Protokoll:
9034

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 9

  • date_rangeSitzungsnummer: 34

  • date_rangeDatum: 7. Mai 1981

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:31 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/34 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 34. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Spilker 1709A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 1709 B Dr. Kohl CDU/CSU 1714 B Wischnewski SPD 1724 B Hoppe FDP 1728 C Genscher, Bundesminister AA 1730 D Dr. Wörner CDU/CSU 1734 B Dr. Corterier SPD 1740 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksachen 9/92, 9/217 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/401 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 9/378 — Dr. von Wartenberg CDU/CSU 1763 C Dr. Spöri SPD 1767 C Frau Matthäus-Maier FDP 1772 A Matthöfer, Bundesminister BMF 1774 D Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1980) — Drucksache 9/251 — Dr. Langner CDU/CSU 1778A Feile SPD 1779 B Rentrop FDP 1780 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksachen 9/128, 9/328 — Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 1782 B Bernrath SPD 1783 C Hoffie FDP 1785 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Bereinigungsgesetz) — Drucksache 9/336 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Krefeld), Dr. Bötsch, Pohlmann, Neuhaus, Lampersbach, Engelsberger, Pieroth, Dr. Pinger, Dr. Schwarz-Schilling, II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 Sick, Dr. Warnke, Feinendegen, Dr. George, Frau Will-Feld, Franke, Zink, Müller (Remscheid), Frau Roitzsch, Schulze (Berlin), Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Laufs, Kolb, Frau Geiger, Dr. Götz, Kraus, Schröder (Lüneburg), Landré, Dr. Faltlhauser, Dr. Köhler (Wolfsburg), Burger und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Bestimmungen über Nebentätigkeiten im Öffentlichen Dienst (Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz) — Drucksache 9/160 — Broll CDU/CSU 1787 A Bernrath SPD 1789 D Dr. Wendig FDP 1791 B Dr. Bötsch CDU/CSU 1793 A Stiegler SPD 1794 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1795D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung fischereischeinrechtlicher Vorschriften — Drucksache 9/312 — 1797 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 26. Oktober 1979 des Weltpostvereins — Drucksache 9/313 — 1797 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen — Drucksache 9/316 — Dr. Dübber SPD 1797 D Beratung der Sammelübersicht 10 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 31. März 1981 eingegangenen Petitionen — Drucksache 9/315 — 1799A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Erfahrungen bei der Anwendung des neuen Gemeinschaftsinstruments Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Anleihen zur Investitionsförderung in der Gemeinschaft aufzunehmen — Drucksachen 9/37 Nr. 153, 9/317 — . . . 1799 C Fragestunde — Drucksache 9/381 vom 30. 04. 1981 — Konsequenzen aus den Zwischenfällen in dem japanischen Kernkraftwerk Tsuruga für die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke MdlAnfr 56, 57 30.04.81 Drs 09/381 Vosen SPD Antw PStSekr von Schoeler BMI . . . . 1745D, 1746A Behauptungen der DDR über den völkerrechtlichen Charakter der Demarkationslinie MdlAnfr 60 30.04.81 Drs 09/381 Graf Huyn CDU/CSU Antw PStSekr von Schoeler BMI . . . . 1746A, C ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1746 C Maßnahmen gegen die Verschmutzung von Werra, Weser und Elbe durch Abwässer aus der DDR MdlAnfr 61, 62 30.04.81 Drs 09/381 Dr. von Geldern CDU/CSU Antw PStSekr von Schoeler BMI . . . 1746 C, D, 1747 A, B, C, D ZusFr Dr. von Geldern CDU/CSU . . . . 1746 D, 1747A,B,C ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . . . 1747 C Beteiligung des BND an illegalem Waffenhandel Mitte der 60er Jahre sowie Gründe der Geheimhaltung des Vergleichs der Bundesregierung mit der Firma Merex in diesem Zusammenhang MdlAnfr 40, 41 30.04.81 Drs 09/381 Hansen SPD Antw StSekr Lahnstein BK . . . 1748 A, B, C, D, 1749A,B ZusFr Hansen SPD 1748 B, C, D, 1749A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1749 B Vereinbarkeit der Intervention der Sowjetunion in Afghanistan und der militärischen Drohungen gegenüber Polen mit dem deutsch-sowjetischen Vertrag vom 12. August 1970 MdlAnfr 42, 43 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Hennig CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 1749 C, D, 1750A,B,C,D ZusFr Dr. Hennig CDU/CSU 1749 C, D, 1750 A, B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1750 C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1750 C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1750 D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 III Diskriminierung von Angehörigen der US-Streitkräfte im Raume Ansbach, Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt, Stuttgart und Ludwigsburg durch Gaststättenverbot MdlAnfr 46 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Klejdzinski SPD Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . .1751A, B ZusFr Dr. Klejdzinski SPD 1751 B Gründe für die Nichtveröffentlichung der Reden des deutschen Chefdelegierten auf dem KSZE-Nachfolgetreffen in Madrid MdlAnfr 47 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . . 1751 C, D, 1752A,B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1751C, D ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 1752A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1752 B Registrierung des 17. Juni als Nationalfeiertag bei den Vereinten Nationen MdlAnfr 48 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 1752 B, C, D, 1753A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1752C,D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1752 D Höhe der 1979 durch kurzzeitige Arbeitslosigkeit erzielten steuerlichen Vorteile MdlAnfr 63 30.04.81 Drs 09/381 Kolb CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Böhme BMF 1753B, C ZusFr Kolb CDU/CSU 1753B,C Anrechnung von BAföG-Leistungen und Semesterverdiensten auf die steuerlichen Freibeträge für Schul- und Berufsausbildung MdlAnfr 65 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Enders SPD Antw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 1753D, 1754A ZusFr Dr. Enders SPD 1754A Verbesserung der Zahlungsbilanz bei Einhaltung der im Energieprogramm vorgesehenen Kernkraftwerkskapazitäten MdlAnfr 68 30.04.81 Drs 09/381 Weirich CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi 1754 B, D, 1755A,B ZusFr Weirich CDU/CSU 1754 D ZusFr Leuschner SPD 1755A ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1755 B Verhandlungen über die Verlängerung des „Swing" im Handel mit der DDR MdlAnfr 69 30.04.81 Drs 09/381 Werner CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi 1755 B, C, D ZusFr Werner CDU/CSU 1755B,C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1755 C Überprüfung des energiepolitischen Vorrangs der Kohle auf Grund von Empfehlungen des Sachverständigenrats für Umweltfragen MdlAnfr 70 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Laufs CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi 1755 D, 1756 A, B ZusFr Dr. Laufs CDU/CSU 1756A Lage der ostbayerischen Bauwirtschaft nach Kürzung öffentlicher Investitionen MdlAnfr 71 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Jobst CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1756 B, C, D, 1757A,B ZusFr Dr. Jobst CDU/CSU 1756C,D ZusFr Wieczorek (Duisburg) SPD 1756 D ZusFr Hinsken CDU/CSU 1757A Nachteile der von den Gewerkschaften betriebenen Nominallohnsicherung in der diesjährigen Tarifrunde MdlAnfr 72, 73 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Voss CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi 1757 B, D, 1758 A, B, C, D ZusFr Dr. Voss CDU/CSU . . . 1757D, 1758B,C ZusFr Dr. Friedmann CDU/CSU 1758 D Berücksichtigung des Verbraucherstandpunkts im Frühjahrsgutachten 1981 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung MdlAnfr 74 30.04.81 Drs 09/381 Frau Geiger CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1758D, 1759A ZusFr Frau Geiger CDU/CSU 1759A Weiterführung des Programms zur Dorferneuerung MdlAnfr 77 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . . 1759 C, D, 1760A ZusFr Dr. Kunz (Weiden) CDU/CSU . .1759C, D ZusFr Immer (Altenkirchen) CDU/CSU . .1759 D IV Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 Reform der landwirtschaftlichen Altershilfe MdlAnfr 78, 79 30.04.81 Drs 09/381 Niegel CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . . . 1760 A, B, C, D, 1761 A ZusFr Niegel CDU/CSU 1760 C, D ZusFr Horstmeier CDU/CSU 1761A Alterssicherung für landwirtschaftliche Aussiedler aus Polen MdlAnfr 80 30.04.81 Drs 09/381 Horstmeier CDU/CSU Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . . 1761A, C ZusFr Horstmeier CDU/CSU 1761 B,C Unzureichende Personalausstattung von Arbeitsämtern in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit MdlAnfr 83, 84 30.04.81 Drs 09/381 Herberholz SPD Antw PStSekr Frau Fuchs BMA . . . 1761 D, 1762 A, B, C, D, 1763A,B ZusFr Herberholz SPD 1762 B,C ZusFr Frau Hürland CDU/CSU . . 1762D, 1763A ZusFr Dr. Friedmann CDU/CSU 1762 D Nächste Sitzung 1799 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1801*A Anlage 2 Ausgaben für die Schaffung neuer Studienplätze insbesondere in Hochschulkliniken im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen" von 1971 bis 1980 MdlAnfr 6, 7 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Spöri SPD SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 1801"A Anlage 3 Abgeltung der Überstunden von Postbediensteten; Abbau der Überstunden durch Einstellung neuer Arbeitskräfte MdlAnfr 32, 33 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Struck SPD SchrAntw PStSekr Becker BMP . . . . 1801* D Anlage 4 Entscheidung des Bundeskanzlers zur Frage von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien MdlAnfr 39 30.04.81 Drs 09/381 Graf Huyn CDU/CSU SchrAntw StMin Huonker BK 1802*A Anlage 5 Forderungen des Bundes auf Grund von Hilfeleistungen nach dem Konsulargesetz; Vergleichbare konsularische Hilfeleistungen anderer Staaten MdlAnfr 44, 45 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Wittmann CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. von Dohnanyi AA . 1802* B Anlage 6 Verzinsung von Steuerguthaben bei der Lohn- und Einkommensteuer MdlAnfr 64 30.04.81 Drs 09/381 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 1802* C Anlage 7 Existenz eines Vergleichs mit gegenseitigem Verzicht auf Forderungen zwischen der Beton- und Monierbau AG und der DIRG; Durchsetzung von Regreßforderungen für den Beton- und Monierbau AG gewährte Bundesbürgschaften MdlAnfr 66, 67 30.04.81 Drs 09/381 Carstens (Emstek) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 1803* A Anlage 8 Benachteiligung der deutschen Landwirtschaft gegenüber der Landwirtschaft der Niederlande durch die EG-Agrarpreisbeschlüsse; unzureichende Anhebung der Getreidepreise im Rahmen der EG-Verhandlungen MdlAnfr 75, 76 30.04.81 Drs 09/381 Eigen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 1803* C Anlage 9 Einschaltung von Kontraktfirmen bei der Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer bei den US-Streitkräften Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 V MdlAnfr 81 30.04.81 Drs 09/381 Glos CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Böhme BMF . . 1804* B Anlage 10 Neuordnung des Zivildienstes MdlAnfr 82 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Frau Fuchs BMA . . 1804* D Anlage 11 Gründe junger Menschen zum „Aussteigen" sowie Möglichkeiten der Rückführung in die Gesellschaft MdlAnfr 90, 91 30.04.81 Drs 09/381 Müller (Wesseling) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1805*A Anlage 12 Hohe Durchfallquote in der medizinischen Vorprüfung bei sogenannten Eliteschülern MdlAnfr 92 30.04.81 Drs 09/381 Dr. Enders SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1805* B Anlage 13 Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots des Grundgesetzes MdlAnfr 93 30.04.81 Drs 09/381 Frau Dr. Hartenstein SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1805* C Anlage 14 Wirkungen eines allgemeinverbindlichen Antidiskriminierungsgesetzes MdlAnfr 94 30.04.81 Drs 09/381 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1806*A Anlage 15 Personelle Ausstattung einer Gleichstellungsstelle (Gleichbehandlung der Frau) als Bundesoberbehörde MdlAnfr 95, 96 30.04.81 Drs 09/381 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1806* B Anlage 16 Zuordnung einer Gleichstellungsstelle als Kontroll- oder Überwachungsinstanz zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots MdlAnfr 97, 98 30.04.81 Drs 09/381 Frau Dr. Lepsius SPD SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1806* C Anlage 17 Alkoholische Zusätze in Speiseeis- und Joghurtzubereitungen ohne Deklarierung nach Art und Menge MdlAnfr 99 30.04.81 Drs 09/381 Frau Geiger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Zander BMJFG . . . 1806* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 1709 34. Sitzung Bonn, den 7. Mai 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 8. 5. Bohl 7. 5. Frau Fromm 8. 5. Korber 8. 5. Lampersbach 8. 5. Michels 8. 5. Frau Noth 8. 5. Pieroth 8. 5. Frau Schirmer 8. 5. Frau Schlei 8. 5. Schröer (Mülheim) 8. 5. Dr. Schwarz-Schilling 8. 5. Spilker 8. 5. Dr. Steger 8. 5. Weiß 8. 5. Dr. von Weizsäcker 8. 5. Wimmer (Neuss) 8. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Spöri (SPD) (Drucksache 9/381 Fragen 6 und 7): Welche Beträge sind von den in den zehn Jahren 1971 bis 1980 von Bund und Ländern insgesamt für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau gemäß Artikel 91 a des Grundgesetzes aufgewendeten Mittel (rd. 24 Milliarden DM) in den einzelnen Jahren für die Schaffung neuer Studienplätze ausgegeben worden? Wieviel Studienplätze sind damit in den Hochschulkliniken und in den übrigen Hochschulbereichen geschaffen worden? Zu Frage 6: In den Jahren 1971 bis 1980 sind von Bund und Ländern für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau insgesamt rd. 25 Milliarden DM ausgegeben worden. Davon enfallen rd. 8,6 Milliarden DM auf Einrichtungen im medizinischen Bereich. Die Angaben für die einzelnen Jahre können dem 10. Rahmenplan für den Hochschulbau, Seite 31, entnommen werden, den ich Ihnen gerne zur Verfügung stelle. Eine direkte Zuordnung der jährlichen Ausgaben zu studienplatzrelevanten bzw. zu anderen Maßnahmen ist nicht möglich, weil die Anmeldungen zum Rahmenplan und Abrechnungen mit den Ländern bauvorhaben- und nicht studienplatzbezogen erfolgen. Ein flächenbezogener Studienplatz ist als Summe der verschiedenen erforderlichen Teilflächen definiert, die in der Regel in mehreren Vorhaben enthalten sind, die über einen mehrjährigen Zeitraum und z. T. unabhängig voneinander erstellt werden. Hierzu gehören z. B. Flächen in Hörsaalgebäuden, Institutsbauten, Laborgebäuden, Bibliotheken usw. Anlagen zum Stenographischen Bericht Zu Frage 7: Eine differenzierte Aussage darüber, wieviel Studienplätze im einzelnen mit den genannten Beträgen geschaffen worden sind, ist aus den o. g. Gründen nicht möglich. Deshalb kann ich nur global angeben, daß seit Beginn der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau rd. 250 000 neue Studienplätze geschaffen worden sind. Darüber hinaus wurden erhebliche Altbestände durch Neubauten ersetzt. In welchem Umfang dies im einzelnen geschehen ist, läßt sich wegen der dargestellten Zusammensetzung der Studienplätze aus Teilflächen nicht exakt ermitteln. Der Anteil der Ersatzflächen an den Bauvorhaben hat dabei in einzelnen Fächern über 50 v. H. betragen. In der Humanmedizin wird die Zahl der Studienplätze in den Hochschulkliniken nicht über den Flächenrichtwert ermittelt, da sich dieser Bereich - insbesondere wegen der von Ort zu Ort verschiedenen Bedingungen der Krankenversorgung - für eine Bemessung nach Flächenrichtwerten nicht eignet. In der klinischen Medizin wurden überwiegend Ersatzbauten geschaffen. Der Ausbau und die Erneuerung der Hochschulkliniken hat gleichwohl wesentlich dazu beigetragen, daß seit 1970 die Zahl der Studienanfänger bis heute verdoppelt werden konnte. Im Wintersemester 1980 studierten rd. 69 200 Studenten die Fächer der Humanmedizin, darunter rd. 22 000 in den vorklinischen Semestern sowie rd. 9 580 Zahnmedizinstudenten. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Becker auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Struck (SPD) (Drucksache 9/381 Fragen 32 und 33): Trifft es zu, daß der Bundespostminister beabsichtigt, eine Verfügung dahin gehend zu erlassen, daß in Zukunft Überstunden nicht mehr durch Freizeitausgleich aufgefangen, sondern nur noch durch Bezahlung abgegolten werden dürfen? Trifft es zu, daß beim Wegfall der Ausgleichsansprüche von ca. 16 Millionen Überstunden - wie in der April-Ausgabe der Zeitschrift „Postpraxis" die Entwicklung der Überzeitarbeit 1980 der Deutschen Bundespost dargestellt wurde - ca. 7 400 vollbeschäftigte Arbeitskräfte eingestellt werden könnten und wie beurteilt die Bundesregierung einen möglichen Abbau der Überstunden zugunsten der Einstellung neuer Arbeitskräfte bei der Deutschen Bundespost? Etwa 3/4 der Überzeitarbeit bei der Deutschen Bundespost ergibt sich aus persönlichen arbeitszeitrechtlichen/tarifvertraglichen Ansprüchen sowie unvorhersehbaren betrieblichen bzw. personellen Erfordernissen, ohne daß das Arbeitsvolumen erhöht wird. Lediglich der Rest ist auf eine Steigerung des Arbeitsanfalls oder auf einen örtlich bedingten Personalmangel zurückzuführen. Der zusätzliche Arbeitsanfall läßt sich aber nicht durch zusätzliche Kräfte abfangen, weil die Arbeitsspitzen durch spezielle betriebliche und personelle Bedingungen unvorhersehbar sind und nur sporadisch auftreten. Das Tarifpersonal bei der Deutschen Bundespost hat ein tariflich vereinbartes Wahlrecht zwischen Freizeitgewährung und Barentschädigung für Über- 1802* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 zeitarbeit. In der rückliegenden Zeit haben diese Kräfte zu 60 v. H. die Barentschädigung gewählt. Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat deshalb für die Beamten eine Verfügung erlassen, die ebenfalls eine Barentschädigung vorsieht. Sie erfaßt im Rahmen geltender gesetzlicher Bestimmungen nur einen Teil der Abgeltungsansprüche. Der Rest wird weiterhin durch Freizeitgewährung ausgeglichen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Huonker auf die Frage des Abgeordneten Graf Huyn (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 39): Treffen Meldungen aus Regierungskreisen zu, daß der Bundeskanzler bereits im letzten Sommer Saudi-Arabien eine positive Entscheidung zur Frage von Waffenlieferungen bis Weihnachten 1980 in Aussicht gestellt hat? Der Bundeskanzler hat weder im Sommer 1980 noch zu einem anderen Zeitpunkt Saudi-Arabien eine positive Entscheidung zur Frage von Waffenlieferungen bis Weihnachten 1980 in Aussicht gestellt. Am 11. November 1980 äußerte er in einem Gespräch mit dem saudischen Außenminister Prinz Saud Al-Faisal die Hoffnung, eine Entscheidung bis Weihnachten herbeiführen zu können. Den Inhalt der in Aussicht gestellten Entscheidung ließ der Bundeskanzler dabei ausdrücklich offen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Dohnanyi auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Wittmann (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Fragen 44 und 45): Wie hoch sind die Forderungen des Bundes, die auf Grund von Hilfeleistungen nach dem Konsulargesetz seit dessen Inkrafttreten aufgelaufen sind, und in welchem Umfange wurden Rückforderungen niedergeschlagen? Welche Staaten gewähren durch ihre konsularischen Vertretungen im Ausland im gleichen Umfange Hilfeleistungen wie die Bundesrepublik Deutschland? Zu Frage 44: Eine umfassende Beantwortung Ihrer Frage ist nicht möglich, da bereits das Konsulargesetz vom 8. November 1867 finanzielle Leistungen an hilfsbedürftige Deutsche im Ausland vorsah und somit das neue Konsulargesetz haushalts- und kassenmäßig keine Änderung brachte. Die Summe aller noch offenen Forderungen aus Konsularhilfen betrug am 31. Dezember 1980 DM 7 093 102,89. Die gem. § 59 der Bundeshaushaltsordnung niedergeschlagenen Forderungen werden haushaltsmäßig nicht erfaßt, da die Niederschlagung eine verwaltungsinterne Maßnahme ist, mit der von der Weiterverfolgung des Anspruchs abgesehen wird, die aber keine rechtliche Wirkung für den Schuldner hat. Pro Haushaltsjahr betragen die Niederschlagungen erfahrungsgemäß rd. DM 40 000,— bis 50 000,—. In den Haushaltsjahren 1978 und 1979 führte das Bundesverwaltungsamt eine verstärkte Überprüfung der alten Forderungen aus den Jahren 1950 bis 1970 durch und schlug 1978 Forderungen in einem Gesamtbetrag von DM 407 000,—, im Haushaltsjahr 1979 von rd. DM 200 000,— nieder. Zu Frage 45: Dem Auswärtigen Amt ist nicht bekannt, daß ein anderer Staat seinen Staatsangehörigen im Ausland auch nur annähernd gleichwertige Hilfeleistungen bietet. Einzelne Staaten (z. B. Frankreich, die Niederlande und Österreich) weisen durch Anmerkungen in ihren Reisepässen darauf hin, daß die Hilfe der Konsuln sich darauf beschränken muß, Überweisungen aus dem Inland zu vermitteln und daß jeder, der durch eigenes Verschulden in Not gerät, mit einer finanziellen Hilfe durch die Auslandsvertretungen nicht rechnen kann. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 64): Ist die Bundesregierung bereit, im Interesse der Steuergerechtigkeit bei Lohnsteuerjahresausgleichen und Einkommensteuererklärungen im Falle von zuviel gezahlter Lohn- bzw. Einkommensteuer dem betreffenden Steuerpflichtigen für den rückzuerstattenden Betrag für den Zeitraum vom 1. Januar des darauffolgenden Veranlagungsjahres bis zum Auszahlungstermin einen Zinsbonus zum Beispiel vom 5 v. H. p. a. zu gewähren und dies in die Steuergesetzgebung miteinzubeziehen? Eine Verzinsung der Ansprüche auf Erstattungen bei der Lohn- und Einkommensteuer kann nicht auf diese Steuerarten beschränkt werden, sondern müßte für alle Steuern eingeführt werden. Die Bundesregierung hat die Möglichkeit der Einführung einer solchen Vollverzinsung im Steuerrecht geprüft und dem Deutschen Bundestag dazu am 6. Januar 1978 einen Bericht vorgelegt. Sie hat darin ausgeführt, daß die verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten sowohl im Veranlagungs- als auch im Kassenbereich liegen. Sie ergeben sich vor allem daraus, daß es häufig zu Änderungen der Steuerfestsetzung kommt, die rückwirkend andere Zahlungs- und damit auch andere Zinspflichten zur Folge haben. Die bereits durchgeführten Zinsberechnungen müßten durch neue ersetzt werden. Bei Sollminderungen muß außerdem sichergestellt werden, daß keine Zinsen auf Beträge berechnet werden, die der Steuerpflichtige gar nicht entrichtet hat (z. B. wenn die Steuer ganz oder teilweise erlassen wurde). Dies alles erfordert, daß die für die Berechnung der Zinsen erforderlichen Daten auf Jahre hinaus, zumindest bis zum Ablauf der Verjährung, und zwar getrennt nach Steuerarten und Besteuerungszeiträumen festgehalten werden müßten. Die Vollverzinsung kann daher mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nur dann durchgeführt werden, wenn in allen Ländern ein die Steuerfestsetzung und die Steuererhebung umfassendes automatisiertes Verfahren eingeführt ist. Dies ist bisher nicht der Fall. Die Bundesregierung sieht daher die Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 1803* Voraussetzungen als nicht gegeben an, die Vollverzinsung einzuführen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Carstens (Emstek) (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Fragen 66 und 67): Treffen Presseberichte zu, daß zwischen der Beton- und Monierbau AG (BuM) und der Deutschen Industrie-Anlagen-Gesellschaft (Diag) ein Vergleich geschlossen wurde, bei dem die Diag auf eine ursprüngliche Forderung gegen die BuM in Höhe von 103 Millionen DM verzichtet und BuM eine Gegenforderung in Höhe von ursprünglich 29,3 Millionen DM auf einen „einstelligen Millionenbetrag reduziert, der nur unter bestimmten, zur Zeit unwahrscheinlichen Bedingungen fällig wird", und woraus resultieren gegebenenfalls die jeweiligen Forderungen und das Nachgeben im Vergleich? Welche Folgerungen mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung aus dem Beschluß des Rechnungsprüfungsausschusses vom 7. August 1980 betr. Gewährung einer Bundesbürgschaft von 50 Millionen DM an die Beton- und Monierbau AG gezogen, wonach der Ausschuß erwartet, „daß die Bundesregierung geeignete Schritte zur Durchsetzung der von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen in Aussicht gestellten Rückbürgschaften unternimmt" und ferner davon ausgeht, „daß die Bundesregierung alle Möglichkeiten eines Regresses prüft und gegebenenfalls ausschöpft"? Zu Frage 66: Namens der Bundesregierung beantworte ich Ihre Frage wie folgt: Zwischen dem Konkursverwalter der Beton- und Monierbau AG i. K. und der Deutsche Industrieanlagen GmbH stehen die Verhandlungen über einen Vergleich kurz vor dem Abschluß. Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine öffentliche Diskussion die Verhandlungsergebnisse negativ beeinflußt und eine Gefährdung des von dem Unternehmen angestrebten Ziels hervorruft, zumal die Beteiligten strenges Stillschweigen vereinbart haben. Ich bitte Sie daher um Ihr Verständnis, wenn ich mich — unter Berufung auf § 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, da es sich hier um Unternehmensinterna handelt — zu dem Inhalt der zwischen den Vergleichsparteien geführten Verhandlungen und zu den von Ihnen zitierten Presseveröffentlichungen nicht äußern kann. Zu Frage 67: Herr Kollege Carstens, Sie greifen mit Ihrer Frage eine Anfrage von Herrn Kollegen Haase vom Herbst vergangenen Jahres auf, die Herr Staatssekretär Dr. Schlecht mit Schreiben vom 2. Oktober 1980 beantwortet hat. Die Bundesregierung hatte den Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Herrn Dr. Posser, schriftlich gebeten, noch einmal die Möglichkeiten einer Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen am Obligo des Bundes zu prüfen und die Bundesregierung über das Ergebnis der Prüfung zu informieren. Mit Schreiben vom 1. November 1980 hat Herr Dr. Posser Herrn Staatssekretär Dr. Schlecht mitgeteilt, daß der Haushalts- und Finanzausschuß des Landes Nordrhein-Westfalen die erforderliche Einwilligung zu einer solchen Beteiligung des Landes nicht erteilt habe. Zur Begründung führt Herr Minister Dr. Posser u. a. aus, daß nach dem Eintritt der Insolvenz des Unternehmens dem Land Nordrhein-Westfalen auch aus haushaltsrechtlichen Gründen die Übernahme einer Rückbürgschaft nicht mehr möglich sei. Die Bundesregierung sieht nun keine weiteren Möglichkeiten mehr, das Land Nordrhein-Westfalen noch am Obligo des Bundes zu beteiligen. Wie Herr Staatssekretär Dr. Schlecht in seinem Schreiben vom 2. Oktober 1980 Herrn Kollege Haase mitgeteilt hat, prüft die Bundesregierung alle Möglichkeiten eines etwaigen Regresses in dieser Angelegenheit. Endgültige Ergebnisse setzen jedoch den Abschluß der noch andauernden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf voraus. Nach Informationen der Bundesregierung ist z. Z. nicht abzusehen, wann diese Ermittlungen beendet sein werden. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand gibt es für Regreßansprüche keine rechtliche Handhabe. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Fragen 75 und 76): Aus welchem Grund hat die Bundesregierung bei den Preisverhandlungen der Europäischen Gemeinschaft für die Mindestpreise der Agrarmarktordnungsprodukte zugestimmt, daß für die Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland bei einer Inflationsrate von 5,5 v. H. nur eine Preisanhebung von ca. 3 v. H. erreicht wurde, während die Landwirtschaft der Niederlande bei 7,1 v. H. Inflationsrate eine Preisanhebung von 10,4 v. H. erhielt? Welche Überlegungen hat die Bundesregierung bei den Preisverhandlungen der Europäischen Gemeinschaft angestellt, als sie einer niedrigen Preisanhebung für Getreide (insbesondere Roggen) zustimmte, obgleich doch Getreide auf den mittleren Böden in Konkurrenz zur Milchproduktion steht? Zu Frage 75: Der diesjährige Agrarpreisbeschluß, der für alle 10 Mitgliedstaaten gerade noch konsensfähig war, führt zu einer durchschnittlichen Anhebung der Marktordnungspreise in der Bundesrepublik Deutschland in DM von 4,8 %. Bei dieser Berechnung sind die Interventionspreise bei Interventionsprodukten und die Richtpreise oder die entsprechenden Preise bei den übrigen Marktordnungsprodukten zugrunde gelegt. Die in Ihrer Frage genannten Zahlen sind nicht vergleichbar, weil sie offensichtlich von verschiedenen Berechnungsgrundlagen ausgehen. Die von Ihnen dargelegte Preisanhebungsrate für die Niederlande ist auf der Basis der Richtpreise berechnet. Die Richtpreise sind in erster Linie ein Kriterium für den Außenschutz; sie liegen z. T. erheblich über den Preisen, die die landwirtschaftlichen Erzeuger für ihre Produkte tatsächlich am Markt erzielen. Nur die tatsächlichen Marktpreise sollten untereinander verglichen werden, und zwar über einen längeren Zeitraum. Ein solcher Vergleich ergibt, daß sich die realen landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in der jeweiligen Landeswährung in der Bundesrepublik Deutschland und in den Niederlanden in der gleichen Größenordnung entwickelt haben. 1804* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 Zu Frage 76: Es trifft zu, daß die Marktordnungspreise für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1981/82 geringer angehoben wurden als die Marktordnungspreise für die tierischen Veredlungsprodukte. Der Ministerrat folgte dabei dem Vorschlag der Kommission, von dem er nur einstimmig hätte abweichen können. Die Kommission hat ihren Vorschlag im 'wesentlichen wie folgt begründet: Bei Getreide sei in den letzten Jahren ein beträchtlicher Produktionszuwachs zu verzeichnen, mit dem die Nachfrage in der Gemeinschaft nicht Schritt halten konnte. Im Hinblick auf die steigenden Getreideausfuhren der Gemeinschaft sei es notwendig, die finanziellen Aufwendungen des EG-Haushaltes für die zum Preisniveauausgleich gegenüber dem Weltmarkt erforderlichen Exporterstattungen in vertretbaren Grenzen zu halten. Tatsächlich hat die Gemeinschaft mit der Getreideernte 1980 zum dritten Mal nacheinander die volle Selbstversorgung in diesem Bereich erreicht und überschritten. Die Nettoüberschüsse werden von der EG-Kommission in diesem Wirtschaftsjahr bei Weichweizen auf rd. 10 Millionen t und bei Gerste auf rd. 6 Millionen t geschätzt. Die relativ niedrige ECU-Preisanhebung bei Roggen erklärt sich ausschließlich aus der bereits im Vorjahr im Rahmen der Preisbeschlüsse festgelegten Angleichung des Interventionspreises für Roggen an den Interventionspreis für Futtergetreide in drei Jahren. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß nicht zuletzt auch einkommenspolitische Erwägungen im Hinblick auf die Futterbau- und Gemischtbetriebe bei der Preisfestsetzung für Getreide- und Veredlungserzeugnisse Beachtung finden mußten. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Böhme auf die Frage des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 81): Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, daß bei der von den US-Stationierungstreitkräften beabsichtigten Einschaltung von Kontraktfirmen für Dienstleistungen, die bisher von zivilen deutschen Arbeitnehmern unmittelbar geleistet wurden, alle bisherigen Arbeitnehmer von den Kontraktfirmen übernommen werden und daß diese Arbeitnehmer in ihren Rechten und Pflichten gegenüber den etwaigen neuen Arbeitgebern nicht schlechter gestellt werden als vorher? Die US-Stationierungsstreitkräfte prüfen zur Zeit, ob Dienstleistungen, die bisher von bei ihnen beschäftigten zivilen Arbeitnehmern ausgeführt werden, an private Unternehmen vergeben werden können. Entscheidungen über eine Auftragsvergabe sind bisher nicht ergangen. Es ist auch nicht abzusehen, wann die Prüfung abgeschlossen sein wird und ob überhaupt Dienstleistungen vergeben werden. Die Bundesregierung steht in dieser Frage in ständigem Kontakt mit dem US-Hauptquartier. Auf die zivilen Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften findet — von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen — deutsches Arbeitsrecht Anwendung. Die Arbeitnehmer haben den gleichen rechtlichen Schutz wie jeder andere inländische Arbeitnehmer, dessen Aufgabenbereich auf einen anderen Unternehmer übergeht. So garantiert z. B. der § 613 a BGB im Falle des Betriebsübergangs den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Daneben bestehen für die zivilen Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften tarifliche Regelungen für den Fall des unverschuldeten Ausscheidens aus ihrem Arbeitsverhältnis. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Erhalt des Arbeitsplatzes oder des Einkommens haben die zivilen Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften weder gegenüber ihren Arbeitgebern, den Dienststellen der Streitkräfte, noch gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Lediglich für das besondere Risiko einer Entlassung wegen „Personaleinschränkungen infolge einer — wegen Verringerung der Truppenstärke oder aus militärischen Gründen — von den Streitkräften angeordneten Auflösung oder Verlegung von Dienststellen" enthält der Tarifvertrag „Soziale Sicherung" vom 31. August 1971 Schutzbestimmungen. Die Bundesregierung hat bei ihren Kontakten das US-Hauptquartier auf die mit einer Auftragsvergabe für die Arbeitnehmer verbundenen Probleme hingewiesen. Das US-Hauptquartier hat sich dafür aufgeschlossen gezeigt und zugesagt, den berechtigten Interessen der Arbeitnehmer so weit irgend möglich Rechnung zu tragen. Einzelheiten dazu können mit dem US-Hauptquartier allerdings erst erörtert werden, wenn konkrete Entscheidungen zur Kontraktvergabe getroffen sind. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Fuchs auf die Frage des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 82): Welche Zielsetzung verfolgt die Bundesregierung mit der Neuordnung des Zivildienstes, wie sieht diese Neuordnung aus, und welche Mehrkosten entstehen dabei? Die in der Regierungserklärung vom 24. November 1980 angekündigte Neuordnung des Zivildienstes steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der gleichfalls angekündigten Neuordnung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung. Deren Ziel wird es sein, den besonderen Anforderungen an ein Verfahren zur Feststellung der Ernsthaftigkeit einer geltend gemachten Gewissensentscheidung besser als bisher gerecht zu werden. Eine Neuordnung des Zivildienstes wird von der Bundesregierung nur insoweit ins Auge gefaßt, als sich aus einer solchen Reform für den Dienst der anerkannten Kriegsdienstverweigerer notwendige Konsequenzen ergeben. Der Meinungsbildungsprozeß aller politischen Kräfte im Deutschen Bundestag und im Bundesrat zu diesem einheitlichen Vorhaben einer Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß bereits über dessen Inhalt und die Kostenfolgen Angaben gemacht werden können. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 1805* Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Fragen des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Fragen 90 und 91): Treffen Presseberichte (z. B. Kölner Rundschau vom 4. April 1981) zu, nach denen die Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit auf einer Sitzung des Städte- und Gemeindebundes in Bergisch Gladbach die Auffassung vertreten hat, von den 5,4 Millionen jungen Menschen zwischen 17 und 23 Jahren seien 13 v. H. schon „ausgestiegen" und weitere 2 Millionen „pessimistisch", und durch welche Untersuchung wird diese Auffassung bestätigt? Ist der Bundesregierung bekannt, welche Gründe die jungen Menschen zum „Aussteigen" bewegt haben, und was wird die Bundesregierung veranlassen, um einerseits diese „Aussteiger" in die Gesellschaft zurückzuführen und andererseits das „Aussteigen" weiterer junger Menschen zu verhindern? Zu Frage 90: Die Presseberichte treffen zu. Die Aussage von Frau Bundesminister Huber stützt sich auf folgende Untersuchungen: 1. Umfrage des Instituts für Demokospie in Allensbach aus dem Jahre 1978, deren Ergebnisse in dem Buch „Du hast keine Chance, aber nutze sie" von Oltmanns, rowohlt 1980, zitiert sind. 2. Repräsentative Erhebung des Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Konrad-Adenauer-Stiftung 1979/1980, deren Ergebnisse in der Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit" vom 5. September 1980 ausführlich dargestellt wurden. 3. Studie im Auftrag des Jugendwerkes der Deutschen Shell zum Thema: „Die Einstellung der jungen Generation zur Arbeitswelt und Wirtschaftsordnung 1979". 4. Empirische Erhebung der Friedrich-Ebert-Stiftung über die politischen Einstellungen von Studenten, veröffentlicht 1980 unter dem Titel „Zwischen Revolution und Resignation?" im Verlag Neue Gesellschaft, Bonn. Zu Frage 91: Zunächst möchte ich darauf verweisen, daß mit Unterstützung aller Fraktionen des Hauses beabsichtigt ist, eine Enquete-Kommission einzusetzen, die den Ursachen nachgehen soll und auch Möglichkeiten der Abhilfe erörtern und aufzeigen soll. Ich habe den Mitgliedern des Deutschen Bundestages in diesem Zusammenhang am 6. April 1981 eine Ausarbeitung übermittelt, die auf die von Ihnen gestellte Frage ausführlicher eingeht, als dies im Rahmen einer Fragestunde möglich ist. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Frage des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache 9/381 Frage 92): Welche Konsequenzen kann die Bundesregierung in ihrem Verantwortungsbereich aus der Tatsache ziehen, daß Eliteschüler mit einem sehr guten Notendurchschnitt im Abiturzeugnis nach wenigen Semestern Medizinstudium die Vorprüfung mit nahezu 60 v. H. nicht bestanden? Sie sprechen mit Ihrer Frage die Mißerfolgsquote bei der Ärztlichen Vorpüfung im März dieses Jahres an. Diese Mißerfolgsquote weicht mit 56,2 % extrem von allen Nichtbestehensquoten früherer Ärztlicher Vorprüfungen ab. Die für die Durchführung der Approbationsordnung für Ärzte zuständigen Länder klären die Ursachen, die auf das Examensergebnis zurückzuführen ist. Sie prüfen Maßnahmen, um Nachteile von den betroffenen Studenten, abzuwenden; insbesondere soll durch vorläufige Zulassung zum klinischen Studium ein Zeitverlust vermieden werden. Unabhängig davon bereitet das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit eine Änderungsverordnung zur Approbationsordnung vor, durch die eine flexible Bestehensregelung für die schriftlichen Prüfungen nach dem MC-Verfahren eingeführt werden soll. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und die Länder sind bereits seit längerem um eine Verbesserung der Prüfungen nach dem MC-Verfahren bemüht. Die Erfahrungen mit der Ärztlichen Vorprüfung im März dieses Jahres werden hierbei selbstverständlich einbezogen werden. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein (SPD) (Drucksache 9/381 Frage 93): Wie beurteilt die Bundesregierung die Ergebnisse der Bemühungen, das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes durchzusetzen bzw. ihm mehr Nachdruck zu verleihen durch gezielte Diskriminierungsverbote oder durch aktive Fördermaßnahmen für Frauen? Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit erfolgreich darum bemüht, dem Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes zu mehr Geltung zu verhelfen. Ein wichtiger Schritt hierzu war die Einrichtung des Arbeitsstabs Frauenpolitik im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit, dessen Aufgabe es ist, auf die Schließung rechtlicher Lükken zur Erlangung der vollen im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung und auf die Beseitigung praktischer Benachteiligungen hinzuwirken und die Öffentlichkeit über die Situation der Frauen zu unterrichten. Die große Resonanz auf die vom Arbeitsstab Frauenpolitik durchgeführten Modellvorhaben, durch die praktische Benachteiligungen der Frauen in der Familie, im Arbeitsleben und im öffentlichen Leben angegangen werden, zeigt die Wirksamkeit dieser Vorhaben. Ich verweise hierzu im einzelnen auf die Ausführungen von Frau Bundesminister Huber in der Fragestunde vom 19. Februar dieses Jahres und auf den Tätigkeitsbericht des Arbeitsstabes Frauenpolitik für den Zeitraum vom Juli 1979 bis März 1981, der allen Mitgliedern des Bundestages zugegangen ist. Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und der Bundesminister des Innern prüfen z. Z. gemeinsam, entsprechend der Ankündigung 1806* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 34. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. Mai 1981 des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung, ob die Situation der Frauen durch weitere gesetzliche Vorschriften verbessert werden kann. Dabei wird auch die Frage weiterer gezielter Benachteiligungsverbote und weiterer aktiver Förderungsmaßnahmen geprüft. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Frage der Abgeordneten Frau Schmidt (Nürnberg) (SPD) (Drucksache 9/381 Frage 94): Wie beurteilt die Bundesregierung die positiven Wirkungen eines allgemeinverbindlichen Antidiskriminierungsgesetzes im Hinblick auf bereits bestehende Einzelvorschriften, beispielsweise im Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und im Betriebsverfassungsgesetz? Entsprechend der Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklägung vom 24. November 1980 prüfen z. Z. der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und der Bundesminister des Innern, ob die Situation der Frauen durch weitere gesetzliche Vorschriften verbessert werden kann. Dabei wird sowohl untersucht, ob die Weiterentwicklung bereits erlassener Vorschriften erforderlich ist als auch, ob darüber hinausgehende Gesetzesbestimmungen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung in den verschiedenen Lebensbereichen notwendig sind. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Z. Z. wird eine Anhörung von Verbänden und Sachverständigen vorbereitet. Erst danach wird die Meinungsbildung der Bundesregierung erfolgen und die von Ihnen angesprochene Beurteilung abgegeben werden können. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Däubler-Gmelin (SPD) (Drucksache 9/381 Fragen 95 und 96): Wie müßte eine Gleichstellungsstelle als selbständige Bundesoberbehörde (mit entsprechender Repräsentanz in den Länderverwaltungen) personell mindestens ausgestattet sein, um auch eine wirksame Kontroll- und Überwachungsinstanz darzustellen? Inwieweit könnten die von einer — etwa als selbständige Bundesoberbehörde ausgestattete — Gleichstellungsstelle wahrzunehmenden Aufgaben auch vom bestehenden Arbeitsstab Frauenpolitik beim Bundesgesundheitsministerium wahrgenommen werden? Auch diese Frage läßt sich z. Zt. noch nicht beantworten. Ich verweise auf die bereits erwähnte Anhörung. Erst nach Auswertung der dort gewonnenen Ergebnisse wird die Bundesregierung sich eine Meinung über mögliche gesetzgeberische Konsequenzen bilden. In die angekündigte Untersuchung wird auch die Frage einbezogen, ob und ggf. welche zusätzlichen Institutionen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung erforderlich sind. Über eine Zuordnung solcher Einrichtungen und ihre etwaige personelle Ausstattung kann erst entschieden werden, wenn geklärt ist, daß sie eingerichtet werden und welche Aufgaben und Befugnisse ihnen übertragen werden sollen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Fragen der Abgeordneten Frau Dr. Lepsius (SPD) (Drucksache 9/381 Fragen 97 und 98): Wo sollte nach Auffassung der Bundesregierung gegebenenfalls eine Gleichstellungsstelle als Kontroll- oder Überwachungsinstanz zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots errichtet werden: als selbständige Bundesoberbehörde, dem Bundesgesundheitsministerium zugeordnet oder beim Deutschen Bundestag? Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die Bundesländer der Errichtung einer Gleichstellungsstelle als Bundesoberbehörde mehrheitlich zustimmen und auch entsprechende Länderverwaltungen einrichten würden? Zu Frage 97: Gegenstand der erwähnten Prüfung auf Grund der Regierungserklärung wird auch die Frage sein, ob und ggf. besondere Institutionen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung erforderlich sind. Wie sie möglicherweise anzusiedeln wären, kann erst entschieden werden, wenn geklärt ist, daß sie geschaffen werden und welche Kompetenzen ihnen zugewiesen werden sollen. Zu Frage 98: Die Bundesregierung hat — wie dargelegt — noch keine Entscheidung getroffen. Sie hat keine Anhaltspunkte dafür, wie die Bundesländer zu eventuellen Vorschlägen der Bundesregierung stehen würden. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Zander auf die Frage der Abgeordneten Frau Geiger (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 99): Ist es wahr, daß Zusätze von alkoholischen Getränken in Speiseeis- und Joghurtzubereitungen weder nach Art noch Menge deklariert werden müssen, weil sie als Geruchs- und Geschmacksmittel gelten? Bei Milcherzeugnissen, zu denen Joghurtzubereitungen gehören, sind nach den Vorschriften der Verordnung über Milcherzeugnisse die zur Geschmacksgebung zugesetzten Lebensmittel mit ihrer handelsüblichen Bezeichnung zu kennzeichnen. Diese Regelung gilt auch für einen Zusatz alkoholischer Getränke. Für Speiseeis bestehen keine entsprechenden speziellen Vorschriften. Die Kenntlichmachung eines Zusatzes richtet sich vielmehr nach den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers vor Täuschung. Danach braucht zugesetzter Alkohol bisher in der Regel nicht kenntlich gemacht zu werden. Künftig müssen jedoch nach den Vorschriften der neuen Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung bei der Abgabe verpackter Lebensmittel an Verbraucher grundsätzlich auch Alkoholzusätze im Verzeichnis der Zutaten angegeben werden.
Gesamtes Protokol
Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903400000
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Am 3. Mai 1981 hat der Abgeordnete Spilker seinen 60. Geburstag gefeiert. Namens des Hohen Hauses spreche ich ihm unsere herzlichen Glückwünsche aus.

(Beifall)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Das Wort dazu erteile ich dem Herrn Bundeskanzler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903400100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen über meinen und Graf Lambsdorffs Besuch in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten berichten. Ich werde ferner über die Konferenz des Nordatlantikrats in Rom sprechen. Der Bundesaußenminister wird später in der Debatte noch ausführlicher das Wort nehmen.
Wie komplex die internationale Situation ist, wie sehr auch unser Land von Konflikten berührt wird, die nicht eigentlich unsere Konflikte sind, das ist in den letzten Tagen besonders deutlich geworden. Deswegen müssen wir uns vor Aufgeregtheiten hüten, vor überzogener Polemik, auch vor gefährlichen Vereinfachungen. Ich sage das denen in unserem Land, die zu aktuellen Fragen unterschiedliche Ansichten haben. Ich würde es begrüßen, wenn meine Bitte um Mäßigung auch außerhalb unserer Grenzen Gehör fände.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Mäßigung und Verantwortungsbewußtsein, das sind Schlüsselworte für ein friedliches Miteinander in der Welt. Diese beiden Schlüsselworte stehen obenan im Kommuniqué über die Sitzung des Nordatlantikrats zu Beginn dieser Woche in Rom. Diese beiden Schlüsselworte, Mäßigung und Verantwortungsbewußtsein, gelten nicht nur im Bereich des Atlantischen Bündnisses.
Die Außenpolitik der Bundesregierung ist ohne Bruch. Sie ist kontinuierlich. Sie ist berechenbar.
Diese Politik dient dem Frieden. Wir werden uns in dieser Politik nicht beirren lassen.
Ich habe in der vorigen Woche gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister und in Begleitung von vier prominenten Wissenschaftlern Saudi-Arabien einen Besuch abgestattet, anschließend am 29. und 30. April den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Diese Region ist weltpolitisch von außerordentlicher Bedeutung. Sie ist lebenswichtig auch für die Bundesrepublik Deutschland. Mein Besuch dort sollte deshalb nicht in der einengenden Perspektive der einen oder der anderen noch so wichtigen Einzelfrage der gegenseitigen Beziehungen gesehen werden. Eine solche Verengung der Optik führt leicht zu Mißverständnissen und kann zu Mißhelligkeiten führen.
Ich möchte deshalb einen kurzen Überblick über die Entwicklung der gesamten gegenseitigen Beziehungen geben.
Die Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabien, aber auch die Vereinigten Emirate, sind sich der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung enger und vertrauensvoller Beziehungen zu Nordamerika und Westeuropa bewußt, auch zur Bundesrepublik Deutschland. Dieses Bewußtsein ist durch die sowjetische Intervention in Afghanistan wesentlich verstärkt worden. Von dort aus gesehen ist Afghanistan ja nicht weit entfernt.
Anlaß meines Besuchs war die in den letzten zehn Jahren, besonders in den allerletzten Jahren, erheblich gewachsene politische und wirtschaftliche Bedeutung der Golfregion für die Interessen des Westens insgesamt und für die Interessen unseres Landes.
Es war mein zweiter Besuch in der Region. Der erste fand 1976 in Riad statt. Schon damals hatte die saudische Führung auf einen umfassenden, politisch begründeten Ausbau unserer Beziehungen großen Wert gelegt. Auf der Grundlage des prinzipiellen Einverständnisses, das 1976 zwischen der saudischen Führung — insbesondere dem Kronprinzen Fahad, der dort die Rolle des Regierungschefs, des Ministerpräsidenten hat — und mir hergestellt wurde, haben unsere beiden Länder ihre Kontakte in



Bundeskanzler Schmidt
den darauffolgenden Jahren zielstrebig intensiviert und ihre Zusammenarbeit politisch und wirtschaftlich entwickelt. Ich verweise dabei besonders auf den Besuch von Kronprinz Fahad hier in Bonn 1978 und auf den Staatsbesuch von König Khalid von Saudi-Arabien 1980.
Parallel dazu entwickelten sich die Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber auch zu Kuwait, zu Katar und zu anderen Staaten der Region. Das Netz der beiderseitigen Vertretungen wurde ausgebaut. Der Besucheraustausch und vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit haben sich wesentlich verstärkt.
Die sowjetische Intervention in Afghanistan, die dort andauernden Kämpfe bedeuten für das Denken und das Handeln der Länder am Golf einen tiefen Einschnitt. Durch das machtpolitische Vordringen der Sowjetunion sieht sich die Golfregion einer strategischen Herausforderung von neuer Dimension ausgesetzt.
Angesichts des Aufbaus militärischer Positionen der Sowjetunion am Horn von Afrika, in Äthiopien, dann auch in Afghanistan, unterstützt durch die verstärkte sowjetische Flottenpräsenz im Indischen Ozean und am Roten Meer, wuchs in den Staaten der Golfregion das Bewußtsein der Bedrohung. Die politischen Doktrinen, welche die beiden Großmächte in bezug auf die Golfregion verkündet haben, sind dort nur mit Zurückhaltung aufgenommen worden.
Die Rede von Generalsekretär Breschnew in Neu-Delhi 1980 wurde als Anmeldung eines machtpolitischen Anspruchs auf Mitsprache in der Golfregion aufgefaßt. Die Entwicklung des Verhältnisses der beiden jemenitischen Staaten zueinander, der Ausbau der sowjetischen Militärpräsenz im Südjemen und sodann die Destabilisierung durch den iran-irakischen Konflikt erhöhten das Bedürfnis der Golfstaaten nach aktiver Sicherheitspolitik.
Dies ist der größere Zusammenhang, in dem die letzte Reise, die jetzige Reise in die Golfregion zu sehen ist. Die öffentlichen Diskussionen um Einzelaspekte wie Ölpolitik und Rüstungsexporte geben die Dimension dessen nicht richtig wieder, worum es in unseren Gesprächen gegangen ist. Ziel dieser Reise war vielmehr, die Grundlagen einer längerfristig angelegten politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu verbreitern, auszubauen. Mir ist klar, daß das Interesse der Golfstaaten an einem solchen Ausbau keine temporäre, keine vorübergehende Sache ist. Es hat eine längerfristige Bedeutung — das haben uns die Gespräche vor allem in Riad, aber auch in Abu Dhabi bestätigt —, die über die Zeit, in der es Öl gibt, hinausreicht.
Es wurde klarer als bisher deutlich, daß diese Länder die Interdependenz ihrer eigenen vitalen Interessen mit den westlichen Ländern erkannt haben. Ihr Reichtum ist wesentlich in den westlichen Wirtschaftssystemen angelegt. Nicht nur solange sie Öl produzieren, sondern auch nach dem Ende der Ölzeit hängt ihr wirtschaftliches Wohlergehen von der Funktionstüchtigkeit, von dem Wohlergehen der westlichen Industriewirtschaft ab.
Nun sehen diese Staaten unsere Beziehungen nicht nur im Blickwinkel der gegenseitigen Handelspolitik, sondern auch im Blickwinkel einer längerfristigen, umfassenden Kooperation im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Man möchte uns über die politischen Sorgen, über die Gefahren und über die eigenen Zielsetzungen in der Golfregion besser informieren. Man hat ein eigenes Interesse an den Entwicklungen in Europa, sowohl in Westeuropa als auch im West-Ost-Verhältnis. Kronprinz Fahad z. B. sah sehr deutlich, daß etwa eine Krise in Polen die weltpolitische Lage wesentlich verändern und damit auch auf die saudischen Interessen, auf die Lage am Golf zurückschlagen könnte.
Es wurde uns mehrfach die Frage gestellt, ob nicht Europa angesichts dieser Verbindungen eigene Beiträge zur Sicherheit und Stabilität der Golfregion leisten müsse, an der Europa doch ein vitales Interesse habe. In diesen größeren Zusammenhang gehört nun auch der Wunsch nach dem Aufbau einer sicherheitspolitischen Zsammenarbeit.
Die Golfstaaten fühlen sich zu dieser Frage um so mehr berechtigt, als sie ihrerseits Bereitschaft und tätiges Handeln zeigen, durch eine moderate, durch eine mäßigende Ölpolitik die Interessen der Weltwirtschaft zu berücksichtigen, und als sie ihrerseits bemüht sind, zum Abbau von Spannungen beizutragen.
Mich hat beeindruckt, wie sehr sich meine Gesprächspartner, Regierung eines ungebundenen Landes der Dritten Welt, als Teil der freien Welt bezeichnen und wie sehr sie die Gemeinsamkeit des Abwehrinteresses gegenüber dem Kommunismus unterstreichen. Die neue Regionalorganisation von sechs Golfstaaten, deren Charta in diesem Monat — am 25. Mai, glaube ich — in Abu Dhabi von sechs Staatsoberhäuptern unterschrieben und damit in Kraft gesetzt werden soll, hat die Aufrechterhaltung eines marktwirtschaftlichen Systems und die Stärkung der Widerstandskraft gegenüber äußerer Bedrohung und gegenüber Unterwanderung zum Ziel.
Die Golfstaaten wollen ihre eigene Verteidigungsfähigkeit schaffen. Sie wollen ihre eigenen Streitkräfte — das betonen meine Gesprächspartner sehr stark — mit Hilfe ihrer Freunde aufbauen und ausbauen.
Angesichts ihrer Grundhaltung glauben sie, so etwas wie einen Anspruch gegenüber ihren westlichen Partnern zu haben, daß diese ihnen sicherheitspolitisch und beim Aufbau der eigenen Verteidigung helfen. Sie sehen gerade in den befreundeten europäischen Staaten natürliche Partner für eine solche Zusammenarbeit. Ich habe für diese Interessenlage durchaus Verständnis.
Wir haben umgekehrt aber auch Verständnis gefunden — ein partnerschaftliches Einfühlungsvermögen in unsere Lage und in die Begrenztheit unserer deutschen Möglichkeiten.
Ich habe erläutert, daß und warum die Entsendung deutscher Soldaten in die Golfregion nicht in Betracht gezogen werden kann. Ich habe auch die



Bundeskanzler Schmidt
Rechtslage und die viel berufenen Grundsätze unserer Rüstungsexportpolitik erläutert. Ich habe auf die gegenwärtige Überprüfung dieser Grundsätze, die jetzt in der gegenwärtigen Fassung im wesentlichen zehn Jahre alt sind, zum Teil Vorläufer hatten, die in der gleichen Richtung lagen, hingewiesen und darauf, daß bei uns in allen drei politischen Parteien im Parlament ein einstweilen noch sehr kontroverser Meinungsbildungsprozeß im Gange ist und daß gegenwärtig jedenfalls ein Waffenexport in die Region nicht möglich ist.
Die Diskussion über die bisher geltenden Waffenexportgrundsätze zeigt übrigens, daß es sich nicht um eine taktische Auseinandersetzung zwischen Bundestagsparteien handelt, sondern um eine grundsätzliche Frage deutscher Außenpolitik, eine Frage, die sehr sorgfältig geprüft werden muß — auch im Bewußtsein der außenpolitischen, der sicherheitspolitischen Interessen unseres Staates, die dabei auf dem Spiele stehen — und möglichst ohne Polemik. Wenn es dann zu einem Ergebnis kommt, so wird das Ergebnis eine angemessene Unterstützung aller politischen Kräfte im Bundestag brauchen.
Kronprinz Fahad hat das eben behandelte Thema mit etwa der folgenden Bemerkung abgeschlossen: Die saudische Seite habe gegenüber der Bundesrepublik Deutschland keinen offiziellen Wunsch nach Rüstungslieferungen geäußert; wenn aber die Bundesrepublik Deutschland als befreundeter Staat die Möglichkeit hätte, Saudi-Arabien bei seinem Verteidigungsanliegen zu unterstützen, so würde dies als ein freundschaftlicher Akt begrüßt werden. — Der Kronprinz und die Mitglieder seiner Regierung, die Minister also, haben keinen Zweifel daran gelassen, daß Saudi-Arabien eine konkretere sicherheitspolitische Zusammenarbeit gerade auch mit uns wünscht und sie als Eckstein für eine noch breitere Partnerschaft betrachten würde.
Unter dem Eindruck ihrer von hohem Verantwortungsbewußtsein und von großem partnerschaftlichen Geist getragenen Ausführungen habe ich meinen Gesprächspartnern gesagt, ich würde die Gesichtspunkte, die sie für ihren Wunsch nach umfassender — auch sicherheitspolitischer — Zusammenarbeit vorgetragen haben, dem Bundestag darlegen. Das geschieht heute morgen, nachdem ich gestern schon die Gelegenheit hatte, den Auswärtigen Ausschuß zu unterrichten.
Der Bundestag muß auch wissen, daß dieser ganze Komplex eines neuen sicherheitspolitischen Bewußtseins und zum Teil eines Suchens nach einer neuen Sicherheitspolitik in Zusammenarbeit mit den westlichen Partnern von den Saudis an keiner Stelle mit dem Problem des israelisch-arabischen Konflikts verknüpft worden ist. Vielmehr geht es darum, daß sich die Golfstaaten der Bedrohung durch die sowjetische Militärmacht bewußt geworden sind und daß sie im Verhältnis dazu ihre eigene Sicherheitskonzeption entwickeln.
Ich muß hier ein Wort zum Nahostkonflikt einfügen. Meine Gesprächspartner haben mit großen Nachdruck auf baldige Fortschritte bei der Lösung dieses Konflikts gedrängt. Sie haben auch betont, daß der weiterhin schwelende israelisch-arabische Konflikt der sowjetischen Politik zusätzliche Ansatzpunkte zur Einwirkung in der Region biete.
Zu den mehrfachen Angriffen des israelischen Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit meiner Nahostreise hat sich der Sprecher der Bundesregierung schon geäußert. Meine Damen und Herren, ich will dem gegenwärtig nichts hinzufügen, gerade weil ich mir der besonderen moralischen und historischen Qualität der deutsch-israelischen Beziehungen bewußt bin, immer bewußt gewesen bin und bewußt bleiben werde.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Die Beziehungen zwischen Deutschen und Israelis sind gute Beziehungen, durch die Vielfalt der privaten Bindungen, durch die Vielfalt der privaten Verbindungen auch ungewöhnlich enge Beziehungen.
An diesem heutigen 33. Gründungstage des Staates Israel, an dem Israel sich seines Selbstbestimmungsrechts und seiner Staatlichkeit erinnert, an diesem Tage, der in Israel heute als Nationalfeiertag begangen wird, wiederhole ich meinen Wunsch, daß Israelis und Araber bald in einem umfassenden und gerechten Frieden miteinander leben können.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Für alle Deutschen füge ich in tiefem Ernst — und ich mache dabei keinerlei taktischen Vorbehalt — die erneuerte Bitte hinzu: Lassen wir uns bitte wie bisher von Mäßigung und von Vernunft und von der Bereitschaft zu Versöhnung und Zusammenarbeit leiten! Ich jedenfalls werde davon nicht ablassen.

(Erneuter Beifall bei allen Fraktionen)

Meine arabischen Gesprächspartner haben sich für eine umfassende Regelung ausgesprochen, in der alle Staaten und Völker der Region in Frieden miteinander leben. Israel wurde dabei nicht ausgenommen.
Ich habe meinerseits die Nahostpolitik der Europäischen Gemeinschaft dargelegt. Beide Seiten haben die gewichtige Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika bei der Herbeiführung einer umfassenden Friedenslösung unterstrichen. Die Politik der Europäischen Gemeinschaft fand auf saudischer Seite ein positives Echo.
Meine Gesprächspartner und ich waren uns darüber einig: Je abweisender sich der Westen gegenüber den Palästinensern und der PLO verhält, um so stärker werden diese in Richtung Sowjetunion gedrängt. Zur Haltung der Bundesregierung zur PLO habe ich in Riad öffentlich und wörtlich gesagt — ich zitiere meine eigenen Äußerungen auf der Pressekonferenz in Riad —:
Unsere deutsche Haltung zur PLO wird sich bestimmen nach der Position, welche die PLO zu dem auch dem Staate Israel zustehenden Recht einnimmt, in sicheren und anerkannten Grenzen zu leben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)




Bundeskanzler Schmidt
Meine Gesprächspartner dort waren der festen Meinung, daß eine Regelung der Palästinenserfrage nach dem Camp-David-Modell nicht zu erwarten, nicht zu verwirklichen ist. Dazu habe ich gesagt, daß für den Fall eines Auslaufens der Autonomieverhandlungen Wege für die Einbeziehung weiterer arabischer Staaten und des palästinensischen Volkes in den Friedensprozeß gesucht werden müssen. Nach meiner Auffassung böte die Erklärung des Europäischen Rats von Venedig vom vorigen Frühjahr dafür eine gute Ausgangsgrundlage. Ich wies aber darauf hin, daß etwaige europäische Beiträge zu solchen Entwicklungen nur in Übereinstimmung mit den Vereinigten Staaten von Amerika geleistet werden könnten.
Zurück zu dem weiteren Gang der Gespräche in Riad und Abu Dhabi. Wir stimmten in Riad in der Absicht überein, der Türkei und Pakistan als wichtigen Faktoren der Stabilität in der Gesamtregion weiterhin nach unseren Möglichkeiten zu helfen. Wir wollen uns zugleich dafür einsetzen, daß sich auch andere befreundete Staaten weiterhin an diesen Bemühungen beteiligen.
Ich habe das zunehmende Gewicht der islamischen Konferenz bei der Lösung der Probleme der Gesamtregion auch hinsichtlich des iranisch-irakischen Konflikts sehr positiv gewürdigt und dabei die maßgebende und mäßigende Rolle Saudi-Arabiens gewürdigt.
Ein anderer Schwerpunkt unserer Gespräche waren die weltwirtschaftlichen Probleme einschließlich der Energie und Währungsfragen. Ich bin sehr beeindruckt von der Bereitschaft Saudi-Arabiens, aber auch der Vereinigten Emirate, an der Lösung der gegenwärtigen Schwierigkeiten mitzuwirken. Ich habe den Eindruck, daß die Entwicklung der letzten Jahre dazu beigetragen hat, in den ölreichen Staaten das Gefühl der Interdependenz, der gegenseitigen Abhängigkeit des wirtschaftlichen Geschehens bei ihnen, in den Industriestaaten und in der Dritten Welt und in der Vierten Welt, wie man heute wohl auch schon gemeinhin sagt, zu verstärken. Wir sollten nicht unterschätzen, was diese konstruktive Haltung auch für unsere eigenen, nationalen, wirtschaftlichen, beschäftigungspolitischen Interessen bedeutet.
Der Bundeswirtschaftsminister, der heute nicht hier sein kann, und ich haben dargelegt, daß die hohen Zahlungsbilanzdefizite in Industrieländern und in Entwicklungsländern, soweit sie auf Ölimporte angewiesen sind, und die weltwirtschaftlichen Strukturprobleme im Gefolge dieser Entwicklung die weltweite Gefahr des Protektionismus in vielfältiger Gestalt erheblich verschärft haben. Daraus ergebe sich eine besondere Verantwortung der Ölstaaten — insbesondere auch Saudi-Arabiens — vor allem gegenüber den Entwicklungsländern. Wir haben darüber lange gesprochen.
Der Kronprinz und Herr Minister Yamani wiesen darauf hin, daß die Saudis einen höheren Anteil ihres Bruttosozialprodukts als Entwicklungshilfe weitergeben, als jedes Industrieland dies tut — was wahr ist. Auch der Beitrag der Emirate ist ganz erheblich.
Dem Argument, daß Preissteigerungen bei den Industrieprodukten zu den weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten wesentlich beigetragen haben, bin ich unter Hinweis auf die wesentlich höheren und schnelleren Sprünge bei den Öl- und Energiepreisen entgegengetreten. Ich habe darüber hinaus erklärt, daß eine Bindung des Ölpreises an einen allgemeinen Preisindex der Industrieprodukte gerade Länder mit einer niedrigen Preissteigerungsrate wie die Bundesrepublik Deutschland ungerechtfertigt belasten würde.
Besonderen Wert haben wir darauf gelegt, daß Saudi-Arabien künftig in der internationalen Behandlung von Fragen der Überwindung weltwirtschaftlicher Schwierigkeiten, währungspolitischer Probleme und der Stärkung nichtölproduzierender Entwicklungsländer eine aktivere Rolle spielt. Ich will hier erwähnen, daß — auch unter wesentlicher Mithilfe von uns — gerade diese größere Rolle Saudi-Arabiens im Weltwährungsfonds nicht nur de facto, sondern auch formal allseitig anerkannt und durch eine andere Quotenregelung zum Ausdruck gebracht worden ist.
Ich will diese Passage mit der Bemerkung abschließen, daß wir selbstverständlich die moderate und mäßigende Ölpolitik Saudi-Arabiens, das zwecks Ausgleichs der Ausfälle anderer Länder — ich nenne z. B. Irak und Iran — sein Öl bis an die mögliche technische Kapazitätsgrenze fördert und exportiert, mit besonderer Anerkennung gewürdigt haben. Wir sind unter dem Eindruck geschieden, daß auch weiterhin fest mit einer moderaten Ölpolitik Saudi-Arabiens zu rechnen sein wird. Wir stimmten zugleich darin überein, daß die Industrieländer ihre Politik der Energieeinsparung fortsetzen müssen, eine Politik, deren Erfolge in Saudi-Arabien durchaus anerkannt und gewürdigt werden.
Kronprinz Fahad und ich waren uns schließlich darüber einig, daß es im beiderseitigen Interesse liegt, den Dialog zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Saudi-Arabien nicht nur auf der Ebene der Regierungen, sondern auch auf der Ebene privater Organisationen zu führen. Ich denke hierbei an vermehrte Gespräche zwischen Vertretern der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Politik. Wir haben vereinbart, daß Verhandlungen zwischen den Finanzministern beider Länder über die Lösung steuerlicher Fragen geführt werden sollen, die für beide Seiten von Interesse sind, vor allem im Zusammenhang mit saudischen Kapitalanlagen in der Bundesrepublik Deutschland.
Meine Damen und Herren, es hat sich sowohl in den Gesprächen in Saudi-Arabien als auch in Abu Dhabi gezeigt, daß die bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen gut sind, daß ein weiterer Ausbau von beiden Seiten als wünschenswert angesehen wird und daß die Erweiterung der politischen Basis durch die Besuche hierfür nützlich sein wird. Darüber hinaus halte ich es — vor allem in den Emiraten, die ich hier als Beispiel auch für andere ölfördernde Staaten nennen möchte, die ja keine Entwicklungshilfe brauchen — für erforderlich, daß die Bundesregierung in gewissen Fällen doch eine stärkere flankierende Rolle bei der Vorbereitung und Stützung indu-



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strieller Projekte übernimmt, z. B. bei Joint-ventures und bei der Einführung neuer Technologien. Hier könnte z. B. die DEG eine zusätzliche Aufgabe haben.
Insgesamt ist unsere Partnerschaft mit den beiden besuchten Staaten in eine neue Phase getreten. Das politische Element in den Beziehungen wurde noch deutlicher. Aber auch die sicherheitspolitischen Aspekte müssen wir beachten. Der Gesamtaspekt ist ein Beispiel dafür, daß die Bundesrepublik Deutschland in neue Mitverantwortungen hineingewachsen ist. Wir können uns solchen Verantwortungen nicht ohne Schaden für unsere eigenen politischen Interessen, nicht ohne Schaden für unsere langfristige wirtschaftliche Entwicklung entziehen.
Ich würde es deshalb begrüßen, wenn sich auch der Bundestag stärker noch als bisher der Region, der Staaten in der Region und ihrer politischen Rolle annehmen würde.
Zu dem anderen Thema, das ich angekündigt habe, meine Damen und Herren: Am Montag und Dienstag hat in Rom die Frühjahrskonferenz der Außenminister des Bündnisses stattgefunden. Das Ergebnis dieser Konferenz, wie es im veröffentlichen Kommuniqué niedergelegt wurde — und ich möchte die Lektüre dieses Kommuniqués sehr empfehlen —, ist ein in sehr intensiven bilateralen und multilateralen Konsultationen zustande gekommenes Dokument der Kontinuität der Bündnispolitik und der Übereinstimmung der Partner, ein Dokument, zu dem die neue Administration in Washington wesentlich beigetragen hat.
Die Kernstücke der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik der Bundesregierung wurden in Rom durch das Bündnis erneut bekräftigt. Ich hebe einige der Punkte, die Sie im Kommuniqué wiederfinden werden, besonders hervor.
Alle Bündnispartner haben in Rom die grundlegende Bedeutung der Gewährleistung eines militärischen Gesamtgleichgewichts unterstrichen. Ich hatte hier vor einem halben Jahr, am 24. November, in der Regierungserklärung festgestellt, daß es ohne Gleichgewicht in der Welt keinen verläßlichen Frieden geben könne. Das Ziel ist ein Gleichgewicht — ich zitiere das Kommuniqué vom Dienstag —, „wenn möglich auf einem niedrigeren Streitkräfte-Niveau".
Dort wird zugleich die Notwendigkeit betont, daß alle Staaten mit Mäßigung und Verantwortungsbewußtsein handeln müssen. In der deutschfranzösischen Erklärung vom Februar hatte es geheißen, daß Mäßigung überall — außerhalb wie innerhalb Europas — mit einem Rückgriff auf Gewalt, mit einer Politik der vollendeten Tatsachen unvereinbar sei.
Die Bündnispartner haben bekräftigt — ich zitiere wörtlich aus dem Kommuniqué —, daß „Rüstungskontrolle und Abrüstung integrale Bestandteile der Sicherheitspolitik des Bündnisses" sind.
Ebenso finden Sie ein klares Wort über den Dialog mit der Sowjetunion. Die Bündnispartner werden ihn aufrechterhalten, heißt es dort, und gemeinsam für echte Entspannung arbeiten, wenn das Verhalten der Sowjetunion dies möglich macht.
Und schließlich gibt es ebenso ein klares Bekenntnis zur echten Blockfreiheit, Bündnisfreiheit in der Dritten Welt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903400200
Dieses Kommuniqué ist ein wichtiger Abschnitt auf dem Wege zu einer koordinierten, stetigen Politik der Bündnispartner an der Schwelle zu einem sehr schwierigen Jahrzehnt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ein wesentliches Element dieser Politik ist natürlich der sogenannte Doppelbeschluß vom Dezember 1979. Alle Bündnispartner waren sich in Rom darin einig, daß beide Teile des Beschlusses, also Nachrüstung der Amerikaner und Verhandlungen zwischen Amerikanern und Sowjets über Rüstungsbegrenzung, parallel durchzuführen sind. Deshalb wollen die USA im September mit der Sowjetunion die kommende Runde von Verhandlungen über die Begrenzung von amerkanischen und sowjetischen Mittelstreckenraketen vorbereiten. Sie finden das im zweiten Teil des Kommuniqués. Vor Ende dieses Jahres sollen nach dem Willen der USA und des Nordatlantikrates die Verhandlungen — nicht Gespräche, sondern Verhandlungen — beginnen.
Der Weg, den das Bündnis unter maßgebender Beteiligung der Bundesregierung bisher gegangen ist, ist damit bestätigt worden. Die sozialliberale Koalition wird diesen Weg zusammen mit den Partnern im Bündnis weitergehen, bis das unveränderte Ziel erreicht ist, nämlich Gleichgewicht zwischen Ost und West — auch mit Bezug auf nukleare eurostrategische Mittelstreckenwaffen —, und zwar auf dem niedrigst möglichen Niveau. Dieser Weg ist lang, mühsam und schwierig. Er ist nicht ohne Gefahren. Aber es gibt keinen anderen Weg, auf dem wir, etwa unter geringerem Risiko, langfristig unseren Frieden ebenso sichern können wie unsere Entschlußfreiheit, d. h. unsere Freiheit schlechthin.
Ich möchte schließlich die Übereinstimmung der Außenminister in der Unterstützung des französischen Vorschlags für eine Konferenz über Abrüstung in Europa hervorheben. Darin kommt das Interesse aller Bündnispartner an der Fortsetzung und an der Verbreiterung des KSZE-Prozesses zum Ausdruck. Der erfolgreiche Abschluß des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid und die Verabschiedung eines präzisen Mandats für eine Konferenz über Abrüstung in Europa gäben dem unverzichtbaren Dialog zwischen West und Ost neue und notwendige Impulse.
Zum Schluß: Die breite Übereinstimmung in Rom ist auch ein Erfolg der Administration des neuen amerkanischen Präsidenten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Präsident Reagan und alle seine Kabinettsmitglieder haben von Anfang an betont, daß substantielle,



Bundeskanzler Schmidt
ernsthafte und wirkungsvolle Konsultationen für sie eine Grundlage der Beziehungen zwischen Westeuropa und den Vereinigten Staaten sind. Wir haben Ihnen das hier mehrfach vorgetragen. Wir haben diese erneuerte Bereitschaft zur partnerschaftlichen Konsultation in den zahlreichen Kontakten zwischen Bundesregierung und neuer Administration deutlich und positiv gespürt, gerade auch in dieser Woche.
Im Zeichen dieser konkreten Partnerschaft wird der offizielle Besuch stehen, den ich Präsident Reagan heute in 14 Tagen abstatten werde. Wir sind froh darüber — sicherlich darf ich diesen Satz für den ganzen Bundestag und für viele Millionen deutsche Bürger sprechen —, daß die Genesung des Präsidenten der Vereinigten Staaten so schnelle Fortschritte gemacht hat.

