Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
1. Aktuelle Stunde: Bekämpfung des Treibhauseffektes durch die Bundesrepublik Deutschland — Einsetzung des Nationalen Komitees zur Vorbereitung der Konferenz ,,Umwelt und Entwicklung" durch den Bundeskanzler
2. Erste Beratung des von den Abgeordneten Egon Susset, Meinolf Michels, Richard Bayha, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Ulrich Heinrich, Günther Bredehorn, Johann Paintner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung einer einjährigen Flächenstillegung im Wirtschaftsjahr 1991/1992 — Drucksache 12/721 —
3. Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Deutsche Hilfe bei der Ölbrandbekämpfung in Kuwait — Drucksache 12/727 —
Interfraktionell besteht Einvernehmen, bei der Beratung des Flächenstillegungsgesetzes von der Frist für den Beginn der Beratung abzusehen. Sind Sie mit der Ergänzung der Tagesordnung einverstanden? — Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat mitgeteilt, daß sich das Kabinett u. a. mit dem Zwischenbericht über den Mittelabfluß aus dem Programm „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost" und anderen Bereichen befaßt hat.
Ich erinnere kurz an die Regeln, nach denen im Anschluß an diese Thematik Fragen zu anderen Bereichen gestellt werden können.
Die Bundesregierung hat ferner mitgeteilt, daß der Parlamentarische Staatssekretär Carstens berichtet.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär, Herr Carstens.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für die Bundesregierung zu dem Zwischenbericht über die Abflüsse der Mittel aus dem Aufschwung-Ost-Programm Stellung nehmen. Ich darf vorwegschicken, daß sich das Kabinett über diese Abflüsse regelmäßig unterrichten läßt und daß auch der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages eine monatliche Berichterstattung darüber erhalten wird, so daß auch auf diesem Wege sichergestellt ist, daß das Parlament regelmäßig über den Abfluß der Mittel informiert wird.Wir wollen durch diese regelmäßige Berichterstattung sicherstellen, daß die vorgesehenen Beträge von jeweils 12 Milliarden DM für die Jahre 1991 und 1992 auch abfließen; denn sie sind dafür vorgesehen, die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern nachhaltig zu unterstützen.Zwischenzeitlich ist das Programm im Zuge der Beratung des Haushalts 1991 im Deutschen Bundestag auch verabschiedet worden. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat sichergestellt, daß die Mittel gegenseitig deckungsfähig sind. Wenn es also dazu kommen sollte, daß in Einzelressorts Beträge nicht abfließen, kann es im Verlauf des Jahres auch zu Umschichtungen kommen. Sie können dieser Regelung entnehmen, daß wir alles daransetzen, um auch wirklich die vorgesehenen Beträge wirksam werden zu lassen.Zum Abfluß der Mittel sind in vielen Fällen Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den neuen Bundesländern erforderlich. Ich darf dem Parlament mitteilen, daß diese Verwaltungsvereinbarungen in allen Fällen zwischenzeitlich unterzeichnet sind.Ich füge hinzu, daß wir im Hochschulbereich eine Sonderregelung zu berücksichtigen haben im Hinblick auf die Erneuerung der Hochschulstandorte Ost. Mit den neuen Bundesländern ist zwischenzeitlich geklärt worden, daß auch diese Verwaltungsvereinbarung in den nächsten Tagen unterzeichnet wird.Im Jahre 1991 sind den Kommunen, den Landkreisen und den kreisfreien Städten 5 Milliarden DM als Investitionspauschalen zugeflossen. Wir haben diese Gelder zwischenzeitlich überwiesen; sie stehen also den Kommunen, Landkreisen und kreisfreien Städten
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Parl. Staatssekretär Manfred Carstensin den neuen Ländern zur Verfügung. Auf Grund von Besuchen in den neuen Ländern und auf Grund von Berichten aus den neuen Bundesländern wissen wir, daß diese Gelder sehr gut abfließen, daß sie sehr schnell eingesetzt und umgesetzt werden und daß die Aufträge weithin vergeben sind. Der Rest der Aufträge kann sicherlich in Kürze erteilt werden. Hieraus erwarten wir gerade für die mittelständische Wirtschaft einen erheblichen Schub an Aufträgen und eine Auslastung der Betriebe.Darüber hinaus kann berichtet werden, daß die Gelder für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die im großen Umfang zur Verfügung gestellt worden sind, mit allergrößter Wahrscheinlichkeit sowohl 1991 als auch 1992 abfließen werden. Wir haben gerade in diesen Tagen gehört, daß bei der Zahl der ABM-Beschäftigten neue Rekorde aufgestellt werden. In den neuen Bundesländern befanden sich per Ende Mai insgesamt 113 600 Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. In der alten Bundesrepublik sind es insgesamt 84 600. Gegenüber dem April sind im Monat Mai 28 700 neue Teilnehmer bei den AB-Maßnahmen hinzugekommen. Ferner sind 69 500 Eintritte in berufliche Bildungsmaßnahmen zu verzeichnen.Besonders erwähnenswert ist, daß z. B. die Sanierung und Rekultivierung verschiedener Tagebaubetriebe ins Auge gefaßt worden ist, etwa bei der Lausitzer Braunkohle AG, Senftenberg, mit 837 Arbeitnehmern und bei der Leunaer Sanierungsgesellschaft mbH, Leuna, mit 1 613 Arbeitnehmern. Weitere Einzelbeispiele könnten genannt werden.Im Verkehrsbereich sind die ersten Beträge abgeflossen, und zwar sowohl bei den Bundesfernstraßen als auch beim öffentlichen Personennahverkehr, überhaupt im kommunalen Straßenbau. Es handelt sich bei den Abflüssen zunächst noch um relativ niedrige Beträge, weil ein erheblicher Planungsvorlauf berücksichtigt werden muß.Auch im Wohnungs- und Städtebaubereich sind die Verwaltungsvereinbarungen unterzeichnet. In diesem Sektor ist damit ebenfalls die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, daß die Mittel abfließen können.Die ersten Abflüsse haben wir auch bei dem Sonderprogramm „Regionale Wirtschaftsförderung" festzustellen. Dort sind erhebliche Mittel sowohl für 1991 als auch für 1992 belegt. Jedoch auch hier wird davon auszugehen sein, daß die Mittel erst im späteren Verlauf des Jahres 1991 abfließen werden.Die anderen Einzelprogramme möchte ich bis auf den Umweltbereich nicht eigens erwähnen. Wir wissen, daß z. B. in Bitterfeld und an anderen Standorten Projekte auf den Weg gebracht worden sind. Der Bundesumweltminister konnte berichten, daß schon im Verlauf des Juli alle Mittel, die für Einzelprojekte vorgesehen sind, eingeplant sein sollen. Die Gelder werden also in diesem wichtigen Bereich so angelegt, wie es vorgesehen ist.Wir haben, um es zusammenfassend zu sagen, die 5 Milliarden DM mittlerweile an die Kommunen, Landkreise und kreisfreien Städte ausgezahlt; sie stehen vor Ort zur Verfügung. Die restlichen rund 7 Milliarden DM sollen noch im Jahr 1991 kassenwirksam werden. Das Kabinett wird dafür sorgen, daß die Beträge wirklich für den Zweck ausgegeben werden, für den sie gedacht sind, nämlich für die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern.Die Beträge, die für das nächste Jahr, also für 1992, zur Verfügung stehen, können über Verpflichtungsermächtigungen, die im Haushalt beschlossen sind, schon im Verlauf des Jahres 1991 zur Auftragsvergabe verwandt werden. Es kommt hinzu, daß einige Milliarden D-Mark an Komplimentärmitteln auf Grund der Mittel bereitstehen, die die neuen Bundesländer über ihre eigenen Haushalte zur Verfügung stellen.Man kann also sagen: Insgesamt stehen an Barmitteln und an Mitteln für die Auftragsvergabe in diesem Jahr mehr als 25 Milliarden DM zur Verfügung. Das wird sicherlich dazu beitragen, daß das eintritt, was wir alle uns wünschen, nämlich daß die Wirtschaft in den neuen Bundesländern gut in Gang kommt.
Als erster Fragesteller hat der Abgeordnete Peter das Wort.
Herr Staatssekretär, Sie haben über den Mittelabfluß berichtet. Haben Sie denn sichergestellt, daß damit tatsächlich zusätzliche Maßnahmen in Angriff genommen werden? Oder haben Sie Erfahrungen, daß in den Haushalten der Kommunen dafür möglicherweise andere Maßnahmen auf der Strecke bleiben, so daß das unter dem Strich in manchen Bereichen ein Nullsummenspiel sein könnte?
Ein Zweites: Ist Ihnen im Zusammenhang mit den kommunalen Aktivitäten bekannt, ob im ABM-Bereich von der öffentlichen Hand genügend Maßnahmen angeboten werden, um diese AB-Maßnahmen dann auch tatsächlich vor Ort für wirksame, nützliche Dinge einzusetzen?
Ich darf zuerst zum zweiten Punkt kommen und Ihnen sagen, daß der hierfür zuständige Arbeitsminister berichtet hat, er sei sicher, daß sämtliche Beträge für den ABM-Bereich auch 1991 und 1992 abfließen würden. Ich habe einzelne Beispiele genannt, die schon umgesetzt sind. Ich bin sicher, daß auch bei der Einzelprojektbeurteilung berücksichtigt wird, was am vordringlichsten ist, was aus der Sicht der Kommunen wichtig ist, daß aber auch Umweltgedanken in diese Fragestellung einfließen. Insofern bin ich guter Dinge, daß wir Ihnen zum Ende des Jahres berichten können, die Gelder — gerade auch im ABM-Bereich — in Ihrem Sinne ausgegeben zu haben.Was die Investitionen insgesamt angeht, möchte ich sagen, daß es mit diesem Programm zunächst einmal darum ging, eine Initialzündung auszulösen. Es sollte sehr schnell hinreichend Geld zur Verfügung stehen, damit Investitionsentscheidungen getroffen werden können. Daß darüber hinaus mittelfristig und langfristig für die Kommunen eine vielfältige Aufgabenstellung verbleibt, halte ich für selbstverständlich.Daß es gegebenenfalls auch zu Überschneidungen kommen kann, möchte ich nicht ausschließen. Aber ich appelliere an die Kommunen in den neuen Bundesländern, dieses Geld nun wirklich so auszugeben,
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Parl. Staatssekretär Manfred Carstensdaß im mittelständischen Bereich Arbeitsplätze geschaffen werden, und über ihre eigenen Haushalte selbst noch so viel Geld zur Verfügung stellen, wie es für Investitionsmaßnahmen vertretbar ist, so daß beides in einen Konsens kommt.
Herr Struck.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie fragen, ob der Bericht, den Sie gegeben haben, und die voraussichtliche Verteilung der Mittel in diesem und — angesichts bereits vorhandener Verpflichtungsermächtigungen — vielleicht auch im nächsten Jahr den Umstand berücksichtigen, daß es offenbar noch große Schwierigkeiten im Verwaltungsaufbau in den fünf neuen Ländern, insbesondere im Bereich der Kommunen und Landkreise, gibt? Denn man muß wohl verzeichnen, daß dort gerade die Beamten, die das zu regeln haben, z. B. Formulare vorzubereiten haben, doch noch sehr ungeübt sind.
Die in Ihrer Frage zum Ausdruck kommende Sorge ist sicherlich nicht unberechtigt. Wir haben deswegen in dem Bereich, für den die 5 Milliarden DM zur Verfügung gestellt wurden, dafür gesorgt, daß die Abwicklung sehr schnell ohne erheblichen bürokratischen Aufwand erfolgen kann. Die Berichte aus den Ländern und Kommunen besagen auch, daß die Gelder sehr schnell und zügig abfließen.
Was die restlichen 7 Milliarden DM angeht, so habe ich eben davon gesprochen, daß Verwaltungsvereinbarungen nötig sind, die im Städtebauförderungsbereich hinsichtlich der Abwicklung, an die man sich zunächst einmal gewöhnen muß, zum Teil sehr kompliziert sein können. Wir haben vorgesehen, daß man Regionalkonferenzen abhält, daß man dafür sorgt, daß die Partner in den Kommunen in regelmäßigen Abständen über die Art der Abwicklung informiert werden. Wir haben dann eben auch noch das Instrument der Umschichtung vorgesehen, d. h. sie erfolgt dann, wenn man feststellt, daß die Mittel für die vorgesehenen Aufgaben nicht verwandt werden können.
Insgesamt bin ich guter Dinge, daß die Beträge wie vorgesehen abfließen.
Herr Abgeordneter Schwalbe.
Herr Staatssekretär, meine Frage schließt sich an die Frage des Abgeordneten Struck an. Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Mittel, die bei den Ländern meistens angekommen sind — so wurde mir zumindest bestätigt —, dort schlummern, weil die Länderbehörden die Umsetzung noch nicht beherrschen? Die Antragstellung von den Kommunen ist meistens erfolgt, aber es wird befürchtet, daß die Gelder nicht bis zum Jahresende abfließen. Gibt es aus dieser Erkenntnis heraus Überlegungen, eventuell noch einmal einen Teil dieses Betrages in Höhe von 7 Milliarden DM durch eine direkte, ressortbezogene Finanzierung an die Kommunen zu geben, oder wie will man mit den Ländern klarkommen, damit die Mittel abfließen?
Herr Staatssekretär.
Wir haben in der Tat 5 Milliarden DM pauschal und 7 Milliarden DM speziell vergeben. Das Bundeskabinett wird sich in einer Sondersitzung am 26. Juni 1991 erstmals mit der Frage befassen, ob es schon möglich ist, Entscheidungen über Umschichtungen zu treffen. Man sollte von dieser ersten Sitzung nicht zu viele Umschichtungserfolge erwarten, da ja geplant ist, die Gelder wie vorgesehen und eingestellt auszugeben. Aber ich will nicht ausschließen, daß der Gedanke, den Sie geäußert haben, im Verlauf des Jahres noch eine Rolle spielen wird. Ich möchte mich hier aber nicht festlegen, da es letzten Endes davon abhängt, wie die einzelnen Ressorts ihr Geld in die neuen Bundesländer leiten. Wenn alles wie vorgesehen verliefe — was wir uns wünschen — , dann könnte eine solche Umschichtung gar nicht erfolgen.
Herr Abgeordneter Dr. Schnell.
Herr Staatssekretär, wie wird sichergestellt, daß die Länder selbst oder der Bundesrechnungshof überprüfen, inwiefern die Mittel tatsächlich zweckbestimmt eingesetzt werden, daß dort also im wesentlichen kein Mißbrauch stattfinden kann?
Zunächst einmal gehen wir davon aus, daß die Kommunen sich selbst und dem Bund gegenüber ehrlich sind. Wir haben auch alle Veranlassung dazu, die Verhältnisse so einschätzen zu können. Wir haben aber, wie es in Haushaltsangelegenheiten üblich ist, ein System entwickelt, nach dem z. B. hinsichtlich der 5 Milliarden DM im Laufe des Jahres Meldungen erfolgen müssen, wofür die Gelder ausgegeben worden sind. In den Fällen, in denen die Ressorts die Mittel bewirtschaften, gibt es die üblichen Überprüfungsmöglichkeiten. Zu guter Letzt gibt es ja auch noch den Rechnungshof, den Rechnungsprüfungsausschuß, den Haushaltsausschuß und das Parlament. All dies zusammengenommen müßte eigentlich garantieren, daß die Mittel wie vorgesehen ausgegeben werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schnell.
Wann wird dann die erste Überprüfung dieser Art durch die Finanzministerien der Länder oder die Oberfinanzdirektionen, die ja — das ist bekannt — im wesentlichen noch nicht arbeitsfähig sind, stattfinden? Welche Vorstellungen haben Sie diesbezüglich?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Um seitens des Finanzministeriums, das diese Frage koordiniert, dem Kabinett überhaupt zeitnah berichten zu können, haben wir bestimmte Termine gesetzt, zu denen die einzelnen Häuser zu berichten haben, zu denen auch die Berichte aus den neuen Bundesländern vorliegen sollen. Aus diesen Meldungen werden wir einen Überblick
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Parl. Staatssekretär Manfred Castensableiten können, wie das Programm läuft. Überprüfungen, wie Sie sie sich vorstellen, liegen zunächst in der Hand des Rechnungshofes. Der Rechnungshof wird sich dann überlegen müssen, zu welchem Zeitpunkt er einschreitet.
Frau Abgeordnete Steinbach-Hermann.
Herr Staatssekretär, haben Sie oder hat die zuständige Ministerin bereits einen Überblick, inwieweit die Mittel, die für den Bereich der Altenheime und Altenpflege zur Verfügung stehen, inzwischen abgerufen worden sind?
Ich wäre dankbar, wenn das zuständige Haus versuchen würde, darauf eine Antwort zu geben; denn ich bin nicht imstande, die Frage detailliert zu beantworten.
Frau Ministerin Rönsch.
Frau Kollegin Steinbach-Hermann, ich kann Ihnen über den Abfluß der Mittel noch keine hundertprozentige Mitteilung machen. Ich kann nur meine Sorge zum Ausdruck bringen, daß im Rahmen des 5-Milliarden-Programms die Mittel für den Altenbereich sehr schleppend abfließen. Ich habe alle 4 400 Leiterinnen und Leiter der Altenpflege und Alteneinrichtungen in den fünf neuen Bundesländern angeschrieben und auf dieses 5-Milliarden-Programm aufmerksam gemacht, damit sie so schnell wie möglich bei ihren Kommunen oder bei dem Landkreis ihre Forderungen anmelden, und auch gleichzeitig sichergestellt, daß über das Kuratorium „Deutsche Altershilfe" in Köln an die Leiterinnen und Leiter der Alten- und Altenpflegeeinrichtungen Informationen weitergegeben werden, damit sie Anleitungen haben, welche Investitionen sie in ihren Häusern vornehmen können.
Ich mußte bei meinen Besuchen in einzelnen Alten- und Altenpflegeheimen und auch in den Kommunen aber leider feststellen, daß die Mittel vordringlich für Zwecke des Schulbaus, für die Sanierung von Schulen verwendet worden sind oder daß diese Gelder in anderen Bereichen — z. B. im Straßen- oder Kanalbau — investiert wurden.
Ich kann von dieser Stelle aus an alle Kolleginnen und Kollegen aus den fünf neuen Bundesländern nur noch einmal appellieren, in ihren jeweiligen Kommunen deutlich zu machen, daß diese 5 Milliarden DM im Programm Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost vordringlich für Krankenhäuser, für Alten- und Altenpflegeheime und dann auch für Schulen vorgesehen sind. Ich meine, daß gerade der ältere Mensch nun ganz besonders bedacht werden sollte. Wir alle kennen die schlimmen Zustände in den Alteneinrichtungen. Ich denke schon, daß wir über die Kommunen sicherstellen müssen, daß mit diesen 5 Milliarden DM gerade Alten- und Altenpflegeheime vordringlich gefördert werden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Ministerin, es liegt also nicht daran, daß die Mittel nicht verfügbar zu machen wären, sondern, wenn ich Sie richtig verstanden habe, daran, daß das Problembewußtsein noch nicht vorhanden ist bzw. noch geschärft werden muß. Ist das richtig?
Die Mittel sind vor Ort in den Kassen der Kommunen bzw. der Landkreise. Nur, wenn ich soeben von einer vordringlichen Förderung gesprochen habe, dann heißt das, daß diese drei Einrichtungsarten vordringlich gefördert werden sollen. Offensichtlich hat man gerade im kommunalen Bereich die Prioritäten aber sehr oft z. B. im Straßen- oder Kanalbau gesetzt. Ich kann nur noch einmal darauf aufmerksam machen: Auch der Bundesverkehrsminister verfügt über Mittel für den Straßenbau. Ich meine, daß man diese Mittel dann doch zweckgebunden für den älteren Menschen einsetzen sollte.
Noch einmal Herr Abgeordneter Peter .
Herr Carstens, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch einmal die Frage nach den regionalen Aufbaustäben im Rahmen des Gemeinschaftswerks Aufschwung Ost. Diese Stäbe haben ja die Funktion, die dortigen Interessenten und interessierte gesellschaftliche Bereiche in die materiell-inhaltliche Konzeption einzubinden. Gibt es da schon Erfahrungen? Sind diese Stäbe als Institutionen geeignet, die von Frau Ministerin Rönsch beschriebenen Reibungsverluste, die sich wie Sand im Getriebe auswirken könnten, aufzuheben?
Darf ich vorschlagen, daß mein Kollege Dr. Waffenschmidt auf diese Frage antwortet; denn er war in den letzten Wochen und Monaten sehr viel in den neuen Bundesländern unterwegs und kann deshalb hautnah berichten.
Herr Staatssekretär Waffenschmidt.
Zunächst zu den Aufbaustäben. Sie sind zum größten Teil in voller Funktion. Sie haben die Möglichkeit — auch in dem Bereich, der von Frau Bundesministerin Rönsch besonders angesprochen wurde —, Fachleute hinzuzuziehen. Es ist wichtig zu sagen, daß die Aufbaustäbe keine zusätzliche Instanz sind. Sie haben eine Beratungsfunktion, eine Anregungsfunktion. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß das Aufgabengebiet, das ja besonders angegangen werden soll, hier noch einmal verstärkt zur Sprache kommen wird.Wir sollten sicherlich die Gelegenheit wahrnehmen — das will ich vor dem Hause zusagen — , über unseren „Infodienst Kommunal" , der ja regelmäßig jedes Rathaus erreicht, auf die besondere Notwendigkeit des Einsatzes dieser Mittel hinzuweisen. Ich persön-
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Parl. Staatssekretär Dr. Horst Waffenschmidtlich will das zusammen mit der Frau Kollegin Rönsch gerne tun.Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dieser Frage aber noch einmal sagen: Dieses 5-MilliardenProgramm ist ein großer Erfolg, weil es die Kommunen, die sich gerade in der Aufbauphase befinden, ohne Antrags- und Bewilligungsverfahren in die Lage versetzt hat, Aufträge schnell und unbürokratisch zu vergeben. Wir können heute sagen: Zwei Drittel bis drei Viertel der Gewerbebetriebe in den meisten Städten, Gemeinden und Kreisen sind mit Aufträgen versehen. Eine Menge Geld ist auch schon abgeflossen. Die restlichen Mittel stehen kurz vor ihrer Vergabe. Man kann sich nur wünschen, daß die Verfahren auch in den anderen Bereichen so schnell und effektiv abgewickelt werden können wie hier. Dieses 5-Milliarden-DM-Programm war gerade in dieser Lage eine besonders gute Hilfe, und zwar sowohl für die Betroffenen als auch für die Kommunen.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Waffenschmidt, in Ergänzung dessen, was ich in meiner Frage vorhin schon angesprochen habe, stelle ich die Frage: Die meisten kommunalen Haushalte in den neuen Bundesländern sind ja defizitär. Da liegt es ja auf der Hand, daß man zusätzliche Mittel auch zur Verringerung von Defiziten benutzen kann, indem man möglicherweise im Bereich der sozialen Infrastruktur etwas wegfallen läßt. Können Sie so etwas denn ausschließen?
Ich möchte sagen, bei der Finanzsituation der Städte, Gemeinden und Kreise war das 5-Milliarden-DM-Programm die Initialzündung, um die Kommunen schnell in die Lage zu versetzen, Investitionen vornehmen zu können. Die Steuereinnahmen laufen ja bei den Kommunen erst langsam ein, wie wir aus allen Informationen wissen. Ansonsten sind die Kommunen auf die Zuweisungen ihrer zuständigen Bundesländer und aus dem Fonds „Deutsche Einheit" angewiesen.
Zusammengefaßt zu Ihrer nochmaligen Frage: Nach meinen vielfältigen Erfahrungen war dieses 5-Milliarden-DM-Programm die große Möglichkeit, daß die Kommunen überhaupt in die Lage versetzt wurden, in den wichtigen Bereichen zu investieren. Ich nenne hier als Beispiel: Die Versorgung vieler öffentlicher Anlagen mit Heizungen ist damit in Angriff genommen worden, was sicherlich für die Menschen ganz besonders wichtig ist.
Aber zu Ihrer Frage auch noch dies: Wir haben das große 15-Milliarden-Programm den Kommunen angeboten, durch das sie zu außerordentlich günstigen Bedingungen kommunale Kredite bekommen können. Ich kann Ihnen den heutigen Sachstand mitteilen: Davon sind 11,2 Milliarden DM von den Kommunen beantragt und — Stand heute — über 8 Milliarden DM bereitgestellt, was dazu beiträgt, daß dieses 5-Milliarden-Programm in seiner Zielsetzung eingesetzt werden kann und den Kommunen noch zusätzlich über 8 Milliarden DM an Haushaltsmitteln zur Verfügung stehen.
Ich habe noch vier Wortmeldungen zu diesem Komplex und schließe damit die Rednerliste zu diesem Teil.
Als nächster Herr Abgeordneter Gibtner.
Ich möchte anknüpfen an die Stellungnahme von Frau Bundesministerin Rönsch zur Zweckbindung der vorgesehenen Mittel im Rahmen des Gemeinschaftswerkes Aufschwung Ost. Selbstverständlich ist die Zweckbindung, die vorgenommen wurde, sinnvoll. Sie wird von mir auch unterstützt, und man sollte vordringlich auf die Einhaltung der Verwendungszwecke achten. Aber es gibt natürlich in bestimmten kommunalen Bereichen tatsächlich andere Schwerpunkte. Ich kann mir recht gut eine Gemeinde vorstellen, die — —
Kommen Sie zu Ihrer Frage?
Ja, gerne.
Die Frage besteht darin, welche Möglichkeiten wir dennoch sehen, in einem gewissen Umfang Mittel für andere Zweckbindungen umzuverteilen, welches Instrumentarium dazu zur Verfügung steht.
Herr Staatssekretär Carstens.
Darf ich fragen: Meinen Sie die 5 Milliarden DM speziell oder das gesamte Programm?
Zunächst die 5 Milliarden DM.
Wir haben seitens des Bundes — um das noch einmal zu verdeutlichen — zwischenzeitlich das Geld überwiesen. Es steht in den neuen Ländern zur Verfügung, und bis auf einen kleinen Restbetrag haben es zwischenzeitlich auch alle Landkreise, Kommunen und kreisfreien Städte bekommen.
In der Verwaltungsvereinbarung, die wir mit den neuen Bundesländern schon im Februar, wenn ich mich richtig erinnere, geschlossen haben, steht, daß diese Gelder „insbesondere" — so lautet die Ausdrucksweise — verwandt werden sollen für Schulen, Krankenhäuser und Altenheime. Das bedeutet aber im Klartext, daß die Kommunen vor Ort letzten Endes entscheiden können, wofür sie das Geld ausgeben. Das halten wir auch für richtig. Wir wollten eine Richtschnur angeben, was wir insbesondere für wichtig halten. Aber die Kommunen sollen darüber befinden, was vor Ort für das Wichtigste gehalten wird.
Herr Abgeordneter von Larcher.
Herr Staatssekretär, eben ist ja schon kurz zur Sprache gekommen, daß ein Hin-
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Detlev von Larcherdemis für den Mittelabfluß auch der Mangel an qualifiziertem Personal in den Verwaltungen darstellt. Nun gibt es viele Beamte und Angestellte aus dem öffentlichen Dienst, die aus den alten Ländern in die neuen Länder gehen wollen und sich auch beworben haben. Ich kenne Fälle, in denen Leute schon seit einem halben Jahr auf Antwort warten. Was tut die Bundesregierung, damit diese Verfahren beschleunigt werden?
Herr Staatssekretär Waffenschmidt.
Die Bundesregierung hat folgendes veranlaßt. Erstens. Was den Kommunalbereich angeht, haben wir in Zusammenarbeit mit den drei kommunalen Spitzenverbänden in Berlin eine Personalbörse eingerichtet. Diese Personalbörse war zunächst im Haus des Deutschen Städtetages. Sie wurde von Stadtverwaltungen und Kommunalverwaltungen in den neuen Ländern, aber auch von Personen, die sich beworben hatten, so stark in Anspruch genommen, daß wir sie kurzfristig in das Bundeshaus Berlin genommen und zusätzlich kräftig mit Personal und Technik ausgestattet haben, damit alle diese Fälle sehr schnell abgewickelt werden können. Ich erkundige mich in jeder Woche mehrfach und höre, daß das jetzt sehr gut läuft.
Es gibt aber einen zweiten Bereich. Die neuen Bundesländer haben Stellen ausgeschrieben, die sie besetzen möchten. Sie haben — man kann nur sagen: erfreulicherweise — eine große Zahl von Bewerbungen bekommen. Sie sind dabei, zu entscheiden, welche Bewerber sie in ihre Landesdienststellen einstellen wollen. Die Bescheide gehen von den zuständigen Landesdienststellen in ihrer eigenen Verantwortung so schnell wie möglich heraus. Wir haben über Staatssekretär Kroppenstedt aus dem Bundesinnenministerium sehr starke Unterstützung angeboten, um hier zu helfen.
Wir haben mit den Ländern die Vereinbarung geschlossen, daß die Bewerber, die in den Landesverwaltungen nicht gebraucht werden, kurzfristig angesprochen werden, ob sie bereit seien, in die Kommunalverwaltungen der neuen Länder zu gehen. Diese Bewerbungen werden der Personalbörse zur Verfügung gestellt und über die Personalbörse in Berlin den Kommunalverwaltungen in den neuen Ländern zur entsprechenden Arbeitsleistung angeboten.
Es ist jetzt also ein System entwickelt worden, bei dem eigentlich jeder Bewerber und jeder, der gemeldet wurde, zu der Arbeit kommen kann, die er gerne verrichten möchte.
Eine Zusatzfrage.
Wie erklären Sie sich dann, daß es die von mir genannten Fälle tatsächlich noch gibt? Ich könnte das mit Namen belegen.
Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Ich glaube durchaus, daß Sie, wenn Sie das hier vortragen, solche Einzelfälle kennen. Ich kann Ihnen nur anbieten: Leiten Sie sie mir zu. Ich will mich darum kümmern, daß sie auf den beschriebenen Wegen schnell zu einer sachgerechten Bearbeitung kommen.
Herr Abgeordneter Jork.
Ich habe eine Frage an den Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Waffenschmidt zu den Aufbaustäben. Die Personalhilfe sprachen Sie an. Sie ist aus meiner Sicht in hohem Maße erforderlich. In welchem Maße ist personelle Hilfe durch die Bundesregierung möglich? Wie ist das zu beantragen? Können Sie bitte in dem Heft „Info Kommunal" mitteilen, wie so etwas ablaufen kann?
Dr. Horst Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär: Noch einmal zur Personalhilfe. Erstens. Man sollte feststellen, daß — Stand heute — aus den westlichen Bundesländern über 12 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Dienststellen der Bundesverwaltung, der Landesverwaltungen und der Kommunalverwaltungen der neuen Länder tätig sind.
Zweitens. Wenn gleichwohl weitere Anforderungen bestehen, werden sie, was die Bundesverwaltung angeht, natürlich im Schoße der Verantwortlichkeit der Bundesregierung geregelt. Praktisches Beispiel: Die Vermögensämter des Bundesfinanzministeriums brauchten zusätzliche Fachleute. Im Mai hat der Bundesfinanzminister 75 Experten dafür sofort zusätzlich zur Verfügung gestellt.
Drittens. Wenn die Länder über die Bewerbungen, die sie vorliegen haben, von denen wir soeben sprachen, hinaus etwa Experten brauchen, gibt es eine klare Regelung: Sie wenden sich zunächst an ihre Patenländer, also z. B. Sachsen an Bayern und BadenWürttemberg, Mecklenburg-Vorpommern an Schleswig-Holstein. Das möchten die westlichen Patenländer gerne so haben.
Wenn die Patenländer nicht in der Lage sind, diesen Bedarf etwa an Experten in bestimmten Fachbereichen der Verwaltung zu befriedigen, geht die Meldung des jeweiligen neuen Bundeslandes an die Clearingstelle im Bundesinnenministerium. Wir sind dann darauf eingerichtet, mit den verschiedenen Bereichen der Bundesverwaltung dafür zu sorgen, daß dem Personalwunsch eines neuen Bundeslandes entsprochen wird. Soweit ich informiert bin, hat das bisher auch immer geklappt.
Letzte Frage zu diesem Komplex, Herr Abgeordneter Kuessner.
Auch meine Frage bezieht sich auf das vorhin Erörterte: auf den geringen Mittelabfluß an Krankenhäuser und Altenheime. Zusätzlich dazu möchte ich fragen, ob Sie mit mir der Meinung sind, daß hier schnell neu nachgedacht werden muß, da das Programm sehr wichtig und sinnvoll war und es bisher nicht genügend Ersatzprogramme gibt.
Herr Kollege, ich bin mit Ihnen natürlich der Meinung, daß sich auch im Bewußtsein der Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte viel-
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Bundesministerin Hannelore Rönschleicht noch einiges ändern muß. Ich hatte vorhin schon angesprochen, daß ich die Leiterinnen und Leiter der Alten- und Altenpflegeheime angeschrieben habe und zum anderen auch bei allen Gesprächen die Sozialminister der fünf neuen Bundesländer darauf aufmerksam gemacht habe, daß sie ihre kommunalen Mandatsträger auf die Möglichkeiten der Mittelinanspruchnahme hinweisen sollten. Aber auch bei den Alteneinrichtungen, die jetzt Bedarf angemeldet haben, ist es noch ausgesprochen problematisch, weil man — gestatten Sie mir, daß ich das so sage — noch nicht das Bewußtsein hat, jetzt selbst entscheiden zu müssen, was saniert werden soll. Deswegen habe ich vorhin das Kuratorium Deutsche Altershilfe angesprochen, das Informationsmaterialien, aber auch technische Hilfe anbietet. Aber, wie gesagt, den Leiterinnen und Leitern der Alten- und Altenpflegeeinrichtungen fehlt noch das Bewußtsein, daß sie jetzt selbst entscheiden müssen, welche Investitionen für eine Einrichtung am dringendsten erforderlich sind.Ich habe mit Fristsetzung bis zum 26. Juni die Sozialminister mit der Bitte um Rückmeldung angeschrieben, was im Alten- und Altenpflegebereich an Mitteln abgeflossen ist. Danach muß man erneut darüber nachdenken, wie wir für die erste Unterstützung in diesem Jahr, aber auch für das nächste Jahr dann noch weitere Mittel zur Verfügung stellen können.
Vielen Dank, Ministerin Rönsch. Damit schließe ich den ersten Komplex.
Gibt es noch Fragen zum aktuellen Bereich? — Herr Abgeordneter Struck.
Ich richte meine Frage an die Bundesregierung ganz allgemein und vermute einmal, daß als Allzuständiger dann Kollege Stavenhagen antworten wird.
Der Bundesinnenminister Schäuble hat, zuletzt in „Bild am Sonntag" , erklärt, nach 1993 werde es keine Steuererhöhungen mehr geben. Deshalb frage ich die Bundesregierung: Welche Steuererhöhungen gibt es denn bis 1993?
Wer antwortet für die Bundesregierung? —
Herr Staatssekretär Carstens.
Herr Kollege Struck, Sie wissen ja, daß die jetzige Regierung im Prinzip eine Steuersenkungsregierung ist.
Wir haben die Steuern in drei Schritten — 1986, 1988 und 1990 — gesenkt
und haben damit sehr zur Entlastung der Steuerzahler beigetragen. Wir haben uns im Zusammenhang mit den Kosten des Golfkrieges, mit den erheblichen Ausfällen bei den Aufträgen gegenüber der Sowjetunion und — nicht zuletzt auch daraus resultierend — mit den zusätzlichen Ausgaben z. B. für das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost nun veranlaßt gesehen, die Steuern anzuheben. Das Paket, das wir dafür vorgesehen haben, liegt vor. Sie können sicher sein, daß die Bundesregierung ihre gesamten Planungen über die steuerlichen Maßnahmen, die wir vorsehen, in Kürze bekanntmachen wird. Ich bin nicht imstande, Ihnen das nun schon in Einzelheiten vorzutragen, da darüber die letzten Beschlüsse noch nicht gefaßt sind. Sobald sie vorliegen, werden wir das Parlament selbstverständlich unterrichten.
Eine Zusatzfrage.
Darf ich daraus schließen, Herr Staatssekretär Carstens, daß die Bundesregierung beabsichtigt, im Zusammenhang mit dem Thema des Subventionsabbaus und auch des Abbaus von Steuervergünstigungen, die es zur Zeit gibt, weitere Steuererhöhungen vorzusehen?
Nein. Wir haben zunächst einmal vorgesehen, Subventionen in Höhe von 10 Milliarden DM einzusammeln, und werden das auch umsetzen. Dies geschieht auf Grund eines Koalitionsbeschlusses. Sie können weiter davon ausgehen, daß wir sehr bald die Steuerpolitik der vergangenen Jahre wieder fortsetzen werden, nämlich dafür sorgen werden, daß es in der Gesamtrechnung zu Steuerentlastungen kommt, so wie wir es 1986, 1988 und 1990 erlebt haben. Sicherlich auch damit hängt die Aussage des Bundesinnenministers Schäuble zusammen, daß wir nach diesen bekannten Steuerbeschlüssen dann wieder eine Steuersenkungslinie fahren wollen. Dagegen spricht ja nichts, und ich nehme auch an, daß die SPD damit sehr einverstanden sein wird.
Herr Abgeordneter Schily.
Darf ich Ihrer soeben dem Kollegen Struck gegebenen Antwort, daß die Bundesregierung „im Prinzip" eine Steuersenkungspartei sei, entnehmen, daß Ihnen die Bundesregierung als Nebenbeschäftigung die Rolle eines Sprechers bei Radio Eriwan erlaubt?
Ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Schily, daß wir im Jahre 1990 die niedrigste Steuerquote seit dreißig Jahren in unserem Land gehabt haben. Das ist ein Beweis dafür, daß wir uns zu Recht als Steuersenkungsregierung bezeichnen dürfen. Das hat nichts mit Radio Eriwan zu tun, sondern mit der Realität.
Herr Abgeordneter Jäger.
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2276 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß eine Politik der Subventionskürzung, die Ausnahmetatbestände beseitigt, mit denen besondere Steuervergünstigungen oder Abweichungen von der allgemeinen steuerlichen Norm gewährt werden, im herkömmlichen Sprachgebrauch nicht als Steuererhöhung bezeichnet wird und daß man deswegen im Umgang mit dem Begriff Steuererhöhung sehr präzise sein sollte?
Ja.
Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, Bundesminister Schäuble hat in seiner Außerung gesagt, daß es ab 1993 keine Steuererhöhungen mehr geben wird. Können Sie mit absoluter Sicherheit ausschließen, daß Herr Schäuble bei seiner Aussage das Wahljahr 1994 im Auge gehabt hat?
Ich kann auf hypothetische Fragen nicht antworten.
Herr Abgeordneter Rose.
Kann ich, Herr Staatssekretär, Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie auch die von der SPD vorgeschlagenen Steuererhöhungen nicht akzeptieren?
Ja.
Ich sehe keine weiteren Fragen und schließe die Regierungsbefragung.
Wir kommen nun zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Fragestunde
— Drucksache 12/693 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Beckmann zur Verfügung.
Ich rufe Frage 1 des Abgeordneten Dr. Rose auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den drohenden Zusammenbrüchen und Arbeitsplatzverlusten im Arbeitsamtsbezirk Passau entgegenzuwirken?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. — Herr Kollege Dr. Rose, die Kreise Freyung, Grafenau und Passau sowie die Stadt Passau, die zum Arbeitsamtsbezirk Passau zählen, verbleiben auch nach dem Auslaufen der Zonenrandförderung und der Neuabgrenzung der Fördergebiete in der Förderung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Damit steht weiter das bewährte GA-Instrumentarium zur Verfügung, mit dem die drohenden bzw. schon eingetretenen Arbeitsplatzverluste in dieser Region abgefedert werden können.
Zu befürchteten Arbeitsplatzverlusten bei der Bundeswehr ist festzustellen, daß Entscheidungen über den Abbau von zivilen Arbeitsplätzen noch nicht gefallen sind. Der Bundesminister der Verteidigung hat vielmehr bei der Vorlage seines Standortkonzepts die Länder gebeten, bis zum 4. Juli dieses Jahres Stellung zu beziehen und Alternativvorschläge zu unterbreiten. Die Bundesregierung, Herr Kollege Dr. Rose, wird selbstverständlich alle Möglichkeiten prüfen, die geeignet sind, die Auswirkungen der Konversion auf strukturschwache Regionen so gering wie möglich zu halten und gegebenenfalls auch sozial- und regionalpolitisch zu flankieren.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Rose.
Kann ich mich darauf verlassen, Herr Staatssekretär, daß sich die drohende EG-bedingte Veränderung der Fördergebiete nicht auf den Arbeitsamtsbezirk Passau auswirkt, wie das z. B. am Montag dieser Woche in einer Diskussionsrunde und auch schriftlich im Bundeswirtschaftsministerium angedeutet wurde?
Herr Staatssekretär.
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich möchte, wie Sie sicher verstehen werden, Festlegungen vermeiden. Ich kann Ihnen aber zusichern, daß der Unterausschuß Konversion des Planungsausschusses — so möchte ich ihn einmal bezeichnen — , der mit den zuständigen Bundes- und Länderministerien zusammenarbeitet, alle geeigneten Maßnahmen ergreifen wird, um die möglichen oder drohenden Arbeitsplatzverluste zu verhindern bzw. das Abgleiten dieser Region in mißliche Strukturen abzufedern.
Sie wissen, daß wir im Augenblick noch nicht viel mehr sagen können, weil wir noch nicht die Erklärungen der Länder zu diesen Veränderungen haben, weil wir insbesondere auch nicht wissen, was an Abrilstungsmaßnahmen bei unseren alliierten Partnern ergriffen wird, und weil sich insoweit auch die Strukturen noch nicht deutlich herausbilden können.
Weitere Zusatzfrage.
Darf ich Ihrer Antwort insgesamt entnehmen, Herr Staatssekretär, daß Sie, nachdem es für die neuen Bundesländer eine Reihe von Förderinstrumenten gibt, die Aufmerksamkeit der Regierung auch auf Regionen in den alten Ländern richten, bei denen besondere strukturelle Themen entstehen, und daß Sie, wenn es wirklich ganz ernst wird, auch Sonderförderinstrumente ins Auge fassen?Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Rose, genau das ist seitens der Bundesregierung geplant; denn wir wissen, mit welch großen Schwierigkeiten die Bundeswehrstandorte, aber auch die
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Parl. Staatssekretär Klaus BeckmannStandorte unserer alliierten Verbündeten, im Falle der Abrüstungsmaßnahmen und der Konversion auch in der Rüstungsindustrie zu rechnen haben. Sie können sicher sein, daß alle Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet erscheinen, hier Abhilfe zu schaffen.
Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß am Montag dieser Woche der Planungsausschuß getagt hat, und können Sie hier vielleicht deutlich machen, welche Vorschläge die Länder — nach meinem Wissen sollte diese Kommission Standortkonversion einen Bericht vorlegen — zur Verbesserung der strukturellen Situation in den Standorten gemacht haben, in denen Truppen reduziert werden sollen?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jungmann, über die gestrige Sitzung liegt mir noch keine Berichterstattung vor, aber ich bin gerne bereit, Ihnen diese Antwort schriftlich zu erteilen.
Herr Abgeordneter Opel.
Herr Staatssekretär, ich nehme Bezug auf Ihre letzte Antwort an den Kollegen Dr. Rose und frage. Sie: Können Sie mir, wenn die Bundesregierung der Ansicht ist, daß sie großzügig dort fördern sollte, wo Standorte insbesondere durch die Truppenreduzierung betroffen sind, sagen, in welcher Größenordnung sich das bewegen wird?
Klaus Beckmann, Parl. Staatssekretär: Wir können hier deswegen keine konkreten Angaben machen, Herr Kollege Opel, weil wir noch nicht wissen, welche Maßnahmen im Rahmen der Abrüstungsbemühungen unsere alliierten Partner ergreifen werden, wo es zu Kumulationen kommt, wo zu Entzerrungen und welcher Nutzung z. B. frei werdendes Militärgelände unterworfen werden kann. Wir können also insofern noch keine Zahlen nennen. Ich kann Sie nur erneut der intensiven Bemühungen der Bundesregierung — zusammen mit dem Planungsausschuß, in dem, wie Sie wissen, auch Vertreter der Länder sitzen — versichern, hier zu strukturerhaltenden und strukturverbessernden Maßnahmen zu kommen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Die Abgeordnete Ulrike Mehl hat um schriftliche Beantwortung der von ihr gestellten Frage 2 gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich komme zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Senioren.
Die Abgeordnete Gerlinde Hämmerle hat um schriftliche Beantwortung der von ihr eingebrachten Fragen 3 und 4 gebeten. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung.
Der Abgeordnete Dr. Burkhard Hirsch hat die Fragen 5 und 6 zurückgezogen.
Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Claus Jäger auf:
Bis wann rechnet die Bundesregierung mit einer Vorlage der EG-Kommission in Brüssel für eine Richtlinie bzw. Verordnung über das Ausländerrecht in der Gemeinschaft, und hat sich die Bundesregierung durch eigene Vorschläge in die vorbereitenden Arbeiten der Kommission eingeschaltet?
Herr Kollege Jäger, der Bundesregierung sind keine Pläne der EG-Kommission bekannt, einen Vorschlag für eine Richtlinie oder Verordnung zum Ausländerrecht in der Gemeinschaft vorzulegen. Im Bereich der Freizügigkeit für Staatsangehörige der EG-Mitgliedstaaten besteht inzwischen kein Regelungsbedarf mehr. Der Rat hat alle für die Verwirklichung der Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft erforderlichen Verordnungen und Richtlinien erlassen. Im Juni 1990 wurde die Rechtsetzung auf dem Gebiet der Freizügigkeit mit den drei Richtlinien über das Aufenthaltsrecht von Studenten, Rentnern und sonstigen nichterwerbstätigen EG-Bürgern abgeschlossen. Diese Richtlinien müssen bis zum 30. Juni 1992 in nationales Recht umgesetzt werden. Damit bestehen für sämtliche EG-Staatsangehörigen und ihre Familienangehörigen ausländerrechtliche Regelungen im EG-Recht.
Demgegenüber gibt es keine generellen EG-rechtlichen Regelungen über das Aufenthaltsrecht für Drittausländer. Dies erklärt sich daraus, daß die EG bislang keine Kompetenz für ausländerrechtliche Vorschriften, die Drittausländer betreffen, hat.
Im Rahmen der Regierungskonferenz über die Europäische Politische Union beraten derzeit die EG- Mitgliedstaaten über die Vergemeinschaftung weiterer Bereiche der Innenpolitik. Die Bundesregierung setzt sich dabei dafür ein, daß die Grundzüge der Einwanderungspolitik von der Gemeinschaft geregelt werden können. Erst wenn eine entsprechende Kompetenz geschaffen wird, ist auf diesem Gebiet an Vorschläge der EG-Kommission zu denken.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es sich bei dem zuletzt von Ihnen genannten Vorhaben um ein Vorhaben der Bundesregierung von äußerster Dringlichkeit handeln muß, da es ebenfalls vor einem Zeithorizont, der im Zusammenhang mit der Einführung des Binnenmarktes steht, vorbereitet und durchgeführt werden muß, weil da die Grenzkontrollen endgültig wegfallen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat dies bereits einige Male so betont. Deshalb kann ich Ihre Frage nur mit Ja beantworten.
Eine Zusatzfrage.
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Herr Staatssekretär, wie hofft die Bundesregierung angesichts der zeitlichen Situation, in der wir uns befinden — noch genau anderthalb Jahre bis zum Inkrafttreten des Binnenmarktes — , diese Aufgabe zu bewältigen, wenn man sich noch nicht einmal über die Kompetenzfrage einig ist, d. h. darüber, ob die EG eine Zuständigkeit erhalten soll?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, das ist jetzt natürlich Spekulation. Wir werden tun, was wir tun können. Wir stellen derzeit nicht den Präsidenten des Rates, so daß wir, glaube ich, nicht unmittelbar tätig werden können. Im Schengener Bereich sind wir tätig; da führen wir auch den Vorsitz.
Ich kann also nur sagen: Es wird nicht an Anstrengung gespart werden, die Dinge zu erreichen, die wir uns vorgenommen haben.
Wir kommen zu Frage 8 des Abgeordneten Claus Jäger:
Wird nach den Erkenntnissen der Bundesregierung ein für die Europäische Gemeinschaft zu erlassendes europäisches Ausländergesetz auch Bestimmungen über die Aufnahme politischer Flüchtlinge und über Asylgewährung enthalten, die einheitliches Recht in der ganzen Gemeinschaft schaffen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Da die EG derzeit auch im Bereich des Asylrechts keine Kompetenz hat, gibt es in der angesprochenen Richtung keine Aktivitäten der EG-Kommission.
Allerdings werden, um die angestrebte europäische Harmonisierung des Asylrechts voranzubringen, im Rahmen der Regierungskonferenz über die Europäische Politische Union Möglichkeiten einer Harmonisierung des Asylrechts sowie Art und Umfang etwa auf die EG zu übertragender Kompetenzen erörtert. Vom Ergebnis dieser Bemühungen werden die künftigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen abhängen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Einschätzung, daß dieses Problem ebenfalls im Zusammenhang mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes geregelt werden muß, da zahlreiche Mitgliedstaaten der EG es nicht hinnehmen werden, daß die Grenzkontrollen abgeschafft werden, wenn in einzelnen Ländern — z. B. bei uns — praktisch ein unbeschränkter Zugang von ausländischen Personen über die — auch mißbräuchlich in Anspruch genommene — Asylgewährung erhalten bleibt?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, wir teilen die Auffassung, daß hier ein dringender Regelungsbedarf vorhanden ist.
Wir dokumentieren diese Einschätzung auch dadurch, daß wir beispielsweise im Schengener Bereich — wenn Sie so wollen — den Vorreiter spielen oder eine Regelung anbieten, die dann auch insgesamt in Kraft treten könnte. Ob es uns bis dahin gelingen wird, die Vorstellungen, die hier formuliert worden sind, zu realisieren, bleibt abzuwarten.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung auch meine Einschätzung, daß die Bundesrepublik Deutschland innerhalb der gesamten EG das großzügigste Asylrecht hat und daß es bei der zu schaffenden einheitlichen Regelung ohne Zugeständnisse unsererseits an eine europäische gemeinschaftliche Zielsetzung nicht abgehen wird?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Jäger, das kann man nicht so einfach, wie Sie es jetzt formuliert haben, beantworten. Es gibt sehr unterschiedliche Regelungen. Daher müßte man diesen Vergleich jetzt sehr differenziert anstellen. Deshalb schrecke ich ein bißchen vor der Bewertung, daß wir die großzügigste Regelung haben, zurück. Aber wir gehören sicher zu den Ländern, in denen das Asylrecht im Interesse des jeweils Betroffenen am großzügigsten gehandhabt wird.
Ich komme zu Frage 9 der Abgeordneten Erika Steinbach-Hermann:
In welchem Umfang kommen die Bundesländer ihrer Verpflichtung nach, insbesondere straffällig gewordene Ausländer entweder sofort oder nach Verbüßung der jeweiligen Haftstrafe gemäß der Ausländergesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen bzw. abzuschieben?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Frau Steinbach-Hermann, die Bundesregierung wird über die Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden der Länder nicht laufend unterrichtet, da die ausländerrechtlichen Bestimmungen nach Art. 83 des Grundgesetzes von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.
Ebensowenig liegt der Bundesregierung eine Statistik über die Zahl der Ausweisungen und der Abschiebungen straffälliger Ausländer vor. Die Bundesregierung hat keinen Anlaß zu der Annahme, daß einzelne Länder die ausländergesetzlichen Vorschriften über die Aufenthaltsbeendigung straffällig gewordener Ausländer nicht korrekt vollziehen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß Sie möglicherweise nur deshalb keine negative Bewertung abgeben können, weil Ihnen keine Zahlen vorliegen? Nach allem, was man so hört, wird ja nicht in dem Umfang abgeschoben, wie es möglich wäre.
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Diese Gefahr ist nicht auszuschließen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wäre die Bundesregierung bereit, die einzelnen Bundesländer auf die Möglichkeiten hinzuweisen, im Rahmen der vorhandenen gesetzlichen Regelungen, die ja einen breiten Spielraum lassen, im Interesse nicht nur der deutschen Bevölkerung, sondern auch der nicht straffälligen ausländischen Bevölkerung die straffällig gewordenen Ausländer auszuweisen bzw. abzuschieben?
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Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wir tun das eigentlich ununterbrochen, denn die Innenministerkonferenz beschäftigt sich laufend mit ausländerrechtlichen Problemen, so daß Sie davon ausgehen können, daß diese Auffassung der Bundesregierung den Innenministern bekannt ist.Aber ich werde den Gedanken aufgreifen und weitergeben. Vielleicht ergibt sich demnächst wieder eine entsprechende Möglichkeit.
Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, können Sie mir zustimmen, daß die Bundesregierung bei ihren Entscheidungen davon ausgeht, daß diese auf Fakten begründet sind und daß nicht nach dem, was man so hört, entschieden wird?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Ich habe eine derartig hohe Achtung vor den Länderverwaltungen, daß ich davon ausgehe, daß alle entsprechend zuständigen Länderverwaltungen an Hand von Fakten und Gesetzen entscheiden und nicht auf Grund von Vermutungen.
