Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Mit unserem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 979 Ziffer 22 wollen wir die Grundlage dafür schaffen, daß wirklich freie Wahlen durchgeführt werden können.
— Ich glaube, Sie werden sehr schnell Ihr Lachen einstellen, wenn ich Ihnen an Hand der Vergangenheit und der Praxis nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder beweise, in welchem Umfang die Durchführung freier Wahlen im Bundesgebiet und in verschiedenen Ländern behindert worden ist.
Die Grundlage unseres Antrages entspricht im wesentlichen den Forderungen — sowohl bezüglich der Wahlpropaganda wie auch der Verteilung von Wahl- und Propagandamaterialien, der gleichmäßigen Benutzung der Rundfunkanstalten und ihrer Einrichtungen, der Sicherung der Durchführung von Wahlversammlungen und der Zurverfügungstellung aller für Wahlzwecke geeigneten Räume —,
die in dem Schreiben der Bundesregierung an den Bundestag auf Drucksache Nr. 3063 vom 5. Februar 1952, das bereits mein Fraktionskollege Walter Fisch erwähnt hat, enthalten sind.
In diesem Schreiben des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen werden für die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen folgende Grundsätze aufgestellt. In § 4 Abs. 1 heißt es:
Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird gewährleistet.
In Abs. 3 desselben Paragraphen heißt es:
Jedem ordnungsgemäß vorgeschlagenen Bewerber um einen Sitz in der Nationalversammlung wird bis zum Zusammentritt der Nationalversammlu•g im gesamten Wahlgebiet die persönliche Freiheit gewährleistet.
In dem § 5 dieser von der Bundesregierung für eine kommende gesamtdeutsche Wahl aufgestellten Grundsätze heißt es:
Öffentliche Versammlungen der Parteien, die einen ordnungsmäßigen Wahlvorschlag eingebracht haben, und ihrer Bewerber sind unbeschränkt zugelassen und unter öffentlichen Schutz zu stellen.
In demselben Paragraphen heißt es in Abs. 2: Die Verbreitung von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften, die in einem deutschen Lande erscheinen, und der Empfang von Rundfunksendungen dürfen im ganzen Wahlgebiet nicht behindert werden.
Die Auffassung der Bundesregierung geht auch dahin, daß in § 6 Abs. 1 gesagt wird: „Das Wahlgeheimnis wird gewährleistet." Abs. 2 desselben Paragraphen bestimmt u. a.:
Die Wahlzettel und ihre Umschläge sind für alle Wahlberechtigten gleich und dürfen mit keinen Merkmalen versehen sein, die die Person des Wählers erkennen lassen.
Meine Damen und Herren, das sind also gewisse Prinzipien für die Durchführung freier und geheimer Wahlen, die von der Bundesregierung aufgestellt worden sind und die in den wesentlichen Punkten in unserem Antrag ihren Niederschlag gefunden haben. Wie es nun aber entgegen diesen Prinzipien seitens der Bundesregierung in der Praxis aussieht — und damit begründe ich unseren Änderungsantrag —, das möchte ich ganz kurz noch aufzeigen.
Es ist eine Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannte Tatsache, daß z. B. bei den letzten Kommunalwahlen
nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Nordrhein-Westfalen und in anderen Ländern die Wahlmaterialien der Kommunistischen Partei in einem erheblichen Umfange gesetzeswidrig beschlagnahmt worden sind. In Nordrhein-Westfalen wurden Wahlmaterialien unserer Partei, die durch die Post zur Verteilung gelangten, von der Postdirektion beschlagnahmt. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Prinzip gleicher und geheimer Wahlen z. B. im Lande Rheinland-Pfalz bei den letzten Kommunalwahlen entscheidend durchbrochen worden ist und daß seitens der Landesregierung von Rheinland-Pfalz neben den amtlichen Stimmzetteln auch private Stimmzettel, also nichtamtliche Stimmzettel, zugelassen worden sind, deren Verteilung bereits am Tage vor der Wahl erlaubt wurde, so daß selbst die Regierungsparteien im Landtag von Rheinland-Pfalz feststellen mußten, daß dieses Verfahren als nicht ganz geheim betrachtet werden könnte. Durch diese Methoden wurde u. a. ein gewisser Druck, sogar eine Nötigung auf den Wähler ausgeübt, und man konnte durch das Zulassen zweier verschiedener Wahlstimmzettel, also von amtlichen und nichtamtlichen Stimmzetteln, bei der Abgabe des Wahlstimmzettels dann feststellen, welcher Partei oder welchem Kandidaten der betreffende Wähler seine Stimme gegeben hatte.
