Protokoll:
6052

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 6

  • date_rangeSitzungsnummer: 52

  • date_rangeDatum: 26. Mai 1970

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:08 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 52. Sitzung Bonn, Dienstag, 26. Mai 1970 Inhalt: Eintritt des Abg. Staak in den Bundestag . 2585 A Wahl des Abg. Dr. Huys als Schriftführer . 2585 A Wahl des Abg. Wolfram als Mitglied des • Europäischen Parlaments 2585 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 2585 B Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 2585 C Strukturbericht 1970 der Bundesregierung (Drucksache VI/761) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes (Zonenrandförderungsgesetz) (Abg. Dr. Warnke und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/396) — Erste Beratung — Gewandt (CDU/CSU) 2587 C Dr. Arndt, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 2589 D; 2614 C Junghans (SPD) . . . . . . . 2592 C Kienbaum (FDP) 2598 B Dr. Warnke (CDU/CSU) . . . . 2600 A Dr. Müller (München) (SPD) . . . 2604 D von Thadden (CDU/CSU) . . . . 2607 A Brück (SPD) . . . . . . . 2608 D Jung (FDP) 2610 B Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 2611 C Dr. Starke (Franken) (FDP) . . . . 2616 C Herold, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 2617 C Große Anfrage der Abg. Erpenbeck, Mick, Geisenhofer, Lücke (Bensberg), Dr. Müller-Hermann und der Fraktion der CDU/ CSU betr. Wohnungsbaupolitik (Drucksachen VI/532, VI/316) Erpenbeck (CDU/CSU) . . . . . 2619 B Frau Meermann (SPD) 2623 D Jung (FDP) . . . . . . . . . 2627 B Mick (CDU/CSU) 2629 A Dr. Lauritzen, Bundesminister . . 2632 D Henke (SPD) . . . . . . . . 2637 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz (2. Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz) (Druckachen VI/584, zu W584); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache VI/782), Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (Drucksache VI/781) — Zweite und dritte Beratung — 2642 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand (Drucksache W509); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache VI/794) — Zweite und dritte Beratung — 2643 A II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes (Drucksache VI/744) — Erste Beratung — 2643 B Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Beamtenrechtsrahmengesetzes (Abg. Hirsch, Dichgans, Mertes u. Gen.) (Drucksache VI/775) — Erste Beratung — . . . 2643 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Schadendeckung bei Verkehrsunfällen (Drucksache VI/780) — Erste Beratung — . . . 2643 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Termins für die Vorlage des Entwurfs des Rentenanpassungsgesetzes (Drucksache VI/792) — Erste Beratung — . . . 2643 C Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 128 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Juni 1967 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene (Drucksache VI/793) — Erste Beratung — 2643 C Entwurf eines Gesetzes über vermögenswirksame Leistungen (Drucksache VI/797) — Erste Beratung — 2643 D Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zweites Anpassungsgesetz — KOV) (Drucksache VI/798 — Erste Beratung — .. 2643 D Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zerlegungsgesetzes (Drucksache VI/802) — Erste Beratung — 2643 D Antrag der Abg. Dr. Bardens, Dr. Bechert (Gau-Algesheim), Bay, Dr. Schmidt (Krefeld), Grüner, Jung, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. Rutschke und der Fraktionen der SPD, FDP betr. thermische Belastung von Gewässern durch Kernkraftstoffe (Drucksache VI/740) 2644 A Antrag der Abg. Liehr, Schmidt (Kempten) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. berufliche Bildung (Drucksache VI/741) . 2644 A Antrag des Bundesminister der Finanzen betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für • das Rechnungsjahr 1968 (Drucksache VI/787) 2644 A Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft über den Vorschlag der Kom- mission der EG für eine Richtlinie des Rates über die Einführung einer gemeinsamen Police für mittel- und langfristige Geschäfte mit privaten Käufern (Drucksachen VI/232, VI/746) . . . . . . . . 2644 B Sammelübersicht 3 des Petitionenausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache VI/753) in Verbindung mit Sammelübersicht 4 des Petitionenausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen (Drucksache VI/779) 2644 B Fragestunde (Drucksache VI/809) Fragen des Abg. Varelmann: Beteiligung der Altersrentner an Heilmaßnahmen der Rentenversicherung Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . 2644 B, 2645 B Varelmann (CDU/CSU) . . . . 2645 A, B Frage des Abg. Dr. Hermesdorf (Schleiden) : Hilfen zur beruflichen Eingliederung behinderter Jugendlicher Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2645 C, 2646 A, B Dr. Hermesdorf (Schleiden) (CDU/CSU) 2646 A Fragen des Abg. Dr. Weber (Köln) : Bestimmungen über die Unterkünfte von Bauarbeitern auf Baustellen Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär 2646 B, D Dr. Weber (Köln) (SPD) . . . . 2646 D Frage des Abg. Weber (Heidelberg):. Mineralölversorgung Westberlins durch die DDR 2646 D Frage des Abg. Weigl: Beamtenrechtliche Altersversorgung von im öffentlichen Dienst der DDR tätig gewesenen Kommunalbeamten . 2647 A Frage des Abg. Hansen: Presseberichte betr. Organisierung von Schlägergruppen regimefreundlicher Griechen durch griechische Generalkonsulate Genscher, Bundesminister 2647 B, 2647 C, D Hansen (SPD) . . . . . . . . . 2647 C Matthöfer (SPD) . . . . . . . 2647 D Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 III Frage des Abg. Hansen: Maßnahmen gegen griechische Organisationen in der Bundesrepublik Genscher, Bundesminister . . . . 2647 D Frage des Abg. Dröscher: Versorgung von Berufsunteroffizieren Genscher, Bundesminister . . . 2648 B, C Frage des Abg. Rasner: Verantwortlichkeit für die Sicherheits-und Polizeimaßnahmen anläßlich des Treffens in Kassel Genscher, Bundesminister . . 2649 A, B Rasner (CDU/CSU) 2649 A, B Fragen des Abg Pieroth: Frage der Anrechnung der Wehrdienstzeit bei der Bemessung der Höhe der Sonderzuwendung für als Wehrpflichtige eingezogen gewesene Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst . . . . . 2649 B Frage des Abg. Josten: Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung angesichts der Hochwasserschäden am Rhein und seinen Nebenflüssen Genscher, Bundesminister . . . . 2649 D, 2650 A, B, C Josten (CDU/CSU) 2650 A, B Jung (FDP) 2650 B Frage des Abg. Ott: Äußerungen von Bundeswehroffizieren zu der Politik der Bundesregierung, insbesondere der Ostpolitik Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2650 D, 2651 B, C Ott (CDU/CSU) 2651 A, B Niegel (CDU/CSU) 2651 C Frage des Abg. Ott: Recht auf freie Meinungsäußerung von Staatsbürgern in Uniform Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2651 D, 2652 A, B Ott (CDU/CSU) 2652 A, B Frage des Abg. Wagner (Günzburg) : Vorzeitige Beurlaubung von den Grundwehrdienst leistenden Abiturienten zur Aufnahme ihres Studiums Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2652 D, 2653 A, B Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) . 2653 A Ott (CDU/CSU) 2653 B Frage des Abg. Dröscher: Fahrkostenersatz und Verpflegungszuschuß für Soldaten und Zivilbeschäftigte Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 2653 B, D Dröscher (SPD) 2653 C Frage des Abg. Niegel: Krankheitsgefahren bei Bewohnern der oberen Stockwerke von Hochhäusern Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 2654 A, B, C, D Niegel (CDU/CSU) 2654 B, C Moersch (FDP) 2654 C Dasch (CDU/CSU) 2654 D Frage des Abg. Dasch: Kindergärten, Spielplätze und Sportanlagen in sogenannten Entlastungsstädten oder in neuen Großsiedlungen Westphal, Parlamentarischer Staatssekretär 2655 A Fragen des Abg. Dr. Jobst: Mieten für Bundesbedienstetenwohnungen für Soldaten und Zivilbedienstete Ravens, Parlamentarischer Staatssekretär . . 2655 C, 2656 A, B, C Dr. Jobst (CDU/CSU) . . . 2656 A, B, C Frage des Abg. Dr. Jungmann: Studium des Fachgebiets „Sicherheitstechnik" 2656 D Frage der Abg. Frau Dr. Walz: Besprechungen im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft über die Thesen zum Hochschulrahmengesetz Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . . 2656 D, 2657 B, C Frau Dr. Walz (CDU/CSU) . 2657 A, B, C Moersch (FPD) . . . . . . . . 2657 C Frage der Abg. Frau Dr. Walz: Einführung einer sogenannten Milieuquote bei der Zulassung zu Fächern mit Zulassungsbeschränkung Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . 2657 D, 2658 A Frau Dr. Walz (CDU/CSU) . . . 2658 A Nächste Sitzung 2658 C IV Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 2659 A Anlage 2 Mitteilung des Präsidenten des Bundesrates vom 15. Mai 1970 zu dem Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 2660 A Anlage 3 Entschließungsantrag Umdruck 25 der Fraktionen der SPD, FDP zum Strukturbericht 1970 der Bundesregierung (Drucksache VI/761) 2660 B Anlage 4 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Riedl (München) betr. Errichtung von Bundesleistungszentren für den Sport nach den Olympischen Spielen 1972 und Nutzbarmachung der olympischen Anlagen für den Leistungssport 2660 D Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Hauser (Bad Godesberg) betr. Besoldung in dem allgemeinen Verwaltungsdienst und in den obersten Bundesbehörden 2661 A Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Böhme betr. Wahl der deutschen Mitglieder des Europäischen Parlaments 2661 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Beermann betr. Elternrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz 2662 A Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Unland betr. die Erste und Zweite Angestelltenprüfung gemäß § 25 BAT . . . . . . . . 2662 C Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Unland betr. Auslegung von § 46 des Berufsbildungsgesetzes 2662 C Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen der Abg. Ernesti und Dr. Klepsch betr. Verwendung von schwerbeschädigten Soldaten 2662 D Anlage 11 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Dr. Klepsch betr. Bedarf der Geräteeinheiten und der Sicherungseinheiten im Rahmen der Territorialverteidigung an voll ausgebildeten Grenadieren 2663 B Anlage 12. Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Bremer betr. endgültige Ergebnisse der flugmedizinischen Untersuchungen über die Belastungswerte •von Flugzeugführern 2663 C Anlage 13 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Bremer betr. Neuregelung der Fliegerzulage . . . . . . . 2663 C Anlage 14 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Petersen betr. Zusammensetzung der Richtlinienkommission für den Bundesjugendplan 2663 D Anlage 15 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Frage des Abg. Leicht betr. Folgerungen aus der EWG-Marktordnung für das deutsche Weingesetz . . . . . . . . 2664 A Anlage 16 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Arnold betr. Verbreitung von Tageszeitungen und politischen Zeitschriften pornographischen Inhalts an Jugendliche . . . . . . . . 2664 B Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 2585 52. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1970 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage i Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Abelein 26. 5. Adams 26. 5. Dr. Aigner * 27. 5. von Alten-Nordheim 31. 5. Dr. Artzinger * 26. 5. Bäuerle 27. 5. Bals *** 27. 5. Dr. Bardens 27. 5. Biermann 27. 5. Blank 27. 5. Böhm 26. 5. Brandt (Grolsheim) 31. 5. Buschfort 26. 5. Cramer 30. 5. van Delden 29. 5. Dr. Dittrich * 27. 5. Draeger *** 26. 5. Dr. Enders 26. 5. Ernesti 27. 5. Faller 27. 5. Dr. Focke 28. 5. Franke (Osnabrück) 27. 5. Dr. Freiwald 26. 5. Fritsch ** 27. 5. Frau Geisendörfer 27. 5. Frau Griesinger 27. 5. Dr. Gölter 2. 6. Haase (Kassel) 27. 5. Haase (Kellinghusen) 30. 5. Dr. Häfele 27. 5. Häussler 27. 5. Dr. Hauff 27. 5. Dr. Hein * 26. 5. Helms 27. 5. Frau Herklotz 26. 5. Heyen 30. 5. Höhmann (Hessisch Lichtenau) 27. 5. Dr. Hubrig 27. 5. Dr. Jaeger 27. 5. Jaschke 26. 5. Dr. Jungmann 27. 5. Kaffka 27. 5. Killat-von Coreth 26. 5. Dr. Klepsch 27. 5. Dr. Kley 23. 5. Dr. Koch * 27. 5. Dr. Kreile 27. 5. Lautenschlager * 27. 5. Lenze (Attendorn) *** 26. 5. Lenzer 27. 5. Logemann 26. 5. Majonica 27. 5. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Marquardt 26. 5. Dr. Martin 27. 5. Dr. Marx (Kaiserslautern) 26. 5. Dr. Meinecke (Hamburg) 3. 6. Meister * 30. 5. Dr. Mende 26. 5. Müller (Remscheid) 31. 5. Dr. Müller-Hermann 27. 5. Frau Dr. Orth * 26. 5. Picard 26. 5. Pöhler ** 28. 5. Dr. Probst 27. 5. Richarts * 27. 5. Richter ** 27. 5. Rommerskirchen 27. 5. Dr. Rutschke 27. 5. Saxowski 26. 5. Schlaga 27. 5. Schlee 26. 5. Schmücker 28. 5. Dr. Schneider (Königswinter) 30. 5. Dr. Schober 27. 5. Schröder (Selistedt) 31. 5. Dr. Schulz (Berlin) 27. 5. Schwabe 27. 5. Dr. Schwörer * 26. 5. Seefeld * 27. 5. Seibert 27. 5. Dr. Seume 27. 5. Dr. Siemer 27. 5. Stahlberg 27. 5. Dr. Stark (Nürtingen) 26. 5. Dr. Tamblé 26. 5. Unertl 27. 5. Vehar 26. 5. Weber (Heidelberg) 27. 5. Werner 28. 5. Wolf 26. 5. Wolfram 26. 5. Dr. Wulff 26. 5. Wurbs 26. 5. Zebisch 3. 6. Ziegler 27. 5. Dr. Zimmermann 27. 5. Zoglmann 26. 5. b) Urlaubsanträge Dr. Birrenbach 8. 6. Dr. Erhard 7. 6. Dr. Lohmar 15. 6. Pfeifer 4. 6. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats *** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Westeuropäischen Union 2660 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 15 Mai 1970 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Der Bundesrat ist der Ansicht, daß das Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 — Drucksachen VI/389, VI/589 — seiner Zustimmung bedarf. Der Bundesrat hat in seiner 352. Sitzung am 15. Mal 1970 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 17. April 1970 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Außerdem hat der Bundesrat die aus der Anlage ersichtliche Entschließung angenommen. Goppel Amtierender Präsident Bonn, den 15. Mai 1970 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 20. April 1970 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Goppel Amtierender Präsident Entschließung des Bundesrates zum Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 Der Bundesrat begrüßt die Gesetzesinitiative des Deutschen Bundestages im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung. Er sieht die Bedeutung der Neuregelung ausschließlich in der Wiederherstellung einer gerechten Besteuerung. Die grundsätzlichen Bedenken des Bundesrates gegen die Erhebung der Heizölsteuer bestehen unverändert weiter. Der Bundesrat verweist insoweit auf Nummer 3 seiner Stellungnahme zu dem Mehrjährigen Finanzplan des Bundes 1969 bis 1973 — Drucksache 101/70 (Beschluß) —. Er bittet die Bundesregierung, die Notwendigkeit einer steuerlichen Belastung des Heizöls im Hinblick auf die verbesserte Lage des Steinkohlenbergbaus noch vor dem gesetzlich festgelegten Wegfall der Heizölsteuer zu überprüfen. Anlage 3 Umdruck 25 Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD, FDP zum Strukturbericht 1970 der Bundesregierung — Drucksache VI/761 — Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag begrüßt die von der Bundesregierung im Strukturbericht 1970 erneut erklärte Absicht, künftig bei allen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen des Bundes darauf zu achten, daß die höchsten Förderungspräferenzen Berlin und dem Zonenrandgebiet vorbehalten bleiben. Er hält eine gesetzliche Absicherung der bisherigen Förderungsmaßnahmen, insbesondere der Sonderabschreibungen, durch ein Zonenrandförderungsgesetz für erforderlich. Schließlich ist die besondere Priorität des Zonenrandgebietes gegenüber anderen gesetzlich geregelten regionalen Förderungsmaßdurch das Gesetz abzusichern. Darüber hinaus erscheinen wohnungsrechtliche Vorschriften erforderlich, die der besonderen Situation der Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet gerecht werden. Im Rahmen des langfristigen Wohnungsbauprogramms sind in einem gezielten Programm die Einkommensgrenzen und die Fördersätze im sozialen Wohnungsbau den besonderen Belangen der Arbeitnehmer und der Arbeitsmarktstruktur im Zonenrandgebiet anzupassen. Dafür sind auch Wohnungsbaufördermittel für den Bedarf der Facharbeiter und Führungskräfte bereitzustellen. Der Deutsche Bundestag geht davon aus, daß die Bundesregierung weiter periodisch über die Entwicklung im Zonenrandgebiet und über das dort angewandte Präferenzsystem berichtet. Bonn, den 26. Mai 1970 Wehner und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 4 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Riedl (München) (Drucksache VI/809 Frage A 2) : Welche Bundesleistungszentren für den Sport wird der Bund in München nach den Olympischen Spielen 1972 errichten, und welche weiteren Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um die olympischen Anlagen in optimaler Weise für den Leistungssport nutzbar zu machen? In Art. 9 Abs. i Satz 1 und 2 des Konsortialvertrages vom 10. Juli 1967 ist bestimmt, daß die in München errichteten Sportanlagen und Einrichtungen auch nach 1972 für Zwecke des Sports zu nutzen sind. Die Bundesregierung hat die spätere Verwendung eines Teiles der Olympia-Sportstätten als Bundesleistungszentren in ihre langfristigen Planungen einbezogen. Bisher haben sich der Bund Deutscher Radfahrer, der Deutsche Ruder-Verband, der Deutsche Schützen-Bund sowie der Deutsche SchwimmVerband an der späteren Benutzung der OlympiaSportanlagen interessiert gezeigt. Darüber hinaus werden die Anlagen auch nach 1972 für große internationale Wettkämpfe zur Verfügung stehen. Schon jetzt ist vorgesehen, daß im Olympia-Stadion in München Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 ausgetragen werden. Die sonstige Nutzung der Sportanlagen für den übrigen Leistungssport und den Breitensport fällt in Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 2661 den Zuständigkeitsbereich des Landes Bayern und der Stadt München. Da alle Sportanlagen nach den neuesten Erkenntnissen des Sportstättenbaues errichtet werden, bin ich sicher, daß auch insoweit eine optimale Nutzung gewährleistet ist. Teile der Olympia-Anlage in Kiel-Schilksee werden nach den Olympischen Spielen dem Deutschen Seglerverband für die Errichtung eines Bundesleistungszentrums zur Verfügung stehen. Die OlympiaKanu-Slalomanlage in Augsburg kommt ebenfalls als Bundes- oder Landesleistungszentrum in Betracht. Anlage 5 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 26. Mai 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg) (Drucksache VI/809, Fragen A 6 und 7) : Welche Folgerungen gedenkt die Bundesregierung aus der in Nordrhein-Westfalen und anderen Ländern vorgesehenen Neuregelung der Lehrer- und Richterbesoldung für die Besoldung des allgemeinen Verwaltungsdienstes zu ziehen? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um angesichts der allgemeinen Besoldungsentwicklung die Attraktivität des Dienstes in den obersten Bundesbehörden wiederherzustellen? Sie gehen bei Ihrer ersten Frage zutreffend davon aus, daß die Lehrerbesoldung ebenso wie die Richterbesoldung in den Ländern sich in einer von Land zu Land unterschiedlichen Strukturänderung befindet. Sicher ist Ihnen bekannt, daß wegen des hessischen Gesetzes über die Richtergehälter ein Normenkontrollverfahren wegen Verletzung des Bundesrahmenrechts eingeleitet worden ist. Die Veränderungen sind allerdings keineswegs auf die genannten Bereiche beschränkt. Mit Rücksicht auf die hiernach eingetretene Besoldungssituation hat die Bundesregierung bereits den Entwurf für eine Verfassungsänderung beschlossen, durch den dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit auf dem Gebiet der Besoldung zugewiesen werden soll. Im Bundesministerium des Innern sind Vorarbeiten zur Erstellung eines Gesamtkonzepts für die zukünftige Regelung der Besoldung für alle Gruppen von öffentlich-rechtlichen Bediensteten bei Bund und Ländern eingeleitet. Dies entspricht zugleich einem Auftrag, den der Innenausschuß dieses Hohen Hauses am 29. April 1970 aus Anlaß einer Bundesratsvorlage zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes erteilt hat. Die Erarbeitung eines ausgewogenen Gesamtkonzepts schließt ein, daß für die Besoldung des allgemeinen Verwaltungsdienstes eine angemessene Lösung gefunden wird. Selbstverständlich wird es hierbei auch darum gehen, den Dienst in den obersten Bundesbehörden so attraktiv wie möglich zu machen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Bundesministers Genscher vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Böhme (Drucksache VI/809 Frage A 8) : Wird die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative ergreifen für den Fall, daß die Direktwahl in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft in naher Zukunft nicht zustande kommt, mit dem Ziel, die Wahl der deutschen Mitglieder des EuropaParlaments spätestens zusammen mit der nächsten Wahl zum Deutschen Bundestag vorzusehen? Die Bundesregierung beabsichtigt vorläufig nicht, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen, die zum Ziel hätte, die unmittelbare Wahl der deutschen Mitglieder des europäischen Parlaments einzuführen. Art. 138 des EWG-Vertrages bestimmt, ebenso wie die entsprechenden Bestimmungen der beiden anderen Gemeinschaftsverträge, daß die Abgeordneten des Europäischen Parlaments von den nationalen Parlamenten aus ihrer Mitte ernannt werden. Die Legitimation der Abgeordneten des Europäischen Parlaments leitet sich also nach den Verträgen von der Ernennung durch die nationalen Parlamente her. Für die Einführung der unmittelbaren Wahl dieser Abgeordneten sehen die Verträge ein besonderes Verfahren vor. Die Bundesregierung hat deshalb bereits im Jahre 1964 vor dem Bundestag erklärt, daß gegen die Einführung der unmittelbaren Wahl nur für die deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments rechtliche Bedenken bestehen. Sie hat ferner darauf hingewiesen, daß auch politische Überlegungen gegen die Einführung unmittelbarer Wahlen in nur einem oder mehreren Mitgliedstaaten sprechen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat dazu in der 110. Sitzung des 4. Deutschen Bundestags am 5. Februar 1964 wörtlich erklärt, daß „ein Parlament grundsätzlich in seiner Gänze nach denselben Richtlinien, nach denselben Grundsätzen und nach denselben Verfahren gewählt werden sollte". Die jetzige Bundesregierung teilt die seinerzeit erhobenen Bedenken. Sie befürwortet jedoch mit Nachdruck die Einführung der unmittelbaren Wahl des Europäischen Parlamentes in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Um die Erreichung dieses Ziels zu fördern, hat sie im Jahre 1969, nachdem die Beratungen über die Vorschläge des Europäischen Parlaments von 1960 wiederaufgenommen worden waren, im Rat einen vermittelnden Vorschlag für eine Übergangslösung unterbreitet. Nach den deutschen Vorstellungen sollen die Mitglieder des Europäischen Parlaments unter Verdoppelung ihrer Zahl zur Hälfte nach dem jetzt geltenden Schlüssel von den nationalen Parlamenten aus ihrer Mitte entsandt, zur Hälfte nach einem der Bevölkerungszahl in den Mitgliedstaaten entsprechenden Schlüssel unmittelbar gewählt werden. Dieser Vorschlag ist vom Rat eingehend diskutiert worden. Eine Einigung konnte bisher nicht erzielt werden. Auf der Konferenz der Staats- und Regierungschefs in Den Haag am 1./2. Dezember 1969 ist jedoch beschlossen worden, daß die Frage der direkten Wahl vom Rat weiter zu prüfen sei. Der Rat hat sich am 6. März dieses Jahres darüber geeinigt, daß der Ratspräsident in dieser Frage Kontakte mit dem Europäischen Parlament aufnehmen soll. Die ersten Kontakte sollen im nächsten Monat stattfinden. 2662 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 Die Bundesregierung wird weiterhin alles in ihren Kräften stehende tun, damit die Forderung des Europäischen Parlaments nach Einführung der unmittelbaren Wahl verwirklicht wird. Ergänzend weise ich auf die schriftliche Antwort des Herrn Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Dahrendorf vom 8. Mai 1970 auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Slotta hin, in der der Wille der Bundesregierung zur Förderung der Bemühungen um Einführung der unmittelbaren Wahl des Europäischen Parlaments ebenfalls bekräftigt wird. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 26. Mai 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Beermann (Drucksache VI/809 Fragen A 51 und 52) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß insbesondere Eltern, die jetzt im hohen Alter stehen und die ihre Kinder im Krieg verloren haben, bittere Not leiden, da sie lediglich auf sehr niedrige Elternrenten aus dem Bundesversorgungsgesetz angewiesen sind und ein Zuverdienst nur in geringem Maß ohne Beeinträchtigung der Rente möglich ist? Beabsichtigt die Bundesregierung, das Bundesversorgungsgesetz so zu ändern, daß alle Kriegseltern über 65 Jahre unbeschadet etwaiger Arbeitsverdienste in den Genuß ihrer Elternrenten kommen? Zunächst darf ich darauf hinweisen, Herr Kollege, daß der Anspruch der Kriegereltern nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht nur, wie sich aus Ihrer Frage ergeben könnte, die eigentliche Elternrente beinhaltet, sondern auch ,die Leistungen der Kriegsopferfürsorge. Dazu gehört in diesem Zusammenhang vor allem der Anspruch auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, bei der weitgehead die Verhältnisse des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Sollten Ihnen Fälle bekannt sein, in denen Kriegereltern trotz dieser Regelung besondere materielle Not leiden, so wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir die 'für eine Nachprüfung notwendigen Angaben übermitteln würden. Zu den Elternrenten im eigentlichen Sinne möchte ich ferner anmerken, daß sie nach dem Zweiten Anpassungsgesetz für die Kriegsopferversorgung, dessen Entwurf Ihnen inzwischen als Drucksache vorliegt, mit Wirkung vom 1. Januar 1971 ebenfalls an die wirtschaftliche Entwicklung angepaßt werden sollen. Im übrigen darf ich zu Ihrer Frage nach Gewährung von Elternrenten 'unbeschadet etwaiger Arbeitsverdienste darauf hinweisen, daß wir uns mit diesem schwierigen. Problem in den zuständigen Ausschüssen wiederholt befaßt haben. Dabei hat sich gezeigt, daß in allen Bereichen unseres öffentlichen Leistungsrechts zu den Voraussetzungen für Hinterbliebenenrenten an Eltern auch das wirtschaftliche Bedürfnis gehört. Das gilt für die gesetzliche Unfallversicherung ebenso wie für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge, das Bundesentschädigungsgesetz und schließlich auch die Kriegsopferversorgung. Insofern wäre es schwierig, eine Sonderregelung für den Bereich des Bundesversorgungsgesetzes zu schaffen. Das soll jedoch nicht heißen, daß wir die Elternversorgung ,allgemein als abschließend geregelte Materie betrachten. Die Bundesregierung wird auf diese Frage im Zuge der weiteren .Entwicklung des Versorgungsrechts ihre besondere Aufmerksamkeit richten. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Unland (Drucksache VI/809 Frage A 55) : Ist für die Erste und Zweite Angestelltenprüfung gemäß § 25 BAT und Anlage 3 dazu ab 1. September 1970 ausschließlich § 46 des Berufsbildungsgesetzes maßgebend, oder gilt weiter uneingeschränkt das Tarifrecht? Im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern möchte ich darauf hinweisen, daß § 25 BAT und Anlage 3 zum BAT lediglich Vorschriften über die Eingruppierung und die Höhergruppierung sowie die dafür erforderlichen Prüfungen enthalten, und zwar ausschließlich für den kommunalen Bereich. Dauer und Anforderungen der Lehrgänge, die mit der Ersten oder Zweiten Prüfung für Angestellte abschließen, sind im BAT nicht geregelt. Um Ihre Frage im übrigen beantworten zu können, ist es unerläßlich, hierzu zunächst noch Unterlagen von den Ländern beizuziehen. Ich bitte deshalb, Herr Kollege, um Ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Beantwortung, die durch den Herrn Bundesminister des Innern erfolgen wird. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Rohde vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Unland (Drucksache VI/809 Frage A 56) : Bedeutet nach Auffassung der Bundesregierung der Satz in § 46 des Berufsbildungsgesetzes kann die zuständige Stelle Prüfungen durchführen", daß diese zuständige Stelle künftig ausschließlich zuständig ist oder nur subsidiär neben anderen bereits bestehenden Einrichtungen? Nach § 46 Abs. 1 des Berufsbildungsgesetzes kann die zuständige Stelle zum Nachweis von Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen, die durch berufliche Fortbildung erworben worden sind, Prüfungen durchführen. Wenn die zuständige Stelle von dieser Befugnis Gebrauch macht, regelt sie nach dem Gesetz den Inhalt, das Ziel, die Anforderungen und das Verfahren dieser Prüfungen sowie die Zulassungsvoraussetzungen und errichtet Prüfungsausschüsse. Das heißt nicht, daß nicht auch andere Einrichtungen Prüfungen im Bereich der beruflichen Fortbildung durchführen können. Allerdings kommt diesen Prüfungen die gleiche Bedeutung wie den Prüfungen der zuständigen Stelle nur dann zu, wenn diese Prüfungen den Prüfungen der zuständigen Stelle gem. § 43 des Berufsbildungsgesetzes durch Rechtsverordnung gleichgestellt werden. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 26. Mai 1970 auf die Mündlichen Fragen der Abgeordneten Ernesti und Dr. Klepsch (Drucksache VI/809 Fragen A 58 und 59) : Ist ausreichend Vorsorge getroffen, daß schwerbeschädigte Soldaten so verwendet werden, wie es ihrem Leistungsvermögen Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 2663. und ihren Fähigkeiten entspricht (Schwerbeschädigtenerlaß Nr. 76, VMBl. 66/Nr. 13) ? Ist es zutreffend, daß die neuen Richtlinien für Beurteilungen von Soldaten keine Hinweise auf die Beurteilungsbestimmungen des Schwerbeschädigtenerlasses enthalten (VMBl. 66/Nr. 13) ? Es war und ist ein besonderes Anliegen aller Truppenteile und vor allem der personalbearbeitenden Stellen in der Bundeswehr, Schwerbeschädigte Soldaten sinnvoll und entsprechend ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten zu verwenden. In den Beurteilungsbestimmungen ist ausdrücklich angeordnet, daß bei Körperbeschädigten Art und Grad der Erwerbsminderung und die körperlich bedingten Eignungseinschränkungen anzugeben sind. Die Einschaltung von Sanitätsoffizieren ist sichergestellt. Ihr Urteil ist eine wesentliche Grundlage für alle Personalentscheidungen über den betreffenden Soldaten. Der Schwerbeschädigtenerlaß vom 18. Mai 1966, der im Ministerialblatt des Bundesministers der Verteidigung veröffentlicht worden ist, ist als generelle Regelung unverändert in Geltung. Es wurde daher nicht für notwendig erachtet, in den Beurteilungsbestimmungen noch einmal ausdrücklich auf ihn zu verweisen. Um die Truppe gleichwohl erneut über den Erlaß zu unterrichten, ist beabsichtigt, sie noch einmal in geeigneter Form auf ihn hinzuweisen. Im übrigen soll auch bei der für Herbst 1970 vorgesehenen Überarbeitung der Beurteilungsbestimmungen auf Grund der dann vorliegenden Truppenerfahrungen auf den Schwerbeschädigtenerlaß verwiesen werden. Darüber hinaus sind im Verteidigungsministerium Richtlinien für die Ausbildung wehrdienstbeschädigter Soldaten in Bearbeitung. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Dr. Klepsch (Drucksache VI/809 Frage A 60) : Ist im Bundesministerium der Verteidigung bekannt, daß der Bedarf der Geräteeinheiten und der Sicherungseinheiten im Rahmen der Territorialverteidigung nur zu einem geringen Teil mit voll ausgebildeten Grenadieren abgedeckt ist? Geräteeinheiten und Sicherungseinheiten rekrutieren sich im wesentlichen aus dem standortnahen Bereich. Nur so ist eine schnelle Alarmierung sicherzustellen. Soweit in diesem engen Bereich nur ein geringes Aufkommen an voll ausgebildeten Grenadieren vorhanden ist, muß auf Reservisten mit einer anderen Ausbildung zurückgegriffen werden. Ein möglichst hoher Anteil an ausgebildeten Grenadieren in den Einheiten ist zwar wünschenswert, aber nicht unbedingt erforderlich. Die Reservisten, die alle eine infanteristische Grundausbildung mitgemacht haben, werden nämlich in Wehrübungen auf den militärischen Auftrag hin besonders ausgebildet. Zur Zeit werden jedoch Überlegungen angestellt, durch eine Erweiterung des Einzugsbereichs zu einer Erhöhung des Anteils an Reservisten aus Grenadiereinheiten zu kommen. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Bremer (Drucksache VI/809, Frage A 63) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß es nicht vertretbar ist, noch länger auf endgültige Ergebnisse der langjährigen flugmedizinischen Untersuchungen über die Belastungswerte von Flugzeugführern zu warten und statt dessen die vorliegenden Ergebnisse auszuwerten? Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß ,es zur endgültigen Klärung der Belastung der Flugzeugführer ,der verschiedenen Luftfahrzeuge einer ausgedehnten wissenschaftlichen Forschung bedarf. Natürlich wurden die bisherigen Teilergebnisse ausgewertet. Sie sind zur Zeit Gegenstand von Erörterungen innerhalb der zuständigen Ressorts. Ergebnisse dieser Besprechungen stehen noch aus. Die Teilergebnisse können jedoch nur als Grunderkenntnis angesehen werden. Sie bedürfen zu ihrer Fundierung weiterer wissenschaftlicher Arbeiten, insbesondere durch Untersuchungen in der realistischen Flugbelastung. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage .des Abgeordneten Bremer (Drucksache VI/809, Frage A 64) : Wird die Bundesregierung bei der von ihr in Aussicht gestellten Neuregelung der Fliegerzulage die besonderen Belastungen der Fluglehrer entsprechend berücksichtigen? Bei den innerhalb der Bundesregierung laufenden Erörterungen über Verbesserungen der Fliegerzulage wird auch die Gewährung eines besonderen Zuschlags an Flugzeugführer erwogen, die als Fluglehrer eingesetzt sind. Die Beratungen über den Gesamtkomplex sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 26. Mai 1970 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Petersen (Drucksache VI/809 Fragen A 67 und 68) : Nach welchen Gesichtspunkten wurde die Richtlinienkommission für den Bundesjugendplan beim Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zusammengesetzt, und gehört dieser Kommission ein Vertreter der Internationalen Gemeinschaftsdienste an? Wenn nein, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß die Internationalen Gemeinschaftsdienste wesentlich zur internationalen Begegnung beitragen, zumal sie ja keine flüchtigen Begegnungen, sondern gemeinsame konstruktive Arbeiten vermitteln? Bei der Zusammensetzung der Richtlinienkommission hat sich das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit bemüht, möglichst weitgehend die Bereiche der Jugendhilfe zu berücksichtigen. Zugleich war jedoch im Interesse der besseren Arbeitsfähigkeit der Kommission der Mitgliederkreis klein zu halten. Eine Reihe durchaus verständlicher Wünsche, in der Kommission mitarbeiten zu können, mußte daher unerfüllt bleiben. Um dennoch eine möglichst umfassende Beratung des Ministeriums sicherzustellen, lädt das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit von Fall zu 2664 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 Fall zu den Sitzungen der Kommission Sachverständige ein, die mit den zur Beratung anstehenden Punkten besonders vertraut sind. Aus diesem Grunde wurde zu der Sitzung der Kommission am 13. und 14. dieses Monats, in der die internationale Jugendarbeit behandelt wurde, die Arbeitsgemeinschaft internationaler sozialer Dienste in Köln als in diesem Bereich zur Zeit federführende Stelle gebeten, einen Vertreter zu entsenden. Den zweiten Teil Ihrer Frage beantworte ich mit Ja. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 26. Mai 1970 auf die Mündliche Frage des Abgeordneten Leicht (Drucksache VI/809 Frage A 69) : Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung für das deutsche Weingesetz aus der EWG-Marktordnung ziehen? Nach Art. 189 des EWG-Vertrages sind Verordnungen des Rates und der Kommission in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Das hat zur Folge, daß deutsches Recht, soweit es zu einer EWG-Verordnung in Widerspruch steht, nicht anwendbar ist. Mithin ist auch das deutsche Weinrecht nur noch insoweit anwendbar, als es den sogen. Grundverordnungen, d. h. den Verordnungen Nr. 816 und 817 des Rates vom 28. April 1970, sowie den unmittelbar bevorstehenden Zusatzverordnungen des Rates und der Kommission nicht widerspricht. Die Bundesregierung ist um einen möglichst umgehenden Erlaß der erforderlichen Durchführungsvorschriften bemüht. Es ist allerdings darauf aufmerksam zu machen, daß zahlreiche deutsche Durchführungsvorschriften erst erlassen werden können, wenn zuvor der Rat und die Kommission die in den beiden Grundverordnungen vorgesehenen zusätzlichen Verordnungen erlassen haben. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Westphal vom 26. Mai 1970 .auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Arnold (Drucksache VI/809 Fragen A 71 und 72) : Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die uneingeschränkte Verbreitung von Tageszeitungen und politischen Zeitschriften pornographischen Inhalts auch an Jugendliche, die in St. Pauli/Hamburg in Millionenauflage hergestellt werden, bedenklich ist? Welche Maßnahmen kann und will die Bundesregierung ergreifen, wenn sie die Massenverbreitung von Pornozeitungen an die heranwachsende Jugend nicht billigt? Die in Hamburg produzierten und zur Zeit in der Bundesrepublik verbreiteten Druckschriften „St. Pauli-Nachrichten" und „St. Pauli-Zeitung" sind nach Auffassung der Bundesregierung „unsittliche" Publikationen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften. Deshalb wurden seit November 1969 vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und antragsberechtigten obersten Landesjugendbehörden bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften insgesamt fünf Indizierungsanträge für die „St. Pauli-Nachrichten" und sechs für die „St. Pauli-Zeitung" gestellt. Die Bundesprüfstelle hat allen Anträgen entsprochen und die Objekte damit den Vertriebs- und Werbebeschränkungen der §§ 3-5 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften unterworfen. Das gleiche gilt für eine Reihe ähnlicher Blätter (z. B. „St. Pauli-Anzeiger", „Schwabing aktuell", „Münchener Boulevard-Zeitung"). Bei verschiedenen Staatsanwaltschaften und Gerichten sind Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Hersteller und Verbreiter vorgenannter Schriften anhängig unter dem Gesichtspunkt des § 6 I des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (offensichtlich schwer jugendgefährdende Schriften), teilweise auch des § 184 StGB (unzüchtige Schriften). Um die Verbreitung unter Jugendlichen zu verhindern, wurde angestrebt, je drei Ausgaben der „St. Pauli-Nachrichten" und „St. Pauli-Zeitung" in die Liste der jugendgefährenden Schriften aufnehmen zu lassen und damit eine Dauerindizierung auf längstens 12 Monate gemäß § 7 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu ermöglichen. Die formellen Voraussetzungen für eine Dauerindizierung sind bei diesen beiden auflagenstärksten Blättern gegeben; bei den anderen Schriften gleichen Charakters wird die Dauerindizierung im Interesse einer Gleichbehandlung ebenfalls betrieben. Um in den Genuß dieser Ausnahmebestimmung zu kommen, bringen die beiden St. Pauli-Blätter seit einiger Zeit in kleinerer Auflage gekürzte tägliche Ausgaben heraus. Überdies hat der Herausgeber der St. Pauli-Zeitung seine Zeitung zum „Parteiorgan" der von ihm gegründeten sogenannten „Deutschen Sexpartei" bestimmt. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat darauf ein 'Gutachten des Instituts für Zeitungsforschung Dortmund und des Bundesinnenministeriums eingeholt. Beide Gutachten kommen nach Prüfung mehrerer Ausgaben über einen längeren Zeitraum hinweg zu der Auffassung, daß es sich bei den Tages- und Wochenendausgaben beider Blätter nicht um seine Zeitung im Sinne des § 7 des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften handelt. Unter Verwendung dieser Gutachten wird die Bundesprüfstelle in der Sitzung am 5. Juni 1970 über die Dauerindizierung verhandeln und entscheiden.
Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605200000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe folgendes bekanntzugeben.
Für die am 14. Mai 1970 durch Verzicht ausgeschiedene Abgeordnete Frau Dr. Elsner ist mit Wirkung vom 21. Mai 1970 der Abgeordnete Staak in den Bundestag eingetreten. Ich begrüße ihn und wünsche ihm eine gute und erfolgreiche Arbeit in unserer Mitte.