Damit komme ich zu Frage 10 des Abgeordneten Rolf Schwanitz:
Was ist dem Bundesminister des Innern bekannt über die Unterstellung und Nutzung der ehemaligen Ausweichführungsstelle auf dem Gebiet der ehemaligen Waldsiedlung Wandlitz und die seitens der Bevölkerung bis zum November 1990 gesammelten Hinweise für ein weiteres Betreiben des Bunkers, und inwieweit wurde gegebenenfalls zum Zwecke einer weiteren Nutzung Personal des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR durch das Bundesministerium des Innern übernommen?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Kollege Schwanitz, mit Beschluß des Ministerrates der ehemaligen DDR vom 14. Dezember 1989 wurde festgelegt, daß mit den Aufgaben des Personen- und Objektschutzes des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Amtes für Nationale Sicherheit der DDR auch die von diesen genutzten Liegenschaften auf das ehemalige Ministerium des Innern der DDR übergehen sollten. Mit einem Protokoll zur Übernahme bzw. Übergabe des Objekts vom 26. Februar 1990 zwischen dem Komitee zur Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR und dem Ministerium für innere Angelegenheiten wurde der Übergang der Verantwortung auf das Ministerium für innere Angelegenheiten vollzogen. Hierüber wurde auch der Rat der Stadt Bernau unterrichtet. Der Bürgermeister erteilte seine Zustimmung am 3. Mai 1990.
Die technische Funktionsfähigkeit des Bunkers wurde durch das Ministerium für innere Angelegenheiten bis 3. Oktober 1990 aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt. Am 3. Oktober 1990 ging das Objekt gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 des Einigungsvertrags in das Ressortvermögen des Bundesministers des Innern über.
Der Bunker ist seither — wie schon vor dem 3. Oktober 1990 — nicht weiter genutzt, sondern lediglich in seiner Funktionsfähigkeit erhalten worden. Personal des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR ist durch den Bundesminister des Innern nicht übernommen worden. Eine künftige Nutzung als Schutzraum ist nicht vorgesehen. Dementsprechend soll das Objekt alsbald, möglichst bis zum 30. Juni 1991, aus dem Ressortvermögen des Bundesministers des Innern an die Bundesvermögensverwaltung abgegeben werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schwanitz.
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir mitzuteilen, ob es über das eben von Ihnen dargestellte Nutzungsmaß hinsichtlich der baulichen Veränderung oder Wiederherstellung hinaus in der Zeit vom 18. März bis zum 3. Oktober 1990 noch eine andere Nutzungsart dieses Bunkers gab?
Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär: Nach den mir jetzt vorliegenden Angaben kann ich darüber keine Aussagen machen.
Danke, Herr Staatssekretär Lintner.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Rainer Funke zur Verfügung.
Ich rufe Frage 11 des Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer auf:
Was meint die Bundesregierung zu dem zuletzt im Rahmen der Strafrechtslehrertagung 1991 in Bochum gemachten Vorschlag, die europäische Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Strafrechts durch ein europäisches Musterstrafgesetzbuch zu fördern?
Herr Kollege Professor Meyer, Vertreter der Bundesregierung haben die Strafrechtslehrertagung 1991 besucht und das Referat von Prof. Dr. Sieber zur Frage einer Vereinheitlichung des europäischen Strafrechts sowie die Diskussion über dieses Referat aufmerksam verfolgt. Die Frage, ob ein Musterentwurf eines europäischen Strafgesetzbuchs erarbeitet werden sollte, bedarf eingehender Prüfung. Sie erfordert nach Ansicht der Bundesregierung eine für die Kernbereiche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts bereits bestehende Vergleichbarkeit der Auffassungen in den verschiedenen europäischen Staaten, wie sie derzeit vor allem von den Gremien des Europarates zu einzelnen Teilgebieten wie der Strafzumessung oder der Fortpflanzungsmedizin erörtert werden.Die Bundesregierung sieht die europäische Rechtsentwicklung derzeit noch in einem sehr frühen Stadium der Schaffung vergleichbarer Prinzipien im Strafrecht. Sie weist darauf hin, daß Prof. Dr. Jescheck, eine der am meisten anerkannten Autoritäten auf dem Gebiet des Internationalen Strafrechts, in Bochum Skepsis gegenüber dem Vorschlag zu erkennen gegeben hat, weil die europäischen Mitgliedstaaten in kultureller Hinsicht doch noch sehr unterschiedlich seien und daß deshalb durchaus zu bezwei-
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Parl. Staatssekretär Rainer Funkefein sei, daß man ein europäisches Strafrecht auch nur mittelfristig schaffen könne.
Die Bundesregierung teilt diese zurückhaltende Bewertung des Vorschlags, schon jetzt einen entsprechenden Musterentwurf zu erarbeiten.
Zusatzfrage, Herr Kollege Meyer.
Ist die Bundesregierung bereit, in ihren weiteren Überlegungen zu berücksichtigen, daß man in den USA mit dem Model Penal Code sehr gute Erfahrungen in dem Sinne gemacht hat, daß dieser Entwurf erstens ein Instrument zur Herstellung bis dahin teilweise geltender Rechtsübereinstimmung geworden ist und zweitens der Entwurf bei einzelstaatlichen Gesetzgebungen nicht einfach übernommen wurde, sondern wesentliche Anregungen für neue Gesetze gegeben hat?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Professor Meyer, natürlich müssen die Erfahrungen in den USA mitberücksichtigt werden. Aber ich glaube, daß die Verhältnisse in Europa und in den USA unterschiedlich sind. Wir haben hier in Europa unterschiedlich entwickelte Systeme, auch unterschiedliche kulturelle Situationen. Die Situation in den USA ist auf die europäischen Verhältnisse nicht ohne weiteres übertragbar.
Weitere Zusatzfrage.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß ein Musterstrafgesetzbuch mit der beschriebenen Funktion auch das Ziel verfolgen könnte, Straftatbestände, die nach Übereinstimmung fast aller Länder notwendig sind, die es aber in einzelnen Ländern nicht gibt, in die Diskussion zu bringen und z. B. den in der Bundesrepublik im Unterschied zu anderen Ländern Europas fehlenden Straftatbestand der Geldwäsche durchzusetzen?
Herr Staatssekretär.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Ich habe zunächst einmal deutlich gemacht, daß wir noch sehr zurückhaltend sind, was den Musterentwurf eines europäischen Strafgesetzbuches angeht. Sie wissen, was die Geldwäsche angeht, daß wir hier auf Grund internationaler Vereinbarungen versuchen, eine klare Regelung einzubringen. Sie wissen, daß dieses im Zusammenhang mit dem OrgKG, Gesetz gegen die organisierte Kriminalität, im Gespräch ist. Der Bundesrat hat hierzu beschlossen. Die Beschlüsse des Bundesrates sind der Bundesregierung zugegangen. Die Bundesregierung wird bis zum 26. Juli entsprechende Stellungnahmen abgeben.
Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer zur Beantwortung auf:
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, in dieser Richtung über den Europarat initiativ zu werden?
Zur Beantwortung hat der Parlamentarische Staatssekretär Funke das Wort.
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Professor Dr. Meyer, wir nehmen zunächst Bezug auf die Beantwortung der Frage, die Sie als erste gestellt haben. Die Bundesregierung betont allerdings ihre uneingeschränkte Bereitschaft, nach Kräften an europäischen Projekten, die dem Ziel der Rechtsvereinheitlichung dienen, mitzuarbeiten. Dies erfolgt schon seit langem in zahlreichen Ausschüssen und Unterausschüssen des Europarates sowie einer Vielzahl sonstiger europäischer Gremien, die durch Forschungskonferenzen, Kolloquien und sonstigen Erfahrungsaustausch die Meinungsbildung zwischen den europäischen Staaten gerade auch im Bereich des Strafrechts fördern.
Herr Professor Meyer, haben Sie eine Zusatzfrage?
Teilt also die Bundesregierung die Auffassung, daß der Europarat nach der Erfahrung der letzten Jahre das wichtigste Instrument zur Rechtsangleichung in Europa, jedenfalls auf dem Gebiet des Strafrechts, geworden ist, wie eine Vielzahl von Strafrechtskonventionen belegt?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Das ist im Prinzip richtig. Wir müssen natürlich auch nach vorne schauen, wie es in Zukunft sein wird. Ich glaube, daß auch die Gremien der Europäischen Gemeinschaft eine ganz entscheidende Rolle spielen; denn viele Straftatbestände z. B. im Bereich der Wirtschaft oder im Zusammenhang mit dem Weingesetz sind auch auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft relevant.
Weitere Zusatzfrage.
Gestatten Sie mir bitte, daß ich Ihnen mit folgender Frage mittelbar widerspreche: Sehen auch Sie es so, daß die zwölf Mitgliedstaaten der EG im Unterschied zu den 23 des Europarates gerade bei einem langfristigen Projekt wie einem Musterstrafgesetzbuch für Europa weniger an Perspektive, weniger auch an kultureller Verschiedenheit einbringen könnten als die viel weiter angelegte Institution der Staaten des Europarats?
Rainer Funke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Professor Dr. Meyer, unsere Meinungen gehen gar nicht auseinander. Ich habe lediglich deutlich gemacht, daß die Europäische Gemeinschaft für die Schaffung strafrechtlicher Normen genauso geeignet ist wie der Europarat. Es kann durchaus sein, daß der Europarat in der langfristigen Perspektive — zumal wir eine Ausweitung der Europäischen Gemeinschaft anstreben — durchaus geeignet ist, bei der Schaffung eines Musterstrafgesetzbuches mitzuwirken.
Wollen andere Kolleginnen oder Kollegen zu dieser Frage eine Zusatzfrage stellen? — Das ist nicht der Fall. Dann danke ich Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
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Vizepräsident Hans KleinZu den Fragen 13 und 14 hat unser Kollege Jörg van Essen um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen ist der Parlamentarische Staatssekretär Manfred Carstens erschienen.Ich rufe die Frage 15 des Abgeordneten Manfred Opel auf:Weshalb hat die Bundesregierung bisher steuerliche Anreize zur Anschaffung und zum Betrieb von Elektrofahrzeugen sowie von Solarmobilen nicht geschaffen?Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Opel, entgegen Ihrer Annahme werden Elektrofahrzeuge und Solarmobile kraftfahrzeugsteuerlich gefördert. Elektrofahrzeuge werden nach dem verkehrsrechtlich zulässigen Gesamtgewicht besteuert. Die Kraftfahrzeugsteuer ist für Elektrofahrzeuge auf 50 vom Hundert ermäßigt. Sie ist damit weit niedriger als bei vergleichbaren Fahrzeugen mit Benzin- oder Dieselmotoren.
Das Halten eines gewichtsbesteuerten Personenkraftwagens mit 1 800 kg Gesamtmasse wäre mit 198 DM Kraftfahrzeugsteuer belastet. Das Halten eines entsprechenden Elektrofahrzeugs ist mit nur 99 DM Jahressteuer belastet. Die Steuer für einen schadstoffarmen Personenkraftwagen vergleichbarer Größe ist zwei- bis dreimal so hoch; sie liegt also zwischen 198 und 297 DM.
Darüber hinaus besteht nach § 3 d des Kraftfahrzeugsteuergesetzes befristet bis zum 31. Juli 1991 eine weitere steuerliche Förderung für Elektropersonenkraftwagen. Diese Autos sind unabhängig von ihrer Größe und ihrem Gewicht für fünf Jahre und einen Monat von der Kraftfahrzeugsteuer insgesamt befreit.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Opel.
Herr Staatssekretär, plant die Bundesregierung, diese steuerlichen Präferenzen zu verlängern, und plant die Bundesregierung darüber hinaus, weitere steuerliche Maßnahmen dahin gehend zu treffen, daß sie die Förderung dadurch unterstützt, daß sie auf eine steuerliche Erhebung bei Elektrofahrzeugen insgesamt verzichtet?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir haben — um das noch einmal zu unterscheiden — bei den Elektrofahrzeugen und Solarmobilen eine Steuergesetzgebung, die nicht in Frage steht.
Was das Auslaufen der Besteuerung der Personenkraftfahrzeuge angeht, möchte ich sagen, daß diese Förderung seit dem 1. Juli 1985 besteht. Bei der Erörterung des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum Steueränderungsgesetz 1991 ist von keiner Seite die Verlängerung dieser Steuerbefreiung beantragt worden.
Die Bundesregierung plant — um auf Ihre Frage konkret zu antworten — diese Schritte nicht. Es bleibt aber Ihnen persönlich vorbehalten, durchaus eine Initiative zu starten.
Herr Kollege Opel, haben Sie eine zweite Zusatzfrage?
Ja, Herr Präsident, die habe ich. — Herr Staatssekretär, angesichts der Förderung der Windkraft und der Möglichkeit eines Zuschusses, wie wir ihn beispielsweise für den Einbau eines Katalysators teilweise gewährt haben, möchte ich fragen: Hält es die Bundesregierung nicht für sinnvoll, Elektro-Pkws, Solarmobile und ähnliches ebenfalls durch einen zusätzlichen Zuschuß in Zukunft zu fördern? — Ich darf zusätzlich noch bemerken — mit Erlaubnis des Präsidenten —, daß ich nach der Initiative der Bundesregierung gefragt hatte.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Opel, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie sich gerade nach einer neuen Subvention erkundigt haben. Ich sage das nur, um einmal deutlich zu machen, wie schnell es passieren kann, daß man auf der einen Seite Subventionsabbau fordert und auf der anderen Seite eine neue Subvention
initiieren möchte.
Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit grundsätzlich davon abgesehen, Förderungen über Zuschüsse vorzunehmen. Wenn wir in solchen Fällen überhaupt subventioniert haben, dann haben wir dies steuerlich getan. Dabei wird es grundsätzlich auch in Zukunft verbleiben, sicherlich auch in dieser Frage.
Ich sehe keinen Wunsch nach einer weiteren Zusatzfrage.Dann rufe ich die Frage 16 des Abgeordneten Karl Stockhausen auf:Ist die Bundesregierung bereit, unverzüglich eine gemischte Kommission aus Fachleuten des Bundes und der UdSSR zu bilden, um nach dem Abzug der Westgruppe der Roten Armee in den fünf neuen Bundesländern die erforderlichen Ermittlungen des Wertes der Einrichtungen und des verursachten Schadens im Umweltbereich anzustellen, ohne zu weiteren strittigen Fragen einen Anlaß zu bieten?Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort zur Beantwortung.Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stockhausen, die nach Art. 7 des Überleitungsabkommens vom 9. Oktober 1990 vorgesehene deutschsowjetische Kommission, die Bestand und Wert der mit sowjetischen Mitteln errichteten Bauten sowie Art und Weise der Verwertung dieser Vermögenswerte bestimmt und über mögliche Schadensersatzansprüche und andere Ansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung der Liegenschaften entschei-
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2282 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Parl. Staatssekretär Manfred Carstensdet, hat sich am 5. April 1991 eine Geschäftsordnung gegeben.Der Wert des sowjetischen Vermögens soll grundsätzlich zu Bedingungen des Marktes ermittelt werden. Nur soweit der Bund an der Übernahme der Bauten ein eigenes Interesse hat, wird der Wert nach den für Bundesbehörden geltenden Vorschriften ermittelt. Hierüber besteht grundsätzlich Einvernehmen mit der sowjetischen Seite. Erste Ausschreibungen zwecks Verwertung sowjetischer Vermögenswerte sind erfolgt; Ergebnisse liegen aber noch nicht vor.Dem Bundesministerium für Finanzen liegen noch keine genauen Erkenntnisse über den Gesamtbestand und den Wert der sowjetischen Bauten vor; die Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen. Die in der Frage genannte Größenordnung dürfte auf Schätzungen beruhen, die — ohne Rücksicht auf die Marktverhältnisse — aus den Baukosten abgeleitet sind.Zur Ermittlung des Schadensumfangs im Umweltbereich hat die Bundesregierung vor kurzem ein Projekt begonnen, wonach auf den sowjetisch genutzten Liegenschaften in den neuen Bundesländern Altlasten-Verdachtsflächen erfaßt, die von ihnen ausgehenden Gefahren beurteilt und die notwendigen Sanierungskosten grob geschätzt werden.Über die Verrechnung der Sanierungskosten für die Umweltschäden mit den sich aus der Verwertung sowjetischen Vermögens ergebenden Restwerten besteht mit der sowjetischen Seite noch kein Einvernehmen. Die deutsch-sowjetische Kommission führt dazu zur Zeit die notwendigen Verhandlungen.
Herr Kollege Stockhausen, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist eine Klausel eingebaut, die den Fall regelt, daß in der deutsch-sowjetischen Kommission keine Übereinstimmung erzielt wird?
Herr Staatssekretär.
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Eine Kommission ist dazu da, daß sie sich einigt. Wir sind auf Grund der ersten Gespräche guter Dinge, daß wir uns einigen. Dazu wird es auch kommen müssen.
Weitere Zusatzfrage.
Sie haben also angesichts des jetzigen Verfahrens nicht die Befürchtung, daß in einigen Jahren, im Jahre 1994, wenn die sowjetischen Streitkräfte abgezogen sind und wenn die Ergebnisse der Schadens- und Wertermittlungen feststehen, von der einen oder von der anderen Seite noch Forderungen erhoben werden?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir werden uns nach bestem Wissen und Gewissen bemühen, zu so klaren Abschlüssen zu kommen, daß das nicht passieren wird.
Was im Verlauf zukünftiger Jahre irgendwann noch passieren kann, kann man im voraus nicht wissen. Aber wir haben sichergestellt, daß nach Marktwerten verrechnet wird. Da, wo Bundesbauten direkt eingebracht werden sollen, gibt es bestimmte Verfahrensordnungen, die wir auch einsetzen. Wir werden die Schäden, so gut es geht, konkret feststellen und müssen mit den Sowjets noch zu einer Vereinbarung darüber kommen. Leicht wird es nicht sein, diese Verhandlungen abzuschließen, aber wir sind guter Dinge, daß wir es schaffen.
Zusatzfrage des Abgeordneten Ludwig Stiegler.
Herr Staatssekretär, mittelbar dazu: Werden die Umweltschäden, die auf den Liegenschaften entstanden sind, die die US-Streitkräfte verlassen, in vergleichbarer Weise erfaßt, und gibt es auch hierüber schon Erkenntnisse?
Herr Kollege Stiegler, Sie können eine Zusatzfrage nur zu dieser Frage stellen.
— Nein, das ist nicht zu dieser Frage.
— Entschuldigung, Herr Kollege Stiegler! Dies widerspricht den Usancen dieses Hauses und unserem Regelwerk. Sie wissen genau: Wir sprechen über den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, und die Frage richtet sich ausschließlich auf die Hinterlassenschaften der sowjetischen Truppen.
— Entschuldigung, zuständig, was die Finanzen betrifft, wäre das Finanzministerium für alle Fragen, die in diesem Parlament behandelt werden können. Wir wollen uns darüber nicht streiten.Wenn Sie an geeigneter Stelle eine Zusatzfrage stellen, ist das in Ordnung. Aber diese Stelle war ungeeignet.
Die Fragestellerin der Frage 17, die Kollegin Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink, ist nicht im Saal. Mit der Frage wird entsprechend der Geschäftsordnung verfahren.Der Fragesteller der Fragen 18 und 19, der Kollege Michael von Schmude, hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Ich rufe die Frage 20 der Frau Abgeordneten Susanne Kastner auf:Seit wann hat die Bundesregierung Kenntnisse von den in einem Bericht des Pentagon aufgeführten Umweltschädigungen auf Standorten der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, und was wurde zum Schutz der Bevölkerung und zum Schutz von Natur und Umwelt in jedem Fall von der Bundesregierung unternommen?Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2283
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Kastner, ein derartiger „Bericht des Pentagon" ist der Bundesregierung nicht bekannt.Ihr liegt jedoch seit August 1990 eine Stellungnahme des Hauptquartiers der US-Armee in Europa vor, wonach die US-Armee 358 Einzelfälle ermittelt hat, in denen teils nachweislich, teils vermutlich Altlasten auf überlassenen Liegenschaften bestehen.Dabei handelt es sich im wesentlichen um drei Fallgruppen. Zum einen sind in den vergangenen 45 Jahren in etlichen Fällen Kraft- und Schmierstoffe verschüttet worden. Zum anderen ist es beim Betrieb chemischer Reinigungen zu Bodenverschmutzungen durch chlorierte Kohlenwasserstoffe gekommen. Schließlich müssen in einigen Fällen zum Teil bereits geschlossene Mülldeponien darauf untersucht werden, ob von ihnen Gefahren ausgehen.In den Fällen, in denen eine Gefahrenlage z. B. für das Grundwasser besteht, haben die US-Streitkräfte auf ihre Kosten und unter Beteiligung der deutschen Fachbehörden Abhilfemaßnahmen eingeleitet.Die US-Streitkräfte schätzen die Gesamtkosten auf 162 Millionen Dollar. 26 der 358 Einzelfälle haben insofern besonderes Gewicht, als die Sanierungskosten pro Fall auf mehr als 1 Million Dollar geschätzt werden.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, ist das Finanzministerium bereit, mir die Liste dieser Standorte zuzuleiten, weil bekannt ist, daß z. B. in Wildflekken Grundwassergefährdungen durch die Mülldeponie der Amerikaner vorhanden sind, bei der es zwar zu einem Planfeststellungsverfahren, aber bis zum heutigen Tag nicht zu einer Sanierung kam?
Herr Staatssekretär.
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich schlage vor, seitens der Bundesregierung so zu verfahren, daß wir den Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestags über die Altlastenfälle unterrichten. Ich sage Ihnen gern zu, daß ich Ihnen bei dieser Gelegenheit den Bericht direkt gebe.
Weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin? — Nein.
Herr Kollege Stiegler, jetzt ist die richtige Stelle.
Herr Präsident, wer zu früh kommt, den bestraft das Leben oder der Präsident.
Von Strafe kann keine Rede sein; das wissen Sie.
Herr Staatssekretär, gibt es denn auch gegenüber den US-Streitkräften gemischte Kommissionen, also nicht nur einseitige Einrichtungen der US-Seite, sondern deutsch-amerikanische Kommissionen, die jetzt eine umfassende Bestandsaufnahme der Liegenschaften und deren Untersuchung auf Umweltschäden vornehmen, oder werden Sie demnächst so etwas einleiten?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir haben mit den Streitkräften der Vereinigten Staaten in der Vergangenheit Verfahren entwickelt, die sich bewährt haben;
und nach diesen Verfahren werden auch diese Fälle abgewickelt.
Nächste Zusatzfrage, der Abgeordnete Schily.
Herr Staatssekretär, kann man davon ausgehen, daß diese Verfahren — die Sie vielleicht gütigerweise etwas näher beschreiben — deshalb nicht gut funktioniert haben, weil Sie nicht frühzeitig auf diese Schäden aufmerksam geworden sind?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich habe darauf hingewiesen, daß wir Informationen haben. Ich habe nur festgestellt, daß uns dieser in der Frage angesprochene Bericht nicht vorgelegen hat. Wir haben aber die Regierung der Vereinigten Staaten gebeten, uns mitzuteilen, ob dort Informationen bekannt sind, die über das hinausgehen, was man uns bislang mitgeteilt hat. Wir können uns bislang nicht beklagen, daß es irgend etwas an Verheimlichungen gegeben haben könnte. Das lief in der Vergangenheit alles recht reibungslos.
Die nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Sielaff.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, welche Gründe dafür sprechen, daß Sie diesen von Frau Kastner eben erwarteten oder erhofften Bericht über die Schäden nur im Verteidigungsausschuß geben wollen? Wollen Sie damit diese Ergebnisse geheimhalten?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Es ist doch eine übliche Gepflogenheit, die zuständigen Ausschüsse entsprechend zu informieren. Damit ist dann gewährleistet, daß das Parlament, wenn Sie so wollen, informiert ist. Das ist keine Ausnahmeregelung, sondern ein übliches Verfahren.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schäfer.
Herr Staatssekretär, ist das Umweltbundesamt oder sind andere nachgeordnete Behörden des Umweltministeriums bei der Feststellung und bei der Bewertung der Umweltschäden und Gefahren durch die US-Streitkräfte beteiligt?Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Dadurch, daß die US-Armee die deutschen Fachbehörden beteiligt, ist sichergestellt, daß die zur Gefahrenabwehr
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2284 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Parl. Staatssekretär Manfred Carstensnach deutschem Recht erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Jungmann.
Herr Staatssekretär, verstehe ich Sie richtig, wenn Sie sagen, im Rahmen der Maßnahmen nach deutschem Recht werden die Liegenschaften altlastenfrei gemacht, und erst dann werden sie durch die Bundesvermögensverwaltung zum Kauf oder zur Nutzung angeboten?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Das kann man nicht pauschal für alle Fälle beantworten, sondern es ist sicherlich auch eine Frage von Einzelentscheidungen. Denn es wird jeweils auch darauf ankommen, zu welchen Leistungen z. B. Kommunen sich selbst imstande sehen.
Wenn sie mit uns eine vertragliche Regelung herbeiführen können, die ihnen genehmer ist, dann ist das
eine Verhandlungssache. Aber was hier zur Auskunft ansteht, ist die Bewältigung der Altlasten und die Übernahme der Kosten. Das ist klar geregelt, da gibt es keine Probleme; das zahlen die Vereinigten Staaten, wie ich es eben gesagt habe.
Frau Kollegin Zapf, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben von bewährten Verfahren der Informationen zwischen den Amerikanern und Deutschen in dieser Frage gesprochen. Ich frage Sie: Auf welcher Ebene findet dieser Informationsaustausch statt, und ist es richtig, daß z. B. Landkreise und Kommunen vor Ort Schwierigkeiten haben, überhaupt die Liegenschaften besichtigen zu können, geschweige denn z. B. Untersuchungen anstellen zu können?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, ob Sie sich auf irgendeinen Einzelfall beziehen, aber prinzipiell haben wir damit in der Vergangenheit keine Schwierigkeiten gehabt. Es gab nicht nur einmal, sondern des öfteren Einzelfälle, die auch im Parlament behandelt wurden, und die wurden, so gut es ging, abgewickelt.
Frau Kollegin Kastner, meine Zeichensprache sollte nur die Frage darstellen, ob Sie gern vor dem Kollegen Dr. Janzen das Wort wünschen, oder ob Sie ihn vorlassen möchten. — Dann bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn ich die beiden Fragen vergleiche, die Sie zu den sowjetischen und amerikanischen Liegenschaften beantwortet haben, kann ich davon ausgehen, daß Sie mit den Partnern Sowjetunion und USA unterschiedliche Verhandlungsmethoden anlegen?
Manfred Carstens, Parl Staatssekretär: Das ergibt sich einfach aus den Erfahrungswerten der vergangenen Jahrzehnte. Wir haben nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern auch mit den Ländern Großbritannien und Frankreich über die letzten Jahrzehnte Einzelfälle geregelt. Da hat sich ein bewährtes Verfahren entwickelt.
Mit der Sowjetunion ging es nun darum, in einer Kommission eine Gesamtregelung für die Gesamtproblematik aus dem Aufenthalts- und Abzugsvertrag zu finden. Das ist doch nichts Außergewöhnliches.
Frau Kollegin Kastner, Ihre zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Bezug nehmend auf die Frage der Kollegin Zapf: Ist Ihnen bekannt, daß sich im Landkreis Bad Kissingen, im Wassereinzugsgebiet des Landkreises, ein Munitionsdepot der Amerikaner befindet, und ist Ihnen auch bekannt, daß zur Bestandsaufnahme und zur eventuellen Sanierung gerade dieses Wassereinzugsgebietes den zuständigen Behörden der Zugang von seiten der Amerikaner zu diesem Munitionsdepot verwehrt wurde?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich weiß über den Einzelfall Diesbezügliches nicht zu bestätigen. Aber ich bin gern bereit, dieser Sache nachzugehen.
Herr Kollege Stiegler, zwei Zusatzfragen hat der Fragesteller, eine Zusatzfrage — —
— Sie haben zu dieser Frage eine — —
— Wir sind noch bei der ersten. — Herr Kollege Schily, wollten Sie noch eine Zusatzfrage stellen?
— Nein.Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit ist die Fragerunde für die Frage 20 abgeschlossen. Frau Kollegin Kastner hat ihre zwei Zusatzfragen gestellt, alle anderen haben je eine Zusatzfrage gestellt.Jetzt kommen wir zur Frage 21, ebenfalls von Frau Kollegin Kastner:Wie beurteilt die Bundesregierung die jetzt von „Monitor" bekanntgemachten Schädigungen des Bodens und des Grundwassers auf Standorten der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland, und welche Maßnahmen hält sie für erforderlich, um die bisher der Öffentlichkeit gegenüber verheimlichten Boden- und Grundwasserverseuchungen auf ca. 350 Standorten zu sanieren?Das Wort zur Beantwortung hat der Parlamentarische Staatssekretär Carstens.Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Prinzipiell— dabei werden Sie mit mir übereinstimmen — habe ich die Frage schon beantwortet. Aber um noch einmal auf den Punkt zu kommen, möchte ich die vorgesehene Antwort einbringen. Verschiedene der genannten Altlasten waren schon in der Vergangenheit Gegenstand von Presseberichten und Antworten der Bundesregierung auf Fragen von Abgeordneten des
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2285
Parl. Staatssekretär Manfred CarstensDeutschen Bundestages. Dadurch, daß die US-Armee die deutschen Fachbehörden beteiligt, ist sichergestellt, daß die zur Gefahrenabwehr nach deutschem Recht erforderlichen Maßnahmen getroffen werden.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Kastner.
Herr Staatssekretär, ich würde Sie herzlich bitten, auf die Maßnahmen konkret in einzelnen Punkten noch einmal einzugehen, da sich meine Frage auf die verheimlichten Boden- und Grundwasserverseuchungen bezog. Vielleicht — das ist meine Bitte — könnten Sie noch einmal detailliert auf einige Maßnahmen eingehen.
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich hatte bei einer der vorangegangenen Fragen gesagt, daß uns seitens der Vereinigten Staaten Informationen vorliegen und daß ich nicht das bestätigen kann, was Sie aus dem Bericht von „Monitor" angesprochen haben. Insofern bin ich auch nicht imstande, auf einzelne Fragen hierzu zu antworten. Wir haben die Vereinigten Staaten gebeten, uns für den Fall, daß es weitere Informationen gibt, diese mitzuteilen. Uns liegen aber keine weiteren Informationen vor. Insofern kann ich auch zu dem Bericht von „Monitor" nichts sagen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihnen ist sicherlich bekannt, daß in der Liste der amerikanischen Behörden ein Sanierungsbedarf aufgezeigt ist, der, beziffert in US-Dollar, in Einzelprojekten genau definiert ist. Ist Ihnen bekannt, daß die Zahlen, die bekanntgeworden sind, weit unter dem tatsächlichen Bedarf liegen? Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, den tatsächlichen Bedarf für die Sanierungen mitzufinanzieren?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Mitfinanzierung der Maßnahmen steht ja gar nicht an. Die Vereinigten Staaten, also die US-Streitkräfte, haben die Kosten zu tragen. Die US-Streitkräfte schätzen die Gesamtkosten auf 162 Millionen Dollar. Die Fachbehörden sind dabei — das habe ich eben zum Ausdruck gebracht — und werden es betreuen und begleiten. Falls es zu Mehrkosten kommt, werden die US-Streitkräfte mehr bezahlen müssen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ludwig Stiegler.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung dafür eintreten, daß z. B. an der Liegenschaft Truppenübungsplatz Grafenwöhr eine umfassende, und zwar bilaterale, Bestandsaufnahme der Umwelt, insbesondere der Grundwassergefahren, gemacht wird und daß für Grafenwöhr endlich ein gemeinsamer Sanierungsplan verabschiedet wird?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Wir werden dafür sorgen, daß die Gefahrenabwehr nach deutschem Recht erfolgt — mit den erforderlichen Maßnahmen. Da gibt es gar keinen Zweifel.
Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine eigene Einschätzung von Art, Umfang und Kosten der notwendigen Sanierungsmaßnahmen? Denn die Annahme liegt ja nicht ganz fern, daß der zur Zahlung Verpflichtete die notwendigen Kosten vielleicht etwas niedriger einschätzt, als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schily, ich habe mich auf die Einschätzung der US-Streitkräfte bezogen. Ich möchte dabei auch bleiben, aber noch einmal wiederholen, daß die Fachbehörden bei der Bewältigung der Einzelmaßnahmen jeweils dabei sind — und dies in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen — , festzustellen, was jede einzelne Problematik kostet. Dann wird zum Schluß festgestellt, wie hoch die Kosten tatsächlich gewesen sind.
Zusatzfrage, Herr Kollege Sielaff.
Herr Staatssekretär, Sie sagten eben in bezug auf die „Monitor"-Sendung, daß die deutschen Behörden informiert gewesen seien. Können Sie mir mitteilen, wann und in welcher Form die Bundesregierung das Parlament oder irgendeinen Ausschuß über diese ja nicht unwichtigen Probleme informiert hat?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich habe genau andersherum argumentiert, als Sie es jetzt zum Ausdruck gebracht haben. Ich habe gesagt: Ein derartiger Bericht des Pentagon ist der Bundesregierung nicht bekannt. Aber wir haben schon lange Zeit vorher derartige Informationen aus der US-Armee gehabt,
und zwar über 358 Einzelfälle.
Herr Kollege, Sie können nur eine Zusatzfrage stellen und keinen Dialog hier führen.
Ich bitte die Regie, das Mikrophon, wenn die Frage beantwortet ist, abzustellen.
Die nächste Zusatzfrage hat der Abgeordnete Erler.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung über das Ausmaß und die Qualität der jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgewordenen Schäden nicht besorgt ist und daß sich dieser Zustand des Nichtbesorgtseins darin begründet, daß deutsche Fachbehörden von der amerikanischen Seite bei der Beurteilung
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2286 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Gernot Erlerund der Abschätzung der Schäden beteiligt werden?Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Ich kann gar nicht nachvollziehen, wie Sie dazu kommen, diese Bewertung in Ihre Frage einzubringen. Ich habe zum Ausdruck gebracht, daß wir seit August 1990 eine Stellungnahme des Hauptquartiers der US-Armee in Europa vorliegen haben, daß die US-Streitkräfte die Schäden beheben müssen und daß unsere Fachbehörden eingeschaltet sind. Was wollen wir denn mehr?
— Selbstverständlich sind wir besorgt. Wenn die Umwelt irgendwo beschädigt ist, wenn irgendwo Altlasten sind, legen wir allergrößten Wert darauf, daß diese Altlasten beseitigt werden. Was ich hier vorgetragen habe, ist doch lediglich der Hinweis darauf, daß in jedem Einzelfall eingeschritten und dafür gesorgt wird, daß die Altlasten beseitigt werden.
Nächste Zusatzfrage, Frau Kollegin Zapf.
Herr Staatssekretär, was die Kosten der Sanierung betrifft, möchte ich fragen: Befürchtet die Bundesregierung nicht, daß, wenn die Kosten wesentlich über dem Veranschlagten — sagen wir einmal: 50 % darüber — liegen, möglicherweise Sanierungsmaßnahmen überhaupt unterbleiben? Gibt es eine Möglichkeit, auf die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen Ihrerseits Einfluß zu nehmen?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: Die Rechtslage ist klar: Wenn Schäden festgestellt werden, haben die US-Streitkräfte sie zu beseitigen. Da gibt es nichts zu befürchten. Wir müssen nur dafür sorgen, daß das schnellstmöglich geschieht. Dafür werden wir sorgen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Jungmann.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die vorhergehende Frage geantwortet, es sei sichergestellt, daß deutsche Fachbehörden eingeschaltet sind. Bedeutet das auch, daß deutsche Fachbehörden uneingeschränkt Zugang zu allen amerikanischen Liegenschaften haben und überprüfen können, welche Umweltschäden in diesen Liegenschaften vorhanden sind?
Manfred Carstens, Parl. Staatssekretär: In der Vergangenheit haben wir diesbezügliche Schwierigkeiten nicht gehabt.
Ich vermag nicht auszumachen, daß das in Zukunft Probleme geben könnte.
Werden zu dieser Frage weitere Zusatzfragen gestellt?
— Natürlich im Rahmen unserer geschäftsordnungsmäßigen Regeln, Herr Kollege Jungmann.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich danke Ihnen für die Beantwortung. Der Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen ist damit erledigt, denn der Kollege Ferdi Tillmann, der die nächsten beiden Fragen gestellt hat, ist offensichtlich nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Herr Kollege Simon Wittmann hat um schriftliche Beantwortung gebeten. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Uns stehen noch gut zwei Minuten Zeit zur Verfügung.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Horst Günther anwesend.
Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Ludwig Stiegler auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsstellung der geistig behinderten Menschen in den Werkstätten für Behinderte, und was wird sie unternehmen, um ihnen einen gesicherten rechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Status zu verschaffen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, vielleicht bekommen wir wenigstens die erste Antwort im Rahmen der Zeit noch über die Bühne.
Herr Präsident, ich wäre dankbar, wenn Herr Kollege Stiegler zustimmen würde, daß ich die Fragen 25 und 26 gemeinsam beantworten darf.
Dann rufe ich noch die Frage 26 des Abgeordneten Ludwig Stiegler auf:Wie beurteilt die Bundesregierung die Frage der Entgelte in den Werkstätten für Behinderte, und was wird sie unternehmen, um sicherzustellen, daß die Entgelte erheblich verbessert werden?Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, der Anteil geistig behinderter Menschen in den Werkstätten für Behinderte beträgt durchschnittlich 85 % der Gesamtzahl der dort Tätigen. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Arbeitsgruppe hat sich eingehend mit der Rechtsstellung der Behinderten, dabei insbesondere der geistig Behinderten, in Werkstätten für Behinderte beschäftigt und Verbesserungsvorschläge entwickelt. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche Arbeitnehmerschutzrechte und welche Arbeitnehmerrechte den Behinderten, die keinen Arbeitnehmerstatus haben und diesen auch nicht erlangen können, eingeräumt werden.Die Entlohnung der Behinderten in den Werkstätten für Behinderte wird von den Betroffenen und auch den Trägern und Trägerorganisationen der Werkstätten schon seit längerem als sehr unbefriedigend empfunden. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Behinderte beträgt die Ent-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2287
Parl. Staatssekretär Horst Güntherlohnung bundesdurchschnittlich seit Jahren monatlich 220 DM. Eine weitere, beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eingerichtete Arbeitsgruppe hat auch diese Problematik eingehend erörtert. Der Abschlußbericht dieser Arbeitsgruppe liegt vor. Die darin enthaltenen Lösungsansätze betreffen in erster Linie aber das Sozialhilferecht.Die in den Arbeitsgruppen „Rechtsstellung" und „Entlohnung" erarbeiteten Verbesserungsvorschläge werden jetzt in die Beratungen zur Erstellung eines Sozialgesetzbuchs IX über die Eingliederung Behinderter, das für diese Legislaturperiode geplant ist, einfließen. Die Ergebnisse sind im übrigen dem Beirat für die Rehabilitation Schwerbehinderter übersandt worden. Wir erwarten jetzt dessen Stellungnahme und werden die Beratungen dann weiterführen.
Meine Damen und Herren, eigentlich ist die Zeit für die Fragestunde jetzt zu Ende, aber ich bin der Meinung, daß wir jetzt nicht einfach mit der Beantwortung durch die Bundesregierung aufhören können. Ich schlage also vor, daß Kollege Stiegler die vier ihm zustehenden Zusatzfragen noch stellen kann. Wenn Sie damit einverstanden sind, möchte ich die Zusatzfrage der Kollegin Enkelmann auch noch zulassen. Lassen wir es bei diesen fünf Fragen bewenden, damit wir die Zeit nicht zu sehr überschreiten.
Herr Kollege Stiegler, Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, meine Frage hatte zwei Teile. Zum einen habe ich nach der Problemsicht gefragt, wozu Sie schon Ausführungen gemacht haben. Ich habe aber zum anderen gefragt, was die Bundesregierung zu unternehmen gedenkt, um Abhilfe zu schaffen, und zwar nicht erst morgen und übermorgen, sondern möglichst bald. Sie wissen so gut wie ich, wie lange der betroffene Personenkreis schon darauf wartet.
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, ich hatte gesagt, daß noch in dieser Legislaturperiode, auch wenn Ihnen das als weit gegriffen erscheint, entsprechend vorgegangen werden soll. Die ausgearbeiteten Lösungsansätze liegen jetzt erst vor. Einige andere Arbeitsgruppen haben ihre Lösungsvorschläge noch nicht eingereicht. Wir werden aber dafür sorgen, daß zügig vorgegangen wird, wenn alle vorliegen, und dann die entsprechenden Entwürfe für ein Gesetzgebungsvorhaben erstellen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, alle diese Einrichtungen werden ja auch gefördert. Wäre es nicht möglich, einen Teil der Statussicherung schon vor der Fertigstellung des Sozialgesetzbuchs dadurch zu erreichen, daß die Bewilligungsbescheide für Förderung z. B. mit der Auflage versehen werden, den Behinderten einen Status zu geben, der, was den Arbeitsschutz kollektiv und individuell betrifft, dem eines Arbeitnehmers gleichkommt?
Herr Staatssekretär.
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Kollege Stiegler, dies werden wir sorgfältig prüfen, wenn alle Arbeitsergebnisse vorliegen. Damit ist in Kürze zu rechnen. Wir werden dann auf diese Frage zurückkommen.
Dritte Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben bemerkt, daß die Sozialhilfearbeiten am weitesten fortgeschritten sind. Was wird unternommen, uni wenigstens die Anpassung der Entgelte sehr rasch zu erreichen?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Das wird in dem gleichen Zeitraum mit beraten. Sie wissen aber, daß wir hier Abstimmungsbedarf zwischen den einzelnen Bundesressorts haben. Diese Abstimmung ist im Gange. Ich bin in der Lage, Ihnen unsere Lösungsvorschläge seitens des BMA zur Verfügung zu stellen.
: Hier gibt es den
Wunsch nach einer Zusatzfrage!)
Frau Kollegin Enkelmann.
Herr Präsident, ich bedanke mich für Ihr Entgegenkommen. — Meine Frage an Sie, Herr Staatssekretär, lautet: Warum erhalten die Menschen mit Behinderungen keine Arbeitsverträge, wie es in den geschützten Werkstätten der Betriebe in der ehemaligen DDR der Fall war? Das würde eine arbeitsrechtliche Sicherung z. B. vor allen Dingen für den Fall der Arbeitslosigkeit bedeuten.
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Wir haben diese Menschen bisher mit einem Sonderstatus versehen. Ich habe schon ausgeführt, daß wir prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, eine entsprechende Statusänderung vorzunehmen. Wir sind gerade dabei, dies zu tun. Wir werden in Kürze, wenn die Arbeiten abgeschlossen sind, auch darauf zurückkommen. Das schließt all das ein, was Sie vorgetragen haben.
Da der Kollege Stiegler nur drei Fragen gestellt hat und Fragen und Antworten relativ kurz waren, Frau Kollegin Schmidt-Zadel, bleibt kein Wunsch mehr offen. — Bitte.
Danke schön, Herr Präsident, für das Entgegenkommen. — Herr Staatssekretär, ist im Rahmen der Veränderungen und Verbesserungen vorgesehen, den Behinderten in den Werkstätten den Zusatzurlaub zu gewähren, den Behinderte, die im allgemeinen Arbeitsleben beschäftigt sind, schon heute haben?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Dies ist konkret nicht vorgesehen, aber ich nehme diese Anregung gerne mit. Wir werden das prüfen.
Damit sind wir mit der geringfügigen Zeitüberschreitung von 3 Minuten und 55 Sekunden am Ende der Fragestunde. Ich bedanke mich bei dem Herrn Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der letzten Fragen.
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2288 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Vizepräsident Hans KleinIch rufe jetzt Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:Aktuelle StundeBekämpfung des Treibhauseffektes durch die Bundesrepublik Deutschland — Einsetzung des Nationalen Komitees zur Vorbereitung der Konferenz „Umwelt und Entwicklung" durch den BundeskanzlerDie Fraktion der CDU/CSU hat eine Aktuelle Stunde zu dem erwähnten Thema verlangt.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Peter Paziorek.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Krieg am Golf hat uns in erschreckender Weise vor Augen geführt, daß es in unserer heutigen Welt keine isolierten Umweltgefahren gibt und daß es damit kaum noch isolierte Problemlösungen geben darf. Globale Umweltprobleme wie z. B. die Veränderung des Klimas, die Bedrohung der Wälder, die Verschlechterung der Boden- und Wasserqualitäten erfordern international gemeinsames Handeln in weltweiter Umweltpartnerschaft.
Der Bundeskanzler hat auf mehreren internationalen Konferenzen mit großem persönlichen Engagement gefordert, internationale Vereinbarungen zum Schutz des Erdklimas abzuschließen. Somit ist es nur zu begrüßen, daß die UNO für 1992 eine zweite Umweltkonferenz nach Brasilien einberufen hat, um Strategien und Maßnahmen zu entwickeln, mit denen der weltweiten Umweltzerstörung entgegengetreten werden kann.
Unsere Zielvorstellung für die Konferenz in Brasilien ist die Verabschiedung einer Weltklimakonvention und einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung zur Verringerung der CO2-Emissionen. Nur durch ein abgestimmtes internationales Vorgehen werden wir die Entwicklung hin zum Treibhausklima stoppen können.
Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt die Initiative des Bundeskanzlers und der Bundesregierung in der vergangenen Woche, ein Nationales Komitee zur Vorbereitung auf diese Konferenz unter Vorsitz des Bundesumweltministers Professor Töpfer zu berufen. Dadurch wird deutlich, daß die Regierung alles in ihrer Kraft Stehende unternehmen wird, diese Konferenz in Brasilien zu einem vollen Erfolg zu machen.
Die Umweltpolitik war nämlich schon immer Schwerpunkt der Arbeit dieser Regierungskoalition. Wir haben die weltweite Reduzierung von FCKW international mit auf den Weg gebracht.
Wir haben durch unsere Politik in vielen Bereichen die strengsten Umweltgesetze der Welt.
Wir nehmen in der Umwelttechnik eine anerkannte Spitzenposition ein.
Mit den Beschlüssen der Bundesregierung vom 13. Juni und 7. November 1990 zur Verminderung der energiebedingten CO2-Emissionen sind unsere Zielvorstellungen klar umrissen worden. Bis zum Jahr 2005 wollen wir den CO2-Ausstoß in Deutschland nachhaltig reduzieren, und zwar um 25 bis 30 % . Das bedeutet Energiesparen auf allen Stufen der Energieversorgung und bessere Technik zum Schutz von Umwelt und Ressourcen. Wir setzen dabei auf den verstärkten Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung, auf den Einsatz moderner Kraftwerkstechniken, auf eine Verbesserung des Wärmeschutzes im Gebäudebereich, auf den Einsatz effizienter Heizungstechniken und Haushaltsgeräte, auf eine grundlegende Umstrukturierung im Verkehrsbereich,
auf die verstärkte Förderung erneuerbarer Energien und auf ein breites Umweltbewußtsein und das Verständnis aller Bürger für dieses integrierte Gesamtkonzept zum Schutz der Erdatmosphäre. Die geplante CO2-Abgabe soll deutliche Anreize für eine solche Politik geben.
Natürlich läßt sich der Treibhauseffekt ohne weltweit abgestimmte Maßnahmen nicht wirksam eindämmen. Die CDU/CSU-Fraktion denkt auch nicht an einen nationalen Alleingang. Wir begrüßen aber, daß die Bundesregierung die Strategie einer beispielhaften Vorreiterrolle eingeschlagen hat, die ein gemeinsames Vorgehen in Europa zum Ziel hat.
Wir fordern die Opposition auf — ganz besonders auch Sie, Herr Schäfer — , sich in dieser wichtigen Frage nicht zu verweigern — Sie haben ja gerade gesagt: Wir danken der Regierung — , sondern den Konsens mit der Regierungskoalition zu suchen. Wenn ich Ihre Rede vom 3. Juni nachlese, habe ich das Gefühl: Konkretes ist Ihnen zum Abbau der CO2-Emissionen noch nicht eingefallen.
Aber was noch nicht ist, Herr Schäfer, kann ja noch werden.
Deshalb zum Schluß unsere Aufforderung an die SPD: Machen Sie mit bei der Umsetzung unseres ehrgeizigen Zieles zur Verringerung des CO2-Ausstoßes.
Das wird ein wichtiger Beitrag Deutschlands zum Schutz des Erdklimas sein. Wir sollten gemeinsam größtes Interesse daran haben, daß die Konferenz in Brasilien für alle Länder der Welt ein großer Erfolg wird und dadurch der Frieden mit der Schöpfung wiederhergestellt werden kann.
Herr Abgeordneter Harald Schäfer, Sie haben das Wort.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2289
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wenn wir über die neue Rolle und die gewachsene Verantwortung des vereinten Deutschlands in der Welt reden, muß unser Beitrag zu einer nachhaltigen umweltverträglichen Entwicklung im Mittelpunkt stehen, nicht die Frage möglicher Bundeswehreinsätze außerhalb des NATO-Gebiets. Unser Beitrag zur Konfliktbewältigung darf nicht die Frage verdrängen,
was wir vorbeugend zur Konfliktvermeidung tun können. Die schwierige Aufgabe, die Teilung durch Teilen zu überwinden, stellt sich nicht nur national. Sie stellt sich in viel dramatischerer Form auch global. Der Westen muß mit dem Osten teilen, der Norden mit dem Süden. Weil das ökologische Schicksal dieses Planeten nicht teilbar ist, ist es auch das wirtschaftliche, das ökonomische nicht. Nicht nur moralische und ethische Gesichtspunkte, meine Damen und Herren, sondern auch Gründe der ökologisch-ökonomischen Vernunft erzwingen das weltweite Gespräch darüber, wie der Anspruch aller Menschen und Völker auf wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt mit den immer deutlicher werdenden ökologischen Belastungsgrenzen vereinbart werden kann.
Gerade das Problem des Treibhauseffekts zeigt: Nur wenn die Industrieländer, nur wenn wir unsere Form des Produzierens und Konsumierens radikal verändern, ist das Problem lösbar.
Ein Fünftel der Weltbevölkerung verursacht vier Fünftel der umwelt- und klimaschädlichen Emissionen. Eine Übertragung unseres Wohlstandsmodells auf die übrigen Weltregionen würde unmittelbar zum ökologischen Zusammenbruch führen.
Es ist deshalb auch ungerecht, meine Damen und Herren, wenn wir mit dem Finger auf die Länder zeigen sollten, die ihre tropischen Wälder abholzen, wir aber unseren extrem hohen Energieverbrauch und die damit verbundenen klimaschädlichen Emissionen weiter steigern. Die Industrieländer müssen zunächst vor ihrer eigenen Haustür kehren. Das ist die erste Aufgabe, die erste Herausforderung, die sich uns stellt, wenn wir über die UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung" sprechen.
Ohne substantielle Vorleistungen der Industrieländer ist die UN-Konferenz zum Scheitern verurteilt. Die bisherige Bereitschaft der Industrieländer, die klimaschädlichen CO2-Emissionen zu reduzieren, gibt wenig Anlaß zu Hoffnungen. Dies gilt für die USA, aber auch für die EG.
Die Bundesregierung, Herr Minister Töpfer, hat zugegebenermaßen einen mutigen und international vorbildlichen Beschluß gefaßt, wenn es darum geht, bis zum Jahre 2005 die CO2-Emissionen um 25 bis 30 % zu verringern.
Aber sie hat bisher nicht eine einzige Maßnahme zur Umsetzung dieses Beschlusses ergriffen.
Das Gegenteil ist der Fall: Die CO2-Emissionen nehmen auch in der Bundesrepublik in dramatischer Weise zu. Deswegen gilt auch hier: Anspruch und reale politische Handlungen stehen sich diametral entgegen. Das ist der Tatbestand, meine Damen und Herren, den wir hier beklagen müssen.
— Benutzen Sie doch den Kopf statt des Kehlkopfes.
Die Reform des Energiewirtschaftsrechtes steht ebenso aus wie die ökologisch begründete Verteuerung des Eneregieverbrauchs. Wir fordern seit Jahren
— Anträge liegen vor — ein Crash-Programm zur Förderung erneuerbarer Energieträger und zur rationellen Energieverwendung und Energieeinsparung. Sie aber schauen tatenlos zu, wie der Energieverbrauch auch bei uns in der Bundesrepublik, in der alten und in der neuen, geeinten Bundesrepublik, weiter steigt.
Während Mensch und Umwelt am wachsenden Autoverkehr zu ersticken drohen, fällt Ihnen nichts anderes und nichts Besseres ein, als neue Straßen zu bauen und damit neuen Autoverkehr zu erzeugen.
Entgegen Ihren verbalen Bekundungen, auch entgegen der Rede meines Vorredners haben Sie noch keine Wende zu einer nachhaltigen, ressourcenschonenden Art des Wirtschaftens eingeleitet.
Wir Sozialdemokraten wollen, daß die UN-Umweltkonferenz ein Erfolg wird.
Wir haben begrüßt, daß der Bundeskanzler das Komitee zur nationalen Vorbereitung dieser Konferenz installiert hat. Wir wünschen uns, daß auch das Parlament als Institution hier beteiligt wird — nicht nur Einzelpersönlichkeiten.