Meine Damen und Herren, nun zu der Frage der Behinderung der Wahlen durch das Verbot von Versammlungen und die Auflösung von Versammlungen. Ich habe erst am vergangenen Samstag erlebt, wie man seitens der Polizei eingriff, um eine von uns angesetzte Versammlung zu verhindern und zu verbieten. Wir stellen fest, daß auch bei den letzten Kommunalwahlen eine ganze Reihe von Versammlungen durch rechtswidrige Eingriffe der Polizei verhindert bzw. aufgelöst worden ist. In Neumünster fand eine Versammlung statt, die zur Bundestagsnachwahl durchgeführt werden und in der mein Fraktionskollege Fritz Rische sprechen sollte. Diese Versammlung wurde zwei Minuten vor Beginn mit der Behauptung verboten, daß an der Adenauer-Regierung Kritik geübt würde. So wurde z. B. eine Versammlung des Bundes der Deutschen, die in Kassel stattfinden sollte, verboten. Im Lande Nordrhein-Westfalen wurden eine Reihe von Versammlungen verboten, was zum Teil auf ein geschicktes Zusammengehen und Zusammenarbeiten zwischen der Polizei und dem BDJ zurückzuführen gewesen ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an eine Versammlung, die bei Essen stattfinden sollte, wo dem Saalbesitzer von solch einem BDJ-Banditen erklärt wurde: wenn er — der Besitzer — die Versammlung durchführen lasse und der Kommunistischen Partei den Saal zur Verfügung stelle, dann würde der BDJ diese Versammlung mit Stinkbomben usw. stören. Das
Resultat war, daß dem Saalbesitzer am nächsten Tage von der Polizei eröffnet wurde: die Versammlung ist verboten, da mit Störungen zu rechnen ist. Das sind keine Einzelerscheinungen; wir haben das verschiedentlich festgestellt.
Eine andere Frage ist die Benutzung und der Einsatz von Lautsprecherwagen durch die Parteien. Bei den vergangenen Wahlen wurde immer wieder die Tatsache erhärtet, daß, wenn Lautsprecherwagen für die Kommunistische Partei Propaganda machen sollten, sehr oft von den Polizeibehörden das Herumfahren und die Benutzung solcher Lautsprecherwagen unterbunden wurde. Ich möchte einen ganz konkreten krassen Fall, der aber bezeichnend ist, hier erwähnen.
Bei den Kommunalwahlen sollte in Ludwigshafen ein Lautsprecherwagen eingesetzt werden. Nach mehrmaligem Herantreten an die Polizeidirektion Ludwigshafen wurde von dieser erklärt, es bestehe eine Verordnung der Landesregierung vom 31. Oktober 1952, die besage, daß nur der CDU, der FDP und der SPD für die Wahl Lautsprecherwagen genehmigt werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, das wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf die Frage, was Sie und was die Organe des Herrn Dr. Lehr und seine verlängerten Arme in den Ländern unter demokratischen Wahlen verstehen.
Zur Frage der Versammlungslokale noch ein be-besonderes Wort. In Gießen sollte eine Versammlung meiner Partei stattfinden, und zwar in der Aula der Universität. Von der Universität wurde die Aula nicht zur Verfügung gestellt.