(Beifall.)

Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 6. Mai 1970 für den verstorbenen Abgeordneten Burgemeister den Abgeordneten Dr. Huys als Schriftführer benannt. Das Haus ist damit einverstanden? — Kein Widerspruch; damit ist der Abgeordnete Dr. Huys als Schriftführer gewählt.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 25. Mai 1970 an Stelle der ausgeschiedenen Abgeordneten Frau Dr. Elsner den Abgeordneten Wolfram als Mitglied des Europäischen Parlaments benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Damit ist der Abgeordnete Wolfram als Mitglied des Europäischen Parlaments gewählt.
Es liegt Ihnen, meine Damen und Herren, folgende Liste von Vorlagen vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:
Vorlage des Bundeskanzlers
betr. Zwischenbericht der Bundesregierung über die Lage
von Presse und Rundfunk in der Bundesrepublik Deutschland
Bezug: Beschluß des Bundestages vom 2. Juli 1969
— Drucksache VI/692 —
zuständig: Innenausschuß (federführend), Ausschuß für Wirtschaft Vorlage des Sprechers der Deutschen Delegation bei der Beratenden Versammlung des Europarates
betr. Bericht über die Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates vom 17. bis 23. April 1970 in Straßburg
— Drucksache VI/767 —
zuständig: Auswärtiger Ausschuß
Vorlage des Präsidenten des Bundesrates
betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung und der Bundesvermögensrechnung für das Haushaltsjahr 1967
— Drucksache VI/786 —
zuständig: Haushaltsausschuß
Erhebt sich gegen die beabsichtigte Überweisung
Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 15. Mai 1970 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung mietpreisrechtlicher und wohnungsrechtlicher Vorschriften in der Freien und Hansestadt Hamburg sowie in der kreisfreien Stadt München und im Landkreis München
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über eine Schlachtgewichtsstatistik
Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über befristete Freistellung von der deutschen Gerichtsbarkeit
Gesetz zur Änderung des Kaffeesteuergesetzes und des Teesteuergesetzes
Drittes Gesetz zur Änderung des Zuckersteuergesetzes
Gesetz zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Speiseessig)

Gesetz zu dem Abkommen vom 17. September 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern bei den Unternehmungen der Luftfahrt
Gesetz zu dem Vertrag vom 31. Mai 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über zoll- und paßrechtliche Fragen, die sich an der deutschösterreichischen Grenze bei Staustufen und Grenzbrücken ergeben
Gesetz zum Revisionsprotokoll vom 9. Juni 1969 zu dem am 21. Juli 1959 in Paris unterzeichneten Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amt- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern
Gesetz zu dem Vertrag vom 4. Juli 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg
Gesetz zu dem Abkommen vom 23. Juli 1968 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Malaysia über den Luftverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten und darüber hinaus
Gesetz zu dem Abkommen vom 25. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über den Luftverkehr
Gesetz zu dem Abkommen vom 5. November 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Italienischen Republik über die Erstattung der Aufwendungen für Sachleistungen, welche von den italienischen Trägern der Krankenversicherung in Italien an Familienangehörige in der Bundesrepublik Deutschland versicherter italienischer Arbeitnehmer gewährt wurden, durch die deutschen zuständigen Träger der Krankenversicherung
Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964
Zum Gesetz zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 hat der Bundesrat ferner eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.
Der Bundesrat hat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich der folgenden Gesetze zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird:



Vizepräsident Dr. Schmid
Gesetz zur Änderung von Kostenermächtigungen, sozialversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften (Kostenermächtigungs-Änderungsgesetz)

Verwaltungskostengesetz (VwKostG)

Seine Schreiben sind als Drucksachen VI/783, VI/784 verteilt.
In der gleichen Sitzung hat der Bundesrat beschlossen, zum Dritten Gesetz zur Reform des Strafrechts (3. StrRG) einen Einspruch gemäß Artikel 77 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht einzulegen. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/785 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat .am 5. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Unland, Katzer, van Delden, Mick, Dr. Becker (Mönchengladbach), Winkelheide, Ott, Vogt, Dr. Burgbacher, Köster, Dr. Warnke, Dr. Götz, Dr. Giulini, Russe, Horten, Niegel, von Bockelberg, Dr. Schwörer, Frau Griesinger, Dr. Marx (Kaiserslautern), Dr. Kliesing (Honnef), Dr. Badi, Rommerskirchen und Genossen betr. Auswirkungen der Osthandelspolitik der Bundesregierung auf die deutsche Textilindustrie und Bekleidungsindustrie — Drucksache VI/630 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/754 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat am 6. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Springorum, Lampersbach, Dr. Luda, Russe und Genossen betr. zusätzliche Öllieferungen aus den USA im Falle einer neuen Nahostkrise — Drucksache VI/654 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/756 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat am 8. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann und Genossen betr. Beseitigung der höhengleichen Bahnübergänge — Drucksache VI/649 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/764 verteilt.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat
am 12. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Schirmer, Dr. Schmitt-Vockenhausen, Dr. Müller-Emmert, Müller (Mülheim), Wrede, Wende, Metzger, Dr. Müller (München), Schmidt (München), Schmidt (Kempten), Jung, Krall und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Bundesjugendplan, Bundesjugendspiele — Drucksache VI/627 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/777 verteilt.
Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat am 14. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller (Remscheid), Ziegler, Frau Kalinke, Breidbach, Mick und Genossen betr. Berufsbildungsgesetz — Drucksache VI/535 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/778 verteilt.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat
am 13. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Engholm, Hansen, Dr. Schmidt (Krefeld), Walkhoff, Wichert und Genossen und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Eurotransplant Foundation — Drucksache VI/663 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/791 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 15. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Vogt, Benda, Winkelheide und Genossen betr. Bundeszuschüsse an die zentralen Hilfsorganisationen für Erste Hilfe — Drucksache VI/685 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/799 verteilt.
Der Bundesminister des Innern hat am 15. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP betr. Statistische Datenbank — Drucksache VI/662 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/801 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 20. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauser (Sasbach), Leicht, Röhner, Niegel, Krammig, Biechele, Burger und Genossen betr. Gestaltung des Branntweinmonopols im Gemeinsamen Markt — Drucksache VI/759 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/803 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 20. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Pohle, Dr. Kreile, von Bockelberg, Leicht und Genossen betr. umsatzsteuerliche Behandlung ausländischer ständiger diplomatischer Vertretungen — Drucksache VI/747 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/804 verteilt.
Der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit hat am 21. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Meinecke (Hamburg), Dr. Schmidt (Krefeld) und der Fraktionen der SPD, FDP betr. Pockenschutz — Drucksache VI/547 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/805 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 22. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Dr. Riedl (München), Dr. Schneider (Nürnberg), Dr. Probst, Niegel, Dr. Kreile, Geisenhofer und Genossen betr. Erhaltung der Biersteuermengenstaffel — Drucksache VI/750 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache VI/807 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft hat am 21. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Springorum, Russe, van Delden und der Fraktion der CDU/CSU betr. Energiepolitik — Drucksache VI/700 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/810 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen hat am 21. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Dr. Dollinger, Dr. Riedl (München), Wagner (Günzburg) und Genossen betr. Betriebsergebnis der Deutschen Bundespost für das Jahr 1970 — Drucksache VI/749 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/811 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 22. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Strauß, Stücklen, Höcherl und
Genossen betr. Erhebung über die Investitionsprogramme der Bundesregierung — Drucksache V1/758 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/812 verteilt.
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister fur Wirtschaft hat am 22. Mai 1970 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Sprung, Dr. Warnke, Rock, Seiters, Dr. Müller-Hermann, Franke (Osnabrück), Dr. Huys, Dr. Unland, Dr. Reinhard, Storm, Dr. Ritz und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU betr. Regionale Aktionsprogramme — Drucksache VI/748 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache VI/813 verteilt.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 12. bzw. 13. Mai 1970 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die inzwischen bereits veröffentlichte
Verordnung des Rates, mit der die Niederlande ermächtigt werden, besondere Interventionsmaßnahmen bei Äpfeln anzuwenden
Verordnung des Rates über bestimmte Verwendungsarten für Apfel, die Gegenstand von Interventionen waren
— Drucksache VI/553 —
Verordnung des Rates über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik
Verordnung des Rates mit zusätzlichen Vorschriften für die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik
— Drucksache V14677 —
keine Einwendungen erheben hat.
Die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. September 1969 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Vereinigten Republik Tansania, der Republik Uganda und der Republik Kenia sowie zu dem Internen Durchführungsabkommen ist als zu Drucksache VI/725 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
EWG-Vorlagen
Verordnung des Rates über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für gesalzenen Seelachs der Tarifnummer ex 03.02 A I f des Gemeinsamen Zolltarifs
— Drucksache VI/711 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über die Regelung für Rohtabak mit Ursprung in den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar oder den überseeischen Ländern und Gebieten
— Drucksache VI/712 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates betreffend die Einführung eines gemeinsamen Verfahrens für die autonome Erhöhung der Einfuhr von Erzeugnissen in die Gemeinschaft, die in den Ausfuhrländern Gegenstand von Ausfuhrselbstbeschränkungen sind
— Drucksache VI/727 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Memorandum 'der französischen Regierung über die Modalitäten für eine Verstärkung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der industriellen und wissenschaftlichen Entwicklung in Europa
— Drucksache VI/728 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft (federführend), Ausschuß für Bildung und Wissenschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Ausdehnung des Anhangs der Verordnung (EWG) Nr. 109/70 des Rates vom 19. Dezember 1969 zur Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die Einfuhr aus Staatshandelsländern auf weitere Einfuhren (1. Erweiterung)
— Drucksache VI/755 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Bestimmung der Tafelweinarten
Verordnung des Rates zur Festsetzung der Orientierungspreise für die Zeit vom . . . 1970 bis zum 15. Dezember 1970
Verordnung des Rates mit Grundregeln für die Festsetzung des Referenzpreises für Wein
Verordnung des Rates zur Definition bestimmter aus Drittländern stammender Erzeugnisse der Zolltarifnummern 22.04 und 22.05
— Drucksache VI/768 —



Vizepräsident Dr. Schmid
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Ergänzung der Verordnung (EWG) Nr. 1898/68 zur Festlegung der Maßnahmen betreffend die Grundquoten für Zucker im Falle der Zusammenlegung oder Veräußerung von Unternehmen und im Falle der Veräußerung oder Verpachtung von Fabriken
— Drucksache VI/769 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates zur Festsetzung der Auslösungspreise für bestimmte Tafelweinarten für die Zeit vom . . . bis zum 15. Dezember 1970
— Drucksache VI/770
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung des Rates über Qualitätsschaumweine der Gemeinschaft
— Drucksache VI/771 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe
Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und Verwendung der auf diese Weise freigesetzten landwirtschaftlichen Fläche für Zwecke der Agrarstrukturverbesserung
Vorschlag einer Richtlinie des Rates betreffend die sozioökonomische Information und berufliche Qualifikation der in der Landwirtschaft tätigen Personen
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Begrenzung der landwirtschaftlich genutzten Fläche
Vorschlag einer Richtlinie des Rates über ergänzende Bestimmungen zu den Richtlinien des Rates über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe und über die Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und die Bereitstellung der landwirtschaftlichen Nutzfläche für Zwecke der Agrarstrukturverbesserung
Geänderter Vorschlag einer Verordnung des Rates betreffend die landwirtschaftlichen Erzeugergemeinschaften und ihre Vereinigungen
— Drucksache VI/788 —
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend), Ausschuß für Wirtschaft, Haushaltsausschuß mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Richtlinien des Rates über die Harmonisierung der wesentlichen Bestimmungen auf dem Gebiet der Deckung von kurzfristigen Risiken (Politische Risiken) öffentlicher und privater Käufer
— Drucksache VI/789 —
überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat
Verordnung (EWG) Nr. 774/70 des Rates vom 28. April 1970 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für Blumenkohl
überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Berichterstattung innerhalb eines Monats, wenn im Ausschuß Bedenken gegen den Vorschlag erhoben werden
Wir treten in .die Tagesordnung ein. Die Fragestunde soll heute nachmittag abgehalten werden. Wir beginnen mit Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Beratung des Strukturberichts 1970 der Bundesregierung
— Drucksache VI/761 —
b) Erste Beratung des von dem Abgeordneten
Dr. Warnke und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Zonenrandgebietes (Zonenrandförderungsgesetz)

— Drucksache VI/796 —
Herr Abgeordneter Gewandt!

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0605200100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der uns vorgelegte Strukturbericht der Bundesregierung ist nicht so schön, wie er gefärbt ist. Wir sind zwar sehr erfreut darüber, feststellen zu können, daß die Bundesregierung in dem Strukturbericht zu der Auffassung gelangt, daß eine quantitative Erhöhung des Bruttosozialprodukts sehr wesentlich beeinflußt wird durch eine überzeugende Strukturpolitik — das ist, wie ich glaube, eine gewisse Abkehr von der Überbetonung der Konjunkturpolitik für das Wachstum —, aber wir vermissen in diesem Bericht sehr viel Konkretes.
Dieser Bericht ist eine Aufzählung von Maßnahmen, die zum Teil seit vielen Jahren laufen und die man ohne weiteres dem Haushaltsplan des Bundes entnehmen könnte. Die Bundesregierung hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht Maßnahmen zur weiteren Ausgestaltung der Strukturpolitik in Aussicht gestellt. Sie hat von einer Strukturpolitik aus einem Guß gesprochen. Das ist eine gute Absichtserklärung, aber leider vermissen wir nun die Realisierung dieser Absichtserklärung. Es wird gesagt, daß man zur Erreichung der angekündigten strukturpolitischen Ziele zu einer besseren Koordinierung der Raumordnung, der Agrarstrukturpolitik, der Arbeitsmarktpolitik, der Berufsausbildungspolitik, der regionalen und sektoralen Wirtschaftspolitik kommen müsse. Auch die Politik für kleine und mittlere Unternehmen wird hier als notwendig angesprochen.
Wenn wir nun aber den Bericht studieren, finden wir von all dem kaum etwas. Vor allen Dingen vermissen wir ein geschlossenes Konzept. Was hier vorliegt, ist kein geschlossenes Konzept, sondern ein Katalog von Einzelmaßnahmen, die sich allenfalls mit den Auswirkungen gewisser struktureller Mängel befassen.
In diesem Zusammenhang ist eines interessant, nämlich der Ausgangspunkt. Herr Arndt, in diesem Bericht wird gesagt, daß das große Heil der Strukturpolitik im Jahre 1967 eingetreten sei. Warum, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob Sie damit auf die Veränderung der politischen Konstellation Bezug nehmen wollen und sagen wollen, das Zeitalter der guten Strukturpolitik habe erst begonnen, als die Freien Demokraten die Bundesregierung verlassen haben. Ich glaube, man muß hervorheben, daß die Richtlinien und Grundsätze der Strukturpolitik bereits im Jahre 1965 von der Bundesregierung konzipiert worden sind.
Ich meine, daß eine fundierte Strukturpolitik ein Element der wirtschaftspolitischen Stabilität sein müßte. Sie muß im Gegensatz zu den oft sporadischen, widersprüchlichen und hektischen Entscheidungen der Konjunkturpolitik stehen. Wenn wir einmal die Situation unserer Wirtschaft in der heutigen Zeit betrachten, werden wir feststellen, daß wir gerade in den 70er Jahren nicht mehr mit einer Vermehrung von Arbeitskräften zur Steigerung der Produktivität zu rechnen haben. Das wirtschaftliche Wachstum wird bei uns vielmehr im wesentlichen vom technischen und wissenschaftlichen Fortschritt bestimmt sein. Jeder modernen Industriegesell-



Gewandt
schaft ist der Strukturwandel immanent. Für uns ist Strukturpolitik ein wesentliches Element des wirtschaftlichen Wachstums. Sie hat damit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch sozialpolitische Bedeutung.
Nun gibt es hinsichtlich der Strukturpolitik einen alten Streit. Das wird auch in dem Bericht der Bundesregierung sehr deutlich. Auf der einen Seite wird behauptet, es sei entscheidend, in der Phase der Hochkonjunktur Strukturpolitik zu betreiben, denn nur in Zeiten der Hochkonjunktur sei man in der Lage, die leistungsschwachen Regionen zu aktivieren und ihre Leistungskraft auf die Dauer zu steigern. In der Phase der Hochkonjunktur müßten Investitionsanreize gegeben werden und die Infrastruktur verbessert werden, um einen neuen Arbeitsmarkt zu erschließen und um einer 'Rezession vorzubeugen.
Auf der anderen Seite wird natürlich immer wieder eingewandt, in der Hochkonjunktur stünden die Mittel nicht zur Verfügung; man liefe sonst Gefahr, die Konjunktur zu stark anzuheizen. In Zeiten der Rezession wird dann mit Recht eingewandt, man sei nun ja nicht in der Lage, die nötigen Mittel zu mobilisieren. Ich meine, daß dieses immer wiederkehrende Phänomen — ich möchte das jetzt nicht als eine Kritik an der derzeitigen Regierung verstanden wissen — Anlaß geben sollte, zu durchdenken, ob man nicht zu neuen Prioritäten kommen muß. Jede Verbesserung der Produktionskombination und jede Mobilisierung der Leistungsreserven in den Randgebieten ides Wirtschaftsprozesses sind wachstumspolitisch wirksam und zukunftsorientiert. Wir müssen deshalb auch bei den konjunkturbedingten Investitionsprogrammen nach Möglichkeit die strukturpolitisch wichtigen Investitionen bevorzugen.
Nun sagt die Bundesregierung in ihrem Strukturbericht, daß es ihr nicht gelungen ist, ein umfassendes Konzept vorzulegen, und sie beschränkt sich leider auf Teilaspekte. Man könnte sagen: über Raumordnung und Städtebau wird ja noch ein Bericht vorgelegt. Das Bedauerliche ist aber, daß auf einen ganz entscheidenden Punkt unserer Wirtschaftspolitik in diesem Bericht kein Bezug genommen wird, und das sind die Grundsätze einer unternehmensgrößenbezogenen Strukturpolitik. Auch hier hat es wiederholt Ankündigungen gegeben. So wurde beispielsweise im Jahre 1969 angekündigt, man wolle diese Grundsätze demnächst vorlegen. Leider gibt es bisher nur Beratungsgruppen im Bundesministerium für Wirtschaft und keine konkreten Angaben.
Nach unserer Auffassung müßte zu folgenden Problemen Stellung genommen werden: zum Problem der Unterkapitalisierung in vielen Bereichen der deutschen Wirtschaft, zur Frage der Gründung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften, zum Thema der Erleichterung des Zulassungsverfahrens und der Zulassungsvoraussetzung für Rationalisierungskartelle. Es müßte mehr gesagt werden über die Kooperationsförderung, mehr über die Gemeinschaftsforschung und — das, meine ich, muß hier auch einmal deutlich gesagt werden — über die Entwicklung neuer Technologien außerhalb der Großbetriebe.
Wir finden zum Thema der betriebsgrößenorientierten Strukturpolitik keine Angaben. Insbesondere werden alle jene Bereiche ausgelassen, die von großer Bedeutung sind und in denen der Strukturwandel sich am rapidesten vollzieht. Ich denke dabei an den tertiären Sektor. In immer größerem Maße wächst die Zahl der Selbständigen in diesem Bereich. Aber auch die Zahl der Arbeitnehmer, die im tertiären Bereich beschäftigt werden, nimmt rapide zu. Zu dieser Frage, der Frage der Ordnung der Dienstleistungsmärkte, ist in dem Bericht nichts gesagt worden.
Darüber hinaus — ich deutete es schon an — wird über den rasanten Strukturwandel beispielsweise im Einzelhandel, in dem immerhin in den letzten Jahren 26 000 Betriebe ausgeschieden sind, kein Wort verloren. Es werden nicht die Gründe für diesen Strukturwandel angegeben, und es wird nicht gesagt, was man tun könne, um den Strukturwandlungsprozeß für die Betroffenen zu erleichtern.
Natürlich wird in dem Bericht der Bundesregierung auch über den technischen Fortschritt und zukunftsweisende Produktionszweige gesprochen. Es werden eine Reihe von Beispielen angeführt: Flugzeugbau, Datenverarbeitung, Schiffbau. Dabei wäre zu sagen: die Regierung vergißt hier, darzulegen, daß für den Schiffbau gerade nach der Aufwertung bereits im vergangenen Jahr ein Programm hätte erwartet werden müssen. Es ist erst jetzt gekommen. Aber — und das ist interessant — auch hier werden nur einige Bereiche der Großwirtschaft genannt, und auch hier ist eine betriebsgrößenorientierte Strukturpolitik zu vermissen.
Wir wissen alle, daß sich gewisse Erkenntnisse allmählich durchsetzen. Als Servan-Schreiber sein Buch über die „Amerikanische Herausforderung" schrieb, war er damals noch der Auffassung, daß man den Giganten der amerikanischen Wirtschaft entsprechende europäische Großbetriebe entgegensetzen müsse. Heute, bei seinen Programmen für ein neues Frankreich, kommt er zu einer sehr viel differenzierteren Auffassung über die adäquate Struktur einer Wirtschaft, die sich im modernen Leben behaupten soll.
Wir wissen, daß die Leistungsfähigkeit und der Anteil der kleineren und mittleren Unternehmen an der Gesamtwirtschaft ständig steigt und daß viele bahnbrechende technische Ideen aus diesem Bereich kommen. Es gibt in den Vereinigten Staaten einen Bericht des Senatsausschusses für Antitrust- und Monopolfragen, in dem das bestätigt wird. Wir alle wissen aus der Praxis, daß viele technische Neuerungen — ich denke an den Wankelmotor, den Elektromotor und an Reproduktionstechniken — nicht in kapitalmäßig stark ausgestatteten Großbetrieben entstanden sind, sondern daß sich technischer Fortschritt in allen Bereichen der Wirtschaft vollzieht.
Präsident Johnson hat in der letzten Phase seiner Regierung einen Bericht angefordert, der, von 16 Wissenschaftlern ausgefertigt, dem amerikanischen Kongreß vorgelegt worden ist. Dort heißt es, daß

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Gewandt
vier Fünftel aller Wissenschaftler und Ingenieure in den Vereinigten Staaten in Großbetrieben oder aber an staatlich geförderten Universitäten tätig sind und forschen, daß aber ihr Gesamtanteil an den Ergebnissen der modernen Technologie nur ein Fünftel beträgt. Das heißt, um es einmal mit den Worten von Professor Drucker zu sagen, der kürzlich ein Buch über diese Frage herausgegeben hat, daß es in einem Zeitalter, in dem technische Neuerungen rasch und aktiv Bedeutung erlangen, lebenswichtig sein wird, alle Bereiche, und zwar auch die kleinen Unternehmen, an der technologischen Entwicklung zu beteiligen und ihnen die nötige Kapitalausstattung zu _ermöglichen. Er kritisiert in diesem Zusammenhang — das hätte auch in einen deutschen Strukturbericht hineingehört — die Doppelbesteuerung des Gesellschaftseinkommens in den Vereinigten Staaten, die natürlich dazu führt, daß das Kapital in den großen Gesellschaften belassen und praktisch subventioniert wird.
Es gibt Anregungen, wie dieses Problem zu lösen wäre. Ich denke dabei an den Stützel-Plan. Sicher wird manches gegen dessen Praktikabilität einzuwenden sein. Aber man muß nach meiner Auffassung in einem Strukturbericht der Regierung zu diesem Thema Stellung nehmen und eigene Vorstellungen entwickeln. Wir sind dabei, einen Stufenplan zur Verbesserung der Kapitalbildung in der Wirtschaft zu entwickeln. Wir erwarten aber, daß in einem Strukturbericht zu diesem wesentlichen Thema Stellung genommen wird.
Dieses Thema wird auch von der EWG-Kommission angeschnitten. Ich möchte hier ausdrücklich das unterstreichen, was in dem Memorandum der EWG-Kommission auf Seite 89 gesagt wird, nämlich:
Die kleinen oder mittleren Unternehmen haben in einer technologisch fortschrittlichen Wirtschaft eine beträchtliche Rolle zu spielen. Man hat insbesondere festgestellt, daß zahlreiche Innovationen auf Erfindungen zurückzuführen sind, die in Kleinunternehmen entwickelt wurden.
Wir sehen also, wie wichtig solche innovations-orientierten Unternehmen sind. Es fehlt in dem Strukturbericht ein Hinweis darauf, welche Folgerungen die Bundesregierung aus den Feststellungen der Europäischen Kommission zu ziehen beabsichtigt und welche Maßnahmen die Bundesregierung im Rahmen ihrer Strukturpolitik in diesem Bereich vorhat.
Wir wissen, daß in Frankreich eine eigene Institution gegründet worden ist, um die Innovation im Bereich der mittelständischen Wirtschaft zu fördern. Das gleiche gilt für Großbritannien. Wir vermissen eine klare Aussage der Bundesregierung zu diesem wesentlichen Thema. Es ist bedauerlich, daß zwar die Innovation gefördert werden soll und man auch Gelder dafür ausgewiesen hat, daß aber zugleich gesagt wird, man wolle die entsprechenden Mittel zunächst sperren.
Ein anderes wichtiges Thema ist natürlich die Effektivität der Maßnahmen. Nach den Grundsätzen der Haushaltsführung ist die Bundesregierung gehalten, alle Projekte unter dem Gesichtspunkt der Kosten-Nutzen-Analyse zu prüfen und eine Erfolgskontrolle durchzuführen. Die Bundesregierung geht auf dieses Thema ein, sagt aber noch nicht, wie sie sich eine Strukturpolitik nach ökonomischen Kriterien vorstellt, wie sie zu neuen Dringlichkeiten kommen und die größtmögliche Effizienz ihrer Maßnahmen sicherstellen will.
Wir müssen also abschließend feststellen, daß dieser Bericht keine Strukturpolitik aus einem Guß gebracht hat, daß hier eine Fülle von Einzelmaßnahmen aufgeführt werden, daß zum wesentlichen Bereich der betriebsgrößenorientierten Politik nichts gesagt wird, daß die Aussagen zum Thema der Innovation unzureichend sind und daß wir leider noch immer keine Erfolgskontrolle haben, so daß nicht die Sicherheit besteht, daß die getroffenen Maßnahmen auch den nötigen Nutzen bringen.
Wir möchten deshalb hoffen, daß der nächste Bericht, der uns vorgelegt wird, nicht eine Fleißarbeit von Beamten ist, die etwas herausgesucht haben, was ohnehin im Haushalt der Bundesregierung vorzufinden ist, sondern daß wir wirklich zu einer Strukturpolitik aus einem Guß kommen. Denn gerade in der Zeit der Hochkonjunktur ist es wichtig, die Strukturmaßnahmen durchzuführen, die es uns erlauben, auf einem gesunden wirtschaftlichen Fundament auf eine zukunftsorientierte Wirtschaft zu vertrauen, ohne daß wir uns wegen der Strukturmängel, die in der Hochkonjunktur häufig überdeckt werden, in der Zukunft werden Sorgen machen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605200200
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Arndt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605200300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 8. Mai hat die Bundesregierung den Strukturbericht 1970 dem Deutschen Bundestag zugeleitet. Heute, nicht ganz drei Wochen später, steht .der Strukturbericht zur Debatte. Die Bundesregierung begrüßt die rasche Beratung dieses Dokuments gemeinsamer Erfolge. Sie erwartet von dieser Beratung Kritik wie Bestätigung, Anerkennung wie Anregung. Denn, meine Damen und Herren, das Experiment Strukturpolitik ist in vollem Gange. Wir stehen im vierten Jahr der neuen Strukturpolitik. Es ist gesät, und es wird geerntet.
Diese neue Strukturpolitik entstand 1966/67 in wirtschaftlich schwerer Zeit: mehr als eine halbe Million Menschen arbeitslos, eine viertel Million Menschen in Kurzarbeit, Ungezählte in Angst, die nächsten zu sein, dazu leere Staatskassen, unbezahlte öffentliche Aufträge, Zusammenbrüche bei an sich leistungsfähigen mittelständischen Existenzen; selbst größte Konzerne kamen ins Wanken. Dies war die Stunde der neuen Wirtschaftspolitik, die Stunde der Aktion. Aber welcher Aktion? Was sollte 'geschehen? So wurde gefragt, und so wurde vielfach gleich selbst geantwortet.