(Beifall)

Mein Besuch in den USA findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die neue Administration manche wichtige Frage ihrer Außenpolitik noch nicht entschieden hat. Das direkte Gespräch und der unmittelbare Meinungsaustausch haben in dieser Phase für beide Seiten besondere Bedeutung. Ich bin sicher, daß der Besuch unseren gemeinsamen Bemühungen um den Frieden dienen und die bewährte deutsch-amerikanische Freundschaft stärken wird.
Ich habe früher gesagt, wir hätten Grund für Mut zur Zukunft, weil wir erfahren haben, was Partnerschaft ist und daß wir uns auf unsere Freunde in der Welt verlassen können. Mein Besuch in Saudi-Arabien, die beeindruckende Solidarität der Partner des Atlantischen Bündnisses in Rom und auch der Ausblick auf die Gespräche mit unseren amerikanischen Freunden sollten, so denke ich, unser Vertrauen in die Zukunft festigen.
Unsere Politik hat sich bewährt. Die sozialliberale Koalition wird diese Politik fortsetzen. Das erwartet die große Mehrheit unseres Volkes genauso wie unsere zahlreichen Freunde draußen in der Welt.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903400300
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kohl.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903400400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers, die wir soeben gehört haben, war in nüchternem Ton gehalten, und manches, was hier dargelegt wurde, entsprach auch in der Beschreibung diesem nüchternen Ton.
Aber es war die Erklärung eines Mannes, der in der Welt und vor allem auch hier in unserer Bundesrepublik Deutschland nur noch das zur Kenntnis nimmt, was er zur Kenntnis nehmen will. Zu dem, was Realität und Alltag unserer Mitbürger ausmacht, zu dem, was sie jeden Tag zu den großen bewegenden Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik lesen, haben Sie, Herr Bundeskanzler, kein einziges Wort gesprochen.
Sie beschworen die Illusion der Einheit einer sozialliberalen Koalition. Ihre eigene Partei kam in Ihrer Erklärung nicht vor, obwohl Ihre eigene Partei und ihr Tun Tag für Tag die Schlagzeilen deutscher Zeitungen füllen.
Es war eine Flucht in die Illusion; ich sage dies noch einmal. Das einzige wirklich gewichtige Argument im Blick auf die Zukunft der Koalition war Ihr Dank an Hans-Dietrich Genscher dafür, daß er bei Ihnen bleibt, wenn es Nacht wird in Bonn.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, auf einen kurzen Nenner gebracht, kann man sagen: Je weniger Sie entscheiden, desto mehr Regierungserklärungen geben Sie ab. Ihr Handeln wird durch Reden ersetzt. Es wird „geprüft", es wird „überprüft", es wird „gründlich geprüft"; das sind alles Termini aus Ihren Regierungserklärungen. Es werden Kommissionen für alles und jedes eingesetzt: für die Energie, für die Medien, für die Jugend, für dieses und jenes. Die Einsetzung wird dann „begrüßt", und es werden „große Erwartungen" daran geknüpft. Aber das politische Handeln bleibt aus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, Beschlüsse wie in der zentralen Frage der Nachrüstung müssen dagegen von Ihrer Regierung inzwischen fast täglich bekräftigt werden. Daß sie damit täglich mehr entwertet werden, ist offenkundig; denn der Marktwert einer Treueerklärung wird nicht gesteigert, wenn sie alle paar Tage erneuert werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Marktwert wird auch deswegen nicht gesteigert, weil die wiederholte Bekräftigung Ihrer politischen Linie immer so ausfällt, daß sich in der SPD vom Befürworter bis zum Gegner alle wiederfinden können. Insofern sind Sie ein wirklicher Schüler Ihres Vorgängers Willy Brandt geworden.
Es wäre in der Tat reizvoll — aber die Zeit steht nicht zur Verfügung —, einmal in der zentralen Frage des Nachrüstungsbeschlusses den Weg Ihrer Partei — und das ist die stärkste Regierungspartei in diesem Hause — nachzuzeichnen. Wir erleben eine Sozialdemokratie, die zutiefst unsicher und innerlich zerstritten ist über die Grundlagen und Ziele deutscher Sicherheits- und westlicher Bündnispolitik.
Wir erleben einen Bundeskanzler, der sich auf die Zustimmung und Solidarität seiner Partei nicht mehr verlassen kann und zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit, den Koalitionszwängen und den Anforderungen seiner Partei laviert und in seinen Handlungen in Wahrheit gelähmt ist.
Dabei — Herr Bundeskanzler, ich hätte darüber gern ein Wort gehört — hat sich an den Voraussetzungen, die im Dezember 1979 zum NATO-Beschluß über die Produktion und Stationierung von Mittelstreckenraketen mit dem gleichzeitigen Angebot an die Sowjetunion zur Rüstungsbegrenzung geführt haben, nichts, aber auch gar nichts zugunsten des Westens verändert. Gerade diesem Teil der Verhandlungen der NATO, an denen Hans-Dietrich



Dr. Kohl
Genscher für die Bundesrepublik Deutschland teilnahm, haben Sie nicht erwähnt.
Die Sowjetunion hat ihre Aufrüstung in Europa und insbesondere die Stationierung ihrer Mittelstreckenraketen unbeirrt fortgeführt. Sie hat sie deutlich beschleunigt. Heute sind bereits über 200 SS-20 mit Dreifachsprengköpfen auf europäische Ziele gerichtet. In Afghanistan kämpfen sowjetische Truppen. Über Polen — das gehört doch auch in die Beurteilung dieser Lage hinein — hängt seit Monaten das Damoklesschwert einer Intervention, obwohl die KSZE-Schlußakte sowie der Moskauer Vertrag nicht nur die Anwendung, sondern auch die Androhung von Gewalt in ganz Europa ausdrücklich ausschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist wahr, Herr Bundeskanzler — hier stimmen wir Ihnen zu —: Es kommt deshalb mehr denn je entscheidend darauf an, daß alle Mitglieder des Atlantischen Bündnisses die Erfüllung des NATO-Beschlusses in beiden Teilen — das heißt, die Waffendislozierung und die Rüstungskontrollverhandlungen — intensiv betreiben. Nur der gemeinsame und entschlossene Wille aller Bündnispartner kann die Sowjetunion veranlassen, das Angebot der NATO ernst zu nehmen.
Sie, Herr Bundeskanzler, und die Mehrheit Ihrer eigenen Partei, der SPD, müssen sich heute vorwerfen lassen, daß sie eben vieles, zu vieles getan haben, um die Position des westlichen Bündnisses zu schwächen. Moskau konnte sich deshalb verstärkt der Hoffnung hingeben, daß der NATO-Beschluß dennoch zu Fall kommt. Ich will nur einige der Tatsachen erwähnen.
Nur mit dem Mittel — dem letzten — Ihrer Rücktrittsdrohung, haben Sie das offene Nein Ihres Parteitages 1979 in Berlin zu den Entscheidungen des Bündnisses verhindert. Im Frühjahr 1980 bezeichnete das Mitglied des SPD-Bundesvorstandes Herr Eppler die militärischen Maßnahmen des Westens gegen die SS-20 als eine „Provokation der Sowjetunion".

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Pfui!)

Zahlreiche Mitglieder, Gliederungen und Verbände Ihrer Partei haben sich seitdem gegen den Nachrüstungsbeschluß der NATO ausgesprochen und offenen Widerstand angedroht.
Ich frage mich, Herr Bundeskanzler, wie Sie überhaupt für die Koalition reden können, wo Sie sich doch offensichtlich in Ihrer eigenen Partei zunehmend die Frage stellen müssen: Haben Sie noch eine Mehrheit für Ihre Politik?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Beispiele sind bekannt. Jeden Tag kann man sie lesen. Es sind die bekannten Mitglieder Ihrer Bundestagsfraktion, die ich hier gar nicht namentlich aufführen will. In diesen Tagen waren es 23 von 69 Bürgerschaftsabgeordneten Ihrer Heimatstadt Hamburg, die in einem Zeitungsaufruf die Bundesregierung aufgefordert haben, vom NATO-Beschluß abzurücken. Herr Bundeskanzler, was soll eigentlich der Bürger Ihrer Heimatstadt, jener weltoffenen Stadt, wo so viele Ausländer zu Gast sind, denken, wenn sie in der gleichen Zeitung zwei Anzeigen sehen: Das eine Drittel der Sozialdemokraten ist dagegen, und die anderen zwei Drittel sind dafür — und Herr Ehmke verkauft dann das Ganze als eine diskussionsfreudige Partei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viele Mitglieder, auch der SPD-Bundestagsfraktion, wirken im sogenannten Krefelder Appell mit, dessen Initiatoren Mitglieder der DKP sind.
Was nützt es dann, wenn sich der Bundesgeschäftsführer der SPD in einer lauen Weise davon distanziert? Der SPD-Unterbezirksparteitag in Bonn, die SPD im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Hessen, Herr Bäumer in Nordrhein-Westfalen, weite Teile der SPD in Bayern, ganz zu schweigen von den Jusos, bekämpfen alle in der deutschen Öffentlichkeit nicht die Aufrüstung der Sowjetunion, sondern die Gegenmaßnahmen der NATO, den Nachrüstungsbeschluß.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor einer Woche hat sich mit Baden-Württemberg erstmals ein ganzer Landesverband offen gegen Ihre Politik gestellt, Herr Bundeskanzler.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Mit Zustimmung von Brandt!)

Das, was in Aalen geschehen ist, ist doch das Menetekel Ihrer Politik. Da gibt es doch nichts mehr zu beschönigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vier Mitglieder Ihres Kabinetts haben den Beschluß dieses Landesparteitags abgelehnt, nachdem sie dem Entwurf dieses Beschlusses vor wenigen Wochen noch zugestimmt haben. Was ich von dieser Zustimmung oder von dieser Ablehnung der Herren halte, ist einfach zu formulieren: ohne die Spezialunterredung mit dem Bundeskanzler zuvor wäre wohl auch jetzt wieder in Aalen das gleiche passiert wie zuvor im Landesvorstand.
Herr Bundeskanzler, Sie stehen jetzt vor einer entscheidenden Kraftprobe mit Ihrer Partei. Einer hat Sie bereits im Stich gelassen: der Vorsitzende der SPD, Willy Brandt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Er hat den Aalener Beschluß als „Meilenstein", als „wichtigen und gewichtigen Beitrag" bezeichnet.

(Lachen und Zurufe von der CDU/CSU — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Zum Sturz von Schmidt!)

Herr Kollege Genscher, es wäre einmal gut, wenn Sie nicht nur in der vertrauten Runde des Kabinettsarbeitsessens und des Koalitionsarbeitsessens, sondern hier einmal sagten, was Sie davon halten.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das wird er heute sagen!)

Ich würde auch darum bitten, daß Sie, wenn Sie
heute reden, nicht den Eindruck aufkommen lassen,
indem Sie, wenn Sie solche Worte zum Erhalt der po-



Dr. Kohl
litischen Manneskraft sprechen, in unsere Reihen blicken — ich habe immer den Eindruck, Sie haben einen Parallaxenfehler, wenn Sie so reden, meine Damen und Herren —,

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

daß Sie uns meinen, sondern daß Sie einmal diejenigen persönlich ansprechen, die in diesem Zusammenhang wirklich gemeint sind.
Wenn der Parteivorsitzende der SPD das, was da in Aalen gesagt wurde, als „Meilenstein", als „wichtigen und gewichtigen Beitrag" bezeichnet — ja, wer will denn dann mit einem Juso-Ortsvorsitzenden zürnen, wenn der Mann, der die Partei führt, doch all denen Recht gibt, die ich eben hier angesprochen habe?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kein Wort der Kritik, des Bedenkens, des Mahnens an die Partei, nein. Willy Brandt ist offenkundig entschlossen, der Parteibasis Beistand zu leisten, Beistand gegen Ihre Politik und, Herr Bundeskanzler — Sie empfinden das so wie ich —, damit letztlich gegen Ihre eigene Person.
Die Entschlossenheit Ihrer Partei, gegen Ihre Politik, die Politik der sozialliberalen Koalition, wie Sie das nennen, Widerstand zu leisten, hat ja der neue Landesvorsitzende von Baden-Württemberg in einem wirklich unvorstellbaren Satz ausgedrückt. Er sagte ganz lapidar: „Wenn der Friede nur dadurch bewahrt werden könnte, daß die Bundesregierung stürzt, dann muß die Bundesregierung stürzen."

(Lachen bei der CDU/CSU)

Was geht eigentlich im Kopf dieses Mannes vor? Welch einen Verdacht hegt er gegen Sie? Welch eine Anmaßung liegt in dieser unverhüllten Drohung!
Herr Bundeskanzler, Sie müssen sich natürlich schon fragen lassen, in welchem Umfang Sie zu dieser Entwicklung selber beigetragen haben. Als Sie von der „Nulloption" sprachen, also von der Möglichkeit, daß die Verhandlungen mit der Sowjetunion im Idealfall dazu führen könnten, daß die NATO keine Modernisierung und Stationierung neuer Raketen durchführen müßte, haben Sie Erwartungen geweckt, von denen Sie selber wissen mußten, daß sie nie eingelöst werden können. Die Vorstellung, man könne durch erfolgreiche Verhandlungen mit Moskau die Notwendigkeit der Nachrüstung ausräumen, war zu keinem Zeitpunkt richtig.
Am 11. und 12. April letzten Jahres haben Sie in Hamburg und Essen — wie Ihr eigener Parteidienst geschrieben hat — „zur völligen Überraschung aller Beobachter als erster Staatsmann die Idee des Moratoriums ins Spiel gebracht". Herr Breschnew hat in der Zwischenzeit die Idee aufgenommen. Er beruft sich auf Ihren Vorschlag. Inzwischen hat Ihre Regierung, Herr Bundeskanzler, und jetzt die NATO in Rom das Moratorium entschieden abgelehnt, aber nicht Ihre Partei, die sich immer noch auf Ihre Äußerung zum Moratorium beruft.
Ich kann Ihnen und der Regierung einen weiteren Vorwurf nicht ersparen. Sie haben durch den ständigen Hinweis auf das Verhandlungsangebot zur Rüstungskontrolle die Flucht vor der politischen Auseinandersetzung über die Notwendigkeit der Nachrüstung gewählt. Das kann nicht erfolgreich sein.
Sie wissen — wir alle wissen es —, daß nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte Rüstungskontrollverhandlungen zu den schwierigsten, mühseligsten und langwierigsten überhaupt gehören, und Ergebnisse häufig genug die Probleme nicht lösen sondern, wenn überhaupt — das wäre auch schon ein Erfolg —, nur begrenzen können. Selbst wenn es zu sofortigen und sehr intensiven Verhandlungen gekommen wäre, müßten wir immer das Scheitern einkalkulieren. Christoph Bertram vom Internationalen Institut für Strategische Studien in London hat mit Recht vor Illusionen gewarnt und gesagt: „Mit einem Überverkaufen der Möglichkeit für die Rüstungskontrolle ist weder der Rüstungskontrolle noch dem Nachrüstungsprogramm gedient."

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir begrüßen, daß im Herbst die Verhandlungen und Gespräche zwischen den USA und der Sowjetunion beginnen sollen. Wir hoffen um des Friedens willen, daß eine beiderseitige Rüstungsbegrenzung auf einem möglichst niedrigen Niveau und so rasch wie möglich erreicht werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber wir fordern mit Nachdruck die Einlösung des Nachrüstungsbeschlusses, entsprechend der vereinbarten Termine, mit dem Ziel, das militärische Gleichgewicht in Europa wieder herzustellen. Für uns, die CDU/CSU, bleiben beide Teile des NATO-Doppelbeschlusses vom Dezember 1979 gleich wichtig:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Waffendislozierung und Rüstungskontrollverhandlungen. Verhandlungen — das muß man aussprechen — sind kein Ersatz für die Wiederherstellung des Gleichgewichts.
Wir verfolgen deshalb mit großer Sorge die Entwicklung der Diskussion innerhalb der SPD. Herr Bundeskanzler — das sage ich an Ihre Adresse als stellvertretender Parteivorsitzender der SPD —, sollte sich dieser Kurs fortsetzen, sollten die Leute, die da in Aalen auftraten, noch weiteren Zulauf bekommen — und es sieht ganz so aus —, dann sind die elementaren Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland entscheidend gefährdet. Wir befürchten heute, Herr Bundeskanzler, daß Sie für die auch heute wieder erklärte Sicherheitspolitik Ihrer Regierung und Ihrer Partei über keine Mehrheit verfügen. Sie werden uns jetzt vom Gegenteil überzeugen müssen, und wir werden Ihnen Gelegenheit geben, in wenigen Wochen dies hier zu demonstrieren. Wir sind fest entschlossen, eine Politik zu verhindern, die die bewährten Grundlagen unserer Außen- und Deutschlandpolitik gefährdet. Das ist keine Frage von Regierung und Opposition, das ist die



Dr. Kohl
Frage der freiheitlichen Existenz der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber, Herr Bundeskanzler — das muß man jetzt einmal aussprechen —, wir sind nicht dazu da, Ihnen die fehlenden Mehrheiten im Parlament zu verschaffen.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, die Erfahrungen im Umgang mit Ihnen sind ja auch nicht gerade ein Hinweis darauf, daß das für uns besonders reizvoll sein könnte. Sie haben heute eingangs eine Bemerkung zur Mäßigung in der Diskussion gemacht. Wie wollen Sie eigentlich Ihre Bemerkung zur Mäßigung in der öffentlichen Diskussion aufrechterhalten, wenn Sie Ihre eigenen Einlassungen in Berlin in diesen Tagen betrachten?

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Am Vorabend der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat die Sozialdemokratie nur noch ein Interesse, überhaupt nur noch ein Ziel, nämlich die Mehrheit der Union zu verhindern. Nur so, Herr Bundeskanzler, ist die Geschmacklosigkeit zu begreifen, die Sie in den Berliner Wahlkampf eingeführt haben, als Sie erklärten, Sie erwarteten für den Fall eines Wahlsiegs der CDU eine neue Konfrontation mit Ost-Berlin.

(Zurufe von der CDU/CSU: Pfui! — Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

Herr Bundeskanzler, man kann nur sagen, dies ist ein Akt schamloser Demagogie.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Es wird noch unerträglicher,

(Dr. Jenninger [CDU/CSU]: „Mäßigung"!)

wenn es von einem Mann ausgesprochen wird, nach dessen eigenem Wahlsieg am 5. Oktober vor sieben Monaten die DDR die Zwangsumtauschsätze verdoppelt hat. Wir, die Bürger der Bundesrepublik Deutschland, haben nicht vergessen, daß die Führung der DDR und der SED seinerzeit ganz offen zugegeben hat, sie habe für diese Maßnahme den Wahltermin abgewartet, um Ihren Wahlsieg nicht zu verhindern.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Ich finde, Herr Bundeskanzler, bei aller Härte des Wahlkampfs: Sie sollten sich zu gut sein, aus der Unberechenbarkeit eines kommunistischen, eines menschenverachtenden Unrechtsregimes parteipolitisches Kapital schlagen zu wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist genug politischer Schaden nach innen und außen angerichtet worden, wenn wichtige Teile der SPD die Hoffnung der Sowjetunion fördern, ihr Ziel, den Nato-Beschluß zu verhindern, doch noch erreichen zu können. Valentin Falin, der frühere Botschafter hier in Bonn, unbestreitbar ein hervorragender Kenner unserer politischen Landschaft, hat vor ein paar Tagen, am 25. April, mit Befriedigung festgestellt — ich zitiere —: „Ein großer Teil der Regierungsparteien der BRD ist gegen Raketenstationierung im Lande."
In Westeuropa verfügt heute die Bundesrepublik Deutschland in dieser Frage über eine entscheidende Leitfunktion, nicht weil wir sie wollen, sondern weil wir sie aus gegebenen Verhältnissen besitzen. Je schwächer, Herr Bundeskanzler, die Position Ihrer Regierung ist, desto größer werden die Probleme auch in unseren Nachbarländern. Deshalb tragen wir auch mit unserer Diskussion im eigenen Land ein Stück Mitverantwortung für die Diskussion in Holland, in Belgien, in Frankreich und anderswo.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und auch das können Sie ins Dankeswort für Hans-Dietrich Genscher mit einschließen, daß er Ihnen doch berichten muß, daß die Bündnistreue der Bundesrepublik Deutschland und ihre Zuverlässigkeit in der Einhaltung und Durchsetzung gemeinsamer Beschlüsse immer mehr in Zweifel gezogen werden. Wir müssen heute feststellen, daß wichtige Teile Ihrer Partei, der SPD, dabei sind, das westliche Bündnis und allem voran unsere freundschaftlichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika immer mehr zu belasten. Sie haben, Herr Bundeskanzler, immer mit Empörung reagiert, wenn ich von dem törichten Antiamerikanismus sprach. Halten Sie das eigentlich heute im Blick auf die Entwicklung Ihrer Partei immer noch für eine Übertreibung?
Was veranlaßte beispielsweise den Parteivorsitzenden der SPD, Willy Brandt, auf dem Landesparteitag seiner Partei in Baden-Württemberg die amerikanische Regierung so anzugreifen und ihr vorzuhalten, daß sie der Bundesrepublik seit „einiger Zeit törichte Dinge" zugemutet habe? Wem soll eigentlich dieser Angriff nutzen? Hier wird doch leichtfertig Stimmung angeheizt, und zwar Stimmung gegen den wichtigsten Bündnispartner. Bündnis und Partnerschaft — das heißt doch nicht, etwa sklavisch der amerikanischen Leitlinie der Politik zu folgen, sondern das bedeutet das offene Gespräch, aber doch nicht ein Gespräch, in dem man vorweg den Partner öffentlich beschimpft.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und diese Töne kommen doch nicht von jungen Leuten aus dem Lager der Jusos. Herr Bäumer, der Bezirksvorsitzende des wichtigsten SPD-Parteiverbands in der Bundesrepublik, charakterisiert die amerikanische Politik wie folgt: „Das war zum Teil texanisch, zum Teil kalifornisch; das war mehr ein politisches Rodeo als Friedenspolitik oder Einfühlungskunst." — Was soll denn eigentlich dieser Stil des Umgangs mit der amerikanischen Politik auf SPD-Parteitagen?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und das sind doch keine Einzelfälle. Die Pressedienste Ihrer Partei berichten doch beflissen über diese
Äußerungen, über das, was der Herr Hansen den



Dr. Kohl
USA vorwirft, was Herr Voigt und andere sagen. Das verbreiten die Pressedienste Ihrer eigenen Partei.
Ihre Minister, Herr Bundeskanzler, reisen nach Washington und bestätigen die „volle Übereinstimmung" mit der amerikanischen Regierung. Aber die Reaktion Ihrer Partei lautet — Zitat! —: „Wer in Washington volle Übereinstimmung mit der Regierung Reagan geltend mache, sei nicht mehr in voller Übereinstimmung mit der Sozialdemokratie." Derjenige, der das gesagt hat, meine Damen und Herren, war auch kein Juso — vielleicht ein alt gewordener Juso, der die kurzen Hosen nicht ausbekommen hat —; das war der SPD-Bezirksvorsitzende Schlatter auf dem Bezirksparteitag Mittelrhein vor seiner Wiederwahl. Das ist doch die Realität der Sozialdemokratischen Partei!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, Sie haben soeben Ihre Reise nach Amerika angekündigt. Sie werden dort — nach den Usancen unter Freunden — im Kommuniqué wiederum die volle Übereinstimmung feststellen. Was werden dann die anderen Bezirksvorsitzenden dazu sagen?
Herr Genscher sprach nach dem Gespräch mit Außenminister Haig in seinem Kommuniqué von einer „Schicksalsgemeinschaft". Wenn man in einer Schicksalsgemeinschaft lebt — und das tun wir in der Tat —, dann kann man Gegensätze natürlich austragen, aber doch nicht in einem so verletzenden und beleidigenden Ton. Wie wird Ihre Partei nach Ihrer Reise zu Reagan reagieren? Seit Monaten ist Zweifel am Friedenswillen, am Verhandlungs- und Abrüstungswillen der amerikanischen Regierung in der SPD weiter verbreitet worden. Es gibt auch hier einen Beleg für viele: Es war das Mitglied unseres Hauses, der Kollege Voigt, der im Pressedienst Ihrer Partei in der letzten Woche wiederum Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Verhandlungswillens der Amerikaner geäußert hat, obwohl die neue amerikanische Administration Monat für Monat deutlich gemacht hat, was sie will. Namhafte Repräsentanten der SPD scheuen sich nicht, öffentlich ein Bild zu vermitteln, das Amerika als die eigentliche Gefahr für den Weltfrieden erscheinen läßt und für das Wettrüsten verantwortlich macht. Meine Damen und Herren, die Spannungs- und Aufrüstungspolitik der Sowjetunion als Ursache für den Nachrüstungsbeschluß wurden dagegen in Ihren Reihen beharrlich verschwiegen oder heruntergespielt.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

Was das ganz Entscheidende ist, was die Veränderung der Qualität der Politik in den Ansichten zwischen uns ausmacht: Die Vereinigten Staaten von Amerika werden bei Ihnen mit der Sowjetunion politisch-moralisch zunehmend auf eine Stufe gestellt. Das ist eine entscheidende Veränderung in der deutschen Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Folgen dieser Politik, dieser Agitation gegen unseren wichtigsten Partner werden uns selbst treffen. Wer die deutsch-amerikanische Freundschaft so schamlos belastet, beleidigt nicht nur das amerikanische Volk, sondern schadet auch zutiefst den deutschen Interessen. Herr Bundeskanzler, es wäre — ein paar Tage nach dem Parteitag in Aalen — überfällig, daß Sie hier nicht nur von den Gesprächen in fernen Ländern berichten, sondern Ihre Aufmerksamkeit endlich auch wieder den Dingen im eigenen Haus zuwenden, daß Sie Ihre Leute in die Schranken verweisen, daß Sie endlich einmal den Mut aufbringen, das zu tun, was hier zu tun ist, nämlich zu sagen, daß diese Politik weiter Teile der SPD unser Land in eine Sackgasse führt.
In den Vereinigten Staaten wird die Frage — ähnlich wie bei unseren Bündnispartnern in Europa —, ob es in der Bundesrepublik Deutschland einen Kurswechsel gebe, immer deutlicher gestellt. Die Sorge vor einer Hinwendung der Bundesrepublik zu Neutralismus ist, Herr Bundeskanzler, ein Thema im französischen Wahlkampf geworden. Wenn Sie, um in Ihrer Sprache zu bleiben, die Äußerungen Ihres Freundes Giscard in den Kundgebungen einmal daraufhin betrachten, dann, finde ich, ist es an der Zeit, daß Sie hier ein klares Wort sprechen. Das Vertrauen in die deutsche Position schwindet, und damit werden die Grundlagen deutscher Friedens- und Sicherheitspolitik berührt.
Nicht die Entspannungspolitik, sondern die enge Freundschaft mit den USA und das funktionierende Bündnis mit unseren westlichen Partnern haben der Bundesrepublik Deutschland den Frieden, die Freiheit, die Sicherheit und den Wohlstand garantiert. Erst dadurch ist doch Entspannungspolitik überhaupt möglich geworden. Auch das muß doch wieder in Erinnerung gerufen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer diese Grundsätze und Grundlagen in Frage stellt, zerstört doch in Wahrheit auch die Voraussetzungen für eine friedenstiftende Ost- und Entspannungspolitik. Beides ist unlösbar miteinander verbunden. Herr Bundeskanzler, es wäre an der Zeit, daß Sie diesen nüchternen Sachverhalt in einer Regierungserklärung auch Ihrer eigenen Partei wieder nahebringen oder, wenn Sie selbst nicht den Mut haben, Herrn Genscher einladen, wiederum in Ihre Fraktion zu gehen und dort das zu sagen, was Sie selbst nicht mehr sagen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie sehr der tiefe Riß zwischen Ihrer Politik und den Überzeugungen Ihrer Partei die deutsche Außenpolitik belastet, haben wir in der Diskussion über und gegenüber Saudi-Arabien und Israel erfahren. Herr Bundeskanzler, auch das muß ich leider hier offen aussprechen: Ihre Glaubwürdigkeit — und das ist ein wichtiges Gut des Regierungschefs — hat gerade durch Ihr persönliches Verhalten erheblich gelitten. Dabei sprechen Sie doch mehr als jeder andere in Deutschland so gerne von der „Christenpflicht der Wahrheit". Bis zur Stunde liegt ein Schleier darüber — und die heutige Erklärung hat diesen Schleier nicht gelüftet —, ob Sie, wann und in welcher Form Sie persönliche Zusagen an die Verantwortlichen in Saudi-Arabien gegeben haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Corterier [SPD])




Dr. Kohl
Ich bin noch skeptischer geworden, Herr Kollege, auf Grund der Erfahrungen der letzten vier Wochen im Umgang mit dem Herrn Bundeskanzler. Wir haben uns noch einmal geprüft, mein Kollege Fritz Zimmermann und ich,

(Lachen und Zurufe bei der SPD)

ob wir uns nun wirklich mit unseren Notizen getäuscht haben könnten. Herr Kollege, am 6. April, das ist wenige Wochen her, kam ein Gespräch zwischen uns und dem Kanzler im Kanzleramt auf unseren Wunsch zustande. Auf ganz direkte Fragen von uns beiden, ob Herr Schmidt gegenüber König Khalid und Kronprinz Fahad bei ihren Besuchen in Bonn keinerlei Versprechungen eingegangen sei, wurde uns gesagt, es seien in keiner Weise Versprechungen abgegeben worden. Jetzt lesen wir zu unserer Überraschung im Nachrichtenspiegel der Regierung, daß der Sprecher der Bundesregierung in Riad sagt, daß der Kanzler dem König im letzten Jahr eine positive Entscheidung in Sachen Waffenexport für Weihnachten 1980 in Aussicht gestellt hat, aber

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

auf Grund der „beträchtlichen Schwierigkeiten"

(Zurufe bei der SPD)

— das sagt alles Herr Becker, nicht ich —, insbesondere in der SPD und in der Fraktion, verschieben mußte.

(Abg. Dr. Corterier [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Im Nachrichtenspiegel Ihrer eigenen Regierung, Herr Bundeskanzler, hieß es dann bezeichnenderweise, daß Sie diesen Tatbestand „einräumen" mußten. Wir wissen ebenso, daß Regierungsmitglieder in der Begleitung von König Khalid die von der Bundesrepublik Deutschland gewünschten Waffensysteme sehr konkret und direkt beim Namen genannt haben. Mit einem Satz, Herr Bundeskanzler: Mit der Wahrheit hat diese Erklärung nur in Raten zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903400500
Keine Frage, Herr Kollege Corterier.
Herr Dr. Kohl, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Bundeskanzlers?

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903400600
Ja, selbstverständlich.

(Zurufe von der CDU/CSU: Des Herrn Abgeordneten Schmidt!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903400700
Des Herrn Abgeordneten Schmidt.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903400800
Vielleicht können wir uns einigen: Des Herrn Abgeordneten Schmidt, des Bundeskanzlers.

(Zurufe von der CDU/CSU: Schmidt [Hamburg]!)


Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0903400900
Also in diesem Falle: des Abgeordneten!
Herr Kollege Kohl, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß ich diese Frage, weniger zugespitzt und zurechtfrisiert als eben vorgetragen, gestern im Auswärtigen Ausschuß von einem Ihrer Kollegen vorgelegt bekam und sie beantwortet habe?
Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen — —

(Zurufe von der CDU/CSU)

— Ich frage den Herrn Abgeordneten Kohl, ob er es zur Kenntnis nehmen will. Das darf ich doch!

(Beifall bei der SPD)

Ich frage, ob Sie bitte zur Kenntnis nehmen wollen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie oft denn noch?)

daß ich erstens gestern dargetan habe, daß weder bei Gelegenheit des Besuchs von König Khalid noch zu späterem Zeitpunkt eine solche Zusage gegeben wurde. Zweitens darf ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Äußerung des Regierungssprechers, nach der ich gestern im Auswärtigen Ausschuß auch gefragt worden bin, von einer Presseagentur falsch wiedergegeben worden ist.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Sind Sie bitte bereit, zur Kennnis zu nehmen, daß ein Pressespiegel, der Äußerungen aller möglicher Zeitungen und Pressedienste wiedergeben muß, damit man weiß, was die Zeitungen schreiben, kein Dokument ist, auf das sich der Oppositionsführer berufen kann?

(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)


Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903401000
Herr Kollege Schmidt, ich bin eigentlich nur bereit, zur Kenntnis zu nehmen, was Sie hier gesagt haben. Ich muß Ihnen aber sagen: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß mich das überhaupt nicht überzeugt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn wir haben Sie — ich muß das noch einmal sagen — in dem Gespräch konkret auch nach zeitlichen Vorstellungen für den Fall, daß ... gefragt. Sie haben ebenso konkret gesagt, daß dies — und zwar aus Gründen, die ich alle unterstütze, etwa wegen der israelischen Wahlen; wir haben das alles sehr breit miteinander diskutiert —, wenn man dem nähertritt, ein Problem sein wird, das frühestens Ende dieses Jahres — des Jahres 1981— in eine entscheidende Diskussionsphase treten könnte.
Wenn also Herr Becker dies so gesagt hat — und Herr Becker war ja nicht allein; es gab ja nicht nur diese Agenturberichte, sondern die dabeisitzenden journalistischen Kollegen von Herrn Becker haben das, wie mir gesagt wurde, bestätigt —, frage ich Sie: Warum haben Sie überhaupt zu diesem Thema erst Stellung bezogen, nachdem ich Ihnen dieses Thema öffentlich vorgehalten hatte? Warum haben Sie nicht am gleichen Tage, an dem Sie gelesen haben, was Herr Becker gesagt hatte, zu dieser Sache ein klärendes Wort gesagt? Um es noch einmal zu sagen: Die Sache bleibt für uns dubios.

(Beifall bei der CDU/CSU)




Dr. Kohl
Nun, Herr Bundeskanzler, wir können diese Behandlung ertragen. Wir sind durch Sie nicht besonders verwöhnt. Die entscheidende Frage ist jedoch: Hat diese Behandlung der saudiarabischen Wünsche nicht bereits dazu geführt, daß wir zunehmend vor einem Scherbenhaufen deutscher Nahostpolitik stehen?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903401100
Herr Kollege Dr. Kohl, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt?

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903401200
Ja, denn auf diese Art bekommen wir die Antworten, die wir in der Regierungserklärung nicht bekommen haben. Ich bin ganz damit einverstanden.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0903401300
Herr Abgeordneter Kohl, ich möchte zwei Fragen an Sie richten. Habe ich Sie zum einen dahin gehend richtig verstanden, daß Sie in die Aufrichtigkeit und in das Zutreffen und in die Wahrheit dessen, was ich bei dem von Ihnen hier zitierten Gespräch mit Ihnen und dem Kollegen Zimmermann im Beisein eines vierten Kollegen gesagt habe, Zweifel setzen? Ja oder nein?

(Oho-Rufe und Lachen bei der CDU/CSU)

— Das ist sehr wichtig, denn Andeutungen dieser Art, wie der Herr Kollege Kohl sie zu machen beliebt, um die Moral und den Anstand eines anderen in Zweifel zu ziehen, bedürfen der Aufklärung.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

Zweitens. Ist meine Erinnerung richtig, daß Sie — und der Kollege Zimmermann noch mehr als Sie — in dieser Unterhaltung darauf gedrängt haben, alsbald eine positive Entscheidung über den Waffenexport zu treffen?

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903401400
Zum ersten möchte ich deutlich sagen: Wenn ich Sie öffentlich danach frage, warum Sie uns in dem Gespräch eine Auskunft nicht gegeben haben, die dann Ihr Pressesprecher in Riad gegeben hat, hat das nicht mit Anstand, sondern mit der Feststellung eines Tatbestandes und in der Tat mit der Wahrheit zu tun. Herr Bundeskanzler, ich rede hier nicht darum herum; ich sage Ihnen noch einmal ganz klar: Ihre Erklärung hat mit Wahrheit nur bedingt etwas zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU— Unruhe bei der SPD)

Die zweite Frage will ich ebenso deutlich beantworten. Der Herr Bundeskanzler — —

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

— Mit diesem Geschrei im Saal werden Sie Ihr miserables Gewissen in dieser Sache doch nicht los!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, wir waren, was diesen zweiten Teil Ihrer Frage angeht, sogar, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, völlig in Übereinstimmung.

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Auch das noch!)

Wir haben gesagt — —

(Zurufe von der SPD)

— Hören Sie doch erst einmal zu, bevor Sie den Kopf schütteln! Ich habe die Antwort doch noch gar nicht gegeben.
Wir haben erstens gesagt — wobei ich ja nicht davon ausging, daß der Termin „Weihnachten 1980" überhaupt in der Debatte war, weil ich davon nichts wußte —, daß wir nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt, mitten im israelischen Wahlkampf, in einem Augenblick, in dem die notwendigen Gespräche mit der wirklich entscheidenden Macht in dieser Region, mit den Vereinigten Staaten — denn nur die können die Sicherheit und Unversehrtheit Israels wahrhaft garantieren —, noch nicht geführt sind, sondern ohne Zeitdruck — und da kamen wir beide übereinstimmend zu dem Termin — frühestens gegen Ende des Jahres diese Sache ernsthaft in einer Entscheidungsphase haben könnten. Dieser Meinung stimmten Fritz Zimmermann, Sie und ich zu.
Herr Bundeskanzler, ich füge — wir waren ja in der Sache völlig einig — noch ein Weiteres hinzu. Wir haben dann auch gesagt, daß es dazu notwendig ist, daß wir Ihre Meinung kennen, bevor wir uns entscheiden.
Wir haben hinzugefügt, daß wir auch übereinstimmend der Auffassung seien — ich kann das jetzt gleich mit abhandeln; ich wollte es nachher noch zu einem anderen Zeitpunkt sagen —, daß die letzte Entscheidung bei Ihnen, der Bundesregierung, dem Bundessicherheitsrat liegen muß, und daß wir dagegen sind, daß womöglich in dieser Frage eine parlamentarische Entscheidung eingeführt wird, weil das nach unserem Verfassungsverständnis eine Aufgabe ist, bei der die Regierung auf Grund ihrer Kenntnisse und Einsichten die letzte Entscheidung haben muß.

(Beifall bei der CDU/CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen — das war das letzte in diesem Zusammenhang — auf Grund dessen, was wir Ende März in der Fraktion beschlossen hatten, gesagt, daß die bisherigen Richtlinien für Waffenexporte nicht mehr ausreichen, daß der Terminus „Spannungsgebiet" nicht ausreiche. Herr Bundeskanzler, ich bin erstaunt, daß Sie mich dazu überhaupt befragen, denn das war doch ein Punkt, in dem wir völlig übereinstimmten. Ich sagte Ihnen auch, daß wir keine abschließende Beschlußfassung haben, daß ich sie jetzt auch gar nicht anstrebe, weil wir j a erst Ihre Antwort abwarten müssen. Daß es bei uns kontroverse Diskussionen gab — —

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Hört! Hört!)




Dr. Kohl
— Ja, nun, das ist doch ganz normal. Warum sollen wir denn — —

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Bei uns ist es anomal?! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Entschuldigung, sehen Sie denn den Unterschied nicht? Hier stehen wir vor einer Entscheidung, die wir zu treffen haben. Den Nachrüstungsbeschluß, den Sie zerstören wollen, diese Entscheidung haben wir doch schon getroffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903401500
Herr Kollege Kohl, der Herr Bundeskanzler wünscht eine weitere Zwischenfrage an Sie zu richten.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0903401600
Ich bitte um Nachsicht, Herr Kollege Kohl, daß ich noch eine Frage an Sie richten möchte.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Gerne!)

aber im Interesse der Aufklärung scheint es mir notwendig. Nachdem Sie den Eindruck erwecken, als ob bei jedem Gespräch weitgehende Einigkeit geherrscht habe, möchte ich auf meinen Punkt noch einmal zurückkommen und Sie fragen, ob nicht meine Erinnerung richtig ist, daß der Herr Kollege Zimmermann stärker als Sie, aber Sie beide auf eine positive Waffenexportentscheidung gedrängt haben und ich darauf hingewiesen habe, daß es mir bei dem gegenwärtigen Stand der Diskussion in allen drei Parteien und in beiden Kirchen unmöglich erscheint, gegenwärtig eine Entscheidung zu treffen, und daß ich dies der saudischen Regierung vortragen würde.

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903401700
Zunächst muß ich Ihnen noch einmal sagen — auch wenn das Ihre Hilfsmöglichkeiten in der eigenen Partei, die ich Ihnen ja um des Landes willen wünsche, nicht gerade erleichtert —: Wir haben überhaupt nicht gedrängt. Wir haben Ihnen gesagt — das war unsere beiderseitige Meinung, die Ihre auch —, daß der Entscheidungshorizont frühestens Ende dieses Jahres aus den soeben genannten Gründen gegeben ist. Herr Bundeskanzler, ich verstehe Sie wirklich nicht. Warum stehen Sie nicht auf und sagen: Ich stehe zu dem, was ich da gesagt habe?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir hatten doch über die von Ihnen zuletzt gestellten Fragen überhaupt keine Kontroverse, ob das nun die Umformulierung der Richtlinien betrifft, ob das die Frage ist, ob diese Entscheidung in der Regierung verbleiben soll oder nicht. Die Formulierung, die Sie heute im Blick auf eine parlamentarische Entscheidung in der Regierungserklärung benutzt haben — so kann man es zumindest verstehen; ich weiß nicht, ob Sie es wirklich so meinen —, konnte ich in Ihrem Gespräch nicht erkennen. Ich halte sie auch weiterhin verfassungspolitisch für eine Fehlentwicklung, wenn Sie dies meinen sollten. Nein, ich bleibe dabei — —

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903401800
Herr Kollege Kohl, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Bundeskanzlers?

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903401900
Nein, Herr Präsident.

(Zurufe von der SPD)

— Aber meine Damen und Herren, ich möchte meine Rede jetzt fortsetzen. Ich bin ja hier am Rednerpult nicht dazu da, daß die Fragen, die der Kanzler in der Erklärung ausgelassen hat, auf diese Art nachgeholt werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Dabei bin ich gerne bereit, das soeben Gesagte zurückzunehmen. Herr Bundeskanzler, wenn ich als Medium dienen kann, damit Sie sich in Ihrer eigenen Partei und Fraktion deutlich machen, bin ich gerne dazu bereit.

(Beifall bei der CDU/CSU —Wehner [SPD]: Lassen Sie endlich diese Unverschämtheiten sein! — Weitere Zurufe von der SPD)

Herr Bundeskanzler, Sie haben auch nach Ihrem Besuch in Riad diese Art Eiertanz, wenn ich das so salopp nennen darf, fortgesetzt. Sie geben zu, über Waffenlieferungen gesprochen zu haben, was doch ganz normal ist; jedoch sagen Sie, der Regierungschef, Kronprinz Fahad, habe „an die Bundesrepublik Deutschland keine Wünsche gerichtet". Kronprinz Fahad habe aber erklärt, daß er eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Lieferung von militärischen Geräten begrüßen würde, „wenn in Zukunft die Bundesrepublik Deutschland es für möglich halten sollte". „Gegenwärtig" — so Ihre Antwort — „sei das nicht möglich". Sie prüfen noch. Sie wollen bis zum Herbst prüfen, und Sie sprechen auch „von den Veränderungen der Grundsätze". Das waren wiederum Worte von Bundeskanzler Helmut Schmidt aus der Fernsehdiskussion nach seiner Rückkehr aus Riad. Ich glaube nicht, daß Sie der deutschen Politik damit eine wirkliche Orientierung gegeben haben.
In Ihren Berichten über die Gespräche — übrigens auch heute in der Regierungserklärung — sprechen Sie ständig von der großen Erleichterung, die Sie verspürt haben, darüber, daß Ihre saudiarabischen Gesprächspartner die Waffenlieferungen nicht als Bedingung für die politisch-wirtschaftlichen Beziehungen genannt haben. Herr Bundeskanzler, jetzt frage ich Sie schlicht und einfach, bei dem, was wir gemeinsam an Würde und internationalem Umgangston den Führern Saudi-Arabiens unterstellen dürfen: Was hätten eigentlich die Verantwortlichen in Saudi-Arabien anderes sagen sollen?
Sie müssen sich vorhalten lassen, daß Sie Ihren Beitrag dazu geleistet haben, daß die saudiarabische Regierung überhaupt in eine solche Lage gekommen ist, und zwar nur deswegen — auch das will ich nach diesem Gespräch mit Ihnen sagen —, weil Sie ganz klar sehen, daß sie die innerparteilichen Schwierigkeiten eben nicht überwinden können. Es besteht ein gewisser Unterschied zwischen Bruno Kreisky und Ihnen, wenn man die einzelnen Debatten dazu hört.



Dr. Kohl

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903402000
Sie müssen wissen, was die politischen Kräfte denken. Es ist normal — auch das füge ich hinzu —, daß diese Frage in allen Fraktionen und Parteien kontrovers diskutiert wird, wobei ich schlicht und einfach behaupte, daß bei dem Informationsstand, den wir jetzt alle hier im Hause haben, niemand heute bereits ein abschließendes Urteil abgeben kann. Ich wehre mich dagegen, daß aus blanker Emotion heraus eine so zentrale Frage der Welt — und der deutschen Politik besprochen wird. Es ist also Ihre Sache, die Richtlinien über den Waffenexport zu überdenken. Wir sind gerne bereit, uns an dieser Diskussion zu beteiligen.
Eines ist auch sicher — es ist bedrückend, daß wir hier darüber so reden müssen —: Die deutsch-israelischen Beziehungen haben sich erschreckend verschlechtert. Die nicht zu rechtfertigenden Äußerungen von Ministerpräsident Begin sind nicht nur die Ursache, sondern sie sind Ausdruck der seit langem schwelenden Krise in den beiderseitigen Beziehungen. Ich habe bereits im August 1979 nach den Besuchen der Kollegen Möllemann und Brandt und den Gesprächen mit Herrn Arafat öffentlich darauf hingewiesen, wie sich die Belastungen entwickeln werden.
Herr Bundeskanzler, es ist doch nicht bestreitbar, daß Sie die Einladungen nach Israel immer wieder abgelehnt haben. Herr Bundeskanzler, auch dies muß dann heute halt wieder einmal zur Sprache kommen: Im Jahre 1979 ging ein böses Wort durch die deutsche Öffentlichkeit. Ich habe Sie damals aufgefordert, dazu Stellung zu beziehen. Ich habe nichts gehört. Damals wurde Ihnen das Wort zugeschrieben, Sie wollten nicht als „wandelnde Aktion Sühnezeichen" nach Israel gehen. Meine Damen und Herren, die Freundschaft zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel ist ein wertvolles Gut der gesamten deutschen Nation.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es hat nach all dem, was geschehen war, verständlicherweise viele Jahre gedauert, diese Freundschaft unter Konrad Adenauer und Ludwig Erhard zu begründen und zu festigen. Diese Freundschaft darf nicht durch eine Politik ohne Augenmaß und Fingerspitzengefühl mutwillig gefährdet werden.
Deshalb — und ich will es so maßvoll tun, wie Sie es geraten haben, Herr Bundeskanzler — will ich als Führer der Opposition im Deutschen Bundestag doch etwas sagen zu den maßlosen und bedauerlichen Ausfällen des israelischen Ministerpräsidenten auch gegen Sie: Im Wahlkampf geschieht manches. Aber auch die Wahlkampfsituation in Israel ist für mich in keiner Weise eine Entschuldigung für diese Äußerungen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich will hier nachdrücklich sagen, daß wir, die CDU/ CSU — und ich glaube, in diesem Falle darf ich wahrscheinlich im Namen der großen Mehrheit der Kollegen aller Fraktionen hier sprechen —, diese Art Angriffe auf den frei gewählten Bundeskanzler
der Bundesrepublik Deutschland entschieden zurückweisen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Diese Form der persönlichen Herabsetzung und Diffamierung ist ein unerträglicher und unmöglicher Umgangston im internationalen Bereich und vor allem unter befreundeten Ländern.
Das ist jetzt alles ja wirklich keine parteipolitische Frage. Gerade am heutigen Tage, dem Jahrestag, dem Geburtstag des Staates Israel, ist dieser Vorgang bedrückend und traurig, für die Älteren, die die Reichskristallnacht noch erlebt haben und sich damals geschworen haben — auch im anderen Teil Deutschlands —: „Das darf nie wieder passieren", und für die vielen Jüngeren und Jungen, die eine besonders herzliche Sympathie für das Volk und den Staat Israel besitzen und die es beinahe physisch verspüren, wie schrecklich diese Entwicklung im Nahen Osten ist, daß wir, die Deutschen, die eine geschichtlich begründete, traditionelle Freundschaft zu der arabischen Welt besitzen, die wissen, daß unsere Kultur, unsere Wissenschaft unendlich viel aus diesem Austausch mit der arabischen Welt im Laufe der Geschichte gewonnen haben, diese Freundschaft erhalten wollen, aber daß wir von Herzen wünschen, daß die neugewonnene Freundschaft mit dem Volke und dem Staate Israel auch möglich ist. Das ist kein feiges Wegdrücken von internationaler Verantwortung. Aber wenn man einen alten Freund hat und gewinnt einen neuen hinzu, ist es auch im menschlichen Leben nicht zumutbar, den einen zugunsten des anderen zu opfern. Deswegen leiden wir, obwohl weit entfernt von dieser Region, nach der Zahl der Kilometer, vielleicht mehr — aus dieser besonderen geschichtlichen Situation heraus — unter dieser Entwicklung.
Und ich füge hinzu: Wir alle — ohne Ausnahme — in diesem Hause tragen schwer an der Last der Geschichte. Zu unserer Geschichte, zur Geschichte der Deutschen, gehören großartige Kapitel und schreckliche Taten, gehört Auschwitz, gehören Dachau und Treblinka, gehört auch der Respekt vor dem Mann Begin, der in seiner Familie Entsetzliches erlebt hat — auch das füge ich hinzu. Und ich möchte mir versagen, einen Hinweis zu geben, was man nach einem solchen Leben in einem konkreten Handlungsvorgang erwarten kann. Ich will nur in aller Ruhe sagen: Zur deutschen Geschichte gehört aber auch das andere Deutschland, der 20. Juli, die Studenten der Weißen Rose und so viele Deutsche, die neben deutschen und nichtdeutschen jüdischen Mitbürgern in der Barbarei Hitlers zugrunde gegangen sind.
Wir alle wissen, daß Verbrechen und Mord und Not und Tränen und Leid sich nicht materiell wiedergutmachen lassen, aber wir dürfen sagen — weil es eine geschichtliche Leistung der Deutschen ist —, daß sich alle Menschen guten Willens in unserem Lande nach dem Kriege zusammengefunden haben, um eine neue Seite, ein neues Kapitel im Buch der Geschichte aufzuschlagen. Der Wille zur Wiedergutmachung war für uns alle immer ein Wille zu einem neuen Anfang mit dem Volk und dem Staat Israel in einem friedlichen und freundschaftlichen Miteinander. Vor allem war und ist es der Wille der jungen



Dr. Kohl
Generation. Ich bin immer wieder sehr froh darüber, wenn ich in den Arbeitsbilanzen unserer Partei sehe — das ist bei den anderen demokratischen Parteien nicht anders —, daß innerhalb des Kontingents der Auslandsreisen der Jungen Union, der Schülerunion und des RCDS die Reisen und der Austausch in Gruppen nach und aus Israel Jahr für Jahr an der Spitze stehen. Das ist deutsche Realität 1981.
Gerade wegen dieser Äußerungen aus Israel — aber nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Reaktionen und Reflexionen darauf — will ich darauf hinweisen, daß man nicht vergessen darf, daß 1981 über 60 % der heute in unserem Lande bewußt lebenden Menschen nach Hitler geboren sind. Pauschalurteile über die mittlere und ältere Generation, die in jenen Jahren lebte, sind daher unerträglich. Kollektivurteile sind immer falsch; sie sind ungerecht und vor der Geschichte nicht haltbar. Wer heute, 36 Jahre nach dem Ende Hitlers, sagt: „Ich will nicht die Hand eines Deutschen ergreifen, der am Krieg teilgenommen hat", der mag das für sich persönlich aus seiner Lebenserfahrung sagen können. Den Staatsmann, den verantwortlichen Politiker muß man fragen dürfen: Ist das der Weg, auf dem wir uns um des Friedens willen aufeinander zubewegen müssen? Mit diesem Satz — lassen Sie mich auch das ganz offen sagen — wird Jahrzehnte nach Hitler erneut der Versuch unternommen, eine Kollektivschuld der Deutschen zu konstruieren, die vor den geschichtlichen Tatsachen dieses Jahrhunderts und vor der Geschichte unseres Volkes nicht haltbar ist und die für uns unerträglich ist.
Die Deutschen — obwohl sich unsere Mitbürger im anderen Teil Deutschlands nicht äußern können, glaube ich, daß wir auch in ihrem Namen sprechen dürfen — wollen die Geschichte und ihre Lehren nicht vergessen. Wir wollen daraus lernen. Aber die Lektion der Geschichte ist nur dann sinnvoll, wenn man nach vorn blickt und wenn man mit dem eigenen Tun einen Beitrag für die kommenden Generationen leisten will.
Ich will in diesem Zusammenhang zwei Stimmen von deutschen Juden zitieren, die dieses Jahrhundert in einer besonderen Weise durchlitten haben. Leo Baeck, der spätere Präsident der Reichsvertretung der deutschen Juden, schrieb Ende der 20er Jahre — das ist beinahe eine Vision des Schreckens und dessen, was danach kam — folgende Sätze:
Die Menschheit besitzt ihre Geschichte, das will sagen: in ihr ist das Vermögen, sich immer wieder zu erneuern, immer wieder geboren zu werden, immer wieder zu beginnen, das Hemmende zu durchbrechen und das Zerstörende zu überwinden, der Versöhnung sich immer wieder zuzuwenden. Denn der Weg der Geschichte bleibt. Trotz aller Irrpfade, trotz aller Sünden bleibt das Gute die Aufgabe der Menschheit. Wenn die Geschichte ihn hat, diesen Tag der Umkehr, so hebt eine Epoche in ihr an.
Vor zwei Jahren saßen wir beide dabei, Herr Bundeskanzler, als aus Anlaß der vierzigsten Wiederkehr der Reichskristallnacht der Gründungspräsident des Jüdischen Weltkongresses, Nahum Goldmann, in Köln sagte:
Und so hoffe ich, daß mit der Bundesrepublik und ihrer Politik in jüdischen und israelischen Fragen das alte Kapitel zwar nie vergessen, aber abgeschlossen wird und ein neues Kapitel fruchtbarer, gegenseitiger Beziehungen und gegenseitiger schöpferischer Beeinflussung beginnen wird in diesem großen, einzigartigen historischen Epos, das man nennt „Juden und Deutsche".
Wir können alle nur hoffen, daß das in Erfüllung geht. Aber den Politikern in der Arena des Tages muß es auch angesichts der Last dieser Geschichte selbstverständlich möglich sein zu sagen: Die Verbundenheit und die Freundschaft mit Israel können und dürfen nicht bedeuten, daß wir eine uneingeschränkte Zustimmung zur Politik der Regierung Israels in allen Teilen sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Umgekehrt — das stimmt auch — dürfen unsere Beziehungen zu den arabischen Staaten nicht die Existenzfrage und die berechtigten Interessen Israels beeinträchtigen.
Die Tatsache, Herr Bundeskanzler, daß Sie in Ihren Äußerungen im Fernsehen zu Fragen des israelisch-arabischen Konflikts über die Gemeinsame Erklärung des Europäischen Rats vom Juni 1980 deutlich hinausgegangen sind, hat eben den Verdacht erweckt, daß Sie für die nicht erfolgte Zusage von Waffenlieferungen hier in einer bestimmten Weise der anderen Seite entgegengekommen sind, daß Sie Zugeständnisse gemacht haben. Sie sind heute auf diese Äußerungen nicht zurückgekommen. Ich hätte mir gewünscht, daß die Linie Ihrer Äußerungen in diesen Tagen immer so gewesen wäre, wie Sie es heute vorgetragen haben.
Wir wissen — und das gehört in den Kontext dieser Waffenexportdiskussion —, daß der gesamte Nahe und Mittlere Osten spätestens nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan als Ganzes angesehen werden muß. Wir alle wissen, daß Krisen in diesem Raum die westliche Sicherheit entscheidend bedrohen, daß sich dort ein Ost-West-Konflikt weltweit entwickeln kann.
Die Schlußfolgerung ist klar — ich wiederhole sie noch einmal —: Keine Maßnahme in dieser Region darf isoliert betrachtet werden. Alles muß im Gesamtkonzept des Westens eingebettet sein. Bis zur Stunde fehlt ein solches Gesamtkonzept. Vielmehr besteht die Gefahr, daß es zu einer gänzlich überflüssigen und verderblichen Konkurrenz zwischen den Europäern und den USA kommen könnte. Die Ansätze haben wir bereits bei der Erklärung des Europäischen Rats in 1979 erlebt.
Meine Damen und Herren, im Rahmen eines solchen Gesamtbeitrags muß — um noch einmal Ihre Frage, Herr Bundeskanzler, von vorhin aufzunehmen — ein denkbarer deutscher Beitrag abgesprochen bleiben: mit den USA, mit dem Bündnis, mit Israel, mit Ägypten — darüber haben wir heute über-



Dr. Kohl
haupt nichts gehört; aber auch das gehört dazu — und allen anderen im Mittleren und Nahen Osten.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ich habe in diesem Zusammenhang schon einmal im Frühjahr dieses Jahres auf die Vorschläge der vier Direktoren der Forschungsinstitute für internationale Politik hingewiesen. Es sollte doch möglich sein, solche Fragen, die die Existenz unseres Staates berühren, emotionsfrei miteinander zu diskutieren. Dazu gehört auch die Frage der Waffenexporte.
Herr Bundeskanzler, ich streite jetzt nicht, wann der wirklich richtige Zeitpunkt für diese Debatte ist. Ich sage hier nur schlicht und einfach: Von uns können Sie eine abschließende Stellungnahme und Antwort erst bekommen, wenn wir wirklich wissen, was Sie selbst wollen und was Sie selbst dazu denken.
Wir haben in den letzten Monaten — dabei haben wir uns viel Spott zugezogen — oft von notwendiger Gemeinsamkeit in Grundfragen gesprochen. Ich sehe die Chance für eine solche Gemeinsamkeit angesichts der beschriebenen Entwicklung innerhalb der Sozialdemokratie für immer geringer an. Aber ich füge hinzu: Dennoch, es wäre nützlich, in diesen Schicksalsfragen der Existenz unseres Landes, in den Schicksalsfragen, die im weitesten Sinne des Wortes auch im Nahen Osten für uns mitentschieden werden, zum Gespräch bereit zu sein. Wir sind dazu bereit. Wir wünschen uns allerdings, Herr Bundeskanzler, daß Sie von Mut nicht nur sprechen, sondern Mut vorleben. Heute habe ich eigentlich mehr Resignation und Abschied von der Wirklichkeit als Gestaltung der Zukunft erkennen können.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903402100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wischnewski.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0903402200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Kohl, ich möchte Ihnen zuerst sehr herzlich für das danken, was Sie gesagt haben in bezug auf die beleidigenden Äußerungen des Herrn Begin gegenüber dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Es ist ein gutes Zeichnen, daß das Haus in dieser Frage offensichtlich übereinstimmt.

(Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und nun

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Zweiter Teil!)

darf ich einige Bemerkungen zu dem machen, was Sie offensichtlich in sehr starkem Maße in unserer Partei beunruhigt. Herr Dr. Kohl, ich bin etwas mehr als 35 Jahre Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Ich glaube, ich kenne diese Partei ganz gut. Sie sollten sich da nicht zu früh irgendwelche Hoffnung machen. Wenn es ernst wird, steht diese Partei ihren Mann und wird diese Bundesregierung unterstützen in ihrer Politik insgesamt. Bitte keine falschen Hoffnungen!

(Beifall bei der SPD)

Im übrigen hat mich bei diesem Teil Ihrer Aussagen sehr gestört, daß Sie immer nur vom Nachrüstungsbeschluß gesprochen haben, Herr Dr. Kohl. Dies ist ein Doppelbeschluß. Ich mache mir da so meine Gedanken. Wenn einer immer nur von der Nachrüstung spricht, gewinne ich den Eindruck, daß die Verhandlungsfrage,

(Frau Pack [CDU/CSU]: Das hat er mindestens zehnmal gesagt! Da haben Sie nicht zugehört!)

die Bestandteil des Doppelbeschlusses ist, für ihn nicht diese Bedeutung hat.

(Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich habe sehr kurze Redezeit. Ich bitte um Verständnis, daß ich sie voll nutzen muß.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie haben die Unwahrheit gesagt! Unglaublich! Wir sind für beide Teile! Das hat Herr Kohl gesagt! Sie sagen die Unwahrheit!)

Aber nun will ich Ihnen ein offenes Wort sagen zur Situation in meiner Partei. Herr Dr. Kohl, es entspricht den Tatsachen: Wir haben in der SPD eine tiefgreifende und auch schwierige Diskussion. Wir schämen uns dieser Diskussion nicht. Wir bekennen uns zur Diskussion. Wir werden sie bestehen; denn unsere Partei ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft — unserer Gesellschaft mit all ihren Problemen und all ihren Sorgen.
Viele Menschen in unserem Lande machen sich Sorgen um Überrüstung und Rüstungswettlauf. Die Kirchen — und zwar die beiden Kirchen — sind ein beredtes Beispiel für diese Situation. Eigentlich ist es schade, daß die Christdemokraten so wenig Kontakt zu den Kirchen haben, daß sie diese Entwicklung offensichtlich nicht spüren und meinen, dies sei ein Vorgang, der sich nur in der sozialdemokratischen Partei abspiele. Darin unterscheiden wir uns ganz wesentlich. In Ihrer Partei, in der CDU/ CSU, herrscht Ruhe, Friedhofsruhe, in dieser Frage. Sie sind kein Spiegelbild der Gesellschaft unseres Landes in dieser Frage. Wenn jemand wagt, bei Ihnen eine andere Meinung zu vertreten, wie Herr Merschmeier — dessen Meinung ich nicht teile — dann wollen Sie ihn aus der Partei hinausschmeißen.

(Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Nicht einmal der Name stimmt!)

So werden allerdings in der Sozialdemokratischen Partei Probleme nicht gelöst.

(Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/ CSU]: Würden Sie mir sagen, wo „Herr Merschmeier" wegen was aus der Partei ausgeschlossen werden soll?)

— Gegen ihn gibt es ein Ausschlußverfahren in der CSU — das ist doch Ihre Schwesterpartei — deshalb, weil er in dieser Frage eine andere Meinung vertritt.

(Abg. Dr. Kohl [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)





Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903402300
Herr Kollege Wischnewski, erlauben Sie — —

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0903402400
Ich teile seine Auffassung nicht, aber ich finde, es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, wenn jemand aus der Partei rausgeschmissen wird, wenn er es wagt, in einer solchen Frage eine andere Meinung zu haben.

(Beifall bei der SPD — Abg. Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Nicht einmal der Name stimmt!)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903402500
Herr Kollege Wischnewski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohl?

Dr. Helmut Kohl (CDU):
Rede ID: ID0903402600
Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß es einen Vorgang dieses Namens überhaupt nicht gibt? Wären Sie weiterhin bereit, im Laufe der heutigen Debatte — es ist jetzt kein Thema — wirklich einmal die hier gemachte Aussage, die rundherum falsch ist, zu überprüfen? Ihre Information ist völlig falsch. Es gibt diesen Vorgang nicht.

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0903402700
Nein?

(Dr. Ehmke [SPD]: Du hast dich versprochen; der Mann heißt Mechtersheimer!)

— Ich bitte um Entschuldigung, ich habe mich im Namen versprochen. Dafür gibt es genügend Unterlagen, daß gegen den Mann, der gestern hier im Hause seine Auffassung vertreten hat — ich sage noch einmal: die ich nicht teile —, ein Parteiverfahren eingeleitet ist.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Der Kollege Zimmermann weiß das sehr genau. Sie brauchen sich nur bei Ihrem Stellvertreter über diesen Vorgang zu informieren.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ich habe doch gesagt, es gibt diesen Vorgang nicht!)

— Den gibt es.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das stimmt einfach nicht!)

— Lassen Sie uns nicht streiten! Es gibt diesen Vorgang.

(Heiterkeit bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Kohl, Sie haben die Haltung des Vorsitzenden der SPD angesprochen und haben sich dabei insbesondere auf den Parteitag in Aalen berufen. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei hat in Aalen das gesagt, was Bestandteil der Entscheidung des Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei ist. Er hat das wörtlich zitiert. Diese Entscheidung hat der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei bei zwei Stimmenthaltungen getroffen. Ich darf wörtlich zitieren:
Die Aufstellung von Mittelstreckenraketen als Antwort auf die sowjetische SS-20-Rüstung wird von dem Ergebnis dieser Verhandlungen abhängig sein. Sie ist ohnehin erst im Herbst 1983 möglich. Angesichts der Tatsache, daß die
Sowjetunion in der Zwischenzeit einen beträchtlichen Vorsprung auf diesem Gebiet erreicht hat, käme ein Einfrieren der heutigen Situation nicht in Frage. Die SPD unterstreicht die Notwendigkeit des Doppelbeschlusses der NATO, der weder eine Position der Schwäche hinnehmen will, noch nach Überlegenheit strebt.
Darauf hat sich der Parteivorsitzende auf dem Parteitag in Aalen berufen. Dieses entspricht der Vorstellung der Sozialdemokratischen Partei.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist nur die halbe Wahrheit!)

