlossen.
— Jetzt ist auch unser Einvernehmen hergestellt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen Umdruck Nr. 978 Ziffer 1 und Umdruck Nr. 984 Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 970 Ziffer 3 betreffend Abs. 1 Satz 1
— Neufassung — zuzustimmen wünschen, eine
Hand zu erheben. — Ich bitte um ,die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 42 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich darf zwischendurch das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung*) zu Umdruck Nr. 978 Ziffer 2 und 984 Ziffer 2 bekanntgeben. Von stimmberechtigten Abgeordneten sind 334 Stimmen abgegeben worden; davon mit Ja 146, mit Nein 183, bei 5 Enthaltungen. Von den 12 Berliner Abgeordneten stimmten 4 mit Ja und 8 mit Nein. Die Anträge Umdruck Nr. 978 Ziffer 2 und Nr. 984 Ziffer 2 sind abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 18 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Es ist noch nicht über die Einfügung des § 18 a, Umdruck Nr. 978 Ziffer 3, abgestimmt.
— Gestatten Sie, daß ich mich eben vergewissere; ich glaube die Zurufe nicht ohne weiteres.
— Nach gründlicher Prüfung komme ich zum gleichen Ergebnis.
Der Antrag Umdruck Nr. 978 Ziffer 3 ist damit sachlich erledigt. In der zweiten Beratung hatten wir das gleiche Ergebnis. Die Streichung des § 19 steht damit im selben sachlichen Zusammenhang und entfällt, so daß auch diese Abstimmungen erledigt sind.
Ich kann also zu § 43 weitergehen. Dazu der Änderungsantrag Umdruck Nr. 976. — Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Änderungsantrags meiner Fraktion in Umdruck Nr. 976 beziehe ich mich auf die Ausführungen, die ich in der zweiten Beratung des Entwurfs des Arbeitsgerichtsgesetzes gemacht habe. Ich nehme an, daß auch diejenigen, die dem Antrag in der zweiten Lesung nicht zugestimmt haben, in der Zwischenzeit Gelegenheit hatten, sich von der Richtigkeit des Antrags meiner Fraktion und der von mir gegebenen Begründung zu überzeugen, und heute dem Änderungsantrag zustimmen werden.
Herr Abgeordneter Sabel scheint sich nicht überzeugt zu haben, bitte, Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Kollegen Dr. Greve in der letzten Sitzung haben uns dazu bewogen, den Änderungsantrag zu § 42 zu stellen, den wir soeben angenommen haben. § 42 Abs. 1 Satz 1 lautet jetzt:
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13505 Für die Berufung der Bundesrichter gelten die Vorschriften des Richterwahlgesetzes.
Wir wollten damit im Gesetz klarstellen, wer als Bundesrichter im Sinne des Richterwahlgesetzes gelten soll. Es ist richtig, die bisherige Fassung ließ Unklarheiten zu. Wir glauben aber, daß die neue Fassung diese Unklarheiten praktisch beseitigt hat. Ganz klar und deutlich ist also gesagt, welche Richter durch den Richterwahlausschuß gewählt werden sollen. Wir sind nicht der Meinung, daß die Laienbeisitzer im Bundesarbeitsgericht auch vom Richterwahlausschuß bestellt werden sollten.
Herr Abgeordneter Dr. Greve und dann Herr Abgeordneter Dr. Leuze.
Meine Damen und Herren! Dadurch, daß der Antrag zu § 41
und der Antrag zu § 42 angenommen worden sind, ist nicht die Vorschrift des Grundgesetzes ausgeschlossen, daß bei der Wahl von Richtern ein Richterwahlausschuß mitzuwirken hat.