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
1966/67 war deshalb auch die Zeit der Ideen, der zahlreichen Vorschläge aus der Arbeiterschaft, aus dem Mittelstand, aus den Großunternehmen. Aber es waren Ideen, die als Hilferufe kamen. Ihnen fehlte der Beiklang der kühlen Ratio. Der Beiklang dieser Ideen war Drängen, Zweifeln und Verzweifeln.
Die Spannweite dieser Ideen ging vom absoluten Nichtstun, vom Laisser-faire, bis zu Vorschlägen zur Einführung der Planwirtschaft. Das heißt, die Spannweite ging von vorgestern bis zum Zukunftsroman, beides Extreme, nicht akzeptabel für die Bundesegierung. Beides waren in die Irre leitende Rezepte der Krise.
Doch um die Aktion konkurrierten ernsthaft zwei Ideengruppen: Die erste ging davon aus, es gebe eine Strukturkrise, keine Konjunkturkrise; es gebe zwar Arbeitslose, dennoch seien viele Arbeitsplätze noch nicht gefährdet. Besonders im ländlichen Bereich, fernab der großen Ballungszentren, schien das Wirtschaftsleben noch normal zu sein. Deshalb wurde geraten: keine Konjunkturpolitik und keine Globalsteuerung, sondern punktuelle Hilfsmaßnahmen. Welche? Zum Beispiel öffentliche Aufgaben für die daniederliegende Montanindustrie mit öffentlichen Mitteln. Das lief — und das war ein sehr bekannter Vorschlag — etwa darauf hinaus: Was in dieser Zeit für Rheinstahl gut ist, wird auch für das Ruhrgebiet als Ganzes gut sein.
Die zweite Gruppe von Ideen sah die Rettung in reiner Konjunkturpolitik, in Stärkung der Gesamtnachfrage, niedrigen Zinsen, womöglich Steuersenkungen und Exportförderung, aber keineswegs in Strukturpolitik. Es hieß, diese Krise sei eine Reinigungskrise, eine Art Säuberung im Kapitalismus, und wer da weggespült werde, so hieß es — und es war nicht einmal zynisch gemeint, obwohl es so klang —, der könne es wohl nicht anders verdient haben. In diese Reihe des Denkens gehören Sätze, wie wir sie damals auch hörten: „Industrie im Zonenrandgebiet, das ist Unsinn; dahin gehört Fremdenverkehr und sonst nichts", oder zur Steinkohle: „Wenn die Kohle so wertvoll ist, wie immer gesagt wird, dann lassen wir sie doch im Boden und holen sie nicht heraus."
Meine Damen und Herren, die neue Wirtschafts-und Finanzpolitik ging weder den einen noch den anderen Weg, sondern sie versuchte, die Konjunktur durch Globalsteuerung anzuregen und zugleich die Strukturen zu verbessern. Neue Schulen, Straßen, Krankenhäuser, die Erhaltung des Altwohnungsbestandes — ein typisch mittelständisches Programm —, ,das war auch klassische Konjunkturpolitik. Diese Schulen und Straßen entstanden in erster Linie im Zonenrandgebiet, in Berlin, an der Ruhr und an ,der Saar. Von dort, durch diese Aufträge, verteilte sich ein Strom von Unteraufträgen Über das ganze Land, auch über die Ballungszentren. Diese Verbindung von Konjunktur- und Strukturpolitik, diese Verbindung von Global- und Spezialsteuerung wurde auch verwendet bei der Eindämmung der speziellen Krisenherde. Der Kohleverbrauch wurde bei den Kunden verbilligt, und es wurden keine Kostenzuschüsse ,an die Produzenten
gegeben. Die Kilometerpauschale für den Arbeitnehmer wurde damals, Anfang 1967, wieder angehoben. Es gab Aufträge der Post und .der Bundesbahn an die Elektroindustrie. Aber es gab keine Subsidierung dieses oder jenes avantgardistisch scheinenden Umstellungsprogramms in der Autoindustrie, in der Elektrotechnik, in der Stahlindustrie mit anschließender Einführung der Planifikation, wie wir das in anderen und gar nicht so weit entfernten Ländern kennen.
Um hier ganz klar zu sein: dieser dritte Weg war ein Versuch, kein fertiges Rezept. Es war ein Tasten, aber kein Plan. Dieser Weg wurde bewußt wie unbewußt gegangen. Was die neue Wirtschaftspolitik zu diesem Weg führte, war das Vertrauen in die Kraft der marktwirtschaftlichen Ordnung, und dies nicht nur wegen ihrer Überlegenheit in der Effizienz schlechthin. Es ist gut, diese Überlegenheit zu haben. Es ist gut, Arbeitskraft nicht zu verschwenden, mit Maschinen und mit Material so sparsam wie mit seinem Eigentum umzugehen, denn beides ist letzten Endes wiederum Arbeitskraft. Arbeitskraft als Gegenstand materiellen Wertes, als etwas, was teuer bezahlt werden muß, das wirkt auch als Bollwerk gegen die Ausbeutung der Arbeitskraft. Wir wissen aus eigener Erfahrung, welche Verschwendung von Arbeitskraft in Kommiß- und Kommandowirtschaften möglich ist und welcher Verzicht an Lebensstandard allein deshalb dem einfachen Mann zugemutet wird.
Doch es waren nicht die Produktivitäts- und Wachstumsverluste allein, die die neue Wirtschaftspolitik von den sektoralen Komitees der Planifikation fernhielten: von Komitees zur Förderung von diesem und jenem, Herr Gewandt, und letzten Endes von gar nichts. Es waren nicht die Produktivitäts-
und Wachstumsverluste allein; denn wir huldigen nicht der Auffassung, daß alles, was für das Bruttosozialprodukt gut ist, auch für alle gut ist. Wirtschaftspolitische Ziele sind nicht letzte Ziele, und Wachstum, Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung sind selbst nur Teile eines Ganzen. Sie sind Voraussetzungen für das Hauptziel, nämlich die Sicherung und den Ausbau der freiheitlichen sozialen Ordnung. Fester Bestandteil dieser Ordnung ist die Marktwirtschaft; denn Marktwirtschaft heißt Dezentralisierung der Entscheidungsmacht über Arbeitsplätze, über Löhne, über Aufträge und über Preise.
Ich nannte die neue Strukturpolitik ein Experiment. Nun, wir stehen im vierten Jahr dieses Experiments. Aus den tastenden Versuchen ist gelassene Aktion geworden. Die Investitionszulage in den Bergbaugebieten, im Zonenrandgebiet, in den übrigen Fördergebieten ist Ratio, ist geplante Vernunft. Als Experiment fand diese Investitionsprämie viel früher statt: 1962 in Berlin unter dem damaligen Wirtschaftssenator und heutigen Bundeswirtschaftsminister Professor Karl Schiller.
Das Examen jedes Experiments ist die Wirklichkeit, ist die Realität. In Berlin gab die Wirklichkeit nach zwei Jahren für diese Investitionsprämie ein „cum laude". Ich wage zu behaupten: Nach zwei Jahren dieser Investitionszulage an Ruhr und Saar



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
dürfte das Urteil dort noch besser ausfallen. Denn was haben wir bisher erreicht? 118 000 neue Arbeitsplätze an Ruhr und Saar und ein Investitionsvolumen von 12,5 Milliarden DM auf Grund dieser Investitionsprämien.
Nun könnte man sagen: Im Ruhrgebiet ist das kein Wunder. Meine Antwort wäre: Noch Ende 1967 wurde das in diesem Hohen Haus ganz anders gesehen. Erinnere ich mich richtig? „Schiller kriegt die Konjunktur nicht hoch; er wird mit der Kohlenkrise nicht fertig; die strukturpolitischen Maßnahmen geifen im Ruhrgebiet nicht." Dieser verständliche Kleinmut damals ist noch gar nicht so lange vorbei — heute ist neuer Kleinmut da —, und doch liegt er um eine ganze Ara hinter uns. Wir versuchen uns mühsam zu erinnern. Er liegt eben um die Ära dieser neuen Wirtschaftspolitik hinter uns.
Ein Zweites: Die Regierung hat sich auch von ihrem damals gefundenen energiepolitischen Kurs nicht abbringen lassen. In diesem Sommer gehen wir das erstemal in Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und im Saargebiet ohne neue Kohlesubventionen.

(Zuruf des Abg. Niegel.)

Bonn und Düsseldorf sind fest geblieben wider Erwarten so mancher Zeitgenossen und wider Erwarten des Oppositionsführers in Nordhein-Westfalen, der mitten im Tarifstreit — das muß ich sagen — Hoffnungen auf Subventionen in Bonn machte und damit die Kampffronten verhärtete. Das war ein gefährliches Spiel mit der Sicherheit unserer Wirtschaft und unserer Arbeitsplätze.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Nun, wir sind fest geblieben. Das liegt an der besseren Wirtschaftslage, das liegt aber auch an den anderen Männern.
Soweit die Ruhr. Wie steht es mit der Saar? Allein auf Grund der Investitionsprämien wird es 29 000 neue Arbeitsplätze geben, entsteht ein zusätzliches Investitionsvolumen von 2,1 Milliarden DM in der gewerblichen Wirtschaft. Das ist der Stand vom April, und bei diesem Stand wird es nicht bleiben.
Dieser Schwung und diese Aktivität zeigen sich im Saarland, einem Gebiet, das totgesagt wurde, das der Saarländer für sich selbst schmerzlich als Sargasso-See Europas empfand. Dort bewegte sich nichts, während rundherum das Leben pulsierte. In diesem Gebiet mitten im Herzen Europas, aber ohne Verbindung, herrschten bis 1967 Stillstand, Abwanderung, Enttäuschuung über die Zugehörigkeit zur Bundesrepublik; das müssen wir offen sagen. Dann kamen die Konjunkturprogramme, die neuen Straßen, die zielbewußte Erschließung von Industriegelände. Dann kam der Konjunkturaufschwung, kurzum, es kam die neue Politik, und auch hier veränderte sie die Wirklichkeit; sie veränderte sie in Saarbrücken wie in Saarlouis, in St. Wendel wie in St. Ingbert. Heute ist der wirtschaftliche Aufbau in vollem Gange, und das Saargebiet liegt vorn. Die Zuwachsrate hat dort im vorigen Jahr die des Bundesdurchschnitts übertroffen, und das ist vielleicht der schönste Erfolg der neuen Strukturpolitik.
Gelen wir nach Niedersachsen! Dort blüht Salzgitter im Zonenrandgebiet; es herrscht Zuversicht in Peine und in Helmstedt. Eine Nachricht für viele Erfolge: Salzgitter und Northeim konnten aus der Investitionsförderung von 25% entlassen werden; der Zuschuß konnte dort auf den Normalwert vermindert werden. Hier haben die Menschen an Ort und Stelle ihr Ziel und unser Ziel erreicht: aus Notstandsgebiet wurde Wohlstandsgebiet. Diese Sonderförderung von 25 % wird damit für zwei andere Orte in Niedersachsen frei. Denn regionale Förderungsmittel sind für uns keine Dauerbrenner, sie sind Initialzündung. Sobald sie ihr Ziel erreicht haben, müssen sie abgebaut werden. Sie sollen Chancen für die Menschen an Ort und Stelle und für die Initiativen dieser Menschen schaffen. In dieser Art Konzert, in dieser gemeinsamen Aktion stellt die Bundesregierung nur die Instrumente. Alles andere, das ganze Stück von der Ouvertüre bis zum Finale besorgen die Menschen im Aktionsraum. Deshalb ist und bleibt dieses Stück ihr Stück und ist unsere Strukturpolitik auch ihre Strukturpolitik.
Zu diesem Werkzeug gehören die regionalen Aktionsprogramme. Sie bringen Übersicht, setzen Teilziele, nennen die Hilfen. Sie kennen keine Kreisgrenzen, mitunter nicht einmal Landesgrenzen. Sie sind ein Stück kooperativer Föderalismus an der Basis. Von den Zahlen des Erfolges nur eine: 20 000 zusätzliche Arbeitsplätze sollten pro Jahr geschaffen werden; 44 000 Arbeitsplätze sind 1969 angeregt worden.
Ich komme nun zur Verbindung von Struktur und Konjunktur. Heute sehen wir: ob Montanindustrie oder ob Werften, ob Mittelstand — und was dafür geschieht, ist im einzelnen im Strukturbericht aufgeführt — ober ob big business: die Wirtschaft lebt, die Wirtschaft floriert, es kann gearbeitet und es kann auch verdient werden — überall, an der Saar wie an der Weser, in Oberfranken, in der Oberpfalz wie im niedersächsischen Zonenrandgebiet. Denn die neue Wirtschaftspolitik ist den richtigen Weg gegangen, den dritten Weg, ohne Doktrinen, aber mit Ideen, ohne Wahlversprechungen, aber mit viel Geld.
Wie Sie aus den Zahlen sehen — man traut sie sich nicht zu nennen —, ist seit der neuen Wirtschaftspolitik jährlich ein Vielfaches der früher gewohnten Geldmenge in die Förderungsgebiete geflossen. Außerdem hat sich der Multiplikator dieser Finanzierungsmittel noch von 3 auf 12 erhöht. Das sind strukturpolitische Chancen. Sie werden in dieser Konjunktur natürlich voll genutzt; denn die Gesamtnachfrage schafft Investitionen und drängt danach. Diese Gesamtnachfrage ist seit mehr als zwei Jahren stabil, und sie wird stabil bleiben.
Niemand wird diese Bundesregierung dazu bringen, die gute Wirtschaftslage, die Sicherheit der Existenzen aufs Spiel zu setzen oder von anderen aufs Spiel setzen zu lassen. Diese Art Garantie gibt die Bundesregierung gern ab: Keine Garantie auf Vollbeschäftigung an jeder Stelle und für jeden Arbeitsplatz, aber eine Garantie auf die Sicherheit der Arbeit für alle, die arbeiten wollen. Eine Garantie auf soziale Sicherheit, auf steigenden Wohlstand;



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
und da meinen wir privaten wie öffentlichen Wohlstand.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sicherheit der Währung!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605200400
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0605200500
Herr Staatssekretär, können Sie bestreiten, daß die Strukturprobleme an ,der Ruhr und auch an der Saar durch die Konjunktur praktisch nur überdeckt und beileibe noch nicht gelöst worden sind, wie es selbst der Ihrer Partei angehörende Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, Kassmann, noch vor wenigen Tagen festgestellt hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605200600
Ich will Ihnen darauf antworten. Wenn Sie die Macht hätten und eine Rezession machten, dann hätten Sie Strukturprobleme an jeder Stelle der Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Aber auch ,die neue Strukturpolitik hat ihren Preis. Nichts ist umsonst in dieser Welt. Nichts bleibt ohne Nebenwirkungen in der Ökonomie. Eine Nebenwirkung der neuen Blüte an der Saar, im Ruhrgebiet und in Niedersachsen ist, daß wir die normale Investitionskonjunktur noch regional verstärken.
Die Bundesregierung gibt sich nicht der Täuschung hin, daß diese zusätzlichen Investitionen im Zonenrandgebiet, an der Saar und in Berlin etwa auf Kosten anderer Investitionen in den Ballungsgebieten gehen. Diese Investitionen werden zum überwiegenden Teil zusätzlich vorgenommen. Das sind viele Milliarden. Es gibt keine Schätzungen, wieviel es genau sind. Aber in der Qualität müssen wir uns klar sein: Wir verstärken mit dieser regionalen Förderung die zusätzliche Investitionsnachfrage in der Gesamtwirtschaft und damit die Spannungen in den Investitionsgüterindustrien.
So ist die Lage kurzfristig. Auf lange Frist — das wissen wir, und das ist im Strukturbericht gesagt — geht die Rechnung auf; denn die neuen Investitionen in den ländlichen Räumen werden für das langfristige Wachstum nur von Vorteil sein. Sie bringen zusätzliche Produktivität für die Gesamtwirtschaft, und sie stärken damit die wichtigste Waffe der Regierung im Kampf für .die Stabilität des Geldwerts.
Aber die Entscheidung zwischen der Stabilität von morgen und einem etwas Weniger an Geldwertstabilität heute ist nicht so leicht gewesen.
Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung unter Abwägung aller Umstände dennoch beschlossen, die Strukturpolitik für die Förderungsgebiete auch in der Hochkonjunktur fortzusetzen, und zwar in unvermindertem Tempo.

(Beifall bei der SPD.)

Die Bundesregierung setzt auf die Zukunft. Sie setzt auf den Produktivitätsgewinn der neuen Investitionen. Sie will den Aufschwung in den Fördergebieten, weil ihr Ziel heißt: politische Stabilität, nämlich die Stabilität des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in allen Räumen und in einer Gesellschaft freier Menschen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605200700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Junghans. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 30 Minuten erbeten.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605200800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum zweitenmal seit Bestehen der Bundesrepublik hat die Bundesregierung einen Strukturbericht vorgelegt. Darin stellt sie die Rahmenbedingungen, die Ziele und Mittel für eine erfolgreiche Strukturpolitik dar. Ich möchte im Namen meiner Fraktion die Vorlage dieses zweiten Dokumentes ausdrücklich begrüßen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will mich zunächst auf Fragen der regionalen Strukturpolitik beschränken. Mein Kollege Lenders wird im wesentlichen auf das eingehen, was der Kollege Gewandt vorgebracht hat. Stärker noch als der Strukturbericht 1969 ist der Bericht 1970 eine Bilanz der Erfolge unserer Strukturpolitik. Das Ergebnis ist eindrucksvoll. Es ist sogar eindrucksvoller, als wir es uns bei Beginn dieser neuen Strukturpolitik haben träumen lassen. Ich möchte deshalb I nicht versäumen, von dieser Stelle aus auch dem Mann zu danken, der bei der Übernahme des Wirtschaftsressorts im Dezember 1966 diese neue, erfolgreiche Ara der Strukturpolitik eingeleitet hat: ich meine den Bundeswirtschaftsminister Professor Karl Schiller.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Breidbach: Preissteigerungen!)

— Ich komme noch- darauf zurück.
Aber leider ist bei der Auseinandersetzung über die Preise und die Konjunkturpolitik fast völlig vergessen worden, daß wir mit unserer Strukturpolitik in den wirtschaftlich benachteiligten Gebieten — ich meine das Zonenrandgebiet, die Bundesausbaugebiete und die Steinkohlengebiete — seit ein paar Jahren einen Umwandlungsprozeß in Gang gesetzt und so weit vorangetrieben haben, daß eine nachhaltige Gesundung und eine Heranführung an das Wohlstandsniveau anderer Bundesländer erzielt worden ist.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt hier „wir"?)

Das ist eine Leistung, die durch beharrliche und planvolle Maßnahmen erreicht wurde. Diese Leistung lassen wir uns auch nicht durch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, schmälern.

(Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU.)

— Ich habe hier 1958 über die Mittel der Strukturpolitik tauben Ohren gepredigt. Sie können die Rede nachlesen; ich lese sie heute gern noch nach.



Junghans
Ich möchte noch einmal ausdrücklich feststellen, daß eine geplante und gezielte Strukturpolitik schon immer ein Anliegen der SPD war. Nur eine solche Politik garantiert, daß wir den Auftrag des Grundgesetzes erfüllen können, nämlich die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in den Bundesländern und zwischen den einzelnen Regionen herzustellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605200900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Hermesdorf (Schieiden)? — Bitte schön!

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0605201000
Herr Kollege, wissen Sie, daß regionale Strukturpolitik im Lande Nordrhein-Westfalen in ganz besonderem Maße, sehr erfolgreich und sehr früh von einer CDU-Landesregierung betrieben worden ist und daß das, was Sie eben als Erfolg der regionalen Strukturpolitik im Bundesgebiet kennzeichneten, von der Bundesregierung Kiesinger geleistet worden ist?

(Zuruf von der SPD: Woher kommen Sie?)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605201100
Dazu will ich Ihnen zwei Dinge sagen. Erstens. Der Erfolg dieser Politik im Ruhrgebiet war die Steinkohlenkrise.

(Beifall bei der SPD.)

Zweitens. Ich bitte Sie, doch einmal nachzulesen, was der damals zuständige Ausschuß nach einer Reise durch das Zonenrandgebiet 1965 in einem umfangreichen Dokument hat feststellen müssen. Sie wollten das gar nicht; Sie haben es an Ort und Stelle feststellen müssen. Der damalige Ausschußvorsitzende ist heute der Vorsitzende unserer Fraktion. Ich empfehle sehr, dieses Dokument wieder einmal nachzulesen. Sie werden dabei feststellen, wie gering die Effektivität der Maßnahmen in den 50er Jahren in diesen Gebieten war.
Erinnern wir uns doch an die 50er und an die erste Hälfte der 60er Jahre, als sich der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft vollzog. Während in einigen Gebieten ein heftiges und rasantes Wachstum zu verzeichnen war, ging an anderen Gebieten der Wiederaufstieg völlig vorbei. Diese Gegenden führten das Schattendasein von Notstandsgebieten; sie blieben permanent in ihrer Entwicklung hinter dem übrigen Bundesgebiet zurück. Die Schere zwischen dem Wohlstand der übrigen Gebiete und diesen Notstandsgebieten öffnete sich zusehends.
Das bekamen — und deswegen spreche ich hier — besonders die Arbeitnehmer zu spüren. Ihre Einkommen waren beträchtlich niedriger als anderswo; ihr Lebensstandard war ebenfalls beträchtlich geringer. Doch nicht nur das. Die Arbeitnehmer mußten sich auch auf Arbeitsplätzen zurechtfinden, die wegen der geringen Zahl der Arbeitsplätze von ganz wenigen Unternehmen bestimmt waren. Hinzu kam noch — das ist vorhin in einer Zwischenfrage angesprochen worden — die besondere Anfälligkeit dieser Gebiete für konjunkturelle Rückschläge. Sie stiegen zuletzt in die Konjunktur ein und gingen zuerst aus der Konjunktur wieder heraus.
Die Krise von 1966/67 hat wieder gezeigt, daß eine Rezession in diesen Gebieten tiefer und nachhaltiger wirkt als anderswo. Auch das ist eine Erfahrung, die wir heute nicht vergessen sollten. Ich möchte noch einmal daran erinnern, daß man zu jener Zeit z. B. für viele Teile des Zonenrandgebietes hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Zukunft keinen roten Heller mehr gegeben hätte.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Das galt auch für Ruhr und Saar. Hier war die Arbeitslosigkeit besonders groß. Viele wurden von Kurzarbeit betroffen, und es herrschte auch allgemein Angst. Über 80 % der Arbeitnehmer hatten diese Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Die Verluste der Unternehmen waren höher als anderswo.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605201200
Eine Zwischenfrage.

Bernhard Balkenhol (CDU):
Rede ID: ID0605201300
Herr Kollege Junghans, wissen Sie, daß auf Grund Ihrer und der Strukturpolitik der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bereits heute in den ländlichen Gebieten Nordrhein-Westfalens in der Bauindustrie wieder Arbeiter entlassen werden?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605201400
Ich würde sehr bitten, daß Sie einmal die Zahlen nennen. Natürlich gibt es Entlassungen; es gibt aber selbstverständlich auch Einstellungen. Mir ist nur bekannt, daß auf Grund des Steinkohlegesetzes, das hier in diesem Hohen Hause verabschiedet worden ist, im Ruhrgebiet für 12,5 Milliarden DM Anträge auf Schaffung neuer Arbeitsplätze vorliegen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605201500
Eine weitere Zwischenfrage.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605201600
Herr Kollege Junghans, glauben Sie nicht, daß durch die 20- bis 30%ige Steigerung der Baukosten die Investitionsvorhaben wesentlich eingeschränkt werden?

(Zurufe von der SPD: Ja und? — Was soll denn das heißen?)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605201700
Ich glaube, Sie kennen die Statistiken nicht. Sie wissen doch ganz genau, daß die Aufträge für Investitionen nach wie vor zahlreich sind. Daran ist doch kein Zweifel. Und wenn Sie von 20 bis 30% reden, weiß ich nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben, wahrscheinlich aus der Bayerischen Staatskanzlei.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Darauf kommen wir noch zu sprechen! Die Strukturpolitik Bayerns kennen wir ganz genau. Passen Sie auf, darauf kommen wir noch zu sprechen!

(Abg. Niegel: Das paßt nicht in die Wahlrede hinein!)

— Ich halte hier keine Wahlrede. Ich will hier nur deutlich machen, was den Menschen, den Arbeitnehmer die Strukturpolitik angeht.




Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605201800
Herr Abgeordneter Junghans, die Zahlen aus der Bayerischen Staatskanzlei verdienen sicher dasselbe Vertrauen wie die Zahlen aller Kanzleien.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605201900
Ich nehme an, das ist eine Bewertungsfrage.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Aus der Wirtschaftskrise drohte eine allgemeine Staatskrise zu werden. Die Wirtschaft war in einem so desolaten Zustand, als ein Sozialdemokrat das 'Ruder in der Wirtschaftspolitik übernahm und mit Ideen und Tatkraft daran ging,

(Lachen bei der CDU/CSU)

die in der Rezession mit großer Heftigkeit ausgebrochene Strukturkrise zu bereinigen. Der hier zur Debatte stehende Bericht ist ein Dokument des Erfolges dieser 'Politik. — Bitte schön!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605202000
Eine Zwischenfrage, der Abgeordnete Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0605202100
Herr Kollege Junghans, da Sie vorhin von einer Wirtschaftskrise sprachen, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, Idaß der frühere Vorsitzende des DGB, Rosenberg, am 1. Mai 1968 in der „Münchener Abendzeitung" geschrieben hat, das sei überhaupt keine Wirtschaftskrise gewesen?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605202200
Mir ist nur bekannt, was Herr Schmücker gesagt hat.

(Abg. Ott: Ist Ihnen das bekannt?)

— Ich höre nur, was in diesem Hause gesagt wird. Hier hat Herr Schmücker gesagt, daß diese Krise gewollt worden ist. Das ist mir bekannt.

(Beifall bei ,der SPD.)

Ich kann nicht alles nachlesen. Sie können es mir ja einmal zuschicken, wenn Sie die Freundlichkeit hätten.

(Abg. Ott: Gut, das kriegen Sie! — Abg. Wehner: Bloß nicht bange machen lassen!)

Ich habe das auch deswegen in die Erinnerung zurückgerufen, um zu zeigen, daß es in der Strukturpolitik nicht um abstrakte Theorien geht. Ich will es einmal ganz einfach ausdrücken: es geht schlicht um den arbeitenden Menschen in den benachteiligten Regionen. Strukturpolitik betreiben heißt, dafür zu sorgen, daß für die Arbeitnehmer sichere und besser bezahlte Arbeitsplätze geschaffen werden. Strukturpolitik betreiben heißt auch, dafür zu sorgen, daß für die Bevölkerung in diesen Gebieten gute Wohnungen, Ausbildungs- und Freizeiteinrichtungen zur Verfügung stehen. Dazu gehört z. B. auch der Bau von Schulen, Sportplätzen und von mir aus auch Schwimmbädern. Nur wenn die Bevölkerung sich auch in ihrer Freizeit in diesen Gebieten wohlfühlt, wird sie nicht bestrebt sein, in die Ballungszentren abzuwandern. Strukturpolitik betreiben heißt ferner, die Verkehrswege in diesen
Gebieten so auszubauen, daß es den Arbeitnehmern
möglich wird, auch die dort vorhandenen größeren
Entfernungen in relativ kurzer Zeit zu bewältigen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605202300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605202400
Ja, bitte!

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0605202500
Herr Kollege, würden Sie zugeben, daß bei aller Würdigung Ihrer Maßnahmen für die Arbeitnehmerschaft dadurch leider auch ausländische Großkonzerne in einer Weise gefördert würden, wie wir es für die kleineren und mittleren deutschen Unternehmen nicht haben?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605202600
Welche meinen Sie denn?

(Abg. Dr. Giulini: Kaiser, Reynolds usw.! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Was hat das damit zu tun? — Abg. Wehner: Jetzt versuchen Sie, eine Klassenkampfmasche zu machen!)

— Wenn Sie hier auf diesem Klavier des Ressentiments spielen wollen, kann ich nur sagen: den Arbeitnehmern ist es egal, wo sie ihr Geld verdienen; das ist ihre Sache.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] [zu Abg. Dr. Giulini] : Eine merkwürdige Betrachtung!)

Es stellt sich auch die Frage, wie es dazu kommen konnte, daß ein großer Teil der Bevölkerung noch vor einigen Jahren die Lage in diesen wirtschaftlich zurückgebliebenen Gebieten für aussichtslos hielt. Als die Strukturkrise in der Rezession 1966/1967 ihr stärkstes Ausmaß erreichte, waren seit Kriegsende immerhin schon mehr als 20 Jahre verflossen. In dieser Zeit hat, von den Jahren unmittelbar nach dem Kriege einmal abgesehen, die CDU/CSU die Richtung in der Wirtschaftspolitik bestimmt,

(Abg. Dr. Giulini: Gott sei Dank! Sonst hätten wir eine Planwirtschaft!)

allerdings ohne erkennbares Konzept. Sie hat sich damals vor allem darauf beschränkt, auf eine Ideologie zu vertrauen, auf die Ideologie der Selbstheilungskräfte der Wirtschaft. Sie war der Meinung, daß sich alles einrenken lassen würde, wenn man die Wirtschaft nur sich selber überließe. — Bitte schön!

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605202700
Herr Kollege, würden Sie mir zugeben, daß Erregung über die CDU, die man abliest, nicht recht glaubwürdig wirkt?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Lachen bei der SPD. — Abg. Wehner: Sie haben Ihre auswendig gelernt!)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605202800
Das war etwas schwach.
Subventionen wurden mit der Gießkanne über Gerechte und Ungerechte gestreut. Auf der einen Seite hat man durch das Nichtstun — das wurde in den Berichten immer wieder beklagt — die passive Sanierung gefördert, d. h. man hat diese Gebiete



Junghans
durch Abwanderung der Arbeitskräfte sanieren wollen. Andererseits wurden durch die Erhaltungssubventionen die alten Strukturen gefestigt. Der Anpassungsprozeß, der auf die Dauer die einzige Garantie für die Erhaltung von Arbeitsplätzen gewesen wäre, wurde damit verhindert. Die finanziellen Mittel, die von Bund und Ländern angesetzt wurden, waren viel zu niedrig. Eine Koordinierung dieser Maßnahmen zwischen Bund und Ländern fand praktisch nicht statt. Daß eine solche Politik ohne Erfolg bleiben mußte, liegt auf der Hand.
Das neue Konzept der Stukturpolitik, das von dieser Bundesregierung verwirklicht wird, geht davon aus, daß man nicht nur auf die Nachteile, die auf regionalen und sektoralen Faktoren beruhen, reagieren sollte. Wir sehen Strukturpolitik nicht als Ersatz für fehlende Unternehmerinitiative an. Sie ist auch nicht der Naturschutzpark für veraltete Strukturen oder zum Ausgleich von Gewinnmargen. Nicht nur die bloße Erhaltung der Arbeitsplätze, sondern deren ständige Verbesserung und Anpassung ermöglicht auch einen sozialen Fortschritt. Um hierbei nachhaltige Erfolge zu erreichen, betreiben wir Strukturpolitik heute als Schwerpunktförderung. Nur an Schwerpunkten lassen sich die Voraussetzungen dafür schaffen, daß eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik auch für größere Unternehmen betrieben werden kann.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605202900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605203000
Ja, bitte schön.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605203100
Herr Kollege Junghans, sind Sie in der Lage, zu sagen, wie groß nach der Meinung Ihrer Fraktion so ein Schwerpunktgebiet — in Bevölkerungszahlen ausgedrückt — sein soll?

(Abg. Dr. Schäfer: Das kommt doch darauf an!)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605203200
Wissen Sie, Herr Kollege, das kommt doch darauf an. Wir haben ja mit sehr vielen Ziffern gearbeitet. Ich bin auch nicht der Meinung, daß Sie aus dem Schwerpunkt nun einen Fetisch machen sollten. Aber es geht nicht an, in jedem Dorf eine Fabrik hinstellen lassen zu wollen. Das ist nicht drin.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605203300
Eine weitere Zwischenfrage.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605203400
Können Sie mir aber zustimmen, wenn ich meine, daß man in einem Raum mit einer Bevölkerung von 5- bis 10 000 Menschen, wo noch Hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen werden sollen, durchaus einen vernünftigen Schwerpunkt setzen sollte?

(Abg. Dr. Schäfer: Es kommt darauf an!)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605203500
Es kommt darauf an. Sie müssen schon die Einzelheiten nennen. Es ist ja auch eine Frage der räumlichen Ausdehnung solcher
Schwerpunkte. Aber ich betone nochmals: Eine Politik: jedem Dorf seine Fabrik, ist keine Strukturpolitik; das ist hinausgeworfenes Geld.

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!)

Um innerhalb dieses Konzepts eine Koordination zwischen den strukturpolitischen Maßnahmen von Bund und Ländern zu gewährleisten und zugleich den wirtschaftlichen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel zu garantieren, sind die regionalen Aktionsprogramme — bisher existieren zwölf davon — aufgestellt worden. Im vorigen Jahr wurde das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur im Bundestag verabschiedet. Durch dieses Gesetz wird die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der regionalen Strukturpolitik in der Rahmenplanung geregelt. Von besonderer Bedeutung ist aber auch, daß hier gesetzlich festgelegt worden ist, daß strukturpolitische Maßnahmen schon dann zu ergreifen sind, wenn die Wirtschaftskraft eines Gebietes erheblich unter den Bundesdurchschnitt abzusinken droht. Damit hat die Strukturpolitik auch einen vorbeugenden Charakter erhalten. Das heißt, in Zukunft braucht man nicht zu warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist, um dann Rettungs- oder Wiederbelebungsversuche zu machen, sondern wir können auf Grund dieser Möglichkeiten verhindern, daß das Kind überhaupt in den Brunnen fällt.
Ich habe vorhin gesagt, daß der Strukturbericht eine Bilanz des Erfolges ist. Das wird zum Beispiel daran sichtbar — Herr Staatssekretär Dr. Arndt sprach davon —, daß aus dem regionalen Förderungsprogramm 1969 allein 44 000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, obwohl ursprünglich nur 20 000 geplant waren. Von diesen 44 000 Arbeitsplätzen wurden allein 18 000 in Niedersachsen geschaffen, dagegen in Bayern, das ja immerhin noch beträchtlich größer ist, nur 4000. Sie können zweimal raten, warum das so ist.

(Zuruf von der CDU/CSU.) — Ja, raten Sie mal! Bitte schön!


Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605203600
Herr Kollege Junghans, ist Ihnen bekannt, daß in Bayern im Jahre 1969 mindestens 20 000 neue Arbeitsplätze tatsächlich über Förderungsmittel, besonders des Landes, entstanden sind?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605203700
Fragen Sie mal, wie viele Arbeitslose es noch im Bayerischen Wald gibt!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605203800
Eine weitere Zwischenfrage.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber Herr Junghans, wie wollen Sie das denn lösen?)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605203900
Ich habe auch noch nichts von Strukturplänen der bayerischen Landesregierung als einem umfassenden Programm für das Land gehört. Ich war einmal da.

(Abg. Wehner: Leider wahr!)





Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605204000
Nun Ihre Zwischenfrage!

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0605204100
Herr Kollege Junghans, ist Ihnen bekannt, daß die Inanspruchnahme der bayerischen Förderungsprogramme, die auf eine langfristige zinsverbilligte Darlehensgewährung ausgerichtet sind, vor allem von der mittelständischen Wirtschaft in den bayerischen Zonenrand-und Grenzgebieten wegen ihrer Eigenkapitalknappheit besonders bevorzugt wird und das dies entscheidend dazu beigetragen hat, jene 22 000 Arbeitsplätze zu schaffen?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605204200
Und warum haben Sie dann dort so viel Arbeitslose? Mir ist — nebenbei — auch bekannt, daß die Industrie in diesen Gebieten — vor allen Dingen auf dem Bildungssektor — die Voraussetzungen für eine Ansiedlung vermißt.
Die Zahlen machen deutlich, daß der Erfolg nicht allein vom Bund abhängt. Der Bund kann den Ländern, ebenso wie der Wirtschaft, nur Offerten machen. Es hängt von der Wirtschaft und den Ländern ab, inwieweit sie bereit sind, auf diese Offerten einzugehen. Was diese Bereitschaft angeht, so ist man in einigen Ländern offenbar zurückhaltender als in anderen. Der Erfolg, den wir erreicht haben, ist zwar imposant; auf der anderen Seite muß ich aber feststellen, daß wir mit der Strukturpolitik noch nicht über den Berg sind.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir haben etwa den halben Weg hinter uns gebracht, und es kommt jetzt darauf an, den Weg auch zu Ende zu führen. Dabei wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie sich in Zukunft eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gestalten wird, und eben dieses wird auch bei den Landtagswahlen zu entscheiden sein.
Ich habe vorhin gesagt, daß wir in der Strukturpolitik den halben Weg zurückgelegt haben. Unsere Erfolge sind besonders im Bereich der Ansiedlung neuer Unternehmen und der Sicherung der Arbeitsplätze deutlich geworden. In Zukunft werden wir unsere Anstrengungen aber auch verstärkt auf den Ausbau der Infrastruktur in diesen Gebieten und damit auf ,die endgültige Absicherung des Wirtschaftsaufschwungs richten müssen. Es geht hier um die Intensivierung der Maßnahmen zur Förderung der gemeindlichen Investitionen z. B. für den Ausbau der Verkehrswege, den Neubau von Sportstätten, etwa Schwimmhallen, von kulturellen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten usw. einmal ganz abgesehen. Hier ist noch viel zu tun. Die Investitionen, die wir auf diesem Sektor fördern, werden zudem den Arbeitnehmern in diesen Gebieten insofern unmittelbar zugute kommen, als sie ihre Lebensbedingungen verbessern.
In der Vergangenheit hat dieses Hohe Haus mehrfach ERP-Programme für die Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden aufgelegt. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Auf Grund dieser Programme wurden den Gemeinden Kredite mit
einer Laufzeit von 15 Jahren zu besonders günstigen Zinssätzen — 3 bis 31/2 % — zur Verfügung gestellt. Die Gemeinden haben, wie berichtet wurde, diese Offerten sehr gut aufgenommen. Die Kredite waren immer sehr bald restlos ausgebucht. Ich begrüße es daher besonders, daß auch in diesem Jahr wieder ein ERP-Gemeindeprogramm aufgelegt worden ist. Ich möchte darüber hinaus aber auch anregen, daß sich die Bundesregierung überlegt, inwieweit das Programm zur Förderung der Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden im ERP-Haushalt fest verankert und der finanzielle Aufwand erhöht werden kann. Hier scheint mir noch ein dringender Bedarf vorzuliegen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch kurz eine Bemerkung zur konjunkturpolitischen Seite machen. In allen Berichten über die derzeitige Lage in der Wirtschaft kommt die ungewöhnlich hohe Elastizität unseres Produktionsapparates zum Ausdruck. Diese Elastizität ist zu einem guten Teil auf die Strukturpolitik zurückzuführen, da sie im großen Umfang Produktionsreserven erschlossen hat, d. h. auch die Angebotsseite in unserer Wirtschaft nachhaltig verbessert hat.
Lassen Sie mich nun noch etwas zu dem .auf dem Tisch des Hohen Hauses liegenden Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Förderung des Zonenrandgebietes sagen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ich muß Ihnen ganz offen sagen, Sie haben der Förderung des Zonenrandgebietes mit diesem Gesetzentwurf nach meiner Auffassung insofern einen schlechten Dienst erwiesen, als Sie ein Diskussionspapier, das Ihnen aus irgendeiner Unterlage bekannt war, frisiert und aus rein taktischen Gründen im Bundestag überhastet als Gesetzentwurf eingebracht haben. In diesem Gesetzentwurf streben Sie unter anderem eine gesetzliche Regelung der Sonderabschreibungen an. Das wollen auch wir, und in einem Entschließungsantrag, der Ihnen vorliegt, bringen wir das zum Ausdruck.
Nun wollen Sie aber gleichzeitig mit dieser gesetzlichen Regelung den Wegfall der Prosperitätsklausel. Ich halte das nicht für vertretbar, weil — und das wurde ja gesagt; hier hat es eine Zwischenfrage gegeben — dann auch die potentesten Großunternehmen in den Genuß eines zinslosen Kredites kämen. Ich will hier keine Namen nennen, um nicht Schleichwerbung zu betreiben; Sie kennen das. Dafür besteht kein wirtschaftliches Erfordernis. Es muß auch in Zukunft die Möglichkeit gegeben sein, die Sonderabschreibung auf ein vernünftiges Maß begrenzen zu können, zumal ja die Investitionszulagen für Erweiterung und für nachhaltige Rationalisierung und Umstrukturierung kumulativ wirken.
Sie wollen über die Sonderabschreibungen für die Wirtschaft hinaus ausdrücklich auch Sonderabschreibungen für Investitionen in der Landwirtschaft, also für alle Investitionen. Das macht sich zwar als Wahlschlager sehr gut, ich möchte aber ausdrücklich feststellen, daß eine solche Förderung den strukturpolitischen Zielen diametral zuwiderläuft. Ich war bisher der Meinung, daß wir darin übereinstimmen, daß wir Strukturpolitik auch deshalb betreiben, um in agrarischen Gebieten eine Umstrukturierung im



Junghans
Hinblick auf eine Industrieansiedlung zu ermöglichen. Wenn Sie aber Sonderabschreibungen für die Landwirtschaft einführen, so erreichen Sie genau das Gegenteil.
Sie behaupten in Ihrem Vorblatt ferner, die ganze Operation würde nichts kosten. Dies kann ja wohl nicht richtig sein. — Bitte schön.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605204300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605204400
Herr Kollege Junghans, sind Sie dann der Meinung, daß alle landwirtschaftlichen Betriebe abstrukturiert werden sollen, daß sie aus der Landwirtschaft ausscheiden und daß die, die von der Landwirtschaft leben, praktisch keine steuerlichen Erleichterungen haben sollten?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605204500
Entschuldigen Sie mal: Man kann doch nun nicht auf allen Rechtsgebieten eine Zersplitterung einführen. Erst verlangen Sie eine Zusammenfassung. Wir haben die Landwirtschaftsförderung eindeutig im Grünen Plan. Jetzt verlangen Sie hier nochmals eine besondere Sache. Ich weiß nicht, was das soll. Ich muß Ihnen offen sagen: auf der einen Seite fordern Sie die Einheitlichkeit der Förderung, und auf der anderen Seite versuchen Sie überall noch irgendwelche Dinge unterzumogeln.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605204600
Eine weitere Zusatzfrage.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605204700
Herr Junghans, sind Sie mit mir der Meinung, daß landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe im Zonengrenzgebiet gegenüber anderen Gebieten genauso benachteiligt sind wie Industrie- und gewerbliche Betriebe? Ich denke z. B. daran, daß die Marktmöglichkeiten beim Absatz der Veredelungsprodukte im oberfränkischen Zonenrandgebiet wesentlich geringer sind als in der Nähe von Ballungszentren.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)


Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605204800
Ich bin nicht Ihrer Meinung. Das kommt auf den Absatz an. Wenn in diesen Gebieten Menschen sind, die etwas verbrauchen können, dann gibt es doch auch Märkte. Daran müssen Sie doch auch mal denken.