Auch das zuständige Ministerium in Hessen hat auf
die Beschwerde darüber keine Antwort gegeben.
- Wenn Sie sagen: „Das war auch richtig", dann beweisen Sie damit nur, was Sie unter Demokratie verstehen.
Meine Damen und Herren, wir haben im Lande Nordrhein-Westfalen in einer ganzen Reihe von Kreisen bei den Kommunalwahlen feststellen können, daß von staatlichen, aber auch kirchlichen Stellen die Besitzer von Sälen davor gewarnt worden sind, ihre Versammlungssäle für die Kommunistische Partei zur Verfügung zu stellen. Man drohte ihnen mit Entzug der Konzession. Nun, das hat die Arbeiterbewegung in ihrer ganzen Geschichte schon sehr oft erlebt. Ich glaube, die sozialdemokratischen Kollegen wissen aus der Vergangenheit ihrer Partei, wie man auf diese Art und Weise die Wahlagitation zu verhindern verstanden hat. Wir sind der Meinung, daß Sicherungen geschaffen werden müssen, daß diese Säle, die zur Verfügung stehen, in gleicher Weise allen Parteien zur Verfügung gestellt werden.
In den angezogenen Bestimmungen der Grundsätze, die seitens der Bundesregierung aufgestellt worden sind, ist u. a. auch die Sicherheit der Bewerber und der Kandidaten für eine Wahl erwähnt worden. Wie es damit aussieht, das möchte ich nur an Hand der letzten Kommunalwahlen aufzeigen, wo der sozialdemokratische Kandidat Ruthner in Sandkrug bei Oldenburg nach einer Wahlversammlung zusammengestochen worden ist. Das ist eine,
ich glaube, sehr drastische Illustration für die Durchführung eines solchen Grundsatzes, zugleich aber auch dafür, wie seitens der Bundesregierung, seitens des Herrn Polizeiministers und seiner Länderminister die Durchführung und die Sicherung freier Wahlagitation nicht beachtet wird. Wir werden erleben — d. h. wir erleben es ja jetzt schon —, daß diese Methode eines gewissen Zusammenspiels zwischen solchen Terrororganisationen und der Polizei auch bei den kommenden Wahlen Praxis werden wird.
Man schickt einige von diesen Banditen in die Versammlung hinein, nachdem man sich vorher mit ihnen abgesprochen hat; sie verursachen Störungen, und das Ergebnis ist dann, daß die Polizei eingreifen wird, um die Versammlung aufzulösen.
Ich habe nur in wenigen Punkten an Hand der Praxis aufgezeigt, wie es mit der Sicherung freier Wahlen in der Vergangenheit aussah und welche Erfordernisse sich daraus für die kommenden Bundestagswahlen ergeben. Wenn ich dem noch unsere Forderung hinzufüge, daß der Rundfunk in gleicher Weise allen Parteien und den Kandidaten, den Bewerbern, zur Verfügung gestellt werden muß, dann ist das wohl eine Selbstverständlichkeit für jeden, der demokratische Wahlen durchgeführt wissen will. Andererseits ist es ja heute die Praxis, daß der Rundfunk — ob es der hessische oder der nordwestdeutsche oder welcher Rundfunk immer ist — bereits jetzt in einer ständigen Hetzpropaganda gegen uns und gegen die Deutsche Demokratische Republik durch Lügenmeldungen und durch diese Hetze die Wahlpropaganda für die, AdenauerRegierung und ihre Parteien durchzuführen bestrebt ist. Wir sind der Meinung, daß die Forderung, daß der Rundfunk allen Parteien und allen Kandidaten gleichmäßig zur Verfügung gestellt werden muß, absolut berechtigt ist. Ich bitte Sie deshalb, dem Ausdruck zu verleihen, daß Sie für wirklich demokratische Wahlen sind, indem Sie unserem Antrag Ihre Zustimmung geben.