Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, wir treten in die Fragestunde
— Drucksachen 10/4114, 10/4124—ein. Zunächst die Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Frau Parlamentarische Staatssekretärin Karwatzki zur Verfügung.
Als erstes rufe ich die Dringliche Frage 1 der Frau Abgeordneten Schmidt auf:
Sind Presseberichte aus dieser Woche zutreffend, wonach dem Bundesgesundheitsamt bereits seit Ende August 1985 bekannt war, daß 'Betriebe in Österreich Wein mit Natriumazid versetzt haben, und warum wurden die zuständigen Landesbehörden nicht unverzüglich darüber informiert?
Bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Schmidt, am 29. August 1985 fand in Wien auf Einladung und unter dem Vorsitz des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz eine Zusammenkunft von Chemikern aus österreichischen Untersuchungsanstalten statt, an der auch eine Mitarbeiterin des Bundesgesundheitsamtes teilnahm.
Hauptthema war die Diskussion über den gegenwärtigen Stand der analytischen Möglichkeiten zur einwandfreien Bestimmung des Diethylenglykols in Wein. Bei dieser Gelegenheit wurde auch über das Problem der Beurteilung kleiner Mengen an Halogen-Essigsäuren gesprochen, auf wiederaufgetretene Verfälschungen von Wein durch Zusatz von Stärkesirup hingewiesen und darüber gesprochen, daß auch wieder Azide zum Gärstopp in Wein, ebenfalls aber auch in Fruchtsäften und Bier, eingesetzt werden.
Hierüber unterrichtete das Bundesgesundheitsamt mit Schreiben vom 3. September 1985 die Sachverständigen der Arbeitsgruppe Wein und Spirituosen der Arbeitsgemeinschaft lebensmittelchemischer Sachverständiger sowie die Mitglieder der Wein- und Fruchsaftanalysenkommission des Bundesgesundheitsamtes. Diesem Schreiben waren vier Arbeitsvorschriften zum Nachweis und zur Bestimmung der Azide, die als „grüne Blätter" beim Internationalen Weinamt erschienen sind, beigefügt.
Unabhängig davon warnte das Bundesgesundheitsministerium bereits am 2. September 1985 die Öffentlichkeit dringend vor dem Verzehr österreichischen Weins. Die Warnung war mit der Herausgabe einer neuen Diethylenglykolweinliste verbunden.
Zusatzfrage bitte.
Frau Staatssekretärin, halten Sie es denn für richtig, daß diese Warnung dann wiederum nur im Zusammenhang mit den glykolverseuchten Weinen ausgesprochen worden ist, und warum hat das Ministerium nicht darauf hingewiesen, daß hier ein neuer Giftstoff, der wesentlich gefährlicher ist als Diethylenglykol, im Wein gefunden worden ist?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Schmidt, ich habe ausgeführt, daß diesem Schreiben vom 3. September 1985, womit das Bundesgesundheitsamt unterrichtete, vier Arbeitsvorschriften, die — im Fachjargon — als „grüne Blätter" beim Internationalen Weinamt erschienen sind, zum Nachweis und zur Bestimmung der Azide beigefügt waren. Es ist also jedem Land freigestellt worden, sofort eine entsprechende Untersuchung in Angriff zu nehmen.
Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie haben mich mißverstanden. Ich meinte: Warum hat das Bundesgesundheitsamt bzw. das Bundesgesundheitsministerium die Öffentlichkeit nicht davor gewarnt, daß es jetzt einen neuen, wesentlich gefährlicheren Giftstoff im Wein gibt, und warum hat es statt dessen im Prinzip darauf abgestellt, daß es sich wiederum nur um die Warnung vor diethylenglykolverseuchten Weinen handelt?Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Schmidt, so ist das nicht gewesen. Ich habe gerade Ihre Frage so beantwortet, daß das Bundesgesundheitsamt über das informiert hat, was war.
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12734 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Parl. Staatssekretär Frau KarwatzkiWir haben — das, meine ich, ist ein viel weitergehendes Angebot an die Verbraucher — grundsätzlich vor dem Genuß österreichischen Weines gewarnt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Frau Staatssekretärin, welchen Grund gab es bei der Veröffentlichung vom 3. September für die Bundesregierung, zu diesem Zeitpunkt auf den Zusammenhang mit Diethylenglykol öffentlich hinzuweisen, aber in keinerlei Verlautbarung weder die Überwachungsämter noch die Offentlichkeit darüber zu informieren, daß es möglicherweise einen konkreten Verdacht gebe, daß Weine — egal, ob österreichisch oder nicht — mit Natriumazid versetzt seien?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das war zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht der Fall. Vielmehr hat hier die Mitarbeiterin des Bundesgesundheitsamtes Gesprächsergebnisse wiedergegeben. Azide sind in früheren Jahren immer wieder einmal in österreichischen Weinen gefunden worden. Ich glaube, es kann nicht die Aufgabe der Bundesregierung sein, nur auf Verdacht hin etwas zu unternehmen. Wir haben hier der Informationspflicht Genüge getan und haben die entsprechenden zuständigen Behörden — die sind nun einmal bei den Ländern angesiedelt — informiert.
- Vizepräsident Stücklen: Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Dringliche Frage 2 der Frau Abgeordneten Schmidt auf:
Kann die Bundesregierung den Widerspruch zwischen der Äußerung der österreichischen Regierung, die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland seien über den neuen Weinskandal umgehend informiert worden, und den Angaben des Landwirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz, eine Nachricht aus Wien sei nicht eingetroffen, erklären?
Bitte sehr.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 29. Oktober 1985 den Bericht einer Nachrichtenagentur erhalten, wonach die österreichischen Behörden in österreichischen Weinen den Stoff Natriumazid festgestellt haben. Es seien „bereits mehrere Proben mit der verbotenen Chemikalie gefunden worden und es seien Beschlagnahmen erfolgt". Mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen könnten keine Einzelheiten genannt werden.
Um nähere Einzelheiten zu erfahren, hat der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit noch am selben Tage sofort fernmündlich mit den österreichischen Behörden Kontakt aufgenommen und zugleich Fernschreiben an die zuständigen österreichischen Ministerien für Gesundheit und Umweltschutz sowie für Land- und Forstwirtschaft gerichtet. Ebenfalls am Abend des 29. Oktober 1985 informierte das Bundesgesundheitsministerium die zuständigen Ministerien der Länder und die Öffentlichkeit.
Am 30. Oktober 1985 ist daraufhin das Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz vom österreichischen Landwirtschaftsministerium fernschriftlich über die festgestellten Verfälschungen bei österreichischem Wein unterrichtet worden. Als die österreichischen Behörden — und zwar am Mittag des 30. Oktober 1985; die dpa-Meldung ist von 12.55 Uhr — über die angeblich bereits erfolgte Unterrichtung des rheinland-pfälzischen Ministeriums berichteten, war dort nach Angaben aus Rheinland-Pfalz das Fernschreiben aus Wien noch nicht eingegangen. Das geschah vielmehr erst am frühen Nachmittag desselben Tages gegen 14 Uhr. Das Fernschreiben des österreichischen Landwirtschaftsministeriums ist im Wortlaut gleichzeitig dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit übermittelt worden. Sowohl das rheinland-pfälzische Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten als auch das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit haben unverzüglich die übrigen für den Vollzug des Weinrechts zuständigen Landesbehörden über den Inhalt des Fernschreibens unterrichtet.
Das Fernschreiben des österreichischen Landwirtschaftsministeriums enthielt u. a. die Aussage: „Die bisherigen Kontrollen ergaben keinen Hinweis, daß mit verbotenen Konservierungsmitteln versetzte Weine in die Bundesrepublik Deutschland exportiert worden sind." Gleichwohl wiederholte das Bundesgesundheitsministerium am selben Tag unter Hinweis auf die Feststellung von Natriumazid in österreichischen Weinen die dringende Warnung vor dem Verzehr jeglichen österreichischen Weins, da nicht ausgeschlossen werden könne, daß doch österreichische Weine mit Natriumazid in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sein könnten.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die österreichischen Behörden nicht ernstlich die beiläufigen Hinweise anläßlich des Sachverständigengesprächs am 29. August 1985 in Wien als ausreichende Information über akute Fälle von Verfälschungen bei 100 000 l österreichischem Wein mit Natriumazid ansehen können. Davon hat vielmehr das österreichische Landwirtschaftsministerium erst zwei Monate später — auf ausdrückliche Anfrage — berichtet. Und es hat selbst dann noch Anhaltspunkte dafür in Abrede gestellt, daß hiervon etwas in die Bundesrepublik Deutschland gelangt sein könnte.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, ich darf jetzt noch einmal rekapitulieren: Das Bundesgesundheitsamt hat am 29. August das erste Mal — sicherlich auf nicht offiziellem Wege, aber immerhin im Rahmen eines Expertengesprächs — Kenntnis erhalten. Am 29. Oktober ist das Ministerium Nachrichten aus Agenturmeldungen nachgegangen. Warum hat das Ministerium oder das Bundesgesundheitsamt nicht offiziell zwischen dem 29. August 1985 und dem 29. Oktober dieses Jahres nachgefragt, was von diesen Meinungen oder Informationen aus einer Expertenrunde zu halten ist?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985 12735
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Schmidt, wenn wir jedem Inhalt von Expertengesprächen nachgehen würden, dann weiß ich gar nicht mehr, mit was wir uns sonst beschäftigen könnten. Ich habe hier verdeutlicht, daß wir auf Grund von Anhaltspunkten oder Verdachtsmomenten, die wir hatten, sofort gehandelt haben.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, glauben Sie nicht, daß Sie zumindest aus dem Diethylenglykol-Skandal allmählich einige Erfahrungen hätten ziehen müssen, und sind Sie nicht auch der Meinung, daß man Nachrichten aus Kontakten, die unser Ministerium mit der österreichischen Regierung pflegt — man tauscht sich zum einen über Handelsdelegationen aus, zum anderen über Expertengespräche —, nicht nachgegangen ist, was schon einmal zu erheblichen Mißerfolgen geführt hat?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Schmidt, diese Meinung teile ich nicht.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Frau Staatssekretärin, teilen Sie nicht die Auffassung, daß sowohl Ihrem Hause als auch nachgeordneten Behörden genügend Mitarbeiter zur Verfügung stehen, um solchen konkreten Verdachtsmomenten nachzugehen, und sind Sie nicht auch der Meinung, daß Sie eine Pflicht dazu haben, wenn es um mögliche Gesundheitsgefährdungen der Bürger geht?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Wir nehmen unsere Pflicht wahr, und wir sind auch unverzüglich zum Handeln übergegangen, als ein Verdacht gegeben war.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fischer .
Frau Staatssekretärin, kann ich Ihre Ausführungen dahin gehend deuten, daß Sie Expertengesprächen weniger intensiv nachgehen als Meldungen z. B. einer Presseagentur?