Sie haben gesagt, darüber sei doch schon entschieden. Auch da besteht zwischen Ihnen und uns ein ganz großer Unterschied. Wir haben uns das nicht leicht gemacht im Dezember 1979. Wir haben eine große Auseinandersetzung um diese Frage auf unserem Parteitag gehabt, und 80 % haben sich für das entschieden, was ich hier vorgetragen habe.
Herr Dr. Kohl, noch eine vorletzte Bemerkung zu Ihnen. Sie haben uns einen Antrag zum Thema Sicherheitspolitik und Nachrüstung angekündigt. Ich formuliere wörtlich so, wie ich es Ihrer Pressemitteilung entnommen habe. Ich darf Ihnen sagen, wir danken Ihnen sehr dafür, daß wir die Chance haben werden, diesen Antrag zu behandeln und darüber zu entscheiden. Das hilft in ganz starkem Maße, auch dem letzten Mitglied meiner Fraktion klarzumachen, daß nicht zerstört werden darf, was Sozialdemokraten und Freie Demokraten in gemeinsamer Arbeit in den letzten 12 Jahren im Interesse des Friedens und der Sicherheit unseres Landes aufgebaut haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP) Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.

Wenn Sie in dem Zusammenhang sagen, mit Ihren Stimmen zur Unterstützung der Bundesregierung dürften wir dabei nicht rechnen, Herr Dr. Kohl, so sage ich Ihnen, daß wir sie nicht brauchen.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Da wäre ich sehr vorsichtig! Das hat schon einmal einer gesagt!)

Es würde uns auch sehr überraschen; denn in diesen 12 Jahren haben wir alle wichtigen Entscheidungen, die Frieden und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betreffen, gegen Sie fällen müssen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir haben Ihre Unterstützung bei jeder einzelnen Entscheidung nicht gehabt.

(Frau Pack [CDU/CSU]: Das ist die Unwahrheit!)

Deswegen sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit: Wir werden Ihnen den Beweis dafür erbringen, daß wir unserer Aufgabe auch so gerecht werden.
Dann haben Sie über unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten gesprochen. Da muß ich Ihnen eine ganz deutliche Mitteilung machen. Wir wissen, daß die Vereinigten Staaten unser wichtigster Partner im Bündnis sind, und das bestimmt unsere Poli-



Wischnewski
tik und auch die Politik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Deswegen wünschen wir dem Bundeskanzler bei seiner bevorstehenden Reise Erfolg im Hinblick auf die bilateralen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das verstehn wir ja!)

Erfolg für unser Bündnis und Erfolg bei dem Bemühen, einen Beitrag zu leisten, der den Frieden in der Welt sicherer macht. Wir tun in diesem Bündnis unsere Pflicht und Schuldigkeit: 495 000 Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere, mit erheblichen Opfern der Bürger. Wir tun also unsere Pflicht in unserem Bündnis. Aber, Herr Dr. Kohl, ich sage hier in aller Deutlichkeit: Über die Sozialleistungen in der Bundesrepublik Deutschland wird ausschließlich hier in diesem Saal und nicht im Pentagon entschieden. Das sagen wir in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das wissen wir doch selber!)

— Ich sage das, weil Sie glauben, kritische Bemerkungen seien nicht angebracht. Wenn Sie es selber wissen, so sagen Sie es doch, damit Sie nicht in den falschen Verdacht kommen, daß Sie dies alles schlucken!

(Windelen [CDU/CSU]: Kindisch! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Manchmal ist Schweigen Gold! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Si tacuisses!)

Eine zweite Bemerkung. In den Vereinigten Staaten wird über wachsenden Pazifismus in Europa gesprochen. Ich weiß, daß das ein Thema von Bedeutung ist. Pazifismus ist keine Schande, aber damit werden keine Probleme gelöst.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist politisch gefährlich!)

Wir haben gemeinsam politisch dafür Sorge getragen, daß dem ein Platz im Grundgesetz eingeräumt wird. Aber ich weiß nicht, ob diejenigen besonders geeignet sind, uns Ratschläge in dieser Frage zu erteilen, die in ihrem Lande die allgemeine Wehrpflicht nicht kennen und die sich deshalb auch überhaupt kein Urteil darüber erlauben können, wie die Situation in dieser Frage bei ihnen aussehen würde.
Nun lassen Sie mich zu dem Thema kommen, das der Bundeskanzler angesprochen hat. Wir begrüßen, daß die Bundesregierung dieser Region erneut ihre Aufmerksamkeit gewidmet hat. Das Königreich Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind wichtige Partner in der wirtschaftlichen, aber auch der politischen Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland. Aus diesen Ländern kommen heute mehr als 30 % des Erdöls, das wir brauchen. Beide Länder — Saudi-Arabien und die Vereinigten Emirate — nehmen in der OPEC eine gemäßigte Haltung ein und denken auch an die Probleme der Nicht-Ölländer. Saudi-Arabien gewährt uns Kredite. Es hat eine große Bedeutung für das
Recycling, über das so viel geredet wird. Beide Länder sind wichtige Exportpartner für uns.

(Vorsitz: Vizepräsident Wurbs)

In Saudi-Arabien leben heute mehr als 12 000 Bundesbürger, und mehr als 250 Unternehmungen aus der Bundesrepublik Deutschland haben dort Büros errichtet.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist alles unstrittig!)

Wir wollen, daß diese Beziehungen im gemeinsamen Interesse weiter ausgebaut werden.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Deshalb sind wir dem Bundeskanzler dankbar, daß er diese Reise nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate unternommen und Gespräche geführt hat, die weit über das hinaus gehen, was offensichtlich viele hier in unserem Land nur sehr einseitig beschäftigt hat.
Herr Dr. Kohl, in bezug auf die Waffen haben Sie dem Bundeskanzler eine Frage gestellt. Eigentlich liegt die Antwort darauf längst bei Ihrer Fraktion. Ein Kollege hat ja eine solche Frage gestellt, und die Frage ist von der Bundesregierung beantwortet worden. Damit es auch im Protokoll steht, möchte ich die Antwort der Bundesregierung, die dem Kollegen bereits zugestellt ist, hier gern bekanntgeben:
Der Bundeskanzler hat weder im Sommer 1980 noch zu einem anderen Zeitpunkt Saudi-Arabien eine positive Entscheidung zur Frage von Waffenlieferungen bis Weihnachten 1980 in Aussicht gestellt. Am 11. November 1980 äußerte er in einem Gespräch mit dem saudischen Außenminister Prinz Saud ibn Feisal die Hoffnung, eine Entscheidung bis Weihnachten herbeiführen zu können. Den Inhalt der in Aussicht gestellten Entscheidung ließ der Bundeskanzler dabei ausdrücklich offen.
Ich hoffe, daß damit diese Frage geklärt ist.
Und nun lassen Sie mich eine kurze Bemerkung zu diesem Thema machen, das leider in der Berichterstattung in den Medien, wie ich meine, überbewertet worden ist.
Meine Fraktion hat zum Thema Waffenexport eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die alle Fragen grundsätzlich prüft. Die Arbeiten dieser Arbeitsgruppe sind noch nicht abgeschlossen. Ich möchte dem Ergebnis dieser Arbeitsgruppe auch nicht vorgreifen.
Aber so viel darf man ganz deutlich sagen: Wir, die Bundesrepublik Deutschland, wollen — und daran sollten wir alle interessiert sein — kein Waffenexportland werden

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das hat die CDU längst gesagt!)

wie meinetwegen die Sowjetunion, die Vereinigten Staaten, Frankreich, England und auch Italien, die alle auf diesem Gebiet weit mehr tun als die Bundesrepublik Deutschland. Wir wollen unsere große Zu-



Wischnewski
rückhaltung beibehalten. Wir wollen auch nicht mit dem Waffenexport neue Arbeitsplätze schaffen. Dies ist nicht der Weg dazu.
Aber wir müssen auch Verständnis für das Sicherheitsbedürfnis der uns befreundeten Länder in dieser Region haben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch das ist wahr!)

Ich weiß, daß der Südjemen ein sowjetischer Stützpunkt geworden ist, der den Nachbarn große Sorgen bereitet. Wir können uns auch nicht von anderen unsere wirtschaftlichen Chancen abjagen lassen.
All dies wird in Ruhe zu überlegen sein

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Richtig!)

unter dem Grundtenor, den ich zu dieser Frage zu Beginn gesagt habe: Wir sind dem Bundeskanzler für sein zurückhaltendes Auftreten in dieser Frage in Saudi-Arabien sehr, sehr dankbar.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wenn ich daran denke, wie Frau Thatcher in Waffenfragen dort aufgetreten ist,

(Dr. Zimmermann [CDU/CSU]: Und wie Bruno Kreisky dort auftreten wird!)

dann wird dies besonders deutlich. — Die Formulierungen sind völlig anders, lieber Herr Kollege Zimmermann.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Bei Bruno Kreisky, das ist wahr!)

Das ist eben ein erfahrener Politiker, der Bruno Kreisky.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Große Klasse war das! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Ja, sicher, der formuliert das sehr viel anders.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Dr. Kohl, Sie haben unseren Beziehungen zu Israel große Bedeutung — ich bin dafür sehr dankbar — beigemessen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Der Bundeskanzler hat da Akten gelesen!)

Lassen Sie deswegen auch mich bitte einige Bemerkungen zu diesem Thema machen.
Ich möchte die Beleidigungen und Verleumdungen, die Herr Begin gegenüber dem Bundeskanzler Helmut Schmidt ausgesprochen hat, in aller Schärfe zurückweisen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Aber unser Verhältnis zu Israel wird nicht durch Wahlkampfentgleisungen des Herrn Begin bestimmt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Unser Verhältnis zum Staate Israel wird durch unsere Geschichte bestimmt. Unser Verhältnis zum Staate Israel wird durch die Konsequenzen bestimmt, die wir aus unserer Geschichte gezogen haben; Politik gestalten heißt auch nach vorne schau-
en. Unser Verhältnis zum Staat Israel wird durch unser Eintreten für das Existenzrecht dieses Staates in gesicherten Grenzen bestimmt.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Es kommt auf die Taten an!)

Unser Verhältnis zum Staat Israel wird durch ein Höchstmaß an Redlichkeit bestimmt, auch dort oder gerade dort, wo wir anderer Meinung sind als die Israelis. Unser Verhältnis zum Staat Israel wird durch Tausende von jungen Menschen aus beiden Ländern bestimmt, die sich im Jugendaustausch kennengelernt haben. Unser Verhältnis zum Staat Israel wird durch Hunderttausende von Touristen bestimmt, die Israel in den letzten Jahren besucht haben. Unser Verhältnis zum Staat Israel wird auch durch das bestimmt, was wir uns gegenüber diesem Lande zu leisten bemüht haben. Ich bin voll tiefer Dankbarkeit für die Worte, die Herr Nahum Goldman, der Ehrenpräsident der Jüdischen Weltorganisation, zu diesem Thema gefunden hat.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Für uns Sozialdemokraten sind die langjährigen guten und freundschaftlichen Beziehungen zur Israelischen Arbeiterpartei von ganz besonderer Bedeutung. Diese Beziehungen werden wir weiter pflegen und ausbauen. Wir sind ein wenig stolz darauf, daß Vertreter der Israelischen Arbeiterpartei und Vertreter verschiedener politischer Parteien aus arabischen Ländern auf unserem Parteitag in Mannheim das erste Mal miteinander an einem Tisch gesessen und miteinander über ihre Probleme diskutiert haben. Wir wollen uns darum bemühen, diese Politik fortzusetzen.
Am 9. November 1978, 30 Jahre nach dem schrecklichen Ereignis, hat der Bundeskanzler in der Synagoge zu Köln eine Rede gehalten. Ich bitte darum, einen Satz daraus zitieren zu dürfen, weil ich glaube, daß er für uns alle von ganz besonderer Bedeutung ist:
Wir Deutschen wünschen von Herzen, daß Juden, Muslims und Christen, daß Israelis und Araber in einem gerechten Frieden miteinander zu leben lernen.
Dem Gebot der Wahrhaftigkeit folgend bejahen wir das Selbstbestimmungsrecht für alle Völker im Nahen Osten. Wir wissen: ein Leben frei von Not und Bedrückung ist notwendig, damit die Menschen Frieden halten können.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der Konflikt im Nahen Osten kann nur mit friedlichen Mitteln gelöst werden. Jegliche Gewalt, ganz gleich, von welcher Seite, wird die Probleme nicht lösen. Die Lösung des Konflikts ist ohne das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser nicht denkbar. Palästinenser haben ein Recht darauf, so zu leben, wie sie selbst es wollen. Sie haben aber Rücksicht auf die Lebensinteressen ihrer Nachbarn zu nehmen, wie das auch umgekehrt zu erfolgen hat.
Die PLO ist in diesem Konflikt ein wichtiger Faktor. Eine Lösung des Konflikts ohne ihre Beteiligung ist nicht denkbar. Deshalb unterhalten Abgeordnete



Wischnewski
aller Fraktionen dorthin Kontakte und führen Gespräche. Unser Verhältnis zur PLO wird von dem Maß an Bereitschaft der PLO bestimmt, den Staat Israel in gesicherten Grenzen anzuerkennen. Dies bestimmt unser Verhältnis.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Mein Kollege Corterier wird ausführlicher zu den NATO-Entscheidungen Stellung nehmen. Ich darf nur einige wenige Bemerkungen machen.
Wir danken dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister — für Rom insbesondere dem Bundesaußenminister —, daß sie sich seit den Beschlüssen unseres Bündnisses vom Dezember 1979 konsequent um den Verhandlungsweg bemüht haben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir begrüßen die Geschlossenheit des Bündnisses nicht nur in dieser Frage, sondern in allen Fragen. Wir betrachten es als einen sehr positiven Schritt, daß konkrete Verhandlungen eingeleitet werden, und wir erwarten, daß diese Verhandlungen mit dem ernsthaften Ziel geführt werden, einen entscheidenden Beitrag zu leisten, um das nukleare Potential in Europa abzubauen. Wir bekennen uns zu unserem gemeinsamen Bündnis und zu seinen Beschlüssen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Für wen sprechen Sie da?)

— Nur in diesem Bündnis ist unsere Sicherheit gewährleistet, heißt es in der Entscheidung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herr Kollege.
Wir leisten mit der Bundeswehr in diesem Bündnis unseren gewichtigen Beitrag. Wir werden auch für die Zukunft unsere Bundeswehr so ausstatten, daß sie ihren Verpflichtungen nachkommen kann.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Einschließlich Benzin!)

Aber auch hier gelten die Maßstäbe der Sparsamkeit, die überall zu gelten haben.
Das unverzichtbare militärische Gleichgewicht wollen wir Sozialdemokraten auf einem möglichst niedrigen Niveau erreichen. Wir Sozialdemokraten werden deshalb in den Fragen der Rüstungskontrolle, der Rüstungsbegrenzung und der Abrüstung immer die Mahnenden und immer die Drängenden sein und bleiben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das sind wir alle, Herr Kollege!)

Wir wollen die von der sozialliberalen Koalition begonnene Politik des Ausgleichs, der Entspannung und der Zusammenarbeit auch über alle ideologischen Grenzen hinweg fortsetzen. Den Frieden zu erhalten ist die wichtigste Aufgabe, die uns gestellt ist.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Frieden in Freiheit!)

Für die Erfüllung dieser Aufgabe hat die Bundesregierung die volle Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. — Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903402800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoppe.

Hans-Günter Hoppe (FDP):
Rede ID: ID0903402900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gehört nun einmal zu der natürlichen Aufgabe der Opposition, zu kritisieren und zu korrigieren.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Gut, daß Sie das bestätigen!)

Aber zu leicht werden daraus manchmal auch Räsonieren und Ignorieren. Dabei will und kann niemand der Opposition die innenpolitischen Reflexionen zu einem außenpolitischen Thema verwehren; aber ein wenig mehr Fairneß bei der Wertung der Ergebnisse von Riad und von Rom hätte ihr dennoch wohl angestanden.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Wer hat denn die Ergebnisse von Rom negativ bewertet?)

Meine Damen und Herren, Bundeskanzler Schmidt und Außenminister Genscher haben auf zwei verschiedenen Schauplätzen, nämlich im Nahen Osten und auf der NATO-Ebene, in hervorragender Weise der Wahrung deutscher Interessen gedient. Sie haben mit ihrem Engagement die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß sich neue Perspektiven für eine Politik der stärkeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Friedenssicherung eröffnen. Die Freien Demokraten sprechen dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister dafür Dank und Anerkennung aus.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Es war ja eher zufällig, daß der Bundeskanzler seine Reise nach Saudi-Arabien und Abu Dhabi fast zeitgleich mit der Frühjahrstagung der NATO-Außenminister in Rom antrat. Aber diese Parallelität hat sehr eindrucksvoll bewußt werden lassen, welche Fakten für eine gesicherte Zukunft für die Bundesrepublik Deutschland maßgeblich sind: erstens der gemeinsame Wille der westlichen Allianz zur glaubwürdigen Verteidigungsbereitschaft, zur Sicherung des Friedens und der Freiheit; zweitens die Fähigkeit und Bereitschaft, den Ost-West-Dialog mit dem Ziel des fairen Interessenausgleichs, des Konfliktabbaus und der Rüstungsbegrenzung gerade in schwierigen Zeiten in Gang zu halten; drittens die Qualität unserer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen auch zu den Partnern am Persischen Golf.
Die Freien Demokraten haben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß gute Chancen bestehen, die Zusammenarbeit zwischen Bonn und Riad weiter zu vertiefen. Wie stets in der Politik gründet sich auch diese Entwicklung auf eine zunehmende Übereinstimmung der Interessen. Dies bewirkt und deutlich gemacht zu haben, ist nicht zuletzt das Verdienst von Bundeskanzler Schmidt.

(Beifall bei der FDP und der SPD)




Hoppe
Er hat eben nicht — wie die Opposition tönt — Unklarheit und Unsicherheit geschaffen, sondern durch Klarstellung für eine sichere Basis des Vertrauens gesorgt.
Meine Damen und Herren, das gilt für das herausragende Interesse an einer Friedensregelung im Nahen Osten, die das Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen einschließt. Das bezieht sich auf die Aufklärung über unsere besonders sensible und restriktive Haltung in Sachen Waffenexport. Und das umfaßt schließlich den bedeutsamen Aspekt der wirtschaftlichen Kooperation. Was hier an Klarstellung auch auf dem so heiklen Feld des Waffenexports erreicht wurde, sollten wir in dieser Debatte nicht unnötig wieder verwässern und verwischen wollen. Es kommt doch wohl nicht von ungefähr, daß ein Blatt wie „The Times of India" nach den Gesprächen des Bundeskanzlers feststellen konnte, daß er „den Mut hatte, vorerst zumindest, nein zu sagen". In einer Zeit, da sich westliche Staatsmänner gegenseitig auf die Füße treten, um riesige arabische Kauforders einzuheimsen, hat der deutsche Kanzler gesagt, daß eine Linie irgendwo gezogen werden kann und gezogen werden muß.
Meine Damen und Herren, es ist gut, zu wissen, daß diese offene Sprache auf Verständnis gestoßen ist. Dies erleichtert die Klärung offener Fragen und schließt Enttäuschungen von vornherein aus.
Nun gehört Saudi-Arabien erkennbar zu jenen Kräften im Nahen Osten, die im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern eine Lösung anstreben, die von Mäßigung und Vernunft bestimmt ist. In der Tat wird der von Präsident Sadat eingeleitete Prozeß der Aussöhnung nur bei einem konstruktiven Verhalten aller am Konflikt beteiligten Parteien weiter vorankommen. Die so viel gescholtene Initiative der Europäischen Gemeinschaft von Venedig könnte dafür zu einer stützenden Hilfestellung werden. Die Bundesregierung braucht sich deshalb ihrer Rolle bei dieser „Operation Nahost" wahrlich nicht zu schämen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, darum ist es besonders bedauerlich, ja niederschmetternd, daß die Bemühungen des Bundeskanzlers um eine nüchterne Darstellung der Probleme ausgerechnet von Israels Regierungschef so hemmungslos kritisiert wurden. Seine Ausfälle gegen den Bundeskanzler müssen alle jene betroffen machen, die sich seit Jahren für ein fruchtbares deutsch-israelisches Verhältnis und für eine Herstellung friedensfördernder Bedingungen im Nahen Osten einsetzen.

(Beifall bei der FDP)

Alle Fraktionen sind sich in diesem Engagement einig. Sie werden es deshalb auch nicht zulassen, daß der Bundeskanzler aus dieser Solidarität für Israel herausgebrochen und zum Buhmann gemacht werden soll.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

An unserer besonderen Verantwortung gegenüber
dem jüdischen Volk lassen wir nicht rütteln. Wir lassen sie nicht in Frage stellen, auch nicht durch Ministerpräsident Begin.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)

Wir Deutschen haben in der Nachkriegszeit gezeigt, daß wir die schreckliche Vergangenheit nicht leugnen wollen. Wir bleiben willens, aus den maßlosen Verbrechen an den jüdischen Mitbürgern die notwendigen Lehren und Konsequenzen für unsere demokratische Gesinnung und Gesittung zu ziehen. Wir haben — auch der Herr Bundeskanzler hat es für uns getan — um Frieden und Versöhnung gebeten. Daran soll und kann nichts geändert werden.
Das Wort von der Kollektivscham ist nach wie vor lebendig. Theodor Heuss hat es uns als Handlungsmaxime eingebrannt. Es muß uns aber erlaubt sein, j a es ist sogar geboten, daß wir aus unserer Sorge um die Gefahren und Risiken im Nahen Osten und hier gerade auch in der Sorge um Israel unsere Stimme erheben. Selbst wenn Israel betroffen ist, dürfen wir dabei nicht einäugig werden; denn auch das gebietet die bittere Lehre aus der Vergangenheit. Wer sich in der Mitverantwortung fühlt, darf nicht verantwortungslos schweigen, wenn es um existentielle Fragen geht.
Aus diesem Grund hat sich auch die Europäische Gemeinschaft wiederholt zum palästinensisch-israelischen Konflikt geäußert und Vorschläge zur Friedenserhaltung unterbreitet. Sie hat dabei eine historische Erfahrung aufgenommen, an der auch der israelische Ministerpräsident nicht vorbeisehen kann. Es wird keinen Frieden auf Dauer geben, solange nicht diejenigen, die sich als Feinde empfinden und behandeln, in der Lage sind, gemeinsam über die Beilegung dieser Feindschaft zu reden und daraus Konsequenzen zu ziehen.
Meine Damen und Herren, wir werden unverändert und unbeirrbar darauf hinwirken, daß Israel — ein Staat, der heute seinen Staatsgründungstag begehen kann — endlich in anerkannten und gesicherten Grenzen leben kann. Ausgleich unterschiedlicher Interessen, Abbau von Spannungen, Verständigung und Zusammenarbeit in vielfältiger Form — dies muß nun einmal die Leitlinie der Politik sein. Nur daran kann sich politisches Handeln orientieren, und das natürlich auch in Europa. Die 70er Jahre waren ganz wesentlich von diesen Grundsätzen geprägt. Sie haben eine Entspannung zwischen den unterschiedlichen Systemen in West und Ost zustande gebracht wie nie zuvor seit Kriegsende. Sie haben handfeste Verbesserungen gerade für die Menschen in Deutschland bewirkt. Sie haben mit der Schlußakte von Helsinki auch eine Plattform geschaffen, auf die sich viele Menschen, besonders auch viele Menschen in Osteuropa, bei ihrem Verlangen nach mehr Menschenrechten berufen konnten. Und sie haben — auch das muß immer wieder hervorgehoben werden — die äußeren Bedingungen für eine gesicherte Zukunft der Berliner ganz wesentlich verbessert.
Meine Damen und Herren, es war nun gewiß nicht unsere Schuld, daß sich die Weltlage in den vergangenen anderthalb Jahren spürbar verdüstert hat. Der Einmarsch sowjetischer Truppen nach Afghani-



Hoppe
stan, das Stagnieren der Rüstungskontrollverhandlungen, auch der Wiener Verhandlungen über Truppenreduzierungen und schließlich die zielstrebige Aufrüstung der Sowjetunion mit SS-20-Mittelstrekkenraketen haben zu erheblichen Störungen im Ost-West-Verhältnis, zu Unsicherheiten, j a zu Ängsten geführt. Es soll aber auch nicht verschwiegen werden, daß die Nichtratifizierung des SALT-II-Vertrages durch den amerikanischen Senat ebenfalls zur Irritation beigetragen hat, die auch nach dem Regierungswechsel in Washington zunächst andauerte. Die Umstellung scheint aber inzwischen beendet zu sein. Nun werden Konturen und Strukturen mit durchaus positiven Folgen sichtbar. Die bisher wichtigste ist das Ergebnis der Außenministertagung der NATO in Rom. Die dort erklärte Bereitschaft der USA, noch in diesem Jahr mit der Sowjetunion Verhandlungen über die Begrenzung der Mittelstrekkenraketen zu führen, ist ein notwendiger Schritt, um einen Rückfall in den Kalten Krieg zu vermeiden. Das westliche Verteidigungsbündnis hat Handlungsfähigkeit und Verhandlungsbereitschaft dokumentiert. Es hat damit den Willen bekundet, jenen Prozeß voranzubringen, der in die Stabilisierung eines militärischen Gleichgewichts zwischen Ost und West einmündet. Ohne dieses Gleichgewicht gibt es keine Sicherheit, und ohne Sicherheit gibt es keine realistische Entspannungspolitik.
Meine Damen und Herren, jetzt wird auch die Sowjetunion konkret werden müssen. Sie weiß sehr wohl, daß sie mit ihrer seit einigen Jahren intensiv betriebenen Produktion und Aufstellung der SS-20Raketen ein dramatisches Ungleichgewicht im Mittelstreckenbereich ausgelöst hat. Wenn die freundlichen Worte, die in den letzten Wochen aus Moskau zu hören waren, einen Sinn geben sollen, dann müßte in den nun bevorstehenden Verhandlungen ein Abbau des Ungleichgewichts erreichbar sein. Je größer nämlich die Aufgeschlossenheit der Sowjetunion in praxi sein wird, desto geringer wird der Nachrüstungsteil des NATO-Doppelbeschlusses zu Buche schlagen.
Wer Frieden dauerhaft will, darf keine einseitige Vorherrschaft wollen; das gilt für beide Seiten.
Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat in Washington wie in Moskau um Zustimmung für diesen Kernsatz der Entspannungspolitik geworben. Er hat wichtige Vorarbeit für einen neuen Anlauf im Ost-West-Dialog geleistet.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der SPD)

Ich füge, bezogen auf den guten Verlauf der NATO-Konferenz in Rom, ein Zitat aus dem Leitartikel der „Frankfurter Rundschau" von gestern an. Dort heißt es:
Daß es zu diesen Beschlüssen jetzt kam, ist in erster Linie der Hartnäckigkeit von Bundesaußenminister Genscher — in enger Zusammenarbeit mit den Außenministern Großbritanniens und Frankreichs — zu danken.
Ich meine, daß wir allen Grund haben, uns über den Ertrag dieser Politik zu freuen.
Die Bundesregierung macht mit dieser Politik deutlich, daß sie das in ihren Kräften Stehende tut, um einen Rüstungswettlauf zu verhindern. Sie greift die Sorgen der Bürger auf, die eine Eskalation des Ost-West-Gegensatzes befürchten. Wir leben nun einmal an der Nahtstelle zwischen West und Ost. Kein Volk würde von einer nicht mehr kontrollierbaren Konfrontation stärker betroffen sein als das deutsche.
Diese Politik ist nicht widerlegt, wenn sie Rückschläge erleidet. Sie verliert nicht ihre Bedeutung, wenn sich das politische Klima verschlechtert und die Versuchung zur Gewaltanwendung größer wird. Nein, Entspannungspolitik hat gerade dann die Aufgabe, eine weitere Konfliktverschärfung zu verhindern, die Konsequenzen militärischer Gewaltanwendung zu verdeutlichen und friedliche Lösungen anzubieten.
Meine Damen und Herren, wie tief ihre Wirkung tatsächlich geht, läßt sich an der Entwicklung in Polen erkennen. Die Fortsetzung des Ost-West-Dialogs, das darin enthaltene Prinzip der Nichteinmischung und die internationale Bereitschaft zu humanitärer Hilfe haben ausschlaggebend dazu beigetragen, daß sich bislang die Vernunft behaupten konnte.
Von diesem Weg der Verständigung werden wir nicht abweichen. Das Signal von Rom stellt die Weichen in die richtige Richtung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903403000
Das Wort hat der Bundesaußenminister.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0903403100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Bericht des Bundeskanzlers über seine Reise in den Nahen Osten wurden die Probleme der Region und die Aspekte deutscher und europäischer Nahostpolitik erläutert. Es kann für uns alle keinen Zweifel darüber geben, daß in dieser Nahostpolitik das durch geschichtliche Verantwortung geprägte Verhältnis der Deutschen zu dem Staat Israel eine zentrale Bedeutung hat. Von dieser Verantwortung hat sich die Bundesregierung in jeder Phase ihrer Nahostpolitik leiten lassen. Das gilt auch in Zukunft.
Diese Verantwortung veranlaßt uns aber zur Aufrichtigkeit gegenüber Israel auch dort, wo wir nicht einer Meinung sind. Diejenigen, die den Bundeskanzler am 19. November 1978 in der Kölner Synagoge gehört haben, haben sich der tiefen Bewegung nicht entziehen können, mit der er die historische und moralische Dimension des Verhältnisses von Deutschen und Juden beschrieben hat. In diesem Bewußtsein werden wir auch in Zukunft unser Verhältnis zu Israel bestimmen. Nichts, aber auch gar nichts kann uns von diesem Weg abbringen. Auch unsere Zurückhaltung angesichts der nicht zu rechtfertigenden Angriffe auf den Bundeskanzler beweist das. Ich habe Anlaß, auch namens der Bundesregierung dem Herrn Kollegen Dr. Kohl für das zu dan-



Bundesminister Genscher
ken, was er dazu und zum deutsch-israelischen Verhältnis gesagt hat.

(Beifall)

Ich möchte zu dem eigentlichen Inhalt meines Beitrags in dieser Aussprache kommen, zu einem Bericht und zu einer Bewertung der NATO-Tagung in Rom.
Das westliche Bündnis hat mit dieser Tagung in Rom in einer Zeit andauernder Bedrohung der Sicherheit und der internationalen Stabilität ein Zeichen seiner Einheit, Entschlossenheit und auch seines Willens zur Zusammenarbeit gegeben. Die Tagung der Außenminster war von dem gemeinsamen Ziel getragen, die gemeinsame Sicherheit auch gemeinsam zu bewahren. Die Übereinstimmung zwischen den europäischen und amerikanischen Bündnispartnern hat ihre Wurzel in dem Bewußtsein, daß Europa und die amerikanischen Demokratien eine Schicksalsgemeinschaft sind, daß sie ihren Platz beieinander haben und daß sie nicht gleich weit entfernt voneinander und von der Sowjetunion sind.
Die Forderung nach Mäßigung und Verantwortung in der internationalen Politik ist der unüberhörbare Aufruf, in einer schwierigen internationalen Lage nicht den Weg der Konfrontation, sondern den Weg der Zusammenarbeit zu gehen. Diese Forderung richtet sich an alle Staaten der Welt. Sie ist eine Mahnung an den Osten, aber sie ist auch ein Angebot an den Osten.
Mäßigung bedeutet Zurückhaltung überall, in der Dritten Welt genauso wie in Europa. In der sehr intensiven Aussprache waren sich alle Außenminister in dem Ziel einer konsequenten Politik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Volksrepublik Polen und in dem Willen einig, zur wirtschaftlichen Hilfe im Interesse einer Lösung der schweren wirtschaftlichen Probleme dieses Landes beizutragen. Wir erwarten das auch von allen anderen Staaten. Polen muß die freie Entscheidung bleiben, seine eigenen Probleme selbst zu lösen. Das ist die unüberhörbare Erwartung der Bündnispartner.
Das dritte Element westlichen Verhaltens zum Prozeß der Erneuerung in der Volksrepublik Polen ist der Wille des Westens zum Dialog und zur Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen Staaten des Warschauer Paktes und eben nicht das Einfrieren der Kontakte mit dem Osten. Wir wollen mit dieser konstruktiven Politik die politischen Rahmenbedingungen stabilisieren, die die von uns allen gewünschte friedliche Lösung der Probleme Polens begünstigen.
Die Feststellung des Bündnisses, daß jede Intervention von außen für die internationalen Beziehungen insgesamt die ernstesten Folgen hätte und die gesamte internationale Lage von Grund auf ändern würde, zeigt die grundsätzliche Bedeutung, die die Beachtung des Grundsatzes der Mäßigung in den Augen der westlichen Verbündeten für das Verhalten aller Staaten gegenüber Polen hat.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der sehr ausführlichen Aussprache über die Lage und Entwicklung in der Dritten Welt ist die erneute Feststellung aller Bündnisstaaten, daß echte Blockfreiheit ein wichtiger Faktor der Stabilität in der Welt ist.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)

Die Bundesregierung begrüßt es ganz ausdrücklich, daß sie sich in der Einschätzung der Blockfreiheit ebenso in Übereinstimmung mit allen ihren Verbündeten befindet wie in der Einschätzung, daß die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit der Staaten der Dritten Welt und ihr friedliches Miteinander dekkungsgleich sind mit den lebenswichtigen Interessen des Westens. Der Wille des Bündnisses zu politischen Lösungen zeigt, daß für uns Gewaltverzicht nicht eine auf Europa beschränkte politische Forderung ist, sondern Gewaltverzicht ist Richtschnur unseres Handelns überall in der Welt.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr gut!)

So wie Entspannung und Sicherheit unteilbar sind, so muß auch der Verzicht auf Gewalt weltweit gelten,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch im Nahen Osten!)

wenn nicht der Friede immer wieder in anderen Regionen und aus anderen Regionen heraus gefährdet werden soll.
Die fortdauernde Besetzung Afghanistans — aber nicht nur diese — zeigt die Bedeutung unserer Forderung.
Bekenntnis zu echter Blockfreiheit heißt auch Absage an die Übertragung des Ost-West-Gegensatzes auf die Dritte Welt.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, das Angebot des Westens zur Achtung der politischen Souveränität, das Angebot zu Handel und Technologietransfer, die Forderung des Westens, daß alle zum Kampf gegen Hunger, Armut und Unterentwicklung beizutragen haben, — diese Forderungen richten die Aufmerksamkeit der Welt auf die zentralen, auf die ursprünglichen Probleme der Entwicklungsländer, die eben nicht mit dem Ost-West-Gegensatz erklärt werden können.

(Beifall bei der FDP)

Weil wir von uns aus diesen Ost-West-Gegensatz nicht auf die Dritte Welt übertragen wollen, weil sich aber auch andere so verhalten müssen, war der Appell an alle Staaten so wichtig, nicht soziale Probleme in der Dritten Welt auszunutzen oder gar zur Erzielung politischer Vorteile Instabilität zu schüren.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wer tut das denn?)

Die Feststellung des Bündnisses, daß eine Anzahl verbündeter Staaten die Fähigkeit besitze oder entschlossen sei, sie zu erwerben, vor Aggressionen abzuschrecken und Staaten, die das wünschen, bei der Abwehr von Bedrohung ihrer Sicherheit und Unabhängigkeit beizustehen, bekräftigt erneut den geographisch unveränderten, d. h. also den geogra-



Bundesminister Genscher
phisch nicht ausgedehnten Geltungsbereich des westlichen Verteidigungsbündnisses. Diese Feststellung bekräftigt das Konzept der Arbeitsteilung und den Respekt, den alle Verbündeten, auch wenn sie in eigener Verantwortung handeln, vor der Souveränität und vor dem freien Willen bedrohter Staaten haben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist unbestritten!)

Dabei bleibt unbezweifelbar, daß der Einsatz deutscher Soldaten außerhalb des Bündnisbereichs auch in Zukunft nicht in Frage kommen kann.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, ein Beispiel für das Bemühen um friedliche Konfliktlösung ist der Beitrag der Vereinigten Staaten, Kanadas, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland zur Lösung der Namibia-Frage. Die Konferenz der fünf Außenminister der Namibia-Initiative, die am Sonntag, dem 3. Mai 1981, in Rom stattfand, hat die feste Entschlossenheit dieser fünf Regierungen bekräftigt, zu einer international akzeptablen Lösung der Namibia-Frage, eines der Hauptprobleme des afrikanischen Kontinents, beizutragen. Die fünf Staaten haben dabei die zentrale Rolle der Vereinten Nationen bei dieser Lösung unterstrichen, und sie haben festgestellt, daß die Resolution 435 des Sicherheitsrates eine solide Grundlage für die Erreichung einer Verhandlungslösung darstellt.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Genügt nicht!)

Die Bemühungen um eine Verbesserung der Chance einer Verhandlungslösung werden Vorschläge für Verfassungsvereinbarungen enthalten, um auf diese Weise einen Beitrag zum Abbau des vorhandenen Mißtrauens bei den am Konflikt Beteiligten zu leisten.
Herr Präsident, es war selbstverständlich, daß das Bündnis noch einmal seine zentrale Auffassung von der gemeinsamen Sicherheitspolitik definierte. Abschreckung und Verteidigung, Rüstungskontrolle und Abrüstung, das sind integrale Bestandteile der Sicherheitspolitik des Bündnisses.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Waren sie immer schon!)

Diese Erklärung der Außenminister bestätigt die Übereinstimmung der Sicherheitspolitik der Bundesregierung mit der Sicherheitspolitik aller ihrer Verbündeten. Wir bekennen uns nachdrücklich und ausdrücklich zu dem Ziel dieser gemeinsamen Politik, nämlich ein stabiles Gleichgewicht zu schaffen — wenn möglich, auf einem niedrigeren Streitkräfteniveau. Diese westliche Sicherheitspolitik will den Frieden sichern, sie will die Freiheit und Unabhängigkeit der verbündeten Staaten bewahren, und sie will Wettrüsten vermeiden. Diese Politik setzt den Willen voraus, jede Gesprächs- und Verhandlungsmöglichkeit zu nutzen.

(Beifall bei der FDP)

Dazu bekennt sich das westliche Bündnis ausdrücklich mit den Worten — ich zitiere —:
Die Verbündeten werden den Dialog mit der Sowjetunion aufrechterhalten und gemeinsam für echte Entspannung und die Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses arbeiten, wenn das Verhalten der Sowjetunion dies möglich macht.
Diese Erklärung, meine Damen und Herren, ist ein aufrichtiges Angebot an die Sowjetunion. Der Realismus dieser Erklärung kommt in der Feststellung zum Ausdruck, daß auch die andere Seite ihren Beitrag liefern muß. Denn jedes Angebot bedarf der Annahme.
Die Politik der Bundesregierung, wie sie sich in meinen Besuchen in Prag, Warschau und Moskau ausdrückt, wie sie sich auch aus dem bevorstehenden Besuch von Generalsekretär Breschnew in der Bundesrepublik Deutschland ergibt, ist ein Teil dieses Dialogs, eines Dialogs, der genauso von unseren amerikanischen Verbündeten geführt wird, wie die laufenden Gespräche des amerikanischen Außenministers mit dem sowjetischen Botschafter, die persönliche Botschaft von Präsident Reagan an Generalsekretär Breschnew und die beabsichtigte Begegnung der Außenminister Haig und Gromyko beweisen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ob die SPD das wohl weiß?)

Der Wille, für echte Entspannung und Entwicklung des Ost-West-Verhältnisses zu arbeiten, ergibt sich auch aus der Unterstützung des französischen Vorschlags für eine Konferenz über Abrüstung in Europa, aus der Entschlossenheit, die Wiener Verhandlungen über Truppenreduzierung in Europa fortzuführen, und schließlich aus der Absicht zur Aufnahme der Mittelstrecken-Verhandlungen.
Es kann gar kein Zweifel bestehen: Die Entwicklung auf dem Gebiet der strategischen Mittelstrekkenwaffen gibt den Europäern, vor allem uns Deutschen, besonderen Anlaß zu Sorgen. Wir nehmen diese Sorgen ernst und sind gewillt, die Fragen unserer Sicherheit offen und breit auch im eigenen Lande zu diskutieren. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß bei richtiger Einschätzung der Bedrohungspotentiale, daß bei richtiger Einschätzung des Kräfteverhältnisses bei den Mittelstreckenraketen diese Sorgen nicht ihre Grundlage in den Entscheidungen der NATO vom Dezember 1979 finden, wie uns manche auch hierzulande einreden wollen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Nein, bedroht und deshalb zutiefst beunruhigt sind wir durch die sowjetische MittelstreckenraketenVorrüstung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie vereinzelt bei der FDP und der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Der Wehner soll mal klatschen! — Heiterkeit bei der CDU/ CSU)

Dorthin sind die Warnungen vor einem neuen Wettrüsten zu richten. Auch in dieser Frage verleiht das
Nein zur Politik des Bündnisses unseren Kritikern



Bundesminister Genscher
noch keinen Alleinvertretungsanspruch auf Friedenswillen und moralische Verantwortung.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

Die Verbündeten haben mit der wohlüberlegten Erwägung, daß Überlegenheit nicht dadurch festgeschrieben werden dürfe, daß das Modernisierungsprogramm der NATO vollständig blockiert wird und daß darüber hinaus die Bedrohung der NATO dadurch aufhören würde, daß Waffensysteme, die das NATO-Gebiet vom Osten des Urals her bedrohen können, von der Begrenzung ausgenommen sind, dem sogenannten Moratoriumsvorschlag des Ostens, eine erneute Absage erteilt.
Wir begrüßen ausdrücklich die Absicht der Vereinigten Staaten, noch vor Ende dieses Jahres innerhalb des SALT-Rahmens in Verhandlungen mit der Sowjetunion über Mittelstreckenwaffen einzutreten und in den Kontakten mit der Sowjetunion diese Verhandlungsaufnahme unverzüglich vorzubereiten. Damit wird nach den Gesprächen, die es zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion im letzten Herbst gab, noch in diesem Jahr die eigentliche Verhandlungsphase eröffnet werden. An der Vorbereitung dieser Verhandlungen und an ihrer Begleitung ist die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Mitgliedschaft in der Abrüstungsgruppe und in der verteidigungspolitischen Gruppe des Bündnisses beteiligt.
Wir sprechen die Hoffnung und die Erwartung aus, daß die von Außenminister Haig erklärte Absicht, Zeitpunkt und Verfahren für diese Verhandlungen im September mit Außenminister Gromyko zu erörtern, zu der von uns allen gewünschten Verhandlungsaufnahme zu dem gewünschten Zeitpunkt führt.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir wollen dabei nicht verschweigen, daß die auch jetzt noch fortgesetzte Aufstellung sowjetischer Mittelstreckenraketen diese Verhandlungen zunehmend erschwert.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir müssen uns auch bewußt sein, daß unsere Sicherheit und der von uns so sehr gewünschte Erfolg der Mittelstreckenverhandlungen auf das schwerste gefährdet würden, wenn wir den Nachrüstungsteil des Doppelbeschlusses in Frage stellten.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

Das westliche Bündnis hat mit der Tagung von Rom seine Einheit und seine Entschlossenheit, das für die eigene Sicherheit Notwendige zu tun, unter Beweis gestellt. Diesem Bekenntnis zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit müssen nun auch in allen Mitgliedsstaaten Taten folgen. Das Bündnis hat in einer schwierigen internationalen Lage, die uns Anlaß zu großen Sorgen bietet, ein Angebot der Besonnenheit und der Verantwortung gemacht. Das Signal von Rom ist ein Angebot des Friedens, der Zusammenarbeit, des Willens zu Entspannung, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Wir appellieren an die Sowjetunion, die großen Möglichkeiten, die für alle Völker in diesem Angebot liegen, zu erkennen und auf dieses Angebot einzugehen. Westliche Politik zeichnet sich auch in dieser schwierigen Phase durch Beständigkeit und Berechenbarkeit aus. Die Erklärung, die fest begründete Politik der Allianz werde weitergeführt, bekräftigt das.
Es kann keinen Zweifel daran geben: Unsere Politik wird nur dann Erfolg haben, wenn sie in allen ihren Elementen voll und uneingeschränkt verwirklicht wird. Wer von Sicherheit redet, aber nur Rüstungskontrolle meint, gefährdet diese Sicherheit und die Aussichten von Rüstungskontrollverhandlungen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wer nur von Sicherheit redet und nur die militärische Seite sieht, läuft Gefahr, daß er sich in einen neuen Rüstungswettlauf verstricken läßt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir wollen Frieden durch Entspannung, Zusammenarbeit und Abrüstung. Wir sind uns dabei darüber bewußt, daß wir diesen Frieden nur zusammen mit unseren Verbündeten, mit den europäischen wie mit den amerikanischen, bewahren können. Wer unseren Willen zur Erfüllung unserer Verpflichtungen im Bündnis und zur Vertretung der gemeinsamen Politik in Zweifel zieht, gibt falsche Signale nach West und nach Ost.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur eine Bundesrepublik Deutschland, die ihren festen Platz im westlichen Bündnis hat, nur eine Bundesrepublik Deutschland, die durch Verläßlichkeit überzeugt, kann ihre Interessen in diesem Bündnis zur Geltung bringen, und nur sie ist auch ein vom Osten ernst genommener Gesprächspartner.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Vereinigten Staaten haben in der Vorbereitung der NATO-Außenministerkonferenz und bei ihrer Durchführung die Ernsthaftigkeit ihres Willens zu Konsultationen mit ihren Verbündeten unter Beweis gestellt. Ich habe hier Anlaß, Außenminister Haig für seinen Beitrag zu dem Ergebnis der NATO-Außenministerkonferenz ausdrücklich zu danken.
Die Erklärung von Rom umfaßt die deutsch-französische Erklärung vom 6. Februar 1981 und die Presseerklärung, die während meines Besuchs in Washington am 9. und 10. März 1981 veröffentlicht wurde. Der intensive deutsch-französische Meinungsaustausch und die engen deutschamerikanischen Kontakte haben eine Schlüsselfunktion für das Bündnis. Sie haben zu dem Einvernehmen und dem erfolgreichen Ergebnis von Rom wesentlich beigetragen.
Herr Präsident, wie immer ging dem NATO-Treffen das Deutschland-Treffen der Außenminister der Vereinigten Staaten, Frankreichs, Großbritanniens und der Bundesrepublik Deutschland voraus. Die



Bundesminister Genscher
Erklärung der Außenminister, die von allen Verbündeten unterstützt wird, hat folgenden Wortlaut — ich zitiere wörtlich —:
Die Verbündeten messen weiterhin der Aufrechterhaltung der ruhigen Situation in und um Berlin besondere Bedeutung bei. Die strikte Einhaltung und volle Anwendung des Viermächteabkommens vom 3. September 1971 bleiben für die Sicherheit in Europa, das Ost-West-Verhältnis und die internationale Gesamtlage von lebenswichtiger Bedeutung. Die Verbündeten werden auch in Zukunft die Bemühungen der Bundesrepublik Deutschland unterstützen, die Rücknahme der von der DDR vorgenommenen Erhöhung der Mindestumtauschsätze zu erreichen, die eine besonders negative Auswirkung auf die Anzahl der Touristen und Besucher hat, die in die DDR und nach Ost-Berlin reisen.

(Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Diese Erklärung unterstreicht erneut die Unterstützung aller unserer Verbündeten für unsere Deutschland- und Berlinpolitik. Nur zusammen mit den drei Schutzmächten, nur zusammen mit den anderen Verbündeten ist diese Politik möglich, und nur zusammen mit ihnen kann sie erfolgreich sein.
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein gleichberechtigter und angesehener Partner der Europäischen Gemeinschaft und des westlichen Bündnisses. Gleichberechtigt, das bedeutet, selbstbewußt die eigenen Interessen im Bündnis zu vertreten. Gleichberechtigt bedeutet aber auch, gleichwertig zur gemeinsamen Sicherheit und Freiheit beizutragen. Antiamerikanismus ist weder das eine noch das andere. Er schadet allein unseren Interessen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Als Staat in einem geteilten Land wissen wir um die Bedeutung von Zusammenarbeit und Entspannung. Deshalb kann für niemanden mehr als für uns gelten, daß ein Rückfall in den Kalten Krieg schlimmste Folgen hätte. Aber für niemanden kann auch mehr gelten, daß seine Sicherheit, seine Freiheit nur in einem handlungsfähigen westlichen Bündnis gewahrt werden können.
Die Frühjahrstagung der NATO in Rom war ein Ausdruck dieser Handlungsfähigkeit. Die dort noch einmal bekräftigte gemeinsame Politik entspricht in allen ihren Elementen unseren deutschen Interessen, und sie entspricht den von der Bundesregierung formulierten Zielen deutscher Politik. Wir werden sie auch in Zukunft zusammen mit unseren Verbündeten konsequent vertreten.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903403200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wörner.

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0903403300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das war wieder eine Fülle Goldener Worte unseres Bundesaußenministers und verehrten Kollegen Genscher. Nur, Herr Genscher: Herr Kohl muß Sie ausgezeichnet kennen. Genau das ist eingetreten, was er vorhergesagt hat. Sie haben eine Fülle von Dingen gesagt, denen wir von der CDU/CSU von Herzen zustimmen. Nur, Sie haben sie wieder in die falsche Richtung gesagt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier sitzt der Adressat Ihrer Meinungen: im eigenen Lager, in der SPD und in der FDP; ja auch in Ihrer eigenen Partei, wie Sie wissen.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903403400
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Genscher?

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0903403500
Meine Zeit ist außerordentlich begrenzt. Wenn mir das angerechnet wird, lieber Herr Präsident, dann selbstverständlich bei einem so gewichtigen Gesprächspartner.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0903403600
Herr Kollege Wörner, ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob zu Ihrer früheren Berührungsangst inzwischen auch noch eine Betrachtungsangst gekommen ist.

(Heiterkeit bei der FDP)


Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0903403700
Ich kann nur sagen: Wenn ich Sie sehe, empfinde ich weder Berührungs- noch Betrachtungsangst, vor allen Dingen keine Betrachtungsangst, lieber Herr Genscher. Und ich kann nur sagen: Wenn sich Ihre Überzeugung in der Koalition durchsetzen sollte, dann gibt es in sicherheits- und außenpolitischen Fragen kaum noch eine Meinungsverschiedenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch das Dokument, das Sie uns vorgelegt haben, das Abschlußkommuniqué der NATO-Außenministertagung in Rom, ist ein Dokument, das wir alle unterschreiben können, und zwar Wort für Wort. Da finden sich auch allerdings Töne, die wir von der Bundesregierung lange nicht mehr gehört haben. Wenn ich etwa lese:
Das von den Verbündeten angestrebte konstruktivere Ost-West-Verhältnis erfordert konkrete Anzeichen, daß die Sowjetunion bereit ist, den alarmierenden Ausbau ihrer militärischen Stärke einzustellen, von Gewaltanwendung und Einschüchterung abzulassen und die Auslösung oder Ausnutzung von Krisensituationen und Instabilität in der Dritten Welt einzustellen.
dann kann ich nur sagen: Hier ist der Gedanke der „linkage", der Verbindung eines verantwortlichen Verhaltens der Sowjetunion mit der Bereitschaft des Westens zur Zusammenarbeit, den wir uns in der Vergangenheit in dieser Deutlichkeit von Ihnen gern ausgesprochen gewünscht hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Woran wir zweifeln, verehrter Herr Außenminister, verehrter Herr Bundeskanzler, sind nicht die guten Absichten dieser Regierung. Woran wir zweifeln, zweifeln müssen, ist, daß Sie noch die Fähigkeit

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Den Willen!)




Dr. Wörner
besitzen, das, was Sie für richtig erkannt haben, in die Praxis umzusetzen.

(Sauter [Epfendorf] [CDU/CSU]: So ist es!)

Daran sind auf Grund der Entwicklungen in Ihren beiden Parteien größte Zweifel berechtigt. Und wir müssen hinsichtlich eines Teilbereichs, auf den ich noch zu sprechen komme, daran zweifeln, ob Sie noch den Willen haben, das, was Sie hier wieder einmal feierlich beschworen haben, auch in die Praxis umzusetzen.
Für die CDU/CSU gibt keinen Zweifel: Wir sind für Verhandlungen mit der Sowjetunion. Daher begrüßen wir es, daß sich die NATO in Rom auf einen Verhandlungszeitplan festgelegt hat. Herr Wischnewski, ich finde es höchst töricht, daß Sie hier den Versuch machen, zwischen solchen, die die Verhandlungen mit der Sowjetunion wollen, und solchen, die sie nicht wollen, zu unterscheiden. Die CDU können Sie damit nicht meinen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

CDU und CSU wünschen den Dialog mit der Sowjetunion. Allerdings wollen wir ihn sorgfältig vorbereitet und im Westen abgestimmt haben, so daß er zum Erfolg führen kann. Denn der Erfolg der Verhandlungen ist ausschlaggebend, nicht unbedingt ihr Beginn, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch sind wir — Herr Kohl hat es ganz deutlich gesagt; auch da haben Sie ihn völlig falsch wiedergegeben — für den Doppelbeschluß in seinen beiden Teilen. Das heißt allerdings, daß wir von der CDU/ CSU auch für die Nachrüstung sind. Denn nur die Nachrüstung kann den Frieden sichern und die Basis für erfolgreiche Rüstungskontrollverhandlungen sein.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

Wer Abrüstung will, darf sich nicht in eine Position der Schwäche begeben — das müssen Sie doch wissen, Herr Wischnewski —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das weiß er doch auch sehr gut!)

denn sonst wird er niemals wirkliche kontrollierte und wechselseitige Abrüstung erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Er weiß es, aber er wagt es nicht mehr zu sagen!)

Ich sagte schon: das Signal von Rom findet unsere Zustimmung. Das Problem allerdings ist, daß das Signal etwa des Parteitages der SPD in Baden-Württemberg eben dieses Signal von Rom, kaum daß es abgegeben wurde, sowohl bei unseren Bündnispartnern als auch bei der Sowjetunion in seiner Glaubwürdigkeit wieder restlos erschüttern muß. Das ist doch das Problem! Die Sowjetunion muß sich doch die Hände reiben, wenn sie sieht, daß das, was hier namens der Bundesregierung erklärt wird, in der Partei des Kanzlers keine oder kaum mehr Unterstützung findet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und das ist ja nicht nur unsere Sorge. Es ist auch die Sorge eines großen Teils der Publizistik. Ich nehme ein Beispiel:

(Zuruf von der SPD: Springer!)

Herr Reißmüller schreibt in der „Frankfurter Allgemeinen" am 4. Mai:
Bei der Nachrüstung verlieren Schmidt und Genscher Stück um Stück die Basis ihrer Handlungsfähigkeit ... Äußerlich ändert sich zunächst nichts. Schmidt und Genscher halten beide die Nachrüstung für notwendig und werden dabei bleiben. Doch wie lange werden sie noch imstande sein, diese Überzeugung in Politik umzusetzen? Geht es so weiter, dann kommt der Tag, da die Bundesregierung auf dem Felde der äußeren Sicherheit Unerläßliches nicht mehr tun kann. Auch dann noch wird es heißen, die Koalition stehe fest — und vielleicht stimmt das sogar. Es wird auch heißen, das atlantische Bündnis stehe fest. Aber dieses X wird man dann nicht einmal mehr ganz kleinen Kindern für ein U vormachen können.
Hier hat Reißmüller etwas ausgesprochen, was niemand von uns mit Schadenfreude zur Kenntnis nehmen kann. Darum ist es längst nicht mehr Sache des Bundeskanzlers allein, wenn die Basis seiner Partei ihm wegläuft und wenn der Handlungsspielraum der Deutschen Bundesregierung immer kleiner, immer geringer wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle und das ganze Bündnis nehmen Schaden, und die Sowjets reiben sich die Hände. Es ist ja auch kein Zufall, daß das erste Lob für den Parteitagsbeschluß von Aalen vom „Neuen Deutschland" aus der DDR kam.

(Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Es ist auch nicht mehr die Sache der SPD und des Bundeskanzlers allein, wenn sich in ihren Reihen Antiamerikanismus breitmacht und dieser vom Parteivorsitzenden der SPD noch unterstützt wird, anstatt daß er ihm entgegentritt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gefährdet unsere Glaubwürdigkeit und die Zuverlässigkeit der Regierungspolitik im Bündnis.
Und schließlich ist es auch nicht Privatsache der SPD, wenn ausgerechnet der Wissenschaftssenator von Berlin, Gaus, fordert, die Bundesrepublik Deutschland müsse die NATO neu definieren. Was er damit meint, kann man unschwer erkennen, wenn er formuliert, den amerikanischen Interessen sei nicht durch eine Unterwerfungspolitik der Bundesregierung gedient.
Was soll das heißen? Eine solche Aussage ausgerechnet eines Senators in Berlin rührt doch an den Lebensnerv Berlins.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Freiheit West-Berlins hängt ganz direkt und unmittelbar vom Bündnis und von der Präsenz der Amerikaner und der anderen Verbündeten in Berlin ab.



Dr. Wörner
Ich sage deswegen: Wer so redet und wer so handelt wie Herr Gaus in der jetzigen Situation, der spielt nicht nur mit dem Feuer, der spielt mit der Sicherheit der Berliner; und das darf nicht sein, gerade nicht in der jetzigen Situation.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und dann sagt der Herr Wischnewski: Na j a, gut; aber das sei ja doch alles Diskussion, und eine demokratische Partei müsse diskutieren. Ja, er macht es geradezu zu einer Tugend. Und die SPD sei doch nur Spiegelbild der Gesellschaft. Da kann ich nur sagen, lieber Herr Kollege Wischnewski: Das ist eben nur die Hälfte der Wahrheit. Die politischen Parteien haben vom Grundgesetz den Auftrag zur politischen Meinungsbildung, das heißt, sie dürfen nicht nur Ängste und Meinungen der Bundesbevölkerung widerspiegeln,

(Dr. Marx [CDU/CSU] sowie weitere Zurufe von der CDU/CSU: Schüren!)

sie haben die Aufgabe, darauf einzuwirken, notfalls auch solchen Überzeugungen entgegenzutreten, und zwar ohne Rücksicht auf vordergründige Popularität.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Da sprechen Sie von Wettrüsten. Ja, glauben Sie vielleicht, wir von der CDU/CSU litten etwa weniger als Sie unter dem Wettrüsten. Nur, wir haben noch den Mut, in unserer Bevölkerung das zu sagen, was der Bundesaußenminister hier auch gesagt hat, daß dieses Wettrüsten seinen Ausgang nimmt nicht in Amerika, nicht bei uns, nicht in Westeuropa,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

sondern in der Sowjetunion; und dorthin müssen Sie Ihre Appelle richten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und dann sprechen Sie vom Frieden, als ob nicht jeder von uns den Frieden leidenschaftlich wollte, nichts als den Frieden. Aber Sie wissen so gut wie wir alle — und darum sollten Sie es hier sagen und nicht Klüfte aufreißen, wo wir sie zudecken sollen —, daß der Friede nur auf der Basis eines gesicherten, stabilen Gleichgewichts wachsen kann. Der ganze Doppelbeschluß, die ganze Nachrüstung hat nur einen Sinn: jenes Gleichgewicht wiederherzustellen, das von der Sowjetunion außer Kraft gesetzt wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und Sie tun so, als hätten Sie die Abrüstung gepachtet. Wir von der CDU/CSU sind für Abrüstung, nicht nur verbal. Wir haben auch faktisch alle Abrüstungsinitiativen, soweit sie seriös waren, unterstützt und unterstützen sie noch heute. Und das wissen Sie sehr genau. Nur, Sie wissen doch auch, und darum müssen wir das unserem Volk sagen, daß man Abrüstungsverhandlungen mit Aussicht auf Erfolg nur führen kann, wenn man in diesen Verhandlungen etwas anzubieten hat. Wenn man in sie geht und nur auf den guten Willen der anderen Seite, insbesondere der Sowjets, angewiesen ist, dann geht es Ihnen so wie den Polen oder den Afghanen. Da kommen
Sie nicht zur Abrüstung. Sie verlieren Ihre Freiheit. Das ist die Konsequenz, wenn man die eigene Sicherheit vernachlässigt.

(Beifall und Zurufe von der CDU/CSU)

Und deswegen kann ich nur sagen, Herr Wischnewski: Auch wir von der CDU/CSU führen das Gespräch mit den Kirchen, mit der jungen Generation. Wir kennen ihre Sorgen. Es sind ja zum Teil unsere eigenen Sorgen. Nur machen wir es uns nicht so bequem, sondern wir trauen uns noch rauszugehen und auch für die Verteidigungsbereitschaft in der jungen Generation zu werben. Denn wenn die junge Generation nicht mehr bereit ist, diese unsere Demokratie zu schützen, dann sind wir nicht mehr in der Lage, unsere Freiheit zu bewahren, dann sind wir nicht mehr in der Lage, den Frieden zu schützen. Und deswegen verdienen die jungen Leute, die die Uniform anziehen, deswegen verdienen die Soldaten der Bundeswehr unsere Anerkennung, weil sie den Frieden sichern. Sie gefährden ihn nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber das Traurige ist ja, daß der Bundeskanzler offensichtlich müde geworden ist, daß sein Führungswille und seine Führungsfähigkeit auf gebraucht sind. Da kann er einem — ich sage das gar nicht mit Schadenfreude — manchmal leid tun, wenn er sich von seiner eigenen Partei zum Teil vorwerfen lassen muß, seine Politik ziele nicht auf den Frieden ab.
Aber, Herr Bundeskanzler, Sie sind — das hat Herr Kohl gesagt — mitschuldig. Sie haben über Jahre hinweg die Bedrohung unterschlagen. Sie haben auf dem Berliner Parteitag einem Formelkompromiß zugestimmt,

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

obwohl Sie wußten, daß er die Meinungsunterschiede nur verkleistert, aber nicht aufgehoben hat.

(Beifall bei der CDU/CSU) Jetzt merken Sie, welche Früchte das trägt;


(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Jetzt kommt's raus!)

jetzt sind Sie der Gefangene jener Strömung.
Ich meine — und das meint nicht nur die CDU/ CSU —, es ist unerträglich, daß Entscheidungen der deutschen Politik mehr und mehr unter dem Gesichtspunkt, ob sie von den Linken in SPD und FDP noch akzeptiert werden, statt danach getroffen werden, ob sie den deutschen Bürgern nützen oder schaden. Das aber ist der einzig brauchbare Maßstab für solche Entscheidungen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sagte, ich bezweifle in einem Punkt auch Ihren Willen, das, was Sie in Rom jetzt wieder unterschrieben haben, zu verwirklichen. Ich lese vor, was in Rom mit der Unterschrift des Bundesaußenministers versehen wurde:
Die Verbündeten stimmen darin überein, daß
die Gewährleistung eines militärischen Gesamtgleichgewichts zwischen der NATO und



Dr. Wörner
dem Warschauer Pakt für die Sicherheit des Bündnisses, die Durchsetzung des Gebots der Mäßigung und die Wahrung des Friedens von grundlegender Bedeutung ist.
Weiter heißt es hier:
Sie sind entschlossen, alle Mittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um ihre Abschreckungs- und Verteidigungskräfte entsprechend zu stärken.
Jetzt, Herr Genscher, vergleiche ich das einmal mit der Wirklichkeit. Ganz sicher ist die Voraussetzung all dessen, über das wir hier reden, daß unsere Verteidigungsfähigkeit intakt bleibt. Aber das, was sich im Verteidigungsbereich im Augenblick abspielt, kann wirklich nur noch als Trauerspiel bezeichnet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Tief deprimierend!)

Auf der Strecke bleibt dabei — und zwar nicht von heute auf morgen, aber dafür langsam und sicher — die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr; auf der Strecke bleiben die Erfüllung unserer Bündnisverpflichtungen und damit letztlich die Sicherheit unserer Bürger.
Das fängt bei einem Minister an, der offensichtlich den Überblick über sein Ressort vollständig verloren hat.

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Er ist überfällig!)

Obwohl die Zeitungen des ganzen Jahres 1980 voll waren von Berichten über die prekäre Lage der Finanzen im Bereich der Verteidigung, hält der Minister an seiner Version fest, erst im November 1980 von den Finanzproblemen seines Ministeriums erfahren zu haben.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Der Wahlkampf hat mitgemacht! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wenn er Anstand hätte, wäre er schon lange zurückgetreten!)

Dann kam die Rüstungsklausur, nach deren Abschluß der Minister erklärte, jetzt habe er die Dinge fest im Griff. Gestern nun mußte der Minister im Verteidigungsausschuß eingestehen, er habe erst einmal drei Monate verstreichen lassen müssen, um Klarheit zu haben.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ja!)

Nun plötzlich beziffert er den unabweisbaren zusätzlichen Finanzbedarf der Bundeswehr auf 1,175 Milliarden DM.

(Würzbach [CDU/CSU]: Und das ist erst die Hälfte!)

Auch das ist noch nicht die volle Wahrheit! Das wissen Sie auch, Herr Apel, denn die Berechnungen Ihres eigenen Ministeriums beziffern das wirkliche Loch im Verteidigungsetat des Jahres 1981 auf über 2 Milliarden DM.

(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Unerhört!)

Sehen Sie, da braucht es Sie nicht zu wundern, wenn eine seriöse Zeitung wie die „FAZ" heute in ihrer Glosse mit der Überschrift „So geht's nicht weiter" aufmacht und wenn ein so objektiver und besonnener Journalist wie der Herr Feldmeyer nun schreibt:
Ist dies nun die letzte in der langen Serie von Hiobsbotschaften, die seit vielen Monaten aus dem Verteidigungsministerium kommen oder zumindest in direktem Zusammenhang mit der Bundeswehr und der Sicherheitspolitik stehen? So kann es nicht mehr lange weitergehen — am allerwenigsten für Verteidigungsminister Apel.
Die Folgen für die Bundeswehr sind einschneidend. Es wird Ihnen nicht mehr wie seither gelingen, das vor unserem Volk zu verstecken.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: In der Bundeswehr kreist die Resignation!)

Wir haben dieser Regierung, wir haben einem Verteidigungsminister der Sozialdemokraten nach dem anderen geholfen. Wir haben ihnen bei ihren Beschaffungsprojekten geholfen, wir haben sie auch in kritischen Lagen unterstützt, z. T. gegen ihre eigene Partei.
Aber das hat jetzt ein Ende, weil wir nicht mehr das Gefühl haben, daß Sie das tun, was für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und unserer Bürger und dazu erforderlich ist, die Aufgabenerfüllung der Bundeswehr sicherzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu muß ich jetzt einmal ein paar konkrete Dinge sagen. Die Bundeswehr verfügt seit Jahren über keinen gültigen Fünf-Jahres-Plan mehr. Übungen und Manöver beim Heer werden zusammengestrichen, Panzer-Kilometer werden gekürzt mit dem sicheren Ergebnis, daß Gammelei und Frust bei den Wehrpflichtigen, bei den Zeit- und bei den Berufssoldaten zunehmen werden und die Ausbildung zwangsläufig schlechter werden muß.
Die Heeresstrukturreform, deren Sie sich doch im Bündnis so gerne rühmen, gerät ins Stocken, weil Stellen fehlen, weil Geld für die Infrastrukturmaßnahmen fehlen. Sie wissen doch, daß es Kompanieen gibt, bei denen schon ganze Züge stillgelegt werden müssen. Wenn Sie es nicht wissen, dann fragen Sie Ihre Militärs.
Die Nahkampffähigkeit unseres Heeres wird entscheidend beschnitten, und das in einer Zeit, in der der Warschauer Pakt ganz sichtbar die Nahkampffähigkeit seiner Verbände erhöht.
Die ABC-Abwehr, also unser primitivster Schutz beispielsweise gegen chemische Waffen, wird immer mehr vernachlässigt, obwohl wir wissen, daß die Sowjets chemische Kampfstoffe bis zur Bataillonsebene hinab in großen Mengen gelagert haben.
Die Sanitätsversorgung und die Sicherheit der Zivilbevölkerung sind im Ernstfall völlig unzureichend. Sie wissen das; der Inspekteur des Sanitätswesens hat das öffentlich mehrfach gesagt.
Obwohl der Warschauer Pakt — um auf einen anderen Punkt zu kommen, Herr Apel — die Luftan-



Dr. Wörner
griffsfähigkeit bei der Luftwaffe systematisch verstärkt — das wird uns immer und immer wieder von Ihnen auf der Hardthöhe vorgetragen —, werden bei uns Luftverteidigungssysteme wie Roland und Patriot gestrichen oder verschoben.
Dann sagen Sie noch, wir könnten unsere Aufgaben erfüllen. Dann gibt der Herr Genscher feierliche Erklärungen ab, daß man alles tun werde, was man tun müsse. Man läßt bewußt die großen Schaustücke Leo II, Fregatte und Tornado unangetastet; dafür streicht und streckt man bei der Munition, obwohl dort heute schon die größten Lücken bestehen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Beim Benzin!)

Im Bereich der Forschung und Entwicklung sind die Kürzungen so einschneidend — und auch das wissen Sie, Herr Apel —, daß neue Vorhaben auf Jahre hinaus nicht in Angriff genommen werden können, mit der Folge, daß unsere Industrie die Konkurrenzfähigkeit verliert. Die weitere Folge ist, daß die nächste Generation der Waffensysteme nicht rechtzeitig entwickelt werden kann. Das heißt: Wir werden später ein Vielfaches an Geld für Käufe im Ausland aufwenden müssen.
Bei der Luftwaffe werden Flugzeuge stillgelegt und Flugstunden beschnitten. Auch hier werden der Ausbildungsstand der Piloten und die Flugsicherheit langfristig beeinträchtigt. Aber Sie stellen sich hin und sagen: Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist nicht angetastet.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: Reiner Formelkram!)

