Rede von
Alfred
Onnen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nachdem die Entscheidung über die §§ 6, 7 und 8 gefallen ist, ist es eine Selbstverständlichkeit, daß wir den Änderungsanträgen aus dem Entwurf Scharnberg nicht zustimmen können. Es ist auch unmöglich, den Antrag Freudenberg in die vom Bundestag mit der Mehrheit von 202 Stimmen beschlossene Fassung einzufügen.
Zu dem Antrag des Zentrums und zu den Ausführungen des Kollegen Schröder möchte ich folgendes bemerken. Herr Kollege Schröder hat behauptet, der neue Zentrumsantrag vermindere die Sperrklausel derart. daß dadurch die Gefahr der Zersplitterung erheblich vergrößert würde. Dazu darf ich folgendes sagen. Die CDU hat in ihrem eigenen Änderungsantrag zu § 9 als Abs. 3 Satz 1 folgenden Satz vorgesehen:
Bei Verteilung der Sitze auf die Bundeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens in einem Wahlkreis einen Sitz errungen oder 3 v. H. der insgesamt abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben.
Nun ist sicher richtig, daß die 3 % im ganzen Bundesgebiet mehr sind als 3 % in einem Land. Aber die Klarheit und die Wahrheit verlangen doch, festzustellen, daß das eine Direktmandat — was hier auch durch den CDU-Antrag deutlich wird — ja seine eigene Bedeutung hat, die ich hier nicht näher erläutern möchte, die aber doch sicher jedem im Hause, der die Verhältnisse kennt, klar ist. Nun möchte ich doch wirklich einmal an Sie appellieren, die Dinge objektiv zu beurteilen. Will denn wirklich einer im Ernst behaupten, daß die 3 % in einem Land, die der Zentrumsantrag vorsieht, stimmenmäßig nicht um ein Vielfaches mehr sind als die Anzahl der Stimmen, die ein Direktmandat verlangt,
das sicher mit 40 000 Stimmen erreicht werden kann?
Ich will nichts hinzufügen. Aber da wir uns ja um ein klares Wahlgesetz bemühen, erkläre ich hiermit --
— Sie können sich ja dazu äußern! Ich glaube, ich habe klar genug gesprochen. Ich möchte hiermit erklären, daß wir diesem Antrag des Zentrums — nachdem der CDU-Antrag in der gleichen Form vorgelegt war — konsequenterweise zustimmen werden.
— Ja, das „Hört! Hört!" schließt sich vollständig dem Antrag an, der hier ein Mandat für das gesamte Bundesgebiet vorsieht. Ich hätte gern gehabt,
daß Sie sich sehr eingehend damit befaßt und begründet hätten, warum meine Ausführungen etwa nicht folgerichtig sind.
Ich komme dann zu dem Antrag der SPD zu § 9 Abs. 1. Hier ist die Frage der Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit dem Grundgesetz angeschnitten worden. Nach den Ausführungen des Innenministeriums dürfte diese Fassung ja nunmehr unbedenklich sein. Die FDP hat diesen Antrag nur aus einem besonderen Grunde eingebracht. Ich darf dem Hause in Erinnerung rufen, daß diese Bestimmung nur folgendes will. Das Gesetz sieht vor, daß auch sogenannte parteilose Kandidaten aufgestellt werden können. Wir haben den Ausdruck „unabhängig" absichtlich beseitigt, damit man sich auch in der Gesamtöffentlichkeit wirklich von der Vorstellung entfernt, als ob die Mitglieder der großen Parteien, die noch dazu im Grundgesetz als die Träger der politischen Willensbildung geschützt und anerkannt sind, nun in Zukunft etwa als abhängig erscheinen. Ich nehme an, daß das die Zustimmung des gesamten Hauses findet.
— Sie können ja nachher sprechen. Ich pflege das zu sagen, was ich für richtig halte, und auch nicht die Art meiner Ausführungen durch Zwischenrufe im wesentlichen ändern zu lassen.
Wir wollten also erreichen, daß der Mann, der parteilos ist — ich will es etwas deutlicher sagen, damit es keine Mißverständnisse gibt —, wirklich echt parteilos ist. Denn es ist uns mitgeteilt worden, daß gewisse Kreise die Absicht haben, nur einen Mann als parteilos oder als unabhängig nach dem alten Begriff abzustellen,
der die Stimmen der Wähler auf sich vereinigen soll, und zwar zu dem Zweck, das Gesetz, das dieser Bundestag nun nach der Hauptentscheidung beschließt und das vorsieht, daß die Direktmandate angerechnet werden, zu umgehen.
Denn man hatte sich ausgerechnet, daß auf diese Art der Unabhängige ja nicht angerechnet zu werden brauche, weil er nach außen hin als Unabhängiger deklariert sei. Es bestand die Absicht, nach erfolgter Verrechnung und nach einer gewissen Karenzzeit von einigen Monaten, die je nach Haltung der Partei notwendig erschien, ihn als Hospitant oder Mitglied wieder in die Reihen seiner Partei zurückkehren zu lassen.