Frau Karwatzki, Pari. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Frau Staatssekretärin, gibt es — nachdem uns das Problem des österreichischen Weines schon mehrfach berührt hat — Absichten, einen intensiveren Informationsaustausch zu pflegen oder sind diesbezüglich Maßnahmen vorgesehen. und beabsichtigt die Bundesregierung, wenn dies nicht im erwünschten Maße gelingt, verstärkt Prüfungen vorzunehmen, ehe österreichischer Wein importiert wird?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Wir bemühen uns ständig darum, daß der Austausch besser gelingt. Zu dem zweiten
Teil Ihrer Frage möchte ich anmerken, daß es auch hier Bemühungen unsererseits gibt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Frau Staatssekretärin, nachdem Sie gesagt haben, Sie hätten das Land Rheinland-Pfalz informiert bzw. es sei durch die österreichischen Stellen informiert worden, frage ich Sie: Wie kommt es eigentlich, daß andere Bundesländer, die ebenfalls mit Importen von Weinen zu tun haben, offenbar nicht informiert worden sind, und wäre es nicht die Pflicht entweder des Bundes oder des Landes Rheinland-Pfalz gewesen, den Kollegen Mitteilung davon zu machen, daß Gifte im Wein gefunden worden bzw. möglich seien, und davor zu warnen, damit nicht nur die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz, sondern eben auch in Hessen, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern vor dem Konsum solcher Weine bewahrt würde?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, das zuständige österreichische Ministerium hat die Kollegen des Landes Rheinland-Pfalz als das zuständige Importland, das verantwortlich ist, gebeten, die übrigen Länder zu informieren. Dies ist geschehen. Darüber hinaus hat aber auch das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit gleiches getan.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fischer . .
Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, ob auch die rheinland-pfälzische Staatskanzlei von diesem Vorgang unterrichtet worden ist und — wenn j a — wann und von wem?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, meine Aufgabe war es hier, einen Überblick darüber zu geben, wie es zu diesen Vorgängen gekommen ist. Unser Partner ist das zuständige Ministerium. Ich gehe aber davon aus, daß das zuständige Ministerium die Staatskanzlei in Kenntnis gesetzt hat. Das kann ich hier allerdings nicht verbindlich erklären.
Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus diesem Geschäftsbereich erledigt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Probst zur Verfügung.Die Frage 1 der Abgeordneten Frau Schmidt ist von der Fragestellerin zurückgezogen worden.Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Catenhusen auf:Beabsichtigt die Bundesregierung, Sicherheitsstandards für die industrielle Produktion mit Hilfe gentechnisch manipulierter Organismen im Rahmen der Richtlinien der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit der Indu-
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12736 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Vizepräsident Stücklenstrie auf dem Wege der freiwilligen Selbstbindung aufzuerlegen, und wie gedenkt die Bundesregierung die Befolgung dieser Richtlinie durch Industrieunternehmen, auch wenn diese beispielsweise nicht dem Verband der Chemischen Industrie angehören, sicherzustellen?Bitte sehr.
Herr Kollege, Ihre Frage beantworte ich wie folgt. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in vitro neukombinierte Nukleinsäuren, die die Grundlage für die sicherheitstechnische Überprüfung von Experimenten durch die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit sind, ihre Schutzfunktion bisher erfüllt haben.
Im Zusammenhang mit der weiteren Einführung und Anwendung gentechnischer Methoden sind die bereits vorhandenen und erprobten Sicherheitsmaßnahmen auch für den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen in der industriellen Produktion fortzuentwickeln.
Die Bundesregierung überarbeitet zur Zeit einen Entwurf der ZKBS für eine Neufassung der Richtlinien. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage der Befolgung der Richtlinien durch Industrieunternehmen geprüft.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, daß. deutsche Industrieunternehmen die geltenden Richtlinien der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit nicht befolgen? Um wie viele Unternehmen geht es dabei?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist so, daß im inhaltlich sicherheitsrelevanten Bereich der Befolgung der Richtlinien keinerlei Anhaltspunkte einer Gefährdung gegeben sind. Es ist aber sehr wohl nicht auszuschließen, daß bei der ZKBS in Einzelfällen die Richtlinien dadurch nicht eingehalten worden sind, daß die Registrierung der Experimente nicht erfolgte.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Catenhusen.
Welchen Weg hält die Bundesregierung für gangbar, um auch angesichts der von Ihnen bestätigten Tatsache, daß deutsche Industrieunternehmen Experimente nicht angemeldet haben, eine bindende Einhaltung solcher Richtlinien der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit im Gesamtbereich der Industrie durchzusetzen?
Soll nach Auffassung der Bundesregierung dabei auch die Frage der Haftung von Firmen für Schäden, die im Fall einer Übertretung solcher Vorschriften eintreten könnten, geregelt werden?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, diese Gesamtfrage, die Sie hier angeschnitten haben, ist eine Frage umfangreicher Diskussionen mit
Rechtsexperten, mit Naturwissenschaftlern, auch mit Ethikern, mit denjenigen, die etwas von Sicherheitsfragen und Versicherungsfragen verstehen.
Es ist jetzt noch nicht möglich, diese einzelnen Maßnahmen zu nennen. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Neufassung des Entwurfs, der die Gesichtspunkte, die Sie genannt haben, berücksichtigt, Anfang des nächsten Jahres im Kabinett zu verabschieden.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fischer .
Herr Staatssekretär, können Sie uns darüber informieren, um welche Experimente, die nicht angemeldet waren, es sich in diesem Zusammenhang überhaupt gehandelt hat?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist außerordentlich schwer, wirklich nachzuweisen, daß solche Experimente nicht angemeldet waren. Darum wollen Sie bitte auch verstehen, daß ich jetzt nicht im Einzelfall Firmen nenne, weil das zu beweisen kaum möglich ist.
Die Frage war, ob es Anhaltspunkte gibt. Anhaltspunkte gibt es.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.
Herr Staatssekretär, wie wollen Sie eigentlich ausschließen, daß in dieser Interimszeit, in der Sie noch mit sämtlichen Beteiligten sprechen und Überlegungen anstellen, die Industrie schon längst diese irreparablen Untersuchungen angestellt hat?
Dr. Probst, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung liegt kein Anhaltspunkt vor — ich wiederhole es —, daß im sicherheitsrelevanten inhaltlichen Bereich der Richtlinien irgendwelche Gefährdungen stattgefunden hätten. Fehler, Mängel und Unzulänglichkeiten können Sie nie ausschließen, Frau Kollegin, in keinem Bereich unseres Lebens.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Staatssekretär Piazolo zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Schreiner auf:
Trifft es zu, daß die Bundesregierung beabsichtigt, im Rahmen des Programms für benachteiligte Jugendliche 3200 neue Stellen zu schaffen, und nach welchen Gesichtspunkten sollen diese auf welche Bundesländer in welcher Höhe aufgeteilt werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Schreiner, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat am 16. Oktober 1985 beschlossen, dem Bundestag eine Aufstockung der im Regierungsentwurf für den Haushalt 1986 für das „Benachteiligtenpro-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985 12737
Staatssekretär Piazolo
gramm" vorgesehenen Mittel um weitere 60 Millionen DM auf nunmehr 335 Millionen DM vorzuschlagen. Damit sollen weitere rund 3 500 benachteiligte Jugendliche, die sonst keine Ausbildungschance hätten, eine Ausbildung in überbetrieblichen Einrichtungen beginnen können.
Die zusätzlichen Mittel sollen auf Beschluß des Ausschusses für Ausbildungsmaßnahmen in Regionen mit hohem Ausbildungsplatzdefizit, und zwar vorrangig für Mädchen, zur Verfügung gestellt werden. Vorbehaltlich der Beschlüsse des Deutschen Bundestages hat die Bundesregierung vorgesehen, die Mittel zunächst denjenigen Landesarbeitsamtsbezirken zuzuweisen, in deren Bereich die 36 Arbeitsämter mit den größten Ausbildungsdefiziten liegen. Auf dieser Grundlage sollen die zusätzlichen Mittel zunächst auf die Landesarbeitsämter Hessen, Niedersachsen-Bremen und Nordrhein-Westfalen verteilt werden.
Sollten in diesen Landesarbeitsamtsbezirken Mittel nicht benötigt werden, können in einer zweiten Förderrunde auch Ausbildungsmaßnahmen in anderen Landesarbeitsamtsbezirken gefördert werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Auskunft den Umstand, daß Arbeitsämter, die mit an der Spitze der sogenannten Engpaßsituation liegen, wo also der Anteil der unvermittelten Jugendlichen im Verhältnis zu den vermittelten Jugendlichen mit am größten ist, nach diesen Planungen nicht in den Genuß der zusätzlichen Mittel kommen sollen?
Piazolo, Staatssekretär: Die Liste, die vor mir liegt, umfaßt insgesamt 142 Arbeitsamtsbezirke. Bei unserer Auswahl sind die 36 Arbeitsamtsbezirke herausgenommen worden — das sind 25% der Gesamtheit —, in denen die Verhältnisse nach dem von mir eben vorgetragenen Schlüssel am schlechtesten sind. Die anderen Arbeitsamtsbezirke liegen alle besser als diese 36. Wir folgen mit dieser Verteilung dem im Haushaltsausschuß dezidiert vorgeschlagenen Vorbehalt, unter dem die zusätzlichen Mittel überhaupt zur Verfügung gestellt worden sind.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn der Quotient von nicht vermittelten zu offenen Stellen das Kriterium für die regionale Vergabe sein soll, können Sie mir dann sagen, ob a) der Haushaltsausschuß diesen Quotienten beschlossen hat, b) seit wann die Bundesregierung von diesem Quotienten Gebrauch macht und ob c) dieser Quotient für den Bereich der Benachteiligten, wo eine besondere Problemlage besteht, für die Aufschlüsselung der regionalen Vergabe irgendeinen Sinn macht?
Piazolo, Staatssekretär: Dieser Quotient ist neben einem anderen Quotienten — dem Verhältnis zur
Jugendarbeitslosigkeit — bereits im letzten Jahr maßgeblich angewandt worden. Es ist der Quotient, der ebenfalls bei den Aufschlüsselungen der Bundesanstalt für Arbeit angewandt wird. Wir halten das für einen plausiblen Quotienten.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Fischer .
Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie den Betroffenen, die den Wunsch geäußert haben — dem Kollegen Schreiner und auch mir —, diesen Quotientenschlüssel und die Begründung mitteilen.
Piazolo, Staatssekretär: Ich bin bereit, dies zu tun.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf. Der Fragesteller der Fragen 4 und 5, der Abgeordnete Neumann , beantragt schriftliche Beantwortung. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht uns Frau Parlamentarische Staatssekretärin Karwatzki zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Pöppl auf:
Ausgehend davon, daß der Bundesregierung bekannt ist, daß dann, wenn bei Schülern der in § 68 II 1 BAföG genannten Ausbildungsstätten, die bei ihren Eltern wohnen und deren Ausbildungsstätte von der Wohnung aus erreichbar ist, häufig ein Anspruch „dem Grunde nach" im Sinne des § 26 Bundessozialhilfegesetz bejaht wird, ein unbefriedigender Zustand der Art entsteht, daß diese Schüler weder Ausbildungsförderung nach dem BAföG erhalten noch Sozialhilfeansprüche haben, ist sie bereit zuzugestehen, daß in dieser Frage — auch im Sinne einer bundeseinheitlichen Regelung — ein Regelungsbedarf für den Bundesgesetzgeber besteht, und wenn ja, wann wird sie entsprechende Schritte einleiten?
