Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe Punkt VI der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987
— Drucksachen 10/5900, 10/6209, 10/6301 bis 10/6331 —
Es liegen Ihnen Entschließungsanträge der Fraktion der SPD sowie der Fraktion DIE GRÜNEN zu den verschiedenen Einzelplänen und zum Haushaltsgesetz 1987 selbst vor.
Die Entschließungsanträge zu den Einzelplänen werden nach Schluß der Aussprache zur Abstimmung aufgerufen. Über den Entschließungsantrag zum Haushaltsgesetz 1987 wird nach der Schlußabstimmung abgestimmt.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß die dritte Beratung des Haushaltsgesetzes 1987 mit einer Beratungszeit von drei Stunden durchgeführt wird. — Das Haus ist damit einverstanden.
So können wir mit der Aussprache beginnen. Als erster hat der Abgeordnete Brandt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsdebatte, die letzte dieser Wahlperiode, hätte mehr bringen können, als sie gebracht hat.
Sie hätte mehr bringen können, wenn die Kollegen aus dem Lager der Koalition — und „Lager" ist hier wohl das richtige Wort — nicht so sehr darauf ausgewesen wären, alles zu lobpreisen, was die Regie-rung getan hat — und sogar das, was zu tun sie unterlassen hat.
So hübsch kann eine Regierung gar nicht sein, wie Sie, meine Damen und Herren, sie hier haben machen wollen.
Bei allem, im übrigen, was umstritten ist, würde es nicht geschadet haben, wenn die Bereiche deutlicher geworden wären, in denen mehr parteiübergreifendes Zusammenwirken von der Sache her trotz allem geboten sein wird.
Unvermeidbare Kontroversen und unverzichtbare Kooperation, diese beiden Elemente einander vernünftig zuzuordnen bleibt nun einmal ein Königsthema der parlamentarischen Demokratie.
Jetzt werden die Mitbürgerinnen und Mitbürger von den Regierungsparteien eingeladen,
sich bei der bevorstehenden Wahl für die Unverbindlichkeit zu erklären. Ich fürchte, das Ist viel zu anspruchslos, jedenfalls viel zuwenig auf Vorsorge bedacht. Nicht zuletzt deshalb sagen wir Sozialdemokraten, daß die gegenwärtige Regierung abgelöst gehört.
Diese Bundesregierung hat, zumal was fremdbewirkte Wirtschaftsdaten angeht, wenig Hemmung gezeigt, sich mit fremden Federn zu schmücken.
Wichtiger wäre gewesen, Vorsorge zu treffen für härteres Wetter, das sich in Amerika andeutet und auch uns in Europa nicht verschonen wird.
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19562 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
BrandtIch muß, meine Damen und Herren, hier gleich vorweg ein Wort zu der Krise sagen, die im Verhältnis zwischen der Sowjetunion und unserer Regierung entstanden ist.
Als einer, der etwas damit zu tun hatte, daß unserer Freundschaft mit dem Westen gute Beziehungen zur östlichen Großmacht und zu den mit ihr verbundenen Staaten hinzugefügt wurden, habe ich meiner ernsten Besorgnis Ausdruck zu geben. Von dem, worum es hier geht, soll man bitte nicht durch die Unterstellung ablenken, einem Bundeskanzler oder sonst einem Regierungsmitglied sollte oder könnte verwehrt werden, an die tiefgreifenden Unterschiede zu erinnern,
die zwischen den politischen und gesellschaftlichen Ordnungen in Ost und West bestehen.
Vielmehr geht es um einen Schaden, der durch Taktlosigkeiten und durch ganz und gar unzutreffende geschichtliche Vergleiche herbeigeredet wird.
So ist es abwegig und beleidigt unsere westlichen Verbündeten,
wenn der Regierungschef, der für unseren Staat spricht, das Gipfeltreffen von Reykjavik mit dem Münchener Abkommen von 1938 in Verbindung bringt;
so wie es seinerzeit auch nicht paßte, sich ausgerechnet vor jüdischen Zuhörern auf die Gnade der späten Geburt zu berufen, statt verhindern zu helfen, daß der Fluch des raschen Vergessens über uns kommt.
Johannes Rau wäre das nicht passiert.
Die Kränkung von Präsident Reagans ReykjavikPartner war schlimm genug. Eine rasche, unverklausulierte Entschuldigung wäre fällig gewesen. Eine Störung der Beziehungen zur UdSSR tritt zwangsläufig ein, wenn man vergessen will, was nicht vergessen werden darf, und wenn Gleichheitszeichen gesetzt werden, wo sie nicht hingehören. Der Bundeskanzler sollte wissen, daß uns das inmehrfacher Hinsicht noch teuer zu stehen kommen kann.Wenn er es aber weiß: Wieso sich dann derart in die Brust werfen, wie wir es hier vorgestern wieder erlebt haben?
Da falsche Vergleiche in solchen Zusammenhängen als eine Verniedlichung dessen verstanden werden, was Hitler Deutschland, Europa und der Welt angetan hat,
schaden sie dem deutschen Ansehen in Ost und West.
Der deutschen Politik bekäme es nicht gut, wollte sie bei einem unbalancierten Umschreiben der jüngsten deutschen Geschichte Anleihen machen.
Im übrigen hoffen meine Freunde und ich erneut, daß das Verhältnis zum anderen deutschen Staat nicht unnötigen Belastungen ausgesetzt wird. Das bedeutet nicht, daß man zu Verletzungen der Menschenrechte schweigt.
Wir Sozialdemokraten haben dieses Thema immer sehr ernst behandelt, freilich auch im Bewußtsein, daß eine zweite Phase der Entspannungspolitik nicht vorbelastet, sondern vorbereitet werden muß.
Zum Haushalt: Die sozialdemokratische Fraktion schlägt eine Entschließung vor, in der u. a. folgende Feststellungen getroffen und begründet werden: Die Arbeitslosigkeit hat sich verfestigt, Steuern und Abgaben sind auf Rekordhöhe angestiegen. Die Steuersenkung 1986/88 ist weder gerecht noch beschäftigungswirksam.
Die Subventionen sind massiv ausgeweitet worden,
und die Schulden des Bundes sind weiter angestiegen.
Eine kritische Bilanz, wie wir sie unterbreiten, führt zu der Folgerung: Unser Land braucht eine neue Politik, es braucht den Wechsel nach der Wende.
Ich will das, was in unserer Entschließung steht, durch folgende Hinweise ergänzen. In der Amtszeit der gegenwärtigen Bundesregierung hat sich die
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19563
BrandtSchere zwischen unten und oben von Jahr zu Jahr mehr geöffnet, und niemals in der Geschichte der Bundesrepublik gab es mehr Menschen, die sich vergeblich um einen Arbeitsplatz bemühten und bemühen, als unter der Regierung Kohl. Niemals zuvor gab es mehr Menschen als unter der Regierung Kohl, die um Sozialhilfe einkommen mußten.
Die gegenwärtige Koalition ist mit ihrer Politik auf die schiefe Bahn geraten, und deshalb empfehlen wir den Bürgern, Schluß zu machen mit der Rutschpartie.
Von der „Gesellschaft mit menschlichem Gesicht", über die Bundeskanzler Kohl in seiner Regierungserklärung am Beginn dieser Wahlperiode sprach, sind wir ziemlich weit entfernt, auch von der Erfüllung des sozialstaatlichen Auftrags, den uns die Verfassungsväter übertragen haben.
Wir Sozialdemokraten wollen deshalb eine andere Politik: Wir wollen mehr Gerechtigkeit, nicht mehr Ausgrenzung,
mehr Solidarität, nicht mehr Spaltung, eine Politik, die bestehen kann, wenn sie am sozialen Maßstab der Verfassung gemessen wird.Meine Damen und Herren, der Verfassungsauftrag, von dem ich spreche, ist in Gefahr, verspielt zu werden.
Ich sage Ihnen: Die Sozialdemokratie ist keine Partei von Randgruppen. Sie ist eine Partei von Arbeitern und Angestellten, von Beamten und Selbständigen, die stolz darauf sind, was sie — bei allen Lükken und Mängeln — für ihre Familien und für unser Land geleistet haben.
Es sind Arbeitnehmer und Selbständige, die weiter vorankommen wollen — recht haben sie —,
die auch bereit sind, sich für die Schwachen mit in die Pflicht nehmen zu lassen, die aber kein Verständnis dafür haben, wenn die wirklich Starken nicht mitmachen oder wenn das große Kapital überall getätschelt wird, statt kräftig zu den sozialen Aufgaben der Gemeinschaft herangezogen zu werden.Eine Politik, die systematisch oben gibt und unten nimmt,
kann nicht gut sein für unser Land und seine Menschen.
Deshalb sind wir für eine bessere Politik.
Nun haben Sie in diesen Tagen, meine Damen und Herren, wieder versucht, uns Sozialdemokraten die Misere der Neuen Heimat anzuhängen.
Und wie rücksichtslos Sie es tun! Aber viele von Ihnen, mit dem Bundeskanzler an der Spitze, tun es wider besseres Wissen;
denn sie wissen: Die SPD hat mit dem Niedergang der neuen Heimat und mit den unerfreulichen Begleiterscheinungen dieses Niedergangs nichts, aber auch gar nichts zu tun.
wo wir die Möglichkeit hatten, haben wir darauf hingewirkt, daß so rasch wie möglich in Ordnung gebracht würde, was in Unordnung geraten war
Ihr Verhalten, meine Herren von der Regierung und aus der Führung der Koalition, war auf Störung und nicht auf Klärung und Überwindung einer Krise angelegt.
Es war auf Störung angelegt, auch zu Lasten der Mieter. Sie wollten auf diesem Umweg den Gewerkschaften einen lähmenden Schlag zufügen.
Das konnten wir nicht zulassen.
Das darf auch nicht gelingen.Ich vertraue übrigens darauf, daß die deutschen Arbeitnehmer, daß die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland durchaus einzuschätzen wissen, was ihnen die Wenderegierung beschert hat.
— Bundeskanzler Kohl ist durch Hamburg auch nicht hübscher geworden. —
Ich wiederhole: Ich vertraue darauf, daß die Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland durchaus einzuschätzen wissen,
was ihnen die Wenderegierung beschert hat. Deshalb werden sie auch ganz von selbst darauf kommen,
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19564 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Brandtdaß die Neue Heimat kein Grund ist, eine Regierung Kohl wiederzuwählen.
Man muß wissen: Wer den sozialen Frieden gefährdet, setzt unsere Zukunft aufs Spiel. Das gilt ebenso — davon war gestern die Rede — für die Natur, unser aller Lebensgrundlage. Auf keinem Gebiet hat sich das konservative Lager über die Bundesrepublik hinaus weniger fähig erwiesen, einer im besten Sinne bewahrenden Aufgabe gerecht zu werden. Das jüngste Beispiel sind die unerträglichen Rheinverseuchungen und die schwächlichen Reaktionen dieser Regierung.
Was ist passiert? Bei Licht betrachtet nicht weniger als die größte Brunnenvergiftung in der deutschen Geschichte. Nicht dies allein, aber auch dies ist der Rhein für viele Millionen Menschen die an ihm wohnen: ein Brunnen, ihr Trinkwasserreservoir. Auf Brunnenvergiftung standen in noch gar nicht so weit entfernten Zeiten drakonische Strafen.
Ich bin Gegner der Todesstrafe, und ich will hier nicht alte Zeiten mit ihren Strafen heraufbeschwören.
Aber der Unterschied zu der Form, in der Beschwichtigungsminister Wallmann auf die Vorgänge seit der Sandoz-Katastrophe reagierte, ist schlagend. Da müssen Wasserwerke abgeschaltet werden; da verenden Wasserlebewesen gleich tonnenweise; da kann man nur ahnen, was die längerfristigen Folgen sein werden. Was ist die Konsequenz? Der Herr Bundesminister taucht erst ab, führt dann Gespräche und läßt sich mit dem Versprechen abspeisen, daß man durch freie Vereinbarungen alles Wesentliche in Ordnung bringen werde.
Meine Damen und Herren von der Regierung und der Koalition, das Verhalten, das Sie bei Umweltverbrechen und gegenüber Umweltverbrechern an den Tag legen,
ist das gerade Gegenteil von dem, wie Sie z. B. auf unangenehme Demonstrationen reagieren.
Was wird da alles aufgeboten? Neue und härtere Gesetze sollen ja auch her.
Ganz anders ist es, wenn es um die Umwelt geht.Warum, frage ich, diese ganz unterschiedlichenMaßstäbe, diese Unverhältnismäßigkeit der Mittel und Methoden?
Wir wissen, die Gewerbeaufsichtsbehörden sind heillos überfordert. Was wir für die Länder und den Bund brauchen, ist ein einheitliches und wirksames System der Vorbeugung und Kontrolle, der Aufklärung und Bestrafung zum Schutz gegen die Vergiftung und Vernichtung der Umwelt.
Jawohl, dazu muß auch eine gut ausgestattete Polizei her.Zu einer starken Marktwirtschaft gehört ein starker Staat. Wo Gesundheit und Leben der Bürger auf dem Spiel stehen, ist jedenfalls der Staat gefordert und nicht irgendeine freiwillige Selbstkontrolle. Wer hier aus falschem Freiheitsverständnis fünf gerade sein läßt, der riskiert, daß eines Tages nicht nur die Fische, sondern womöglich auch die Menschen geopfert werden.Unsere Entschließung enthält im übrigen jene Vorschläge, auf die es im Kooperationsfeld Wirtschaft — Umwelt und auf dem Gebiet der Energiepolitik jetzt im besonderen ankommt.Wir haben lange gewarnt und gesagt, daß wir mit einer Zeitbombe leben. Die Chemieunfälle haben eine Zeitbombe explodieren lassen. Die Menschen haben Angst, und wir erleben eine Regierung, die weit hinter dem Bewußtsein der Öffentlichkeit für das zurückbleibt, was jetzt nötig ist.
Ich erinnere mich an eine andere Lage. Als wir in der ersten Hälfte der 70er Jahre mit der Umweltpolitik anfingen, waren wir weiter als das öffentliche Bewußtsein. Wir haben damals eine große gemeinsame Anstrengung gemacht. Ich vermisse jetzt den Versuch, solches auch nur zu wiederholen.
An dieser Stelle habe ich ein Wort an die Adresse der Damen und Herren von der grünen Partei zu richten. Sie wollen alles, möglichst noch ein bißchen mehr, jedenfalls sofort.
Das klingt radikal und ist oft doch nicht mehr als Wortgeklingel. Der Verbalradikalismus verdeckt, daß die Beteiligten nur zu oft nicht an Deck sind, wenn es darum geht, zu retten, was zu retten ist,
zu ändern, was geändert werden kann,
zu erneuern, was sich durch die soziale und ökologische Modernisierung der Industriegesellschaftwirksam erneuern läßt. Statt dessen scheint vielen
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19565
Brandtdie Lust an der Ohnmacht zu gefallen. Manche frönen auch einer beleidigten Rechthaberei
oder flüchten in schieren Zynismus.
Sie, meine Damen und Herren von der grünen Partei, reden von der Zukunft unserer Kinder und Enkel und von den Gefahren, die durch vergangenes Handeln oder Nichthandeln und durch heutige Fehlentscheidungen heraufbeschworen werden.
Aber davon zu reden ist nicht genug.
Die Frage muß doch sein, was durch vernünftiges politisches Handeln heute und morgen verändert werden kann.
Wer sich das wirklich klarmacht, der kann sich nicht für allerlei fundamentalistischen Unsinn hergeben,
der uns immer noch — jedenfalls nicht selten — als eine Art grüner Version der Straußschen Sonthofen-Strategie zurückliegender Jahre dargeboten wird.Wer es ernst meint mit dem Schutz der natürlichen Umwelt und mit einer wirksamen Sicherung der Schwachen, der muß Ja sagen zu den Möglichkeiten des demokratischen Staates und darf nicht zum Gegenteil auffordern, etwa zur Anwendung von Gewalt.
Wer an der Sicherung des Friedens durch Abrüstung und Zusammenarbeit teilhaben will, der muß Ja dazu sagen, daß unser Staat zu den westlichen Gemeinschaften gehört.
Gegnerschaft zu NATO und Bundeswehr, das bedeutet den Verzicht auf seriöse Sicherheitspolitik für unseren Staat.
Meine Damen und Herren, statt unseligem Treiben durch beharrliches reformerisches Handeln Einhalt zu gebieten, ließe man es weiter treiben, wenn man den Ratschlägen tonangebender GRÜNER folgte.
Ihr Mangel an Verantwortlichkeit kann es insoweit mit der Unverantwortlichkeit der rechten Seite durchaus aufnehmen.
Weil wir das so sehen, sagen wir: Wer unsere Bundesrepublik nach vorn bringen will, darf nicht denSchwarzen, aber auch nicht den GRÜNEN folgen,sondern der muß die Sozialdemokratie auf Platz 1 bringen.
An die Adresse der Regierung: Ich finde es beunruhigend, wie sehr sie, die Regierung, auf dem Gebiet aktiver Friedenssicherung die Wahrnehmung dessen verfehlt, was heute nottut. Ich finde es bestürzend, daß in der Auslandspresse zu lesen ist, der Bundesminister der Verteidigung hintertreibe die Null-Lösung bei Mittelstreckenwaffen oder lasse sie hintertreiben
und habe dafür offensichtlich die Rückendeckung des Bundeskanzlers.
Wer erinnert sich nicht heute der geschwollenen Sprüche Ihrer Regierung vor zwei, drei Jahren? Damals sollten wir wegen unserer Befürchtung an den Pranger gestellt werden, daß eine weitere Drehung der Spirale bevorstehe. Als dann die Pershings hier waren,
wurde prompt auf der anderen Seite wiederum neues Zeug aufgestellt, jene Kurzstreckenraketen nämlich, über deren Gefährlichkeit man sich heute gar nicht genug ereifern kann.
Damals haben Sie, meine Herren von der Regierung, das genaue Gegenteil von dem behauptet, was Sie heute behaupten. Damals haben Sie, voran Herr Wörner, nicht die Gefährlichkeit der neuen sowjetischen Raketen herausgestrichen, sondern sozusagen deren Banalität.
Sie haben sie als vernachlässigbare Größe behandelt, und Sie müssen Ihre Gründe gehabt haben. Hätte man nämlich schon damals die neue, die zusätzliche Gefährdung der Menschen durch diese Waffen eingestanden, dann hätte auch der Dümmste gemerkt, was davon zu halten war, als Sie glauben machen wollten, die Sicherheit unserer Menschen sei größer geworden.Ich spreche über einen von langer Hand angelegten Täuschungsversuch der deutschen Wähler.
Aber ob Ihnen das noch abgenommen wird? Es haben j a Millionen noch im Ohr, wie Sie vor drei Jahren im Brustton der Überzeugung nach der Null-Lösung ohne Wenn und Aber verlangt haben, mit welcher Hingabe Sie diesen radikalen Lösungsvorschlag des amerikanischen Präsidenten gefeiert haben? Jetzt könnten Sie vielleicht diese radikale Null-Lösung und zusätzlich die in der Tat notwendigen Verhandlungen über den Abbau der Kurzstrek-
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19566 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Brandtkenraketen haben, zu denen die andere Seite bereit ist.
Und jetzt? Wollen Sie etwa nicht mehr, oder tun Sie nur so?Hinter solchen Vorgängen, meine Damen und Herren, steckt immer wieder die fixe Idee: Je mehr Waffen, desto besser, weil desto sicherer, oder aufrüsten, um später vielleicht einmal abrüsten zu können.
Das ist nun wirklich von der Geschichte widerlegt,
auch wenn es sich bis zu einigen NATO-Generalen, die vorpreschen oder vorgeschickt werden, nicht herumgesprochen zu haben scheint, und auch dann, wenn Herr Weinberger die gegenwärtige Krise in den Vereinigten Staaten nutzt, um sich gegen den Rat aller Verbündeten und gegen die Mehrheit des Kongresses über SALT II hinwegzusetzen.
Die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger glaubt nicht mehr, zusätzliche Waffen bedeuteten automatisch zusätzliche Sicherheit.
Wir aus der Partei Kurt Schumachers und Ernst Reuters
orientieren uns an deutschen Interessen. Das heißt: Wir orientieren uns am Frieden. Was wir erreichen wollen, können wir nur Schritt für Schritt erreichen.
Nicht das Unmögliche verlangen, nicht einer Politik der doppelten Moral folgen
oder der gespaltenen Zunge — der bayerische „Außenminister" läßt grüßen —,
sondern zielstrebig und maßvoll das Mögliche tun,
das ist das deutsche Interesse.Unsere Vorschläge zu einer chemiewaffenfreien Zone und für einen atomwaffenfreien Korridor sind Beispiele für das, was heute möglich gemacht werden könnte.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Im Interesse des deutschen Volkes und der Förderung des Friedens im Herzen Europas ist das Ende einer Politik geboten, mit der man, was Reykjavik und die Raketen angeht, auch in Amerika dem inzwischen hart angeschlagenen Präsidenten Reagan in den Rücken gefallen ist.
Was die Völker Europas und der Welt brauchen, ist nicht die Fortsetzung des Wettrüstens, auch nicht des neuen verderblichen Einstiegs in den Waffenexport — deshalb noch einmal mein Hinweis auf die gespaltene Zunge —, sondern was nottut, ist zu erkennen, daß dies die neue Form des Goldenen Kalbes ist. Was die Völker brauchen, ist ein vertraglich vereinbartes System gemeinsamer Sicherheit, das es endlich erlaubt, die Rüstungslasten weltweit spürbar zu senken. Dies käme der Weltwirtschaft insgesamt zugute, eröffnete aber vor allem auch eine echte Chance, den Welthunger zu besiegen und den armen Völkern durchgreifend voranzuhelfen. Schließlich gibt es auch bei uns noch genug zu tun.Was die Sozialdemokraten tun können, damit es dahin kommt, werden sie tun. Darauf kann sich unser Volk verlassen.
Damit sind wir an der Seite der jungen Generation, der ich ihren aufrechten Gang von Herzen gönne.
Aber die Jungen werden den aufrechten Gang nur gehen können, wenn unser Volk vor dem Rückfall in eine geschichtsfremde und verantwortungslose Selbstgefälligkeit bewahrt bleibt.