An uns Sozialdemokraten wird das mögliche Scheitern der UN-Umweltkonferenz nicht liegen. Wir bieten ausdrücklich im Interesse der Bundesrepublik, im Interesse des Beitrages, auch des harten Beitrages der Industrienationen, im Interesse des globalen Ausgleiches zwischen Nord und Süd und im Interesse der Beseitigung der sozialen und ökonomischen Ungleichgewichte unseren Beitrag an. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich will sie nicht näher anführen. Drei Punkte will ich nennen.
Herr Kollege Schäfer, das ist leider nicht möglich. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
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2290 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich. Ich bedanke mich auch beim Präsidenten für die souveräne Verhandlungsführung.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Gerhart Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen die Einsetzung dieses Komitees. Wir wirken daran mit und werden alles tun, damit es zu einem Erfolg kommt.
Die Konferenz 1992 ist für beide Themenbereiche — Umwelt und Entwicklung — von größter Bedeutung. Sie schließt 20 Jahre nach Stockholm an diesen Ausgangspunkt an, dies aber in einer ganz anderen Situation. Wir müssen jetzt die Umweltpolitik und die Entwicklungspolitik in die anderen Politiken integrieren. Es wird ein Stück Weltinnenpolitik werden, es wird eine Umweltaußenpolitik geben. Wir sind jetzt, 20 Jahre nach Stockholm, in einer ganz anderen Phase.
Wir werden alle Themenbereiche, die im Programm der Konferenz aufgezeigt sind, mit Impulsen begleiten. Es handelt sich nicht nur um die CO2-Problematik. Das Ganze reicht weit gefächert in alle Umweltbereiche: Schutz der Weltmeere, Abfallproblematik, Bekämpfung der Slumsituation in der Dritten Welt und anderes mehr.
Wir sind der Meinung, daß das Umweltthema auf UN-Ebene gehoben werden muß. Wir setzen unsere Hoffnung in eine neue Handlungsfähigkeit der Völkergemeinschaft, die vom Abbau des Blockdenkens, aber auch, wie sich auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Paris vor einiger Zeit gezeigt hat, durch den neuen amerikanischen Präsidenten bestimmt ist. Es gab unter Reagan acht Jahre absoluten Stillstand in Sachen Umweltschutz. Es hat sich jetzt etwas geändert, und wir brauchen auch die Amerikaner auf dieser Konferenz, um zu Erfolgen zu gelangen. Auch die Umweltzerstörungen im Golfkrieg, die wir heute im Ausschuß diskutiert haben, machen deutlich, daß es an internationalen Instrumenten fehlt.
Wir wollen auf dieser Konferenz keine allgemeinen Erklärungen, sondern wir wollen präzise Festlegungen. Ziele und Fristen müssen festgelegt werden, Selbstverpflichtungen müssen eingegangen werden, beispielsweise in einer Weltklimakonvention. Es muß das Umweltrecht fortentwickelt werden, es muß eine neue Strategie erarbeitet werden, und es müssen Maßnahmenkonzepte auf der Tagesordnung stehen.
Es geht darum, den Umweltschutz in der Dritten Welt überhaupt möglich zu machen. Das heißt, wir müssen neue Wohlstandsmodelle für die Dritte Welt entwickeln, die die Dritte Welt veranlassen, Umweltschutz als ökonomisch nützlich und nicht als eine Last anzusehen. Es geht also nicht um die Übertragung dessen, was wir hier tun, sondern um neue Modelle für die Dritte Welt.
Es gibt eine besondere Verantwortung der Industrieländer, auch eine besondere Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, übrigens nicht nur der
Dritten Welt gegenüber, sondern — ich sage das noch einmal mit allem Nachdruck — auch Osteuropa und vor allem Ostdeutschland gegenüber. Hier leisten wir unseren Beitrag. Herr Kollege Schäfer, wir sind gut gerüstet, wir sind im internationalen Vergleich sehr gut gerüstet, und wir wollen das einbringen.
Wir werden uns in dieser Politik auch nicht beirren lassen. Es geht hier alles parallel weiter. Wir bringen unsere Politik in die Europäische Gemeinschaft ein. Ich bin auch der Meinung, wir müssen überlegen, ob wir den EG-Vertrag nicht stärker in Richtung Umweltschutz orientieren, also den Umweltschutz dort stärker verankern.
Letzte Bemerkung. Wir brauchen eine Anpassung der UN-Organisation an die veränderten Aufgaben. Auch dies muß ein Ergebnis der Konferenz sein. Die UNO ist bei ihrer Gründung auf diese Aufgabe nicht vorbereitet worden. Ich unterstütze die Empfehlungen unserer Enquete-Kommission, einen Umweltrat der UNO mit Rechtssetzungsbefugnis zu schaffen. Ohne eine stärkere Verantwortung und Handlungsfähigkeit der UNO und ohne neue Instrumente für die Weltgemeinschaft werden wir mit weltweiten globalen ökonomischen und entwicklungspolitischen Herausforderungen nicht fertig werden.
Die Einsetzung des Nationalen Komitees ist eine gute Sache. Wir werden darin aktiv mitarbeiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Klaus-Dieter Feige.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Abgeordnete von der PDS ist schon da. Wir haben einfach getauscht, weil es offensichtlich einen zeitlichen Defekt gab.Die Abgeordneten des Bündnisses 90/DIE GRÜNEN begrüßen die Einrichtung des Nationalen Komitees zur Vorbereitung der Klimakonferenz der Vereinten Nationen im kommenden Jahr in Brasilien. Für bundesrepublikanische Verhältnisse ist die anderthalbjährige Verzögerung der konstituierenden Sitzung schon fast etwas Gutes, denn ich glaube, daß es doch noch eine ganze Menge zu tun gibt und die Zeit sehr, sehr knapp werden kann. Die Beteiligung vieler gesellschaftlich relevanter Kräfte an der Vorbereitung dieser wichtigen Konferenz ist meines Erachtens wirklich etwas Neues und im Vergleich zu sonstigen Vorhaben der Regierung ein Lichtblick.Wir haben uns hier schon über die Frage der Maßnahmen- und Beschleunigungsgesetze auseinandergesetzt. Ich glaube, auch hier müßte gelten, daß nur eine breite Öffnung, nur die frühzeitige Einbeziehung aller Betroffenen die Probleme lösen kann und nicht sture Administration von oben. Ich hoffe auch, daß die Erfahrungen des Nationalen Komitees bewirken, diese Gesetzgebungsvorhaben zum Guten zu wenden.Wir stimmen auch dem Bundeskanzler zu, der in seiner Eröffnungsansprache verbindliche Vereinbarungen und eindeutige Verpflichtungen der Staaten
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Dr. Klaus-Dieter Feigein Form einer Weltklimakonvention sowie eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zur Verringerung der CO2-Emissionen gefordert hat. Die Bundesregierung hat in dieser Angelegenheit unsere volle Unterstützung, wenn diese Absichtserklärungen nun endlich auch mit ganz konkreten Inhalten gefüllt werden. Die Beratungen des Vorbereitungskomitees und die Abfassung des nationalen Umweltberichts dürfen aber nicht zu Alibiveranstaltungen verkommen. Internationale Vereinbarungen werden sich nur dann durchsetzen lassen, wenn auf nationaler Ebene mit gutem Beispiel vorangegangen wird; Sie haben es bereits angedeutet. Eine konsequente, ökologisch ausgerichtete nationale Energie-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik ist dann aber wirklich der Testfall für die Glaubwürdigkeit Ihrer Position, die Sie eben noch einmal bekräftigt haben.Ich habe in diesem Hohen Hause schon mehrfach darauf hingewiesen, daß die desolate Situation, insbesondere im Energie- und Verkehrsbereich, in den fünf neuen Ländern die Chance bietet, den Wirtschaftsaufbau auf einer ökologischen und solidarischen Grundlage zu betreiben.Bislang gibt es wenig Anlaß zu der Vermutung, daß die Bundesregierung diesen Zusammenhang auch nur erkannt hat, geschweige denn eine Weichenstellung in die genannte Richtung vorzunehmen gedenkt. Im Gegenteil setzt die Regierung weiterhin dominierend auf fossile Energieträger — die leidige Atomenergie noch gar nicht betrachtet — , nämlich vor allem auf Erdöl. Durch den Energievertrag haben Sie eine ökologisch rückwärtsgewandte Energiepolitik auch in den neuen Ländern festgeschrieben, die, glaube ich, Ihren eigenen Zielvorhaben diametral entgegengerichtet ist.Die Verkehrspolitik setzt auf den grenzenlosen Ausbau des Pkw-Verkehrs im Osten, was zur Folge hat, daß der Benzinverbrauch in den neuen Ländern von jetzt vier Millionen auf sechs Millionen Tonnen im Jahre 2010 steigen wird. Ich bin gespannt, wie Sie angesichts der beabsichtigten CO2-Reduzierung um etwa 30 To in vierzehn Jahren damit zurande kommen wollen.Der Vorsitzende des BUND, Herr Weinzierl, hat in der vergangenen Woche gefordert, daß der nationale Bericht kein bloßes Auflisten von technischen Reparaturmaßnahmen sein darf, sondern konkrete Vorschläge für eine zukunftsgerichtete Produktions- und Konsumweise ebenso enthalten muß wie Maßnahmen für eine neue Weltwirtschaftsordnung. Wenn die UNO-Konferenz im kommenden Jahr ein Erfolg werden soll, dann müssen Sie endlich über Ihren Schatten springen und die Vorschläge der Umwelt- und Naturschutzverbände aufgreifen. Gemeinsam mit den Umweltschutzverbänden, aber durchaus auch mit Teilen der Wirtschaft können umfassende Problemlösungen und Wege zu deren Umsetzung erarbeitet werden, um dem Ziel einer tragfähigen, dauerhaften und globalen Lebens- und Wirtschaftsweise näherzukommen, die zugleich umweltbewahrend und solidarisch ist.Ich danke Ihnen.
Frau Abgeordnete Jutta Braband, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war hoch erfreut, als ich las, daß die CDU/CSU einen Antrag zur Bekämpfung des Treibhauseffekts durch die Bundesrepublik eingebracht hat, schien es doch so, als wären die Schlußfolgerungen aus der Debatte zum Schutz der Erdatmosphäre nun endlich gezogen worden. Aber wie immer: Es folgt ein Gedankenstrich und klar wird: Nicht nur Herr Töpfer profiliert sich durch Ankündigungen; der Bundeskanzler möchte da keineswegs zurückstehen. Hier liegt nicht etwa ein Antrag zur Bekämpfung der Klimaveränderung durch entsprechende Sofortmaßnahmen vor, nicht, daß hier die so nötigen Konsequenzen gezogen werden,
nein, ein neues Gremium wird angekündigt. Kollektives Aussitzen scheint offensichtlich das Markenzeichen dieser Koalition zu sein.
Kein Mensch hat etwas dagegen — ich möchte das ausdrücklich klarstellen, um Ihre Aufregung etwas zu dämpfen —,
daß ein Komitee zur Vorbereitung der internationalen Konferenz „Umwelt und Entwicklung" eingesetzt wird. Diese Konferenz ist nötig. Da die Probleme global sind, lassen sie sich nur unter gleichberechtigter Mitwirkung aller Betroffenen lösen. Ich hoffe, daß dort — nun auch für die CDU/CSU verständlich — eine Neudefinierung des Begriffs Fortschritt vorgen om-men wird. Was mich ärgert, ist die Geschicklichkeit, mit der sie Handeln vortäuscht. Was mich geradezu betroffen macht, ist die Tatsache, daß hier ständig dem politischen Tagesgeschäft, dem schnellen Gewinn grundlegende Interessen der Menschen nicht nur dieses Landes geopfert werden.
Wider besseres Wissen und eben nicht irrtümlich sind Sie nicht bereit, Konsequenzen aus Tatsachen zu ziehen, denen sich schon die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes mehrheitlich nicht mehr verschließen, obwohl sie nicht so umfangreiche Kenntnisse wie die Regierungskoalition besitzen. Ich erinnere hier nur an den auch in diesem Zusammenhang meiner Auffassung nach notwendigen Ausstieg aus der Atomener-
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Jutta Brabandgie und das enorm gewachsene Bewußtsein in der Bevölkerung darüber.
Ich möchte wissen, wie Sie dem Rechnung tragen wollen.Wir fordern nachdrücklich, nicht nur Konferenzen abzuhalten und Berichte zu bestellen, sondern endlich auch die Schlußfolgerungen aus diesen Berichten zu ziehen und Sofortmaßnahmen zu ergreifen, die wir schon in der Debatte zum Bericht der Enquete-Kommission zum Schutz der Erdatmosphäre konkret benannt haben. Wenn diese Dinge nicht in unserem eigenen Land eine Rolle spielen, wenn wir nicht heute damit anfangen, können wir noch so viele Konferenzen machen: Es wird nichts nützen.Wir fordern daher den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie, denn die Mittel, die für den Ausbau und die Forschung im Atomenergiebereich ausgegeben werden, können so für Energieeinsparung, effiziente Energienutzung und die Nutzung regenerativer Energiequellen eingesetzt werden, und niemand muß mehr Angst vor einem Reaktorunglück haben.Wir brauchen ein Sofortprogramm zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und ein Produktionsverbot für alle FCKW. Wir brauchen neben der Katalysatorpflicht für alle Neuwagen auch Tempo 100 auf den Autobahnen, auch wenn viele Herren Autofahrer lernen müssen, daß die erlaubte Höchstgeschwindigkeit eben nicht das Maß ihrer persönlichen Freiheit bestimmt.
— Es ist, glaube ich, leicht nachzulesen, daß sehr viel mehr Männer in diesem Land Auto fahren.
Ich glaube, daß sehr wenige Frauen überhaupt ein Auto besitzen.
— Dann müssen Sie mal Ihre eigenen Statistiken lesen.
Zur Verringerung der Tropenholzimporte in die Bundesrepublik und die EG ist eine entsprechende Importlimitierung auszusprechen. Ebenso sollten Markteinführungshilfen für regenerative Energiequellen verstärkt werden, statt sie, wie von der Bundesregierung beschlossen, Ende dieses Jahres auslaufen zu lassen.Mittelfristig ist die Herstellung einer gerechteren Weltwirtschaft unumgänglich.
— Ich habe sehr wohl gehört, was hier dazu gesagt wurde.Aus wirtschaftlicher Not verursachen die Menschen in den armen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens katastrophale Umweltschäden durch Abholzung des tropischen Regenwaldes.Ebenso notwendig ist mittelfristig die drastische Reduzierung der Nutzung fossiler Energieträger, um langfristig dann ganz darauf zu verzichten.
Wie hier, nicht nur von mir, schon mehrfach betont wurde, sind exzessiver Chemieeinsatz und CO2-Emissionen und die daraus folgende Klimabedrohung kein Schicksal, sondern durch wirtschaftliche und politische Entscheidungen beeinflußbar.Die Fakten sind bekannt. Ihren vielen Worten sollten Sie nun endlich Taten und nicht nur Konferenzen folgen lassen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Norbert Rieder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der Bekämpfung des Treibhauseffektes inzwischen weltweit die geistige und technische Führung übernommen.
Man billigt uns, wie übrigens auch in anderen Bereichen des Umweltschutzes, eine hohe Kompetenz zu. Diese Kompetenz haben wir nicht dadurch erreicht, daß wir irgendwelchen utopischen Zielen nachgerannt sind, sondern dadurch, daß wir seit 1982 ganz bewußt das technisch und wirtschaftlich Machbare durchgesetzt haben. Unsere Aufgabe muß es auch in Zukunft sein, mit unserem wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Potential sowohl in der Bundesrepublik als auch weltweit diese Schrittmacherfunktion beizubehalten.Bei diesen Bestrebungen kommt die Einsetzung eines Nationalen Komitees zur Vorbereitung der Konferenz Umwelt und Entwicklung genau zum richtigen Zeitpunkt.
Jetzt sind die Vorarbeiten so weit gediehen, daß dieses Komitee voll wirksam werden kann.Ganz wichtige Aufgaben für die Zukunft werden u. a. sein — ich beschränke mich ganz bewußt auf wenige Themen — : Als erstes CO2-Minderung im Verkehrsbereich. Dies kann und wird erreicht werden einerseits durch technische Maßnahmen an den Fahrzeugen zur Verbrauchsminderung, darüber hinaus durch neue Treibstoffe wie Methanol und Wasserstoff,
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Dr. Norbert Riederweiter natürlich durch neue Antriebssysteme wie etwa den Elektroantrieb, der durch die NatriumSchwefel-Batterie jetzt erreichbar ist, oder durch die Brennstoffzelle, die in wenigen Jahren einsatzbereit sein wird. Da dies allein sicherlich nicht reichen wird, werden wir auch für eine Verbesserung des Verkehrsflusses auf allen Ebenen durch neuartige Verkehrsleitsysteme sorgen müssen. Kombiniert werden muß dies alles mit einem verbesserten Verbundsystem der verschiedenen Verkehrsträger, wie Schiene, Straße, Flugverkehr und wassergebundene Fahrzeuge. Das heißt aber auch, daß wir den ÖPNV und das gesamte Schienennetz deutlich ausbauen müssen. Daß in diesem Zusammenhang auf den Faktor Zeit hingewiesen werden muß, möchte ich nur am Rande erwähnen. Das Stichwort dazu heißt Beschleunigungsgesetz, auch in den neuen Bundesländern.Alle diese Überlegungen zur Verbesserung des Verkehrsflusses, die auch von diesem gegründeten Nationalen Komitee weiterentwickelt werden müssen, sind auf den europäischen Rahmen zu übertragen, denn nur gemeinsam kommen wir weiter. Nationale Lösungen allein führen nicht zur gewünschten Wirkung.Genau dasselbe — das wird natürlich ebenfalls eine wichtige Aufgabe dieses Komitees sein — gilt auch für den Bereich des Natur- und Artenschutzes im weitesten Sinn, denn konsequenter Natur- und Artenschutz — ich erinnere nur an die Tropenwaldproblematik bzw. an die weltweite Entwaldung — ist bekanntlich eine der besten Methoden, um das biologische Potential der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre voll auszunutzen.In diesem Zusammenhang finde ich es übrigens ganz hervorragend, daß der Parlamentarische Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Herr Hans-Peter Repnik, in diesem Nationalen Komitee den stellvertretenden Vorsitz übernommen hat und auf diese Weise die Zusammenarbeit auf den Gebieten Umwelt und Wirtschaft hervorragend gewährleistet ist.
Ich begrüße also ausdrücklich die Einberufung dieses nationalen Komitees und glaube, daß es in Zukunft als Transmissionsriemen zwischen der Bundesrepublik, unseren Partnern in Europa und darüber hinaus der ganzen Welt eine wichtige Rolle spielen wird.Vielen Dank.
Frau Abgeordnete Dr. Liesel Hartenstein, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung sieht sich veranlaßt, die Einsetzung des nationalen Komitees zur Vorbereitung der UN-Konferenz 1992 mit Paukenschlag und Trommelwirbel zu feiern.Nun, Klappern gehört zum Handwerk; das wissen wir alle.
Wir begrüßen dennoch die Einsetzung dieses Komitees; aber wir bedauern, daß diese Einsetzung mit anderthalbjähriger Verspätung erfolgt, Herr Minister.
Die noch verbleibende Zeit ist viel zu kurz, als daß die gesellschaftlichen Gruppen ihre substantiellen Anliegen noch ausreichend in den nationalen Report einbringen könnten. Aber für eine bloße Absegnungsaktion durch Handaufheben ist das nationale Komitee eigentlich nicht gedacht.Wir bedauern auch, daß das Parlament als Institution bislang überhaupt nicht beteiligt worden ist; das ist ein Fehler, er sollte schleunigst behoben werden. Andere Parlamente sind da übrigens weiter: zum Beispiel Kanada, Schweden, selbst ein Land wie Costa Rica. In Kanada sind die Ergebnisse von Parlamentsdebatten und Anhörungen direkt in den Entwurf des nationalen Reports aufgenommen worden; das ist der richtige Weg.Die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre" war sich in drei Punkten einig: erstens, daß die Eindämmung des Treibhauseffekts zur Überlebensfrage für die Menschheit geworden ist; zweitens, daß die Industrieländer die Hauptverursacher sind und deshalb auch Schrittmacher bei einer drastischen Reduzierung der klimaschädlichen Gase sein müssen; drittens, daß ohne Zeitverzug gehandelt werden muß, und zwar auf allen Ebenen: auf internationaler Ebene, auf EG-Ebene und insbesondere auf nationaler Ebene, d. h. da, wo wir selbst Handlungsmöglichkeiten haben, nämlich im eigenen Haus.
Schauen wir uns dort um, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist, muß ich sagen, das Resultat fast überall Fehlanzeige.Von einschneidenden Veränderungen kann überhaupt keine Rede sein. Wo bleibt z. B. ein umfassendes nationales Konzept für Energieeinsparung? Haben wir nicht gerade jetzt eine ungeheure Chance beim Aufbau in den neuen Ländern, denn dort besteht ein riesiger Bedarf an Gebäudesanierung und an Wohnungsbau?Allein bei der Raumheizung könnten 70 bis 80 % der Heizenergie eingespart werden; hier könnten richtige Signale gesetzt werden. Tun Sie es doch!
— Lieber Kollege, wo bleibt zum Beispiel ein integriertes Verkehrskonzept für die alten und für die neuen Länder, das überflüssigen Verkehr vermeidet und das den umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, Bus und Schienenfahrzeugen, endlich den Vorrang einräumt? Mit scheint, wir sind im Begriff, in den neuen Ländern prompt alle Fehler noch einmal zu
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Dr. Liesel Hartensteinmachen, die wir in den alten Ländern gemacht haben und deren Reparatur uns heute teuer zu stehen kommt.
Wo bleibt ein massiver Förderschub für regenerative Energien? Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, im Haushalt 1991 hat Minister Riesenhuber immer noch viermal mehr Geld für die Kernenergie als für die Förderung der erneuerbaren Energien eingesetzt. Das ist ein Mißverhältnis.
Mein Eindruck ist, daß der Bewußtseinsprozeß im Forschungsministerium ein ganz besonders zähflüssiger ist.Meine Damen und Herren, die SPD wird konstruktiv im nationalen Komitee mitarbeiten, aber auch hartnäckig fordern, daß die Empfehlungen der Enquete-Kommission und die daraus abgeleiteten Beschlüsse des Bundestags tatsächlich umgesetzt werden. Es darf z. B. nicht sein, daß der Bericht über die von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen zum Schutz des Tropenwaldes weiter verschleppt wird. Er wäre bereits zum 1. März 1991 fällig gewesen. Wo ist er denn?Die Bundesregierung muß auch darlegen, was sie unternommen hat, um die Schuldenlast der Dritten Welt endlich abzubauen, z. B. auch die Schuldenlast der Tropenwaldländer; was sie tut oder getan hat oder zu tun beabsichtigt, um den Transfer umweltfreundlicher Technologien zu beschleunigen — z. B. der Solarenergie —; wann endlich die Entwicklungspolitik in der Richtung geändert wird, daß Großstaudämme und Großprojekte nicht mehr gefördert werden und statt dessen dezentrale, ökologisch und sozial verträgliche Entwicklungsmodelle gefördert werden.
Fehlanzeige, ich sehe davon nichts. Ich stelle fest: Keine Wende in Sicht.Vorreiterrolle heißt doch auch, Zeichen der Umkehr zu setzen, einen Neuanfang zu machen, und zwar nicht im Reden, sondern im Handeln bitte schön.Kein Parlament hat soviel Vorarbeit geleistet zu diesem Thema
wie der Deutsche Bundestag. Jetzt ist die Regierung am Zug. Wir wollen dazu beitragen, daß die UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung" zu einem guten Ergebnis führt. Das setzt aber voraus, daß wir heute mit den notwendigen Maßnahmen beginnen und nicht erst morgen. Das ist meine Aufforderung an Sie.Danke schön.
Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Professor Dr. Klaus Töpfer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Welt wird Tag für Tag enger, denn jeden Tag sind 200 000 Menschen mehr auf diesem blauen Planeten zu ernähren, gesund zu erhalten, mit Energie zu versorgen. Zu Recht hat mein ehemaliger britischer Kollege Chris Patten einmal gesagt: Die Armut ist auch für die Umwelt die giftigste Substanz; denn Menschen, die um ihre Existenz bangen, werden wenig darauf achten, ob in 30, 40 oder 50 Jahren weltweite Klimaveränderungen die Menschheit insgesamt gefährden.Deshalb ist es gut und richtig, daß 20 Jahre nach der weltweiten Umweltkonferenz in Stockholm jetzt in Brasilien eine Konferenz „Umwelt und Entwicklung" abgehalten wird, die deutlich aufzeigt, daß zwischen diesen beiden wichtigen Zielsetzungen außerordentlich enge Querverbindungen bestehen.Wir sehen zunehmend, daß es weltweit Verteilungskämpfe um knappe Rohstoffe gibt, daß die Belastungsmöglichkeiten für diese Welt begrenzt sind.Wir sehen, daß zur Überwindung dieser weltweiten Knappheiten die Menschen geradezu gezwungen werden, immer tiefer in die Bausteine von Leben und Natur hineinzublicken, weiterreichende Techniken zu entwerfen, deren Konsequenzen weltweit sind und die immer stärker nach einer verantwortlichen Nutzung rufen.Auch daraus resultiert eine neue Form weltweiter Verantwortung. Wo die Verantwortung fehlt, sehen wir gleichzeitig, daß es ganz neue Formen der Aggression gibt. Es geht um Aggressionen, die wir früher nicht gekannt haben, die aber mindestens genauso weit reichen wie der Einsatz militärischer Mittel. Deshalb ist es dringend notwendig, daß wir uns darüber unterhalten, wie wir mit einer Umweltaußenpolitik wirklich Friedenssicherungspolitik in der Zukunft betreiben können.
Ich bin ganz sicher, daß die Abrüstungspolitik der Zukunft darin besteht, daß wir einen Abbau umweltzerstörender Produktionsformen und umweltzerstörender Lebensformen erreichen. Das wird die Abrilstungsaufgabe der Zukunft sein. Auch das, glaube ich, muß man deutlich mit voransetzen.Dies sind Fragen, die — ich sage es noch einmal — nicht mehr im nationalen Rahmen gelöst werden können, sondern die der internationalen Partnerschaft, der Zusammenarbeit bedürfen. Hier muß natürlich der Teil der Welt, der durch seine gegenwärtigen Lebensformen in besonderer Weise belastend wirkt, vorangehen. Es ist eine Verpflichtung der Industriestaaten der westlichen Welt, durch umweltverträgliche Technik und durch eine Weiterentwicklung der eigenen Verhaltensweisen tatsächlich umweltverträglich zu leben.
Wir haben, wie ich glaube — und darin unterscheiden wir uns in der Wertung zwischen Regierungspar-
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Bundesminister Dr. Klaus Töpferteien und Opposition; wen könnte das wundern —, enorme Fortschritte gemacht, die Signale anders gestellt, bei der Abfallfrage angefangen, wo wir den Kreislauf wieder schließen wollen, wo wir den für den Abfall verantwortlich machen, der das Produkt erzeugt hat, über die Frage einer gezielten Verteuerung der luftbelastenden Schadstoffe, die uns den Treibhauseffekt einbringen, über eine CO2-Abgabe bis hin zu einer Änderung des Ordnungsrechtes, Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes, Veränderung der Wärmedämmvorschriften und vieles andere.
— Dies mag dem einen oder anderen zu langsam vorangehen. Aber dies sind nicht nur Absichten. Die Verpackungsverordnung ist unter Zustimmung von Nordrhein-Westfalen und anderen von Ihnen mitregierten Ländern angenommen worden. Es sind keine Absichten, sondern es sind Beschlüsse dieser Regierung.
Wir müssen uns, meine Damen und Herren, wirklich darum bemühen. Für dieses weltweite Ziel wollen wir Grenzen überschreiten. Da sollten wir doch wirklich erst einmal — auch bei uns zu Hause — anfangen, Grenzen zwischen Parteien zu überschreiten und zu sagen: Was können wir mit unserer Bevölkerung gemeinsam tun, um dieses wichtige Ziel zu erreichen?
Das ist für mich eine der zentralen Herausforderungen für dieses nationale Komitee, ein nationales Komitee, das alle einbinden möchte, die in unserer Gesellschaft wirklich Relevanz haben, die auch deutlich machen können, welche unterschiedlichen Wertungen wir haben, von den Gewerkschaften über die Arbeitgeber, über die auch im politischen Bereich Tätigen bis zu den Naturschutzverbänden. Alles dies sollten wir einbinden. Wir wollen das nicht mit einem Komitee machen, das hinter geschlossenen Türen tagt, sondern wir wollen dieses Komitee öffnen, breite Bevölkerungskreise mit einbinden.Ich glaube, daß, Frau Kollegin Hartenstein, wie Sie am Ende gesagt haben, es kein Parlament gibt, das diesen Prozeß so großartig vorbereitet hat wie gerade dieser Bundestag. Deswegen verstand ich am Anfang Ihren Hinweis nicht, daß dieses Parlament gar nicht eingeschaltet sei. Eine solche Vorbereitung für diese Konferenz wie die der Enquete-Kommission hat es weltweit noch nie gegeben. Da haben Sie völlig recht.
Ich bin sehr dankbar, daß wir weltweit mit den Berichten der Enquete-Kommission starke Beachtung gefunden haben. Wir wollen dieses nutzen, auch mit Blick darauf, wie wir die Institutionen weiterentwikkeln können. Ich bin froh darüber, daß ich mit meinem sowjetischen Kollegen Woronzow zusammen beschlossen habe, daß wir im internationalen Bereichden Begriff Umweltverbrechen neu definieren und auch Sanktionen festlegen müssen, damit derjenige, der die Umwelt als Waffe benutzt, genauso vor der Welt zur Verantwortung gezogen wird wie derjenige, der Soldaten auf andere Menschen schießen läßt.
Es ist eine genauso nachhaltige Bedrohung.
Wir haben konkrete Ziele für diese Konferenz, und wir haben bei uns gehandelt. Die Ziele sind genannt. Wir wollen Konventionen haben für den Kampf gegen den Treibhauseffekt. Wir wollen weltweit Konventionen haben für die Sicherung der Artenvielfalt. Wir möchten diese so weit wie möglich durch konkrete Protokolle ergänzen, die festlegen, was zu tun ist, etwa im Bereich von CO2 und im Bereich der Erhaltung von Wäldern. Wir haben diese Entscheidung bei uns getroffen, damit wir nicht als Fordernde für andere, sondern als jemand, der zu Hause gehandelt hat, auch zu anderen gehen, um sie zu überzeugen, daß dieser Weg richtig ist.Ich danke der antragstellenden Fraktion dafür, daß wir vor der deutschen Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, alle darauf hinzuweisen, daß das nicht eine Anforderung an andere ist, sondern ein Angebot zur Mitwirkung für alle.Ich danke Ihnen sehr herzlich.
Das Wort hat der Abgeordnete Dieter Schanz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin hier heute gefordert, als Entwicklungspolitiker zu diesem Thema zu sprechen. Daß Klimaschutz ein globales Problem ist, wurde mithin klar und deutlich ausgesprochen und ist allgemein über Parteigrenzen hinweg anerkannt. Daß Klimaschutz und damit Umweltschutz eine der zentralen Aufgaben der Entwicklungspolitik ist, versteht sich von selbst.Das Erkennen der Zusammenhänge zwischen Umweltzerstörung, Verschuldung und Unterentwicklung sowie existentieller Armut in den Entwicklungsländern ist evident wichtig, um die richtigen Ansatzpunkte für entwicklungspolitische Maßnahmen ergreifen zu können.Um Umweltzerstörung in der Dritten Welt zu verhindern, gilt es in erster Linie die Armut zu überwinden. Ein entsprechender interfraktioneller Antrag wurde in der 11. Legislaturperiode eingebracht und sollte unbedingt bei der Vorbereitung zur Konferenz „Umwelt und Entwicklung" berücksichtigt werden. Gerade die Entwicklungspolitiker sollen wegen der globalen Zusammenhänge der Umweltproblematik entsprechendes Gehör bei der Vorbereitung der Konferenz finden.Einzelne entwicklungspolitische und damit auch umweltpolitische Initiativen, die immer in enger Kooperation mit Entwicklungsländern und dortigen Nichtregierungsorganisationen, kurz: über den Politikdialog, herbeigeführt werden sollen, zielen unter anderem auf folgende zwei Bereiche:
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Dieter SchanzRessourcenschutz. Hier will ich die Aufmerksamkeit auf zwei Aspekte richten. Das ist zum einen die Tropenwaldproblematik. Die Zusammenhänge zwischen Armut, Bevölkerungsdruck und Ausbeutung der Wälder, um Auslandsschulden zu bedienen, sind ausführlich besprochen, und die Aufforderung, entsprechende entwicklungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, wurde bereits 1988 in einem Antrag der SPD formuliert.Der andere Aspekt betrifft den Energieverbrauch. Die Vorstellung, daß die sogenannte Dritte Welt einen Energieverbrauch anstrebt, wie ihn die Länder des Nordens zur Zeit betreiben, führt zu einem Katastrophenszenario unvorstellbaren Ausmaßes. Über Maßnahmen zur rationellen Energieverwendung sowie zum verstärkten Einsatz regenerativer Energien soll ein verantwortungsvoller Umgang mit den begrenzten Ressourcen unserer Erde erreicht werden. Daß dies auch ein Umdenken im sogenannten Norden erfordert, versteht sich von selbst.Der Notwendigkeit, für den Energieverbrauch eine verantwortungsvolle Politikkonzeption zu entwikkeln, wird der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit dadurch gerecht, daß er noch in diesem Jahr eine Anhörung zu diesem Thema durchführt. Die Ergebnisse dieser Sachverständigenanhörung müssen unbedingt in die Konferenz „Umwelt und Entwicklung" einfließen und entsprechend ihrer Bedeutung eine zentrale Gewichtung erfahren.Der zweite Bereich betrifft die Armut als eine zentrale Ursache von Umweltzerstörung. Entwicklungspolitische Maßnahmen zielen also auf Armutsbekämpfung. Armut als Ursache von Umweltzerstörung wird beispielsweise beim Betrachten der Tropenwaldproblematik einsichtig. Fehlende Landreformen, ein hoher Bevölkerungsdruck und Mangel an alternativen Versorgungsmöglichkeiten sowie der Zwang vieler Entwicklungsländer, über die Bedienung des Weltmarktes ihre Auslandsschulden zu begleichen, führen zwangsläufig zur Zerstörung der Umwelt. Entwicklungspolitische Ansatzpunkte zur Armutsbekämpfung wurden in dem eingangs genannten interfraktionellen Antrag „Armutsbekämpfung in der Dritten Welt durch Hilfe zur Selbsthilfe" formuliert und bereits am 10. Mai 1990 vom Deutschen Bundestag angenommen.Ein zentraler Aspekt dieses Antrages, den ich hier nochmals besonders hervorheben möchte, behandelt die Hindernisse, die sich aus den politischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen national wie international ergeben. Dabei wird insbesondere auch auf die Pflichten der Industrienationen hingewiesen, die, wollen sie internationale Solidarität auch beweisen, dafür Sorge tragen müssen, daß die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, d. h. die Weltwirtschaftsordnung, derart gestaltet werden, daß sie wirklich gerecht sind.Herzlichen Dank.
Herr Kollege Burkhard Zurheide, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die globalen ökologischen Herausforderungen lassen sich durch nationale Maßnahmen allein nicht mehr bewältigen. Sie fordern verstärkte Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft im Sinne einer partnerschaftlichen Verantwortungsgemeinschaft. Die Regierungskoalition von FDP und CDU/CSU hat dies seit langem erkannt und entscheidende internationale Initiativen ergriffen.Die von der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossene 2. Umweltkonferenz, die im nächsten Jahr in Brasilien stattfinden wird, wird sich mit sämtlichen Aspekten des Umweltschutzes beschäftigen. Es wurde dabei ausdrücklich auch der Auftrag erteilt, die mit der Forderung nach verstärkten Anstrengungen eng verknüpften Fragen der Entwicklungspolitik mit einzubeziehen; denn die globalen Umweltprobleme dieser Welt sind — nicht nur, aber auch — wesentliche Folgen der Unterentwicklung in der Dritten Welt.
Die möglichen Folgen einer Erwärmung der Erdatmosphäre, der Abbau der Ozonschicht, erhöhte Ozonwerte in Erdnähe und die Vernichtung der tropischen Wälder sind ganz wesentliche Bestandteile dieser globalen Umweltproblematik. Der Konferenz kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Erarbeitung einer Weltklimakonvention zu, die wirksame Maßnahmen und Konzepte zur Lösung dieser Probleme völkerrechtlich verbindlich festschreibt.Die fortgesetzte Vernichtung tropischer Wälder hat nicht nur zur Folge, daß CO2-Senken verlorengehen. Vielmehr wird bei der Hauptzerstörungsform, der Brandrodung, Kohlendioxid freigesetzt. Unkontrollierter Nutzholzeinschlag und Rodungen tun dann ein übriges.Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, diese Entwicklung zu stoppen: Die Tropenwaldländer müssen bei ihren Eigenanstrengungen zur Schaffung der für eine ökologisch tragfähige Entwicklung notwendigen sozialen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen unterstützt werden.
Es kommt eben nicht darauf an, z. B. die Einfuhr von Tropenholz zu boykottieren oder gar zu verbieten, weil sich dies im Ergebnis als kontraproduktiv erweisen würde.
Neben einer Unterschutzstellung des Primärwaldes kommt es darauf an, durch eine umweltverträgliche Bewirtschaftung der übrigen Wälder deren ökologische Funktion zu erhalten und langfristig auch die Interessen einer wirtschaftlichen Nutzung dieser Ressourcen zu wahren.
Die Verantwortung dafür, daß Umwelt- und Ressourcenschutz zu einem bestimmenden Faktor der Entwicklungspolitik wird, liegt weitgehend bei den
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Burkhard ZurheideLändern der Dritten Welt selbst. Umweltschutz muß auch in der Dritten Welt von innen heraus, aus den Staaten selbst, erfolgen. Da es in Entwicklungsländern jedoch häufig an der notwendigen Umwelttechnik, an Umsetzungsstrategien und nicht zuletzt an Finanzierungsmitteln und -mechanismen für einen umfassenden Umwelt- und Ressourcenschutz fehlt, müssen diese Länder bei der ökologisch notwendigen Umstrukturierung und Sicherung einer auf Dauer tragfähigen Entwicklung nachhaltig unterstützt werden.Das ökologische Schlüsselproblem in der Dritten Welt aber ist und bleibt das ungebremste Bevölkerungswachstum. Es ist die entscheidende Ursache dafür, daß sich die Armut in den Entwicklungsländern verschärft und zur Übernutzung der natürlichen Ressourcen führt. Nach dem Weltbevölkerungsbericht 1990 werden 80 To der Waldvernichtung auf das Bevölkerungswachstum zurückgeführt. Auch dieses Thema ist auf der UNO-Konferenz im nächsten Jahr zu erörtern.Angesichts der verheerenden Folgen eines weiteren ungezüngelten Bevölkerungswachstums müssen die erforderlichen Konsequenzen endlich gezogen werden. Wir haben angesichts der möglichen katastrophalen klimatischen Veränderungen tatsächlich gar keine andere Wahl mehr, als durchgreifende bevölkerungspolitische Maßnahmen weltweit unverzüglich einzuleiten.
Man kann allerdings wahrlich nur den Kopf darüber schütteln, wie wenig sich die offizielle Haltung der katholischen Kirche von diesem offenkundigen Zusammenhang beeindrucken läßt. Wir fordern daher nachdrücklich die unverzügliche Umsetzung des in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundestag gefaßten Beschlusses zur Bevölkerungsproblematik.
Die Bereitschaft der Entwicklungsländer, die gewaltigen ökologischen Probleme, die ja nicht nur ihre eigenen, sondern genauso gut die unseren sind, anzupacken, ist in den vergangenen Jahren ganz erheblich gewachsen. Sie, die Entwicklungsländer, erwarten von uns mit Recht, daß wir uns an der Lösung dieser Probleme beteiligen. Das wird aber nur gelingen, wenn wir die spezifischen Bedingungen der Länder der Dritten Welt respektieren und nicht so tun, als hätten wir einen Sack voller Patentrezepte anzubieten.
Nur ein partnerschaftliches Miteinander, das gemeinsame Suchen nach Lösungen, das für beide Seiten, für Nord und für Süd, von Vorteil ist, verspricht Erfolg. Wichtige Beispiele dafür sind die deutsche Initiative zur Schaffung eines Treuhandfonds bei der Weltbank für Aufgaben des globalen Umweltschutzes sowie die internationale Vorreiterrolle beim Tropenwaldschutz.Den entwicklungspolitischen Aspekt in die Konferenz „Umwelt und Entwicklung" einzubringen ist eine wesentliche Aufgabe des nationalen Komitees zur Vorbereitung dieser Konferenz. Ich bin mir sicher, daß hier ein wichtiger Beitrag zum Gelingen der Konferenz geleistet wird.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Immo Lieberoth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die für das kommende Jahr vorgesehene Umweltkonferenz der Vereinten Nationen, die unter dem anspruchsvollen Titel „Umwelt und Entwicklung" stattfinden soll.Es darf allerdings nicht dazu kommen, daß bei dieser Konferenz alle weltweit bestehenden Umweltprobleme — und deren gibt es in der Tat genug — wie in einem Warenkatalog nur aufgelistet und allgemein diskutiert werden. Wenn so verfahren würde, hätte diese notwendige Konferenz mit Sicherheit kein konkretes Ergebnis.Ich meine daher, daß schon bei der Vorbereitung die Bereitschaft vorhanden sein muß, sich auf einige wichtige Schwerpunkte zu beschränken. Nur das wäre realistisch und mit Erfolgsaussichten für die Konferenz verbunden.Daher begrüße ich, daß der Bundeskanzler ein nationales Komitee zur Vorbereitung der Konferenz in Rio eingesetzt hat, das alle in Frage kommenden Verbände unseres Landes in die Diskussion einbezieht.Dort muß die Konzentration auf Schwerpunkte oberstes Gebot sein. Solche Schwerpunkte sollten weltweit Bedeutung haben, also weltweit bedeutende Sachthemen sein, z. B. die Müllverringerung und -verwertung, die generelle Schadstoffverringerung, die Altlastenbeseitigung, der Naturschutz und der Umweltschutz, bezogen auf die Atmosphäre, das Wasser und — was leider immer noch sträflich vernachlässigt wird — den Boden.Im einzelnen möchte ich darauf nicht eingehen, da die anderen Diskussionsredner hinreichend solche Sachthemen aufgegriffen haben. Wichtig erscheint mir, daß diese Schwerpunkte vor einem entsprechenden ökonomischen und politischen Hintergrund gesehen werden müssen.Wir alle wissen, daß die Industrienationen auf der nördlichen Erdhalbkugel zur Zeit die umfangreichsten Schäden in der Umwelt verursachen. Sie haben deshalb die größere Verantwortung.Deutschland ist mit seiner Umweltpolitik auf gutem Wege. Das läßt auf eine Vorbildwirkung für die Dritte Welt zusammen mit den anderen Industrienationen hoffen.Dabei müssen wir in den Wohlstandsländern des Nordens nicht unbedingt Abschied nehmen von Industrie, Technik, Wirtschaftssystemen und damit vom Wohlstand. Sie bleiben, wenn sie in einer umweltgerechten Form erfolgen, die Voraussetzung, um Umweltpolitik weltweit erfolgreich betreiben zu können.
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Dr. Immo LieberothDabei muß die Brücke zwischen Wirtschaft und Ökologie geschlagen werden. Wir haben z. B. die Aufgabe, Maßnahmen und Lösungen für die Vermeidung einer Weltklimakatastrophe durchzusetzen. Ich denke hierbei auch an die Berücksichtigung der Ergebnisse unserer Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre", wie sie in deren drittem Bericht niedergelegt sind.Auch sind wir verpflichtet, die konkreten Konsequenzen für unser Leben aus der wachsenden Energiegewinnung und dem steigenden Verkehrsaufkommen zu ziehen. Das könnte leitbildgerecht in der ganzen Welt wirken.Die — hoffentlich bald auch in den neuen Bundesländern — wachsende und florierende Wirtschaft versetzt uns in die Lage, über die Finanzmittel zu verfügen, die wir für eine weltweite Entwicklungspolitik brauchen.Unsere primäre Investitions- und Hilfsaufgabe liegt jetzt zwar im Osten. Diese vorrangige Verpflichtung darf uns aber nicht davon abbringen, auch für die Entwicklungshilfe in Gegenwart und Zukunft einen angemessenen Betrag bereitzustellen.Doch auch die Entwicklungsländer müssen eigene Beiträge zur Verbesserung der Umwelt erbringen. Sie müssen vor allem von Prestigeobjekten absehen, und ihre Regierungen dürfen Entwicklungsgelder nicht in korrupten Kanälen versickern lassen. Aufgabe muß es gleichzeitig sein, Hunger und Elend zu vermeiden.Wir müssen erreichen, Entwicklungshilfe an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, freilich nicht etwa, um als Besserwisser und Vormund zu erscheinen. Solche Vorbedingungen sollten sich darauf konzentrieren, Projekte zu fördern, die der Entwicklung einer eigenständigen Wirtschaft, insbesondere der Land- und Forstwirtschaft, sowie mittelständischen Betrieben gelten und nicht indirekt z. B. Rüstungsimporte ermöglichen.Schließlich sind die Entwicklungsländer aufgerufen, einen eigenen Beitrag zur friedlichen Entwicklung zu leisten. Sie müssen regionale Konflikte weitgehend verhindern. Bürgerkriege müssen der Vergangenheit angehören.Ich weiß, das sind große Ziele. Sie bedürfen auch unserer Anstrengung und unseres ganzen Einsatzes. Deshalb brauchen wir neben dem genannten Geld eine weltweite Verantwortung Deutschlands im Rahmen der UNO. Das zwingt uns, u. a. zur Konfliktvermeidung und zur Konfliktbewältigung beizutragen. Wirken wir alle mit, damit die Konferenz in Rio ein wichtiger Meilenstein für eine erfolgreiche weitere Entwicklung in der Welt ist!Ich danke Ihnen.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans-Peter Repnik, hat das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! DieDiskussion in der vergangenen Stunde hat einmal mehr deutlich gemacht, daß die weltweite Umweltkrise den Norden wie den Süden gleichermaßen betrifft. Dies gilt für die Ursachen ebenso wie für deren Auswirkungen. Die Fakten und die Zusammenhänge sind bekannt, sie wurden dargestellt, und hier hat der Kollege Schmidbauer mit seiner Enquete-Kommission weltweit wirklich einen Maßstab gesetzt,
— mit der von ihm geleiteten Enquete-Kommission, an der wir uns beteiligt haben. Ich möchte damit die Verdienste allen Mitgliedern der Enquete-Kommission zukommen lassen.Wir wissen, daß die den Treibhauseffekt und das Ozonloch verursachenden Gase überwiegend aus den Wirtschaftsaktivitäten und dem Energieverbrauch der Industrieländer stammen. Aber die dadurch möglicherweise verursachten Katastrophen kündigen sich vor allem in den Entwicklungsländern an, denen die Kraft für Schutzmaßnahmen in aller Regel fehlt.Ein Sechstel von Bangladesh ist von Überflutung bedroht, Millionen von Hektar Ackerland fallen jährlich in den Sahel-Ländern und anderswo der Verwüstung zum Opfer. Deshalb ist es folgerichtig, daß natürlich auch der Entwicklungspolitiker heute nachmittag zu Wort kommt. Ich bin Professor Rieder sehr dankbar, daß er diese Klammerfunktion in seinem Beitrag auch angesprochen hat. Aber auch wir sind von dem betroffen, was sich in den Entwicklungsländern in dramatischem Kreislauf von Bevölkerungswachstum, Armut, Umweltzerstörung abspielt. Aus dieser Armutsfalle können sich die Menschen allein ohne unsere Hilfe nicht mehr befreien.
Überweidung, standortwidriger Ackerbau und Raubbau an den Wäldern führen zur Erosion, zur Störung des Wasserhaushalts, zur Vernichtung von Tier-und Pflanzenarten und nicht zuletzt zur Freisetzung von Treibhausgasen.Daß die Bevölkerungsproblematik, Herr Kollege Zurheide, eine Rolle spielt, räume ich ausdrücklich ein, aber Sie wissen — Sie sind im zuständigen Fachausschuß — , es bedarf nicht erst der Diskussion heute, daß sich die Bundesregierung mit dem Thema befaßt, sondern wir haben breit angelegte integrierte Bevölkerungsprogramme bei uns in der Entwicklungszusammenarbeit, weil wir um diese Problematik und darum wissen, daß wir diesen Teufelskreis zwischen Armut, Bevölkerungswachstum und Umweltzerstörung zerschlagen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, auch wir sind von den Folgen betroffen, nicht nur die Länder und die Menschen im Süden. Wenn Sie sich allein die Asylbewerberzahlen und die Wanderungszahlen in den letzten Jahren vor Augen halten, was vom afrikanischen Kontinent über das Mittelmeer nach Südeuropa, aber auch an die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinüberschwappt, dann macht dies deutlich, wie sehr auch wir von all diesen
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Parl. Staatssekretär Hans-Peter RepnikAuswirkungen betroffen sind. Auch deshalb sind wir gefordert, hier zu handeln.Niemand in Nord und in Süd wird künftig die Chance haben, sich auf eine ökologisch intakte Insel zurückzuziehen. Wenn wir es nicht gemeinsam schaffen, der Norden wie der Süden, mit den in aller Eindeutigkeit vor uns liegenden Herausforderungen fertigzuwerden, dann geraten in der Tat die uns nachfolgenden Generationen in einen Dauerkonflikt um Überlebensmöglichkeiten.Deshalb, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat die Bundesregierung ihre Verantwortung zum vorsorgenden Handeln erkannt, und sie hat sie wahrgenommen, solange dafür noch Zeit ist.
Bundeskanzler Kohl — auf ihn wurde bereits hingewiesen — hat mit seinen Initiativen auf den Wirtschaftsgipfeln von Toronto, Paris und Houston den globalen Umweltschutz auf die Dringlichkeitsliste der Tagesordnung internationaler Politik gesetzt, und ich glaube, dies verdient allgemeines Lob.
Auch in der Entwicklungspolitik steht deshalb die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen im Zentrum unserer Arbeit. Verschiedene Rednerinnen und Redner der Opposition haben das Thema angesprochen. Taten statt Worte — wir haben es gehalten. 1,5 Milliarden DM allein in den letzten zwei Jahren an Zusagen für umweltrelevante Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit sind Taten, die weltweit seinesgleichen suchen.Ein besonderer Schwerpunkt sind unsere Beiträge zur Tropenwalderhaltung. Hierbei kennen sie insbesondere unser Brasilienprogramm. Allein 1991 werden dafür 300 Millionen DM bereitgestellt. Dies ist ein gewaltiger Schritt nach vorn. Taten statt Worte. Dies ist nicht nur gefordert, sondern wir realisieren es auch.Umwelt- und Entwicklungskrisen können nicht separat gelöst werden. Ohne Bekämpfung der Armut — Kollege Schanz, zwischen Ihren und meinen Äußerungen gibt es überhaupt keinen Dissens — werden die globalen Umweltprobleme nicht zu beherrschen sein. Andererseits ist bei allen Entwicklungsmaßnahmen auch in der Zukunft die Umwelt als Produktions- und Kostenfaktor zu berücksichtigen.Frau Kollegin Hartenstein, Sie haben gefragt, wo wir in diesem Bereich handeln, und haben den Schuldenerlaß angesprochen. Die Bundesrepublik Deutschland ist mit einem Schuldenerlaß an alle LDCs und sechs afrikanische, insbesondere Tropenwaldstaaten das erste und einzige Land, das in einer Größenordnung von 9,4 Milliarden DM Schulden erlassen hat. Dies ist ein gewaltiger Schritt nach vorn.
Sie haben gesagt, wir sollten nicht soviel Staudämme bauen und mehr den Einsatz regenerativer Energien fördern. Befragen Sie Ihren Kollegen Schanz, der im zuständigen Fachausschuß sitzt: Wir machen dies; wir fördern regenerative Energien. Aber wir werden uns dort, Frau Kollegin Hartenstein, wo es sich aufdrängt, wenn es also die natürlichen Gegebenheiten erfordern, wenn es die sauberste und umweltfreundlichste Energiequelle ist und wenn ein Staudamm umweltfreundlich in die Region eingepaßt werden kann, in der Zukunft nicht davon abhalten lassen, einen Staudamm mitzufinanzieren. Wir sollten doch keinen Popanz aufbauen.
Wir haben weltweit mit die strengsten Umweltkriterien. Ich freue mich, daß ich zu einer Zeit reden darf, zu der Herr Vizepräsident Klein präsidiert, weil in seiner Zeit als Entwicklungshilfeminister gerade die Umweltverträglichkeitsprüfungen Eingang in unsere Politik gefunden haben. Auch auf diesem Gebiet können wir uns sehen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Diskussion heute macht einmal mehr deutlich, daß kein anderes Thema als Umwelt und Entwicklung die gegenseitige Abhängigkeit und die gegenseitigen Pflichten zum Handeln des Südens und des Nordens verdeutlicht. Wir müssen davon abkommen — ich habe heute nachmittag sechsmal, siebenmal, achtmal oder zehnmal den Begriff „Dritte Welt" gehört —, die Welt in eine Erste, Zweite, Dritte und Vierte Welt einzuteilen.