Herr Kollege Pöppl, die Bundesregierung sieht für das angesprochene Problem gegenwärtig keinen Regelungsbedarf im Bereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder des Bundessozialhilfegesetzes. Nach Auffassung der Bundesregierung sollte die Aufgabe, die Ausbildung von Schülern zu fördern, die die in § 68 Abs. 2 Nr. 1 BAföG genannten Ausbildungsstätten besuchen, jedoch bei ihren Eltern wohnen und von dort aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichen können, von den Ländern wahrgenommen werden. Inzwischen haben alle Bundesländer eigene Regelungen mit allerdings unterschiedlichen Voraussetzungen für die Schülerförderung erlassen. Soweit daneben Leistungen der Sozialhilfe in Betracht kommen, hängt deren Gewährung von der Anwendbarkeit des § 26 BSHG ab. Ob § 26 BSHG in derartigen Fällen mit der Folge zu beachten ist, daß ein Anspruch auf Sozialhilfe nicht besteht und Sozialhilfe nur in besonderen Härtefällen gewährt werden kann, ist auf der Konferenz der Obersten Landessozialbehör-
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12738 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkiden Anfang Mai 1985 erörtert worden. Man kam zu dem Ergebnis, daß Hilfe zum Lebensunterhalt regelmäßig dann gewährt werden sollte, wenn die Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 11 BSHG hilfebedürftig ist und der Schüler kontinuierlich eine Schule zur Erlangung eines Abschlusses besucht.Bei dieser Sachlage sollten noch notwendige Verbesserungen für die betroffenen Schüler vorrangig durch eine Angleichung der Förderungsregelungen der Bundesländer herbeigeführt werden. Eine Überprüfung der Problematik aus der Sicht der Sozialhilfe kommt erst bei einer großen Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes in Betracht.
Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, gehe ich richtig davon aus, daß Ihnen die Tatsache bekannt ist, daß der sozialpolitisch unbefriedigende Zustand der immer noch — trotz dessen, was Sie gesagt haben — herrscht, durch den Wegfall des § 31 BSHG im Zuge des damaligen zweiten Haushaltsstrukturgesetzes erfolgt ist, und daß man damals davon ausging, daß die Ausbildungshilfe neben BAföG und AFG nunmehr untergeordnete Bedeutung habe, und meinen Sie mit mir, daß es auf Dauer dennoch, solange es nicht ordnungsgemäß in den Ländern geregelt ist, nicht so bleiben kann und diese Regelung nicht erst bei einer großen Novellierung des BSHG erfolgen sollte?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Pöppl, ich habe deutlich gemacht, daß die Zuständigkeit bei den Ländern liegt. Ich bitte daher um Verständnis, daß ich bei meiner Aussage bleibe, daß dies erst im Zusammenhang mit einer großen Novellierung geregelt werden könne.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt .
Frau Staatssekretärin, die Änderung des BSHG ist im Zusammenhang mit der Änderung des BAföG vorgenommen worden, als das Schüler-BAföG gestrichen worden ist. Ich frage Sie, ob Sie es für richtig halten, daß folgender Fall aus der Praxis heutzutage so gehandhabt wird, und was Sie daran zu ändern gedenken: Ein Schüler auf dem zweiten Bildungsweg, dessen Mutter mit den vier Kindern von Sozialhilfe lebt, geht zum Ausbildungsförderungsamt der Stadt. Dort wird ihm gesagt, daß er keinen Anspruch hat, weil er die Schule vom Wohnort seiner Mutter erreichen kann. Beim Sozialamt wird ihm gesagt, daß er keinen Anspruch auf Sozialhilfe hat, weil er im zweiten Bildungsweg eine Ausbildungsstätte besucht, wo „dem Grunde nach" Anspruch auf Förderung nach BAföG besteht. Diese Ausbildungsförderung bekommt er allerdings nicht. Das heißt, daß dieser Schüler jetzt von den Sozialhilfeleistungen für seine Mutter und für seine vier minderj ährigen Geschwister leben muß. Hält die Bundesregierung es nicht für dringend notwendig, solche Fälle der Vergangenheit angehören zu lassen, und geben Sie mir recht, daß Sie diese Gesetzesänderung mit den Haushaltsbegleitgesetzen von 1982 für 1983 veranlaßt haben?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, soweit ich weiß, ist das 2. Haushaltsstrukturgesetz von Ihnen verabschiedet worden, als Sie noch in der Regierung waren. Aber das sei einmal dahingestellt.
Ich möchte feststellen, daß es solche Härtefälle sicherlich geben kann. Trifft dies zu, so muß vor Ort, beim zuständigen Sozialamt in Übereinstimmung mit den entsprechenden Landesregelungen versucht werden, diesem jungen Mann oder dieser jungen Frau zu helfen.
— Frau Kollegin, tut mir leid. Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, daß man so lange Fragen von hier vorne aus, auch wenn man sich konzentriert, nicht im Zusammenhang beantworten kann.
Die beiden Fragen sind nicht zusammengezogen worden. Die zweite Frage wird jetzt aufgerufen. Deshalb haben Sie, da Sie nicht Fragestellerin sind, zur ersten Frage nur eine Zusatzfrage.
Ich rufe nun die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Pöppl auf:
Ist die Bundesregierung anderenfalls bereit, im Sinne der früher von Bundesminister Dr. Geißler vertretenen Auffassung bei den Obersten Landessozialbehörden darauf hinzuwirken, daß in solchen Fällen ein Anspruch auf Förderung „dem Grunde nach" zu verneinen sei, um sozialpolitisch unbefriedigende Ergebnisse zu vermeiden, oder sieht sie andere Möglichkeiten, zu einer befriedigenden bundeseinheitlichen Regelung zu gelangen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wie aus der Antwort soeben zu Ihrer Frage hervorgeht, hat sich die Konferenz der Obersten Landessozialbehörden inzwischen mit der Problematik befaßt und ist zu dem dargestellten Ergebnis gekommen. Eine nochmalige Erörterung erscheint angesichts dieser Sachlage zur Zeit nicht erforderlich. Nach Auffassung der Bundesregierung sollte statt dessen, wie ich soeben ausgeführt habe, angestrebt werden, die landesrechtlichen Bestimmungen zur Schülerförderung so auszugestalten, daß eine Sozialhilfebedürftigkeit nicht eintritt.
Sie brauchen nur auf den Knopf zu drücken, verehrter Kollege, dann weiß ich, daß Sie noch eine Zusatzfrage stellen wollen. Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, ich habe das zur Kenntnis genommen. Dennoch meine Frage, ob es von der Bundesregierung aus nicht richtig wäre, eine Anregung an die Länder zu geben, daß dann, wenn die Sicherstellung des Lebensunterhalts anderweitig nicht gewährleistet ist, von der Härteregelung des § 26 Satz 2 BSHG weitgehend Gebrauch gemacht werden sollte.Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, soweit ich weiß, haben die Länder dies schon getan;
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985 12739
Parl. Staatssekretär Frau Karwatzkidas habe ich soeben auch ausgeführt. Sie haben entsprechende Regelungen getroffen, vielleicht für Sie nicht befriedigend, aber ich kann es — Entschuldigung — nicht ändern.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Schmidt .
Frau Staatssekretärin, könnten Sie mich bitte einmal darüber aufklären, welche Möglichkeiten denn Landesregierungen haben, wenn es eindeutige gesetzliche Vorschriften gibt, und sind Sie bereit, mir zuzugestehen, daß die gesetzlichen Vorschriften in diesem Fall insofern eindeutig sind, als nämlich Ihre Bundesregierung veranlaßt hat, daß das Sozialhilfegesetz geändert wird, um durch den BAföG-Kahlschlag nicht zusätzliche Sozialhilfeberechtigung entstehen zu lassen?
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Nein, Frau Kollegin, diese Meinung teile ich nicht.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Würzbach zur Verfügung.
Die Frage 64 des Abgeordneten Kuhlwein sowie die Frage 66 des Abgeordneten Berger sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet
) werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Fischer auf:
Ist es richtig, daß das Bundesministerium der Verteidigung ab 1986 im Saarland Tiefflüge in einer Höhe von 75 bis 150 Metern über dem Erdboden zulassen will?
Herr Präsident, Herr Kollege Fischer, der Bundesminister der Verteidigung prüft — dies ist richtig —, ob die bisher bestehenden sieben Tieffluggebiete aufgehoben werden können und statt dessen nunmehr insgesamt 49 Tieffluggebiete eingerichtet werden können, von denen dann aber jeweils nur sieben in einem Rotationsverfahren aktiviert würden. Dichtbesiedelte Gebiete und Städte von möglichst mehr als 10 000 Einwohnern — das ist die Vorstellung — sollen dabei ausgespart werden. Dies bedeutete, wenn Sie das auf das Gebiet, für das Sie fragen, das Saarland, übertragen, daß nicht unerhebliche Gebiete davon ausgespart blieben.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, vielleicht können Sie uns hier einmal erklären, inwieweit das Saarland durch diese neue Regelung stärker betroffen sein wird, als es in der Vergangenheit betroffen war.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen gesagt, daß wir in der Planungs- und Prüfungsphase sind, und zwar deshalb, weil wir von Abgeordneten aller Parteien und aller Regionen immer wieder aufgefordert worden sind, für eine gerechtere Verteilung der notwendigen Tiefflüge über der Bundesrepublik zu sorgen. Wir fliegen seit Jahren, seit Jahrzehnten nur über sieben Gebieten. Dies soll nun nach den soeben genannten Kriterien gleichmäßiger verteilt werden. Mir ist völlig klar, Herr Kollege, daß die Bürger im Saarland, aber auch in anderen Bundesländern, wo bisher nicht geflogen worden ist, darüber nicht froh sein werden, daß nun zu einem Teil auch dort geflogen wird. Gehen Sie einmal in die Regionen, in denen wir seit vielen Jahrzehnten ausschließlich in sieben Gebieten fliegen! Wir sind dabei, zu prüfen, ob eine Möglichkeit besteht, eine Verteilung der Flüge in der Weise zu realisieren, daß sie aus diesen sieben Gebieten auf 49 verlagert werden, wobei rotierend jeweils in sieben Gebieten geflogen wird.
Herr Abgeordneter Fischer, bevor ich Ihnen das Wort gebe, möchte ich sagen: Wenn ich jetzt als Abgeordneter unten sitzen könnte und nicht hier oben, wo ich von den Fragestellungen ausgeschlossen bin, sitzen müßte, würde ich fragen, ob Sie es als gerecht empfinden, daß bisher sieben Gebiete allein die Lasten getragen haben, die anderen Regionen aber überhaupt nicht.
Aber ich darf nicht fragen,
und deshalb möchte ich Ihnen das Wort zu einer Zusatzfrage geben.