Meine Damen und Herren, wenn wir Sozialdemokraten mit Johannes Rau die soziale Gerechtigkeit groß schreiben,
wenn wir die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen in den Vordergrund rücken, wenn wir sagen, daß die Sicherung des Friedens nicht immer weitere Aufrüstung auf beiden Seiten, sondern endlich beiderseitige Abrüstung verlangt, dann wissen wir uns darin einig mit jeweils großen Mehrheiten unseres Volkes.
Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist — das zeigen viele Untersuchungen und Beobachtungen — nicht einverstanden mit der gefühlskalten Art, in der die Schwächeren abgefertigt werden.
Die Mehrheit ist nicht einverstanden mit der Arroganz, mit der immer noch einmal versucht wird, die Axt an die soziale Gerechtigkeit zu legen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19567
BrandtDie Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger mißtraut einer Politik,
der als Rezept gegen Katastrophen wie die Rheinverseuchung nur immer wieder „vertrauensvoll" genannte Gespräche einfallen.
Die Mehrheit stimmt uns zu, wenn wir sagen: Gespräche mögen nützlich sein; Gesetze sind nötig; entscheidend aber ist, daß die Gesetze auch geachtet werden und daß die Achtung der Gesetze auch kontrolliert wird.
Schließlich: Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist es leid, wenn ihr die Regierung sonntags versichert, fortan sei Frieden zu schaffen mit immer weniger Waffen, um dann werktags am geraden Gegenteil dessen mitzuwirken, was sonntags gesagt worden war, nämlich: Unfrieden mit immer mehr Waffen.
Meine Damen und Herren, aus all dem wüßte ich keinen besseren Schluß zu ziehen, als ihn dieser Tage ein Professor gezogen hat, der, Herr Dr. Dregger, Ihrer Partei und der von Bundeskanzler Kohl, nicht der meinen nahesteht. Er hat in einem längeren Artikel im „Rheinischen Merkur/Christ und Welt" die Konservativen davor gewarnt — ich zitiere —, daß die Zukunft ihre Ignoranten verschlingt.
Nun hat Herr Kohl in seiner vorgestrigen Rede gemeint, die — wie er es nannte — Ideologie und Philosophie des Sozialismus — was immer er darunter verstehen mag —
mit einem Seitenhieb abfertigen zu können. Ich antworte ihm: Alles deutet darauf hin, daß die Tage des Reaganismus als der Ideologie eines fröhlichen, robusten und egoistischen Optimismus gezählt sind.
Dem deutschen Abklatsch wird jedenfalls auch nicht die Zukunft gehören.
Für uns, die deutschen Sozialdemokraten, kommt es im nationalen Interesse darauf an, daß aus der sachlichen Übereinstimmung mit der Mehrheit unseres Volkes auch eine politische werden kann. Aus dem, was ich dargelegt habe, ergeben sich viele gute Gründe, die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler um den von uns geforderten Wechsel nach der Wende zu bitten und sie dafür zu mobilisieren.Danke schön.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riedl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Brandt, es ist nicht unangenehm, nach Ihnen reden zu dürfen, und ich finde es auch gut, daß der Parteivorsitzende der SPD in der Haushaltsdebatte das Wort ergreift. Sie werden aber bestimmt Verständnis haben, wenn ich gerade im Anschluß an das, was Sie eben gesagt haben, feststelle, daß der, den Sie zum Kanzlerkandidaten Ihrer Partei berufen haben, ständig nach einem Fernsehduell fragt. In dieser Woche — Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag von 9 bis 16 Uhr — war und ist das Fernsehen im Deutschen Bundestag live dabei. Da hätte sich Herr Rau stundenlang mit unserem Bundeskanzler Helmut Kohl duellieren können. Er ist nicht da. Ich weiß auch nicht, wo er ist.
Gerade in einer Fernsehdebatte im Deutschen Bundestag könnte man seine Sachkunde einmal unter Beweis stellen. Da hat er eine gute Chance versäumt.
Vielleicht richten Sie es ihm aus: Im nächsten Jahr werden wir wieder einen Haushalt verabschieden; dann hat er wieder Gelegenheit, von der Bundesratsbank aus an der Debatte teilzunehmen. Ich lade ihn heute schon herzlich ein.Die dritte Lesung des Bundeshaushalts 1987 gibt Gelegenheit — das ist j a der Sinn einer dritten Lesung —, eine Bilanz der dreitägigen Haushaltsdebatte in zweiter Lesung zu ziehen und zusammenfassend die zukünftigen Perspektiven für das Haushaltsgebaren in der Bundesrepublik Deutschland darzulegen. Wenn ich es einmal auf einen Nenner bringen darf: Die Debatte hat tiefgreifende Unterschiede in dem Verständnis von Koalition und Opposition über die Grundzüge einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung und über die Rolle des Staates gezeigt. Eines hat die Debatte ganz klar gemacht: Es war interessant, daß die SPD-Fraktion — Herr Kollege Brandt, Sie waren leider in der zweiten Lesung nicht da; ich mache es Ihnen auch gar nicht zum Vorwurf, weil Sie vielleicht nicht da sein konnten — im Kern nämlich auch nicht bestritten hat — bei Herrn Dr. Vogel kam das deutlich zum Ausdruck —, daß die gegenwärtige wirtschaftliche Lage in allen ihren Eckwerten — Wachstum, Preisstabilität, Realeinkommen und Beschäftigung — im Deutschen Bundestag auch von Ihnen positiv gesehen wird und positiv ist. Auch die wirtschaftlichen Perspektiven sind weiterhin als gut anerkannt worden.
Das riesige Jahresgutachten mit über 300 Seiten und Dutzenden von Anlagen ist ein eindeutiges Do-
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19568 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Dr. Riedl
kurrent dafür, daß es auch 1987 in Deutschland mit der Wirtschaft weiter aufwärtsgehen wird.
Was waren und was sind, um es ebenfalls auf einen Nenner zu bringen, die herausragenden Ergebnisse der wochenlangen Beratungen dieses Haushalts im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages? — Das ist einmal, daß wir eine Steigerungsrate von nur noch 1,9 % gegenüber 1986 haben. Wir haben, was schon lange nicht mehr der Fall war — man kann es schon fast nicht mehr zurückdatieren —, zum erstenmal wieder eine eins bei der Steigerungsrate: 1,9%. Damit wird diese Koalition nunmehr zum fünften Mal hintereinander einen Bundeshaushalt verabschieden, der um deutlich weniger als das nominale Bruttosozialprodukt ansteigt. Der Kollege Waigel hat das kürzlich in einem Vortrag, in der „Süddeutschen Zeitung" nachzulesen, ganz deutlich gesagt: Die Arbeitslosigkeit kann nur dann wirksam bekämpft werden, wenn der Anstieg der Staatsausgaben erheblich unter dem Anstieg des Bruttosozialproduktes bleibt. Das ist der einzige Weg zum Abbau der Arbeitslosigkeit.
Zum zweiten: Wir haben eine Nettokreditaufnahme von — man muß es ganz langsam und sorgfältig sagen — nur noch — das ist immer noch zu viel — 22,3 Milliarden DM erreicht, obwohl der Bundesbankgewinn 1987 um 5,5 Milliarden DM niedriger als 1986 liegen wird und obwohl die Steuereinnahmen um 800 Millionen DM niedriger sein werden, als ursprünglich veranlagt. Das hätten Sie früher alles auf die Staatsverschuldung draufgedonnert.
Dies ist — das kann kein vernünftiger Wirtschaftspolitiker in der SPD bestreiten — nach 1982 ein außerordentlich gutes Ergebnis, das auch von jedermann draußen in der Bevölkerung erkannt und anerkannt wird.Deshalb — ich darf das hier einmal so sagen — war es für mich — wer lange genug in der politischen Arbeit ist, kann über die Taktik der SPD eigentlich nur den Kopf schütteln — völlig unbegreiflich, mit welcher verfehlten Taktik die SPD in diesen vier Tagen im Deutschen Bundestag den Haushalt kommentiert hat.
— Ich bin ja froh, daß es so ist. Sie lernen aber aus dem Wahldebakel in Bayern nicht und auch nicht aus dem in Hamburg. Sie sind offensichtlich überhaupt nicht gewillt einzusehen, daß noch niemals in einer westlichen Demokratie Kassandra gewählt worden ist und daß das Schüren von Neid und Mißgunst niemals eine gute Politik ersetzen kann.
Natürlich hat in dieser Woche der Bundestagswahlkampf hier im Plenarsaal eine große Rolle gespielt. Warum auch nicht? Wahlkampf im Bundestag bedeutet aber, der Bevölkerung Rechenschaft zu geben über das, was man geleistet hat, und vor allen Dingen Perspektiven aufzuzeigen, was man in der nächsten Wahlperiode vorhat. Da muß ich an den grandiosen Wahlsieg — weil er anwesend ist, kann ich ihn direkt ansprechen — von Willy Brandt 1972 erinnern. Damals haben die Sozialdemokraten im Wahlkampf ganz massiv das Babyjahr propagiert. Sie haben Wahlkampf mit dem Babyjahr gemacht. Dann sind sie weitgehend dafür von den Bürgern gewählt worden. Kaum war der Wahltag vorbei, haben Sie das Babyjahr vergessen, meine Damen und Herren.
— Also, meine Kollegen von der SPD, wenn das nicht Wahlbetrug war, dann frage ich mich, was Wahlbetrug sein muß, wenn Sie dies jetzt bestreiten.
— Da gibt es noch viele Beispiele. Die Redezeit, Herr Kollege Bötsch, reicht leider nicht aus, um dieses Sündenregister vorzulesen.Die SPD hat offensichtlich immer noch nicht begriffen, daß es ihr überhaupt nichts nützt, sondern im Gegenteil nur schadet, wenn sie diese außerordentlich erfolgreiche Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik dieser Bundesregierung derartig attackiert, wie es auch in der zweiten Lesung des Haushalts und heute morgen in der Rede des Kollegen Willy Brandt immer wieder geschehen ist. Denn die wahren Fakten sehen ganz anders aus, und die Leute draußen wissen das.
— Herr Kollege Klejdzinski, bei allem politischen und persönlichen Respekt vor Ihnen: Ich habe eine Redezeit von 25 Minuten. Darf ich Sie bitten, mir Gelegenheit zu geben — das ist nicht gegen Sie gerichtet —, im ganzen vorzutragen.Meine Damen und Herren, innerhalb dieser verfehlten Taktik kam natürlich als erstes wieder diese ausgeleierte Platte vom Abbau der sozialen Sicherheit, von der wachsenden Armut. Dann fiel der Satz des Kollegen Wieczorek: Die Sozialleistungen werden in Deutschland regelrecht zusammengeknüppelt.
Was ist eigentlich die Wahrheit? Wahrheit ist — und sollten Sie nicht stenographieren, dann schreiben Sie es mit, ich spreche entsprechend langsam —, daß die Sozialleistungen in der Bundesrepublik Deutschland seit 1982 kontinuierlich angestiegen sind
und von Sozialabbau überhaupt nicht die Rede sein kann.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19569
Dr. Riedl
Nun nenne ich Ihnen die Zahlen: Gegenüber 1982 wurden die Sozialleistungen 1986 auf 604 Milliarden DM in Deutschland im Sozialetat angehoben. Das sind 80 Milliarden DM mehr als 1982.
Damit Sie eine Vorstellung von Milliarden haben: Die Schulden der Neuen Heimat betragen 19 Milliarden DM. Die Sozialleistungen von 1982 auf 1986 sind um 80 Milliarden DM angestiegen. Man muß ja, weil Adam Riese bei der SPD nur noch selten vorbeikommt, so etwas immer verdeutlichen, meine Damen und Herren.
Allein 1986 wachsen die Sozialleistungen um 5,5% bei stabilem Geldwert. Gestern kam die Meldung des Statistischen Bundesamtes, daß die Zahlen im November bei der Preissteigerungsrate minus 1,1% betragen. Das heißt: Im November 1986 liegen die Preise um 1,1 % niedriger als 1985.
Ich komme schon darauf, Herr Kollege Dr. Becker. Ich komme sofort darauf. Sie müssen nur Geduld haben.Wahrheit Nummer zwei. 1982 waren die Systeme der sozialen Sicherheit durch Inflation und Wirtschaftskrise akut gefährdet. Die gesetzliche Rentenversicherung und die Bundesanstalt für Arbeit waren in einer schweren Finanzkrise. Wir haben j a stundenlang hier darüber geredet. Die Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung war zunehmend angespannt. Die Bundesanstalt für Arbeit verzeichnete 1982 ein Finanzierungsdefizit von 7 Milliarden DM, das Liquiditätshilfen des Bundes in gleicher Höhe erforderlich machte.Wahrheit Nummer drei. Ohne Wiedergewinnung eines nachhaltigen und inflationsfreien Wachstums, ohne Wiederanstieg der Beschäftigung und ohne Konsolidierung ist soziale Sicherheit überhaupt nicht zu gewährleisten. Das kriegen Sie nicht einmal im Himmel droben. Die Bundesregierung hat mit Sofortmaßnahmen mit dem Haushaltsbegleitgesetz 1983 und 1984 die sozialen Sicherungssysteme aus der akuten Gefahrenlage gebracht.
Das ist heute kein Thema mehr. Das ist die Leistung der jetzigen Regierung von CDU/CSU und FDP.
Wahrheit Nummer vier. In der gesetzlichen Rentenversicherung — das sage ich an alle, die bereits Rentner sind oder demnächst in Rente gehen — haben wir seit 1985 zum ersten Mal wieder einen Überschuß, und zwar von 1,3 Milliarden DM. Die Reserven der Rentenversicherung, die ohne Sofortmaßnahmen Ende 1983 auf nur noch 8,9 Milliarden — das waren 0,9 Monatsausgaben — zu sinken drohten, werden nach den Ergebnissen des Rentenanpassungsberichts bis 1990 auf 2,3 Monatsausgaben steigen. Also: 2,3 Monatsausgaben sind Reserve. Die Renten sind sicher. Norbert Blüm hat das gestern für die Bundesregierung und für uns alle hier dokumentiert und versichert.
Die Rentner profitieren aber auch — jetzt darf ich noch mal auf die Preisstabilität kommen — von der wiedergewonnenen Preisstabilität. Die Renteneinkommen waren 1980 und 1981 zwar — darauf sind Sie immer noch stolz — jeweils um 4% gestiegen, aber die Preissteigerungsrate betrug 6,3%. Da war echt Minus in der Brieftasche der Rentner. 1987 steht statt des Minus ein Plus vor der Zahl. Die Rentenanpassung, auch bereinigt um den Krankenversicherungsbetrag, beläuft sich effektiv auf plus 3%. Das ist eine Leistung trotz schwieriger Haushaltslage, für die uns die Rentner dankbar sind.
Wahrheit Nummer fünf. Wir haben den wiedergewonnenen Handlungsspielraum
für wichtige Leistungsverbesserungen im sozialen Bereich genutzt. Ich führe es einmal stichwortartig aus — daß Sie das alles bestreiten, ist wirklich erschütternd —:
Gewährung von Kindergeld für arbeitslose Jugendliche — das haben wir gemacht —, Einführung eines Kindergeldzuschlags für Berechtigte mit geringem Einkommen — das haben wir gemacht —, Verdoppelung des Ehegattenfreibetrags bei der Arbeitslosenhilfe, Steuerbefreiung bei Vorruhestandsleistungen, Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rente, Heraufsetzung des Wohngelds, Einführung eines Erziehungsgelds, verstärkte Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer. Das hat diese Regierung von CDU/CSU und FDP gemacht. Sie können von diesen Erfolgen für unsere Bevölkerung heute nicht einmal träumen.
Es ist ja auch unwahrscheinlich, mit welcher — für mich als Bayern geht das Wort ein bißchen schwer über die Lippen — Chuzpe die Sozialdemokraten sich immer mit dem Anspruch hinstellen, Hüter der sozialen Gerechtigkeit zu sein. Ich hatte j a das Glück, einer der wenigen von Ihnen hier zu sein, die den Herrn Rau in dieser Woche persönlich hören durften, und zwar auf dem Gewerkschaftskongreß der Deutschen Postgewerkschaft am letzten Sonntag in Nürnberg. Also, was der von sozialer Gerechtigkeit alles erzählt hat, ist unglaublich. Nur: Nichts davon haben die Sozialdemokraten gemacht. Das war eine Leistungsbilanz der CDU/CSU-FDPBundesregierung.
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19570 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Dr. Riedl
Jetzt darf ich zur Arbeitslosigkeit kommen, zu einem Problem, das nach wie vor außerordentlich beachtlich ist, das von uns überhaupt nicht falsch diskutiert wird und das wir in seinem Kern sehen.
— Sie sitzen ja auf einem guten Arbeitsplatz, den Ihnen wahrscheinlich niemand — außer dem Wähler — so schnell streitig macht. Aber die, die draußen vermehrt Arbeit bekommen haben, haben diese Mehrarbeit auch der Politik seit 1982 zu verdanken. —
Meine Damen und Herren, wenn die SPD jetzt dazu übergeht — das kommt heute in der Debatte sicherlich noch mehrmals vor —, die Zahlen anzuzweifeln, die zwischen der Bundesanstalt für Arbeit und dem Statistischen Bundesamt in vollem Einvernehmen erarbeitet worden sind, dann ist das der letzte, der allerletzte Versuch von Ihnen, meine Damen und Herren, diese Politik in Zweifel zu ziehen.Wir hatten im September 1983 25 560 000 Beschäftigte. Im September 1986, also drei Jahre später, hatten wir in Deutschland 26 170 000 Beschäftigte. Das sind — bereinigt — 610 000 Erwerbstätige mehr. Und dann stellte sich ein Sozialdemokrat gestern abend hier ans Rednerpult und sagte: Diese Zahlen sind falsch.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen sind, wie gesagt, im Einvernehmen zwischen Bundesanstalt für Arbeit und Statistischem Bundesamt erarbeitet worden.
Weitere 250 000 neue Arbeitsplätze kommen nach den Vorhersagen der Forschungsinstitute und des Sachverständigenrates nächstes Jahr noch hinzu. Seit 1982 haben wir rund 700 000 Frauen mehr als bisher wieder Arbeit verschafft. Das sind Frauen, die wegen Aussichtslosigkeit bis 1982 gar nicht zum Arbeitsamt gegangen sind, die bisher nicht erwerbstätig waren
und die auch nicht aus einer schulischen oder beruflichen Ausbildung kamen. Also, das waren echt sich neu um Arbeit bemühende Frauen, 700 000 seit 1982, meine Damen und Herren.
Wir haben die Kurzarbeit zurückgeführt. Ich lade Sie ein, einmal zu mir nach München zu kommen. Dann gehen wir ins Arbeitsamt an der Thalkirchener Straße. Massenarbeitslosigkeit — das, was Sie immer sagen — gab es Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre, mit Zehntausenden von Menschen, die vor den Arbeitsämtern, vor den Betrieben und Unternehmen anstanden und nach Arbeit suchten.Heute haben wir ein strukturelles Problem der Arbeitslosigkeit.
Wir als Politiker und als Regierung bemühen uns, diese strukturelle Arbeitslosigkeit materiell so abzusichern, daß die Leute keine soziale Not leiden, vor allen Dingen auch im Bereich der Behinderten, im Bereich der älteren Arbeitnehmer usw. Wir sorgen für die, die nicht in Arbeit sind, mit sozialen Sicherungsmaßnahmen in einem Maße, daß diese Leute ein geordnetes Leben führen können, meine Damen und Herren.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Weng?
Herr Kollege Weng, ich mag Sie ja wahnsinnig gern — das wissen Sie j a —,
vor allen Dingen auch als Kollege der Koalition. Aber gestatten Sie mir, daß ich die bescheidene Redezeit, die ich habe, nutze. Wir beide können uns im Haushaltsausschuß sicherlich noch oft und eingehend unterhalten.
Herr Präsident, man ist hier ja wirklich in einer schwierigen Lage, sich in die vorgegebene Redezeit einzupassen. Ich sage das vor allen Dingen für die Menschen draußen, die vielleicht den Eindruck haben, man wolle dem Kollegen das Wort nicht geben.Ich darf ein weiteres Stichwort aufgreifen, das hier ebenfalls eine Riesen-Rolle gespielt hat, nämlich das Investitionsproblem, bei dem die SPD immer mit ihrem Milliardenproblem, mit ihrem Arbeitsbeschaffungsprogramm „Arbeit und Umwelt" kommt. Ich zähle Ihnen einmal die Bereiche öffentlicher Investitionen auf, in denen wir Hunderttaudende von Arbeitsplätzen nicht nur erhalten, sondern auch neu schaffen,
und ich mache einige Bemerkungen dazu.Die Investitionen der Deutschen Bundesbahn belaufen sich 1987 auf 6,5 Milliarden DM; 6,5 Milliarden DM investiert die Deutsche Bundesbahn im nächsten Jahr. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine Steigerung um 6,6 %. Die Deutsche Bundespost, ein Lieblingsbereich für Kritik durch die SPD, wird ihr ohnehin schon hohes Investitionsvolumen 1987 noch einmal um 2,3 % auf insgesamt 18,6 Milliarden DM steigern. Da sind z. B. einige Milliarden drin für die Verkabelung, die von der SPD massivst kritisiert wird. Das sind Zehntausende von Arbeitsplätzen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19571
Dr. Riedl
Umweltprogramme: Wir finanzieren über das ERP-Sondervermögen, über die Kreditanstalt für Wiederaufbau, über die Lastenausgleichsbank. Ein typisches Beispiel läuft in diesen Tagen in München. Die CSU will den Mittleren Ring — über den Sie schon alle mit Ihrem Auto gefahren sind — untertunneln,
damit für die anwohnende Bevölkerung der Lärm wegkommt, damit der Gestank wegkommt. Wir stellen das Geld zur Verfügung
Herr Abgeordneter Mann, der Redner hat es abgelehnt, Zwischenfragen zuzulassen.