Sie stellen sich hin und sagen, „die Einsatzbereitschaft der Truppe sei nicht in Gefahr"; so ein wörtliches Zitat von Ihnen. Stereotyp kommt die Formel, die Bundeswehr sei doch — gemessen an anderen Armeen des Westens — eine gute Armee.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: An der sowjetischen Armee muß man sie messen!)

Jawohl, Herr Apel, die Bundeswehr ist noch eine gute Armee, großenteils dank des Engagements ihrer Berufssoldaten und auch der Wehrpflichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie ist es so lange noch, bis die Folgen der Kürzungen spürbar werden. Die ersten Folgen werden bereits spürbar. Das heißt: Sie ist es nicht mehr lange.
Am 1. Juni 1979 schreibt der Generalinspekteur an den Minister — Herr Präsident, ich zitiere —:
Das vorliegende Planungsergebnis des FünfJahres-Planes 1984 ist aus militärischer Sicht
— jetzt kommt es —
die unterste Grenze dessen, was erforderlich ist, um die Fähigkeit der Streitkräfte zur Aufgabenerfüllung mittelfristig entsprechend der erkannten Bedrohung zu erhalten.
Ich wiederhole: „die unterste Grenze". Seitdem sind
zwei wesentliche Streichungen von Ihnen ins Werk
geleitet worden — über das hinaus, was damals im
Juni 1979 als unterste Grenze vom Generalinspekteur angesetzt war.
Dabei sind die Mittel für den sogenannten host nation support, die Sie doch in Amerika versprochen haben, überhaupt nicht eingeplant. Das hindert Herrn Genscher nicht, ein wohltönendes Kommuniqué zu unterzeichnen, daß alles geschehe — obwohl er wissen muß, daß dies noch nicht gesichert ist, daß der Scheck ungedeckt ist.
Sie wissen ganz genau, daß wir nicht in der Lage sind, das Verstärkungsprogramm der NATO, das wir feierlich beschworen hatten, zeitgerecht zu erfüllen. Wenn Sie es nicht wissen, lese ich es Ihnen aus einem Dokument, aus einem Ihrer Dokumente vor. Für die versprochene Entlastung der USA in Europa, Herr Bundeskanzler, dafür, daß sie zusätzliche Aufgaben für uns alle in der Golfregion übernehmen, haben Sie nicht einen einzigen Pfennig verfügbar. Gleichwohl reden Sie immer wieder nach Amerika hin.
Angesichts dessen kann ich nur sagen: Wundern Sie sich nicht, wenn die Amerikaner ungeduldig werden. Die Amerikaner wollen Ihnen nicht in Ihren Haushalt hineinreden, Herr Wischnewski. Die Amerikaner, die selber mit gutem Beispiel vorangehen, haben aber Anspruch darauf, daß die Europäer und damit auch die Deutschen das für ihre Sicherheit Erforderliche auch selbst tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier geht es gar nicht um das Feilschen um Prozente. Das ist Gott sei Dank weg. Die Amerikaner haben aber deutlich gemacht — und sie werden es wieder deutlich machen —, daß die 3 % das Minimum dessen sind, was man braucht, nicht um den Amerikanern zu gefallen, nicht um Prozentrechnungen zu erfüllen, sondern um die Sicherheit des Bündnisses, um den Frieden, um die Abschreckung zu gewährleisten.
Herr Wischnewski, noch ein Wort zu Ihnen. Ich hätte gedacht, Sie hätten so viel Format, um nun nicht auch noch dieses billige Argument in die Debatte einzuführen. Sie haben es uns nicht erspart; deshalb bekommen Sie jetzt die Antwort. Es geht nicht um diese törichte Alternative: hie Verteidigung, dort Sozialleistungen. Die Bundesrepublik Deutschland kann sehr wohl das für ihre Verteidigung Notwendige tun, ohne den sozialen Ruin der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle wissen um die Bedeutung der Sozialleistungen. Wer diese unselige Alternative „Sozialleistungen oder Verteidigung?" konstruiert, muß wissen, daß er sich auf dem Gebiet der Verteidigung eines Tages handlungsunfähig macht.

(Wischnewski [SPD]: Herr Weinberger hat das gesagt, nicht ich!)

Die Bundesrepublik Deutschland hatte unter Sozialdemokraten schon einmal 22 % der Gesamtausgaben des Haushalts für Verteidigung angesetzt, ohne daß deswegen der soziale Ruin eingetreten wäre. Das war sozial verkraftbar. Heute sind wir bis auf 16,5 heruntergekommen. Deswegen kann unserem



Dr. Wörner
Volke und mir niemand diese falsche Alternative auftun und uns einreden: Kanonen statt Butter. Wir brauchen Sicherheit. Wir brauchen sie militärisch, aber wir brauchen sie auch sozial. Dazu haben wir die Kraft, wenn wir nur den Willen aufbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Und die richtige Politik machen!)

Lassen Sie mich noch ein kurzes Wort zur Nahostfrage sagen. Wir alle stimmen in der Würdigung der Bedeutung der Nahostregion für die Sicherheit und Lebensfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland sicher überein. Daß Saudi-Arabien hier eine Schlüsselrolle spielt, ist auch klar. Unsere Leitgedanken, die Leitgedanken der CDU/CSU sind diese.
Erstens: Partnerschaft, und zwar mit allen Staaten guten Willens im Nahen Osten. Wir suchen nicht Herrschaft. Wir respektieren die Souveränität und die Unabhängigkeit dieser Staaten wie aller Staaten der Dritten Welt.
Zweitens: Stabilisierung, Befriedung und Sicherung der ganzen Region. Hier muß übrigens ein Irrtum korrigiert werden, der immer wieder auftaucht, nämlich der Irrtum, als ob der israelisch-arabische Konflikt die Quelle aller Spannungen dort unten wäre. Man sieht am iranisch-irakischen Konflikt, daß ein Naher Osten, in dem es kein Israel gäbe, sehr wohl auch ein Naher Osten wäre, der nicht frei von Spannungen und Konflikten ist.
Wie sehen nun die Grundlinien der Nahostpolitik der CDU/CSU aus? Wir alle wissen, wie schwierig eine Lösung der Probleme dort unten ist. Darum gelten für uns folgende Grundsätze: Eine erfolgreiche, den Frieden und die Sicherheit dieser Region fördernde Politik ist für uns nur im Rahmen eines westlichen Gesamtkonzepts unter Einschluß der Amerikaner vorstellbar; denn wer anders sollte dort die Sicherheit mit Aussicht auf Erfolg garantieren und die Sowjets wirksam von einer Aggression abschrekken?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Und hier gibt es, Herr Bundeskanzler, einen erfolgversprechenden Ansatz, den Friedensprozeß von Camp David. Und statt diesen einzig erfolgversprechenden Ansatz zu unterstützen, auszubauen, für ihn nach allen Seiten zu werben, anstatt Herrn Sadat den Rücken zu stärken, was machen Sie? Sie fallen ihm in den Rücken, und Sie werten die PLO auf, die bis heute auf die Zerstörung von Israel aus ist und die diesen Friedensschluß torpediert. Da ist der Unterschied zu uns, zu unserer Konzeption.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind der Auffassung: Der Westen muß insgesamt ein Konzept erarbeiten, und in dieses Konzept muß die Sicherheit aller beteiligten Staaten mit eingeschlossen sein. Das kann nur in enger Abstimmung mit den Amerikanern funktionieren und nicht dadurch, daß wir ihnen in den Rücken fallen. Sicher kann dieses Gesamtkonzept nicht nur militärische Maßnahmen umfassen, sondern vor allen Dingen politische, entwicklungspolitische, wirtschaftliche, handelspolitische Maßnahmen. Die Verengung auf
Fragen der militärischen Präsenz ist schlecht. Die Verengung auf Waffenlieferungen ist noch schlechter.
Allerdings muß ein anderes ebenso klar ausgesprochen werden: Ohne militärische Präsenz der USA läßt sich der Vormarsch der Sowjets zum Golf und zum Nahen Osten nicht abschrecken und nicht stoppen. Niemand von uns denkt an eine militärische Präsenz der Bundeswehr im Nahen Osten. Allerdings ist die CDU/CSU der Auffassung, daß wir die Amerikaner in Europa entlasten müssen, wenn sie dort zusätzliche Aufgaben übernehmen.
Und ich sage: In einem solchen Konzept können unter bestimmten Umständen auch Waffenlieferungen sinnvoll und notwendig sein. Wir haben uns sehr klar für eine restriktive, zurückhaltende Handhabung des Waffenexports ausgesprochen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Aber wir dürfen nicht so weit gehen, Waffen schlechthin als unmoralisch zu erklären.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Die Pistole in der Hand des Polizisten zum Schutz des Bürgers vor dem Verbrecher ist nicht unmoralisch.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Waffen für den Angriffskrieg sind sicher unmoralisch. Aber Waffen zur Verteidigung sind nicht unmoralisch. Es kann Situationen für die deutsche Politik geben — und das weiß der Bundeskanzler, das weiß der Außenminister, und das wissen wir alle, wenn wir ehrlich sind —, in denen die Lieferung von Waffen an Verbündete oder Partner in der Dritten Welt richtig, sinnvoll und notwendig ist, um zur Stabilisierung und zur Verteidigung beizutragen.
Ganz schlimm ist es, wenn die einen so tun, als hätten sie die Moral für sich gepachtet. Entscheidend ist die Frage: Was trägt zur Stabilisierung des Friedens bei? Danach haben sich die Antwort und die Moral zu bemessen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein solches Gesamtkonzept muß das Existenzrecht Israels ebenso einschließen und sichern wie die legitimen Rechte der Palästinenser.
Zu den Palästinensern nur so viel: Für uns von der CDU/CSU gilt: Solange die PLO nicht unwiderruflich das Existenzrecht Israels anerkennt und keinen Terrorverzicht leistet, kann sie für die deutsche Regierung kein respektabler Gesprächspartner sein. Auch 9 Millionen Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten haben verbindlich auf Gewalt und Vergeltung verzichtet. Der Gewaltverzicht ist ein tragendes Prinzip der deutschen Ostpolitik. Wir haben das Recht und die Pflicht, diesen Verzicht auch von der PLO zu fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu Israel ist das Nötige gesagt worden. Israel ist ein Faktor der Stabilität und der Sicherheit. Die Solidarität mit den Lebensinteressen Israels gehört zur Ethik und zur Würde der deutschen Außenpolitik.



Dr. Wörner
Herr Präsident, lassen Sie mich jetzt zum Schluß etwas ganz Persönliches anfügen, obwohl das, was Herr Kohl für uns alle ausgesprochen hat, im Grunde genommen — und das hat jeder hier im Saal gespürt — diese Frage zureichend und abschließend beantwortet hat. Aber ich sage das jetzt, weil ich bei Kriegsende elf Jahre alt war, weil ich zu jenen gehöre, die von sich sagen können, daß sie an diesen Vorgängen nicht beteiligt waren, daß sie an diesen Vorgängen also keine Schuld tragen. Schon aus diesem Grund lehne ich die Kollektivschuldtheorie auf das entschiedenste ab. Ich lehne sie auch ab für diejenigen im deutschen Volk, die älter als ich waren und sich gegen diese Zustände gewehrt haben. Die hat es auch gegeben. Weil das noch nicht geschehen ist, möchte ich mich hier als einer, der in der Sicherheitspolitik tätig ist, in aller Form gegen die pauschale Diffamierung der deutschen Wehrmacht und der deutschen Soldaten des letzten Weltkrieges durch den israelischen Ministerpräsidenten wenden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Aber gerade weil ich die Kollektivschuldthese weder für mich noch für das deutsche Volk generell noch für die Generation nach mir akzeptieren kann, gerade deswegen sage ich — ich glaube, ich spreche hier für die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes und auch der jungen Generation — aus freien Stücken: Aus der besonderen Verpflichtung unserer Geschichte gegenüber wissen wir uns in einer besonderen Verantwortung diesem Staat Israel und seinen Existenz- und Lebensinteressen gegenüber. Das müssen auch unsere arabischen Partner und Freunde akzeptieren und respektieren.
Deswegen, Herr Bundeskanzler, sind wir mit Ihrer Politik in diesem Punkt nicht einverstanden. Sie haben bei den Saudis Erwartungen geweckt, die Sie nicht erfüllt haben. Sie haben sich in Ihrer eigenen Partei nicht mehr durchsetzen können. Jetzt drükken Sie sich vor einer Entscheidung. Sie sagen gar nicht, was Sie persönlich wollen, obwohl das Führung wäre. Denn wie anders sollen sich die Leute orientieren, wenn nicht der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland seine Meinung dazu sagt? Aber weil Sie die Erwartungen der Saudis enttäuscht haben, haben Sie ihnen dann verbale Konzessionen gemacht, indem Sie die PLO hochgelobt haben. Da kann ich nur sagen: das ist keine Politik. Erst verletzt man den einen, und dann prügelt man zum Ausgleich den anderen. Dabei landet man — und das ist geschehen — zwischen allen Stühlen.

(Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!) Das ist eine Politik der Schwäche.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage noch einmal: Das Schlimmste ist, daß vielfach nicht mehr nach vitalen deutschen Interessen gefragt wird, sondern nur noch danach, ob Sie sich innerparteilich noch durchsetzen können.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Überleben!)

Das verträgt das Wohl der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger auf die Dauer nicht.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903403800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Corterier.

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0903403900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Rede von Herrn Wörner war so viel Polemik enthalten, daß ich, wenn ich auf alles eingehen wollte, überhaupt keine Zeit mehr hätte, mich mit den Themen zu befassen, die eigentlich heute zur Debatte stehen. Aber ein paar der ärgsten polemischen Übertreibungen müssen hier ihre Antwort finden.
Ich möchte gleich mit dem beginnen, Herr Kollege Wörner, was Sie zuletzt gesagt haben. Sie haben gesagt, der Bundeskanzler habe in Saudi-Arabien Erwartungen geweckt, die er dann nicht habe erfüllen können. Ich habe gesehen, daß Sie gestern bei der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, von der heute schon die Rede war, anwesend waren. Ich kann überhaupt nicht begreifen, wie Sie eine solche Feststellung, nachdem Sie bei dieser Sitzung anwesend waren, heute treffen können. Dort hat der Bundeskanzler alle Fragen, die ihm zu diesem Thema von Ihren Kollegen gestellt wurden, im Detail beantwortet. Er hat die Vorwürfe, die dort erhoben worden sind, widerlegt.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Wenn Sie dann trotzdem heute noch so argumentieren, dann sollten wir uns derartige Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses in Zukunft sparen. Im übrigen ist dieses Vorgehen unfair, denn Sie wissen genau, daß der Bundeskanzler auf diese Vorwürfe hier im Plenum, in der Öffentlichkeit, überhaupt nicht eingehen kann, ohne unseren deutschen auswärtigen Interessen zu schaden.

Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903404000
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lenz?

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0903404100
Herr Kollege Corterier, ist Ihnen erinnerlich, daß in der gestrigen Sitzung des Auswärtigen Ausschusses der Vorsitzende mehrfach Anlaß zu der Feststellung hatte, daß es das Recht der Bundesregierung sei, auf Fragen auch nicht zu antworten, und daß es das Recht der Opposition sei, diesen Tatbestand zu konstatieren? Wie vereinbaren Sie das dann mit Ihrer Feststellung, daß auf alle Fragen detailliert geantwortet worden sei?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0903404200
Ich erinnere mich sehr gut an diese Feststellung des Vorsitzenden, Herr Kollege Lenz. Nur waren das Fragen, die überhaupt nicht zu dem Thema gehörten, mit dem wir es gerade zu tun hatten. Es waren andere Fragen, und die hat der Bundeskanzler nicht beantwortet.

(Graf Stauffenberg [CDU/CSU]: Das ist nicht richtig! Sie irren!)

— Doch, doch; so war es.
Herr Wörner hat die Aussprache über diese Regierungserklärung dazu mißbraucht, die Kampagne gegen Bundesminister Apel fortzusetzen.




Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903404300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lenz?

Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0903404400
Ich möchte gern bei dem Punkt, bei dem ich bin, weitermachen.
Diese Kampagne — Herr Wörner, das muß ich Ihnen ganz deutlich sagen — wird nur einen Effekt haben, nämlich den, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fest zu Hans Apel steht und alle diese Angriffe zurückweisen wird.

(Dr. Kohl [CDU/CSU]: Herr Corterier, solche Ankündigungen haben in der Geschichte aller drei Parteien immer zum Sturz des jeweiligen Ministers geführt!)

— Ich lasse mich gern daran erinnern. Ihre Hoffnungen in dieser Hinsicht werden enttäuscht werden.
Einige Punkte waren besonders unfair. Das muß ich noch einmal wiederholen; auch diese Qualifikation. Sie haben z. B. als wichtigen Bestandteil der aktuellen Finanzprobleme Host Nation Support erwähnt. Nun wissen Sie doch genau, Herr Wörner, daß das sogenannte Stoessel-Papier, in dem diese Frage Host Nation Support als Forderung an den deutschen Bündnispartner herangetragen worden ist, überhaupt erst Anfang November des vergangenen Jahres überreicht wurde. Ist es dann eigentlich noch sachlich und fair, das gleich als Auswirkung der „verfehlten Finanzpolitik" des Verteidigungsministers darzustellen,

(Dr. Wörner [CDU/CSU]: Fragen Sie doch einmal Herrn Apel, was er versprochen hat!)

wenn er auf ein Papier und eine Forderung, die erst vor wenigen Monaten erhoben wurde und erhebliche finanzielle Aufwendungen erforderlich macht, heute noch keine fertige Antwort hat?
Wir sind uns einig darüber — ich glaube, auch mit Ihnen —, daß dieser Host Nation Support politisch eine wichtige Sache ist und daß wir das machen sollten. Aber ich dachte bisher, daß wir uns auch einig darüber sind, daß es sehr schwierig sein wird, die nötigen Mittel dafür zu finden. Das auch noch auf den Buckel des Verteidigungsministers abzuladen, ist einfach unsachlich.
Dann haben Sie so getan, als ob diese Haushaltsprobleme, diese Finanzprobleme nur in der Bundesrepublik existierten. Ich würde Ihnen empfehlen, eine Studienreise nach Großbritannien zu machen zu Ihrer Parteifreundin Mrs. Thatcher. Sie hat im letzten Wahlkampf ganz außerordentliche Erwartungen, was die Verteidigung und eine massive Erhöhung des Verteidigungshaushalts angeht, geweckt. Ich würde Sie bitten, einmal zu prüfen, was daraus geworden ist, z. B. ein Nullwachstum für das nächste Jahr. Sie tun so, als ob das alles nur Apels „Mißwirtschaft" sei, was in Wirklichkeit wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten sind, mit denen es alle westlichen Bündnispartner zu tun haben.
Sie haben auch gesagt, die Amerikaner seien uns mit gutem Beispiel vorangegangen und nun sei es unsere Pflicht, praktisch im Sturmschritt zu folgen. Dabei unterschlagen Sie aber die Tatsache, daß wir es gewesen sind, die in den vergangenen zehn Jahren ihre Verpflichtungen erfüllt haben, indem wir beinahe jedes Jahr den Verteidigungshaushalt real um 3 % erhöht haben.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: In welchem Jahr denn?)

Es sind nicht die Amerikaner gewesen. Sie unterschlagen doch die Tatsache, daß wir jetzt eine Situation haben, in der eine neue Administration auf Grund neuer politischer Überlegungen drastische Erhöhungen in ihrem Verteidigungshaushalt vornimmt, und das zu einer Zeit, da wir in Europa und alle in Europa wirtschaftliche und finanzielle Probleme haben. Daß es da nicht ganz leicht ist, von heute auf morgen derartige Anforderungen zu erfüllen, muß weiß Gott jedem einleuchten.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ich würde gern noch einen Moment fortfahren.
Ich fand interessant, was Sie auf den Vorhalt meines Kollegen Wischnewski zu der Forderung des amerikanischen Verteidigungsministers geantwortet haben, auch wir sollten 25 % aus dem Sozialhaushalt zugunsten des Verteidigungshaushalts streichen. Sie haben nämlich gesagt, es sei durchaus möglich, das zu tun, was nötig sei, ohne den sozialen Ruin herbeizuführen. Das ist immerhin schon einmal ein Hinweis, in welcher Richtung Sie offenbar nachdenken. Aber Sie sollten das jetzt verdeutlichen. Sind Sie also der Meinung, daß wir zugunsten des Verteidigungshaushalts in diesen Sozialhaushalt, wie er hier und heute besteht, hineinschneiden sollen? Denn offenbar sind Sie doch der Meinung: Da ist nicht gleich der soziale Ruin die Konsequenz, da kann man ruhig eine ganze Weile schneiden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Und wenn man einmal das Revue passieren läßt, was Sie hier an Notwendigkeiten aufgezählt haben, die Apel angeblich nicht erfüllen kann, dann handelt es sich doch um Kosten, die um viele, viele Milliarden über das, was wir augenblicklich zusätzlich aufbringen müssen, diese 1,2 Milliarden DM, hinausgehen. Wo wollen Sie die bitte hernehmen? Ich war nun schon mehrfach Zeuge, wie Sie, Manfred Wörner, nicht nur hier im Bundestag, sondern auch bei internationalen Konferenzen auf den Tisch gehauen und gesagt haben: Es muß viel, viel mehr für die Verteidigung in der Bundesrepublik Deutschland geschehen. Aber Sie sind bis heute immer die Antwort schuldig geblieben, wo die ungeheuren Summen, die doch nach Ihrer Ansicht offensichtlich erforderlich sind, herkommen sollen. Ich möchte Sie bitten, endlich einmal hier vor dem Deutschen Bundestag diese Antwort zu geben.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903404500
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wörner?

Dr. Manfred Wörner (CDU):
Rede ID: ID0903404600
Lieber Herr Kollege Corterier, da wir uns hier in einer Aussprache über eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers und eine



Dr. Wörner
Erklärung des Außenministers befinden, frage ich Sie, wo Sie das Geld hernehmen wollen, um das zu erfüllen, was soeben — zwei Tage ist es her — der Bundesaußenminister für Ihre Regierung unterschrieben hat. Denn das, was Sie von mir zitiert haben und was ich in der Tat ab und zu gesagt habe, finden Sie wortwörtlich in dem Kommuniqué, das der Bundesaußenminister unterzeichnet hat und dessen Sie sich doch berühmen. Also erklären Sie mir doch, wie Sie Ihren Versprechungen genügen wollen!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Peter Corterier (SPD):
Rede ID: ID0903404700
Nun, diese Versprechungen sehen ja wohl nicht so aus, daß ich hier und heute auf Heller und Pfennig zu nennen habe, was in den nächsten Jahren zu tun ist. Wir sind dabei, in den Beratungen des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses — das wissen Sie — das, was zusätzlich in diesem Jahr unbedingt getan werden muß, zu tun.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Etwas präziser bitte!)

Ich bin sicher, die Bundeswehr wird einsatzbereit und funktionsfähig bleiben — im klaren Gegensatz zu dem Schauergemälde, das Sie hier entworfen haben.

(Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch ohne Benzin!)

Ich möchte nun ein paar Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kohl heute morgen hier ausgeführt hat. Herr Kohl hatte ja in der Fraktionssitzung am Dienstag angekündigt, daß hier in der Debatte von seiten der Opposition Gelegenheit genommen werden sollte, sich ausführlich mit der Außenpolitik der Regierung auseinanderzusetzen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das haben wir doch getan!)

Ich habe deswegen die Rede aus der Debatte, bei der Herr Kohl das letztemal Gelegenheit hatte, eine solche Auseinandersetzung zu führen, noch einmal durchgelesen, nämlich die Rede, die er am 26. November in der Debatte über die Regierungserklärung gehalten hat. Ich darf hier ein paar Sätze daraus zitieren. Herr Kohl hat damals gesagt:
Wir alle wissen, daß die Krisenherde im Mittleren und Nahen Osten auch unsere nationalen Interessen unmittelbar und in vielfältiger Weise berühren .. .

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

Wir teilen deshalb mit Ihnen, Herr Bundeskanzler, die Sorge über die Ausbreitung internationaler Spannungen und Krisen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch richtig!)

Wir teilen die Sorge um die Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt.
Und jetzt kommt es: Wir würden aber beide — Sie als Regierung, die sie tragenden Fraktionen und wir als Opposition — vor der Aufgabe der Zukunft versagen, wenn wir nicht fähig wären, gemeinsam darüber nachzudenken, was heute dem Frieden dient und wie wir auch künftig Frieden und Freiheit sichern können.

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Sehr gute Worte!)

— Ja, das sind sehr gute Worte, die kann man auch heute noch unterstreichen.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Ja, aber Taten fehlen!)

Ich habe aber nun mit Interesse zugehört, wie Herr Dr. Kohl und auch Herr Dr. Wörner auf die sehr nüchternen und sachlichen Darstellungen reagiert haben, die sowohl der Herr Bundeskanzler wie der Herr Bundesaußenminister über diese beiden Themen, mit denen wir uns heute zu befassen haben, gegeben haben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Haben Sie die Zustimmung zum Außenminister nicht bemerkt?)

Die Antwort war doch im größten Teil der Rede von Herrn Kohl — bei Herrn Wörner war es beinahe ausschließlich so — eine sehr heftige parteipolitische Polemik.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie schließen von sich auf andere!)

Ich meine, deshalb ist hier und heute Anlaß zu der Feststellung, daß dieser Ansatz zur Gemeinsamkeit vom 26. November offenbar schon wieder verschüttet ist, daß diese Möglichkeit einer gemeinsamen Außenpolitik aus der Sicht der Opposition offenbar nicht gegeben ist und daß wir im Begriff sind, in der Außenpolitik zu der Konfrontation, wie wir sie von Ihnen vor dem 5. Oktober erlebt haben, zurückzukehren.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Daran glauben Sie doch selber nicht, Herr Kollege!)

Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, daß Herr Kohl — und das war bezeichnenderweise auch am Schluß — noch ein paar wenige Sätze über Gemeinsamkeit angefügt hat. Das konnte nach der vorangegangenen Polemik nun weiß Gott nicht mehr überzeugen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Es fehlt die Gemeinsamkeit in der SPD, mein Lieber!)

Nun noch ein paar Bemerkungen zu Einzelfragen, die von den Oppositionsrednern angeschnitten worden sind, zunächst zum NATO-Doppelbeschluß. Hier ist es sicherlich richtig, wie Herr Kohl ausgeführt hat, daß wir keinen Anlaß haben, bei dem Doppelbeschluß etwa im Bereich der Sicherheit zurückzustecken, sondern daß die sowjetische Rüstung uns Anlaß zu erheblicher Sorge gibt, daß wir jetzt schon erheblich über 200 dieser SS-20 in der Sowjetunion festzustellen haben. Das muß ein Anlaß zu großer Unruhe sein. Ich meine, es sollte für manche — nicht



Dr. Corterier
von uns hier, aber draußen im Lande — ein Anlaß sein, darüber nachzudenken, ob es richtig ist, immer nur über amerikanische Waffen zu diskutieren, die es noch gar nicht gibt, und über die SS-20 nichts zu sagen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Gut, Herr Corterier!)

— Ich bedanke mich für diese Zustimmung.
Nun zur Rüstungskontrolle. Hierzu hat Manfred Wörner zunächst gesagt, wir hätten die Abrüstung, die Rüstungskontrolle nicht gepachtet. Das hat Hans-Jürgen Wischnewski, dem er damit einen Vorwurf machen wollte, auch nie behauptet. Nur: wir erinnern uns noch sehr gut an Ihre Rede in Santa Monica und daran, daß Sie damals „Zunächst rüsten und erst danach möglicherweise verhandeln" gefordert haben. Wir meinen eben auch heute noch in manchen Ihrer Äußerungen und Äußerungen Ihrer Kollegen eine Akzentsetzung zu erkennen, die einseitig auf dem Sicherheitsteil liegt und die dem Rüstungskontrollteil zuwenig Beachtung schenkt.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das meinen Sie, aber es ist nicht so!)

Von den Schwierigkeiten, die wir bei der Implementierung des Rüstungskontrollteils des Doppelbeschlusses gehabt haben, ist schon die Rede gewesen. Eines sollte man noch einmal sehr deutlich in Erinnerung rufen. Wie war das denn 1979, als wir diesen Beschluß gefaßt und hier im Hause unterstützt haben? Damals gingen wir doch alle davon aus, daß wir die Chance hätten, innerhalb der drei Jahre, die es etwa dauern würde, bis die neuen Waffen produziert und zur Aufstellung fertig seien, ernsthafte Rüstungskontrollverhandlungen zu beginnen und sicherlich nicht abzuschließen, aber doch schon sehr weit voranzutreiben.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Und das es nicht zu Afghanistan komme!)

Daß das nicht erreicht worden ist, liegt an mehrern Ursachen. — Ich würde nicht nur Afghanistan nennen wollen; das ist sicherlich ein wichtiger Grund. — Dann ist die Nichtratifikation von SALT hinzugekommen, von der schon die Rede gewesen ist. Dann ist hinzugekommen, daß die Sowjetunion sich zunächst geweigert hat — trotz aller Mahnungen, trotz aller Vorschläge —, überhaupt zu verhandeln. Es bedurfte der Reise des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers nach Moskau, um hier einen Durchbruch zu erzielen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

— Sie lachen, aber ich weiß nicht, ob Sie hier eine andere Darstellung geben können.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wir gönnen Ihnen diese Illusion!)

Dann hat es die Vorgespräche erst ab Oktober vergangenen Jahres gegeben. Dann hat es eine weitere Verzögerung gegeben, und die ist durch die amerikanische Wahl eingetreten. Auch hier müssen wir doch ganz nüchtern sehen, daß viele unserer Bürger, die auf solche Verhandlungen drängen, nicht ohne weiteres übersehen können, welch ein Einschnitt es ist,
wenn so eine neue Administration in Washington an die Arbeit geht.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Da muß man sie aufklären!)

— Da muß man sie aufklären. Ich will das gern tun.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Ich kann Ihnen einen kleinen Beitrag zu dieser Aufklärung geben. Ich habe in der letzten Woche noch mit dem amtierenden Chef der Abrüstungsbehörde gesprochen, und am nächsten Tag war er schon durch das Weiße Haus fristlos entlassen. So schwierig ist das also im Moment noch dort. Sicherlich war nicht mein Gespräch die Ursache, sondern es waren andere Probleme — ich hoffe es jedenfalls —,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU) die sich da ergeben haben.


(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wenn Egon Bahr es gewesen wäre, wäre das vielleicht der Grund gewesen!)

— Nein, das schätzen Sie — wie immer, wenn von Egon Bahr die Rede ist — falsch ein. Aber ich glaube jedenfalls, daß das zuwenig gesehen wird und daß wir wirklich die Hoffnung haben müssen, daß die neue Administration jetzt bald allein schon die organisatorischen und administrativen Voraussetzungen hat, um energisch in diese Verhandlungen bzw. in ihre Vorbereitung einzusteigen, die j a nach dem Beschluß von Rom jetzt auf der Tagesordnung steht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das sehen wir auch! — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Herr Corterier, daß das Attentat zu Verzögerungen geführt hat, braucht man nicht weltweit zu explizieren! Das versteht jeder!)

— Das versteht hoffentlich jeder. Aber jedenfalls: als Konsequenz aus all dem, was ich eben gesagt habe, hat sich eben eine erhebliche Verzögerung ergeben. Daneben gab es — auch das ist schon in der Debatte erwähnt worden — Äußerungen aus den Vereinigten Staaten, die zunächst einmal so aussahen, als ob man mit Rüstungskontrolle überhaupt nichts mehr im Sinn habe. Da hätte ich mich übrigens gefreut, wenn Herr Wörner und andere im Sinne der gemeinsamen Verteidigung des Doppelbeschlusses auch einmal ein Wort über das, was Herr Allen oder Herr Weinberger gesagt haben, beigesteuert hätten. Alle diese Entwicklungen haben dazu beigetragen, daß allzu viele in der Bundesrepublik die Hoffnung verloren haben, daß es mit diesen Rüstungskontrollverhandlungen schnell vorangehen würde. Ich meine — das ist vor allem die Bedeutung dieses Signals von Rom —, daß diesen Menschen jetzt wieder eine Perspektive gegeben wird. Wir haben jetzt, glaube ich, eine feste Basis, auf der wir argumentieren können und müssen. Ich hoffe, daß dies zu einer Verbesserung vor allem auch des



Dr. Corterier
Klimas der Diskussion, die wir hier zu führen haben, beitragen wird.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das Schlimme ist das Signal von Aalen!)

— Ich komme jetzt darauf zu sprechen.
Es ist öfter von all dem die Rede gewesen, was sich in meiner Partei tut. Darauf hat mein Freund Wischnewski schon teilweise geantwortet. Herr Kohl hat so viele Beschlüsse, Tagungen und Erklärungen zitiert, daß ich in der Eile gar nicht alle notieren konnte. Ich kann deswegen nur zu zwei oder drei Punkten etwas sagen. Zunächst einmal hat Willy Brandt mit Sicherheit nicht davon gesprochen, daß der Beschluß von Aalen, auf den Sie gerade abheben, ein Meilenstein sei. Ich bitte Sie, die Rede nachzulesen.

(Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Wie haben Sie denn eigentlich abgestimmt?)

Dann ist mit Sicherheit der Beschluß, den meine Freunde an der Saar gefaßt haben, kein Anti-Doppelbeschluß. Ich bitte, auch das nachzulesen. Das gleiche gilt auch für den Beschluß von Baden-Württemberg. Ich werde Ihnen kein Geheimnis damit verraten, daß ich persönlich ihn mir hätte etwas anders vorstellen können,

(Dr. Hennig [CDU/CSU]: Haben Sie denn dagegen gestimmt?)

und ich bin auch dafür eingetreten. Jedenfalls ist dieser Beschluß aber kein Ausstiegsbeschluß. Das stimmt einfach nicht; denn ein solcher Ausstiegsbeschluß hat dem Parteitag vorgelegen, und der ist abgelehnt worden.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ein Noch-nicht-Ausstiegsbeschluß!)

Die Haupttendenz des Beschlusses, der angenommen worden ist, ist, daß auf dem nächsten Parteitag in München das, was der Bundesparteitag ohnehin hätte tun müssen, noch einmal — —

(Dr. Wörner [CDU/CSU]: Wer Schlechtes verteidigt, macht es noch schlechter!)

— Ich verteidige nicht den ganzen Beschluß, das habe ich sehr deutlich gesagt. Ich will aber auch die Übertreibungen, die es hier von seiten der Opposition gibt, zurückweisen. Ich wollte sagen, der Kern des Beschlusses ist es, daß man sich den Berliner Beschluß auf dem Münchener Parteitag, wie das ohnehin notwendig gewesen wäre, noch einmal anzusehen hat.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Multiplikation der Doppeldeutigkeit! — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Der ist verbesserungsfähig!)

Im übrigen gehe ich davon aus — das war leider auf dem Parteitag noch nicht bekannt —, daß dieses Signal von Rom auch in der Diskussion, die es in meinem Landesverband in Baden-Württemberg gibt, nicht übersehen werden wird.
Dann ist natürlich der alte Ladenhüter, und zwar gleich von beiden Rednern der Opposition, des Antiamerikanismus wieder kräftig beschworen worden.
Hier ist u. a. mein Freund Willy Brandt als einer derjenigen zitiert worden, die sich angeblich dieses Antiamerikanismus schuldig gemacht hätten. Dazu möchte ich Ihnen ganz klar sagen: Ein so bewährter Freund der Vereinigten Staaten wie Willy Brandt kann es sich leisten, auch einmal ein deutliches Wort der Kritik zu sagen. Das wird drüben sehr wohl verstanden, das wird auch akzeptiert, und das wird offenbar nur bei der Opposition unter der Rubrik „Antiamerikanismus" eingeordnet.

(Beifall bei der SPD — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Was hat die Frau Vizepräsidentin veranlaßt, zu diesem Thema in der „FAZ" zu schreiben?)

Im übrigen möchte ich an folgendes erinnern. Denken Sie einmal daran, welche Sprache etwa ein Mann wie Konrad Adenauer, wenn es um die Vertretung deutscher Interessen ging, gegenüber den Vereinigten Staaten geführt hat! Denken Sie einmal an seine Auseinandersetzungen mit Kennedy! Oder, um auf ein etwas niedrigeres Niveau herabzugehen, denken Sie einmal an das, was z. B. Herr Strauß über Herrn Carter gesagt hat! Er hat gesagt, dieser habe vor dem Zaren in Moskau gekuscht. Was ist das denn eigentlich?

(Zuruf von der SPD: Das ist kaum zitierfähig!)

— Sehr richtig, das ist kaum zitierfähig.

(Dr. Wörner [CDU/CSU]: Das ist schwach, gemessen an den Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers, die noch etwas stärker waren! Da ist der Herr Strauß geradezu vornehm!)

— Die müßten Sie mir dann vorlegen. Mir sind keine solchen Äußerungen des Bundeskanzlers bekannt.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Aber Herr Corterier, das glauben Sie selber nicht!)

Ich möchte einmal an einem Zitat deutlich machen, wohin es führt, wenn diese ständige Kampagne gegen den angeblichen Antiamerikanismus der SPD hier fortgesetzt wird und wenn man vor allem auch den Versuch macht, uns systematisch in Washington zu denunzieren. Da gibt es Delegationen, z. B. die, die Ihre Fraktion letzte Woche nach Washington geschickt hat, die schon nach den öffentlichen Erklärungen ganz offensichtlich das Ziel haben, sich dort über Antiamerikanismus der SPD auszulassen und Stimmung gegen uns zu machen. Das sollten Sie einmal nachlesen.

(Zuruf des Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD])

Es gibt in Bonn eine Journalistin, die gerade auch drüben in den Vereinigten Staaten als besonders kluge und informierte Beobachterin der Szene hier in der Bundesrepublik gilt, nämlich Frau Pond vom Christian Science Monitor, die am 16. März dieses Jahres in ihrem Blatt etwas über die Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Administrationen ausgeführt hat und sie hat dann hinzugefügt — ich zitiere —:



Dr. Corterier
Aber von der Feststellung solcher Differenzen die Verdächtigung abzuleiten, die Bundesrepublik sei auf Appeasement aus und auf heimliche Neutralität; im übrigen werde ihr NATO-Engagement schwächlicher: das ist zu weit hergeholt, als daß es glaubhaft wäre. Solche Verdächtigungen zehren und fressen an der Allianz, die nur auf Vertrauen gegründet sein kann. Es ist offensichtlich, daß der Kreml hofft, Europa von den Vereinigten Staaten abspalten zu können. Doch ebenso offensichtlich ist, daß der Kreml sein Ziel am leichtesten erreicht, wenn er den Amerikanern die Vorstellung einreden kann, daß Europa sich von Amerika abspaltet.
Das sollten Sie sich mal hinter den Spiegel stekken.
Im übrigen möchte ich, auch im Namen meiner Freunde, ganz klar sagen: Wir werden diesen Versuchen, zwischen den beiden Regierungen Mißtrauen zu säen — vor allem dadurch, daß die Einstellung und Haltung der SPD gegenüber Amerika diffamiert wird —, energisch und mit Nachdruck entgegentreten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auch bei den Jusos?)

Ich möchte zum Schluß noch ein paar Bemerkungen über die Ergebnisse der NATO-Außenministertagung in Rom machen. Ich glaube, daß die Bundesregierung in Rom in drei zentralen Bereichen unserer Außenpolitik dazu beigetragen hat, wichtige Bündnisentscheidungen herbeizuführen, nämlich in den Bemühungen um die Wiederherstellung der OstWest-Zusammenarbeit, in den Bemühungen um die Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts und in den Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle vor allem im Bereich nuklearer Mittelstreckenwaffen.
Das Kommuniqué von Rom ist — ich habe es schon einmal erwähnt — ein bedeutsames Signal des westlichen Bündnisses für Rüstungskontrollverhandlungen. Es ist in der Beurteilung der Lage nach der sowjetischen Intervention in Afghanistan und gegenüber den Entwicklungen in Polen bemerkenswert differenziert und abgewogen. Es enthält zwei Festlegungen, die wir Sozialdemokraten besonders begrüßen: erstens die Formulierung, daß die Rüstungskontrolle integraler Bestandteil der westlichen Sicherheitspolitik ist,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das begrüßen wir alle!)

— vielen Dank! — und zweitens die Auffassung, daß es Ziel der Verhandlungen sein muß, ein militärisches Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau zu erreichen.

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch das begrüßen wir alle!)

Für mich ist außerdem bedeutsam, daß der amerikanische Präsident die Bedeutung des Kommuniqué s für die europäisch-amerikanischen Beziehungen so stark hervorgehoben hat.
Ich möchte zum Schluß die Frage stellen, ob die polemische Auseinandersetzung, mit der Sie heute die Außenpolitik der Bundesregierung erneut angegriffen haben,

(Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das trifft ja gar nicht zu! Eine Auseinandersetzung in der SPD!)

den wirklichen Problemen und Gefahren, vor denen unser Land steht, gerecht wird.
Es wird vor allem auch der empfindlichen außen-und wirtschaftspolitischen Lage nicht gerecht, in der sich die Bundesrepublik befindet. Wir sind ein verwundbarer Staat — historisch gesehen —, weil das, was Deutsche im deutschen Namen angerichtet haben, noch sehr lange eine schwere Bürde sein wird. Die Geschichte wirft hier lange, sehr lange Schatten. Es war ja heute schon davon die Rede. Wir sind ein verwundbarer Staat — politisch und militärisch gesehen —, weil wir als geteiltes Land und mit einer besonderen Lage in Berlin leben müssen, die uns unsere Verletzlichkeit tagtäglich vor Augen führt. Wir sind es — wirtschaftlich gesehen —, weil wir als rohstoff- und exportabhängiges Land die stabile und funktionierende Zusammenarbeit in der EG und im westlichen Bündnis, mit den übrigen europäischen Nachbarn sowie mit den Staaten der Dritten Welt brauchen.
Die sozialliberale Außenpolitik versucht, der Verwundbarkeit unseres Landes durch eine umfassende weltweite Partnerschaft zu begegnen. Ich glaube, daß die Reise des Bundeskanzlers nach Saudi-Arabien und in die Emirate und die Verhandlungen, die der Bundesaußenminister in Rom bei der Außenministerkonferenz geführt hat, ein wichtiger Beitrag zu dieser Politik gewesen sind. Ich danke ihnen dafür ausdrücklich im Namen meiner Fraktion.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903404800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir treten in die Mittagspause ein. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.00 Uhr.

(Unterbrechung von 13.04 bis 14.01 Uhr)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903404900
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 9/381 —
Ich komme zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 56 des Herrn Abgeordneten Vosen auf:
Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Ursachen und Wirkungen der Zwischenfälle in dem japanischen Kraftwerk Tsuruga, können nach Auffassung der Bundesregierung ähnliche Zwischenfälle in deutschen Kernkraftwerken eintreten?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903405000
Herr Kollege, ich habe in der gestrigen Fragestunde bereits eine gleichlautende



Parl. Staatssekretär von Schoeler
Frage des Kollegen Dr. Laufs beantwortet. Ich weiß nicht, ob Sie gestern während der Fragestunde anwesend sein konnten. Wenn nicht, würde ich Ihnen jetzt gern die gleiche Antwort geben.

(Vosen [SPD]: Das ist nicht nötig, die habe ich gestern mitbekommen!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903405100
Ich rufe nunmehr die Frage 57 des Herrn Abgeordneten Vosen auf:
Welche Vorkehrungen sind dagegen getroffen?

(Vosen [SPD]: Ist mit Ihrem Hinweis auf die Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Laufs meine zweite Frage ebenfalls beantwortet?)

von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Jawohl.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903405200
Haben Sie keine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Vosen? — Danke schön.
Dann rufe ich die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Graf Huyn auf:
In welcher Form ist die Bundesregierung den Behauptungen des Vorsitzenden des „DDR"-Ministerrats, Stoph, und des Chefs der „DDR"-Grenztruppen, Generalleutnant Baumgarten, entgegengetreten, die Demarkationslinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mitteldeutschland habe völkerrechtlichen Charakter?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Graf Huyn, im Grundlagenvertrag, in Ziffer I des Zusatzprotokolls zum Grundlagenvertrag und in der Erklärung zu Protokoll über die Aufgaben der Grenzkommission durch die beiden Delegationsleiter ist klargestellt worden, daß für den Verlauf der Grenze allein die Regelungen der ehemaligen Besatzungsmächte maßgebend sind. Aus Anlaß der Unterzeichnung des Regierungsprotokolls vom 29. November 1978 über die Überprüfung, Erneuerung und Ergänzung der Markierung der Grenze, die Grenzdokumentation und die Regelung sonstiger mit dem Grenzverlauf in Zusammenhang stehender Probleme hat die Bundesregierung noch einmal klargestellt, daß die Grenzfeststellung die Grenze in ihrer Rechtsnatur nicht geändert hat.
Es war bereits damals bekannt, daß die DDR eine andere Rechtsauffassung vertrat, die beispielsweise in dem Bericht des Politbüros an die 9. Tagung des Zentralkomitees der SED im Dezember 1978 ihren Ausdruck gefunden hat.
Die Bundesregierung hat ihre Auffassung zu Grundlagen und Rechtsnatur der Grenze zur DDR mehrfach öffentlich dargelegt, so noch durch meine Antworten vom 18. Dezember 1980 auf Schriftliche Fragen der Kollegen Schröder (Lüneburg) und Dr. Wittmann in der Bundestagsdrucksache 9/63. An der unveränderten und der DDR seit langem bekannten Auffassung der Bundesregierung kann deshalb auch dann kein Zweifel aufkommen, wenn nicht auf jede Äußerung der anderen Seite, mit der sie ihrerseits bekannte Auffassungen wiederholt, in Form von Protest oder Verwahrung eingegangen wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903405300
Zusatzfrage, Herr Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0903405400
Herr Staatssekretär, ich frage Sie, ob die Bundesregierung — ich entnehme das Ihrer Antwort — mit mir einig ist, daß es sich also, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil festgestellt hat, „um eine staatsrechtliche Grenze handelt, ähnlich denen, die zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland verlaufen", und daß die Bundesregierung — ebenfalls nach dem Urteil — „in der völkerrechtlichen Auseinandersetzung, insbesondere auch gegenüber dem Vertragspartner, dem Vertrag die Auslegung zu geben hat, die nach dem Grundgesetz erforderlich ist"?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Graf Huyn, die Bundesregierung hat ihre Rechtsauffassung, die mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang steht, in verschiedener Weise zum Ausdruck gebracht; sie wird dies auch in Zukunft in gebotener Weise tun.

(Graf Huyn [CDU/CSU]: Danke sehr!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903405500
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die dramatische Verschmutzung von Werra und Weser am 27. und 28. April 1981 durch Abwässer aus der DDR vor?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist vom Land Hessen darüber informiert worden, daß am 27./28. April 1981 bei Bad Sooden-Allendorf eine rötlich-braune Verfärbung der Werra festgestellt worden ist. Nach Erkenntnissen der örtlichen Behörden handelte es sich um organisch belastetes Abwasser aus einem rübenverarbeitenden Betrieb in Wahlhausen (DDR). Akute Schäden sind nicht aufgetreten. Da Verschmutzungen dieser Art schon mehrfach vorgekommen sind, hat die Bundesregierung die DDR in der Grenzkommission aufgefordert, im Sinne der vereinbarten „Grundsätze zur Schadensbekämpfung an der Grenze vom 20. September 1973" derartige Vorfälle zu unterbinden. Die Bundesregierung wird diesen erneuten Vorfall zum Anlaß nehmen, die DDR nochmals auf die Einhaltung ihrer Verpflichtungen hinzuweisen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903405600
Zusatzfrage, Herr Dr. von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0903405700
Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, daß solche Vorfälle in der Vergangenheit schon mehrfach vorgekommen seien. Ich nehme an, daß die Bundesregierung auch bei früheren Vorfällen gegenüber der DDR vorstellig geworden ist. Kann ich deshalb von Ihnen erfahren, welches Ergebnis bisher bei solchen Demarchen erzielt worden ist?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann Ihnen dazu hier nicht mehr sagen, als daß auch diese Vorfälle von uns vorgetragen worden sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903405800
Noch eine Zusatzfrage.




Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0903405900
Darf ich daraus entnehmen, daß die bisherigen Vorfälle dieser Art und die daraufhin erfolgten Anfragen oder Vorstellungen, die die Bundesregierung erhoben hat, ohne Echo geblieben sind?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Das können Sie nicht daraus schließen, Herr Kollege. Die DDR hat eine Prüfung der Vorfälle zugesagt. Ich hoffe, daß solche Vorfälle u. a. auf Grund der von mir dargestellten Erörterungen in Zukunft unterbleiben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903406000
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Dr. von Geldern auf:
Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um der seit Jahren gegen Werra, Weser und Elbe verübten Umweltkriminalität der DDR, die an den genannten Tagen lediglich einen neuen Höhepunkt erreichte, endlich wirksam zu begegnen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Abgesehen von der Regelung lokaler Umweltfragen im Grenzbereich wirkt die Bundesregierung seit langem mit Nachdruck darauf hin, den Gesamtbereich dringend regelungsbedürftiger Gewässerschutzprobleme mit der DDR einer Lösung zuzuführen.
Die Bundesregierung hat deshalb im Herbst 1980 Gespräche mit der DDR über Maßnahmen zur Reduzierung der Salzbelastung von Werra und Weser aufgenommen. Gegenstand dieser Gespräche ist die Prüfung realisierbarer technischer Lösungsmöglichkeiten durch Experten beider Seiten. Bisher haben fünf Gespräche stattgefunden. Nach Erarbeitung geeigneter Lösungsmöglichkeiten wird in anschließenden Verhandlungen mit der DDR Übereinstimmung darüber erreicht werden müssen, welche Lösung oder Kombination von Lösungsmöglichkeiten konkret Anwendung finden kann.
Die Bundesregierung prüft im übrigen zur Zeit die Möglichkeiten, das Problem der Verunreinigung der Elbe gegenüber der DDR und der CSSR zur Sprache zu bringen, nachdem jüngere Untersuchungen der ARGE Elbe vom Dezember 1980 eine kritische Belastung der Elbe durch verschiedene Schadstoffe, insbesondere Quecksilber, gezeigt haben. Weitere Untersuchungen — auch zu anderen Schadstoffen — werden von den Ländern noch durchgeführt. Sobald ein vollständiges Bild der Belastung der Elbe vorliegt, wird die Bundesregierung die notwendigen Schritte ergreifen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903406100
Zusatzfrage, Herr Dr. von Geldern.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0903406200
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir darin zu, daß die Verschmutzung von Werra, Weser und Elbe durch die DDR seit Jahren ein Umweltproblem ersten Ranges ist und daß es allmählich unbefriedigend genannt werden muß — um einen sehr harmlosen Ausdruck zu gebrauchen —, daß überhaupt noch kein Fortschritt erzielt werden konnte, um dies abzustellen?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das war der Grund dafür, daß die Bundesregierung mit Nachdruck auf Gespräche über dieses Thema mit der DDR hingewirkt hat.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903406300
Noch eine Zusatzfrage?

(Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Danke schön!)

Danke schön. — Herr Böhm, eine Zusatzfrage.

Wilfried Böhm (CDU):
Rede ID: ID0903406400
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung gegenüber der DDR nachdrücklich geltend gemacht, daß die DDR in dem Bereich der Weser- und Werraverschmutzung der alleinige Verursacher der entstandenen Schäden ist? Hat sie der DDR eine Schadensrechnung für die bisher entstandenen Schäden vorgelegt, und ist klipp und klar erklärt worden, daß die DDR in den letzten Jahrzehnten die nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam vereinbarte Quotenregelung widerrechtlich verletzt hat?
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Böhm, ohne auf die Vielzahl der Fragen jetzt im einzelnen detailliert einzugehen, kann ich Ihnen versichern, daß wir unsererseits mit Nachdruck die Probleme, die durch die Gewässerverschmutzung auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland entstehen, vorgetragen haben und auf diese Weise hoffen unserem Wunsch, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, Nachdruck verliehen zu haben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903406500
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. von Geldern? —Bitte.

Dr. Wolfgang von Geldern (CDU):
Rede ID: ID0903406600
Herr Staatssekretär, Sie haben in den Antworten jetzt mehrfach von dem Nachdruck gesprochen, den Sie diesen Vorstellungen der Bundesregierung gegenüber der DDR gegeben haben. Mich würde deshalb interessieren: Wie konkret haben Sie darauf gedrängt, und was für Vorstellungen haben Sie gegenüber der DDR in diesen Gesprächen konkret erhoben? Damit wir hier endlich weiterkommen — nachdem dies ja tatsächlich ein altes Problem ist, ein Problem, das uns seit Jahren belastet —, möchte ich also — um das noch einmal zu sagen — etwas mehr hören, als daß Sie nur sagen: Wir haben nachdrücklich gedrängt.
von Schoeler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich verstehe Ihre Frage, bitte aber um Verständnis dafür, daß ich meine, es wäre wohl nicht sinnvoll, Einzelheiten aus Gesprächen hier zu einem Zeitpunkt darzulegen, zu dem diese Gespräche noch nicht zum Abschluß gekommen sind. Das würde dem Ziel, das, glaube ich, alle hier im Hause vertretenen Fraktionen in dieser Sache haben, nämlich zu Lösungen zu kommen, sicherlich nicht gerecht werden.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903406700
Danke schön, Herr Staatssekretär!
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Frage 39 des Herrn Abgeordneten Graf Huyn wird nach Ziffer 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde schriftlich beantwortet, da ein entsprechender Tagesordnungspunkt in der laufenden Sitzungswoche behandelt wird.



Vizepräsident Frau Renger
Ich rufe Frage 40 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Trifft es zu, daß in der Mitte der 60er Jahre 89 Sabre-Jets F 86 über den Iran nach Pakistan, 28 Flugzeuge des Typs Seahawk an Indien und Raketen nach Saudi-Arabien mit Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes und von Bediensteten des Bundes und unter Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen (Kriegswaffenkontrollgesetz, Außenwirtschaftsgesetz) geliefert wurden?
Bitte schön, Herr Staatssekretär Lahnstein.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903406800
Herr Abgeordneter, ich bitte um Nachsicht, weil ich Ihnen sozusagen auch im fünften Anlauf aus Gründen, die Sie kennen, keine voll befriedigende Antwort werde geben können. Ich kann also diese Frage nicht mit Ja oder mit Nein beantworten.
Bereits in der Fragestunde am 18. Dezember 1980 habe ich erläutert, warum die Bundesregierung keine amtliche Stellungnahme zur Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes an einzelnen Waffenexporten einer Privatfirma geben kann.
Was die darüber hinausgehende Information durch die Bundesregierung angeht, so habe ich in der gleichen Fragestunde darauf verwiesen, daß diese Information bereits im Mai 1975 im damaligen Parlamentarischen Vertrauensmännergremium gegeben worden sei. Darüber kann ich hier nicht hinausgehen. — Dies zu dem Teil Ihrer Frage, der den Bundesnachrichtendienst betrifft.
Was die Beteiligung von anderen Bundesbediensteten an Waffengeschäften betrifft, so hat, wie Sie wissen, die Staatsanwaltschaft Bonn seinerzeit ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Dieses Verfahren richtete sich gegen — wie es zu dem betreffenden Aktenzeichen heißt — unbekannte Angehörige des öffentlichen Dienstes, und zwar wegen des Verdachts der Beihilfe zur verbotenen Ausfuhr von Kriegsmaterial. Die Ermittlungen sind eingestellt worden, weil konkrete Täter nicht festgestellt werden konnten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903406900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0903407000
Herr Staatssekretär, ausgehend von der Annahme, daß Ihre Unterstreichung meines fünfmaligen Fragens keine Kritik an meinem Fragerecht ist, möchte ich Sie fragen, ob Sie bestätigen können, daß — wenn wir einmal von der positiven Annahme dieser Lieferungen im Jahre 1965 ausgehen — diese Lieferungen ein Verstoß gegen damals geltendes Recht gewesen sind, weil sich nämlich Indien und Pakistan damals in einem Krieg befanden?
Lahnstein, Staatssekretär: Ihre erste Annahme, Herr Abgeordneter, ist richtig. Meine Bemerkung sollte nur den Umstand unterstreichen, daß ich zu meinem wiederholten Bedauern Ihre Frage nicht zu Ihrer Zufriedenheit be antworten kann.
Was die zweite Frage angeht, so muß ich vom jeweiligen Rechtszustand ausgehen. Mit dem haben sich ja die gerichtlichen Verfahren, die uns hier mehrfach zusammengeführt haben, auseinandergesetzt. Ich kann dem, was ich dazu bereits gesagt habe, nichts hinzufügen, Frau Präsident.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903407100
Die zweite Zusatzfrage.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0903407200
Darf ich Ihrer Antwort zutreffend entnehmen, daß Sie dabei bleiben, daß — wie Sie mir auch schon am 2. April deutlich gemacht haben — öffentlich bekannte Geheimnisse von der Bundesregierung weiter als streng geheim betrachtet werden, obwohl sie nicht nur bereits von Presseorganen veröffentlicht worden sind, sondern auch Gegenstand ausführlicher Erörterungen vor einem Untersuchungsausschuß des US-Senats waren?
Lahnstein, Staatssekretär: Sie zitieren hier zutreffend den Sinn der Antworten, die ich bereits gegeben habe. Ich bitte um Verständnis, daß ich mit dem Begriff „öffentlich bekannte Geheimnisse" als Vertreter der Bundesregierung nichts anfangen kann. Entweder handelt es sich um Geheimnisse oder die Vorgänge sind öffentlich bekannt. Für uns sind dies Vorgänge, die weiterhin aus den dargelegten Gründen der notwendigen Geheimhaltung unterliegen, Herr Abgeordneter.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903407300
Ich rufe die Frage 41 des Herrn Abgeordneten Hansen auf:
Stimmt die Vermutung des Mertins-Freundes Vielain in der „Welt" vom 7. November 1980, „Grund für die strengen Geheimhaltungsmaßnahmen" (des Vergleichs zwischen Bundesregierung und der Firma Me-rex im Zusammenhang mit diesem illegalen Waffenhandel) seien „offenbar innenpolitische oder parteipolitische Gründe", da der Waffenhändler Mertins „im geheimen Staatsauftrag" gehandelt habe?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Lahnstein, Staatssekretär: Hier, Herr Abgeordneter, handelt es sich um eine Dreiecksfrage, die ein Dreieck zwischen der Firma Merex, Herrn Vielain und der Bundesregierung herstellt. Sie wollen aus der Antwort nicht schließen, daß ich mich hier in ein ähnliches Dreieck begeben möchte. Ich kann mit den Vermutungen von Herrn Vielain nichts anfangen. Für uns gilt, daß die Gründe für die Geheimhaltungsbedürftigkeit des Vergleichs in dem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Köln weiterhin so gesehen werden müssen, wie ich sie hier bereits mehrfach darzulegen versucht habe. Herr Vielain muß das wohl auf seine eigene Kappe nehmen. Ich will auch darüber nicht hinausgehen, Frau Präsident.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903407400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0903407500
Vor dem Hintergrund Ihrer jetzigen Antwort und den Antworten zu der vorigen Frage möchte ich Sie dennoch noch einmal fragen, wie denn Ihre Antwort in der Fragestunde am 2. April zu verstehen war, wo Sie wörtlich gesagt haben: „Der Bund wird natürlich mit dieser Frage beschäftigt bleiben", und ich frage Sie heute: In welcher Weise bleibt die Bundesregierung „mit dieser Frage beschäftigt"? Bin da nur ich gemeint?
Lahnstein, Staatssekretär: Dafür werden Sie schon sorgen, Herr Abgeordneter, wie ich Sie in den letzten Monaten kennengelernt habe. —

(Heiterkeit)

Nein, ich meine dies natürlich in dem Sinne, in dem ich es hier im April auch dargelegt habe. Jetzt



Staatssekretär Lahnstein
rede ich nicht von dem Strafprozeß, den ich zunächst angesprochen habe, sondern von dem Zivilprozeß, auf den sich der Vergleich vor dem Oberlandesgericht bezieht. Hier sind Ermittlungen, Erhebungen und Informationen im Schoße der Bundesregierung zu betreiben, die wir auch seit dem 2. April weiter betrieben haben. Die Antwort ist also genauso zu verstehen, wie ich sie damals gegeben habe, Herr Abgeordneter.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903407600
Sie haben noch eine zweite Frage, Herr Kollege Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0903407700
Herr Staatssekretär, da ja die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Vorgänge, die ich aus Ihnen herauszufragen versuche — wie Sie soeben selbst betont haben zum fünftenmal —, immer von Ihnen mit dem Hinweis begründet wird, daß auch in der Gegenwart noch mögliche Folgen für das Ansehen der Bundesrepublik oder für die außenpolitische Handlungsfähigkeit zu erwarten wären, möchte ich Sie fragen, wie Sie vor diesem Hintergrund die Tatsache der Anwesenheit des „Waffenschiebers" — hier bitte ich das Protokoll, die gesprochenen Anführungszeichen zu notieren — Mertins in Riad und Abu Dhabi parallel zu dem Besuch des Bundeskanzlers beurteilen.
Lahnstein, Staatssekretär: Als Vertreter der Bundesregierung steht mir eine Bewertung nicht zu. Herr Mertins ist ein freier Bürger der Bundesrepublik Deutschland, genau wie wir beide. Um vielleicht nicht schon die nächsten Fragen wieder herauszufordern, darf ich mir aber erlauben, persönlich hinzuzufügen: Ich habe mit Herrn Mertins bei den Gelegenheiten, die Sie soeben ansprachen, kein Wort gewechselt, Herr Abgeordneter Hansen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903407800
Herr Kollege Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0903407900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, bei dem vielleicht im Laufe des Sommers zu erwartenden Abschluß der Fragekette des Kollegen Hansen die gegebenen Antworten in einer Dokumentation als Bereicherung der Waffenexportgeschichte der Bundesrepublik Deutschland herauszubringen?

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Das kostet zuviel!)

Lahnstein, Staatssekretär: Das wäre ein ungewöhnliches und aufwendiges Verfahren. Ich glaube, ich kann Ihnen das nicht zusagen, Herr Abgeordneter.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903408000
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Frage 59 des Herrn Abgeordneten Kroll-Schlüter auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird nicht beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Herr Staatsminister Dr. von Dohnanyi steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 42 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß sich die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan mit dem deutsch-sowjetischen Vertrag vom 12. August 1970 vereinbaren läßt, in dem es heißt, daß beide Vertragsparteien — in dem Bestreben, zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in Europa und in der Welt beizutragen — es als wichtiges Ziel ihrer Politik betrachten, den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten und die Entspannung zu erreichen, und in dessen Artikel 2 beide Staaten die völkerrechtliche Verpflichtung übernehmen, sich in Fragen, die die internationale Sicherheit berühren, der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt zu enthalten?
Bitte schön, Herr Staatsminister.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0903408100
Herr Kollege, die Bundesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß das Vorgehen der Sowjetunion in Afghanistan die Charta der Vereinten Nationen verletzt. Das Gewaltverbot aus der Charta der Vereinten Nationen liegt auch dem deutsch-sowjetischen Vertrag zugrunde. Insoweit ist die Bundesregierung der Ansicht, daß sich die Intervention der Sowjetunion in Afghanistan mit dem im deutsch-sowjetischen Vertrag vom 12. August 1970 enthaltenen Postulat des Gewaltverzichtes nicht vereinbaren läßt.
Was die rechtliche Wertung der Frage angeht, so möchte ich Sie auf meine Antwort in der Fragestunde vom 13. Februar 1980 verweisen. Ich bin gerne bereit, die Antwort von damals noch einmal zu verlesen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903408200
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hennig.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0903408300
Herr Staatsminister, bei allem Verständnis für Ihre Lage, ich muß Sie fragen: Können Sie mir folgen, wenn ich sage, daß zwischen der Antwort in ihrem ersten Teil und der Antwort in ihrem zweiten Teil ein fundamentaler Widerspruch bestanden hat?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Sicherlich nicht, Herr Kollege. Ich würde bitten, mir das zu begründen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903408400
Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0903408500
Wenn ich das darf, will ich das gerne versuchen. Darf ich Sie dann fragen, Herr Staatsminister, ob Ihnen bekannt ist, daß der Bundesminister des Auswärtigen im Auswärtigen Ausschuß auf exakt diese Frage eine Antwort gegeben hat, die ich hier aus Gründen der Vertraulichkeit der Sitzung nicht wiedergeben darf, die aber aus sehr wenigen Buchstaben bestand.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, mir liegt selbstverständlich vor, was dort gesagt worden ist. Das steht nicht im Widerspruch zu dem, was ich hier gesagt habe.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903408600
Dann rufe ich die Frage 43 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Ist die Bundesregierung der Ansicht, daß sich der stark interventionistische Charakter der militärischen Drohkulisse der Sowjetunion gegenüber Polen mit dem deutsch-sowjetischen Vertrag vom 12. August 1970 vereinbaren läßt, in dem es heißt, daß beide Vertragsparteien — in dem Bestreben, zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in Europa und in der Welt beizutragen — es als wichtiges Ziel ihrer Politik betrachten, den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten und die Entspannung zu erreichen, und in dessen Artikel 2 beide Staaten die völkerrechtliche Verpflichtung übernehmen, sich in Fragen, die die internationale Sicherheit berühren, der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt zu enthalten?
Bitte, Herr Staatsminister.



Dr. von Dohnanyl, Staatsminister: Herr Kollege, Ihre Frage wurde von dem Kollegen Stauffenberg bereits im Dezember 1980 in fast identischer Weise gestellt und am 16. Dezember 1980 von der Bundesregierung schriftlich beantwortet. In der Antwort der Bundesregierung vom 16. Dezember 1980 kommt klar zum Ausdruck, daß jede Androhung und selbstverständlich auch jede Anwendung vom Gewalt einen Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der Sowjetunion bedeuten würde. Dies ergibt sich vor allem aus den Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen, auf die der von Ihnen zitierte Art. 2 des Moskauer Vertrages für das deutsch-sowjetische Verhältnis Bezug nimmt. Ich würde Sie jedoch bitten, es mir zu ersparen, auf die augenblickliche Situation einzugehen, indem ich eine hypothetische Frage zu beantworten versuchte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903408700
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hennig.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0903408800
Herr Staatsminister, ist der deutsch-sowjetische Vertrag denn nun durch einen dieser beiden Sachverhalte verletzt oder nicht?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Es handelt sich um zwei verschiedene Sachverhalte. Ich habe zu dem zweiten Sachverhalt, den Sie in Ihrer Frage eben angesprochen haben, bewußt nicht Antwort gegeben, indem ich gesagt habe — Herr Kollege, Sie haben dafür sicherlich auch Verständnis —, daß ich hypothetische Fragen nicht beantworten will.
Was die erste Frage angeht, die Frage 42, auf die ich dann jetzt noch einmal zurückkomme, Frau Präsidentin, wenn ich das darf, so möchte ich noch einmal unterstreichen, daß ich in meiner früheren Antwort — inhaltlich gilt gleiches für die Antwort, die der Herr Bundesaußenminister im Auswärtigen Ausschuß gegeben hat — ebenso wie heute darauf hingewiesen habe, daß es bestimmte Grundlagen im deutsch-sowjetischen Vertrag gibt — z. B. die des Gewaltverzichts und die des Bezugs auf die Charta der Vereinten Nationen —, die mit den Aktionen der Sowjetunion in Afghanistan nicht in Einklang stehen. Dies habe ich in den früheren Antworten bestätigt und dies bestätige ich heute noch einmal.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903408900
Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Ottfried Hennig (CDU):
Rede ID: ID0903409000
Herr Staatsminister, ist es richtig, daß in diesen sehr interessanten Antworten, die noch einmal nachzulesen sicher notwendig ist, doch ein gewisser Kurswechsel des Staatsministers von Dohnanyi in Anbetracht der sehr kurzen Antwort des Ministers im Auswärtigen Ausschuß zum Ausdruck kommt?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ganz sicherlich nicht, Herr Kollege. Ich wiederhole ausdrücklich, daß ich auf meine früheren Antworten zu dieser Frage Bezug nehme, in denen ich Ausführungen zu dem rechtlichen Problem der direkten Anwendung gemacht habe, die ich Ihnen noch einmal vorzulesen auch gerne bereit wäre.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903409100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Graf Huyn.

Graf Hans Huyn (CSU):
Rede ID: ID0903409200
Herr Staatsminister, bei allem Verständnis der Situation der Bundesregierung möchte ich fragen, ob sich die Bundesregierung mit mir einig weiß, daß es sich bei der gegenwärtigen Situation in Afghanistan und um Polen nicht um hypothetische Sachverhalte handelt.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: In der Frage 43 des Kollegen Hennig bin ich nach der Beurteilung eines bestimmten Vorganges jetzt und seinen möglichen Konsequenzen gefragt worden. Dazu habe ich gesagt, das wäre eine hypothetische Fragestellung.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903409300
Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0903409400
Herr Staatsminister, würden Sie die in den letzten Monaten und Wochen zu beobachten gewesene Massierung sowjetischer Truppen an der Grenze der Volksrepublik Polen als Androhung von Gewalt und damit als in Widerspruch stehend zu völkerrechtlichen Verpflichtungen, die die Sowjetunion eingegangen ist, bezeichnen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte mich in erster Linie auf das beziehen, was die polnische Regierung zu diesen Vorgängen gesagt hat. Sie war nicht der Auffassung, daß es sich hier um eine Androhung von Gewalt handelt.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903409500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0903409600
Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, wenn ich unter Berücksichtigung des Prinzipienkatalogs der Schlußakte von Helsinki der Gewaltmanifestationen, also schon das bloße Auffahrenlassen großer militärischer Einheiten und Waffen, dem gewaltsamen Eingreifen im Verbot gleichstellt, schon heute von einer Situation spreche, die mit dem Einhalten der vom Kollegen Hennig in bezug genommenen Verträge nicht mehr in Einklang zu bringen ist?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Bundesregierung steht selbstverständlich auf dem Standpunkt, daß es keine Einmischung in die inner-polnische Entwicklung geben darf, auch nicht durch indirekte Drohungen von außen.
Aber ich wiederhole, was ich eben zum Kollegen Hupka gesagt habe: In diesem Falle möchte ich mich gerne auf die Äußerungen der polnischen Regierung beziehen, die ihrerseits gesagt hat, daß sie die Manöver und die Ansammlung von Truppen nicht als eine Bedrohung und eine potentielle Anwendung von Gewalt verstanden hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jubelbewegung!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903409700
Danke.