Herr Präsident, wenn ich obèn an Ihrer Stelle säße, würde ich einmal fragen, welche Erfahrungen die GRÜNEN mit dem Rotationsprinzip gemacht haben; ich gehe davon aus, nicht die besten Erfahrungen. Deshalb, Herr Staatssekretär, glaube ich auch, daß, wenn Sie jetzt das Rotationsprinzip anwenden, nämlich die Lasten von sieben auf 49 verteilen wollen, das auch nicht das Gelbe vom Ei ist.Aber ich möchte Sie fragen, Herr Staatssekretär: Es ist ja nicht nur so, daß Sie nach dem Sankt-Florians-Prinzip von sieben auf 49 Gebiete verteilen wollen, sondern Sie wollen auch tiefer fliegen lassen, und da möchte ich gerne einmal wissen, welche Regionen von Tiefstflügen — d. h. von Flügen in 75 bis 150 Meter Höhe — betroffen sind, und ich hätte natürlich auch Interesse daran, zu erfahren, inwieweit das Saarland davon betroffen ist.Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, auf die Erfahrungen der GRÜNEN sollten wir hier, glaube ich, nicht eingehen; die Sache ist ja viel ernster.Bleiben wir einmal bei Adam Riese: 49 durch 7 ist 7. Das heißt, denen, denen wir jetzt alles zumuten, muß dann nur noch ein Siebtel zugemutet werden.Weil Sie nach den Begriffen fragen, sage ich Ihnen: Wir reden hier nur über Tiefflüge. Tiefstflug, etwa knapp über den Baumwipfeln in der Höhe von 20 oder 30 Metern, machen wir in Deutschland zu
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12740 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Parl. Staatssekretär Würzbach0,0 %, machen wir überhaupt nicht. Um unseren Bürgern das zu ersparen, tun wir dies nur in manchen befreundeten Ländern, vornehmlich in Kanada. Es soll auch in Zukunft im eigenen Land nirgendwo geschehen, sosehr es aus taktischen Gründen für die Luftwaffe wünschenswert und notwendig wäre.Es geht also hier um eine Flughöhe von 75 Metern oder mehr. Da sollen aus den jetzigen sieben Gebieten in Zukunft 49 Gebiete werden, wenn die Planung, in der wir in Abstimmung mit den Ländern sind, greift.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen .
Herr Staatssekretär, weil Sie das schon gesagt haben, kann ich davon ausgehen, daß es in diesen Gebieten zu einer spürbaren Entlastung kommen kann. Können Sie mir aber sagen, wann diese sicherlich sehr positive Entlastung in den jetzigen sieben Gebieten eintreten kann?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wenn das Modell greift, Herr Kollege, wird sich die Belastung in den jetzigen Gebieten auf ein Siebtel reduzieren. Was die Zeitvorstellungen betrifft, so muß ich sagen, daß es ein kompliziertes Verfahren ist, in dem wir uns befinden, ein Verfahren mit einer Menge von Reaktionen aus den Gebieten, auf die etwas Neues zukommt; das ist völlig klar. Wir wollen uns nicht in einen zeitlichen Zwang begeben, halten es aber für wünschenswert, daß wir im Laufe des Jahres 1986 so weit sind, daß wir damit beginnen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.
Herr Staatssekretär, Sie haben von den 49 Gebieten, also von einer Erweiterung der Möglichkeiten, gesprochen, aber es ist auch die Frage gestellt worden, ob es durch die Verminderung der Flughöhen, also durch noch tieferes Fliegen, eine zusätzliche Belastung geben wird. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie fragen: Wird denn in den Nachbarstaaten — in den Niederlanden, in Belgien, in Frankreich — ebenfalls bis hinunter auf 75 Meter geflogen, oder treffen Meldungen zu, nach denen etwa die Niederländer ihre Tiefflüge in der Bundesrepublik durchführen, wozu sie ja ein Recht haben?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Ihre Frage hat zwei Teile; mir liegt daran, auch den ersten noch einmal aufzugreifen. Es wird nicht daran gedacht, niedriger zu fliegen, als bisher geflogen wird. Wir fliegen in den jetzigen sieben Gebieten bis herunter auf 75 Meter, und dies würde auch für die 49 Gebiete zutreffen. In diesem Punkt gibt es keine Änderung.
Richtig ist — wir haben darüber in vielen Fragestunden sehr intensiv gesprochen —, daß noch nicht in allen Nachbarländern, auch nicht in allen alliierten, die gleichen Bedingungen wie bei uns herrschen, sondern daß, gerade gegenüber den Niederländern, noch eine Schieflage besteht. Ich habe mehrfach darüber berichtet — dies trifft auch jetzt noch zu —, daß wir in intensiven und auf jeweils höhere Ebene gezogenen Gesprächen mit der Zielrichtung sind, was bei uns gilt, gilt auch da, und was für die da gilt, muß für die auch hier gelten. Diese Gespräche werden wir in diesen Plan einbinden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.
Herr Staatssekretär, so begrüßenswert die Entzerrung der Tieffluggebiete um das Siebenfache, wenn ich so sagen darf, ist, gestatten Sie mir dennoch die Frage: Besteht nicht die Befürchtung, daß durch dann 49 — jetzt sieben — Tieffluggebiete die Zahl der Tiefflüge insgesamt erhöht wird?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Befürchtung darf ich eindeutig und bitte mit mehreren Ausrufungszeichen und ohne jedes Schlupfloch zerstreuen: Die Anzahl der Flüge wird um nichts erhöht, sie wird nur gleichmäßiger, gerechter — ich weiß um die Reaktion in den übrigen 42 Gebieten sehr wohl — verteilt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir einräumen, daß Ihre bisherigen Auslassungen eher zur Verwirrung denn zur Klarstellung insoweit beigetragen haben, als es nach den Plänen der Bundesregierung zwei Tiefflugobergrenzen, 75 und 150 Meter, gibt, und wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund eine Erklärung der Landtagsfraktion der CDU vom 17. Oktober im Saarland, bezogen auf Ihr geplantes Rotationsverfahren, wo zu lesen steht, daß die CDU betont, die Pläne des Verteidigungsministeriums stünden in krassem Widerspruch zu einem Schreiben des gleichen Ministeriums, in dem von einer bundesweiten Minderung der Lärmlast gesprochen worden sei?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, zu den Zahlen: Sie haben von mir überhaupt keine Zahl gehört, außer vorhin 75 Meter, es sei denn, ich sprach über den Tiefstflug in Labrador. Die Zahl 100 oder 150 haben irgendwelche Kollegen auch schriftlich in der mir eingereichten Frage genannt. Sie ist bei uns keine relevante Größe, sie findet sich in diesem Dialog nicht. Unterste Grenze für den Tiefflug über dem Bundesgebiet: 75 Meter.Zu der zweiten Angelegenheit. Ich verstehe auch die Kollegen meiner Partei und den Abgeordneten jeder Region, egal zu welcher Partei er gehört, und die Bürger dort verstehe ich auch, die jetzt zu einem der möglicherweise 42 Gebiete gehören. Ich verstehe, daß die nicht fröhlich sind, sondern daß die alles versuchen, in gemeinsamen Resolutionen, in Eingaben, Initiativen und Beschlußfassungen, daß diese Beeinträchtigungen, die mit dem Tiefflug verbunden sind, möglichst von der eigenen Region ferngehalten werden. Nur, wir haben hier der Pflicht und dem Auftrag zu gehorchen, einerseits, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu gewährleisten und an-
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Parl. Staatssekretär Würzbachdererseits die damit entstehenden Belastungen einigermaßen und gerechter als bisher zu verteilen. Da müssen wir zu dieser Kompromißlösung kommen. Einen Widerspruch zwischen der angeführten Aussage einerseits, unserem Plan hier und dem Bemühen, mehr noch von dem Fluglärm ins Ausland zu verlagern, sehe ich überhaupt nicht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reimann.
Herr Staatssekretär, sichert diese Entzerrung, die wohl mehr Gerechtigkeit in der Verlagerung der Lautstärke bringen soll, trotzdem, daß Industriegebiete aus Sicherheitsgründen nach wie vor nicht überflogen werden? Ich frage aus besonderer Sorge und aus besonderem Anlaß wegen meines Wahlkreises Ludwigshafen, wo wir eine große chemische Industrie haben und wo es immer wieder einmal vorkommt, daß ein „Verflieger", wie es dann heißt, dieses Gelände überfliegt, was nicht erwünscht ist; denn wenn es zum Absturz käme, hätte das katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung. Ist das bei dieser Entzerrung gesichert?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Reimann, ich habe gesehen, daß Sie gerade eine Besuchergruppe hier haben, und ich verstehe, daß Sie aus Sorge um Ihren Wahlkreis — Gruppe hier oder nicht hier — fragen. Diese Sorge gilt ja nicht nur für einen Ballungsraum, sondern sie gilt für alle Räume.
— Verehrte Kollegen, ich bin sicher, der Kollege Reimann findet das nicht unerhört, wenn ich ihm zeige, daß ich das sehr wohl aus jeder Sicht verstehe. Wir werden auch in Zukunft Ballungsräume, Kernkraftwerke umfliegen. Es ist den Piloten vorgegeben, bestimmte Dinge nicht zu überfliegen, ausgenommen jene Fälle, die Sie eben kennzeichneten, wenn bestimmte Schwierigkeiten in der Luft, an der Technik, in der Maschine sind. Dann wird dies bei den riesig hohen Geschwindigkeiten nicht immer einzuhalten sein.
Wir werden aber noch weitergehen. In der Planung dieses neuen 49er Systems wollen wir versuchen — ich habe dies vorhin schon auf die Frage des Kollegen Fischer gesagt —, auch Orte ab etwa 10 000 Einwohner möglichst voll auszusparen, was eine noch weitergehende Entlastung der Bürger in den Ballungsräumen, als sie heute schon besteht, bringen könnte.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, ich darf zu diesem letzten Teil Ihrer Antwort daran erinnern, daß ich Sie auch schon einmal schriftlich gefragt habe: Bedeutet das nicht, daß damit die Erholungsgebiete in besonders starkem Maße zusätzlich belastet werden? Wie will man eigentlich diesen Gebieten, wo sich z. B. Kurorte und auch Luftkurorte befinden, die wirtschaftliche Existenz ermöglichen, wenn sie mehr als bisher belastet werden? Ich möchte noch die Frage anschließen: Sind die 49 oder 42 Gebiete schon bestimmt, und wann können wir erfahren, wo diese Gebiete liegen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, richtig ist, daß — generell, in der Summe — eine Entlastung der Fremdenverkehrs- und Kurorte eintreten würde. Auch in den Gebieten, wo wir jetzt fliegen oder die von Flugwegen hin und her betroffen sind, liegt eine riesige Anzahl von Fremdenverkehrs- und Kurorten, die nun dauernd beeinträchtigt werden. Wenn ich alle zusammenzähle, wenn ich also die Summe nehme, ist davon auszugehen, daß eine Entlastung eintritt. In einem solchen Gebiet, wo dann geflogen wird, wird sich aber natürlich auch — für etwa zwei Monate, auf das Jahr bezogen — eine neue Belastung ergeben.
Die Gebiete sind unter den Kriterien, die ich nannte — Großstädte, Ballungsräume und andere Bereiche ausgenommen —, auf der Karte — das Bundesgebiet läßt nicht so sehr viel Freiraum — in sich skizziert. Wir haben vor etwa drei Wochen ein erstes Gespräch mit den Luftverkehrsreferenten der einzelnen Bundesländer auf Fachebene geführt, in dem diese Planung eröffnet, mitgeteilt und zur Diskussion gestellt wurde. Das Ergebnis dieses Gespräches befindet sich zur Zeit in der Auswertung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.