Ein Wort zu den Finanzen der Gemeinden. Es ist völlig falsch, was die SPD hier gesagt hat: daß die Finanzen unserer Gemeinden durch die Politik der Bundesregierung nicht mehr solide sind. Richtig ist, was die Deutsche Bundesbank in ihrem neuesten Monatsbericht vom November 1986 — hoffentlich haben Sie ihn schon gelesen
— dazu gesagt hat. — Herr Klejdzinski, Hermann Höcherl hat immer gesagt: Wenn ein Abgeordeter nichts weiß, dann kommt es daher, weil er nichts liest. Diesen Eindruck habe ich bei Ihnen heute morgen schon des öfteren gehabt.
Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen ist in den letzten Jahren bei den Gemeinden unter allen Haushaltsebenen am weitesten vorangekommen. Nachdem das Defizit der Gemeinden im Jahre 1981 mit gut 10 Milliarden DM ein Rekordniveau erreicht hatte, hat sich die kommunale Haushaltslage in den folgenden Jahren vor allem durch die strikt zurückhaltende Ausgabenpolitik des Bundes erheblich verbessert. Das ist die Wahrheit
über die angeblich zerrütteten Gemeindefinanzen.
Gestern in der Debatte haben vor allem die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen erklärt, als sie hier anhören mußten, daß der Ministerpräsident Rau in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren einen Sozialabbau in Milliardenhöhe gemacht hat: Das kommt davon, weil die Bundeszuweisungen an Nordrhein-Westfalen zu niedrig sind. Das ist falsch.
— Herr Vogel, als Sie noch Oberbürgermeister in München waren, haben Sie mich — ich bin seit 1969 hier im Deutschen Bundestag —
pausenlos darum gebeten, ich möchte mich in Bonn dafür einsetzen, daß mehr Geld nach München und nach Bayern kommt. Das war damals in der SPD/ FDP-Regierung.
Jetzt schimpft der Vogel darüber — jetzt heißt er nicht mehr Vogel , sondern Vogel (Berlin) —,
daß zuviel Geld nach Bayern kommt. — Es ist ja nicht zu fassen!
Ich habe nichts dagegen, wenn einer aus seiner Heimat auswandert. Aber daß er dann im Ausland über die Heimat schlecht redet, finde ich ganz unmöglich.
Um noch einmal auf die Finanznot von Nordrhein-Westfalen zu sprechen zu kommen: Ich lese seit Wochen in der Zeitung, daß Nordrhein-Westfalen die 43 000 Wohnungen der Neuen Heimat für 2 Milliarden DM kaufen möchte. Da haben sie plötzlich das Geld. Aber die Ausbildungshilfe für Studenten und Jugendliche wird gedrückt.Meine sehr verehrten Damen und Herren, die erreichten Konsolidierungserfolge dieser Regierungskoalition dürfen uns natürlich nicht veranlassen, die Hände in den Schoß zu legen. Es muß auch künftig klar sein, daß die Haushalte des Bundes unter zwei Prämissen stehen: eine Politik der Ausgabendisziplin und eine Politik der Begrenzung der Nettokreditaufnahme. Wir müssen diese Politik deshalb so fortsetzen, weil es in den nächsten Jahren eine ganze Reihe von Haushaltsrisiken geben wird, die wir auffangen müssen und die wir haushaltsmäßig verarbeiten müssen.
So haben wir bereits im Haushalt 1987 in einigen Bereichen entsprechende Vorsorge getroffen, z. B. bei der nationalen Kohlereserve, beim Wohngeld, beim sogenannten Nordprogramm zugunsten der norddeutschen Küstenländer und ihrer notleiden-
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19572 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Dr. Riedl
den Werftindustrie und beim Erziehungsjahr. Meine Damen und Herren, ich habe vorhin das mit dem Babyjahrwahlschwindel der SPD 1972 gebracht: Diese Koalition hat sichergestellt, daß ab 1. Januar 1990 5,3 Millionen Mütter in der Rentenversicherung Kindererziehungszeiten angerechnet bekommen — mit einem Gesamtvolumen von 10 Milliarden DM. Das ist ein historischer Markstein sozialer Politik, der in Europa einmalig ist.
— Herr Kollege Walther, die mittelfristige Finanzplanung bis 1990 stellt dies sicher.
— Herr Kollege Walther, Sie haben j a anschließend Gelegenheit, dazu zu sprechen.
Wenn der Vorsitzende des Haushaltsausschusses nachher ans Rednerpult tritt, soll er einmal erklären, warum die SPD in 13 Jahren Regierung nicht ein einziges Erziehungsjahr für eine einzige deutsche Mutter anerkannt hat.
Ich darf noch ein Wort zur Finanzierung der kommenden Steuerreform sagen. Wir müssen diese Politik der Ausgabenbegrenzung und der Begrenzung der Nettokreditaufnahme fortsetzen,
weil wir das große Ziel der Finanzierung der Steuerreform ganz klar und deutlich vor Augen haben. Sie soll nämlich eine echte, breit angelegte und nachhaltige Steuerentlastung für Bürger und Unternehmungen bringen. Deshalb kommt für uns als, wie man so sagt, Kompensation eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht in Frage. Ich erkläre das hier für meine Fraktion.
Woher die SPD im übrigen das Recht nimmt, ständig zu behaupten, wird würden den Weihnachtsfreibetrag für Arbeitnehmer streichen, möchte ich gerne einmal wissen. Ich erkläre hier: Wir wollen das nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf die Dauerrisiken EG-Finanzierung, Gewährleistungen kann ich aus zeitlichen Gründen hier nicht eingehen. Ich beziehe mich bei der EG-Finanzierung auf einen sehr guten Grundsatzbeschluß des Bundeskabinetts vom April 1986. Wir seitens der CDU/CSU und der FDP möchten, Herr Bundesfinanzminister, die dort aufgezeichneten Leitlinien für die künftige EG-Finanzpolitik nachhaltig unterstreichen.Meine Damen und Herren, darf ich zusammenfassen?
Ich möchte hier gern die Gelegenheit benutzen, dem Bundesminister der Finanzen, Herrn Dr. Gerhard Stoltenberg, persönlich und namens meiner Fraktion ein Wort des Dankes für seine außerordentlich erfolgreiche Haushalts- und Steuerpolitik in diesen vier Jahren zu sagen.
Herr Dr. Stoltenberg, Sie sind zu Recht Spitzenreiter in der Popularitätsskala, die der „Spiegel" alle vier Wochen veröffentlicht.
Wir freuen uns darüber, daß Sie in so großartiger Weise die Rangliste der populären deutschen Politiker anführen. Und das kommt nicht von ungefähr.
Vor allen Dingen, meine Damen und Herren: Dieser Bundesfinanzminister genießt nicht nur im Inland größten Respekt, sondern besonders im Ausland.
— Von der Qualität eines Herrn Stoltenberg können doch Sie nur träumen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, ich möchte auch ein Wort des Dankes, Kollege Walther, bei aller Unterschiedlichkeit in den politischen Grundpositionen, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und den Kolleginnen und Kollegen der Opposition sagen, mit denen wir unter Ihrem von Sachkunde, Umsicht, sehr viel Geduld und sehr viel Humor geprägten Vorsitz im Haushaltsausschuß zusammengearbeitet haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich also bei allen Kollegen im Haushaltsausschuß für die faire und gute Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg bedanken,
was natürlich nicht bedeutet, daß nicht in der Sache um jede Mark und jeden Pfennig härtestens gerungen worden wäre.Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Bundeshaushalt für 1987 in der vorliegenden Fassung zustimmen.Ich bedanke mich.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19573
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Haushaltsberatungen haben deutlich gemacht, was in den nächsten vier Jahren zu erwarten wäre, wenn die CDU ihr Motto „Weiter so" wahr machen sollte. Ich will gar nicht bestreiten, daß die CDU/CSU Glück gehabt hat. Sie kann den Eindruck erwecken, daß der derzeitige zyklische Konjunkturaufschwung durch ihr Handeln zustande gekommen sei. Aber das kennt man ja von allen Regierungen in aller Welt: Den Aufschwung steckt man sich als Orden an die Brust, am Konjunkturtief sind immer die anderen schuld.Nein, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU, Sie haben Glück gehabt. Es gibt wieder ein paar Arbeitsplätze in diesem Jahr. Die Baukonjunktur ist wirklich angesprungen. Doch Ihrem Glück steht das Pech von immer noch mehr als 2 Millionen Arbeitslosen gegenüber, für die Sie nichts getan haben
und die in Zukunft von Ihrer Sozialpolitik genausowenig zu erwarten haben wie bisher.
Es ist schon ein einmaliger Zynismus in der deutschen Politik, daß Sie es angesichts dieser mehr als 2 Millionen arbeitsloser Menschen — und das mitten im Konjunkturhoch — als Erfolg verkaufen, daß die Arbeitslosenzahlen zur Zeit nicht steigen.Erschwerend kommt noch hinzu, daß Sie durch Ihre Sozialpolitik den Arbeitslosen die ihnen zustehenden Leistungen gekürzt haben und genau das als Konsolidierungserfolg feiern lassen. Ich bin unbedingt für einen sparsamen Umgang mit Steuergeldern, ja ich halte es sogar für eine Verschwendung, wenn Sie den Banken allein für die Provisionen der wachsenden Staatsverschuldung eine halbe Milliarde DM zahlen. Doch ausgerechnet den Arbeitslosen das Geld zu kürzen ist eine zutiefst unmoralische Politik.
Das ist die Feigheit des Starken, der es den Schwachen nimmt und sich damit auch noch brüstet.
— Sie sollten vorsichtig sein, Namen zu nennen. Ich sehe immer mit Freude,
wie Sie sich moralisch geben im Zusammenhang mit der Neuen Heimat. Ich möchte Sie doch an den Zuhälter und das CDU-Mitglied Otto Schwanz in Berlin erinnern, der dort ja auch in einen Skandal verwickelt ist.
Wenn Sie sich hier immer so maralisch geben, kann ich Ihnen nur empfehlen: Seien Sie ein bißchen vorsichtiger!
Nein, meine Damen und Herren von der CDU, mit Otto Schwanz haben Sie Pech gehabt, mit der Politik haben Sie Glück gehabt; denn Sie konnten auch noch die steigenden Bundesbankgewinne dafür nutzen, den Haushalt zu konsolidieren.Faßt man alles zusammen und bedenkt man, daß wir heute die gleiche Verschuldungssituation wie 1982 haben und mehr Zinsen dafür zahlen, dann muß man von einer Konsoldierungslüge sprechen. Sie haben Stabilität versprochen, aber soziale Unsicherheit gebracht. Ja, genau das ist die Konsolidierungslösung.Wenn man bedenkt, wofür Sie Geld ausgeben und wofür nicht, dann stellt man fest, daß die Koalitionsparteien keine Zukunftsvorsorge betreiben. Es ist so, wie Sie sich in dieser Haushaltsdebatte gegeben haben: Sie leben in Saus und Braus auf Kosten der Zukunft.Die Koalition ist noch nicht einmal bereit, in ausreichendem Maße alternative Energien zur Atomkraft zu erforschen und zu fördern. Trotz Tschernobyl setzen Sie weiter ungebrochen allein auf die Atomenergie. Hier geht es Ihnen offensichtlich nur noch um Glaubensbekenntnisse. Mit Rationalität hat das alles nichts mehr zu tun.
Die Sorge der Menschen angesichts Ihrer Atompolitik ist doch berechtigt. Seien Sie sicher: Seit dem Informationschaos nach Tschernobyl in der Bundesregierung traut Ihnen doch keiner mehr, wenn Sie von der Sicherheit der Atomkraftwerke sprechen.Und noch ein Hinweis, um zu zeigen, wie ernst Sie das eigentlich nehmen: In Ihren Schubladen liegen doch die Katastrophenpläne. Es ist ein Wahnsinn, was darin steht. Während des Durchzugs einer atomverseuchten Wolke wird nicht evakuliert, heißt es da, erst danach. Was ist das für eine Zukunft, die wir da zu erwarten haben?Für den Atommüll haben Sie immer noch keine Lösung. Der wird noch jahrtausendelang strahlen. Und zu dieser gefährlichen veralteten Form der Energiegewinnung entwickeln Sie noch nicht einmal Alternativen! Das ist pure Verantwortungslosigkeit.Nun hatten wir GRÜNEN in der Haushaltsdebatte einen ganz kleinen Antrag gestellt, nämlich den Antrag, den Verbraucherschutzinitiativen 1 Million DM zur Verfügung zu stellen, um Verbraucheraufklärung über die Verstrahlung von Lebensmitteln betreiben zu können. Heute morgen kam im Radio übrigens wieder die Meldung, daß in Baden-Württemberg die Milch ein weiteres Mal verstrahlt ist, weil die Bauern verstrahltes Heu verfüttert haben.
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19574 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Dr. Müller
Sehen Sie, meine Damen und Herren, heute bekommen Familien die Becquerel-Werte der Babynahrung aus Zeitschriften, die da „Freundin", „Brigitte", „Petra" oder sonstwie heißen. Da gibt es dann die „Brigitte"-Werte für den Kinderbrei, und kein Mensch kann nachvollziehen, woher diese Werte überhaupt kommen, ob sie objektiv gemessen sind.Wenn wir da 1 Million DM für anständige Messungen von unabhängigen Instituten fordern — dem nachzukommen wäre doch wenigstens ein Schritt der Aufklärung.Bedenken Sie: Was sind 1 Million DM, wenn Sie das Neunhundertfache dessen für Atomforschung ausgeben? 900 Millionen DM für die Atomforschung und nicht 1 Million DM für die Verbraucheraufklärung — so ernst nehmen Sie die Sorgen der Menschen nach Tschernobyl, und das ist ein Skandal!
Es ist zu bedauern, meine Damen und Herren von der SPD, daß Sie diesem Antrag im Haushaltsausschuß und auch hier im Plenum nicht zugestimmt haben.
Ein weiteres Beispiel: die Chemiekatastrophen. Da werden der Rhein und die Nordsee auf Jahre zerstört. Wir werkeln heutzutage mit so giftigen Stoffen, daß eine einzige Brandkatastrophe ein ganzes europäisches Ökosystem vernichtet. Chemisch giftige Stoffe werden in krimineller Weise an die Umwelt abgegeben.Das kann doch nicht die Zukunft sein, daß der kleinste Fehler Mensch und Natur gleichermaßen in diesem Ausmaß bedroht und vernichtet. Diese Ultragifte, die in allerkleinsten Mengen töten, müßten doch längst verboten sein. Eine chemische Industrie, die heute noch derartige Gifte verwendet, ist doch völlig veraltet und überholt.Doch was macht die Bundesregierung in dieser Frage? Stellt sie Forschungsgelder zur Verfügung zur Entwicklung einer umweltfreundlichen Chemie oder umweltfreundlicher Produktionsverfahren? — Nichts tut sie in diesem Bereich. Die Bundesregierung verschläft noch immer die ökologische Zukunft der Bundesrepublik. Das ist das Schlimme an Ihrem Optimismus, den Sie hier verbreiten.
Amtliches Regierungsprinzip ist Gesundbeten und Handauflegen. Letzteres betreibt Umweltminister Wallmann am schlimmsten,
der im Angesicht der Chemiekatastrophen entlang des Rheins die Industrie bittet, doch ein bißchen verantwortungsvoller zu sein. Die Industrie dankt ihm diese Freundlichkeit und dieses Entgegenkommen, indem sie noch eine Fuhre Gift hinterherschickt. Das ist die Situation.
Was hier in den letzten Wochen rheinauf, rheinab der Umwelt und den Menschen angetan worden ist, ist als kriminell zu bezeichnen. Es ist übrigens auch eine Verhöhnung des Rechtsstaats.
Wenn irgendwann wirklich auch nur einer der Gifteinleiter vor Gericht stehen sollte, dann wird sich herausstellen, wie zahnlos dieser Rechtsstaat in dieser Frage ist, wenn es um den Schutz der Natur geht. Die gesamte Umweltschutzgesetzgebung wird sich erneut als eine Industrieschutzgesetzgebung herausstellen. Eine Strafe für die Rheinvergifter ist bei Ihnen nicht vorgesehen. Wir werden es j a erleben. Ich glaube nicht, daß auch nur einer dieser Chemiekriminellen vor Gericht gestellt wird.Aus den Parteispenden- und Flick-Prozessen wissen wir ja, was wir zu erwarten haben.Auch in der Außenpolitik betreiben Sie alles andere als Zukunftsvorsorge. Im Gegenteil, die Auslandsinterviews von Herrn Kohl sind nicht nur geschmacklos, sie sind ein Sicherheitsrisiko geworden. Man sollte sich doch eigentlich in einem einig sein, Herr Friedmann: daß die Raketenzusammenballung in Mitteleuropa ein riesiges Gefährdungspotential ist. Das gilt gleichermaßen für SS 22, SS 21 usw. und Pershings und Cruise Missiles.Doch was kriegen wir jetzt von seiten der CDU zu hören? — Eine Null-Lösung, also der erstrebenswerte beiderseitige Abzug, komme nicht in Frage. Ein Blick auf die steigenden Rüstungsausgaben verdeutlicht dies.
Sie wollen keine Zukunft der Entspannung zwischen den Blöcken, sie wollen keine Zukunft ohne Waffen. Ihre Außenpolitik und Ihre Sicherheitspolitik sind eine Politik des Kalten Krieges und sonst gar nichts. Und das ist für unsere Zukunft zu gefährlich; das kann sich die Bundesrepublik, das können wir Menschen uns nicht leisten.
Bedenkt man all dieses, rechnet man die ökologischen, friedenspolitischen und sozialen Chancen aus, die Sie für die Zukunft vertun, dann stimmt Ihr Wort von der Richtungswahl, die auf uns zukommt. Wir GRÜNEN sehen das mit der Richtungswahl auch so. Es geht um die Frage, ob die Probleme weiterhin verniedlicht und verdrängt werden oder ob wir beginnen können, Zukunft zu gestalten, und zwar nach ökologischen, friedenspolitischen und sozialen Kriterien.
Ein paar Sätze zu Ihrer SPD, Herr Brandt, und dem Zustand, in dem sie sich zur Zeit befindet. Mit dem Gerede von der eigenen — und das heißt ja wohl absoluten — Mehrheit der SPD haben Sie jede Glaubwürdigkeit verloren, die Regierung Kohl wirklich ablösen zu wollen. Es war doch Traumtänzerei, zu verkünden, Sie könnten ohne die GRÜNEN in diesem Haus jemals die Mehrheitsverhältnisse ändern. Das war natürlich auch politisch töricht, Herr Brandt. Nicht nur der Verlust der Glaub-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19575
Dr. Müller
würdigkeit, nein, ihr damit verbundener Wille, die GRÜNEN hier wieder herauszudrängen, erinnert doch fatal an die Arroganz der Macht, mit der Sie in Bundesländern regieren, in denen Sie die absolute Mehrheit haben, und erinnert doch an die Verfilzung von Staat, Partei und anderem, wie wir sie in Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen beobachten.
Sehen Sie, Herr Brandt, die GRÜNEN mögen nur etwa 7 % der Wählerstimmen bekommen. Doch gerade angesichts der fortschreitenden ökologischen Krise, der Verkrustung und Trägheit der Altparteien — ich glaube, Sie wissen langsam, wovon ich rede —
gibt es eine Mehrheit in der Bevölkerung, die auch in kritischer Distanz froh ist, daß es die GRÜNEN noch im Parlament gibt. Ich bin felsenfest davon überzeugt: Eine Mehrheit in dieser Bevölkerung — sie wählt uns nicht — ist froh darüber, daß es die GRÜNEN gibt. Denn wir haben hier nicht nur Fragen aufgeworfen, wir haben auch Lösungen angeboten, über die es sich wahrlich zu diskutieren lohnt.
Dieser Mehrheit haben Sie vor den Kopf gestoßen mit dem Gerede von der absoluten Mehrheit, die Sie wollten. Das war eine Verdrängungsstrategie. Sie haben dafür im Augenblick die Zeche zu bezahlen.
Statt inhaltliche Auseinandersetzung anzubieten, haben Sie mit dem Absolutheitsanspruch von Herrn Rau diese Wähler vor den Kopf gestoßen. Sie haben sich verhalten wie eine beleidigte Leberwurst, der man nicht nur die Regierung weggenommen, sondern auch noch die GRÜNEN in den Nakken gesetzt hat.
In diesem Nacken gedenken wir zu bleiben, um konkrete Problemlösungen zu finden in der Auseinandersetzung — selbstverständlich nicht nur mit Ihnen, sondern auch mit den anderen Parteien hier im Hause.Herr Geißler hat da viel klüger reagiert. Er greift zwar alle naselang in den Schmutzkübel der Diffamierung, aber daß wir weg sollen, hat er nie gesagt. Was soll eigentlich das Gerede, wir würden der SPD Stimmen wegnehmen? Wähler hat man doch Gott sei Dank nicht als Erbpacht. Sie entscheiden selbst, was die Probleme sind, und entscheiden selbständig, wie ernst sie diese nehmen. Wenn sie die ökologischen und sozialen Probleme ernst nehmen, dann wählen sie die GRÜNEN.
Da brauchen Sie nicht beleidigt zu sein. Es besteht eine Situation in der Bundesrepublik, in der es entscheidend darauf ankommt, daß die GRÜNEN es weiter schaffen, die ökologische Krise und die soziale Krise, die von Ihrer früheren Regierung und von der jetzigen noch mehr verursacht und betrieben worden ist, im Bewußtsein zu halten und Lösungsversuche auch in Gang zu setzen.