Vizepräsident Frau Renger
Die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Dr. Wittmann werden auf seinen Wunsch schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Klejdzinski auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Angehörigen der US-Streitkräfte in den Räumen Ansbach, Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt, Stuttgart und Ludwigsburg das Betreten von Speiserestaurants, Gaststätten und Diskotheken durch die Betreiber generell verboten ist, und in welcher Weise vermag die Bundesregierung auf die Länder, Kreise und Kommunen einzuwirken, um diese Form der Diskriminierung von Angehörigen der NATO-Streitkräfte — die in der Bundesrepublik Deutschland auch für uns einen Verteidigungsbeitrag leisten — zu beseitigen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die konkreten Fälle in den von Ihnen zitierten Orten waren der Bundesregierung bisher nicht bekannt. Die Bundesregierung kennt aber andere, vergleichbare Fälle. Wir haben deswegen seit einiger Zeit erneut mit den zuständigen Stellen von Ländern und Gemeinden sowie mit der amerikanischen Seite Gespräche über Verbesserungen der Lebensbedingungen der Soldaten, Offiziere und Familien befreundeter Streitkräfte in der Bundesrepublik geführt. Die Bundesregierung, insbesondere das Auswärtige Amt, hat auf den verschiedensten Ebenen Länder, Gemeinden und kommunale Verbände mit dem Ziel angesprochen, Vorgänge, wie Sie sie geschildert haben, zu verhindern und die notwendige Hilfe zu geben.
Die Resonanz, die Antworten, die wir hierzu bekommen haben, waren sehr positiv. Auch die amerikanische Seite hat inzwischen zugesagt, eine Liste der örtlichen Schwerpunkte solcher Diskriminierungen gegen amerikanische Soldaten oder Angehörige der Streitkräfte zu übermitteln, damit dann an Hand der konkreten Beispiele auch konkrete Abhilfe gegeben werden kann.
Es ist im übrigen daran gedacht, über die zuständigen Stellen auch noch einmal Gespräche mit dem deutschen Gaststätten- und Hotelgewerbe zu führen.
Erlauben Sie mir, Herr Kollege, daß ich Ihre Frage dazu verwende, an dieser Stelle für die Bundesregierung einen Appell an alle Deutschen zu richten, gastfreundliche Freunde unserer amerikanischen Gäste und Partner in der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

(Beifall bei allen Fraktionen)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903409800
Zusatzfrage, Herr Dr. Klejdzinski.

Dr. Karl-Heinz Klejdzinski (SPD):
Rede ID: ID0903409900
Herr Staatsminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Zuständigkeit im wesentlichen bei den Ländern zu suchen ist und es nicht so sehr eine Zuständigkeit der Bundesregierung ist und daß es notwendig wäre, auf die Länder einzuwirken, daß im Sinne dieses Appells diese Völkerfreundschaft und die Einsatzbereitschaft dieser Soldaten für die Verteidigung unseres Landes gewürdigt werden?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich stimme Ihnen zu. Deswegen sagte ich: Wir haben mit Ländern und Gemeinden in dieser Frage Kontakt aufgenommen. Aber die Bundesregierung fühlt sich natürlich für das Wohlergehen und das Wohlbefinden unserer amerikanischen Freunde in unserem Lande insgesamt mitverantwortlich und hat daher auch in Fragen, in denen wir keine eigenen Zuständigkeiten haben, Initiative gegen den Ländern ergriffen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903410000
Keine weitere Zusatzfrage. — Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Welches ist der Grund dafür, daß die Reden des deutschen Chefdelegierten auf dem KSZE-Nachfolgetreffen in Madrid „nur zur persönlichen Unterrichtung" freigegeben und nicht im Wortlaut veröffentlicht werden, während die USA die Reden ihres Chefdelegierten im Wortlaut veröffentlichen?
Bitte, Herr Staatsminister.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, die Diskussionsbeiträge unseres Delegationsleiters, auf die sich Ihre Frage bezieht, wurden in nichtöffentlichen Sitzungen des Madrider Treffens abgegeben und daher auch nicht veröffentlicht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903410100
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0903410200
Herr Staatsminister, die Plenarsitzungen in Madrid sind aber doch öffentliche Sitzungen, und gerade auch hinsichtlich der Reden, die in diesen Sitzungen gehalten worden sind, wird einem immer der Vermerk „nur für den persönlichen Gebrauch" mitgeteilt, während die Amerikaner die Reden ihres Delegationschefs sehr weit gestreut veröffentlichen.
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich kann nicht für die amerikanische Regierung sprechen. Ich kann nur sagen, daß sich die Bundesregierung an die Vereinbarungen hält, die in der Verfahrensordnung für das Madrider Treffen vom 14. November 1980 festgelegt worden sind. Darin heißt es u. a., daß Erklärungen in offenen Plenarsitzungen — in offenen Plenarsitzungen! — auch veröffentlicht werden können. Wir haben das z. B. mit der Erklärung des Bundesaußenministers im Wortlaut getan. Aber die Erklärungen, auf die Sie Bezug nehmen, sind eben nicht in einer offenen Plenarsitzung, sondern in einer geschlossenen Sitzung abgegeben worden. Für die Veröffentlichung solcher Erklärungen sind Vereinbarungen getroffen worden, an die wir uns halten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903410300
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0903410400
Wäre es dann vielleicht möglich, Herr Staatsminister, Presseerklärungen darüber herauszugeben, was tatsächlich an die Öffentlichkeit dringen darf, um die Öffentlichkeit über den Gang des Nachfolgetreffens laufend zu informieren? Denn wir müssen leider beobachten, daß die Öffentlichkeit von dem Nachfolgetreffen in Madrid, das doch wichtig und bedeutend ist, kaum Notiz nimmt, d. h., von dem, was dort vielleicht bzw. hoffentlich erreicht werden kann.



Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich bin dankbar für die Frage. Die Bundesregierung versucht, das zu tun. Wenn mein Urteil richtig ist, dann wird in der Bundesrepublik Deutschland vermutlich sehr viel mehr über die Nachfolgekonferenz berichtet als in allen anderen Staaten, die an der Nachfolgekonferenz in Madrid beteiligt sind.
Aber selbstverständlich legen wir auch Wert darauf, daß die Öffentlichkeit noch reger Anteil nimmt. Wenn Sie und das Haus uns dabei helfen können, ist die Bundesregierung dafür dankbar.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903410500
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (CDU):
Rede ID: ID0903410600
Herr Staatsminister, Sie haben eben auf Vereinbarungen über die Veröffentlichung von Erklärungen Bezug genommen, die in der Eröffnungssitzung abgegeben worden sind. Sie haben bisher aber keine Vereinbarungen genannt, wonach Erklärungen, die in anderen Sitzungen abgegeben werden, nicht veröffentlicht werden dürfen. Können Sie uns solche Regelungen nennen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Das ist ein Mißverständnis, Herr Kollege Czaja. Ich habe das nicht so sagen wollen.
Ich wollte sagen, daß es eine Verfahrensordnung vom 14. November 1980 gibt, aus der hervorgeht, daß in sogenannten offenen Plenarsitzungen abgegebene Erklärungen auch veröffentlicht werden können. Deswegen haben wir die in der offenen Plenarsitzung abgegebene Erklärung des Bundesaußenministers veröffentlicht. Aber in nicht offenen Plenarsitzungen abgegebene Erklärungen sind nach dieser Verfahrensordnung eben nicht zu veröffentlichen, und wir tun das auch nicht. Es ist also dieselbe Regelung vom 14. November 1980, auf die ich mich beziehe.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903410700
Eine Zusatzfrage, Herr Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0903410800
Herr Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages zu ihrer besseren Information die Reden und Äußerungen der deutschen Delegationsmitglieder fortlaufend zukommen zu lassen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Ja.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903410900
Danke schön, Herr Staatsminister.
Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf:
Ist die Bundesregierung bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß die Bundesrepublik Deutschland, wie inzwischen bekannt geworden ist, das einzige Mitglied der Vereinten Nationen ist, das keinen sogenannten Nationalfeiertag beim Protokoll der Vereinten Nationen angemeldet hat, und hält sie die formale Erklärung aufrecht, daß der 17. Juni, weil er „seiner besonderen Bedeutung wegen" als „nationaler Gedenktag" begangen wird, bei den Vereinten Nationen nicht registriert werden dürfe?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, der Bundesregierung ist der von Ihnen angesprochene Sachverhalt bekannt.
In den Vereinten Nationen werden entsprechend allgemeiner internationaler Übung nur Nationalfeiertage angemeldet. Bekanntlich begehen wir aber den 17. Juni, den Sie in Ihrer Frage zutreffend als „nationalen Gedenktag" bezeichnen, gerade nicht als Nationalfeiertag. Darauf hat meine Kollegin, Frau Hamm-Brücher, bereits in der Sitzung des 8. Deutschen Bundestages am 26. Juni 1980 hingewiesen. Angesichts der abweichenden internationalen Praxis würde eine Anmeldung des 17. Juni in den Vereinten Nationen zu Mißdeutungen über den Sinngehalt dieses Gedenktages führen, und zwar zu Mißdeutungen, die sicherlich weder in Ihrem noch in unserem Interesse liegen können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903411000
Zusatzfrage, Herr Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0903411100
Herr Staatsminister, können Sie mir Auskunft darüber geben, zu welchen Mißdeutungen es Anlaß geben könnte, wenn unsererseits der 17. Juni, der bei uns der einzige Tag im Kalender mit nationalem Bezug ist, als nationaler Gedenktag angemeldet würde?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wenn Sie die Nationalfeiertage, wie sie z. B. an den Botschaften unserer ausländischen Freunde in Bonn gefeiert werden, betrachten, so werden Sie feststellen, daß dies „Feier" tage sind, an denen es fröhlich und freudig zugeht. Ich meine, daß dies nicht unserer Auffassung vom 17. Juni entspricht. Das ist ein Grund, in dem wir die Gefahr von Mißdeutungen sehen, wenn wir nämlich den 17. Juni in diese Kette freudiger Nationalfeiertage einreihten. Ich glaube, Sie stimmen mir da zu.

(Niegel [CDU/CSU]: Da können wir gleich Fastnacht nehmen!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903411200
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (CDU):
Rede ID: ID0903411300
Herr Staatsminister, können Sie der Einlassung unserer Botschaft bei den Vereinten Nationen zustimmen, daß diese Tage, die von allen Nationen mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen angemeldet worden sind, jeweils Daten sind, die dem Selbstverständnis des jeweiligen Staates entsprechen?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, ich möchte Sie bitten, dem nachzugehen, was ich zu begründen versucht habe. Es mag ja durchaus sein, daß Sie dann zu einem anderen Ergebnis kommen. Aber ich glaube, man kann die Überlegung der Bundesregierung in dieser Frage nicht ohne weiteres von der Hand weisen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903411400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0903411500
Herr Staatsminister, da Sie auf den freudigen Charakter eines jeweiligen Staatsfeiertags abgestellt haben: Gibt es nicht auch Länder, die — wie z. B. die Sowjetunion, die den Gedenktag der Oktoberrevolution, die j a nun wahrhaftig kein freudiges Ereignis, sondern für viele Menschen eine bedrückende und schreckliche Erfah-



Jäger (Wangen)

rung war, als ihren Nationalfeiertag begeht — das Fehlen des freudigen Charakters keineswegs zum Anlaß nehmen zu sagen „Wir brauchen keinen Nationalfeiertag"?
Dr. von Dohnanyi, Staatsminister: Herr Kollege, wenn diejenigen, die unter der russischen Revolution aus dem Jahre 1917 zu leiden hatten, den Tag als Nationalfeiertag angemeldet hätten, dann hätte ich Verständnis für Ihre Frage. Da aber dieser Tag von der Regierung der Sowjetunion, die ihre Geburtsstunde und Legitimation aus diesem Tag zieht, angemeldet worden ist, möchte ich Ihnen sagen, daß Ihre Frage eine Bestätigung dessen ist, was ich zu sagen versucht habe.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903411600
Danke schön, Herr Staatsminister.

(Abg. Niegel [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zusatzfrage)

— Sie haben sich zu spät gemeldet; ich bin schon weiter.
Ich darf mich bei Ihnen bedanken, Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Böhme zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 63 des Herrn Abgeordneten Kolb auf:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse, wie viele Personen 1979 durch kurzzeitige Arbeitslosigkeit (3 bis 6 Monate) steuerliche Vorteile auch bei Transferleistungen erzielten, und wenn ja, wie hoch können diese Vorteile sein?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Dr. Rolf Böhme (SPD):
Rede ID: ID0903411700
Herr Kollege, statistische Unterlagen über die Zahl der Arbeitnehmer, die durch kurzzeitige Arbeitslosigkeit steuerliche Vorteile sowie weitere Begünstigungen durch Transferleistungen erhalten, liegen der Bundesregierung nicht vor.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903411800
Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Elmar Kolb (CDU):
Rede ID: ID0903411900
Herr Staatssekretär, würde die Bundesregierung einmal versuchen, in Modellrechnungen selbst zu prüfen, welche Vorteile speziell durch Transferleistungen — ich denke an BAföG, Wohngeld, Sparförderung etc. — erworben werden können? Es ist anscheinend so, wie der Herr Bundesarbeitsminister bemerkt hat: daß in der Zwischenzeit von vielen ein legaler Mißbrauch betrieben wird.
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Wie ich schon sagte, liegen statistische Unterlagen nicht vor. Ich sehe auch keine Möglichkeit, derartige statistische Unterlagen vom Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen aus zu erstellen. Das Problem, das im Bereich des Bundesministers der Finanzen diskutiert wird, ist, daß Lohnsteuer gespart werden kann, wenn Arbeitnehmer nur einige Monate beschäftigt sind, für die anderen Monate Arbeitslosengeld beziehen und dann im Lohnsteuerjahresausgleich die zuviel einbehaltene Lohnsteuer erstattet wird. Diese Möglichkeit ergibt sich aus der Systematik unseres Steuerrechts. Die Bundesregierung hat, zuletzt Anfang April, erklärt, daß diese Frage geprüft wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903412000
Zweite Frage, Herr Kollege Kolb.

Elmar Kolb (CDU):
Rede ID: ID0903412100
Herr Staatssekretär, bis wann glaubt die Bundesregierung diese Prüfungen abgeschlossen zu haben? Ich frage, weil es ja anscheinend für diejenigen, die arbeiten, zum Ärgernis wird, wenn sie sehen, daß Kollegen sich durch diesen legalen Mißbrauch Vorteile verschaffen?
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Es besteht eine Arbeitsgruppe der beteiligten Ressorts, die sich mit dieser Frage befaßt. Ich muß allerdings hinzufügen, daß hier nicht nur schwerwiegende sozialpolitische, sondern auch rein steuersystematische Fragen gelöst werden müssen. Bisher ist eine gute und praktikable Lösung nicht gefunden worden. Wir haben mehrfach darüber nachgedacht und geprüft, wie dieses Problem in den Griff gebracht werden kann. Dies ist bisher noch nicht gelungen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903412200
Frage 64 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 65 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders auf:
In welchem Maß mindern BAföG-Leistungen und Semesterverdienste als eigenes Einkommen die steuerlichen Freibeträge für Schul- und Berufsausbildung und benachteiligen somit Eltern mit geringem Einkommen?
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Die steuerlichen Ausbildungsfreibeträge vermindern sich nach § 33 a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes um die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes, die zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, soweit diese 2 400 DM im Jahr übersteigen. Zu den anrechenbaren Bezügen gehören auch die als Zuschuß gewährten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Mit der Regelung, daß eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes auf die Ausbildungsfreibeträge anzurechnen sind, soweit sie den Betrag von 2 400 DM im Kalenderjahr übersteigen, soll vermieden werden, daß dem Kind zufließende geringe Beträge zur Nichtgewährung der Ausbildungsfreibeträge führen können.
Kinder von Eltern mit geringem Einkommen werden durch Leistungen nach dem BAföG gefördert. Diesen Eltern entstehen in dieser Höhe keine Aufwendungen durch die Ausbildung ihrer Kinder. In Anbetracht dieser Entlastung kann man nicht von einer Benachteiligung der Eltern mit geringem Einkommen sprechen.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903412300
Zusatzfrage, Herr Dr. Enders.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0903412400
Herr Staatssekretär, befürchten Sie bei dieser Regelung nicht, daß zur Schwarzarbeit angeregt wird, um die finanziellen Nachteile nicht hinnehmen zu müssen?
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Nein, das befürchte ich nicht, obwohl Ihnen zuzugeben ist, daß hier natürlich eine Mißbrauchsmöglichkeit gegeben ist. Aber die besteht in allen solchen Fällen. Man kann nicht deswegen davon ablassen, vernünftige und gerechte Regelungen in diesem Bereich zu suchen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903412500
Zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Wendelin Enders (SPD):
Rede ID: ID0903412600
Herr Staatssekretär, sehen Sie nicht trotzdem eine Möglichkeit, die bisherige Regelung so zu ändern, daß nicht gerade diejenigen Familien finanziell geschwächt werden — etwa durch den Abzug der BAföG-Leistungen —, die ihr Einkommen am ehesten für die Studienförderung ihrer Kinder notwendig haben?
Dr. Böhme, Parl. Staatssekretär: Wie ich vorhin ausführte, gehören die Zahlungen nach dem BAföG zu den anrechenbaren Bezügen im Sinne dieser einkommensteuerrechtlichen Vorschrift. Dies scheint auch gerecht. Wir haben erst vor wenigen Jahren diese Regelung so getroffen, so daß ich nicht sagen kann, daß wir jetzt darangehen sollten, diese erst einige Jahre alte Regelung neuerlich zu ändern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903412700
Die Frage 81 wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung zur Verfügung;
Die Fragen 66 und 67 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Weirich auf:
Welche Verbesserungen in der Zahlungsbilanz wären eingetreten, wenn im Jahre 1980 die in der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung vorgesehenen 45 000 MWe an Kernkraftkapazität gebaut worden wären, verglichen mit tatsächlich etwa 15 000 MWe?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Martin Grüner (FDP):
Rede ID: ID0903412800
Die 1974 in der ersten Fortschreibung des Energieprogramms genannten 45 000 MW waren erst für 1985 und bei Annahme eines jährlichen Stromverbrauchszuwachses von 7 % erwartet worden. In der Zwischenzeit mußten die Erwartungen in bezug auf die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums und, damit zusammenhängend, zum Energie- und Stromverbrauch deutlich nach unter korrigiert werden. Gleichzeitig greifen glücklicherweise zunehmend die Maßnahmen zur Energieeinsparung. Die 1977 der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms beigefügte Prognose der wirtschaftswissenschaftlichen Institute hatte für das Jahr 1985 mit Kernkraftkapazitäten von 24 000 MW gerechnet. Die Autoren der damaligen Energieprognose arbeiten gegewärtig an einer neuen Prognose. Es wird erwartet, daß eine schwächere Entwicklung des Wirtschaftswachstums und stärkere Energieeinsparung auch den Stromverbrauchszuwachs und damit auch den Kraftwerksbedarf vermindern werden. Allerdings wird weiterhin Bedarf gerade an zusätzlichen Grundlastkraftwerken bestehen.
Eine verläßliche Quantifizierung der Zahlungsbilanzauswirkungen des Kernenergieausbaus im Sinne Ihrer Frage ist nicht möglich. Allerdings ist offensichtlich, daß der Ausbau der Kernenergie positive Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz hat, insbesondere, soweit unmittelbar oder mittelbar Öl verdrängt wird.
Ihrer Frage kann man sich überhaupt nur modellhaft nähern. Denn es müßten alle Alternativen der Brennstoffversorgung — Öl, Gas, deutsche und importierte Kohle — berücksichtigt werden. Es müßte berücksichtigt werden, daß Öl und Gas vorwiegend in der Spitzenlast eingesetzt werden, Kernkraftwerke demgegenüber auf Grundlastbetrieb ausgelegt sind. Diese Modelle und Alternativen zu gewichten, ist nicht möglich, zumal die Situation bei den einzelnen Elektrizitätsgesellschaften sehr unterschiedlich ist.
Eine hypothetische Antwort ist möglich, nämlich auf die Frage: Wie sähe es aus, wenn die in einem Kernkraftwerk von 13 000 Megawatt im Grundlastbetrieb erzeugte Elektrizität durch Steinkohlekraftwerke auf Importkohlebasis erzeugt würde? In diesem Fall würde die jährliche Differenz der Kosten an importiertem Brennstoff bei einem Kohlepreis von 150 DM je Tonne zirka 400 Millionen DM betragen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903412900
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter, bitte.

Dieter Weirich (CDU):
Rede ID: ID0903413000
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich — nachdem Sie einige Gründe dafür angeführt haben, daß die ursprüngliche Planung nicht eingehalten werden konnte —, daß all die von Ihnen genannten Gründe periphere Gründe sind vor dem Hintergrund des Streits in den Koalitionsparteien über die Energiepolitik, der in Wirklichkeit die Fortschreibung verzögert hat?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Das ist sicherlich unrichtig. Sondern die wirtschaftlichen Tatsachen, die ich Ihnen hier dargestellt habe, sind für die von mir geschilderte Entwicklung maßgebend.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903413100
Zweite Zusatzfrage.

Dieter Weirich (CDU):
Rede ID: ID0903413200
Worauf führen Sie es dann zurück — wenn Sie von modellhaften Berechnungen sprechen —, daß maßgebliche Vertreter der Bundesregierung — ich spreche zwei Bundesminister an — bei der ursprünglichen Vorlage des Energiepro-



Weirich
gramms ganz wesentlich darauf verwiesen haben, daß dieses Programm durchgesetzt werden müsse, damit es zu einer Verbesserung in der Zahlungsbilanz komme, während sich die Zahlungsbilanz aber in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Gesichtspunkt der Zahlungsbilanz ist einer von sehr vielen Gesichtspunkten. Ich weise darauf hin, daß Kernenergie auch eine Bedeutung für mehr Unabhängigkeit in unserer Energieversorgung hat, was mit der Zahlungsbilanz nichts zu tun hat. Ich bitte also, nicht einzelne — durchaus gewichtige — Gesichtspunkte allein zur Begründung heranzuziehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903413300
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leuschner.

Kurt Leuschner (SPD):
Rede ID: ID0903413400
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Frage beantworten, wann ein Kernkraftwerk, dessen Bau heute begonnen wird, frühestens zur Entlastung der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik beitragen könnte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Im allgemeinen rechnen wir mit einem Zeitraum von zehn Jahren.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903413500
Zusatzfrage, Herr Abgeordneten Dr. Lammert.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID0903413600
Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß jede der denkbaren Modellrechnungen bei nur halbwegs realistischen Annahmen zu einem Entlastungseffekt für die Leistungsbilanz führen würde, so daß es allenfalls um Spekulationen über die Höhe des Entlastungseffekts geht, nicht aber um den Sachverhalt als selchen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das kann ich bestätigen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903413700
Ich rufe die Frage 69 — des Herrn Abgeordneten Werner — auf:
Inwieweit stimmen Zeitungsmeldungen, wonach die Bundesregierung nunmehr entgegen ihrer ursprünglichen Absichtserklärung bereit sein soll, ohne Vorbedingungen ihre Zustimmung zu Verhandlungen über die Verlängerung des sogenannten Swing mit der DDR zu geben?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung hat wiederholt ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit der DDR über den Gesamtkomplex der Beziehungen erklärt. Sie hat für die Aufnahme solcher Gespräche keine Vorbedingungen gestellt. Das gilt auch für den Swing.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903413800
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Werner.

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0903413900
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, wäre es nicht auch aus Ihrer Sicht sinnvoller, vor einer solchen pauschalen Erklärung sich Gedanken darüber zu machen, inwieweit bestimmte anhängige Fragen verknüpft werden können? Ich denke insbesondere z. B. auch an die Forderung nach Senkung des erhöhten Zwangsumtauschsatzes.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir betrachten unsere Wirtschaftsbeziehungen mit der DDR immer in einem Gesamtzusammenhang. Wir sehen die Gesamtbeziehungen, auch unser wirtschaftliches Interesse an der möglichst hohen Austauschfähigkeit der beiden Volkswirtschaften — unter anderem —; aber selbstverständlich betrachten wir den Gesamtkomplex.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903414000
Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Herbert Werner (CDU):
Rede ID: ID0903414100
Können Sie eine Aussage darüber machen, inwieweit die Meldungen richtig sind, daß die Bundesregierung im Hinblick auf die seitens des Beauftragten der Treuhandstelle zu führenden Verhandlungen, die wohl im Herbst aufgenommen werden könnten, von einem Niveau von zur Zeit etwa 800 Millionen DM oder geringfügig weniger ausgeht?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann ich nicht bestätigen, sondern das wird den Gesprächen mit der DDR vorbehalten sein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903414200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger (Wangen).

Claus Jäger (CDU):
Rede ID: ID0903414300
Herr Staatssekretär, deute ich Ihre Antwort dahin richtig, daß die Bundesregierung damit zum Ausdruck bringen wollte, sie werde nicht die Aufnahme von Gesprächen oder Verhandlungen über die Verlängerung des Swing, sehr wohl aber den Abschluß einer solchen Vereinbarung davon abhängig machen, daß die DDR in der Frage des Zwangsumtausches zur vereinbarten Vertragsgrundlage zurückkehrt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Dies kann ich Ihnen so nicht bestätigen, Herr Kollege. Ich kann Ihnen nur noch einmal bestätigen, daß wir in unseren wirtschaftlichen Beziehungen mit der DDR den Gesamtbereich dieser Beziehungen sehen und auch den Gesamtbereich in unsere Verhandlungslinie mit der DDR einbeziehen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903414400
Ich rufe die Frage 70 des Herrn Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Wird die Bundesregierung die jüngsten Empfehlungen des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen zum Anlaß nehmen, ihre energiepolitische Zielsetzung „Vorrang für die Kohle" wegen der damit verbundenen Umweltgefahren zu überprüfen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Die Bundesregierung wird die Aussagen und Empfehlungen im Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen sehr sorgfältig analysieren. Sie werden, Herr Kollege, sicher mit mir übereinstimmen, daß dies bei über 400 Seiten Umfang nicht in drei Tagen möglich ist. Erst nach Abschluß dieser Auswertung wird zu beurteilen sein, ob energiepolitische Ziele berührt werden und wie weit die Aussagen des Rates im Rahmen der dritten Fortschreibung des Energieprogramms berücksichtigt werden müssen.




Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903414500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID0903414600
Herr Staatssekretär, da wir sicher darin übereinstimmen, daß in den Empfehlungen des Sachverständigenrates keine wirklich neuen Erkenntnisse und Argumente enthalten sind, könnten Sie vielleicht dazu Stellung nehmen, daß der Sachverständigenrat empfiehlt, in Belastungsgebieten die Kohlekraftwerkskapazitäten nicht zu erhöhen und in Gebieten mit reiner Luft auch die Errichtung von mittleren und kleineren Kohlekraftwerken grundsätzlich nicht mehr in Betracht zu ziehen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Gerade eine so gewichtige Aussage des Rates, Herr Kollege, die in einem Widerspruch zu den Überlegungen steht, die wir bisher angestellt haben, bedarf einer sehr gründlichen Nachprüfung der Argumente. Ich möchte hinzufügen, daß ich den Informationswert dieses Gutachtens als außerordentlich hoch veranschlage und ihn von vornherein als einen ganz wichtigen Beitrag zur Vervollständigung der Informationen — auch für die Öffentlichkeit — nach dem heutigen Erkenntnisstand betrachte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903414700
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Laufs.

Prof. Dr. Paul Laufs (CDU):
Rede ID: ID0903414800
Herr Staatssekretär, kann ich davon ausgehen, daß Sie in der angekündigten Überprüfung Ihr Augenmerk ganz besonders auf die Bewertung der Empfehlung des Sachverständigenrates richten werden, den weiteren Einsatz von Kohle an die Einführung neuer Techniken zur Emissionsminderung zu koppeln und hierbei vor allem auch die Aspekte des Energiepreises, dem im internationalen Wettbewerb eine Schlüsselfunktion zukommt, entsprechend zu gewichten?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Das werden wir tun, zumal da der Sachverständigenrat selbst erklärt, daß Umweltziele für die Energieversorgung nicht ohne Berücksichtigung der energiewirtschaftlichen Folgen angestrebt werden können, und weiter betont — was auch der Standpunkt der Bundesregierung ist —, daß bei allen Umweltgesichtspunkten auch ständig eine Abwägung mit anderen Gesichtspunkten, etwa den sozialen Folgen und den wirtschaftlichen Auswirkungen, stattzufinden hat. Wir begrüßen es sehr, daß der Rat gerade dieser Abwägung sich unter Umständen widerstreitender Gesichtspunkte in seinen grundlegenden Aussagen ein großes Gewicht beigemessen hat.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903414900
Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch den beträchtlichen Rückgang der Baunachfrage infolge der Kürzung der öffentlichen Investitionsausgaben die Bauwirtschaft Ostbayerns vor einer existenzgefährdenden Situation steht und deshalb gezwungen ist, Entlassungen von Mitarbeitern in größerem Umfang vorzunehmen, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen'?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Der Bundesregierung liegen derzeit keine Informationen darüber vor, daß die Bauwirtschaft Ostbayerns wegen der
Kürzung öffentlicher Investitionsausgaben vor einer existenzgefährdenden Situation steht. Weder von der Wirtschaft noch von der bayerischen Staatsregierung sind bisher entsprechende Klagen an die Bundesregierung herangetragen worden. Allerdings wird sich die Baukonjunktur auch in Ostbayern abgeschwächt haben. Der Konjunkturrückgang ist dabei jedoch auch hier vor dem Hintergrund der zuvor ausgeprägten Hochkonjunktur mit ihren erheblichen Preissteigerungen zu sehen. Im übrigen darf ich Sie darauf hinweisen, daß sich nach den derzeit gültigen mittelfristigen Finanzplanungen die bisherigen Bauausgaben des Freistaates Bayern schwächer als in den meisten anderen Bundesländern entwickeln werden. Dies war auch schon im letzten Jahr der Fall.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903415000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0903415100
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Bauwirtschaft in strukturschwachen Gebieten über ihre allgemeine Bedeutung hinaus eine ganz besondere Funktion hat und daß, nachdem der Produktionsindex allgemein im Bundesgebiet vom März 1980 bis zum März 1981 um über 20 % zurückgegangen ist, die Bauwirtschaft diese Verschlechterung in einem für sie bedeutsamen Gebiet viel, viel mehr spürt, als es sonst allgemein der Fall ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Wenn ich Ihre Aussagen zur Entwicklung im ostbayerischen Raum zur Grundlage meiner Antwort mache, möchte ich Ihnen das ausdrücklich bestätigen. Aber ich betone noch einmal, daß mir Informationen dieser Art nicht zur Verfügung stehen und daß auch die Rücknahme von Zuwachsraten bei Investitionsausgaben im Baubereich durch die bayerische Landesregierung darauf hindeutet, daß die bayerische Staatsregierung die in Ihrer Frage dargestellte dramatische Entwicklung bisher nicht so sieht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903415200
Eine Zusatzfrage, bitte.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0903415300
Darf ich Sie, Herr Staatssekretär, darauf hinweisen, daß es Äußerungen von Verbänden der Bauwirtschaft, des Baugewerbes, Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern aus dem Grenzlandbereich gibt, wonach die Bauwirtschaft infolge des Rückganges an öffentlichen Aufträgen in ihrer Existenz gefährdet sei, und daß deshalb dringend öffentliche Maßnahmen gefordert werden, da die Bauwirtschaft besonders stark, im Tiefbau zu 100 %, von öffentlichen Aufträgen abhängig ist?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Derartige Äußerungen sind uns bekannt, Herr Kollege.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903415400
Eine weitere Zusatzfrage. Bitte, Herr Abgeordneter Wieczorek (Duisburg).

Helmut Wieczorek (SPD):
Rede ID: ID0903415500
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß diese für Ostbayern unterstellte Minderung der Bauleistung und die damit



Wieczorek (Duisburg)

verbundene Auswirkung auf den Arbeitsmarkt für andere Gebiete in gleichem Maß zutreffen? Oder ist das öffentliche Investitionsvolumen in Ostbayern wesentlich größer als das öffentliche Bauvolumen beispielsweise im Ruhrgebiet? Die Strukturprobleme sind zwar unterschiedlich, aber sie sind da. Nur glaube ich, aus meiner Erfahrung sagen zu können, daß gerade im Ruhrgebiet und in den Ballungsräumen das Arbeitsplatzangebot durch die Zurücknahme öffentlicher Investitionen wesentlich gekürzt wird.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Sorgen, die Herr Kollege Dr. Jobst hier angeschnitten hat, sind leider allgemeiner Art und gelten für alle Gebiete der Bundesrepublik. Ich halte nur nichts davon, einzelne Gebiete herauszugreifen, ohne zu konkretisieren, worauf eine solche Darstellung beruht, die eine Abweichung von der allgemeinen Entwicklung in extremem Maß signalisiert, und diese Darstellung zur Grundlage einer Diskussion hier in der Fragestunde zu machen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903415600
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hinsken.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID0903415700
Herr Staatssekretär, ist Ihrem Ministerium bekannt, daß auf Grund der Abschwächung der Baukonjunktur allein im Arbeitsamtsbezirk Deggendorf über 40 % mehr Arbeitslose im Bauwirtschaftssektor vorhanden sind und daß sie sich, in Zahlen ausgedrückt, auf etwa 1800 beziffern, und welche Möglichkeiten sehen Sie von seiten des Wirtschaftsministeriums, für diese unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer weitere Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir können in diesem Bereich nur im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zusammen mit den Ländern etwas tun. Ich verweise darauf, daß regionale Wirtschaftsstrukturpolitik Sache allein der Länder ist, soweit wir nicht durch die Gemeinschaftsaufgabe als Bund hierfür eine Kompetenz haben, die wir gemeinsam mit den Ländern ausüben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903415800
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf:
Teilt die Bundesregierung die von Wirtschaftsfachleuten vertretene Ansicht, daß die von den Gewerkschaften in den diesjährigen Tarifverhandlungen betriebene Tarifpolitik der Nominallohnsicherung auf mittlere Sicht zwingend zu einem Nachteil aller sozialen Gruppen, also auch der Arbeitnehmer, führt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Eine Tarifpolitik der Nominallohnsicherung, d. h. unveränderter Nominallöhne, ist von Gewerkschaftsseite meines Wissens niemals vertreten worden. Vielmehr wurde wiederholt die Forderung nach Sicherung der Reallöhne gestellt, d. h. die Löhne müßten mindestens im Ausmaß der Preissteigerungen angehoben werden.
Die Bundesregierung hat im Jahreswirtschaftsbericht die Auffassung vertreten, daß in diesem Jahr ein Anstieg der Löhne und Gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer um 4 % mit den übrigen gesamtwirtschaftlichen Eckdaten in Einklang steht. Diese Zahl darf jedoch nicht mit der Höhe der einzelnen Tarifabschlüsse verwechselt werden, welche eine Bestimmungsgröße hierfür unter mehreren anderen ist. Bei einem seinerzeit gleichzeitig erwarteten Preisanstieg um 4,5% hätten die genannten 4 % einen Rückgang der Reallöhne um 0,5 % bedeutet. Dies entspricht exakt dem Mittelwert des erwarteten Sozialproduktrückganges, was ja nichts anderes als ein entsprechendes Schrumpfen des gesamten realen Einkommensniveaus der Volkswirtschaft bedeutet. Das heißt, die Bundesregierung hat mit dem Zahlenwerk der Jahresprojektion zum Ausdruck gebracht, daß der erwartete Sozialproduktrückgang möglichst gleichmäßig von allen sozialen Gruppen getragen werden muß. Der Versuch einer Reallohnsicherung oder -steigerung bei insgesamt rückläufigem Sozialprodukt würde angesichts der damit verbundenen Kostenbelastung sicherlich zu einer weiteren Lähmung der wirtschaftlichen Aktivitäten und zu einer stärkeren Geldentwertung führen. Den Preis dafür, nämlich noch mehr Arbeitslosigkeit und Inflation, müßten auch die Arbeitnehmer zahlen, so daß zwar für einzelne, nicht aber für alle Arbeitnehmer als Gruppe in einer solchen Situation eine Reallohnsicherung möglich ist.
Die Notwendigkeit zur Hinnahme von Realeinkommensverlusten gilt natürlich nicht für alle Zeiten. Sobald wieder ein verteilbarer realer Sozialproduktsanstieg erwirtschaftet wird, sollten alle Gruppen hieran genauso teilhaben wie an Realeinkommensverlusten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903415900
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0903416000
Herr Staatssekretär, ist es zutreffend, daß es ein Papier Ihres Hauses gibt, in dem Sie quasi vorsichtig, weil Sie die Tarifautonomie achten wollen, zum Ausdruck bringen, daß bei sinkendem Bruttosozialprodukt letztlich jeder Versuch der Einkommenssicherung auf Kosten der Gruppen geht, die sich eine derartige Vertretung nicht zu leisten vermögen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie können meiner Antwort hier entnehmen, daß wir das auch in unserer Jahresprojektion zum Ausdruck gebracht haben. Das war Gegenstand der Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers hier im Deutschen Bundestag. Es entspricht den Tatsachen, daß es bei einem rückläufigen realen Sozialprodukt leider keine Möglichkeit gibt, für alle eine reale Einkommenssicherung zu erreichen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903416100
Eine zweite Frage, bitte schön.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0903416200
Herr Staatssekretär, sind Sie in der Lage, mir noch etwas Näheres aus diesem von mir soeben zitierten Papier hier mitzuteilen, dessen ich bisher leider nicht habhaft werden konnte?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann mir nur vorstellen, daß dieses Papier, auf das



Parl. Staatssekretär Grüner
Sie sich beziehen, der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung ist.

(Heiterkeit — Dr. Voss [CDU/CSU]: Das ist es sicher nicht!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903416300
Waren Sie mit der Beantwortung der Frage fertig? — Ja.
Dann rufe ich die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß bei der jetzigen Tarifpolitik der Gewerkschaften die Arbeitnehmer als Gruppe insgesamt jährliche Einkommensverluste von mindestens 20 Milliarden DM hinnehmen müssen?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich nehme an, daß sich Ihre Frage auf einen kürzlich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschienenen Aufsatz bezieht. Nach der dort vorgenommenen Quantifizierung resultiert der berechnete Einkommensverlust in erster Linie aus der Entwertung des Geldvermögens der Arbeitnehmer, die dadurch entsteht, daß eine die Verteilungszusammenhänge nicht berücksichtigende Nominallohnpolitik weitere Preissteigerungen hervorruft.
Unter bestimmten modellmäßigen Voraussetzungen können solche Berechnungen durchaus zutreffen. Allerdings dürften einem solchen rechnerischen Einkommensverlust auf Grund der Entwertung des Geldvermögens in der Realität Zinseinkünfte gegenüberstehen, da die Geldvermögen in der Regel verzinslich angelegt sind und die Zinshöhe normalerweise mit der Preissteigerungsrate korrespondiert. Quantifizierungen der genannten Art können nur in genauer Kenntnis der jeweils zugrunde liegenden Hypothesen beurteilt werden. Die dabei zu treffenden Modellannahmen sind vielfach stark theoretischer Natur und entsprechen oft nicht den Anforderungen der praktischen Wirtschaftspolitik. Die Bundesregierung stellt daher solche Berechnungen nicht an, ohne dabei allerdings ihren theoretischen oder pädagogischen Wert in Frage zu stellen. Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen ergeben sich allerdings nicht aus der Tarifpolitik der Gewerkschaften oder der Arbeitgeber, sondern lediglich aus dem Ergebnis ihrer Verhandlungen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903416400
Zusatzfrage, Herr Dr. Voss.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0903416500
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie derartige Quantifizierungen, da Sie sie für die praktische Politik nicht für sinnvoll halten, in keinem Bereich anstellen, sondern daß sie einfach sozusagen ohne Grundlage hier im freien Raum schweben?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das können Sie aus meiner Antwort nicht entnehmen. Ich habe j a auch ihren pädagogischen und ihren theoretischen Wert zur Symbolisierung gewisser wirtschaftlicher Grundtatbestände durchaus deutlich gemacht. Das wird selbstverständlich bei uns im Einzelfall, wo es notwendig ist, auch praktiziert. Nur, das Herausgreifen einzelner Tatbestände und dabei die Zugrundelegung von Annahmen, die gleichzeitig für die Öffentlichkeit nicht sichtbar werden, führen zu Schlußfolgerungen, die in der Regel falsch sind, und sie stellen damit häufig eine einseitige Aussage dar, die wir in der praktischen Wirtschaftspolitik, aber auch in der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung als von höchst fragwürdigem Wert empfinden.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0903416600
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen — —

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903416700
Moment, Sie hatten zwei Fragen.

(Dr. Voss [CDU/CSU]: Nein, ich habe noch eine Frage, Frau Präsidentin!)

— Ehrlich? Ja, dann die zweite.

(Heiterkeit — Dr. Voss [CDU/CSU]: Ich habe erst eine Frage gestellt!)

Bitte.

Dr. Friedrich Voss (CSU):
Rede ID: ID0903416800
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob Ihnen die Zahlen bekannt sind, die da in der Veröffentlichung genannt werden — beispielsweise im Bereich der Arbeitnehmer in der Höhe von 20 bis 60 Milliarden DM —, und sind Sie, wenn man nur mal die geringere Zahl unterstellt, bereit, mir zuzugeben, daß dann bei den übrigen Bevölkerungsgruppen Schäden eintreten würden, die ein Vielfaches dieser Zahl darstellen würden?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich zögere, solche Zahlen zu bestätigen, da ich ihre Grundlagen nicht kenne. Ich füge hinzu, daß natürlich auch Preissteigerungen, die auf anderen Faktoren beruhen als auch Lohnerhöhungen, die über den Produktivitätsfortschritt hinausgehen, die gleiche Wirkung haben. Insofern handelt es sich hier einfach um einseitige Darstellungen, die ich nicht für sehr fruchtbar halte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903416900
Herr Dr. Friedmann, Zusatzfrage, bitte.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0903417000
Herr Staatssekretär, könnten Sie bitte darlegen, wie sich bei einer durchschnittlichen Einkommensteigerung um 5 % beim durchschnittlichen Arbeitnehmer eine Kaufkrafterhöhung ergeben kann, wenn die durchschnittliche Preiserhöhung bei 5 1/2 % liegt?
Grüner, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann ich nicht darstellen. In meiner Antwort habe ich dargestellt, daß die Bundesregierung zu ihrem allergrößten Bedauern im Jahreswirtschaftsbericht zum Ausdruck bringen mußte, daß sie eine Reallohnsicherung in diesem Jahr nicht für möglich hält.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903417100
Danke schön.
Ich rufe die Frage 74 der Frau Abgeordneten Geiger auf:
Warum wird beim Frühjahrsgutachten der fünf führenden deutschen Wirtschaftsinstitute die wirtschaftliche Lage aus der Sicht des Verbrauchers so gut wie nicht behandelt?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ebenso wie z. B. der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bedienen sich die Wirtschaftsforschungsinstitute in ihren halbjährli-



Parl. Staatssekretär Grüner
chen Gemeinschaftsgutachten zur Lage der Weltwirtschaft und der westdeutschen Wirtschaft der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Diese ist das neutrale Instrument des Wirtschaftswissenschaftlers zur Analyse der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nicht nur für den Wirtschaftspolitiker, sondern auch für den Verbraucher. Gesamtwirtschaftliche Analyse und Wirtschaftspolitik dienen in der Sicht des Bundesministers für Wirtschaft der Gesamtheit der Staatsbürger, also dem Verbraucher. Entsprechend seiner großen Bedeutung für die Gesamtwirtschaft nimmt zudem in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gerade die Untersuchung des privaten Verbrauchs und seiner Bestimmungsgründe — also insbesondere der Entwicklung von Einkommen, Beschäftigung, Ersparnis und Verbraucherpreisen — einen breiten Raum ein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903417200
Zusatzfrage, Frau Kollegin.

Michaela Geiger (CSU):
Rede ID: ID0903417300
Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung, in Zukunft bei der Auftragsgabe zu verlangen, daß die Wirtschaftsinstitute die Wirtschaftslage noch mehr aus der Sicht der Verbraucher beurteilen? Diese Frage kommt nämlich aus Kreisen der Verbraucherzentralen, die also nicht ganz zufrieden sind mit dem Ergebnis.
Grüner, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, es ist einfach ein Mißverständnis der Ergebnisse der Arbeit der Institute, wenn das etwa aus Kreisen der Verbraucherzentralen so gesehen wird. Im Mittelpunkt all dieser Berichte steht der Verbraucher mit seinem Einkommen, mit seinem Verbraucherverhalten, mit den Preisen, die er zu zahlen hat — alles dreht sich in einer Marktwirtschaft um den Verbraucher. Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute bringen das in eine wissenschaftliche Form, die zugegebenermaßen nicht jedem sofort zugänglich ist. Aber ich werde, wenn derartige Anregungen der Verbraucherzentralen an uns herangetragen werden, diese Anregungen gern auch an die Institute und an den Sachverständigenrat weiterleiten. Es wird sich — vielleicht auch für derartige Verbraucherberatungsstellen — darstellen lassen, wie sehr gerade in diesen Berichten der Verbraucher im Mittelpunkt steht.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903417400
Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Die Fragen 75 und 76 des Herrn Abgeordneten Eigen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 77 des Herrn Abgeordneten Dr. Kunz (Weiden) auf:
In welchem Umfang und in welchen Quoten für die einzelnen Bundesländer wird die Bundesregierung das Programm zur Dorferneuerung weiterführen?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Georg Gallus (FDP):
Rede ID: ID0903417500
Herr Kollege, die Bundesregierung ist sich nach wie vor der Notwendigkeit einer Entwicklung der Dörfer bewußt, die zur Anpassung an den Strukturwandel und zur Sicherung der Funktionsfähigkeit ländlicher Räume zum Wohle der Allgemeinheit führt. Die Nachfrage nach der im Rahmen des zeitlich begrenzten Zukunftsinvestitionsprogramms von 1977 bis 1980 mit rund 161 Millionen DM Bundesmitteln geförderten Dorferneuerung als einer Maßnahme der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hat die Dringlichkeit dieser Aufgabe deutlich erkennbar werden lassen.
Angesichts der schwierigen Haushaltssituation und nach sorgfältiger Abwägung des geringen Spielraums, innerhalb dessen neue Investitionsvorhaben gefördert werden können, haben sich Bund und Länder nicht in der Lage gesehen, nach Ablauf des Zukunftsinvestitionsprogramms die Dorferneuerung für 1981 als neue Maßnahme in den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" aufzunehmen und damit das Dorferneuerungsprogramm weiterzuführen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903417600
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kunz.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0903417700
Herr Staatssekretär, bedeutet das, daß auch auslaufende Maßnahmen nicht mehr gefördert werden können, oder ist das so zu verstehen, daß die beantragten und eingeleiteten Maßnahmen auch über das Kalenderjahr 1980 hinaus gefördert werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Mittel sind von uns an die Länder weitergegeben worden. Soweit dort noch irgendwelche bewilligten Restvorhaben abzuwickeln sind, ist die Finanzierung gewährleistet, ansonsten ist von uns aus die Sache abgeschlossen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903417800
Bitte, eine weitere Zusatzfrage.

Prof. Dr. Max Kunz (CSU):
Rede ID: ID0903417900
Herr Staatssekretär, denkt die Bundesregierung daran, in absehbarer Zeit dieses bewährte Programm wiederaufzunehmen oder fortzuführen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, man kann für die Zukunft nichts ausschließen, aber die Dorferneuerung ist natürlich in die Gesamtdiskussion über die Gemeinschaftsaufgaben und die Mischfinanzierung als solche — die ja zur Zeit zwischen Bund und Ländern sehr stark diskutiert werden — einbezogen. Man wird sehen, wie das in der Zukunft alles gehen wird. Ich kann da keine Versprechungen machen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903418000
Danke schön. Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Immer.

Klaus Immer (SPD):
Rede ID: ID0903418100
Herr Staatssekretär, halten Sie es für möglich, daß dann, wenn dieses



Immer (Altenkirchen)

Programm, das sich bewährt hat, nicht in Form eines befristeten Programms weitergeführt oder wiederaufgenommen werden kann, die Maßnahme als solche — damit sie gesichert wird — in modifizierter Form eine gesetzliche Regelung im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes erfährt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, es geht nicht um die Frage, ob das im Städtebauförderungsgesetz oder in dem Rahmen, in dem es bisher gemacht worden ist, fortgeführt wird. Die Sache als solche ist gut. Das Ganze ist eine Frage der Finanzierung.

(Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Die Bundesregierung ist pleite!)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903418200
Ich rufe Frage 78 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Wird die Bundesregierung bei ihrer Beurteilung des Berichts des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten „Agrarsozialpolitik — Situation und Reformvorschläge" davon ausgehen, daß eine Vereinheitlichung der Sozialversicherung unter Außerachtlassung der unterschiedlichen soziologischen Strukturen, insbesondere eine Anpassung der landwirtschaftlichen Altershilfe an das System der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht möglich ist?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Präsident, ich würde gern beide Fragen gemeinsam beantworten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903418300
Sind Sie einverstanden, Herr Kollege? Sie haben dann vier Zusatzfragen. — Gut, dann rufe ich auch Frage 79 des Herrn Abgeordneten Niegel auf:
Bleibt die Bundesregierung bei ihrer bisherigen Meinung, daß die landwirtschaftliche Altershilfe mit dem Prinzip einer einheitlichen Leistung ohne Rücksicht auf die Betriebsgröße als Grundsicherung und als Voraussetzung die Abgabe des Hofs eine andere Zielsetzung hat, als die Rentenversicherung und daß der Landwirtschaft auf Grund des starken Rückgangs der in ihr Beschäftigten, verbunden mit der Abwanderung in andere Berufe, die finanziellen Lasten der Altershilfe nicht allein tragen kann?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist ein autonomes Gremium wissenschaftlich anerkannter Persönlichkeiten, das den Bundesminister in Fragen der Agrarpolitik und Agrarwirtschaft berät. Dementsprechend hat der Beirat sein Gutachten „Agrarsozialpolitik — Situation und Reformvorschläge" aus eigener Initiative erstellt. Ich betrachte es als wertvollen Beitrag im Rahmen der Diskussion über die Weiterentwicklung der sozialen Sicherung der Landwirte.
Die Bundesregierung wird in Kürze eine Sachverständigenkommission berufen, deren Aufgabe es sein wird, unter Berücksichtigung der gewachsenen Strukturen und der Vorgaben des Grundgesetzes einen systematischen Vergleich aller staatlich finanzierten und geförderten Alterssicherungssysteme sowie Vorschläge für eine etwaige Neuregelung zu erarbeiten. Ich halte es für selbstverständlich, daß diese Kommission und später die Bundesregierung bei einer etwaigen Harmonisierung der Alterssicherungssysteme unterschiedliche soziologische Strukturen der gesicherten Personenkreise beachten.
Die Altershilfe für Landwirte wird wie bisher sozial- und agrarpolitische Ziele verfolgen. Der Rückgang der Zahl der Beitragszahler in der Altershilfe für Landwirte wird auch auf absehbare Zeit die Beteiligung eines Dritten an der Finanzierung der Altershilfe erforderlich machen. Nach der Auffassung der Bundesregierung und des Gesetzgebers ist dieser Dritte die öffentliche Hand.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903418400
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0903418500
Herr Staatssekretär, kann man folglich daraus den Schluß ziehen, daß die Bundesregierung bei ihrer bisherigen Agrarsozialpolitik insbesondere im Hinblick auf die Altershilfe für Landwirte bleiben wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Sie können aus meinen Ausführungen schließen, daß die Alterssicherung für Landwirte weitergeführt wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903418600
Zweite Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0903418700
Herr Staatssekretär, in dem bewußten Gutachten ist auch die Frage der Unfallversicherung angesprochen. Wie wird sich diese Unfallversicherung hinsichtlich der Beiträge bei der Erhöhung der Jahresarbeitsverdienste weiterentwickeln, wenn die Bundesregierung wegen ihrer Geldschwierigkeiten die Anpassung des Jahresarbeitsverdienstes nicht durch einen höheren Zuschuß unterstützt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist durch Gesetz nicht verpflichtet, den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften zusätzlich staatliche Unterstützung zuteil werden zu lassen. Trotzdem gewährt sie einen jährlichen Beitrag von 400 Millionen DM. Es liegt im Aufgabenbereich der Berufsgenossenschaften selbst, den Jahresarbeitsverdienst von sich aus entsprechend festzulegen. Daraus ergibt sich dann zwangsläufig eine entsprechende Beitragsgestaltung.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903418800
Dritte Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0903418900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht im weitesten Sinne durch § 1 des Landwirtschaftsgesetzes verpflichtet, wodurch die Landwirtschaft u. a. auch mit den Mitteln der Agrarsozialpolitik in den Stand gesetzt werden soll, die für sie bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen und ihre Produktivität zu steigern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung nicht gesetzlich verpflichtet ist. Die Bundesregierung sieht es als ihre Aufgabe an, im Rahmen der Förderung der Landwirtschaft insgesamt auch im sozialpolitischen Bereich der Landwirtschaft durch diesen Zuschuß unter die Arme zu greifen. Das ist richtig.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903419000
Letzte Zusatzfrage, Herr Kollege Niegel. — Sie wünschen keine weitere Zusatzfrage.
Herr Kollege Horstmeier, bitte.




Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0903419100
Herr Staatssekretär, Sie haben von einer Sachverständigenkommission gesprochen. Können Sie etwas darüber sagen, wie sich diese Kommission personell zusammensetzen wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Nein.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903419200
Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Frau Parlamentarische Staatssekretärin Fuchs steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 80 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, für landwirtschaftliche Spätaussiedler aus Polen in der Bundesrepublik Deutschland eine angemessene Alterssicherung zu schaffen?
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.

Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID0903419300
Herr Kollege, bei Aussiedlern aus Polen, die vor ihrer Ausreise in der Landwirtschaft als Arbeitnehmer tätig waren oder die als Selbständige oder mithelfende Familienangehörige Versicherungszeiten in der allgemeinen polnischen Rentenversicherung angerechnet bekommen, werden diese Zeiten nach dem deutschpolnischen Sozialversicherungsabkommen vom 9. Oktober 1975 bzw. dem Fremdrentengesetz in der Bundesrepublik Deutschland rentensteigernd berücksichtigt. Ihre Alterssicherung ist daher sichergestellt.
Ihre Frage bezieht sich daher offenbar nur auf selbständige Bauern und mithelfende Familienangehörige, die in Polen keine Versicherungszeiten in der allgemeinen polnischen Rentenversicherung angerechnet bekommen.
Für die Alterssicherung ehemals selbständiger Aussiedler ist nicht das Fremdrentengesetz vorgesehen, sondern andere Sicherungsformen wie das Lastenausgleichsgesetz. Die gesetzliche Rentenversicherung bietet aber auch diesen Personengruppen eine Möglichkeit zur Nachentrichtung von Beiträgen zurück bis zum Jahre 1924.
Eine Verbesserung der Alterssicherung für ehemals selbständige Bauern und ihre Familienangehörigen aus Polen mit dem Ziel, insbesondere auch Zeiten vor dem 1. Januar 1978 rentensteigernd zu berücksichtigen, in denen diese Personen auch in Polen einem Alterssicherungssystem nicht angehörten, ist nur schwer möglich. Die Prüfung dieser Frage ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Ich bin gern bereit, Ihnen das Ergebnis der Prüfung zu gegebener Zeit mitzuteilen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903419400
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Horstmeier.

Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0903419500
Frau Staatssekretärin, welche rechtlichen Voraussetzungen müßten nach Ihrer Meinung geschaffen werden, um die Pflichtbeiträge — um die handelt es sich nämlich — der Landwirte, die in einen Pensionsfonds in Polen eingezahlt worden sind, nach dem Fremdrentengesetz
in der gesetzlichen Rentenversicherung oder aber auch in der Altershilfe in Anrechnung zu bringen?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Das Fremdrentengesetz kommt hier nicht in Betracht. Man muß sehen, daß das polnische Gesetz, von dem Sie sprechen, die Alterssicherung davon abhängig gemacht hat, daß der Hof unentgeltlich an den polnischen Staat oder einen privaten Nachfolger übertragen worden ist. Derartige Leistungsvoraussetzungen bestehen in unserer gesetzlichen Rentenversicherung nicht. Von einer Gleichartigkeit und damit Übertragbarkeit der Sicherungssysteme kann man daher nicht ausgehen. Ich sehe auch keine rechtliche Möglichkeit, dies im Rahmen unserer Gesetzgebung zu ändern.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903419600
Eine zweite Zusatzfrage.

Martin Horstmeier (CDU):
Rede ID: ID0903419700
Trifft es zu, daß andere Selbständigengruppen wie Handwerker, Rechtsanwälte usw., die aus Polen zu uns gekommen sind, nach dem Fremdrentengesetz bei uns doch in eine soziale Sicherung einbezogen worden sind?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Diese Personenkreise konnten einbezogen werden, soweit aus ihrer bisherigen Tätigkeit vergleichbare Tätigkeiten für unsere Systeme aufgenommen werden konnten. Dies ist bei dem Personenkreis, von dem Sie sprechen, nicht der Fall. Ich wiederhole, daß wir den Betroffenen die Möglichkeit gegeben haben, Beiträge für die Rentenversicherung einzuzahlen, und daß zum anderen die Frage der rentensteigernden Berücksichtigung von Zeiten für diese Personengruppe noch überprüft wird.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903419800
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Frage 82 wird auf Wunsch des Fragestellers, Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann, schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Herberholz auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß es Arbeitsämter gibt, in deren Bereich eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote existiert, die einem nicht unerheblichen Teil der Betroffenen einen Arbeitsplatz anbieten könnten, dies aber unterbleibt, da die Mitarbeiter der Ämter mit der Bearbeitung von Anträgen auf Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe, Berufsberatung und anderen Aufgaben bei der Verwaltung der Arbeitslosigkeit bereits in einem solchen Umfang in Anspruch genommen sind, daß sie einer Vermittlungstätigkeit nicht mehr nachkommen können?
Bitte, Frau Staatssekretär.
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, ich würde gern die Fragen 83 und 84 gemeinsam beantworten.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903419900
Ja, bitte. Dann rufe ich noch die Frage 84 des Herrn Abgeordneten Herberholz auf:
Ist die Bundesregierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß angesichts anhaltender Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Arbeitsämtern mit überdurchschnittlicher Arbeitslosenquote die Personalbemessung bei der Arbeitsvermittlung erhöht wird und bei längerfristiger Abwesenheit von Mitarbeitern Ersatz bereitgestellt wird, um die Wirksamkeit der Arbeitsvermittlung zu erhöhen?



Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Arbeitsvermittlung ist in den Arbeitsämtern in einer eigenen Abteilung zusammengefaßt, die organisatorisch von der Bearbeitung der Anträge auf Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe in der Leistungsabteilung, von der Berufsberatung und von der Verwaltung der Arbeitsämter getrennt ist. Durch den Umfang der in anderen Abteilungen anfallenden Arbeit wird die Tätigkeit der Arbeitsvermittler daher nur mittelbar berührt.
Ausnahmsweise — und dann zeitlich begrenzt — werden einzelne Mitarbeiter der Abteilung Arbeitsvermittlung in die Leistungsabteilung entsandt, wenn dies wegen des Arbeitsanfalls in der Leistungsabteilung unabdingbar ist. Die Berufsberatung und Verwaltung werden in keinem Fall durch Mitarbeiter der Abteilung Arbeitsvermittlung verstärkt.
Stellenangebote an Arbeitslose unterbleiben nicht wegen fehlender Arbeitsvermittler, sondern wegen des Mangels an Arbeitsplätzen insgesamt — auf eine den Arbeitsämtern gemeldete offene Stelle kommen gegenwärtig statistisch fünf Arbeitslose — und wegen der beruflich und regional fehlenden Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. Die Bundesregierung hat dafür gesorgt, daß in den Haushaltsplänen der Bundesanstalt für Arbeit die Planstellen für Arbeitsvermittler und Arbeitsberater in den vergangenen fünf Jahren um rund 2 800 auf insgesamt fast 16 000 Stellen erhöht wurden. Für diese Planstellen, die mit qualifizierten Kräften zu besetzen sind, hat die Bundesanstalt für Arbeit laufend Einstellungen vorgenommen und die eingestellten Kräfte ausgebildet. Die ausgebildeten Kräfte stehen jetzt in größerem Umfang zur Verfügung. Diese Kräfte kommen auch den Arbeitsämtern mit hohen Arbeitslosenquoten zugute.
Für die Bereitstellung zusätzlicher Planstellen besteht gegenwärtig kein unabdingbares Bedürfnis.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903420000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Herberholz.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0903420100
Frau Staatssekretärin, ist der Bundesregierung bekannt, daß beim Arbeitsamt Bad Kreuznach z. B. vorhandene Stellen in der Arbeitsvermittlung auch bei längerfristigem Ausfall von Mitarbeitern nicht besetzt sind, und kann sie Auskunft darüber geben, ob es sich hierbei um einen Einzelfall handelt?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Ich bin gern bereit, diesen Fall nachzuprüfen. Mir ist nicht bekannt, daß das Arbeitsamt Bad Kreuznach schlechter behandelt wird als andere Arbeitsämter.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903420200
Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0903420300
Frau Staatssekretärin, kann die Bundesregierung bestätigen, daß bei einer kleinen Außenstelle im Bereich des Arbeitsamtes Bad Kreuznach mit 2,5 Planstellen in der Arbeitsvermittlung und 1 047 Arbeitslosen zirka ein Drittel dieser Arbeitslosen vermittelt werden könnte, wenn die vorhandenen Planstellen besetzt wären? Im Augenblick sind nur 0,5 Planstellen besetzt.
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Vermittlung von Arbeitslosen nicht nur von der Anzahl der Arbeitsvermittler abhängt. Ich würde Ihrem Arbeitsamt Bad Kreuznach empfehlen, zusammen mit den Vertretern der Selbstverwaltung Arbeitsmarktgespräche zu führen, um einem vielleicht bestehenden Personalmangel auch dadurch abzuhelfen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903420400
Weitere Zusatzfrage, bitte.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0903420500
Darf ich weiter nachfragen, Frau Staatssekretärin: Ist Ihnen bekannt, daß genehmigte AB-Maßnahmen von der Arbeitsvermittlung nicht mit Arbeitslosen aufgefüllt werden können, weil Arbeitsvermittler fehlen?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Dies ist mir nicht bekannt. Ich kann es mir so auch nicht vorstellen.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903420600
Letzte Zusatzfrage.

Ralph Herberholz (SPD):
Rede ID: ID0903420700
Wären Sie bereit, wenn ich Ihnen die Einzelheiten zustelle, das zu überprüfen und für Abhilfe zu sorgen?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich bin gern bereit, diese Fragen zu überprüfen. Aber ich wiederhole: Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Anzahl der Stellen in der Bundesanstalt für Arbeit anzuheben.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903420800
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Hürland.

Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID0903420900
Frau Staatssekretärin, sieht die Bundesregierung den Grund dafür, daß in den Stellenanzeigen der Zeitungen, besonders zum Wochenende, eine ganz große Anzahl von Stellen ausgeschrieben werden, darin, daß die Bundesanstalt für Arbeit bei der Stellenvermittlung in einer so geringen Zahl von Fällen eingeschaltet wird, und wie will sie das beheben?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Sie wissen, Frau Abgeordnete, daß wir die Arbeitgeber immer ermuntert und aufgerufen haben, offene Stellen den Arbeitsämtern zu melden. Sie kennen auch gelegentliche Überlegungen, zu überprüfen, ob man nicht eine Pflicht zur Meldung der offenen Stellen gesetzlich verankern sollte. Ich habe in einer der vorigen Fragestunden darauf hingewiesen, daß wir dies nicht tun wollen. Es bleibt daher dabei, daß wir hier auf Appelle an die Arbeitgeber angewiesen sind.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903421000
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (CDU):
Rede ID: ID0903421100
Frau Staatssekretärin, darf ich Sie daran erinnern, daß der Bundesrechnungshof erst vor ein paar Wochen kritisiert hat, daß das Personal der Arbeitsverwaltung in den letzten zehn Jahren um 20 000 Personen — gleich 70 % —



Dr. Friedmann
gestiegen ist und daß kein meßbarer Erfolg bei der Arbeitsvermittlung den 4 500 Arbeitsvermittlern in der Arbeitsverwaltung gegenübersteht?
Frau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Diese Kritik des Bundesrechnungshofs wird von uns überprüft. Ich würde es aber generell für richtig halten, daß wir in den letzten Jahren die Anzahl des Personals bei der Bundesanstalt wesentlich erweitert haben, zumal wir ihr auch zusätzliche Aufgaben überwiesen haben. Ich finde, wir haben da nicht zuviel des Guten getan. Aber wie immer ist es schwierig, in einer Verwaltung dafür zu sorgen, daß die Kräfte auch genau dort hinkommen, wo man es gerne hätte.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903421200
Frau Abgeordnete Hürland, weitere Zusatzfrage.

Agnes Hürland (CDU):
Rede ID: ID0903421300
Abgesehen davon, Frau Staatssekretärin, daß von den 2 800 neuen Arbeitskräften 1 600 Anschlußverträge erhalten haben, praktisch also nicht neu eingestellt worden sind, sondern schon lange in der Arbeitsverwaltung beschäftigt waren, möchte ich doch einmal fragen, ob Sie der Meinung sind, daß ein Arbeitsvermittler, der 850 Karteikarten zu verwalten hat, noch effektive Arbeitsvermittlung leisten kann, wenn diese Verwaltung darin besteht, daß der Arbeitsvermittler nicht mehr den Arbeitslosen, nicht mehr den Arbeitgeber und nicht mehr den Arbeitsplatz kennt. Ich möchte also mal fragen: Wie, glauben Sie, kann ein Arbeitsvermittler diese überwältigende Arbeit überhaupt leisten?
Fau Fuchs, Parl. Staatssekretär: Wir treten in eine Gesamtdiskussion über die Tätigkeiten von Arbeitsvermittlern ein, Frau Kollegin. Ich glaube, daß man der Bundesanstalt nach wie vor mit Nachdruck empfehlen muß, sich auch um die organisatorischen Probleme zu kümmern. Ich könnte mir vorstellen, daß wir die Arbeitsvermittler von gewissen Dingen entlasten könnten.
Aber ich darf noch einmal darauf hinweisen: Im Augenblick ist unsere größte Sorge die hohe Zahl von Arbeitslosen und das globale Arbeitsplatzdefizit. Dies werden Sie mit der besten Personalausstattung in der Bundesanstalt für Arbeit nicht bereinigen können.

Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903421400
Danke schön, Frau Staatssekretärin.
Wir sind am Ende der Fragestunde. Die noch ausstehenden Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz — SubvAbG)

— Drucksachen 9/92, 9/217 — a) Bericht des Haushaltsauschusses (8. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 9/401
Berichterstatter:
Abgeordnete Löffler Hoppe
Carstens (Emstek)

b) Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuß)

— Drucksache 9/378 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Spöri Dr. von Wartenberg

(Erste Beratung 15. bis 19. Sitzung)

Im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Zeit von 90 Minuten vereinbart worden. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Wünschen die Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Wartenberg.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903421500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute in zweiter und dritter Lesung mit einem sehr verheißungsvollen Gesetz, dem Subventionsabbaugesetz.
Wenn Subventionsabbau heißt, daß die Ausgaben des Staates reduziert werden,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

wenn Subventionsabbau heißt, daß sich der Staat auf seine eigentlichen Aufgaben konzentriert, wenn Subventionsabbau heißt, daß der Staat an die Leistungsfähigkeit des einzelnen appelliert, ihm aber den Lohn der Leistung beläßt, und wenn Subventionsabbau gepaart ist mit einer sparsamen Haushaltspolitik, dann ist das unsere Politik, dann ist es eine Politik, die wir mittragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben seit langem auf die Fehlentwicklung in der Finanzpolitik hingewiesen. Die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr ist mit rund 35 Milliarden DM höher, als selbst wir es befürchtet haben. Die Nettokreditaufnahme wird im nächsten Jahr mit 40 Milliarden DM weit über dem liegen, was vorausgesagt wurde. Die Gesamtverschuldung des Bundes beträgt rund eine Viertelbillion DM. Sie alle kennen diese Zahlen. Sie alle wissen, was das bedeutet. Sie kennen den Druck, der von dieser Verschuldung auf die Volkswirtschaft ausgeht. Sie kennen den Druck, der von dieser Verschuldung auf den Kapitalmarkt ausgeht. Sie kennen den Druck, der auch auf die Leistungsbilanz, auf den Wechselkurs und auf die Gesellschaft insgesamt ausgeht.