(Widerspruch und Lachen bei der CDU/ CSU.)

Sie stellen sich doch hier immer hin und sagen: Haushalt kürzen, der Bund gibt zuviel aus! Hier haben wir doch mal wieder ein Beispiel für Ihre solide Haushaltsführung, wie Sie das sagen. Ich habe mir nämlich ausrechnen lassen, daß Ihr Antrag allein wieder einmal 300 Millionen pro Jahr kosten würde. Das sind 300 Millionen, die, wie ich meine, an anderer Stelle für gezielte Infrastrukturinvestitionen dringend gebraucht würden. Die Steuerausfälle — das ist der zweite Punkt, den Sie haben, nämlich die Sonderabschreibungen als zinslosen Kredit nachher noch einmal zu mindern durch Überführung in eine steuerfreie Rücklage —, diese zweite Sache hab ich dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

(Abg. Rock meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Wollten Sie sagen, das sei weniger?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605204900
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Edelhard Rock (CDU):
Rede ID: ID0605205000
Herr Kollege Junghans, würden Sie mir zugeben, daß die Landwirtschaft eines uns beiden sehr naheliegenden Gebietes natürliche Absatzquellen durch die Zonenrandlage verloren hat?

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605205100
Sie hat aber neue Absatzquellen gewonnen. Denken Sie einmal an Salzgitter! Dort haben 1937 20 000 Menschen gewohnt, heute sind es 120 000. Sie wissen ganz genau, daß bei uns praktisch der eigene Markt alles aufsaugt, was es dort gibt.

(Zuruf von der CDU/CSU: So einfach ist das! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich möchte noch zu einem weiteren Punkt Stellung nehmen. Nach dem CDU/CSU-Entwurf soll eine Berichtspflicht gesetzlich verankert werden. Ich bin der Auffassung, daß die Bundesregierung bereits im Rahmen ihrer Berichtspflicht informiert. Denken Sie z. B. an den Bericht zur Lage der Nation, den Raumordnungsbericht, den Jahreswirtschaftsbericht, den Strukturbericht und den Bericht über den zu erweiternden Verkehrswegeplan für das Zonenrandgebiet. Parlament und Öffentlichkeit sind über die Maßnahmen und Ergebnisse im Zonenrandgebiet umfassend unterrichtet. Ich möchte also diesen Entwurf zusammenfassend dahingehend beurteilen, daß ich sage: Er ist nicht ausgereift und steht in vieler Hinsicht den strukturpolitischen Zielen sogar diametral entgegen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch einige Bemerkungen machen, Herr Präsident? Zwar leuchtet die Lampe auf; aber ich hatte so viele Zwischenfragen zu beantworten, daß ich — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605205200
Ja. Ihre Redezeit ist durch die Zwischenfragen um fünf Minuten verkürzt worden.

Hans-Jürgen Junghans (SPD):
Rede ID: ID0605205300
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt ein Entschließungsantrag vor, den die Fraktionen der SPD und FDP gemeinsam eingebracht haben. Dieser Antrag betont noch einmal ausdrücklich die Priorität der Förderung Berlins und des Zonenrandgebiets. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die" bisherige Rangordnung hinsichtlich der Intensität der Förderung Berlins, des Zonenrandgebiets und der übrigen Bundesausbaugebiete auch in Zukunft erhalten bleiben soll.
Die Fraktionen der SPD und FDP fordern in dem Entschließungsantrag ferner die gesetzliche Absicherung der bisherigen Förderungsmaßnahmen durch ein Zonenrandförderungsgesetz. Das gilt insbeson-



Junghans
dere für die Sonderabschreibungen, die durch das Urteil eines Finanzgerichts fragwürdig geworden sind.
Über die Absicherung der bisherigen Maßnahmen hinaus fordern wir zur Verbesserung der Situation der Arbeitnehmer im Zonenrandgebiet im Rahmen eines langfristigen Wohnungsbauprogramms eine Erhöhung der Einkommensgrenzen und der Fördersätze im sozialen Wohnungsbau. Da wir der Meinung sind, daß eine erfolgreiche Ansiedlungspolitik von Industrieunternehmen im Zonenrandgebiet auf die Dauer nur dann gelingt, wenn ein ensprechendes Wohnungsangebot vorhanden ist, wünschen wir auch, daß Wohnungsbaufördermittel für den Bedarf der Facharbeiter und Führungskräfte bereitgestellt werden.
Einen gesonderten periodischen Bericht über die Lage im Zonenrandgebiet halten wir nicht für erforderlich. Wir sind der Meinung, daß es genügt, wenn die Bundesregierung wie bisher auch in Zukunft regelmäßig über die Entwicklung im Zonenrandgebiet, vor allem aber über die dort angewandten Präferenzsysteme berichtet.
Ich möchte zum Schluß aber noch eines hinzufügen. Ich habe vorhin von der zunehmenden Bedeutung der Infrastrukturinvestitionen in der zweiten Phase unserer Strukturpolitik gesprochen. Das gilt ganz besonders auch für das Zonenrandgebiet. Ich bitte daher die Bundesregierung zu überlegen, inwieweit z. B. im Rahmen des ERP-Sondervermögens die Möglichkeit geschaffen werden kannn, ein festes Programm zur Förderung der gemeindlichen Investitionen, die der Verbesserung des Wohn- und Freizeitwertes dienen, für das Zonenrandgebiet aufzustellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605205400
Das Wort hat der Abgeordnete Kienbaum.

Gerhard Kienbaum (FDP):
Rede ID: ID0605205500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP betrachtet diesen heute diskutierten Bericht als Information, nicht als Erfolgsdarstellung.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Die FDP ist nüchtern genug, festzustellen, daß unsere Wirtschaft noch keineswegs frei von Strukturschwächen ist. Deshalb wünscht die FDP eine weitere Ausgestaltung dessen, was die Strukturpolitik leisten kann. Sie wünscht Strukturpolitik — das kam in den Ausführungen des Staatssekretärs zum Ausdruck — als die schon seit Beginn dieser Legislaturperiode von uns geforderte Politik der bewußten Stärkung des Angebots. Aber sie wünscht noch etwas mehr. Sie wünscht den Übergang vom Experiment, wie der Staatssekretär es nannte, zur volkswirtschaftlich begründeten und mit Ergebnissen belegbaren Förderung.
Diese Wünsche veranlassen uns, die Weiterführung der Aussprache im Plenum zu diesem Themenkreis im Wirtschaftsausschuß anzuregen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut! — Sehr nötig! — Ausgezeichnet!)

Sie veranlassen uns weiter, dort insbesondere, Herr Staatssekretär, über die Effizienz der bislang eingeleiteten Maßnahmen zu sprechen und, wo immer möglich, sie auch mit Daten sorgfältig zu prüfen

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und auch — das darf ich hinzufügen — die Frage zu prüfen, wo der heute erreichte Stand unserer Strukturpolitik der methodischen Verbesserung und Weiterentwicklung bedarf.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Als Sprecher der FDP merke ich zudem an — Sie können sich vielleicht vorstellen, daß mich einige Teile der Diskussion etwas amüsiert haben —, daß Strukturpolitik nicht in Bonn erfunden wurde. Vor Bonn und Brüssel wurde Strukturpolitik in Düsseldorf bereits mit Erfolg betrieben,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und das Ende, lieber Kollege Junghans, war eben nicht die Kohlenkrise, sondern waren die schon lange eingeleiteten Vorbereitungen, um dieser kommenden Krise zu begegnen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Eine nachträgliche Kritik an Herrn Erhard!)

— Wenn Sie wollen, natürlich. (Abg. Wehner: Da sind wir einig!)

— Darüber habe ich auch nie einen Zweifel gelassen.

(Abg. Wehner: Das glaube ich auch!)

Hier ist es wohl geboten, einige Tatbestände wenigstens kurz richtigzustellen. Es tut mir leid, daß ich dabei meine eigene Arbeit miteinbeziehen muß. In den von mir 1962 nach Amtsübernahme erarbeiteten Denkschriften — eine zur Regionalstruktur und eine zur Branchenstruktur — sind die Schwächefaktoren ausgewiesen, die nicht für Nordrhein-Westfalen Gültigkeit haben, sondern — mit unterschiedlichem Gewicht — auch für andere Gebiete,

(Abg. Rösing: Sehr gut!)

nämlich für die Zonenrandgebiete, aber, wie wir wissen, auch für die innerhalb der Bundesrepublik gelegenen Problemgebiete.

(Zuruf von der CDU/CSU: Endlich kommen wir zur Sache! — Abg. Wehner: Nachdem das „Gewandt" abgelegt ist, kann man zur Sache kommen! — Zuruf von der CDU/CSU: Da spricht einer, der etwas davon versteht! — Abg. Wehner: Keine Nebenerscheinung, wie Sie eine sind!)

Diese Schwächefaktoren muß ich der Sache wegen kurz ins Gedächtnis rufen. Es war und ist auch heute noch zunächst einmal die Einseitigkeit des Arbeitsplatzangebots und ganz besonders des Angebots an industriellen Arbeitsplätzen, unter dem Teilräume zu leiden haben.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Es ist zum zweiten das immer noch keineswegs beseitigte Überwiegen alter Wirtschaftszweige mit geringer Wertschöpfung.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)




Kienbaum
Es ist drittens für Teilräume das immer noch unterdurchschnittliche Sozialprodukt je Einwohner, das, wie die neuesten Statistiken klarmachen, ein quantitatives Verhältnis von über 1 : 5 kennzeichnet. Es ist schließlich — lassen Sie mich auch das in allem Freimut sagen; wir sind über den Berg, deshalb darf man das, ohne Widerhaken irgendwo im Herzen oder in der Haut zu spüren, erwähnen — die immer noch weitverbreitete Haltung der Behinderung struktureller Veränderungen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Die Beseitigung dieser Schwächefaktoren wurde — in Nordrhein-Westfalen, muß ich gestehen; für anderes kann ich nicht sprechen — 1963 eingeleitet und nicht erst 1966. Sie erforderte allerdings in der Hochkonjunktur — auch damals hatten wir bereits eine solche — einiges, worüber nur wenig gesprochen wird, nämlich zunächst einmal auf Grund der nachgewiesenen Schwächen die Verbreitung der Erkenntnis — und das war 1963 ein schwieriges Unterfangen — —

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer war damals Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen?)

— Herr Dr. Meyers dürfte Ihnen auch heute noch bekannt sein, obwohl er sich weitgehend zurückgezogen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP. — Zuruf von der CDU/CSU: Und Sie waren Wirtschaftsminister!)

Sie erforderte sodann die Bereitschaft, Maßnahmen zu ergreifen. Hier komme ich auf den Ministerpräsidenten, Herrn Dr. Meyers, zurück. Der war nämlich entgegen der landläufigen mehrheitlichen Meinung bereit, aus den Erkenntnissen Folgerungen
zu ziehen. Und ich komme auf den Landtag dieses Landes zurück. Die beiden Aufgaben, die ich erwähnt habe, wurden in Nordrhein-Westfalen nämlich von allen Beteiligten, von CDU, SPD und FDP, angepackt und Schritt für Schritt gemeistert. Ich glaube, daß dieses Thema der Strukturpolitik am allerwenigsten geeignet ist, irgendwelche aus der Sachfrage herausführenden Auseinandersetzungen auszutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich schätze mich nämlich glücklich, an dieser Arbeit,
wie ich hoffe, zur rechten Zeit mitgewirkt zu haben.
Meine dabei gesammelten Erfahrungen verpflichten mich allerdings auch, wenigstens einige Probleme, die erörtert werden müssen, aufzuzeigen. Dabei ist entsprechend der Gliederung des Strukturberichts zwischen Branchen- und Regionalstruktur zu unterscheiden.
Zur Branchenstruktur darf ich — ich hoffe, mit Widerspruch, aber ich befürchte, ohne Widerspruch—feststellen: Wir wissen viel zu wenig über die spezifischen Branchenprobleme, insbesondere über die typischen Branchen der mittelgroßen und kleinen Unternehmensgrößen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Zweitens fehlt diesen Branchen zur Zeit noch weitgehend der Zugang zu neuen Leistungsprogrammen, .die ihre Probleme erleichtern können. Hier sollte die Strukturpolitik zusätzlich einsetzen.
Zur Regionalstruktur erlauben Sie mir die Feststellung, 'daß der seinerzeit unternommene Versuch, ein Gegenstromverfahren der Ideen und konzeptionellen Arbeit in Gang zu setzen, auch heute noch Bedeutung hat. Es wird nicht zu erwarten sein, daß bei noch so sehr verstärkter weiterer und ergänzender finanzieller Ausstattung beispielsweise im Bundeshaushalt die gewünschten Ergebnisse eintreten, wenn nicht von unten her aus den Räumen, die vielleicht ani besten mit der Kreisgröße umrissen werden, ein ergänzendes Konzept für die für den Raum spezifisch anzusetzenden Förderungsmaßnahmen erarbeitet wird.
Fü die Regionalstruktur scheint mir weiter für die Zukunft bedeutungsvoll, daß wir uns darauf einzurichten haben, die tiefere Verarbeitung als Konzept unserer wirtschaftlichen strukturellen Weiterentwicklung voranzutreiben. Wir werden uns mit dem Gedanken abfinden müssen, .daß jedwede Grundproduktion der Zahl der Arbeitsplätze nach in unserer kontinentalen wirtschaftlichen Lage einem wirkungsvollen Ausbau, der sehr viel wirtschaftlichen Fortschritt und Wachstum ermöglicht, nicht als Basis dienen kann. Wir müssen, ähnlich wie es die Struktur der industriellen Produktion der Schweiz heute schon ausweist, in die Tiefe der Veredelung und Verarbeitung einsteigen. Gerade das ist für die Regionalstruktur und die Beteiligung der örtlichen Instanzen eine Erkenntnis, die es dort, wie ich den Eindruck habe, erst noch zu verbreiten gilt.
Schließlich sollte der Bund — das ist in einigen der Beiträge schon angeklungen — noch stärker als bisher die Basisvoraussetzungen in der wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur fördern. Kein Unternehmen kann angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktsituation selbst bei einer Neuinvestition in den stillen Räumen, in denen uns gerade die Förderung und Entlastung der Landwirtschaft durch Strukturpolitik am Herzen liegt, auf sofortige Bereitstellung von Arbeitskräften rechnen; es wird seine Investitionen auf eine mittelfristige Entwicklung auch der eigenen Beschäftigtenzahlen abstellen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

Es wird davon auszugehen haben, daß es dort keine billigen Arbeitskräfte mehr gibt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Das alles zusammen spricht dafür, daß der Bund, die Länder und die Kommunen mit der wirtschaftlichen Infrastruktur der Verkehrsnetze und der Versorgung vorangehen müssen, damit überhaupt die Basis für eine Investitionsentscheidung geschaffen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP.)

Lassen Sie mich zusammenfassen. Ich vermute, niemand in diesem Hause wird der Hoffnung huldigen, wir könnten in Zukunft zu irgendeinem Zeit-



Kienbaum
punkt von Strukturproblemen befreit werden. Sie werden immer erneut auftreten, weil wir in Veränderungsprozessen stehen, und diese Veränderungsprozesse werden an Tempo und Ausmaß zunehmen.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Sehr gut!)

Deshalb benötigen wir ganz besonders auf diesem Gebiet einen Ausbau der Forschung, der wissenschaftlichen Erkenntnis und — das kommt hinzu — der Umsetzung der von uns zu erarbeitenden Erkenntnisse in praktischen Nutzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605205600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Warnke. Er wird zu a) und b) sprechen. Seine Fraktion hat für ihn eine Redezeit von 30 Minuten erbeten.

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID0605205700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Interesse haben wir die Darstellung der regionalen Aktionsprogramme und ihrer Auswirkungen im vorgelegten Strukturbericht zur Kenntnis genommen. Das war eine Bilanz der Strukturpolitik der Großen Koalition, und die war in der Tat nicht schlecht. Sie war die Resultante eines Kräfteparallelogramms aus CDU/CSU und SPD. Einen Zwischenbericht darüber nehmen wir mit Befriedigung zur Kenntnis.
Aber die CDU/CSU-Fraktion genügt das nicht. Was wir von einem Strukturbericht erwarten, ist nicht nur eine Rückschau und eine Sachstandsmitteilung, sondern wir wollen Ausblicke haben, wir wollen die Perspektiven der Strukturpolitik kennenlernen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und da ist dieser Strukturbericht so dürftig, wie es schon der Jahreswirtschaftsbericht gewesen ist.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Im Strukturbericht heißt es, die Bundesregierung beabsichtige, die Mittel für die regionale Wirtschaftspolitik von 173 auf 353 Millionen DM aufzustocken. Erstens einmal ist ,das keine Absicht, sondern längst ein Teil des von Ihnen vorgelegten Haushalts, und zweitens stimmt es nicht; denn der Bundesfinanzminister hat schon im vergangenen Jahre — wenn er damals auch noch Franz Josef Strauß hieß und deshalb vielleicht seine Handlungen Ihnen nicht so erwähnenswert erscheinen — aus dem Aufkommen der Exportmehrwertsteuer 150 Millionen DM zusätzlich zum Haushaltsansatz zur Verfügung gestellt, so daß wir im Jahre 1969 in Wirklichkeit 323,8 Millionen DM für die regionale Wirtschaftspolitik eingesetzt haben. Diesmal ist es etwas weniger, diesmal sind es 303 Millionen DM, und wenn Sie das dann durch Bindungsermächtigungen noch etwas aufnorden, so ist das immer noch lediglich die Weiterführung ,der regionalen Wirtschaftspolitik in den Größenordnungen, wie sie die Große Koalition gesetzt hat, und nicht etwa der große Sprung nach vorn. Alles andere ist, milde ausgedrückt, Informationspolitik; Herr Ahlers formuliert das etwas unfreundlicher.
Worauf es uns ankommt, ist, wenn Sie es schon nicht tun, Ihnen hier ein paar Anregungen zu geben und konkrete Vorstellungen zu entwickeln, wie es in der regionalen Wirtschaftspolitik weitergehen soll: zunächst einmal Weiterentwicklung der regionalen Aktionsprogramme; das ist der erste Punkt. Das ist nicht nur denkbar, sondern auch notwendig. Es gibt in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen Gebiete, in denen Land-und Bund es wohl für notwendig halten, fortzuschreiten, neue Förderungsgebiete mit einzuschließen. Sie stellen in der Ziffer 20 des Strukturberichtes fest, daß heute bereits 50% der Fläche des Bundesgebietes der regionalen Förderungspräferenz unterliegen. Bei einem solchen Zustand kommt doch eine Weiterentwicklung wohl nur in Frage, wenn man gleichzeitig in den Gebieten, in denen die Ziele erreicht sind, zu einem Schluß der Regionalförderung kommt. Die Zahl von 50% Förderungsgebiete in der Bundesrepublik verträgt keine weitere Eskalation.
Wir haben aber in diesem Bericht vergebens danach gesucht, wie die Entwicklung weitergehen soll, obwohl das Entscheidungen sind, die nicht im nächsten oder übernächsten Jahr, sondern in den nächsten fünf Monaten heranstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Warum schweigen Sie? Wenn wir schon einen Strukturbericht haben, dann ist das der Zeitpunkt, wo wir darüber diskutieren müssen. Warum legen Sie uns nicht Ihre Absichten auf den Tisch, warum sagen Sie nicht, was in den nächsten Wochen und Monaten geschehen soll? Vielleicht deshalb, weil Sie befürchten, vor den Landtagswahlen ein unpopuläres Wort sagen zu müssen! Damit werden Sie der Aufgabe dieses Hauses nicht gerecht, meine Herren!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wie notwendig ein neues Überdenken ist — das ist der zweite Punkt, den ich hier anschneiden möchte —, zeigt allein die Tatsache, daß wir heute zwischen den schlechtesten Lagen im Osten der Bundesrepublik und denjenigen Gebieten, die in räumlich geradezu idealer Weise im Herzen des Gemeinsamen Marktes an der deutsch-französischen Grenze liegen, im Förderungshöchstsatz nur eine Differenz von fünf Punkten haben. Der Herr Kollege Junghans hat hier von „passiver Sanierung" gesprochen. Er hat diese Vokabel in die Debatte gebracht, die ich nicht erwartet hatte. Wenn etwas passive Sanierung bedeutet für Räume wie Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen, wie Hof in Oberfranken, wie Freyung und Wegscheid im Bayerischen Wald, dann die Tatsache, daß man ihnen praktisch nicht mehr Förderung angedeihen läßt als einem Gebiet, das sich im Herzen der wirtschaftlichen Entwicklung des Gemeinsamen Marktes befindet.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wenn sich da heute keine krasse Arbeitslosigkeit zeigt, dann ist das kein Grund zur falschen Beruhigung;

(Abg. Giulini: Sehr richtig!)




Dr. Warnke
denn dort haben wir Bevölkerungsabwanderung, dort haben wir echten Bevölkerungsrückgang,

(Zurufe von der CDU/CSU: Leider wahr!)

und auch das ist ein Weg der passiven Sanierung durch ungleichgewichtige Förderungsmaßnahmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir wenden uns nicht gegen die Schwerpunktkonzentration. Sie hat ihre Berechtigung, sie wird von uns mitgetragen. Aber wir geben — und das ist der nächste •Punkt, den ich Ihnen hier unterbreite — doch zu bedenken, ob nicht im lokalen Bereich durch Anwendung raumordnungstheoretisch durchaus fundierter, exakter und begründeter Begriffe wie der „Entwicklungsachse", wie des „Verdichtungsbandes" von einem allzu starren Schematismus der Förderung im Einzelfall bei einer entsprechenden Begründung abgegangen werden kann.
Herr Kollege Junghans, Sie waren der Meinung, daß es in Bayern so viele Arbeitslose gebe, weil a) die bayerische Staatsregierung kein Programm vorgelegt habe und b) die Bildungsvoraussetzungen in Bayern derart katastrophal seien, daß die Industrie nicht in diese Gebiete gehe. Herr Kollege Junghans, ich habe nichts gegen eine pointiert scharfe und meinetwegen auch polemische Äußerung in einer parlamentarischen Debatte; aber Sie müssen die Fakten kennen. Die Bayerische Staatsregierung hat im vergangenen Jahr das Programm für Bayern I vorgelegt; sie hat in diesem Jahr das Programm für Bayern II vorgelegt; sie legt in diesen Tagen das Programm für das bayerische Naherholungsgebiet vor. All das sind Gesamtkonzeptionen für den ganzen Raum. Ich bezeichne dies hier als eine Verhetzung, wenn wir in diese Richtung vormarschieren und anderen etwas vorwerfen, was ganz klar nicht den Tatsachen entspricht.

(Beifall bei .der CDU/CSU.)

Dias gleiche gilt vom Schulentwicklungsplan, mit dem, wie Herr Kollege Müller Ihnen gern bestätigen wird, in Bayern in den letzten sieben Jahren mehr weiterführende Schulen gerade in den Randgebieten gegründet worden sind als in den 150 Jahren zuvor. Aber das ist nicht der Grund, warum wir dort nicht weiterkommen. Der Grund liegt in der extremen Ungunst ,der Lage. Wir sollten uns hüten, hier mit billigen und populären Affekten eine Veranwortung von uns abzuwälzen, die wir bestenfalls gemeinsam tragen, im Augenblick Sie aber schwerer als wir.
Beifall bei der CDU/CSU.)
Der vierte Punkt, meine Damen und Herren, ist die Tatsache, daß wir mit ,der nahezu totalen Umwandlung in eine obligatorische Zuschußförderung der Wirtschaft und nur noch einem geringen Rest an Kreditförderung für Neuansiedlungen und Betriebserweiterungen einen Weg beschritten haben, der sich in dieser Form als nicht praktikabel erwiesen hat. Ich wundere mich, daß die zahllosen Schwierigkeiten, von denen jeder Abgeordnete, der in den Förderungsgebieten zu Hause ist, berichten kann — gleich, welcher Fraktion er angehört —, in diesem Bericht keinen Niederschlag gefunden
haben, nämlich die Schwierigkeiten, die darin bestehen, daß man zwar für die großen und größten Unternehmen mit der Zuschuß- und Zulagenförderung einen Maßanzug geschaffen hat, daß aber die kleinen und mittleren Unternehmen aus Liquiditätsgründen

(Abg. Dr. Ritz: Genau das!)

der 50prozentigen Kreditförderung alter Prägung beute nicht nur manche Träne nachweinen, sondern durch ihr Fehlen nicht in der Lage sind, nötige Investitionen vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Man kann diesem Umstand durch eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Land abhelfen, indem man nämlich den Ländern ,die Möglichkeit gibt —und das in das Gesamtkonzept einbezieht —, diese Kreditförderung durchzuführen. Das ist z. B. im Falle des Freistaats Bayern so geschehen. Dann darf man sich aber nicht wundern, Herr Kollege Junghans, wenn diese Länder und die dortige Industrie die Bundesprogramme, die für sie zum Teil ungünstiger sind, weniger in Anspruch nehmen und mehr auf günstigere Möglichkeiten im eigenen Lande zurückgreifen. Ich würde es wünschen, daß Sie die Möglichkeit der Abstimmung im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftspolitik nutzten, damit hier nicht mehr ein Kleinkrieg zwischen Bund und Land geführt, sondern eine ausgewogene Aufgabenverteilung herbeigeführt wird. Ich hätte es begrüßt wenn Sie uns Ihre Vorstellungen dazu in diesem Strukturbericht vorgelegt hätten.
Über eines müssen Sie sich auch klar sein, Herr Staatssekretär Arndt. Im Strukturbericht haben Sie die konjunkturellen Rahmenbedingungen der regionalen Strukturpolitik angesprochen. Aber in diesen Fällen der Investitionen kleinerer und mittlerer Unternehmen hat sich durch die von Ihnen verschuldete maßlose Diskont- und Zinserhöhung die konjunkturelle Rahmenbedingung ganz entscheidend zuungunsten der Investitionen gewandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wer die Verantwortung dafür trägt, meine Damen und Herren, das hat der Vorsitzende des Sachverständigenrats in einem Brief an den Bundeskanzler eindeutig festgestellt. Die Erörterung dieses Dokuments möchte ich allerdings der nächsten Woche überlassen.
Der fünfte Punkt. Wir fordern eine bessere oder überhaupt eine Verknüpfung von Mittelstandspolitik und regionaler Strukturpolitik. Das, meine Herren von den Regierungsparteien, ist ein Ansatz zu einer Strukturpolitik aus einem Guß, die Sie vollmundig in der Regierungserklärung angekündigt haben, von .der aber im Jahreswirtschaftsbericht nichts zu spüren war, die hier nicht enthalten ist. Jetzt werden wir auf den Bundesraumordnungsbericht vertröstet und werden wahrscheinlich auch noch beim Städtebauförderungsbericht vergebens darauf warten.
Wir haben folgende Vorstellungen. Das Festhalten am Primäreffekt, an der Schaffung von Arbeitsplät-



Dr. Warnke
zen in der Produktion, das auch noch in diesem Strukturbericht ausdrücklich statuiert wird, scheint uns durch die immer stärkere Bedeutung des tertiären Sektors überholt zu sein. Die Industriebeschäftigtenquote wird rückläufige Tendenz, die Beschäftigtenquote im Dienstleistungsbereich steigende Tendenz haben. Bei der Bedeutung dieses Bereiches für den so wichtigen Wohn- und Freizeitwert unserer Förderungsgebiete sollten wir auch dem kleinen Handwerker, sollten wir auch der Kraftfahrzeugreparaturwerkstätte, sollten wir auch dem mittleren Selbstbedienungsladen, sollten wir auch dem Friseur an Ort und Stelle die Möglichkeit geben, zu partizipieren. Wir haben diese Möglichkeit durch das Investitionszulagengesetz geschaffen. Ich habe es sehr bedauert, daß Bestrebungen Ihres Hauses, Herr Staatssekretär, im Gange waren, über 'die volkswirtschaftliche Bescheinigung diese Möglichkeit wieder abzuschaffen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie sich zu Ihren Vorstellungen äußerten — unsere habe ich auf den Tisch gelegt, z. B. über die Investitionszulage —, ohne unmittelbare ausgabensteigernde und mit geringer einnahmesenkender Wirkung einen Ansatz zu dieser Strukturpolitik aus einem Guß zu finden, die wir nicht postuliert haben, zu der wir Ihnen aber gerne die Anregungen geben. Das schließt auch die entsprechende Förderung des Fremdenverkehrs nicht nur im Zonenrand-, sondern gerade in den Ausbaugebieten auf dem Wege über die Investitionszulage ein.
Für eine ganzheitliche Strukturpolitik ist es ganz entscheidend, daß der Wohnungsbau stärker in seiner Bedeutung für die Bevölkerungsentwicklung in diesen Räumen erkannt, gewürdigt und gefördert wird. Das ist als Problem, aber ohne Lösungsvorschlag im Strukturbericht angesprochen worden. Wir sind einen Schritt weitergegangen und haben Ihnen in dem Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes, den ich anschließend begründen werde, ein konkretes Lösungsmodell vorgeschlagen.
Aber bevor ich darauf komme, meine Herren von der Bundesregierung, noch eine Anregung verfahrensmäßiger Art. Herr ,Staatssekretär Arndt hat erwähnt, daß der Bericht dem Hause am 8. Mai zugegangen sei. Nun, die Mitglieder dieses Hauses können nur eines sagen: am B. Mai lasen sie, daß die Bundesregierung diesen Bericht abgeschlossen habe, und sie lasen ausführliche Auszüge in der Presse, aus denen sie sich schlecht und recht informiert haben. Wir haben diesen Bericht Freitag mittag auf unsere Pulte bekommen. Das ist gerade im Zeichen einer Bundesregierung, die mehr Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hat,

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

für dieses Haus wohl kaum eine angemessene Vorbereitungsfrist. Ich möchte dazu sagen: Mehr Demokratie, wir fangen erst richtig an!

(Abg. Lange: Das ist doch kein Argument! Dummes Zeug!)

— Herr Kollege Lange, ich halte es nicht für dummes Zeug, wenn wir den Anspruch erheben, angemessen auf die Debatte vorbereitet zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Sicherlich ist das dummes Zeug!)

— Herr Kollege, jeder ist so höflich, wie er es versteht. Ihre Zwischenrufe werden mich nicht davon abbringen, auf diesem Punkte zu beharren.

(Weitere Zurufe von der SPD.)

Der Bericht bringt nicht gerade eine Fülle von Material. Wir haben die Kontakte mit den Industrie- und Handelskammern, mit den Handwerkskammern, mit den Gewerkschaften oder mit den Landesregierungen, die wir gern gehabt hätten, nicht haben können. Deshalb behalten wir uns vor, noch in anderer geeigneter Weise auf einige Punkte in diesem Bericht zurückzukommen; denn wir sind an einer eingehenden Behandlung dieses Berichts gehindert worden, weil wir ihn erst am Montag vorgefunden haben, da er am Freitag verteilt wurde.

(Abg. Junghans: Ihre Kontakte reichen eben nicht!)