Wir müssen begreifen, daß wir es mit einer einzigen Welt zu tun haben, auf der und von der wir leben. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß dem Bereich Umwelt und Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der einen Welt und vor dem Hintergrund der Verantwortung, die wir für künftige Generationen tragen, noch mehr Bedeutung beigemessen werden. Die Bundesregierung tut es. Wenn wir von der Breite des Parlaments hierbei unterstützt werden, dann fällt es uns um so leichter.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Michael Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Umwelt und Entwicklung — das ist offenkundig die Konfliktlinie der großen Zukunftsauseinandersetzungen. Wir alle hab en in den letzten Tagen mit Entsetzen die Bilder aus Bangladesh gesehen. Bangladesh ist möglicherweise ein Bild dieser Zukunft. Denn in Bangladesh ist die doppelte Spirale aus Armut und Umweltzerstörung heute schon in dramatischer Weise sichtbar.Bangladesh, eines der bevölkerungsreichsten und ärmsten Länder der Erde, ist dasjenige Land, was schon am meisten unter den Eingriffen — insbesondere der industriellen Welt — in den Naturhaushalt zu leiden hat. In den letzten 30 Jahren hat sich in Bangladesh die Zahl der Sturmfluten verdreifacht. In der Zwischenzeit tritt im Durchschnitt eine Jahrhundertsturmflut in Bangladesh alle zehn Jahre auf.Meine Damen und Herren, das sind wirklich dramatische Zahlen. Sie gehen in der Tat auf die Verände-
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Michael Müller
rung der Wechselprozesse zwischen Atmosphäre und Ozean zurück. Bangladesh liegt in einem Bereich, wo es durch die Veränderung, die von den Industrieländern hervorgerufen wird — nämlich durch die Anreicherung von Schadstoffen in der Atmosphäre — , zu einer besonderen Erwärmung des Ozeans und dadurch zu einer Veränderung von Niederschlagsmengen und Windverhältnissen kommt.Dies bedeutet in der Konsequenz, daß ein Land, das sich nicht schützen kann, schon heute in besonderer Weise das Opfer der Prozesse ist, die in erster Linie wir in den Industrieländern zu verantworten haben.Ich höre sehr wohl, was Sie, Herr Staatssekretär Repnik, über die eine Welt sagen. Ich befürchte nur, es wird anders. Ich befürchte, die Zukunft wird zu einem dramatischen Wettlauf um Sieger und Verlierer. Denn die Industrieländer sind bisher gar nicht in der Lage, das, was wirklich notwendig ist, tatsächlich zu tun.Dann wird man fragen: Was passiert? Ich befürchte, es gibt einen neuen, ökologisch begründeten kolonialen Wettlauf. Menschen in Europa können noch Deiche bauen. Aber was kann beispielsweise der arme Mensch in Bangladesh oder in Indien machen? Das ist doch die Frage.
— Da müssen wir helfen, indem wir begreifen, daß Bangladesh uns angeht. Das ist der entscheidende Punkt, den wir begreifen müssen.
Entschuldigung, wenn ich das hier klar sage: Wenn soeben jemand von der „Übernutzung" in der Dritten Welt redet — das war der Begriff; das ist jetzt nicht mein Ausdruck; das ist ein Zitat —, dann hat er immer noch nicht begriffen, daß nicht die Dritte Welt derjenige Teil ist, der die Natur übernutzt, sondern daß wir es sind. Das ist doch der Punkt. Da kann man doch nicht von der „Übernutzung" der Dritten Welt — wie soeben getan — reden. Man muß doch begreifen: Der Grund ist die Energienachfrage in den Industrieländern, ist der Chemieeinsatz in den Industrieländern, ist die Verkehrspolitik der Industrieländer. Das ist die Wahrheit. Der Grund ist doch nicht die „Übernutzung" in der Dritten Welt.
— Lieber Kollege, 80 % der Kohlendioxidemissionen entfallen auf 20 % der Menschheit, und zwar der in den Industrieländern. Informieren Sie sich vorher!Die Realität ist folgende: Die Bundesrepublik macht etwa 1,5 % der Bevölkerung aus. Diese 1,5 % sind — das ist eine der relevanten Fragen — mit etwa 5,5 % an den Kohlendioxidemissionen beteiligt.
— Das tun wir permanent. Vielleicht sollten wir öfters miteinander reden; dann wüßten Sie das. — Diese 1,5 % der Weltbevölkerung sind beispielsweise für mehr als 10 % der Produktion von FCKW verantwortlich. Wir können doch nicht so tun, als ob das etwas ist, mit dem wir nur begrenzt etwas zu tun haben. Es ist unser zentrales Problem. Das müssen wir endlich begreifen.
Wir müssen vor allem begreifen — das finde ich noch als das Wichtigste —, daß diese Prozesse erst mit einer Zeitverzögerung von 30 bis 40 Jahren auf uns zukommen.
Das, was wir heute nicht tun, wird genau in diesem globalen Wettlauf der Sieger und Verlierer enden, den ich — das ist meine schlimme Befürchtung — in der Zwischenzeit in einer dramatischen Weise durch den Golfkrieg schon in den Strukturen verfestigt sehe. Der Golfkrieg war — bei allen anderen Motiven — auch ein Kampf in die Verfügbarkeit von billiger Energie, von billigem Gas und Öl. Es war in den letzten zehn Jahren in den größten Ländern eben nicht die Bereitschaft zu sehen, das zu tun, was zu tun ist, nämlich Energie einzusparen. Das ist doch die Realität.
Ein Beispiel aus den USA: 1979 hat es ein halbes Jahr lang ein Energieeinsparprogramm gegeben — ein halbes Jahr lang! —, und dann wurde es wieder beendet. Seit der Zeit läuft das so weiter wie bisher. Hier liegt die Verantwortung, die wir sehen müssen.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Okay. — Ich will als letzten Satz nur sagen: Es tut mir leid, wenn man die Probleme auf das Bevölkerungswachstum schiebt. Das ist das Alibi, was uns wirklich als letztes einfallen sollte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Steffen Kampeter.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen in unserem Land sorgen sich um unser Klima. Begriffe wie „Treibhauseffekt" und „Ozonloch" sind inzwischen jedem bekannt. Die Bürgerinnen und Bürger fordern die Politik zu weiterem entschlossenen Handeln auf, und es ist sicherlich auch ein Ziel dieser Aktuellen Stunde, aufzuzeigen, daß die Bundesregierung mit Unterstützung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion in der Vergangenheit entschlossen gehandelt hat und dies auch in Zukunft tun wird.
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Steffen KampeterVor diesem Hintergrund ist es außerordentlich erschreckend, was uns die Opposition hier zum besten gegeben hat. Gerade der Debattenbeitrag des Herrn Müller war ein Beispiel dafür.
Sehr verehrter Herr Müller, in diesem Haus ist es sicherlich unstreitig, daß uns die Entwicklungsprobleme, beispielsweise in Bangladesh, sehr unmittelbar betreffen. Aber so zu tun, als hätte in der Vergangenheit in der Bundesrepublik keiner Entwicklungspolitik in diese Richtung geleistet, ist schon ein ziemlich starkes Stück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Debatte können viele Belege dafür angeführt werden, was in der Vergangenheit getan wurde. Beispielsweise hat der Bundeskanzler mit seinem Modell „Schuldenerlaß für Regenwalderhalt" einen wichtigen praktischen Beitrag gegen die weitere Ausbeutung der tropischen Regenwälder geleistet.
Wir haben den Schutz der tropischen Regenwälder erstmals zu einer internationalen Gemeinschaftsaufgabe gemacht. Dies ist eine Aufgabe, die wir zukünftig gemeinsam werden lösen müssen.Der Bundesumweltminister Klaus Töpfer hat die entscheidenden Grundlagen dafür geschaffen, daß die Bundesrepublik 1994 als erstes Land der Erde FCKW-frei wird.
Diese drastische, aber notwendige FCKW-Diät ist ein Beispiel für unsere internationalen Partnerländer, uns hierbei zu folgen.Sehr verehrter Herr Müller, in Ihrem Debattenbeitrag haben Sie es so dargestellt, als hätten wir beim Thema FCKW nicht entschlossen genug gehandelt. Hier sehen Sie leider die Realitäten nicht. Der Kabinettsbeschluß ist da, die Verordnung liegt vor, wir haben gehandelt.
Ende des letzten Jahres hat die Bundesregierung ein sehr ehrgeiziges CO2-Verminderungsprogramm beschlossen. Ich habe mit sehr viel Freude zur Kenntnis genommen, daß selbst Herr Schäfer diese Zielsetzung der Bundesregierung inzwischen unterstützt. 25 bis 30 % der CO2-Emissionen sollen bis zum Anfang des nächsten Jahrtausends beseitigt werden. Auch vor unpopulären Maßnahmen im Verkehrssektor werden wir nicht zurückschrecken.Ein wichtiger Punkt in dieser Debatte ist derzeit die europäische Dimension. Sicherlich richtig ist, daß ein nationaler Alleingang immer sehr, sehr schwierig ist, aber es sollte auch Zustimmung in diesem Haus finden, daß wir mit Rücksicht auf europäische Partner und ihre Vernachlässigungen in der Umweltpolitik nicht nachlassen sollten, auch im Bereich der CO2- Verminderung in der europäischen Vorbildfunktion voranzugehen.
Sehr verehrte Damen und Herren, hier ist einiges zur ökologischen Sanierung in den neuen Bundesländern gesagt worden. Wenn wir in der Region mit dem höchsten Primärenergieverbrauch pro Kopf mit Volldampf sanieren, ist das auch ein außerordentlich wichtiger Beitrag zum Erhalt unseres Klimas.
Meiner Meinung nach werden wir mit der Konferenz Umwelt und Entwicklung für ordnungspolitische Aspekte wichtige Impulse geben können. Ich glaube, daß wir einer globalen CO2-Regelung auch in Form einer internationalen Kompensationsregelung ein technisches Umsetzungsinstrumentarium geben können werden, das das Etikett „marktwirtschaftliche Umweltpolitik" in globaler Dimension verdient.Nachdem der Bundeskanzler Umweltpolitik immer auf die Tagesordnungen der Weltwirtschaftsgipfel gesetzt hat, wird nun die Konferenz für Umwelt und Entwicklung helfen, die Gemeinschaft der Völker für die Gestaltung der Zukunft in einer gemeinsamen Welt zu mobilisieren. Die Konferenz ist Bestandteil unserer Umwelt-Außenpolitik, die den Vereinten Nationen in Zukunft einen höheren Stellenwert beimessen wird. Mit der Einsetzung der nationalen Vorbereitungskommission hat Helmut Kohl einen wichtigen Wegstein in der internationalen Umweltpolitik markiert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Bundeskanzler und den Bundesumweltminister bei ihren Bemühungen um die globale Bewahrung der Schöpfung.Herzlichen Dank.
Ich erteile dem Abgeordneten Helmut Lamp das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1987 lebten an der schleswigholsteinischen Nordseeküste 3 800 Seehunde. Eine bis dahin unbekannte Seuche dezimierte den Bestand dramatisch. „In vier Wochen werden die Seehunde vor der deutschen Nordseeküste ausgestorben sein", zitierte im Frühjahr 1988 die Presse einen hochrangigen Umweltpolitiker Schleswig-Holsteins. Im Sommer 1990 wurden wieder 2 000 Seehunde im Wattenmeer Schleswig-Holsteins gezählt.
Chemieunfälle färbten den Rhein in allen Regenbogenfarben. Schadfrachten ließen Fische und Kleinstlebewesen in Massen sterben. Der Rhein war totgesagt worden. Heute finden wir wieder 40 Fischarten und 100 Arten von Kleinstlebewesen im Rhein.
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2302 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Helmut LampIm Frühjahr dieses Jahres, meine Damen und Herren, ging in meiner schönen Heimat an der Ostseeküste ein schmutziger Regen nieder. Experten aus dem politischen Bereich wußten sehr schnell die Ursache zu nennen: Der Golfkrieg. Sie mußten sich belehren lassen: Stürmische Winde hatten im benachbarten Jütland Staub und Sand aufgewirbelt.Meine Damen und Herren, daß ich Ihnen diesen Hang zu Katastrophen an wenigen Beispielen schildere, hat einen besonderen Grund: Wir treiben einer globalen Umweltkatastrophe entgegen. Das Weltklima verändert sich meßbar und nachweisbar. Schon in erlebbarer Zukunft sind dramatische Folgen zu befürchten, aber die Öffentlichkeit reagiert gelassen, desinteressiert. Die Sensibilität unserer Mitbürger ist überstrapaziert.
Nicht nur Verharmlosung, meine Damen und Herren, auch das gewollte Überzeichnen der Gefahren schadet dem Engagement für den Umweltschutz. Dabei stehen wir jetzt vor einer Herausforderung, von deren Bewältigung das Überleben der Menschheit abhängen wird.Ich möchte den Ernst der Lage noch einmal kurz skizzieren.
Vor 250 Millionen Jahren, im Erdzeitalter des Karbon, entwickelten sich riesige Erdöl-, Kohle- und Erdgasvorkommen und entzogen damit der Erdatmosphäre enorme Mengen Kohlendioxid. Auch auf Grund des hohen Kohlendioxidgehalts der Erdatmosphäre konnten vor dem Erdzeitalter des Karbon nur Pflanzen außerhalb des Wassers leben. In nur 100 Jahren werden wir die Hälfte des damals eingelagerten CO2 der Atmosphäre wieder zugeführt haben, vor allen Dingen durch die Verbrennung fossiler Energieträger. Mit Riesenschritten geht es wieder zurück ins Erdzeitalter des Karbon.Es müssen alternative Energieträger gefördert und entwickelt werden.
Insbesondere — dabei hoffe ich auch auf Ihren Beifall — müssen emotions- und ideologiebedingte Vorbehalte gegenüber nachwachsenden Energieträgern abgebaut werden.
Mit Blick auf die anstehende Arbeit des Nationalen Komitees zur Vorbereitung der UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung" 1992 in Brasilien und mit Blick auf die lebensbedrohenden Klimaveränderungen halte ich eine sachbezogene parteiübergreifende Zusammenarbeit für unumgänglich. Ich möchte uns alle ermahnen: Schlagzeilenhascherei, persönliches politisches Profilierungsdenken sind im Zusammenhang mit der sich abzeichnenden Katastrophe völlig fehl am Platze
und würden eine wirklich erfolgreiche Arbeit des Komitees gefährden.Danke schön.
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung und Zusatzpunkt 2 der Tagesordnung auf:
3. Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Agrarbericht 1991
Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung
— Drucksachen 12/70, 12/71 —
überweisungsvorschlag:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuß für Gesundheit
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß
ZP2 Erste Beratung des von den Abgeordneten Egon Susset, Meinolf Michels, Richard Bayha, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Ulrich Heinrich, Günther Bredehorn, Johann Paintner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung einer einjährigen Flächenstillegung im Wirtschaftsjahr 1991/1992
— Drucksache 12/721 —
überweisungsvorschlag :
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuß
Zum Agrarbericht liegen je ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Aussprache drei Stunden vorgesehen. — Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister Ignaz Kiechle.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! In diesem Frühjahr hatten wir bis weit in den Mai hinein fast winterliche Temperaturen. Der Stand des Getreides auf den Feldern verspricht dennoch eine passable Ernte. Allerdings: Erfolge auf den Feldern garantieren nicht unbedingt auch eine positive Einkommensentwicklung. Der Markt signalisiert eher das Gegenteil. Denn je besser die Ernten, desto mehr Rauhreif auf der Markt- und Preispolitik und damit auf den Einkommen der Bauern, zumindest so lange, wie die Gesamt-
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Bundesminister Ignaz Kiechleproduktion höher ist als die Gesamtnachfrage, muß man befürchten.
Ich begrüße es sehr, daß wir noch vor der Sommerpause diese Agrardebatte haben. Grundlage der Agrardebatte ist der Agrarbericht 1991 der Bundesregierung. Er liegt Ihnen, meine Damen und Herren, seit Mitte Februar dieses Jahres vor. Er wurde wie immer sehr sorgfältig erstellt. Er gibt Auskunft über die Lage der Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1989/90, das vor einem Jahr, genau am 30. Juni 1990, endete.Das Wirtschaftsjahr 1989/90 war für die Einkommen der Bauern ein sehr positives Jahr. Im Durchschnitt der Vollerwerbsbetriebe konnte der große Abstand zum außerlandwirtschaftlichen Einkommen deutlich verringert werden. Entscheidenden Anteil daran hatten eine gute Ernte und allgemein zufriedenstellende Erzeugerpreise.Im laufenden Wirtschaftsjahr müssen wir leider wegen rückläufiger Erzeugerpreise mit einem Einkommensminus von 20 bis 25 % im Durchschnitt der Vollerwerbsbetriebe rechnen. Zudem zeichnet sich ab: Kurzfristig lassen die übervollen Märkte keine Preisverbesserungen zu, und der Prozeß der Umstrukturierung in den neuen Bundesländern geht langsamer voran als erhofft.Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, werden, fürchte ich, wieder versuchen, die Schuld für die schwierige agrarpolitische Situation der Bundesregierung anzulasten.
Sie verschweigen dabei: Ihre Politik in den 70er Jahren war doch auf ständige Produktionssteigerung angelegt, und dadurch wurde die heutige Misere auf den Agrarmärkten vorprogrammiert. Was aber die Bauern heute interessiert, sind realistische Vorschläge, wie das entstandene Überschußproblem künftig zu lösen ist.Die Verbraucher können wir nicht zwingen, mehr Milch, Fleisch oder Brot zu konsumieren, damit wir von den Überschüssen herunterkommen. Der hochsubventionierte Export führt zu mehr Ärger als Erfolg. Die Vorratsläger der EG sind überfüllt. Also müssen wir andere Lösungen suchen.Im Grunde drehen sich die Diskussionen in der EG-Kommission derzeit um zwei Alternativen. Die eine ist der Abbau der EG-Preisstützung. Der finanzielle Verlust soll den Bauern teilweise direkt, das heißt in DM, ausgeglichen werden. Die andere Alternative ist, die Mengen direkt, das heißt auf dem Feld oder im Stall, zu begrenzen, um die Preise vor dem freien Fall nach unten zu bewahren. Denn im freien Fall würden die EG-Agrarpreise sich ziemlich rasch und hart auf dem Boden der Weltmarktpreise wiederfinden. Mit sogenannten Weltmarktpreisen kann die europäische Landwirtschaft aber in vielen Regionen nicht überleben.Deshalb ist die Bundesregierung immer gegen ein Konzept drastischer Stützpreissenkungen gewesen, zum Teil allerdings ohne genügend EG-Unterstützung, sowohl in der Kommission als auch im Rat. Wir setzen uns statt dessen mit aller Kraft für ein Konzept der Mengenbegrenzung ein. Im wesentlichen sollte in der EG das erzeugt werden, was mengen- und qualitätsmäßig absetzbar ist. Der Exportanteil sollte sich bei konkurrierenden Produkten mit den Importen in etwa die Waage halten. Das ist unsere Linie für die bevorstehende EG-Agrarreform und für die laufenden GATT-Verhandlungen.Die EG-Kommission hat sich bisher schwergetan, den Weg der direkten Mengenbegrenzung konsequent zu verfolgen. Die diesjährigen Preisverhandlungen haben bei Getreide einen gewissen Durchbruch gebracht. Wer an der Flächenstillegung als einem Instrument der Mengenreduktion nicht teilnimmt, wird an der Finanzierung der Überschußproduktion verstärkt beteiligt. Oder umgekehrt formuliert: Wer teilnimmt, erhält die volle Abgabe erstattet. Im übrigen: Aus der sogenannten Mitverantwortungsabgabe sollte bald ein Marktentlastungsbeitrag konzipiert werden. Auf diese Weise wird ein deutlicher Anreiz gesetzt, lieber weniger als mehr, z. B. Getreide, zu produzieren.Bei Milch haben wir folgendes erreicht: Die Rückführung der Milchquote wird den Bauern vergütet und nicht entschädigungslos gekürzt, wie es ursprüngliche Absicht der Kommission war. Eine Herauskaufaktion auf freiwilliger Basis hat bei uns Vorrang vor einer linearen Rückführung. Diese Herauskaufaktion werden wir, sobald die EG-rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, umgehend und mit größtem Nachdruck in Angriff nehmen. Ich sage dies auch, um eine gewisse Ungewißheit unter den Landwirten und den Bauern zu beseitigen.Ich möchte alle Beteiligten — Verbände, Molkereien, Berater und die Verwaltung — bitten, dazu beizutragen, daß die Herauskaufaktion ein Erfolg wird; denn nur dann kann eine lineare und für alle Landwirte geltende Stillegungsaktion gegen EG-Entschädigung vermieden werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, über eines muß sich jeder im klaren sein, der das EG-Stützpreissystem demontieren und Preise durch staatliche Einkommentransfers ersetzen will: Je niedriger das über den Preis erzielte Einkommen in den Betrieben wäre, desto höher müßten die Zahlungen aus öffentlichen Haushalten sein
und desto größer müßte die Verpflichtung der EG und der Mitgliedstaaten sein, solche Zahlungen quasi regelmäßig der außerlandwirtschaftlichen Einkommensentwicklung anzupassen.Die Landwirte selbst betrachten einen solchen Weg mit großer Skepsis. Die derzeitige öffentliche Diskussion über Subventionskürzungen auch in der Landwirtschaft ist nicht dazu angetan, bei Landwirten Vertrauen in ein Konzept direkter staatlicher Einkommenstransfers zu wecken.
Erst rufen Wirtschaft und Politik danach, direkt zu Beihilfen überzugehen, um den Welthandel nochmals zu
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2304 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Bundesminister Ignaz Kiechlesteigern. Danach wird mit dem Hinweis, daß es sich um Subventionen handele, wieder nach Kürzungen gerufen. Diese Art von politischem Wechselspiel können und werden wir nicht akzeptieren. Wenn mehr direkte Transferleistungen zum Einkommen gefordert werden, sind diese eben keine Subventionen, sondern Mittel zum Zweck. Dabei hat es dann auch zu bleiben.Außerdem wissen wir alle, wie schwierig es ist, staatliche Mittel gerecht — oder wie immer man das nennt — auf die Betriebe zu verteilen. Die einen fordern eine stärkere Umverteilung zugunsten der kleineren Betriebe. Andere befürchten, daß wettbewerbsfähige Betriebe dabei leer ausgehen und unter dem Diktat zu niedriger Agrarpreise schließlich das Handtuch werfen müssen.Die Besserstellung kleinerer und mittlerer Betriebe ist bereits heute praktische Politik, wenn wir beispielhaft an die Rückgewährung der Mitverantwortungsabgabe bei Getreide an Kleinerzeuger, an den soziostrukturellen Ausgleich von mindestens 1 000 DM je Betrieb, an die Ausgleichszahlungen in benachteiligten Gebieten mit Höchstgrenzen und vor allem an die umfangreiche Beitragsentlastung zugunsten aller, aber besonders kleinerer Betriebe in der agrarsozialen Sicherung denken. 5,6 Milliarden DM im Einzelplan 10 entfallen 1991 allein auf diese Position.Diese besondere Unterstützung kleinerer und mittlerer Betriebe ist weiterhin unentbehrlich. Wir wollen aber keine Zementierung der Agrarstruktur. Sie würde im EG-Wettbewerb rasch ins Abseits führen. Deshalb haben wir bei den Koalitionsverhandlungen vereinbart, daß — je nach Ergebnis der GATT-Verhandlungen — kleinere, mittlere und größere Betriebe an notwendigen staatlichen Ausgleichsmaßnahmen teilhaben sollen.Würden die Erzeugerpreise weiter sinken, lägen die Vorteile vielleicht noch am ehesten bei den Verbrauchern. Aber müssen denn die beinahe reichsten Verbraucher der Welt die Agrarprodukte, bezogen auf die anteiligen Erzeugerpreise, regelrecht nachgeworfen bekommen?
Heute, so steht es im Agrarbericht, geben die Verbraucher 13 bis 14 % ihrer verfügbaren Einkommen für Nahrungsmittel aus. Vor 40 Jahren waren es noch über 40 %. Heute erhalten die Bauern von jeder Mark, die für Nahrungsmittel ausgegeben wird, im Durchschnitt gerade noch 36 Pf, zum Teil erheblich weniger. Vor 20 Jahren waren es noch 51 Pf. Ein Ei wird heute in sehr viel kürzerer Zeit verdient, als Zeit nötig ist, es zu kochen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, in allen westlichen Industrienationen ist die Landwirtschaft auf staatliche Unterstützung angewiesen. Es gibt gute Ansatzpunkte, dabei das Leistungsprinzip nicht nur zu wahren, sondern sogar zu verstärken; denn das Produzieren von Nahrungsmitteln ist nicht die einzige Aufgabe der Landwirtschaft. In einem dichtbesiedelten Land wie dem unsrigen ist mittlerweile die Sicherung einer intakten, attraktiven Landschaft, die auch unsere gemeinsame Heimat ist, beinahe genauso wichtig wie die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Ernährung. Die Leistungen zur Landschaftspflege, Erhaltung unserer abwechslungsreichen Kulturlandschaft und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen müssen zu einer echten Marktleistung werden, die ihren Preis hat, wenn sie auch langfristig erbracht werden sollen. Eine ganze Reihe von Länderprogrammen und auch die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten bewegen sich bereits in diese Richtung. Für die verstärkte Honorierung landeskultureller und ökologischer Leistungen gibt es große Zustimmung in unserer Bevölkerung. Manche Erwartungen an die Landwirtschaft gerade auf diesem Gebiet sind allerdings auch überzogen. Einigen Zeitgenossen wäre es am liebsten, die Bauern würden ihre Acker wieder mit dem Pferd bestellen. Konsequenterweise müßte man aus dem VW-Werk dann eine Fahrradfabrik machen. Daß das absurd wäre, sieht an sich jeder ein.Für die Landwirtschaft stellt sich zukünftig die Aufgabe, zwischen Höchstertragsstreben und einer möglichst umweltverträglichen Produktion einen vernünftigen Kompromiß zu finden. Mehr Ökologie muß sich für die Betriebe aber rechnen, meine Damen und Herren, sonst macht keiner freiwillig mit. Natürlich können mehr Natur- und Umweltschutz auch von oben, d. h. vom Staat, per Gesetz verordnet werden. Die ökonomischen Folgen von Produktionsauflagen werden die Betriebe aber nicht lange durchhalten können, wenn die Wettbewerbsfähigkeit dieser Betriebe massiv in Frage gestellt wird. Also muß man entweder mit Produktionsauflagen zurückhaltend sein oder den Bauern einen Ausgleich für Nachteile zahlen. Das gilt ganz besonders, wenn eventuelle Auflagen nicht EG-einheitlich sind.
Unsere Erfahrung ist: Es gibt keinen Königsweg zur Lösung agrarpolitischer Probleme, aber wir müssen wissen, worauf wir — jetzt und auch endgültig — hinaus wollen.Unser Angebot ist in Form eines Förderkonzepts vorhanden. Es richtet sich erstens auf die Betriebe, die sich bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln oder nachwachsenden Rohstoffen dem Wettbewerb stellen und dafür gute Voraussetzungen mitbringen. Die staatliche Förderung gilt hier der Kostensenkung und Rationalisierung in den Betrieben sowie der Marktstrukturverbesserung.Zweitens geht es um die Betriebe, die sich schwertun, im EG-Wettbewerb dauerhaft zu bestehen, die aber unverzichtbare ökologische oder landschaftspflegerische Leistungen erbringen und dafür zu honorieren sind.Drittens geht es um die Betriebe, deren Inhaber sich für die Einkommenskombination entscheiden, die weiterhin wichtige gesellschaftliche Leistungen erbringen und eben deshalb an staatlichen Maßnahmen teilhaben sollen.Viertens geht es um die Betriebe, deren Inhaber aus Gesundheitsgründen oder wegen fehlender Hof nachfolge den Betrieb vorzeitig aufgeben wollen. Hierfür
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2305
Bundesminister Ignaz Kiechlesind soziale Maßnahmen wie u. a. die Produktionsaufgaberente eine wertvolle Hilfe.Meine sehr verehrten Damen und Herren, die deutsche Einheit hat uns sehr unterschiedliche agrarstrukturelle Verhältnisse in Ost und West gebracht. Eine oft gestellte Frage ist: Können wir angesichts der deutlich größeren Betriebe in den neuen Bundesländern das Leitbild vom bäuerlichen Betrieb überhaupt aufrechterhalten?
Hierzu möchte ich sagen: Größe allein war noch nie das entscheidende Kriterium für die Leistungsfähigkeit eines Betriebes.
Viel wichtiger ist die Betriebsleiterqualifikation und die Voraussetzung verfügbaren privaten Eigentums. „Bäuerliche" Betriebe zeichnet der enge Bezug zwischen Tierhaltung und Boden und ein großes Verantwortungsgefühl der Menschen gegenüber der Natur aus. Werden diese Merkmale erfüllt, sind auch Mehrfamilienbetriebe und Kooperationen Teil der bäuerlichen Agrarstruktur. Voraussetzung für die gesellschaftliche Akzeptanz von Kooperationen ist allerdings, daß man in einen Gemeinschaftsbetrieb eintreten kann und daß jedes Mitglied nach einer angemessenen Kündigungsfrist austreten und frei über sein Eigentum verfügen kann.
Die Novellierung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes trägt hier für mehr Klarheit in der Praxis der neuen Bundesländer bei.
Über das Landwirtschaftsanpassungsgesetz hinaus wurde in den letzten Monaten vieles unternommen, um der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern den Start in die gemeinsame Agrarpolitik zu erleichtern. Ich erinnere an differenzierte Investitionshilfen für Wiedereinrichter und LPGen, umfangreiche Liquiditätshilfen und existentiell notwendige Entschuldungsmaßnahmen durch die Treuhandanstalt.1991 stehen im Einzelplan 10 rund 4,1 Milliarden DM für die Agrarwirtschaft in den neuen Bundesländern zur Verfügung. Darunter sind 1,2 Milliarden DM an Anpassungs- und Überbrückungshilfen. Mit einem Bewilligungsrahmen von insgesamt 1,4 Milliarden DM einschließlich der Verpflichtungsermächtigungen ist der finanzielle Spielraum für Strukturmaßnahmen in den neuen Bundesländern größer als im alten Bundesgebiet. Leider sind die Probleme vor Ort oftmals komplizierter, als zunächst gedacht. Die volle Wirkung staatlicher Maßnahmen kann sich deshalb erst nach und nach einstellen. Ein bißchen mehr Zeit ist erforderlich.Der Agrarbericht 1991 ist der erste gesamtdeutsche Bericht. Er weist aus, daß die Bundesregierung alles in ihren Kräften Stehende tut, um eine geordnete Entwicklung der Landwirtschaft in ganz Deutschland sicherzustellen.
In diesem Bemühen werden wir fortfahren. Ich bitte Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, dabei herzlich um Ihre Unterstützung. Den Damen und Herren meines Ministeriums danke ich für die sorgfältige Erstellung des Agrarberichts. Den Bäuerinnen und Bauern sowie der Landjugend wünsche ich trotz der momentanen Probleme Mut und Zuversicht für die Zukunft und eine glückliche Hand bei den Entscheidungen in den Betrieben.Ich bin sicher, dieser Deutsche Bundestag — vielleicht das eine oder andere Mal in verschiedenen Abwandlungen — hat in seiner grundsätzlichen Auffassung die Absicht, unsere Landwirtschaft zu stützen, ihr — in verschiedenen Perspektiven — bei Anpassungsprozessen, beim Überleben zu helfen. Denn wir alle im Industriestaat brauchen sie.
Das Wort hat der Kollege Jan Oostergetelo.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundlage unserer Debatte ist der Agrarbericht. Ich bedanke mich für die Erstellung desselben. Der Agrarbericht soll über die Lage der Landwirtschaft Auskunft geben. Unsere Gesellschaft muß wissen, wie es tatsächlich um die Landwirtschaft steht und was eine Vernichtung derselben an katastrophalen Folgen nach sich ziehen würde.
Hier stehen wir alle in gleicher Verantwortung. Eine EG-weite, in sich stimmige und durchgreifende Agrarreform ist notwendig und längst überfällig.
Die nicht mehr zu verantwortende Überproduktion, die Vernichtung bäuerlicher Existenzen bei uns und in vielen Entwicklungsländern, verbunden mit Milliarden-Subventionen, und die Zerstörung der Umwelt sind zu Recht ins Kreuzfeuer öffentlicher Kritik geraten. Sie haben einen ursächlichen Zusammenhang. So kann, nein, so darf es nicht weitergehen.Wir sagen deshalb mit Nachdruck — und das sollte für uns alle klar sein — : Die Erhaltung möglichst vieler Betriebe und vielfältiger Betriebsformen ist aus gesamtgesellschaftlichen Gründen lebensnotwendig.
Wo man sie vernichtet hat, sieht man heute die Folgen. Die kommunistischen Systeme des Ostens brechen nicht zuletzt auch deshalb zusammen, weil sie den Bauern die Selbständigkeit genommen haben.
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2306 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Jan OostergeteloIn Australien verlassen ältere Menschen den ländlichen Raum, nachdem ihre Kinder die Farmen übernommen haben, und selbst in Amerika sterben die Dörfer.Wir sagen: Ein intakter ländlicher Raum — in dem bei uns immerhin die Hälfte der Bevölkerung lebt — ist auf Grund seiner vielfältigen Funktionen unersetzlich, aber auch wegen seiner wechselseitigen Beziehungen Vorbedingung für eine positive Entwicklung unserer Industriegesellschaft.
Ich will hier nur kurz an seine Aufgaben als Wirtschafts-, Erholungs- und Naturschutzraum erinnern. Es geht doch darum, ob der ländliche Raum als gemeinsamer Lebensraum für Menschen, Tier und Pflanze weiterhin sein kann, was er noch weitgehend ist; der Raum, in dem die Lebensgrundlage dieser Gesellschaft gesichert wird. Reine Luft, sauberes Wasser, Artenvielfalt von Tier und Pflanze, ihr Verlust wäre unbezahlbar.
Herr Minister, Sie haben erst kürzlich bei den Haushaltsberatungen zum Ausdruck gebracht, daß Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß einen Politiker auszeichnen sollten. Recht hatten Sie! Uns haben Sie ein Verantwortungsgefühl gegenüber den Bauern abgesprochen. Das ist ein harter Vorwurf, dem ich entschieden entgegentrete.
Ich frage mich: Wissen Sie eigentlich, was Sie da gesagt haben?Der Agrarbericht zeigt, daß im abgelaufenen Wirtschaftsjahr eine Erholung der landwirtschaftlichen Einkommen eingetreten ist; für das laufende müssen wir jedoch mit riesigem Einkommensrückgang rechnen.
Insgesamt sind die Einkommen der deutschen Landwirtschaft absolut unbefriedigend
und ohne Perspektive, ja im unteren Drittel sogar existenzvernichtend, meine Damen und Herren. Das ist kein Scherz. Im EG-Vergleich stehen wir außerdem sehr ungünstig da.
Der Abbau der Überschüsse ist sicher nicht in ein paar Jahren zu realisieren, aber ich freue mich, Herr Minister, daß auch Sie jetzt zugeben, keinen Königsweg zu haben. Das ist redlicher als Ihre Versuche in der Vergangenheit, z. B. Quotierung der Landwirtschaft, aktive Preispolitik, aber immer weniger Einkommen, oder die Flächenstillegung als Heilswege zu verkaufen.
Aber Ihr Versuch, Herr Minister, nach fast zehn Jahren Regierungszeit die heutige Misere der Sozialliberalen Koalition der siebziger Jahre anzulasten, schlägt fehl.
Oder stammt folgender, an Helmut Schmidt gerichteter Ausspruch nicht von Ihnen: „Wir von der Union denken gar nicht daran, die Agrarpolitik zu reformieren, nur weil es momentane Schwierigkeiten auf den Agrarmärkten gibt. " So Kiechle. Oder zu mir 1982: „Typisch ein Sozi ... "
— Ich bitte, die Zeit zu berichtigen, die ich noch habe. —Typisch ein Sozi, da liegen ein paar Kilogramm Butter zuviel, und schon reden die von Butterberg.Nein, die jetzt schwierige agrarpolitische Situation haben Sie zu verantworten. Ihre Politik ist gescheitert. Wo gibt es das denn: Rasant steigende Kosten und ärmer werdende Bauern? Ihre Parolen sind es, die den Bauern auf die Nerven gehen, weil nichts dahinter steckt und weil sie keine Perspektive sehen. Gucken Sie mal, wie die Zahl der Ausbildungsplätze oder die der Landwirtschaftsschüler zurückgeht! Die Talfahrt geht unaufhaltsam weiter.
Nehmen Sie beispielsweise die Agrarsozialpolitik. Mit dem Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz haben Sie die Ungerechtigkeit und Ungereimtheiten noch erhöht.
Kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe müssen überproportional hohe Beitragsleistungen erbringen.Wir werden die Finger so lange nicht aus der Wunde nehmen, bis auch Sie mit Ihrer Mehrheit Einsicht haben. Das altbekannte Sprichwort „steter Tropfen höhlt den Stein" ist unsere Devise. Ein solches Handeln ist auf jeden Fall gradliniger und ehrlicher.Sie nennen z. B. 1 000 DM soziostrukturellen Einkommensausgleich je Betrieb eine Besserstellung der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe. Heute vormittag habe ich diese Rechenkunst schon einmal gehört.
Das Gegenteil ist richtig: Ein 20-Hektar-Betrieb bekommt 1 800 DM, und ein 90-Hektar-Betrieb bekommt 8 000 DM. Das sind die Fakten.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2307
Herr Kollege Oostergetelo, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?
Wenn es nicht angerechnet wird.
Nein, es wird nicht angerechnet.
Herr Kollege, könnten Sie uns vielleicht darüber informieren, wie die Zuschußklassen im 4. ASEG gestaltet worden sind, wieviel Prozent ein kleiner, ein mittlerer oder ein größerer Bauer entsprechend seinen Einkommensverhältnissen zu zahlen hat?
— Er kennt sie nicht.
Herr Kollege, ich habe nie behauptet — bei aller Sympathie Ihnen gegenüber —, das Freie Demokraten sozialpolitisch besonders sensibilisiert seien. Wahr ist, daß das Gesetz für Kleinbetriebe Pauschalen in Höhe von 2 000 DM vorsah. Dies ist gestrichen, so daß wir bei kleinen Betrieben zum Teil zu höheren Beträgen kommen als vorher. Das ist die Wahrheit.
Herr Kollege, ich würde Sie bitten, nachzufragen, ob Sie noch eine zweite Zusatzfrage haben können.
— Das ist ganz reizend; dann können wir dies miteinander vereinbaren.
Herr Kollege, gestatten Sie noch eine zweite Zwischenfrage? —
Herr Kollege, ich habe konkret gefragt, wie die Beitragszuschußklassen bei unterschiedlichen Einkommenshöhen der Landwirte aussehen. Dazu bitte ich um eine konkrete Antwort.
Herr Kollege, es ist ja lieb, daß Sie die Zahlen anscheinend korrekt vor Augen haben. Natürlich weiß ich, daß die vier Staffeln bewirken, daß der Bauer mit geringerem Einkommen relativ mehr Zuschüsse bekommt. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, Herr Kollege, daß, wenn Sie die pauschale Entlastung von 2 000 DM wegnehmen, eine Relation resultiert, die eine Mehrbelastung bedeutet.Das altbekannte Sprichwort „steter Tropfen höhlt den Stein", sagte ich, ist ehrlicher. Herr Kollege, wir werden die nächste Reform, die Sie seit zwei Perioden als Koalitionsvereinbarung auf dem Papier stehen haben, aber nicht zustande bringen, so lange fordern, bis Sie es endlich machen müssen.
Ich sagte, im übrigen erhöht Gerechtigkeit ein Volk. Dann wäre es auch schön, Herr Kollege, daß Sie bei Ihrer Fragestellung nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Fakten so sind, wie ich es sagte.Übrigens, Herr Minister: Mit der Festschreibung von Strukturen, wie Sie es uns unterstellen, hat das nichts zu tun.Ein zweites Beispiel für Ihre Politik ohne roten Faden ist der Milchmarkt. Es ist noch nicht lange her, da zogen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, übers Land und priesen die Quotenregelung.
— Es gibt da auch Ausnahmen.Jetzt werden Ihre Worte von der Wirklichkeit eingeholt. Mit der Stabilität des Marktes, den Erzeugerpreisen und den Einkommen der Milchbauern ist es nicht weit her. Jetzt haben wir die 18. Änderung.
— Also, Herr Vorsitzender, mein Eindruck ist: Sie wollen die Pädagogen, die den Kindern eine Eins geben, obwohl sie den Aufsatz 18 mal berichtigen müssen.Vor allem ist die Finanzierung der von Ihnen herausgestellten Herauskaufaktion unklar. Selbst, wenn es zur Herauskaufaktion käme und sich Brüssel daran beteiligte, muß doch der Finanzminister mindestens eine Milliarde DM in den Haushalt einstellen.Auf der anderen Seite zieht Bundesminister Möllemann täglich übers Land und predigt den Subventionsabbau.
Vertreter der Koalitionsparteien sitzen zusammen und lassen durchblicken, daß im Agrarbereich Subventionen gestrichen werden müssen.
Wie ist das alles zu verstehen? Wollen Sie mit der einen Hand geben und mit der anderen Hand nehmen? Wo bleibt das von Ihnen, Herr Bundesminister Kiechle, vielbeschworene Vertrauen gegenüber unseren Bäuerinnen und Bauern?
Damit es klar ist und um Mißverständnisse auszuschließen, sage ich Ihnen: Auch wir werden uns einem Subventionsabbau nicht verschließen. Ich nenne als Beispiel die Gasölbeihilfe. Sie ist systemwidrig und muß auf EG-Ebene abgebaut werden. Es darf nicht sein, daß der Energieverbrauch prämiert wird.
Aber es darf auch nicht sein — das sage ich an alle Adressen — , daß unsere Bauern schlechtergestellt werden als die der EG-Partner.
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2308 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Jan OostergeteloEin Abbau von Hilfen für die Landwirtschaft, der existenzvernichtend wirkt, Herr Kollege, kommt für uns nicht in Frage. Daher kann ich mich auch nicht Ihrer Darstellung, Herr Minister, anschließen, in der EG-Kommission gebe es zwei Alternativen: Mengenrückführung und Abbau der Preisstützung bei direktem Einkommensausgleich. Nein, beide Maßnahmen sind doch zwingend: Die Produktion muß zurückgeführt werden bei gleichzeitigem Einkommensausgleich für die Landwirte in dieser problematischen Phase. Sonst sterben die Bauern, bevor sie etwas erreichen.Nehmen wir noch ein Beispiel. Die von der Bundesregierung vielgepriesene Flächenstillegung war bisher ein Schlag ins Wasser.
Die Franzosen haben ihre Anbaufläche für Weichweizen in diesem Jahr um 8,7 %, für Hartweizen sogar um 17 % und für Mais um 15 % ausgedehnt. Das jetzt in Brüssel beschlossene einjährige Flächenstillegungsprogramm ist auf den ersten Blick möglicherweise besser. Wir werden morgen darüber beraten.Entscheidend wird aber die nationale Ausgestaltung sein. Großbetriebe mit einem hohen Anteil an Verkaufsfrüchten werden in die Flächenstillegung getrieben. Das mag marktpolitisch richtig sein; regionalpolitisch ist das eine Katastrophe. Wenn es bei Betrieben auf guten Standorten um bis zu 2 500 DM geht — das kann man errechnen, wenn die 5 % zurückgezahlt werden —, dann werden Regionen in Nord- und Ostdeutschland — in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt — stillgelegt. Die Getreidepreise gehen jedoch weiter herunter, weil andere EG-Länder wie Frankreich in der Prämiengewährung nicht so rangehen wie Sie.
Kollege Oostergetelo, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Herr Kollege Oostergetelo, ist das nicht eine etwas eigenartige Rechnung, jetzt auf 2 500 DM zu kommen und die 5%ige Rückzahlung mit hereinzunehmen? Logischerweise kämen Sie auf 3 500 DM, wenn wir 10 oder 15 % Mitverantwortungsabgabe hätten.
Ich weiß nicht, was Sie fragen wollen. Sie wollen das verschleiern. Daß das für diese Betriebe praktisch bis zu 2 500 DM pro Hektar bedeutet, ist eine Rechnung, die stimmt. Ich bin auch gern bereit, sie Ihnen zu liefern. Ich kann nicht bestätigen, daß eine höhere Summe drin ist.
Meines Erachtens ist es auch sehr blauäugig, allein mit Mengenreduzierungen den Markt voll in den Griff bekommen zu wollen, um einkommenspolitisch genügend Spielraum zu haben.
Die Bundesregierung hat bisher kein Gesamtkonzept vorgelegt. Es ist erforderlich, den Anpassungsprozeß durch ein Bündel von Maßnahmen zu fördern und nicht zu behindern. Dabei darf nichts ausgelassen werden, was helfen kann. Vieles tragen wir ja sogar gemeinsam.
Damit aber ein Überleben der Landwirtschaft möglich wird, müssen Sie endlich Ihren Widerstand gegen direkte Hilfen aufgeben.
Das Instrumentarium ist auszubauen. Unsere Forderung nach ökologischer Umstrukturierung der Landwirtschaft, und zwar auf der Basis direkt einkommenswirksamer, nicht produktionsgebundener Maßnahmen, ist Bestandteil und Voraussetzung eines solchen Konzepts. Klammheimlich führen Sie es ja ein. Aber draußen bei den Bauern reden Sie immer noch das Gegenteil.
Wir wollen damit erreichen, daß zukünftig der Großteil der Subventionen gezielter, sozial gerechter und einkommenswirksamer direkt landwirtschaftlichen Familien zugute kommt und somit zur Sicherung einer vielfältigen umweltgerechten Landwirtschaft beiträgt.
Der Zwang zur Intensivierung und zur Mehrproduktion — das wissen wir doch — muß endlich aufhören.
Auch diese Forderung, lieber Herr Minister, werden wir so lange wiederholen, bis ein solches Konzept bei uns eingeführt ist.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, wie sonst soll denn die deutsche Landwirtschaft die EG-Agrarreform und die GATT-Verhandlungen überstehen?
Wir wollen die Produktion von Agrargütern im wesentlichen auf den EG-Binnenmarkt beschränken; so sagen wir es gemeinsam. Das bedeutet nichts anderes als Rückführung. Dies müssen wir dann erkennen, bekennen und auch den Bauern sagen.
Herr Kollege Oostergetelo, gestatten Sie bitte noch eine Zwischenfrage des Kollegen Bredehorn?
Lieber Herr Kollege, Sie sind so schnell
über die Direktbeihilfen hinweggegangen. Können Sie uns erklären, wie Sie sich das vorstellen; wollen Sie eventuell diese Direktbeihilfen direkt, pro Betrieb geben, oder muß der Landwirt dafür auch eine entsprechende Gegenleistung erbringen?
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2309
Ich weiß natürlich, Herr Kollege — da diese Regierung ihre eigenen Beschlüsse nicht exekutiert —, warum Sie so fragen. Vor Jahren hat Herr von Geldern von dieser Stelle aus gesagt: Wir haben heute nacht beschlossen, daß es — mit Unterstützung der EG — direkte Einkommenstransfers geben wird. Sie fordern dies nicht einmal ein.
Es ist wahr, daß dies natürlich jene nicht vorantreibt, die am liebsten sagen: Vorwärts, nach vorn, wer übrig bleibt, bin ich und ein anderer. Bei Zugrundelegung dieser Devise mag das sein.
Ich sage Ihnen: Es gibt keinen Weg daran vorbei. Sie haben es ja mittlerweile sogar eingeführt. Der soziostrukturelle Einkommensausgleich ist so ein direkter Betrag. Sie wissen dies doch.
Aber Sie verschleiern es. Sie sagen: Das ist nicht wahr!
Sie haben sich übrigens sowieso versteckt. Wenn ich es richtig sehe, so haben Sie in zwei Kampfabstimmungen im Bundestag gesagt: Einmal sind die Forschungspolitiker gefordert, und beim Gruppenlandwirtschaftsgesetz verstecken wir uns hinter den Juristen. Seit 15 Jahren ist es einmalig, daß Sie sich hier völlig verkriechen.
Ich hoffe, wir kommen da noch zu einer Übereinkunft.
Aber ich sage Ihnen: Sie wissen, daß Handlungsbedarf da ist. Wer hier kein agrarpolitisches Wissen einbringt, der sollte sich nicht Interessenvertreter des ländlichen Raumes nennen.
Die Stunde der Juristen kommt dann noch früh genug.
Fast 40 % der landwirtschaftlichen Betriebe — sagt der Bericht — konnten kein Eigenkapital mehr bilden. Dies ist Alarmstufe Nummer eins. Auch in den neuen Bundesländern hat die Bundesregierung die bestehenden Probleme in der Landwirtschaft und in den ländlichen Räumen bisher nur unzureichend gelöst.
Von einem besonderen Verantwortungsbewußtsein kann nicht die Rede sein. Sie hat vor allem nicht das Versprechen ihres Vorturners, gleiche Lebensverhältnisse schnell herzustellen, einhalten können.
Wir haben dies in einem Entschließungsantrag eingebracht. Ich hoffe, er wird in die Ausschüsse überwiesen. Ich hoffe, Herr Vorsitzender, wir haben Zeit genug, dann im Detail zu diskutieren.
Ich will nun zum Schluß kommen. Meine Damen und Herren, es ist nicht zu verantworten, daß Milliardenbeträge für eine unsinnige Politik ausgegeben werden. Der Hunger in der Dritten Welt, die Überschüsse und das Bauernsterben bei uns haben einen negativen Zusammenhang. Wir dürfen die Interessen der südlichen sowie der östlichen Welt nicht weiter ignorieren. Wir müssen deshalb eine flächendekkende, umweltverträgliche Landwirtschaft erreichen. Das verlangen von uns die elementaren Menschenrechte,
der Frieden in der Welt und unsere Kinder.
Das Wort hat der Kollege Egon Susset.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Oostergetelo ist sich treu geblieben.
Ich habe hier schon andere SPD-Kollegen als erste Redner kennengelernt. Ich denke an unseren Kollegen Schmidt , aber auch an den Kollegen Rudi Müller.
Was hier heute von dem Kollegen Oostergetelo gesagt wurde, darf nicht unwidersprochen bleiben.
In der Agrarsozialpolitik haben wir Staffeln. Der niedrigste Beitragssatz der Alterskasse liegt bei 25 DM, und der höchste Beitragssatz liegt bei 250 DM. Meine Damen und Herren, wer hier versucht, eine Diskussion anzustacheln, als ob man die sozialen Probleme nicht erkennen wolle, der — so glaube ich — erweist sich selbst und vor allen Dingen der SPD keinen guten Dienst.
Ich denke an ein zweites Beispiel. Wir haben den agrarstrukturellen Einkommensausgleich gestaffelt. Der kleinste Betrieb bekommt 1 000 DM, der größte Betrieb bekommt 8 000 DM.
Jetzt sage mir jemand, daß hier nicht eine soziale Symmetrie festzustellen ist.
Ich denke auch an die Milchquotenregelung. Auch hier hatten wir eine Abzugsstaffelung, wo der kleinere Betrieb weniger Abzüge bekam als der größere Betrieb.
Kollege Susset, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wimmer?
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2310 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Wenn auch jetzt — wie seither — gilt, daß die Zeit nicht angerechnet wird, bitte schön.
Es gilt für alle das gleiche.
Herr Kollege Susset, gestehen Sie ein, daß beim vierten ASEG durch die Aufteilung der Mittel eine Reihe von Landwirten im nachhinein weniger erhalten haben als vorher, weil die gesamten Mittel nur im Bereich der Altershilfe verwendet wurden und es nicht mehr wie vorher einen Pauschalbetrag gab?
Nun, wir haben damals in den Beratungen über die Krankenkasse und die Alterskasse alles überlegt und gemeinsam diskutiert.
Sie haben damals sicher auch erfahren, daß wir das Thema Krankenversicherungsreform einer agrarsozialen Reform insgesamt überlassen haben und auch überlassen werden. Wir werden diese Dinge angehen.
Kollege Susset, Herr Kollege Wimmer möchte eine zweite Zwischenfrage stellen.
Bitte schön.
Herr Kollege Susset, wären Sie bereit, zuzugeben, daß der Referentenentwurf zum vierten ASEG wesentlich bessere Ansätze hatte, als am Ende das Gesetz war? Und wenn Sie noch andeuten könnten, wann nach Ihrer Meinung die neue agrarsoziale Reform kommen könnte, wäre ich sehr dankbar.
Referentenentwürfe werden immer mal eingebracht, und dann berät man darüber im Parlament.
— In der parlamentarischen Demokratie ist es nun einmal so, daß es auf der einen Seite Referenten gibt, die Gesetze schreiben, und daß es auf der anderen Seite die Parlamentarier gibt, die sie beraten. Am Schluß stimmt man dann hier im Parlament darüber ab.
Zur zweiten Frage: Gehen Sie bitte davon aus, daß Sie hier rechtzeitig zunächst einen Referentenentwurf und dann eine Diskussionsgrundlage über die gesamte Reform der agrarsozialen Sicherung auf den Tisch bekommen.