Herr Staatssekretär, Sie haben an verschiedenen Stellen in Ihren Antworten auf das Problem der Verteilung hingewiesen. Es ist jetzt davon die Rede, den Lärm auch zu exportieren. Jetzt verteilen wir eventuell gerechter auf das ganze Bundesgebiet. Mich würde einmal interessieren: Wie hat sich der Umfang der Tiefflüge in für Sie im Augenblick überschaubaren Zeiträumen — beispielsweise in den letzten zehn Jahren — entwickelt, und wie hat sich in diesem Zusammenhang auch die Belastung der Bevölkerung entwickelt? Gibt es eine qualitative Veränderung?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Es gibt eine qualitative Änderung in mannigfacher Hinsicht. Wir fliegen in den letzten Jahren — ich weiß aus dem Kopf nicht, ob dies die letzten sieben oder zehn Jahre betrifft; die entsprechenden Zahlen steigen aber bis heute — im Ausland so viel wie nie vorher. Über 30 % der Tiefflüge finden im Ausland statt. Das bedeutet eine gewaltige Entlastung der Bürger in unserem Land, die sich im Augenblick allerdings auf jene sieben Regionen beschränkt. Ich habe hier die Steigerungszahlen von Goose Bay, wo wir diese Tiefflüge durchführen; Ihre Fraktion ist allerdings dagegen, daß wir es dort tun. Ich kann Ihnen diese Zahlen nennen. Die Zahl der Flugstunden stieg von 400 im Jahre 1980 auf 3 500 im Jahre 1985. Im Jahre 1986 wollen wir auf 5 000 Stunden hochgehen. Allein diese Zahl macht deutlich, wieviel wir — da wir den Umfang der Tiefflüge insgesamt nicht reduziert haben —, nach draußen verlagert haben.
Wir haben weiterhin — ich will Ihnen auch dazu Zahlen nennen — die Dauer des Tieffluges für die Piloten vermindert. Ein Pilot fliegt innerhalb der 80
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Stunden, die er zu fliegen hat — das ist die unterste Grenze in der NATO —, zu einem Teil im Tiefflug. Hier ist wie folgt zu differenzieren: Die zuvor 57 000 Tiefflugeinsätze haben wir in den letzten drei Jahren um 17 000 Tiefflugeinsätze gekürzt. Dies macht deutlich, daß nicht mehr, sondern weniger tiefgeflogen wird — erst recht über der Bundesrepublik.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein .
Wann kann man präzise erfahren, wann diese 42 neuen Tieffluggebiete feststehen? Ihre Antwort vorhin ist etwas zu vage gewesen.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Antwort war schon einigermaßen klar, als ich sagte, daß wir bestrebt seien, in der Mitte des nächsten Jahres entsprechend zu verfahren. Angesichts der Differenziertheit und der — nennen wir es doch ruhig so; so wird es sein — politischen Kompliziertheit — gegenüber welchem Bundesland und welcher Region auch immer —, beinhaltet meine Aussage, daß wir hoffen, Mitte nächsten Jahres mit der Realisierung zu beginnen, wie ich glaube, doch ein ziemlich konkretes Datum.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Fischer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, eines der zwei im Jahre 1984 beschafften oder eines der drei neuen Skyguard-Radargeräte im Saarland aufzustellen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Fischer, die zwei verfügbaren Skyguard-Radargeräte sind innerhalb des gesamten Bundesgebietes mit wöchentlich wechselnden Standorten im Einsatz, und an diesem Prinzip des häufigen Standortwechsels, d. h. des Nichtwissens, wann ein Gerät wo möglicherweise zur Überprüfung eingesetzt wird — als Autofahrer haben wir ähnliche Erlebnisse —, wollen wir unabhängig davon festhalten, wie viele Geräte wir zur Verfügung haben. Eine permanente stationäre Aufstellung irgendwo würde nicht mehr den Zweck erfüllen, den diese Geräte erfüllen sollen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich möchte betonen, daß ich keine Besuchergruppe hier habe, so daß das also nicht der Grund und die Motivation war, warum ich hier gefragt habe.
Sie haben vorhin gesagt, daß das entzerrt werden soll. Es gibt einen Energieerhaltungssatz, und mir kommt die Politik Ihrer Regierung als Lastererhaltungssatz vor: Die Summe aller Laster ist konstant, nur wird das irgendwo verteilt. Genauso sehe ich auch die Politik. Ich hätte von Ihnen gern eine Antwort auf meine konkrete Frage von vorhin gehabt, wie die einzelnen Bundesländer durch die neue Regelung entlastet bzw. belastet werden.
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Auf die konkreten Fragen von vorhin habe ich vorhin geantwortet und auf diese nun ebenfalls.
Eine zweite Zusatzfrage.
Die zweite Frage: Wie wollen Sie das System Skyguard optimal einsetzen, wer überwacht Skyguard, und wie werden diese Ergebnisse nach außen transferiert?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Der optimale Einsatz erfolgt dadurch, daß wir unangekündigt auftauchen — nur drei Mann im Führungsstab der Luftwaffe wissen, wann das wohin geht —, so daß gewährleistet ist, daß kein deutscher und auch kein alliierter Pilot vorher wissen, daß heute da oder dort eine Überprüfung vorgenommen wird.
In der technischen Durchführung passiert das so, daß auf Streifen, Bild oder lesbaren EDV-Streifen genau festgehalten wird, wie schnell die Maschine flog und wie tief sie flog. Auch kann durch entsprechende Vergrößerungen festgehalten werden, welche Maschine das ist, so daß wie bei einem Autofahrer, der einen Fehler gemacht hat, dieses Bild zum Beweis vorhanden ist. Somit kann der Pilot dann herangezogen werden.
Dritte Frage von Ihnen: Was tun wir, wenn ein solcher Verstoß festgestellt wurde? Bisher sind 1% Verstöße festgestellt worden. Das ist eine erfreulich niedrige Zahl, auch wenn wir uns bemühen wollen, daß diese Zahl noch weiter sinkt. Die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, gehen vom Entziehen der Fluglizenz des Piloten bis zu anderen disziplinaren Maßnahmen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, beim Einsatz der Skyguards war es in den letzten Wochen und Monaten so, daß auf örtlicher Ebene eine ganze Reihe von Personen darüber informiert und zum Teil auch eingeladen wurden, dieses zu besichtigen. Meine Frage: War das eine Ausnahmesituation zur Einführung, oder worauf gründet sich Ihre optimistische Annahme, daß die Piloten nichts vom Einsatz der Skyguards wissen?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Meine Annahme ist optimistisch, aber zugleich realistisch, und sie wird in der Realität so durchgeführt. Es ist ein Widerspruch, Frau Kollegin. Ich will Ihnen das schildern: Wir marschieren da am Montag an, ohne daß das jemand mitgeteilt bekommt. Niemand weiß das. Wir sind am Dienstag in Stellung, wie ich es einmal nenne, nachdem diese Geräte vorher eingemessen, justiert wurden, und überprüfen die Piloten. Im Laufe des Mittwochs, oft des späten Mittwochs, werden dann die von Ihnen genannten Repräsentanten — ich wünsche mir die Abgeordneten aus dem Parlament, auch aus dem Landtag, der Landrat, auch die örtliche Presse — abgestuft eingeladen, um zu sehen, wie wir das machen, wie dies funktioniert, wie man es lesen kann und ähnliches. Immer erfolgt erst in Ruhe, überfallmäßig, um es so
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Parl. Staatssekretär Würzbachzu sagen, der Einsatz, und dann kommt die Beteiligung. Das ist nie umgekehrt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schreiner.
Herr Staatssekretär, gibt es im Ministerium Prüfungen, ob eine Anhebung der Mindestflughöhen von 75 Meter und 150 Meter zu unerträglichen Beeinträchtigungen des Übungscharakters führen würde, und ist die Bundesregierung insoweit beschäftigungsmäßig nicht ganz ausgelastet, als sie Zeit genug findet, herauszufinden, welcher Abgeordneter hier zu welcher Zeit welche Besuchergruppen hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Ich habe das letzte, Herr Kollege, akustisch nicht aufnehmen können.
Ich wollte ergänzend fragen, ob sich die Bundesregierung insoweit nicht hinreichend ausgelastet fühlt, als Sie Zeit zur Prüfung haben, welcher Abgeordnete zu welcher Zeit welche Besuchergruppen hier im Saal hat.
Herr Abgeordneter Schreiner, diese Frage wird nicht zugelassen. Auch ich habe es akustisch nicht verstanden. Sie sprechen sehr schnell. Aber ich gebe mir Mühe, da mitzukommen. Jetzt bin ich mitgekommen, und deshalb lasse ich die Frage nicht zu.
— Herr Abgeordneter Lambinus, Sie wissen, daß Sie die Anweisungen des Präsidenten hier nicht zu kritisieren haben.
Ich möchte Sie mit allem Nachdruck darauf hinweisen.
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Vogel, bitte schön.
Herr Staatssekretär, gibt es eigentlich keine technischen Verfahren, z. B. Flugschreiber, die den Einsatz dieser Skyguard-Radargeräte überflüssig machen könnten, so daß also, wenn das Flugzeug fliegt, immer gleich aufgezeichnet wird, in welcher Höhe?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, dies wäre ein Verfahren, das — würden wir es einführen — zu einem erheblichen technischen finanziellen und personellen Aufwand führen würde, der mit dem jetzigen überhaupt nicht zu vergleichen ist. Übertragen Sie es — auch wenn die Relationen anders sind — ganz einfach damit, daß Sie in jedes Auto so ein Ding einbauen, um ab und zu nachzusehen, wer zu schnell oder sonstwo gefahren ist, anstatt ab und zu ein Radargerät auf die Straße zu stellen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen.
Herr Staatssekretär, es ist vorhin über die Qualität der Lärmbelastung gesprochen worden. Können Sie meine Vermutung bestätigen, daß es in den letzten Jahren eine Qualitätsverbesserung in puncto Lärmbelastung durch neue Flugzeugtypen gegeben hat?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Das ist richtig, dies hat es gegeben. Gleichwohl sind, Herr Kollege, die mit dem Tieffliegen, und zwar gerade beim Tiefflug in höchstens 75 Meter — alles darüber wird den Realitäten nicht mehr gerecht — verbundenen Geräusche — auch wenn die Triebwerke etwas leiser geworden sind — schon erheblich. Dies will ich gar nicht verniedlichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.
Herr Staatssekretär, ist es für Sie sicherheitspolitisch vorstellbar, daß wir einmal sowohl auf Skyguard-Geräte wie auf Tieffluggebiete wie auch auf alle möglichen immanenten Dinge, die Sie hier heute vorgetragen haben, verzichten?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Wenn die Politiker, getragen und getrieben von den Menschen in Ost und West — bleiben wir einmal bei Ost und West —, in der Zukunft — wir können jeder unseren Teil dazu beitragen; bei Ihnen habe ich zuweilen Zweifel — dazu beitragen, daß solche Bedrohungen, wie sie uns gegenüber heute bestehen, abnehmen, dann ist es ein schönes Ziel, daß weniger geflogen werden muß. Aber ich kann hier nur weniger fliegen, wenn uns weniger entsprechende Bedrohung gegenübersteht. Alle anderen Gebilde sind irreal.
Keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Schreiner auf:Wann beabsichtigt die Bundesregierung mit welcher Zielrichtung diejenigen Regionen, wie z. B. das nördliche Saarland, die in besonderem Maße von militärischen Fluglärmbelästigungen betroffen sind, wirksam zu entlasten?Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Schreiner, der Bundesminister der Verteidigung hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die eine generelle Entlastung von Fluglärm durch die Flugzeuge unserer Luftwaffe bewirken sollen, beispielsweise Verlagerung — ich habe eben darauf hingewiesen — ins Ausland, Reduzierung der effektiven Tiefflugzeit — auch die Zahlen habe ich eben genannt — sowie jetzt der Plan, dies gleichmäßig über das Bundesgebiet zu verteilen.
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12744 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, gibt es denn Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung im Hinblick auf die denkbare Entwicklung neuer, weniger Lärm verursachender Triebwerke unter Inanspruchnahme neuester Technologien vor dem Hintergrund, daß das Bundesgesundheitsamt die Auswirkungen auf die Menschen in den Tieffluggebieten so schildert — ich darf einen Satz zitieren —:
Auch erwachsenen Männern raste hinterher das Herz: Das ist ein Gefühl, als würde ihnen bei Tempo 100 auf der Autobahn ein Wildschwein vor den Wagen laufen. Wenn sie daran vorbei sind, halten sie an und haben weiche Knie.
und es darüber hinaus erhebliche Beeinträchtigungen etwa bei werdenden Müttern gibt, die in Tieffluggebieten wohnen?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Beeinträchtigungen und Belästigungen, die damit verbunden sind, sind von niemanden zu leugnen und niemals geleugnet worden. Konkrete Untersuchungen von uns, gemeinsam mit anderen Bundesressorts, die dafür zuständig sind, in Verbindung mit wissenschaftlichen Institutionen mancher Universitäten laufen, um konkrete Ergebnisse — die es ja bisher in wissenschaftlich einklagbarer Art nicht gibt — und mehr Material an die Hand zu bekommen. Weil wir um diese Zusammenhänge wissen, fliegen wir nicht tiefer als 75 Meter und planen dies auch nicht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß ich am 9. September dieses Jahres einen sehr umfänglichen Brief an das Bundesverteidigungsministerium geschrieben habe, in dem ich versucht habe, die gemeinsamen Sorgen aller bei uns Betroffenen — einschließlich aller politischen Fraktionen in den betroffenen Kreistagen sowie des Landtags — auszudrücken, und ist Ihnen bewußt, daß ich bis zum heutigen Tage — nach etwa zwei Monaten — nicht einmal den Ansatz einer Anwort habe, und haben Sie Verständnis dafür, daß ich mich als Parlamentarier in diesem Falle von der Bundesregierung schlicht und einfach vereiert vorkomme?
Würzbach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir kriegen jeden Tag — und ich habe geäußert, daß ich Verständnis dafür habe — eine Reihe von Eingaben aus unterschiedlichen parlamentarischen Ebenen aber auch von einzelnen Bürgern oder Bürgergruppierungen. Ich bitte Sie, uns auch in Zukunft in dem Bemühen zu unterstützen, daß wir jede diese Eingaben so ernst und im Detail speziell behandeln, daß der Absender eine besondere, speziell auf den Fall bezogene Antwort bekommt und nicht irgendeinen Vordruck. Ich bitte aber zu verstehen, daß die Bearbeitung Ihrer speziellen Anliegen durch die Fachleute ein wenig mehr Zeit in Anspruch nimmt, als Sie sich dies wünschten.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung.
Zunächst die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Schulte . — Der Fragesteller ist nicht im Saal: Die Frage ist daher im Sinne unserer Geschäftsordnung erledigt. Dasselbe gilt für die Frage 21 des Abgeordneten Schulte (Menden).
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Inwieweit ist die Bundesregierung in der Lage und bereit, ihre erklärte Absicht aufzugeben, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 b der Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz eine Kannbestimmung durchzusetzen, die in besonderen Fällen die Erhebung eines Pfandes für Einwegverpackungen vorsieht?
Herr Kollege Immer, für die Bundesregierung sind der Erhalt und die Stabilisierung der vorhandenen Mehrwegsysteme für den Absatz von Massengetränken unverzichtbar. Die Bundesregierung hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß staatliche Maßnahmen zum Erhalt der umweltfreundlichen Mehrwegsysteme dann erforderlich werden, wenn ausreichende eigenverantwortliche Lösungen der Marktbeteiligten ausbleiben. Die in der 4. Novelle zum Abfallbeseitigungsgesetz gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4b vorgesehene Rücknahmepflicht und Pfandregelung könnte eine geeignete Maßnahme zur Stützung des Mehrwegsystems sein.
Zusatzfrage, bitte.
Da Sie das im Konjunktiv gesagt haben, Herr Staatssekretär, möchte ich Sie fragen — das war ja auch Gegenstand meiner Frage —, ob Sie an dieser Vorschrift festhalten, obwohl innerhalb der Regierungsfraktionen dagegen gemeutert wird und man den Versuch macht, diese Vorschrift zu Fall zu bringen.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, Sie wissen, daß die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf in das Parlament eingebracht hat, der beraten wird. Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, in diesem Stadium des Verfahrens ihren eigenen Entwurf zu ändern.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist Ihnen bekannt, Herr Staatssekretär, daß Kollegen des Deutschen Bundestages aus Ihrer Fraktion, nämlich Herr Schwarz und Herr Deres, in der Presse verkündet haben, dies sei kein Paragraph der Bundesregierung, sondern ein Paragraph des Herrn Zimmermann, und dieser Paragraph sei bei der Mehrheit innerhalb der CDU/CSU-Fraktion vom Tisch?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, Sie haben mich nach Absichten der Bundesregierung in diesem Zusammenhang gefragt, und zu denen habe ich Stellung genommen.
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Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wie lange im Innenministerium bereits über die Frage des Pfandes für Einwegverpackungen und in Verbindung mit der Industrie über freiwillige Lösungen nachgedacht wird? Nach meiner Erinnerung sind das bestimmt schon zehn Jahre.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist ein sehr schwieriges Problem. Das räume ich Ihnen ein. Es hat viele Diskussionen gegeben. Aber die Bundesregierung hat sich mit ihrem Entwurf — und zwar diese Bundesregierung mit diesem Entwurf — festgelegt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Immer auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu veranlassen, damit die rege Tätigkeit der Traditionsverbände der ehemaligen Waffen-SS, die der Verherrlichung der Nazi-Herrschaft und des Nazi-Krieges dient, zu unterbinden, und wie wird sie die Traditionsverbände der US-Army, wie z. B. die 70. US.-Inf.Div., Ass., darüber aufklären, welche Rolle die SS-Verbände in den Konzentrationslagern und im Kriege gespielt haben, damit sie nicht immer wieder veranlaßt werden, sich mit den Nazis zu verbrüdern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, daß bei den Treffen von Truppenkameradschaften ehemaliger Soldaten der Waffen-SS die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus verherrlicht wurde. Im übrigen haben schon Kurt Schumacher im Herbst 1951 wie auch Helmut Schmidt im Herbst 1965 vor Pauschalierungen gewarnt und darauf hingewiesen, daß die Waffen-SS als Teil der Wehrmacht von anderen Teilen der SS zu unterscheiden ist.
Aus den wiederholten Darlegungen der Bundesregierung — auch auf parlamentarische Anfragen — wird Ihnen bekannt sein, daß nach den bisherigen Erfahrungen die vom geltenden Recht geforderten gesetzlichen Voraussetzungen für ein Verbot der in der Frage genannten Treffen nicht vorliegen.
Die Bundesregierung hält eine besondere Unterrichtung amerikanischer Traditionsverbände, deren demokratische Gesinnung und Fähigkeit zur Eigenunterrichtung nicht in Zweifel gezogen werden kann, für unangebracht.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, nun ist seit der Zeit, aus der Sie zitiert haben, aus Akten noch deutlicher als vorher geworden, daß z. B. Soldaten der 6. SS-Gebirgsdivision in KZ eingesetzt worden sind. Es sind auch Prozesse in dieser Richtung geführt worden. Halten Sie nach wie vor an Ihrem Standpunkt fest, daß es hier offenbar keine Verbindung gibt und daß es nicht zu Würdigungen der damaligen Taten oder ähnlicher Taten in den Treffen kommt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, ich habe meiner Antwort nichts hinzuzufügen.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es nicht angesichts der Dokumente, die wir haben, und der Veröffentlichungen etwa in der Zeitschrift „Der Freiwillige" — die Sie hoffentlich lesen, wenn Sie über Verfassungsschutz usw. nachdenken —, sehr deutlich, daß diese Truppenkameradschaften nach wie vor die Tradition einer verbrecherischen Organisation fortsetzen und nicht nur Traditionspflege betreiben, sondern auch junge Menschen dazu animieren, im selben oder ähnlichen Geist heute Politik zu machen, bis hin zu terroristischen Vereinigungen? Wie stehen Sie zu dieser Sache, die man j a nachprüfen könnte?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Immer, ich muß sagen: Ich sehe in diesen Bewertungen keinen Zusammenhang zu der von Ihnen gestellten Frage.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie mir auf eine ähnliche Frage auch einmal mit einem Kurt-Schumacher-Zitat geantwortet haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit wären, die ganze Rede bzw. diesen ganzen Aufsatz des von mir sehr verehrten ersten Vorsitzenden der SPD nach dem Kriege, Dr. Kurt Schumacher, zu lesen und mir dann mitzuteilen, ob Sie immer noch bereit sind, ihn als Kronzeugen dafür herzunehmen, daß die Waffen-SS anders zu beurteilen sei als die schwarze SS?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bin gerne bereit, Ihnen die Erklärung der Bundesregierung vom 26. April 1985
mit dem darin enthaltenen Zitat zu übersenden.
Die Fragen 24 und 25 des Herrn Abgeordneten Ströbele sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
— Herr Abgeordneter Lambinus, ich rufe Sie zur Ordnung.Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Vogel auf:Auf Grund welcher gesetzlichen Grundlage erfolgte der Einsatz von Einheiten des Bundesgrenzschutzes während und nach der Demonstration gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf am 12. Oktober 1985 in München?
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Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter Vogel, die Einheiten des Bundesgrenzschutzes wurden auf Grund von Art. 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz nach Anforderung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern eingesetzt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da ich das Grundgesetz gerade nicht vorliegen habe: Könnten Sie mir kurz erzählen, was in diesem Art. 35 des Grundgesetzes drinsteht?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bin, da auch ich den Grundgesetz-Artikel nicht hier habe, gern bereit, Ihnen den Text zu übersenden.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie können beruhigt sein: Der Herr Abgeordnete Vogel hat wie jeder Abgeordnete das Grundgesetz zugestellt bekommen.