Bedenken Sie: Die ökologische Krise ist für die industrielle Gesellschaft eine derart fundamentale Herausforderung, daß es leichtfertig wäre, diese Lösung allein an Partei- und Machtkonstellation zu binden. Das ist doch die Grundlage dafür, daß für uns GRÜNEN die Verbindung mit sozialen Bewegungen, mit Bürgerinitiativen, deren Prinzip Überparteilichkeit und parteiübergreifendes Handeln ist, so wichtig ist.Mit Ihrem Wunsch, Herr Brandt, dem Wunsch der SPD, die GRÜNEN hier wieder herauszubringen, haben Sie bis heute notwendige Chancen einer reformpolitischen Offensive, auf die viele Menschen hoffen, verspielt. Der Traum von der Macht mit Herrn Rau war wichtiger als die Veränderung der Wirklichkeit.Herr Brandt, es gibt doch einiges, was mit den GRÜNEN zu erreichen wäre: die wichtige und längst überfällige Ablösung der Atomenergie durch moderne Energieformen; der Abzug der Mittelstreckenraketen, um friedenspolitisch oder entspannungspolitisch überhaupt wieder handlungsfähig zu werden. Die CDU verhärtet doch zur Zeit die Blockkonfrontation. Oder bedenken Sie: eine solidarische Politik gegenüber den Hungerländern der Dritten Welt — wie wichtig wäre das —, eine Offensive für Menschenrechte in Ost und West, eine konsequente Politik gegen Apartheid und eine konsequente Politik gegen Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise durch die Besetzung von Afghanistan, oder endlich, endlich anzufangen mit einer ökologisch orientierten Wirtschaftspolitik, die Arbeitsplätze schaffen würde. Das wären Schritte, auf die wir nicht warten können.Nein, Herr Brandt, Ihre SPD liegt zur Zeit nicht nur darnieder, weil der Untersuchungsausschuß über die Neue Heimat all das aufspült, was Vergangenheit war, und auf diese Weise deutlich macht, wie eng Staat, Partei, Gewerkschaft und deren Führung mit dem Niedergang der Neuen Heimat verknüpft gewesen sind; es liegt auch daran, daß man nicht an den Absolutheitsanspruch glaubt, den Sie mit dem Gerede von der eigenen und absoluten Mehrheit verkündet haben, und daß man in der Bundesrepublik merkt, daß Sie damit nur von den wirklichen Problemen ablenken wollten, über die zu streiten und zu diskutieren sich lohnen würde. Für
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19576 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Dr. Müller
diesen Streit und diese Diskussion werden wir hier auch in Zukunft wieder arbeiten, und das nicht zu knapp.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoppe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem Gedankenaustausch zwischen den GRÜNEN und der SPD und der klaren Zielansprache dieser Gruppierung durch den Parteivorsitzenden der SPD
und meinem früheren Regierenden Bürgermeister von Berlin lohnt es sich vielleicht, daran zu erinnern, daß im vorigen Jahr ein Parteisprecher der Berliner SPD meinte, die Alternativen seien das Salz in der Suppe. Nun ist den Sozialdemokraten die Suppe inzwischen total versalzen worden, aber es mag durchaus verständlich sein, daß sich in der SPD mancher nach Pfeffer und Salz sehnt. Nur: Das neidvolle Schielen nach der alternativen Sponti-Bewegung
— aber dahin schiele ich nun nicht — macht die Sozialdemokraten dann eben doch zu fördernden Mitgliedern einer für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland ganz und gar unbekömmlichen Truppe.
Es war ausgerechnet am 17. Juni, als sich die GRÜNEN dafür aussprachen, auf die Wiedervereinigung zu verzichten. Sie fordern die einseitige Abrüstung, den Abbau der Bundeswehr und sind gegen die Partnerschaft mit den USA und wollen den Austritt aus der NATO. Welche Konsequenzen dies hätte, ist jedem einsichtigen Bürger in unserem Lande klar.
Diese unbekömmliche Mischung von Thesen, absolut gesetzten Werten und Katastrophenvisionen hat eben jene destruktive Wirkung, die für die Gestaltung der Zukunftsaufgaben unfähig macht.
Und doch, wir müssen sehen: Der Streit um die Kernenergie, der nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erneut entbrannt ist, hat uns in einer Situation der Bewußtseinsveränderung getroffen. In dieser Phase einer Orientierungskrise verkürzt sich Kritik vielfach auf bloßen Widerspruch, und der Protest richtet sich verstärkt gegen die Lebensformen der Industriegesellschaft. Offenbar hat uns die rasante technische Entwicklung überrollt. Es scheint — jedenfalls bislang — noch nicht gelungen, Fortschritt und Technik geistig zu durchdringen. Das rationale Erkennen der technischen Möglichkeiten bleibt aber eine unverzichtbare Aufgabe; denn wir brauchen ein dem Fortschritt aufgeschlossenes geistiges Klima. Technik ist nach Ortega y Gasset Anstrengung, um Anstrengung zu sparen. Es kann nicht darum gehen, den Fortschritt aufzuhalten, sondern es geht darum ihn in den Dienst der Menschen zu stellen.
Bei aller Verbesserung der Technologien muß allerdings die Besinnung auf das menschliche Maß im Vordergrund stehen.
Den Ängstlichen sei in diesem Zusammenhang noch einmal gesagt, daß nicht zuviel Technik die Ursache des Unglücks von Tschernobyl war, sondern zuwenig Technik und zuviel Schlamperei.
Nicht weniger, sondern verbesserte Technik und mehr Sorgfalt können die Wiederholungsgefahr verringern.
Dies gilt nicht nur für die Kernenergie. Die chemische Industrie hat fürwahr allen Grund, nach diesen Grundsätzen zu verfahren. Wenn weiter vertuscht und kaschiert wird, fällt es schwer, überzeugende Antworten auf die Grundfragen des Lebens in unserer modernen Industriegesellschaft zu finden. Aber erst wenn dies geschehen ist, werden wir wieder die notwendige Festigkeit und Orientierung in unserem politischen Handeln zurückgewonnen haben.Meine Damen und Herren, es steht außer Zweifel, daß die Gewährleistung der internationalen Sicherheit das Hauptziel der Entspannungspolitik ist. Für dieses Ziel sind unerläßlich: Abrüstung, Stärkung des internationalen Vertrauens, Überwindung der Abgeschlossenheit des sozialistischen Systems und Schutz der Menschenrechte auf der ganzen Erde. Die Welt muß die absolute Unzulässigkeit eines Atomkriegs begreifen, den gemeinschaftlichen Selbstmord der Menschheit.Keine Macht könnte einen nuklearen Krieg gewinnen. Wir müssen uns systematisch, wiewohl mit Vorsicht um eine vollständige nukleare Abrüstung auf der Basis eines strategischen Gleichgewichts der konventionellen Waffen bemühen.
Meine Damen und Herren, schon 1982 hat uns Andrej Sacharow dazu den Rat gegeben:Die Erörterung von Friedens- und Sicherheitsproblemen muß von maximaler Objektivität und Unvoreingenommenheit sein, mit gleichem Maß an die sich gegenüberstehenden Lager herangehen, wobei ihre Besonderheiten in Be-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19577
Hoppetracht gezogen werden müssen, die Verschiedenartigkeit ihrer Ordnung nach außen, die unterschiedlichen Stufen ihrer Demokratisierung, die verschiedenen politischen Doktrinen und Praktiken.
Die Probleme der Friedenserhaltung, der internationalen Sicherheit und der Abrüstung müssen absoluten Vorrang vor allem haben. Abrüstungsverhandlungen müssen ständig und beharrlich geführt werden, ungeachtet aller sie begleitenden Schwierigkeiten. Es ist notwendig, ein strategisches Gleichgewicht auf dem Gebiet der konventionellen Waffen herzustellen. Beide Seiten müssen auf ihre Sicherheit vertrauen können, ohne gezwungen zu sein, auf thermonukleare Atomwaffen und andere Massenvernichtungsmittel zurückzugreifen, die den Bestand der Menschheit und der Zivilisation bedrohen.Und immer noch Sacharow:Es müssen internationale Anstrengungen unternommen werden, die alle Menschen mit einbeziehen, um die Abgeschlossenheit der sozialistischen Länder zu überwinden und um die Menschenrechte zu schützen. Das entspräche dem Geist der Schlußakte von Helsinki.Meine Damen und Herren, die Freien Demokraten treten deshalb dafür ein, daß die Rüstungskontrollverhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zu einem erfolgreichen Abschluß für alle Bereiche geführt werden.
Wir unterstützen darum nachhaltig die Erklärung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion vom 8. Januar 1985, daß es ihr gemeinsames Ziel ist, den Rüstungswettlauf im Weltraum zu verhindern und ihn auf Erden zu beenden.Jetzt aber kommt es darauf an, die Chancen von Reykjavik konsequent zu nutzen.
Die Beseitigung aller sowjetischen und amerikanischen Mittelstreckenraketen in Europa muß der erste Schritt sein, Herr Vogel. Sie war und ist das Ziel der NATO-Strategie,
wie wir sie von Anfang an unterstützt haben und wobei Sie uns auf diesem Weg leider verlassen haben.
Meine Damen und Herren, der Ausstieg aus der Rüstungsspirale,
wie er mit dem Doppelbeschluß versucht wurde, ist jetzt greifbar nahe.
Den Durchbruch dürfen wir nicht durch nachgeschobene Konditionen wieder zumauern.
Weder ein draufgesatteltes Junktim noch eine Aushebelung der bislang praktizierten SALT-II-Anwendung
können wir deshalb im Augenblick gebrauchen.
Meine Damen und Herren, das Konzept der Europäer muß bleiben, durch Abrüstung mehr Stabilität und Sicherheit zu schaffen. Die europäischen Demokratien müssen die Schlußakte von Helsinki offensiv nutzen, um das Bewußtsein ihrer europäischen Identität zu stärken. Die Menschen in Osteuropa erwarten dies von uns.Die deutsch-deutsche Zusammenarbeit wird dadurch gefördert, aber sie wird zugleich auch gefordert. Aktive Friedenspolitik auch mit der DDR ist das Gebot der Stunde. Die Menschen im geteilten Deutschland werden die Nutznießer sein, und deshalb müssen sie auch aktiv daran mitarbeiten.Wenn zur Stunde der ideologische Schlagabtausch wieder aufbrandet, die Dialog- und Vertragspolitik durch Absagediplomatie ersetzt wird und die Polemik überhandnimmt, dann ist dies dennoch für uns kein Grund, hysterisch zu reagieren.
Nein, meine Damen und Herren, die Zeichen der Zeit stehen nun einmal auf Zusammenarbeit. Von Moskau und Ost-Berlin ist das Interesse an der Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft und in Umweltfragen offenkundig, so daß sich alsbald wieder ein sachliches Gesprächsklima einstellen wird. Solange aber hier die Wahlkampftrommeln dröhnen, wird in Ost-Berlin die Verlockung vorherrschen, daraus Kapital zu schlagen und gleichzeitig brüderlichen Sozialismus mit Moskau zu demonstrieren.
Bei uns sind in einer solchen Phase weder Holzhakker noch Handlanger gefragt,
aber leider läßt der Schulterschluß der Demokraten immer noch auf sich warten.
Meine Damen und Herren, in der ersten Lesung des Haushaltsentwurfs 1987 habe ich von einem maßgeschneiderten Anzug mit ausgebeulten Taschen und ausgefransten Hosen gesprochen. Die ausgebeulten Taschen haben wir gestrafft. Vom Entwurf bis zur Verabschiedung haben wir die Neuverschuldung um 2 Milliarden DM reduziert.Meine Damen und Herren, der Abbau der Arbeitslosigkeit muß das bestimmende Ziel der Haushalts- und Finanzpolitik bleiben, wenn die Markt-
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19578 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Hoppewirtschaft nicht ihre soziale Einbindung verlieren soll.Zu bedauern bleibt der Anstieg der Subventionen, und dies in einem Augenblick, in dem so viel über Subventionsabbau gesprochen wird.
Der große Wurf soll in der nächsten Legislaturperiode im Zusammenhang mit der Steuerreform kommen.
Meine Damen und Herren, die Ankündigungen sind jetzt bestimmt bis in den letzten Winkel gedrungen;
die Flops der letzten Jahre sind aber leider ebenfalls allen in guter Erinnerung. Deshalb kann ich nur hoffen — und uns alle dringlich ermahnen —, diesmal den Willen auch Wirklichkeit werden zu lassen.
Meine Damen und Herren, der Sachverständigenrat, der Bundesverband der Deutschen Industrie und die liberalen Wirtschaftswissenschaftler des Kronberger Kreises
kommen — natürlich mit unterschiedlichen Akzenten — zu der Feststellung, daß sich die Aufwärtsentwicklung der letzten vier Jahre auch 1987 fortsetzen wird. Es besteht die Hoffnung auf eine weitere Zunahme der Beschäftigung und einen Abbau der Arbeitslosigkeit.Die Bundesrepublik Deutschland ist in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung ein gutes Stück vorangekommen, und dies vollzieht sich dank der bisherigen Sparpolitik auch auf einem soliden Fundament. Die Professoren des Kronberger Kreises konstatieren:Die Preise sind wieder stabil. Die Sanierung der öffentlichen Haushalte ist vorangekommen. Der Verfall von Kapitalbildung und Investitionen in der gewerblichen Wirtschaft ist gebremst. Die Kapitalfehllenkung ist geringer geworden. Die Zahl der Beschäftigten nimmt zu.
Im Prozeß der Genesung der Wirtschaft sind wir also ein gutes Stück weitergekommen, doch reichen die Erfolge noch lange nicht aus. Der größte Teil der Reformarbeit steht noch an. Leider suggeriert unsere erfolgreiche Politik mit Wirtschaftswachstum, Preisstabilität und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei vielen, daß das Sparen nun beendet werden könne Das ist ein ganz gefährlicher Trugschluß.
Wir sind es den 2 Millionen Arbeitslosen schuldig,
den arbeitsplatzschaffenden Investitionen nach wie vor Vorrang einzuräumen.
Deshalb müssen wir Schuldenlast und Zinsdruck von den öffentlichen Haushalten nehmen.
Es ist ein bedenkliches Zeichen, daß die jährlichen Zinsausgaben des Bundes immer noch höher sind als die jeweils zur Verfügung stehenden Mittel für Forschung, Bildung und Wissenschaft, Entwicklungshilfe, Umwelt, Landwirtschaft und Bau.Zur Erhärtung der These, daß wir mit unserer Arbeit noch nicht am Ende sind, sei eine Rückblende erlaubt: 1979, beim Start der FDP-Offensive gegen die Schuldenpolitik, bezifferten sich die Schulden des Bundes auf rund 200 Milliarden DM, und die Gesamtverschuldung des Staates betrug rund 410 Milliarden DM. Jetzt sind allein die Schulden des Bundes auf diesen Betrag aufgelaufen, und die Gesamtverschuldung ist auf rund 800 Milliarden DM angestiegen. Aus der jetzigen Schuldenlast ist der Bundeshaushalt jährlich mit Zinsausgaben von rund 30 Milliarden DM belastet. Tendenz leider steigend.
Daß die deutliche Absenkung der Neuverschuldung vom warmen Regen des Bundesbankgewinns begleitet war,
soll ebenfalls nicht verschwiegen werden.
Für Regierung und Parlament muß deshalb strenge Disziplin bei den öffentlichen Ausgaben weiterhin erste Priorität haben.
Sich dazu zu bekennen heißt dann aber auch, auf viele — im einzelnen durchaus begründbare — Wünsche und Forderungen zu verzichten. Der Gegenwert sind weniger Steuern, mehr wirtschaftliche Dynamik und ein höherer Wohlstand.Meine Damen und Herren, der Finanzplanungsrat hat jüngst — in seiner Sitzung am 21. November — noch einmal ausdrücklich festgestellt, daß die Konsolidierung des Haushalts unverzichtbare Grundlage für eine positive Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung in unserer Volkswirtschaft ist.
Gleichzeitig hat uns der Rat alle ermahnt, die Anstrengungen zu verstärken, weil sich der Abbau der Finanzierungsdefizite 1986 eben nicht weiter fortgesetzt hat.Angesichts der immer noch zu hohen Schulden mit den drückenden Zinsausgaben, die weiter stei-
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Hoppegen, darf deshalb die Konsolidierung nicht eingemottet werden.
Das hier skizzierte finanzpolitische Programm hat vor allem eine qualitative Dimension: Es geht um eine neue Grenzbestimmung zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Dies bedeutet keine Schwächung des Staates. Im Gegenteil: Dem Staat erwachsen Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit aus der Konzentration auf sein wirkliches Leistungsvermögen. Wir brauchen in der Tat einen leistungsfähigen Staat und eine gesunde Volkswirtschaft, wenn es uns allen mit der Überwindung der Arbeitslosigkeit, der Lösung der umweltpolitischen Fragen und der Bewältigung der mit der absehbaren Bevölkerungsentwicklung verbundenen Probleme ernst ist.Gerade der Blick auf die kommende Generation unterstreicht in eindringlicher Weise die Bedeutung solider und geordneter Staatsfinanzen. Liegt unsere Wirtschafts- und Finanzpolitik dazu auf dem richtigen Kurs, und wird sie konsequent und energisch genug betrieben?Professor Walter Wittmann aus Fribourg nennt Konditionen, zu denen die Industriegesellschaft die technologische Revolution bewältigen kann: Wer in den 90er Jahren nicht abgehängt werden, sondern weiter dabei sein will, muß der Politik eine marktwirtschaftliche Wende geben. Dazu gehören erstens die Durchführung von Reprivatisierungen im großen Stil, denn Produktionsbetriebe sind nun einmal keine staatliche Aufgabe,
zweitens der systematische und anhaltende Abbau der Defizite in den öffentlichen Haushalten, denn wer bei konjunktureller Erholung Defizite nicht energisch abbaut, wird bei neuer Konjunkturschwäche straucheln.
Schuldenabbau kann angesichts zu hoher Steuer- und Soziallasten nur durch eine Senkung der Staatsausgaben erfolgen. Drittens fordert Professor Wittmann die Schlankheitskur für die Subventionen. Viertens schließlich geht es um mehr Markt statt Steuern. Entsprechende Steuerreformen sind unverzichtbar. Nach der Besteuerung muß beim Steuerzahler so viel übrigbleiben, daß es sich wieder für ihn lohnt, mehr und besser zu arbeiten, zu sparen, zu investieren und zu innovieren.
Daran gemessen, ist die Politik auf dem richtigen Kurs, aber ihr fehlt noch der nötige Tiefgang.Die Politik der Koalition zielt auf ein dauerhaftes, inflationsfreies und sich selbsttragendes Wachstum. Es wäre fatal, wenn die mit der Konsolidierungs- und Stabilitätspolitik verbundenen Opfer durch einen Rückfall in die Fehler der 70er Jahre umsonst gewesen wären.Die ausländische Kritik an unserer restriktiven Haushaltspolitik ist angesichts des Außenhandelsüberschusses zwar verständlich, aber — und dies ist die mit Nachdruck vertretene Auffassung des Präsidenten der Bundesbank — sie ist nicht zu akzeptieren, weil der gewonnene Handlungsspielraum vielmehr dringend für die notwendige Steuerreform gebraucht wird.Unsere Politik baut auf finanzielle Verläßlichkeit des Staates, auf ein konfliktfreies Miteinander von Finanz- und Geldpolitik, auf eine anhaltende Entlastung der Kapitalmärkte, dauerhafte Preisstabilität und niedrige Zinsen.Nach der Bundestagswahl werden wir in eine neue Phase dieser zukunftsorientierten Politik starten. Um die dann anstehenden Entscheidungen so treffen zu können, daß sie sich auf die Situation am Arbeitsmarkt und somit zum Wohle der Arbeitnehmer auswirken, sollte sich dann auch wieder im Deutschen Bundestag jener an der Sache orientierte politische Dialog einstellen, von dem Josef Ertl in seiner Abschiedsrede mit so viel Zustimmung aus allen Fraktionen gesprochen hat. Der jetzt ausgetragene Meinungsstreit ist nicht frei von Wahlkampftaktik und Wahlkampffieber. Das hat auch die Haushaltsdebatte gezeigt. Und doch müssen wir im Interesse der Bürger zurückfinden zu einer von Toleranz bestimmten Kompromißfähigkeit, ohne die sich die auf Konsensfindung abgestellte parlamentarische Demokratie selbst aufgeben würde.
Meine Damen und Herren, lassen wir uns dabei von der Feststellung Walther Rathenaus aus dem Jahre 1919 leiten:Demokratie ist Volksherrschaft nur in den Händen eines politischen Volkes; in den Händen eines unerzogenen und unpolitischen Volkes ist sie Vereinsmeierei und kleinbürgerlicher Stammtischkram.
Meine Damen und Herren, finden wir zu einer politischen Form der Auseinandersetzung zurück, wie wir sie — und das sage ich: Gott sei Dank — im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages miteinander bewahrt haben, ich hoffe, bewahrt für das ganze Parlament, für alle Parteien.
Das Wort hat der Abgeordnete Metz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese viertägige Debatte über die gesamte Bandbreite deutscher Politik trifft die SPD in einem für sie außerordentlich ungünstigen Zeitpunkt.
Der Debattenverlauf war entsprechend. Der Auftritt des Kanzlerkandidaten fand nicht statt, andere
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Metzpersonelle Alternativen zum amtierenden Bundeskabinett auch nicht. In der Sache wurden die Alternativen entweder nicht deutlich, oder wenn sie durchschimmerten, waren sie eher abschreckend.
Nun räume ich ein, daß es eine besonders unangenehme Aufgabe für SPD-Politiker ist, ausgerechnet die Haushaltspolitik der Bundesregierung anzugreifen. Bis auf die SPD und die GRÜNEN gibt es weltweit kaum jemanden, der den haushalts- und finanzpolitischen Erfolg dieser Bundesregierung bestreitet. Bis auf die SPD und die GRÜNEN gibt es weltweit kaum jemanden, der Gerhard Stoltenberg nicht für einen erfolgreichen Finanzminister hält, meine Damen und Herren.
Nun ist selbst bei diesem guten Haushalt das eine oder andere noch verbesserungsfähig, aus der Sicht einer Opposition natürlich auch kritikwürdig.
In diesem Zusammenhang ist aber schon von Interesse, wer da eigentlich jeweils kritisiert. Nicht nur Regierende, sondern auch Opponierende müssen sich natürlich nach ihrer Legitimation und nach ihrer Kompetenz fragen lassen.Herr Kollege Dr. Apel hat die Debatte am Dienstag eröffnet. Er hat seine Rede mit einer Reihe von Aussagen garniert, die auf ihre Art schon bemerkenswert sind, wenn er so in schöner Selbstverständlichkeit sagt: Unsere Politik — also die der SPD — ist solide finanziert, und wir werden dafür keine neuen Schulden machen.Ich wiederhole: Daß es von der Opposition Kritik gibt, ist nicht bemerkenswert. Bemerkenswert sind schon eher die Pauschalität, die Totalverweigerung, die Ignoranz und die Maßlosigkeit der von Ihnen vorgebrachten Kritik, die j a schon aus diesen Gründen nicht besonders überzeugend ist.