Das ist in den Koalitionsverhandlungen vereinbart. Sie können also sehr ruhig davon ausgehen, daß er kommen wird.
— Wann er kommen wird? Zumindest in dieser Legislaturperiode. Das heißt, der Entwurf wird so rechtzeitig eingebracht, daß das Gesetz in dieser Legislaturperiode auch verabschiedet wird.
— Wir sind da viel schneller als ihr; das wißt ihr ja.
Herr Kollege Susset, auch der Kollege Oostergetelo möchte noch einmal fragen.
Bitte schön.
Herr Kollege, zum ersten Punkt möchte ich sagen, daß ich jetzt Hoffnung habe, daß Sie die Reform irgendwann einmal machen.
Sie haben zusätzlich zwei weitere Punkte kritisiert. Ich möchte noch einmal auf die 1 000 DM zurückkommen, damit wir jetzt korrekt miteinander rechnen. Wir haben die Richtigkeit dieser 1 000 DM und 8 000 DM, wie Sie wissen, nie bestritten. Wir waren ein Anhänger des soziostrukturellen Einkommensausgleichs, andere waren das so nicht.
Sie haben dann die Einkommensschwelle gestrichen, so daß heute jeder etwas bekommt. Dadurch sind die Beträge niedriger geworden; als Volumen standen nur 1,1 Milliarden DM zur Verfügung.
Sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Inhaber von Betrieben mit einer Größe von 5 ha in der Regel nicht nur Landwirte sind. Bei einer Größe etwas über 11 ha sind schon die 1 000 DM mit 90 DM erreicht. Nur für eine kleine Klientel gibt es eine relative Besserstellung.
Wollen Sie nicht zugeben, Herr Kollege, daß ein Betrieb mit 20 ha — mein Beispiel —, der viehintensiv wirtschaftet, durch 2 % Vorsteuerpauschale riesige Gelder verloren hat und 1 800 DM wiederbekommt, während der andere 8 000 DM bekommt? Ist das immer noch eine Besserstellung der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe?
Entschuldigung, Kollege Susset. — Kollege Oostergetelo, darf ich auf die wirklich revolutionäre Neuerung der Kurzintervention aufmerksam machen und Sie bitten, vielleicht daran zu denken, daß Zwischenfragen nicht vier Fragen beinhalten sollen. Der Kollege Susset wird gern darauf noch antworten. Ich möchte aber bitten, sich dann an diesen Punkt der Geschäftsordnung zu erinnern.
Nun, der Kollege Oostergetelo hat hier das gleiche gefragt, was er heute vormittag im Ausschuß — mit ein paar Sätzen mehr oder
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2311
Egon Sussetweniger — auch schon gefragt hat; er hat das übrigens schon öfter getan.
Wir haben damals gesagt: Es gibt hier Untergrenzen. Es ist nicht wahr, daß es hier immer nur um Nebenerwerbsbetriebe geht.
Der Kollege Oostergetelo möge sich einmal mit seinem sozialdemokratischen Kollegen, dem jetzigen Landwirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz, Herrn Schneider, der aus Hessen kommt, darüber unterhalten, wie viele Betriebe es in Rheinland-Pfalz sind, die weniger als 5 ha haben
und Vollerwerbsbetriebe sind.
— Ist das nicht Landwirtschaft: Weinbau, Obstbau, Gartenbau usw.? — Natürlich ist es das, ganz klarer Fall.
Darüber brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Es war notwendig, eine Untergrenze hier einzuführen, und die Obergrenze war Ihnen viel zu hoch. Ich will sehen, wie sich Kollege Oostergetelo künftig verhält, wenn es nun darum geht, für die Betriebe, die neu in die Agrarpolitik einzubringen sind, nämlich in den fünf neuen Bundesländern,
einen Ausgleich zu schaffen.Damit komme ich gleich zum nächsten Punkt, den er angesprochen hat: die Gasölbeihilfe. Nun, Herr Möllemann macht schlimme Vorschläge,
soweit sie uns als Landwirte betreffen; ich sage das ganz offen. Aber das, was unser Kollege Oostergetelo hier angeregt hat, nämlich auf die Gasölbeihilfe zu verzichten
und so zu tun, als ob dies etwas sei, was man vielleicht noch mit dem Etikett „umweltfreundlich" versehen könnte, ist weit schlimmer. Möchten Sie — der Minister hat vorhin schon entsprechend gefragt — Ihre Arbeit als Landwirt künftig wieder mit Pferden tun? Ich frage Sie: Was sagen Sie den Landwirten, die auf der Grundlage des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes ihre LPG in den fünf neuen Ländern jetzt umformieren, wenn sie 3 000 oder 4 000 ha Fläche zu bewirtschaften haben und ihnen vielleicht 40 000 oder50 000 DM fehlen, weil sie nämlich diese 43 Pfennig pro Liter Dieselkraftstoff nicht bekommen?
Herr Kollege Susset, es besteht noch der Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage, die der Kollege Gallus stellen möchte. Aber da Ihre Redezeit, wenn Sie auch diese Zwischenfrage noch zulassen, sehr ausgedehnt wird, rechne ich diese Zwischenfrage dann auf Ihre Redezeit an.
Eine Zwischenfrage, mir anrechnen?
Die nächste rechne ich Ihnen an, weil das sonst ein Ausmaß annimmt, das nicht mehr geht.
Frau Präsident, unter Süddeutschen: Gleichbehandlung!
Ja, freilich, bis jetzt erfolgte keine Anrechnung, aber weitere Zwischenfragen rechne ich Ihnen an. Es ist Ihre Sache, sie zuzulassen oder nicht.
Also, ich lasse sie zu, je nachdem. Wenn sie mich viel Zeit kostet — —
— Also, gut, wir machen das nachher.Meine Damen und Herren, die heutige Agrardebatte findet in einer Zeit des Umbruchs statt. Vieles Gewohnte gilt nicht mehr. Wir müssen, so schwer es fällt, manche eingefahrenen Gleise verlassen, und wir müssen uns auf neue Entwicklungen einstellen.Im heutigen, wiedervereinigten Deutschland haben wir es mit zwei Landwirtschaften zu tun, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Agrarpolitik und Landwirtschaft stehen vor einer Vielzahl von Herausforderungen: Wir haben den Anpassungsprozeß der ostdeutschen Landwirtschaft zu bewältigen. Die bevorstehende EG-Agrarreform und die wiederaufgenommenen GATT-Verhandlungen werden den Anpassungsdruck in der deutschen Landwirtschaft verschärfen. Zunehmende Umweltanforderungen an die deutsche Landwirtschaft im EG-Wettbewerb erschweren das Wirtschaften.
Schon gegenwärtig läßt die Einkommenslage vieler Betriebe zu wünschen übrig; sie hat sich zum Teil krisenhaft zugespitzt. Die angespannte Einkommenslage in der Landwirtschaft spiegelt sich im Agrarbericht wider, der ja Anlaß für die heutige Debatte ist. Ich möchte auch den Damen und Herren des Ministeriums recht herzlich danken, nicht nur dafür, daß sie heute hier sind, sondern auch dafür, daß sie uns während des Jahres zuarbeiten und uns diesen aussagekräftigen Bericht vorgelegt haben.
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2312 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Egon Susset— Selbstverständlich, auch bei euch.Nun, dieser erstmals gesamtdeutsche Agrarbericht dokumentiert Lichtseiten in der Vergangenheit und Schattenseiten in der Gegenwart. Die Einkommenslage konnte sich im letzten Wirtschaftsjahr sehen lassen. Aber in der Zwischenzeit hat sich hier natürlich sehr vieles negativ entwickelt.Wir freuen uns, daß verschiedene Zweige, ob Dauerkulturbetriebe, Obstbaubetriebe, Weinbaubetriebe, in dem Jahr 1990, über das es heute zu debattieren gilt, gut abgeschnitten haben und daß auch die Futterbaubetriebe entsprechend gut weggekommen sind.Aber seit Mitte des Jahres 1990 haben die landwirtschaftlichen Einkommen eine rasante Talfahrt angetreten. Dafür verantwortlich sind natürlich zunächst einmal
der drastische Rückgang der Erzeugerpreise und höhere Betriebsmittelpreise.Die Einkommenseinbußen sind, glaube ich, schlimm genug. Sie wären aber besser und leichter zu verkraften, wenn wir Licht am Ende des Tunnels sähen. Die Konturen der weiteren Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik sind noch verschwommen. Die bisher bekannten Brüsseler Pläne für eine Agrarreform stimmen uns zunächst noch skeptisch. Ausgang und Auswirkungen der GATT-Verhandlungen sind noch unklar.Auch die Preisbeschlüsse für das Wirtschaftsjahr 1991/92 haben unsere Erwartungen sicher nicht voll erfüllt. In der jetzigen Situation hätte das bisherige Preisniveau mindestens beibehalten werden müssen. Aber es war nicht möglich. Ich glaube, unser Bundeslandwirtschaftsminister hat zusammen mit seinen Beamten das relativ Beste als Kompromiß erreicht.
Bei Milch konnte das Schlimmste verhindert werden, nämlich eine Quotenrückführung ohne Entschädigung.Aber die Preisbeschlüsse enthalten einen tragfähigen Ansatz für agrarpolitische Neuorientierung, weil sich die EG-Agrarminister zum ersten Mal auf das Schwergewicht mengenbegrenzender Maßnahmen festgelegt haben.
Dies ist unzweifelhaft ein Erfolg des unermüdlichen Einsatzes unseres Bundeslandwirtschaftsministers Ignaz Kiechle, dem ich hier recht herzlich dafür danke.
Er konnte statt einer linearen Kürzung der Milchquoten ohne Ausgleich eine Herauskaufaktion gegenEntschädigung erreichen. Allerdings ist der Umfangder Rückführung von 2 % für uns nur ein halbherziger Schritt. Wir kommen — ich sage das hier ganz klar — um einen tieferen Einschnitt in das Produktionsvolumen nicht herum.
Denn der rückläufige Verbrauch von Milchprodukten, in erster Linie von Butter, läßt uns keine andere Wahl. Wir müssen die Milchquoten konsequent an den Absatzmöglichkeiten ausrichten.
Bei Getreide haben wir nun mit dem einjährigen EG-Sonderprogramm für die Flächenstillegung eine realistische Chance für den breiteren Einstieg der Hauptgetreideproduzenten in der EG in die Flächenstillegung eröffnet. Das Angebot stellt nämlich die Verantwortung des Erzeugers in den Mittelpunkt.Nach dem, maßgeblich von der Bundesregierung durchgesetzten, Brüsseler Beschluß haben wir schnell gehandelt. Bereits heute beraten wir ja in erster Lesung den von der CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit der FDP-Fraktion eingebrachten Entwurf eines Flächenstillegungsgesetzes. Ich habe mich heute morgen im Ausschuß vergewissert: Die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben zugesagt, daß sie eine rasche Beratung akzeptieren. Dafür möchte ich mich heute schon bedanken.
Die wesentlichen Kriterien des Programms sind: Die Teilnehmer müssen mindestens 5 % ihrer im Wirtschaftsjahr 1990/91 mit Marktordnungsprodukten bestellten Flächen im Wirtschaftsjahr 1991/92 für ein Jahr stillegen. Die gesamte Mitverantwortungsabgabe für vermarktetes Getreide in Höhe von 5 To wird dann erstattet. Die Höhe der Stillegungsprämie soll pro Hektar zwischen 240 und 1 059 DM betragen.Wir haben uns für ein Geldleistungsgesetz mit 100 %iger Finanzierung des nationalen Anteils durch den Bund entschieden. Es wäre uns sicher lieb gewesen, wenn sich die Länder daran beteiligt hätten. Aber dafür wären lange Verhandlungen notwendig gewesen, und wir wollen ja rasch handeln. Wir wollen nämlich den Landwirten möglichst rasch ein klares Angebot präsentieren können, weil unser Ziel eine durchgreifende Mengenrückführung in der EG ist.Wir wissen, daß die Getreideüberschüsse dramatische Formen angenommen haben. Aber wir wissen auch, daß die Möglichkeit der Flächenstillegung besonders in Frankreich, dem Land, in dem die größte Fläche zu bewirtschaften ist, nicht angenommen wurde. Wir haben nun zumindest positive Signale dafür, daß die französischen Getreideerzeuger dieses einjährige Flächenstillegungsprogramm nun akzeptieren, vor allem weil durch den vollen Wegfall der Mitverantwortungsabgabe gerade starke Marktfruchtbetriebe, die als größere Getreideproduzenten wirtschaften, durchaus ein interessantes Angebot bekommen.Weil die SPD die Flächenstillegung immer kritisiert hat, möchte ich sagen: Die einjährige Flächenstille-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2313
Egon Sussetgung bedeutet automatisch Rotationsbrache und ist am wenigsten strukturhemmend. Das ist auch etwas, was seitens der Koalitionsfraktionen, zumindest seitens der CDU/CSU-Fraktion entsprechend positiv beurteilt wird.
Die Entscheidung der EG-Agrarminister zugunsten der Produktionsrückführung ist auch ein wichtiger Schritt zum Abbau des Exportdrucks und damit zum Gelingen der GATT-Verhandlungen. Selbst Frau Clara Hill, die amerikanische Handelsbeauftragte, hat inzwischen bei einem kürzlichen Besuch — ich glaube, Sie war bei uns im Bundeslandwirtschaftsministerium, zumindest habe ich das irgendwo in der Presse gelesen — mitgeteilt, daß sie dies durchaus als einen guten Ansatzpunkt sieht, auch bei den GATT- Verhandlungen weiterzukommen. Ich glaube, daran sind wir als Landwirte alle interessiert.
Ich stimme dem, was der Bundeskanzler am 20. Mai 1991 in Washington bezüglich unserer Interessen an einem guten Abschluß der GATT-Verhandlungen gesagt hat, voll zu. Wir sagen deutlich: Die berechtigten Belange unserer Landwirtschaft müssen dabei angemessen berücksichtigt werden. Dazu steht unser Bundeskanzler. Die Koalitionsfraktionen haben dies in den Koalitionsverhandlungen auch deutlich zum Ausdruck gebracht.Die EG hatte sich im Jahre 1990 in schwierigen internen Verhandlungen zu einer Kehrtwende in der Agrarpolitik durchgerungen. Diese Kehrtwende braucht Zeit. Für uns unverzichtbare Bedingungen sind: Die Politik der Mengenrückführung muß durch einen ausreichenden Außenschutz abgesichert sein. Hierzu gehört auch eine vernünftige Lösung für die Futtermitteleinfuhren.
GATT-bedingte Preissenkungen müssen durch ein entsprechendes Entlastungsprogramm aufgefangen werden. Auch das ist in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt. Das Ergebnis der Uruguay-Runde muß ein ausgewogener Kompromiß sein, der für die deutsche und europäische Landwirtschaft erträglich ist.Meine Damen und Herren, die Entscheidung der Agrarminister für die Produktionsrückführung lenkt die Reformbestrebungen in die richtige Richtung. Die seit einem Jahr wieder angehäuften Agrarüberschüsse machen eine durchgreifende Marktentlastung dringlicher denn je. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln, für die kein Bedarf besteht, ist nicht länger zu rechtfertigen. Im übrigen sind nicht einmal die Landwirte die Nutznießer der für Lagerung und Export überschüssiger Nahrungsmittel eingesetzten enormen Finanzmittel. Deshalb muß im ureigensten Interesse der Landwirtschaft die Neuausrichtung möglichst rasch erfolgen.Wir setzen bewußt auf Produktionsbegrenzung und Produktionsverzicht. Unser Ziel sind stabile Marktverhältnisse und dadurch stabile Erzeugerpreise. Eine drastische Rücknahme der Preisstützung führt zurExistenzgefährdung vieler Landwirte, ohne daß das Überschußproblem an der Wurzel gelöst wird. Im übrigen lassen sich die über den Marktpreis erzielten Einkommen nicht durch staatliche Beihilfen ersetzen.Vernünftige Preise lassen sich dann erwirtschaften, wenn ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage besteht. Gestützte Preise müssen jedoch mit einer wirksamen Mengenbegrenzung einhergehen.Dies alles sind für uns, für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gute Gründe, um die Produktion vorrangig über die Mengen zu steuern. Das Mengenkonzept — das räume ich gerne ein — kann selbstverständlich nur dann funktionieren, wenn es effizient und marktwirksam praktiziert wird. Daran hat es bisher gefehlt.Die Opposition verfügt — das haben wir bis jetzt und auch heute wieder festgestellt, auch wenn sie dann und wann einen anderen Eindruck machen will — über kein schlüssiges Gesundungskonzept für die Landwirtschaft.
Deshalb wollen wir die neue Politik durchsetzen,
— Besser kein schlüssiges Konzept als überhaupt keins? Wir bringen schließlich immer wieder unsere Vorschläge in Gesetzesform ein.
Selbstverständlich wäre eine flächendeckende Extensivierung markt- wie umweltpolitisch eine vernünftige Lösung. Aber sie ist nicht durchzusetzen. In Baden-Württemberg beispielsweise unternehmen wir mit Unterstützung des Bauernverbandes und der Landwirtschaft
begrüßenswerte Anstrengungen, lieber Kollege Gallus, und entwickeln ein Programm für einen Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich, weil es eine gute Sache ist. Alle vier Jahre kommen wir in der Agrarpolitik ein Stück weiter. Früher war die baden-württembergische Landwirtschaft in der Einkommensskala hinten, heute ist sie meist vorne. Das ist der Erfolg einer guten Agrarpolitik, die dort von einer CDU-Landesregierung betrieben wird.
Mit der Entlastung der Agrarmärkte muß natürlich eine Entlastung der Umwelt einhergehen. Umweltverträgliche Produktionsmethoden müssen stärker gefördert werden, und aktive Umweltleistungen der Landwirte müssen als eigenständige Leistungen anerkannt und entsprechend honoriert werden.Wir wissen, die Bundesregierung hat im Agrarsektor ein ansehnliches Mittelvolumen bereitgestellt. Staatliche Hilfen haben einen wesentlichen Anteil am
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2314 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Egon Sussetbetrieblichen Einkommen — es stimmt also nicht das, was uns Herr Oostergetelo sagte — : die umfangreichen Mittel für den Sozialbereich und die benachteiligten Gebiete, der Einkommensausgleich über die Mehrwertsteuer für den Abbau des Währungsausgleichs und die produktionsunabhängige soziostrukturelle Einkommenshilfe, die erheblichen Aufwendungen für Mengenrückführung und Produktionsverzicht sowie der Herauskauf und die Aussetzung von Milchquoten, Flächenstillegung und Extensivierung.Die Landwirtschaft muß in die Lage versetzt werden, auch in Zukunft ihre Aufgaben für die Gesellschaft zu erfüllen. Auch landeskulturelle Leistungen haben ihren Preis. Bewährte Leistungen müssen beibehalten werden.Die Frau Präsidentin läßt schon eine Zeitlang die rote Ampel leuchten.
Ich bin fest davon überzeugt, daß die drei Kollegen, die nach mir sprechen werden, noch einiges von dem, was wir als Agrarpolitiker der CDU/CSU-Fraktion uns zur Gesundung der Landwirtschaft vorgenommen haben, zum Ausdruck bringen werden.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Als nächster hat der Kollege Johann Paintner das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich meine Ausführungen mit einem Problem, das mir und sicherlich Ihnen allen besonders am Herzen liegt, nämlich dem Weltproblem Hunger. Sicherlich könnte man meinen, eine Agrardebatte wäre nicht der Ort für die Erörterung dieses Problems. Aber ich möchte dieses Problem hauptsächlich für die Bürger im Lande ansprechen.Auch heute sterben pro Tag 40 000 Kinder an Hunger; 700 Millionen Menschen auf dieser Erde leiden an Hunger. Dennoch exportieren die betroffenen Länder Lebensmittel nach Deutschland, um sich Devisen zu beschaffen. Lassen Sie uns gemeinsam mehr denn je gegen den Hunger in der Welt ankämpfen.
Zum Agrarbericht möchte ich folgendes sagen: Nach zwei Jahren Einkommensanstieg für unsere Landwirte — 1988/89 mit über 30 %, 1989/90 mit immerhin noch 16 % Einkommensanstieg — haben wir nun im Jahr 1990/91 ein bitteres Minus von 20 % hinzunehmen. Die Einkommensminderung ist mehr als ein deutliches Signal. Wir müssen Antworten auf die Fragen finden, wie die bäuerliche Landwirtschaft erhalten werden kann und wie die Probleme des ländlichen Raums zu lösen sind.Die Hauptursachen der Preisrückgänge sind eindeutig. Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf den EG-Märkten hat sich wieder verstärkt. Der EG-weite Überschuß der wichtigsten Agrarprodukte ist dramatisch angestiegen.Bei den Fleischprodukten ist ein EG-weiter Produktionsanstieg zu verzeichnen; es liegen bereits wieder 750 000 t Rindfleisch in den Lägern. Gegenüber 1988 ist 1990 in Deutschland ein gleichzeitiger Verbrauchsrückgang von minus 4 kg pro Kopf der Bevölkerung — davon minus 2,8 kg allein bei Rindfleisch und 3,8 kg bei Schweinefleisch bei einem Plus von 2,6 kg bei Geflügelfleisch — zu verzeichnen.Ob wir wollen oder nicht: Es muß etwas geschehen. Heute ist der Tag, aufzuzeigen, was geschehen muß.
Einerseits muß die Produktion gedrosselt werden, andererseits ist der Verbrauch zu stabilisieren.Der rückläufige Fleischverzehr erfüllt mich mit Sorge. Natürlich muß man offen zugeben, daß kein Mensch damit rechnen kann, den Fleischverbrauch stetig steigern zu können. Aber der teilweisen Verteufelung des Fleisches muß mit einer progressiven Werbung der CMA begegnet werden.
Vertrauensbildend muß den Verbrauchern sichtbar gemacht werden, wie sorgfältig unsere deutschen Bauern Lebensmittel produzieren.
Dies gilt auch für das fleischverarbeitende Gewerbe und ganz besonders für unsere mittelständischen Metzger.Die Lage im Getreidesektor ist paradox: Deutschland unternimmt alle Anstrengungen, um die Agrarproduktion bezüglich der Fläche mengenmäßig zurückzuführen. Aber unsere Erfolge in der EG sind sehr mäßig, bescheiden. Der Schlüssel einer konsequenten Agrarpolitik — nämlich nicht mehr zu produzieren, als wir in Europa brauchen — liegt aber nicht sosehr in Brüssel, als vielmehr in Paris. Ich erwarte mehr Ehrlichkeit und Offenheit in der agrarpolitischen Diskussion, vor allen Dingen aber auch von den Wirtschaftspolitikern.
— Von dir natürlich besonders, Hermann.Warum spielt Frankreich denn nicht mit? Ganz einfach deshalb, weil Frankreich, wenn es keinen entsprechenden Gereideexport hätte, eine katastrophale Handelsbilanz vorweisen würde. Deshalb verhält sich Frankreich so, wie es sich verhält. Wenn keine Veränderung dahin gehend eintritt, daß Frankreich auf anderen Gebieten seiner Volkswirtschaft Geld und Devisen verdienen kann, wird es keine Lösung geben, mit der Frankreich vor dem GATT bestehen kann.Vor dem Hintergrund solcher Zusammenhänge will Frankreich sicherlich nicht auf seine Marktanteile verzichten. Deshalb sollte man aber die deutschen Bauern nicht für etwas prügeln, was sie selbst nicht ändern können. Trotzdem ist die Bundesregierung in bezug auf die Flächenstillegung gut beraten, weiter mit gutem Beispiel voranzugehen und diese entscheidenden Maßnahmen nicht dem Streit zwischen Bund und Ländern preiszugeben.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2315
Johann PaintnerAußerdem möchte ich noch einmal ganz besonders darauf aufmerksam machen, daß es durch die GATT-Verträge möglich ist, z. B. so viele Substitute, Ersatzfuttermittel in die EG einzuführen, wie wir auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche der gesamten alten Bundesländer von 12 Millionen ha erzeugen könnten. Dies, meine ich, können wir gar nicht oft genug sagen, besonders auch — um es noch einmal zu betonen — unseren Wirtschaftspolitikern.
Wenn dies kein Wettbewerbsnachteil für die deutsche oder die europäische Landwirtschaft ist, dann möchte ich dies auch ganz besonders meinem Freund, Bundesminister Jürgen Möllemann, der sonst meine volle Sympathie genießt, ans Herz legen.
— Wissen Sie, das reicht vollkommen.Im Bereich der Erschließung neuer Märkte messe ich den nachwachsenden Rohstoffen besonderen Wert zu. Es ist eine Aufgabe für die Zukunft, die Absatzmöglichkeiten, die dieser Bereich bietet, als Chance zu erkennen und zu nutzen. Ich denke z. B. an die Beimischung von Bioäthanol zu Otto-Kraftstoffen, an die Ganzpflanzenverbrennung zur Wärme- und Stromgewinnung, an die Verwendung von Rapsöl als Dieselkraftstoffersatz, sogenannter Bio-Diesel. Unser Ziel muß es sein, die fossilen Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe, wo dies möglich ist, zu ersetzen.
Nehmen wir in diesem Zusammenhang Äußerungen einiger Experten, im besonderen hier z. B. Carl Friedrich von Weizsäcker, wichtig. Sie fordern nämlich, daß Treibstoff so verteuert werden soll, daß sein Preis dem Schaden entspricht, den er in der Umwelt anrichtet. Hier war von ca. 6 DM pro Liter die Rede.
Durch die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen als Treibstoff wird die Umwelt mit weniger Kohlendioxid und anderen Schadstoffen nicht mehr belastet. Es bestehen also offensichtlich Alternativen zu einer Verteuerung des Treibstoffs, nämlich die Verbesserung seiner Umweltverträglichkeit.Darüber hinaus lassen sich für unsere Landwirtschaft noch neue Absatzmöglichkeiten erschließen. Ich denke mit voller Sympathie an meinen Kollegen Deß, der vor einigen Wochen im Ausschuß eine Farbe getrunken hat, die aus Milch hergestellt ist. Er sitzt dort hinten und sieht noch sehr frisch aus. Ich will damit nicht sagen, daß man Farbe trinken soll, aber daß man Farbe aus Milch zum Streichen benutzen soll.
— Nein, dem ist überhaupt nichts passiert.Durch eine umweltfreundliche Agrarpolitik
— das ist ein erwünschter Nebeneffekt —
wächst auch die Akzeptanz für die Belange unserer Bauern in der Bevölkerung im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. Außerdem fordere ich für diesen Bereich ein Verwendungsgebot. Dies sollten Sie alle zur Kenntnis nehmen. Gerade die Raffinierung von Rapsöl auf dem Wege der Veresterung ist sehr effektiv. Das ist allgemein bekannt und auch anerkannt. Hierfür sind die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen.Der Bundesverkehrsminister hat übrigens den neuen Bundesländern Hoffnung gemacht, daß es eine neue Methode in der Raffinierung von Rapsöl gibt: einen alternativen Weg zur Veresterung. Ich wünsche viel Glück dazu.Bei der Milch möchte ich nichts vorwegnehmen, was mein Kollege Bredehorn nachher sicherlich noch ausführen wird. Man kann nur sagen: Bei Milch konnte unsere Forderung nach einem Quotenherauskauf mit EG-Mitteln nur ansatzweise erreicht werden. Zur völligen Wiederherstellung des Marktgleichgewichts sind jedoch weitere Maßnahmen erforderlich. Sie müssen im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik getroffen werden.Lassen Sie mich noch ein Wort zum Strukturwandel sagen. Mit der Wiedervereinigung sind wir innerhalb Europas zu einem noch bedeutsameren Agrarproduzenten mit unterschiedlichen Agrarstrukturen geworden. Wer glaubt, in wenigen Jahren werde sich die Agrarstruktur im zusammenwachsenden Deutschland angleichen, der irrt sich mit Sicherheit. Deshalb hat die Koalition beschlossen, landwirtschaftliche Betriebe unterschiedlichster Rechtsformen zu unterstützen: Ich finde es gar nicht so schlecht, daß es auf diesem Weg quasi zu einem agrarstrukturellen Wettbewerb in Deutschland kommen kann.Bei der Förderung von Großbetrieben müssen wir uns an der Zahl von Arbeitskräften orientieren. Ich bedaure die Kleinkariertheit der Bundesländer im PLANAK. Hier wurde die Möglichkeit der Neugründung von größeren Betrieben in der Milchviehhaltung verhindert, obwohl in den Koalitionsvereinbarungen ein Förderungsvorhaben mit einem Umfang von bis zu 2,5 Millionen DM festgelegt wurde. Ich gehe aber davon aus, daß sie gescheiter werden und dies in der nächsten Sitzung des PLANAK korrigieren.
Wir dürfen keine Scheu vor Betrieben mit mehreren Arbeitskräften haben. Wir müssen nämlich selbst überprüfen, wie lange 1,5-AK-Betriebe vor dem Hintergrund durchhalten können, daß in der Bevölkerung der Wunsch nach immer mehr Freizeit, nach mehrmals Urlaub im Jahr, jeden Tag beizeiten Feierabend zu haben, wächst. Vielleicht werden wir schon in zehn Jahren sehen, welche Größenordnungen sich durchgesetzt haben.
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2316 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Johann PaintnerNebenbei bemerkt, ich bin sicher, daß sich der bäuerliche Familienbetrieb auch in der Zukunft behaupten kann.Schließlich möchte ich an die Verbraucher in den neuen Bundesländern appellieren: Haben Sie wieder mehr Vertrauen in Ihre eigenen heimischen Produkte. Die Qualität Ihrer landwirtschaftlichen Produkte ist sehr oft besser als ihr Ruf.Ich komme zum Schluß. In dem nun endgültig letzten Punkt bei diesem Galopp durch die Agrarpolitik möchte ich mich im Namen der FDP-Fraktion bei allen beteiligten Beamten und Staatssekretären, besonders bei meinem Freund Schorsch Gallus und Minister bei Ignaz Kiechle recht herzlich für die Arbeit und die Unterstützung im vergangenen Jahr bedanken.
Das Wort hat der Kollege Dr. Fritz Schumann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Agrarbericht ist hinsichtlich seines Informationsgehalts eine Fundgrube. Ich darf an dieser Stelle recht herzlich für seine Erarbeitung danken.Auch wenn ich manche Wertung nicht teile und mir vor allem die Schlußfolgerungen unzureichend erscheinen, gestatten Sie mir an dieser Stelle — auch mit Blick auf die heutige Tagesordnung — die Anmerkung: In der Aktuellen Stunde haben wir mehrfach auf den Hunger in der Welt verwiesen und eine Lösung der Ernährungsprobleme in der Welt angemahnt. Anschließend wird in dem Plädoyer des Herrn Bundesministers die Begrenzung der Agrarproduktion als Heilmittel dargestellt. Ich glaube, in diesem Gedanken steckt schon ein bißchen Schizophrenie.
Vor allem an den Fakten und Zahlen des Berichts — weniger an den verbalen Aussagen — wird deutlich, daß die nationale Agrarpolitik der Alt-BRD und darüber hinaus die der EG vor einem Berg ungelöster Probleme steht und einer dringenden Reform bedarf. Die Einführung des europäischen Binnenmarktes und der damit enorm wachsende Konkurrenzdruck sowie die zu erwartenden Ergebnisse der GATT-Verhandlungen werden eine neue Agrarstrukturpolitik erfordern, die sich an den gesamtwirtschaftlichen Realitäten und nicht länger an den selbst angelegten Fesseln eines Leitbildes orientiert, das jahrelang als ideologisches Gegengewicht zur Kollektivierung in der damaligen DDR herhalten mußte.
Ich glaube, die Zeit ist dafür reif, auf das Gegengewicht zur Kollektivierung zu verzichten. Wir können uns jetzt gemeinsam über solche Strukturen unterhalten.
— Ich mache da gerne mit; da gibt es gar keine Probleme.Gestatten Sie mir, daß ich, bevor ich schwerpunktmäßig zur Lage der Landwirtschaft in den neuen Ländern spreche — weil ich glaube, mehr als Sie davon zu verstehen — , einige Charakteristika der Landwirtschaft in den Altländern aufzähle. 80 % der Betriebe in der Alt-BRD bewirtschaften weniger als 30 ha. Die Wachstumsschwelle der Betriebe hat sich jedoch ständig nach oben verschoben und liegt heute bei 40 ha im Durchschnitt. Sie wissen auch ganz genau, daß das in der Zukunft nicht mehr die Grenze sein wird, ab der Wachstum garantiert ist.Die wirtschaftliche Lage der Familienbetriebe ist alles andere als rosig, wenn man bedenkt, daß nach Berechnungen des Bauernverbandes je Familienarbeitskraft nur etwa 1 900 DM als Entlohnung übriggeblieben sind — das sind eben nur 56 % dessen, was ein Arbeiter in der gewerblichen Industrie verdient —, daß bereits seit 1982/83 keine Nettoinvestitionen mehr durchgeführt werden konnten, die Nettoverbindlichkeiten über 2 900 DM je Hektar betragen und 40 % aller Haupterwerbsbetriebe Eigenkapitalverluste in Kauf nehmen mußten.Angesichts dieser Situation wundert es nicht, daß ein Viertel aller Hofbesitzer über keinen Nachfolger verfügt und zwei Drittel aller Landwirte älter als 45 Jahre sind. Ich glaube, es gibt auch eine Zahl darüber, wie viele Hofnachfolger ohne Frauen sind, weil diese auch Probleme haben, dort die Arbeit anzunehmen und die sozialen Probleme auf sich zu nehmen.Vor diesem Hintergrund ist mir auch verständlich, daß der Präsident des Deutschen Landmaschinen- und Ackerschlepperverbandes in seiner Rede anläßlich der DLG-Agra-Eröffnung beklagte, daß seit Mitte der 80er Jahre große Absatzprobleme bestehen. Ich stimme deshalb mit all denen überein, die meinen, diese Agrarpolitik muß auf den Prüfstand. Sie ist mehr als nur reformbedürftig, sie bedarf einer Neuausrichtung im Interesse der Bauern selbst
— Herr Hornung, wir werden sehen, was sich da in Zukunft machen läßt —, aber auch im Interesse der ländlichen Regionen, der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und nicht zuletzt des Steuerzahlers.Meines Erachtens besteht die Grundfrage darin, welche Lösung die Bundesregierung will. Es geht um die Frage: Eingliederung oder Zusammenwachsen mit der ehemals ostdeutschen Landwirtschaft? Zunächst wurde ja wie überall der Kurs gefahren, die ostdeutsche Landwirtschaft an die westdeutsche anzupassen nach dem Motto: Nur im Osten hat sich was zu ändern, bei uns im Westen ist die Welt heil, kann alles beim alten bleiben. Wenn aber die Jacke viel größer ist als das Modell, fällt sie runter. Das haben wir gegenwärtig zu verzeichnen.Jüngste Äußerungen politischer Entscheidungsträger, vor allem auch aus den Koalitionsparteien, signalisieren mir bescheidene Hoffnung auf Erkenntniszuwachs. So haben Sie, Herr Bundesminister Kiechle, sich kürzlich dafür ausgesprochen, die westdeutschen
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2317
Dr. Fritz Schumann
Agrarstrukturen nicht einfach auf die neuen Bundesländer zu übertragen. Sie fügten hinzu, daß Sie für jeden Wiedereinrichter, der mit 200 ha anfangen wolle, dankbar seien. Heute haben Sie ähnliche Gedanken geäußert.Noch deutlicher wurde der sächsische Ministerpräsident Professor Kurt Biedenkopf, CDU, der unter Bezugnahme auf die sich im Osten entwickelnden größeren Betriebe, darunter besonders von Gemeinschaftsunternehmen, zur Eröffnung der DLG-Agrar formulierte, daß sich aus der Entwicklung im Osten Rückwirkungen auf den Westen ergeben würden. Ich zitiere ihn wörtlich: „Diese Rückwirkungen dürfen im Westen nicht verhindert werden. " Dies sagte er am Sonnabend vergangener Woche.
Die Lösung liegt also nicht in der Eingliederung der ostdeutschen Landwirtschaft, sondern im Zusammenwachsen beider Landwirtschaften im längerfristigen Prozeß, was das gegenseitige Aufeinanderzugehen einschließt.Die Behandlung des Agrarberichts erfolgt unmittelbar vor dem ersten Jahrestag der sogenannten Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Der Sprecher der fünf Landesbauernverbände Ost nahm das zum Anlaß, allen Fraktionen des Bundestages eine Einschätzung dieser Verbände zuzustellen. Ich möchte mich bei meinen weiteren Ausführungen mit auf dieses Material stützen.Im Material wird festgestellt, daß die Liquiditäts- und Vermögenslage der Landwirtschaft der fünf neuen Bundesländer so geschwächt ist, daß in den meisten Betrieben eine tiefe Existenzkrise und außerordentlich ungünstige Startbedingungen für eine leistungs- und wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Produktion bestehen. Im Prinzip tickt eine Zeitbombe. Die massenhaften Konkurse wurden nur dadurch verhindert, daß die Banken bis Ende Februar das Kredit- und Tilgungsmoratorium sowie das anschließende Stillhalteabkommen durchführten und die LPG die Tierbestände zur Sicherung ihrer Liquidität in einem Umfang abbauten, daß heute etwa 30 % weniger Kühe — das ist vielleicht sogar eine richtige Entwicklung — und rund 50 % der Schweinebestände von 1989 vorhanden sind. Das ist allerdings schon so wenig, daß damit nicht einmal mehr der Versorgungsanspruch befriedigt werden kann.Der radikale Preisbruch, der Verfall der Märkte und die Sperrung der Banken bei der Kreditausreichung führten bereits unmittelbar nach der Währungsunion zu erheblichen Liquiditätsproblemen, die im Prinzip bis heute nicht überwunden werden konnten, vor allem weil sich der Preisverfall im Vergleich zu den Altbundesländern inzwischen zur Dauererscheinung entwickelt hat. Ein Resultat dieser Entwicklung ist ein Verlust an Eigenkapital in den LPG und ihren Nachfolgeunternehmen von mindestens 30 %.Unsere volle Unterstützung hat deshalb die gemeinsame Forderung der ostdeutschen Bauernverbände nach Erhöhung der Anpassungshilfen auf mindestens 3 Milliarden DM. Ich sage das, obwohl wir erst in der vergangenen Woche hier den Haushalt beschlossen haben — das heißt, von den Koalitionsparteien wurde er beschlossen — und diese sowie andere Forderungen von der Koalition verhindert wurden, einfach deshalb, weil das Leben dazu zwingen wird. Will man nicht wissentlich die komplette wirtschaftliche und soziale Katastrophe in den Dörfern herbeiführen, werden wir uns dazu noch einmal erklären müssen.Darüber hinaus möchte ich hier wiederum politische Entscheidungen zur Weiterführung der Anpassungshilfen in den nächsten Jahren, allerdings mit zurückgehendem Umfang — ich bin sehr dafür, damit wir Anpassungsdruck erreichen — , anmahnen.Die Wochen bis zur nächsten Getreide- und Raps-ernte werden wie im Flug vergehen. Es ist zu befürchten, daß es zu neuerlichem Preisverfall bei diesen Erzeugnissen kommt, da die großen Getreidekombinate nach wie vor existieren und bereits jetzt versuchen, über entsprechende Vertragsabschlüsse ihre Monopolstellung auszunutzen. Die Treuhand hat es innerhalb eines Jahres eben nicht erreicht, durch Entflechtung Bedingungen für einen tatsächlichen Wettbewerb zu schaffen. Ich bitte deshalb zu prüfen, ob nicht eine ähnliche Streckung des Interventionszeitraumes wie im vergangenen Jahr sinnvoll wäre.In diesem Zusammenhang möchte ich darauf aufmerksam machen, daß z. B. in Sachsen die Südmilch AG mit ihrem Einzugsbereich fast drei Viertel der Wohnbevölkerung erfaßt. Ich sehe darin mit einen Grund für den viel zu niedrigen Milchpreis, der in Sachsen im Durchschnitt der ersten fünf Monate bei 51 Pfennig je Kilogramm liegen soll. Da fehlen also etliche Pfennige, um Milchproduktion überhaupt rentabel betreiben zu können. Das weiß jeder Praktiker.
— Ich meine, daß sich das Bundeskartellamt vielleicht einmal mit solchen Fragen befassen sollte.Die Menschen in den fünf neuen Ländern hatten sich etwas davon versprochen, daß ein echter Wettbewerb auf dem Markt entsteht, und zwar auch bei den Aufkäufern, Händlern und Verarbeitern. Das ist bei diesen bisher leider nicht der Fall, sondern nur bei den Anbietern. Ich glaube, an dieser Stelle besteht Handlungsbedarf.
— Das haben wir behalten. Ich glaube nicht, daß das gewollt war.
— Wir werden uns nach der Getreideernte, Herr Hornung, sicher darüber unterhalten, wie die Preisentwicklung vonstatten gegangen ist und was die Monopole dort für eine Rolle gespielt haben.
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Dr. Fritz Schumann
Zu den Schlüsselfragen einer erfolgreichen Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern gehört zweifelsfrei die Art und Weise der Behandlung von Altkrediten. Wir haben uns heute früh im Ausschuß sehr ausführlich über die Behandlung solcher Altkredite unterhalten. Ich möchte hier zusammenfassend nur noch einmal sagen: Notwendig ist eine schnelle, unbürokratische und verbindliche Entscheidung gegenüber jedem einzelnen Betrieb. Dabei reden wir keiner generellen Entschuldung das Wort — ich habe das schon heute früh gesagt — , zumal mit manchem Kredit eine ertragreiche Investition finanziert wurde.Es geht uns um Wertberichtigung. Es geht um die Streichung von Krediten auf staatliche Weisung, die zum Teil mit der Landwirtschaft nichts zu tun hatten. Es geht uns auch um die Einbeziehung in die Kredittilgung bei der Nahrungsgüterwirtschaft, so daß keine Rückwirkungen auf die Landwirtschaft, auf die Primärproduktion entstehen können.Für unzureichend halten wir die Entschuldung nur im Rahmen der Treuhand und bekräftigen unseren Standpunkt, daß auch Direktmittel aus dem Bundeshaushalt einzusetzen sind.Unabhängig von diesen beiden Schienen der Entschuldung plädieren wir für das Ausschöpfen der Besserungsscheinregelung laut D-Markbilanzgesetz und dafür, daß das Moratorium zur Aussetzung der Zins- und Tilgungsleistungen solange verlängert wird, bis die Aktion Einzelfallentschuldung zum Abschluß gebracht ist.Mit Erstaunen habe ich gelesen, daß der Generalbevollmächtigte für das land- und forstwirtschaftliche Sondervermögen bei der Treuhandanstalt, Herr Rohr, die Forderung der Länder und Gemeinden auf schuldenfreie Übergabe von Gütern, die sich früher in ihrem Eigentum befanden, mit der Begründung ablehnt, daß die Treuhandanstalt diese nur treuhänderisch verwaltet. Hier beißt sich ja wohl die Katze in den Schwanz.Sicher ist es richtig, daß nicht die Treuhand für die Entschuldung dieser Güter aufzukommen hat, aber dann doch zumindest der Bund. Diese Auffassung vertrat u. a. der sächsische Ministerpräsident bei meiner soeben schon erwähnten Rede anläßlich der Eröffnung der DLG-Agrar am vergangenen Sonnabend in Markkleeberg.
— Die Gewinne haben die Betriebe leider nicht behalten können, Herr Hornung. Wenn sie selbständig hätten wirtschaften können, dann wäre das sicher möglich gewesen.
— Ja, natürlich.
Ich zitiere hier Herrn Professor Biedenkopf. Er argumentierte richtigerweise damit, daß es sich hier um keine Schulden handle, da die VEG aufgrund derFinanzierungsrichtlinien der Kommandowirtschaft diese Kredite aufnehmen mußten. Nur die Betriebe, die freiwillig Kredite aufgenommen hätten, müßten auch das Risiko tragen. Ich kann mich dieser Einschätzung von Professor Biedenkopf eigentlich nur anschließen. Deswegen bringe ich sie hier auch.
Da ich gerade bei den Gütern bin, möchte ich ein weiteres Problem nennen. Mit dem Argument, daß sich die öffentliche Hand nicht selbst fördern kann, wurden die ehemaligen VEG nicht in die agrarstrukturelle Förderung einbezogen. Diese Entscheidung ist korrekturbedürftig, weil es sich bei der Mehrzahl der Güter um wirtschaftlich selbständige Betriebe handelt — ich spreche nicht von den Landes- und Stadtgütern — , die nicht mit den Staatsdomänen in den Altbundesländern vergleichbar sind.Eines der zentralen Probleme der Anpassung an die Bedingungen der Marktwirtschaft und des EG-Agrarmarktes, wenn nicht sogar das Schlüsselproblem, ist die Reduzierung des zu hohen Arbeitskräftebesatzes in der ostdeutschen Landwirtschaft. Für die meisten der gegenwärtig bestehenden Betriebe ist der Überbesatz mit Arbeitskräften existenzbedrohend. Zugleich wirkt das Fehlen von Beschäftigungsalternativen als ein Haupthindernis für eine schnelle Durchsetzung des erforderlichen Strukturwandels.
In erster Linie handelt es sich jedoch um ein soziales Problem, das sich in immer mehr Dörfern zu Beschäftigungskatastrophen auswächst und die Gefahr einer nachhaltigen Entleerung ländlicher Regionen in sich birgt. Dies ist zunächst einmal zu verzeichnen. Von den am 1. Juli 1990 noch vorhandenen 750 000 Arbeitskräften — das waren zu viele; da stimme ich mit Ihnen völlig überein — sind inzwischen 13 % in Rente bzw. im Vorruhestand, 11 % sind arbeitslos, und 36 % sind Kurzarbeiter, und die meisten der Kurzarbeiter sind im Prinzip Null-Kurzarbeiter; auch das ist eine Form der Arbeitslosigkeit. Das heißt, es sind insgesamt noch 40 % beschäftigt. Das sind nur Durchschnittszahlen. In Dörfern, in denen die LPG in Konkurs gingen, sind 80 bis 90 % ohne Arbeit.Dies zeigt die ganze Dramatik der Situation, die trotz der zur Verfügung stehenden finanziellen Regelungen für Kurzarbeiter, Vorruheständler und Arbeitslose weiter gehende Entscheidungen der politisch Verantwortlichen erfordert. Wir denken dabei vor allem in zweierlei Richtung: Einmal ist es notwendig, die genannten staatlichen Unterstützungen zu erhöhen, da Bauern von vornherein weniger an Kurzarbeiter-, Arbeitslosengeld usw. erhalten als Industriearbeiter und da ihre früheren Einnahmen aus der persönlichen Hauswirtschaft und der in den LPG und VEG üblichen Naturalverteilung keine Berücksichtigung finden. Diese Quellen fließen heute ja nicht mehr; ich kann im Garten kein Geld mehr machen,
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Dr. Fritz Schumann
jedenfalls nicht mehr so viel, wie das in der ehemaligen DDR üblich war.
— Das kann man, da haben Sie recht, aber früher hat mancher aus seinem Garten ein paar Tausender gemacht.
— Ob das richtig war, ist eine andere Frage. Aber es wird heute nicht auf das Einkommen angerechnet, und damit fällt es aus der Kurzarbeitsregelung heraus, und das ist das Problem. Ich sehe es aus sozialer Sicht.— Sie stimmen mir zu, Herr Hornung, wie ich sehe.
Zweitens — das ist das dauerhaft Wichtigere — ist eine regionale Struktur- und Entwicklungspolitik notwendig, die alle wirtschaftlichen, sozialen, raumordnerischen und ökologischen Aspekte berücksichtigt und innere und äußere Entwicklungspotentiale stimuliert und zusammenführt. Das ist weit mehr als nur Agrarpolitik. Hier geht es um integrierte Regionalentwicklung, in der die notwendige Umstrukturierung, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die dazu erforderlichen Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen möglichst synchron verlaufen. Auch hierfür ist Zeit notwendig, so daß auch aus dieser Sicht unsere Forderung bestehen bleibt, die Umstrukturierungsphase der Landwirtschaft und des ländlichen Raumes auf ein vertretbares Maß — ich meine, es geht um mindestens noch drei Jahre — zu strecken und mit entsprechenden finanziellen Hilfen abzufedern.Danke schön.
Das Wort hat Frau Kollegin Vera Wollenberger.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einem Jahr der relativen Verbesserung, das massiven vorhergehenden Preiseinbrüchen folgte, befindet sich die Landwirtschaft wieder auf rasanter Talfahrt. Auch im positiven Berichtsjahr dieses Agrarberichts, dem Wirtschaftsjahr 1989/90, verminderte sich die Zahl der Betriebe um 2,9 %. Das sind rund 20 000 Betriebe mit mindestens 30 000 Arbeitsplätzen allein in den alten Bundesländern.
Die Folgen auf dem Arbeitsmarkt und die Folgen für die ländlichen Regionen entsprechen in etwa denjenigen der Schließung des großen Opel-Werkes in Rüsselsheim mit 35 000 Arbeitsplätzen, und dennoch feiert die Bundesregierung diesen Agrarbericht als Erfolg.Ebenso wird die ausgewiesene durchschnittliche Gewinnerhöhung um 16 % auf rund 55 000 DM pro Unternehmen, berechnet auf der Basis der langjährigen Verluste, durch die anstehenden Verluste durch extreme Preissenkungen mehr als negativ ausgeglichen. Die Bundesregierung rechnet mit Gewinnrückgängen in der Landwirtschaft in diesem Wirtschaftsjahr von 20 %. Die Berechnungen des Deutschen Bauernverbandes, der auf 30 % kommt, dürften wesentlich realistischer sein.Der Agrarbericht schreibt die wahre Situation in der Landwirtschaft schön und bezieht die tatsächlichen sozialen und ökologischen Kosten der Agrarpolitik der Bundesregierung nicht ein. Die Schere zwischen den nach dem Landwirtschaftsgesetz anzustrebenden außerlandwirtschaftlichen Vergleichseinkommen und den tatsächlichen landwirtschaftlichen Einkommen für die Familienarbeitskraft geht immer weiter auseinander. Selbst in diesem erfolgverkündenden Agrarbericht sind fast 80 % der Betriebe von diesem Ziel noch sehr weit entfernt. Nur ein Drittel der Betriebe erreicht die für eine längerfristige Existenzsicherung notwendige Eigenkapitalisierung. Man muß keine wahrsagerischen Fähigkeiten besitzen, um bei Beibehaltung der Agrarpolitik der Bundesregierung die Zukunft der Landwirtschaft vorherzusagen.Die Bundesregierung legte erneut den Beweis vor, daß ihre EG- und bundesweite Agrarpolitik systematisch Arbeitsplätze und die wirtschaftliche und ökologische Lebensgrundlage des ländlichen Raums zerstört.
— Tut er leider nicht.
In den neuen Bundesländern gingen die Erzeugerpreise um 50 % bis 70 % zurück. Minister Kiechle prognostizierte für das laufende Wirtschaftsjahr 400 000 Arbeitslose in der Landwirtschaft. Zur Verhinderung der Massenentlassungen setzte die Bundesregierung dem kein effektives Programm zum Erhalt der Arbeitsplätze und zum Neuaufbau einer umweltgerechten Landwirtschaft entgegen:
keine Stufenpläne, keine realistischen Investitionsbeihilfen, keine Chancengleichheit für Neugründer selbständiger bäuerlicher Betriebe. Die völlige Zerstörung der ostdeutschen Landwirtschaft paßt der Agrarindustrie ins Konzept, ebnet sie doch weiter den Weg für die Entwicklung der Landwirtschaft hin zum auf rationellster Ebene wirtschaftenden Rohstofflieferanten in Ost und West. Kaum ein Drittel der in der Landwirtschaft Beschäftigten wird nach diesem Anpassungsprozeß noch übrigbleiben.Die Konzentrationsprozesse in der Landwirtschaft in Richtung Agrarindustrie gehen weiter: auf Kosten der Arbeitsplätze, der Lebensmittelqualität, der Umwelt und der Landschaften, der Tiere und der Überlebensfähigkeit ganzer Regionen.
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2320 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Vera WollenbergerNutznießer der jetzigen Agrarpolitik sind nach wie vor die Großkonzerne in der Nahrungsmittelverarbeitung, die Großhandelsketten, die chemische Industrie, die Lagerhalter und die EG-Bürokraten.
Die groß herausgestellten Beihilfen sind nach wie vor größtenteils Subventionen für Agrarindustrie und Agrarbürokratie und kommen bei den Bauern fast ausschließlich als Sterbehilfe und Ausstiegsprogramme an.
In der Öffentlichkeit dagegen läßt die Bundesregierung bewußt das Bild entstehen, daß die Landwirtschaft, d. h. die Bauern und Bäuerinnen, auf Kosten der Gesellschaft lebten. An der Wertschöpfung der Landwirtschaft verdienen die Ernährungsindustrie und der Handel ein Mehrfaches. Davon steht natürlich nichts im Agrarbericht. Die Agrar- und Ernährungsindustrie und der Handel erreichen den fast zehnfachen Produktionswert der landwirtschaftlichen Primärproduktion.
Dementsprechend fallen auch die Einkommen aus. Ist das agrarpolitisch eigentlich vertretbar? Für die Bauern sicherlich nicht.Der Agrarbericht ist weniger ein Bericht zur Landwirtschaft als vielmehr ein Erfolgsbericht einer korrumpierten Agrarpolitik im Interesse der Industrie.