Das ist der springende Punkt.
Ich möchte Ihnen abschließend den Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes, den die CDU/CSUFraktion vorgelegt hat, begründen. In .dem Strukturbericht stand, daß die Bundesregierung zur Zeit prüfe, in welcher Weise ein solches Gesetz erforderlich sei. Also gut — wenn Sie meinen, noch die Modalitäten prüfen zu müssen, dann hoffen wir, daß Sie damit bald zum Abschluß kommen. Aber eines haben wir nicht verstanden: daß im Strukturbericht der Bundesregierung steht, .sie prüfe, ob ein solches Gesetz überhaupt erforderlich sei.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Wenn ich dann noch gehört habe, daß der Herr Kollege Junghans hier erklärt hat, die Heranführung der Fördergebiete und des Zonenrandgebietes an das Wohlstandsniveau anderer Länder sei infolge der Strukturpolitik dieser Bundesregierung gelungen, kann ich nur feststellen: Die Weihrauchstreuerei nimmt hier unerträgliche Formen an!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Heranführung an das Wohlstandsniveau anderer Länder ist eben nicht gelungen. Ich denke gar nicht daran, der Bundesregierung daraus einen Vorwurf zu machen, weil ich mir im Unterschied zu anderen Kollegen der Schwierigkeit dieser Aufgabe bewußt bin. Aber wenn man mit einer solchen Haltung an das Problem herangeht, verstehe ich natürlich, daß man sagt, man prüfe, ob ein Zonenrandförderungsgesetz überhaupt erforderlich sei, wie es schwarz auf weiß in diesem Strukturbericht der Bundesregierung steht.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dieses Gesetz .ist erforderlich. Es ist erforderlich, weil das schleswig-holsteinische Finanzgericht die Sonderabschreibungen für unzulässig erklärt hat; es ist erforderlich, weil das Zonenrandgebiet als einziges Fördergebiet keine gesetzliche Grundlage



Dr. Warnke
seiner Förderung besitzt; und es ist erforderlich, weil wir in der Vergangenheit gesehen haben, daß es, nachdem Minister Schedl im Dezember 1967 die Forderung erhoben hatte, das Zonenrandgebiet an die Förderungssätze der Steinkohlengebiete heranzuführen, anderthalb Jahre dauerte, bis dieses Vorhaben tatsächlich verwirklicht werden konnte, anderthalb Jahre, die einen erheblichen Entwicklungsrückstand bedingt haben.
Wir haben diesen Gesetzentwurf in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht angekündigt. Wir haben ,Sie als Bundesregierung gefragt, ob Sie bereit sind, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir haben auf diese Frage keine Antwort bekommen. Und dann haben wir gehandelt, so daß dieses Gesetz Ihnen heute vorliegt.
Ich möchte Dank ,sagen für die Formulierungshilfe, die uns von Kammern, Verbänden und den Landeswirtschaftsministerien, deren Lübecker Entwurf wir verwendet haben, dabei geleistet worden ist. Aber wir wollten kein reines Wirtschaftsförderungsgesetz, wie es unter Beteiligung der Bundesregierung in Lübeck ausgearbeitet worden ist. Deshalb haben wir diesen Entwurf erweitert. .Wir haben ihn erweitert in Kenntnis der Bedeutung der Förderung der Infrastruktur und der Kommunalförderung für den Wohn-und Freizeitwert und damit für die Wirtschaftsstärkungs- und Wachstumschancen der Förderungsgebiete unter ausdrücklicher Aufnahme der Förderungsmaßnahmen, die auf diesem ,Gebiet bis jetzt praktiziert werden.
Wir sind darüber hinaus einen Schritt weitergegangen, indem wir die grundlegende Bedeutung des Wohnungsbaus durch erstmalige Einführung einer Wohnungsbaupräferenz — orientiert an dem Berliner Modell, aber mit etwas geringeren Förderungssätzen —für das Zonenrandgebiet gewürdigt haben. Diese Präferenz steht unter dem Haushalts-. und Finanzplanungsvorbehalt und hat deshalb keine unmittelbaren ausgabesteigernden Wirkungen. Sie sorgt vielmehr dafür, daß die zu unserem Bedauern seit, so glaube ich, einem halben Jahrzehnt oder länger im Haushalt der Bundesregierung unverändert gebliebenen Ansätze für den Arbeitnehmerwohnungsbau im Zonenrandgebiet in Höhe von 14 Millionen DM jährlich auf jeden Fall auch wirklich zweckentsprechend eingesetzt werden — was bis jetzt nicht gewährleistet war —, nämlich durch eine Aufstockung der Darlehnsbeträge im Zonenrandgebiet. Bis jetzt dagegen haben wir öfter feststellen müssen, daß diese Mittel im Verwaltungsvollzug zwar ins Zonenrandgebiet geflossen sind, aber nicht notwendigerweise dort einen zusätzlichen Effekt erbracht 'haben und daß dieser Zufluß durch Abfluß anderer Mittel leider Gottes manchmal kompensiert wurde.
Ich verhehle aber nicht, daß wir als Ziel durchaus eine Erhöhung der Wohnungsbaumittel in diesem von 'der Abwanderung bedrohten Randgebiete im Osten der Bundesrepublik anstreben, dies aber im Einklang mit den Möglichkeiten der mittelfristigen Finanzplanung, die es nach unserer Vorstellung in diesem Sinne )fortzuschreiben gilt.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Ich möchte auch anregen, daß wir bei den Ausschußberatungen die Möglichkeiten einer verbesserten Wohngeldförderung in diesen Gebieten prüfen.
Wir haben damit unseren Beitrag zur Arbeitnehmerförderung im Zonenrandgebiet geleistet, da wir feststellen mußten, daß sich die sozialdemokratische Fraktion 'des Bundestages entgegen den Versprechungen, die sie im Wahlkampf landauf landab im Zonenrandgebiet gemacht hat und denen wir uns nicht angeschlossen haben, obwohl die Versuchung dazu groß war, heute nicht mehr in der Lage sieht, einen Arbeitnehmerfreibetrag zu beantragen und durchzusetzen. Damals hieß es, Herr Kollege Wehner, daß eine Koalition von CDU/CSU und Freier Demokratischer Partei den Arbeitnehmerfreibetrag im Zonenrandgebiet verhindert habe. Wir haben auf die sachlichen Schwierigkeiten hingewiesen.

(Abg. Wehner: Sie haben es 1965 und später abgelehnt! Lesen Sie doch die Protokolle nach! Das ist doch alles undramatisch! Hier im Bundestag! Da waren Sie noch nicht da! Das ist nicht Ihre Schuld! Lesen Sie es bitte nach, statt vorher in Demagogie zu üben! — Gegenrufe von der CDU/CSU.)

— Völlig einverstanden! Nur hätten Sie dann nicht eine Woche vor der Wahl in Nordost-Oberfranken und anderswo sagen sollen: CDU/CSU und FDP haben es abgelehnt; wenn wir an die Regierung kommen, führen wir es ein.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Der Wahrheitsgehalt Ihrer Behauptungen ist landläufig bekannt! Der Name dessen: CSU! — Oho-Rufe von der CDU/CSU.)

— Ich danke für diese hohe Anerkennung für den Wahrheitsgehalt der Behauptungen der CSU.

(Abg. Wehner: Die können Sie sich an die Brust stecken, falls Sie eine haben!)

Herr 'Kollege Wehner, das 'ist schriftlich festgelegt durch eine Zeitung, die nicht im Verdacht steht, Ihnen feindlich zu sein. Außerdem hat es der ganze DGB in Nordost-Oberfranken mitgehört und ärgert sich noch heute ;darüber.

(Abg. Wehner: Natürlich! Ich stehe ja auch dazu!)

— Das ist schon besser, Herr Kollege Wehner.

(Abg. Wehner: Reden Sie nur nicht so kariert, weil Sie hier nicht einer Volkshochschule der CSU sind! —'Gegenrufe von der CDU/CSU.)

— Herr Kollege Wehner, es ist schwer, Ihrem Charme zu widerstehen.

(Abg. Wehner: Das weiß ich! — Heiterkeit.)

Ich 'bekenne Ihnen deshalb ganz offen: Sie sind mir in 'Ihrer ungezwungenen Natürlichkeit noch immer einer der Liebsten auf Ihrer Seite des Hauses.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz, das wir Ihnen vorlegen, enthält auch die Forderung nach einem Zonenrandförderungsbericht. Ich freue mich,



Dr. Warnke
zu sehen, wie schnell gute Taten Früchte tragen und daß, kaum daß wir vor einer Woche diesen Entwurf vorgelegt haben, hier schon ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vorliegt, der in weiten Bereichen in die gleiche Richtung geht. Wir werden im Ausschuß darüber beraten können.
Ich lege abschließend Wert auf die Feststellung, daß wir mit unserem Antrag den Ländern nicht die Möglichkeit nehmen wollen, im Bundesrat im ersten Durchgang zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung Stellung zu nehmen, wenn dieser Gesetzentwurf rechtzeitig kommt, meine Damen und Herren. Um das Inkrafttreten des Zonenrandförderungsgesetzes zum 1. Januar 1971 sicherstellen zu können, wird es unbedingt notwendig sein, daß dieser Gesetzentwurf bereits nach der Sommerpause hier im Bundestag vorliegt und in der Zwischenzeit die Beratung im 'Bundesrat durchgemacht hat. Wir sind bereit, die Ausschußberatungen bis zu diesem Zeitpunkt zurückzustellen. Aber wir sind nicht bereit, sie auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen zu lassen. Ich appelliere deshalb abschließend an die Bundesregierung, sich nicht nur über das Ob, sondern auch, Herr Staatssekretär Arndt, über das Wie unverzüglich schlüssig zu werden, es uns nachzutun und zu handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: Das Beste war, 'daß Sie „abschließend" sagten!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0605205800
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Vereinbarung der Fraktionsgeschäftsführer mitzuteilen. Heute und morgen wird es keine Mittagspause geben. Morgen, Mittwoch, wird die politische Debatte bis 16 Uhr geführt werden, und die Fragestunde findet dann von 16 bis 17 Uhr statt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller (München) .

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605205900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man bei den Ausführungen des Kollegen Warnke aufmerksam zugehört hat, mußte man feststellen, daß mit ein paar schönen schmückenden Beiwörtern die Rede war von Verhetzung, die hier getrieben werde, von Weihrauchstreuerei, die man hier und in den Berichten betreibe. Nun, wir wollen wieder zurückfinden zu der nüchternen Atmosphäre, die der Strukturpolitik an und für sich angemessen ist.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. SchmittVockenhausen.)

Herr Kollege Warnke, wenn das bischöfliche Seelsorgeamt zu Passau eine Resolution an alle bayerischen Bundestagsabgeordneten und an die Bayerische Staatsregierung gerichtet hat und wenn dieses bischöfliche Seelsorgeamt mit großen klagenden Worten davon spricht, wie die Bayerische Staatsregierung gerade diesen Raum Passau und das Zonenrandgebiet vernachlässigt hat, dann, glaube ich, kann man doch nicht von Weihrauchstreuerei sprechen, Herr Kollege Fuchs, auch nicht von Verhetzung, sondern das ist die nüchterne Feststellung
der Tatsache, daß Bayern zwar ein Programm „Bayern I und II" hat, aber eben heute erst, während z. B. Hessen seit 1953 einen Hessen-Plan hat.

(Beifall bei der SPD.)

Das muß man ganz nüchtern zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach, ist das wichtig!)

Doch wollen wir zurückkommen zur regionalen Strukturpolitik! Sie ist in Bayern ein Kapitel für sich. Die Bayerische Staatsregierung hat sich nur sehr zögernd bereit gefunden, die Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftspolitik überhaupt zu fördern.

(Abg. Dasch: Sind wir hier im Bayerischen Landtag?)

Noch zögernder hat sich die Bayerische Staatsregierung mit dem neuen, im gesamten Bundesgebiet so erfolgreichen Planungsinstrument der regionalen Aktionsprogramme einverstanden erklärt. Diese Aktionsprogramme waren überall erfolgreich, nur nicht in Bayern, wie der Strukturbericht 1970 der Bundesregierung darlegt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605206000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte schön, Herr Kollege!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605206100
Herr Kollege Müller, ist Ihnen nicht klar, daß die Forderungen der Bundesregierung bei diesen Schwerpunktprogrammen, daß immer eine höhere Konzentration der Bevölkerung gegeben sein müsse, das eigentliche Hindernis für die Wirksamkeit dieses Programms gerade im niederbayerischen Grenzgebiet dargestellt haben?

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605206200
Herr Kollege Dasch, wir werden auf ein paar sehr nette Details in diesem Zusammenhang kommen. Ich würde Sie bitten, vielleicht dann noch einmal eine Zwischenfrage zu stellen.
Die Bayerische Staatsregierung hat als letzte ihre vier regionalen Aktionsprogramme zusammen mit der 'Bundesregierung in Kraft gesetzt. Ich glaube, Herr Kollege Dasch, Sie werden mir zugeben müssen, daß das nichts mit Bevölkerungsgrößenordnungen zu tun hat, wenn man als letzte Landesregierung regionale Aktionsprogramme zusammen mit der Bundesregierung in Kraft setzt, sondern daß die Gründe vielleicht woanders liegen, eben darin, daß man kein besonders großes Interesse daran gehabt hat.

(Abg. Dasch: Das sind doch falsche Behauptungen!)

Nun, man muß die Münchener Regierung auch fragen, ob sie nicht große Chancen der Umstrukturierung und der Belebung dieser Gebiete in der Hochkonjunktur des Jahres 1969/70 versäumt hat. Sie werden sicher wissen, daß man auch im Konjunkturzyklus Förderungspolitik am besten in Zeiten der Hochkonjunktur betreiben kann. Daß die Bayerische Staatsregierung so lange gebraucht hat,



Dr. Müller (München)

zusammen mit der Bundesregierung regionale Aktionsprogramme in Kraft zu setzen, zeigt doch, daß sie diese Chance, in einer Zeit der Hochkonjunktur Förderung besonders zu betreiben, außer acht gelassen und leider nicht so gehandelt hat, wie es notwendig gewesen wäre.
Wie der Strukturbericht der Bundesregierung ausweist, wurden im Bundesgebiet bis zum März dieses Jahres 44 000 neue Arbeitsplätze vom Bund und von den Ländern gemeinsam gefördert. Und jetzt passen Sie auf, Herr Kollege Dasch: von den 44 000 neuen Arbeitsplätzen entfielen 4404 auf Bayern, obwohl Bayern über vier der zwölf Aktionsräume, für die besondere Bundesmittel zur Verfügung stehen, verfügt.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Daß hier ein Mißverhältnis vorhanden ist, ist ziemlich eindeutig.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605206300
Würden Sie eine Zwischenfrage zulassen? — Bitte schön, Herr Kollege!

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID0605206400
Herr Kollege Müller, ist Ihnen bekannt, daß der Freistaat Bayern ein günstigeres Programm zur Förderung zur Verfügung gestellt hat als der Bund und daß deshalb ein Vielfaches der von Ihnen genannten Zahl von den bayerischen Wirtschaftsunternehmen zur Förderung aus Landesmitteln in Anspruch genommen worden ist, nämlich eine Zahl, die sich meines Erachtens in der Größenordnung von 16 000 oder 17 000, wenn nicht noch mehr, bewegt?

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605206500
Herr Kollege Warnke, zu den Methoden dieses „günstigeren Programms" werde ich im Verlauf meiner Ausführungen noch kommen; sie sind sehr interessant. Einem Drittel der Aktionsräume steht ein Anteil von nur 10%der geförderten Arbeitsplätze gegenüber. Ich glaube — ganz gleich, wie man dazu steht das ist eine traurige Bilanz.
Die Bayerische Staatsregierung hat in ihrem Land weiterhin eine wahre Inflation der Schwerpunktorte, die besonders gefördert werden können, in Gang gesetzt. 107 der 250 Schwerpunkte aller Aktionsräume liegen 'in Bayern. Diese politisch bequeme Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung hat aber 2u keinerlei :besonders herausragenden Erfolgen geführt. Herr Kollege Warnke, in Bayern war es doch so, daß man aus vordergründigen Motiven, die mit kommunalpolitischen Interessen zusammenhängen, möglichst vielen versprochen hat, daß Schwerpunktorte geschaffen werden, während man in der Praxis dann nicht in ,der Lage war, die entsprechenden Firmen in diesen Schwerpunktorten auch anzusiedeln. Die Ansiedlung ist doch das Entscheidende — nicht etwa die Festlegung von Namen, ohne daß es später wirklich zu Verbesserungen kommt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605206600
Herr Kollege Dr. Müller, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? — Bitte schön!

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0605206700

( ist Ihnen denn nicht bekannt, daß das gerade in den sehr dünn besiedelten Gebieten nicht eine Frage der Opportunität, sondern daß es ,eine Frage der Zweckmäßigkeit ist, nicht zu stark zu konzentrieren, um die landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe und Zuerwerbsbetriebe überhaupt noch erhalten zu können? Wissen Sie das als Bayer nicht? Herr Kollege Fuchs, ich kenne mich in Bayern ganz gut aus. Ich komme aus Ihrer Heimatstadt. — Herr Kollege Stücklen, Herr Fuchs war mein Lehrer an der Schule, und ich bin ein Produkt seiner Bildung, wenn Sie 'so wollen. (Heiterkeit. — Zuruf von der CDU/CSU: Ein ganz gewiefter Fuchs!)

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605206800

(Abg. Stücklen: München!)

Herr Kollege Stücklen, wenn Sie jetzt von München sprechen, dürfen Sie nicht vergessen, daß ich den größten Teil meines Lebens in Niederbayern und in Passau verbracht habe. Wenn ich älter bin, wird sich das Verhältnis ein bißchen zugunsten von München verschoben haben. Aber ich bin doch ein Produkt der Stadt Passau. Das bedeutete für meinen Jahrgang, den Abitursjahrgang 1953, .daß, abgesehen von denen, die Lehrer oder Pfarrer geworden sind, fast alle abgewandert sind, weil keine vernünftige Politik betrieben wurde, die es ermöglicht hätte, daß Leute, ,die sich weiterbilden wollten, studieren und dann wieder zurückkehren konnten. Das ist doch das Entscheidende.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ CSU: 1954 war doch die SPD in Bayern in der Regierung!)

— Lieber Herr Kollege Warnke, 1953 hat die CSU in Bayern regiert; das werden Sie genau wissen. Ich habe es vorhin schon gesagt: 1953 gab es ,einen Hessen-Plan. Hätte es damals einen Bayern-Plan gegeben, wäre ich vielleicht in Passau geblieben und heute Abgeordneter von Passau und nicht von München.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und in der CSU! — Heiterkeit 'bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605206900
Herr Kollege Dr. Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Stücklen?

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605207000
Bitte!

Richard Stücklen (CSU):
Rede ID: ID0605207100
Herr Kollege Müller, Sie heben d'en Hessen-Plan von 1953 so .sehr heraus. Ich möchte mir darüber gar kein Urteil erlauben.

(Zuruf von der SPD: Das können Sie auch nicht!)

Ich frage Sie allerdings: warum haben die Sozialdemokraten in Bayern unter der Führung .des Ministerpräsidenten Hoegner 4954 nicht auch einen Bayern-Plan auf den Tisch gelegt? Aus der sozialdemokratischen Regierung ist nichts herausgekommen — außer Spielbanken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)





Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605207200
Herr Kollege Stücklen, ich will nicht über Spielbanken und die Folgen von Spielbanken reden, denn das bewegt ja mehr Ihre Partei. Es gab ja Verfahren im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen und ähnliche Dinge, in die keine Sozialdemokraten verwikkelt waren, sondern Leute von anderen Parteien. Das muß einmal ganz klar gesagt werden. Aber wir wollen hier jetzt nicht über Spielbanken reden, denn Strukturpolitik hat nichts mit Spielbanken zu tun, ,auch nichts damit, daß man spekuliert. Gelegentlich hat man den Eindruck, daß in Bayern Wirtschaftspolitik à la Spielbank gemacht wird: Man setzt und hofft die Einsätze dann wieder herauszubekommen.

(Abg. Stücklen: Wo bleibt der Bayern-Plan von 1954? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605207300
Herr Kollege Dr. Müller, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605207400
Nein, jetzt nicht mehr. Ich möchte meine Ausführungen jetzt zu Ende führen; die Zeit läuft weiter.

(Abg. Stücklen: Wo bleibt der Bayern-Plan von 1954?)

— Herr Kollege Stücklen, Sie wissen doch, daß die SPD damals nur über 30 °/o der Stimmen verfügte ) und zusammen mit drei anderen Parteien eine Koalition bildete. Über die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, brauchen wir doch nicht zu reden. Wenn wir als Sozialdemokraten mit einer anderen Partei zusammenarbeiten, können wir unsere Vorschläge doch nicht voll durchsetzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Auf den Ministerpräsidenten kommt es an!)

Das haben Sie in der Großen Koalition doch auch erlebt, Herr Kollege Stücklen.

(Abg. Stücklen: Wo bleibt der Plan von Hoegner?)

Nun zu einem ganz entscheidenden Punkt, den ich hier vor diesem Hohen Hause zitieren will. Meine Damen und Herren, es ist geradezu unglaublich, wenn man als Abgeordneter in Bonn zur Kenntnis nehmen muß, daß die Bayerische Staatsregierung ansiedlungswillige Unternehmen, die in ,den durch dauernde hohe Arbeitslosenquoten belasteten Räume Bayerns Arbeitsplätze schaffen wollen, durch Strangulierungsverträge abschreckt.

(Abg. Matthöfer: Hört! Hört! — Lachen bei der CDU/CSU.)

Lassen Sie mich hier einen Beweis dafür bringen. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr wies am 22. Januar 1970 die Bezirksregierungen in Bayern an — ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten —:
Sofern für ein Vorhaben Mittel der bayerischen
regionalen Förderungsprogramme zur Verfügung gestellt werden sollen, obwohl das Vorhaben auch den Richtlinien des regionalen Förderungsprogrammes der Bundesregierung entspricht, wird bei der Einplanung in die bayerischen regionalen Förderungsprogramme davon ausgegangen, daß später Anträge auf Finanzierungshilfen des regionalen Förderungsprogrammes der Bundesregierung nicht gestellt werden. Der Antragsteller ist deshalb in solchen Fällen darauf aufmerksam zu machen, daß eine aus bayerischen Mitteln gewährte Finanzierungshilfe sofort zur Rückzahlung fällig wird, wenn für das gleiche Investitionsvorhaben dennoch ein Antrag auf Erteilung der Bescheinigung nach § 1 Abs. 4 des Investitionszulagengesetzes gestellt werden sollte.

(Abg. Dr. Warnke: Haushaltsrechtlich zwingend!)

— Herr Kollege Warnke, das ist die besondere bayerische regionale Förderungspolitik, die Sie vorhin erwähnt haben, daß man mit Strangulierungsverträgen — als solche kann man sie bezeichnen — ansiedlungswillige Unternehmen zurückschreckt, sich überhaupt in diesen Gebieten niederzulassen.
Bei der Kenntnis dieser Praxis braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Arbeitslosigkeit in den bayerischen Notstandsgebieten groß bleibt, wenn Bayerns Notstandsgebiete bei der Arbeitslosigkeit ganz vorne liegen und die bayerische Strukturpolitik in der Erfolgsstatistik ganz hinten steht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja nicht wahr!)

Indem die Bayerische Staatsregierung die Investitionszulage nicht in Anspruch nimmt, die knapp zur Hälfte vom Bund finanziert wird, belastet sie zusätzlich den Steuerzahler in Bayern. Diese Politik ist unverantwortlich gegenüber den Arbeitnehmern, sie ist unverantwortlich gegenüber den Bauern in Bayern, die sich einen gewerblichen Arbeitsplatz suchen wollen, sie ist unverantwortlich gegenüber dem Mittelstand, gegenüber allen Gruppen der Bevölkerung, die mit ihren Steuermitteln diese Politik finanzieren helfen. Die Bayerische Staatsregierung betreibt aus gewisser Eigenbrötelei und Kurzsichtigkeit heraus eine Politik, die nicht im Interesse der Gesamtbevölkerung Bayerns ist.
Unter diesen Umständen — ich glaube, das war notwendig nach den Ausführungen des Kollegen Warnke — kann man als bayerischer Abgeordneter in der heutigen Strukturdebatte nur mit Sorge und Zweifel die Gesellschafts- und Strukturpolitik der Bayerischen Staatsregierung zur Kenntnis nehmen, die leider nicht in der Lage ist, dafür zu sorgen, daß dem Grundsatz unseres Grundgesetzes, überall in unserer Bundesrepublik gleiche Lebensbedingungen zu schaffen, Rechnung getragen wird. Denn leider nimmt diese Staatsregierung nicht die Möglichkeiten so in Anspruch, wie sie gegeben werden, wie sie dank der Gesetzgebung in diesem Hause vorhanden sind.

(Beifall bei der SPD.)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605207500
Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete von Thadden das Wort.

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605207600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein verehrter Vorredner hat von Sorgen und Zweifeln gesprochen, die ihn im Blick auf das Schicksal seines Heimatlandes bewegen. Ich habe mir zur Aufgabe gestellt, hier und heute Sorge und Zweifel anzumelden gegenüber der Glaubenswürigkeit des Berichtes, über den wir zu diskutieren haben, im Blick auf das Schicksal von über einer Million Menschen, die im jüngsten deutschen Bundesland wohnen, an der Saar. Nach dem, was in den vergangenen Jahren hier gesagt worden ist, nach den vielfältigen Treueschwüren — so kann man es vielleicht nennen —, die hier abgegeben worden sind — ich erinnere nur an die letzte Saar-Debatte vor einem Jahr hier —, ist es wohl erlaubt, Sorgen und Zweifel im Hinblick auf zwei konkrete Punkte anzumelden.
Das erste ist die Glaubwürdigkeit, die diese Regierung im Blick auf die Zusage verdient, die Bundesverkehrsminister Leber am 3. September 1969 in Saarbrücken abgegeben hat, als er davon sprach, ein Wasserstraßenanschluß werde gebaut werden; es gehe nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Er bezog sich damit auf die Zusage der Regierung Kiesinger/Brandt, die entschieden hatte, daß der Wasserstraßenanschluß eine vitale Notwendigkeit für das Saarland sei.
Die Sozialdemokratie ist im Wahlkampf noch weitergegangen. Sie hat sich an die Stelle von Petrus gesetzt und hat anläßlich ihres bedauerlicherweise weitgehend im Wasser untergegangenen Parteitags durch einen hochgestellten Sprecher und in einer Anzeige erklärt, daß die Saar unter einer sozialdemokratischen Regierung kanalisiert werde; dann werde es dort kein Hochwasser mehr geben. Eine so simple Zusage, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätte jeder Ingenieurstudent im ersten Semester widerlegen können. Aber sei es drum! Wir haben uns über die Bereitschaft gefreut, uns in einer der entscheidenden Fragen, nämlich wie wir bei der Umstrukturierung unserer Wirtschaft weiterkommen können, Unterstützung zu finden.
Aber wie ist die Realität hier- in Bonn? War es nicht so, daß der uns zugesagte Wasserstraßenanschluß eben nicht dort auftauchte, wo er hätte auftauchen müssen, nämlich im Einzelplan des Verkehrsministeriums, sondern daß er im neuen Haushalt in einem anderen seltsamen Kapitel, nämlich in Kap. 60 02, eingeplant wurde? Ist es nicht so, daß, während man jetzt landauf, landab drei Wochen vor der Wahl verkündet, man werde das Äußerste dafür tun, daß dieser Wasserstraßenanschluß bald gebaut werde, zur gleichen Zeit im Haushaltsausschuß davon die Rede war, man wolle erst einmal eine Kosten-Nutzen-Rechnung abwarten? Dann werden aber — diese Befürchtung spreche ich heute aus — vielleicht noch weitere Jahre vergehen. Schließlich wird man sagen: Nein, es geht leider doch nicht. Ich erinnere heute von dieser Stelle aus daran, daß die Bundesregierung und alle Parteien dem Saarland im Wort stehen.
Wie steht es um die Glaubwürdigkeit hinsichtlich der ERP-Mittel? Ist es nicht so, daß im Aktionsprogramm „Saar-Westpfalz" zunächst einmal jährlich 88 Millionen DM für unseren Raum zugesagt waren? Was mußten wir aber dann erleben? Wir müssen feststellen, wenn wir die Gesamtsumme des Aktionsprogramms „Saar-Westpfalz" mit dem, was vorgesehen ist, vergleichen, daß 150 Millionen DM für die Umstrukturierung bis 1973 an der Saar fehlen werden. Meine Damen und Herren, das bedeutet für unser Land, daß eine ganze Anzahl von Betrieben, die Interesse haben, in dieses Land zu kommen, zögern, herüberzukommen, da sie in Sorge sind, ob das, was ursprünglich an Förderungsmitteln vorgesehen war, auch wirklich zur Verfügung steht. Ich beschwöre dieses Haus, diesem Land mit seiner schweren Geschichte, das ohne seine Schuld immer wieder in eine Randlage gedrängt und immer wieder durch Kriege, die auf seinem Rücken ausgetragen wurden, verwüstet worden ist — denken Sie an die Gott sei Dank vergessenen Feindseligkeiten zwischen Deutschland und Frankreich —, in den nächsten Jahren wirklich die Chance zu geben, damit es, wie es Ministerpräsident Röder genannt hat, Kernraum der EWG wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605207700
Spricht hier eigentlich ein deutscher Staatssekretär, oder ist es nicht eher die Tonart der Heilsgewißheit eines Predigers, der uns verkündet: Siehe, !ich mache alles neu unter der roten Fahne. — Daran glauben wir jedoch nicht.

(Abg. Wehner: Haben Sie das abgelesen oder 'auswendig gelernt? Sagen Sie das mal im Sinne Ihrer vorigen Frage!)

— Verehrter Herr Kollege Wehner, wenn ich Sie auch lieber auf der Kanzel höre als hier, will ich Ihnen darauf erwidern, daß Sie bereits aus der Art —

(Abg. Wehner: Lassen Sie alles Weitere sein! Sie sind schmutzig; das ist alles!)

—Sie sind empfindlich, Herr Kollege Wehner.

(Abg. Wehner: Gegen solchen Schmutz, .ja! Er .isst längst aus diesem Haus verbannt! Er ist Ihnen vorbehalten!)

— Herr Kollege Wehner, wenn Sie anzweifeln, daß ein Abgeordneter der ,CDU fähig sei, sich auf die Situation, wie sie hier und heute gegeben ist, einzustellen, wenn Sie nicht bereits bei den einführenden Bemerkungen gespürt haben, daß ich unmittelbar an das angeknüpft habe, was mein verehrter Vorredner gesagt hat, tut mir das sehr leid. Denn ich konnte doch wohl kaum wissen, in welcher Form mein Vorredner Sorge und Zweifel im Blick auf Bayern äußern würde. Sie waren es also, der hier verdächtigt hat. Nehmen Sie bitte einmal folgendes zur Kenntnis. Bei der CDU sind zu Beginn der Legislaturperiode über 80 neue Leute eingerückt. Diese lassen sich nicht einschüchtern und haben keine Angst davor, unfreundlich angepackt zu werden. Sie verkriechen sich nicht und warten nicht wie ein



von Thadden
ängstliches Reh am Waldesrand darauf, von Ihnen den Blattschuß verpaßt zu bekommen. Wir haben keine Furcht, uns zustellen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605207800
Herr Abgeordneter von Thadden, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wilhelm?

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605207900
Gern.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605208000
Bitte schön!

Werner Wilhelm (SPD):
Rede ID: ID0605208100
Herr Kollege von Thadden, finden Sie nicht, daß es eine unerhörte Kühnheit ist, wenn Sie hier behaupten, daß in den letzten Jahren, seit 1967, nicht genug für die Saar getan wurde, obwohl Ihnen bekannt sein dürfte, daß die Landesregierung Dr. Röder seit Anfang der 60er Jahre eine Anzahl größerer ansiedlungswilliger Betriebe zurückgewiesen hat, nur um den Arbeitsmarkt für den Bergbau und die Saarhütten zu schützen?

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605208200
Herr Kollege Wilhelm, hier kann nicht von großer Kühnheit die Rede sein. Ich habe nicht gesagt, daß diese Regierung nichts getan habe, sondern ich äußere Sorge und Zweifel daran, ob alle Versprechen eingehalten werden.
Ich weise bei dieser Gelegenheit allerdings auch
die Art zurück, wie Herr Staatssekretär Arndt uns hier die Dinge 'vorgetragen hat, als ob erst seit 1967 etwas geschehen sei. Sie wissen doch genauso gut wie ich, daß unter der Regierung Erhard und bereits unter der Regierung Adenauer seit 1960 etwa 698,3 Millionen DM für die saarländische Wirtschaft gegeben worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das heißt, ,der Nullpunkt liegt nicht in dem Augenblick, als es in unserer Wirtschaft zu „schillern" begann. Der Nullpunkt war viel früher: als die saarländische Regierung nach dem Chaos anfing, das Land wieder aufzubauen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605208300
Herr Kollege von Thadden, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Brück?

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0605208400
Herr Kollege von Thadden, ist Ihnen bekannt, ,daß das Saarland 1960, also ein Jahr nach der wirtschaftlichen Rückgliederung, was das Bruttoinlandprodukt pro Kopf betrifft, noch an sechster Stelle unter den Bundesländern lag und daß es 1967 auf die letzte Stelle zurückgefallen war, daß die Zuwachsraten des Saarlandes immer unter dem Bundesdurchschnitt lagen und erst im vergangenen Jahr zum erstenmal wieder über dem Bundesdurchschnitt lagen?

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605208500
Es ist mir bekannt, Herr Kollege Brück, daß in der Tat kein Land — ich habe das vorhin schon angedeutet — so un-
ter seiner Geschichte und unter seiner Geographie gelitten hat wie das Saarland. Es ist mir bekannt, daß kein Land .so unter der Rezession der vergangenen Jahre gelitten hat, die wir nicht gewollt haben.

(Zuruf von der SPD: Doch, Schmücker hat sie gewollt!)

Es ist mir aber auch bekannt, daß es Christliche Demokraten und Sozialdemokraten gemeinsam gewesen sind, die 1967 angefangen haben, hier auf Bundesebene etwas zu ändern, während sich das Land selber bereits in den vergangenen Jahren aus eigenen Anstrengungen heraus fast weißgeblutet hat.
Ich komme zum Schluß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, worauf dieses Land Anspruch hat, ist, daß es nicht nur Versprechungen hört und nicht nur Zahlen fortgeschrieben werden. Wir brauchen Wahrheit in der Frage: Wann kriegen wir den Saar-Pfalz-Kanal, die Grundlage einer Neuorientierung unserer Wirtschaft? Wir brauchen Klarheit in der Frage, ob wir die plötzlich fehlenden 150 Millionen DM für unser Land bekommen. Schließlich und endlich brauchen wir in der Zukunft wie in der Vergangenheit das Zusammenwirken aller Parteien im Hinblick auf die Nachwirkungen der ungünstigen Situation dieses Landes, für die es nicht verantwortlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605208600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brück.

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0605208700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin einigermaßen erstaunt, daß der Kollege von Thadden die Argumentationskarten, die die CDU im Saarland an ihre Mitglieder geschickt hat, hier im Deutschen Bundestag gebraucht.
Er hat bezweifelt, daß die Bundesregierung dem Saarland den so notwendigen Wasserstraßenanschluß geben wird. Ich kann dazu nur sagen, daß der Bundeskanzler in einem Brief an die saarländische Wirtschaft ausdrücklich versichert hat, daß der Beschluß der Bundesregierung vom vergangenen Jahr nach wie vor gilt, und daß beispielsweise der Präsident der Industrie- und Handelskammer Saarbrücken nach einem Gespräch mit dem Bundesfinanzminister und mit dem Bundesverkehrsminister gesagt hat, er sei überzeugt, daß die Saar den Wasserstraßenanschluß erhalten wird.

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605208800
Herr Kollege Brück, wenn das so ist, warum weigern sich dann Ihre Parteifreunde im Haushaltsausschuß, den Wasserstraßenanschluß dorthin zu stellen, wo er hingehört, nämlich in den Haushalt des Verkehrsministeriums?

(Abg. Wehner: Sie sind schlecht informiert, Sie kennen zuwenig vom Haushalt! Gehen Sie doch in den Haushaltsausschuß!)


Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0605208900
Herr Kollege von Thadden, Sie wissen außerdem auch, daß das Haushaltsgesetz



Brück
die Kosten-Nutzen-Analyse vorschreibt. Sie können doch von der Bundesregierung nicht verlangen, daß sie gesetzeswidrig handelt. Jetzt muß ich Sie aber doch fragen: Dieses Saarland gehört seit dem 1. Januar 1957 politisch zur Bundesrepublik und seit dem 6. Juli 1959 wirtschaftlich zur Bundesrepublik, warum ist in all den Jahren nicht das getan worden, was Sie von der jetzigen Bundesregierung verlangen?

(Abg. von Thadden: Das Land hat sich fast weißgeblutet!)

— Das Land hat sich fast weißgeblutet! Da muß ich doch wieder die Frage stellen: Warum hat der Bund nicht rechtzeitig geholfen?

(Abg. von Thadden: Der Bund hat fast 700 Millionen DM für die Wirtschaft gegeben!)

— Entschuldigung, es ist so, daß für die Wirtschaftsförderung des Saarlandes in den zehn Jahren von 1957 bis 1966 690 Millionen DM ausgegeben worden sind. In den drei Jahren, in denen die Sozialdemokraten der Bundesregierung angehörten, waren das 950 Millionen DM. Dieses Land hätte die Rezession von 1967 nicht so hart gespürt, wenn rechtzeitig erkannt worden wäre, daß etwas getan werden muß, um für die im Bergbau verlorengegangenen Arbeitsplätze neue zu schaffen.

(Beifall bei der SPD.)

Es war doch schon zu Beginn der sechziger Jahre abzusehen, daß die Arbeitsplätze im Bergbau zurückgehen. Sie wissen doch, daß wir 1958 im Saarland noch 64 000 Bergleute bei 1 Million Einwohner hatten und daß es heute nur noch 27 000 sind. Ich muß fragen: Warum ist von der Bundesregierung in den Jahren vor 1967 und warum ist von der Landesregierung in den Jahren vor 1967 nicht rechtzeitig das getan worden, was jetzt getan worden ist? — Aber bitte, Sie wollten noch fragen!

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605209000
Herr Abgeordneter, gestatten Sie zunächst eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wilhelm?

Werner Wilhelm (SPD):
Rede ID: ID0605209100
Herr Kollege Brück, ist Ihnen bekannt und können Sie bestätigen, daß sich in der Frage des Wasserstraßenanschlusses für die Saar auf Grund der vorhandenen Unterlagen beim Bundesverkehrsministerium ergibt, daß in dieser Frage des Wasserstraßenanschlusses seitens der von der CDU geführten Bundesregierung bis 1966 nur mit gezinkten Karten gespielt wurde, und zwar in der Richtung, nach außen so zu tun, als würde er gebaut werden, während man nach innen davon überzeugt war, daß er nie gebaut werden soll?

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0605209200
Das ist mir bekannt, Herr Kollege Wilhelm.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605209300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten von Thadden?