Auch Oppositionspolitiker müssen sich nach ihrer Kompetenz fragen lassen, zumal wenn sie als Regierung von morgen oder übermorgen auftreten wollen.
Herr Dr. Apel hat der letzten Regierung bekanntlich acht Jahre lang angehört: vier Jahre als Bundesfinanzminister, vier Jahre als Bundesverteidigungsminister. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie kommen j a nun wirklich nicht gerade als frische Kraft daher, die nun eine seit Jahrzehnten im Amt befindliche Bundesregierung endlich einmal ablösen möchte und endlich auch mal eine Chance zum Regieren haben möchte.
Sondern Sie kommen doch als Leute daher, die nach langer eigener Regierungszeit völlig gescheitert waren,
ein heilloses Durcheinander hinterlassen haben, ihre Nachfolger seitdem beim Aufräumen stören und heute dem staunenden Publikum erklären, daß Sie nun endlich einmal an die Regierung müßten, um das Elend in der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen.
Nun wundern Sie sich, daß es Ihnen nicht so recht gelingen will, die Menschen von dieser Idee zu überzeugen.
Und nun wundern Sie sich, daß es Ihnen schwerfällt, zu erklären, daß Sie zwar mit einem Kanzler Helmut Schmidt gescheitert sind, aber daß die SPD es ohne einen Kanzler Helmut Schmidt schon richten wird.
Haushalte haben wie Zahlen überhaupt gegenüber manchen anderen Politikbereichen den Vorteil, daß man sie exakt miteinander vergleichen kann. Das heißt, man kann Erfolge ebenso wie Mißerfolge verhältnismäßig leicht quantifizieren. Man kann Leistungen vergleichen, in diesem Fall politische Leistungen.Ihr letzter Finanzminister sagte bei seinem letztem Haushaltsversuch 14 Tage vor Ihrer Abwahl — ich zitiere —:Auch mit dem Problem der Preissteigerungen sind wir besser fertig geworden als andere ... Wir sind im August— gemeint ist der August 1982 —bei einem Preisanstieg von 5,2 % gegenüber dem Vorjahr angelangt.Das verkündete er stolz. Ich bestreite gar nicht, daß Sie damals mit dem Problem der Preissteigerung vielleicht besser fertiggeworden sind als irgendwelche anderen Leute in irgendwelchen Regionen der Welt. Aber Tatsache ist, daß diese heutige Bundesregierung unter Helmut Kohl mit dem Problem der Preissteigerung besser fertiggeworden ist als Sie.
Denn wir sind nicht bei 5,2 %, sondern bei totaler Preisstabilität angelangt. Und für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland zählte und zählt eben nicht, ob die SPD mit Preissteigerungen besser fertiggeworden ist als irgendwer irgendwo, sondern für die Menschen in der Bundesrepublik zählt und zählte allein, daß wir in der Bundesrepublik Deutschland unter der Regierung Helmut Kohl mit dem Problem bedeutend besser fertiggeworden sind als Sie.
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MetzIn derselben Rede sagt Herr Lahnstein — ich zitiere wieder —:Bei uns haben sich die Realeinkommen auch in den letzten Jahren günstiger entwickelt als anderswo.Ich bestreite auch das nicht. Aber für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland war und ist es nicht besonders interessant, daß die SPD mit den Realeinkommen besser zurechtkam als irgendwer irgendwo. Entscheidend für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland war und ist allein, daß die Realeinkommen unter der Regierung Helmut Kohl in der Bundesrepublik Deutschland stärker gestiegen sind als unter einer SPD-Regierung.
Herr Lahnstein sagt noch einmal — ich zitiere wieder —:Wir haben die Wirtschaftsprobleme dieser Zeit besser gemeistert als viele andere.Meine Damen und Herren, ich bestreite auch das nicht. Aber entscheidend für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland war und ist nicht, daß die SPD die Wirtschaftsprobleme besser gemeistert hat als irgend jemand irgendwo in der Welt. Entscheidend für die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist nur, daß die Bundesregierung unter Helmut Kohl die Wirtschaftsprobleme in der Bundesrepublik Deutschland besser gemeistert hat als die SPD-Regierung. Das, meine Damen und Herren, ist eben der entscheidende Unterschied zwischen früher und heute. Früher sagten Sie immer: Wir sind besser als andere,
Und heute können wir sagen: Wir sind besser als Sie.
Und nur das interessiert die Menschen in unserem Land, die ja nicht irgendwo zwischen Hamburg und Hawaii,
sondern in der Bundesrepublik Deutschland ihre eigene Regierung wählen sollen.Und nun will ich einmal die besonders gelungene, lapidare Aussage des Herrn Kollegen Apel aufgreifen, indem ich sie noch einmal nenne.
Er hat gesagt: Unsere Politik — die der SPD — ist solide finanziert. Wir werden dafür keine neuen Schulden machen.
Auch diese Aussage trifft Herr Kollege Apel
ja nicht im Zustand der Unschuld, sondern, so würde ich sagen, eher im Zustand der Tollkühnheit.Auch das Schuldenmachen, meine Damen und Herren, hat in der Bundesrepublik Deutschland seine Geschichte.
1970 hatte der Bund an Zinsen für seine Kredite so viel zu zahlen, wie die Ausgaben für Entwicklungshilfe betrugen. 1980 hatte der Bund an Zinsen so viel zu zahlen, wie die Ausgaben für Entwicklungshilfe, für Wohnungsbau, für Bildung, für Wissenschaft zusammen betrugen.
1983 mußte der Bund an Zinsen so viel bezahlen, wie die Ausgaben für Entwicklungshilfe, für Wohnungsbau, für Bildung, für Wissenschaft, für Forschung und Technologie und für Wirtschaft zusammen betrugen.
Es ist in dieser Debatte bereits betont worden, daß die Schulden, die wir in den letzten vier Jahren haben aufnehmen müssen, etwa so hoch waren, daß wir die Zinsen für die Schulden, die Sie uns hinterlassen haben, damit zahlen konnten. Das heißt: Hätten Sie uns keine Schulden hinterlassen, so wie wir Ihnen 1972 keine Schulden hinterlassen haben, dann hätten wir in den letzten vier Jahren überhaupt keine neuen Schulden mehr aufnehmen müssen.
Das gilt für die Betrachtung eines Zeitraums von vier Jahren.Für den jetzt vorgelegten Haushalt 1987 sieht das bereits günstiger aus. Im nächsten Jahr zahlen wir bereits 10 Milliarden DM mehr Zinsen, als wir neue Schulden aufnehmen. Das heißt: Wir bewältigen einen immer größeren Teil Ihrer traurigen Hinterlassenschaft aus eigener Kraft, ohne auf den Kreditmarkt gehen zu müssen. Ich finde, ein bißchen muß auch in der Gesamtpolitik das Verursacherprinzip gelten.
Sie hinterlassen uns einen Riesen-Berg Schulden,
und jetzt kommen die Verursacher daher und verkünden mit treuem Augenaufschlag: Unsere Politik ist solide finanziert. Wir werden dafür keine neuen Schulden machen. — Es ist schon erstaunlich, was Sozialdemokraten in ihrer Not erwachsenen Leuten alles erzählen.
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Ich will Herrn Lahnstein zum letzten Mal zitieren. Er schloß seine letzte Haushaltsrede mit den Worten: „Zu diesem Weg einer Kombination aus wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung gibt es keine Alternative."
Das sagte Herr Lahnstein. Meine Damen und Herren, sind Sie denn nicht auch der Meinung, daß sich Herr Lahnstein geirrt hat? Da auf der Regierungsbank, da sitzt die Alternative.
Da sitzt eine erfolgreichere Regierung, als Sie sie jemals zustande gekriegt haben.
Es ist zugegebenermaßen ein bißchen lästig, Ihre immer wieder vorgebrachten Scheinargumente als solche deutlich zu machen bzw. in der Sache zu widerlegen.
Aber wir sind nicht zum Vergnügen hier. So will ich einige Behauptungen aufgreifen, die im Gegensatz zu den bisher zitierten für den oberflächlichen Betrachter einen wenn auch winzigen Hauch von Plausibilität enthalten könnten.Herr Apel wirft uns vor, daß wir am Ende der Regierung von Helmut Schmidt 1,8 Millionen Arbeitslose gehabt hätten und heute 300 000 — andere Redner haben gesagt: 400 000 — Arbeitslose mehr hätten als damals.
Mit dieser oder ähnlichen wiederkehrenden Aussagen soll der Eindruck erweckt werden, es gebe auf der einen Seite SPD-Arbeitslosenzahlen, die vergleichsweise niedrig seien, und auf der anderen Seite CDU/CSU/FDP-Arbeitslosenzahlen, die vergleichsweise hoch seien.
Daraus wird flugs der Vorwurf konstruiert, unsere Politik der letzten vier Jahre habe zu Massenarbeitslosigkeit geführt.
Meine Damen und Herren, ihre 1,8 Millionen stimmen nicht. Der schon zitierte Minister Lahnstein legte in seinem letzten Haushalt zwar die durchschnittliche, auf das Jahr bezogene Arbeitslosenzahl von 1,85 Millionen zugrunde. Auf diese Zahl greifen Sie offenbar immer wieder zurück. Sie verschweigen aber dabei, daß diese Haushaltsannahme Ihres Finanzministers damals geschönt war und von uns sozusagen als erste Amtsmaßnahme korrigiert werden mußte,
weil die Arbeitslosenzahl im Herbst 1982 saisonbereinigt bereits auf mehr als 2 Millionen anstieg.
Gerade deswegen mußte die neue Regierung in wenigen Wochen die bekannten finanzpolitischen Entscheidungen herbeiführen: weil der angeblich stocksolide Haushaltsentwurf des Ministers Lahnstein nicht zuletzt auch wegen der völlig unrealistisch angesetzten Arbeitslosenzahl um viele Milliarden Mark neben der Wirklichkeit lag.Wir haben keine neue Massenarbeitslosigkeit produziert, aber wir schleppen noch an dem, was Sie uns hinterlassen haben. Das ist richtig.
Mittlerweile weiß aber jeder im Land, daß die Arbeitslosenzahl von 2 Millionen von damals nur deswegen noch nicht gesenkt worden ist,
weil viele Hunderttausende zusätzlicher Arbeitskräfte auf den Markt gedrängt sind. Es ist selbst für Sie kein Geheimnis mehr, daß seither mindestens 600 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind, während unter Ihrer Regierung die Arbeitsplatzzahl dahinschmolz. Wäre die Zahl aller, die arbeiten möchten, genauso groß wie vor vier Jahren, hätten wir Ihre Arbeitslosenzahl von 2 Millionen längst um viele hunderttausend verringert.
Meine Damen und Herren, eine andere Apel-Passage.
Er sagt an unsere Adresse:Sie reden von Kindern und werden mir wohl zustimmen, daß Sie am 1. Januar 1988 für die Kinder nichts, gar nichts tun.
Wenn einer im Brustton der Überzeugung wie Herr Dr. Apel das sagt, dann könnte mancher, der das hört, denken: Das ist j a ein Ding:
reden immer von Familie und tun nichts für Kinder.Jetzt will ich Ihnen einmal etwas sagen: Ist es Ihnen wirklich entgangen, daß wir eine Steuerre-
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Metzform in zwei Schritten machen, nämlich 1986 den ersten Schritt und 1988 den zweiten Schritt?
Wir wollen mehr für Kinder tun.
Deswegen ziehen wir die Regelungen, die Kinder betreffen, auf 1986 vor.
Dann stellen Sie sich hier hin und werfen uns vor, in dem nicht vorgezogenen Teil, nämlich 1988, täten wir nichts für Kinder. Was muten Sie eigentlich den Menschen zu? Ich will das wirklich einmal fragen.
Herr Dr. Apel, wenn Sie so etwas sagen: Was muten Sie eigentlich den Menschen zu, die sich nicht wie Sie den ganzen Tag mit Politik beschäftigen können und die eigentlich schon ein bißchen darauf angewiesen sind, daß sich das, was ihnen ein ehemaliger Bundesfinanzminister sagt, nicht zu reiner Bauernfängerei reduziert.
Meine Damen und Herren, zu diesem Kabinett gehört eine Familienministerin, von der Sie doch bloß träumen.
Auf kaum einem Gebiet wird der Unterschied zwischen einer altmodischen und einer modernen Partei so deutlich wie auf dem der Familienpolitik.
Meine Damen und Herren, alle Vorwürfe, die Sie der Regierung im Zusammenhang mit Haushalts-, Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik gemacht haben, zerplatzen wie Seifenblasen, wenn man ihnen auf den Grund geht.
Sie versuchen, sich die Undurchschaubarkeit oder, besser gesagt, die schwere Durchschaubarkeit haushaltspolitischer, finanzpolitischer, sozialpolitischer Sachverhalte dadurch nutzbar zu machen, daß Sie demagogisch alles Mögliche in der Erwartung behaupten, daß die Menschen es so genau und so schnell nicht durchschauen können. Ich sage Ihnen: Sie machen die Rechnung ohne den Wirt.
Die Menschen wissen vielleicht nicht ganz genau, woran es jeweils im einzelnen liegt, daß es reales Wirtschaftwachstum gibt, daß die Nettoreallöhne seit 16 Jahren heute am stärksten steigen, daß 600 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen worden sind, die zu 80 % von Frauen eingenommen werden, daß es heute lohnender ist, in Sachkapital und damit in Arbeitsplätze zu investieren als in risikolose Staatspapiere,
aber eines, meine Damen und Herren, wissen die Menschen ganz genau: Mit der SPD und mit den GRÜNEN hat das alles nichts zu tun.
Deswegen standen Ihre Wirtschaftspolitiker und auch Ihre tüchtigen Haushaltspolitiker bei dieser Debatte auf verlorenem Posten. Deswegen heißen die Sieger dieser Haushaltsdebatte Helmut Kohl, Gerhard Stoltenberg und Norbert Blüm.
Und deswegen wird der Sieger am 25. Januar Helmut Kohl heißen.Vielen Dank!
Das Wort hat der Abgeordnete Walther.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
— Ich denke, es lohnt sich im Hinblick auf die Rede, die wir eben gehört haben, nicht, sich besonders anzustrengen. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich gehe nur auf einen Zwischenruf ein.Ich will mich zunächst einmal, wenn Sie damit einverstanden sind, als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, dem hier in diesen Tagen ja schon so viele freundliche Worte gewidmet worden sind, wofür ich mich herzlich bedanke, auch bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses in toto dafür bedanken, daß sie als Berichterstatter durch sorgfältige Vorgespräche mit den Ressorts ermöglicht haben, daß die Haushaltsberatungen trotz der in diesem Jahr nochmals um eine Woche verkürzten Beratungszeit rechtzeitig abgeschlossen werden konnten. Dafür ganz herzlichen Dank. Ohne den guten Willen der Oppositionsfraktionen, auch der beiden Mitglieder der GRÜNEN-Fraktion, denen ich das ebenfalls mit Überzeugung attestiere, hätten die Beratungen erheblich verzögert werden können. Da hätten viele Möglichkeiten der Verzögerung gestanden. Wir hätten heute keine dritte Lesung gehabt.Umgekehrt ist anzuerkennen, daß sich die Koalitionsfraktionen bemüht haben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Oppositionsarbeitsgruppen die Darstellung ihrer eigenen Positionen zu ermöglichen. Dafür danke ich allen Obleuten, Manfred Car-
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Waltherstens, Helmut Wieczorek, Wolfgang Weng und auch Jo Müller.Ich bedanke mich aber auch bei Ihnen, Herr Kollege Dr. Riedl, nicht nur für die freundlichen Worte, die Sie mir heute morgen gewidmet haben, sondern auch dafür, daß Sie mir in der Verhandlungsführung im Ausschuß sehr oft hilfreich und gut zur Seite gestanden haben. Herzlichen Dank.
Auf einen Teil Ihrer Ausführungen, die nichts mit dem Lob des Ausschußvorsitzenden zu tun hatten, darf ich nachher noch einmal zurückkommen.Ich möchte aber zunächst den Mitarbeitern des Bundesministeriums der Finanzen danken. Sie haben uns wie gewohnt zuverlässig unterstützt. Die Ausschußarbeit wurde durch den Bundesrechnungshof so wirksam unterstützt, wie es dem Ziel des neuen Rechnungshofgesetzes entspricht.Ich bitte auch um Verständnis, daß ich vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats des Haushaltsausschusses für ihre gewohnt zuverlässige und vorbildliche Einsatzbereitschaft — bis weit hinein in die Nachtstunden — herzlichen Dank sage.
Die Bundesregierung aber muß ich insgesamt tadeln. Sie hat den Ausschuß wiederholt unter einen unwürdigen Zeitdruck gesetzt. Das gilt sowohl für den Einstieg in das Hermes-Vorbereitungsprogramm als auch für das Fahndungs- und Sicherheitskonzept und für die flankierenden Maßnahmen zur Werftkonzeption aus dem Verteidigungshaushalt: drittes Flottendienstboot, Containerschiffe. Ich lasse es einmal bei diesen Andeutungen. Der Ausschuß hat sich mit qualifizierten Sperren helfen müssen, um die Einzelheiten später zu prüfen, mußte aber zunächst einmal die Vorhaben pauschal bewilligen, ohne sie voll übersehen zu können. Das ist eine formelle, aber keine substantielle Wahrnehmung des Budgetrechts.
Ich warne die Bundesregierung eindringlich davor, das Parlament als bloßen Resonanzboden ihrer Beschlüsse und letztlich quasi als Anhängsel ihrer Regierungstätigkeit zu betrachten.
- Danke. — Es ist nicht einzusehen, daß z. B. das Fahndungs- und Sicherheitskonzept erst an dem Tag im Kabinett beschlossen wurde, an dem der Haushaltsausschuß wegen der verfassungsrechtlichen Fristen seine Haushaltsberatungen praktisch abschließen mußte. —
Ich empfinde es als eine Zumutung, mit einer finanziell so weitreichenden Vorlage im Verlauf einerAusschußsitzung konfrontiert zu werden und sienach dem Motto „Vogel, friß oder stirb" verabschieden zu müssen.
Ich bin überzeugt — wenn der Kollege Dr. Dregger hier wäre, würde ich ihn fragen, ob er dem zustimmt —, daß sich auch die Mehrheitsfraktionen diesen meinen Tadel zu eigen machen.
Ich muß eine spezielle Kritik am Bundesminister der Verteidigung anschließen. Er hat gerade, Herr Kollege Dr. Friedmann, bei millionenschweren Beschaffungsvorhaben die verspätete Zuleitung der Unterlagen an den Haushaltsausschuß zum System erhoben. Er erschwert die in diesem Bereich besonders dringliche Kontrolle.
Aber immerhin hat sich die ansonsten geduldige Mehrheit der Koalitionsfraktionen ganz zum Schluß der Haushaltsberatungen wenigstens dagegen zur Wehr gesetzt, daß die Bundesregierung in der Person des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Voss auch noch das Ergebnis der Ausschußberatungen vorab der Presse verkündet hat.
— Keine gute Sache. Wir haben ihm ja entsprechend geschrieben, Herr Kollege Dr. Weng. Ich hoffe, er hat sich das hinter die Ohren gesteckt. Sie, die Mehrheit im Ausschuß, haben ihn, den Parlamentarischen Staatssekretär, durch eine nachträgliche globale Minderausgabe von 1,1 Milliarden DM ins Unrecht gesetzt, so daß der jetzige Stand der Neuverschuldung mehr das unfreiwillige Verdienst des Herrn Voss als das einer sorgfältig belegten Einsparmaßnahme ist.
Auch so kann man Konsolidierungspolitik betreiben.
Jetzt komme ich auf den Zwischenruf des Kollegen Dr. Rose zu sprechen. Herr Kollege Dr. Rose, ich bin gespannt, wie die Zuwendungsempfänger darauf reagieren werden, daß die Mittel, die zuerst der Bundesfinanzminister und dann der Haushaltsausschuß als angemessen und notwendig erachtet haben, anschließend in Höhe von 6 % wieder eingesammelt werden.
Zuwendungsempfänger — das sage ich einmal unseren Zuhörern draußen — ist ein abstrakter Begriff. Dahinter verbergen sich Institutionen wie die paritätischen Wohlfahrtsverbände, die Jugendver-
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Waltherbände, die Deutsche Forschungsgemeinschaft — um nur einige zu nennen —, die eine allseits anerkannte, unverzichtbare Arbeit leisten und nun vor der Frage stehen, ob sie Personal entlassen oder ihre Aufgaben einschränken sollen.Die auf den Gesamthaushalt übergestülpte globale Minderausgabe von 1,1 Milliarden DM ist aber nicht die einzige Maßnahme dieser Art, mit der die Höhe der Nettokreditaufnahme optisch verschönt wird; denn es gibt in drei anderen Einzelplänen noch einmal insgesamt 310 Millionen DM globale Minderausgaben, so daß diese insgesamt 1,4 Milliarden DM beträgt. 1,4 Milliarden DM globale Minderausgabe: Ich sage Ihnen, das ist die Höhe, in der sich dieses Parlament, durch die Mehrheit beschlossen, von der Haushaltskontrolle verabschiedet hat.
Dieses Instrument ist von der Ausschußmehrheit deshalb so großzügig eingesetzt worden, um vor der Bundestagswahl die wahre Höhe der Nettokreditaufnahme, die nach den inhaltlichen Einzelpositionen über der des Vorjahres liegen müßte, zu kaschieren. Ich sage noch einmal, dies ist eine Selbstentmachtung des Parlaments.Aus demselben Grunde haben Sie übrigens kräftig die Schätzansätze zusammengestrichen. So haben Sie, ohne daß dem Ausschuß Gründe dafür angegeben wurden, Bürgschaften und Garantien um mehr als eine halbe Milliarde DM gekürzt. Dies ergibt mit den globalen Minderausgaben zusammen bereits 2 Milliarden DM.Keine Einsparung, Herr Bundesfinanzminister, sind die Erlöse aus der Verscherbelung des Bundesvermögens in Höhe von 3,3 Milliarden DM.