Leider fehlt hier in Deutschland eine starke Agraropposition, die Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierung, den nötigen Widerstand entgegensetzt.
Doch das Bündnis für eine ökologische und regionale Agrarwirtschaft wächst, und es trifft auch auf eine wachsende Nachfrage nach ökologischen Produkten in der Bevölkerung.
Nun noch einiges zu den Flächenstillegungen: Ich hätte von der Regierungskoalition eigentlich einen Gesetzentwurf zur flächendeckenden Extensivierung der landwirtschaftlichen Produktion erwartet, nicht nur aus umweltpolitischer Notwendigkeit, sondern vor allem deswegen, weil allen bäuerlichen Betrieben die gleiche Möglichkeit der Existenzsicherung gewährt und der Ausstieg aus der teuren Massenproduktion und damit der Preis-Schulden-Politik eingeleitet werden muß. Machen wir uns nichts vor. Das Instrument der Flächenstillegung für eine ökologische und agrarpolitische Wende hat nicht und nie funktioniert. Wann endlich bricht die Regierung mit den untauglichen Mitteln und wendet sich einer neuen Agrarpolitik zu? Hat die Flächenstillegung zum Abbau der Überschüsse geführt? Hat der Entzug an landwirtschaftlicher Fläche zu einer spürbaren Entlastung der Landschaft geführt?
Hat die Flächenstillegung zu einer Stabilität der bäuerlichen Betriebe beigetragen, zu einem Kapitalzuwachs der Betriebe? Nein. Dazu gibt der Agrarbericht hinreichende Auskunft.Ist es nicht vielmehr so, daß der Entzug der Fläche für eine ökologische und sozial gerechte Agrarproduktion zu einer erheblichen Konzentration der übrigen Produktion führen muß und geführt hat? Das ist sicher nicht mit der ostdeutschen Agrarstruktur zu vergleichen, aber Großflächen und Massentierhaltung, intensive Produktion auf der Restfläche sind doch die Folgen — mit all den schlimmen Auswirkungen auf die Umwelt. Die Überschüsse sind im wesentlichen geblieben, und die Marktordnungskosten sind gestiegen.
Ich muß Sie ernsthaft fragen, Herr Minister Kiechle, wessen Interessen Sie hier vertreten, die der Agrarindustrie oder die der Bauern, die um ihre Existenz bangen.
Wir würden in diesem Zusammenhang gern wissen, wann die versprochenen Extensivierungsprämien für diese Wirtschaftsperiode an die betroffenen Betriebe in den ostdeutschen Ländern ausgezahlt werden. Diese Betriebe warten noch heute auf ihr Geld.Wir würden gern wissen: Ist es nicht schon genug, daß auf Grund Ihrer Agararpolitik fast ein Drittel der Flächen Brandenburgs und Mecklenburgs in die Brache fallen? Wollen Sie ernsthaft einem bäuerlichen Handwerk klarmachen, daß es besser ist, nichts zu tun und arbeitslos zu werden, als ökologisch gesunde Nahrungsmittel zu produzieren? Sie wissen sehr genau, daß das Grundwasser zum größten Teil mit Nitraten verseucht ist. Ökologischer Landbau würde dazu beitragen, daß der Nitratgehalt des Grundwassers wieder zu sinken begänne.Der Wunsch vieler Bauern nach ökologischem Landbau wächst. Im Baskenland war erst kürzlich ein internationales Treffen zur Agrarpolitik der EG. Auch dort wurde deutlich gesagt: Wir wollen keine Stillegung, sondern wir wollen produzieren, extensiv ökologisch gesunde Nahrung
mit gestaffelten Erzeugerpreisen, in regional organisierter Agrarstruktur.
Aber vielleicht fürchten Sie ein Zerwürfnis mit der chemischen Industrie. Das Bündnis 90/GRÜNE aber denkt, die chemische Industrie sollte unter Druck gesetzt werden, um umweltverträgliche Produkte zu
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Vera Wollenbergerentwickeln — sofern ein guter Bauer ihrer überhaupt bedarf.Noch ein Wort zu den Subventionen: Hier entsteht immer der Eindruck, als würden die Bauern subventioniert, als wären die Bauern die Kostgänger der Gesellschaft. Das ist glattweg falsch. Das, was hier subventioniert wird, ist die Industrie.
Die Agrarindustrie wird subventioniert, und die Bauern werden durch den Preisdruck in den Ruin getrieben.
— Das ist keinesfalls lächerlich, meine Herren.
— Das ist schön. Wenn das dazu führte, daß Sie mir weiter zuhören, ware es nett.Nur wer rücksichtslos ausbeutet, was sich ihm bietet, kann dabei überleben. Den Bauern ist da nur begrenzt ein Vorwurf zu machen.
Was sollten sie auch tun, wenn es um die Existenz geht?Heute werden nur maximal 15 % der Haushaltsmittel einer Familie für Nahrung ausgegeben. Das müßte auf 30 % steigen, und die Einkommen der Bauern müßten sich aus realen Preisen bilden. Da ist die Forderung von Bauern nach gestaffelten Erzeugerpreisen nur gerechtfertigt. Ausgleichszahlungen können unter bestimmten Umständen noch notwendig sein. Doch sollten sie sich an Grundmengen und an ökologischer Wirtschaftsweise orientieren. Schließlich verursacht die ökologische Landwirtschaft keine Kosten durch Überschüsse.Die Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN wendet sich entschieden gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung der Flächenstillegung und schlägt vor, die 84 Millionen DM für die Förderung der Umstellung auf den ökologischen Landbau und die gleichzeitige Förderung der Vermarktung und Verarbeitung ökologischer Produkte einzusetzen. Das Einsetzen der Millionenbeträge in dieser Richtung würde die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe und Arbeitsplätze sichern und würde auch in den neuen Ländern die Chance eines Neuanfangs bieten, würde den raschen Abbau der Überschüsse garantieren und überdies zur Verbesserung der umweltbelasteten Böden und des Wassers ganz effektiv beitragen. Außerdem würde unsere Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln versorgt werden können.Die Unterstützung des ökologischen Landbaus und die Sicherung der Landwirtschaft im Osten und im Westen Deutschlands sind eine politische Entscheidung und dürften nicht von angeblichen Sachzwängen der Marktwirtschaft abhängig gemacht werden.
Das Wort hat der Kollege Meinolf Michels.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Eben sah ich auf der Tribüne unseren langjährigen Vorsitzenden Martin Schmidt , der hier über 30 Jahre die Agrarpolitik geformt hat. Ich glaube, ihm gilt der besondere Gruß des ganzen Hauses.
Sehr geehrter Herr Dr. Schumann, Ihre Vorgänger, also die SED, haben uns auch die Landwirtschaft in den neuen Ländern in jenem Zustand überlassen, den Sie hier eben geschildert haben. Auch dies gehört zur Wahrheit!
Meine Damen und Herren, Agrarpolitik in Deutschland bedeutet Teilnahme an der allgemeinen Agrarpolitik der EG, die von Ministerrat und Kommission gemacht wird. Unserem Minister Kiechle muß mit Anerkennung bestätigt werden, daß er in den letzten Jahren auf diesem Gebiet Pionierarbeit geleistet hat; denn Landwirtschaft ist heute sehr weit von einer Landwirtschaft oder Agrarpolitik entfernt, wie sie vor 15 oder 20 Jahren gang und gäbe war. Damals galt es, den Bedarf einer noch wachsenden Bevölkerung zu decken. Dies war in der Anfangszeit nicht immer möglich. Im Gegensatz dazu haben wir es heute in ganz Europa mit einer Überproduktion bei allen gängigen Agrarprodukten zu tun. Die Wirkungsweise der einzelnen Marktordnungsmechanismen und die Ausgestaltung der Marktordnungen müssen heute naturgemäß völlig anders sein als vor 20 Jahren.Eine Agrardebatte sollte aber auch das Risiko eines Blicks nach vorn nicht scheuen. Ich halte es für unverzichtbar, daß die Rahmenbedingungen, die heute in Brüssel verabschiedet werden, eine längere Gültigkeit erhalten. Es sind manchmal nur wenige Monate, die dem Landwirt effektiv zur Verfügung stehen, um sich für relativ kurze Zeit auf völlig neue Rahmenbedingungen einzustellen. Jeder, der ein bißchen Ahnung von den Abläufen in der Natur hat, weiß, daß dies nicht optimal möglich ist. Aus diesem Grund fordere ich Ministerrat und Kommission auf, sehr sorgfältig zu prüfen, ob nicht die Beschlüsse und Regelungen grundsätzlich eine mindestens zweijährige, teilweise aber auch eine fünfjährige Laufzeit haben können.Für den Bereich der Milch ist es notwendig, daß die EG ein dauerhaftes Angebot aufrechterhält, um in der Lage zu sein, jederzeit schneller und flexibler auf Veränderungen des Marktes zu reagieren. Ziel muß der unkomplizierte Übergang von Quoten von einem Landwirt auf den anderen sein. Dieses Ziel dürfen wir in keinem Fall aus dem Auge verlieren.In den letzten Jahren, meine Damen und Herren, hat kein Wort die Landwirtschaft so sehr beunruhigt wie das Wort „GATT-Verhandlungen". Die Gatt-Ver-
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Meinolf Michelshandlungen wurden und werden von vielen, ob sie etwas davon verstehen oder nicht, als Knüppel gegen die Landwirtschaft mißbraucht.Die Landwirte wissen sehr wohl, daß wir einen freien Warenverkehr brauchen. Wer aber glaubt, alle Exporte mit Importen von Agrarprodukten ausgleichen zu können, der nutzt zum einen die Notlage der agrarproduzierenden Länder aus, weil er anderen ihre Agrarprodukte zu einem Preis abkaufen will, zu dem sie nicht kostendeckend erzeugt werden können.
Zum anderen aber zerstört er die heimische Landwirtschaft und bringt sich in Abhängigkeit von eben diesen angesprochenen Importen.
Hier müssen der Sachverstand und die Verantwortung für das Ganze Vorrang vor spartenspezifischem Denken mit entsprechenden Schuldzuweisungen haben. Wir werden in Zukunft ohnehin in einem zusammenwachsenden Europa den Aufbau in unseren östlichen Nachbarländern nicht mit Agrarimporten bezahlen können. Das heißt, daß Industrie und Gewerbe mit dazu beitragen müssen, ihre Exporte durch Importe aus vergleichbaren Bereichen auszugleichen.Wir würden heute z. B. die Probleme auf dem Rindfleischmarkt nicht so drückend haben, wenn nicht allein im letzten Jahr eine Million polnische Kälber in den EG-Raum eingeführt worden wären. Die sich hieraus ergebende Rindfleischmenge entspricht zu einem großen Teil den heutigen Lagerbeständen.Die EG-Vereinbarungen sehen einen Abbau des 3 %igen Mehrwertsteuerausgleichs vor. Die Landwirtschaft kann auf dieses Geld in keinem Fall verzichten.
Hier müssen Mittel und Wege gefunden werden, dieses Geld für die Landwirtschaft zu erhalten. Diese Forderung wird von wissenschaftlichen Untersuchungen, die im Ergebnis sehr präzise darstellen, welchen Einkommensbeitrag der 3 %ige Mehrwertsteuerausgleich leistet, voll gedeckt.Bei einem sich fortlaufend vollziehenden Strukturwandel ist es auf Dauer nicht möglich, Ausgleichsleistungen wie z. B. die Strukturbeihilfe bei 90 Hektar auslaufen zu lassen.
Gerade die Marktfruchtbetriebe haben die größten Verluste bei einem rückläufigen Getreidepreis zu tragen. Deshalb bitte ich die Bundesregierung zu erwägen, inwieweit mit Billigung der EG der 3 %ige Mehrwertsteuerausgleich auf einem auf die Landwirtschaft verlustfreien Weg erhalten bleiben kann.
Bei fortlaufendem Strukturwandel und ständig steigenden Investitionskosten in Verbindung mit einem enormen Anstieg der außerlandwirtschaftlichen Einkommen muß auch die Prosperitätsschwelle angeglichen werden.
Kollege Michels, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sielaff?
Ja, gern.
Herr Kollege Michels, Sie sprachen eben die Strukturhilfen an. Manche meinen ja, das seien Subventionen. Deshalb meine Frage: Teilen Sie die Meinung Ihres Parteifreundes, des Ministers Weiser, der sagt, Wirtschaftsminister Möllemann müsse endlich damit aufhören, soziale Sprengsätze bei den bäuerlichen Familien legen zu wollen? Möllemann meinte ja, man müsse Subventionen generell abbauen.
Ich habe eben schon gesagt, daß sehr viele Leute über diese Dinge reden, die möglichst wenig Ahnung von diesen Dingen haben.
Wenn dies so undifferenziert in den Raum gestellt wird, muß das für jeden gleich gelten.
Eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Sielaff.
Herr Michels, meinen Sie mit diesen unqualifizierten Leuten nun Herrn Weiser oder Herrn Möllemann?
Herrn Weiser meinte ich in diesem Fall nicht. Er hat keinen Abbau der Subventionen gefordert.
Kollege Michels, gestatten Sie eine dritte Zwischenfrage des Kollegen Oostergetelo?
Soweit es nicht angerechnet wird, ja.
Nein, bisher noch nicht.
Bitte.
Herr Kollege Michels, da Sie ein so sympathischer Kollege sind, kann ich mir vorstellen, daß Ihnen das nach Ihrer Feststellung schwerfallen muß. Deshalb frage ich Sie: Kann man weiterhin eine Regierung tragen, bei der Mitglieder keine Ahnung haben?
Es gibt manchmal Äußerungen, die sorgfältiger hätten geprüft werden müssen. Das muß sich auch jener sagen lassen, der das vielleicht etwas ungeprüft nach draußen trägt.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Bredehorn?
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Ja, bitte.
Herr Kollege Michels, wenn Sie das so qualifizieren, heißt das, daß die CDU-Fraktion die im Koalitionspapier schon festgeschriebenen Subventionskürzungen nicht mittragen will?
Lieber Herr Kollege Bredehorn, das, was im Koalitionspapier festgeschrieben ist, wird sicherlich auch geschehen. Es handelt sich hier um Einzeläußerungen, die, bezogen auf einzelne Positionen, so in keiner Weise abgesprochen sind.
Kollege Michels, es liegen jetzt noch zwei Wünsche nach Zwischenfragen vor, und zwar von dem Kollegen Schorlemer und dem Kollegen Schily. Lassen Sie diese Fragen auch noch zu? Danach lasse ich keine weitere Zwischenfrage zu.
Bitte gern.
Herr Kollege Michels, sind Sie bereit zu bestätigen, daß die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Frau Matthäus-Maier, seit Jahren drastische Kürzungen bei den Subventionen für den Bereich der Landwirtschaft fordert?
Dies hat sie vor aller Öffentlichkeit dauernd getan, ja.
Kollege Schily.
Herr Kollege, können Sie uns Auskunft darüber geben, ob Herr Minister Kiechle Ihre Einschätzung der Kompetenz seines Kabinettskollegen Möllemann teilt?
Ich weiß nicht, welche Meinung der Kollege Kiechle über andere Kollegen des Kabinetts hat.
Meine Damen und Herren, bei fortlaufendem Strukturwandel und ständig steigenden Investitionskosten in Verbindung mit einem enormen Anstieg der außerlandwirtschaftlichen Einkommen muß auch, wie eben schon gesagt, die Prosperitätsschwelle angeglichen werden, damit nachweislich erfolgreich wirtschaftende Betriebe nicht an ihrer Weiterentwicklung gehindert werden.
Im Bereich der Steuerpolitik halte ich es für absolut notwendig, zu überprüfen, ob die Grenze von 40 000 DM Wirtschaftswert als Einstiegspflicht in die Buchführung noch zeitgemäß ist. Ich habe mir bei vielenBetrieben das Ergebnis dieser Regelung angesehen und festgestellt, daß die Buchführungskosten, die hierfür anfallen, sehr oft höher sind als das Einkommen des jeweiligen Betriebes. Es ist eben auch unsere Aufgabe, zeitgemäß auf Veränderungen hinzuwirken.Meine Damen und Herren, wir haben auf Grund der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes die große Aufgabe, aber auch die Chance der Neugestaltung der Landwirtschaft in den fünf neuen Ländern. Diese Chance sollten wir nutzen und die dort tätigen Menschen auf vielfältige Weise unterstützen.In der Koalitionsvereinbarung ist festgeschrieben, daß wir eine Landwirtschaft wollen, die in Eigenverantwortlichkeit geführt wird. Das bedeutet, daß die LPGen ihre Daseinsberechtigung verloren haben. An ihre Stelle müssen eigenverantwortlich geführte Betriebe treten. Wir wollen weder anonyme Kapitalgesellschaften noch anonyme sogenannte Großgenossenschaften, für die dann der Bund oder das Land mit Bürgschaften mögliche Verluste abdecken soll. Wer sich als Landwirt betätigt, ob privat oder genossenschaftlich, muß auch uneingeschränkt für sein Handeln einstehen. Natürlich ist es im Einzelfall angezeigt, daß nach vorher eingegangener Eigenhaftung der Staat eine Teilbürgschaft übernehmen kann.Nach dem Einigungsvertrag ist vorgesehen, mit einem Betrag von 1,4 Milliarden DM zur Entschuldung der Landwirtschaft im Osten beizutragen. Eine solche Vorgehensweise kann natürlich im Einzelfall, nämlich dort, wo auf Grund staatlicher Direktiven im landwirtschaftlich fremden Bereich investiert werden mußte, angezeigt sein. Andererseits ist jedoch eine völlige Entschuldung oder eine Teilentschuldung ein außerordentlicher Eingriff, der sich meist zum Nachteil der übrigen Betriebe auswirkt oder schlecht wirtschaftende Betriebe gegenüber anderen noch belohnt.
Ich habe festgestellt, daß der Informationsstand der Mitglieder der LPGen oft sehr unzureichend ist. Diese Gegebenheit sowie die Gewohnheit, in Abhängigkeit von der LPG-Leitung leben und arbeiten zu müssen, macht es vielen LPG-Leitern heute sehr leicht, die Mitglieder in Genossenschaften hineinzuführen, ohne daß sich dieselben ein reales Bild über die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen machen können.Mit Sicherheit ist unsere Sorge nicht unbegründet, daß viele von diesen neuen Genossenschaftlern nun auf diese Weise nach wenigen Jahren das an Vermögen verlieren, das sie über 40 Jahre Kommunismus noch haben retten können.Aus diesem Grund bitte ich die Bundesregierung und die Länder, äußerste Genauigkeit und Sensibilität bei der Bearbeitung dieser Vorgänge an den Tag zu legen.
Meine Damen und Herren, ich kündige schon jetzt an, daß sich die Arbeitsgruppe meiner Fraktion über den Ernährungsausschuß auch im nachhinein dieser Angelegenheit annehmen wird. Wir sollten viel mehr
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Meinolf Michelsjunge Leute ermutigen, sich selbständig zu machen. In Ost und West gibt es genügend gut ausgebildete und motivierte Landwirte. Wir müssen ihnen helfen, damit sie den Schritt in die Selbständigkeit auch tun können. Das Ergebnis ist dann eine bäuerlich strukturierte, aber auch eigenverantwortliche Landwirtschaft sowie — dann wieder zunehmend — ein aktiver ländlicher Raum. Aus dem Grau der Dörfer im Osten heute muß wieder eine blühende Vielfalt entstehen.Abschließend möchte ich einige, wie ich meine, zentrale Punkte für die landwirtschaftliche Entwicklung noch aufzeigen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird weitergehen. Es wird auch in Zukunft zu einschneidenden Veränderungen kommen. Dies ist unvermeidbar. Wir brauchen eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Eine Landwirtschaft mit Zukunft bietet auch gute und sichere Arbeitsplätze.Als Agrarpolitiker möchte ich hier noch folgende Punkte als Forderung an uns alle in den Raum stellen: Erhalt des Mehrwertsteuerausgleichs bzw. Einführung einer kompensierenden Regelung, die Erlöse der nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz ausscheidenden LPG-Mitglieder dürfen nicht dem vollen Steuerzugriff ausgesetzt sein, weiterer Ausbau der Agrarsozialpolitik und Umgestaltung der Altersgeldfrage hin zu einem eigenen Rentenanspruch der Bäuerinnen, Fortführung des soziostrukturellen Einkommensausgleichs, flächenbezogene Ausgleichsleistungen für die Preissenkung — wir haben heute einen Getreidepreis, der real unter dem von 1952 liegt — und Beibehaltung der Dieselrückvergütung in der notwendigen Höhe, damit sich die Treibstoffkosten in der Landwirtschaft bei sinkenden Erzeugerpreisen nicht noch weiter erhöhen,
bedarfsgerechte Entwicklung im gesamten Aufnahme- und Vermarktungssektor.Der Staat kann diesen Gesamtprozeß nur begleiten und Rahmenbedingungen setzen, die eine individuelle Entfaltung des einzelnen auch zum Wohle aller ermöglicht. In diesem Sinne möchte ich den Mitgliedern der Regierung und dem Minister für das in der Vergangenheit Geleistete recht herzlich danken.
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Frau Kollegin Verena Wohlleben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die agrarsozialpolitische Bilanz dieser Bundesregierung ist eine Aneinanderreihung von untauglichen Versuchen, mit sozialpolitischen Mitteln die im Ansatz verfehlte Agrarpolitik zu korrigieren.
Diese Versuche sind alle gescheitert, ja, sie mußten logischerweise scheitern, weil man nicht gleichzeitig Öl und Wasser in eine Brandstelle gießen kann, die gelöscht werden soll.
Wir alle sind uns seit Jahren einig, daß eine große Agrarsozialreform notwendig ist.
Immer wieder hat die Regierungskoalition mit Ankündigungen geprahlt, und bei diesen Ankündigungen ist es dann auch geblieben.
Mit immer neuen fadenscheinigen Ausreden haben Sie versucht, Ihre Handlungsunfähigkeit in diesem Bereich zuzudecken. Dadurch haben sich so viele Mißstände, Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten angesammelt, daß wirklich nur noch eine umfassende Reform Abhilfe schaffen kann.
Mit der Fortsetzung Ihrer bisherigen Flickschusterei nach dem Schnittmuster des Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes ist es aber nicht getan. Sie nennen dieses Vierte Agrarsoziale Ergänzungsgesetz, welches bekanntlich seit Januar 1991 in Kraft ist, eine für die Landwirtschaft vorteilhafte Regelung.
Ich frage mich, wen Sie mit „Landwirtschaft" meinen. Die rund 200 000 kleineren und mittleren Betriebe, die jetzt unter dem Strich bis zu 2 000 DM im Jahr mehr für ihre soziale Sicherung ausgeben müssen, zählen Sie offenbar nicht dazu.
— Lesen Sie es nach.Wir haben dieses Gesetz im vergangenen Jahr als sozialpolitischen Kopfstand bezeichnet, weil die Ausdehnung der Beitragsentlastung in der landwirtschaftlichen Altershilfe auf größere Betriebe de facto durch den Wegfall von pauschalen Entlastungszahlungen durch Klein- und Mittelbetriebe finanziert wird.Sie haben bewußt darauf verzichtet, die ungerechte Beitragsstaffelung bei den landwirtschaftlichen Krankenkassen zu korrigieren. Während im Bereich der übrigen gesetzlichen Krankenkassen ein Verhältnis von Höchst- zu Mindestbeitrag von etwa 10 : 1 üblich ist, finden wir bis heute bei den landwirtschaftlichen Krankenkassen ein Verhältnis von 4 : 1, manchmal sogar von 3 : 1. Das heißt im Klartext, daß die Beiträge der geringverdienenden Landwirte deutlich zu hoch sind, während die gutverdienenden Landwirte, von denen es nachweislich dieses Agrarberichts sehr viele gibt, zu niedrige Beiträge zahlen müssen.Und nun haben Sie den Schwarzen Peter an die Selbstverwaltungen der Krankenkassen weitergegeben.
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Frau Kollegin Wohlleben, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinrich?
Ich gestatte keine.Diese dürften aber auf Grund ihrer inneren Struktur kaum die Kraft haben, die notwendige weitere Staffelung zu schaffen. Auf den dazu Ende dieses Jahres fälligen Bericht der Bundesregierung dürfen wir jedenfalls heute schon gespannt sein. Nur, mit sozialer Gerechtigkeit hat das alles nichts zu tun.
Aber ich glaube, die wollen Sie auch gar nicht.Gott sei Dank konnten die SPD-geführten Bundesländer eine Befristung des Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes bis Ende 1994 durchsetzen.
Damit haben wir jetzt ein neues Datum für die große Agrarsozialreform, die damit etwa zum zehnten Jahrestag ihrer ersten Ankündigung das Licht der Welt erblicken würde; wir dürfen gespannt sein.
Wir Sozialdemokraten haben eine gute Tradition in der landwirtschaftlichen Sozialpolitik vorzuweisen, die weit zurückreicht.
— Wir sind in der Opposition. Es heißt, wir seien da, die Regierung zu kontrollieren.
Und wenn wir an der Regierung sind, dann bringen wir Lösungen.Sowohl in der Regierungszeit der SPD als auch in der Opposition haben wir versucht, die agrarsoziale Sicherung sachgerecht fortzuentwickeln.
Dabei mußten wir manche Widerstände der Verbände überwinden, die uns im nachhinein aber häufig recht gaben, so z. B. bei der Einführung der Altershilfe, so z. B. 1972 bei der Einführung der landwirtschaftlichen Krankenkasse.
Mir ist klar, daß Sie an die Tradition von uns Sozialdemokraten nicht anknüpfen wollen. Aber Sie sollten sich um das Wohl der Landwirte kümmern und besorgt sein.
Ein anderes zentrales Anliegen der Agrarsozialreform muß die deutliche Verbesserung der sozialen Sicherung der Landfrauen durch eigenständige Beiträge und Rentenansprüche sein. Seit Jahren kämpfen die Landfrauen für Verbesserungen. Seit Jahren sind die Landfrauen von dieser Koalition immer wieder enttäuscht und vertröstet worden.
Wie sagte doch die Präsidentin des Deutschen Landfrauenverbandes vor zwei Jahren?In der Bundesrepublik bringen 592 400 Frauen auf den Höfen vollen Einsatz. Sozialpolitisch stehen sie jedoch in der letzten Reihe.
Dieses Zitat ist eine schallende Ohrfeige für die Herren Agrarpolitiker der Koalition.
Aber offensichtlich stecken sie gerne Ohrfeigen ein.Ein Drittel der Arbeit in der Landwirtschaft wird von Frauen geleistet — und das bei Arbeitstagen, die häufig mehr als 12 Stunden erreichen. 80 % der Bäuerinnen sind mithelfende Familienangehörige, die vor allem in den Nebenerwerbsbetrieben den entscheidenden Anteil der Arbeit auf dem Hof leisten. Nach wie vor aber gilt die Bäuerin als Hausfrau ohne eigene Sozialansprüche. Sie ist trotz ihrer Verantwortung und ihres hohen Arbeitseinsatzes im Betrieb in einer abhängigen Stellung bezüglich ihrer Alterssicherung.Zentral scheint mir die Forderung nach vorzeitigem Altersgeld bei Erwerbsunfähigkeit der Bäuerin zu sein. Hinzu kommen müssen weitere eigenständige Ansprüche im Bereich der Altershilfe.
— Die haben wir schon lange; Ideen haben wir genug. Ich habe Ihnen ja gesagt: Wenn wir an der Regierung sind, dann bringen wir Lösungen. — Dabei können verschiedene Modelle der Beitragsverteilung zwischen den Ehegatten in Betracht gezogen werden.
Eines will ich allerdings auch hier betonen: Deutliche Verbesserungen sind nicht ohne eigene Beiträge zu erreichen.
Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Bemerkungen zur Lage der landwirtschaftlichen Ausbildung machen. Vor allem in den neuen Bundesländern benötigen wir dringend die Absicherung der bestehenden landwirtschaftlichen Ausbildungsverhältnisse. Die derzeit zu beobachtende massenhafte Kündigung von bestehenden Ausbildungsverträgen muß gestoppt werden. Die Ausbildungsinhalte müssen völlig neu geordnet werden.
Benötigt wird in Zukunft — wie auch in den altenBundesländern — der bzw. die universell ausgebil-
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2326 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Verena Wohllebendete Landwirt und Landwirtin, der/die sowohl Ackerbau und Viehzucht als auch Betriebswirtschaft beherrscht und obendrein mit den Notwendigkeiten des Natur- und Umweltschutzes vertraut ist.
Dazu sind im übrigen auch breite Angebote der Fortbildung für die Wiedereinrichtung landwirtschaftlicher Betriebe erforderlich. Wir fordern eine berufliche Qualifizierungsoffensive durch verstärkte Angebote der Aus- und Weiterbildung sowie der Umschulung, gerade für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In den alten Bundesländern beobachten wir einen teilweise dramatischen Rückgang der Ausbildungszahlen im Beruf Landwirt.
Als Agrarpolitikerin stehe ich dem zwiespältig gegenüber. Einerseits ist festzustellen, daß der landwirtschaftliche Nachwuchs die Zukunftsperspektiven offenbar realistischer einschätzt als führende Agrarpolitiker der Koalition. Andererseits sehen einige junge Leute bessere Chancen in einer Erwerbskombination: landwirtschaftlicher Betrieb plus außerlandwirtschaftlicher Beruf, als daß sie Ihren Versprechungen vertrauen.Die Landwirtschaft der Zukunft stellt an die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter hohe Anforderungen, die nur mit einer hervorragenden Ausbildung bewältigt werden können.Die Qualität dieser Ausbildung gerade bei uns in Bayern, wo ich herkomme, zu sichern, stellt angesichts der sinkenden Zahlen für die Politik eine Herausforderung dar, der wir uns verpflichtet fühlen und stellen müssen. Dazu fordere ich Sie auf.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das war, glaube ich, die erste Rede der Kollegin Wohlleben. Auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind, was sie gesagt hat — sie hat das, glaube ich, gut gemeistert.
Und jetzt kommt ein ganz erfahrener Redner in diesem Hause, nämlich unser Kollege Günther Bredehorn.
Bitte sehr.
Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Wohlleben, auch von meiner Seite aus — wir kennen uns inzwischen ja auch persönlich ganz gut —
herzlichen Glückwunsch!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die deutsche Landwirtschaft hat selten unter einem so enormen Anpassungsdruck wie zur Zeit gestanden. Die Brüsseler Beschlüsse führen direkt oder indirekt zu weiter rückläufigen Erzeugerpreisen. Die GATT-Runde läuft zwar noch. Aber die Ergebnisse werden wahrscheinlich in dieselbe negative Richtung wirken.
Von der angekündigten Reform der EG-Agrarpolitik können wir leider bisher nicht allzu viel erwarten. Für das laufende Wirtschaftsjahr sagen die Einkommensvorausschätzungen einen Gewinnrückgang um 20 To voraus. Zwischen Angebot und Nachfrage von Nahrungsmitteln besteht das strukturelle Ungleichgewicht fort. Die Agrarpolitik bekommt es bisher nicht in den Griff.
Hinzu kommt die Umstrukturierung der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern. Sie ist in vollem Gange. Die ökonomischen und sozialen Folgen sind überall zu spüren.
Schließlich verunsichert eine undifferenzierte Debatte über den Abbau von Agrarsubventionen die Landwirte zusätzlich.
— Ich muß ausdrücklich sagen, daß das Zitat, das vorhin bedauerlicherweise gebracht wurde, jeder Grundlage entbehrt.
Wir müssen sicher darüber nachdenken, daß es, wenn man bei den Gasöl-Betriebsbeihilfen europaweit etwas unternimmt, durchaus eine Chance für das ist, was wir wollen, nämlich alternative Treibstoffe: Raps, Methylester und und und. Das darf man nicht ganz außen vor lassen.
Kollege Bredehorn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sielaff?
Gern.
Bitte.
Herr Kollege, Sie sagten soeben, das Zitat, das ich vorhin brachte, entbehre jeder Grundlage. Können Sie erläutern, wie Sie das meinen? Ich habe den Informationsdienst „Agra-Europe" vom gestrigen Tag zitiert. Demnach ist es ein wörtliches Zitat von Herrn Weiser gegen Herrn Möllemann gewesen.
Das war unqualifiziert. Das habe ich doch gerade gesagt.
— So ist es.
Ich verstehe die Sorgen und Enttäuschung vieler Landwirte. Mehr denn je fehlt die Zukunftsperspek-
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Günther Bredehorntive. Die drastisch zurückgehenden Ausbildungszahlen sollten uns eine Warnung sein. Es ist nicht nur der notwendige normale Anpassungsvorgang, sondern oft verlassen leider die Besten enttäuscht diesen Sektor unserer Volkswirtschaft.
Wir müssen diese Entwicklung sehr ernst nehmen. Denn den Wettbewerb im Binnenmarkt werden nur gut ausgebildete flexible Unternehmerlandwirte bestehen.Den Abschluß der diesjährigen Preisrunde hat Bundeslandwirtschaftsminister Kiechle als richtungweisenden Kompromiß bezeichnet. Wenn er damit den Vorrang der Mengenrückführung vor Preissenkungen hervorhebt und als Richtung für die bevorstehende Reform der EG-Agrarpolitik anstrebt, so hat er dabei unsere volle Unterstützung. Ich hätte ihm aber noch mehr Durchsetzungskraft gewünscht.Die mit den jetzigen Beschlüssen verbundenen Preissenkungen schmerzen unsere Betriebe sehr. Zu wenig konsequent sind bisher meines Erachtens die Entscheidungen zur Entlastung der Überschußmärkte.
Den uns heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Flächenstillegung beurteile ich positiv. Hier sind wir durchaus auf dem richtigen Weg. Es ist nämlich unbedingt notwendig, die weiter wachsenden Getreideüberschüsse zu reduzieren. Der Ansatz, erstmalig Landwirten, die über 15 % ihrer Getreideflächen stillegen, nicht nur eine Prämie zu geben, sondern auch die 5 % Mitverantwortungsabgabe zurückzuerstatten, ist richtig. Das Prinzip, das dahintersteht, spürbare Beteiligung an den Überschußkosten für die Landwirte, die ohne Berücksichtigung der Marktsituation weiter produzieren und angemessene Prämie und zusätzliche Rückerstattung für diejenigen Landwirte, die ihre Produktion einschränken, ist richtig.Man hätte sich sicher wünschen können, wenn man dieses Prinzip konsequent umsetzen will, die Mitverantwortungsabgabe durchaus noch höherzusetzen. Das war nicht durchsetzbar, aber wenn man wirklich dieses System konsequent zu Ende denkt, wäre es sicherlich nicht von der Hand zu weisen.Die im vorliegenden Entwurf eines Flächenstillegungsgesetzes vorgesehene Degression der Beihilfe für Betriebe über 50 Hektar, nämlich 25 To weniger, und für Betriebe über 100 Hektar, 50 % weniger Beihilfe, halte ich für nicht sachgerecht. Sie benachteiligt insbesondere die landwirtschaftlichen Betriebe in den neuen Bundesländern, wo einfach ganz andere Strukturen sind. Hierüber sollten wir uns in den Ausschußberatungen morgen noch erneut Gedanken machen und diskutieren.Bei der notwendigen Rückführung der Milchquote in Brüssel hätte ich mir die Entscheidung etwas mutiger gewünscht. Der Minister hat sich hier sehr eingesetzt; die Kühlhäuser für Butter und die Lagerhallen für Magermilchpulver sind wieder voll. Der Selbstversorgungsgrad ist nach wie vor zu hoch, der Druck auf die Preise enorm.Die jetzt beschlossene 2%ige Rückführung der Garantiemenge wird leider die Überschußproblematik nicht beseitigen, und damit werden die Milchpreise weiter unter einem enormen Druck stehen. Eine höhere Kürzung wäre für unsere Bauern sicherlich zunächst schmerzlich gewesen, hätte sich aber durch bessere Milchpreise mittelfristig positiv ausgewirkt.
Für die 2%ige Kürzung erhält jeder Landwirt für fünf Jahre 23 Pfennig je Liter Milch; das sind also insgesamt 1,17 DM je Liter aus EG-Mitteln.Herr Kollege Oostergetelo hat hier kritisch angemerkt, daß dies nicht alles ganz klar und deutlich wäre, die Bundesregierung da keine klaren Positionen hätte.Ich kann Ihnen nur sagen: Meine Position ist hier klar. Ich halte mich an das Koalitionspapier, in dem steht: Bei erforderlich werdender weiterer Mengenrückführung unterstützt die Bundesregierung einen Quotenherauskauf der EG mit Gemeinschaftsmitteln. Für mich ist das diese Herauskaufaktion der EG. Ich meine, wir sollten sehr wohl bedenken, wenn wir versuchen, Herauskaufaktionen anderer Art, nationaler Art, zu starten, ob wir hier nicht etwas vorliegen haben, was sauber und vernünftig umgesetzt werden kann.Ich bin allerdings ganz klar dafür, daß wir für die zusätzlich zu erwirtschaftenden Milchmengen von rund 1 % in den alten Bundesländern, die wir für die sogenannten SLOM-Landwirte brauchen, was einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs entspricht, versuchen sollten, eine freiwillige Herauskaufaktion in den alten Bundesländern zu starten, womit wir dann die EG-Mittel wieder verwenden können, nämlich diese 1,17 DM in fünf Jahren.Die gelockerten Interventionsbestimmungen bei Rindfleisch führen zu weiterem teilweise existenzgefährdenden Preisdruck, ohne den Landwirten eine Alternative aufzuzeigen. Die vom BML erarbeiteten und in Brüssel erörterten Prämienregelungen und Extensivierungsvorschläge nützen nichts, wenn sie nicht rechtzeitig umgesetzt und die Neuorientierung jetzt eingeleitet wird. Wir brauchen jetzt Maßnahmen, die unsere Wettbewerbsposition bei der Rindfleischproduktion stärkt und die Extensivierung und Qualitätsfleischproduktion fördert und gleichzeitig die staatlichen Eingriffe verringert.
Insgesamt gesehen waren die diesjährigen Agrarpreisbeschlüsse eher eine leicht mißlungene Generalprobe.
Ich hoffe daher sehr, daß die Reform der EG-Agrarpolitik um so eher zu einem primären Erfolg wird. Denn die Neuorientierung der EG-Agrarpolitik ist in der Tat dringender denn je. Wir müssen unsere Chancen für die Neuorientierung und strukturelle Anpassung in der Landwirtschaft besser und erfolgreicher anpacken. Denn die Aufgaben sind riesig. Die Lager für die Interventionsbestände quellen über. Die Horrorzahlen sind allen bekannt: fast 800 000 t Rind-
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2328 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Günther BredehornHeisch, 20 Millionen t Getreide, bei Butter und Magermilchpulver jeweils rund 400 000 t, und noch ist kein Ende in Sicht.
Die Kosten für die Getreidemarktordnung haben sich in sieben Jahren auf fast 11 Milliarden DM nahezu verdreifacht. Die Folge: dramatischer Rückgang der Getreidepreise, die nur noch bei gut 30 bis 32 DM je Dezitonne liegen. Bei einem solchen Preis können auch bestgeführte Betriebe keinen Gewinn mehr erwirtschaften. Leider spielen sich ähnliche Tendenzen auch auf dem Milch- und Rindfleischmarkt ab.Kein Wunder, daß immer bohrender danach gefragt wird, wem diese sogenannten Marktordnungen eigentlich noch nützen. Die Frage ist berechtigt. Experten haben folgendes errechnet: Es kann davon ausgegangen werden, daß von den rund 12 Milliarden DM Marktordnungsausgaben für Deutschland im Jahre 1990 nur 25 % bei den einzelnen Landwirten direkt ankommen. Alles andere entfällt auf Interventionsmaßnahmen und wird von der EG im wesentlichen staatlichen Institutionen übermittelt. Rund 38 % werden z. B. den Exporteuren für die Exporterstattung überwiesen. Weitere 13 % sind Prämien für die Herstellung von Verarbeitungsprodukten und Beihilfen für die Verwendung bestimmter Erzeugnisse.Kein Wunder also, daß trotz der Rekordausgaben für die EG-Agrarpolitik in Höhe von 65 Milliarden DM im Jahre 1991 die Einkommenslage in der Landwirtschaft leider schlechter geworden ist. Deshalb brauchen wir unbedingt eine Reform. Ich halte die CopaVorschläge zur EG-Agrarreform durchaus für erfolgversprechend, zumal erstmals die Franzosen der Mengenbegrenzung zugestimmt haben. Die EG-Agrarminister könnten diese Vorschläge aufgreifen, um eine Reform einzuleiten. Dazu gehört es, Anreize für eine noch umweltfreundlichere Produktion zu geben, dazu gehören die Abkehr von der teuren Finanzierung des Agrardumpings und die Entrümpelung des wenig wirksamen Interventionssystems.
Eine Reform der EG-Agrarpolitik kann nur als solche bezeichnet werden, wenn die Agrarmärkte wirklich auf Dauer in der Nähe des jeweiligen Selbstversorgungsgrades stabilisiert werden. Hierzu müssen zusammenhängende Konzepte auf den Tisch.
Eine Bedingung ist natürlich, daß wir dabei unsere Agrarhaushalte im Gleichgewicht halten. Weitere Bedingungen sind: Die Einkommen der Landwirte müssen stabilisiert werden, sie müssen auch wieder steigen. Die Qualität der Produkte muß noch besser werden. Die Wirtschaftsweise zu ihrer Erzeugung muß noch umweltgerechter werden. Schließlich: Die EG- Kommission muß ihre Reformvorstellungen aufgeben, beim Ausgleich der Marktverluste zwischen den Betriebsgrößen zu unterscheiden. Damit würden sonst die wettbewerbsfähigen und leistungsfähigen Betriebe weiterhin diskriminiert. Ich habe sehr bedauert, daß dies seinerzeit von der SPD-Seite nach den MacSharry-Vorschlägen bejubelt wurde. Damit fallenSie leider wieder in Ihre alten Vorstellungen und in die alte Neiddiskussion zurück. Ich bedauere das.
Die Lage in der EG-Landwirtschaft und die Möglichkeiten zur Reform sollten uns allen ein gemeinsames Anliegen sein.
In der vorigen Woche hat das Landwirtschafts-Anpassungsgesetz seine letzte gesetzgeberische Hürde im Bundesrat genommen. Es kann jetzt in Kraft treten. Damit gibt es für eine sinnvolle Umstrukturierung der Ostlandwirtschaft geeignete Rahmenbedingungen für eine Landbewirtschaftung durch Betriebe in den unterschiedlichsten Rechtsformen. Wenn es gelingt, die dort gegebenen Struktur- und Marktvorteile ökonomisch und rechtlich sinnvoll zu nutzen, wird — das ist meine Überzeugung — in den neuen Bundesländern eine, am EG-Maßstab gemessene, sehr wettbewerbsfähige Landwirtschaft entstehen. Daraus werden sich auch positive Rückwirkungen auf den Agrarstrukturwandel im Westen ergeben. Deshalb müssen wir um so intensiver unsere differenzierte Agrarpolitik fortsetzen, um auch den internationalen Herausforderungen besser begegnen zu können.Ich persönlich bin über diese Entwicklung sehr, sehr glücklich, und ich freue mich, daß bei den Fachleuten der großen Fraktionen jetzt auch das Denken beginnt.
Wie es dort arbeitet im Kopf! Ich freue mich, daß man nicht nur Fördergrenzen, Obergrenzen, Strukturgrenzen usw. hat,
sondern daß man einfach diese Entwicklung, die in unserem wiedervereinigten Deutschland jetzt möglich ist, offensiv aufgreift.
Ich meine: weg mit den Ideologien und hin zur Zukunft.Der Agrarbericht, den wir heute debattieren, weist aus, daß die Landwirtschaft in den alten Bundesländern im Wettbewerb und im EG-Agrarmarkt bei einer Reihe von Erzeugnissen zum Teil deutliche Produktionsanteile verloren hat. Auch auf dem deutschen Markt verloren die deutschen Bauern in den letzten 20 Jahren ständig Marktanteile. Deshalb brauchen wir auch weiterhin Förderungsmaßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe.Es stimmt mich eigentlich traurig, wenn es z. B. in Niedersachsen beim einzelbetrieblichen Förderungsprogramm inzwischen einen Antragsstau von drei Jahren gibt. Ich wünschte, daß der Haushaltsausschuß des Bundestages — ich sehe mit Freude einige Kollegen dort sitzen — nicht nur die Mittel für die neuen Bundesländer in diesem Bereich um 150 Millionen DM erhöht hätte, sondern ebenso die Mittel für die alten Bundesländer, und zwar im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe. Ohne zusätzliche Mittel wäre es
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Günther Bredehorndurchaus möglich gewesen, etwas weniger nach dem Gießkannenprinzip, dafür aber gezielter in Richtung auf Strukturwandel zu fördern. Denn der Strukturwandel wird unvermindert weitergehen und ist sicherlich auch für die entwicklungsfähigen Unternehmen von Nutzen und notwendig. Deshalb müssen wir auch weiterhin auf einen sozial verträglichen Anpassungsprozeß Wert legen. Das ist alles gesagt worden.Wir werden uns alle bemühen, in dieser Legislaturperiode endlich die große Reform der Agrarsozialpolitik umzusetzen.Lassen Sie mich zum Schluß feststellen: Trotz der beschriebenen schwierigen Situation, in der sich unsere Landwirtschaft zur Zeit befindet, sehe ich durch das Zusammenwachsen Deutschlands mittelfristig auch für die Landwirtschaft gute Chancen. Die Gesellschaft braucht auch in Zukunft eine leistungsfähige, bäuerlich strukturierte Landwirtschaft. Neben der Versorgung mit Nahrungsmitteln gewinnen die Erhaltung und Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen und der Kulturlandschaft weiter an Bedeutung.
Der erfolgs- und ökologieorientierte landwirtschaftliche Unternehmer ist auch im EG-Binnenmarkt wettbewerbsfähig. Die Agrarpolitik muß allerdings für widerspruchsfreie Rahmenbedingungen und wettbewerbsneutrale Förderbedingungen sorgen.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt unsere Kollegin Frau Marianne Klappert.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ein wesentlicher Teil der Debatte über die gesamtdeutsche Landwirtschaft im Jahr 1991 dreht sich naturgemäß um den besorgniserregenden Zustand der Landwirtschaft in den neuen Bundesländern.Herr Minister Kiechle, Sie haben in Ihrer Einbringungsrede dieser großen und umfassenden Herausforderung nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet. Das ist ein deutlicher Beleg für die Ratlosigkeit, die fehlende Gestaltungskraft und die mangelnde Phantasie der Bundesregierung bei der Bewältigung der Probleme.
Sie haben aber nicht nur Probleme unterschätzt, Sie haben auch falsche Hoffnungen erweckt und verkehrte Wegweisungen gegeben. Ein prägnantes Beispiel dafür ist die einseitige Fixierung Ihrer Politik auf die Wiedereinrichtung bäuerlicher Familienbetriebe.
Zum einen ist diese Umwandlung längst nicht in dem Maß erfolgt, wie das erhofft wurde. Nach neuesten Erhebungen der fünf Landesbauernverbände in den neuen Bundesländern gibt es inzwischen zwar 8 000Familienbetriebe; denen stehen aber immer noch 1 350 LPGen in alter Struktur gegenüber. Diese 8 000 Familienbetriebe bewirtschaften nur etwa 10 To der landwirtschaftlichen Nutzfläche.Zum anderen handelt es sich bei diesen Familienlandwirtschaften um überwiegend kleinstrukturierte Betriebe, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dem EG- Wettbewerb nicht standhalten werden. DLG-Berater schätzen, daß nur 30 bis 50 % dieser Betriebe auf Dauer lebensfähig sein werden.
Das ist also für mich und die Bürger dort drüben eine ganz schlechte Zukunftsperspektive.Nicht die einseitige Förderung kleinbäuerlicher Strukturen ist gefragt, sondern eine den regionalen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Förderung aller landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe einschließlich der Gruppenbetriebe.
Ein weiteres von Ihnen unterschätztes zentrales Problem ist die schleppende Entflechtung und Umstrukturierung vieler ehemaliger LPGen, die ja nicht nur auf die immer wieder behauptete „Mauertaktik" von LPG-Vorständen zurückzuführen ist, sondern auf ganz reale Probleme.
— Das haben wir nicht.Die ungeklärten Eigentumsfragen verhindern eine betriebswirtschaftlich dringend notwendige langfristige Pachtung bzw. den Kauf landwirtschaftlicher Nutzflächen. Betriebsbeginn und das Vorhandensein von Liquidität werden ja, wie es ein Landwirt formuliert hat, im wesentlichen vom Naturrhythmus bestimmt und nicht vom Gang der Verwaltung und Institutionen.Hier ist nun auch die Treuhand aufgefordert, volkseigenen Grund und Boden für mittel- und langfristige Pachtung oder Kauf zur Verfügung zu stellen, sofern nicht im Einzelfall wichtige Argumente dagegenstehen. Dabei muß allerdings die Ballung von großen Flächen in wenigen Händen vermieden werden, ganz gleich, ob in westlichen oder östlichen.
— Darüber können wir uns später unterhalten.Dem Spekulantentum ist ebenso zu wehren wie dem Versuch, bei möglichst niedrigen Pachtpreisen satte Stillegungsprämien zu kassieren. Landwirtschaftliche Nutzfläche darf nicht zum Abschreibungsprojekt werden,
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2330 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Marianne Klappertsondern muß in die Hände derjenigen gelangen, die ihren landwirtschaftlichen Beruf weiter ausüben wollen.
Die beträchtliche Überschuldung der LPGen wird zusammen mit dem Kapitalabfluß durch fällige Entschädigungszahlungen an ausscheidende Mitglieder für viele Betriebe in der Liquidation enden. Davon werden auch Betriebe betroffen sein, die sanierungsfähig wären. Gegenwärtig befinden sich etwa 600 LPGen in Konkurs bzw. Liquidation ohne Rechtsnachfolge. Eine deutliche Aufstockung der Mittel zur Entschuldung von Altlasten ist also dringend geboten.
Die dazu bisher bereitgestellten 1,4 Milliarden DM reichen bei einer Gesamtsumme der Altlasten von 8 Milliarden DM bei weitem nicht aus.
Großen sozialen Sprengstoff birgt die Tatsache, daß ein hoher Anteil Erwerbstätiger aus der Landwirtschaft ausgegliedert werden mußte bzw. durch Betriebsauflösungen, Konkurse etc. seine Arbeit verliert. Waren am 1. Juli 1990 noch 750 000 Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt, sind es gegenwärtig nur noch etwa 300 000. Hinzu kommen noch die 270 000 Kurzarbeiter.
Der Arbeitsplatzabbau wird unvermindert weitergehen, da durch die schleppende Umstrukturierung auch die Vorleistungs- und Nachleistungsbereiche in Mitleidenschaft gezogen werden. In vielen Dörfern im ländlichen Raum herrscht schon jetzt Massenarbeitslosigkeit. Die sich daraus ergebenden sozialen Probleme liegen auf der Hand, zumal auch die zur Verfügung stehenden finanziellen Regelungen für Kurzarbeiter, Vorruheständler und Arbeitslose unzureichend sind und die Leistungen deutlich unter dem Durchschnitt in anderen Erwerbszweigen, z. B. der Industriearbeiter, liegen.Deprimierend ist auch die beträchtliche Perspektivlosigkeit, was alternative Arbeitsplätze bzw. Umschulungsmöglichkeiten betrifft.Durch den rapiden Arbeitsplatzabbau ist natürlich auch die Ausbildung von Lehrlingen beeinträchtigt. Hier wirkt sich nach Ansicht des Ostdeutschen Bauernverbandes sehr nachteilig aus, daß der mit dem Förderprogramm Aufschwung Ost vorgesehene Zuschuß von 5 000 DM pro Ausbildungsplatz an eine Grenze von 20 Beschäftigten im Unternehmen gebunden ist. Die Verankerung von Sozialplänen für die in der Landwirtschaft Beschäftigten ist also ebenso dringend erforderlich wie wirkungsvolle Konzepte zur Schaffung alternativer Arbeitsplätze im ländlichen Raum, z. B. im Dienstleistungsbereich.Der Agrarbericht macht — wie auch die Ministerrede — nicht deutlich, was die Bundesregierung hier konkret zu tun gedenkt. Das Prinzip Hoffnung kann keine Grundlage für seriöse Politik sein.
— Das sehen wir. — Nicht zuletzt entwickeln sich die Preisdifferenzen zwischen alten und neuen Bundesländern immer mehr zu einem existentiellen Problem. Schon in den letzten zwölf Monaten führten die in den neuen Bundesländern niedrigeren Erzeugerpreise zu einem Einnahmeverlust von ca. 3 Milliarden DM.Meine Herren und Damen, die Liste der Versäumnisse und Fehleinschätzungen dieser Bundesregierung ließe sich beliebig fortsetzen. Die Orientierung, die von einer Regierung berechtigterweise verlangt werden kann, hat diese Bundesregierung offensichtlich nicht geleistet. Die Phantasie, die in einem so schwierigen Umstrukturierungsprozeß erforderlich wäre, hat sie ganz ohne Zweifel auch nicht aufgebracht. Zwar kann keine Administration in einer freien Marktwirtschaft Direktiven erlassen,
aber in dieser Sondersituation muß man Hilfestellungen, ich meine wirkliche Hilfestellungen, vor allem aber Gestaltungskraft von ihr verlangen können.