Franz-Lorenz von Thadden (CDU):
Rede ID: ID0605209400
Herr Kollege Brück, ist Ihnen bekannt, daß, seit die SPD hier an der Spitze der Kleinen Koalition steht, die Mittel für die Umstrukturierungsbeihilfen an die saarländische Wirtschaft statt der 88 Millionen DM, die im Aktionsprogramm Saar-Westpfalz ausgewiesen waren, im Jahre 1970 auf 27 Millionen DM heruntergegangen sind?

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0605209500
Herr Kollege von Thadden, es wäre besser, Sie würden sich, statt CDU-Wahlkampf-anzeigen zu lesen, im Bundesfinanzministerium erkundigen,

(Abg. von Thadden: Das kann ich Ihnen nachweisen!)

wieviel Mittel für das Saarland in Wirklichkeit zur Verfügung gestellt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Im Jahre 1970 werden für das Saarland 100 Millionen DM mehr zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur zur Verfügung gestellt als beispielsweise im vergangenen Jahr.
Herr Kollege von Thadden, ich wollte eigentlich heute morgen auch sagen, daß in dieses Land an der Saar Hoffnung eingekehrt ist, daß es in diesem Land an der Saar aufwärts geht, und ich nehme an, Sie -werden dem nicht widersprechen, denn Sie widersprächen damit der Propaganda Ihrer Partei im Saarland. Nur — und das ist die Frage, über die wir hier streiten — wer hat das bewirkt? Woher kommt es eigentlich, daß bis 1967 im Saarland nichts geschehen ist?

(Abg. von Thadden: Das ist unwahr!)

Woher kommt es denn, daß wir 1965 zwar an der Saar noch 170 000 industrielle Arbeitsplätze hatten, daß das aber im Januar 1968 nur noch 149 000 waren, daß wir in diesem Januar 1968 5,1% Arbeitslose an der Saar hatten und daß — das habe ich vorhin schon gesagt — ,die Krise uns ganz besonders betroffen hat? Sie wissen doch, welche Verzweiflung an der Saar, in unserer Heimat, geherrscht hat. Staatssekretär Dr. Arndt hat das hier gesagt. Sie wissen doch, daß die Zahl der Menschen im Saarland ständig, auch heute noch, zurückgeht. Während wir im gesamten Bundesgebiet einen Zuwachs an Bewohnern zu verzeichnen haben, ist beispielsweise die Zahl der Einwohner des Saarlandes von 1966, wo es 1 131 000 waren, auf jetzt 1 127 000 zurückgegangen. Es sind vor allem die jungen Menschen, die dieses Land verlassen und sich in anderen Regionen der Bundesrepublik Arbeitsplätze suchen und eine neue Heimat schaffen. Sie wissen doch, daß es einmal umgekehrt war, daß das Saarland ein Land war, in das die Menschen aus dem Hunsrück, aus der Eifel und aus der Pfalz kamen, um dort Arbeit und Brot zu finden. Ich sagte vorhin, daß die Menschen verzweifelt waren, als sich die Kohlenhalden immer höher türmten und die Arbeitslosenzahl immer mehr stieg. Wir alle haben doch im vergangenen Jahr diesem Hohen Hause die besonderen Probleme des Saarlandes diskutiert und auf die ,Sorgen dieses Landes hingewiesen. Heute ist dort wieder Hoffnung eingekehrt. Nach den Angaben des Statisti-



Brück
schen Landesamtes waren im Januar wieder 165 000 industrielle Arbeitsplätze an der Saar vorhanden, obwohl 5000 Arbeitsplätze im Bergbau im Zeitraum von 1968 bis 1970 verlorengegangen waren. Das beweist doch nur, daß dieses Land in einem Strukturwandel begriffen ist, den wir alle gewollt haben. Die Zahl der Arbeitsplätze ist von Januar 1968 bis Januar 1970 in der Investitionsgüterindustrie von 38 000 auf 51 000 und in der Verbrauchsgüterindustrie von 19 000 auf 25 000 gestiegen. Natürlich liegt die Zahl der Arbeitslosen im Saarland immer noch über dem Bundesdurchschnitt, aber in diesem Lande ist neue Hoffnung eingekehrt, und zwar deshalb weil die Bundesregierung aktive Strukturpolitik gemacht hat. Dafür möchte ich dieser Bundesregierung, aber auch diesem Hohen Hause recht herzlich danken. Das Saarland ist ein Beweis für die Richtigkeit der regionalen Strukturpolitik dieser Bundesregierung. Das kann sie mit Genugtuung feststellen. Sie werden mir verzeihen, wenn ich sage: wir Saarländer sind ein bißchen stolz darauf, daß wir die Chancen auch genutzt haben, und wir werden alles tun — Sie haben idas schon angesprochen —, um aus diesem Lande im Herzen 'Europas wieder das zu machen, was es einst war, nämlich ein blühendes Industrierevier. Wir haben die Hoffnung, daß es eines Tages einmal wieder zu den gebenden Ländern im Rahmen 'der Bundesrepublik ¡zählen wird, aber wir wissen auch, daß wir noch nicht über den Berg sind. Ich sagte vorhin schon, daß die Zahl der Einwohner ständig zurückgeht. Wir dürfen nicht auf halbem Wege ,stehenbleiben, sondern wir müssen die Politik, die begonnen worden ist, fortsetzen. Dann wird dieses Land an der Saar eine Zukunft haben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605209600
Das Wort hat der Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0605209700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Strukturbericht der Bundesregierung sind Entwicklungen aufgezeigt, Schwerpunkte und Akzente gesetzt worden. Dennoch bedaure ich, daß mit der Vorlage dieses Berichts auch sichtbar wird, wie mangelhaft die Koordination zwischen den einzelnen Ministerien noch ist. Anscheinend werden die Maßnahmen des Bundesministeriums für Wirtschaft mit denen des Bundesministeriums für Verkehr oder des Bundesministeriums des Innern nicht so koordiniert, wie es wünschenswert wäre; denn Strukturprobleme sind nicht nur Probleme der Industrialisierung und der Entwicklung von Ballungsräumen mit all den sozialen Implikationen, sondern auch Probleme der Verkehrsplanung und der Landerschließung, also substantielle Probleme der Raumordnung.
Der Bericht erkennt diesen Zusammenhang und weist auf das Bundesraumordnungsprogramm hin. Aber ich meine, daß es wünschenswert wäre, in Zukunft eine engere Beziehung, etwa auch bezüglich der zeitlichen Vorlage, herzustellen. Als Beispiel für diesen engen Zusammenhang möchte ich das Aktionsprogramm Saarland-Westpfalz, das von den
Kollegen von Thadden und Brück soeben schon angesprochen wurde, anführen. Wie eng diese Verflechtung ist, wurde durch die Forderung deutlich, die der Herr Kollege von Thadden bezüglich des Saar-Pfalz-Kanals hier vortrug.
Aber, Herr Kollege von Thadden, ich möchte doch einige Dinge zurechtrücken und daran erinnern, daß es in der letzten Legislaturperiode hier des öfteren darüber Debatten gegeben hat. Letzten Endes ging es auf eine Initiative der damals in der Opposition stehenden FDP zurück, daß für diesen SaarPfalz-Kanal wieder ein Leertitel im Etat eingestellt wurde. Die FDP hat besonders darauf hingewiesen — ich habe das hier in diesem Hause getan —, daß es unmöglich ist, in der Pfalz einen über 130 km langen und 300 m breiten Streifen für eine Kanaltrasse freizuhalten, bezüglich dessen in diesem Hause bzw. bei den einzelnen Ministerien keine konkreten Vorstellungen bestanden. So etwas ist einfach unmöglich. Damit wird die Industrieansiedlung in den betreffenden Gebieten nicht gefördert, sondern geradezu behindert. Die Gemeinden und die Städte in dem Bereich der Trasse können nämlich nicht weiterplanen. Deswegen ist es dringend notwendig, hier die Entscheidung schnellstens herbeizuführen.
Diese Bundesregierung hat — das muß man auch wissen- — dafür nun erstmals Mittel eingestellt. Wir haben in der nächsten Woche die Möglichkeit, bei der Etatberatung Ihrem Wunsche nachzukommen. Unterstützen Sie uns! Wir werden dafür Sorge tragen, daß die Mittel, die für die Kanalplanung vorgesehen sind, in den Tit. 12 kommen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

womit dann die Voraussetzung geschaffen wird, daß der Kanal gebaut werden kann.
Es kommt nicht nur darauf an, aufzuzeigen, daß in fünf Jahren 65 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, wovon 32 500 mit 1,625 Milliarden DM gefördert und 12 500 mit 250 Millionen DM gesichert werden; entscheidend ist vielmehr, wie man die Arbeitsplätze sichert. Dazu gehört auch, daß man die ungünstige Verkehrssituation verbessert. Herr Warnke sagte das vorhin schon von Bayern. Das gleiche gilt für das Saarland, dieses periphere Gebiet in der Bundesrepublik. Hier muß ein entsprechender Wasserstraßenanschluß zum Rhein hergestellt werden.
Darüber hinaus sollte man bei der Zielsetzung des regionalen Aktionsprogramms auch daran denken, daß nicht nur auf dem Gebiet der Wasserstraßen, sondern auch in anderen Bereichen des Verkehrs Vorsorge getroffen wird. Nur ein kleines Beispiel: ich denke, daß es notwendig ist, durch den Ausbau des Flughafens Ensheim — hier darf ich sagen, daß die zukunftsorientierte Planung des saarländischen Wirtschaftsministers Koch vorbildlich ist — den Anschluß des Saarlandes an das internationale Flugnetz zu finden. Auch hierfür sollten wir Mittel verfügbar machen.
Aber es gilt nicht nur, die zukünftigen Projekte zu planen, sondern wir müssen auch daran denken, bestehende Projekte zu rationalisieren und effek-



Jung
tiver zu machen. Hier habe ich den Wunsch an das Bundesfinanzministerium, zu klären, ob nicht die für die Verbesserung der Saarkohle notwendigen Mineralöle von der Steuer befreit werden können, damit die sogenannte Petrokohle hergestellt werden kann, die zur Eigenverhüttung notwendig ist. Der zuständige Ausschuß sollte sich meines Erachtens sehr schnell mit diesem Problem beschäftigen, und das Bundesfinanzministerium sollte dem Petitum der Saarregierung in diesem Falle möglichst rasch nachkommen.
Das regionale Aktionsprogramm — das wurde hier schon gesagt — Saarland-Westpfalz sieht 88 Millionen DM für Industrieansiedlung vor. Diese erforderlichen Mittel werden zwar durch die für die Regionalförderung verfügbaren Haushaltsmittel des Bundes — hierfür sind 77,8 Millionen DM vorgesehen — weitgehend abgedeckt; aber ich möchte auch hier betonen, daß die verfügbaren ERP-Mittel viel zu gering sind, insbesondere deswegen, weil die noch zusätzlich auf dem Kreditmarkt zu beschaffenden Kredite durch die derzeit sehr hohen Zinssätze, die im unteren Kostenbereich etwa bei 12 % liegen, viel zu teuer sind. Dadurch werden notwendige Investitionen hinausgeschoben bzw. Investitionspläne möglicherweise aufgehoben.
In diesem Zusammenhang darf ich eines sagen. Herr Kollege Warnke, Sie haben vorhin eindeutig diese Bundesregierung für die Erhöhung der Diskontsätze verantwortlich gemacht. Ich muß das mit aller Entschiedenheit zurückweisen und zurechtrücken. Denn der Diskontsatz wurde am 10. Juni 1969 von 4 auf 5 % erhöht, am 11. September 1969 von 5 auf 6%, und erst jetzt, im Februar, kam eine weitere Diskonterhöhung. Das alles sind Folgen einer verfehlten Politik der Regierung, die nicht diese ist, sondern die in der letzten Legislaturperiode die Verantwortung hatte.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unter Herrn Schiller!)

Das lag zeitlich ganz eindeutig vor dem 29. September, Herr Kollege Warnke, das sollten Sie, meine Herren von der CDU/CSU immer bedenken, wenn Sie hier versuchen, das alles auf diese Regierung abzuschieben.
Lassen Sie mich das mit den ERP-Mitteln hier noch einmal verdeutlichen. Im Jahre 1970 sind 50 Firmen an der Industrieansiedlung im Saarland interessiert. Im Jahre 1969 standen dafür 63 Millionen DM zur Verfügung. 1970 sind es nur 60 Millionen DM, die bereits auf 5 Firmen verteilt sind; 45 gehen also leer aus. Das Beispiel von drei Firmen, deren Investitionsvolumen je rund 100 Millionen DM aufweist, zeigt, daß insgesamt 300 Millionen DM notwendig wären; es sind Firmen, die im übrigen auch mit eigenen Forschungslabors ausgestattet sind.
Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen für die nächsten drei Jahre an der Saar rund 1,5 Milliarden DM. Die Bundesanstalt hat nur 200 Millionen DM pro Jahr zu vergeben und das Saarland 140 Millionen DM beantragt.
Hieraus geht klar hervor, daß es notwendig ist — auch die Kollegen, die vor mir zu diesem Problem
Stellung genommen haben, haben darauf hingewiesen —, die ERP-Mittel zu erhöhen, damit die Realisierung von Industrieansiedlungen, die im übrigen bereits vereinbart wurden, nicht gefährdet ist und darüber hinausgehende Projektierungen nicht ausgeschlossen werden, das insbesondere deswegen, weil, wie gesagt, Großfirmen — z. B. zwei, die jetzt sofort 5000 neue Arbeitsplätze schaffen würden — einfach nicht gefördert werden können.
Das Fazit: Beides ist notwendig, die schwerpunktmäßige Planung von Projekten im Rahmen von Strukturpolitik und Raumordnung sowie die Rationalisierung und Effektivierung bestehender Programme. Nur so kann sich in enger Koordination von Struktur-, Raumordnungs- und Verkehrsprogramm eine Entwicklung initiieren lassen, die an den Bedürfnissen der 70er und 80er Jahre orientiert ist und dazu führen wird, wie es Herr Kollege Brück hier soeben schon skizziert hat und wohinter wir Freien Demokraten uns mit allem Nachdruck stellen: zu einem aufwärtsstrebenden, blühenden Land an der Saar.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605209800
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schneider.

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605209900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Müller hat eine Rede gehalten, die —das war leicht erkennbar — als Wahlkampfrede gedacht war; denn sie hat sich mehr durch ausfällige Polemik als durch subtile Analyse ausgezeichnet. Ich habe Verständnis für das nervöse Umsichschlagen.

(Abg. Matthöfer: Das sind Sie in der CSU gewöhnt!)

Ich fand menschliches Rühren ,dabei.

(Zuruf von der SPD: Das sind doch nur subtile Analysen! — Weiterre Zwischenrufe von der CDU/CSU und der SPD.)

Ich kann Ihnen nur empfehlen, den „Bayernkurier" sorgfältiger zu lesen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich empfehle jedermann die Lektüre des „Bayernkurier", insbesondere denen, die es mit der Außen-und Deutschlandpolitik besonders ernst nehmen.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)

Der Herr Kollege Müller hat den Eindruck erweckt, als habe er das Programm „Bayern I" und „Bayern II” überhaupt nicht zur Kenntnis .genommen. Es muß außerordentlich verwundern, wenn ein Kollege aus der Landeshauptstadt München — also aus der Sicht eines Großstädters — eine solche Rede hält. Hier kommt mir meine kommunale Erfahrung aus der Stadt Nürnberg sehr zugute. Ich habe dort als Stadtrat eben diese Bayerische ;Staatsregierung in vielen Reden 'zu verteidigen gehabt gegen den Vorwurf der Sozialdemokraten: sie habe nur ein Herz für die Bauern; sie betreibe nur eine Politik für das flache Land, weil dort ihre Wähler säßen; und für die Städte tue die Regierung nichts. In vielen Fällen mußte der Nachweis erbracht werden, daß diese



Dr. Schneider (Nürnberg)

Bayerische ,Staatsregierung nach einem Verfassungsauftrag dafür zu sorgen hat, 'die Lebensverhältnisse im ganzen bayerischen Lande einigermaßen gleichartig, sozial fortschrittlich zu gestalten.
Wenn man dais dort .Gesagte mit dem vergleicht, was im Bundestag gesagt wird, muß ich sagen: man merkt die Absicht und ist verstimmt;

(Beifall bei der CDU/CSU)

aber nicht so verstimmt, daß man darauf nicht eingehen könnte.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605210000
Herr Abgeordneter Dr. Schneider, erlauben Sie eine Zwischenfrage? — Bitte schön!

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605210100
Herr Kollege Schneider, sind Sie nicht auch der Meinung, daß die Benachteiligung durch ,die Politik der Bayerischen Staatsregierung nicht nur den Bürgern auf dem flachen Lande, sondern auch den Bürgern in den Städten die Schwierigkeiten aufzeigt, die diese Regierung mit der Strukturpolitik hat?

(Zurufe von der CDU/CSU.)


Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605210200
Ich kann Ihnen nur eine Antwort geben: wenn eine Stadt wie München, aus der Sie kommen und die das größte Wachstum aller Städte im Bundesgebiet hat,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

die wie keine andere Stadt im Bund durch das Wohlwollen des Landes und des Bundes begünstigt wird

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und zwar in all den Jahrzehnten, in denen wir Regierungsverantwortung im Bund und im Land 'getragen haben —,

(Beifall bei der CDU/CSU)

die Behauptung aufstellen 'sollte, sie werde benachteiligt, kann sie nur den berechtigten Widerspruch des übrigen bayerischen Landes provozieren.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605210300
Herr Abgeordneter Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jobst?

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0605210400
Herr Kollege Schneider, würden Sie die Freundlichkeit haben, den Herrn Kollegen Müller zu fragen, ob er schon etwas von dem Prognos-Institut und von dem Bericht des Prognos-Instituts aus Basel gehört hat?

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605210500
Lieber Herr Kollege Jobst, es steht mir nicht zu, den Kollegen Müller hier zu fragen. Aber ich verstehe Ihre Frage, die an ihn gerichtet ist, gleichzeitig auch an mich gerichtet. Ich habe das Prognos-Gutachten natürlich gelesen. Aber ich habe nicht nur das Prognos-Gutachten gelesen, sondern ich habe auch die Berichte der Bayerischen Staatsregierung, die Protokolle des Bayerischen Landtages, die Protokolle von Reden bayerischer Oberbürgermeister,
die Protokolle bayerischer Bezirkstagspräsidenten und insbesondere die Leistungsberichte des Bayerischen Staatsministers Dr. Otto Schedl gelesen.

(Zuruf des Abg. Dr. Müller [München])

Aus all dem geht hervor, daß Bayern unter allen Bundesländern die größte Wachstumsrate hat, daß Bayern bei den schlechtesten Ausgangsverhältnissen im Jahre 1945/46 die größten Fortschritte erzielt hat.
Woher kommt es denn, daß allen Deutschen eine Sehnsucht eigen ist,

(Zuruf von der CDU/CSU: Auf nach Bayern!)

die Sehnsucht nach Bayern und zuvörderst nach München?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich wäre fast versucht, aus der bayerischen Hymne zu zitieren, nicht nur vom weißblauen Himmel, nicht nur von unserer Städte Bau, sondern von vielen anderen schönen Dingen. Ich darf sagen, daß es in Bayern in den letzten 20 Jahren noch viel schöner geworden ist, als es schon vorher gewesen ist. Das ist ein Ergebnis dieser unserer Politik nicht nur in Bayern, sondern auch im Bund.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Müller, Sie haben in verständlicher Weise wegen des Ausgangs der Landtagswahl am 22. November in Bayern, nervös und besorgt, versucht — allerdings am falschen Ort —, der Bayerischen Staatsregierung und der CSU-Mehrheit, die Gott erhalten möge — auch 'in Bayern —, etwas am Zeug zu flicken.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Müller [München] : Was heißt „auch"?)

Herr Kollege Müller, Sie haben sich dadurch ausgezeichnet, daß Sie nach dem Kollegen Junghans eine zweite antibayrische Tirade gehalten haben. Wir Bayern sind stark und können das vertragen. Wenn eine solche Rede sogar ein Altbayer aus Passau hält, erregt dies Verwunderung, aber auch damit werden wir fertig werden.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605210600
Herr Dr. Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605210700
Bitte!

Dr. Günther Müller (CSU):
Rede ID: ID0605210800
Herr Kollege Schneider, ist Ihnen .der Unterschied bekannt zwischen einer Rede gegen Bayern und einer Rede gegen 'die CSU-Regierung, die nicht Bayern darstellt?

(Abg. Stücklen: Die CSU-Regierung hat doch die Mehrheit, nicht?)


Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605210900
Es ist mir bekannt, daß die CSU nicht gleich Bayern ist, wie auch die SPD nicht gleich München ist.

(Abg. Dr. Müller [München] : Sicher!)




Dr. Schneider (Nürnberg)

— Darin stimmen wir also überein. Aber eines ist mir auch bekannt:

(Abg. Sütcklen: Was wäre Bayern ohne CSU?)

daß ohne die CSU Bayern heute nicht das wäre, was es geworden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Sehr wahr! und sehr richtig bei der SPD.)

Ich habe schon festgestellt, meine Damen und Herren, daß wir uns hier im Deutschen Bundestag befinden, daß diese Debatte also eigentlich im Bayerischen Landtag geführt werden müßte. Dort wurde sie auch schon oft ausgetragen, und zwar immer mit einem eindeutigen Ergebnis: die Angriffe der dortigen Opposition stießen ins Leere.

(Abg. Dr. Müller genauso! Hier stößt die Opposition auch ins Leere!)

Und niemand kann sich dem verschließen, was sich — ohne Beispiel für die bayerische Strukturpolitik — dort in den letzten 20 Jahren getan hat.
Aber wenn wir schon im Bundestag über Bayern reden und wenn wir schon im Bundestag darüber reden, daß es da und dort draußen im Lande an der Struktur noch hapere — wer möchte dies bezweifeln? —, dann darf ich mir gestatten, auf einige ganz konkrete Dinge einzugehen.
Da gibt es beispielsweise eine Vorlage des Herrn Bundesverkehrsministers, den Bedarfsplan zum Aus-bau der Bundesfernstraßen 1971 bis 1985. Darin bedeuten die roten Markierungen, daß das betreffende Projekt eilig ist, im Bau ist oder wenigstens bis 1985 festgestellt wird. Bei gelb wird zu etwa 20 % festgestellt und bei grün etwa zu 7 %. — Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es stimmte, daß ,die Farbe der Hoffnung grün ist, dann wäre Bayern ein Land in permanenter Hoffnung, denn die Striche sind in aller Regel grün; sie sind selbst in München grün, wo es gilt, den äußeren Ring zu schließen. Ich darf sagen, hier könnte der Bund durch seinen Bundesverkehrsminister bei der Zuteilung von Verkehrsausbaumitteln im Rahmen dieses Programms einiges tun, um ,die Struktur in Bayern in verkehrspolitischer Hinsicht wesentlich zu verbessern.
Ein Weiteres. Wenn man schon von Strukturpolitik spricht und sich dabei nicht nur auf die Verdichtungsräume konzentriert, muß man auch einmal den Entwurf des Städtebauförderungsgesetzes anschauen, den die Bundesregierung vorgelegt hat. Dort liest man in § 55 Abs. 1 dreimal das Wort „Verdichtungsräume". Daraus geht eindeutig hervor, daß diese Bundesregierung beabsichtigt, die Förderungsmittel im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes vorwiegend in die Verdichtungsräume zu geben. Wer aber den Entwurf der CDU/CSU nachliest, der wird in § 39 Abs. 1 — ich bitte, das nachzulesen — finden, daß wir darauf aus sind, auch unter strukturpolitischen Aspekten, auch mit Rücksicht auf die Zielsetzungen des Bundesraumordnungsgesetzes auch mit Rücksicht auf die Empfehlungen Nr. 1 und 2 dies Beirates für Raumordnung beim Bundesinnenminister diese Förderungsmittel auch ins freie Land hinauszugeben, damit auch dort Strukturpolitik, Gemeindeentwicklung und Gemeindeerneuerung betrieben werden können.

(Beifall bei ,der CDU/CSU.)

Ein weiteres. Ich fühle mich an Bert Brechts Dreigroschen-Oper erinnert: Mach nur einen Plan und sei ein großes Licht und mach dann noch nen Plan, geh'n tun sie beide nicht.

(Zuruf von der SPD: Wie ist das dann mit Bayern I und Bayern II? I und II natürlich in römischen Ziffern! — Heiterkeit bei der SPD.)

— Ja, wissen Sie, bei uns ist die Kultur früher angekommen; deswegen beziffern wir das römisch. Der Teil Bayerns, um den es hier geht, wurde bereits 15 v. Chr. von Drusus und Tiberius als Rätien und Noricum in den römischen Kulturkreis einbezogen. Anderswo kamen die Römer später oder überhaupt nicht hin.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605211000
Herr Kollege Dr. Schneider, auch der Herr Kollege Matthöfer lebt noch diesseits des Limes.

(Heiterkeit.)


Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605211100
Der Limes war eine merkwürdige Grenze. Dort, wo er von Bayern ausging, war er der steinerne Limes. Ich möchte mich aber nicht weiter historisch verbreiten. Sonst müßte ich von Passau anfangen und über Regensburg nach Augusta Vindelicorum, nach Augsburg, gehen. Das wäre eine großartige Sache: römische Strukturpolitik in Bayern. Wenn Sie mir den Vergleich gestatten, haben die Römer für den Straßenbau in Bayern gelegentlich mehr übrig gehabt als der derzeitige Bundesverkehrsminister.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Drusus Goppel!)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, noch zwei Dinge zu sagen. Ich komme auf den Plan zurück, verehrte Damen und Herren. Es gab einen Hessen-Plan, und es gibt heute noch keinen Bayern-Plan. Ich sehe gerade, wie Herr Professor Schmid mir freundlich zulächelt. Er versteht es, wenn ich sage, daß das Wort „Plan" vom lateinischen „planum facere — die Gedanken verdeutlichen" kommt. — Ich muß es frei übersetzen.

(Abg. Dr. Schmid [Frankfurt] : „Planum facere" hieß das Geschäft des Feldmessens!)

— Das war das eine, und es hieß auch, dies zu verdeutlichen. Ich habe das deswegen einmal nachgeprüft, weil man mir den Vorwurf gemacht hat, ich redete immer von Plänen. Als ich in meiner Stadt sagte, wir brauchen einen Stadtentwicklungsplan, hat man nein gesagt und gesagt: Der spricht immer von Plänen und ist von der CSU!
Man braucht nicht immer einem Gedanken oder einer Regierungsvorlage das Etikett „Plan" aufzuheften. Man muß wissen, was man will. Das hat man in Bayern sehr wohl gewußt. Wenn Sie, Herr Kol-



Dr. Schneider (Nürnberg)

lege Müller, mit dem Auto über die Autobahn von Frankfurt nach München heimfahren, dürfen Sie sogar eine dreifache beschattete Sonnenbrille haben, dann sehen Sie immer noch genug Fortschritt. Und wenn Sie einen Hubschrauber nehmen, fliegen Sie über die weißen Siedlungen mit den roten, grauen und schwarzen Dächern hinweg. Sie können doch nicht in Bonn einen anderen Eindruck erwekken; das glaubt Ihnen niemand. Millionen sind in Bayern und wollen nach Bayern. Diese gesamtdeutsche Sehnsucht nach Bayern widerlegt Sie ganz und gar.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605211200
Herr Abgeordneter Dr. Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brück?

Alwin Brück (SPD):
Rede ID: ID0605211300
Herr Kollege, habe ich Sie soeben richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, es gebe in Bayern keinen Plan?

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605211400
Ich habe nicht gesagt, es gebe keinen Plan. Es gibt keinen Plan im Sinne von Hessen-Plan. Manche Pläne sind eine Addition von Wünschen, ausgedrückt in Zahlen, mit einer euphemischen Überschrift. So verhält es sich mit vielen Plänen. — Bitte, Herr Kollege!

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605211500
Herr Kollege Schneider, wollen Sie nicht unseren Kollegen von der SPD sagen, daß wir in Bayern praktischer und direkter sind, weil wir nicht einen Bayern-Plan haben, sondern ein Bayern-Programm, das tatsächlich durchgeführt wird?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605211600
Herr Kollege, das war keine Zwischenfrage.

Dr. Oscar Schneider (CSU):
Rede ID: ID0605211700
Ich könnte es auch so ausdrücken, Herr Kollege Dasch: wir Bayern handeln, und die anderen machen Pläne.
Ich darf zum Schluß meiner Ausführungen kommen. Herr Kollege Stücklen hat auf die Vierer-Koalition in den Jahren 1954 bis 1957 hingewiesen, eine Denkwürdigkeit in der bayerischen Nachkriegsgeschichte übrigens. Diese Vierer-Koalition hat es nicht zu einem Bayern-Plan gebracht; auch die vielen anderen nicht. Ich müßte jetzt aus dem Nähkästchen plaudern. Aber wir wollen vor der Bundesöffentlichkeit im Deutschen Bundestag nicht allzu viele weißblaue Liebeserklärungen wechseln.
Ich darf nur noch eines feststellen. Die Strukturpolitik ist in Bayern kein Stiefkind. Die Strukturpolitik hat in Bayern großartige, beispiellose Erfolge aufzuweisen. Ich appelliere an die Kollegen der Koalitionsfraktionen, im Zeichen einer fortschrittlichen bayerischen Strukturpolitik Bayern das zu geben, was Bayern braucht und was Bayern verdient.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605211800
Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Arndt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605211900
Herr Präsident! Meine 'Damen und Herren! Die Bundesregierung sieht sich veranlaßt, in diese „bayerische Debatte" einzugreifen,

(Abg. Stücklen: Immer diese Einmischungen!)

und zwar ganz ohne Alleinvertretungsanmaßung — wie es Herr Ulbricht sagen würde —, sondern in 'dem vollen Bewußtsein, daß es ,sich hier um ein assoziiertes Bundesland mit seinen Eigenheiten handelt. Deshalb haben wir uns in der Bundesregierung auch keine Meinung darüber gebildet, was der liebe Gott über die ,CSU-Regierung denkt — wie Sie, Herr Schneider, 2u wissen vorgaben.
Aber an einem Punkt hört der Spaß auf: Der Tabelle 2 des Strukturberichts sind die Arbeitslosenquoten in ausgewählten Arbeitsamtsbezirken innerhalb der regionalen Aktionsprogramme zu entnehmen. Ende April 1970 finden Sie bei einer Arbeitslosenquote von 0,6 % im Durchschnitt des gesamten Bundesgebietes bei Deggendorf 2,3% und bei Passau 3,8%; für den 31. Januar 1970 finden Sie bei einem Bundesdurchschnitt von 1,3% bei Deggendorf knapp 13% und bei Passau 16 %.

(Zuruf des Abg. Stücklen.)

Das ist nun kein Problem des Bundes und eines bayerischen Streites mehr; hier geht es um Menschen, die keine Arbeit haben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605212000
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Fuchs?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605212100
Ja, bitte!

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0605212200
Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, ,daß gerade angesichts dieser Tatsache der ungewöhnlich hohen Arbeitslosenquoten in unserem Gebiet — dem 'Gebiet Passau–Deggendorf, das Sie soeben genannt haben — doch auch von ,der 'Bundesregierung überprüft werden sollte, ob nicht die regionalen Aktionsprogramme auf ,die Struktur dieser Gebiete hin besserangepaßt werden sollten, um eine größere Wirksamkeit zu erreichen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605212300
Herr Kollege, die Frage, die wir beantworten müssen, ist, warum das, was in Oberfranken und in der Oberpfalz, also 'in Nordbayern, klappt, nicht auch in Niederbayern klappt. Das ist das Problem. Diese Antwort muß mit uns wahrscheinlich auch die bayerische Landesregierung geben. Ich muß leider dem Genossen Müller

(Heiterkeit, Beifall und Zurufe bei der CDU/ CSU)

— dem Kollegen Müller — völlig recht geben: es gibt eine Weisung der bayerischen Landesregierung an investitionswillige Unternehmen, daß sie sich zu entscheiden haben zwischen der Investitionszulage, die wir für alle haben wollen, und regionalen Förderungsmitteln. Es wird von der bayerischen Landesregierung für die Unternehmen so disponiert, daß sie



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Arndt
zwischen den Investitionszulagen und den Förderungsmitteln des Bundes wählen. Das ist aber als zusätzliche Hilfe gedacht. Wenn die Eigenart Bayerns so weit geht, daß man den Unternehmen diese Möglichkeit nimmt und sagt: wir gehen davon aus, daß keine Anträge auf regionale Förderungsmittel gestellt werden, wenn die Investitionszulage beantragt wird, und wir werden ferner die Zurückzahlung dieser regionalen Förderungsmittel verlangen, wenn das dennoch geschieht, dann ist das eine Eigenheit, die auf Kosten der Menschen an Ort und Stelle geht und über die wir gemeinsam im Wirtschaftsausschuß diskutieren müssen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605212400
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Niegel?

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605212500
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin die unterschiedlichen Arbeitslosenziffern zwischen Oberfranken und Oberpfalz einerseits und Niederbayern andererseits an. Sind Ihnen, Herr Staatssekretär, die historischen und natürlichen Entwicklungen bekannt, und ist Ihnen bekannt, daß in Oberfranken eine Industrialisierung vor rund 100 Jahren stattgefunden hat, während im Bayerischen Wald erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Industrialisierung begonnen werden konnte, und ist Ihnen zum anderen bekannt, daß die seinerzeit schon bestehende wirtschaftliche Entwicklung in Oberfranken durch die Zonengrenzziehung so herabgemindert wurde, daß zwar jetzt keine hohen Arbeitslosenziffern zu verzeichnen sind, aber in der Entwicklung der Stundenentlohnung der Arbeitnehmer und der Kapazität der Wirtschaft doch entsprechende Auswirkungen festzustellen sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605212600
Das ist mir bekannt. Dennoch erklärt es den Vorgang nicht. Wir haben doch auch ländliche Räume hochbekommen, in denen es noch keine Industrie gegeben hat. Warum soll das in Niederbayern im Arbeitsamtsbezirk Passau nicht auch klappen? Hier müssen wir gemeinsam eine Antwort finden. Etwas, was überall funktioniert hat, müßte dort eigentlich auch funktionieren, oder es liegen besondere Umstände vor, über die wir gemeinsam Rechenschaft ablegen müssen. Ich bin nicht in der Lage, eine befriedigende und die lokalen Behörden entlastende Antwort zu finden. Mehr kann ich Ihnen hier an Informationen nicht geben.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605212700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Warnke?

Dr. Jürgen Warnke (CSU):
Rede ID: ID0605212800
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es keineswegs etwa so ist, daß diese Schwierigkeiten nur in Niederbayern und der Oberpfalz bestehen, sondern daß sich z. B. auch in Hof — die Rate für diesen Ort liegt bei 25 0/o; Sie haben die Situation in Oberfranken positiv bewertet — kein Betrieb neu ansiedeln will? Finden Sie es nicht etwas zu einfach, das bloß auf den Oberbürgermeister oder die Staatsregierung abzuschieben? Müßte nicht auch die extreme Ungunst der Situation und der örtlichen Lage mit in Rechnung gestellt werden, die ganz unabhängig von der Parteifarbe der jeweiligen Regierung ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605212900
Herr Kollege Warnke, es wird immer vorkommen, daß eine Industrieansiedlung in dem einen oder anderen Ort nicht rasch genug oder sogar auf Jahre hinaus nicht erfolgt. Aber das gilt nicht für die Region. In der Region, von der Sie sprechen, sind die Dinge vorangekommen. Sie haben das in Ihrer Rede auch gewertet. Ich habe in meiner Rede von der neuen Wirtschafts- und Finanzpolitik gesprochen, die diese Strukturpolitik ermöglicht hat. Insofern sind wir uns einig. Wir müssen jetzt noch eine Antwort auf die Frage finden — ich hoffe, daß wir diese Antwort bei den Beratungen im Wirtschaftsausschuß finden —, warum wir in Niederbayern nicht vorankommen. Ich bin sicher, es kann keine generelle Antwort sein, etwa in der Richtung, daß neue Mittel über alle Gebiete ausgeschüttet werden. Wir müssen hier vielmehr tatsächlich in die Einzelheiten gehen und fragen: Warum gelingt es nicht, größere und mittlere Industrieunternehmen in diese Gegend zu bringen? Was haben sie dort zu scheuen? Welche Barrieren sind dort vorhanden? Was muß man tun, um die regionalen Behörden nochmals zu ermutigen und zu ermuntern, nun auch auf die Zukunft und nicht nur auf die Gegenwart zu setzen?