Es kann sein, daß seine vielen Bücher in Unordnung gekommen sind und das Grundgesetz dabei etwas zu weit nach hinten gerückt ist. Aber das kann man ja wieder hervorholen. Das hat sich also erledigt.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Ich gehe davon aus, daß in diesem Grundgesetz-Artikel, den ich jetzt nicht direkt vorliegen habe, sinngemäß ungefähr enthalten ist, daß, wenn die Bundesrepublik Deutschland in ernsthafter Gefahr ist, das Recht besteht, Einheiten des Bundesgrenzschutzes einzusetzen. — Ich würde gern wissen, inwieweit dort überhaupt ein Anlaß gegeben war, Einheiten des Bundesgrenzschutzes einzusetzen, unter dem Gesichtspunkt, daß das ja nichts Normales und Alltägliches ist, sondern ja wohl eine besondere Situation, die auch besondere rechtliche Grundlagen hat, und daß das keine Entscheidung ist, die so schlichtweg getroffen werden kann.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es gibt hier j a auch noch das Bundesgrenzschutzgesetz, das in § 9 Abs. 1— ich habe das j a zitiert — die Unterstützung der Polizeien der Länder durch den Bundesgrenzschutz in besonderen Fällen vorsieht, und es gibt entsprechende Ausführungsrichtlinien dazu, die exakt regeln, unter welchen Voraussetzungen der BGS auf Anforderung der Länderpolizeien eingesetzt werden kann.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.
Herr Staatssekretär, ich selbst war an diesem Tage — obwohl Nicht-Bayer — in München. Glauben Sie, daß der Einsatz des Bundesgrenzschutzes bei einer wirklich weitestgehend friedlichen Demonstration zum Landfrieden im bayerischen Freistaat beiträgt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Das ist überhaupt nicht die Frage, sondern die Frage, die hier gestellt wurde, ist, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Bundesgrenzschutz tätig war. Daß die Rechtsgrundlagen für das Tätigwerden des Bundesgrenzschutzes gegeben waren, ist unbestritten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rusche.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, wer den Einsatz des Bundesgrenzschutzes veranlaßt hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Der Bundesgrenzschutz wird in diesen Fällen auf Anforderung der Länder hin tätig.
Sie haben nur eine Zusatzfrage; es gibt keine Diskussion hier, Herr Kollege Rusche.
— Ja, ja. Es gibt aber keine Diskussion hier.
Wir müssen da strenge Grenzen einhalten, Herr Kollege Mann.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Stiegler wird auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Diederich auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, ob Gerüchte zutreffen, daß der in den USA verhaftete Sektenführer „Guru" Bhagwan Shree Rajneesh die Absicht hatte oder hat, in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, und wie würde sich die Bundesregierung im Falle eines Einreiseersuchens bzw. eines Versuchs der Einreise verhalten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Diederich, über die in den Medien veröffentlichten Meldungen hinaus liegen der Bundesregierung keine weiteren Informationen vor, ob der Sektenführer Bhagwan in die Bundesrepublik Deutschland einreisen will.
Die Bundesregierung hat veranlaßt, daß Bhagwan kein Sichtvermerk für die Bundesrepublik Deutschland erteilt wird, weil seine Anwesenheit im Bundesgebiet Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigen würde; vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Ausländergesetzes. Bei einem Versuch der Einreise ohne Sichtvermerk ist er zurückzuweisen.
Keine weiteren Zusatzfragen? — Herr Abgeordneter Mann, bitte.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985 12747
Meine Frage ergibt sich aus Ihrer Antwort: Herr Staatssekretär, welche Belange der Bundesrepublik Deutschland würden denn nach Auffassung der Bundesregierung beeinträchtigt werden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, Wenn man die gegen ihn laufenden Verfahren verfolgt, werden Sie ihn nicht als einen Gewinn für die Bundesrepublik Deutschland bezeichnen wollen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Wie viele Personen, die 1977 im Rahmen der Schleyer-Entführung von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses betroffen waren, wurden bis heute von diesem Eingriff in ihre Grundrechte nach Artikel 10GG entsprechend § 5 Abs. 5 G-10-Gesetz in Kenntnis gesetzt, und wurde die Kontrollkommission nach § 9 Abs. 3 G-10-Gesetz darüber informiert, welche Gründe einer Mitteilung entgegenstehen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, zu Ihrer Frage, die ein geheimhaltungsbedürftiges Verfahren betrifft, kann ich öffentlich nicht Stellung nehmen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Präsident, nachdem der Herr Parlamentarische Staatssekretär unter Hinweis auf die Geheimhaltung keine Antwort geben will, erlaube ich mir die Zusatzfrage, ob die Kontrollkommission entsprechend Art. 10 des Grundgesetzes über die Benachrichtigung von Personen informiert worden ist, deren Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt worden ist.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Wenn es diese Fälle gegeben hat, so sind sie rechtlich korrekt unter Einschaltung des G-10-Gremiums abgewickelt worden.
Noch eine Zusatzfrage.
Können Sie mir mitteilen, Herr Staatssekretär — oder unterliegt das auch der Geheimhaltung? —, wann die G-10-Kommission darüber informiert worden ist, ob Personen, deren Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt war, davon unterrichtet worden sind?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich bedauere, daß das den Rahmen Ihrer Frage überschreitet.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Conradi auf:
Werden die Beschränkungsmaßnahmen gegen nicht unterrichteten Personen nach wie vor durchgeführt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Conradi, über angeordnete G-10-Maßnahmen wird monatlich die Kommission nach Art. 10 des Grundgesetzes unterrichtet. Die parlamentarische Kontrolle wird von dem Gremium des Deutschen Bundestages nach Art. 10 des Grundgesetzes wahrgenommen.
Zusatzfrage, bitte.
Ich habe nicht nach einzelnen Kontrollmaßnahmen gefragt, Herr Staatssekretär, sondern ich frage, ob die Beschränkungsmaßnahmen unter ausdrücklichem Hinweis auf § 5 Abs. 5 des G-10-Gesetzes fortgesetzt werden, der besagt, daß nach Ablauf von fünf Jahren die Beschränkungsmaßnahmen nur fortgeführt werden können, wenn die Kommission dem zugestimmt hat.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur meine Antwort von vorhin wiederholen: Wenn es diese Fälle gegeben hat, so sind sie rechtlich korrekt unter Einschaltung dieses Gremiums abgewikkelt worden.
Herr Präsident, ich betrachte die Beantwortung der Fragen als ungenügend.
Herr Abgeordneter, das ist nicht vom Präsidium aus zuzuordnen.
Die Fragen 31 und 32 der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius, 33 und 34 des Abgeordneten Jaunich und 35 der Frau Abgeordneten Odendahl sind von den Fragestellern zurückgezogen worden.
Wir kommen zur Frage 36 des Herrn Abgeordneten Lutz. — Der Abgeordnete Lutz ist nicht im Saal. Die Frage ist nach der Geschäftsordnung erledigt. Dasselbe gilt für die Frage 37 des Abgeordneten Lutz.
Wir sind damit am Ende der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Zur Beantwortung steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Häfele zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 39 des Herrn Abgeordneten Hinsken auf:
Teilt die Bundesregierung die Meinung, daß den Bewohnern des strukturschwachen ostbayerischen Raumes nicht zuzumuten ist, vom HUK-Verband bei Voll- und Teilkasko zusätzliche Prämienerhöhungen von 31,7 v. H. bzw. 27,1 v. H. bei Neuabschließern oktroyiert zu bekommen, und welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung dagegen zu ergreifen?
Herr Kollege Hinsken, ich darf Ihre Frage so beantworten: Die Tarife für die Fahrzeugversicherung unterliegen nicht mehr der Bindung der Tarifverordnung. Die Versicherungsunternehmen können darum ihre Tarife frei gestalten, soweit sie nicht gegen aufsichtsrechtliche Grundsätze verstoßen.Es ist auch zu berücksichtigen, daß es sich nicht um Pflichtversicherungen handelt, sondern um freiwillige Zusatzversicherungen, die zudem — im Bereich der Vollkaskoversicherung — nur Schäden
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12748 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Parl. Staatssekretär Dr. Häfeleabdecken, die durch eigenes Fehlverhalten verursacht werden.Der Dachverband der Kraftfahrtversicherer hat auf Grund statistischer Untersuchungen regionale Tarifgliederungen für die Fahrzeugvollversicherung und die Fahrzeugteilversicherung erarbeitet und wird seinen Mitgliedern empfehlen, ihre Tarife entsprechend zu gestalten.Dieses neue Regionalgefüge der Tarife in der Fahrzeugversicherung ist dem Modell, das die Tarif-Verordnung für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung vorschreibt, nachgebildet und läßt keine Verstöße gegen Aufsichtsrecht erkennen.Es ist daher nicht möglich, die Tarifgestaltung der Versicherungsunternehmen zu beeinflussen.Eine Neufassung der Tarif-Verordnung, durch die die Einteilung der Regionalklassen geändert oder die Tarife der Kraftfahrzeug-Versicherung wieder genehmigungspflichtig gemacht werden, ist nicht beabsichtigt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß unter Umständen, wenn dieses Platz greifen sollte, wie es von der Versicherungswirtschaft geplant ist, teilweise die Versicherungsnehmer für die Vollkaskoversicherung mit Mehrbeträgen von 500 DM und mehr pro Jahr belastet werden und eine solche Belastung gerade in einem strukturschwachen Gebiet, wo man auf das individuelle Verkehrsmittel, nämlich das Auto, angewiesen ist, einfach unerträglich ist?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ja, aber die Einteilung wird von den Versicherungsunternehmen nach den Gefahrenregionen vorgenommen. Die Gefahren und die Schäden, die innerhalb der Regionen vorhanden sind, erhöhen dann natürlich entsprechend die Prämien in diesen Regionen.
Eine weitere Zusatzfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bewußt, daß gerade in diesen Regionen — in Niederbayern und Oberpfalz — die Straßenverkehrsverhältnisse äußerst schlecht sind, daß dort die Witterungsbedingungen auch oft zu wünschen übrig lassen — es handelt sich hier um Mittelgebirgslagen; der Wintereinbruch erfolgt oft eher — und daß auf Grund dessen meine Aussage gerechtfertigt ist, daß das, was die Versicherungswirtschaft hier macht, modernes Raubrittertum ist? Können Sie diese Meinung teilen? Ist die Bundesregierung nicht bereit, so wie in der Vergangenheit Einfluß zu nehmen, damit die Versicherungswirtschaft zu Maßnahmen greift, die von den einzelnen noch getragen und finanziert werden können?
Aber Herr Abgeordneter, Sie können den Parlamentarischen Staatssekretär nicht zum Zeugen Ihrer Verbalinjurien machen, die Sie im Bundestag verbreiten.
Sie genießen trotzdem den Schutz nach Art. 46 des Grundgesetzes.
Bitte sehr.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hinsken, ich kann Ihre Auffassung nicht teilen. Es sind sachgerechte Gesichtspunkte, wenn Einteilungen nach bestimmten Regionen erfolgen und die tatsächlichen Schadensfälle, die in einer Region offensichtlich höher sind, dann eben auf diese Region umgelegt werden. Das ist kein sachfremder Gesichtspunkt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mann.
Herr Staatssekretär, Sie haben ja in Ihrer Antwort darauf hingewiesen, daß offensichtlich einmal eine versicherungsaufsichtsrechtliche Eingriffsmöglichkeit gegeben war. Können Sie uns vielleicht noch einmal erläutern, wann und warum diese abgeschafft worden ist, und präzisieren, warum Sie es jetzt angesichts der, finde ich, schlimmen Zustände, die der Kollege geschildert hat, politisch nicht für geboten halten, dazu zurückzukehren?