Wir unterstützen jeden Appell zum unternehmerischen Risiko, aber dieses Risiko muß kalkulierbar bleiben. Es wäre zutiefst unsozial und unsolidarisch, über die Reprivatisierung von Produktionsmitteln auch die Strukturprobleme der ostdeutschen Landwirtschaft zu privatisieren, sich als Gemeinschaft aus der Verantwortung zu stehlen und die Risiken an diejenigen weiterzureichen, die alleine damit scheitern müssen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch ein paar Bemerkungen zur Wald- und Forstwirtschaft machen. Es besteht zweifellos Übereinstimmung in der Kennzeichnung der Bedeutung des Waldes als eines lebensnotwendigen Ökosystems und eines unverzichtbaren Erholungsraums für die Menschen. Doch dieses Ökosystem ist in einer besorgniserregenden Weise durch neuartige Waldschäden bedroht. Die Situation läßt sich mit einem Satz kennzeichnen: Der Wald stirbt weiter. Großflächige Waldschäden sind die Folgen des Mißbrauchs der Atmosphäre als scheinbar kostenlose Schadstoffdeponien. Dabei treffen die Schädigung der Waldbestände und die Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit natürlich auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Forstbetriebe.Die Feststellung dieser alarmierenden Tatsachen sollte allen Verantwortlichen das größtmögliche Engagement zur Eindämmung des Waldsterbens abverlangen. Auch darüber gibt es kaum Meinungsverschiedenheiten. Aber wirksame grenzüberschreitende Maßnahmen seitens der EG wären dringend
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Marianne Klappertnotwendig. Hier muß die Bundesregierung ihren Einfluß geltend machen.Es ist zwingend notwendig, die Luftschadstoffe so zu reduzieren, daß der Wald nicht nur überleben, sondern auch gedeihen kann.
Was die Waldbewirtschaftung angeht, so fordern wir Sozialdemokraten einen naturgemäßen Waldbau und eine ökologisch verträgliche Waldnutzung.Im Hinblick auf die Forstwirtschaft in den neuen Bundesländern gilt es zunächst einmal, die Besitzer von Privatwald und die Städte und Gemeinden wieder in ihre vollen Eigentumsrechte einzusetzen und dann gemeinsam mit ihren eine umwelt- und sozial verträgliche Forstpolitik zu entwickeln.Ich danke Ihnen.
Jetzt hat der Kollege Herr Dr. Martin Mayer das Wort.
— Ich weiß; es kommen noch mehr. — Bitte, Herr Dr. Mayer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem, was Frau Kollegin Klappert zu den neuen Bundesländern gesagt hat, wird in der Sache der Kollege Köhler im einzelnen Stellung nehmen. Aber eines möchte ich doch sagen: Die Folgen von 40 Jahren sozialistischer Mißwirtschaft lassen sich auch in der Landwirtschaft nicht in einem Jahr beseitigen. Ich meine, daß muß man einmal sehr deutlich sagen.
Man wundert sich schon, daß es in der SPD keinen Redner aus den neuen Bundesländern gibt, der zu diesem Thema Stellung nimmt.
Heute ist Debatte zum Agrarbericht, und das heißt Antwort geben auf die Frage: Wie geht es unseren Bauern? Eine Bäuerin hat mir vor einigen Tagen auf diese Frage die Antwort gegeben: Meiner Familie geht es gut, aber die Lage der Landwirtschaft ist katastrophal. — Das ist eine Antwort, die man oft hört.
Es ist ein Zeichen dafür, daß es trotz der schwierigen Lage in der Landwirtschaft nicht wenige Bauern gibt, die zurechtkommen und die zufrieden sind.
Ein kurzer Blick in die Statistik zeigt, wo die Bauern der Schuh drückt.
— In den Versammlungen hört sich manches anders an als das, was sie im persönlichen Gespräch sagen.
Ein kurzer Blick in die Statistik zeigt, wo die Bauern der Schuh drückt.
— Genauer als Sie.
Für einen Doppelzentner Weizen erlösen die Bauern heute weniger als vor 20 Jahren. Der Index der Betriebsmittel, Neubauten und Maschinen ist auf das Doppelte gestiegen. Das ist ein Zeichen dafür, daß die Preis-Kosten-Schere für die Landwirtschaft sich sehr ungünstig gestaltet hat. Es ließen sich weitere Beispiele dafür anführen.
Herr Kollege Dr. Mayer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schily?
Ja.
Herr Kollege Dr. Mayer, berücksichtigen Sie bei Ihren Ausführungen auch, daß viele Bauern der Schuh gar nicht mehr drücken kann, weil sie den Fuß gar nicht mehr im Schuh haben?
Herr Schily, ich weiß besser als Sie, daß jedes Jahr Bauern aus der Landwirtschaft auf Grund der gestiegenen Flächenproduktivität ausscheiden müssen.
— Der hängt ja mit der Erzeugung zusammen.
Bei der schwierigen Lage der Landwirtschaft kommt von den Bauern verständlicherweise der Wunsch, daß die Mindestpreisgarantien in Brüssel angehoben werden. Das Ergebnis ist nicht befriedigend. Ich möchte deshalb heute der Frage nachgehen, wie wir bäuerlichen Familien helfen können, unabhängig von den Preisvorstellungen der Brüsseler zu zusätzlichen Einkommen zu kommen und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.
Herr Kollege Dr. Mayer, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Ja. Vizepräsident Helmuth Becker: Bitte.
Herr Kollege, die Schilderung dessen, was die Frau empfunden hat, die Sie zitieren, kann ich nachvollziehen: Mir geht es gut, aber der Landwirtschaft nicht. — Ich frage Sie: Wie lange muß man eigentlich Ihrer Meinung nach Regie-
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2332 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Jan Oostergetelorungsverantwortung tragen, bis man endlich sagen kann: Jetzt geht's aufwärts?
Sie sollten lieber einmal darüber nachdenken, daß damals, als Sie die Regierungsverantwortung getragen haben, die Weichen falsch gestellt worden sind, was wir jetzt in der Landwirtschaft büßen müssen.
Die Verantwortung trägt immer die große Partei.Zu den Bauern, denen es gutgeht, gehören beispielsweise diejenigen, die Pensionspferde halten. Wer 20 oder 30 Reitpferde zur Pension im Stall hat, der kann mit Zuversicht in die Zukunft blicken und der kann mit Gelassenheit die Brüsseler Preisbeschlüsse abwarten und verfolgen. Ähnliches gilt für die Bewirtschaftung von Golfplätzen, Campingplätzen und anderen Anlagen zur Freizeitgestaltung.Aufgabe von uns Politikern ist es, die steuerlichen, bau- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften so zu gestalten, daß findige Unternehmer bei den Bauern diese Marktchancen nutzen können.Seit langem gibt es außerdem zusätzliche Einkommensquellen durch gewerbliche Nutzung von leerstehenden landwirtschaftlichen Gebäuden und durch Nebenerwerb außerhalb der Landwirtschaft — sei es als Arbeitnehmer, sei es als Selbständiger. Ich sage deshalb: Eine gute Industriepolitik, eine Vielfalt von Arbeitsplätzen auf dem Land, ist auch eine gute Agrarpolitik.
Das hat sich in Bayern, in Baden-Württemberg und in vielen anderen Ländern der alten Bundesrepublik bewiesen.
Es ist deshalb das Ziel unserer Raumordnungspolitik und Industrieansiedlungspolitik, dieses flächendekkende Angebot an Arbeitsplätzen zu fördern.Auch in der Nahrungsmittelerzeugung selbst bestehen Möglichkeiten, zusätzliche Einkommen zu erwirtschaften. Hier ist an erster Stelle die Direktvermarktung zu nennen. Wer seinen Hof in der Nähe von Wohnsiedlungen hat und wer über genügend Arbeitskräfte verfügt, der kann erfolgreich unmittelbar verkaufen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß die Nachfrage der Hausfrau, vor allem ihre Bereitschaft, etwas mehr Geld für diese Produkte auszugeben, mit dem Vertrauensverhältnis zusammenhängt, das sie zu dem Bauern hat. Wenn sie bei ihrem Bauern Milch, Eier und Fleisch kauft, dann weiß sie, daß diese Produkte so erzeugt worden sind, wie sie es haben möchte.Nun könnte der Einwand kommen: Freizeitnutzung und Direktvermarktung sind etwas für wenige. Ziehen Sie einmal um alle Ballungsgebiete in der Bundesrepublik Deutschland einen Kreis von 20 km und um die Orte mit 5 000 Einwohnern einen Kreis von 5 km. Dann werden Sie feststellen, daß in diesem dichtbesiedelten Land viele eine besondere Chance haben. Hinzuzurechnen sind die Fremdenverkehrsgebiete, von denen wir in Deutschland erfreulich viele haben.Ein dichtbesiedeltes Land mit wachsendem Umweltbewußtsein der Bürger hat weitere Marktchancen. Die alternativen Landwirte — die Biobauern, wie sie sich selber nennen — haben diese hervorragend genutzt.
Der Agrarbericht weist nach, daß diese kleine Gruppe ein bemerkenswertes Einkommen erwirtschaftet und gleichzeitig pro Fläche mehr Menschen Beschäftigung bietet. Das künftige Schicksal dieser Betriebe ist jedoch vom Markt abhängig. Wenn das Angebot an Lebensmitteln, die ohne chemische Pflanzenschutzmittel und ohne bestimmte Düngemittel erzeugt wurden, die Nachfrage übersteigt, bricht der Preis zusammen.Deshalb kritisiere ich hier auch die Art der Förderung durch die Europäische Gemeinschaft, die Umstellungsbeihilfen gibt — statt die Betriebe auf Dauer zu fördern —, weil sie nämlich damit landwirtschaftliche Betriebe in diese Produktion hineinbringt. Wenn auf Grund dieses Anreizes der Markt zusammenbricht, hat dann nicht die EG die Verantwortung für die Zukunft dieser Betriebe?
— Das ist sehr schwer.Im Bereich der alternativen Landwirtschaft ist der Staat noch auf einem anderen Gebiet gefordert, nämlich beim Schutz von Erzeugern und Verbrauchern vor Schwindel und Betrug.
Man kann nämlich den alternativen Produkten nicht ansehen, auf welche Weise sie erzeugt wurden.
— Man riecht es nicht, man schmeckt es nicht.Höhere Erlöse können nicht allein durch Direktvermarktung und alternative Landwirtschaft erzielt werden. Wichtig ist deshalb, daß wir alle Bemühungen der Landwirtschaft unterstützen, bei der Erzeugung und Vermarktung besondere Qualitätsstandards und besondere Markenzeichen zu entwickeln. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit Handel und verarbeitender Industrie notwendig.
Beim Bier weiß jedes Kind: nur das nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraute Bier ist gut genug.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2333
Dr. Martin Mayer
— Ja, aber die Kinder wissen das schon.Mais- und Hirsebier, das nach den Vorschriften der EG mittlerweile auch bei uns verkauft werden darf, hat eben keine ausreichende Qualität. Wir trinken das einfach nicht. Wir sollten bei Fleisch, Milch und anderen Produkten eine ähnliche Strategie zumindest versuchen.
Hätte ich schon vor anderthalb Jahren zum Agrarbericht gesprochen, dann hätte ich an dieser Stelle den Einkommensbeitrag des Waldes besonders hervorgehoben. Aber wir hatten ausgangs des Winters 1990 eine schlimme Sturmkatastrophe, die die vorher einigermaßen erträglichen Preise und die entsprechenden Hoffnungen für lange Jahre zunichte gemacht hat. Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Waldbauern ein herzliches Wort des Dankes und auch der Anerkennung sagen daß sie die Wälder aufgeräumt haben und vor allem, daß in diesem Frühjahr fast alle Flächen wieder bepflanzt sind. Ich meine, das muß man hier auch einmal sagen.
Wir Politiker sollten das danken, indem wir den Waldbauern nicht durch neue Vorschriften wieder neue Ketten anlegen, so wie es hier schon angeklungen ist, sondern indem wir sie in ihrer bisherigen Bewirtschaftungsweise unterstützen. Die deutsche Forstwirtschaft hat sich mit geringem staatlichem Schutz gegenüber wettbewerbsstarken Anbietern aus Osteuropa, Skandinavien und Übersee behauptet. Dennoch und gleichzeitig hat sie in der Waldbewirtschaftung den Belangen des Naturschutzes verstärkt Rechnung getragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft steht im Wettbewerb mit den Partnern in der EG und ist hier durch strenge Umweltauflagen zum Teil benachteiligt. In dieser Woche hat mich ein Bauer wütend angerufen und mir vorgerechnet, daß er durch das Verbot von Atrazin statt 22 DM je Hektar über 300 DM je Hektar aufwenden muß, daß er zweimal spitzen muß und der Ertrag damit zurückgegangen ist. In seinem Ärger mag er das übertrieben haben, aber es macht doch deutlich, daß Auflagen, die speziell für die deutsche Landwirtschaft gelten, für die deutsche Landwirtschaft erhebliche Wettbewerbsnachteile bedeuten. Hier lautet die Frage: Ist die EG mit ihrem strengen Vorsorgewert sachgerecht vorgegangen? Sind denn die Italiener, bei denen die Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser per Verordnung auf das Zehnfache angehoben worden sind, gesundheitlich gefährdet?
Wenn die Europäische Gemeinschaft schon Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel im Trinkwasser festlegt, dann muß sie auch die Kraft haben, diese Pflanzenschutzmittel, die man mittlerweile sogar im Regenwasser messen kann, auch europaweit zu verbieten. Ich meine, das ist ein klassisches Beispiel, das die Brüsseler Bürokratie zu viele Zuständigkeiten hat und man sie wieder auf die Länder zurückverlagern muß.
Der Herr Kollege läßt keine Zwischenfrage mehr zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Bundesminister Kichle hat uns in seiner heutigen Rede den Weg gezeigt, wie die Agrarpolitik weitergeht. Wir als Politiker sind gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern, in der Preispolitik, durch Mengenbegrenzung und durch Schutz nach außen den Bauern zu helfen,
und wir sind auch gefordert, Hilfe bei der Nutzung neuer Marktchancen zu geben. Die Bundesregierung hat die Weichen richtig gestellt. Wir werden sie dabei unterstützen.
Nächster Redner ist unser Kollege Joachim Tappe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mayer, ich bin Ihnen für den ersten Teil Ihrer Darlegungen sehr dankbar.
Ich bedauere allerdings sehr, daß Sie diesen positiven Eindruck zum Schluß doch sehr stark beeinträchtigt haben.
— Ich habe sehr wohl zugehört.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hatte das erste Mal das Vergnügen, den Agrar- und ernährungspolitischen Bericht der Bundesregierung durchzuarbeiten, und war darüber erstaunt, in welche Einzelheiten sich dieser Bericht verliert und den Leser mit Texten, Statistiken, Tabellen und Grafiken fast erschlägt.
Mich hat aber noch mehr überrascht, was dieser Bericht nicht enthält, nämlich das Aufzeigen politischer Konsequenzen und zukunftsorientierter Leitlinien, die sich aus dem auf 165 Seiten akribisch Dargestellten ergeben, ja geradezu aufzwingen.Wäre die deutsche Politik ein Auto, ich fürchte, sie käme schon seit Jahren nicht mehr durch den TÜV.
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2334 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
— Herr Hornung, hören Sie mir doch einmal zu, auch Sie, Herr Susset! Ich habe Ihnen doch auch zugehört.— „Wäre die deutsche Politik ein Auto, ...": Dieser Satz stammt nicht von mir; diese Beurteilung stammt vom Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel.
Ich finde, dieser Ausspruch kennzeichnet in besonderer Weise die Agrarpolitik dieser Bundesregierung.
— Nein. Das habe ich gesagt.
Es gibt wohl kein Politikfeld, in dem so oft von Reformen geredet wurde und in dem dennoch so wenig Zukunftsweisendes geschieht. Deshalb gebührt einem großen Teil unserer Landwirte — das möchte ich an dieser Stelle einmal öffentlich würdigen — Dank und Anerkennung dafür, daß sie mit großem Fleiß, auf Grund der ungünstigen agrarpolitischen Rahmenbedingungen jedoch oft unter großen Entbehrungen ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten.
Dennoch muß auch festgestellt werden: Leider sind die Zeiten, in denen die Landwirtschaft unsere Landschaft positiv prägte, lange vorbei. Bedauerlicherweise haben wir einen unverändert drastischen Rückgang der heimischen Tier- und Pflanzenarten zu verzeichnen. Die Hauptursache hierfür ist die qualitative Verschlechterung bzw. die völlige Vernichtung von Lebensräumen.
Schuld daran ist unter anderem die derzeitige Form der Landbewirtschaftung als Folge Ihrer Landwirtschaftspolitik.
— Herr Hornung, Sie erinnern mich jetzt an Heinrich Heine.
Er hat einmal gesagt: Ein Kluger bemerkt alles; ein Dummer macht über alles Bemerkungen.
Die einstmalige Vielfalt in der Natur wird zu wenigen Einheitsstandorten zusammengewirtschaftet. Ganz besonders sind die Extremstandorte wie Feucht- und Trockenbiotope davon betroffen. Ich mache darauf aufmerksam, daß das selbst die Bundesregierung in ihrer Bodenschutzkonzeption so festgestellt hat. Ohne eine insgesamt naturverträgliche Landwirtschaft werden wir mit maßgeblicher Hilfe Ihrer Landwirtschaftspolitik die Natur noch weiter in die Knie zwingen.
Selbst wenn man berücksichtigt, daß durch die europäische Einbindung nationale Agrarpolitik keine sehr großen Spielräume hat, trägt die Bundesregierung doch auch die Verantwortung für die in weiten Bereichen desolate Situation der bäuerlichen Betriebe in den alten Bundesländern und vor allem für die sich anbahnende Katastrophe in den neuen Ländern.
Jetzt rächt sich, daß die EG, vor allem aber die deutsche Agrarpolitik bis heute zu keiner konzeptionellen Reform fähig oder willens waren. Daran ändert auch Ihr Einwand nichts, Herr Minister, daß die Agrarpolitik der 70er Jahre das zu verantworten hat. Ich darf daran erinnern, daß dafür Herr Ertl die Verantwortung trug. Herr Kollege Gallus, Sie waren seit Mitte der 70er Jahre auch daran beteiligt.
Herr Minister, lassen Sie mich hinzufügen: Ihre Ankündigungen und Ihre Ausführungen eingangs dieser Debatte hatten nach meiner Einschätzung etwas Faustisches an sich: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Das Herr Kollege Susset, gilt auch für Ihre handlungsorientierten Ankündigungen, die Sie hier gemacht haben.Der Problemdruck, der zum Handeln zwingt, nimmt jetzt allerdings zu, nicht zuletzt dadurch, daß die anstehenden GATT-Verhandlungen die Bundesregierung und die EG endlich veranlassen werden, mehr als nur kosmetische Korrekturen an der Agrarpolitik vorzunehmen.Ich bin sehr dankbar, daß in der Zwischenzeit der Bundeskanzler unsere politische Forderung nach einem erfolgreichen Abschluß der Uruguay-Runde im GATT aufgenommen hat, wo doch noch bis Dezember des vorigen Jahres die Bundesregierung zusammen mit Frankreich und Herrn Delors am Strang des Agrarprotektionismus gezogen hatte und bereit war, zu Lasten von Industrie und Verbrauchern das Scheitern der GATT-Verhandlungen in Kauf zu nehmen.
Thomas Hanke von der Wirtschaftsredaktion der „Zeit" — Sie werden ihn kennen — nannte diese Haltung zutreffend die „Allianz der Ignoranten" .
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2335
Herr Kollege Tappe, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gallus?
Herr Präsident, ich bin überzeugt davon, daß das nicht unbedingt der Wahrheitsfindung dient. Deshalb möchte ich gern meinen Beitrag beenden.
Wir alle können doch nicht die Augen vor den Tatsachen verschließen: Schon heute sind die Agrarsubventionen höher als die Wertschöpfung aus der Agrarproduktion. Der OECD-Subventionsbericht errechnet 300 Milliarden DM aus Gemeinschafts- und nationalen Quellen zur Stützung einer Branche, die europaweit nur 10 % Handelsanteil hat und bei uns lediglich 2 % des Bruttosozialprodukts erwirtschaftet. Es muß erschrecken — und da sind Sie mit uns derselben Meinung —, daß drei Fünftel des EG-Haushaltes für Agrarsubventionen ausgegeben werden, obwohl wir wissen, daß jede Tonne subventionierter Agrarproduktion in der EG die Chancen der Reform- und Entwicklungsländer zunichte macht, mittel- und langfristig wirtschaftlich zu gesunden.
Wir bitten Sie deshalb herzlich, Herr Minister: Machen Sie sich vermehrt unsere agrarpolitischen Vorstellungen zu eigen,
und setzen Sie Ihr ganzes Gewicht ein,
diese EG-weit umzusetzen! Ich will gern konzedieren, daß sich die Bundesregierung unseren grundlegenden agrarpolitischen Leitlinien zumindest verbal zu nähern scheint.
Vielleicht können wir auf weitere Fortschritte hoffen.
Ich möchte die von uns seit vielen Jahren in die Diskussion eingebrachten agrarpolitischen Vorschläge, die sich im wesentlichen ausrichten an einer zukunftsorientierten, an einer ökonomisch gesunden, sozial- und umweltverträglichen Agrarwirtschaft, in drei Punkten zusammenfassen:
Erstens. Wir wollen einen kurzfristigen Abbau der Überschußproduktion,
und zwar durch Reduzierung der Flächenerträge auf dem Wege der Extensivierung,
durch die Umschichtung produktionsgebundener Zuschüsse zugunsten einer Honorierung ökonomischer
Leistungen und durch vermehrten Anbau von anderen als den jetzt vorhandenen Überschußprodukten.
Hierbei ist verstärkt an eine Ausweitung des ökologisch verantwortbaren Anbaus sogenannter nachwachsender Rohstoffe zu denken, anstatt vorrangig Flächen und Betriebe stillzulegen.
Zweitens. Umstellungshilfen und Existenzstützungen für ökologisch arbeitende Landwirte.
Drittens. Direkte Einkommensübertragung an Landwirte für landschaftspflegerische, landschaftserhaltende und gewässerschützende Aufgaben.
Meine Damen und Herren, Politik ist nach meinem Verständnis die Praxis der Idee. Im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger, unserer Landwirte und nicht zuletzt in Verantwortung für unsere Natur fordere ich Sie auf: Setzen Sie die von uns seit Monaten in die Diskussion gebrachten Vorschläge in die Praxis um!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Klappert, Herr Kollege Dr. Mayer und auch Kollege Tappe haben hier heute zum erstenmal — wenn ich richtig informiert bin — geredet. Wenn ich von hier aus sehe, unter welchen Bedingungen dies hin und wieder geschah, und an die Situation denke, als ich zum erstenmal geredet habe, muß ich sagen: Sie haben das sehr gut gemacht.
Das Wort hat nunmehr unser Kollege Hans-Ulrich Köhler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, daß ich zunächst als Thüringer, als Vertreter dieses neuen Bundeslandes, von hier aus einen Gruß an die Greifswalder richte, die auf der Tribüne Platz genommen haben.
Herzlich willkommen im 12. Deutschen Bundestag!Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landwirtschaft in der ehemaligen DDR, in den fünf neuen Ländern, woher ich komme, hatte wie alle übrigen Bereiche der ehemaligen Volkswirtschaft bis zum 30. Juni 1990 einen Versorgungsauftrag getreu dem Motto „koste es, was es wolle" zu erfüllen.Wenn die Rede von Anteilen war, ging es nicht um Marktanteile, sondern um Bilanzanteile von Maschinen und Ersatzteilen. Das Ergebnis dieser dirigistischen Politik war eine überzogene Landwirtschaft, die schon fast gigantomanische Ausmaße angenommen hatte.
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2336 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Hans-Ulrich Köhler
Riesige Stallanlagen von 2 000 Großvieheinheiten waren an der Tagesordnung. Die Milchleistung pro Kuh aber blieb im allgemeinen unter bundesdeutschem Niveau.Die Standortwahl spielte auch hier eine wesentliche Rolle. So war z. B. das Nord-Süd-Gefälle im Bereich der Großvieheinheiten sehr stark ausgeprägt. Die südlichen Bezirke Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens waren pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche mit fast dem doppelten Tierbestand höher belastet als die Nordbezirke. Dieser Zustand führte in den vergangenen Jahren, vor allem Ende der 80er Jahre, zu dem „großartigen" sogenannten SilageTourismus; viele von Ihnen werden das auf der Autobahn gesehen haben. Das Futter, das im Norden angebaut wurde, wurde im Süden verfüttert. Auch dieser enorme Kostenaufwand an Transportmitteln und Personen ist übrigens ein Mosaikstein für die enorme Schuldenlast der Landwirtschaft.Des weiteren waren Standortwahl und immenser Personalaufwand pro Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche mit 12,3 Arbeitskräften verbunden mit einer ineffizienten Technik. Auch das ließ den Schuldenberg weiter wachsen.Mitte der 80er Jahre kam mit schwindenden Devisen, die ja von den Parteibonzen dringend gebraucht wurden, die totale Selbstversorgung. Mit ihr kam natürlich auch die Wettbewerbsverzerrung auf allen Produktionsebenen. Die natürlichen Anbaugebiete für gärtnerische Produkte wie die Erfurter Ebene, das Gurkenanbaugebiet des Spreewaldes und die Spargelanbaugebiete Brandenburgs und der Altmark waren durch diese Maßnahme sehr stark betroffen. Produkte wurden plötzlich nicht mehr ausgetauscht; die Verknappung von Gemüseangeboten war die Folge. In den traditionellen Anbaugebieten war ein Überschuß vorhanden, aber durch mangelnde Verarbeitungsindustrie vergammelte ein Großteil von wertvollen Produkten oder wurde verfüttert.Die irrsinnigen Subventionen von Grundnahrungsgütern wie Milch, Brot, Brötchen, Weizengries, Graupen und Haferflocken haben gerade im ländlichen Raum zu groteskem Verbrauch geführt. Es waren die billigsten Futtermittel, also wurden sie in der Tierwirtschaft verfüttert. Der Aufkaufpreis von Schlachtschweinen lag immerhin bei 7,90 Mark bis 8,10 Mark pro Kilo; bei Rindfleisch war er höher. Bei Rindfleisch lag er höher. Erzeugerpreise von Puten- und Kaninchenfleisch wurden bis zu 50 % vom Staat gestützt, also zu höheren Preisen vom Erzeuger aufgekauft und zu niedrigeren Preisen im Handel verkauft. Mit dieser Methode sollte ein Überfluß an landwirtschaftlichen Produkten geschaffen werden, um auf der anderen Seite den Mangel an hochwertigen Importen zu kaschieren.Damit führten die staatlich subventionierten Preise zu einem viel höheren Pro-Kopf-Verbrauch an Nahrungsmitteln in der Bevölkerung.Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion änderte sich die Situation in der Landwirtschaft drastisch. Durch mangelhafte Vorbereitung der verantwortlichen Regierungsstellen wurde der Binnenmarkt innerhalb von Stunden von den Lebensmittelketten der alten Bundesländer überschwemmt. Die jahrzehntelange Verführung der Verbraucher durch TV-Werbung tat das ihrige dazu. Nach kürzester Zeit waren so gut wie keine Lebensmittel aus der einheimischen Produktion auf dem Markt. Eine Neulistung in den Verbraucherketten ist zum Teil bis heute noch nicht erfolgt oder geht nur sehr schleppend voran.Durch ein ausgewogenes und sehr spezialisiertes Angebot pflanzlicher Fette reduzierte sich beispielsweise der Butterverbrauch um 26 %. Der Absatz von Schweinefleisch und Veredelungsprodukten war ebenfalls stark rückläufig. Tierbestände mußten in kürzester Zeit wegen der Absatzmöglichkeiten den neuen Marktverhältnissen angepaßt werden. Durch den radikalen Abbau der Tierbestände wurde zwangsläufig ein Verfall der Preise durch Absatzdruck ausgelöst.Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind alle gut beraten, diese Tatsachen so zu sehen, wie sie sich uns darstellen.Gleichermaßen will ich keinen Zweifel aufkommen lassen, was das Können und den Fleiß der Bauern von der Insel Rügen bis zum Thüringer Wald betrifft. Sie haben in den untauglichen Grenzen des Regimes harte Arbeit geleistet und sind zudem vielleicht mehr als in anderen Ländern um den Lohn ihrer Arbeit betrogen worden.Wir, die CDU/CSU, vertrauen auf den Willen der Bauern, in der Marktwirtschaft zu bestehen, aber wir sind auch gefordert, den Bauern bei diesem komplizierten und gewaltigen Umwandlungsprozeß zu helfen.
Die EG-weite Extensivierung der Landwirtschaft hat in den fünf neuen Bundesländern bei der Flächenstillegung im Durchschnitt einen Stand von 15 % erreicht. Es ist dringend erforderlich, das Flächenstillegungsgesetz für die einjährige Stillegungszeit zu verabschieden, um die Landwirtschaft für unsere Bauern besser ausgestalten zu können.Eine weitere Möglichkeit der Extensivierung ist die Forcierung des Anbaus nachwachsender Rohstoffe. So ist derzeitig eine große Steigerung des Rapsanbaus zu erkennen. Der Versuch eines führenden Mineralölkonzerns, in den Dieselkraftstoff bis zu 20 % Rapsöl einzumischen, ist ein guter Weg in dieser Richtung. Die Landwirtschaft erwartet von den Mineralölproduzenten, daß diese offensiv solche alternativen Konzepte verfolgen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Bundesregierung hat durch umfangreiche Maßnahmen wie das Vorziehen der Intervention von Getreide und gezielte Ostexporte von Schlachtvieh sowie Butter und Kartoffeln das Schlimmste verhindert.Was ist vordringlich zu tun? Die Umwandlung der bisherigen Betriebsformen in privatwirtschaftlich fundierte Unternehmen geht zu schleppend voran. Wir können jetzt davon ausgehen, daß mit der Novellierung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes die bis dato bemängelte rechtliche Grundlage für aktives Tun und Handeln verbessert worden ist.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2337
Hans-Ulrich Köhler
Von dieser Stelle aus ist der Bundesregierung und den Beamten des Landwirtschaftsministeriums ein herzliches Dankeschön zu sagen.Die jetzt getroffene Regelung schafft für diejenigen, die sich nicht weiter kapitalmäßig an der LPG oder dem Rechtsnachfolgeunternehmen beteiligen wollen, Transparenz über ihre Vermögensansprüche. Gleichzeitig bringt sie aber auch den Verantwortlichen von LPGen und Nachfolgeunternehmen die notwendige Rechtsklarheit über ihre Vermögenssituation und damit die erforderliche Planungssicherheit für einen unternehmerischen Neubeginn. Die dazu notwendigen, wenn auch zweifelsohne schweren Entscheidungen müssen vor Ort von den Betrieben selbst getroffen werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß das auch gut so ist.Hilfreich wären hier eine konstruktive fachliche Unterstützung durch die Landesregierungen und die Verwaltungen sowie weniger Katastrophenmeldungen, die alle Beteiligten nur verunsichern.Zur allgemeinen finanziellen Situation der Landwirtschaftsbetriebe läßt sich folgendes feststellen. Die Schuldenmoratorien der Regierung habe die Liquiditätsprobleme der Landwirtschaft zwar gemildert, aber noch keineswegs beseitigt. Priorität geben wir hier der Altschuldenproblematik, die dem Bauern nicht nur Alpträume beschert, sondern trotz bestem Willen den betrieblichen Neuansatz vielerorts unmöglich macht.Der Ausweg, den wir aufzeigen, ist sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern vertretbar. Er lautet:Erstens. Entschuldung in bezug auf staatlich aufgezwungene und produktionsfremde Investitionen.Zweitens. Schuldenentlastung nach § 16 Abs. 3 des DM-Bilanzgesetzes, so daß die aus künftigen Jahresüberschüssen zu tilgenden Verbindlichkeiten wie eine Einlage behandelt werden sollen.Wichtig ist, daß schnell, vor allem aber praktikabel vorgegangen und die positive Wirkung nicht durch übertriebene Verwaltungsverfahren in Frage gestellt wird.Problematisch ist der radikale Abbau von Arbeitskräften in der Landwirtschaft in den fünf neuen Bundesländern. Durch die aufgezeigten Strukturveränderungen kommt es in rein ländlichen Gebieten zu erheblichen sozialen Problemen. Die Einkommensunterschiede zwischen Industrie- und Landarbeitern liegen im Durchschnitt bei 350 DM. Die früheren Einnahmen durch individuelle Nebenproduktion sind ganz weggefallen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeiten der sozialen Abfederung sind neu zu überdenken. Hierzu sollten auch die Mittel verwandt werden, die bei der Erstellung von Gewerbegebieten aus dem Verkauf von Land aus der Treuhandverwaltung anfallen. Neu entstehende Gewerbegebiete und die sich darauf aufbauenden mittelständischen Unternehmen sollten ihren Arbeitskräftebedarf speziell aus dem ländlichen Raum decken, damit die aus der Landwirtschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer wieder eine Zukunft haben.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns über der ganzen Diskussion nicht vergessen, daß der EG-Binnenmarkt vor der Tür steht und sich der Wettbewerb zwischen den einzelnen Landwirtschaften noch verstärken wird! Gemeinsam müssen wir Rahmenbedingungen schaffen, die unsere Landwirtschaft im Konkurrenzkampf innerhalb des zukünftigen gemeinsamen Marktes erfolgreich überleben läßt. Dies gilt besonders für die Betriebe in den fünf neuen Bundesländern, die einen solchen Kampf noch nicht kennen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Letzte Rednerin in der Agrardebatte ist Frau Kollegin Gudrun Weyel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Redebeiträgen ein bißchen kreuz und quer über verschiedene Bereiche diskutiert, und ich werde das jetzt fortsetzen.Nachdem sich unsere Vorredner sehr eingehend mit den wirtschaftlichen Problemen befaßt haben,
möchte ich — mit Alternative, Herr Hornung, Sie haben nur nicht ordentlich zugehört — einmal von der Einkommensfrage auf eine der wesentlichsten Auf gaben der Landwirtschaft zurückkommen, nämlich auf die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln. Herr Dr. Mayer hat dies schon einmal kurz angesprochen.Im Agrarbericht wird daran erinnert, daß vor 25 Jahren im BML die Unterabteilung Ernährungs- und Verbraucherpolitik eingerichtet wurde. Das geschah interessanterweise zu einem Zeitpunkt, als die Versorgungsengpässe nach dem Zweiten Weltkrieg vorübergingen, als sich mehr Markt öffnete und die Verbraucher wieder in die Lage kamen, auswählen zu können. Ziel dieser Unterabteilung war die Stärkung der Stellung der Verbraucher durch Aufklärung, Information und Schutz vor gesundheitlichen Gefahren und vor Täuschung.Gerade diese letzte Aufgabe ist keineswegs überholt; denn nach wie vor müssen wir darauf achten, daß die Lebensmittel, die uns zur Verfügung gestellt werden, eine ausreichende Qualität haben. Dies gilt sowohl für die Produktion in der Landwirtschaft wie auch für die Verarbeitung im verarbeitenden Gewerbe.
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2338 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Gudrun Weyel— Es soll immer so sein, aber, Herr Hornung, Sie wissen ganz genau, daß es auch bei deutschen Landwirten schwarze Schafe gibt.
Da muß man halt achtgeben.
Während die Verbraucherverbände in den Städten in dieser Richtung gute Arbeit leisten, wird die Aufgabe der Verbraucherberatung im ländlichen Raum weitgehend noch von den landwirtschaftlichen Beratungsstellen wahrgenommen.
— Gut sogar, das kann ich bestätigen. Beide ergänzen sich und arbeiten auch zusammen.
Mit der Anpassung der bundesdeutschen Gesetze an die neuen europäischen Richtlinien werden zum Teil die strengeren deutschen Bestimmungen aufgehoben. Diese neuen europäischen Richtlinien haben z. B. auch dazu geführt, daß die deutsche Gesetzgebung — Sie haben vorhin schon vom Reinheitsgebot für Milch gesprochen; ich denke auch an das Verbot von Imitaten — vor dem Europäischen Gerichtshof beanstandet wurde.Wir haben darüber hinaus heute sehr viel mehr technische Möglichkeiten, aus Stoffen, die ursprünglich nicht zum menschlichen Verzehr geeignet sind, durch Anwendungen der Technik, aber auch der Chemie Produkte herzustellen, die dann als Nahrungsmittel verkauft werden.
— Das wollen wir nicht, aber darauf müssen wir aufpassen. — Deswegen ist es notwendig, daß der Verbraucherschutz nicht vermindert, sondern verstärkt wird.Ich will damit keineswegs das verarbeitende Gewerbe insgesamt in Mißkredit bringen. Der Agrarbericht weist ja aus, daß das produzierende Ernährungsgewerbe mit 1989 6 845 Betrieben, 463 000 Beschäftigten und 183 Milliarden DM Umsatz mit einem Anteil von über 10 % zu den umsatzstärksten Zweigen im produzierenden Gewerbe gehört. Diese Zahlen beziehen sich allerdings nur auf die alten Länder der Bundesrepublik; die neuen sind dabei nicht berücksichtigt.1990 wuchs der Umsatz insbesondere in den alten Bundesländern in diesem Gewerbebereich. Bekanntlich verdrängte die Produktion aus den alten Bundesländern gerade durch ihre Neuheit, aber auch durch die bessere Aufmachung in den neuen Bundesländern einen Großteil der heimischen Produktion.Hier ist es ganz besonders wichtig, daß durch Verbraucherberatung und -aufklärung auch in den neuen Bundesländern die Verbraucher mehr auf den Markt eingestellt werden und es lernen, zwischen dem Scheinangebot und der soliden Ware zu unterscheiden und ihre Interessen wahrzunehmen.Der vorhin bereits zitierte Schutz vor Täuschung durch Information der Verbraucher wird zunehmend wichtiger. Wenn der Lebensmittelmarkt so offen ist, wie wir ihn zur Zeit vorfinden, muß die Hausfrau in Ost wie in West bewußt auswählen können und wissen, was sich hinter den einzelnen Bezeichnungen verbirgt. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Rechtsvorschriften.Im Agrarbericht wird festgestellt — ich zitiere hier wörtlich — :Ob und wie die Unterrichtungsmöglichkeiten auf Grund des Lebensmittelkennzeichnungsgesetzes und der weiteren Informationsangebote staatlicher und sonstiger Einrichtungen vom Verbraucher genutzt werden, liegt letztlich in seiner Verantwortung.Das reicht so aber nicht aus. Man kann nicht einfach sagen: Das Angebot ist da; was ihr daraus macht, bleibt euch überlassen.In diesem Zusammenhang muß ich noch einmal heftig kritisieren, daß der Finanzminister die Absicht hat, die Bundesmittel für die Verbraucherverbände in den nächsten fünf Jahren um jeweils 20 % zu kürzen. Das kann in dieser Situation nicht richtig sein.
Es wird auch darauf hingewiesen, daß das gestiegene Umwelt- und Gesundheitsbewußtsein die Nachfrage nach neuen, nach gesünderen Formen der Ernährung steigen läßt. Es wird von einigen Gruppen mehr nach Lebensmitteln aus alternativem Anbau gegriffen. Es werden aber auch überhaupt neue Formen der Ernährungsweise gesucht. Sie haben vorhin schon darauf hingewiesen, daß mit steigendem Angebot die Preise möglicherweise sinken.Interessant ist aber das Ergebnis eines Forschungsauftrags, wo die Kosten in den Haushalten mit alternativer Lebensweise mit den Kosten des konventionellen Haushalts verglichen wurden. Es wurde dabei festgestellt, daß die alternative Lebensweise unter dem Strich nicht teurer ist, weil nämlich bestimmte teure Lebensmittel des konventionellen Verbrauchs weniger gekauft werden, so daß sich insgesamt also der Anteil für die Kosten der Ernährung nicht verändert hat.
— Das können Sie hierbei nicht nachweisen; das weist die Untersuchung nicht aus. Vielleicht lesen Sie es einmal nach.
Interessant wäre, wenn man diese Untersuchung noch auf einen anderen Bereich ausdehnen würde, nämlich auf die Frage, ob sich diese alternative Ernährungsweise auch gesundheitlich auswirkt. Das muß sicher eine Untersuchung über einen längeren Zeitraum sein, aber das wäre für viele Verbraucher auch eine interessante Frage.
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2339
Gudrun Weyel— Lieber Herr Gallus, Sie wissen doch, daß es diese Testpersonen schon längst gibt. Diejenigen, die aus Überzeugung als Vegetarier leben, werden sich sicher auch für solche Untersuchungen zur Verfügung stellen.
Frau Kollegin Weyel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr.
Frau Kollegin, ist Ihnen bewußt, daß in der Medizin auch Placebos ihre Wirkung entfalten und daß das hier sehr gut ähnlich sein könnte?
Deswegen habe ich von einer langfristigen Untersuchung, etwa über fünf Jahre, gesprochen so daß placeboähnliche Einflüsse hier wenig Einfluß auf das Untersuchungsergebnis haben.
Grundlage für die Produktion von möglichst rückstandsfreien pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln sind die Bestimmungen des Düngemittel-, Pflanzenschutz-, Futtermittel- und Tierarzneimittelrechts, das einer ständigen Fortschreibung bedarf und auch im Berichtsjahr ergänzt wurde. Während die Zahl der eigentlichen Lebensmittelvergiftungen in den letzten Jahren ständig zurückgegangen ist, sind die Probleme der Kontamination mit Chemikalien und anderem und die damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit, die sich allerdings erst langfristig zeigen, größer geworden. Ich denke an krebserregende Stoffe und dergleichen.
— Damit haben die Bauern sehr wohl zu tun. Denn sie beeinflussen durch den — sachgerechten oder weniger sachgerechten — Verbrauch von chemischen Pflanzenschutzmitteln auch die Kontamination von Lebensmitteln.
Ich möchte hier noch die Frage des Pflanzenschutzes herausgreifen: In den letzten zehn Jahren ist der Verbrauch von Herbiziden gesunken, von Insektiziden stark zurückgegangen, fast auf die Hälfte.
Bei Fungiziden finden wir aber eine Steigerung.
— Es ist ein Pflanzenbehandlungsmittel, genau wie Herbizide.
— Lieber Herr Susset, entschuldigen Sie: Wenn es falsch angewendet wird — zum falschen Zeitpunkt, in
der falschen Menge — , kann auch ein Fungizid Giftwirkung haben.
Der Anteil der Herbizide von 65 % zeigt aber, daß in dem Bereich durch geänderte Anbaumethoden anzusetzen ist, um einen verminderten Verbrauch von Pflanzenschutzmitteln insgesamt anzustreben.
Frau Kollegin Weyel, gestatten Sie noch zwei Zwischenfragen? Zunächst eine des Kollegen Michels?
Bitte sehr.
Frau Kollegin, können Sie sich vorstellen, daß man von dem Rednerpult dieses Hohen Hauses aus einer anderen Berufsgruppe so sehr unterstellt, notwendige, zum Beruf gehörende Maßnahmen so nachlässig anzuwenden, wie das Ihrem Beitrag jetzt zu entnehmen war?
Herr Michels, wenn Sie vorhin zugehört hätten, dann wäre Ihnen aufgefallen, daß ich überhaupt nichts unterstellt habe. Ich habe nur sachliche Feststellungen getroffen. Der Behauptung von Herrn Susset, daß von Fungiziden keine Gefahren ausgehen können, bin ich damit begegnet, daß bei falscher Anwendung dieser Mittel davon auch Gefahren ausgehen können.
Damit habe ich überhaupt keinen Berufsstand angegriffen, sondern vorhin gesagt: Unter unseren Bauern gibt es — genau wie in jedem anderen Beruf — natürlich auch schwarze Schafe. Aber das ist nicht die Regel.
Nun hat der Kollege Gallus noch eine Zwischenfrage.
Frau Kollegin, glauben Sie nicht, daß Sie hier einiges wider besseren Wissens verkünden, nachdem Sie als Berichterstatterin über das Pflanzenschutzgesetz hervorragende Arbeit geleistet, am Ende aber, weil Ihre Fraktion nicht zugestimmt hat, nicht zugestimmt haben?
— Ja, ja!
Jetzt meine Frage: Kann es nicht sein, daß einerseits sich die deutsche Landwirtschaft sehr bemüht,
bei den Insektiziden — bei denen, wie wir wissen, immer stärkere Gifte verwendet werden müssen — und Herbiziden vorbildlich zu sein, und daß andererseits an Fungiziden, zu denen Schwefel gehört — der sogar für die zunehmende alternative landwirtschaftliche Produktion zugelassen ist — heute mehr als an anderen Produkten verbraucht wird?
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2340 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Ich will überhaupt nicht in Zweifel ziehen, daß das so ist.
— Lieber Herr Gallus, wenn Sie mich hätten weiterreden lassen, dann würden Sie sich über das freuen, was ich jetzt sagen will.
Ich wollte nämlich darauf hinweisen, daß in der Öffentlichkeit die Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln häufig nur in der Landwirtschaft diskutiert wird. Dabei wird vergessen, daß wir in das Pflanzenschutzgesetz, das Sie dankenswerterweise so sehr gelobt haben, das grundsätzliche Verbot der Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln auf Flächen hineingebracht haben, die weder landwirtschaftlich noch gärtnerisch, noch forstwirtschaftlich genutzt werden.
Dieses Verbot wird von vielen vergessen. Ich kenne z. B. Landesregierungen, die entgegen dem Gesetz die Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln an allen Straßen, Gleisanlagen und anderen öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich genehmigen. Das widerspricht ganz konkret dem Gesetzestext, der die Einwilligung des zuständigen Pflanzenschutzamts im Einzelfall verlangt.
Es gibt auch eine ganze Reihe von Gemeinden und Privatleuten, die von diesem Verbot offensichtlich noch nichts gehört haben, obwohl die Verkäufer nach dem Gesetz darauf hinweisen müßten.
Sehen Sie sich z. B. Gehwege, Parkplätze oder Schulhöfe an, die mit Verbundpflaster bestückt sind!
Wenn diese Flächen frei von Grün sind, können Sie sicher sein, daß dort Gesetzesverstöße vorliegen. Jedenfalls für mindestens 90 % der Fälle gilt das. Bei ganz kleinen Flächen mag einer mit der Hand gerupft haben.
— Ich habe ja von Flächen gesprochen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden.
Änderungen könnten allerdings durch die EG- Richtlinie notwendig werden.
Wir müssen ein Augenmerk auch darauf haben, daß bei der Zulassung nicht immer mehr Spezialmittel verschwinden und durch Mittel mit einer sehr breiten Wirkung ersetzt werden, die Resistenzprobleme aufwerfen.
— Lassen Sie mich doch noch ein bißchen sprechen, Herr Gallus! Ja?
Ich will gern noch ein paar Worte zum Nebenerwerb sagen. Die Nebenerwerbsbetriebe vereinen rund 10 % der Verkaufserlöse auf sich. Diese Zahl sagt aber nichts darüber, daß diese Nebenerwerbsbetriebe in einigen Gegenden inzwischen eine außerordentlich hohe Bedeutung erlangt haben, besonders in den Mittelgebirgen. In einer ganzen Anzahl von Dörfern gibt es keinen Vollerwerbslandwirt mehr; dort ist nur durch diese Nebenerwerbsbetriebe die Bewirtschaftung der Kulturflächen gesichert.
Andererseits sind sie bei Einkommensschwankungen in der Landwirtschaft weniger gefährdet, da nur ein Teil ihres Einkommens aus der Landwirtschaft kommt.
Sie tragen weiterhin auch zur Funktionsfähigkeit der Dörfer und der ländlichen Gebiete bei. Deswegen bitte ich, bei den Auswirkungen der GATT-Verhandlungen diese Nebenerwerbsbetriebe nicht zu vergessen.
Die Tatsache, daß der Übergang vom Haupterwerb zum Nebenerwerb — manchmal auch umgekehrt — den Strukturwandel in der Landwirtschaft der Bundesrepublik sozial abgefedert hat, könnte auch für die neuen Bundesländer ein hilfreiches Beispiel sein.
Der Agrarbericht 1991 bezieht sich zum erstenmal auf Gesamtdeutschland, macht aber mit der Aufteilung deutlich, daß die Bedingungen noch nicht gesamtdeutsch sind, sondern sich die Landwirtschaft noch in zwei unterschiedlichen Räumen abspielt. Deshalb ist die Neugestaltung der gemeinsamen Agrarpolitik unsere große Aufgabe und erfordert unser aller Anstrengung.
Ich fordere zunächst einmal die Bundesregierung auf, aus ihrer Verantwortung dazu die Anstöße zu geben. Wir werden im Bundestag unseren Anteil dazu beitragen, daß es möglichst bald eine Anpassung der Landwirtschaft in beiden Teilen des Bundesgebiets gibt.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Agrarberichts auf den Drucksachen 12/70 und 12/71 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor.Der Entwurf des Flächenstillegungsgesetzes auf Drucksache 12/721 soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zur Mitberatung an den Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie an den Haushaltsausschuß überwiesen werden.Die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 12/729 und der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/722 sollen an
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2341
Vizepräsident Helmuth Beckerdieselben Ausschüsse wie der Agrarbericht überwiesen werden. — Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Meine Damen und Herren, ich rufe als letzten Punkt der heutigen Tagesordnung den Zusatzpunkt 3 auf:Beratung des Antrags der Fraktion der SPDDeutsche Hilfe bei der Ölbrandbekämpfung in Kuwait— Drucksache 12/727 —Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache 45 Minuten vorgesehen. Ich sehe keinen Widerspruch. — Dann ist das so beschlossen.Interfraktionell ist vereinbart worden, die Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 12/727 nicht heute, sondern erst morgen nach Tagesordnungspunkt 13 durchzuführen. — Ich höre und sehe auch da keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.Wir kommen damit zur Aussprache. Das Wort hat unser Kollege Dr. Klaus Kübler.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion will mit der heutigen Debatte erneut die Öffentlichkeit wachrütteln und auf die andauernde und nicht kleiner, sondern größer werdende Ölkatastrophe in Kuwait aufmerksam machen und die Bundesregierung zwingen, einen deutschen Anteil beim Löschen der Ölfeuer und bei der Feststellung der Gesundheits- und Umweltschäden endlich zu leisten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Kuwait läuft — Frau Ganseforth wird dazu im Detail noch etwas mehr sagen — zur Zeit in der Tat die größte ökologische und ökonomische Katastrophe ab; ich werde allerdings zum letzteren hier heute nicht ausführlich Stellung nehmen. In Kuwait verbrennen täglich rund 4 Millionen Barrel Öl zu einem Wirtschaftswert von zwischen 80 und 100 Millionen Dollar. Das Land ist kaputt. Die Bevölkerung wird krank. Kuwait ist praktisch entvölkert. Das Land ist unbewohnbar. Wenn ich jetzt philosophisch wäre, würde ich sagen: Der Reichtum Kuwaits ist jetzt der Untergang Kuwaits.Deshalb sind alle Entwarnungsmeldungen in der Presse unzutreffend, und die politisch unerträgliche Desinformationspolitik aus der Zeit des Golfkrieges wird — man muß das so deutlich sagen — in der Nachkriegszeit über die ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Folgen der Ölkatastrophe in Kuwait fortgesetzt.Es ist ebenso unerträglich, daß der Anschein entstanden ist, daß das Löschen der Brände allein zu einer kommerziellen Frage geworden ist. Es ist in der Tat in erster Linie eine umweltpolitische Frage.Ich begrüße in diesem Zusammenhang durchaus — ich sage dies ausdrücklich — , daß sich die Bundesregierung nicht an der gefährlichen Entwarnungspolitik und der fortgesetzten Desinformationspolitik über die Folgen des Golfkonflikts beteiligt.Die Bekämpfung der Katastrophe ist nicht nur eine Angelegenheit der Kuwaitis. Dies ist eine Katastrophe, von der viele Länder betroffen sind. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich an der Befreiung Kuwaits — ich sage dies einmal ganz bewußt — mit mindestens 17 Milliarden DM beteiligt, wenn die Zahlungen auch an die USA gingen. Sie sollte, ja, sie müßte, bei der Bekämpfung der ökologischen und ökonomischen Katastrophe jetzt ihren Beitrag mindestens ebenso leisten. Dies alles ist der Bundesregierung bekannt.Was macht nun die Bundesregierung? Ich habe mir hier fast 10 Nullanzeigen aufgeschrieben. Ich bestreite der Bundesregierung überhaupt nicht ihren guten Willen. Ich bestreite ihr fast nicht Sensibilität für dieses Thema, aber ich stelle fest, daß sie dilettantisch, halbherzig und wirklich unfähig handelt.