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605213000
Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Fuchs?
Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle nur auf die Geschäftslage des Hauses aufmerksam machen. Wir haben noch ein umfangreiches Programm abzuwickeln. Jeder Kollege kann natürlich Zwischenfragen stellen. Ich wäre allerdings dankbar, wenn Sie dabei auch an die Punkte der heutigen Tagesordnung, die in jedem Fall noch behandelt werden sollen, denken würden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605213100
Ich werde diese beiden Zwischenfragen beantworten. Meine Rede ist fertig.

Dr. Karl Fuchs (CSU):
Rede ID: ID0605213200
Herr Staatssekretär, sind Sie auch der Auffassung, daß der auch Ihrer Meinung nach noch zu geringe Erfolg in der Strukturverbesserung des ostbayerischen Grenzlandes und in der Ansiedlung von Betrieben so zu erklären ist, daß dort eine extreme Ferne von den Zentren der Wirtschaft gegeben ist? Folglich kann eigentlich nur eine Konsequenz gezogen werden: die Förderungsquoten müßten dort entsprechend erhöht werden, weil sonst — im Gegensatz zu Gebieten, die im Innern der Bundesrepublik liegen — kein Anreiz wirklich zwingend zur Betriebsansiedlung führt.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605213300
Herr Kollege Dr. Fuchs, erlauben Sie mir bitte eine Bemerkung. Zwischenfragen und Zusatzfragen sollen



Vizepräsident Dr. Schmitt-Vockenhausen
kurz, knapp und präzise sein. Es ist aber nicht möglich, ein solches Thema, wie Sie es hier anschneiden — das zeigt auch schon die Länge .der Frage —, wirklich sachlich zu klären. Ich glaube, das sollten Sie sich einmal in aller Ruhe überegen.
Bitte, Herr ,Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605213400
Herr Kollege, wir wollen durch die Förderung in Schwerpunktorten lokale Ballungen industrieller und gewerblicher Tätigkeiten erzeugen, um die Nachteile, die sich aus der Ferne von den Ballungszentren ergeben, auszugleichen. Lassen Sie mich vor der Beratung dieser Fragen im Wirtschaftsausschuß eine vorläufige Antwort geben.
Erstens. Ich habe das Gefühl, daß in Bayern ein bißchen zu viel für die bereits bestehenden Ballungszentren und etwas zu wenig für die ferneren Gebiete getan wurde.
Zweitens. Ich habe das Gefühl, daß die Landes-und Bezirksregierungen etwas zu großzügig darin waren, jeden einzelnen Ort mit dieser oder jener Förderung versehen zu wollen und damit der Bildung lokaler Schwerpunkte — 20 km Durchmesser —entgegenzuwirken. Dazu muß man natürlich eine gewisse Festigkeit und Kraft haben, indem man sagt: Da machen wir es, und Ihnen können wir leider im Augenblick, natürlich Infrastruktur, .aber keine 20%-Förderung gewähren. Das isst nicht leicht,
aber das muß man wohl auch in Bayern lernen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605213500
Herr Staatssekretär, Sie waren einverstanden, daß die letzte Frage des Kollegen Varelmann noch gestellt wird. Bitte schön!

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0605213600
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in Niedersachsen zur Zeit nur ein 'Drittel der Dringlichkeitsanträge auf Wirtschaftsförderung aus den Ausbaugebieten berücksichtigt werden können? Sehen Ste 'eine Möglichkeit, weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, damit gerade in der gegenwärtigen Zeit eine Chance gegeben wird, in diesem Bereich .die Wirtschaftslage zu verbessern?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0605213700
Herr Varelmann, für dieses Jahr werden wir mit den im Bundeshaushalt vorgesehenen Mitteln auskommen müssen. Ich konnte in meinen einleitenden Worten darstellen, daß das bereits eine konjunkturpolitische zusätzliche Aufheizung bedeutet. Die nehmen wir in Kauf. Die vertreten wir auch nach draußen gegen jeden Angriff und gegen jede Revision dieser Politik. Was das für Niedersachsen im einzelnen bedeutet, kann ich Ihnen jetzt hier vom Pult aus nicht erklären. Dazu müßte ich das erst prüfen. Sie werden dazu die notwendige schriftliche Antwort bekommen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605213800
Als letzter Redner in dieser Debatte hat sich Herr Abgeordneter Dr. Starke gemeldet.

Dr. Heinz Starke (CSU):
Rede ID: ID0605213900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur ganz weniges sagen, das mir aber doch ein wenig am Herzen liegt, und zwar aus ,den Erfahrungen der letzten Jahre, in denen die Zonenrandförderung läuft. Ich möchte feststellen, daß nach meinen Erfahrungen— sicherlich in dem einen oder anderen Jahr mit unterschiedlicher Intensität — alle Landesregierungen sich den Fragen der Zonenrandförderung nicht verschlossen haben. Vorwürfe, die hier gegen die eine oder die andere Regierung gefallen sind, waren unzweifelhaft übertrieben. Zum Teil ist sogar das Kind mit dem Badeausgeschüttet worden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bin auch der Meinung, daß es nicht gut ist, wenn man an Zahlen aus den Jahren 1953 und 1954 erinnert; denn damals sind die Dinge natürlich noch ganz anders gewesen als heute.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Was wir uns also hier zum Teil gegenseitig um die Ohren geschlagen haben, hilft uns natürlich nicht sehr viel weiter.
Ich möchte aber ein paar Punkte herausheben, die für ,die zukünftige Arbeit wichtig sind. Der erste ist die Priorität. Ich stelle mit großer Befriedigung fest, daß die Bundesregierung diese Priorität für das Zonenrandgebiet neben der Priorität für Berlin in dem Strukturbericht ganz besonders betont. Ich erwähne das deshalb, weil in den Zeiten der letzten Bundesregierung, die bis zur Bundestagswahl im Amt war, die Gefahr aufleuchtete, daß das Zonenrandgebiet wegen der Einleitung 'der Strukturförderung im übrigen Bundesgebiet eine relative Schlechterstellung erfuhr.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Es ist, glaube ich, heute in gemeinsamer Arbeit von vielen gelungen, Verständnis dafür zu wecken, daß es diese Prioritäten auch in Zukunft geben muß.
Nun kommt ein Zweites, das ich ausdrücklich erwähne. Wir wollen ein Zonenrandförderungsgesetz. Ich gestatte mir, hier zu sagen, daß nicht nur meine Fraktion dieses Gesetz wünscht — das wissen Sie ja nun —, sondern daß sowohl die Koalitionsparteien wie die Oppositionsparteien es wünschen, und das ist für mich heute das wichtigste. So sehr leicht tun wir uns vom Zonenrandgebiet im allgemeinen nicht, wenn wir etwas in der Praxis durchsetzen müssen. Wir brauchen das Gesetz, weil alle anderen Fördergebiete gesetzliche Grundlagen haben und weil, wie Sie wissen, insbesondere die Rechtsgrundlagen für die so wesentlichen Sonderabschreibungen etwas zweifelhaft geworden sind, möglicherweise sogar als nicht ausreichend angesehen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Das Gesetz soll also erstens die Priorität für das Zonenrandgebiet für die Zukunft enthalten. In dem Gesetz soll zweitens alles stehen, was die Zonenrandgebiete haben — das ist ein ganz wesentlicher Punkt —, einschließlich der Sonderabschreibungen und der Frachthilfen, und zwar weil es sich bewährt hat; ich zähle gar nicht alles auf.



Dr. Starke (Franken)

Das Gesetz soll drittens z. B. den Wohnungsbau enthalten. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß sowohl in dem Entschließungsantrag der Regierungskoalition als auch in dem Gesetzentwurf der CDU/ CSU die Wohnungsbaufragen angeschnitten sind. Ich darf hier wieder einmal zur Erinnerung ein wenig aus der Geschichte vortragen und darauf hinweisen, 'daß es so etwas schon einmal gegeben hat. Es gab damals eine zwar nicht sehr starke, aber immerhin doch eine Förderung des Wohnungsbaus insbesondere für Arbeitnehmerfachkräfte. Das ist dann ebenfalls zur Zeit der Großen Koalition wieder etwas eingeschlafen. Das ist kein Vorwurf, sondern ich stelle nur fest, wie sich die Dinge entwickelt haben.
Viertens könnte man sogar etwas über die Infrastruktur im Zonenrandgebiet sagen. Ich wäre sehr dafür. Nur muß ich darauf aufmerksam machen, daß all das Geld kostet und man dafür zusätzliche Mittel braucht, was, wie Sie wissen, für jeden Finanzminister, von welcher Partei er auch immer gestellt werden möge, besonders wichtig ist.
Wenn wir uns also darin einig sind, daß ein Gesetz geschaffen werden soll, in dem die künftigen Prioritäten festgehalten sind, wenn wir uns weiter darin einig sind, daß in diesem Gesetz alles, was die Zonenrandgebiete betrifft, stehen soll und darüber hinaus noch die anderen von mir erwähnten Punkte enthalten sein sollen, finde ich das sehr gut. Dann haben wir für die kommenden Wochen und Monate eine sehr gute Grundlage. Wir werden nämlich — das sei mein Abschluß — alle noch merken, daß die Formulierungen im. Gesetz nicht einfach sein werden. Sie werden sogar für Schwerpunktfragen, um die es uns geht, nicht einfach sein. Wir wollen — das ist heute schon festgestellt worden — weder etwas für das Zonenrandgebiet verlieren noch etwas dafür erschweren und auch — ich möchte sehr darum bitten, daß das beachtet wird — keine übermäßig große Verwaltungsapparatur aufbauen; denn das wäre ein wesentlicher Verlust. Wir wollen schließlich auch nicht nur Einzelfälle sehen, die einen besonderen Eindruck machen. Solche Einzelfälle helfen uns insgesamt nicht weiter, sondern wir müssen im Zonenrandgebiet eine breite Wirtschaftsstruktur erhalten, fördern und weiter ausbauen.
Ich habe diese Schwierigkeiten erwähnt, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil wir, die wir uns seit eh und je für das Zonenrandgebiet eingesetzt haben und uns auch in Zukunft einsetzen werden, uns gemeinsam um des Zonenrandgebietes und der dort lebenden Menschen willen bemühen müssen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Sie werden nicht klein sein. Da ich das, wie ich gesehen habe, ohne Widerspruch in diesem Hause von seiten der Experten, die hier noch versammelt sind, feststellen konnte, sind wir, wie ich meine, in der Frage des Zonenrandgebietes heute einen guten Schritt weitergekommen. Das macht mir Mut zu glauben, daß wir bis zum Herbst ein gutes Gesetz für das Zonenrandgebiet haben werden, ein Gesetz, das uns alles beläßt, was wir haben.
Gegen das, was dann noch dazu kommt, werde ich persönlich mich nie wehren.

(Allgemeiner Beifall.)


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605214000
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Herold.

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0605214100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man ist natürlich versucht, zu einigen Ausführungen der Kollegen aus 'dem bayerischen Raum noch etwas zu sagen. Ich will mir das aber heute ersparen. Denn es wäre schlecht, wenn wir durch Polemik diese schwierige Aufgabe, die wir eines Tages gemeinsam in irgendeiner Form 'bewältigen wollen, belasteten.
Herr Kollege Stücklen hat von der „Viererkoalition" 'gesprochen. Nun, Sie haben damals kein Bayernprogramm auf 'die Beine stellen können. Sie hatten ein hervorragendes Wohnungsbauprogramm, das sich damals „Bayernprogramm" nannte. Schauen Sie sich heute die bayerischen Städte an. Sie sehen dort die steinernen Zeugen hervorragender Leistungen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schneider [Nürnberg].)

— Entschuldigung! Sie kennen die Anlagen, Herr Schneider. Sie waren in der Kommunalpolitik in Nürnberg tätig und wissen, was im Rahmen des „Bayernprogramms" damals auf dem Gebiet des Wohnungsbaus für sozialschwache Familien, die in Notwohnungen hausten, geschehen ist. Ich habe nichts gegen die Vorlage des Bayernprogramms, Bayern I und Bayern II. Aber, meine Damen und Herren, Sie können doch hier nicht einfach die Tatsache vom Tisch wischen, daß diese Programme zu spät gekommen sind. Sie sind 10 Jahre zu spät gekommen. Sonst hätten wir die Orientierungshilfen, und manche Gemeinde hätte nicht fehlinvestiert. Diese Gelder bräuchten sie heute nämlich dringendst für Infrastrukturmaßnahmen zur Industrieansiedlung. Das möchte ich Ihnen ganz offen sagen.

(Abg. Dr. Schneider [Nürnberg]: Ich habe immer gehört, wir tun zuviel für das flache Land und zu wenig für 'die Städte!)

Ich bin verantwortlich für das, was ich hier ausführe, Herr Schneider. Ich 'bin für Ihre Ausführungen und für die Ausführungen anderer Kollegen nicht verantwortlich.
Ich möchte abschließend im Namen der Bundesregierung nur ein paar Bemerkungen zu dem Entwurf des Zonenrandförderungsgesetzes der CDU/ CSU machen. Ich darf dazu bemerken, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß wir gerade die weitere Förderung des Randgebietes zur DDR und zum tschechischen Grenzgebiet als eine strukturpolitische Aufgabe ersten Ranges ansehen und auch in Zukunft betrachten werden. Ich darf darauf hinweisen, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 28. Oktober und auch im Bericht zur Lage der Nation eindeutige Prioritäten gesetzt und sich für die verstärkte Förderung eingesetzt hat. Wir wissen genau um die Notwendigkeit der Zonenrandförderung. Ich glaube, daß wir hier eine Verpflichtung haben und daß gerade dieser Raum, der durch die mitteldeutschen Sperrmaß-



Parlamentarischer Staatssekretär Herold
nahmen in eine unverschuldete Notlage kam, in jeder Hinsicht weitere Unterstützung erfahren muß.

(Abg. Niegel: Ist das ein neuer Begriff, „mitteldeutsche Sperrmaßnahmen" ?)

— Von „mitteldeutschen Sperrmaßnahmen" reden wir schon lange. Vielleicht haben Sie es bis jetzt nicht zur Kenntnis genommen, Herr Kollege Niegel. Das kann natürlich sein.
Außerdem sind wir der Meinung, daß durch die Neuorientierung in Europa diese besondere Lage noch verschärft worden ist. Im Rahmen der EWG ist dieses Gebiet, das im Herzen Europas lag, zusätzlich zum Randgebiet geworden.

(Zuruf des Abg. Dr. Fuchs.)

— Sie hätten es bestimmt genauso gut gemacht, wie es der Kollege Ertl gemacht hat. Der Vorreiter für diese Maßnahmen war Ihr sehr verehrter Herr Kollege Höcherl. Das sollten Sie bitte überlegen. Nicht diese Regierung ist verantwortlich für die Römischen Verträge. Sie wissen genau, wer dort verhandelt hat. Daß das Folgemaßnahmen waren, dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, Herr Kollege.
Diese beiden Kriterien, die bei den anderen Förderungsgebieten in der Bundesrepublik natürlich nicht vorhanden sind, bestimmen die Politik der Bundesregierung gegenüber den Zonenrandgebieten. Die Förderung dieses Raums ist damit nicht allein eine wirtschaftliche, sondern für uns auch eine eminent politische Aufgabe. Die Ministerien, die hier in erster Linie beteiligt sind, haben dies ganz klar erkannt und fühlen sich auch entsprechend verpflichtet, besonders unser Haus.
Ich darf wohl sagen, daß sich diese Bundesregierung laufend bemüht hat, die Förderungsmaßnahmen zu verbessern, vor allen Dingen auch die wirtschaftliche und die kulturelle Förderung sowie die Förderung von Sporteinrichtungen im Zonenrandgebiet zu erhöhen. Ich darf Ihnen ein paar Zahlen nennen. Es ist doch sehr interessant, daß wir feststellen dürfen, daß für kulturelle Maßnahmen im Zonenrandgebiet für das Jahr 1970 etwa 20 Millionen DM ausgewiesen sind und daß wir damit gegenüber den Jahren 1964 und 1965 eine Steigerung um 10 Millionen oder um 100% haben. Für die Förderung der kulturellen Maßnahmen haben wir in diesem Haushalt weitere 12 Millionen DM ausgewiesen. Das bedeutet gegenüber den Vorjahren Steigerungen von über 20 und 30%. Ich darf eine Zahl aus dem Innenministerium nennen. Die Mittel für den Bau von Sportstätten, die uns sehr wichtig sind, um den Wohn- und Freizeitwert dieses Gebiets zu erhöhen, um vor allen Dingen die Kommunen nicht allein zu lassen, haben seit 1962 praktisch eine Verdoppelung von 4 auf etwa 8,5 Millionen DM erfahren.
Die Mittel für das regionale Förderungsprogramm im Rahmen des Bundeshaushalts schließen 1969 mit einem Betrag von 353 Millionen DM für alle Förderungsmaßnahmen ab, davon allein für das Zonenrandgebiet etwa 195 Millionen DM. Gegenüber 1953 ist das praktisch eine Verachtfachung dieses Betrages. Ich glaube, Sie können daraus ersehen, meine Damen und Herren, daß wir auch in Zukunft darum bemüht sind, diese Aufgaben gemeinsam mit den
Ländern zu meistern. Polemik, wie wir sie zum Teil heute erlebt haben, nützt niemandem.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) Das möchte ich hier feststellen.


Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605214200
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niegel? Bitte!

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605214300
Herr Staatssekretär, mich interessiert, aus welchen Gründen Sie immer auf lange Zeiträume zurückgreifen — 1953 —, um eine Steigerung der Förderungsmittel für den Zonengrenzraum herauszustellen. Es wäre besser, wenn Sie herausstellen würden, was im vergangenen Jahr getan wurde und was heute getan werden soll.

Karl Herold (SPD):
Rede ID: ID0605214400
Herr Kollege Niegel, ich möchte die Zeit meiner Kollegen nicht zu stark strapazieren. Ich könnte Ihnen aus dieser Skala vorlesen. Die Zahlen sind aus den Jahren 1962 bis 1970. Es würde sich lohnen, auch die letzten Zahlen zu nennen, denn darin sind immerhin Steigerungen von ungefähr 20 bis 30 % enthalten. Ich stelle Sie Ihnen gern zur Verfügung, Herr Niegel, und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Zahlen der Ministerien veröffentlichen würden. Ich meine, das lohnt sich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich möchte nur abschließend sagen, wir bedauern es, daß eine Arbeit, die gemeinsam von den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und den Wirtschaftsministerien der Zonenrandländer und der Bundesregierung erarbeitet worden ist, diesem Hause auf so eine Art vorgelegt wurde. Wir sind in Lübeck auseinandergegangen mit der Auffassung, daß dieses Arbeitspapier der Bundesregierung zur Verfügung gestellt wird. Es war nicht zur Veröffentlichung vorgesehen; das wissen Sie, Herr Dr. Warnke. Aber das schadet nichts. Wir werden in jedem Fall diese Arbeiten in Zusammenarbeit mit den Ländern und mit den Verbänden fortsetzen, damit wir gemeinsam für die Menschen, die dort leben, noch mehr herausholen; denn, Herr Dr. Warnke, Sie wissen, uns machen einige Dinge große Sorgen. Das wissen Sie, das weiß auch die Bundesregierung. Es wäre schade, wenn wir jetzt vielleicht sagten, diese Regierung ist ein halbes Jahr im Amt, und wir schieben ihr die Schuld für das zu, was andere vor ihr getan haben. Nicht von ungefähr bleibt der große Teil unserer Abiturienten nicht mehr im Zonenrandgebiet, bleibt ein großer Teil unserer guten Facharbeiter nicht mehr im Zonenrandgebiet, weil eben dieser Wohn-und Freizeitwert nicht da ist oder weil die Einrichtungen zur Weiterbildung unserer jungen Menschen in diesen Gebieten fehlen. Das möchte ich hier klar feststellen. Wenn es uns gelingt, diese Dinge im Interesse der Menschen, die dort wohnen, zu vervollständigen und weiter zu entwickeln, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ich darf um Ihre Unterstützung bitten.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0605214500
Meine Damen und Herren, damit sind wir endgültig am Ende der Aussprache über die Punkte 2 a und b der heutigen Tagesordnung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Strukturbericht 1970 der Bundesregierung dem Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Ich stelle allgemeines Einverständnis fest.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen ferner vor, den Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes, Drucksache VI/796, dem Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen — federführend — sowie zur Mitberatung dem Ausschuß für Wirtschaft und dem Finanzausschuß, ferner dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und nach § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen. — Es ist so beschlossen.
Schließlich liegt noch der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP zu Punkt 2 a der heutigen Tagesordnung auf Umdruck 25 vor. Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen.

(Abg. Frau Renger: Finanzausschuß!)

— Ich würde vorschlagen, daß wir den Entschließungsantrag in der gleichen Ordnung den Ausschüssen zuleiten, an die wir eben den Entwurf des Zonenrandförderungsgesetzes überwiesen haben, weil ja hier im wesentlichen auch die Problematik berührt wird. — Allgemeine Übereinstimmung.

(Abg. Dr. Starke [Franken] : Wie beim Gesetz!)

— Ja, das habe ich gerade vorgeschlagen. — Danke schön, dann ist das auch so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nunmehr Punkt 3 der heutigen Tagesordnung 'auf:
Große Anfrage, der 'Abgeordneten Erpenbeck, Mick, Geisenhofer, Lücke (Bensberg), Dr. Müller-Hermann und ,der Fraktion der CDU/ CSU
betr. Wohnungsbaupolitik
— Drucksachen VI/572, VI/716 —
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erpenbeck.

(Abg. Rösing: 30 Minuten!)


Ferdinand Erpenbeck (CDU):
Rede ID: ID0605214600
Herr 'Präsident! Meine Damen und Herren! Vor nunmehr neun Wochen hat die CDU/CSU-Fraktion die Große Anfrage zur Wohnungsbaupolitik eingebracht. Mehr als fünf Wochen hat die Regierung .gebraucht, um die schriftliche Antwort zu geben. Inzwischen sind weitere vier Wochen vergangen, bis dieses Haus Stellung nehmen kann. Angesichts der explosiven Entwicklung der Mieten und Lasten in der Wohnungswirtschaft und eines völlig aus dem Konzept geratenen und gelähmten sozialen Wohnungsbaus scheint mir dies ein unverantwortlicher Zeitverlust zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Zwar haben wir zwischenzeitlich bedeutend erscheinende Reden, Festvorträge, Presseartikel, Aufsätze
und Erklärungen aus ministeriellem Hause und Munde hören und lesen können, aber alle ignorierten die Fragestellung oder wichen ihr aus. Mit der Fata Morgana eines langfristigen Wohnungsbauprogramms der Bundesregierung wurde 'und wird versucht, über die konkrete unhaltbare und in ihren Auswirkungen zutiefst unsoziale und ungeheuerlich belastende Situation hinwegzuspielen. Aber darüber hinwegtäuschen läßt sich allerdings nicht; denn Millionen von Mietern und Hunderttausende von Wohnungseigentümern und Familienheimern zahlen die Zeche.
Ich habe gehofft, daß ich meine bereits für die vorgesehene Debatte am 6. Mai konzipierte Rede grundlegend hätte ändern können; denn in den drei Wochen bis heute hätte ja eine zielbewußt handelnde Regierung einiges zur Verbesserung der Situation in der Wohnungswirtschaft tun können. Aber weit gefehlt. Diese drei Wochen zeigen kein anderes Bild; als es schon in den vorhergehenden sechs Monaten der Fall gewesen ist. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die uns heute vorliegende schriftliche Antwort vom 30. April auf unsere Große Anfrage nur wenig von dem Hintergrund verspüren läßt, vor dem diese Anfrage formuliert wurde, nämlich der Sorge um die beängstigende Entwicklung der Mieten und Lasten in der Wohnungswirtschaft, der exorbitant hohen Baupreissteigerungen und der Gefahr der vollständigen Lähmung des sozialen Wohnungsbaus.
Die Bundesregierung hat seit ihrer Amtsübernahme im Herbst 1969 nichts erkennen lassen, was dem Druck der Zinssteigerungen auf den Wohnungsbau und die Mieten hätte entgegengesetzt werden können, was vielleicht auch eine Bremsung oder gar eine Verhinderung hätte bedeuten können. 200 Tage Regierungszeit haben nicht genügt, auch nur eine einzige konstruktive und wirksame Maßnahme einzuleiten.
Wenn die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Fragen mit der allgemeinen Feststellung beginnt, daß es ihr Ziel sei, durch ihre konjukturpolitischen Maßnahmen die Preisstabilität wiederzugewinnen, und es dabei um Stabilisierung ohne Stagnation gehe, so kann ich nur feststellen, daß von Stabilisierung ohne Stagnation im Wohnungsbau und in der Wohnungswirtschaft keine Rede sein kann, daß wir es hier vielmehr schon lägst mit einer Stagnation ohne Stabilisierung zu tun haben.

('Beifall bei der ,CDU/CSU.)

Wir haben uns auch in der Hoffnung getäuscht, daß es der Regierung bei der Sichtung des Materials und der Fakten, die sie doch zur Beantwortung unserer Anfrage heranziehen mußte, aufgegangen wäre und daß sie begriffen hätte, daß hier nur schnelles und entschiedenes Handeln einen völligen Zusammenbruch des sozialen Wohnungsbaues und ein immer weiter steigendes Miet- und Lastenniveau aufhalten kann. Neun Wochen sind seither vergangen. Ich muß mit großem Bedauern feststellen, daß diese Regierung in der Frage der kontinuierlichen Fortführung der Wohnungsbaupolitik und insbesondere des sozialen Wohnungsbaues versagt hat, daß sie nicht gehandelt hat und daß sie es zu verantworten hat, daß der Wohnungsbau und damit aber-



Erpenbeck
tausende Mieter, kleine Eigentümer, Wohnungseigentümer und Wohnungssuchende zum Prügelknaben einer verfehlten Wirtschafts-, Konjunktur-und Preispolitik geworden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich sagte: die Bundesregierung hat es zu verantworten. Es wäre ungerecht, wenn ich dem Herrn Minister für Städtebau und Wohnungswesen allein diese Verantwortung anlasten wollte. Er ist es ja nicht, der die Richtlinien der Politik der Regierung zu bestimmen hat. Er trägt auch nicht die Ressortverantwortung für die Wirtschafts- und Konjunkturpolitik. Wir können aber nicht umhin, zur Kenntnis zu nehmen, daß im Kabinett dieser Regierung die Wohnungsbaupolitik und — so müssen wir vielleicht sogar zu seinen Gunsten annehmen — der dafür verantwortliche Minister offensichtlich einen außerordentlich niedrigen Stellenwert besitzen.
Kürzlich wurde in der Öffentlichkeit der Vorwurf erhoben, daß der derzeitige Wohnungsbauminister zur Zeit der schlechteste Anwalt der Wohnungswirtschaft seit Bestehen der Bundesrepublik sei. Leider machen es uns die Fakten unmöglich, dieser Feststellung wirksam entgegenzutreten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wir würden Herrn Dr. Lauritzen gern beispringen und das auch heute noch tun, wenn er auch nur einen konkreten Ansatzpunkt einer kontinuierlichen Verbesserung der katastrophalen Situation in der Wohnungsbaupolitik aufzeigen würde. Statt dessen haben wir bislang nur ein Herunterspielen dieser Situation der schweren Auswirkungen der Zinserhöhungen auf den sozialen Wohnungsbau erlebt und kein Wort der echten Stellungnahme zu den tatsächlichen Schwierigkeiten der Wohnungswirtschaft, die durch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen entstanden sind, gehört. Vielmehr übte man sich — wie ist es anders zu erwarten? — in Vergangenheitsbewältigung.
Ich darf hier nur auf einen Wort- und Bildbeitrag des Ministers im „Vorwärts" hinweisen. Darin wundert er sich darüber, daß die CDU/CSU sich zum Anwalt der Mieter aufspiele. Ich darf dazu nur sagen, Herr Minister und meine Damen und Herren, daß die CDU/CSU ein Aufspielen gar nicht nötig hat, denn die Leistungen in 20 Jahren Regierungsverantwortung sind in aller Welt bekannt; die brauchen wir hier nicht noch einmal darzulegen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie sind geachtet und mit dem Namen hochgeachteter Persönlichkeiten und Wohnungsbaupolitiker der CDU/CSU verbunden.

(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)

Gegenüber der in diese Zeit fallende Zahl von über 10 Millionen neuer Wohnungen ist doch der bloße Hinweis auf ein langfristiges Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung ohne konkrete Realisierungs- und Finanzierungsangaben geradezu kläglich zu nennen.
Meine Damen und Herren, wer die Situation kennt und die Antwort auf unsere Große Anfrage liest, muß doch allen Ernstes in die Überlegung eintreten,
ob die nichtssagende, bagatellisierende und ausweichende Form der Antwort die Opposition in ihrer legitimen Fragestellung brüskieren soll oder ob im Hause des Ministers oder auch beim Herrn Minister selbst die Kenntnis über den vollen Umfang der tatsächlichen Situation und ihrer einschneidenden Wirkungen bei der Abfassung präsent war.

(Abg. Matthöfer: Den vollen Umfang mußten wir erst feststellen! Ihre Statistik ist völlig falsch!)

— Meine Damen und Herren, wenn Sie so viele Schwierigkeiten mit der Feststellung der Situation haben, dann fragen Sie die Menschen draußen! Die merken es längst im Portemonnaie!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Deshalb scheint es mir notwendig zu sein, hier ganz kurz noch einmal den Hintergrund zu verdeutlichen.
Herr Bundesminister, Sie haben bereits in der konjunkturpolitischen Debatte am 13. März 1970 die Auswirkungen der Diskontsatzerhöhung auf 7,5 % und die Baupreissteigerungen .herunterzuspielen versucht. In der Öffentlichkeit haben Sie zwischenzeitlich mehrfach verkündet, daß jährlich mindestens 200 000 Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbauprogramms erstellt werden sollten. In der Antwort auf unsere Anfrage sprechen Sie davon, daß im sozialen Wohnungsbau allenfalls gewisse Verzögerungen in Kauf genommen werden müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die aber lange dauern!)

Warum wird hier denn nicht ganz offen zugegeben, daß bereits im Jahre 1969 — ich könnte jetzt genauso wie es heute morgen in der Strukturdebatte geschehen ist, auf das Jahr 1967 zurückgehen, wo zumindest wirtschafts- und strukturpolitisch scheinbar alles neu wurde, scheinbar alles anders und besser wurde; Zahlen zu nennen will ich mir versagen, denn sie wären nicht besser als eine einzige Zahl, die ich in diesem Augenblick hier zu nennen habe — die öffentlich geförderten echten Sozialwohnungen einschließlich der auf dem zweiten Förderungsweg geförderten steuerbegünstigten Wohnungen zusammen nicht mehr das von Ihnen als gesichert angegebene Volumen von 200 000 Einheiten erreichte? 1969 waren es noch 131 000 Wohnungen, die mit direkter staatlicher Hilfe gefördert wurden.

(Abg. Vogel: Wer zählt denn so genau?)

Diese starke Abnahme der öffentlich geförderten sozialen Wohnungen wurde auch nicht durch die auf dem zweiten Förderungsweg geförderten steuerbegünstigten Wohnungen aufgewogen. Die durch Annuitätshilfen geförderten Wohnungen nach § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes betrugen 1969 34 000.
Diese Situation hat sich infolge der verhängnisvollen Entwicklung in den letzten Monaten katastrophal verschlechtert. Infolge der Diskonterhöhungen sind nur noch Hypotheken mit einem Zinssatz von mindestens 8% zu erhalten. Man kann heute schon



Erpenbeck
überall aus der Feder von Fachleuten, die es wissen müssen, lesen, daß die Zinsen für neu ausgegebene Hypotheken effektiv 8,5 bis 9 % und teilweise darüber betragen. Damit ist der soziale Wohnungsbau völlig zum Erliegen gekommen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat als erstes Land die praktischen Konsequenzen daraus gezogen. Nach einem vor Wochen gefaßten Kabinettsbeschluß dürfen Wohnungsbauvorhaben durch Annuitätszuschüsse nur gefördert werden, wenn die Hypothekenzinsen nicht mehr als 7,5% — man höre: nicht mehr als 7,5 %! — betragen und der Auszahlungskurs nicht unter 95% liegt. Da derartige Hypotheken, von Bauspardarlehen abgesehen, nicht zu erhalten sind, ist in Nordrhein-Westfalen der öffentlich geförderte soziale Wohnungsbau völlig zum Erliegen gekommen.

(Abg. Mick: Nicht nur in Nordrhein-Westfalen!)

— Herr Kollege Mick, ähnliche Nachrichten kommen auch aus anderen Ländern.
Ich nenne ein anderes Beispiel, weil ein anderer Förderungsweg gewählt wird: Hamburg. Auch dort dürfen Bewilligungen nicht mehr ausgesprochen werden, wenn sich Quadratmetermieten von mehr als 4,50 DM ergeben. Diese Mieten sind nach den Pressemitteilungen des Deutschen Mieterbundes in Hamburg nicht zu erzielen. — Wir brauchten die Pressemitteilungen des Deutschen Mieterbundes nicht unbedingt heranzuziehen; aber ich sage das ausdrücklich, damit mir nicht unterstellt wird, ich hätte meine Informationen dort geholt, wo es uns gerade am besten erschien. — Da diese Mieten im sozialen Wohnungsbau nicht erzielt werden können, ist es auch in Hamburg mit den Bewilligungen zur Zeit völlig vorbei.
Die Situation ist im steuerbegünstigten und frei finanzierten Mietwohnungsbau nicht anders. Auch dort sind Baubeginne kaum noch zu verzeichnen. Nach den Mitteilungen des Ringes Deutscher Makler ergeben sich für frei finanzierte Wohnungen mit einer einigermaßen guten Ausstattung zur Zeit Quadratmetermieten von 8 DM. Kein verantwortlich denkender Bauherr wird das Risiko auf sich nehmen, derartige Wohnungen weiter zu bauen. Was den Bundeswohnungsbauminister zu der optimistischen Annahme berechtigt, der Wohnungsbau insgesamt und speziell auch der soziale Wohnungsbau könnten auf dem bisherigen Stand gehalten werden, ist schlechterdings unerfindlich.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bis zum 14. Juni muß das gehalten werden!)

Er kann kaum die Tatsache anführen, daß der Bauüberhang zu Anfang dieses Jahres noch sehr hoch war und die Finanzierung dieser Bauten zu früheren Bedingungen gesichert sei. Es mag sein, daß infolge des hohen Bauüberhanges und des schlechten Bauwinters, den wir hinter uns haben, in diesem Jahr noch annähernd so viele Wohnungen gebaut werden wie im vergangenen Jahr. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die große Baulücke, die durch den augenblicklichen Stillstand bei neuen
Baubeginnen entsteht, in der ganzen Schwere in den nächsten Jahren auswirken wird.
Weder in der konjunkturpolitischen Debatte am 13. März noch in der heute vorliegenden Antwort ist der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen auf die Frage der Baukostensteigerungen näher eingegangen. Er hat nur zugegeben, daß die Baupreise in den letzten zwölf Monaten um 15 °/o gestiegen seien. Diese Zahl allein ist bereits erschreckend hoch. Es treffen aber auch Nachrichten zu, daß zumindest in den Städten und ganz besonders in den Großstädten die Baupreissteigerungen weit über das Doppelte betragen.
Die Baukreditbank in Düsseldorf hat in sechs Großstädten der Bundesrepublik Untersuchungen angestellt. Dabei stellt sie fest, daß die Baupreissteigerungen vom Februar 1969 bis Februar 1970 in Augsburg 30 %, in Hamburg 31%, in Köln und Düsseldorf 32 %, in Stuttgart 33 % und in Nürnberg 34% betragen. Spitzenreiter — und jetzt kommen wir wieder auf bayerisches Gefilde, wobei Nürnberg selbstverständlich auch dazugehört; daß man mir das nicht vorwirft — ist München mit 36%. Innerhalb eines Jahres sind also in diesen Großstädten die Baupreise um rund ein Drittel gestiegen. Das ist in der Nachkriegsgeschichte des Wohnungsbaus bisher noch nicht dagewesen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Bei dieser Preisentwicklung muß auch die gesamte Eigentumspolitik im Wohnungsbau zusammenbrechen. Der Ring Deutscher Makler hat auf seinem Maklertag vor wenigen Wochen Preise für Eigentumswohnungen von 2 500 DM je qm Wohnfläche genannt. Das bedeutet, daß bei diesem Preisniveau eine 80 qm große Wohnung rund 200 000 DM kostet. Es braucht wohl nicht weiter ausgeführt zu werden, daß damit für die breiten Schichten der Bevölkerung der Weg zum Eigentum verbaut wird. Bei dieser Preisentwicklung werden das Eigenheim und die Eigentumswohnung zu einem Privileg eines kleinen Kreises von Großverdienern. Darin, daß das nicht Wohnungsbaupolitik sein kann, sind wir uns hier im Hause sicherlich alle einig.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Beunruhigend ist, daß im Augenblick ein Ende dieser Entwicklung nicht abzusehen ist. Im Mai ist die Lohnerhöhung für die Arbeitnehmer des Bauhauptgewerbes in Kraft getreten. In Kreisen der Bauwirtschaft rechnet man damit, daß sich diese Lohnerhöhung in einer 7%igen Preiserhöhung niederschlagen wird. Außerdem ist zu befürchten, daß das Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle höhere Belastungen für die Bauwirtschaft mit sich bringt, als zunächst angenommen wurde. Aber unterstellen Sie mir jetzt nicht, ich würde hier etwas gegen das Lohnfortzahlungsgesetz sagen;

(Zuruf von der SPD: Warum sagen Sie es dann?)

nur ist auch das ein Faktor, der bei der Frage der Baupreise nicht übersehen werden darf, vor allen Dingen dann nicht, wenn man uns langfristige Wohnungsbauprogramme in Aussicht stellt und wenn



Erpenbeck
man sich vor allem um die Baupreise bemühen und kümmern will.