Es kommt nicht darauf an, Herr Kollege Sabel, ob Sie den nicht rechtskundigen — von Ihnen so genannten — Bundesarbeitsrichtern die Bezeichnung Beisitzer beilegen und ob Sie die Bezeichnung Beisitzer bei den rechtskundigen Mitgliedern des Bundesarbeitsgerichts weglassen. Es kommt einzig und allein auf die richterliche Funktion an, auf die Tätigkeit der Mitglieder des Bundesarbeitsgerichts. Und haben die nicht rechtskundigen Mitglieder des Bundesarbeitsgerichts dieselbe Tätigkeit, denselben Sitz, dieselbe Stimme im Senat des Bundesarbeitsgerichts wie die rechtskundigen Richter des Senats, dann kann es, wie ich schon in der zweiten Lesung ausgeführt habe, für ihre Berufung — eben auf Grund der Tatsache, daß sie dieselbe richterliche Funktion ausüben — keine verschiedenartige Behandlung geben, Sie sind also nach unserer Auffassung, auch wenn Sie die Fassung der §§ 41 und 42 jetzt so gewählt haben, schon nach dem Grundgesetz verpflichtet, einen Richterwahlausschuß mitwirken zu lassen, auch wenn es jetzt, wie gesagt, hier angeblich anders steht. Bei dieser Fassung geht auch das Grundgesetz den Bestimmungen des Arbeitsgerichtsgesetzes vor. Wir werden uns bei der Wahl der Bundesrichter dann über die Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens zu unterhalten haben, wenn bei nicht rechtskundigen Mitgliedern des Bundesarbeitsgerichts ein Richterwahlausschuß nicht mitgewirkt hat. Ich bitte also, noch einmal zu überlegen, ob Sie nicht auf Grund der von mir in der zweiten Lesung gemachten Ausführungen lieber dem von meiner Fraktion gestellten Änderungsantrag zustimmen wollen.
Herr Abgeordneter Dr. Leuze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe in der zweiten Lesung schon auf das Beispiel der hessischen Verfassung zum Beweise dafür, Bezug nehmen können, daß die Argumentation des Herrn Kollegen Greve, jedenfalls nach der hessischen Verfassung, nicht richtig ist, daß die gleiche Funktion der berufsrichterlichen und der Laienbeisitzer im Bundesarbeitsgericht
notwendigerweise ein Mitwirken des Richterwahlausschusses bei der Bestellung beider Richterarten herbeiführe. Die hessische Verfassung sagt in Art. 127 Abs. 1 bis 4, daß für die Berufung der planmäßigen hauptamtlichen Richter der Richterwahlausschuß des Landes Hessen zuständig ist. Derselbe Artikel sagt aber in Abs. 5 ausdrücklich, daß die Bestimmungen der Absätze 1 bis 4 nicht für die Laienrichter gelten. Gerade das Vorbild, das das Grundgesetz für Art. 96 in der hessischen Verfassung gehabt hat, stellt sehr eindeutig klar, daß die Mitwirkung des Richterwahlausschusses auf die Bestellung von Berufsrichtern beschränkt sein soll, nicht aber bei der Bestellung von Laienrichtern gelten soll. Das ist bei einer sehr wichtigen Auslegungsquelle für Art. 96 des Grundgesetzes ein sehr klarer Tatbestand, und ich glaube, daß die soeben beschlossene Bestimmung zu § 41 damit durchaus in Einklang steht. Ich habe schon das letzte Mal darauf hingewiesen, daß auch die Auslegung des Grundgesetzes selber — Art. 96 in Verbindung mit Art. 98 — zu demselben Ergebnis führt. Ich glaube, daß eine Mitwirkung des Richterwahlausschusses entsprechend dem Grundgesetz bei der Bestellung der Beisitzer des Bundesarbeitsgerichts nicht nötig ist, ja sogar mit aller Wahrscheinlichkeit nicht rechtmäßig wäre.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zu § 43 auf Umdruck Nr. 976. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Herr Abgeordneter Richter!
Nachdem der Antrag meiner Fraktion soeben abgelehnt wurde, glaube ich, daß doch eine Änderung des § 43 in der Fassung des Ausschusses erforderlich ist. Wir haben in der zweiten Lesung beschlossen, daß in § 20 die Worte „im Benehmen mit dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts" gestrichen werden. Auch in § 43 sind diese Worte „im Benehmen mit dem Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts" zu streichen. Nur der Bundesarbeitsminister hat das Recht der Berufung. Ich glaube, ich brauche diese Sache nicht näher zu begründen. Nachdem wir in der zweiten Lesung den § 20 einmütig auf Grund meines Antrags entsprechend geändert haben, bitte ich, dies auch für § 43 zu beschließen.
Offenbar keine weiteren Wortmeldungen. — Sie beantragen also, in § 43 Abs. 1 Satz 1 die Worte im Benehmen mit dem Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts" zu streichen. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 43 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Der nächste Paragraph, zu dem Änderungsanträge vorliegen, ist § 111. Die Abgeordneten Stücklen und Genossen haben zu Abs. 2 des § 111 eine neue Fassung beantragt. Es ist nicht mehr möglich gewesen, diese Neufassung zu vervielfältigen. Wer wünscht, den Antrag zu begründen?