Es hätte mich außerordentlich interessiert, was das Innenministerium zu dieser Art Vorhaben sagt. Ich bin der Auffassung, daß der Wähler doch wohl verlangen kann, daß man ihm klar und offen gegenübertritt, und ich hatte geglaubt und hatte auch die Herren des Innenministeriums gebeten, daß man nicht nur unter dem anderen Gesichtspunkt die Verfassungsmäßigkeit überprüfe, sondern einmal feststelle, ob es nicht geradezu mindestens eine echte Interessenkollision sei, wenn man hier verhindern wolle, daß eine derartige Irreführung des Wählers möglich werden sollte.
Ich meine, das ist so klar und so sauber, daß das Haus darin einig sein sollte. Um aber die Bedenken rein formal zu zerstreuen, haben wir dann nach Möglichkeiten gesucht, und — wir sind nun nicht so, daß wir alles selber erfinden müssen — nun kommt der Antrag der SPD, der vorsieht, daß das
Gesetz anders gefaßt wird. Wir halten diese Fassung für geeignet, dem Zwecke zu dienen, den wir wollen, und gleichzeitig auch das Innenministerium zu beruhigen, denn es ist ja wirklich die Pflicht eines Ministeriums, echte Gründe zu vertreten.
— Sehen Sie, ich lasse Ihnen gerade in der CDU reichlich Gelegenheit, das zu belachen. Sie wissen ja selber am besten, daß viele Entscheidungen dieser Koalition sehr zum Schmerz der FDP von Ihnen, die Sie so sehr gelacht haben, mit der SPD beschlossen worden sind, gegen Ihren Partner.
Sie können in aller Ruhe abwarten. Wir wollen gerne darüber sprechen. Wir sehen nämlich in diesen Versuchen, die Atmosphäre zu beschweren und zu vergiften und der FDP zu unterschieben, daß sie ein Wahlgesetz mache, um in Zukunft mit der SPD Regierungen zu bilden, eine Behauptung, die bisher durch nichts bewiesen ist.
Ich bin so ruhig und so sicher, daß ich fest weiß — ich freue mich über diese Erregung, sie ist sicher erstaunlich —, daß in der CDU überhaupt niemand mehr ist, der den Gedanken einer großen Koalition in Zukunft noch laut auszusprechen wagt.
Ich nehme an, daß dieses Vorgehen von mir den Herrn Bundeskanzler wesentlich beruhigt, da es alle Gefahren, die ihn in Zukunft auch in seiner eigenen Fraktion bedrohen, aus dem Wege räumt.
Ich will Sie aber einmal an etwas ganz anderes erinnern. Wir haben es wirklich ernst mit unserem Vorhaben gemeint. Wir haben ehrlich geglaubt, daß man in diesem Hause das Wahlgesetz, in dem wir nämlich nur die Spielregeln einer fairen Auseinandersetzung sehen, nicht mit politischen Zweckvorstellungen belasten sollte.
— Herr Scharnberg, ich will Ihnen noch etwas sagen, was Sie hoffentlich weiter beruhigen kann: Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn Sie einmal in Ruhe darüber nachdächten, ob dieses Zusammengehen in dieser Frage zwischen FDP und SPD nicht geradezu als beispielhaft dafür anerkannt werden könnte, daß selbst politische Gegner trotz ihrer verschiedenen Ansichten so ruhig und vernünftig sind, sich wenigstens über die Spielregeln zu einigen, um die Bevölkerung vor falschen Vorstellungen zu bewahren.
Es tut mir unendlich leid, Herr Scharnberg, daß ich Ihre Situation nicht erleichtern kann; ich täte es sehr gern.
— Wie in Hessen?! Ich darf hinzufügen: Lesen Sie
doch — —
— Herr Schütz, ich kann nicht alle Zwischenrufe auf einmal erledigen. Reden Sie meinetwegen auch alle. Aber Sie werden mich wirklich nicht von dem abbringen, was ich sagen will.
— Schön! Sie beklagen, was in Hessen und sonstwo vorgekommen ist. Ich habe Ihnen etwas vorgeschlagen und hoffe, daß das gelingt. Dann müssen wir natürlich insgesamt mehr bereit sein, einander entgegenzukommen, und nach einem Wahlgesetz suchen, das wirklich alle befriedigt. Dieses Wahlgesetz soll nur für den nächsten Bundestag gelten. Wir sollen uns dann ernstlich bemühen — das ist eine absolut ernste Absicht von mir —, zu versuchen, nicht nur für den Bundestag die Grundsätze zu finden — das ist auch ein Appell an die Opposition —, sondern Grundsätze, die gleichzeitig im Bund und in den Ländern gelten. Warten Sie ab, Herr Scharnberg, was dabei herauskommt. Ich will nicht mehr dazu sagen; ich glaube, es ist genügend beleuchtet.
Ich bin also der Auffassung, daß die vorgeschlagene Bestimmung den Zweck erreicht, den wir nur erreichen wollen: Den Wähler davor zu bewahren, daß ihm ein Kandidat als parteilos vorgesetzt wird, der es in Wirklichkeit nicht ist. Niemand kann doch etwas Derartiges ernstlich bezweifeln und bekämpfen wollen. Ich appelliere an die Einsicht aller, daß diesem Prinzip der Sauberkeit nun wirklich die Zustimmung aller gegeben wird.