Dr. von Wartenberg
Wir haben seit Jahren gefragt: Wann erkennt die Bundesregierung diese Fehlentwicklung? Wann bekennt sich die Bundesregierung zu dieser Fehlentwicklung? Wann ist sie bereit, daraus die Konsequenzen zu ziehen?
Wir waren deshalb von der Initiative der Bundesregierung zunächst sehr positiv überrascht und neugierig auf das, was im sogenannten Subventionsabbaugesetz stehen würde. Wir haben mit Freude und Erstaunen die Briefe des Finanzministers im Frühjahr dieses Jahres an seine Parteifreunde und seine Rede in diesem Jahr im Deutschen Bundestag zur Kenntnis genommen. Deshalb waren die Erwartungen — nicht ungerechtfertigt — hoch, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dieser Entwicklung zu ziehen bereit ist.
Bevor ich in die Einzelheiten des Subventionsabbaugesetzes einsteige, darf ich drei Vorbemerkungen machen.
Erstens. Der Trick dieses ganzen Gesetzes, das Positivste für Sie an diesem ganzen Gesetz, besteht in der Wahl der Überschrift. Der größte Teil dessen, was in diesem Gesetz steht, hat finanzwirtschaftlich gesehen überhaupt nichts mit Subventionen zu tun. Das Gesetz ist im Grunde genommen nichts weiter als ein Gesetz zum Abbau und zur Verteuerung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum und zur Einführung der Telefonsteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zweitens. In diesem Gesetz konzentrieren Sie sich im wesentlichen auf die Erhebung von zwei bis drei neuen Einnahmepositionen, die Sie völlig willkürlich herausgezogen haben, die völlig zusammenhanglos dastehen, kein Konzept verraten und fast ausschließlich zugunsten des Bundes gehen.
Drittens. Mit diesem Gesetz werden Haushaltsentlastungen zwischen 1,6 und 2,6 Milliarden DM erreicht. Das ist bei dem wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Hintergrund der Grund dafür, daß die CDU/CSU dieses Gesetz nicht ablehnen wird. Wir setzen damit ein Zeichen, daß Sie den ersten zaghaften Versuch wagen, eine Reparatur der falschen Finanzpolitik der letzten Jahre einzuleiten. Wir setzen ein Zeichen dafür, daß wir bereit sind, angesichts dieser dramatischen Entwicklung schmerzhafte Eingriffe an uns nicht scheitern zu lassen.
Meine Damen und Herren, wir dürfen aber auch nicht verkennen, daß 1,6 bis 2,6 Milliarden DM so viel auch wieder nicht sind. Das reicht noch nicht einmal aus, um die Zinsen für die Schulden aufzubringen, die Sie nötig haben, um in diesem Jahr Ihren Haushalt auszugleichen. Insoweit ist das Gesetz sehr relativ. Das Finanzaufkommen ist nicht so hoch, wie es sein müßte, um eine grundsätzliche Kursänderung zu signalisieren. Auf der anderen Seite ist die Enttäuschung bei denjenigen, die zahlen müssen, die abgeben müssen, ausgesprochen groß.
Diese Diskrepanz ist die Folge Ihrer Politik, meine Damen und Herren.
Die Entscheidung, uns in der Schlußabstimmung zu enthalten, ist uns angesichts der Detailregelungen schwergefallen.
Zwei Drittel der gesamten Mehreinnahmen und Minderausgaben des Staates erreichen Sie dadurch, daß Sie die Postabgabe auf 10 % erhöhen. 1,3 Milliarden von dem, was Sie an Mehreinnahmen und Minderausgaben haben, mehr als die Hälfte dessen, was in den nächsten Jahren durch dieses Gesetz herein-fließen soll, haben Sie allein deshalb erreicht, weil Sie sich bei einem Unternehmen, das eine Monopolstellung auf dem Markt hat — sehr zum Leidwesen derjenigen, die als private Anbieter häufig viel flexibler auf technische Neuerungen reagieren würden —, wie ein Monopolist verhalten und die Monopolrente maximieren wollen.
Das Geld, das Sie zur Deckung Ihres Haushalts benötigen, wird nicht offen hier im Bundestag angefordert, wird nicht im Haushalt durch Einsparungen erwirtschaftet, sondern dieses Geld wird klammheimlich bei einem Bundesunternehmen abgezogen. Die Gebührenzahler werden zur Kasse gebeten und damit mitverantwortlich für die Folgen Ihrer falschen Finanzpolitik gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, folgendes ist doch die Wahrheit: Aus dem defizitären Brief-, Post- oder Paketbereich der Bundespost werden Sie das nicht herausholen, sondern das werden die Telefonkunden zu bezahlen haben. Wir fragen uns, ob es in der jetzigen Zeit richtig ist, der Bundespost Investitionsmittel zu entziehen, die sie nötig hat, um endlich in die modernen Technologien zu investieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das hat mit Subventionsabbau nichts zu tun. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht mit einkalkulieren, daß gerade dieses Verhalten den Ruf nach der Privatisierung von Teilbereichen der Bundespost nur noch unterstützt.
Erst zum 1. April dieses Jahres haben Sie die Mineralölsteuer mit der Begründung erhöht, daß es angesichts der energiepolitischen Entwicklung notwendig sei, den Individualverkehr zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs abzubauen. Durch den stufenweisen Abbau der Gasölbeihilfe konterkarieren Sie genau das, was Sie zur Begründung der Mineralölsteuererhöhung anführten.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Der Abbau der Gasölbeihilfe wird nämlich dazu führen, daß die Tarife im öffentlichen Nahverkehr zwischen 10 und 20 % steigen werden.
Seit 1971 ist die Gasölbeihilfe die einzige Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten des öffentlichen Nahverkehrs. Seit 1971 wird dies als eine gerechtfertigte Subvention mit dem Ziel betrachtet, daß der öffentliche Nahverkehr die Straßen entlasten und die Städte und die ländlichen Räume erschließen soll.
Wir fragen uns: Was hat sich seitdem geändert? Ist das Gegenteil eingetreten? Ist die Bedeutung des öffentlichen Pesonennahverkehrs gesunken? Welchen Wandel haben die von Ihnen, meine Damen und Herren, durchgemacht, die noch vor gut zehn Jahren bei der Aktion Roter Punkt für den Nulltarif einge-



Dr. von Wartenberg
treten sind und heute den Arm für eine Tariferhöhung zwischen 10 und 20 % heben!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wo bleibt das Konzept der Verkehrspolitik? Wir als Opposition können nur dem Innenausschuß des Deutschen Bundestages zustimmen, der die Bundesregierung einstimmig aufgefordert hat, endlich ein Verkehrskonzept vorzulegen, welches auch das flache Land erschließt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, was werden Sie tun, wenn auf Grund dieses Gesetzes bei nicht elektrifizierten Nebenstrecken im Nahverkehr Stillegungen notwendig sind. Wie wollen Sie den Bürgern dort dann Ihre heutige Entscheidung begründen?

(Zuruf von der SPD: Das kommt gleich!)

Im übrigen ist ja der haushaltspolitische Effekt gar nicht so hoch, wie Sie ihn sich vorstellen: zwischen 300 und 600 Millionen DM, je nachdem, welches Jahr ich nehme. Rund zwei Drittel werden bei diesen Maßnahmen über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz umgebucht und kommen den Ballungsräumen zugute.
Wissen Sie, was dies bedeutet? Die Tariferhöhungen haben diejenigen durchzusetzen, die auf Empfehlung der Bundesregierung rechtzeitig von der Straßenbahn auf den Omnibus umgestellt haben. Die Tariferhöhungen haben die zu bezahlen, die auf dem flachen Land auf den Bus angewiesen sind. Und die Gelder fließen zurück in die Ballungsräume, in die zentralen Städte, wo der U-Bahn-Bau damit finanziert wird. Fragen Sie einmal die Menschen auf dem flachen Land, was die davon halten!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Um die Gasölverbilligung geht es auch bei einem anderen Artikel. Hierbei geht es aber nicht darum, die Gasölverbilligung der Landwirtschaft abzuschaffen. Aber gerade dieser Artikel ist symptomatisch dafür, wie einfallsreich Sie sind, um auch mit den raffiniertesten Schachzügen Ihre Liquidität noch zu verbessern. Sie sind sehr findig bei der Suche nach neuen Einnahmequellen. Das ist nichts weiter als eine Ausprägung kurzfristigen fiskalischen Denkens. Obwohl die Gasölbeihilfe der Landwirtschaft unumstritten ist, ist es für den, der das verauslagt, doch wichtig, zu wissen, wann er bezahlen muß. Bekommt er das Geld vom Staat im Jahr des Verbrauchs wieder zurück oder ein Jahr später? Für den, der das bezahlt, ist das ein erheblicher liquiditätspolitischer Unterschied. Er hat die Zinskosten, er hat die Kreditkosten zu tragen. Für ihn ist das eine Frage der Liquidität. Wenn Sie nun versuchen, die Gasölbeihilfe, die unstrittig ist, erst im nachhinein zu zahlen, belasten Sie die Landwirtschaft mit den Zinskosten, die Sie zahlen müßten, weil Sie für die Finanzpolitik, die Sie betreiben, verantwortlich sind.
Aber nicht nur dieser eine Punkt berührt die Landwirtschaft. Sie wird noch einmal betroffen durch das Branntweinmonopolgesetz. Wir möchten hier nur ganz kurz fragen, ob es nötig ist, nach der kürzlich beschlossenen Erhöhung der Branntweinsteuer und nach der Verlagerung der Zinsen im Rahmen der Gasölverbilligung auf die Landwirtschaft Teile der Landwirtschaft zusätzlich dadurch zu belasten, daß man das Branntweinmonopol quasi auslaufen läßt, abschafft und Positionen aufgibt, die man gebrauchen könnte, um im europäischen Rahmen für die deutschen Brennereien etwas herauszuholen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, im Jahre 1979 haben Sie noch das genaue Gegenteil von dem empfohlen, was Sie heute beschließen wollen. Im Jahre 1979 haben Sie empfohlen, Brennrechte zu kaufen. Heute aber werden diejenigen, die damals Ihrer Empfehlung gefolgt sind, bestraft.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Mit im Mittelpunkt der Beratung des Gesetzes stand die Frage der Sparförderung. Was das Prämiensparen angeht, so soll die Sparförderung auf Grund Ihrer Vorlage total gestrichen werden. Wir sind uns einig darin, daß Sparen ein notwendiger volkswirtschaftlicher Prozeß ist. Konsumverzicht heute bedeutet, daß ich eine Investition tätigen kann, von der ich morgen leben kann. Wir sind uns auch einig darin, daß die Tugend des Sparens nichts Selbstverständliches ist. Wie soll ich denn einem jungen Menschen klarmachen, daß er einen Teil seines Nettoeinkommens beiseite legen soll, wenn um ihn herum insbesondere der Staat viel mehr ausgibt, als er einnimmt?
Wir sind uns auch einig darin, daß neben der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit des Sparens der Staat mit der Förderung des Sparens eine gesellschaftspolitische Aufgabe wahrzunehmen hat. Das Sparen und die Förderung des Sparens haben einen eigentumspolitischen, einen vermögenspolitischen Effekt. So jedenfalls lautete noch im Jahre 1975 Ihre Begründung.
Drittens waren wir uns auch darin einig, daß die Bausparprämien und die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand beibehalten werden sollten. Wir waren uns auch einig darin — das ist der entscheidende Punkt —, daß alle drei Sparförderungsmaßnahmen zusammengenommen — Sparprämien, Wohnungsbauprämien und die Abzugsmöglichkeit, Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand — zur Zeit in dem bisherigen Umfang nicht zu finanzieren sind und wir deshalb nach Einsparungen zu suchen haben.
Wir als CDU/CSU haben uns auf einen Vorschlag, der von außen kam, bezogen und ihn im Finanzausschuß zur Diskussion gestellt. Dieser Vorschlag sah vor, daß alle drei Säulen, die drei bewährten Säulen der Spar- und Vermögenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland — die Sparprämie, die Wohnungsbauprämie und Abzugsmöglichkeit bei der Steuer, die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand —, erhalten bleiben, aber auf einem kostengünstigeren Niveau.
Sie wollen eine dieser drei Säulen abschaffen. Empfinden Sie es nicht als Ironie, daß wir Ihnen sagen müssen, daß der größte Teil der Prämiensparer



Dr. von Wartenberg
Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen sind, daß ein großer Teil derjenigen, die Sparprämien in Anspruch nehmen, aus der jungen Generation kommt? Empfinden Sie das nicht als Ironie, meine Damen und Herren, daß wir Ihnen als der Partei der Arbeitnehmer das sagen müssen? Wir jedenfalls werden es den Betroffenen sagen, wer dieses Sparprämiengesetz abgeschafft hat.
Die Sparkassen sind, weil es ihrem Auftrag entspricht, daran interessiert, daß das Sparprämiengesetz beibehalten wird. Die Sparkassen sind deshalb von dieser Entscheidung arg betroffen. Sie sind auch von einer anderen Entscheidung arg betroffen, die heute zu treffen ist, nämlich von der Erhöhung der Körperschaftsteuer von 44 auf 50 % und bei den Kreditgenossenschaften von 50 auf 56 %. Wir meinen und meinten, daß es ohne eine gründliche Beratung der damit zusammenhängenden Eigenkapitalproblematik voreilig ist, hier eine Entscheidung zu treffen.
Die Befürworter der Steuererhöhung begründen diese damit, daß die Geschäftsbeschränkungen, die ursprünglich da waren, inzwischen so weit abgebaut seien und daß die Sparkassen sich so wie alle anderen Kreditinstitutionen verhielten. Ganz unabhängig davon, daß es nach wie vor quantitative, strukturelle und wettbewerbspolitische Nachteile und Beschränkungen gibt, ganz unabhängig davon, daß die Berechnungen, die von allen Seiten auf uns einströmten, zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kamen, glauben wir doch, daß es sinnvoll wäre, daß es verantwortungsvoller wäre, diese Frage im großen Zusammenhang mit der Kreditwesengesetzes-novelle zu beraten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Graf Lambsdorff hat einmal gesagt: Wer kein Geld hat, soll keine Kreditgeschäfte machen. So einleuchtend diese Erklärung ist, so unglaubwürdig sie von einem Regierungsmitglied ist — denn wer kein Geld hat, soll j a auch keine Schulden machen —, so läßt sie doch erkennen, daß die völlig unterschiedlichen Strukturen der Aufgaben im deutschen Kreditgewerbe verkannt werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wohl!)

Wenn die Sparkassen auf der einen Seite ihre kommunale Bezogenheit behalten sollen, sich dem kleinen und mittleren Geschäft widmen und den Massenverkehr bewältigen, wenn die Kreditgenossenschaften auf der anderen Seite ihre teuren Dienstleistungen und Kreditleistungen auf dem flachen Land für den Mittelstand vorhalten und wenn sich die Regionalbanken und Großbanken auf die lukrativen Geschäfte der Aktiv- und Passivseite konzentrieren, dann sind das unterschiedliche Aufgaben, die auch unterschiedlich zu besteuern sind. Wir können da nicht alles über einen Kamm scheren. Wir lehnen es ab und haben bedauert, daß es nicht möglich war, diese Fragen insgesamt in einem Zusammenhang zu debattieren und zu entscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Erwartung der SPD, in einer Entschließung Ihrer Fraktion und im Finanzausschuß vorgetragen, daß bei der Kreditwesengesetznovelle der Zuschlag zum haftenden Eigenkapital bei der Gewährsträgerhaftung der Anstaltslast eingebaut werden soll, sehen wir mit Spannung entgegen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß Sie während der Beratungen des Subventionsabbaugesetzes laufend eine Ankündigung nach der anderen gemacht haben. Wir begrüßen dies, weil es unserer Intention folgt und hoffen, daß sich innerhalb der möglichst bald eintretenden Beratungen dadurch keine wettbewerbspolitischen Nachteile für die Kreditgenossenschaften ergeben.
Ich kann ohnehin nur allen, die an diesem Gesetz interessiert sind, die von diesem Gesetz betroffen sind, empfehlen, die Protokolle des Bundestages und den Bericht der Berichterstatter genau zu studieren, da man in Zukunft, folgt man manchen Eingaben zu § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, zur Abschaffung der Tarifvergünstigung für nebenberufliche wissenschaftliche Tätigkeit, keine Kommentare über diese Gesetze mehr lesen kann, da es dann nicht mehr lukrativ zu sein scheint, darüber in nebenberuflicher Arbeit etwas zu veröffentlichen.
Die Mannheimer Jazzsängerin Joy Flemming hat einmal einen Song mit dem Text gesungen: Ich sing' fürs Finanzamt; ich schaff' mich fürs Finanzamt.

(Duve [SPD]: Die hat auch für die CDU gesungen!)

Die Wahrheit ist, daß durch die Abschaffung der Tarifvergünstigung für nebenberufliche, wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit die Steuererhöhung zum Teil bis 100 % erreichen wird. Wir fragen uns, ob trotz des Mißbrauchs, der teilweise damit betrieben wurde, die Folgen in einzelnen Bereichen nicht so gravierend sind, daß sie prohibitiv sind. Wir fragen uns, ob es richtig ist, daß all die, die neben ihrem Hauptberuf einen Teil dessen, was sie können, was sie lernen, was sie lehren, was sie darstellen können, in abendlicher Beschäftigung der übrigen Welt mitteilen können, durch diese Steuer nicht zusätzlich bestraft werden.

(Dr. Spöri [SPD]: Vor allen Dingen die armen Beamten!)

Wir sehen die Kritik, weil es zusätzlich zu der Abschaffung der Tarifvergünstigung zu einer sehr komplizierten Überschneidung im Steuerrecht kommt. Denn wir haben ja vor kurzem erst den Übungsleiterfreibetrag für fast die gleiche Art der Tätigkeit in manchen Bereichen bis zur Höhe von 2 400 DM im Jahr eingeführt. Das bedeutet z. B. im Einzelfall, daß ein Organist, der nebenbei in einem Singkreis aushilft, als Übungsleiter gilt, daß der gleiche Organist, spielt er auf einer privaten Beerdigung, sein Salär voll versteuern muß, daß aber der gleiche Organist, wird er von einer Handwerkskammer eingeladen, die die Beerdigung für ihren ehemaligen Präsidenten organisiert, wieder als Übungsleiter gilt.
Hätten Sie uns bei der Beratung dieses Gesetzes und auch bei der Ausformulierung des Übungsleiterbetrags mehr Zeit gelassen, dann wäre es uns möglich gewesen, hier eine klarere, bessere, eindeutigere



Dr. von Wartenberg
Formulierung als das zu finden, was wir nun vor uns haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sagen nein zu den Artikeln in diesem Gesetz, die wir für falsch halten. Abgabeerhöhungen wie die Einführung der Telefonsteuer sind das Gegenteil von dem, was wirtschaftliche Vernunft erwarten läßt. Tariferhöhungen im Nahverkehr sind das Gegenteil von dem, was eine vernünftige Verkehrspolitik erreichen muß. Der Wegfall der Sparprämie ist das Gegenteil von dem, was die Arbeitnehmer und die Jugendlichen, die in das Sparen hineingeführt werden sollen, erwarten können.
Wir werden uns bei jenen Artikeln des Gesetzes enthalten, wo Sie nach unserer Überzeugung zwar den richtigen Gegenstand angepackt haben, die Lösung aber unausgegoren, unsystematisch, voreilig ist. Wären Sie unseren Alternativvorschlägen gefolgt, dann wären diese Lösungen besser und langlebiger gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ja sagen wir leider nur zu einem finanzpolitisch unwirksamen Gesetz, den Wohnungsbau betreffend.
In der Schlußabstimmung lassen wir uns von dem Grundgedanken des Gesetzes leiten: der Ausgabeneinsparung. Ein echter Subventionsabbau ist notwendig: eine echte Kürzung der Ausgaben des Bundes ist dringend erforderlich.
Die CDU/CSU ist die einzige politische Kraft in diesem Land, die seit Jahren diesen Weg gefordert hat.

(Lachen bei der SPD)

Die CDU/CSU ist damit eine konstruktive Opposition. Die CDU/CSU hat vor und nach den Wahlen das gleiche gesagt. Wir haben vor und nach den Wahlen keinen Zweifel daran gelassen, daß schmerzhafte Eingriffe in den Haushalt notwendig sein werden, wenn es gelingen soll, diesen wieder zu sanieren.
Lassen Sie mich auf das zurückkommen, was ich am Anfang gesagt habe. Das Defizit des Haushalts, die dramatisch steigende Neuverschuldung, die durch die Staatsverschuldung belastete Volkswirtschaft, das dadurch mitzuverantwortende Leistungsbilanzdefizit, die Verzerrungen auf dem Kapitalmarkt, das Aufblähen der Haushalte der vom Bund abhängigen Anstalten, die nicht mehr zu kontrollierenden Schattenhaushalte, die die Privatwirtschaft und die Privatinitiative zurückdrängende Staatsquote sind ein Zeichen dafür, daß mit der Reparatur dieser Politik begonnen werden muß.
Sie haben selber durch die Ankündigung eines zweiten Subventionsabbaugesetzes zugestanden, daß Sie hier nur Unzulängliches vorgelegt haben.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Auch wieder nur ein Steuererhöhungsgesetz!)

Wir werden Ihnen bei diesem ersten, unzulänglichen, zaghaften Versuch, den Staatshaushalt wieder in den Griff zu kriegen, nicht in die Arme fallen und uns aus der Verantwortung, die wir gegenüber der Volkswirtschaft haben, aus der Ehrlichkeit gegenüber unseren eigenen Wählern und aus der Konsequenz unserer eigenen Politik heraus der Stimme enthalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Annemarie Renger (SPD):
Rede ID: ID0903421600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Spöri.

Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID0903421700
Frau Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wir verabschieden heute mit dem Subventionsabbaugesetz ein Maßnahmenpaket, das bei seiner Ankündigung alles andere als Jubelschreie ausgelöst hat. Das hat man bei der Beratung in den Fachausschüssen in den letzten Wochen gemerkt. Es war ganz im Gegenteil so, daß eine massive Kritik gegen dieses Gesetz aus vielen gesellschaftlichen Richtungen gekommen ist. Ich möchte aber fragen, ob es denn tatsächlich ein negatives Signal ist, daß diese Kritik geäußert worden ist. Es ist zwar sicherlich richtig, daß wir eine volle Breitseite lautstarker Kritik hier zur Kenntnis zu nehmen haben; aber aus meiner Sicht ist es so, daß dies nicht gegen dieses Gesetz, sondern für dieses Gesetz spricht.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Jeder, Herr von Wartenberg, der sich mit Subventionsabbau beschäftigt und nach all den folgenlosen Parolen vom Subventionsabbau wirklich darangeht, Nägel mit Köpfen zu machen, weiß doch, daß er hier überhaupt keinen Beifall erwarten kann,

(Frau Dr. Timm [SPD]: So ist es!)

weiß doch, daß er einzelnen Gruppen, einzelnen betroffenen Bereichen wehtun muß; das geht ja gar nicht anders.
Ich meine, meine Damen und Herren, man darf nicht darüber hinwegsehen, daß wir den Betroffenen beim Subventionsabbau etwas wegnehmen, woran sie sich gewöhnt haben, liebgewonnene finanzpolitische Vorteile, die sie inzwischen als ihren rechtmäßigen Besitzstand interpretieren. Natürlich kommt es, Herr von Wartenberg, auch zu den von Ihnen zum Teil richtig geschilderten punktuellen Einkommensverlusten oder auch zu unangenehmen Kostenfolgen; das kann man hier überhaupt nicht wegdiskutieren. Es ist doch ganz klar, daß dann z. B. die Brenner auf die Barrikaden gehen. Es ist in einer demokratischen Gesellschaft doch völlig logisch, daß dann die Sparkassen auf die Barrikaden gehen und gegen diesen Gesetzentwurf protestieren.
Aber eins ist doch damit an Erkenntnis verbunden: Wenn aus so vielen gesellschaftlichen Gruppierungen, aus so vielen Richtungen Gegenwind gegen ein derartiges Gesetz kommt, dann hat sich die Bundesregierung — das ist ein Anzeichen dafür — doch redlich bemüht, wirklich einen die betroffenen Gruppen ausgewogenen belastenden Vorschlag zum Subventionsabbau zu machen. Das muß man hier doch anerkennen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir haben, meine Damen und Herren, gemerkt, daß Subventionsabbau keine Veranstaltung zur Volksbeglückung ist. Das hat jeder hautnah erlebt,



Dr. Spöri
der an den Beratungen im Fachausschuß teilgenommen hat. Wir werden uns aber nicht abhalten lassen, hier weiterzumachen.
Ein zentraler Gesichtspunkt beim Subventionsabbau ist, daß wir, wie ich soeben gesagt habe, verteilungspolitisch ausgewogen vorgehen müssen. Ich glaube, der Subventionsabbau kann in diesem Hause parlamentarisch nur dann durchgesetzt werden, wenn der einzelne Kollege, der hier sitzt, das Gefühl hat, daß nicht nur er, wenn er einem Punkt in einem solchen Artikel-Gesetz zustimmt, Schwierigkeiten oder Probleme mit besonderen Zielgruppen bekommt, denen er besonders nahesteht, sondern daß auch andere Ärger bekommen, wenn sie anderen Punkten zustimmen. Das ist die Basis für den Konsens, den wir hier in diesem Hause finden müssen. Ohne einen solchen Konsens läuft überhaupt nichts, kommen wir überhaupt nicht über Sonntagsreden hinaus. Mit diesem Gesetzentwurf nun sind wir darüber hinausgekommen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich jetzt darauf konzentrieren, die besonders hitzig debattierten Punkte herauszugreifen. Denn es gibt ja einen ausgezeichneten Bericht, der Ihnen vorliegt und den Sie sicherlich erschöpfend und erschöpft gelesen haben — wie immer. In ihm sind die ganzen Detailbereiche aufgeführt. Ich werde mich also jetzt auf die umstrittenen Komplexe beschränken.
Ich möchte dabei nicht verhehlen, daß es kritische Argumente gegeben hat, auch aus meiner eigenen Fraktion; deshalb braucht man sich überhaupt nicht zu verstecken. Bei dieser schwierigen Materie ist auch in meiner eigenen Fraktion über mehrere Bereiche hart und kontrovers diskutiert worden, z. B. bei der Angleichung der Besteuerung im Kreditgewerbe. Hier kam gegen die Erhöhung der Körperschaftsteuerbelastung der Sparkassen sehr viel Gegenwind aus dem kommunalpolitischen Bereich. Der Sparkassen- und Giroverband hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es eine Menge Sparkassen gibt, die inzwischen wegen Eigenkapitalschwierigkeiten an die Grenze ihres Geschäftsspielraums gestoßen sind. Aber wenn wir dieses Problem wirklich ernsthaft diskutieren wollen, meine Damen und Herren, dann müssen wir klarstellen, daß dieser Sachverhalt schon vorher anzutreffen war, daß dieses Subventionsabbaugesetz diese Schwierigkeiten nicht etwa über Nacht neu geschaffen hat, daß es auch, wenn wir uns überhaupt nicht an dieses Gesetz gemacht hätten, Aufgabe dieses Parlaments in den nächsten Monaten wäre, sich mit diesen Schwierigkeiten einzelner Sparkassen auseinanderzusetzen, und daß man hier mit einer Lösung nicht mehr lange warten darf.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat im Finanzausschuß zu diesem Punkt klar bekräftigt — und ich unterstreiche das hier bei der abschließenden Beratung —, daß die SPD-Bundestagsfraktion ihre Zustimmung zu einer gleichmäßigeren Besteuerung in der Kreditwirtschaft mit der Erwartung verknüpft, daß für die Sparkassen die Gewährträgerhaftung bei der vorgesehenen Novellierung des Kreditwesengesetzes mit einem Zuschlag zum haftenden Eigenkapital berücksichtigt wird und daß der entsprechende Gesetzentwurf von der Bundesregierung bis zum Ende des Jahres 1982 vorgelegt werden soll.
Ich darf zu diesem Punkt in aller Deutlichkeit feststellen, daß die Vorschläge, die auf das sogenannte nachrangige Haftkapital abzielen, nicht unsere Unterstützung finden werden. Wir sind mit den Sparkassen derselben Auffassung, daß ein derartiger Lösungsansatz die Gefahr einer schleichenden Privatisierung mit sich bringen muß und den spezifischen strukturpolitischen Auftrag unserer Sparkassen in Frage stellt. Wir lehnen eine Entwicklung in diese Richtung bei der notwendigen Novellierung des Kreditwesengesetzes ab. Ich möchte das in diesem Zusammenhang den Gemeinden und Sparkassen gegenüber unmißverständlich klarstellen.
Ein weiterer Punkt , bei dem in der Öffentlichkeit und auch in meiner Fraktion eine sicherlich sehr kontroverse Debatte stattgefunden hat, war der stufenweise Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe im öffentlichen Personennahverkehr. Auch wenn die tatsächlichen Kosteneffekte, die wir hier erwarten müssen, nicht die Höhe der Schreckenszahlen erreichen, die gegenwärtig öffentlich gehandelt werden — die tatsächlichen Effekte liegen ungefähr bei 1,7 bis 4 % pro Jahr —, muß man sich mit den Hinweisen auf mögliche Tariferhöhungen, die eventuell sogar über die wahren Kosteneffekte hinausgehen, ernsthaft auseinandersetzen. Ich will diese Kostenwirkung hier überhaupt nicht vom Tisch wischen. Aber wenn man wirklich versucht, eine seriöse Vergleichsbetrachtung herzustellen zwischen den einzelnen Verkehrsträgern, zwischen dem Individualverkehr auf der einen Seite und dem öffentlichen Personennahverkehr auf der anderen Seite, dann muß man doch auch erkennen, daß der Kostentrend beim Individualverkehr dennoch stark höher liegt im Vergleich zum öffentlichen Personennahverkehr und daß deswegen sicherlich die relative Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs nicht absinken wird — im Gegensatz zu den Behauptungen, die hierzu immer aufgestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Mittel, die durch den Abbau der Gasölbeihilfe verlorengehen, fließen im Umfang von annähernd 90% ja automatisch wieder über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz an die Gemeinden zurück, und zwar zu mindestens 50 % in Investitionen des öffentlichen Nahverkehrs und der andere Anteil in Investitionen beim kommunalen Straßenbau.
Meine Damen und Herren, hier wird es unsere Aufgabe sein, durch einen veränderten Förderkatalog im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes dafür zu sorgen, daß auch die Gebiete außerhalb der Verdichtungsräume, die ländlichen Gebiete, an diesen zurückfließenden investiven Mitteln stärker partizipieren. Es wird ferner unsere Aufgabe sein, im Rahmen verkehrspolitischer Überlegungen generell die investiven Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz stärker auf den öffentlichen Personennahverkehr umzupolen.



Dr. Spöri
Abschließend möchte ich zu diesem Punkt, der sicherlich umstritten ist, feststellen, daß der — global immer beifallumrauschte — Satz, daß man angesichts des gegenwärtigen Leistungsbilanzdefizits den Ölverbrauch nicht auch noch subventionieren soll, natürlich überall Gültigkeit haben muß, nicht nur in Teilbereichen des Ölverbrauchs. Wenn wir diesen Satz nicht überall gelten ließen, käme es dazu, daß wir beim Abbau der Ölsubventionen immer vor der Situation stünden, daß der eine Verwendungssektor gegen den anderen ausgespielt und der Abbau der Ölsubventionierung abgeblockt würde.
Auch der öffentliche Bereich muß sich daran gewöhnen, mit einem nicht durch Subventionen verzerrten Ölpreisniveau zu kalkulieren. Wenn der öffentliche Nahverkehr energiesparender als der Individualverkehr ist, muß doch diese Vergleichsbetrachtung auf Energiekostenrechnungen beruhen, die durch keinerlei Subventionen verzerrt sind.
Wir gehen aber davon aus, daß die Politik des Abbaus von Subventionen nicht auf diesen Teil der Ölverbrauchssubventionen beschränkt bleibt, sondern über den vorliegenden Gesetzentwurf hinausgeht.

(Zustimmung bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Wir gehen davon aus, daß nach der Einschränkung der allgemeinen Mineralölsteuerfreiheit im privaten Luftverkehr im Rahmen dieses Gesetzentwurfes durch eine europäische Abstimmung möglichst bald auch die Mineralölsteuerfreiheit im Bereich des innerdeutschen Fluglinienverkehrs sowie im Bereich der Binnenschiffahrt abgeschafft wird.

(Zustimmung bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, überhaupt nicht einzusehen ist — das ist ein Punkt, der in der Öffentlichkeit noch gar nicht so aufmerksam registriert worden ist —, daß in der Bundesrepublik heute noch der Eigenverbrauch der Mineralölwirtschaft steuerfrei ist. Ich kann hier nur mit „Esso" sagen: Es gibt viel zu tun, packen wir's an!

(Zustimmung bei der SPD) Das gilt auch für die Mineralölkonzerne.


(Dr. Langner [CDU/CSU]: Keine Schleichwerbung!)

— Die werden sich über die Schleichwerbung nicht freuen, Herr Kollege.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Das denke ich auch!)

Dasselbe gilt meiner Ansicht nach mittelfristig auch für die Gasölbeihilfe der Landwirte. Hier kann man natürlich aus Konkurrenzgründen nur im Rahmen einer europäisch abgestimmten Lösung vorankommen. Ganz sicher aber werden die im Hearing vorgebrachten Wünsche nach einer Erhöhung der Gasölbeihilfe in der Landwirtschaft nicht erfüllt werden. Dafür werden wir sorgen. Ich muß sagen, man kann sich nur wundern, auf welche Forderungen gegenwärtig manche in diesem Lande in unserer Situation kommen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Der generelle Abbau der Subventionen des Ölverbrauchs muß ein ganz zentraler Schwerpunkt des Subventionsabbaus in einer Volkswirtschaft sein, die von ihrem vorrangig ölbedingten Leistungsbilanzdefizit herunterkommen muß. Aber wir müssen daneben in der Subventionsabbaupolitik noch andere Ziele berücksichtigen.
Es gibt das haushaltspolitische Ziel. Das führt uns in andere Bereiche des Subventionsabbaus hinein. Wenn wir weitere Subventionen abbauen wollen, können wir dabei nicht dem scheinbar patenten Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelstages folgen, der ja vorgeschlagen hat, mit dem Rasenmäher querbeet über alle Subventionen zu gehen und überall linear gleich zu streichen.
Lassen Sie mich hierzu klarstellen: Wenn wir uns darüber einig sind, daß die Subventionen, die wir gegenwärtig haben, unterschiedliche Prioritäten haben, daß es unterschiedliche Dringlichkeiten gibt, daß es sehr wichtige und sinnvolle Subventionen gibt wie z. B. im Kohlebergbau, aber daß es auch Ladenhüter, überflüssige Privilegien gibt, die eigentlich keinen Bestand mehr haben sollten, dann muß dieser Subventionsabbau logischerweise auch mit Prioritäten erfolgen und nicht linear mit gleichen Prozentsätzen. Wir können bei einem solchen Abbau z. B. notwendige, dringende finanzielle Anreize für das Energiesparen auf der einen Seite nicht einfach um die gleichen Prozentsätze kürzen wie auf der anderen Seite die subventionspolitischen Ladenhüter, die ich eben erwähnt habe und die schon längst aus dem Subventionsangebot des Staates hätten verschwinden sollen.
Wir können es uns also nicht so einfach machen, als seien alle Subventionen gleich überflüssig oder gleich notwendig. Man muß schon sagen, was man streichen will, aus welchen Gründen man es streichen will und was in vertretbarem Rahmen aus welchen Gründen reduziert werden kann. Diese Prioritätensetzung bleibt niemandem erspart, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben versucht, Prioritäten zu setzen. Dies ist natürlich immer umstritten. Da gibt es immer unterschiedliche Gesichtspunkte. Wir haben das trotz Kritik im Rahmen dieses Gesetzentwurfes z. B. beim Abbau der Steuerermäßigungen für wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Nebentätigkeiten im Rahmen des § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes gemacht.
Ich darf feststellen — weil hier intensiv Kritik geübt worden ist —, daß wir uns immer bemühen, Kritik und Argumente, die z. B. in den Anhörungen des Bundestages vorgebracht werden, auf ihren wahren Gehalt abzuklopfen und zu prüfen, ob sie wirklich ernst zu nehmen sind. Aber ich muß zu diesem Punkt sagen, meine Damen und Herren, daß ich von der Argumentation der Interessenvertreter im Zusammenhang mit dem § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes enttäuscht war. Die aus dem Hochschulbereich vorgebrachten Argumente sind für



Dr. Spöri
mich ein peinliches Musterbeispiel für Lobbyismus. Das muß ich hier einmal ganz offen sagen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir gehen davon aus, daß durch den Abbau der Steuervergünstigungen in § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes die Geistes- und Kulturlandschaft in der Bundesrepublik nicht verödet und nicht ausblutet. Es ist schon eine sehr bedenkliche Abwertung der Motivation für das geistige Schaffen und die Abfassung wissenschaftlicher Publikationen in diesem Lande, wenn man davon ausgeht, der Wegfall eines solchen Steuervorteils werde dazu führen, daß die Aktivitäten hier dramatisch zurückgehen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir können uns besonders im Interesse der betroffenen Hochschullehrer nicht den im Hearing vorgebrachten Argumenten ihrer Sprecher anschließen, weil wir eine zu hohe Meinung von den Hochschullehrern haben.
Wir konnten hierzu auch nicht die Änderungsvorschläge aufnehmen, die Herr von Wartenberg gerade angeführt hat, weil dies ein Subventionsabbaugesetz ist und nicht etwa ein Subventionsgesetz, in dem wir neue Subventionen zur Abfederung der Abschaffung der alten schaffen wollten.
Aber jetzt zu einem anderen zentralen Punkt, der sehr kontrovers gewesen ist, zur Wohnungsbauprämie. Die Bausparkassen und auch der zuständige Fachausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau wollten die bisherige siebenjährige Bindungsfrist für Wohnungsbauprämien beibehalten. Die Union hat im Rahmen der Beratungen des Finanzausschusses einen Antrag gestellt, der einer Reduzierung der vorgesehenen zehnjährigen Bindungsfrist auf neun Jahre zum Ziel hatte. Wir haben uns dies intensiv durch den Kopf gehen lassen und darüber diskutiert. Letztlich haben wir uns gegen diesen Vorschlag entschieden, und zwar deshalb, weil wir alle Seiten hören müssen.
Wir haben nämlich auf der anderen Seite zur Kenntnis nehmen müssen, daß zu Recht gesagt worden ist: Ihr habt ja eigentlich die Bausparkassen beim Abbau der Sparförderung ganz kräftig und bewußt privilegiert. Es ist doch richtig, daß die Sparförderung auf der einen Seite bei den Sparprämien für die Neuverträge völlig wegfällt — die 14 %-Sparprämie ist ja völlig weggefallen — und daß auf der anderen Seite die Wohnungsbauprämie nur von 18 auf 14 % reduziert worden ist. Es ist doch richtig, daß damit das Gefälle zugunsten der Bausparförderung verstärkt worden ist. Deswegen mußten wir einfach bei dieser Vorsichtsmaßnahme, der auf zehn Jahre verlängerten Bindungsfrist, bleiben.
Wir sind in dieser Hinsicht aber sicherlich erkenntnisoffen. Wir sind bereit, mit Ihnen zusammen sehr aufmerksam in den nächsten Monaten zu verfolgen, was sich auf dem Bausparsektor entwickelt, und eventuell auch — das kann ich hier nicht ausschließen — neuen Erkenntnissen, auch gesetzgeberisch, Rechnung zu tragen.
Wir haben bei der Beratung dieses Gesetzentwurfes alle gelernt, daß dieses Geschäft — egal, wie man seine Subventionsabbaulisten auch zusammenstellt — ungeheuren Ärger bereitet, daß es Konflikte mit sich bringt. Wir möchten zum Ausdruck bringen, daß die SPD-Bundestagsfraktion trotz dieser Beschwerlichkeiten, vor denen wir gestanden haben, auf diesem Weg weitergehen wird. Das haben wir von seiten unserer Fraktion am Dienstag auch ganz deutlich in einer Resolution zum Ausdruck gebracht. Wir werden das auch tun, wenn mancher Kollege von uns inzwischen auf Grund des vielen Ärgers bei den Diskussionen mit betroffenen Interessengruppen von diesem Subventionsabbau die Nase voll hat und vielleicht denkt: Man sollte es bei diesem Subventionsabbaugesetz einmal belassen.
Wenn wir alle uns hier darüber im klaren und einig sind, daß unter haushaltspolitischem Aspekt zur Kenntnis genommen werden muß, daß die Nettoverschuldung kein endlos dehnbares Gummiband darstellt und daß auch die Steuerlastquote in dieser Gesellschaft im Trend nicht gesteigert werden kann und soll, wenn wir uns darüber im klaren sind, daß wir beschäftigungs- und strukturpolitische Aufgaben erfüllen müssen, müssen wir den notwendigen haushaltspolitischen Spielraum mittelfristig auch durch weiteres Umschichten schaffen. Das bedeutet, daß man mit dem Subventionsabbau weitermachen muß, daß es vielleicht nicht nur ein zweites, sondern sogar ein drittes Subventionsabbaugesetz geben muß.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wenn Sie bei einzelnen Punkten alles besser wissen und soviel Kritik vortragen, muß ich Ihnen sagen: Es hindert Sie niemand daran, wirklich konkrete Vorschläge zu machen und ein eigenes Subventionsabbaugesetz vorzulegen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir sind freudig gespannt darauf, was Sie hier für Vorschläge zu machen haben, die über unser Entlastungsvolumen für den Haushalt hinausgehen.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Treten Sie mal zurück! Dann machen wir es! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Meine Damen und Herren, regen Sie sich ab. Es kommt jetzt etwas, wovon Sie nicht so stark getroffen werden.
Ich möchte in diesem haushaltspolitischen Zusammenhang auch diejenigen Gelehrten, die uns ständig mit Milliardenforderungen konfrontieren, sehr herzlich bitten, bei ihren Vorschlägen ein bißchen mehr die Rechenlogik zu berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich habe sicherlich immer in gewisser Weise ein gestörtes Verhältnis zu vielen Vorschlägen der etablierten Ökonomen im Sachverständigenrat gehabt. Auf der anderen Seite muß ich jetzt aber sagen: Das, was uns die Alternativgutachter hier in der letzten Woche kredenzt haben, ist schon hanebüchen.

(Zurufe von der CDU/CSU)




Dr. Spöri
— Warten Sie mal ab.
Ich meine dieses 200-Milliarden-DM-Investitionsprogramm, das da ohne jeglichen soliden Finanzierungsvorschlag gefordert wurde, meine Damen und Herren. Es geht doch nicht, daß man von einer einfachen Milchmädchenrechnung ausgeht und sagt, daß sich solche zusätzlichen Ausgabenwünsche durch eine größere Steuerernte selbst finanzierten. Es geht doch nicht, daß man so wissenschaftlich arbeitet, einfach in einen publizistischen Wettlauf mit Milliardenforderungen eintritt und anschließend uns in diesem Parlament das Geschäft, Deckungsvorschläge zu erarbeiten, überläßt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Diese Arbeitsteilung, die in diesem Land immer mehr um sich greift — nicht nur im wissenschaftlichen Bereich, sondern in allen politischen Bereichen — und darin besteht, daß sich die einen nur damit beschäftigen, phantasiereiche Vorschläge dazu zu machen, wie man den Haushalt belastet, und die anderen nachher die Deckungsvorschläge zu machen haben, ist sehr unehrlich und finanzpolitisch mittelfristig sehr bedenklich.

(Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU — Windelen [CDU/CSU]: Jetzt prügeln die auch noch den DGB!)

Hier ist soeben auch eingewandt worden, daß dieses von uns vorgeschlagene Subventionsabbaugesetz unzureichend wäre. Wir warten auf Ihre Vorschläge, mit denen Sie über das von uns vorgesehene Volumen für Haushaltsentlastungen im Subventionsbereich hinausgehen.

(Abg. Dr. von Wartenberg [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Ja, gerne — kurz und präzise, bitte.

(Heiterkeit bei der SPD)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903421800
Herr Spöri, ist Ihnen folgendes Zitat des Bundeskanzlers Schmidt in Erinnerung, der einmal gesagt hat:
Es steht nirgendwo geschrieben, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus einer Zwickmühle herauszuholen, in die sie sich selber hineinmanövriert hat,
und meinen Sie, daß die Opposition heute eine konstruktivere Rolle als im Jahre 1965 gespielt hat?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Dieter Spöri (SPD):
Rede ID: ID0903421900
Das Zitat ist mir nicht bekannt.

(Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das haben wir Sie so oft gefragt! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Fragen Sie mal Herrn Wehner, der kennt das!)

Ich weiß aber trotzdem eine Antwort. Auch wenn mir dieses Zitat bekannt wäre: Herr von Wartenberg, wenn Sie hier so eine intensive Kritik an unseren konkreten Vorschlägen vorbringen, dann stehen Sie in der Pflicht, auch konkrete Gegenvorschläge zu machen — wenn Sie glauben, daß Sie viel größere
Entlastungsbeiträge herbeischaufeln können als wir.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt komme ich zur Zusammenarbeit — Sie haben eben das Stichwort gegeben, Herr von Wartenberg —: Ich möchte Ihnen trotz aller Konfliktpunkte eines zugestehen: Obwohl wir uns bei manchen Punkten intensiv gestritten und verhakelt haben, hat die Opposition bei der Diskussion dieses Gesetzentwurfs im Finanzausschuß eine kooperative Rolle gespielt. Dafür möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei Ihnen bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich deswegen dafür bedanken, weil ich weiß, daß es, wenn dieser für mich neue Stil von Ihrer Seite nicht praktiziert worden wäre, angesichts der vielen Störfaktoren, die wir in den letzten Monaten hinsichtlich der Tagesordnung gehabt haben, nicht möglich gewesen wäre, heute hier diesen abschließenden Gesetzentwurf zu lesen.
Allerdings, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wäre es trotz Ihrer Kritik und der vielen Bedenken zu einzelnen Artikeln in diesem Gesetz eigentlich viel glaubwürdiger und viel konsequenter, wenn Sie in der Gesamtabstimmung, statt mit der erwarteten Enthaltung zu stimmen, diesen ersten größeren Versuch des Subventionsabbaus mit einem gemeinsamen Ja mit uns trügen. Vielleicht können Sie Ihrem Herzen noch einen Stoß geben.

(Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Wenn man ihm einen kleinen Finger gibt, nimmt er die ganze Hand!)

Auch die zu erwartende Enthaltung, mit der Sie jetzt stimmen werden, meine Damen und Herren von der Opposition, ist im Vergleich zu dem sturen Nein von früher schon eine bemerkenswerte Besserung. Das muß ich Ihnen zugestehen, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem Entwurf eines Subventionsabbaugesetzes in der jetzt vorliegenden Form zu und möchte insbesondere auch dem Bundesfinanzminister dafür danken, daß er ohne Scheu vor Kritik die Last übernommen hat, auf diesem Gebiet endlich Nägel mit Köpfen zu machen, nachdem da so lange nichts gelaufen ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

Die SPD-Fraktion hat beim Subventionsabbau konkrete Vorstellungen über weitere Schritte, die ich zum Teil hier genannt habe. Wenn Finanzhilfen und Steuervergünstigungen von Bund und Ländern vom Jahre 1966 bis zum Jahre 1980 von 15,6 Milliarden DM auf 42,9 Milliarden DM angestiegen sind — das sind nur die Subventionen, die im Subventionsbericht stehen —, dann kann dieser Trend einfach nicht weiter verkraftbar sein. Deswegen sind wir als SPD-Fraktion bereit, auf diesem Gebiet weitere unangenehme Schritte zu verantworten.



Dr. Spöri
Wir sollten aber — das möchte ich abschließend betonen — bei dieser Arbeit eines nicht vergessen. Ich habe eingangs betont, daß Subventionsabbaupolitik auch Verteilungspolitik darstellt. Wenn über einzelne Subventionsabbauvorschläge oft fachpolitisch vordergründig diskutiert wird, dann steckt hinter diesen vorgeschobenen Argumenten ebenso oft auch ein verteilungspolitischer Grund.
Lassen Sie mich für meine Fraktion deshalb klar zum Ausdruck bringen, daß wir auch bei künftigen Beratungen die eventuellen neuen Vorschlagslisten sehr kritisch darauf prüfen werden, ob es beim notwendigen Subventionsabbau zumindest verteilungsneutral zugeht. Auf keinen Fall werden wir bei weiteren Maßnahmepaketen Vorschläge unterstützen, die, insgesamt gerechnet, die Arbeitnehmer gegenüber anderen sozialen Gruppen verteilungspolitisch einseitig benachteiligen. — Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903422000
Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID0903422100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir am heutigen Tag das Subventionsabbaugesetz verabschieden, liegt ein ganz erhebliches Stück Arbeit hinter uns. Sie ist die Folge der Absicht der Bundesregierung und der sie tragenden sozialliberalen Koalition — geäußert in der Regierungserklärung zu Beginn dieser Legislaturperiode —, die Neuverschuldung nicht unbegrenzt weiter ansteigen zu lassen, dagegen vielmehr insbesondere zwei Wege zu beschreiten: zum einen den Weg von Steuererhöhungen, zum anderen den Weg von Subventionsabbau.
In der Öffentlichkeit ist öfter zu hören — insbesondere von seiten der Opposition —, wir wählten den bequemeren Weg über die Steuererhöhung, statt uns an das schwierige Geschäft des Subventionsabbaus zu machen. Das ist nicht richtig. Während das letzte Steuererhöhungsgesetz, nämlich die Erhöhung der Mineralölsteuer und Branntweinsteuer, 1981 1,7 Milliarden DM und 1982 2,7 Milliarden DM einbringt, ergeben sich aus dem Subventionsabbaugesetz für 1981 1,83 Milliarden DM, aber schon für 1982 2,2 Milliarden DM und für 1983 3,6 Milliarden DM.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Aber 60 % davon sind Telefonsteuern! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Weit über 1 Million DM Telefonsteuer!)

Im übrigen — das haben Sie in der letzten Lesung ja sehr deutlich gesagt — war der Grund für die Mineralölsteuererhöhung nicht nur fiskalischer, sondern auch — das ist ganz wichtig — struktureller Natur. Sie sollte zum Öleinsparen anreizen, zum Abbau des Leistungsbilanzdefizits beitragen.
Heute wird das Subventionsabbaugesetz verabschiedet, also der zweite Weg der Strategie beschritten. Nicht alles, was in diesem Gesetz steht, ist uns leichtgefallen zu beschließen. Im Gegenteil, die meisten dieser 16 materiellen Artikel haben uns Kopfschmerzen bereitet. Wir haben intensiv darüber nachgedacht: Ist das der richtige Weg oder könnten wir es anders machen? Ich bin zwar der Meinung, daß Subventionsabbau eben auch Ergreifen der Chance heißt, Ärgernisse zu beseitigen, lang überholte Steuervergünstigungen abzubauen — eine Chance, die man sonst nicht hat —; aber selbstverständlich gab und gibt es für jede der von uns angegangenen Subventionen auch gute Gründe; denn die Urheber haben diese Vergünstigungen schließlich nicht ohne jeden Grund eingeführt. Von daher standen wir schon unter dem Zwang, mit Argumentationen für die Abschaffung oder das Einfrieren von Subventionen einzutreten.
Am schwersten ist meiner Fraktion die Entscheidung im Zusammenhang mit jenem Artikel gefallen, der den Abbau der Gasölsubvention für den öffentlichen Personennahverkehr vorsieht. Ich kann das ehrlicherweise sagen. Auch argumentativ ist diese Maßnahme, die Streichung der Beihilfe für den öffentlichen Personennahverkehr, sicher am schwierigsten zu vertreten. Lassen Sie mich daher noch einige Worte dazu sagen.
Wir haben uns erstens dazu entschlossen, weil wir auch dem letzten in diesem Lande klar machen wollten — von daher hat dies auch eine psychologischoptische Wirkung —: Bei der Knappheit des Gutes Öl wird in Zukunft niemand mehr beim Verbrauch von Öl subventioniert.
Zweitens. Wir meinen auch, daß klargemacht werden muß: Das Einsparen von Mineralöl muß belohnt werden. Eine solche Belohnung stellt aber die Subventionierung des Gasölverbrauchs nicht dar. Nehmen Sie z. B. eine Gemeinde, die Maßnahmen ergreift, auf Grund deren die Spritkosten gesenkt werden, z. B. durch Umsteigen auf einen kleineren Bus. Diese Einsparung schlägt sich nicht voll beim Benzinpreis nieder, weil davon ja die bisherige Subventionierung des Gasöls abzuziehen ist. Ich meine, daß das nicht richtig ist. Wenn sich eine Gemeinde zur Einsparung entschließt, muß das auch voll durchschlagen.
Drittes Argument: Wir sind der Ansicht, daß auch auf diesem Gebiet das — wie es genannt worden ist — Umsteigen von der Subvention auf die Investition sinnvoll ist. Diese Gasöl-Betriebsbeihilfe wird ja nicht ersatzlos gestrichen, sondern im Bundeshaushalt wird ein erheblicher Betrag als offener Zuschuß zur Förderung der Investitionen im öffentlichen Personennahverkehr ausgewiesen.

(Zuruf von der CDU/CSU)

Ein Problem entsteht zweifellos dadurch — meine beiden Vorredner wiesen darauf hin —, daß auf Grund der Definition des Begriffs „Investition" die Gefahr besteht, daß die zusätzlichen Gelder aus dem Bundeshaushalt verstärkt in die Ballungsgebiete und nicht in die Fläche fließen. Aber bei dieser Frage ist j a nicht aller Tage Abend. Meine Fraktion verbindet ihre Zustimmung zu diesem Gesetz und zu diesem Punkt mit der Hoffnung, daß durch eine weitere Fassung des Investitionsbegriffs, z. B. auch auf Investitionen bezogen, die man normalerweise als solche empfindet — z. B. die Anschaffung von Bussen —, in Zukunft zusätzliche Maßnahmen bezuschußt werden können, damit nicht eine Abwanderung des Gel-



Frau Matthäus-Maier
des von der Fläche in die Ballungsgebiete stattfindet.

(Beifall bei der FDP — Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Warum hoffen und nicht beschließen?)

— Entschuldigen Sie, Sie wissen ganz genau, daß das bei diesem Gesetz nicht beschlußreif ist, sondern daß das allenfalls den Bundeshaushalt betrifft, den wir erst in einigen Wochen beschließen. Bei diesem Subventionsabbaugesetz hat das überhaupt keinen Platz.
Wir können nur hoffen und an die Gemeinden appellieren, daß diese nicht die Gelegenheit benutzen, um die Tarife sozusagen im Zuge des Mitnehmereffekts mehr zu erhöhen, als es auf Grund der beschlossenen Streichung notwendig ist.
Herr von Wartenberg, Sie sagten, es seien Steigerungen in Höhe von 10 bis 20 % zu erwarten. Das halte ich taktisch nicht für einen außerordentlich klugen Beitrag. Sie hätten eher darauf hinweisen sollen, daß nach Berechnungen des Ministeriums, auf die ich mich hier stütze, allenfalls Erhöhungen zwischen 1,7 und 10 % erlaubt wären. Alles, was darüber hinausgeht, ist auf einen Mitnehmereffekt zurückzuführen.
Schwergefallen ist uns bis zum Schluß auch die Entscheidung darüber, ob man die vorgesehene Festlegung von zehn Jahren zur Erlangung der Bausparprämie nicht abkürzen sollte. Wir haben uns zu der Festlegung von 10 Jahren entschlossen, weil wir den erwarteten Effekt, daß bisherige Prämiensparer auf das Bausparen umsteigen, verhindern wollen. Wir sind auch der Ansicht, daß der bisher bekanntgewordene Einbruch beim Geschäft der Bausparkassen nicht auf die Verlängerung der Bindungsfrist, sondern darauf zurückzuführen ist, daß überhaupt eine Gesetzesänderung stattfindet. Das bringt bekanntermaßen Unsicherheiten mit sich, die sich aber nach unserer Meinung nach Verabschiedung des Subventionsabbaugesetzes wieder beruhigen werden.
Nun ein Wort zur Opposition. Ich begrüße es, daß Sie heute hier im Plenum ebenso wie im Finanzausschuß Enthaltung üben. Ich hoffe, daß dies auch — denn sonst wäre das, um ehrlich zu sein, nicht so furchtbar interessant — die Meinung des Bundesrats widerspiegelt, damit dieses Gesetz schnell über die Bühne geht,

(Beifall bei der FDP und der SPD)

damit die Unsicherheiten beseitigt werden und damit nicht ein Vermittlungsausschuß entscheidet, sondern dieses Parlament.
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, ich wünschte mir doch von Ihrer Seite etwas mehr Aufrichtigkeit. Im Finanzausschuß haben Sie in zweiter Lesung von den 16 materiellen Einzelartikeln 6 abgelehnt; bei 3 Artikeln haben Sie die Vertagung beantragt, und bei 7 Artikeln haben Sie sich der Stimme enthalten. Kein einziges Mal haben Sie mit Ja gestimmt. Ist denn jede dieser 16 Einzelmaßnahmen falsch? Oder haben Sie das getan, um nachher bei den entsprechenden Interessenverbänden darauf hinweisen zu können, Sie hätten gegen den sie benachteiligenden Subventionsabbau gestimmt? Wenn Herr von Wartenberg vorhin gesagt hat — so wörtlich —: „Wir werden es den betroffenen Verbänden jedenfalls sagen" — es ging um die Sparförderung —, ist das exakt diese Strategie: nein zu sagen, um dann mit dem Fleißkärtchen in der Tasche hinzulaufen und sich die Belohnung abzuholen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Einer Fraktion, die immer wieder auf Subventionsabbau drängt, die nach eigenem Bekunden dem Gesetz die Zustimmung verweigert mit der Begründung, es gehe nicht weit genug und sei halbherzig, die Verschuldung sei viel zu hoch, hätte es wohl besser angestanden, nicht nur zuzustimmen, sondern darüber hinaus sogar noch konkrete Vorschläge zu machen.

(Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Hurra zu schreien! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ein Nein oder eine Enthaltung ist nicht glaubwürdig und vor allen Dingen nicht ehrlich.
Warum, meine Damen und Herren, können Sie eigentlich nicht den Versuch unterlassen, theoretisch immer wieder Subventionsabbau zu fordern, aber dann, wenn es konkret wird, nein zu sagen und daraus für sich Kapital zu schlagen? Ich hatte da vor wenigen Tagen mein Privaterlebnis. Da war ich nämlich im Wahlkampf in Berlin. Ich möchte doch einmal erläutern, wie das da bei den großen Subventionsabbau-Rednern so geht. In Berlin habe ich das Subventionsabbaugesetz erläutert und u. a. vorgetragen, das sei ein erster Schritt, dem weitere folgen müßten. Auf Fragen, wie das denn aussehen könnte, habe ich u. a. als Möglichkeit den, wie ich finde, dankenswerten Vorschlag — dankenswert deshalb, weil hier überhaupt ein Vorschlag gemacht worden ist, was von seiten der Interessenverbände ja selten ist — des Deutschen Industrie- und Handelstages genannt: Guckt doch mal, ob ihr nicht eine lineare Kürzung ins Auge fassen wollt; dadurch würden alle Betroffenen gleichmäßig in Anspruch genommen. Da kam natürlich als erstes die Frage: Ware Berlin da auch mit drin, oder müßte nicht für Berlin eine Ausnahme gemacht werden? Ich habe gesagt: „Meine Damen und Herren, wenn ein solcher Vorschlag Sinn haben soll, können wir uns doch nicht als erstes darüber unterhalten, welche Ausnahmen schon wieder von dieser linearen Kürzung gemacht werden sollten, sondern das muß erst einmal vom Tisch." Reaktion: Riesenartikel in der Berliner Zeitung. Und Ihr Kollege Pieroth hatte natürlich nichts Eiligeres zu tun, als im Berliner Wahlkampf zu verkünden, daß die Vorsitzende des Finanzausschusses den Berlinern Subventionen streichen will. Meine Damen und Herren, dies ist einfach ein unfairer Stil. Ich finde, Sie sollten einen solchen dankenswerten Vorschlag, wie ihn der Industrie- und Handelstag gemacht hat, nicht dadurch entwerten, daß Sie von vornherein nach nichts anderem suchen als nach Ausnahmen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Ich meine, der Weg, den wir mit diesem Gesetz begonnen haben, muß weitergehen. Ich halte nichts da-



Frau Matthäus-Maier
von, die jetzt entstandenen Schwierigkeiten, auch neu entstandenen Schwierigkeiten — lassen Sie mich das sehr deutlich für meine Fraktion sagen —, durch den bequemen Weg von Steuererhöhungen zu bekämpfen. Ich will nicht ausschließen, daß bei unserem Versuch, den Anteil der direkten Steuern wieder etwas zurückzudrängen, eine Anhebung von indirekten Steuern auch in den nächsten Jahren notwendig sein wird. So haben wir es ja auch in der Vergangenheit, bei den großen Steuerpaketen der letzten Legislaturperiode, gemacht. Zweimal haben wir die großen Entlastungspakete mit Anhebungen der Mehrwertsteuer gekoppelt. Eine solche Strategie wird nicht ausgeschlossen sein. Aber zur Behebung der jetzigen aktuellen Schwierigkeiten Steuererhöhungen? — Nein! Das sage ich ganz deutlich. Wir müssen den schwierigeren und unbequemeren Weg gehen, weitere Subventionen abzubauen. Auch massiver Widerstand sollte uns daran nicht hindern.
Meine Damen und Herren, was konnte man in dem Hearing nicht alles so hören — neben sehr ernsthaften Argumenten! Ich glaube, mancher wird sich in der einen oder anderen Frage doch eher daran erinnert gefühlt haben, daß dieses Hearing am 1. April stattfand. So zum Beispiel, wenn von einem „Steuerattentat" im Zusammenhang mit § 34 Abs. 4 die Rede war, wenn von einem Verband in Verbindung mit einer Subvention von 15 Millionen DM — in Worten: fünfzehn — die Gefahr für 250 000 Arbeitsplätze beschworen wurde. Ich kann das nur eine Gespensterschlacht nennen, die uns nicht beeinflussen und nicht beeindrucken sollte.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich meine, beim Bürger ist im Moment die Bereitschaft groß, Subventionen abzubauen und auch Einsparungen hinzunehmen. Leider — das müssen wir feststellen — geht das mehr nach dem Sankt-Florian-Prinzip: „Laß mein Haus stehn, zünd' andere an!". Die Bereitschaft ist am größten, wenn es um Vergünstigungen des Nachbarn geht. Aber ich glaube, wir kommen nicht darum herum. Auch das letzte Sachverständigengutachten hat uns unter der Ziffer 334 den entsprechenden Tip gegeben. Da heißt es:
Die Subventionswirtschaft ist seit langem ein Ärgernis. Gleichwohl ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, sie einzuschränken. Wegen der massiven und vielfältigen Interessen, die von einem Abbau der Subventionen betroffen wären, bedarf es offensichtlich besonderer Umstände, um dabei erfolgreich zu sein.
Es hat den Anschein, als ob eine solche Konstellation gegenwärtig gegeben ist: wegen der finanziellen Enge in den öffentlichen Haushalten und weil eine neue Legislaturperiode begonnen hat.
Lassen Sie uns diese Chance nutzen. Da werden Prioritäten gesetzt werden müssen — Herr Spöri, da haben Sie völlig recht —, und das wird an Subventionen gehen, aber wir werden auch nicht darum herumkommen, an bestimmte Leistungsgesetze heranzugehen. Das hat nicht immer gleich etwas mit „sozialer Demontage" zu tun.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir alle wissen — und der Finanzminister hat es im Finanzausschuß nochmals an Beispielen erläutert —, daß es bei Leistungsgesetzen Mißbräuche gibt, die unerfreulich sind und den ganzen Sozialstaat in Mißkredit bringen können. Diese Mißbräuche liegen nicht nur auf der Seite der betroffenen Arbeitnehmer. Das bekannteste ist das Beispiel, daß ein Arbeitsloser, der nur teilweise im Jahr arbeitslos ist, mit dem Lohnsteuerjahresausgleich zusammen mehr als sein Nettogehalt bekommen kann, das er verdient hätte, wenn er ein volles Jahr erwerbstätig gewesen wäre.
Ein anderes Beispiel, wo zwei Seiten beteiligt sind, ist die sogenannte 59er-Regelung, bei der im Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einem Angestellten mit 59 Jahren gekündigt wird, unter Umständen sogar noch die Differenz zum Nettogehalt gezahlt wird, damit dieser Arbeitnehmer dann mit 60 Jahren die vorgezogene Rente erhält.
Dies und ähnliches wird unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen. Aber ich glaube, Herr Spöri — das ist meine persönliche Einschätzung; wir sollten gemeinsam darüber diskutieren —, daß wir nicht daran vorbeikommen, auch ernsthaft zu prüfen, ob wir nicht an den „Rasenmähervorschlag" des Deutschen Industrie- und Handelstages herangehen sollten, nämlich lineare Kürzung bei allen.
Ich fand auch — das ist mein letztes Wort an dieser Stelle — einen weiteren Hinweis vom Deutschen Industrie- und Handelstag im Hearing sehr beeindruckend, und daran sollten wir uns halten. Dort wurde gesagt: wir befinden uns bei diesem Subventionsabbaugesetz so etwas in der Lage eines Fakirs, der sich auf ein Nagelbrett legt. Wir müssen aufpassen, denn wenn dieses Nagelbrett nur wenige Nägel hat und sie weit auseinanderstehen und unterschiedlich hoch sind, dann führen sie zu schweren Verletzungen. Deswegen kann der Weg nur dahin führen, möglichst viele Nägel einzuschlagen, möglichst eng aneinander und möglichst gleich hoch. Lassen Sie uns an diese Arbeit des Nägeleinschlagens gehen.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903422200
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0903422300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ihnen zur Entscheidung vorliegende Entwurf eines Subventionsabbaugesetzes ist ebenso wie das Gesetz zur Erhöhung der Mineralöl- und der Branntweinsteuer und wie der Entwurf des Bundeshaushalts 1981 Teil einer Gesamtkonzeption der Bundesregierung, deren Ziel es ist, Umstrukturierung und Modernisierung der Wirtschaft zu fördern, Energiesparen zu unterstützen, die Abhängigkeit vom Öl mit aller Kraft zu vermindern, damit auch unser Leistungsbilanzdefizit, das ich für die entscheidende wirtschaftliche Störgröße halte, zu vermindern, und schließlich auch Defizite der öffentlichen Haushalte mittelfristig abzubauen.



Bundesminister Matthöfer
Was wir auf jeden Fall verhindern müssen, ist, daß wir zu einer strukturellen Unterdeckung im Haushalt kommen. Das heißt, daß dann, wenn die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die wir ja weltweit haben, vorbei sind und wir uns wieder im Aufschwung befinden, die notwendige Kreditaufnahme das überschreitet, was zur Finanzierung langfristiger Zukunftsinvestitionen erforderlich ist. Wir dürfen nicht zulassen, daß wir in eine solche strukturelle Unterdeckung hineinkommen.
Manche sehen einen Widerspruch zwischen der gegenwärtigen Haushaltsentwicklung und diesen mittelfristigen Zielen der Vermeidung struktureller Defizite. Wir stehen weltweit vor erhöhter Arbeitslosigkeit und daher auch für unser Land — da wir uns nicht ausnehmen können — vor einem höheren Defizit der Bundesanstalt für Arbeit und auch vor der Notwendigkeit, mehr für die Arbeitslosenhilfe zu tun.
Es ist absehbar, daß zum Ausgleich von konjunkturellen Mehrausgaben und Mindereinnahmen die Nettokreditaufnahme des Bundes in diesem Jahr gegenüber dem Regierungsentwurf so, wie ich es von dieser Stelle aus bei der Einbringung angekündigt habe, erhöht werden muß. Diese zusätzlichen und notwendigen konjunkturbedingten kurzfristigen Defizite sind gegenwärtig leider unverzichtbar. Es gilt aber, aus der Vergangenheit überkommene staatliche Leistungen immer wieder auf ihre Existenzberechtigung unter neuen veränderten wirtschaftlichen Bedingungen zu überprüfen. Staatliche Subventionen stehen dabei natürlich im Mittelpunkt. Niemand wird behaupten wollen, daß alle Subventionen sinnlos oder schädlich sind. Subventionen sollen in bestimmten Fällen erwünschte Veränderungen bestehender Strukturen bewirken, soziale Not lindern und wirtschaftliches Wachstum anregen. Ich denke etwa an die Förderung neuartiger, mit Risiko behafteter und vielleicht zukunftsweisender Investitionen, die alte Strukturen überwinden sollen. Subventionen sind als Instrument staatlicher Wirtschaftspolitik auch weiterhin unverzichtbar; aber sie bedürfen der ständigen Überprüfung, damit nicht überholte Besitzstände zu volkswirtschaftlich schädlichen und letztlich auch wirtschaftlich unvertretbaren Dauerlasten führen.
Zu einigen Punkten des Entwurfes möchte ich noch wenige Bemerkungen machen. Der Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe für den öffentlichen Personennahverkehr und für den Schienenverkehr ist nun einmal ein Teil unserer Politik „Weg vom Öl". Wir können zwar mit Rücksicht auf internationale Verträge und aus Wettbewerbsgesichtspunkten jetzt noch nicht alle Subventionen dieser Art streichen. Dr. Spöri hat schon darauf hingewiesen, daß wir im Verkehrsbereich noch immer die Mineralölsteuerfreiheit für die Binnenschiffahrt haben. Es wird noch lange, lange dauern, bis wir da eine gemeinsame europäische Lösung finden. Außerdem müssen wir für die Luftfahrt über den jetzt betroffenen Bereich hinaus eine Lösung finden. Wir sind entschlossen, all dies mit Energie weiterzuführen; wir haben es selbstverständlich schon in die Wege geleitet. Auch bei der Landwirtschaft steht der Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe an. Wir sind für sparsame
Energieverwendung in allen Bereichen des Verkehrs und bemühen uns um volkswirtschaftlich und umweltpolitisch möglichst sinnvolle Beiträge aller Verkehrsträger.
Bei einem solchen Zusammenwirken wird künftig den Angeboten im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, den umweltfreundlichen und eher energiesparsamen Schienenwegen, aber auch dem öffentlichen Busverkehr, sei es in den Städten, sei es zur Erschließung der Randzonen der Ballungsräume, sei es zur Erschließung der ländlichen Räume, wachsende Bedeutung zukommen. Dies rechtfertigt sicher auch die Subventionierung von Betriebskosten. Aber es wäre falsch, solche Subventionen an den Verbrauch von Öl zu knüpfen. Auch im öffentlichen Nah- und Fernverkehr müssen die volkswirtschaftlichen Kosten für Öl und Energie zunächst betriebswirtschaftlich voll durchschlagen, damit ein möglichst großer Anreiz zu ölsparenden Lösungen entsteht; denn wir können und wollen nicht im einzelnen vorschreiben, wie Öl gespart werden soll. Man muß die Rahmenbedingungen so setzen, daß Millionen einzelner wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse dann zu dem gewünschten Ergebnis führen.
Der Preisunterschied zwischen dem öffentlichen Personennahverkehr und dem Individualverkehr bleibt erheblich. Der Bund will aus dem Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe keinen finanziellen Nutzen ziehen. Obwohl der öffentliche Personennahverkehr Aufgabe von Ländern und Gemeinden ist, wendet der Bund hierfür über seine Finanzhilfe nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und durch die Beteiligung der Deutschen Bundesbahn und der Bundespost mit ihren Schienen- und Busnetzen wesentlich mehr als Länder und Gemeinden zusammen auf. Herr Dr. von Wartenberg, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt ganz sorgfältig zuhörten; denn ich dachte vorhin, nicht richtig zu hören, als Sie sagten, diese Gasöl-Betriebsbeihilfe sei die einzige Leistung des Bundes. Ich hoffe, ich habe mich nicht verhört; sonst bitte ich um Entschuldigung.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Er hat die Betriebskosten gemeint!)