— Die beantragte Fassung hat folgenden Wortlaut:
Zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen können die Handwerksinnungen Ausschüsse bilden, denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Zahl angehören müssen.
— Ist verteilt? Er hat noch nicht einmal eine Umdrucknummer! Das kann nur Prophetie sein, wenn er verteilt ist.
— Ich lese also weiter vor:
Wird der von diesem Ausschuß gefällte Spruch nicht innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt, so kann binnen zwei Wochen nach ergangenem Spruche Klage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Der Klage muß in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuß vorangegangen sein. Aus Vergleichen, die vor dem Ausschuß geschlossen sind, und aus Sprüchen des Ausschusses, die von beiden Seiten anerkannt sind, findet die Zwangsvollstreckung statt. Die §§ 97 und 98 des Arbeitsgerichtsgesetzes gelten entsprechend. Soweit ein Ausschuß nach Satz 1 gebildet ist, findet ein Güteverfahren vor dem Arbeitsgericht nicht statt.
Ich darf unterstellen: das ist der Antrag zur zweiten Beratung. — Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der FDP, der CDU/CSU und der DP haben sich erlaubt, Ihnen den soeben vom Herrn Präsidenten verlesenen Antrag vorzulegen. Er ist eingereicht worden, weil nach unserer Auffassung der § 111, so wie er in der zweiten Lesung beschlossen worden ist, nicht genügt, um Streitigkeiten zwischen Innungsmitgliedern irgendeines Handwerksberufes und Lehrlingen zu schlichten. In der alten Gewerbeordnung war vorgesehen, daß Streitigkeiten zwischen Lehrlingen und Innungsmitgliedern vor einem sogenannten Schlichtungsausschuß zu regeln sind. Als dann seinerzeit das Arbeitsgerichtsgesetz geschaffen wurde, wurden diese Bestimmungen, die in § 91 und § 91 a der Gewerbeordnung festgelegt waren, außer Kraft gesetzt, und in die jetzige Arbeitsgerichtsordnung ist diese Bestimmung nicht aufgenommen. Wir haben uns bei Abfassung der Handwerksordnung überlegt, ob wir diese Regelung in die Handwerksordnung aufnehmen sollten. Wir sind aber damals zu der Überzeugung gekommen, daß es richtiger ist, eine solche Regelung in das kommende Arbeitsgerichtsgesetz aufzunehmen. In § 83 der Gewerbeordnung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Streitigkeiten zwischen Lehrlingen und Innungsmitgliedern vor einem Schlichtungsausschuß zu regeln und zu klären sind.
Unser Änderungsvorschlag besagt weiter nichts, als daß Streitigkeiten zwischen Innungsmitgliedern
— also zwischen Handwerksmeistern und Lehrlingen —, die meistens Bagatellsachen sind, nicht vor das Arbeitsgericht gebracht, sondern vor einem Schlichtungsausschuß geregelt werden sollen, der sich paritätisch aus Innungsmitgliedern und aus Vertretern der Gesellenschaft bzw. der Gewerkschaften zusammensetzt. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten in der zweiten Lesung in § 111 bereits einen Abs. 2 eingefügt, um diesem Anliegen des Handwerks zu entsprechen. Der vorliegende Antrag veranlaßt mich nun, einige wenige Bemerkungen zu machen. § 81 a der Gewerbeordnung enthielt in der Ziffer 4 als Aufgabe der Innungen die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Innungsmitgliedern und ihren Lehrlingen. § 111 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23. Dezember 1926 gab dem § 91 b der Gewerbeordnung eine neue Fassung. In dieser Fassung wurde Näheres über die Zusammensetzung des Schiedsausschusses für Lehrlingsstreitigkeiten und über das Verfahren gesagt. Diese Bestimmung ist in der britischen Zone, in Bremen, Südbaden und Württemberg-Hohenzollern in der Form des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926 geltendes Recht. In der amerikanischen Zone wurde § 111 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom Jahre 1926 nicht übernommen. Allerdings wurden die diesbezüglichen Bestimmungen, also die §§ 81 a und 91 b der Gewerbeordnung, auch nicht aufgehoben.