— Die Verscherbelung des Familiensilbers ist das, Herr Kollege Dr. Riedl.
Dieses machen Sie, Herr Bundesfinanzminister, weil Sie auf diese Art und Weise verdecken wollen, daß Sie eigentlich schon im Jahre 1987 Ihre Nettoneuverschuldung kräftig aufstocken müßten.
Deshalb verscherbeln Sie das Familiensilber. Aber Sie hatten uns doch im Ausschuß einmal angekündigt, die Erlöse aus dem Verkauf dieses Bundesvermögens wollten Sie benutzen, um die unrentablen Bundesbetriebe zu sanieren.
Das haben Sie uns dargestellt.
Was machen Sie jetzt? Sie setzen das einmalig ein zur Verringerung der Nettoneuverschuldung, um damit vor der Bundestagswahl den Bürgern ein falsches Bild über die Höhe Ihrer Schuldenwirtschaft zu machen.
Ich sage Ihnen: Sie werden dies nicht durchhalten. Ich erinnere daran, daß Sie schon bei Salzgitter eine Kapitalerhöhung vornehmen wollen, aus Gründen, auf die ich hier nicht mehr eingehen will. Das hat alles im „Spiegel" gestanden.
— Das ist mir egal; Hauptsache, die staunende Offentlichkeit weiß, mit welchen Tricks der Minister arbeitet.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Sie werden im Hinblick auf die Situation, die sich demnächst beim Steinkohlebergbau und in der Stahlindustrie zeigen wird, noch eine ganze Menge mehr an Eigenkapitalzuführung für bundeseigene Betriebe vornehmen müssen. Dann haben Sie das Geld nicht mehr aus der Verscherbelung des Familiensilbers. Sie haben es ja in diesem Jahr genommen, um es einmalig zur Verringerung der Schuldenaufnahme einzusetzen.Die Zunahme der Nettoneuverschuldung, die Sie im Finanzplan ab dem kommenden Jahr vorhersagen, hat bereits jetzt begonnen. Sie wird in den kommenden Jahren höher ausfallen, als Sie sie prognostizieren. Sie sind trotz Wachstum dabei, die Verschuldung des Bundes kräftig zu steigern.Ihre nach meiner Auffassung künstlich heruntergedrückte Nettokreditaufnahme wird allerdings folgendes bewirken — hier sollten die Kollegen von der Union einmal zuhören —: Der Bundesfinanzminister wird sich nach Ablauf des Haushaltsjahres 1987 des ihm lieb gewordenen Rituals enthalten müssen, der staunenden Bevölkerung weitere Einsparungen durch strenge Haushaltsführung verkünden zu dürfen. Diesmal, so behaupte ich, ist der Haushalt völlig ausgereizt und enger geschnitten, als die Ausgaben tatsächlich sein werden — es sei denn, Sie machen es wieder wie in diesem Jahr: Sie fahren bei den Investitionsausgaben kräftig zurück, damit Sie diese globalen Minderausgaben überhaupt erreichen.
— Ich sage Ihnen voraus, Herr Kollege Dr. Riedl, weil Sie dies gerade sagen, daß der Ausschuß im nächsten Jahr einer Flut von über- und außerplanmäßigen Ausgaben wird zustimmen müssen, die in ihrer Summierung die Qualität eines Nachtragshaushalts haben werden.Der zu eng geschnittene Bundeshaushalt 1987 birgt schwerwiegende Haushaltsrisiken, meine Damen und Herren. Das größte Risiko ist die gespaltene Konjunktur. Der Pauschalbegriff „Aufschwung" erfaßt nicht, daß gleichzeitig einzelne Wirtschaftszweige im Abschwung begriffen sind. In Schwierigkeiten befinden sich bereits, wie bekannt, die Kohlewirtschaft, die Werften und auch bald wieder die Stahlindustrie.Die Werfthilfen zur Abfederung des Kapazitätsabbaus sind hier in den letzten Tagen ausführlich
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Waltherdiskutiert worden. Meine Damen und Herren, dabei hat sich herausgestellt, daß die Bundesregierung keinerlei Vorstellung über die Zukunft der Küstenregionen hat und kein Programm und keinen Plan dafür.
Wir haben im Haushaltsausschuß den Versuch unternommen, die zuständigen Minister für Finanzen, für Verkehr, für Wirtschaft und der Verteidigung gemeinsam an einen Tisch zu bringen, um herauszubekommen, ob sie überhaupt miteinander darüber reden, was sie für die Küste tun wollen. Fehlanzeige, meine Damen und Herren, Fehlanzeige; das war vergeudete Zeit.
Für den Stahl haben der Bundeswirtschaftsminister und in vorsichtiger Form der Bundesfinanzminister die sich abzeichnende Krise mit Nichtwissen bestritten, obwohl z. B. die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 26. November in einem Leitartikel von einer bedrohlichen Situation spricht, die zum Rückgang weiterer 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätze führen werde.Der Optimismus in der Bauwirtschaft läßt deutlich nach, heißt es im letzten Ifo-Konjunkturtest.Sie, Herr Bundesfinanzminister, sprechen immer von der angeblichen Kurzatmigkeit früherer sozialliberaler Konjunkturprogramme. Aber, Herr Kollege Dr. Stoltenberg, während wir dem Zukunftsinvestitionsprogramm z. B. die zahlreichen Kläranlagen am Rhein verdanken, die die Qualität des Flußwassers verbessert hatten, bis die chemische Industrie sie wieder zerstören konnte, ist Ihr Konjunkturprogramm zur erleichterten steuerlichen Absetzung von Wirtschaftsgebäuden offenbar schon wieder ganz verpufft,
während die Steuerausfälle bleiben.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Riedl, was hat der Kollege Höcherl gesagt — Sie haben das ja vorher zitiert?
— Das sage ich dem Kollegen, der eben gerade den Zwischenruf gemacht hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die gespaltene Konjunktur ist auch der Grund für das tendenzielle Verharren der Massenarbeitslosigkeit im Oktober. Im Gegenteil: Die Zahl der Kurzarbeiter hat sich im Vergleich zum Oktober vorigen Jahres verdoppelt. Dies wirft Schatten auf einen im Winter zu erwartenden neuen Rekord.Zu den Beschäftigungszahlen — und nun komme ich auf meinen Disput mit dem Kollegen Dr. Weng von heute nacht zurück —, auf die Sie sich gern berufen, um von der Massenarbeitslosigkeit abzulenken, meine Damen und Herren, will ich Ihnen folgendes sagen: Es gibt im Moment nur eine einzige amtliche Zahl. Das ist die der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Das ist die einzige amtliche Zahl, die das Statistische Bundesamt zur Verfügung hat. Jetzt lese ich Ihnen die Zahlen vor. Im dritten Quartal 1985 gab es 20,8 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, im vierten Quartal gab es nur noch 20,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte,
und im ersten Quartal 1986 waren es 20,4 Millionen.
Ich gebe zu — damit hier nicht der Eindruck entsteht, ich würde nicht korrekt zitieren —, daß dies eine Entwicklung ist, die sich im Winter aus saisonalen Gründen immer so vollzieht.
— Dies ist die einzige amtliche statistische Zahl, die es zu den Beschäftigten gibt.
Alles andere, das, was in der Presse herumgeistert, sind Schätzzahlen.
Das Statistische Bundesamt sagt selber, daß das Schätzzahlen sind.
— Das Statistische Bundesamt selbst, Herr Dr. Riedl.
Übrigens sagt j a der arme Egon Hölder — das ist der Präsident des Statistischen Bundesamtes —, der jeden Monat zum Heinz Franke nach Nürnberg zitiert wird, um der erstaunten Öffentlichkeit die Beschäftigtenzahlen bekanntzugeben, selber, daß es Schätzzahlen sind.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weng?
Ja, dem Kollegen Weng immer. Vizepräsident Westphal: Herr Weng, bitte schön.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19587
Herr Kollege Walther, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung herausgegebene amtliche „Sozialpolitische Umschau" in ihrer Ausgabe vom 10. November dieses Jahres unter der Überschrift „Arbeitsmarkt weiter im konjunkturellen Aufwind" ausdrücklich erklärt,
daß saisonbereinigt seit dem letzten Beschäftigungstiefstand rund 600 000 neue Arbeitsplätze bis zum jetzigen Zeitpunkt geschaffen worden seien, und daß das Sachverständigengutachten unter seinem Punkt 2 ausdrücklich erklärt: Die deutsche Wirtschaft bleibt weiter auf Wachstumskurs,
die Beschäftigung steigt; Ende 1987 werden 800 000 Menschen mehr erwerbstätig sein?
Herr Kollege Dr. Weng, Sie werden verstehen, daß ich alles, was unter der Ägide des Herrn Ost veröffentlicht wird, als sehr zweifelhaft ansehe.
Für mich ist das keine amtliche Nachricht. Es ist im Zweifel Propaganda, was der Herr Ost veröffentlicht.
— Bleiben Sie bitte stehen; ich sage Ihnen noch den Rest: Der Sachverständigenrat, die sogenannten fünf Weisen, die vier Schwarzen und ein Roter, gennant die fünf Weisen
— ja, weiß —, übernimmt die Schätzzahlen des Statistischen Bundesamtes. Das sind keine amtlich festgestellten Zahlen. Aber ich will mich doch gar nicht darüber streiten, Herr Kollege Dr. Weng, daß es in Teilbereichen der deutschen Wirtschaft zusätzliche Arbeitsplätze, z. B. durch Arbeitszeitverkürzungen, gegeben hat. Darüber streiten wir uns gar nicht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Rose?
Wenn ich meinen Gedanken zu Ende gebracht habe, Herr Vizepräsident.
Ich will ja nicht bestreiten — ich sage das noch einmal —, daß es in Teilbereichen der deutschen Wirtschaft einen Zuwachs der Zahl der Arbeitsplätze gegeben hat. Es wäre ja töricht, das zu leugnen. Nur, ich sage Ihnen: Die Differenz zwischen der Zahl der Sozialversicherungspflichtigen und der Zahl der Erwerbstätigen resultiert daraus, daß die mithelfenden Familienangehörigen, die Beamten und die geringfügig Beschäftigten nicht sozialversicherungspflichtig sind. Die Zahl der Tagelöhner mit den 410-DM-Verträgen haben Sie in der Tat erheblich vergrößert. Dies würde ich aber nicht als Erwerbstätigkeit bezeichnen, Herr Kollege Dr. Rose.
Herr Dr. Rose, Sie können jetzt eine Zwischenfrage stellen.
Herr Kollege Walther; wenn Sie schon nicht bereit sind, die derzeitigen statistischen Zahlen anzuerkennen, sind Sie dann wenigstens bereit zuzugeben, daß die Arbeitslosenzahlen in der Zeit der SPD-Regierung von 100 000 auf 1,8 Millionen angestiegen sind?
Herr Kollege Dr. Rose, Ihr Hinweis auf die sozialliberale Regierungszeit führt mich zu der Bemerkung, daß es in der deutschen Wirtschaft in der Zeit der sozialliberalen Koalition, in der Rezession 1982, 26,7 Millionen Beschäftigte gegeben hat, nach den Schätzzahlen des Statistischen Bundesamtes für September 1986 nur 26,1 Millionen, 600 000 weniger, Herr Kollege Dr. Rose!
— Es ist wirklich eine tolle Regierung, die den Abbau von 600 000 Arbeitsplätzen als einen Erfolg verkauft, Herr Kollege Dr. Riedl. Das können Sie alles in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes nachlesen, Herr Dr. Riedl. Ich beziehe mich doch nicht auf irgendwelche Phantasiezahlen, die irgendwelche Leute wie der Herr Ost in die Welt setzen, sondern auf die amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes.Die gespaltene Konjunktur schlägt sich in einem flacher werdenden Wirtschaftswachstum und, wie auch der Sachverständigenrat festgestellt hat, in einer Verminderung des Anstiegs des nominalen Bruttosozialprodukts von 6,5% im ersten Halbjahr auf 4,5% im zweiten Halbjahr 1986 nieder.Meine Damen und Herren, Sie rühmen den Anstieg der Investitionen und nennen dafür absolute Zahlen, die in Wahrheit irreführend sind. Die volkswirtschaftliche Investitionsquote am Bruttosozialprodukt,
die der wirkliche Maßstab der Investitionskraft ist, relativiert diese Aussage außerordentlich. Die Quote betrug nach konstanten Preisen von 1980 im Rezessionsjahr 1982 20,6 Punkte und liegt im Wachstumsjahr 1986 niedriger, nämlich bei 20,05 Punkten. Das ist die wahre Zahl und der
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19588 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Waltherwahre statistische Hintergrund für die von Ihnen behauptete Zunahme der Investitionen in der Volkswirtschaft, meine Damen und Herren. Sie sehen, wie man mit Zahlen, die man aus dem Zusammenhang reißt, falsche Aussagen machen kann.
— Lieber Herr Kolb, ich habe gedacht, Sie verstünden etwas von Wirtschaft und könnten rechnen. Aber Ihre Zwischenrufe erwecken nicht diesen Eindruck.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch eine Bemerkung machen. Wir haben in der Tat einen sehr hohen Leistungsbilanzüberschuß. Ihn als außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu bezeichnen, fiele mir sehr schwer. Aber wo ist denn das Geld geblieben? Wo sind die über 40 Milliarden DM geblieben, die wir durch den Außenhandelsbilanzüberschuß in den ersten acht Monaten bekommen haben? Herr Bangemann, das können Sie im Wirtschaftsbericht vom Oktober nachlesen: 41 Milliarden DM Nettokapitalexport in den ersten acht Monaten des Jahres 1986.
Und da wird uns erzählt, das Geld fließe in Sachanlagen und nicht in Finanzanlagen. Wo bleiben denn die 41 Milliarden DM Nettokapitalexport, die der Monatsbericht von Herrn Bangemann für Oktober ausweist?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß Sie im laufenden Jahr die Steuerschätzung gleich zweimal nach unten berichtigen mußten. Die Einnahmeseite des Haushalts ist ein Risiko, das auch Sie, Herr Bundesfinanzminister in den Haushaltsberatungen herausgestellt haben. Der eng geschnittene Haushalt mit einer Tendenz zur Ausgabenerweiterung auf der einen Seite und der Einnahmenverminderung auf der anderen Seite wird Sie vor erhebliche Probleme stellen, Herr Kollege Dr. Stoltenberg.Ich teile deshalb die in dieser Debatte vielfältig geäußerten Zweifel, ob Sie Ihre bombastisch angekündigten Steuerentlastungspläne überhaupt durchführen können. Sie sind uns nämlich bisher die Antwort schuldig geblieben, wie Sie die finanzieren wollen. Sie sagen: Da muß man eine höhere Neuverschuldung in Kauf nehmen. Ich frage: in welcher Höhe? Alle anderen Finanzierungsinstrumente hat der Kollege Dr. Riedl heute morgen bestritten, er hat gesagt: Mehrwertsteuer nicht, kein Abbau von steuerlichen Subventionen. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie nachher hier ans Rednerpult kommen: Klären Sie bitte am Schluß der Debatte endlich die deutsche Öffentlichkeit darüber auf, wie Sie Ihre Steuerentlastungspläne wirklich finanzieren wollen! Das muß der Wähler vor dem 25. Januar 1987 wissen,
und er muß nicht nachher mit einer Mehrwertsteuererhöhung überrascht werden.Meine sehr verehrten Damen und Herren — ich sage das auch vor dem Hintergrund des Dementis des Kollegen Dr. Riedl —, ich kann vor einer Mehrwertsteuererhöhung nur warnen; denn der eigentliche Grund für die Schwarzarbeit, die es in unserem Lande zunehmend gibt, hat etwas mit der Höhe der Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeitnehmer zu tun, die Herr Stoltenberg zu verantworten hat.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe noch nie gewußt, daß Dummheit so laut lachen kann.
Denn diese Zahlen können Sie nachlesen: Unter der Ägide von Herrn Stoltenberg ist die Steuer- und Abgabenbelastung um 3 % gestiegen.
Er ist der Steuer- und Abgabenminister.
Den Abbau von Subventionen, wie der Bundesfinanzminister gelegentlich klammheimlich sagt, glaubt doch diesem Supersubventionsminister sowieso kein Mensch mehr.
Ein weiteres Haushaltsrisiko ist die Europäische Gemeinschaft. Wir wissen, daß für 1986 noch eine Menge Geld in Brüssel fehlt. Der Bundesfinanzminister hat uns, dem Haushaltsausschuß, gesagt, er wolle da nichts nachschießen. Das heißt, es wird in das Jahr 1987 verschoben, und die Rechnung kommt im Jahre 1987. Nun sagt er: Das finanzieren wir so, indem wir die obligatorischen Maßnahmen, nämlich die Agrarpolitik, bezahlen, und der Rest wird gestrichen. Da werden sich Ihre anderen elf Partner in der EG aber hocherfreut zeigen, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie diese Haltung durchhalten wollen. Da kann ich Sie nur zu Ihrem Mut beglückwünschen, uns weismachen zu wollen, dies würde Ihnen gelingen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun muß ich auf einen Vorgang zurückkommen, der sich gestern abend hier in der Diskussion mit dem Herrn Kollegen Dr. Weng abgespielt hat. „Abgespielt" ist ein bißchen zu scharf formuliert, ich möchte auf einen Diskussionsbeitrag des Kollegen Dr. Weng zurückkommen. Im Zusammenhang mit dem Skandal der an Südafrika verkauften U-Boot-Blaupausen durch die bundeseigene HDW-Werft in Kiel hat der Kollege Dr. Weng politische Konsequenzen gefordert, laut Protokoll, das mir hier vorliegt. Er hat mir zwar persönlich gesagt, dies be-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19589
Waltherdeute nicht, daß er den Rücktritt des Bundesfinanzministers fordere,
aber der politisch Verantwortliche für das Bundesvermögen ist der Bundesfinanzminister.
Wenn Worte noch einen Sinn haben sollen, Herr Kollege Dr. Weng, kann ich trotz Ihres Dementis, Ihre Forderung nach politischen Konsequenzen nicht anders verstehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weng?
Ja.
Herr Kollege Walther, Sie haben darauf verzichtet, den Wortlaut meiner gestrigen Rede hier zu kommentieren. Das würde vielleicht auch ein bißchen zu lange dauern. In Kenntnis dieses Wortlautes möchte ich Sie fragen: Sind Sie bereit, erstens einmal diesen Wortlaut zur Kenntnis zu nehmen — ich vermute, Sie haben ihn vorliegen —, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß dies von mir niemals gegen den von mir sehr geschätzten Herrn Bundesfinanzminister gerichtet war,
sondern daß nach meiner Auffassung gegebenenfalls im Betrieb Verantwortliche über die Zahlung von Bußgeld hinaus zur Verantwortung gezogen werden müssen, und sind Sie zum dritten bereit — —
Einen Augenblick, Herr Kollege Weng, eine Zusatzfrage kann zweigeteilt sein, mehr nicht. Sie müssen jetzt also ein Fragezeichen setzen und können nicht noch weiteres hinzufügen.
Herr Präsident, da mir der Redetext hier vorliegt, weiß ich, was der Kollege Dr. Weng fragen wollte.
Herr Kollege Walther, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß deshalb .. .
Herr Kollege Weng, der Präsident hat eben gesagt — Herr Kollege Weng! — —
... Ihre Interpretation nach meiner Überzeugung mehr als abenteuerlich und unzulässig ist?
Ich glaube, Sie sollten ein bißchen mehr darauf achten, was der Präsident hier oben sagt. Bitte schön, Herr Weng.
Herr Kollege Dr. Weng, ich verstehe, daß Ihnen diese Interpretation peinlich ist. Deshalb habe ich Ihnen die Gelegenheit zur Zwischenfrage gegeben, ich hätte sie auch ablehnen können.Aber Sie haben gesagt:Sollten sich die Vorwürfe bestätigen und sollte richtig sein, daß das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft als Genehmigungsbehörde nicht befaßt war, müßte dies natürlich auch politische Konsequenzen haben.
Wieso ein Werftmanager der überhaupt nichts mit Politik zu tun hat, politische Konsequenzen ziehen soll, diese Interpretation, Herr Kollege Dr. Weng, ist mir schleierhaft.
Ich bleibe dabei: Wer politische Konsequenzen ziehen will, muß sich an den politisch Verantwortlichen halten, dies ist der Bundesfinanzminister.
Aber soweit, wie Sie interpretieren, Herr Kollege Dr. Weng, wollen wir Sozialdemokraten heute morgen gar nicht gehen. Wir wollen heute morgen nur von dem Minister wissen, was er denn eigentlich dazu weiß. Er kommt ja gleich dran. Wir wollen wissen, was er gewußt und was er verantwortet hat. Wir wollen wissen, was hat der Bundesfinanzminister, der für die Bundesunternehmen und für die Einhaltung des Außenwirtschaftsgesetzes Mitverantwortung trägt, eigentlich seit 1985, als die Rechtsbrüche aktenkundig waren, bis heute gewußt, getan oder gedeckt hat,
als die Oberfinanzdirektion Kiel ihr Ermittlungsverfahren einleitete. Deshalb, Herr Bundesfinanzminister, wären wir sehr dankbar, wenn Sie über Ihr eigenes Wissen heute morgen in Ihrer Verantwortung hier Auskunft geben würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen. Das weitgehend im Ausland geborgte verhaltene Wirtschaftswachstum wird von uns ausdrücklich anerkannt, ebenso wie die auf dem Zusammenbruch der Primärenergiepreise zurückzuführende Rückgang des Preisniveaus. Beides, meine Damen und Herren, hat jedoch wenig mit der Politik dieser Bundesregierung zu tun.
Was wir aber dieser Bundesregierung im Ernst vorwerfen, ist, daß sie diese relativ günstigen wirtschaftlichen Rahmendaten nicht genutzt hat, um die Massenarbeitslosigkeit ernsthaft zu bekämpfen.