In diesem Haushaltsjahr wendet der Bund immerhin einen Zuschuß in Höhe von 6,4 Milliarden DM für den öffentlichen Personennahverkehr auf. Bei den Ländern sind es 2,2 Milliarden DM, und die Gemeinden sind mit 2,3 Milliarden DM beteiligt. Das ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, daß sich die finanzielle Gesamtsituation des Bundes im Vergleich zu den Ländern und Gemeinden deutlich verschlechtert hat. Der Bund hat eine überproportional große Last zur Stützung der Konjunktur auf sich genommen, was sich auch in der hohen Nettokreditaufnahme ausdrückt.
Nun werden aber 90 % der Einsparungen aus dem Abbau der Gasöl-Betriebsbeihilfe nicht dem Bundeshaushalt, sondern den Gemeinden als Investitionshilfen zugute kommen. Das kann man j a, wenn man will, im Verhältnis 65 : 35 dem öffentlichen Personennahverkehr zugute kommen lassen. Was wir hier machen — Herr Dr. von Wartenberg, das müßte doch gerade Ihnen als einem Berufskollegen, wenn ich so sagen darf, einleuchten —, ist folgendes: Wir setzen



Bundesminister Matthöfer
Anreize für die Entscheidungsträger im öffentlichen Personennahverkehr, Öl zu sparen, und geben ihnen gleichzeitig automatisch zusätzlich Investitionsmittel, um solche Entscheidungen dann zu finanzieren. Beispiel: Man steht vor der Wahl, eine Straßenbahnlinie stillzulegen oder stattdessen dort einen Bus fahren zu lassen. In Zukunft ist hier ein ganz anderes Kostenkalkül zu vollziehen. Denn der Busbetrieb wird — wenn er nicht elektrisch ist — mit Mineralöl teurer sein. Die Gemeinde hat gleichzeitig Investitionsmittel, um die Strecke modernisieren zu können.
Dies ist also keineswegs so unsinnig, wie es hier dargestellt wurde. Wir haben uns durchaus überlegt, wie wir auf diese Art und Weise dazu beitragen können, daß weniger Öl verbraucht wird.
Die staatliche Förderung des privaten Sparens hat die öffentlichen Haushalte mit sehr großen Ausgaben belastet. Es ist sicher richtig, daß in einer Volkswirtschaft, zumal in einer Zeit wie der gegenwärtigen, Kapital für Investitionen gebildet werden muß. Das geschieht aber auch ohne unmittelbare staatliche Förderung in hohem Maße.

(Unruhe)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903422400
Herr Bundesminister, einen Augenblick bitte. Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, das laute Gespräch im Saal einzustellen oder etwas zu reduzieren und der Rede des Herrn Bundesfinanzministers doch etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0903422500
Schönen Dank, Herr Präsident! Das Geldvermögen der privaten Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland hat inzwischen den Betrag von 1,5 Billionen DM erreicht. Wenn man den Untersuchungen trauen kann, ist das Geldvermögen zwischen den einzelnen Einkommensschichten ein bißchen besser verteilt als das Produktivvermögen.
Wenn Sie, Herr Dr. von Wartenberg, nun trotz der temperamentvollen und überzeugenden Ausführungen der Kollegin Frau Matthäus-Maier erklären, daß Sie es „denen" sagen werden, so vertraue ich darauf, daß Sie so fair sein werden, gleichzeitig zu sagen, daß jene, die die Sparförderung abbauen — was übrigens, weil wir nicht in bestehende Verträge eingreifen, für den Bundeshaushalt erst 1988 voll wirksam wird; wozu ich frage: Was sagt das über Ihre Erwartung für die Zukunft aus, wenn Sie das so kritisieren? —, dieselben Leute sind, die im vorigen Jahr den Weihnachtsfreibetrag und in diesem Jahr das Kindergeld erhöht haben.

(Hartmann [CDU/CSU]: Mineralölsteuer! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

— Entschuldigen Sie bitte! Sowohl die Erhöhung der Mineralölsteuer wie die Auswirkungen dieses Subventionsabbaugesetzes entsprechen in der Gesamtsumme — ich hoffe, daß ich das im Kopf schnell hinkriege — nicht ganz den Beträgen, die für die Erhöhung des Weihnachtsfreibetrags und die in diesem Jahr vorgenommene Kindergelderhöhung aufgewendet werden müssen. Rechnen Sie sich das einmal aus! Sie gehören, hoffe ich, doch nicht zu den Leuten, die glauben, man könne eine Mark zweimal ausgeben.

(Unruhe bei der CDU/CSU)

Wer irgendwo etwas hingibt, der muß das woanders wegnehmen. Es wäre gut, wenn z. B. der Kollege Wörner heute morgen gesagt hätte: Bitte, ich will zwei, drei, vier, fünf Milliarden DM mehr für die Bundeswehr — das läßt sich durchaus vertreten — und will das dort wegnehmen. Wer Prioritäten setzt, muß auch Posterioritäten setzen, damit jeder weiß, woran er mit dem betreffenden Politiker ist.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Ich kann mir nicht vorstellen, daß die vorgesehene Einschränkung der Bausparförderung zu Einbrüchen beim Geldeingang der Bausparkassen führt. Wir haben ja das Gesetz schon zweimal — 1975 und 1976 — geändert. Es hat im nächsten Jahr immer noch zweistellige Zuwachsraten bei den Bausparkassen gegeben. Die Vorteile des Bausparens bei der Finanzierung des Wohnungsbaus, nämlich die Bereitstellung langfristiger Darlehen zu Niedrigzinsen und Festkonditionen, werden dafür sorgen, daß dieses Finanzierungsinstrument auch nach der Senkung der Grundprämie auf 14 % attraktiv bleibt.
Der Abbau der Sparförderung ist insgesamt gesehen volkswirtschaftlich und finanzpolitisch richtig. Er beendet die Subventionierung dort, wo sie inzwischen verzichtbar ist, und beschränkt sich in den weiterhin grundsätzlich förderungswürdigen Bereichen auf vertretbare Ausmaße.
Noch einige Bemerkungen zur Anhebung der Ablieferung der Deutschen Bundespost. Sie dient ja nicht nur der Entlastung des Bundeshaushalts, sondern sie ist auch sachlich richtig. Eine jährlich neu festzusetzende Sonderablieferung gibt weder der Bundespost noch dem Bund eine zuverlässige Planungsgrundlage. Eine gesetzliche Dauerregelung kann die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Sondervermögen ohne jährlich wiederkehrende Auseinandersetzungen längerfristig und mit hinreichender Zuverlässigkeit für die beiderseitigen Finanzplanungen ordnen. Die Ablieferung ist nicht nur ein Ausgleich für die Freistellung der Post von Steuern auf Umsatz und Ertrag, sondern auch das Entgelt für die Ausübung des Post- und Fernmeldemonopols und eine dem Eigentümer Bund zufließende Kapitalverzinsung. Die Ablieferung wurde seit 1931 nicht erhöht, obwohl der Kapitaleinsatz der Post seither erheblich zugenommen hat und ihre wirtschaftliche Tätigkeit über den damaligen Rahmen weit hinausgewachsen ist. Weder die Eigentümerschaft des Staates noch der Monopolcharakter der Bundespost kann ein Grund dafür sein, die Bundespost — im Gegensatz zu anderen Unternehmen — von Abgabenpflichten freizustellen.
In der Vergangenheit, gerade in den frühen 70er Jahren, hat der damalige Bundesfinanzminister durch Verzicht auf die Abführung von 10,7 Milliarden DM einen erheblichen Beitrag zur Gesundung der Post geleistet. Damit konnte die Eigenfinanzierung der Investitionen wesentlich verbessert und



Bundesminister Matthöfer
der Eigenkapitalanteil am Gesamtkapital von 13 % 1965 auf 43 % 1980 angehoben werden. Die wirtschaftlichen Aussichten der Post sind auch für die kommenden Jahre gut. Sollten die Umstände es erfordern, so hat der Bundesfinanzminister die Ermächtigung, den Ablieferungssatz — je nach Bedarf — bis auf den alten Satz von 62/3 % wieder zu ermäßigen.
Bei der Beratung des Gesetzentwurfs hat sich gezeigt, daß es bei allen zur Streichung vorgeschlagenen Subventionen natürlich auch Argumente für ihre Beibehaltung gibt. Wenn das Paket in seiner Grundsubstanz dennoch unverändert aus den Ausschußberatungen ins Plenum zurückgekommen ist, so liegt dies an der Einsicht aller Beteiligten, daß im Interesse der übergeordneten gesamtwirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Ziele Änderungen nur zusammen mit gleichwertigen Ausgleichsvorschlägen in Betracht kommen konnten und daß wir mit dem Subventinsabbaugesetz auf dem richtigen Wege sind. Ich danke allen Beteiligten für diese Einsicht. Es ist in der Politik leider kaum möglich, Konzepte aus einem Guß aufzustellen und sie dann auch noch in einem Zuge und völlig unverfälscht in die Wirklichkeit umzusetzen; das gilt natürlich auch für dieses Vorhaben.
Ich danke allen Kollegen für die zügige Beratung des Gesetzentwurfs und bitte die Opposition, doch noch einmal zu überlegen, ob sie nicht gemeinsam mit der Mehrheit dieses Hauses zustimmen will.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903422600
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Ausprache in zweiter Lesung des Gesetzentwurfs abgeschlossen.
Auf Bitten der CDU/CSU-Fraktion ist zwischen den Fraktionen vereinbart worden, daß über die Gesetzesvorlage in zweiter Lesung nicht im ganzen, sondern artikelweise abgestimmt wird.

(Unruhe)

Ich wäre den Damen und Herren des Hauses sehr dankbar, wenn sie alle Platz nehmen würden; denn auf diese Weise würde die Übersicht über die Abstimmung etwas einfacher. Darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. — Ich warte, bis Sie alle sitzen, meine Damen und Herren, auch die Damen da hinten links im Saal.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung in zweiter Lesung. Ich rufe zuerst Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich der Stimme? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe Art. 2 in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Wer enthält sich? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe Art. 3 in der Ausschußfassung auf. Wer stimmt dafür? — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe Art. 4 in der Ausschußfassung auf. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe die Art. 5 bis 8 a in der Ausschußfassung auf. Wer dafür stimmt, bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe die Art. 9 bis 12 in der Ausschußfassung auf. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Bei vielen Enthaltungen der Oppositionsfraktion und einigen Gegenstimmen aus der Oppositionsfraktion mit den Stimmen der Koalitionsfraktion angenommen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

Ich rufe den Art. 13 in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe die Art. 14 und 15 in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Bei wenigen Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe Art. 16 in der Ausschußfassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen, bitte! — Enthaltungen? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Ich rufe die Art. 17 bis 19, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Bei wenigen Gegenstimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Gesetzesvorlage in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe nun zur
dritten Beratung
auf. Wer in der dritten Beratung dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer dagegen stimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer enthält sich der Stimme? — Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei fünf Gegenstimmen und Enthaltungen der Opposition ist das Gesetz in dritter Lesung beschlossen.



Vizepräsident Leber
Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1980)

— Drucksache 9/251 —
Überweisungsvorschlag des Altestenrates:
Finanzausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. — Ich sehe, dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Das Haus ist damit einverstanden.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Kollege Dr. Langner.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich sehe bei Ihnen das Bedürfnis nach Unterhaltung, aber wir müssen die Arbeit fortsetzen. Darf ich Sie bitten, entweder die Gespräche einzustellen oder den Saal zu verlassen, damit wir in der Arbeit fortfahren können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Langner.

Dr. Manfred Langner (CDU):
Rede ID: ID0903422700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir bei dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt hier so viele kräftige Worte aus den Reihen der Koalitionsparteien gehört haben, sind wir doch sehr gespannt auf die Einlassungen der Regierungsparteien bei einem wirklichen Reformgesetz wie dem zur Grunderwerbsteuer, das der Bundesrat uns vorgelegt hat.
Wir verhandeln über einen Reformentwurf auf einem Steuerrechtsgebiet, das durch Unsystematik und Rechtszersplitterung gekennzeichnet ist. Bei der Grunderwerbsteuer finden zur Zeit — miteinander und zum Teil auch gegeneinander — altes Reichsrecht, Bundesrecht und Landesrecht Anwendung. Wenn ich Ihnen sage, daß bei dieser Verkehrsteuer mit einem mittleren Aufkommen der führende Kommentar, der Kommentar von Boruttau/ Klein, allein 418 Seiten braucht, um den Gesetzestext abzudrucken, bekommen Sie ein Gespür dafür, was hier von der Verwaltung und den beteiligten Kreisen des Rechtslebens zu leisten ist. Wenn der Entwurf, der nun von seiten des Bundesrates vorgelegt wird, Gesetzeskraft erhielte, würden insgesamt 68 Gesetze und Verordnungen sowie weitere 131 Einzelvorschriften aufgehoben werden.
Meine Damen und Herren, bei einem so zersplitterten Rechtsgebiet ist es natürlich kein Wunder, daß der Verwaltungsaufwand für diese Steuer extrem hoch ist. 1800 Mitarbeiter der Steuerverwaltung in den Finanzämtern der Länder sind beschäftigt, um die Grunderwerbsteuer zu erheben. Es ist kein Wunder, daß bei einem so komplizierten Gesetz der Erhebungsaufwand überproportional hoch ist. Die Bundesregierung selbst gibt ihn in dem Bericht, den sie 1979 zum Grunderwerbsteuerrecht vorgelegt hat, mit 3,5 % an. Wahrscheinlich ist er sehr viel höher, weil die Personalkosten nicht mit allen Anteilen eingerechnet worden sind. Hier könnte man bei einer wirklichen Reform wahrscheinlich rund 1000 Bedienstete der Finanzämter einsparen oder anderweitig sinnvoll einsetzen. Demnach geht es bei den heutigen Gehältern im öffentlichen Dienst um einen Kostenfaktor, den man auf rund 40 Millionen DM jährlich beziffern kann, und das, meine Damen und Herren, wäre eine wirkliche Einsparung, die finanzpolitisch in die Landschaft paßt.
Die Grunderwerbsteuer ist zersplittert. Nur 15 % aller Erwerbsvorgänge werden zur Zeit dieser Steuer unterworfen. Von der Gesamtsumme der Gegenleistungen werden nur etwa 20 % der Steuer unterworfen. 85 % sind von der Steuer befreit; kein Wunder also, daß in manchen finanzgerichtlichen Entscheidungen und zuletzt auch in einem neueren Urteil des Bundesfinanzhofes ganz stark die Verfassungsbedenklichkeit geltend gemacht wird.
Meine Damen und Herren, seit einem Jahrzehnt gibt es bei der Grunderwerbsteuer eine Reformdiskussion und entsprechende Kommissionsvorschläge aus der Wissenschaft und aus der Verwaltung. Auch die Bundesregierung hat 1979 einen Bericht vorgelegt. Der Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ist eigentlich offenkundig.
Damit sich hier etwas bewegen kann, sollte man durchaus auch noch einmal überlegen, ob ein Steuersatz von 2 %, wie dieser Entwurf ihn vorsieht, für die Aufkommensneutralität wirklich notwendig ist. Uns lag am Mittwoch im Finanzausschuß die neueste Steuerschätzung vor. Wenn man die Zahlen zusammenrechnet, kommt man zu dem Ergebnis, daß 1980 2,4 Milliarden DM Grunderwerbsteuer vereinnahmt worden sind. Das ist sehr, sehr viel mehr, als man noch vor kurzer Zeit angenommen hat. Die 2 %, die der Bundesrat hier vorschlägt, sind eigentlich gut gerechnet. Wenn es das Gesetzgebungsverfahren erleichtert und zu einer Lösung führen könnte, so könnte man sich meines Erachtens durchaus auch einen Steuersatz von 1,5 % vorstellen, der mindestens annähernd aufkommensneutral sein würde.
Mit jeder wirklichen Reform verbinden sich Entlastungs- und Belastungswirkungen. Wie sind diese bei diesem Gesetz? Für den Wohnungsbau und die Landwirtschaft, glaube ich, würden Belastungswirkungen in vertretbarem Umfang eintreten. Ich nenne z. B. den Mietwohnungsbau. Hier würden sich die Kosten für die Grunderwerbsteuer etwa derart auswirken, daß die Kostenmiete um 1 bis 2 Pfennig pro Quadratmeter steigen müßte. Aber auch im Eigentumswohnungsbau sind die Belastungswirkungen vertretbar. Nehmen Sie den Fall, daß sich jemand ein Grundstück von 350 Quadratmetern zum Preis von 100 DM pro Quadratmeter kauft und daß er sich darauf sein Haus errichtet, das er heute sicherlich nicht unter 300 000 bis 350 000 DM erbauen kann, so hätte er eine Belastungswirkung von 0,2 % durch den Kostenfaktor Grunderwerbsteuer.
Es treten gegenüber der derzeitigen Rechtslage sogar Vergünstigungen ein. Nehmen Sie den Fall,



Dr. Langner
daß sich jemand ein Reihenhaus in der Großstadt kauft, was heute auch schon in den meisten Fällen um die 300 000 bis 350 000 DM kosten wird, so steht er sich bei einem Kaufpreis ab 310 000 DM bereits günstiger, wenn wir den Reformsteuersatz von 1,5 % anwenden. Ich meine, daß das Ergebnis, das man mit dieser Grunderwerbsteuerreform erreichen könnte, nämlich eine gleichmäßige, allgemeine und gleichzeitig mäßige Besteuerung — das ist ein entscheidendes Ergebnis dieser Reform —, es rechtfertigt, die geringfügigen Belastungen, die durch diese Veränderung entstehen, in Kauf zu nehmen.
Nun ist dies heute nicht die Stunde der Opposition, meine Damen und Herren, sondern heute müssen die Koalitionsparteien Farbe bekennen. Sie müssen dabei mehr Mut unter Beweis stellen, als es die Regierung in ihrer Stellungnahme getan hat. Sie hat gesagt: Wir werden die Vor- und Nachteile abwägen, als würden wir uns hier auf jungfräulichem Gebiet bewegen. Das ist eine uralte Diskussion; sie ist mehr als zehn Jahre alt. Die richtigen Lösungswege sind völlig klar. Ich meine, daß die Sache in den Ausschüssen nicht auf die lange Bank geschoben und zerredet werden sollte. Ich bin für eine sehr gründliche Beratung. Der vorliegende Gesetzentwurf zeichnet sich durch sprachliche und systematische Klarheit aus. Man hat geradezu seine Freude daran, daß einmal ein sprachlich so gutes Gesetz vorgelegt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. von Wartenberg [CDU/ CSU])

— Es kommt auch aus Niedersachsen; das stimmt, Herr von Wartenberg.
Ich meine, daß eines nicht eintreten darf. Durch langes Zerreden oder dadurch, daß man die Sache vor sich herschiebt, könnte in der Wirtschaft ein Attentismus aufkommen, mit der Folge, daß man mit notwendigen Verkäufen oder Ankäufen zuwartet. Umgekehrt sollte aber auch nicht jemand, der jetzt noch zugreifen will, zu einem überhasteten Erwerb veranlaßt werden, weil er meint: Das Gesetz kommt; ich habe im Moment noch eine Befreiung; denn dann zahlt er möglicherweise einen überhöhten Kaufpreis.
Hier haben wir einen Entwurf, der insgesamt ausgewogen zu sein scheint und der auch wirtschaftspolitisch, so meine ich, genau in die Zeit paßt. Hier wäre eine schnelle und klare Entscheidung von seiten der Koalitionsparteien eine richtige Entscheidung. Meine Damen und Herren von der SPD und FDP, bekennen Sie Farbe! Wir wirken mit. — Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903422800
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Feile das Wort.

Peter Feile (SPD):
Rede ID: ID0903422900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht das erste Mal, daß sich der Deutsche Bundestag mit einer Neuordnung des Grunderwerbsteuerrechtes beschäftigt. Dies war bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein Thema für uns; die Vorlage ist allerdings nicht abschließend beraten worden.
Der jetzige Bundesratsvorschlag nimmt — inhaltlich gleich — den damaligen Gesetzentwurf des Bundesrates wieder auf. Es soll versucht werden, über ein einheitliches Bundesgesetz bei Zusammenfassung der Steuerbefreiungen und Reduzierung des Steuersatzes eine Vereinheitlichung und Vereinfachung zu erreichen.
Nun ist nicht zu bestreiten — Herr Kollege Dr. Langner, Sie haben das zu Recht gesagt —, daß das gegenwärtige Rechtssystem zum Nachdenken Anlaß gibt. Es sind über 200 Vorschriften, die in eindrucksvoller Länge in der Bundesratsdrucksache ja im einzelnen dargestellt sind. Wichtig ist, daß trotz gleicher Zielsetzung zahlreiche Befreiungsvorschriften der Länder inhaltlich wieder voneinander abweichen und damit das an sich einheitliche Bild des Grunderwerbsteuerrechtes getrübt wird. Es ist richtig, daß der Kommentar zu diesem Recht sehr umfangreich ist. So überrascht es auch nicht, wenn über 80 % des an sich steuerbaren Umsatzes nicht der Steuer unterliegen und Zweifel auftauchen, ob Steuergesetze, bei denen die Nichtbesteuerung die Regel ist, eigentlich verfassungsgemäß sind. Außerdem — Sie haben das zu Recht betont — ist der Verwaltungsaufwand beträchtlich. Der Wert von 3,5 % des Gesamtaufkommens der Steuer ist außergewöhnlich.
Aus der Sicht des Bürgers kommt folgendes hinzu. Die Zersplitterung der gegenwärtigen Vorschriften belastet auch den Bürger, der die eingeräumten Vorteile für sich in Anspruch nehmen will. Sie sind von Land zu Land teilweise sehr unterschiedlich.
Diese Zustandsbeschreibung ist im übrigen nicht neu — genauso wie die drei bekannten Lösungsvorschläge.
Erstens: vollständige Aufhebung der Grunderwerbsteuer. Nach der vorliegenden Tabelle des BMF sind im Jahre 1980 allerdings rund 2,3 Milliarden DM Grunderwerbsteuer eingegangen, Herr Kollege Dr. Langner, die ausschließlich Ländern und Gemeinden zufließen. Zum Ausgleich dieses Betrages müßten mit Sicherheit andere Steuern erhöht werden, denn den Weg über die Mehrwertsteuer, der nach der 6. EG-Verordnung möglich wäre, halte ich persönlich nicht für gangbar.
Zweitens: Vereinheitlichung der Befreiungsvorschriften auf einer sogenannten mittleren Linie. Dazu gehört die Beibehaltung der Befreiungen im Bereich der eigengenutzten Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser. Sie kennen dies. Bei diesem Modell scheidet allerdings eine meßbare Reduzierung des Steuersatzes aus, dies deshalb, weil die Befreiungen im Bereich des Wohnungsbaus den größten Teil des Steuerausfalls ausmachen. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß eine Lösung auf dieser mittleren Linie wohl bedeuten würde, daß mit einem einheitlichen Bundesgesetz eine verwaltungsmäßige Verbesserung erreicht werden könnte.
Der dritte Lösungsvorschlag — dies ist der Vorschlag des Bundesrates — sieht folgendes vor: Zusammenfassung aller Vorschriften in einem Bundesgesetz, Aufhebung der meisten Befreiungsvorschriften, verbunden mit einer Reduzierung des Steuersatzes. Diese Lösung hat die Steuerrechtsre-



Feile
formkommission bereits im Jahre 1971 vorgeschlagen. Der Bundesratsvorschlag folgt also diesem Modell. Er hat Vorteile, Herr Kollege Dr. Langner — das gebe ich zu —: Zusammenfassung in einem Gesetz, Vereinheitlichung und Vereinfachung. Es kann auch nicht bestritten werden, daß der Verwaltungsvollzug damit erleichtert würde. Inwieweit dies allerdings zu einer Personaleinsparung führt, Herr Kollege Dr. Langner, ist bisher nicht hinreichend dargetan worden. Mir war die Zahl von 1000 eingesparten Stellen in diesem Zusammenhang trotz sorgfältigen Studiums bisher nicht bekannt. Ein einheitliches Bundesgesetz wäre, so gesehen, da es die bisherige Zersplitterung beseitigt, bei den Befreiungstatbeständen ein Beitrag zur Wettbewerbsgleichheit.
Allerdings stehen diesen Vorteilen ganz erhebliche Nachteile gegenüber, die sich ganz einfach daraus ergeben, daß bisher aus wohlüberlegten Gründen steuerbefreite Vorgänge in Zukunft der Steuer unterliegen, während andere, bisher steuerbare Vorgänge eine Steuerermäßigung erfahren. Ich will dies an Hand einiger Beispiele deutlich machen.
Nach dem Bundesgesetz von 1977 ist der Erwerb eines Althauses zur Eigennutzung als Familienheim bis zu einem Betrag von 250 000 DM steuerfrei. Künftig würden nach dem Bundesratsvorschlag, der von einem Steuersatz von 2 v. H. ausgeht, 5 000 DM Grunderwerbsteuer anfallen. Selbst bei einem Kaufpreis bis zu 350 000 DM, meine Damen und Herren — und dies ist nach der Mitteilung des zuständigen Zentralverbandes bei der Masse der Verkaufsvorgänge gegeben —, wäre die gegenwärtige Regelung — immer ausgehend von einem Steuersatz von 2 v.H. — für den Erwerber noch günstiger. Die Absicht des Bundesgesetzes 1977, auch Bürgern mit niedrigerem Einkommen die Möglichkeit zu geben, durch den Kauf von preisgünstigen Altbauten Eigentum zu erwerben, würde zweifellos belastet.
Bisher ist im übrigen beim Kauf eines Grundstücks zur Errichtung von steuerbegünstigten Wohnungen keine Grunderwerbsteuer zu entrichten gewesen. Künftig wäre dieser Vorgang in vollem Umfang steuerbar. Dies ist auch ein offenkundiger Widerspruch — darauf möchte ich hinweisen — zu der erkennbaren Absicht unserer Fraktion, mehr für den sozialen Wohnungsbau zu tun. Eine neuerliche und generelle steuerliche Belastung beim Grundstückskauf würde mit Sicherheit die, wie ich annehme, die von allen Seiten dieses Hauses gewünschte größere Mobilität im Bodenverkehrsbereich insbesondere in den ländlichen Regionen behindern.
Der Vorschlag des Bundesrats greift im übrigen auch in andere Bereiche negativ ein. Erwirbt etwa ein Sportverein für seine Zwecke ein Grundstück für 1 Million DM, zahlt er bisher nichts an Grunderwerbsteuer, künftig — ausgehend von einem Steuersatz von 2 v. H. — genau 20 000 DM.
An einem aktuellen Beispiel kann die Problematik des Bundesratsentwurfs ebenfalls deutlich gemacht werden. Der Bundesrat selbst wird morgen dem Verkauf eines bundeseigenen Grundstücks in Berlin im Wert von 15 Millionen DM an die Arbeiterwohlfahrt zustimmen. Nach bisherigem Recht ist keine Steuer zu entrichten, da das Grundstück mietweise als Erholungszentrum genutzt wird. Künftig wäre in genau diesem Fall eine Steuerbelastung von rund 300 000 DM fällig. Ich gehe von dem Steuersatz von 2 v. H. aus. Würde dagegen dieses Grundstück an einen Gewerbebetrieb abgegeben, wären nach bisherigem Recht rund 1 050 000 DM fällig, nach dem Bundesratsvorschlag aber nur noch 300 000 DM
— Ersparnis also rund 750 000 DM.
Gerade diese offenkundige soziale Schlagseite — z. B. zu Lasten der Kleinen oder wichtiger sozialer Einrichtungen — widerspricht — ich betone dies hier offen — unseren Vorstellungen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen
— und dies ist Ihnen sicher bekannt —, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund, aber auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege den bisher vorliegenden Gesetzentwurf bereits einmal abgelehnt haben. Dies tut im übrigen auch der Deutsche Bauernverband, wenn auch aus anderen Gründen.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: Viel Feind, viel Ehr!)

Einen weiteren Mangel sehen wir im übrigen darin, Herr Kollege Dr. Langner, daß zwar ein Steuersatz von 2 v. H. insgesamt Aufkommensneutralität garantiert, sich aber durch die unterschiedliche Struktur im Grundstücksmarkt der einzelnen Länder ganz erhebliche Mehr- oder Mindereinnahmen bei den einzelnen Bundesländern ergeben. Dies war auch wohl der Anlaß, warum der Freistaat Bayern von sich aus erklärt hat, für ihn würde ein Steuersatz von etwa 1,5 v. H. ausreichen.
Dies alles, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird uns veranlassen, den vorliegenden Gesetzentwurf in den anstehenden Beratungen kritisch zu prüfen und eine sorgfältige Abwägung aller Vor- und Nachteile vorzunehmen. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903423000
Das Wort hat der Abgeordnete Rentrop.

Friedhelm Rentrop (FDP):
Rede ID: ID0903423100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Grunderwerbsteuerrecht in der derzeit geltenden Form ist ein öffentliches Ärgernis. Meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen: Der bekannte Standardkommentar von Boruttau/Klein mit 2 000 Seiten umfaßt allein 418 Seiten Text. Auf die Zahl der Vorschriften, 68 Gesetze, 131 Einzelvorschriften, hat der Kollege Langner bereits hingewiesen. Verzweifelt schreiben selbst die sachkundigen Kommentatoren im Vorwort zu ihrer 10. Auflage:
Es ist immer schwieriger geworden, den Fluß des Grunderwerbsteuerrechts auf seinen neuesten Stand auszuloten.
Schon der Begriff „ausloten" ist für den Juristen sicherlich sehr ungenau.
Zwar geht die Gesetzessystematik immer noch auf das Grunderwerbsteuergesetz 1940 zurück — Herr Langner, auch der neue Entwurf lehnt sich j a an die wohlgeformten Formulierungen dieses Gesetzes an, so daß wir also dem Gesetzgeber von 1940,



Rentrop
wenn nicht sogar dem von 1919, das Urheberrecht für die guten Formulierungen zugestehen dürfen —, jedoch ist durch die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder bis 1969 und dann durch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes seit 1. Januar 1970, seit der Finanzreform, eben die Vielfalt von Befreiungstatbeständen Praxis geworden, die selbst für einen Fachmann — ich bekenne, daß ich mich seit 25 Jahren damit herumschlage —, erst recht aber für den am Grunderwerb beteiligten Bürger sehr oft nicht mehr überschaubar ist.
Am Anfang dieser Befreiungsflut haben sicher sozial- und wirtschaftspolitische Notwendigkeiten gestanden; in den letzten Jahren auch immer einmal wieder. Doch das Ergebnis sehen wir heute. Das ist wirklich ein Gesetz, auf das der lateinische Satz „summum ius summa iniuria" — das höchste Recht ist das größte Unrecht — paßt. Denn wer kann das noch alles nachvollziehen, was es an Befreiungen gibt, Herr Feile? Es ist j a schon darauf hingewiesen worden: Von 100 Grunderwerben werden 15 besteuert, von 100 % der Werte werden 20 % besteuert. Das ist eben die Folge der Gesetzgebung. Und dafür wird eine Vielzahl von Beamten eingesetzt, nämlich 1 800. Ich habe einmal einen Vergleich gezogen. Diese 1 800 Beamten bringen 2,4 Milliarden DM auf. Sie wissen, daß wir uns für die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer und ihre Umlage auf die Mineralölsteuer einsetzen. Auf diesem Gebiet lautet das Ergebnis: 4 500 Beamte bringen 6,7 Milliarden DM Kraftfahrzeugsteuer. Das Ergebnis ist besser als das bei der Grunderwerbsteuer.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: So viele sind es nicht mehr!)

— Sie können ruhig einige abrechnen. Wir beklagen ja, daß dafür so viele Beamte eingesetzt werden. Die Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer ist also wegen Unwirtschaftlichkeit notwendig. Deshalb sollten wir das betreiben.
Wir begrüßen, daß die Vorstellungen des Gutachtens der Steuerreformkommission aus dem Jahr 1971 mit diesem Gesetzentwurf des Bundesrats wieder aufgegriffen worden sind. Von den bekannten Lösungsansätzen — Abschaffung, Umlage auf die Umsatzsteuer, Vereinheitlichung der bisherigen Länderregelungen in einem Bundesgesetz, weitestgehende Abschaffung aller Befreiungen und starke Absenkung des Steuersatzes, nämlich auf 2 % — ist dieser Weg gewählt worden. Sicherlich haben alle Lösungen auch Mängel. Ich bekenne, daß ich persönlich der Eingliederung in die Umsatzsteuer den Vorzug gegeben hätte, nicht zuletzt deshalb, weil damit ein Sondersteuergesetz voll abgeschafft worden wäre und das besser in die europäischen Harmonisierungsbestrebungen gepaßt hätte. Aber ich bin auch bereit, über diese Lösung, die einfach ist — und das ist das Wesentliche —, nachzudenken.
Herr Feile, wir halten die Belastungen, die mit dem Kleinerwerb verbunden sind — für den Kleinsterwerb gibt es ja per se noch einen Freibetrag, der geblieben ist —, für tragbar; denn die Preise der bebauten und unbebauten Grundstücke nähern sich ohnehin sehr rasch jenen Grenzwerten, wo es uninteressant wird, darüber nachzudenken, weil die neue Lösung selbst bei einem Steuersatz von 2 %, um so mehr natürlich bei einem noch weiter abgesenkten Satz günstiger wäre.
Herr Langner, Sie haben die Gemeinsamkeit beschworen und an uns appelliert, den Vorschlag des Bundesrats mitzutragen. Schon die Steuerreformkommission hatte ja empfohlen, die Grunderwerbsteuer zu vereinheitlichen und den Tarif zu senken. Aber sie hat auch noch etwas anderes empfohlen: Das Aufkommen aus der Grunderwerbsteuer sollte den Städten und Landkreisen vollständig als selbständige Einnahme zugewiesen werden. Uns ist bekannt, daß die FDP/SPD-Landesregierung Nordrhein-Westfalens in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen hat, im Rahmen einer Grunderwerbsteuerreform die Einnahmen aus dieser Steuer, die zur Zeit zwischen Ländern, Gemeinden und Kreisen aufgeteilt wird, den Gemeinden voll zufließen zu lassen. Wir begrüßen und unterstützen auch diese Empfehlung der Steuerreformkommission und den Kabinettsbeschluß von Nordrhein-Westfalen als eine Möglichkeit, die originäre Finanzkraft der Kommunen zu stärken. Wir bitten daher die antragstellenden Länder, in der Weiterverfolgung dieser Grunderwerbsteuerreform auch diesem Gedanken im besten Sinne einer Finanzreform Rechnung zu tragen.

(Dr. Kreile [CDU/CSU]: Aber doch wohl nicht innerhalb des Gesetzes!)

— Nein, nicht innerhalb des Gesetzes; sehr richtig, Herr Dr. Kreile. Deswegen ist es auch als Bitte an die Länder gerichtet. Aber hier ist ja an unseren guten Willen appelliert worden.
Mit Wehmut muß man daran zurückdenken, daß dieses Grunderwerbsteuergesetz als ein Teil aus der Auflösung des einheitlichen Reichsstempelgesetzes nach dem 1. Weltkrieg hervorging, aus dessen Tarifnummern — mehr war das nicht — alsdann das Kapitalverkehrsteuergesetz, das Versicherungsteuergesetz, das Renn-, Wett- und Lotteriesteuergesetz, das Beförderungsteuergesetz, das Kraftfahrzeugsteuergesetz und auch das Grunderwerbsteuergesetz entstanden sind.

(Dr. Langner [CDU/CSU]: So fruchtbar ist der Steuerfinder!)

Jede Neuregelung, die den Wust bestehender Vorschriften beseitigt, ist besser als der bisherige Zustand. Wir sollten uns bemühen, eine sachgerechte Lösung überlegt, aber schnell — da stimme ich Ihnen zu, Herr Langner — durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen. Ein langdauerndes Rechtsetzungsverfahren birgt die Gefahr eines gewissen Attentismus auf dem Grundstücksmarkt, mit Sicherheit.
Bemühen wir uns daher gemeinsam, alsbald eine gute, einfache und damit bürger- wie verwaltungsfreundliche Lösung der Grunderwerbsteuerreform zu verabschieden. — Ich danke.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903423200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf des Bundesrats, verzeichnet auf der Drucksache 9/251, zu überweisen zur federführenden Beratung an den Finanzausschuß, zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft, an den Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie zur Beratung gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuß.
Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist entsprechend beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich darf noch etwas vermerken. Dies ist eine Gesetzesvorlage des Bundesrats. Ich habe den Eindruck, es spricht für das gute Einvernehmen und das hohe Vertrauen, das der Bundesrat in die Arbeit des Bundestags hat, daß kein Vertreter von ihm an den Beratungen des Gesetzentwurfs durch das Hohe Haus teilgenommen hat.

(Dr. von Wartenberg [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen (15. Ausschuß) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU
Bessere Bedingungen für den CB-Funk
— Drucksachen 9/128, 9/328 — Berichterstatter: Abgeordneter Bernrath
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag von zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus mit dieser Regelung einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch.
Wird zur Berichterstattung das Wort gewünscht? — Ich sehe, das Wort wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat das Wort der Herr Abgeordnete Bühler.

Klaus Bühler (CDU):
Rede ID: ID0903423300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verhandlung des erneuten Antrags der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf Drucksache 8/128 — „Bessere Bedingungen für den CB-Funk" — im Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen hat gezeigt, daß es bei SPD und FDP weder zu einer stichhaltigen Begründung für die Ablehnung noch zu Alternativen reichte; denn sonst hätten sie nicht in ihren Pressemitteilungen den krampfhaften Versuch unternommen, die Freigabe von 22 Kanälen Frequenzmodulation — sie erfolgte bereits vor einem Jahr auf Grund
unseres ersten Antrags — als Durchbruch zugunsten einer Liberalisierung und als Weichenstellung bzw. als realistische Verbesserung und Erleichterung für CB-Funker zu feiern.
Nach unserer Auffassung sind diese 22 Kanäle weder ein Durchbruch zur Liberalisierung noch eine Verbesserung oder Erleichterung; denn hier wird das, was mit der einen Hand gegeben wird, nämlich zehn weitere Kanäle, mit der anderen Hand wieder genommen, nämlich durch den Fortfall der Amplitudenmodulation und eine dadurch bewirkte Reichweitenverschlechterung. Zumindest eine Erhöhung der Ausgangsleistung für Mobilgeräte auf zwei Watt und die Erlaubnis zur Errichtung von Richtantennen für Feststationen hätten hier einen gewissen Ausgleich für den Fortfall der beliebten Amplitudenmodulation schaffen können. Aber dieses Wenige konnten SPD und FDP gegenüber dem Bundespostminister offensichtlich nicht durchsetzen. Vielmehr hat das Vorgehen im Ausschuß nach den Vorschlägen des Bundespostministeriums offenbart, daß FDP und SPD die Materie immer noch nicht kennen, geschweige denn eine eigene Meinung zu notwendigen Verbesserungen im CB-Funk haben.
Der einstweilige Verzicht auf die sogenannte Pilottonsperre für die Dauer von zwei Jahren ist nur ein Eingeständnis von technischem Unvermögen und eine Bestätigung der Sachverständigen, die die Pilottonsperre — ich zitiere — als „das Hirnverbrannteste, was die Welt je gesehen hat" bezeichneten. Mit ihr hatte sich der Bundespostminister der internationalen Lächerlichkeit preisgegeben. Da er aber gut vier Wochen vor der Ausschußsitzung vorsorglich den die Feststationen betreffenden Teil der bekannten FTZ-Richtlinien vom 19. September 1980 zurückgezogen hatte, konnte man im Ausschuß den Versuch unternehmen, die Forderung der CDU/CSU nach Wegfall der Pilottonsperre als gegenstandslos abzutun. So einfach geht das nicht. Dieses irrsinnige Vorhaben soll und muß endgültig begraben werden.
Den Fest-Fest-Funkverkehr nicht zu erlauben, aber für zwei Jahre technisch nicht zu behindern, d. h. keine Entscheidung zu treffen, ist symptomatisch für diese Regierung. Diese Wischi-Waschi-Regelung, bei der unklar ist, ob der Fest-Fest-Verkehr nun zugelassen ist oder nicht, hebt den Straftatbestand nicht auf und ändert somit nichts an der drohenden Kriminalisierung der CB-Funker. Vielmehr bringt sie weiterhin die Funkmeßbeamten in Konfliktsituationen, zu deren Lösung SPD und FDP sowie der Bundespostminister offensichtlich nicht bereit sind — nach dem Motto: Im Zweifel muß es der kleine Mann ausbaden. Die Aufhebung dieses Verbotes ist für uns unverzichtbar, zumal dies weder von der CEPT vorgeschrieben noch in anderen Ländern praktiziert wird.

(Waltemathe [SPD]: Ist doch alles falsch!)

Im Zusammenhang mit unserer Forderung nach einer leistungsgerechten Gebühr war der Bundespostminister zu einer Offenlegung der entsprechenden Leistungs- und Kostenrechnungen nicht bereit. Nach unseren Berechnungen müßte eine monatliche Grundgebühr von 5 DM für Leistungen im Hinblick



Bühler (Bruchsal)

auf die Beseitigung von Störungen genügen, zumal sich im Ausland die entsprechenden Gebühren zwischen 0,20 und 3,30 DM bewegen.

(Waltemathe [SPD]: Auch falsch!)

Die Ablehnung der Erhöhung der Ausgangsleistungen, zumindest für 22-Kanal-Geräte, sowie unseres Kompromißvorschlages einer zwischen mobilen Geräten und Festgeräten abgestuften Erhöhung, kombiniert mit der Zulassung von Richtantennen für Feststationen als Ersatz für eine geringere Ausgangsleistung zeigt, daß die Koalitionsfraktionen keine besseren Bedingungen für den CB-Funk wollen. Die von der Koalition übernommene Behauptung des Bundespostministers, eine höhere Ausgangsleistung für FM-Geräte oder die Anwendung von Richtantennen führten zu vermehrten Störungen, trifft nicht zu und wurde widerlegt. Vielmehr sind Erhöhungen der Ausgangsleistungen und die Zulassung von Richtantennen nur ein Äquivalent für den Wegfall der weiterreichenden Amplitudenmodulation und den Verzicht auf das single side band, die aber beide von der CEPT — Sie wissen das — erlaubt sind. Andere CEPT-Staaten erlauben eine höhere Ausgangsleistung wie z. B. Frankreich und Jugoslawien mit 2 Watt und Italien mit 5 Watt. Was dort gestattet ist, muß auch bei uns möglich sein.
Es trifft nicht zu, daß die Frequenzverteilung im 27-Megahertz-Bereich seit 1975 offengelegt ist. Bis zum letzten Jahr wurde vom Bundespostminister immer wieder behauptet, daß nur 12 Kanäle für den CB-Funk frei seien. Jetzt sind es auf einmal 22 Kanäle. In Wirklichkeit sind es 32, die von der CEPT erlaubt sind. Wir werden nicht eher Ruhe geben, bis die Frequenzverteilung im 27-Megahertz-Bereich exakt offengelegt wird.
Die Ablehnung unserer Forderung nach einer Neugestaltung der Vorschriften für den CB-Funk, um u. a. dessen Entkriminalisierung zu erreichen, zeigt die ganze Widersprüchlichkeit der Koalitionsfraktionen in dieser Frage. Einerseits betont man die Notwendigkeit des privaten mobilen Sprechfunks im Nahbereich und will ihn auf 5 km begrenzen, andererseits ordnet man ihn aber dem nichtöffentlichen beweglichen Landfunk zu. Oder man beteuert, man wolle den CB-Funk entkriminalisieren, trifft aber tatsächlich unklare Regelungen, die die CB-Funker in dem gleichen Dilemma belassen. Der Mißerfolg der jetzt von der SPD und FDP vorgesehenen Regelung ist leider jetzt schon abzusehen. Die neuen 22-Kanal-Geräte mit 0,5 Watt Ausgangsleistung werden von den CB-Funkern abgelehnt. Die Funker werden sich statt dessen sogenannte unpostalische Funkgeräte mit höherer Ausgangsleistung besorgen. Das werden die Herren von der Koalition — —

(Paterna [SPD]: Wollen Sie dazu aufrufen, oder wie verstehe ich das?)

— Nein, im Gegenteil. Sie haben das in Berlin erfahren, Herr Paterna. Ich komme gleich darauf zurück. Wenn Sie einmal bei CB-Funkern gewesen sind, wie Sie vor kurzem in Berlin,

(Zuruf von der CDU/CSU: Ohne viel Beifall!)

dann müßten Sie wissen, daß die von SPD und FDP vorgesehene unklare Regelung etwas bewirkt, was Sie sicherlich selber nicht wollen, nämlich daß die Kriminalisierung mehr oder weniger provoziert wird.
Deshalb bitte ich Sie eindringlich, Ihre bisherige Entscheidung im Sinne wirklich besserer Bedingungen für den CB-Funk zu ändern. Diese besseren Bedingungen haben wir nach vielen Gesprächen mit CB-Funkern unserem Antrag zugrunde gelegt. Sie sind sowohl technisch machbar als auch ohne Abstriche politisch zu verantworten. Es ist ein Schritt weiter zum mündigen Bürger, den wir alle wollen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903423400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bernrath.

Hans Gottfried Bernrath (SPD):
Rede ID: ID0903423500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie zunächst zwei kurze Vorbemerkungen.
Erstens. Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion zielt nur scheinbar darauf ab, die Bedingungen für den CB-Funk zu verbessern. Es handelt sich um nichts anderes als um eine Addition abgeschriebener oder abgehörter Forderungen, die eben nicht, Herr Bühler, zu klaren Regelungen führen, sondern eher Verwirrung stiften. Der CB-Funk ist nämlich ein Sprechfunk mit kleiner Leistung. Darauf ist er angelegt. Er dient dem privaten, in erster Linie dem mobilen Sprechfunk, und zwar im Nahbereich. Er ist also weder auf gewerbliche Funkdienste noch für den Leitverkehr oder den üblichen Amateurfunk vorgesehen. Seine Regelungen — das ist das, was Schwierigkeiten macht — erleichtern eine umfangreiche und noch wachsende Benutzung. Die CB-Funker nennen das selber „Ton als Hobby". Es ist allerdings ein Hobby — das ist nicht zu übersehen —, das inzwischen Millionen Mitbürger haben. Dabei sind die Beweggründe ganz unterschiedlich. Sie reichen von der gegenseitigen Hilfeleistung, auch vom technischen Spiel bis zum anonymen Gespräch mit sonst völlig unbekannten Mitbürgern.
Meine zweite Vorbemerkung betrifft folgendes. Mit dem Antrag der Opposition bzw. dem, was wir hier beschließen, können wir dem Postminister nur Empfehlungen vermitteln. Das ergibt sich aus dem Postverwaltungsgesetz. Diese Empfehlungen sollten, eben weil sie für uns unverbindlich bleiben, nicht auf billigen Effekt angelegt sein oder zu willkürlichen Regelungen führen. Damit wäre niemandem gedient. Sie sollten im Interesse der CB-Funker unter Berücksichtigung aller anderen Funkdienste, auch internationaler Verpflichtungen und technisch-sachlicher Voraussetzungen sich im Rahmen dessen halten, was tatsächlich möglich ist und Erleichterungen herbeiführt. Darüber hinaus sollten unsere Empfehlungen eine weitere Entwicklung im CB-Funk erleichtern und fördern, nicht begrenzen. Insofern hilft es, Herr Bühler, auch wenig, jeden Einzelwunsch der CB-Funker jeweils mit Hinweisen auf Einzelregelungen in wieder jeweils einzelnen Ländern zu belegen. Jedes Land für sich hat da si-



Bernrath
cherlich noch für lange Zeit seine Eigentümlichkeiten. Aber alle Wünsche können wir auf diese Weise nicht zu einem dann funktionierenden System zusammenfügen.
Zum Antrag allgemein! Bei allen Bemühungen, bessere Bedingungen zu schaffen, müssen — auch darauf haben Sie kurz hingewiesen — die Belange aller Funkdienste, insbesondere aber auch die Belange der Rundfunkhörer und der Fernsehzuschauer sowie der Betreiber anderer Geräte der Unterhaltungselektronik im Auge behalten werden. Der private CB-Funk muß daher auch künftig in erster Linie ein beweglicher Funkdienst sein und bleiben und auf den Nahbereich beschränkt sein, dies nicht zuletzt, weil Frequenzen Mangelware sind.
Die CB-Funker selber stellen — ich habe es heute noch einmal in einer mir zugesandten Veröffentlichung gelesen — im wesentlichen vier Forderungen: die Freigabe des Sprechverkehrs zwischen festen Stationen, eine Senkung der Gebühren, die Verstärkung der Sendeleistung und die Bereitstellung von 40 Kanälen beider Modulationsarten sowohl für Mobil- wie für Festverkehr im 27-Megahertz-Bereich. In dieser Hinsicht — Herr Bühler, das liegt natürlich auch an der verfassungsrechtlichen Konstruktion, die dem Postminister und dem Verwaltungsrat Zuständigkeiten einräumt — hat der Postminister inzwischen Verbesserungen entweder bereits eingeführt oder vorbereitet.
Der CB-Funk ist als beweglicher Landfunkdienst eingerichtet. Der Verkehr ausschließlich zwischen Feststationen bringt erfahrungsgemäß sehr viel stärkere Kanalbelegungen nach Dauer und Häufigkeit als der Verkehr mit beweglichen Funkstationen mit sich. Daher wurde bisher auch auf die Zulassung des Fest-Fest-Verkehrs verzichtet, obwohl der FestFest-Verkehr technisch nicht behindert worden ist. Nach der Bereitstellung von jetzt insgesamt 22 Kanälen im 27-MHz-Bereich und nach Zulassung der Frequenzmodulation kann jetzt bei gleichbleibender Ausgangsleistung mit einem Rückgang der Störungshäufigkeit gerechnet werden. Unsere Empfehlung lautet daher: Um weitere Erfahrungen sammeln zu können, sollte der Verkehr zwischen Feststationen befristet möglich bleiben. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit, etwa von zwei Jahren, wäre dann entweder über seine endgültige Zulassung oder über die Einführung technischer Ordnungsmaßnahmen zu entscheiden. Bis dahin ist vielleicht auch erkennbar, ob uns der 900-MHz-Bereich zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung stehen wird.
In diesem Zusammenhang gehört zunächst auch der Verzicht auf die Pilottonsperre. Der Antrag, wie Sie ihn formulieren, ist damit gegenstandslos. Die Deutsche Bundespost hatte bisher nur 12 Kanäle bereitgestellt, die durch den an sich unzulässigen FestFest-Verkehr völlig überbelastet waren. Jetzt stehen zehn weitere Kanäle für den CB-Funkverkehr zur Verfügung. Das erleichtert die Verkehrsbedingungen, und das schöpft auch alle Möglichkeiten nach den internationalen Verabredungen aus. Die Deutsche Bundespost hat daher die Einführung des Pilottones zurückgestellt, und es bleibt abzuwarten — es ist im übrigen auch Meinung der CB-Funker, daß das zu einer riesigen Belastung führen kann —, wie sich die Vermehrung des Angebots und die Inanspruchnahme der Frequenzmodulation auswirken.
Ebenso ist der Antrag auf Anpassung der monatlichen Grundgebühr erledigt. Die Gebühren sind in den Leistungen der Post begründet — ich will das hier im einzelnen nicht ausführen, sondern überschlagen —; sie werden für Geräte neuer Art mit Frequenzmodulation um ein Drittel auf monatlich 10 DM gesenkt. Jedenfalls wird der Postminister das dem Verwaltungsrat empfehlen.
Nach der Umstellung auf Frequenzmodulation erübrigt sich zunächst eine Erhöhung der Ausgangsleistung für CB-Funkgeräte. Mit einer Erhöhung der Sendeleistung der CB-Geräte könnte zwar die Nutzreichweite vergrößert werden, gleichzeitig würde sich aber auch der Störbereich ausdehnen. Die gegenseitigen Beeinträchtigungen würden also zunehmen. Außerdem nähme die Mehrfachnutzung einer Frequenz, entsprechend der größeren Reichweite, ab. Höhere Sendeleistungen würden auch zu noch mehr Störungen und Beeinflussungen führen. Aus diesen Gründen scheidet eine Leistungserhöhung bei CB-Funkgeräten im 27-MHz-Bereich aus. Die zugelassene Leistung entspricht im übrigen ebenfalls internationalen Empfehlungen. Das sei noch vermerkt. Die Umstellung auf Frequenzmodulation hat keinen Verlust an Reichweite zur Folge. Richtantennen wirken im übrigen wie eine Erhöhung der Ausgangsleistung, sie führen also auch zu mehr gegenseitigen Behinderungen. Für den beweglichen CB-Funkdienst sind sie ohnehin nicht geeignet.
Zur Offenlegung ist nur zu wiederholen, was wir im Ausschuß gesagt haben. Die Forderung nach Offenlegung ist gegenstandslos. Die Nutzung dieses Bereiches durch CB-Funkanlagen bisheriger und neuerer Art und durch die auslaufenden K-Geräte ist offengelegt, und die diesbezügliche Frequenzverteilung ist im Rahmen der seit 1975 geltenden Funkbestimmungen auch für jedermann einsichtig. Die mengenmäßige Inanspruchnahme hat sich geändert, und daraus ergeben sich die hier vom Postminister berücksichtigten Konsequenzen.
Was die Neugestaltung der Vorschriften mit dem Ziel angeht, den CB-Funk, wie man sagt, zu entkriminalisieren, ist festzuhalten: Die Post hat mit ihren CB-Funkregelungen im Vergleich zum europäischen Ausland mit die liberalsten Bestimmungen. Sie ermöglichen es jedermann, CB-Funkgeräte im Rahmen einer allgemeinen Genehmigung gebührenfrei — nämlich soweit sie beweglich sind — oder mit einer gebührenpflichtigen Einzelgenehmigung stationär zu betreiben.
Diese Regelungen müssen allerdings dort ihre Grenzen haben, wo die Interessen anderer berührt werden. Diese Grenze wird dann überschritten, wenn, aus welchen Gründen auch immer, übermäßig viele und starke Störungen ausgelöst werden. Insofern erübrigen sich neue Vorschriften, nicht zuletzt um die notwendigen Regelungen einfach und praktisch zu halten.



Bernrath
Ich stimme mit allen überein, die sagen: So wenige Regelungen wie möglich. Es muß auch jedermann möglich sein, beim CB-Funk mitzumachen. Darum geht es. Würde man um des scheinbaren Friedens willen alles seinen Lauf nehmen lassen, würde bald kein CB-Funker mehr den anderen CB-Funker verstehen können. Hören Sie sich schon heute mal an den Wochenenden an, was da auf diesen Kanälen los ist! Darum sollte gemäß der einstimmigen Empfehlung des Postausschusses die Deutsche Bundespost aufgefordert werden, mit den CB-Verbänden zu verhandeln. Es gibt jetzt zunehmend auch legitimierte, repräsentativ handelnde Verbände.

Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903423600
Herr Kollege, darf ich Sie darauf aufmerksam machen: Die Von Ihrer Fraktion angemeldete Redezeit ist abgelaufen.

Hans Gottfried Bernrath (SPD):
Rede ID: ID0903423700
Ja, Danke schön. — Nur weil ich einige einschränkende Stimmen gehört habe, möchte ich noch meine dem Ausschuß vorgetragene Anregung wiederholen, einen Teil des CB-Funks, nämlich den, der nicht am Ton als Hobby, an der Technik, sondern am anonymen Gespräch interessiert ist, auf einen drahtgebundenen Dienst der Post zu ziehen.
Im übrigen bitte ich Sie, den Antrag der CDU/ CSU-Fraktion — Drucksache 9/128 — gemäß Bericht und Beschlußempfehlung des Postausschusses — Drucksache 9/328 — abzulehnen. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Georg Leber (SPD):
Rede ID: ID0903423800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffie.

Klaus-Jürgen Hoffie (FDP):
Rede ID: ID0903423900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen hier einmal klar sagen, was CDU und CSU in Wahrheit verfolgen. Sie bekennen mit ihrem Antrag, mit dem sie bessere Bedingungen für den CB-Funk erreichen zu wollen vorgeben, in Wirklichkeit zweierlei. Erstens. Sie sind nicht bereit, zu respektieren, daß der CB-Funk ein Sprechfunk mit kleiner Leistung und kein Zwitter-oder Quasi-Amateurfunk ist. Zweitens. Sie fordern dazu auf, die internationalen Vereinbarungen innerhalb der CEPT zu mißachten oder zu durchbrechen.
Die Opposition will im Ergebnis ihrer Forderungen zulassen, daß Funkverkehr ungeordnet abläuft, daß internationale Vereinbarungen unterlaufen und unkritisch alle Forderungen aller Strömungen innerhalb der CB-Funkerschaft übernommen werden, auch wenn sich diese in ihren eigenen Interessenlagen und Wünschen in der Sache selbst ja vielfach widersprechen. Die Zuschriften, die wir aus den Kreisen der CB-Funker bekommen — einzelner wie inzwischen teilweise auch organisierter —, sind ja ein deutlicher Beleg dafür.

(Paterna [SPD]: Sehr richtig!)

Die CDU/CSU ist darüber hinaus bereit zu dulden, daß die Unterhaltungselektronik, z. B. Rundfunk und Fernsehen, durch einen amateurfunkähnlichen CB-Funk gestört werden können. Ich meine, man muß es ganz deutlich als Opportunismus bezeichnen, daß die Interessen vieler Bürger nur deshalb unbeachtet bleiben sollen, weil sich die Rundfunk- und Fernsehteilnehmer im Gegensatz zu OB-Funkern bisher nicht zu Protest- und Forderungsgemeinschaften zusammengeschlossen haben, um ihre Anliegen in gleicher Schärfe und mit immer neuen Ansprüchen vorzutragen.
Einer solchen Grundhaltung setzt die FDP ein klares Nein entgegen. Sie hat demgegenüber dafür gesorgt, daß die Bedingungen der CB-Funker so weit wie nur irgend möglich beharrlich und mit Augenmaß verbessert werden, ohne zu vernachlässigen, daß damit verbundene Liberalisierungen dort ihre Grenzen haben müssen, wo die Interessen anderer verletzt werden, was die Opposition durch Betrieb z. B. von Geräten mit unzulässigen Zusatzaggregaten, hohen Kanalzahlen und unzulässigen Modulationsarten zu mißachten ja durchaus bereit ist.
Daran ändert sich auch nichts dadurch, meine Damen und Herren, daß die Opposition in den Ausschußberatungen von zwei ganz wesentlichen Punkten ihres eigenen Antrags, die j a eine ungeprüfte Weitergabe von CB-Funker-Forderungen waren, selbst abgerückt ist, nämlich von der Erhöhung der Ausgangsleistung für 22-Kanal-Geräte FM und von der zunächst geforderten Zulassung von Richtantennen, was ja zumindest die Ausgangsleistung betrifft. Das allein sagt schon genug, ist Ausdruck einer großen Unsicherheit und kennzeichnet auch Unwissenheit, Unwissenheit der Opposition in der Sache selbst.
Zu den einzelnen Punkten will ich hier folgendes feststellen.
Erstens. Die Koalitionsfraktionen haben sichergestellt, daß die Post die Einführung einer sogenannten Pilottonsperre bei Feststationen zurückgezogen hat. Alles, was die CEPT-Empfehlung T/R 19 einräumt, ist geschehen, nachdem jetzt 22 Kanäle für bessere Verkehrsbedingungen zur Verfügung stehen. Die FDP ist Garant dafür, daß es zur Einführung einer Pilottonsperre auch in Zukunft dann nicht kommt, wenn die CB-Funker selber durch gegenseitige Rücksichtnahme den praktischen Beweis dafür erbringen, daß die Interessen aller CB-Funker, aller CB-Beteiligten gewahrt bleiben.
Zweitens. Ein Verkehr zwischen sogenannten Feststationen wird entgegen ursprünglichen Absichten der Bundespost jetzt praktisch weiterhin geduldet; es wird keine technische Behinderung geben. Meine Damen und Herren, der von der FDP vorgeschlagene und auch durchgesetzte Erfahrungszeitraum von zwei Jahren — Sie von der Opposition haben sich enthalten — muß erweisen, ob es auch künftig bei dieser Regelung bleiben kann. Die Freien Demokraten respektieren bei diesem Entgegenkommen der Post gleichsam aber auch deren Auffassung, daß eine Legitimation durch festgeschriebene Zulassung des Festverkehrs einen Verstoß gegen die CEPT-Vereinbarungen bedeuten würde. Wichtig ist, daß dennoch Festverkehr möglich ist. Er darf aber nicht dazu führen, meine Damen und Herren, daß beweglicher Funkverkehr über Gebühr behindert wird. Die Praxis wird zeigen, ob sich die Erwartun-



Hoffie
gen der CB-Funker oder die Befürchtungen der Deutschen Bundespost bestätigen.
Drittens. Der Forderung nach Anpassung der monatlichen Grundgebühr für Feststationen entsprechend der Leistung der Post wird jetzt insoweit Rechnung getragen, als sie sich von 15 DM auf 10 DM verringert. Die FDP wird um weitere Verbesserungen in diesem Bereich bemüht bleiben. Der Verwaltungsrat wird hierüber noch zu entscheiden haben.
Viertens. Mit einer Erhöhung der Ausgangsleistung für 22-Kanal-Geräte FM bis auf 2 Watt nur noch für, wie die Opposition j a selbst eingeschränkt hat, bewegliche Geräte könnte zwar die Reichweite vergrößert, gleichzeitig aber würde die Störreichweite erhöht werden. Auch hier entsprechen wir den internationalen Empfehlungen, meine Damen und Herren, und sind nicht bereit, dem zu folgen, was die CDU noch 1980 bei den Ausschußberatungen selbst zurückgezogen hatte.
Fünftens. Auch die Zulassung von Richtantennen, die für beweglichen Funkverkehr ungeeignet und nach CEPT nicht zugelassen sind, verfolgt nichts anderes als die Erhöhung der Leistung und damit die Erhöhung der Störeffekte. Die Änderung Ihres Antrags in diesem Punkt, meine Damen und Herren von der Opposition, ist zwar ein kleiner Schritt zu einer wichtigen Erkenntnis, aber eben keine klare Konsequenz.

(Beifall bei der FDP)

Sechstens. Zur selbstverständlichen Offenlegung der Frequenzverteilung muß hier, glaube ich, nichts weiter gesagt werden.
Siebtens. Wer von Kriminalisierung im CB-Funk spricht, muß natürlich, wie wir das tun, sagen, daß die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden muß. Er muß aber auch sagen, daß die Post 1980 mit ganzen acht Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen CB-Funker vorgegangen ist, die eine Überwachung von Fernmeldeanlagen entweder nachweislich verhindert oder aber gestört haben. Es ist Sache der CDU/CSU, meine Damen und Herren, zu erklären, ob sie ein Vorgehen bei Verstößen gegen die Gerätezulässigkeit völlig unterlassen will. Gleichgültigkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen CB-Teilnehmern finden jedenfalls unsere Unterstützung nicht.

(Zustimmung bei der FDP und der SPD)

Das CB-Funk-Hobby darf nicht zum Einsatz illegaler Geräte mißbraucht werden. Und, Herr Kollege Bühler, wenn Sie heute hier indirekt dazu animiert haben, dann müssen Sie das mit sich selbst ausmachen.

(Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Das ist wohl ein Witz!)

Insgesamt ist der Oppositionsantrag ein Ausweis von Konzeptionslosigkeit und Widersprüchlichkeit. Ich will Ihnen das gleich noch mal in einem Satz erklären.
Widersprüchlichkeit: Sie wollen mehr Kanäle — das haben Sie hier heute noch einmal gesagt —,
gleichzeitig aber deren Nutzungsmöglichkeit — durch mehr Sendeleistung und Zulassung von Richtantennen — einschränken. Sie wollen Verhandlungen mit CB-Verbänden, haben aber bisher nicht sagen können, welche das sind, wer für wen spricht und wer wessen Interessen wahren will, um nur mal dies an zwei Beispielen deutlich zu machen. Ihr Antrag zeigt letztlich wieder, daß politischer Opportunismus kein Ersatz für Sachlichkeit und Bemühungen ist, durch nüchterne Verbesserungen

(Sehr gut! bei der SPD — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

der Rahmenbedingungen dem CB-Funk insgesamt wirklich zu helfen, meine Damen und Herren. Die FDP appelliert an die Opposition, bei den vielen CB-Funkern nicht weiterhin Erwartungen zu wecken, die selbst ein von ihr gestellter Postminister niemals erfüllen könnte, und fordert sie auf, sich nicht weiterhin einer sachgerechten Verantwortung zu entziehen.
Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion wird aus den genannten Gründen den Antrag der Opposition ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der SPD — Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Die Funker werden sich freuen!)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903424000
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/328, den Antrag der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/128 abzulehnen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? —

(Hoffie [FDP]: Gegen zehn Stimmen!)

Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 und 7 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Bereinigungsgesetz)

— Drucksache 9/336 —
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Krefeld), Dr. Bötsch, Pohlmann, Neuhaus, Lampersbach, Engelsberger, Pieroth, Dr. Pinger, Dr. Schwarz-Schilling, Sick, Dr. Warnke, Feinendegen, Dr. George, Frau Will-Feld, Franke, Zink, Müller (Remscheid), Frau Roitzsch, Schulze (Berlin), Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Laufs, Kolb, Frau Geiger, Dr. Götz, Kraus, Schröder (Lüneburg), Landré, Dr. Faltlhauser, Dr. Köhler (Wolfsburg), Burger und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Bestimmungen über



Vizepräsident Wurbs
Nebentätigkeiten im Öffentlichen Dienst (Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz — NBG)

— Drucksache 9/160 —
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat sind für die Aussprache zwei Beiträge bis zu 15 Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Broll.

Werner Broll (CDU):
Rede ID: ID0903424100
Herr Präsident! Meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, im Volksmund „Bereinigungsgesetz" genannt, befaßt sich im wesentlichen mit drei Bereichen.
In seinem ersten Teil paßt er die dienstrechtlichen Gesetze in Formulierungen an das an, was im Besoldungsrecht inzwischen eingeführt worden ist. Es handelt sich um sehr „bedeutende" Änderungen, von denen Sie einen kleinen Vorgeschmack bekommen sollen. So ändert sich z. B. das Wort „Pfleger" und wird durch das Wort „Vertreter" ersetzt. Es wird das Wort „amtsärztliches Gutachten" ersetzt durch „Gutachten eines Amtsarztes". Es wird das Wort „lebenslänglich" — hier im Beamtenbezug gemeint — durch das Wort „auf Lebenszeit" ersetzt. Schließlich wird das Wort „Dienstbezüge" durch das Wort „Besoldung" ersetzt. — Etwa auf diese Art vollzieht sich die Bereinigung. Die letztgenannte Änderung halte ich für außerordentlich wichtig; schließlich müssen die Beamten ja wissen, wie das Geld heißt, das sie jeweils am Anfang des Monats auf ihrem laufenden Konto finden.
Ich begrüße sehr, daß der Herr Staatssekretär in Anpassung an den schnellen Fortgang unserer Beratungen doch noch hierher gekommen ist;

(Parl. Staatssekretär von Schoeler: Von Anfang an!)

ich entbiete der Bundesregierung und speziell dem Bundeminister des Innern die herzlichen Glückwünsche der CDU/CSU-Fraktion zu dieser bedeutenden gesetzgeberischen Leistung. Wir begrüßen dies um so mehr, als ja der Herr Innenminister im übrigen das Wort „Dienstrechtsreform" vermeidet und auch die Sache tunlichst umgeht.

(Brandt [Grolsheim] [SPD]: Wir können ja auch einmal zu den wichtigeren Sachen kommen!)