Inzwischen hat der Bundestag eine Handwerksordnung verabschiedet. Sie ist noch nicht verkündet; Sie kennen die Gründe. In § 49 sind die Aufgaben der Innungen geregelt. In diesem § 49 hat die bisherige Ziffer 4 des § 81 a keine Aufnahme gefunden. Es ist zu prüfen, ob daraus der Schluß gezogen werden soll, daß die Innungen diese Funktion nun nicht mehr haben sollen. Das würde zur Folge haben, daß diese Frage der Arbeitsgerichtsbarkeit überlassen bleibt. § 123 der Handwerksordnung sieht vor, daß, soweit in Gesetzen und Verordnungen Vorschriften enthalten sind, die mit diesem Gesetz nicht in Einklang stehen, diese insoweit nicht mehr anzuwenden sind. In Abs. 3 des § 123 sind die von mir zitierten §§ 81 a und 91 b der Gewerbeordnung angeführt, d. h. diese Paragraphen wären insoweit nicht mehr anzuwenden, als ein Widerspruch zur Handwerksordnung besteht. Nun hat man — ich sage es noch einmal — entweder in der Handwerksordnung den § 81 a Ziffer 4 der Gewerbeordnung bewußt ausgeschaltet und damit die Regelung von Lehrlingsstreitigkeiten aus der Verantwortung der Innungen herausgenommen — dann würde § 123 Abs. 3 bedeuten, daß die in Frage kommenden Bestimmungen durch die Handwerksordnung tatsächlich aufgehoben würden —, oder man vertritt die Auffassung, die Frage der Schiedsgerichtsbarkeit für Lehrlinge sei bereits geregelt, brauche also in der Handwerksordnung keine Regelung mehr zu erfahren. Dann aber kann man die Auffassung vertreten, daß die bisherige Fassung von § 91 b der Gewerbeordnung der Handwerksordnung nicht entgegensteht.
Ein Zweifel ist noch vorhanden. In dem Änderungsantrag, der soeben begründet wurde, ist ein Hinweis auf die §§ 97 und 98 des Arbeitsgerichtsgesetzes enthalten.. Ich kann beim besten Willen nicht feststellen, was die §§ 97 und 98 des Arbeitsgerichtsgesetzes mit dieser Frage zu tun haben.
Beide Paragraphen behandeln ganz andere Materien. Ich könnte annehmen, daß man vielleicht die §§ 107 und 109 gemeint hat. Das müßte noch richtiggestellt werden. Im übrigen hätte ich es für besser gehalten, es bei der bisherigen Fassung zu belassen, die wir in der zweiten Beratung gefunden haben, um dann unter Umständen das Problem später noch einmal zu überprüfen.
Herr Abgeordneter Schmükker, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Sabel hat uns erklärt, worum es sich handelt. Ich habe mir Mühe gegeben, ihm zu folgen. Ich muß sagen, daß es tatsächlich „§§ 107 und 109" heißen muß. Ich möchte aber noch einmal das wiederholen, was wir schon in der letzten Sitzung gesagt haben: wenn wir die jetzt bestehende Fassung gelten lassen, dann werden wir mit Inkrafttreten der Handwerksordnung diesen ganzen Fragenkomplex nicht mehr erfassen, und wir möchten nicht, daß hier ein Vakuum eintritt. Ich darf vielleicht in Richtung auf die SPD sagen, daß sie voriges Mal dagegen gestimmt hat und es wohl auch heute wieder tun wird, weil sie eben diesen internen berufsständischen Ausgleich nicht will.
Ich möchte bitten, daß der Antrag, der hier von Herrn Abgeordneten Dirscherl begründet worden ist, angenommen wird.
Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt hier nicht darauf an, ob jemand einen berufsständischen Ausgleich will oder nicht will. In der Unterkommission „Handwerksordnung" haben damals ganz bestimmte Überlegungen Platz gegriffen, die darauf hinzielten, daß eine entsprechende Regelung nicht in der Handwerksordnung, sondern im Arbeitsgerichtsgesetz zu erfolgen habe, wenn eine solche überhaupt für notwendig gehalten werde. Darüber hinaus sind Gedanken aufgekommen, die besagen, daß keine ungleiche Behandlung der Lehrlinge im Handwerk und der Lehrlinge in der übrigen gewerblichen Wirtschaft Platz greifen solle. Man sollte sich überlegen, daß man durch eine solche Schlichtungsstelle notwendigerweise auch die Mitglieder einer solchen Stelle, und zwar die Handwerker selbst, in besondere psychologische, d. h. menschliche Schwierigkeiten bringen würde. Aus diesen Gründen lehnt die sozialdemokratische Fraktion den Antrag auch heute wieder ab.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Neufassung des § 111 Abs. 2, den Herr Abgeordneter Dirscherl begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Mehrheit ist vom Sitzungsvorstand nicht eindeutig zu klären. Ich bitte Sie, im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden und den Saal möglichst schnell zu räumen, damit wir noch einen Teil der Tagesordnung erledigen können.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. — Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. —Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis des Hammelsprungs bekannt. Für den Antrag haben gestimmt 167, dagegen 122 bei einer Enthaltung; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 111 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; § 111 ist angenommen.