Wie die Projektion der mittelfristigen Finanzplanung ausweist, wird diese Bundesregierung, soferndie Wähler sie weitermachen ließen, auch bis zum
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19590 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
WaltherJahre 1990 keinen ernsthaften Versuch wagen, die Geißel der Massenarbeitslosigkeit anzugehen. Denn nach dieser Projektion soll im Jahre 1990 die jahresdurchschnittliche Arbeitslosenzahl immer noch bei zwei Millionen liegen.Der hier jetzt zur Verabschiedung vorliegende Haushalt 1987 in seinen zum Teil chaotischen Strukturen wird erneut keinen Beitrag zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit leisten. Die praktizierte und in Aussicht genommene Steuerpolitik dieser Regierung begünstigt die Reicheren und benachteiligt die Kleinen, frei nach der Devise: Reichtum muß sich wieder lohnen. Wir Sozialdemokraten setzen dagegen auf eine Steuerpolitik nach dem Motto: Arbeit muß sich wieder lohnen.
Die Rentenversicherungsprobleme sind lediglich vertagt. Sie werden nach 1990 mit großer Wucht auf uns alle niederfahren, wenn nicht rechtzeitig Strukturprobleme angepackt werden. Wir Sozialdemokraten haben unsere Mithilfe angeboten und einen Gesetzentwurf eingereicht. Diese Bundesregierung, diese Koalition hat sich geweigert, uns noch vor der Bundestagswahl zu sagen, was sie ab 1990 in der Rentenversicherung vorhat.Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Vorstellung darüber, wie ein Bundeshaushalt auf die aktuellen und zukünftigen Probleme zu reagieren hat, haben wir in dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag ausführlich dargestellt. Jeder Wähler kann uns daran messen. Mit diesen Vorstellungen werden wir um das Vertrauen der Wähler werben. Verlassen Sie sich darauf: Wir Sozialdemokraten werden am 25. Januar 1987 sehr viel besser abschneiden, als viele es sich wünschen.
Meine Damen und Herren, vier weitere Kohl-Jahre wären vier schlechte Jahre für unser Volk. „Weiter so wie bisher", das gibt keine Zukunft! Wir aber wollen eine gesicherte Zukunft für unser Volk, und deshalb kämpfen wir für eine eigene Mehrheit.Vielen Dank.
Das Wort zur direkten Erwiderung nach § 30 unserer Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Weng.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu den Äußerungen des Kollegen Walther erkläre ich hier: Nach meinem Dafürhalten sind in einem bundesbeteiligten Unternehmen oder in einem Unternehmen, das nahezu ausschließlich oder schwerpunktmäßig in Bundesbesitz ist, auch zuständige Vorstände über den rechtlichen Bereich hinaus politisch verantwortlich.
Jede weitergehende Interpretation, wie hier vom Kollegen Walther vorgetragen, ist unzulässig und verbogen.
Zwischendurch, meine Damen und Herren, kommen wir zu etwas Erfreulichem: Ich habe erst etwas verspätet erfahren, daß unser Kollege Metz hier in diesem Bundestag zum letztenmal geredet hat. Er ist zehn Jahre lang bei uns gewesen, und ich möchte ihn gleich den anderen freundlich verabschieden, obwohl er nicht etwa aus der Politik ausscheidet, sondern eine neue Aufgabe in der Landespolitik anstrebt.
Wir wünschen ihm alles Gute und danken ihm für die gute Zusammenarbeit!
Nun hat der Herr Bundesminister der Finanzen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brandt hat zu Beginn der heutigen Diskussion die bisherige Debatte in der zweiten Lesung einer kritischen Bewertung unterzogen. Er hat dabei gesagt, bei allem, was umstritten ist, würde es nichts geschadet haben, wenn die Bereiche deutlicher geworden wären, in denen mehr parteiübergreifende Zusammenarbeit von der Sache her geboten sein wird.Ich muß allerdings feststellen, daß im weiteren Verlauf seiner Rede nicht einmal im Ansatz der Versuch der Gemeinsamkeit gemacht wurde, sondern daß hier kräftig polemisiert wurde,
zum Teil in einer grob irreführenden Weise.
Die Motive und die Ergebnisse der Politik der Bundesregierung sind von Ihnen, Herr Kollege Brandt, in wichtigen Bereichen verzeichnet und, so muß ich sagen, in einigen Punkten auch entstellt worden.Es hat mich schon überrascht, mit welcher Unbekümmertheit Sie den Skandal um die Neue Heimat hier in die Diskussion eingeführt haben.
Sie haben das nicht etwa, wozu es nach der Lektüre des einstimmigen Untersuchungsausschußberichts der Hamburger Bürgerschaft Veranlassung gegeben hätte, zu einer selbstkritischen Reflexion genutzt. Ich sage hier ganz verhalten: Wer diesen Bericht des Hamburger Untersuchungsausschusses, getragen auch von den sozialdemokratischen Abgeordneten, liest, muß doch sagen, daß es für den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands darüber nachzudenken gilt, ob hier nicht Formen der Verfilzung vorlagen, von denen
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19591
Vizepräsident WestphalSie Ihre Partei befreien sollten, wenn Sie ihr einen guten Dienst erweisen wollen.
— Ich nehme doch zu der Rede von Herrn Kollegen Brandt Stellung! Polemisieren Sie hier doch nicht auf primitive Weise ständig dazwischen, Herr Müller!
Ich möchte Ihnen das wirklich empfehlen.Ich nehme also zu dieser Rede Stellung und sage: Es kann nicht hingenommen werden,
daß das Fehlverhalten der Verantwortlichen in der Weise zu Vorwürfen gegen die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien umgemünzt werden soll, wie es hier von dem Kollegen Willy Brandt versucht worden ist.Meine Damen und Herren, was das Verhalten der SPD betrifft, so sind die im deutschen Fernsehen vor wenigen Wochen sichtbaren Solidaritätsbekundungen führender Mitglieder ihrer Fraktion mit dem Genossen Lappas noch in zu lebhafter Erinnerung, als daß Sie das mit einigen Bemerkungen aus der Welt schaffen könnten.
Aber weil Sie kritisiert haben, die Bundesregierung habe nicht das Erforderliche getan, weil Sie der Bundesregierung unterstellt haben, wir hätten das aus parteipolitischen Gründen oder aus Ressentiments gegen die Gewerkschaften getan, will ich dazu folgendes sagen.
— Lassen Sie mich das doch in Ruhe ausführen.In allen Fragen, in denen es um eine mögliche Hilfe der öffentlichen Hand für notleidende Unternehmen geht
— ich sage auch etwas zu AEG —, ist doch zu Recht erst nach dem angemessenen, dem nachhaltigen, dem zumutbaren Finanzbetrag des Eigentümers, also hier des Deutschen Gewerkschaftsbundes, gefragt worden. Dann kommt als zweite Stufe, soweit das erforderlich ist, die Frage nach dem Beitrag der mit der Gesellschaft geschäftlich verbundenen Unternehmen, d. h. natürlich auch dem Beitrag der Kreditinstitute.Erst wenn dies gewährleistet ist, kann doch ein Gespräch mit den Ländern — ich nenne sie in erster Linie im Bereich der Wohnungswirtschaft — und dem Bund zu Ergebnissen führen, ob die öffentliche Hand dies flankieren soll und in welcher Form dies geschieht.Ich muß Ihnen, Herr Kollege Brandt, und damit auch der Öffentlichkeit sagen — ich habe mich gestern auch bei den anderen mitbeteiligten Bundesressorts noch erkundigt —: Nach dem peinlichen Zwischenspiel mit Herrn Schiesser, auf das ich hier nicht näher eingehe, ist es so, daß den Bundesressorts bis heute kein Konzept für eine Weiterführung, eine Sanierung, eine stille Liquidation der Neuen Heimat — ich lasse ganz offen, was der Eigentümer will — vorliegt, das den genannten Voraussetzungen, insbesondere dem notwendigen weiteren finanziellen Engagement des Deutschen Gewerkschaftsbundes, entspricht. Das ist der Sachverhalt, auf den wir hinweisen müssen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vosen?
Ja bitte, aber nur eine Zwischenfrage.
Eine ganz kurze Frage, Herr Finanzminister: Wollen Sie denn wirklich helfen?
Ich möchte auf das verweisen, was der Kollege Schneider zuletzt gestern im Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages gesagt hat: Wenn die Eigentümer mit den notwendigen Mitteln antreten, wenn die Frage geklärt ist, in welcher Form sich die anderen Unternehmen, die Kreditinstitute, an einem Konzept beteiligen, ist es vorstellbar, daß neben den Ländern auch der Bund prüft, ob z. B. in Verbindung mit den gewährten Rückbürgschaften eine Bewegung möglich ist. Aber diese Frage kann ich doch nur konditioniert beantworten, solange der Deutsche Gewerkschaftsbund nicht das tut, was auch im Interesse der Mieter notwendig ist.
Wie hier ist heute morgen auch in anderen Punkten konsequent an den Tatsachen vorbeigeredet worden. Ich sage das auch zu Ihrem harten Angriff, Herr Kollege Brandt, auf die Haltung der Bundesregierung in wichtigen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister haben vor zwei Tagen die Position der Bundesregierung zu Rüstungskontrolle und Abrüstung, also auch zur Frage der sogenannten Null-Lösung, erneut dargestellt. Ich sage „erneut", weil die letzte Debatte darüber am 6. November war. Sie waren, wenn ich mich richtig erinnere, an diesem Tag nicht zugegen. Dafür mag es Gründe gegeben haben. Ich halte es aber auch von meinem Verständnis parlamentarischer Auseinandersetzung für bedauerlich, daß sie zwei Tage später nur die alten Unterstellungen und Verdächtigungen wiederholen, die durch die Erklärung des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers am Mittwoch überzeugend widerlegt sind. Ich finde nicht, daß das ein guter Parlamentarismus ist.
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19592 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Bundesminister Dr. StoltenbergAber ich will hinzufügen und unterstreichen: Wir vertreten gerade hier — bei den europäischen Interessen und Gesichtspunkten zum Thema Rüstungskontrolle, Abrüstung, Null-Lösung, um die Hauptstichworte zu nennen — eine gemeinsame Haltung mit Frankreich und Großbritannien, unseren wichtigsten europäischen Bundesgenossen. Die Berichte nach den letzten Gesprächen zwischen Präsident Mitterrand und der britischen Premierministerin, Frau Thatcher, haben das deutlich gemacht. Ich halte es für ein wichtiges Zeichen, daß in diesen zentralen Fragen unseres Kontinents wir, die Bundesregierung, der französische Präsident und die Regierung der Französischen Republik, die britische Regierung, aber auch andere westeuropäische Regierungen, mehr Gemeinsamkeit gewonnen haben.
Deswegen ist es vollkommen abwegig, so zu tun, als ob diese Bundesregierung international an Gewicht verloren hätte oder Vorstellungen vertrete, die — wie Sie das in einer ziemlich polemischen Weise gesagt haben — im Ernst keine Abrüstung wollten. Diese Vorwürfe treffen in der Wirkung vielleicht ungewollt auch unsere wichtigsten Verbündeten in Europa. Deswegen weise ich sie entschieden zurück.
Nicht wir stehen vor der Gefahr der Isolierung, Herr Kollege Brandt, die Sozialdemokratische Partei steht in diesen Fragen vor der Gefahr einer gewissen Isolierung;
denn die intensiven Parteikontakte der Sozialdemokratischen Partei mit der kommunistischen SED sind nicht ein Ersatz für die feste Integration unserer Positionen im Bündnis, sie sind ein sehr fragwürdiger Nebenweg, der den deutschen Interessen nicht dient.
Es ist ja in dieser Debatte durch den Bundeskanzler und den Bundesaußenminister auch klargeworden, daß wir beharrlich den Weg zu Ausgleich und Verständigung mit den Staaten Osteuropas verfolgen. Aber — ich sage das zu den ungezügelten Attacken der kommunistischen Zentralorgane aus Moskau und Ost-Berlin, „Prawda" und „Neues Deutschland", gegen den Bundeskanzler — wir werden uns nicht einschüchtern lassen,
wir werden uns nicht davon abbringen lassen, immer wieder entschieden für mehr Menschen- und Bürgerrechte im anderen Teil Deutschlands und in Osteuropa einzutreten, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Hoppe hat heute in diesem Zusammenhang an Andrej Sacharow erinnert. Dieser steht stellvertretend für die vielen integren, bewundernswerten Menschen, die auch heute noch in Gefängnissen, in Verbannung und Isolierung in der Sowjetunion und in der DDR schmachten müssen. Wir setzen uns für sie ein, auch wenn wir vernünftige Beziehungen zu den Regierungen Osteuropas wollen.
Im übrigen können die plumpen Einmischungsversuche der Zentralorgane der kommunistischen Parteien in unseren Wahlkampf keiner demokratischen Partei recht sein. Sie sind im Grunde für alle demokratischen Parteien peinlich. Ich unterstelle, daß das auch die Empfindung vieler Sozialdemokraten ist. Uns werden sie im Ergebnis nicht schaden, und anderen werden sie nicht nutzen, um das sehr kurz zu sagen.
Erlauben Sie, meine Damen und Herren, daß ich nun noch auf einige Punkte der wirtschafts- und finanzpolitischen Diskussion eingehe, die heute morgen auch in kurzen Ausführungen von Herrn Kollegen Brandt und in ausführlicheren Darlegungen von Herrn Kollegen Walther eine Rolle spielte.Ich will nun, bevor ich das tue, kurz auf Ihre Frage zu den Presseberichten zum Thema „HDW" eingehen, Herr Kollege Walther. Ich will das tun, weil Sie hier — wie ich glaube — in einer wenig erfreulichen Form versucht haben, ein Zitat des Kollegen Weng aus der gestrigen Abenddebatte, dem ich sachlich zustimme,
— dem ich sachlich zustimme, ja; ich war gestern abend hier im Gegensatz zu den meisten von Ihnen; ich habe es gehört — umzumünzen in Verdächtigungen gegen den Bundesminister der Finanzen. Ich will Ihnen hier an Hand einer Aufzeichnung einmal kurz die entscheidenden Stationen unserer Mitwirkung vorlesen:Am 18. Juni 1985 hat der geschäftsführende Gesellschafter des Ingenieurkontors Lübeck gelegentlich eines Gesprächs beim Bundeswirtschaftsminister unter anderem auch über das— so heißt es —beabsichtigte Südafrikageschäft unterrichtet und mitgeteilt, daß gewisse Unterlagen für die Konstruktion von U-Booten bereits geliefert worden seien. Der Bundeswirtschaftsminister hat erklärt, daß mit einer Genehmigung nicht zu rechnen sei und nach dem Gespräch von sich aus eine Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der bereits gelieferten Unterlagen angeordnet. Da die interne Prüfung zunächst im Wirtschaftsministerium ergeben hat, daß ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgelegen haben könnte, hat der Bundesminister für Wirtschaft diesen Vorgang an den Bundesminister der Finanzen abgegeben, da die Ermittlung von Zuwiderhandlungen gegen das Außenwirtschaftsgesetz den Oberfinanzdirektionen obliegt.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19593
Bundesminister Dr. StoltenbergIch sage Ihnen ausdrücklich, damit Sie von solchen Verdächtigungen absehen: Ich habe durch die Unterrichtung durch den Wirtschaftsminister zum erstenmal erfahren, daß hier möglicherweise ein schwerwiegender gesetzlicher Verstoß vorliegt.Ich füge hinzu: Ich habe nach einer notwendigen internen Vorprüfung durch die leitenden Beamten des Finanzministeriums veranlaßt, daß der Vorgang an die zuständige Oberfinanzdirektion Kiel am 14. November 1985 zur weiteren Verfolgung abgegeben wird. Die Oberfinanzdirektion Kiel hat gegen das Ingenieurkontor Lübeck und gegen die HDW ein förmliches Verfahren eingeleitet.
— Ich will es Ihnen sagen. Nun hören Sie doch zu Ende. Das ist ein Verfahren, das nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten von der Oberfinanzdirektion Kiel durchgeführt wird.
— Aber das ist doch kein ernsthafter Zwischenruf, Herr Kollege Vogel! Natürlich haben die beteiligten Beamten, wie es das Gesetz vorsieht, sich in einem schwebenden Verfahren an die Vertraulichkeit gehalten. Das ist Ihnen als Justizminister doch keine fremde Kategorie.
Dieses Verfahren ist, weil offensichtlich sehr komplexe Sachverhalte geklärt werden müssen, noch nicht abgeschlossen. Ich habe gehört, daß in Kürze ein Bericht über die möglichen Konsequenzen das Finanzministerium erreichen wird. Ich sage es formal: Der zuständige Bundesminister der Finanzen ist selbstverständlich bereit, wenn das Ergebnis vorliegt, den zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages
oder die zuständigen Ausschüsse zu unterrichten. Bitte sehr. — War da ein Zwischenruf?
Ich glaube, dies ist ein, was den für das Außenwirtschaftsgesetz zuständigen Bundeswirtschaftsminister und den, weil verantwortlich für die Oberfinanzdirektion, für die notwendige Klärung und Ermittlung zuständigen Bundesfinanzminister angeht, korrektes Verfahren.
Ich glaube nicht, daß man hier leichtfertige Verdächtigungen vornehmen sollte.
Herr Minister, es gibt noch einen Zwischenfrager.
Bitte sehr.
Herr Zander, bitte schön.
Herr Minister, dann sind nach dem, was Sie uns eben über den Vorgang erklärt haben öffentliche Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten, die heute zitiert wurden, falsch, wonach dieser die Zustimmung des Bundeskanzlers zu diesem Vorgang erhalten hat?
Also ich habe einen Satz in der „Bild"-Zeitung gelesen. Da findet sich nicht das Wort „Zustimmung".
Ich kann nur sagen, daß weder der Bundeskanzler noch Bundesminister
jemals den Eindruck erweckt haben, daß hier eine Genehmigung zugrunde gelegt werden könnte.
So viel kann ich zu Gesprächen sagen, an denen ich selbst nicht teilgenommen habe. Das sage ich gern zu Ihrer Zusatzfrage.
Lassen Sie mich nun zu den Sachthemen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik kommen. Ich bekräftige auch jetzt zum Schluß der Debatte noch einmal das, was ich in der zweiten Lesung gesagt habe. Mit Blick nicht nur auf die Beratungen dieses Jahres, sondern auch auf die vier Jahre enger Zusammenarbeit, danke ich dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Herrn Kollegen Walther, und allen Kolleginnen und Kollegen herzlich für die sachkundige, kritische, aber im Ergebnis doch dem Wohl unseres Staates dienende Zusammenarbeit.
Natürlich haben wir Kontroversen, Herr Kollege Walther, auch im Hinblick auf Ihre heutige Rede. Aber wir wollen Sie weiter fair austragen.Was mich an den Beiträgen der Opposition heute interessiert hat, ist die neue Sprache der Opposition hier, auch der GRÜNEN. Bisher wurde gesagt, unsere Politik habe nur schlimme Folgen für die Menschen. Heute morgen hat der Kollege Müller gesagt, die Koalition habe Glück gehabt.
— Sie haben von „Glück" geredet.
Lassen Sie mich doch mal korrekt zitieren,
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19594 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Bundesminister Dr. Stoltenbergohne daß Sie gleich wieder dazwischenreden, ich verstehe überhaupt nicht, warum das nötig ist.
Bei diesem Wort „Glück" kamen mir zwei Assoziationen. Die eine: Auch DIE GRÜNEN, trotz aller ideologischen Verbissenheit, bestreiten nicht mehr, daß immer mehr Menschen die Wirkungen dieser neuen Politik positiv erfahren.
— Aber nun schreien Sie doch nicht dauernd dazwischen. Lassen Sie mich doch einmal einen Gedankengang geordnet zu Ende führen. Mir scheint, daß Sie von Ihren letzten Fraktionssitzungen noch Erregungszustände haben, die Sie hier ständig ins Plenum transportieren müssen.
Ich habe Sie ausnahmsweise einmal zustimmend zitiert, wenn auch jetzt nicht in den weitergehenden Folgen; auch das sollte Sie nicht beunruhigen. — Mir kam da, meine Damen und Herren, ein altes Sprichwort in den Sinn, das ich hier ohne Überheblichkeit zitiere: Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige.
Herr Minister, es gibt noch Wünsche nach Zwischenfragen.
Nein, ich möchte mit Blick auf die Uhr, Herr Präsident, versuchen, bis gegen halb eins zum Abschluß zu kommen. — Nein, meine Damen und Herren, Glück reicht als Kategorie allein nicht aus, um die positive Gesamtbilanz dieser vier Jahre zu erklären. Wir haben die Grundsätze einer sozial verpflichteten Marktwirtschaft wieder zur Geltung gebracht. Die Bürger haben die Entscheidungen, die Signale dieser neuen Politik verstanden
und als Verbraucher, als Investoren und in der Arbeitswelt produktiv aufgenommen. Das ist der entscheidende Punkt für die Trendwende zum Besseren, die wir verzeichnen können.
Herr Kollege Walther, wie schlecht die Position der SPD ist, zeigt mir, daß Sie sogar amtliche Statistiken bezweifeln. Ich will hier über diese Debatte zum Thema Beschäftigtenzahl nicht mehr lange reden. Nach Ihren gestrigen Ausführungen habe ich mich aber noch einmal mit einer Originalunterlage des Statistischen Bundesamtes — Referat VIII C III — ausgestattet, in der die Entwicklung der Erwerbstätigkeit vom Januar 1981 bis zum September 1986 im Monatsdurchschnitt festgehalten ist. Nach der Lektüre kann ich nun nicht alles bestätigen, was Sie hier heute an Zahlen vorgetragen haben.
— Aber Herr Kollege Walther, wenn Sie das noch einmal vertiefen wollen, sage ich auch das noch. Ich will das Ihnen und auch der deutschen Offentlichkeit, die Sie hier ständig zu verwirren versuchen, jetzt gern einmal erklären: Es gibt eine erste, kurzfristige Schätzung
nach zwei Monaten, eine Schätzung auf der Grundlage des bisherigen Verfahrens nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Da werden die Bereichsstatistiken des Statistischen Bundesamtes, die Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit und, was sehr wichtig ist, die Statistik der Krankenkassen über die Beitragszahler herangezogen.