— Ich komme jetzt zu den — wenn man so will — etwas weniger wichtigen Sachen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Jahr der Behinderten begrüßen wir es besonders, daß behinderte Beamte — seien es Beamte auf Lebenszeit, seien es Beamte auf Probe —, die durch ihre Behinderung dienstunfähig geworden sind oder ungeeignet sind, als Beamte auf Lebenszeit übernommen zu werden, nun nicht gleich in den Ruhestand versetzt oder entlassen werden müssen, sondern daß man ihnen durch dieses Gesetz Rehabilitationsmaßnahmen ermöglicht, die sie in die Lage versetzen sollen, wiederum dienstfähig zu werden.
Daß dabei auch das Beschreiten einer neuen Laufbahn erwogen wird, begrüßen wir besonders, und wir halten es in diesem Bereich wiederum für besonders gut, daß in Sonderfällen — vielleicht beim Vorliegen besonderer Behinderungen — nicht verlangt wird, daß zur Erlernung einer neuen Laufbahn die volle Ausbildung durchlaufen werden muß; vielmehr heißt es im Gesetz, daß dann auch die Einübung in die Praktiken der neuen Laufbahn mit dem betreffenden Beamten vorgenommen werden kann. Wir wünschen, daß dies angesichts des Personenkreises, um den es geht, so flexibel wie möglich gehandhabt wird.
Der dritte und nun wirklich brisante Bereich dieses Gesetzentwurfes beschäftigt sich mit der Nebentätigkeit bzw. der nebenamtlichen Tätigkeit von Beamten. Hierzu liegt ein Parallelentwurf der CDU/ CSU-Fraktion vor, zu dem mein Freund und Kollege Dr. Bötsch gleich speziell unter diesem Gesichtspunkt Stellung nehmen wird.
Es wird in diesen Tagen gleich an zwei Fronten ein Frontalangriff gegen bestimmte Gruppen der Beamten geritten.
Einmal geht es um das Subventionsabbaugesetz, wo man den Beamten — es sind vielfach Beamte, um die es da geht — die Nebentätigkeit dadurch erschwert, daß man die steuerliche Begünstigung streicht, die bisher die zu recht ungünstigen Sätzen vollzogene Nebentätigkeit vielleicht noch attraktiv machen konnte.
Der zweite Angriff wird mit diesem Gesetz geführt. Um es auf eine simple Formel zu bringen, Herr Staatssekretär: Im Beamtengesetz bleibt die Bestimmung bestehen, daß der Beamte zwar grundsätzlich die Genehmigung hat, die Verwaltung seines Vermögens vorzunehmen, aber der Erwerb eines Vermögens — sofern überhaupt bei so bescheidenen Ausmaßen von „Vermögen" gesprochen werden kann — soll jetzt wesentlich erschwert werden. Das nennt man dann „soziale Gerechtigkeit".
Nun ist in dem Bereich der Nebentätigkeiten manchmal von Phantasiezahlen die Rede. Man spricht davon, daß in jedem Jahr durch Beamte und andere öffentlich Bedienstete viele Milliarden umgesetzt werden. Da der Tarifvertrag die Angestellten in dieser Hinsicht an die Beamten koppelt, sind durch dieses Gesetz — so füge ich hinzu — indirekt also auch die Angestellten im öffentlichen Dienst betroffen. Kurzum, es sollen, so wird gesagt, viele Milliarden sein, die jedes Jahr durch öffentlich Bedienstete in Form von Nebentätigkeiten umgesetzt werden. Das ist ein dienstrechtliches Problem, es ist ein Problem unserer Wirtschaftsordnung, und es ist schließlich auch ein Problem des Beamtenethos.
Meine Damen und Herren, wir bewegen uns hier auf einem sehr schwierigen Terrain. Die Eingriffe, die wir in diesem Bereich etwa vornehmen, müssen auch verfassungsrechtlich gesichert sein. Es gibt eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts,



Broll
die festgesetzt hat, grundsätzlich habe auch der Beamte das Recht, dann, wenn er seine übliche Dienstzeit abgeleistet hat, seine übrige Arbeitskraft frei einzusetzen und sich dabei im Sinne von Art. 2 des Grundgesetzes frei zu entfalten.
Es gibt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. November 1980, die zwar grundsätzlich etwas mehr von der möglichen Einschränkung der Nebentätigkeit spricht; aber wir müssen dabei bedenken, daß es sich hier um ein anderes Problem handelte. Es ging um die Frage, ob jemand, der im öffentlichen Dienst selbst Nebentätigkeiten vollzieht, für die Nebentätigkeit vom Staat eine gleich hohe Vergütung wie für die Tätigkeit beanspruchen dürfe, für die er normalerweise alimentiert wird. Da hat das Gericht zu Recht gesagt: Das Prinzip der Alimentation kann sich grundsätzlich nur auf eine Alimentation beziehen. Diese wiederum bezieht sich natürlich auf das Hauptamt. Auch hier wird aber immerhin noch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Bezug genommen, in dem j a von der freien Entfaltung der Persönlichkeit gesprochen wird. Wie gesagt, beide Gerichte verweisen auf die hergebrachten Grundsätze des Beamtentums, erkennen aber auch die im Unterschied zu früheren Jahrhunderten doch anerkannte Freiheit auch des einzelnen Beamten an.
Wir dürfen auch nicht vergessen, meine Damen und Herren, daß es die öffentliche Hand selbst gewesen ist, die vielfach die öffentlich Bediensteten ermuntert hat, Nebentätigkeit oder nebenamtliche Tätigkeit auszuüben. Wie sähe es wohl im Kulturleben vieler Städte aus, wenn etwa die im öffentlichen Dienst befindlichen Mitglieder der städtischen oder staatlichen Orchester nicht Musikunterricht in großer Menge geben würden? Wie sähe es in vielen Einrichtungen des Kulturlebens, in vielen Abendschulen, Volkshochschulen usw. aus, wenn nicht in großer Zahl öffentlich Bedienstete dort Nebentätigkeit ' zu vergleichsweise geringen Entgelten übernommen hätten und weiter übernähmen? Wie hätte es in den Schulen zur Zeit des Lehrermangels ausgesehen, wenn nicht Lehrer in großer Zahl Überstunden an der eigenen Schule oder an anderen Schulen gemacht hätten? Nun haben sie sicher dabei nicht an den Bildungsnotstand, sondern höchstwahrscheinlich an die Einkommensvermehrung gedacht. Aber seit Hegel wissen wir j a, daß sich der Weltgeist listigerweise solcher persönlicher Triebe bedient, um Großes zu bewirken, in diesem Fall ein kleines Stück Behebung des Bildungsnotstands, wie damals so gern gesagt wurde. Daß die öffentliche Hand selbst Chefärzte im Angestellten- und Beamtenverhältnis nur noch dadurch locken kann, daß man ihnen eine Privatpraxis genehmigt, wissen wir alle. Ich bin überzeugt, daß das auch in absehbarer Zeit nicht anders werden wird.
Auch im gewerblichen Bereich, zu dem, wie gesagt, Kollege Bötsch im einzelnen Stellung nehmen wird, muß man sagen: In Zeiten, in denen Arbeitskräftemangel herrschte und in denen es schwer war, Handwerker zu bekommen, hat auch die Nebentätigkeit der öffentlich Bediensteten ein Stück dazu beigetragen, daß nicht nur sie selbst ihren eigenen
Wohlstand vermehrt haben, sondern daß insgesamt die Produktivität unserer Wirtschaft vorangekommen ist, daß wir Wohlstand in einem Ausmaß erreicht haben, wie wir ihn insgesamt zu begrüßen hatten und haben.
Ich muß sagen: Den öffentlich Bediensteten gebührt — unabhängig von allem, was in Zukunft geregelt werden muß — eigentlich auch ein Dank dafür, daß sie bereit gewesen sind, Nebentätigkeit auszuüben. Diesen Dank statte ich mit großem Ernst im Namen meiner Fraktion ab, um so lieber, als ich selber — als ich noch ein normales Einkommen hatte, ein anständiges Gehalt verdiente und nicht von Diäten leben mußte — viel Nebentätigkeit im Schuldienst gemacht habe, häufig mehr, als die Polizei erlaubte. So bin ich in der Lage, den Dank gleich selbst wohlwollend entgegenzunehmen.
Ich habe das alles nur gesagt, meine Damen und Herren, um jener Bosheit entgegenzutreten, die bei diesem Thema heute manchmal zum Vorschein kommt. Nur deswegen habe ich es gesagt; denn es ist unbestritten, daß es in diesem Bereich Auswüchse gibt, die der Dienstherr unmöglich dulden durfte und die er auch beheben muß.
Wenn z. B. ein Elektromeister im Dienst des größten deutschen Unternehmens, das sich im übrigen in Bundeshand befindet — ich sage wegen des Datenschutzes nichts Genaueres, sonst könnten Sie gleich herausfinden, welche Persönlichkeit ich hier meine —, gleichzeitig in die Handwerksrolle eingetragen ist, am Abend ganze Kolonnen von Kollegen aus seinem Unternehmen in Schwarzarbeit beschäftigt, elektrische Installationen in Neubauten vornehmen läßt und selbst mit seiner Unterschrift bestätigt, daß alles korrekt verlaufen sei, so ist das rundherum nicht in Ordnung, weder vom Standpunkt des Dienstherren noch vom Standpunkt unserer Wirtschaftsordnung, die j a nicht will, daß Leute im Wirtschaftsleben unter so ungleichen Voraussetzungen miteinander konkurrieren. Oder wenn ein Zivilbediensteter bei der Bundeswehr — auch einen solchen Fall kenne ich — nebenbei nicht nur Fahrstunden gibt, sondern Leiter einer Fahrschule ist, die gut floriert und ihm ein Vielfaches dessen einbringt, was er in seinem normalen Amt verdient, dann ist auch das ein Fall — viele ähnliche gibt es sicher —, den wir nicht dulden können und gegen den wir Maßnahmen ergreifen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach § 54 des Bundesbeamtengesetzes hat sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Es ist also im Interesse des öffentlichen Dienstes selbst, daß wir hinsichtlich der Nebentätigkeit zu Regelungen und zu einer Praxis — letzteres ist das Entscheidende — kommen, die nicht so skandalöse Ausuferungen zulassen, wie sie bisher zu beklagen waren. Ich spreche noch gar nicht von den Interessenkollisionen, die es geben muß, wenn etwa Bedienstete eines Bauamtes einerseits die Aufsicht und die Entscheidung über das, was in dem betreffenden Bereich an Bauten genehmigt wird, haben und andererseits selbst Antragsteller für solche Bauten sind.



Broll
Ich denke auch daran, daß es bei den öffentlich Bediensteten selber zu Unfrieden führen muß, wenn die Aktiven, die Dynamischen, die Robusten oder einfach auch die dem Dienst gegenüber Gleichgültigen große Summen Geldes durch Nebentätigkeit verdienen — vielleicht sogar, ohne die Nebentätigkeit angemeldet zu haben — und wenn derjenige, der seinen Dienst ernst nimmt, der sich in seinem Dienst verausgabt oder der in einem Berufszweig tätig ist, wo Nebentätigkeiten wenig gefragt oder nicht möglich sind, diese Chance nicht hat. Um der Gleichheit innerhalb des öffentlichen Dienstes willen müssen wir als Gesetzgeber hier eingreifen.
Ich bin überzeugt, daß weitgehend unser gegenwärtiger Gesetzestext ausgereicht hätte. Ich gebe wiederum zù, daß die Formulierung, daß Nebentätigkeit nur zu versagen sei, wenn . .., etwas laxer klingt als die zukünftig vorgesehene Regelung: Sie ist zu versagen, wenn ... Ich bin überzeugt, sagte ich, daß auch jetzt Auswüchse hätten vermieden werden können, wenn sich die Dienstvorgesetzten etwas ernsthafter um diese Dinge gekümmert hätten und wenn der Korpsgeist der öffentlich Bediensteten ein klein wenig besser gewesen wäre und Auswüchse ausgeschlossen hätte, einfach durch den Appell an das, was wir früher so gern „Beamtenethos" nannten und was es, wie ich glaube, auch weiterhin geben muß.

(Brandt [Grolsheim] [SPD]: Die sind aber durch die Nebentätigkeit daran gehindert!)

— Nein, die sind nicht durch die Nebentätigkeit daran gehindert. Ich wollte gerade auf einen Gedanken zu sprechen kommen, den ich nicht Ihnen persönlich, Herr Kollege Brandt, sondern Leuten, die Ihnen vielleicht politisch näherstehen, ans Herz legen möchte. Ich wollte daran erinnern, daß der große Philosoph Romano Guardini einmal gesagt hat, das Wesen des Staates sei es, Hoheit zu sein. Wenn aber viele Leute den Staat leichtfertig etwa als Dienstleistungsunternehmen oder gar — das ist boshaft — als Reparaturbetrieb des Kapitalismus bezeichnen, so schaden sie nicht nur dem Ansehen des Staates in der Öffentlichkeit, sondern sie schaden letztlich auch der Motivation der Beamtenschaft in diesem Staat. Daß sich dann der Gedanke, auch der Dienst am Staate sei nur ein Job, breitmacht und daß man dann in Nebentätigkeit und nicht mehr im Dienst für den Staat die Erfüllung seines Lebens sucht, ist selbstverständlich, zumal — auch das müssen wir einsehen — der gesunde Mensch durch eine normale Arbeitswoche mit 40 Stunden vielleicht gar nicht ausgelastet ist. Nun ist nicht jeder so gebaut, daß er anschließend dann mit hochrotem Kopf und schwitzend im Kreise in Wäldern herumläuft. Manche mögen dann einfach Sinnvolles tun, und vielleicht ist Arbeit für sie auch etwas Sinnvolles.
Ich glaube also, dafür, daß auch noch so scharfe, nun zu findende Formulierungen wirklich praktiziert werden können, ist auch Voraussetzung, daß wir die Würde, das Ansehen des Staates selbst und seiner Bediensteten mehr achten, mehr ernst nehmen und mehr fördern.
Ich möchte vier Prinzipien nennen, nach denen wir die Nebentätigkeitsregelungen nun neu formulieren müssen.
Das erste Prinzip ist — dies vertrete ich zumindest; Herr Kollege Bötsch wird, wie gesagt, etwas andere Aspekte hineinbringen —: Wir müssen diese Frage von dem Interesse des öffentlichen Dienstes selbst, von den Erfordernissen des Staatsdienstes selbst aus regeln.
Zweitens. Wir müssen daran denken, daß Gleichbehandlung aller öffentlich Bediensteten ein wichtiger Grundsatz sein muß. Deswegen habe ich Bedenken, ob Arbeitsmarktgesichtspunkte wortwörtlich in das Gesetz hereingenommen werden sollten. Das würde unweigerlich zur Ungleichbehandlung in verschiedenen Bereichen führen.
Drittens müssen wir daran denken, daß der Wille des Gesetzgebers eindeutig und klar sein muß. Es darf uns nicht passieren, daß uns eines Tages etwa vorgehalten wird, was das Bundesverwaltungsgericht in Berlin am 26. Juli 1980 so nebenbei in einem anderen Urteil gesagt hat, daß nämlich der Wille des Gesetzgebers nicht immer eindeutig sei.
Viertens müssen wir den Staatsdiener auf seine Funktion als Wahrnehmer hoheitlicher Aufgaben hinweisen und ihm diese Aufgabe auch so ans Herz legen und glaubwürdig machen, daß er von selbst den Spaß daran verliert, den Bürgern, denen er als Vertreter der Hoheit des Staates gegenübertritt, im übrigen als Konkurrent im Wirtschaftsleben entgegenzutreten.
Wenn wir dies bedenken, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann, glaube ich, werden wir im Rahmen der verfassungsmäßigen Möglichkeiten Regelungen finden, die für die Zukunft angemessen und praktizierbar sind; beides ist wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903424200
Das Wort hat der Abgeordnete Bernrath.

Hans Gottfried Bernrath (SPD):
Rede ID: ID0903424300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der öffentliche Dienst ist ungeachtet seiner althergebrachten, gelegentlich, Herr Broll, auch weit hergeholten Grundsätze

(Zustimmung bei der SPD)

ebenso den Wandlungen in Staat und Gesellschaft unterworfen wie handelsrechtlich organisierte Wirtschaftsunternehmen und deren Personal. Der auch darin begründete Struktur- und Aufgabenwandel des öffentlichen Dienstes wird vom öffentlichen Dienstrecht leider aber meist nur sehr zögerlich oder sehr unvollkommen nachvollzogen. Dafür steht beispielsweise der Verzicht auf die Einleitung einer grundlegenden Dienstrechtsreform.

(Zustimmung bei der SPD)

Das Althergebrachte, mit dem Sie es so sehr haben, wirkt eben häufiger hemmend als fördernd, leider auch dort, wo es sich, wie z. B. in den öffentlichen Dienstleistungsunternehmen, bei Beamten nicht immer um Hoheitsträger handelt. Darum ist es notwendig, unumgängliche Anpassungen des Dienst-



Bernrath
rechts in einzelnen, kleinen Schritten vorzunehmen.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einigen dienstrechtlichen Änderungen beschränkt sich nicht auf formelle Anpassung, wie Sie das zunächst etwas suggerieren wollten. Er versucht etwa bei den Nebentätigkeiten, statische Bindungen im beruflichen und privaten Lebensbereich der Beamten stärker aktuellen öffentlichen Erwartungen, aber auch Notwendigkeiten anzupassen — Erwartungen insofern, als die Bürger davon ausgehen können, daß verfassungsrechtlich gewährte Rechte der Beamten nicht in einen Gegensatz zu ihren dienstlichen Verpflichtungen geraten dürfen, Notwendigkeiten andererseits, als mißbräuchlichen Inanspruchnahmen üblicher Rechte, etwa im Zusammenhang mit arbeitsmarktpolitischen Zielen, nachdrücklich entgegengetreten werden muß.
Die vorliegenden Gesetzentwürfe enthalten dazu Lösungsvorschläge, der der Bundesregierung ebenso wie Ihrer zur Begrenzung der Nebentätigkeiten, wobei ich ausdrücklich erklären möchte, daß es sich dabei nicht um einen Frontalangriff handelt. Das wäre eher für die Mitteilungen Ihrer Schwesterpartei zu sagen, die ich eben gelesen habe, die dem öffentlichen Dienst nun also handfest Mißbrauch in einer, meine ich, weit übertriebenen und auch diskriminierenden Form vorwerfen.
Diese Gesetzentwürfe werden zunächst in den Ausschüssen beraten. Ich möchte heute in dieser ersten Beratung nicht auf die formellen und mehr redaktionellen Veränderungen eingehen. Erwähnen und begrüßen will ich in Stichworten lediglich: einmal die Absicht verstärkter gesundheitlicher Rehabilitation dienstunfähiger Beamter statt ihrer frühzeitigen Versetzung in den Ruhestand, zum zweiten die an sich selbstverständliche künftige Tilgung von Vermerken über strafgerichtliche Verurteilungen, die keine disziplinarrechtlichen Folgen hatten, in den Personalakten und als drittes Beispiel den allerdings in Bagatellfällen — davon ist insbesondere das Personal des einfachen und mittleren Dienstes betroffen — problematischen Wegfall der Verfolgungsverjährung im Disziplinarrecht. Das werden wir im Ausschuß sorgfältig zu behandeln haben.
Der Entwurf des Bereinigungsgesetzes der Bundesregierung wird durch die Konkretisierung des Genehmigungsermessens bei Nebentätigkeiten von Beamten geprägt. Diese auf das Ziel der Einschränkung von Nebentätigkeiten, aber auch von Interessenkollisionen gerichtete verbindlichere Fassung. der Rechtsvorschriften ist dienstrechtlich richtig, arbeitsmarktpolitisch geboten und unter dem Gesichtspunkt einer sozusagen risikofreien Betätigung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes außerhalb ihres Aufgabenbereichs in nahezu verzerrter Konkurrenz zu beispielsweise freien Berufen auch erforderlich und zumutbar. Dabei handelt es sich, wie gesagt, um Beschränkungen und natürlich nicht um generelle Verbote. Diese wären ja auch — Sie haben es erwähnt — verfassungsrechtlich nicht möglich.
Die beabsichtigten Begrenzungen messen sich an den dienstlichen Interessen und an den die Rechte des Beamten überwiegenden Interessen des öffentlichen Wohls. Das wird in der arbeitsmarktpolitischen Begründung sichtbar. Hier stimme ich mit Ihnen überhaupt nicht überein. Ich halte das für aktuell und geradezu für notwendig, und zwar nicht nur allgemein, sondern oftmals auch regional betrachtet. Auch dazu gibt es eine Rechtsprechung, die das allgemeine öffentliche Wohl durchaus über die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Verwertung der eigenen Arbeitskraft, der Entfaltung der Persönlichkeit usw. stellt.
Wenn auch künftig das Ermessen der Dienstvorgesetzten bei der Genehmigung oder bei der Abwägung von Nebentätigkeiten konkreter gebunden wird, bleiben die regulierenden Wirkungen aller Einschätzung nach begrenzt — das sage ich auch —, vor allen Dingen dann, wenn sie der öffentliche Dienst nicht einsichtig akzeptiert. Nicht einmal ein Verbot schlösse nämlich bei den zahllosen Möglichkeiten seiner Umgehung den Mißbrauch aus. Insofern sind auch keine Wunder zu erwarten.
Der Bundesinnenminister appelliert daher meines Erachtens zu Recht an die Selbstbeschränkung der Beamten und an ein unabhängiges, mutiges und sachgerechtes Entscheiden der Dienstvorgesetzten. Auf die kommt es in der Tat an. Das liegt übrigens — ich sage das noch einmal — ganz im Interesse der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes selbst.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch anregen, in den Ausschußberatungen sicherzustellen, daß die Betätigung auch von Beamten — wir haben ja des weiteren Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst — in Selbsthilfeeinrichtungen des Personals nicht unangemessen eingeschränkt wird. Dieser Hinweis bezieht sich auf die Stellungnahme des Bundesrats. Dieser schlägt nämlich vor, Tätigkeiten, die zur Wahrung von Berufsinteressen ausgeübt werden — u. a. in Selbsthilfeeinrichtungen, auch Gewerkschaften —, nicht von einer Genehmigung abhängig zu machen. Der Begriff „Wahrung von Berufsinteressen" ist, meine ich, zu unbestimmt, um damit in der Praxis fertigzuwerden.
Schließlich sollte ungeachtet der Rechtsproblematik bei dieser Gelegenheit auch noch einmal ernsthaft ein Konkurrenzverbot für die wirtschaftliche Betätigung von Ruhestandsbeamten und ehemaligen Beamten beraten werden. Dazu gibt es inzwischen auch eine Initiative der Fraktion der SPD. Wir werden diese Initiative sicherlich in die Ausschußberatungen einbringen. Daß es sich hierbei — allgemein gesprochen, aber auch hinsichtlich der letzten Anregung wie überhaupt hinsichtlich dieser Gesetzentwürfe —, bei dem betroffenen Kreis in aller Regel nicht um den — ich verallgemeinere das einmal so — ausführenden Teil der Beamtenschaft handelt, möchte ich zur Vermeidung falscher oder bösartiger Deutungen dieser Absichten nur am Rande erwähnen.
Konkurrenzverbot für Ruhestandsbeamte und ehemalige Beamte sowie Begrenzung von Nebentätigkeiten aktiver Beamter sind zulässig und können auch nicht im Widerspruch zueinander stehen. Der Bürger hat nämlich ein Anrecht darauf, daß der Beamte seine Arbeitskraft seinen dienstlichen Aufga-



Bernrath
ben widmet. Diesem Anspruch werden die meisten Angehörigen des öffentlichen Dienstes auch gerecht. Insofern darf der neuerliche Versuch einer Begrenzung von Nebentätigkeiten auch kein Vorwand für handfeste wirtschaftliche Interessen sein. Es geht dabei auch und ganz besonders um die Integrität des öffentlichen Dienstes. Das muß zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der Loyalität auch für Informations- und Entscheidungsträger für eine begrenzte Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst gelten. Das ist das, was mit dem Konkurrenzverbot nach Ausscheiden gemeint ist.
Zusammengefaßt begrüßen wir die vorliegenden Gesetzentwürfe. In den Ausschußberatungen werden auch die Anregungen des Bundesrats und die in einigen anderen Ländern diesbezüglich vorausgegangenen Beratungen oder dort protokollierten Anhörungen zu berücksichtigen sein. Es wird sich dann auch zeigen, ob sich mit dem Beratungsergebnis der materielle Inhalt des Gesetzentwurfs der Opposition zur Nebentätigkeit von Beamten erledigt.
Ich bitte abschließend noch, den Entwurf zum Bereinigungsgesetz nicht nur den in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssen, sondern auch dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mitberatung zu überweisen. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903424400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wendig.

Dr. Friedrich Wendig (FDP):
Rede ID: ID0903424500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Fraktion der FDP begrüßt beide — ich sage ausdrücklich: beide — Entwürfe, die uns heute zur Beratung in erster Lesung vorliegen. Der Regierungsentwurf, also der Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften, Bereinigungsgesetz genannt, behandelt neben einigen wichtigen Sonderproblemen — wobei ich nicht die Fragen verbaler Anpassungen meine — die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten für eine Begrenzung der Nebentätigkeit von Beamten. In diesem Punkt deckt es sich wenigstens seinem Gegenstand nach und auch weitgehend dem Inhalt nach — wenn auch nicht ganz — mit dem Entwurf, den die Opposition unter der Überschrift „Nebentätigkeitsbegrenzungsgesetz" hier heute eingebracht hat.
Es hat sich ja gezeigt, meine Damen und Herren, daß die Frage nach einer Neuregelung des Rechts der Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst sicherlich den Kern der Debatte nicht nur heute, sondern auch in den künftigen Beratungen darstellen wird.
Ich habe bei Ihren Ausführungen, Herr Kollege Broll, jedenfalls am Anfang nicht ganz Klarheit darüber gewinnen können, ob Sie zustimmen oder ablehnen. Aber es wurde mir nachher ein wenig deutlicher.
Nur möchte ich sagen: Die Fälle, von denen Sie eingangs sprachen, in denen die öffentliche Hand selber Beamte ermuntert hat, Nebentätigkeiten auszuüben — insbesondere im kulturellen Bereich —, haben, so glaube ich, weder die Bundesregierung noch, wie ich annehmen möchte, Sie selber und Ihre
Fraktion vor Augen gehabt. Ich glaube, hier geht es um andere Dinge.
Aber vorab will ich aus dem sogenannten Bereinigungsgesetz doch noch zwei andere wichtige Punkte vorausschicken. Es geht einmal darum, bei nachgewiesener Dienstunfähigkeit eines Beamten eine Versetzung in den Ruhestand erst dann Platz greifen zu lassen, wenn trotz Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation — Umsetzung oder Ausbildung für eine andere Laufbahn — eine angemessene Weiterverwendung nicht zu erwarten oder nicht möglich ist.
Meine Damen und Herren, dies ist im übrigen der einzige Bereich des Gesetzentwurfs, der Mehrkosten im Haushalt verursachen würde. Ich betone dies hier ausdrücklich. Aber die Einfügung von Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation ist sowohl im Interesse des betreffenden Beamten als auch im Interesse der Allgemeinheit verantwortbar und, wie ich meine, notwendig. Es liegt im Interesse beider Seiten, vor einer Versetzung in den Ruhestand zunächst alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die zu einer angemessenen Weiterbeschäftigung führen können.
Zum zweiten geht es um Vorgänge und Eintragungen in Personalakten durch strafrechtliche Verurteilungen und ähnliche Dinge mehr. Es entspricht auch nach unserer Auffassung der Billigkeit, solche Eintragungen dann mit Zustimmung des Beamten nach einer bestimmten Frist zu löschen, wenn sie keinen Anlaß zu disziplinären Maßnahmen gegeben haben. Sonst könnte der Zustand eintreten, daß zwar bei durchgeführten Disziplinarmaßnahmen nach den geltenden Vorschriften eine Tilgung stattfindet, bei dem minder schweren Fall indessen, in dem eine Veranlassung für solche Maßnahmen nicht anerkannt worden ist, die Eintragungen bestehen bleiben. Der Aufhebung eines solchen Zustands wird, wie ich meine, niemand widersprechen wollen.
Nun aber zur Nebentätigkeit. Die Forderung nach einer Eingrenzung der zur Zeit geltenden Bestimmungen ist nicht neu. Es ist für viele gewissermaßen ein Reizthema, was uns, die Fraktion der FDP, nicht daran hindern wird, mit äußerster Nüchternheit und Sachlichkeit an die Dinge heranzugehen.
Zur rechtlichen Seite wäre voranzustellen, daß entgegen einer in der öffentlichen Diskussion weit verbreiteten Ansicht ein unbegrenzter Freiraum für eine Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst auch jetzt nicht besteht.

(Sehr richtig! bei der FDP)

Davon war schon die Rede. Manche der beklagten Erscheinungen — da stimme ich dem, was Sie, Herr Kollege Broll, gesagt haben, ganz zu — liegen weniger an einer bisher unzureichenden Regelung im geltenden Recht als vielmehr daran, daß Tätigkeiten entweder nicht gemeldet wurden oder aber die Genehmigungspraxis zu großzügig gehandhabt worden ist. Einer eindeutig zurückhaltenden Genehmigungspraxis stand und steht aber, wie jedenfalls viele gewichtige Stimmen meinen, auch das Grundrecht des Art. 12 entgegen, das grundsätzlich auch für Angehörige des öffentlichen Dienstes, also auch



Dr. Wendig
für Beamte, gilt. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts — beide wurden hier schon zitiert — hat sicher mit zu einer relativ offenen Genehmigungspraxis Anlaß gegeben.
Gleichwohl besteht, so möchte ich meinen, für den Bundesgesetzgeber auch bei der gegebenen Rechts- und Gesetzeslage ein Handlungsbedarf. Wir, die Fraktion der FDP, sind der Überzeugung, daß es zwingende Gründe gibt, die es gebieten, die Grenzen für die Erlaubnis von Nebentätigkeit für Beamte so eng wie möglich zu ziehen. Dies liegt einmal eindeutig, wie ich sagen möchte, im dienstlichen Interesse selbst, ob es sich dabei um die Besorgnis handelt, der Beamte werde durch die Nebentätigkeit an der Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten gehindert, ob gar ein Widerstreit mit bestehenden dienstlichen Pflichten entstehen kann, ob schließlich sogar zu besorgen ist, die Unparteilichkeit und Unbefangenheit könnte beeinflußt werden. Wir sind davon überzeugt, daß deshalb auch der Bürger ein unmittelbares Interesse an einer Eingrenzung der Möglichkeiten für die Nebentätigkeit von Beamten hat und haben muß.
Ich will gewiß nicht ohne Not längst vergangene Zeiten wieder in das Bewußtsein rücken, in denen man es als Beamter weit von sich wies, trotz damals sehr magerer Bezüge einem Nebenerwerb im privaten Bereich nachzugehen. Mir läge aber schon sehr viel mehr an jenen nicht nur altpreußischen Tugenden, auch nur den leisesten Hauch eines Anscheins zu vermeiden, der Beamte könne als Folge einer Nebentätigkeit in bestimmte Konfliktsituationen geraten. Ich glaube, diese Zeit, in der man auch den bloßen Anschein vermeiden wollte, sollten wir als eine insoweit durchaus nachstrebenswerte Zeit wieder in unser Bewußtsein einbeziehen.
Es wäre allerdings ein Irrtum, anzunehmen, die von mir genannten Besorgnisse spielten im geltenden Recht überhaupt keine Rolle. Nach § 65 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes ist die Genehmigung einer Nebentätigkeit vorgeschrieben; sie darf nur versagt werden, wenn zu besorgen ist, daß die Nebentätigkeit die dienstlichen Leistungen oder die Unparteilichkeit und Unbefangenheit des Beamten beeinträchtigt. Der Entwurf der Bundesregierung zu § 65 Abs. 2 faßt diese Vorschrift nur straffer, bleibt aber weiter an dem Kriterium des dienstlichen Interesses orientiert. Ich nehme an, daß die Bundesregierung hierbei die Schranke des Art. 12 des Grundgesetzes mit vor Augen gehabt hat.
Anders insoweit der Entwurf der CDU/CSU, der neben dem dienstlichen Interesse auch das öffentliche Interesse mit in die Formulierung einfügen möchte. „Öffentliches Interesse mit dienstlichem Bezug" heißt es in dem von der Opposition vorgeschlagenen § 65 Abs. 2, wobei ich nicht ganz genau weiß, wo die Opposition nun die Grenze mit Rücksicht auf Art. 12 des Grundgesetzes ziehen will. Aber darüber werden wir sicherlich in den Ausschußberatungen noch zu reden haben. Indem die CDU/CSU in der Einleitung ihres Entwurfs auf die Probleme der freiberuflichen Ingenieure, Architekten, Versicherungskaufleute usw. eingeht, macht sie aber wohl deutlich, daß sie das öffentliche Interesse — ich formuliere es einmal so — sehr weit verstanden wissen möchte.
Wir, die Fraktion der FDP, verfolgen solche Gedankengänge durchaus mit Sympathie. Es steht auch für uns außer Frage, daß in einer Zeit sich verschlechternder Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Konkurrenzsituation Freiberuflicher und Gewerbetreibender, die voll mit eigenem Risiko tätig werden, ein besonderes Gewicht erhält, das auch in den Rang eines öffentlichen Interesses geraten kann. Wir werden sehr sorgfältig zu prüfen haben, wo hier die Grenzen liegen, die im Blick auf die grundgesetzlichen Vorschriften sicherlich nicht überschritten werden können. Gleichwohl möchte ich sagen, daß, wenn ich beide Dinge abwäge, bei einer Betrachtung dieses Komplexes das dienstliche Interesse den Vorrang hat.
Dagegen stehen dann für manchen — das wurde schon gesagt, und ich habe es selber erwähnt — die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes, die durch lebenslange Alimentation und Unkündbarkeit begründete Sonderstellung des Beamten. Ich weiß, daß die Institution besonderer Gewaltverhältnisse sowohl in der Rechtsprechung wie in der Literatur bisher eine Beschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit auch im Hinblick auf die Nebentätigkeit nur in sehr geringem Umfange zulassen will. Ich sage Ihnen aber ganz offen, wir Freien Demokraten fragen uns, ob diese Rechtsprechung, ob diese Lehrmeinung wirklich schon der Weisheit letzter Schluß sein müssen. Wir halten es für die Beratungen in den zuständigen Ausschüssen, zu denen auch der Rechtsausschuß gehören sollte, der Bemühung wert, diesem Problem noch etwas eingehender nachzugehen.
Diese Überlegungen, die mich und die FDP-Fraktion leiten, haben nichts damit zu tun, daß es uns aus einer nicht näher zu begründenden Gefühlsregung heraus darum ginge, dem öffentlichen Dienst übelzuwollen. Wir meinen indessen, der öffentliche Dienst allgemein wie auch der einzelne Beamte selber sollten ein unmittelbares Interesse daran haben, daß die Frage der Nebentätigkeit von Beamten gesetzlich eingrenzend klar geregelt ist, und zwar in einer Weise, die diesen Bereich ein für allemal außerhalb jeder öffentlichen Kritik läßt.
In diesem Zusammenhang eine andere Frage, die mein Herr Vorredner schon angeschnitten hat. Wie steht es mit früheren Beamten mit Versorgungsbezügen, wenn diese Beamten nach Beendigung des Beamtenverhältnisses eine Beschäftigung aufnehmen, die mit ihrer früheren dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang steht? Das ist also die Frage des Konkurrenzverbots. Die Sachlage ist hier gewiß eine andere. Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses ist jedoch nicht in allen Fällen — ich will mich zurückhaltend ausdrücken — von vornherein auszuschließen. Auch ich rege deshalb an, die Beratung der beiden Vorlagen zum Anlaß zu nehmen, uns in den Ausschüssen auch zu diesem Komplex wirklich einige Gedanken zu machen.



Dr. Wendig
Im übrigen haben Öffentlichkeit wie Allgemeinheit in diesen Bereichen — ich betone dies — ein gleiches Interesse. Meine Fraktion hofft zuversichtlich, daß am Ende der Beratungen beider Vorlagen eine Lösung des Problems der Nebentätigkeit stehen wird, die auch von beiden Seiten — Bürger, Allgemeinheit wie öffentlicher Dienst — als befriedigendes Ergebnis anerkannt und in der Praxis mitgetragen wird. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903424600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bötsch.

Dr. Wolfgang Bötsch (CSU):
Rede ID: ID0903424700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bernrath, Sie hatten am Beginn Ihrer Ausführungen auf eine Presseverlautbarung der CSU Bezug genommen. Sollte Ihnen durch einen technischen Vorlauf vielleicht schon ein Redeentwurf in die Hände gefallen sein, dann müßten Sie schon sagen, wo hier etwas diskriminierend ist. Einleitend möchte ich deshalb die Presseüberschriften zitieren, die zu dem Problem in den letzten Monaten erschienen sind. Sie müßten dann allenfalls auf diese Presseverlautbarungen und auf diese Überschriften abheben, die nicht von mir erfunden sind, aber die Problematik der Nebentätigkeit von Beamten meines Erachtens treffend, überspitzt, pointiert — nennen Sie es, wie Sie wollen — darstellen. Auf diese Problematik möchte ich mich beschränken.
Die Überschriften lauten in einer Auswahl: „Beamtensport: Jobbing nach Feierabend" — „Am Abend werden die Beamten recht fleißig" — „Beamtenschwarzarbeit angekreidet" — „Schwarzarbeit der Beamten stoppen" — „Verdrängungswettbewerb durch Beamtenschwarzarbeit" — „Nebenjob in Amtsstuben" — „Beamte nehmen Architekten die Aufträge weg" — „Jeder vierte Beamte hat Nebentätigkeiten".
So weit diese Überschriften, die — ich gebe das zu — sicherlich sehr überpointiert einen von unserer mittelständischen Wirtschaft sehr beklagten Sachverhalt darstellen. Ich glaube, es ist höchste Zeit, daß sich auch dieses Haus mit dieser Problematik beschäftigt und in den nächsten Wochen und Monaten — ich hoffe, daß es nicht allzu lange dauert — eine Lösung in den Ausschüssen findet, in welcher Weise wir dieser Problematik gerecht werden.
Wir begrüßen es ausdrücklich, daß die Bundesregierung mit ihrer Vorlage jetzt einen Versuch unternimmt, einen Beitrag zu der ausufernden Nebentätigkeit zu leisten. Ich glaube aber, daß unser Entwurf — dies hat Herr Kollege Wendig dankenswerterweise herausgearbeitet — hier einfach weitergeht. Den Prioritätsanspruch muß ich erheben; denn wir haben unsere Vorstellungen dazu bereits vor Jahren geäußert; denn wir haben unsere Vorstellungen dazu bereits vor Jahren geäußert. Ich verweise auf die Drucksache 8/901, einen Antrag vom 14. September 1977, wo wir im Bericht über die Lage der freien Berufe erstmals diese Frage in die parlamentarische Diskussion eingeführt haben, wo die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes von uns gefordert wurde.
Die Bundesregierung hat dann für Ende 1979 einen Gesetzentwurf angekündigt, der aber in der letzten Legislaturperiode nicht mehr vorgelegt worden ist. Bei Vorbereitungsgesprächen haben wir uns dann mehr oder weniger dazu überreden lassen, davon abzusehen, in der letzten Legislaturperiode einen eigenen Entwurf vorzulegen, der praktisch bereits fix und fertig war.
Ich will nicht verhehlen, daß wir über das, was jetzt vorgelegt wurde, etwas enttäuscht sind. Aber es ist anzuerkennen — damit will ich wenigstens einen Teilkonsens herstellen —, daß die Lösungsbedürftigkeit zumindest gesehen wird, wenn auch die Mittel, die dafür eingesetzt werden, wohl als etwas unzureichend angesehen werden müssen.
Es stimmt, was mein Vorredner von unserer Fraktion, Herr Kollege Broll, sagte, daß ausreichendes Datenmaterial über die Nebentätigkeit nicht vorliegt. Aber aus der Summierung der Einzelfälle und aus der Summierung der Einzelklagen kann sicherlich mit Fug und Recht geschlossen werden, daß die Quantität der Nebentätigkeiten immer mehr zunimmt. Es gibt Nebentätigkeiten bei im öffentlichen Dienst stehenden Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Mitgliedern von Lehrkörpern, von Hochschulen, die etwa in vielen Disziplinen gutachtliche und beratende Tätigkeiten übernehmen, Richter, Justizangestellte als Schiedsrichter, Nachlaßverwalter und Testamentsvollstrecker, Mitglieder staatlicher Orchester als Musikerzieher. Bedienstete der Bauverwaltungen erbringen private Leistungen in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen. Angehörige staatlicher Schulen übernehmen Lehraufträge usw.
Ich möchte hier klarstellen, daß wir natürlich nicht beabsichtigen, hier jetzt mit einem Kahlschlag alle denkbaren Nebentätigkeiten zu verbieten oder unmöglich zu machen. Dies will ich noch einmal unterstreichen. Es gibt etwa bei den Volkshochschulen sicherlich Bereiche, wo ein geordneter Lehrbetrieb in diesem Teil des zweiten Bildungsweges ohne Nebentätigkeit nicht möglich ist. Aber — das will ich in Ergänzung zu dem sagen, was der Kollege Broll hier ausgeführt hat — wir müssen im Zuge der Verschlechterung der Arbeitsmarktbedingungen einfach auch anerkennen, daß sich die öffentliche Kritik an diesem Kriterium entzündet hat. Wir haben bei unseren Beratungen mit zu berücksichtigen, daß die Arbeitschancen von freiberuflich Tätigen einschließlich ihrer Angestellten — es hängen immer auch noch viele Beschäftigte daran — durch ausufernde Nebentätigkeiten nicht unerheblich verringert werden.
Des weiteren sind öffentlich Bedienstete auf Grund einer gesicherten Stellung in der Lage, sich mit geringeren als den sonst üblichen Entgelten zufriedenzugeben. Dadurch wird teilweise einem — man kann es sicher so sagen — ruinösen Wettbewerb Vorschub geleistet. Die Nebentätigkeit ist in manchen Bereichen zu einer so großen Konkurrenz geworden, daß die Existenz tatsächlich gefährdet ist. Ich nenne hier speziell freiberuflich tätige Ingenieure, Architekten und auch Versicherungskaufleute und die bei ihnen tätigen Arbeitnehmer.



Dr. Bötsch
Die derzeit geltenden Regelungen haben sich jedenfalls als zu weit und zu unbestimmt gefaßt erwiesen. Deshalb gibt es ja auch eine Ergänzung durch die Vorlage der Bundesregierung.
Ich meine tatsächlich, daß das dienstliche Interesse ergänzt werden muß — und da befinde ich mich in Übereinstimmung zumindest mit Andeutungen des Herrn Kollegen Wendig — durch ein öffentliches Interesse, weil veränderte Arbeitsmarktbedingungen hier auch eine veränderte Sachlage zur Folge haben und damit auch eine veränderte Darstellung und Überlegung bei der Rechtslage zur Folge haben können, weil wir auch hier nicht von einem rein statischen Verfahren ausgehen können, sondern wohl einen dynamischen Prozeß sehen müssen.
Zum dienstlichen Interesse muß festgestellt werden, daß der Beamtenberuf eben auch heute noch nicht ein bloßer Job ist. Er ist Dienst für die Bürger, Dienst für die Allgemeinheit. Deshalb scheint mir auch unter beamtenpolitischen Gesichtspunkten eine Nebentätigkeit von Beamten grundsätzlich unerwünscht zu sein.
Kollege Broll hat das neueste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zitiert. Auch darin steht, daß die aus Gründen der Fürsorgepflicht erfolgte Verkürzung der Arbeitszeit der Beamten gerade nicht zum Ziel hatte, die Arbeitskraft der Beschäftigten für eine weitere Erwerbstätigkeit freizustellen.
Ich meine also, daß hier eine Änderung vonnöten ist und daß über das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, sicher das öffentliche Interesse mit dienstlichem Bezug — Sie haben genau den Dollpunkt angeführt — hier berücksichtigt werden muß.
Wenn Sie mit uns diese Grenze so weit, wie verfassungsrechtlich möglich, verstanden wissen wollen, können wir das nur begrüßen.
Ich möchte angesichts der fortgeschrittenen Zeit dies nicht weiter ausdehnen.
Wir stimmen der Überweisung an die Ausschüsse zu und bitten, daß in diesem drängenden Problem so schnell wie möglich eine echte Lösung gefunden wird. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903424800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stiegler.

Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID0903424900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben hier wieder zwei bemerkenswerte Reden der Opposition gehört: schön doppelzüngig, wie wir es gewohnt sind. Der erste Redner hat eine Rede gegen den Entwurf gehalten, und der zweite Redner hat hier nichts Drängenderes als dieses Thema uns einzureden versucht. Der eine hat es bedauert, daß das Bundesverfassungsgericht in dem jüngsten Spruch erklärt hat, man könne Arbeitszeitverkürzung nicht dazu verwenden, Freiheit für Nebentätigkeit zu bekommen, der andere hat es begrüßt.

(Broll [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! Reden Sie doch die Wahrheit!)

Uns sind diese Meisterleistungen in gespaltener Zunge schon bekannt. — Lesen Sie sich Ihre eigene Rede durch. Sie haben selbst — sogar wörtlich — gesagt, daß Sie den Entwurf im Grunde gar nicht bräuchten, wenn die sonstigen Regelungen entsprechend angewendet würden.

(Rawe [CDU/CSU]: Besser wäre es, wenn Sie zuhören würden!)

— Nein, nein, ich habe schon richtig zugehört. Sie müssen sich nur besser aufeinander abstimmen, um zu vermeiden, daß der eine in die Richtung, der andere in eine andere redet.

(Rawe [CDU/CSU]: Sie müssen schön zuhören!)

Meine Damen und Herren, diese Thematik hat ihre Konjunktur. Wir haben eine Konjunktur gehabt, in der man um die Nebentätigkeit geworben hat, jetzt dagegen haben wir eine andere Konjunktur. Hier gibt es also quasi eine antizyklische Bewegung, die wir sehen müssen. Aus diesen Schwankungen, aus diesem Auf und Ab müssen wir die Grundsatzproblematik herausfiltern.
Die Grundsatzproblematik liegt zum einen im öffentlichen Dienst — darüber ist gesprochen worden —, sie liegt zum anderen in unserer Ordnungspolitik. Es geht darum, zu verhindern, daß eine Konkurrenz von Leuten ausgeübt wird, die im Vergleich zu denen, die auf ihr eigenes Risiko und auf das Risiko der bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer arbeiten, gut abgesichert sind.
Ich habe hier eine Meldung der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, daß ein Bediensteter der Kreisverwaltungsbehörde für einen Bauentwurf einer Gemeinde die Gebühren eines nach der HOAI — also einer vom Bundestag, vom Bundesrat und von der Bundesregierung genehmigten Verordnung — tätigen Architekten um zwei Drittel unterschritten und dieselbe Leistung für ein Drittel angeboten hat. Es handelt sich um einen Bediensteten, der in der Verwaltungsbehörde sitzt, die über diesen Entwurf zu befinden hat. Angesichts dessen muß man sich einmal in die Lage eines freiberuflichen Architekten versetzen, der seinen Mitarbeitern vielleicht erklären muß, daß sie entlassen werden müssen, weil jemand anders — unter Ausnutzung der Möglichkeiten des öffentlichen Dienstes — den Auftrag bekommen hat. Wenn man das sieht, wird einem klar, daß wir diese Auswüchse, diese Entwicklungen nicht dulden können, weil sie nicht im ordnungspolitischen und natürlich auch nicht — das steht jetzt im Mittelpunkt — im arbeitsmarktpolitischen und schließlich auch nicht im Interesse der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen liegen können, die vornehmlich bei den kleineren und mittleren Betrieben und bei den freien Berufen konzentriert sind. Insofern liegt die Problematik in wirtschaftspolitischer Sicht klar auf der Hand.
Ich möchte mit Ihnen, Herr Dr. Bötsch, nicht in einen Streit darüber eintreten, wer das Problem zuerst gesehen, wer begonnen hat, etwas dagegen zu tun. Ich könnte hier auf Beschlüsse der Arbeitsgemeinschaft der Selbständigen in der SPD verweisen. Ich müßte auf den Antrag unserer Abgeordneten im



Stiegler
Innenausschuß im Jahre 1978 verweisen, in dem die Kollegen Liedtke und Brandt gefordert haben, daß der Bundesinnenminister einen solchen Entwurf vorlegen möge. Ich muß daran erinnern, daß der Entwurf bereits im vergangenen Jahr vorlag und dann allerdings im Zuge der Diskontinuität verfallen ist und daß unser Sprecher in diesen Fragen, der heute verhinderte Professor Schachtschabel, in der Debatte über die Lage der freien Berufe darauf hingewiesen hat, daß man hier eine Regelung finden müsse.
Wir gehen bei unseren Vorstellungen von folgenden Grundsätzen aus. Erstens. Das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auch der im öffentlichen Dienst Beschäftigten muß gewährleistet sein. Auch können wir nicht in eine „Zünftelei" zurückverfallen; das ist der Ausgangspunkt.
Zweitens. Im Interesse des Dienstherrn muß wegen der Reinheit des öffentlichen Dienstes und wegen der Notwendigkeit, dem öffentlichen Dienst die Arbeitskraft voll zu erhalten, die Nebentätigkeit in engem Rahmen gehalten werden.
Wir müssen drittens prüfen, inwieweit allgemeine öffentliche Interessen, also nicht nur dienstliche Interessen, für eine Einschränkung in Frage kommen.
Da heißt es — da stimme ich dem Kollegen Dr. Wendig völlig zu — auch die Datenbasis sorgfältig prüfen und das verfassungsrechtliche Terrain ausloten. Denn wenn man liest, daß das Umsatzvolumen aus dieser Nebentätigkeit zwischen 100 Millionen und 50 Milliarden DM schwanken soll — solche Zahlen findet man in den diversen Veröffentlichungen —, dann tritt die Notwendigkeit klar zutage, erst einmal den Umfang auszuloten, bevor man in die Rechte derjenigen, die hier in ihrer Beschäftigung betroffen sind, tief einschneidet.
Hier sind der Bundesinnenminister, aber auch die Länder und Gemeinden aufgefordert, über eine zusammenfassende Übersicht einmal klarzumachen, in welchen Branchen, in welchen Bereichen mit welchen Umsatzvolumina Aktivitäten entfaltet werden. Wenn wir dann nachweisen können, daß sich die Umsatzvolumina aus dieser Nebentätigkeit, dieser, wenn man so will, in vielen Fällen konkurrierenden Nebentätigkeit, in der Tat in Größenordnungen von 50 Milliarden DM bewegen, wie ich es in einem renommierten Rechtsgutachten gelesen habe, das der Bundesverband der freien Berufe hat erstellen lassen, dann wird der verfassungsrechtliche Spielraum, hier eingrenzend tätig zu sein und die allgemeinen öffentlichen Interessen, arbeitsmarktpolitischen Interessen noch deutlicher zur Geltung zu bringen als die bloß dienstrechtlichen Interessen, wesentlich größer sein. Das müssen wir während der Beratungen sehr sorgfältig miteinander prüfen.
Meine Damen und Herren, auch dazu noch einen Satz. Der Kollege Dr. Bötsch hat gemeint, der Vorschlag der Opposition sei restriktiver als der der Regierung. Ich will hier nicht in einen allgemeinen Streit eintreten, wer die Interessen derer, die von einer Nebentätigkeit betroffen sind, besser schützt. Ich weise aber nur auf § 65 (neu) der beiden Entwürfe hin. Herr Dr. Bötsch, Sie von der Opposition verlangen, daß die Nebentätigkeit zu versagen ist, wenn nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch genommen wird, daß die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert wird. Sie müssen also eine tatsächliche Behinderung darstellen und nachweisen, während die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eben auf eine Prognose abstellt und sagt: „ ... wenn sie behindert werden kann". Hier ist der Handlungsspielraum für den Dienstvorgesetzten wesentlich größer und wesentlich breiter. Ich will hier nur diesen einen Punkt ansprechen, wenn wir schon beide Entwürfe einem kritischen Vergleich unterziehen wollen.
Meine Damen und Herren, wir wollen auch die Anregungen prüfen, die während der Beratungen von den Ländern gekommen sind. Wir hoffen, daß es gelingt, dieses Thema frei von Emotionen abzuhandeln. Es nützt nichts, wenn wir uns Schlagzeilen um die Ohren schlagen. Es nützt den betroffenen Freiberuflern nicht, und damit dienen wir auch der Beamtenschaft nicht und auch nicht der gesamten Öffentlichkeit, wenn wir das polarisieren. Es geht darum, einen sorgfältigen Interessenausgleich zu suchen. Es geht darum zu sehen, daß auf beiden Seiten verfassungsrechtlich verbürgte Positionen stehen, die miteinander in eine praktische Konkordanz gebracht werden müssen. Es geht jetzt aktuell darum, daß wir hier einen Beitrag dazu leisten, daß Arbeitsmarktchancen nicht durch Zusatzverdienste im öffentlichen Dienst unzumutbar beeinträchtigt werden — denn das kann den Arbeitslosen keiner erklären —, während der öffentliche Dienst auf gesicherte Arbeitsplätze zurückgreifen kann. Ich glaube, das ist der gesellschaftspolitische Hintergrund, den es hier zu beachten gibt.
Wir werden alle Lösungen sorgfältig mit durchdiskutieren und hoffen, daß wir alsbald zu einer Verabschiedung kommen. Ich darf aber von dieser Stelle aus gerade auch an den Bundesinnenminister appellieren, dafür zu sorgen, daß das Datenmaterial abgesichert wird, damit wir uns möglichst auf einem gesicherten Boden der Fakten bewegen können. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903425000
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär von Schoeler.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0903425100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits dargestellt: Mit dem Gesetz werden einige dringende Probleme angegangen, die einer Lösung bedürfen. In allererster Linie — und das war auch hier der Zentralpunkt der Debatte — geht es um die Neuregelung der Nebentätigkeit von Beamten.
Ich glaube, es ist deutlich geworden: alle Fraktionen in diesem Hause haben nicht nur Verständnis dafür, sondern halten es für notwendig, daß angesichts der angespannten wirtschaftlichen Gesamtsituation darüber diskutiert werden muß, daß Beschäftigte im öffentlichen Dienst zusätzlich Er-



Pari. Staatssekretär von Schoeler
werbstätigkeiten nachgehen und dabei in Wettbewerb mit Angehörigen anderer Berufe treten. Manche Kritik, die hierzu geäußert wird, ist sicherlich übertrieben und undifferenziert. Aber die Diskussion hat einen wahren Kern, und dieser Kern muß angegangen werden. Beispiele für Nebentätigkeiten, die nicht sein sollten, sind in der Debatte bereits genannt worden. Ich will sie hier nicht wiederholen.
Die Beamten, meine Damen und Herren, stehen in einer besonderen Pflichtenbindung. Ihr Beruf ist Dienst für den Bürger, Dienst für die Allgemeinheit. Deshalb muß von ihnen erwartet werden, daß sie sich mit vollem Einsatz ihren dienstlichen Pflichten widmen. Der Beamtenberuf erfaßt die gesamte Arbeitskraft des Mitarbeiters; gerade daraus rechtfertigt sich die umfassende Alimentationspflicht des Dienstherrn.
Ich unterstreiche daher: Beamtenpolitisch ist eine Nebentätigkeit von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst — von den Ausnahmen der besonderen dienstlichen Interessen, z. B. bei der nebenamtlichen Lehrtätigkeit, die hier bereits mehrfach erwähnt wurde, abgesehen — grundsätzlich unerwünscht. Die Bundesregierung setzt sich deshalb nachdrücklich dafür ein, einem Ausufern der Nebentätigkeit entgegenzuwirken. Das bedeutet kein allgemeines Verbot von Nebentätigkeiten; es bedeutet, den Wildwuchs zu beschneiden und den Mißbrauch zu verhindern.
Niemand wird Vertrauen zu einem Diener des Gemeinwohls haben, der sich seinen Pflichten nur nebenbei und halbherzig widmet. Deshalb geht es bei der Einschränkung der Nebentätigkeit um das elementare Interesse des Staates und seiner Bürger an der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Berufsbeamtentums.
Ziel der Neuregelung, die wir vorschlagen, ist es vornehmlich, das Ermessen des Dienstvorgesetzten, der über den Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit zu entscheiden hat, stärker als bisher an konkrete Voraussetzungen zu binden und damit sachbezogen einzuengen. Die neuen Bestimmungen sollen zu einer deutlichen Einschränkung der Nebentätigkeit führen. Dies dient dann auch in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht berechtigten Belangen der Angehörigen freier Berufe.
Die auch im Interesse der Allgemeinheit liegende Wahrnehmung von Berufsinteressen in Gewerkschaften, in Berufsverbänden und in Selbsthilfeeinrichtungen der Beamten soll wie bisher möglich sein. Es wird jedoch bei den Selbsthilfeeinrichtungen darauf ankommen, die eigentliche Zweckbestimmung des Selbsthilfegedankens noch besser sicherzustellen. Das heißt auch hier in ganz besonderem Maße: Eine Nebentätigkeit für Selbsthilfeeinrichtungen der Beamten während der Dienstzeit darf es grundsätzlich auch zukünftig nicht geben.
Die Bundesregierung begrüßt alle Änderungsvorschläge, die nach der Vorlage dieses Gesetzentwurfes in die Debatte eingebracht worden sind und die dem Ziel einer möglichst weitgehenden Einschränkung der Nebentätigkeit dienen. Sie befürwortet deshalb die von Länderseite vorgeschlagene
Einführung einer Regelvermutung des Inhalts, daß dienstliche Interessen prinzipiell als beeinträchtigt gelten, wenn die Nebentätigkeit einen bestimmten Prozentsatz der regelmäßigen Arbeitszeit übersteigt.
Die Neuregelung darf — um auch darauf hinzuweisen — andererseits aber nicht verwässert werden. Deswegen sind Vorschläge abzulehnen, die den Grundsatz, daß Nebentätigkeit grundsätzlich nur außerhalb der Arbeitszeit ausgeübt werden darf, abschwächen wollen. Dieser bisher schon praktizierte Grundsatz soll künftig im Gesetz verankert sein.
Auch die weiteren Änderungsvorschläge, die eingebracht worden sind bzw. die sich vielleicht auch noch im Laufe der Beratungen ergeben, wird die Bundesregierung sehr sorgfältig daraufhin überprüfen, ob sie dem Ziel einer weitergehenden Einschränkung der Nebentätigkeiten gerecht werden. Wir sind dafür, den verfassungsrechtlichen Spielraum — und der ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weit — voll auszuschöpfen.
Dabei sollten wir allerdings auch nicht der Versuchung erliegen, Formeln in das Gesetz zu schreiben, über deren Inhalt wir uns nicht im klaren sind. Ich hoffe, daß die weitere Beratung noch Klarheit darüber bringt, was denn mit dem „öffentlichen Interesse" und dem „dienstlichen Bezug" gemeint ist. Mir scheint, hinter dieser Formulierung verbirgt sich die Diskussion darüber, wie weit arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte expressis verbis in das Gesetz aufgenommen werden sollen. Nur sollten wir uns dann mit dieser Frage beschäftigen und nicht eine Formel im Vertrauen darauf anbieten, sie werde nachher in der Praxis schon die gewünschte Wirkung zeitigen, wohl wissend, daß sie hinreichend unklar ist und daß möglicherweise ein anderes Ergebnis — nämlich daß gar nichts passiert — herauskommt. Damit würden wir nur Erwartungen, die nachher nicht erfüllt werden, wecken und somit Enttäuschungen provozieren.
Wir sind also — ich fasse das zusammen — dafür: so restriktiv wie möglich, Ausschöpfung des verfassungsrechtlichen Spielraums, aber keine unklaren Formulierungen, die niemandem dienen, ins Gesetz hineinnehmen.
Meine Damen und Herren, alle gesetzlichen Regelungen müssen Stückwerk bleiben, wenn nicht bei der Gesetzesanwendung vor Ort die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen achten. Die Behördenleiter müssen mehr als bisher den Mut haben, von den gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Hinzu kommen muß aber unerläßlich ein gutes Maß Selbstdisziplin der Beamten, die alles unterlassen sollten, was in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, als werde aus einer gesicherten Position heraus anderen Erwerbstätigen die Grundlage ihrer Existenz genommen.
Als weiteren Schwerpunkt enthält der Entwurf Vorschriften über Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation von Beamten. Die Neuregelung soll Beamten, die wegen gesundheitlicher Schäden dienstunfähig geworden sind und ihren bisherigen Dienst-



Parl. Staatssekretär von Schoeler
posten nicht mehr ausfüllen können und deshalb vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden müßten, die Möglichkeit bieten, auf einem anderen Dienstposten — gegebenenfalls nach einer Umschulung — weiter ihren Dienst zu leisten.
In Zukunft muß vor jeder Entscheidung über die Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit geprüft werden, ob mit Hilfe von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation seine angemessene Weiterverwendung zu erwarten und möglich ist. Als Rehabilitationsmaßnahmen kommen Umsetzungen auf einen anderen Dienstposten der gleichen Laufbahn oder die Umschulung auf eine andere Laufbahn in Betracht, natürlich nur mit Zustimmung des Betroffenen. Einem dienstunfähigen Beamten, der die Versetzung in den Ruhestand vorzieht, sollen die genannten Maßnahmen nicht auf genötigt werden. Die berufliche Rehabilitation setzt also die Mitarbeit des Behinderten voraus.
Ihm soll auf der anderen Seite nichts geschenkt werden. Bei einer Umschulung für eine andere Laufbahn — das kann auch eine höhere sein — muß er die Befähigung wie jeder andere Beamte nachweisen. Ich gehe im übrigen davon aus, daß die Beratung dieses Gesetzentwurfes in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages die Möglichkeit bieten wird, einige von den Ländern an den Bundesinnenminister herangetragene dringliche Wünsche, z. B. die Verlängerung der Übergangsregelung für Stufenlehrer, im Gesetz mit zu berücksichtigen.
Wenn wir nun in die Ausschußberatungen eintreten, so verbinde ich mit den Ausschußberatungen die Hoffnung, daß sich die unterschiedlichen Nuancierungen, die in den Reden der beiden Vertreter der CDU/CSU-Fraktion deutlich geworden sind, noch weiter annähern und wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. — Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903425200
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 6 der Tagesordnung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Drucksache 9/336 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß sowie zur Mitberatung an den Verteidigungsausschuß, den Ausschuß für Wirtschaft, den Rechtsausschuß, den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung und den Haushaltsausschuß — an diesen außerdem gemäß § 96 der Geschäftsordnung — zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über Punkt 7 der Tagesordnung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Abgeordneten Hauser (Krefeld), Dr. Bötsch, Pohlmann und weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CSU/CSU auf der Drucksache 9/160 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. — Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? —
Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung fischereischeinrechtlicher Vorschriften
— Drucksache 9/312 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 26. Oktober 1979 des Weltpostvereins
— Drucksache 9/313 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 9. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen
— Drucksache 9/316 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Bötsch Dr. Dübber
Wolfgramm (Göttingen)

Zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Dübber das Wort.

Dr. Ulrich Dübber (SPD):
Rede ID: ID0903425300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, Ihnen im Namen des Wahlprüfungsausschusses die Beschlußempfehlung zu den zur Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 eingegangenen Wahleinsprüchen zu unterbreiten. Es sind 57 Wahleinsprüche eingegangen. Wir haben über diese Einsprüche im Wahlprüfungsausschuß beraten. Es läßt sich feststellen, daß sich die Zahl der Einsprüche gegenüber den vergangenen Bundestagswahlen nicht wesentlich verändert hat. Bei der ersten Bundestagswahl von 1949 waren 48 Wahleinsprüche eingegangen.



Dr. Dübber
Es ist natürlich von der Frage auszugehen: Welche Relevanz haben die Wahleinsprüche; hätten sie Einfluß auf das Wahlergebnis haben können? Dazu ist folgendes zu bemerken. Nach der Feststellung des Bundeswahlleiters ergibt sich, daß für den Übergang eines Sitzes von einer Partei zur anderen mindestens 131 bzw. 428 Zweitstimmen erforderlich gewesen wären. In den hier eingegangenen Wahleinsprüchen ist nicht behauptet worden, daß es um Stimmenzahlen in dieser Größenordnung gehen könne.
Man kann es auch so sagen: Hätte die FDP, bei Status quo im übrigen, 131 Stimmen mehr erhalten oder die CDU, bei Status quo im übrigen, 428 Stimmen weniger, hätte durch Los entschieden werden müssen, ob der Sitz der FDP oder der CDU zufällt. Auf Grund dieser Zahlen hat der Wahlprüfungsausschuß festgestellt, daß auch bei Zusammenrechnen der Wahlfehler die oben genannten Zahlen für die Zweitstimmen nicht erreicht werden.
Meine Damen und Herren, dennoch ist der Wahlprüfungsausschuß allen behaupteten Wahlmängeln nachgegangen, auch wenn erkennbar war, daß die Mängel keine Relevanz im Hinblick auf die Mandatsverteilung haben. Durch diese Art der Behandlung soll unter anderem dafür Sorge getragen werden, daß festgestellte Wahlmängel sich bei künftigen Wahlen so weit wie möglich nicht wiederholen. Im übrigen soll natürlich dadurch denjenigen Bürgern, die Wahleinsprüche einlegen, die Gewißheit gegeben werden, daß ihre Wahleinsprüche, selbst wenn sie im einzelnen nicht überzeugend waren, hier ernstgenommen werden.
Es ist festzustellen, daß die Zahl der Wahleinsprüche aus Haftanstalten erheblich zurückgegangen ist. Dies ist sicher auch ein Verdienst, das auf frühere Arbeiten des Wahlprüfungsausschusses zurückzuführen ist. So dürften z. B. Anstaltsleiter auf das Recht der Briefwahl aufmerksam gemacht haben.
Ein weiterer Grund, weswegen Einsprüche eingereicht worden sind, ist in dem Quorum für die Einreichung von Wahlvorschlägen für neue Listen und neue Einzelbewerber zu sehen. Es sind ja bekanntlich 200 Unterschriften für einen Kreiswahlvorschlag und 2 000 Unterschriften für eine Landesliste erforderlich. Dieser Grund ist insbesondere von sogenannten neuen Parteien angeführt worden.
Viele Einsprüche haben sich gegen die Bestimmungen des Bundeswahlgesetzes und der Bundeswahlordnung gerichtet. Von einzelnen ist insbesondere immer wieder darauf hingewiesen worden, daß sie als europäische Beamte an unseren Bundestagswahlen nicht teilnehmen können. In diesem Zusammenhang ist auf die Bestimmung zu verweisen, daß der deutsche Staatsangehörige seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben muß, wenn er an der Bundestagswahl teilnehmen will. Dem liegt zugrunde, daß es eine einheitliche und auch nach außen offene deutsche Staatsangehörigkeit gibt. Aus diesem Grunde meinte der Gesetzgeber, der das Bundeswahlgesetz erlassen hat, auf diese Bestimmung nicht verzichten zu können.
Es ist festzustellen, daß sich eine Reihe von Einsprüchen auf die Briefwahl bezog. Der Ausschuß glaubt davon ausgehen zu können, daß die Unregelmäßigkeiten nur zum Teil zu Wahleinsprüchen führten.
Er hält es aber für erforderlich, die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Briefwahl zu erschweren.

(Zustimmung bei der SPD)

1957 betrug der Anteil der Briefwähler noch 4,9 %. 1980 haben wir einen Anteil von 13% erreicht. Bei jeder Wahl ist die Zahl der Briefwähler gestiegen. Ich persönlich meine, daß sich, wenn ein bestimmter Prozentsatz erreicht und überschritten wird — dieser läßt sich ja absehen; ich würde sagen: 20 % oder ein Viertel —, eines Tages auch die Frage erheben wird, ob es sich noch um eine Bundestagswahl oder überhaupt eine Wahl im klassischen Sinne, wie wir sie verstehen, handelt. Man wird also — Innenausschuß und Wahlprüfungsausschuß gemeinsam — zu überlegen haben, ob es nicht schärfere Kriterien geben könnte, die erfüllt sein müssen, um an der Bundestagswahl per Brief teilzunehmen.

(Schulte [Unna] [SPD]: Unbedingt erforderlich!)

Im übrigen stellt sich die Frage, die sich vielleicht in früheren Jahrzehnten — muß ich schon sagen — gestellt hatte, daß sich die eine oder andere Partei hier besonders begünstigt sieht, nicht mehr. Nach unseren Übersichten ist das nicht der Fall.
Festzustellen ist ferner, daß es eine Reihe von falschen Zuordnungen gegeben hat; denn es ergibt sich aus der Bundeswahlordnung nicht eindeutig, wie lange die unteren Wahlorgane — Kreiswahl- oder Landeswahlauschüsse — rechnerische Fehler berichtigen können. Man wird bei großzügiger Auslegung davon ausgehen dürfen, daß rechnerische Korrekturen bis zur Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses durch den Bundeswahlausschuß zulässig sind. Falsche Zuordnungen fallen bei Wortinterpretation jedoch nicht unter den Begriff der rechnerischen Berichtigung. Die Korrektur falscher Zuordnungen, der fälschlichen Zurechnung von Stimmenzahlen einer anderen Partei, müßte auch im gleichen Umfang bis zur Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses durch den Bundeswahlausschuß möglich gemacht werden. Insofern ist eine Änderung oder Klarstellung der Bundeswahlordnung angebracht.
Schließlich kann ich vermerken, daß der Wahlprüfungsausschuß zwar bereits drei Monate nach seiner Konstituierung die schriftlichen Berichte — sie liegen Ihnen vor — vorlegt, sich aber die Frage stellt, ob der Bundestag nicht bereits bei seiner konstituierenden Sitzung, die vier Wochen nach der Wahl stattfindet, einen Wachlprüfungsausschuß einsetzen sollte, damit unmittelbar nach Konstituierung mit der Wahlprüfung begonnen werden könnte. Es ist nunmehr eine geraume Zeit vergangen, und wir werden auf Grund der Beschlußempfehlung, die ich Ihnen unterbreitet habe und die ich jetzt noch einmal wiederholen werde, die Einsprucherheber bescheiden müssen. Es mag bei denen doch der Eindruck entstehen, daß seitdem allzulange Zeit vergangen ist. — Das war es zur Sache, meine Damen und Herren.



Dr. Dübber
Ich wiederhole: Ich bitte Sie, die Einsprüche entsprechend der Beschlußempfehlung auf Drucksache 9/316 zurückzuweisen. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)


Richard Wurbs (FDP):
Rede ID: ID0903425400
Ich danke dem Berichterstatter.
Wird das Wort anderweitig begehrt? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimme? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung der Sammelübersicht 10 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 31. März 1981 eingegangenen Petitionen
— Drucksache 9/315 —
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf der Drucksache 9/315, die in der Sammelübersicht 10 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen.
Ich rufe Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuß) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Erfahrungen bei der Anwendung des neuen Gemeinschaftsinstruments
Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Anleihen zur Investitionsförderung in der Gemeinschaft aufzunehmen
— Drucksachen 9/37 Nr. 153, 9/317 —
Berichterstatter: Abgeordneter Jung (Lörrach)

Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung der Finanzausschusses auf Drucksache 9/317, die Vorlage in ihrer derzeitigen Fassung abzulehnen und die Bundesregierung zu bitten, dem Änderungsvorschlag in dieser Fassung die Zustimmung nicht zu geben, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 8. Mai 1981, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.