Ich muß dies so deutlich sagen.Lassen Sie mich die Nullanzeigen aufführen.Es gibt ein absolut negatives Kompetenzgerangel zwischen den Ministerien. Wir haben innerhalb der Bundesregierung keine federführende, koordinierende Instanz: BMU, BMFT, BMV, BMVg handeln hier. Absolute Nullanzeige. Der BMU gibt Erklärungen ab, für die der BMFT zuständig ist. Ich spreche jetzt gar nicht zur Richtigkeit des Inhalts der Erklärungen.Der BMFT, Herr Minister Riesenhuber — es tut mir leid, wenn ich dies so sagen muß —, gab vorgestern eine Presseerklärung ab, die mit dem unheimlich verräterischen ersten Satz beginnt: Nach mehrwöchigen, intensiven Verhandlungen hat die kuwaitische Regierung die Einreise einer deutschen Delegation nach Kuwait gestattet. — Ich kann nur sagen: Uns ist es gelungen. Ihnen hätte es genauso gelingen müssen mit dem entsprechenden Geschick. Das ist genau das, was ich zum Vorwurf mache. Wenn man bei der schwierigen Situation mit dem entsprechenden Geschick herangegangen wäre, hätte man dazu nicht vier Wochen benötigt.
Ich halte Sie für viel, viel klüger. Aber, wenn es tatsächlich so wäre, daß man vier Wochen darauf wartet, um ein Einreisevisum für einige Experten zu bekommen, dann sollte man eigentlich in der Tat die Tür zumachen.Ich möchte noch einmal auf die Mellum zurückkommen. Das Problem der Mellum war, daß sie zu spät kam und nicht geeignet war, Öl in flachen Gewässern abzusaugen. Im Persischen Golf ist das flache Gewässer bekanntermaßen relativ ausgedehnt.Eine Nullanzeige haben wir bei Meßwagen. Herr Kollege Schmidbauer — wir verstehen uns persönlich ausgezeichnet —, es ist in der Tat eine Schande, wenn die Bundesregierung drei bis vier Monate braucht, um einen mobilen Meßwagen nach Kuwait zu bringen, und Sie dies mit Zollvorschriften und Sicherheitsvorschriften begründen, wenn die Siemens-Facharbeiter und die Babcock-Facharbeiter schon 14 Tage nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen dort wieder auf Montage waren.
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2342 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Dr. Klaus KüblerEs ist eine Nullanzeige — man muß dies als Nullanzeige bezeichnen — , wenn erst vier Monate danach eine Expertenkommission nach Kuwait reist, die dort über mögliche technologische Hilfeleistungen und Alternativen diskutieren soll, statt daß endlich einmal der politische Kopf eines Ministeriums dorthin fährt und bei der schwierigen Situation der kuwaitischen Regierung, wo manches — vielleicht auch früher — nicht so übermäßig formal lief, per Handschlag die politische Akzeptanz der kuwaitischen Seite einholt und zur Hilfe der Deutschen beiträgt.Ich frage mich, warum, wenn der Bundesumweltminister am 2. März, oder wann er über den Golf geflogen ist, bis heute kein Minister bei dieser schwierigen Situation dorthin gefahren ist und wirklich die Dinge in die Hand genommen hat.Nullanzeige: Abstimmung mit den USA. Nullanzeige bei der Frage: Wie stellt man sich selbst? — Oder ich sage jetzt als Sozialdemokrat: Wie kooperiert man mit anderen Ländern, daß sie beim Minenräumen mitmachen? Ohne Minenräumen sind die Dinge in vielen Bereichen der brennenden Ölfelder ja nicht lösbar.Ich habe mir Mühe gegeben. In der Tat habe ich im Zusammenhang mit der Problematik in Kuwait — ich sprach nicht über Saudi-Arabien, unser Antrag bezieht sich auf Kuwait — keine einzige zur Zeit durchgeführte Maßnahme gesehen.Herr Schmidbauer, Sie waren heute morgen so informationsfreudig und zählten die durchgeführten oder stattfindenden Aktivitäten der Länder, der Vereinigten Staaten bis hin zu den Niederlanden, auf. Sie nannten keine einzige praktische Aktivität — weder Meßwagen noch Löschaktivitäten; es ist alles noch in der Vorbereitung, in einem sehr frühen Stadium der Vorbereitung, was speziell Kuwait angeht.Es ist einfach viel zuviel Zeit verstrichen. Ich muß der Bundesregierung hier in der Tat — es tut mir wirklich leid, dies so auszusprechen — die Note „unzulänglich" erteilen.Sie haben schon, was das weitere Verfahren angeht, darüber gesprochen.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt unsere Kollegin Frau Dr. Maria Böhmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Umweltschäden am Golf stellen eine schlimme Umweltkatastrophe dar; schlimm, was ihre Entstehung betrifft, durch den Umweltterror von Saddam Hussein hervorgerufen, schlimm zweifellos, was ihr Ausmaß angeht, ob es sich nun um die Ölverschmutzung dreht oder um die Ölbrände oder um die Folgen der Kriegsführung, und schlimm, was die Belastung für die Menschen und die Natur angeht.In dieser schlimmen Situation hat die Bundesregierung die Initiative ergriffen. Ich danke der Bundesregierung ausdrücklich dafür, daß sie — gerade was die Ölverschmutzung anbelangt — schnell und tatkräftig Hilfe geleistet hat.
— Ich glaube, es geht auch um die Gesamtheit der dortigen Umweltschäden, auch wenn Sie sagen, daß sich Ihr Antrag auf Kuwait bezieht.Die Katastrophe ist in der gesamten Region angesiedelt, und wir können uns nicht nur auf einen Punkt konzentrieren. Damit würden wir die Gesamtheit dieser Umweltkatastrophe reduzieren und würden auch die Notwendigkeit von nationalen und internationalen Hilfestellungen, von Folgerungen, die wir hier zu ziehen haben — auch aus dem Bereich der Ölverschmutzung — , leugnen. Ich halte es für dringend geboten, daß wir hier nicht nur über einen Punkt reden, sondern auch über die anderen.Sie sagen: Hier gibt es Nullanzeigen. Aber Sie haben heute morgen im Umweltausschuß sehr wohl gehört, welche Initiativen von der Bundesregierung ausgegangen sind, welche Schritte im einzelnen ergriffen wurden.
— Ich glaube, Frau Ganseforth, auch Sie waren dabei und haben ebenfalls die Erläuterungen zur Mellum gehört. Was wäre geschehen — ich wiederhole das gern — , wenn die Mellum nicht dort gewesen wäre und die Ölabdrift in eine andere Richtung gegangen wäre? Dann würden Sie doch als erstes fragen: Und was hat die Bundesregierung hier getan? Warum hat sie die Mellum nicht hingeschickt?Ich wundere mich aber vor allen Dingen aus folgendem Grund: Die Zeit verstreicht. Offensichtlich haben wir Kuwait Angebote gemacht und dies nicht nur einmal, was das Löschen der Ölbrände betrifft, sondern mehrfach.Auch bei der Anhörung wurde zweifellos deutlich, daß Know-how, Gerät und Material bei uns vorhanden sind. Auch die Bereitschaft ist da, Hilfe und Unterstützung zu geben. Die Bundesregierung hat das mehrfach deutlich gemacht; es sind Verhandlungen geführt worden.Die Entscheidung liegt doch wohl bei Kuwait; die Entscheidung, Mittel, Material und Experten in Kuwait einzusetzen, können wir Kuwait doch nicht abnehmen.
Deshalb bin ich außerordentlich verwundert, daß Sie Ihre Forderung, unverzüglich zu handeln, an die Bundesregierung richten.Ich appelliere an Kuwait, die Angebote jetzt anzunehmen und Veränderungen durchzuführen. Das muß aus humanitären und ökologischen Gründen geschehen. Ich kann mich. des Eindrucks nicht erwehren, daß hier eine Diskrepanz vorliegt, wenn das Expertenteam wohl mehr als vier Wochen auf gepackten Koffern gesessen hat, man aber auf der anderen Seite das Signal erhält, daß man an deutscher Hilfe interessiert sei. Ich kann mich in der Tat deshalb des Ein-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2343
Dr. Maria Böhmerdrucks nicht erwehren, daß kommerzielle Interessen in einem viel höheren Ausmaß, als hier von Herrn Dr. Kübler angesprochen worden ist, eine Rolle spielen und daß man in der Tat mehr als zögerlich ist, wenn es darum geht, auf kommerzieller Basis deutschem Know-how, deutschen Experten dort Gelegenheit zu geben, beim Löschen der Brände ihr Können unter Beweis zu stellen. Ich glaube, daß es hier zu Änderungen kommen muß.Ich hoffe auch und setze darauf, daß durch die Experten, die jetzt vor Ort sind, genau das erreicht wird, was bemängelt worden ist, nämlich eine bessere und gründlichere Informations- und Datenlage. Denn nur dann wird es auch möglich sein, die Technik gezielt einzusetzen. Aus dem Blauen heraus — darüber sind wir uns, denke ich, ja wohl einig — läßt sich in Kuwait kaum eine Verbesserung erreichen.
Allein die Datenlage zur Zahl der Ölbrände, zur Zahl der gelöschten Quellen und zur Menge des Öls, das täglich verbrennt — Sie gaben 4 Millionen Barrel an; andere Angaben liegen zwischen 2 und 6 Millionen Barrel — , ist sehr diffus.
Deshalb ist es absolut dringend und notwendig, und ich bin froh darüber, daß die Experten jetzt vor Ort sind, um die Situation genau kennenzulernen und dann mit einem konkreten Vorschlag gegenüber Kuwait auftreten zu können. Ich bin sicher: Das ist der Weg, den wir mit aller Beharrlichkeit und Konsequenz beschreiten müssen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nunmehr Frau Kollegin Birgit Homburger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Krieg am Golf liegt nunmehr drei Monate zurück, aber der Kampf gegen die Umweltzerstörung in der Region geht weiter. Um sich ein Bild über das Ausmaß der ökologischen Schäden in der Golfregion zu machen, hat der Umweltausschuß am 29. April eine Anhörung mit Experten zur Frage der ökologischen Auswirkungen des Golfkriegs durchgeführt. Heute morgen haben wir im Umweltausschuß diese Expertenanhörung ausgewertet. Wir waren uns dabei einig, daß es die vordringliche Aufgabe ist, zunächst die brennenden Ölfelder zu löschen.Allerdings sind die bisher angewandten Löschverfahren offenbar nicht geeignet, die Brände kurzfristig in den Griff zu bekommen. Bei der gegenwärtigen Löschgeschwindigkeit — das wurde uns noch einmal bestätigt — wären die letzten Brände wohl erst in Jahren gelöscht. Ich bin der Meinung, daß wir dies nicht hinnehmen können, wenn wir eine weitere Verschlimmerung der ökologischen Situation am Golf, insbesondere auch eine stärkere gesundheitliche Gefährdung der dortigen Bevölkerung, verhindern wollen. Das heißt, wir müssen hier auch mit deutscherTechnik helfen. Die deutsche Industrie hat ja Hilfsbereitschaft signalisiert. Dieses Hilfsangebot — die Kollegin hat es bereits gesagt — wurde bisher von Kuwait abgelehnt.
— Doch, Herr Kollege Kübler, das trifft zu.Daher erwartet die FDP, daß die Bundesregierung ihre Anstrengungen, die sie bereits unternommen hat— die hat sie heute morgen auch dezidiert dargestellt — , nämlich die Angebote an die kuwaitische Regierung, zur schnellen Löschung der Ölbrände beizutragen, nochmals verstärkt.Zwischenzeitlich — auch das haben wir heute morgen gehört — hat Kuwait offensichtlich signalisiert, daß man nun bereit sei, Hilfe anzunehmen. Dabei muß man noch einmal eines klarstellen, Herr Kollege Kübler: Dies kann keine kostenlose Hilfe sein. Darauf besteht die FDP auch. Die anderen Löschteams, die auf privatwirtschaftlicher Basis in Kuwait tätig sind, werden von Kuwait für diese Arbeit auch bezahlt.Sie haben vorhin gesagt, es sei nicht allein eine kommerzielle Frage und es sei auch nicht nur eine Frage Kuwaits. Sie haben völlig recht, Herr Kollege Kübler. Aber ich sage auch deutlich: Es kann nicht Aufgabe der Bundesrepublik sein, bei jeder ökologischen Katastrophe auf der Welt alles zu bezahlen; das geht nicht.
Das muß noch einmal klargestellt werden. Unter diesem Gesichtspunkt sollten wir meiner Meinung nach noch einmal alles unternehmen, um diese Einsätze nun zu ermöglichen.Die FDP begrüßt im übrigen, daß die Bundesregierung schnell gehandelt hat. Sie hat — so ganz stimme ich auch da mit Ihnen nicht überein — ihre Hilfe angeboten. Sie hat fast 50 To der für die Bekämpfung von Ölverschmutzungen an Nord- und Ostsee vorhandenen Geräte, Ölbarrieren, Skimmer, aufblasbare Tanks usw., zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig haben sich auch ausgewiesene deutsche Experten zur Hilfe in den betroffenen Gebieten zur Verfügung gestellt. Das heißt, es wurde schon geholfen.Herr Kollege Kübler, Sie haben vorhin gesagt, erst vier Monate nach dem Ende des Golfkrieges oder nach dem Waffenstillstand sei eine Expertengruppe dort hingefahren. Das stimmt ja nicht ganz. Bereits eine Woche nach dem Waffenstillstand hat sich der Bundesumweltminister Töpfer
dorthin auf den Weg gemacht — lassen Sie mich bitte ausreden! — , um sich einen Eindruck von der Situation zu verschaffen. Nur herrschte damals leider noch Kriegsrecht. Leider ist er damals nicht nach Kuwait hineingelassen worden. Sie können ihm doch jetzt nicht zum Vorwurf machen, daß er schnell war. Das kann ich nun wirklich nicht einsehen.
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2344 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Birgit HomburgerAn die Adresse der Bundesregierung gerichtet gilt natürlich auch: Schnelligkeit allein reicht hier nicht aus. Wir im Umweltausschuß stimmen wohl alle darin überein, daß wir eine bessere Koordination des vorhandenen Wissens brauchen.Daher fordert die FDP-Fraktion zur Bewältigung der Koordinationsprobleme — über die ökologische Katastrophe am Golf hinaus — auch für zukünftige Umweltprobleme, daß eine öko-technologische Arbeitsgruppe — zunächst auf nationaler Ebene — eingesetzt wird, die mit Fachleuten aus der Industrie, aus der Verwaltung, aber auch mit Wissenschaftlern besetzt sein soll. Diese Arbeitsgruppe muß weiterhin in eine entsprechende Arbeitsgruppe auf EG-Ebene eingebunden sein, die wiederum in UNEP, IMO und USAID eingebunden ist. Diese Aufgaben können wirklich nur durch internationale Arbeitsteilung und Zusammenarbeit gelöst werden. Deswegen fordere ich auch, daß die Umweltorganisation der UNO, die UNEP, endlich zu einem schlagkräftigen Instrument ausgebaut wird. So wie die UNO über einen Sicherheitsrat verfügt, so müßte auch eine Art Umweltrat geschaffen werden, der schnell auf Umweltkrisen reagieren kann.Danke.
Jetzt hat unsere Kollegin Frau Ursula Jelpke das Wort.
Meine Damen und Herren! Mit der großen Öffentlichkeit scheint es ja hier nicht allzuweit her zu sein.
— Das ist in der Tat wahr.
Aber zumindest mir scheint, die Art und Weise, wie das Thema hier in der Vergangenheit diskutiert wurde — es handelt sich hier schließlich um die Folgen eines Krieges und nicht einfach nur irgendwelcher ominöser, dubioser Ölbrände — , zeigt, daß das Problem allgemein wenig klargeworden ist. Schließlich sind auch deutsche Waffen an den Folgen beteiligt gewesen, die heute in Kuwait zu beklagen sind.
— Sie müssen es sich auch einmal gefallen lassen, bei bestimmten Themen hin und wieder einmal zuhören zu müssen, und sich vielleicht damit auseinandersetzen.Ich denke, die Tatsache, daß die Bundesregierung Waffen geliefert hat und daß bisher keinerlei Entschädigung für diesen Krieg geleistet worden ist, den die Bundesregierung mit zu verantworten hat — —
— Natürlich hat sie ihn mit zu verantworten. Lesen Sie doch die Berichte! Dann wissen Sie, daß mit deutschen Waffen gekämpft worden ist.Ich muß sagen: Frau Homburger, es ist schon ein ziemlicher Zynismus, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: Natürlich darf unsere Hilfe nichts kosten. Das, finde ich, ist ein Zynismus sondergleichen.
Frau Böhmer von der CDU, Sie haben ja kritisiert, daß der Antrag der SPD einfach zu eng gefaßt sei, daß er wenig dazu beitrage, daß die ökologischen Schäden beseitigt würden, und daß er sich hauptsächlich auf die Bekämpfung der Ölbrände beziehe. Das habe auch ich zu kritisieren.Meine Kritik geht aber noch darüber hinaus. Ich muß eigentlich sagen, daß ich den Antrag der SPD auch nicht als besonders ernsthaft empfinden kann. Wir haben in der letzten Woche Haushaltsberatungen gehabt; warum haben Sie den Antrag nicht in der letzten Woche eingebracht? Dann hätte man hier auch wirklich ein finanzielles Volumen von Hilfeleistungen ansetzen müssen.Ich kann diesen Antrag auch aus folgendem Grunde nicht ganz ernst nehmen: Sie können nicht nur der Bundesregierung vorwerfen, sie habe vier Monate lang nichts getan. Ich wüßte nicht, daß die SPD in den letzten Monaten hier Anträge eingebracht hätte.Außerdem besagt der Antrag ja auch relativ deutlich, daß es hier um Geschäfte geht, um deutsche Experten, wobei Ökologen sagen, daß es nicht unbedingt deutsche Experten gibt, sondern daß die Experten eigentlich in den USA sitzen. Aber es scheint hier ja offenbar auch darum zu gehen, daß Firmen beteiligt werden, daß Firmen Aufträge bekommen.
— Natürlich geht das nicht. Das sehe ich auch ein. Aber die Frage ist: Wer soll die Kosten tragen?
Hier ist doch ganz deutlich von der CDU gesagt worden, daß die Kosten von der Bundesregierung nicht getragen werden. Herr Kübler, in Ihrem Antrag steht auch nicht, wer die Kosten trägt.
— Kuwait ist ein steinreiches Land. Aber Kuwait hat im Moment enorme Folgen des Krieges zu tragen.
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Ulla JelpkeDas wissen Sie ganz genau. Es kommt ja nicht von irgendwoher, daß immer noch über 600 Ölquellen brennen.
Ich denke, es wäre viel wichtiger gewesen, hier im Rahmen der Haushaltsdebatte um einen wirklichen Betrag zu streiten, der den Menschen dort hilft.
Herr Kübler, ich habe gehört, Sie waren gerade dort. Sie müßten auch über viele andere Probleme einiges berichten können. Wahrscheinlich erlaubt die Zeit heute nicht, das auszudiskutieren. Ich denke aber, daß es unbedingt notwendig wäre, international zu helfen und hier auch haushaltsmäßig eine Forderung zu stellen. Deswegen werden wir uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten.
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt Herr Dr. Klaus-Dieter Feige.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Jelpke, manchmal muß man Projekte tatsächlich erst einmal durchdenken. Die Auswertungen der Anhörung im Ausschuß waren sicherlich notwendig, um die Maßnahmen nicht zu früh, nämlich undurchdacht, in Angriff zu nehmen. Das kann genauso sinnlos sein.
Trotz allem muß ich sagen: Ganz im Gegensatz zu ihren großzügigen Unterstützungen der militärischen Aktion mit immerhin knapp 20 Milliarden DM ist es, glaube ich, der Bundesregierung bis heute nicht gelungen, hinreichende Maßnahmen zur Eindämmung der ökologischen Katastrophe am Golf, insbesondere in Kuwait, zu leisten. Insofern, glaube ich, sind die Forderungen der SPD geeignet, den notwendigen Druck auf die Regierung zu verstärken.
Nichtsdestotrotz bleibt auch der Antrag der Sozialdemokraten weit hinter den tatsächlichen Erfordernissen zurück. Es ist nicht damit getan, die Brandbekämpfungsmaßnahmen und die Beobachtung der Folgewirkungen zu verstärken, so notwendig dies im Augenblick auch ist. Die ökologischen Auswirkungen des Golfkrieges erfordern zudem ein ganzes Bündel nationaler und internationaler Konsequenzen. Ich glaube, das haben sowohl die Anhörung im Umweltausschuß als auch die durch die sozialdemokratische Fraktion organisierten Veranstaltungen gezeigt. Es kann nicht nur darum gehen, mit Nachsorgemaßnahmen und einer internationalen Neubewertung der Umweltauswirkungen von Kriegen den Eindruck zu erwecken, als wäre durch technischen Umweltschutz und völkerrechtliche Vereinbarungen die ökologische Bedrohung der Menschheit zu bewältigen. Es muß um die Beseitigung der Kriegsursachen selbst gehen.
Ein Grund für den Ausbruch des Golfkrieges war die Abhängigkeit der westlichen Industriegesellschaften von fossilen Energieträgern. Diese Abhängigkeit bedroht zum einen die Grundlagen der Weltwirtschaft und zum anderen auch unsere ökologischen Lebensgrundlagen. Die Abgeordneten vom Bündnis 90/GRÜNE werden deshalb in den nächsten Tagen einen umfassenden Antrag in den Bundestag einbringen, der nicht nur die unmittelbar notwendigen Hilfeleistungen in Sachen Ölbrände und Ölpest am Persischen Golf einfordert, sondern darüber hinaus weitreichende Maßnahmen für einen Abbau der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Kriegsursache Erdöl vorschlägt. Wie ich bereits in der Aktuellen Stunde vorhin erwähnte, ist eine grundlegende Änderung unserer Wirtschafts- und Verkehrspolitik insgesamt, auch angesichts der drohenden Klimakatastrophe, unumgänglich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden also auch den Bundesumweltminister beim Wort nehmen, der den engen Zusammenhang zwischen Sicherheits- und Umweltpolitik zumindest verbal erkannt hat, und wir werden die Bemühungen für eine völkerrechtlich verbindliche Ächtung von Umweltkriegsverbrechen unterstützen. Die Bundesrepublik könnte ihre neue Rolle in der Welt nutzen, um bei den Vereinten Nationen eine Untersuchung des Golfkriegs entsprechend dem Umweltkriegsübereinkommen anzustrengen und weltweit eine Ächtung jeglicher Kriegsführung durchzusetzen. Sorgen Sie doch wenigstens dafür, daß alle NATO-Partner diesem Übereinkommen bzw. dem Zusatzprotokoll I zur Genfer Konvention der Vereinten Nationen von 1977 beitreten! Als Unterzeichner fehlen hier z. B. noch Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten.
Wollen wir also eine solche Entwicklung verhindern, daß es in Zukunft Konflikte gibt, die um die Natur, um den Zugang zu Wasser, um Ressourcen, um landwirtschaftliche Nutzflächen oder um Regionen entbrennen, die noch nicht unter dem Ozonloch schmoren? Wollen wir auch für künftige Generationen Lebensqualität in einer lebenswerten Umwelt und den Frieden erreichen? Dann bleibt nur noch kurze Zeit für eine Umstellung unserer Wirtschaft und der globalen Beziehungen auf eine ökologisch behutsame, ressourcenschonende und solidarische Grundlage.
Wir unterstützen den Antrag der SPD.
Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt unser Kollege Dr. Paul Krüger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die brennenden Ölquellen in Kuwait sind eine Realität, die wohl niemanden in diesem Raum kalt läßt. Von den ca. 600 in Brand gesetzten Quellen konnten bislang erst 150 gelöscht werden. Eine Beschleunigung der Brandbekämpfung ist, wie das hier richtig gesagt wurde, aus vielen Gründen dringend notwendig.So scheint Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, auf den ersten Blick plausibel und logisch.
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Dr.-Ing. Paul KrügerSo populär eine solche Forderung derzeit auch sein mag: Meiner Meinung nach hätten Sie sich mit ein wenig gutem Willen in den letzten Monaten sowohl durch Presse- als auch durch andere Informationen davon überzeugen können, daß die Bundesregierung alle Forderungen, die im Bereich des Machbaren liegen, bereits seit geraumer Zeit in Angriff genommen hat.Lange bevor überhaupt abzusehen war, daß deutsche Hilfe durch Kuwait angenommen werden würde— das ist ja erst jetzt aktuell geworden —, wurden bereits eine Reihe von Aktivitäten durch die Bundesregierung eingeleitet. Um zu zeigen, wie konkret diese Aktivitäten seitens der Bundesregierung sind, möchte ich nur einen Bereich von Beispielen aus dem BMFT nennen.
— Nein, ich komme nicht mit der „Mellum". Die Beispiele kommen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Forschung und Technologie.Um wirklich eine Beschleunigung der Brandbekämpfung zu erreichen, geht es insbesondere darum, Möglichkeiten zum Löschen und Verschließen der brennenden Ölquellen und Wiederherstellen der Fördersonden zu finden.
— Ich habe in den letzten Tagen extra eine Recherche in der Presse angestellt. Ich habe eine ganze Reihe von Pressemeldungen, auch aus SPD-nahen Zeitschriften, gefunden, wo hinlänglich nachzulesen ist, daß sich die Bundesregierung intensiv darum bemüht hat, in Kuwait überhaupt hineinzukommen.Unabhängig davon, daß der Bundesregierung das nicht genehmigt wurde, hat sie eine Reihe von Aktivitäten entfaltet — ich komme jetzt darauf zu sprechen — , die eine große Beteiligung von Firmen erreicht und dazu geführt haben, daß sich an der Ideenfindung auch eine Menge von Bürgern beteiligt haben.
Es sind hier mehrere hundert Vorschläge eingegangen,
die von Experten untersucht worden sind. Letzten Endes wurden vier Lösungen favorisiert, insbesondere für die Brandbekämpfung selbst.Sie dürfen nicht denken, daß das ein einfach zu lösendes Problem ist. Die Bedingungen, die dort herrschen — das wissen Sie selbst besser als ich; Sie waren ja wohl dort vor Ort —, sind extrem. Regelrechte Ölseen sind dort vorhanden. Eine schlechte Versorgung mit Wasser und mit sonstigen notwendigen Hilfsmitteln ist zu beklagen. Viele Sonden sind vermint, und es gibt schlechte Transportmöglichkeiten auch für das notwendige schwere Gerät. Das alles macht es nicht ganz einfach, diesen Prozeß in den Griff zu bekommen.Durch die Bundesregierung wurde in diesem Zusammenhang ein komplexes Vorschlagskonzept erarbeitet. Gemäß diesem Konzept sind Aktivitäten in drei Bereichen notwendig. Ich will mir sparen, diese jetzt im Detail hier auszuwalzen.Es geht erstens um Management insgesamt, weil sich halt nichts von selbst macht. Es muß also Management vorhanden sein. Es geht um die Koordinierung bis hin zur Verwaltung dieser ganzen Prozesse.Zweitens umfaßt dieses Konzept Aktivitäten im Bereich der Versorgung bis hin zum Minenräumen. Dabei geht es auch um die Einrichtung und Unterhaltung von Camps vor Ort, von der Logistik bis hin zur medizinischen Versorgung.Der wesentliche dritte Bereich, von dem ich schon sprach, ist der Bereich der Arbeiten vom Löschen bis zur Wiederherstellung der Sonden.Insgesamt — das sagte ich schon — sind vier Gruppen von Vorschlägen favorisiert worden, die sich bei näherer Betrachtung als eventuell realisierbar erweisen.
— Diese Lösungen sind aber immer noch nicht erprobt, und die Deutschen sind ja nicht eine Nation, die in diesem Bereich Erfahrungen hat. Deshalb bemüht sich die Bundesregierung seit Monaten, dieses Expertenteam vor Ort zu schicken, damit sie besser ausloten kann, welche dieser Vorschläge tatsächlich greifen könnten. Sie wissen, daß das 17köpfige Team seit zwei Tagen vor Ort ist. Dies ist der richtige Weg, diesen Prozeß zu beschleunigen und voranzubringen.Erfreulich für mich persönlich ist auch die Tatsache— das will ich hier nicht verhehlen — , daß auch Firmen aus den neuen Bundesländern bereits daran beteiligt sind, wenn auch nur in unzureichendem Umfang, aber immerhin. Mich persönlich freut ganz besonders, daß auch aus meinem Wahlkreis, aus meiner Heimatstadt Neubrandenburg, eine Firma dabei ist.
— Nein. Das besonders Positive daran ist, daß sowjetische Panzer genutzt werden, die in echten Konversionsprozessen umgebaut werden.
— Moment! Das geht nicht ganz so schnell. An der Entwicklung dieser Dinge wird fieberhaft gearbeitet, aber es dauert halt auch eine gewisse Zeit. Ich komme darauf noch einmal zu sprechen. Ihre Sorge ist nicht ganz unberechtigt, das dürften Sie meinen Ausführungen entnommen haben. Trotzdem ist alles ein Prozeß, und das läßt sich nicht in aller Schnelle machen.Im Anschluß an die Reise des Expertenteams sollte nach einer sehr schnellen Einschätzung und Auswahl der geeigneten Verfahren durch die Bundesregierung ganz schnell gehandelt werden. Ich denke, daß auch in relativ kurzer Frist mit dem Löschen und den Nach-
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Dr.-Ing. Paul Krügerfolgearbeiten in Kuwait begonnen werden kann. Die in Ihrem Antrag enthaltene Forderung, das noch in diesem Monat zu machen, ist unter Beachtung der Komplexität dieser Prozesse einfach unrealistisch.
Ich denke, wir alle haben den Wunsch, daß die Bemühungen zur Begrenzung der ökologischen Schäden in Kuwait bald von Erfolg getragen sein werden. Heute — ich las das gerade — wird von kompetenten Stellen die Hoffnung geäußert, daß die Ölquellen am Golf bis März 1992 gelöscht sein könnten. Wir sollten uns alle bemühen, daß dieser Prozeß noch beschleunigt werden kann.Ich möchte aber Gelegenheit nehmen, noch etwas mehr zu sagen. Das Beispiel der brennenden Ölquellen in Kuwait zeigt, daß die Weltöffentlichkeit von der Dimension solcher Probleme immer wieder überrascht wird. Dieser Fall kann in Form unterschiedlichster Umweltkatastrophen jederzeit erneut eintreten. Die Bundesregierung muß deshalb bemüht sein, für solche Fälle in der Zukunft im Rahmen internationaler Kooperation Vorsorge zu treffen. Dafür wird es u. a. erforderlich sein, die entsprechenden Forschungs- und Technologieprogramme zu planen und möglichst schnell zu realisieren.Danke schön.
Nunmehr hat unsere Kollegin Professorin Monika Ganseforth das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Um zwei Mißverständnisse gleich auszuräumen: Es geht nicht ums Geld. Das Löschen der Ölquellen in Kuwait ist als letztes eine Frage des Geldes. Jeden Tag verbrennt Öl im Wert von fast 100 Millionen Dollar. Wenn man dieses Geld nähme und damit das Löschen bezahlte, wäre es überhaupt kein finanzielles Problem. Sie unterstellen uns zu Unrecht, daß es eine milde Gabe der Bundesregierung sein soll, und Sie behaupten zu Unrecht, daß es großer Haushaltsmittel bedarf. Es ist keine Frage des Geldes, es ist eine Frage des Engagements und der Organisation.Der zweite Punkt, den ich hier ausräumen möchte: Wir haben einen nur ganz begrenzten Antrag gestellt, weil es eilt, weil es sehr eilt und dies absolute Priorität haben muß. Neben allen anderen Sachen, die auch gefordert werden müssen, die auch angepackt werden müssen, ist das Löschen der Ölbrände absolut vordringlich.Als drittes: Es gelingt Ihnen nicht, meine Damen und Herren der Regierungskoalition, zu bemänteln, daß von der Regierung im Zusammenhang mit den Problemen in Kuwait nichts Effektives gemacht worden ist. Was hier vorgetragen worden ist, z. B., daß der Botschafter angeschrieben worden ist oder Gespräche mit dem Botschafter geführt worden sind, das ist dem Problem absolut nicht angemessen. Seit vier Monaten brennen die Ölquellen, und die Bemühungen haben bis heute noch zu keinem, durchgreifenden Erfolg geführt. Es stimmt, es handelt sich um ein Problem von ungeheurem Ausmaß; das hat es bisher noch nicht gegeben. Jede der brennenden Ölquellen muß mit einer jeweils anderen geeigneten Methode gelöscht werden. Es geht auch nicht nur um das Löschen des Feuers, sondern es geht auch darum, die Ölquelle dauerhaft zu verschließen. Das ist sehr kompliziert. Wir haben gehört, daß 5 bis 10 % der Ölquellen sehr, sehr schwer zu löschen sein werden. Es bedarf dazu, ähnlich wie bei der Vertreibung Husseins aus dem Land Kuwait, aller Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft. Die kommerziellen amerikanischen und kanadischen Teams, die den Auftrag zum Löschen haben, beschränken sich im Augenblick mehr oder weniger erfolgreich — jedenfalls geht es nur sehr langsam — auf das größte Ölfeld, auf dem rund 300 Quellen brennen. In den anderen Bereichen gehen die Brände Tag und Nacht, Stunde für Stunde weiter. Nach meinem Eindruck wird es, wenn es so weitergeht, noch Jahre dauern, bis der letzte Brand gelöscht ist.Das, was die Bundesregierung bisher unternommen hat, und das, was sie erreicht hat, ist völlig unzureichend. Ich will nicht vom Fehlschlag des Ölbekämpfungsschiffs Mellum sprechen. Herr Schmidbauer hat heute morgen gesagt, daß man auch bei so einer Aktion etwas lernt. Das glaube ich gern. Aber das war nicht der Sinn der Sache.Was das Problem der Ölbrände betrifft, so haben wir in Deutschland Brandlöschexperten. Wir haben Gerät, das dem, das wir vor Ort gesehen haben, durchaus vergleichbar oder sogar noch besser als das ist. Es könnte ein wirksamer Beitrag zur Lösung des Problems geleistet werden.Das haben wir bereits vor mehr als sechs Wochen bei unserer Anhörung gehört. Auch dort waren Experten. Einhellige Meinung war damals: Absolute Priorität hat das Löschen der Brände. Dazu müsse schnell und entschlossen gehandelt werden. Das ist aber nicht passiert. Sechs Wochen sind darüber vergangen. Deswegen bringen wir jetzt in Eile den Antrag ein, damit wir der Regierung endlich Beine machen.Zweitens war bei der Anhörung einhellige Meinung, daß es einer besseren Abstimmung der Aktivitäten zwischen den Ministerien bedarf. Herr Kübler hat vorhin darauf hingewiesen. Ich freue mich, daß der Forschungsminister und der Staatssekretär des Umweltministeriums anläßlich dieser Debatte mal nebeneinander sitzen, und ich hoffe, daß sie die Aktivitäten etwas besser abstimmen als in der Vergangenheit.Drittens haben wir gehört, daß ein Netz zur Messung der Emissionen aufgebaut werden muß. Auch da ist bisher nichts Durchgreifendes passiert. Die Rechnungen, die uns damals die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vorgelegt haben, sind nur so gut wie die Daten, die eingegeben werden. Das hat man uns auch gesagt. Deswegen braucht man vernünftige, belastbare Daten am Eingang und nicht nur Annahmen.Viertens waren wir uns einig, daß ein koordiniertes, interdisziplinäres Forschungsprogramm aufgelegt werden muß. So makaber es klingt: Was in der Golfregion abläuft, ist ein Experiment ungeahnten Aus-
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Monika Ganseforthmaßes. Es ist ungeheuer wichtig, das wissenschaftlich zu begleiten, zu ermitteln und zu registrieren. In diese Richtung geht unser Antrag. Man hätte vieles schon vor sechs Wochen machen können. In dieser Zeit ist auf all diesen Gebieten nichts Überzeugendes geschehen. Es hätten längst Gespräche auf Ministerebene stattfinden müssen.
Es hätten Regierungsvertreter zu Verhandlungen nach Kuwait fahren müssen. Der Unterschied liegt darin, daß man ein solches Land nach dem Krieg sehen muß. Es genügt nicht, mit dem Botschafter zu sprechen oder zu schreiben. Man muß direkt hingehen und reden. Denn die Ministerien sind nicht mehr in einem arbeitsfähigen Zustand. Wenn man die Auswirkungen der Brände gesehen hat, wenn man die Klimaveränderungen mitbekommen hat und wenn man die Rußdämpfe, die nicht nur die Ölfelder, sondern auch die Stadt Kuwait überziehen, erlebt hat, vergißt man das nicht. Es ist wirklich eine nicht gekannte Katastrophe, die da abläuft. Hier muß ganz schnell eingegriffen werden.Lassen Sie mich abschließend Bilanz ziehen. Kuwait ist befreit. Aber das befreite Kuwait ist zerstört und brennt.Zweitens. Die Region ist durch eine Umweltkatastrophe gigantischen Ausmaßes betroffen.Drittens. Nach dem Krieg gibt es furchtbare Menschenrechtsverletzungen und Schauprozesse in Kuwait, z. B. an den Palästinensern.Viertens. Die Kurden im Irak wurden auf brutale Weise massenhaft umgebracht und sind zu Hunderttausenden über die Grenze in die Türkei geflüchtet.Fünftens. Es verdichten sich die Meldungen, daß mit einem Völkermord an den Schiiten im Irak gerechnet werden muß.Sechstens. Kein einziges Problem der Region ist gelöst: nicht die Anerkennung Israels, nicht das Problem der besetzten palästinensischen Gebiete.
Es besteht kein Grund zu Jubelfeiern anläßlich des Sieges im Golfkrieg. Es muß endlich gehandelt werden. Die eigentliche Konsequenz heißt: Nie wieder Krieg!Ich danke Ihnen.
Nun hat das Wort Herr Bundesminister Dr. Heinz Riesenhuber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Frau Ganseforth sagte: In dem Tempo, wie es jetzt läuft, wird es Jahre dauern. Und Frau Ganseforth sagte: Es eilt.Wir haben die Sache in den vergangenen Monaten angegangen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, mit den bestmöglichen Mitteln. Im Januar, als sich abzeichnete, was dort passiert, in welch verbrecherischer Weise Umwelt als Waffe eingesetzt wird, haben wir sofort unsere ersten Expertentreffen zusammengerufen. Wir haben festgestellt, was passieren kann. Wir haben festgestellt, wo das Öl hinkommen kann, daß die Trinkwasserversorgung gefährdet werden kann, daß das Öl in Brand gesetzt werden kann. Wir haben vorbereitet, was unmittelbar nach dem Krieg aufgegriffen werden kann. Wir haben das Trinkwasser, die Meerwasserentsalzungsanlagen, durch massive Sperren geschützt.Wir haben die „Mellum" hingeschickt. Darüber ist diskutiert worden. Es war aus damaliger Sicht nicht zu erkennen, wie es sich entwickelt. Bei anderen Windverhältnissen hätte der Ölteppich in eine andere Richtung getrieben werden können. Wenn wir dann nicht dort gewesen wären, hätte man uns das zu Recht vorgeworfen.In dem ganzen Prozeß hat sich vieles entwickelt, was man nicht so wissen konnte. Was Amerikaner aus Satellitenbildern abgelesen hatten, war ein ganz anderer Ölteppich, als er sich herausgestellt hat. Ein Teil des Öls ist verdampft, über die Hälfte;
anderes ist als Klumpen abgesunken, anderes an die saudische Küste getrieben.Wir können in einem solchen Fall nur eines tun: alle Möglichkeiten — und so ist das hier auch an anderer Stelle gesagt worden —, die uns verfügbar sind, ergreifen und so gezielt einsetzen, daß wir helfen können.In diesem Zusammenhang steht die Entsendung des Meßflugzeugs. Daß in 17 Flügen in Abständen von 80 bis 2 000 km die Daten gesammelt worden sind, hat uns die sichersten Informationen vermittelt über Ozon und über Schwefel, über die Belastungen der Luft, über Ruß. Es gibt Fragen, über die wir noch nichts wissen. Daran arbeiten wir genauso. Ich nenne die Frage, was an Ruß absorbiert ist und wie gefährlich dies ist, wenn es in die Lungen kommt.Dies ist eine schreckliche und in diesem Maß einzigartige Katastrophe. Wir können hier nur alle Instrumente einsetzen, an die man sinnvollerweise denken kann.Nun haben wir hier eine Diskussion darüber gehabt, ob dies in hinreichender Weise koordiniert gewesen ist. Nachdem der Kollege Töpfer nach Kuwait geflogen war, haben wir uns abgestimmt. Die Federführung liegt beim Forschungsminister. Dies ist seit dem 25. März eindeutig. Danach haben, nach Einleitung durch uns, enge Ressortabstimmungen stattgefunden.Es ist darüber gesprochen worden, daß wir gegenüber Kuwait schneller hätten vorangehen müssen. Die Situation ist offenkundig die: Kuwait ist ein autonomer Staat. Eine Expertenmission, die hernach eine massive und grundsätzliche Arbeit leisten soll, kann nicht mit einem Touristenvisum eingeflogen
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2349
Bundesminister Dr. Heinz Riesenhuberwerden. Wir brauchen die Zustimmung. Um die haben wir uns bemüht, bei der Kuwait Petroleum Company, bei der Kuwait Oil Company, aber auch über verschiedene Querverbindungen und Drähte, über die ich nicht im einzelnen sprechen will, zu Privatpersonen, die den dort Verantwortlichen nahestehen, zu Leuten, die in Firmen hohe Verantwortung tragen und in anderer beruflicher Eigenschaft mit Deutschland zusammengearbeitet haben.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kübler?
Aber bitte sehr.
Herr Bundesminister, Sie schildern gerade die Visumschwierigkeiten: Waren es nicht weniger die Visumschwierigkeiten als vielmehr die Schwierigkeiten der internen Abstimmung, die bis heute dazu geführt haben, daß nicht ein oder zwei konkrete Angebote gemacht wurden, sondern wieder eine Gruppe mit einem Sack voller Angebote hingereist ist und wahrscheinlich deshalb mit leeren Händen zurückkommen wird?
Das erste, Herr Kübler: Es waren keine internen Schwierigkeiten. Wir als BMFT haben in völliger Abstimmung mit allen Ressorts die Verhandlungen mit Kuwait geführt, sowohl über unseren Botschafter in Kuwait als auch über den kuwaitischen Botschafter hier als auch über, in der letzten Phase, beispielsweise Herrn Gharaballi, der aus einer anderen Verantwortung Verbindung mit deutschen Firmen hatte und jetzt eine erhebliche Verantwortung in der Kuwait Oil Company trägt. Wir haben also die verschiedensten Drähte hier genutzt.
Zum zweiten Teil der Frage geben Sie mir noch einmal ein Stichwort; entschuldigen Sie.
Im Grunde genommen haben Sie meine Fragen beantwortet. Darf ich aber eine Zusatzfrage stellen?
Moment mal, da war noch die zweite Hälfte. Aber ich schreibe nicht mit. Ich stelle anheim, Herr Präsident.
Bitte sehr.
Mit welchem Minister Kuwaits haben Sie oder wer aus Ihrem Hause verhandelt?
Ich darf nur auf einen einzigen Punkt hinweisen, ohne die maßlose Vielfalt der Gespräche, die geführt worden sind, im einzelnen zu bringen: Unser Botschafter in Kuwait hat mit dem Ölminister noch im Mai verhandelt; ich nehme dies nur als Beispiel. Die Message aus dieser Verhandlung war, daß eine große Anzahl an Angeboten vorliege, einschließlich Indien, China und der Sowjetunion, und daß insofern das deutsche Angebot nicht mehr von besonderer Dringlichkeit sei.
Herr Kollege Kübler, Sie wiesen darauf hin, die faktische Situation sei so, daß Firmen aus anderen Ländern, z. B. aus den USA, dort schon arbeiten. Schauen Sie sich die Länder an, die schon jetzt vertreten sind; sie alle sind kriegsführende Nationen gewesen. Ich will dies nicht weiter interpretieren, ich will auch nicht über die Schwierigkeiten spekulieren, die im einzelnen entstanden sind, und das nennen, was in der Presse über mögliche Interessen von verschiedenen gesagt worden ist. Ich möchte nur festhalten, daß wir die Delegation, die die ganze Zeit über reisebereit gewesen ist, jetzt hingeschickt haben. Es war uns mehrfach fest zugesagt worden, daß sie reisen darf — für den 6. Juni —, aber am 5. Juni wußten wir noch nicht, ob wir ein Visum bekommen. Da habe ich zum letzten Mal mit dem Botschafter gesprochen. Wir haben das Visum dann für den 10. Juni bekommen.
Ich halte es für nicht besonders klug, wenn wir die Diskussion so führen würden, als wollten wir mit der kuwaitischen Regierung oder mit ihrer diplomatischen Vertretung darüber rechten, wer zeitlich was zu verantworten hat. Ich halte es für sehr viel klüger — ich habe es in dem Maße angedeutet, wie es der Sache und der Aufklärung dient — , daß wir diese Möglichkeiten, die wir mit soviel Mühe erarbeitet haben, jetzt wirklich nutzen. Wir haben nämlich zu der Zeit, als wir in Kuwait nicht agieren konnten, alles getan, um das, was wir erreichen können, vorzubereiten. Wir hatten — Kollege Krüger hat darauf hingewiesen — weit über 100 Vorschläge von Firmen, von interessierten Bürgern und von Konsortien. Die Mitarbeiter des Forschungsministeriums sind in einer Arbeit, die nicht mit einem normalen 12-Stunden-Tag abzudecken ist, alles durchgegangen, um das herauszukristallisieren, was wichtig ist.
Sie sagen, wir führen jetzt mit einem Bündel von Vorschlägen hin. Was wir gemacht haben, ist, 100 bis 200 Vorschläge — dabei nehme ich schon spekulative Vorschläge heraus — auf vier Bereiche zu konzentrieren: zwei Gruppen, die im oberirdischen Bereich arbeiten, eine Gruppe, die unterirdisch Gänge, unter Umständen auch nicht von Menschen begehbare Gänge, vorantreibt, Gruppen, die sich damit befassen, wie die gesamte Logistik dargestellt werden kann. Dies alles haben wir in einer sehr umfassenden Weise vorbereitet.
Nun habe ich nur eine Verlegenheit, Herr Kübler: Wenn Sie mich noch etwas fragen wollen, höre ich sofort auf zu sprechen. Es ist mir nur peinlich, zu Ihnen zu sprechen, während Sie mir respektvoll gegenüberstehen.
Herr Präsident, wenn hier noch eine Frage ansteht — —
Herr Kollege Kübler, Sie haben noch eine letzte Zusatzfrage, wenn gewünscht.
Ist Ihnen das Fax des Botschafters Dr. Mulack vom 11., 12. oder 13. Mai dieses Jahres bekannt, der nach der Rückkehr der drei SPD- Abgeordneten von ihrer Reise im letzten Satz wertend
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2350 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991
Dr. Klaus Küblergeschrieben hat: Jetzt ist genügend verhandelt worden; jetzt muß gehandelt werden? Das Auswärtige Amt war durchaus der Auffassung, daß wirklich einmal ein konkretes Angebot kommen muß. Wir blamieren uns — ich sage das mit Verlaub — vor den Kuwaitis, wenn wir drei Monate brauchen, um einen konkreten Vorschlag zu machen. Wenn die Amerikaner dafür so lange gebraucht hätten, hätte noch keiner angefangen zu löschen. Herrschaft, dies ist das Problem.
Erstens. Ein konkretes Angebot habe ich dem Botschafter schon im April gemacht.Zweitens. Wir müssen davon ausgehen: Deutschland ist kein großes ölförderndes Land. Als eine Nation, die keine große Erfahrung mit dem Löschen von Ölbränden hat, haben wir Wissen ganz unterschiedlichster Art — die Kompetenz, mit der die Firmen dies angegangen sind, ist beeindruckend — zusammengefaßt und haben in einem Crash-Programm ganz unterschiedliche Techniken anzubieten. Wenn aber Firmen da sind, die sich mit ihrer Kompetenz zusammengefunden haben, kann doch nicht angenommen werden, daß sie, ohne vor Ort etwas Sinnvolles gesehen zu haben, ohne das ganze Ausmaß der Katastrophe erkannt zu haben, ohne Erfahrungen gesammelt zu haben, auf dem Papier einfach Vorschläge machen, die mit einer Riesenverantwortung tragfähig sein sollen. So kann man nicht vorgehen.Es geht mir auch darum, zu verdeutlichen, daß die richtige Lösung nicht darin besteht, majestätische politische Akte zu setzen. Ich halte sehr viel von Reisen der Minister; das ist eine hervorragende Angelegenheit. Der majestätische politische Akt der physischen Präsenz eines Ministers ersetzt aber nicht unbedingt die kompetente Vorbereitung der Sache, und die war in der Tat aufzuarbeiten.
— Wenn Sie noch einmal eine Frage stellen wollen, dann stehe ich Ihnen zur Verfügung. Aber der Dialog wird hier langsam ein bißchen komplex. Wenn eine Zwischenfrage gewünscht wird — ich bin hier jederzeit bereit.Was wir gemacht haben, ist eine in der Sache wohlvorbereitete, mit größter Dringlichkeit vorangetragene, unter Nutzung von vielfältigen Querverbindungen weitergetriebene Angelegenheit. Jetzt sind die Leute dort. Sie kommen zurück und werden sich in kürzester Frist zusammensetzen und ihre konkreten Angebote machen. Wir haben gesagt: Wir bezahlen die Reise und das, was in der Vorbereitung steckt. Aber daß die Sache selbst dann eine kommerzielle Aufgabe wie bei anderen auch ist, trifft zu. Genauso muß dies auch behandelt werden.
Dies ist ja auch nicht der Kern des Problems.Frau Ganseforth sagte, das Wichtige sei, die Ölquellen zu löschen. Dies ist wahr. Aber das ist nur ein Teil des Problems. Wenn wir die Quellen löschen, aber nicht verschließen, ist die Katastrophe größer. Dann wachsen nämlich die Ölseen.
Die Ölseen sind bei dem, was verdampft und in die Luft gelangt und damit die Luft belastet, sehr viel kritischer. Wenn sich dann eine Explosion ereignet, haben Sie eine schlimmste Katastrophe.
— Frau Ganseforth, Sie haben es nicht so deutlich gesagt. Aber ich freue mich sehr, daß wir uns hier in der Sache einig sind.Dies stellt einen zweiten Bereich dar, in dem wir zu arbeiten haben. Auch hierbei sind Experten zugegen. Die Kuwaitis haben uns gesagt: Die größere Problematik ist das Aufarbeiten der Ölseen. Die Kuwaitis haben uns gefragt: Wie bekommen wir die Anlagen wieder in Betrieb? Dies alles wird inzwischen durch Experten in der Kommission abgedeckt. So haben wir es auch vorbereitet.Ich möchte nicht den ganzen Zusammenhang der Vorbereitungen darstellen. Aber die Breite, in der wir die Arbeit von vornherein angelegt haben, wird deutlich. Ich habe gesprochen von den unmittelbaren Maßnahmen, von den verschiedenen Stufen der Expertengespräche, von den diplomatischen Verhandlungen, von der Aufarbeitung der Technik, von der Vorbereitung der Expertenkommission.Ich habe noch gar nicht davon gesprochen, daß wir vor kurzem die Studie des Max-Planck-Instituts in Hamburg vorgestellt haben. In ihr wurde mit den neuesten Techniken, die wir besitzen, ausgerechnet, was dies bedeutet.
— Diese Eingangsdaten, liebe Frau Ganseforth, sind beispielsweise durch die 17 Meßflüge unseres Flugzeugs, und zwar bezogen auf unterschiedliche Distanzen, vorhanden.Es ist sowohl rechnerisch als auch nach allen vorliegenden Beobachtungen unbestritten, daß die Bußemissionen nur in die Troposphäre, nicht aber in die Stratosphäre gehen. Es ist unbestritten, daß die Verweildauer dort auf etwa zehn Tage zu schätzen ist.Ich will überhaupt nichts von dieser schlimmen Katastrophe, die sich dort abspielt, abstreichen. Entgegen der Diskussion, die in die Richtung geht, als werde weit über die Region hinaus das Weltklima beeinträchtigt, ist nun der wahre Sachverhalt deutlich. Das ist durch die unbestrittenen Berechnungen des Max-Planck-Instituts dargestellt.Wir haben hier mit aller Nachdrücklichkeit gehandelt. Wir sind nicht wie andere eine kriegführende Nation, die zuerst am Platz war und als Partner vielleicht eine besondere Präferenz hat. Aber wir sehen unsere Verantwortung für eine verletzbare Umwelt. Wir wollen sie mit aller unserer technischen Kompe-
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Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 30. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Juni 1991 2351
Bundesminister Dr. Heinz Riesenhubertenz ausfüllen. Aber es geht nicht darum, demonstrative Akte zu setzen mit irgendwelchen Schnellschüssen,
sondern es geht darum, eine solide Vorbereitung zu treffen und die Probleme mit bestmöglicher Kompetenz zu lösen.
Dabei möchte ich, wenn ich den Zwischenruf richtig verstanden habe, ausdrücklich sagen: Wenn ich erkläre, wir müssen das mit Sachverstand und mit konkreter Arbeit lösen, dann bezieht sich dies auf die Arbeit, die wir hier jetzt angelegt haben.Es war richtig — auch als Signal — , daß Bundesminister Töpfer in dieser kritischen Situation vor Ort gewesen ist. Auch das gehört zu einer Gesamtstrategie, die in sich stimmt.
Meine Damen und Herren, ich hatte schon darauf hingewiesen: Die Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD findet erst morgen nach Tagesordnungspunkt 13 statt.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags auf morgen, Donnerstag, den 13. Juni 1991, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.