Keine weiteren Änderungsanträge; damit entfallen weitere Einzelberatungen.
— Ich wäre dankbar, wenn mir die Damen und Herren während der letzten Minuten dieser Sitzung die Freude ihrer weiteren Anwesenheit und ihrer Aufmerksamkeit machen wollten.
Bevor ich zur Schlußabstimmung komme, gebe ich Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das Wort zur Abstimmung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird dem Arbeitsgerichtsgesetz zustimmen. Diese Zustimmung bedeutet jedoch nicht das Anerkenntnis, durch § 43 Abs. 1 Satz 1 könne ausgeschlossen werden, daß auch die Bundesarbeitsrichter vom Bundesminister für Arbeit nur gemeinsam mit dem Richterwahlausschuß zu berufen sind. Ein Versuch, mittelbar durch § 43 Abs. 1 Satz 1 den Richterwahlausschuß ausschalten zu wollen, bleibt wirkungslos. Diese Vorschrift wird zwingend durch das ihr übergeordnete Recht des Grundgesetzes ergänzt. Sollte entgegen unserer Warnung der Richterwahlausschuß übergangen werden und sollte sich deshalb erweisen, daß Bundesarbeitsrichter verfassungswidrig berufen sind, so wird es die Art der Ausführung dieses Gesetzes sein, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
Meine Damen und Herren, es wird nicht gewünscht, weitere Erklärungen abzugeben.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen in der Schlußabstimmung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 3:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Nr. 4434 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bergmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 265. Sitzung des Deutschen Bundestages wurde der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP Drucksache
Nr. 4302 dem Ausschuß für Arbeit überwiesen. Der Ausschuß für Arbeit hat dann am 21. Mai den Antrag beraten.
Der vorliegende Gesetzentwurf bezweckt die verstärkte Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus Mitteln der Bundesanstalt. Der Verwaltungsrat soll ermächtigt werden, zur Verstärkung der Grundförderung Darlehen aus verfügbaren Haushaltsmitteln zu bewilligen. Dadurch sollen weitere Dauerarbeitsplätze geschaffen werden.
In § 1 hat der Ausschuß eine Änderung vorgenommen. Vor den Worten „verwendet werden" soll eingefügt werden: „sowie jugendlicher Arbeitsloser bis zum 25. Lebensjahr".
Außerdem wurde die Frage diskutiert, ob in Abs. 3 die Worte „mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit" gestrichen werden sollten. Die Mehrheit sprach sich jedoch dafür aus, die vorliegende Fassung unverändert anzunehmen.
Auch in § 2 wurde eine Änderung vorgenommen. Der Paragraph wurde entsprechend der gegenwärtig geltenden Berlin-Klausel abgefaßt.
Schließlich wurde auch die Überschrift des Gesetzentwurfs geändert.
Der Ausschuß beschloß einstimmig, dem Hause zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zur Einzelberatung der zweiten Beratung auf die §§ 1 und 2, Einleitung und Überschrift, und zwar die Überschrift in der vom Ausschuß in der Drucksache Nr. 4434 vorgeschlagenen Fassung. — Keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Aussprache entfällt nach dem Vorschlag des Ältestenrates. Eine Einzelbesprechung findet ebenfalls nicht statt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über die verstärkte Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, darf ich vorschlagen, daß wir zunächst die Punkte vornehmen, für die eine Aussprache nicht vorgesehen ist.
Ich rufe Punkt 5 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der FDP, CDU/CSU, DP und den Abgeordneten Jahn, Herrmann, Faller eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Aus-
schuß, dem Ausschuß für Verkehrswesen und dem Ausschuß für Wirtschaft mitberatend zu überweisen. Sind Sie einverstanden?
— Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der FDP, CDU/CSU, DP und den Abgeordneten Jahn, Herrmann, Faller eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeuggesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, in gleicher Weise zu verfahren. Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Verkehrswesen als mitberatendem Ausschuß zu überweisen.