— Überlassen Sie das doch vielleicht dem Kollegen.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Wir haben auch heute eine Aufsichtsmöglichkeit über das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen in Berlin. Es hat diese Regelung nicht beanstandet. Im übrigen vertritt die Bundesregierung die Leitlinie: möglichst wenig Staat, möglichst wenig Bürokratie, möglichst viel freie Verantwortung.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatssekretär, könnte die Bundesregierung angesichts des in der Frage des Kollegen Hinsken zum Vorschein gekommenen Sachverhalts einmal überprüfen, ob nicht bloß in den Gebieten, die der Kollege Hinsken genannt hat, sondern in allen vergleichbaren Mittelgebirgslagen eine ähnlich hohe Schadensquote vorliegt und damit entsprechend erhöhte Prämien verlangt werden, um danach dann zu überprüfen, ob angesichts eines solchen — von den betroffenen Bürgern ja nicht in erster Linie zu vertretenden — Sachverhalts eine neue Bewertung angebracht erschiene?Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Wir haben gesetzlich keine Eingriffsmöglichkeit.Ich habe die Zahlen jetzt nicht da. Aber mir ist bekannt, daß es natürlich auch andere Gebiete gibt — ich selbst lebe in einem solchen Gebiet, ich habe meinen Wahlkreis dort —, in denen es eine stärkere Unfallträchtigkeit gibt, vielleicht auch aus Gründen des Klimas, der Lage, der Landschaft. Auch dort hat
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Parl. Staatssekretär Dr. Häfeleeine überdurchschnittliche Erhöhung der Prämien stattgefunden.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 38 des Abgeordneten Zierer, die Frage 40 des Abgeordneten Stiegler und die Frage 42 des Abgeordneten Grünbeck sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Die Frage 43 des Abgeordneten Kirschner ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Dr. Lammert auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung — unabhängig von den politischen Realisierungsmöglichkeiten — die Ergebnisse der im Auftrag der „Wirtschaftswoche" vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel vorgelegten Berechnungen über die volkswirtschaftlichen Wirkungen eines massiven Subventionsabbaus bei gleichzeitiger Steuerentlastung, insbesondere die dargestellten Arbeitsplatzwirkungen von zusätzlich einer Million innerhalb von fünf Jahren?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Lammert, die Antwort lautet so: Die Bundesregierung sieht es nicht als ihre Aufgabe an, zu einzelnen wissenschaftlichen Ausarbeitungen und Vermutungen wertend Stellung zu nehmen. Das sollte der wissenschaftlichen Diskussion vorbehalten bleiben.
Unabhängig von der Wertung dieser Studie darf ich jedoch darauf hinweisen, daß es auch das Bestreben der Bundesregierung ist, in der nächsten Gesetzgebungsperiode im Zusammenhang mit einer wachstumsausgerichteten Umschichtung des Steuersystems und entsprechenden Steuerentlastungen einen Abbau von Steuervergünstigungen und Finanzhilfen vorzunehmen. Die Kieler Studie weist sicherlich insofern in die richtige Richtung, als eine Volkswirtschaft mit weniger staatlichen Hilfen international auf Dauer insgesamt wettbewerbsfähiger ist und durch Subventionsabbau bei gleichzeitigen Steuersenkungen langfristig mehr produktivere und sichere Arbeitsplätze entstehen.
Eine Zusatzfrage.
Wird die Bundesregierung unabhängig von dieser präzisen Studie bei ihren eigenen Überlegungen, Subventionsabbau und Steuerermäßigungen parallel zueinander in der nächsten Legislaturperiode in Angriff zu nehmen, ähnliche Größenordnungen ins Auge fassen, wie sie Grundlage der dargestellten Arbeitsplatzberechnung waren?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Diese Größenordnungen sind schon deswegen verschieden, weil das Kieler Institut sämtliche Subventionen von Bund, Ländern und Gemeinden bis hin zur EG — Kohlepfennig, Zuweisungen an die Bundesbahn, Forschungsausgaben im Verteidigungsbereich, Hilfen der Bundesanstalt für Arbeit — als Subventionen bezeichnet hat, also einen völlig anderen Subventionsbegriff als etwa die Bundesregierung in ihrem Subventionsbericht verwendet hat. Der Subventionsbericht der Bundesregierung umfaßt ja nur die Bundessubventionen. Wir sind aber schon dabei: In der mittelfristigen Finanzplanung wird bis 1989 ein Abbau der Finanzhilfen um jährlich 61/2 % vorgesehen.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Hält die Bundesregierung in diesem Zusammenhang — natürlich soweit es ihren eigenen Zuständigkeitsbereich betrifft — eine differenzierte Behandlung unterschiedlicher Regionen gerade unter Arbeitsplatzgesichtspunkten bei dem angestrebten Subventionsabbau für erforderlich, oder schätzt sie auf Grund der volkswirtschaftlichen Gesamtwirkung die negativen Wirkungen fortgesetzter Subventionen auch in sogenannten Krisenbranchen als gewichtiger ein als die unmittelbaren Arbeitsplatzeffekte?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Langfristig ist es für die gesamte Volkswirtschaft, und zwar letztlich für alle Gebiete, sicher am besten, wenn es möglichst wenig Subventionen gibt. Deswegen hat sich die Bundesregierung für einen gezielten Abbau entschieden, weil sie von Gegend zu Gegend etwas unterscheiden muß. Es gibt ja den berühmten Satz des Sachverständigenrats, daß Subventionen Kinder der Krise sind. Wenn eine Landschaft besonders krisenanfällig oder krisenbehaftet ist, ist dort die Neigung, mit Subventionen zu stützen, größer als in anderen Gegenden.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel .
Herr Staatssekretär, ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, daß Sie den Abbau von Steuervergünstigungen betreiben. Können Sie mir sagen, wie da die Neuregelung des Eigenheimbaus — Stichwort § 10 e
— hineinpaßt, wo es j a eigentlich darum geht, daß die Steuervergünstigungen aufgestockt werden?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege, das ist keine Subvention.
— Es ist auch keine Steuervergünstigung. Wir sagen vielmehr, daß der sogenannte fiktive Eigen-mietwert künftig nicht mehr besteuert wird. Er war ohnedies ein Fremdkörper im Steuerrecht. Es war überfällig, den fiktiven Eigenmietwert nicht länger zu besteuern, der ja gar nicht in die Kasse des zu Besteuernden fließt. Es handelt sich also nicht etwa um eine Subvention, die hier gewährt wird, sondern um die Abschaffung einer falschen Regelung.
Keine weitere Zusatzfrage.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Sprung zur Verfügung.
Metadaten/Kopzeile:
12750 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 170. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. November 1985
Vizepräsident StücklenDie Fragen 45 und 46 des Abgeordneten Dr. Sperling sollen auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Hinsken auf:Kann die Bundesregierung Angaben darüber machen, wie viele kleinere Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel mit bis zu fünf, bis zu zehn, bis zu 25 Beschäftigten in den Jahren 1983 und 1984 in der Bundesrepublik Deutschland wegen des Vordringens von Großmärkten zur Geschäftsaufgabe gezwungen wurden?
Herr Kollege Hinsken, Daten aus der amtlichen Statistik über die Zahl der kleineren Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel, die — gegliedert nach Beschäftigtengrößenklassen — in den Jahren 1983/84 zur Geschäftsaufgabe gezwungen waren, liegen nicht vor. Aktuelles Datenmaterial hierzu wird der Handelszensus 1985 liefern. Erste Ergebnisse werden im Laufe des kommenden Jahres verfügbar sein. Aus Verbandsstatistiken ist zu entnehmen, daß in den Jahren 1983 und 1984 jeweils rund 3 000 kleinere Unternehmen ihren Betrieb stillgelegt haben dürften. Für die Jahre 1980 bis 1982 liegen amtliche Daten lediglich aus der Umsatzsteuerstatistik, die hinsichtlich der Beschäftigtengrößenklassen keine Angaben enthält, vor. Die Aufgliederung nach Umsatzgrößenklassen zeigt aber, daß der Abschmelzungsprozeß vorwiegend die kleineren Unternehmen betroffen hat. Dies dürfte auch für die Jahre 1983 und 1984 gelten. Im übrigen ist zu bemerken, daß der Abschmelzungsprozeß im Lebensmitteleinzelhandel nicht ausschließlich durch das Vordringen von Großmärkten verursacht ist, sondern daß hierfür eine Reihe von Faktoren ursächlich ist.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind der Bundesregierung die Umsatzgrößen der Betriebe bekannt, die hier betroffen worden sind — Sie haben die Zahl 3 000 genannt — und in den letzten Jahren die Segel streichen mußten?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Diese Größenklassen sind bekannt. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Aufgliederung nach Umsatzgrößenklassen zeigt, daß von diesem Abschmelzungsprozeß überwiegend die kleineren Unternehmen betroffen worden sind. Nur dann, wenn man die Größenklassen kennt, kann man eine solche Aussage machen.
Dann möchte ich mich bei dieser Frage auf die Ausbildungsplätze konzentrieren: Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Ausbildungsplätze, die ja in erster Linie bei kleinen und mittelständischen Betrieben vorhanden sind, dadurch verlorengegangen sind?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Hinsken, ich kann Ihnen darauf keine konkrete Antwort geben. Ich kann nur darauf hinweisen, daß sich aus der Umsatzsteuerstatistik sicherlich nicht ergibt, in welchem Umfang ausgebildet worden ist. Vor allem ergibt sich daraus nicht die Größenordnung der ausbildenden Betriebe.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vogel .
Herr Staatssekretär könnten Sie bitte einmal das Wort „Abschmelzungsprozeß" definieren?
Herr Abgeordneter Vogel, das ist nicht Bestandteil der Ausgangsfrage. Nicht die Antworten berechtigen zu Zusatzfragen, sondern die Frage ist es, die Ihnen die Berechtigung gibt, Zusatzfragen zu stellen.
Herr Mann, haben Sie eine Zusatzfrage? — Bitte sehr.
Ich unterstelle jetzt einmal, daß ich das Wort „Abschmelzungsprozeß" richtig begriffen habe. Herr Staatssekretär, was gedenkt die Bundesregierung im Sinne der oft beschworenen Förderung der mittelständischen Betriebe zu tun, um diesem alarmierenden, immer noch fortschreitenden Abschmelzungsprozeß politisch entgegenzuwirken?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es gibt nicht nur eine oft beschworene Hilfe für den Mittelstand, sondern es gibt Hilfe für den Mittelstand. Es sind eine Fülle von Maßnahmen, die die Bundesregierung ergriffen hat, um dem Mittelstand behilflich zu sein.
Aber: Wir haben es bei diesem Prozeß auch mit einem Umstrukturierungsprozeß zu tun und können die Entwicklung nicht vollständig aufhalten. Wir können nicht hergehen und jegliche Änderung im strukturellen Gefüge, etwa des Lebensmitteleinzelhandels, verhindern.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Fragestunde und damit auch am Ende der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 7. November 1985, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.