Denn sie enthalten die aktuellen Daten, weil man sich entsprechend der Pflicht zur Sozialversicherung natürlich anmeldet.Dann gibt es einen zweiten Wert. Das heißt: Einen Monat später wird der vorläufige Wert korrigiert. Wir können nun wirklich unterstellen, daß das Statistische Bundesamt, das über alle Regierungswechsel hinweg — in Ihrer Zeit und in unserer Zeit — eine Behörde mit großer fachlicher Autorität war und ist, diese Ergebnisse mit einer — wenn überhaupt — minimalen Marge nach oben oder unten nach drei Monaten zur Verfügung gestellt hat. Wenn diese Statistik ergibt, daß wir vom Oktober 1983 bis zum September 1986 eine Zunahme der Zahl der Beschäftigten um genau 600 000 haben, dann sollten Sie das nicht länger bestreiten. Wenn man so etwas tut, meine Damen und Herren, dann kann man das jedenfalls nicht länger ernst nehmen.
Bei allem polemischen Rankenwerk will ich noch einmal versuchen, den sachlichen Kern unserer Kontroverse über die Rolle des Staates in der Beschäftigungspolitik zu beschreiben. Ich will das hier in Erinnerung an Beiträge aus früheren Diskussionen tun. Der Herr Kollege Ehrenberg, der hier früher für Sie in diesem Zusammenhang gesprochen hat, und andere haben immer wieder gesagt — ich zitiere das einmal, wie ich hoffe, fair —: Auch wir haben nach den schweren Einbrüchen, etwa der Jahre 1973/75, mit unserer Politik wieder zunehmende Beschäftigung ab 1976/77 erreicht. — Das ist also die These, die uns entgegengehalten wird. Da würde ich sagen: Ja, das ist statistisch-politisch zwar richtig, aber es ist dann schon ab 1980, vor allem ab 1981 zu einem Abbruch dieser Entwicklung und zu einem geradezu dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit gekommen.Wir ziehen aus dieser Erfahrung eine bestimmte Konsequenz. Wir sagen: Dauerhafte, sichere Arbeitsplätze können nicht durch befristete, auf Pump oder durch höhere Steuern finanzierte Konjunktur-
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Bundesminister Dr. Stoltenbergprogramme geschaffen werden. Das ist unsere Folgerung.
Deswegen treten wir für eine grundlegende, verläßliche und dauerhafte Verbesserung der Rahmenbedingungen mit den Mitteln der Wirtschafts-, der Steuer-, der Abgaben- und der Arbeitsmarktpolitik ein. Damit haben wir begonnen. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend. Große Aufgaben liegen noch vor uns. Wir sind in der Analyse einiger Sachverhalte auch nicht so weit auseinander, wie das in Ihren heftigen Attacken erscheint. Daß wir — beginnend bei den sektoralen Problemen des Schiffbaues, der Kohle, beginnend bei den regionalen Problemen einiger Bereiche in der Bundesrepublik, die wirklich in der Gefahr sind zurückzufallen, bis hin zu den großen Fragen der EG-Politik etwa auf dem Agrarmarkt — gewaltige Herausforderungen vor uns haben, ist doch in einer ernsthaften politischen Diskussion vollkommen unbestritten. Wir würden die deutschen Bürger nicht überzeugen, wenn in den kommenden Wochen bis zum 25. Januar die einen nur Erfolgs- und Jubelmeldungen machten und die anderen — wie wir das bei Ihnen erlebt haben — nur Schwarzmalerei und Pessimismus. Das nimmt uns doch keiner ab, meine Damen und Herren.
Deswegen appelliere ich an Sie,
bei aller kritischen Sonde der Opposition nicht weiter zu bestreiten, daß wir in puncto Wachstum, Preisstabilität, Beschäftigung,
in diesen vier Jahren unser Land erheblich vorangebracht haben.
Die Kontroverse ist auch in den Fragen der Steuerpolitik da. Hier in der Diskussion haben zwei Redner, einer Ihrer Kollegen und einer der GRÜNEN, noch einmal unsere Entscheidung aus dem Frühjahr 1985 kritisiert, die steuerlichen Abschreibungen für Wirtschaftsgebäude grundlegend zu verbessern. Ich habe vor einiger Zeit eine Statistik gelesen, in der sich folgendes widerspiegelt: Die Verbesserung der Lage in der Bauwirtschaft, die Verbesserung insbesondere auch für die Bauarbeiter, wo dieser dramatische Personalabbau gestoppt werden konnte, beruht zu einem erheblichen Teil darauf, daß die Aufträge für Wirtschaftsgebäude in diesem Jahr weit überdurchschnittlich angestiegen sind, in den ersten Monaten um gut 10%.
— Dies ist kein Strohfeuerprogramm,
weil diese steuerliche Neuregelung unbefristet ist,dauerhaft ist und nicht ein kurzfristiges Konjunkturprogramm, das Strohfeuereffekte erzeugt, Herr Kollege Walther.
Das ist der Punkt.
Mein dringender Appell an Sie ist, aufzuhören, solche Entscheidungen zur Stärkung wichtiger Bereiche unserer Volkswirtschaft und damit auch ihrer Arbeitnehmer weiter als Umverteilung zugunsten der Reichen zu denunzieren.
Ja, meine Damen und Herren, ich will das ausdrücklich sagen: Wir halten weitere Entlastungen auch bei den Unternehmenssteuern für notwendig. Ich will das begründen. Wir entschuldigen uns hier nicht; wir begründen das.Nehmen Sie die Körperschaftsteuer. Wir haben bei unseren wichtigsten Partnern einen nachhaltigen Rückgang der Körperschaftsteuer: in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Frankreich, in Großbritannien, in den Niederlanden. Ich möchte Sie darauf verweisen, daß der österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky, Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei Österreichs, 14 Tage vor der Nationalratswahl am vergangenen Sonntag folgendes angekündigt hat: Zu den wichtigsten Aufgaben der Steuerpolitik in Österreich gehöre eine Senkung der Körperschaftsteuer — dort mit einer anderen Bemessensgrundlage als bei uns — von 55% auf etwa 40 %. — Warum ist das ein Programmpunkt des österreichischen sozialistischen Bundeskanzlers gewesen? — Weil er begriffen hat, daß im Wettbewerb der Steuersysteme um arbeitsplatzschaffende Investitionen Österreich dem allgemeinen Trend der westlichen Industrieländer folgen muß, sich anschließen muß, wenn das Sparkapital des eigenen Volkes nicht ins Ausland zu günstigeren Anlagen hinfließen soll. Das, was der österreichische sozialistische Bundeskanzler Vranitzky begriffen und vor der Wahl angekündigt hat, sollte endlich auch bei der deutschen Sozialdemokratie zur Nachdenklichkeit führen, anstatt daß mit den alten, verstaubten Sprüchen des Klassenkampfes Steuerpolitik betrieben wird.
Wir wollen die Einkommen- und Lohnsteuer grundlegend senken — mit einem durchgehenden linearen Tarif. Weil die Frau Kollegin Fuchs das hier in der sozialpolitischen Debatte nun wirklich irreführend dargestellt hat — ich bin ja ganz höflich zum Schluß, meine Damen und Herren —, möchte ich folgendes sagen: Wenn wir diesen linear-progressiven Tarif — und das ist die programmatische Aussage von CDU/CSU und FDP — verwirklichen, ergibt dies die stärkste Senkung der Grenzbelastung in der unteren Progressionszone, die schon bei Einkommen von 18 000 DM bei Ledigen und 36 000 DM bei Verheirateten beginnt. In der unteren Progressionszone werden wir die stärkste Absenkung der Grenzbelastung haben. Sehr geehrte Frau Kollegin Fuchs, streichen Sie doch die Behauptung, wir wollten in der Steuerpolitik nur
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Bundesminister Dr. Stoltenbergetwas für die Bezieher von Einkommen über 5 000 DM tun, aus Ihrem weiteren Wahlkampfrepertoire. Streichen Sie das, bitte ich, wirklich endgültig, wenn Sie noch ernstgenommen werden wollen.
Meine Damen und Herren, ich bekräftige noch einmal: Große Aufgaben liegen vor uns, erstens die Steuerreform, von der ich hier gesprochen habe. Sie zielt auf mehr Beschäftigung,
bessere Anerkennung der beruflichen Leistung, Berufstätige mit Kindern und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft. Das sind vier vorrangige Aufgaben einer Steuerreform.
Zweitens nenne ich die Kostenbegrenzung im Gesundheitswesen, Herr Kollege Walther, damit die für Arbeitnehmer und Betriebe ansteigenden Beiträge abgebremst werden können. Ständig steigende Lohnnebenkosten sind eine Gefährdung der Beschäftigungsentwicklung,
und sie können auch, wenn wir dies nicht korrigieren — gemeinsam, wie ich hoffe —,
in der Tat die arbeitenden Menschen zu einem Teil um die Erträge der Steuersenkung bringen.Die dritte Aufgabe, die in der sozialpolitischen Debatte schon behandelt wurde, ist, unser Rentensystem weiterzuentwickeln, damit es auch nach den schweren demographischen Veränderungen für zwei Generationen verläßlich bleibt.Als viertes will ich hier — auch nach der Rede von Herrn Kollegen Brandt — noch einmal die Europäisierung der Umweltschutzpolitik und der Standards nennen. Im Gegensatz zu Ihren negativen Urteilen über die Umweltschutzpolitik der Koalition, Ihren nicht qualifizierten Angriffen auf unseren Kollegen Walter Wallmann, sage ich Ihnen, Herr Kollege Brandt: Diese Regierung ist die erste, die erfolgreiche Schritte zur Europäisierung der Umweltschutzpolitik eingeleitet hat.
Aber es bleibt noch viel zu tun, um andere zu überzeugen.Wir aile sind tief bestürzt über die Serie schwerer Unfälle in der Chemieindustrie am Rhein, beginnend in der Schweiz, aber auch uns jetzt berührend. Diese Dinge sollten nicht in so vordergründiger Form für parteipolitische Polemik verwandt werden, wie Sie das hier versucht haben, meine Damen und Herren.
Es ist eine Herausforderung für uns alle, die nationalen Standards zu verschärfen, die Kontrollen,Selbstkontrollen und, soweit wie nötig, öffentlichenKontrollen für die Unternehmen wirksamer zu gestalten und die Europäisierung zu erreichen. Herr Kollege Brandt, es wäre eine große Aufgabe für die Sozialistische Internationale, die noch zögernden Partnerländer in Westeuropa zu überzeugen, daß sie endlich den Stand erreichen sollten, den wir in der Bundesrepublik Deutschland haben und im Interesse von Umweltschutz weiter ausbauen wollen.
Meine Damen und Herren, ich sage hier zum Schluß — ich wollte das an den genannten Feldern der Politik heute noch einmal deutlich machen —: Wir haben keinen Grund zur Selbstzufriedenheit.
Wir wissen, wie groß die Aufgaben und die noch nicht gelösten Probleme sind. Wir laden Sie, meine Damen und Herren der SPD, zu einem Wettbewerb der Ideen ein. Wir sollten in den kommenden zwei Monaten in einen Wettbewerb der Ideen und Argumente, statt in einen Wettbewerb der Polemik und der Holzerei eintreten. Das ist meine Empfehlung hier.
Aber wir glauben, daß wir aus den Gründen, die wir in dieser Diskussion vorgetragen haben — Bilanzen, Fakten, programmatische Aussagen —, auf einem guten Weg sind. Deswegen werben wir um das Vertrauen einer Mehrheit der Bürger der Bundesrepublik Deutschland.Schönen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir sind noch nicht soweit, daß wir zur Abstimmung kommen können. Ich möchte Ihnen zunächst erläutern, in welcher Weise wir jetzt verfahren. Erstens gibt es noch einen Wunsch nach einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung. Sie wird kurze Zeit in Anspruch nehmen. Zweitens werden wir dann abstimmen über die Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN, die zu den Einzelplänen des Haushalts vorgelegt worden sind. Dann kommt die namentliche Abstimmung. Über den Haushalt in der dritten Lesung, die die CDU/ CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion erbeten haben. Danach kommt dann die Abstimmung über den von der SPD vorgelegten Entschließungsantrag zum Gesamthaushalt. Das ist die Verfahrensweise. Haben Sie also bitte noch einen Moment Geduld, bis wir zur namentlichen Abstimmung kommen.
Nun hat der Abgeordnete Dr. Müller zu einer Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung das Wort.
Ich möchte zur Abstimmung erklären, daß wir den Bundeshaushalt in seiner Gänze selbstverständlich ablehnen.
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Herr Abgeordneter, Sie können nach § 31 der Geschäftsordnung nur in Ihrem eigenen Namen eine Erklärung abgeben.
Ich möchte in meinem Namen erklären, daß ich mich bei der Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD, der vorliegt, enthalten werde. Ich bin der Meinung, daß in diesem Entschließungsantrag einiges enthalten ist, über das sich wirklich zu diskutieren lohnt. Durch Umweltschutz Arbeitsplätze schaffen ist ein Ansatz, dessen Verwirklichung dringend notwendig ist, den auch wir für richtig halten. Anderes geht uns nicht weit genug. Deswegen werden wir uns enthalten.
Wir hoffen, daß in der Zukunft über diesen Antrag und seinen Inhalt diskutiert werden kann,
damit Schritte in Gang gesetzt werden und von dem im Entschließungsantrag Niedergelegten möglichst viel verwirklicht wird.
Danke schön.
Es gibt — ich teile das für das Protokoll mit — eine weitere Erklärung nach § 31, also zur Abstimmung, die der Abgeordnete Zander als Berichterstatter des Einzelplans 30 abgegeben hat. Sie wird im Protokoll erscheinen.Ich rufe nunmehr die Entschließungsanträge der Fraktion DIE GRÜNEN zu den Einzelplänen zur Abstimmung auf, beginnend mit dem Entschließungsantrag zum Einzelplan 11. Wer dem Entschließungsantrag auf Drucksache 10/6582 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/6585? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Auch dieser Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag zum Einzelplan 14 auf Drucksache 10/6538? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Auch dieser Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag zum Einzelplan 27 auf Drucksache 10/6581? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Auch dieser Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Wir kommen jetzt zu den Entschließungsanträgen zum Einzelplan 30. Ich hatte darauf hingewiesen, daß der Abgeordnete Zander dazu eine schriftliche Erklärung abgegeben hat. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/6497 der Fraktion DIE GRÜNEN? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/6498? — Wer stimmt dagegen? —Enthaltungen? — Dieser Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 10/6499 — immer noch zum Einzelplan 30? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Der Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Schlußabstimmung über das Haushaltsgesetz 1987. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP verlangen gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Das Verfahren ist Ihnen bekannt.Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? — Dann möge dies geschehen. — Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß ich die Auszählung einleiten kann. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. —Ich gebe nachher das Ergebnis bekannt, aber ich möchte jetzt gern zu Ende führen und bitte daher noch einen Augenblick um Aufmerksamkeit.Es ist noch über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6556 abzustimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Gibt es Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD ist mit Mehrheit abgelehnt.Ich bitte, noch einen Moment Platz zu behalten. Die Zeit, in der wir auf das Ergebnis warten, bietet eine gute Gelegenheit, hier noch jemandem Danke schön zu sagen. Dazu erbitte ich Ihre Aufmerksamkeit.Wir sind am Schluß der Tagesordnung und haben eine anstrengende Woche schwieriger Haushaltsberatungen hinter uns. Dafür gebührt, glaube ich, in unser aller Namen den anderen Ausschüssen, den Haushältern aller Fraktionen und auch ihren Mitarbeitern auf der 25. Etage unser herzlicher Dank.
Ich schließe meinerseits auch die Mitarbeiter der Regierung auf der Seite des Finanzministers und aller Ressorts dabei ein.
Ich möchte aber auch im Namen des ganzen Hauses unserer Verwaltung danken,
ganz besonders den Mitarbeiterinnen und den Mitarbeitern unserer Druckerei, der Drucksachenverteilungsstelle, des Parlamentssekretariats und des Stenographischen Dienstes und nicht zuletzt den Beamten im Plenarsaaldienst, die uns hier im Saal unermüdlich zur Verfügung gestanden haben.
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19598 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986
Vizepräsident WestphalSie alle haben durch Ihren außergewöhnlichen Einsatz zu einem reibungslosen Ablauf der Haushaltsberatungen beigetragen.Nun muß ich unterbrechen, bis das Sitzungsergebnis vorliegt. Erst dann kann ich die Sitzung schließen.Ich wünsche Ihnen allen, die jetzt schon gehen, ein gutes Wochenende. Bedenken Sie im Wahlkampf, daß er in seinem Niveau immer noch besser geführt werden kann, als es sonst schon geschieht.Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das von den Schriftführern mitgeteilte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über das Haushaltsgesetz 1987 auf den Drucksachen 10/5900, 10/6209 und 10/ 6301 bis 10/6331 bekannt.Von den vollstimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 385 ihre Stimme abgegeben. Es hat keine ungültigen Stimmen gegeben. Mit Ja haben gestimmt 228, mit Nein 157. Es hat keine Enthaltung gegeben. Von den Berliner Abgeordneten haben 19 ihre Stimme abgegeben; keine ungültige, keine Enthaltungen. Mit Ja haben 10 und mit Nein haben 9 Abgeordnete gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 384 und 19 Berliner Abgeordnete; davonja: 227 und 10 Berliner Abgeordnetenein: 157 und 9 Berliner AbgeordneteJaCDU/CSUDr. Abelein Frau Augustin AustermannBayhaDr. Becker BergerDr. Berners BiehleDr. Blank Dr. Blens Dr. Blüm Dr. Bötsch BohlBohlsen Borchert BraunBreuerBrollBrunnerBühler Carstens (Emstek) ClemensDr. Czaja Dr. Daniels DawekeFrau DempwolfDeresDörflinger Dr. DollingerDossDr. Dregger EhrbarEigenEngelsbergerErhard
FellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg)Dr. FriedmannFunkGanz
Frau GeigerDr. von Geldern Gerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. Götz Günther Hanz
Hauser Hauser (Krefeld) HedrichFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. HennigHerkenrathHinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornung Dr. Hupka Graf HuynJäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. Jobst Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKellerKiechleDr. Köhler Dr. Köhler (Wolfsburg) Dr. KohlKolbKrausKreyDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertDr. Langner Lattmann Dr. Laufs Lemmrich LenzerLink
Link Linsmeier LintnerDr. Lippold LöherLohmann LouvenLowackMaaßFrau MännleMaginMarschewskiMetzDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. Mikat Dr. Miltner Dr. Möller Dr. MüllerMüller Müller (Wadern)NelleFrau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog Frau Pack Petersen Pfeffermann Dr. Pinger PöpplPohlmannDr. PohlmeierDr. Probst RaweReddemann RepnikDr. Riedl
Dr. RiesenhuberRode
Frau Rönsch
Frau Roitzsch
Dr. RoseRossmanith Roth
RufSauer
SaurinSauter Sauter (Ichenhausen) Scharrenbroich SchemkenScheuSchlottmann SchmidbauerSchmitz Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schultz (Wörrstadt) Schwarz
Dr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerDr. SprungDr. Stark Dr. Stercken StockhausenDr. StoltenbergStrubeStücklenStutzerSussetTillmannDr. TodenhöferUldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner Frau Dr. WilmsWilzWindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannWittmann Dr. WörnerWürzbach Dr. WulffZiererDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteFrau Berger BoroffkaBuschbom DolataKalischKittelmann Dr. PfennigSchulze StraßmeirFDPFrau Dr. Adam-Schwaetzer BaumBeckmann BredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardErtlGallusGattermannFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HirschKohnDr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 251. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1986 19599
Vizepräsident WestphalNeuhausenPaintnerDr. RumpfSchäfer
Frau Seiler-AlbringDr. Weng Wolfgramm (Göttingen)Berliner Abgeordneter HoppefraktionslosVoigt
NeinSPDDr. AhrensAmling Dr. ApelBachmaierBahrBambergBecker BerschkeitBindig Brandt Büchler
Büchner
Dr. von Bülow CatenhusenCollet ConradiDr. CorterierFrau Dr. Däubler-Gmelin DelormeDreßler DuveDr. Ehmke
Dr. EmmerlichEsters Ewen Fiebig Franke
Frau Fuchs
Frau Fuchs
Gerstl
Gilges GlombigGrunenbergDr. HaackHaehserHauckDr. HauffHeistermannHerterichHettling Dr. Holtz HornFrau HuberImmer Jahn (Marburg)Jaunich Dr. Jens Junghans Kastning Kiehm Dr. KlejdzinskiKloseKolbow KühbacherLambinusLennartz Leonhart Frau Dr. LepsiusLiedtkeLohmann
LutzFrau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens MöhringMüller Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann
Dr. Nöbel Paterna PauliDr. PennerPfuhlPorzner PurpsRankerRapp ReimannFrau RengerReuterRohde SanderSchäfer SchanzSchlaga SchluckebierDr. Schmidt Schmidt (München)Frau Schmidt Schmidt (Wattenscheid) Schmitt (Wiesbaden)Dr. SchmudeSchröer Schulte (Unna)Dr. Schwenk SielaffSieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. Sperling Dr. SpöriStahl
SteinerFrau Steinhauer StocklebenDr. Struck Frau Terborg TietjenFrau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe UrbaniakVahlbergVerheugen Vogelsang Voigt
VosenWaltemathe WaltherWeinhofer Dr. Wernitz WestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek Wimmer (Neuötting) WitekDr. de With WürtzZanderZeitlerBerliner AbgeordneteDr. Diederich HeimannLöfflerFrau LuukDr. Mitzscherling StobbeDr. Vogel Wartenberg
DIE GRÜNENAuhagenFrau BorgmannFrau DannFrau EidFischer FritschLangeMannDr. Müller RuscheSchmidt
SenfftSuhrTatgeTischerVogel VolmerFrau WagnerWerner Frau ZeitlerBerliner Abgeordneter StröbeleDamit ist der Bundeshaushalt 1987 mit Mehrheit angenommen.
Dann bleibt mir nur noch übrig, den noch anwesenden Kollegen ein gutes Wochenende zu wünschen.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 3. Dezember 1986, 13 Uhr ein. Auf Wiedersehen.Die Sitzung ist geschlossen.