— Die Überweisung ist erfolgt.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Seuffert, Scharnberg, Dr. Preusker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Allgemeinen Anordnung Nr. 3 zum Gesetz Nr. 52 der amerikanischen Militärregierung betreffend die Bank der Deutschen Arbeit AG .
Der Ältestenrat macht den gleichen Vorschlag. Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit vor.
— Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Oetzel, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Ingenieurberufes (Nr. 4427 der Drucksachen).
Gleicher Vorschlag des Ältestenrats. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vor.
— Keine Bedenken; die Überweisung ist erfolgt. Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Horlacher, Lampl und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Xnderung des Milch- und Fettgesetzes .
Auch hier gleicher Vorschlag des Ältestenrats. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vor.
— Sie sind damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Horlacher, Dr. Weiß, Struve, Dannemann,
Tobaben, Lamp] und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredit zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung .
Gleicher Vorschlag des Ältestenrats. Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuß als federführender Ausschuß und Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
— Sie sind damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend „Mehrzweckbehelfsbauten" in der Landwirtschaft (Nrn. 4404, 2880 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dannemann; er scheint nicht anwesend zu sein. Ist das Haus bereit, auf eine Berichterstattung zu verzichten?
— Offenbar. Keine Aussprache! Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, zur Abstimmung zu kommen. Ich bitte die Damen und Herren, die den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 4404 betreffend den Antrag Drucksache Nr. 2880 unverändert anzunehmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme nunmehr zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Dr. Müller , Dr. Kneipp, Tobaben, Eichner, Kriedemann und Genossen betreffend Steuerliche Behandlung der Deutschen Genossenschaftskasse (Nr. 4424 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist einverstanden. Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Geld und Kredit vor.
— Und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Abgeordneter Horlacher, selbstverständlich als mitberatenden Ausschuß. — Keine Bedenken; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Mehrheit bei der Abstimmung in der Einzelberatung zu verfassungsändernden Gesetzen (Nr. 4454 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Mende. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident, Sie haben eben nach der Uhr gesehen. Ich will mich so kurz fassen, daß die vorgesehene Schlußzeit nicht überschritten wird.
Sie erinnern sich, meine Kolleginnen und Kollegen, daß anläßlich der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes nach dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen Drucksache Nr. 4300 bei der Einzelabstimmung in der zweiten Beratung Meinungsverschiedenheiten darüber auftraten, ob die Einzelabstimmungen in verfassungändernden Gesetzen bereits einer Zweidrittelmehrheit bedürftig seien oder ob erst die Schlußabstimmung einer Zweidrittelmehrheit bedürfe. Da es sich hier um eine grundsätzliche und in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehende Streitfrage handelte, ist der Geschäftsordnungsausschuß nach § 129 der Geschäftsordnung um eine grundsätzliche Stellungnahme gebeten worden. Diese Stellungnahme liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 4454 vor. Sie ist einstimmig angenommen worden, und ich bitte Sie, dieser Stellungnahme, die vor allem aus praktischen Erwägungen so beschlossen wurde, Ihre Zustimmung zu geben.
Der Ältestenrat schlägt vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Ausschusses Drucksache Nr. 4454 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist damit angenommen.
Ich schlage Ihnen vor, meine Damen und Herren, dem Antrag zu Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ,
zuzustimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die
dem zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Das ist die Mehrheit.
Darf ich informatorisch fragen, wer beabsichtigt, von der Redezeit zu Punkt 4 der Tagesordnung — betreffend Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz für 1953 — Gebrauch zu machen?
— Darf ich mich nach der Dauer der gewünschten Redezeiten erkundigen? Ich glaube, wir könnten die Angelegenheit in zehn Minuten oder in einer Viertelstunde erledigen.
— Mehr als zwanzig Minuten Redezeit haben Sie bestimmt nicht, Herr Abgeordneter Schellenberg! Ich frage nicht Sie, sondern die anderen Fraktionen.
— Die FDP nimmt keine Redezeit in Anspruch; die CDU auch nicht.
Dann schlage ich, damit wir unsere Schlußzeit einhalten können, vor, den Punkt 4 als ersten Punkt auf die morgige Tagesordnung zu nehmen, nachdem der andere Punkt abgesetzt worden ist. Sie sind damit einverstanden. Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die 273. Sitzung mit der morgigen Tagesordnung und dem Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf den 18. Juni 1953, 13.30 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.