(Abg. Matthöfer: Wann sagen Sie einmal etwas Über die Bodenpreise? Darauf warten wir schon lange! — Abg. Vogel: Das war ein sehr rationales Argument!)

Meine Damen und Herren! Auch die Finanzierungskosten während der Bauzeit haben ein Maß erreicht, das im Wohnungsbau nicht mehr zu verkraften ist. Nach einer Pressemitteilung des Deutschen Mieterbundes betragen die Zinsen für Zwischenkredite zur Zeit 13 %. Dadurch wird. ganz besonders eindeutig die These des Bundeswohnungsbauministers widerlegt, daß die Diskontsatzerhöhung keinen Einfluß auf die Wohnungsbaufinanzierung habe.

(Abg. Vogel: Ein Märchenerzähler ist das!)

Auch dem Minister müßte doch bekannt sein, daß die Zwischenfinanzierungsmittel in der Regel am Geldmarkt aufgenommen werden und daß der Zinssatz am Geldmarkt weitgehend vom Diskontsatz beeinflußt wird.
Dem Versuch, die Auswirkungen der Zinserhöhung und der Baukostensteigerung auf die Mieten zu bagatellisieren, muß mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. Von diesen Auswirkungen wird nicht nur der Neubau, ,sondern auch der bereits vorhandene Wohnungsbestand betroffen. Mit zinsvariablen Sparkassenhypotheken sind 46 % aller öffentlich geförderten Wohnungen finanziert. Wenn der Bundeswohungsbauminister eine wesentlich niedrigere Zahl nennt, so wird damit die tatsächliche Lage verschleiert. Will man den Anteil dieser Wohnungen richtig berechnen, ,so muß man die Sparkassenhypotheken mit den anderen Finanzierungsmitteln, die für die erststellige Beleihung gegeben wurden, vergleichen. Bei dieser Berechnung kommt man auf diese 46%. Ein ganz falsches Bild ergibt sich selbstverständlich, wenn man die Finanzierungssumme der Sparkassenhypotheken zum gesamten Finanzierungsvolumen, also auch zum Finanzierungsvolumen für die nachstelligen Beleihungen, in Vergleich setzt. Die Mieterhöhungen, die sich aus den Erhöhungen des Hypothekenzinses ergeben, schwanken je nach Höhe der Darlehen zwischen 7 und 11 %.
Eine einprozentige Zinserhöhung führt bei einem 50%igen Anteil der variablen Hypothek am Gesamtaufwand zu einer Mieterhöhung von 10,4%, bei einem 40%igen Anteil zu einer Mieterhöhung von 8,3% und bei einem 30%igen Anteil zu einer Mieterhöhung von 6,3 %. Das bedeutet eine Mieterhöhung von 25 bis 50 Pfennig pro Quadratmeter und Monat im sozialen Wohnungsbau. Nach einer Verlautbarung der Industriegewerkschaft Bau, Steine, Erden, muß selbst in den Fällen, in denen die Subventionsmöglichkeiten bis zur Grenze des Möglichen ausgeschöpft worden sind, mit einer Mieterhöhung von mindestens 25 Pfennig je Quadratmeter Wohnfläche gerechnet werden.
Der Herr Wohnungsbauminister hat dem entgegengehalten, daß bei einer späteren Senkung des Diskontsatzes — von der niemand weiß, wann sie
kommen wird — auch die Mieten wieder heruntergehen werden. Das dürfte allerdings ein frommer Wunsch und ein frommer Glaube sein. Aus den Kreisen der Wohnungswirtschaft ist schon heute verlautbart, daß man auch nach einer Senkung der Sparkassenzinsen .die höheren Mieten beibehalten muß, um die gestiegenen Bewirtschaftungskosten, etwa für Müll, Wasser, Kanalisation usw., auszugleichen.
Die Mitteilung aus dem Haus des Ministers vom 20. Mai, daß die durchschnittliche Mietensteigerung im April 0,4 % betragen habe, geht an der Fragestellung vorbei. Auch dem Ministerium müßte doch bekannt sein, daß fast alle Sparkassen die variablen
Zinsen der Althypotheken schon heraufgesetzt
haben, daß aber der Zinstermin erst der 1. Juli ist.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Sehr richtig!)

Dann sollte man uns diese Zahlen nicht zur Beruhigung geben. Sie verschleiern doch einen Tatbestand und machen die Dinge nur noch schlimmer, als sie schon sind.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Der Herr Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen hält nichts, so sagt er, von überstürzter Anpassung an die Situation. Er meint, damit würde das Ziel einer Stabilisierung ohne Stagnation den Vorrang verlieren. Er hat immer noch nicht begriffen, daß wir uns im Wohnungsbau inzwischen, ich sagte es vorher schon, in einer Stagnation ohne Stabilisierung befinden.
Das Wohngeldgesetz soll erst ab 1. Januar 1971 verbessert werden. Wir sind der Meinung, dieser Aufschub ist unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die bei der Wohngeldfestsetzung zu berücksichtigenden Mietobergrenzen stammen aus dem Jahre 1965. Die höchste Miete, die berücksichtigt werden kann, beträgt bei Altbauten 2,80 DM je Quadratmeter Wohnfläche im Monat und bei freifinanzierten und steuerbegünstigten Wohnungen 3,70 DM je Quadratmeter Wohnfläche im Monat. Diese Mietobergrenzen waren schon in den letzten Jahren restlos überholt. Durch das Wohngeldgesetz ist die Bundesregierung ermächtigt, die Obergrenzen durch Rechtsverordnung zu erhöhen. Dabei sollen die Obergrenzen für Altbauwohnungen den Höchstsätzen des sozialen Wohnungsbaues entsprechen. Die Obergrenzen für freifinanzierte und steuerbegünstigte Wohnungen können die Höchstgrenzen um ein Drittel übersteigen. Wenn heute in Hamburg — ich habe soeben die Zahlen genannt — Sozialmieten von 4,50 DM schon nicht mehr eingehalten werden können, ist es nach meiner Auffassung ein eklatanter Gesetzesverstoß der Bundesregierung, wenn sie die Obergrenze für Altbauwohnungen bei 2,80 DM und für freifinanzierte und steuerbegünstigte Wohnungen bei 3,70 DM beläßt, obwohl das Gesetz ihr die Verpflichtung auferlegt und die Möglichkeit gibt, durch Rechtsverordnung nachzuziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Erpenbeck
Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert — ich möchte das ausdrücklich tun unverzüglich eine Rechtsverordnung dieser Art zu erlassen, um durch die Mietpreissteigerungen entstehende soziale Härten auszugleichen. Auch durch die Ankündigung der Änderung des Wohngeldgesetzes vom 1. Januar 1971 wird diese Forderung nicht überflüssig; denn die sozialen Härten, die bis zum Januar des nächsten Jahres durch die derzeitigen antiquierten Obergrenzen entstehen, müssen unverzüglich durch eine Rechtsverordnung beseitigt werden. Hier muß sich die Regierung den Vorwurf der nicht zu verantwortenden Verschleppung und auch Verzögerung der von der CDU/CSU bereits im Herbst — im Oktober die eine, im Dezember die andere — eingebrachten Gesetzesinitiativen zum Wohngeldgesetz und zum Zweiten Wohnungsbaugesetz gefallen lassen.
In der Antwort auf unsere Fragen nach den Konsequenzen verweist die Bundesregierung auf die Möglichkeiten der Anpassung an die wirtschaftliche Situation. Dann ist es unerfindlich, daß sie trotzdem nichts tut, um diese Anpassungsmöglichkeiten in den bisher vorliegenden und bestehenden Gesetzen auszunutzen. Hat sie denn immer noch nicht begriffen, daß Millionen von Mietern die volle Last der Auswirkungen wirtschaftspolitischer Fehlentwicklungen zu tragen haben? Begreift sie denn nicht, daß aus dem Kreis der Berechtigten nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz immer mehr Menschen hinauswachsen, die dringend der Förderung durch den sozialen Wohnungsbau bedürfen? Begreift sie denn nicht, daß sich das Problem der Fehlbelegung der Sozialwohnungen immer mehr ausweitet und verschärft, statt daß man einen Anfang des Abbaues erkennen könnte? Begreift sie denn nicht, daß praktisch der 'soziale Wohnungsbau am Ende ist? Er ist nicht einmal eines sanften Todes entschlafen, sondern regelrecht abgewürgt worden. Begreift die Bundesregierung denn nicht, daß derjenige, der sich Anwalt der Mieter, Anwalt des kleinen Mannes, Anwalt einer vernünftigen Eigentumsbildung bei Haus- und Grundeigentum nennt, auch für die einkommensschwachen Bevölkerungskreise Anwalt sein will, in diesem Sinne nicht untätig sein darf, daß er vor allem den wahren Sachverhalt nicht verschleiern darf?

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wie klingt es denn, wenn man ausgerechnet dem Wohnungsbauminister einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung sagen muß, daß unter seiner Amtsführung der soziale Wohnungsbau zum Erliegen kam? Die Antwort ,der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage ist nicht nur unbefriedigend, sie ist geradezu kläglich und angesichts der offensichtlichen Situation eine Zumutung.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Wir fordern:
Erstens sofortige Nutzung der gesetzlichen Möglichkeiten des Wohngeldgesetzes und der von der Regierung in der Antwort erwähnten Anpassungsmöglichkeiten des Zweiten Wohnungsbaugesetzes;
zweitens die vordringliche Behandlung der von der CDU/CSU eingebrachten Gesetzesinitiativen zum gleichen Gegenstand;
drittens eine gemeinsame Aktion des Bundes und der Länder hinsichtlich neuer, der wirtschaftlichen Situation angepaßter Förderungssätze und Förderungsbestimmungen für den sozialen Wohnungsbau;
viertens eine konzertierte Aktion mit dem Ziel einer Begrenzung der Gebührenmehrbelastungen im Hinblick auf die Mieten;
fünftens entscheidende Maßnahmen zur Stabilisierung der Konjunktur; denn dies ist eindeutig — darüber kann auch die Antwort dieser Bundesregierung nicht hinwegtäuschen —: Mieten und Baupreise stehen immer mit den Bau-, Kapital- und Bewirtschaftungskosten im Zusammenhang; es ist geradezu lächerlich, diesen Zusammenhang zu vertuschen oder ihn herunterzuspielen;
sechstens Intensivierung der Bemühungen, durch Rationalisierung und Industrialisierung des Bauens auch im Wohnungsbau zu einer günstigeren Baupreissituation zu kommen.
Meine Damen und Herren, das alles hätte uns die Regierung sagen müssen und noch einiges mehr. Aber es zeigt sich hier deutlich, daß die CDU/CSU — wie in den vergangenen 20 Jahren — auch heute die Initiative in .der Wohnungsbaupolitik behalten muß; denn diese Regierung hat sich in dieser Hinsicht als unfähig erwiesen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605214700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Meermann.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0605214800
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Gedächtnis nimmt ab, wenn man es nicht übt, meine Damen und Herren von der Opposition und insbesondere Herr Erpenbeck. Es ist schade, wenn Sie wertvolle Erfahrungen, die Sie eigentlich sorgsam hätten sammeln sollen, in Ihr Unterbewußtsein verdrängen. Aber ich helfe Ihnen gern, sie wieder ein bißchen hochzunehmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hochzunehmen!)

— Na, heraufzuholen, wollen wir einmal sagen. Hochnehmen können wir später immer noch. — Um Verdrängungen zu vermeiden, möchte 'ich Ihnen zwei Fragen und zwei Antworten vorlesen.
Frage:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Maßnahmen zu ergreifen, um den Auswirkungen der Zinserhöhungen für erste Hypotheken, Zwischenfinanzierungsmittel für den Wohnungsbau und Grundstücksankaufskredite auf 8 bis.12 % zu begegnen, soweit derartige Mittel überhaupt noch zur Verfügung stehen?
Antwort:
Die Bundesregierung ist sich der Auswirkungen
bewußt, die sich aus der gegenwärtigen Kapitalmarktsituation für die Wohnungsbaufinanzie-



Frau Meermann
rung im weitesten Sinne nicht nur bei der Beschaffung der Finanzierungsmittel, sondern auch
im Hinblick auf ihre Bedingungen ergeben. . . .
Und dann heißt es:
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die derzeitige Verknappung der Kapitalmarktmittel ebenso wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch auf dem Wohnungsbausektor zu einer Abschwächung der Investitionstätigkeit führen kann. Abgesehen davon, daß eine solche Entwicklung im Interesse der Stabilität hingenommen werden muß, ist sie der Ansicht, daß Maßnahmen, die ... darauf abzielen sollen, den Auswirkungen der Zinserhöhungen zu begegnen, nicht geeignet wären, derartige Abschwächungstendenzen zu verhindern.
Die zweite Frage bezog sich darauf, ob eine Kürzung des Wohngeldgesetzes beabsichtigt sei, und die Antwort war:
Es ist in Erwägung gezogen, die bisherigen Tragbarkeitssätze des § 10, die sich an der Einkommensgrenze und der Familiengröße orientieren, unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse anzuheben.

(Abg. Mick: Sie haben die Präsidentin nicht gefragt, ob Sie ablesen dürfen!)

— Ach! — Frau Präsidentin, gestatten Sie es noch nachträglich?

(Abg. Wehner: Das ist ein Kavalier, ist bekannt! — Zuruf von der SPD: Nicht die Art des feinen Mannes! — Abg. Wehner: Ist auch keiner!)

Das, meine Damen und Herren, waren Fragen aus den Kleinen Anfragen des Kollegen Werner Jacobi vom September 1966. Wir haben in einer bedrückenden Situation nicht so viel Wind gemacht. Da Herr Erpenbeck auf die Zusammenhänge zwischen Wohnungspolitik und Wirtschaftspolitik hingewiesen hat, möchte ich daran erinnern, daß damals Herr Schmücker Wirtschaftsminister und Herr Erhard Bundeskanzler war. Ich möchte die bei der Gelegenheit auch mal wieder hervorholen.
Ich resümiere: Mitten in der Rezession, Herr Erpenbeck,

(Abg. Erpenbeck: Wurde weitergebaut!)

war Ihre Partei der Auffassung, daß auch noch eine Abschwächung der Investitionstätigkeit auf dem Wohnungsbausektor hingenommen werden müsse. Mitten in der Rezession waren Sie der Auffassung, daß das Wohngeld gekürzt werden könnte, in einer Zeit, in der die Arbeitnehmereinkommen nahezu stagnierten und die Preise stiegen. Frühjahr 1966: 4,5 % Preissteigerungen.

(Abg. Erpenbeck: Da empfehle ich Ihnen, Frau Meermann, einmal in den Protokollen unseres Ausschusses nachzulesen, was wir dazu gesagt haben!)

— Ich darf noch einmal eine offizielle Drucksache mit der Antwort Ihrer damaligen Bundesregierung zitieren. Das ist doch gestattet.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Sie haben folgerichtig im Hinblick auf das, was Sie hier gesagt haben, den Bundesanteil am allgemeinen sozialen Wohnungsbau damals auf lächerliche 3,7% zusammenschrumpfen lassen. So war das 1966.

(Beifall bei der SPD.)

Auf diesem Hintergrund kommt mir Ihr heutiges. Verhalten — entschuldigen Sie — merkwürdig vor. Denn wenn nicht wir Sozialdemokraten und wenn nicht insbesondere die Minister Schiller und Lauritzen die Idee in die Große Koalition eingebracht hätten, daß in einer Zeit der Rezession die öffentliche Bautätigkeit und insbesondere der öffentlich geförderte Wohnungsbau nicht gedrosselt, sondern angeregt werden müsse, könnten Sie heute gar keine Große Anfrage mehr stellen. Was die Darlehen und Zinsmaßnahmen des Bundes anbelangt, so wäre der soziale Wohnungsbau heute tot.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Lücke [Bensberg] : Gnädige Frau, haben Sie das schriftlich, daß das nur Herr Schiller und Herr Lauritzen gemacht haben? — Abg. Windelen: Der Finanzminister war dabei nicht beteiligt?)

— Ich kann nur sagen, daß Ihnen das vor der Bildung der Großen Koalition nicht eingefallen ist; sonst hätten Sie es wahrscheinlich gesagt.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn Ihnen nachher gute Ideen gekommen sind, um so besser!
Herr Erpenbeck sprach hier von Vergangenheitsbewältigung. Es geht nicht um Vergangenheitsbewältigung. Es geht einfach darum, daß die Stühle einmal geradegerückt werden. Außerdem ist hier nicht unsere Vergangenheit, sondern Ihre Vergangenheit angesprochen, und als diese Gegenwart war, sind Sie nicht damit fertiggeworden.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Erpenbeck: Mit dieser Vergangenheit können wir uns sehen lassen!)

Meinen Sie, meine Herren — Damen sehe ich heute in Ihren Reihen nicht —, daß es uns Vergnügen macht, wenn wir uns ständig mit Korrekturen Ihrer Wohnungsbaupolitik befassen müssen? Es begann mit den Konjunkturspritzen, Herr Erpenbeck, die den sterbenden sozialen Wohnungsbau immerhin so belebten, daß in den Jahren 1967 und 1968 im ersten und zweiten Programm wieder rund 200 000 Wohnungen gefördert werden konnten. Von den Instandsetzungs- und Modernisierungshilfen für den Altwohnungsbau will ich hier gar nicht sprechen. Es ging weiter, Herr Lücke, mit einer Änderung Ihrer Unsozialklausel in eine gesetzliche Regelung, auf Grund deren der Mieter wenigstens die Chance hat, daß auch seine Beweggründe vom Richter berücksichtigt werden. Erst vor einem Monat hat dieses Hohe Haus beschlossen, der ganz besonderen Notsituation der Mieter in Hamburg und München durch eine Verlängerung der Mietpreisbindung für Altbaumieten Rechnung zu tragen. Schließlich hat der Bundesjustizminister für München auch eine Verlängerung der Räumungsfristen anordnen müssen.



Frau Meermann
Heute, Herr Erpenbeck, beklagen Sie das Los der Mieter und der Wohnungsuchenden. Das Los der Mieter und der Wohnungsuchenden hat Ihre Partei in einer Zeit, in der der Wohnungsbedarf größer war als heute, sehr wenig gekümmert.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Erpenbeck: Was sagen Sie denn zu den 10 Millionen neuen Wohnungen?)

Damals haben Sie, gestützt auf eine Statistik, von der jeder genau wußte, daß sie nicht stimmen konnte, und gegen den Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion beschlossen, bei ungesättigtem Wohnungsbedarf Wohnungsmarkt zu spielen.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Was Sie den Mietern und den Wohnungsuchenden damals zugemutet haben und wie gigantisch Ihre Fehleinschätzung war, dürfte in den letzten Wochen auch dem ahnungslosesten Anhänger Ihres damaligen Planes klargeworden sein.

(Abg. Erpenbeck: Kommen die Zahlen nicht vom gleichen statistischen Amt?)

— Wir haben inzwischen den Bedarf feststellen lassen. Sie haben sich dagegen auf die Fortschreibung gestützt, von der jeder wußte, daß Sie nicht stimmen konnte.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Gnädige Frau, Sie wissen doch viel zu gut, daß die statistischen Ämter der Läner die Unterlagen zusammengestellt haben und daß ich die Korrektur für 1968 verlangt habe! Sie sollten doch bei der Wahrheit bleiben! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Aber falsche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen! — Abg. Lücke [Bensberg] : Wohnungen baut man mit Geld und nicht mit Statistiken! — Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Oder mit der Freigabe der Mieten!?)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605214900
Meine Herren, Frau Meermann hat das Wort. Sie können sich zu einer Zwischenfrage zu Wort melden.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0605215000
Meine Herren von der Opposition, die Wohnungszählung vom Oktober 1968 hat u. a. ergeben — das kann nicht geleugnet werden —, daß 50 Großstädte im Herbst 1968 einen Wohnungsfehlbestand von 3% und darüber, teilweise weit darüber, hatten. Jetzt zeigt sich, daß viele dieser Großstädte eigentlich auch heute noch schwarzer Kreis sein müßten. Da Sie von der Vergangenheit sprachen, Herr Erpenbeck, sage ich noch einmal: Das ist Ihre Vergangenheit; unsere Gegenwart ist, daß wir damit fertigwerden müssen.

(Beifall bei der SPD.)

Sie beklagten die Baupreissteigerungen und führten in Ihrer Rede einige Städte an, in denen diese Baupreissteigerungen ganz besonders hoch sind. Sehen Sie sich einmal diese Städte an! Dort, wo die Baupreissteigerungen ganz besonders eklatant sind, sind nämlich auch die Wohnungsfehlbestände besonders hoch. Generell gesehen stimmt es sicherlich,
daß der Wohnungsbau an der überhitzten Konjunktur nicht schuld ist. Die hohen Zuwachsraten liegen beim gewerblichen Bau. Aber der Wohnungsbau ist von den Konjunkturauswirkungen mitbetroffen, und diese zeigen sich besonders dort, wo der Bedarf auf die Preise drückt.
Ich denke nicht daran, die Baupreiserhöhungen herunterzuspielen. Sie machen uns Sorgen, und wir gehen dagegen an. Aber es ist einfach unseriös, wenn Sie als einziges Beispiel für hohe Baupreise den Extremfall von Eigentumswohnungen mit 2500 DM je Quadratmeter Wohnfläche nennen. In welchen Gebieten stehen denn solche Wohnungen,

(Sehr wahr! bei der SPD)

und was haben die Grundstücke gekostet, auf denen sie stehen? Das sind Gebiete, in denen die Bodenpreise so hoch sind, daß sie weder jetzt noch vor fünf oder zehn Jahren für den sozialen Wohnungsbau in Frage gekommen wären.

(Abg. Erpenbeck: Auch der Durchschnitt von 15 und 20% ist hoch genug!)

— Herr Erpenbeck, ich zeige Ihnen gern in Bad Godesberg in allerbester Lage frei finanzierte Eigentumswohnungen, die in den nächsten Monaten, fertigwerden, gut gebaute Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis zwischen 1200 und 1500 DM, Notariatsgebühren und alles, was dazugehört, eingeschlossen. Selbstverständlich ist auch das noch viel zu teuer für die breiten Schichten der Bevölkerung. Aber was bezwecken Sie damit, wenn Sie hier so tun, als ob ein doppelt so hoher Preis schon fast das Übliche wäre?

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Man kann auch Baupreise und Mieten hochreden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Mit ähnlichen Argumenten ziehen jetzt auch Ihre Wahlkampfredner durch die Lande. Es ist bestimmt kein Zufall, wenn sich gerade in denjenigen Ländern, die jetzt im Wahlkampf stehen, die Beschwerden über Mieterhöhungen mehren, die mit Hypothekenzinserhöhungen überhaupt nichts oder nur sehr wenig zu tun haben. Das, was ich gerade gesagt habe, zielt nicht gegen die korrekten Hausbesitzer und Wohnungsbaugesellschaften — das ist die übergroße Mehrheit —; es zielt gegen einige wenige. Es zielt vor allem gegen Ihre Politik, die es darauf anlegt, die Menschen unsicher zu machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dahin paßt, wenn Sie in Ihrer Rede zur Beurteilung der Wohnungspolitik des Herrn Bundeswohnungsbauministers ein Zitat anführen, aber verschweigen, wer das gesagt hat. Es war nämlich Herr Preusker. Ich habe mich etwas gewundert, als ich diese Äußerung des Vorsitzenden des Zentralverbandes der Deutschen Haus- und Grundeigentümer las. Denn er müßte eigentlich wissen, daß kein Wohnungsbauminister vor Herrn Lauritzen so viel für die Instandsetzung und Modernisierung des Althausbesitzes getan hat. Aber Herr Preusker hat vielleicht über seine Sorgen mit IOS — was weiß ich, was er sonst noch für Sorgen hat — nicht mehr



Frau Meermann
daran gedacht. Es ist Ihre Sache, wen Sie zitieren. Jedenfalls finde ich es merkwürdig, wenn Sie hier für eine Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus plädieren und sich gleichzeitig auf einen Mann berufen, der es sich 1957, zu der Zeit, als er Wohnungsbauminister war, erklärtermaßen zum Ziel gesetzt hat, das Wohnungsbauministerium und damit doch wohl auch den sozialen Wohnungsbau überflüssig zu machen.

(Abg. Wehner: Hört! Hört!)

Ich weiß wirklich nicht recht, worauf Sie mit Ihrer Rede hinauswollten. Auf der einen Seite sagen Sie: Die Baupreise sind zu hoch; 'die Konjunktur muß stabilisiert werden. Auf der anderen Seite wollen Sie aber jetzt, wo die Baupreise hoch sind, alles tun, um eine Stabilisierung zu verhindern, indem Sie in diesem Augenblick auch noch zusätzliche öffentliche Mittel in den Wohnungsbau hineinpumpen wollen: durch mehr Wohngeld und mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Wie wollen Sie dann dazu noch eine stärkere Rationalisierung erreichen, wo in der momentanen Konjunkturlage die Rationalisierungsanstrengungen ohnedies nicht bedeutend sind.
Es muß auch auffallen, daß Sie sich in Ihrer Gro-Ben Anfrage nur nach den Auswirkungen der Kapitalmarktkosten auf die Baupreise und Mieten erkundigen. Sie fragen nicht nach Preiserhöhungen, die mit Kapitalmarktkosten überhaupt nichts zu tun haben. Die nehmen Sie offenbar als gottgegeben hin,

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

so z. B. Steigerungen, die mit Preiserwartungen in der Hochkonjunktur zusammenhängen, und auch einige andere, die den Wohnungsbau verteuern, z. B. die ständig steigenden Bodenpreise, deren Anteil an den Kosten des sozialen Wohnungsbaus zunimmt. Da Ihnen die Eigentumsmaßnahmen so sehr am Herzen liegen, muß doch auch gesagt werden, daß oft genug die davongaloppierenden Bodenpreise es verhindern, daß Wohnungen für breite Bevölkerungsschichten gebaut werden können.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Sie haben eine Gesetzgebung zu verantworten, die Spekulantentum begünstigt und die oft genug verhindert, daß Bürger mit kleinen Einkommen Eigentum bilden können.

(Beifall bei der SPD.)

Sie haben es auch zu verantworten, daß wir uns immer noch mit einem Gesetzentwurf befassen müssen, der als ersten Schritt wenigstens in den Sanierungs- und Entwicklungsgebieten ein weiteres Ausufern der Bodenpreise verhindert und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums den ihr im Grundgesetz zugewiesenen Rang gibt. Hier- ist es 5 Minuten vor 12.
Die Bauwirtschaft selbst macht für einen Teil der Schwierigkeiten, die zu Preiserhöhungen geführt haben, ganz eindeutig die von Ihnen herbeigeführte Rezession verantwortlich. In der Tat begann damals, als sich die Bauarbeiter auf ihren Arbeitsplätzen nicht mehr sicher fühlten, das große Abwandern.
Ich möchte wissen, zu welchen Folgen das ohne die Konjunkturprogramme geführt hätte, von denen ich vorhin gesprochen habe.
Andere Schwierigkeiten, die zu hohen Preisen führen, sind rein struktureller Art. Auf der einen Seite sind die Baukapazitäten in einem Maße angespannt, daß vielerorts auch für den Wohnungsbau nur mit Mühe Angebote von den Baufirmen zu bekommen sind. Auf der anderen Seite sind längst nicht alle Möglichkeiten kostensparenden und rationellen Bauens ausgenutzt. Jetzt, wo Sie in der Opposition sind, fordern Sie als Punkt 5 oder 6 Ihrer Rede eine Intensivierung der Bemühungen um Rationalisierung und Industrialisierung. Ihre eigenen Wohnungsbauminister haben nicht begriffen, daß für eine gezielte Produktivitätssteigerung wissenschaftliche Forschung und Grundlagenarbeit nötig sind.

(Abg. Erpenbeck: Aber 10 Millionen Wohnungen können Sie hier nicht wegdiskutieren, Frau Meermann!)

— Wir reden jetzt von der Rationalisierung. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, daß die 10 Millionen Wohnungen alle nach rationellen Gesichtspunkten gebaut worden sind!

(Abg. Erpenbeck: Das behaupte ich gar nicht! Nur können Sie sie nicht wegdiskutieren!)

Wenn das stimmte, brauchten Sie diese Forderung nicht zu stellen. Ganze 500 000 DM Jahresetat für Forschungszwecke hat Wohnungsbauminister Lauritzen 1966 vorgefunden. Er war der erste Wohnungsbauminister, der sich für diese Aufgabe interessierte. Er hat eine verstärkte Förderung durch den Bund durchgesetzt. In diesem Jahr sind es 5 Millionen DM, und es werden im nächsten Jahr über 7 Millionen DM sein. Auf die Dauer gesehen wird sich das auszahlen.
Für uns Sozialdemokraten ist Wohnungsbau in erster Linie eine gesellschaftspolitische Aufgabe auf lange Sicht. Wir betrachten ihn nicht als Instrument der Konjunkturpolitik. Aus dieser Grundeinstellung heraus hat die Bundesregierung auch nur unwesentliche Konjunktursperren im Haushalt des Bundeswohnungsbauministers vorgesehen. Aber wir wissen auch, daß mit einem sozialen Wohnungsbau ohne jeden Preis und ohne Rücksicht auf jeden Preis dem Bürger mit kleinem und mittlerem Einkommen am wenigsten gedient ist. Deshalb können wir den Wohnungsbau aus den konjunkturpolitischen Maßnahmen von Bundesregierung und Bundesbank nicht herausnehmen. Das heißt, wir müssen in dieser Situation zur richtigen Zeit bremsen und zur richtigen Zeit fördern.
Die Bundesregierung und dieser Bundestag können das nicht allein. Wir bedürfen dazu der Mitwirkung der Länder und der Gemeinden. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion möchte daher den Ländern ausdrücklich ihre Anerkennung aussprechen, daß sie bereits Wege zu konjunkturellem Verhalten gefunden haben, also durch eine vorübergehende Verzögerung in der Abwicklung ihres Pro-



Frau Meermann
gramms den Preisauftriebstendenzen entgegenwirken und trotzdem im späteren Ablauf die Durchführung des Programms durchsetzen. Die Länder machen das auf sehr verschiedene, aber jeweils konsequente Weise. In keinem einzigen Land ist der soziale Wohnungsbau wirklich gefährdet, auch nicht in Nordrhein-Westfalen, auch nicht in Hamburg. Sie haben zwar in Ihrer Rede die halben Wahrheiten gesagt, Herr Erpenbeck, aber nicht . die ganzen Wahrheiten. Sie wissen, daß sich eine halbe Wahrheit oft wie eine ganze Nichtwahrheit auswirkt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD. — Abg. Erpenbeck: Sagen Sie doch jetzt die ganze Wahrheit!)

— Das mache ich gerne, nur möchte ich meine Redezeit nicht überschreiten. Das wird gleich Herr Henke beantworten. Jawohl, wir haben ein bißchen Arbeitsteilung; die haben Sie ja wohl auch. Herr Henke spricht speziell zu den Fragen Hamburg und Nordrhein-Westfalen,
Hinzu kommt, daß der Auftragsbestand der Wohnungsbauunternehmen zur Zeit für fast vier Monate reicht. Dadurch und durch den dosierten Einsatz der öffentlichen Mittel wird sich das viel beschworene Bauloch im Herbst dieses Jahres vermeiden lassen. Im übrigen hat auch der letzte Ifo-Test ergeben, daß die Bauwirtschaft selbst, die ja wohl nicht in Verdacht steht, ihre eigene Situation rosig zu sehen — diesem Verdacht begegnet sie ja wirksam durch andere Veröffentlichungen —, für 1970 das gleiche Wohnungsbauvolumen erwartet wie für 1969.
Es ist also folgerichtig, daß die Bundesregierung jetzt in dieser Situation, wo in der Tat verzögert werden muß, gleichzeitig die Maßnahmen und Gesetzesvorlagen beschlossen hat, die nach Ablauf der Verzögerungsperiode wirksam werden können und die den Mietern und Hausbesitzern, den Wohnungsgesellschaften und der Bauwirtschaft zeigen, wohin der Weg geht. Das ist erstens der Entwurf eines neuen Wohngeldgesetzes, das in seiner Anpassung an die veränderten Einkommen, Mieten und Lasten dem einzelnen mehr Hilfe gewährt, das darüber hinaus aber auch als Finanzierungsinstrument für den sozialen Wohnungsbau im nächsten .Jahr verstärkt wirksam werden kann, und das ist zum zweiten das langfristige Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung, das für die nächsten fünf Jahre den vermehrten Bau von guten Wohnungen zu vernünftigen Preisen für breite Schichten unserer Bevölkerung vorsieht.
Das ist unsere Antwort auf Ihre Große Anfrage. Wenn ich auf die letzten Sätze Ihrer Rede antworten darf, Herr Erpenbeck: Wir Sozialdemokraten lassen uns in der Sorge um die Wohnung der Menschen von niemandem übertreffen! Ich muß Ihnen jede Hoffnung nehmen, daß sich das je ändern wird.

(Beifall bei der SPD.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605215100
Das Wort hat der Abgeordnete Jung.

Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0605215200
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Erpenbeck
hat zu Beginn seiner Rede eine achtwöchige Geschichte dieser Vorlage

(Abg. Erpenbeck: Neun!)

— gut, Herr Kollege Erpenbeck, dann neunwöchige Geschichte — hier skizziert und am Schluß beklagt, daß diese Regierungskoalition es verhindert habe, daß die Debatte schon vor drei oder vier Wochen in diesem Hause habe geführt werden können. Herr Kollege Erpenbeck, diese Art ist typisch für die derzeitige Opposition. Sie sollten sich bei Ihren . Kollegen, die im Ältestenrat mit daran gearbeitet und mitgestimmt haben, daß diese Debatte erst heute stattfinden kann, erkundigen, bevor Sie solche Behauptungen in diesem Hause aufstellen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Erpenbeck: Lesen Sie doch das Protokoll! Sie müssen zuhören!)

Herr Kollege Erpenbeck, es ist überhaupt typisch, wie diese Debatten geführt werden, nämlich so, daß so nach dem Motto „Haltet den Dieb" hier eine gewisse Art von Volksverdummung betrieben wird. Denn diese Bundesregierung, Herr Erpenbeck, ist nicht verantwortlich für die jetzige Preissituation auf dem Wohnungsmarkt, sondern das ist die Schuld einer illusionären Vorstellung eines CDU-Kanzlers und eines CSU-Finanzministers.

(Abg. Erpenbeck: Ach du lieber Gott!) — Ja, das ist doch ganz klar.


(Abg. Erpenbeck: Für Sie!)

Nach der viel zu spät erfolgten Aufwertung wurde die Erhöhung des Diskontsatzes notwendig.

(Abg. Erpenbeck: Da haben wir es mal wieder! Das Neueste, was wir hören!)

— Da Sie heute früh offensichtlich nicht da waren, werde ich das noch einmal wiederholen

(Abg. Erpenbeck: Wir waren wohl da!)

und ihnen ins Gedächtnis zurückrufen, daß der Diskontsatz am 10. Juni 1969 von 4 auf 5% und am 11. September von 5 auf 6 % erhöht wurde, also zu einer Zeit, als diese Regierung — —

(Abg. Erpenbeck: Und vom 6. März?)

— Ja, auch ein weiteres Prozent. Aber Sie werden doch zugeben,

(Abg. Erpenbeck: Ich glaube, es waren anderthalb! Sie unterschlagen schon wieder ein halbes Prozent!)

daß sich diese Erhöhung im letzten Halbjahr 1969 auf die Baupreise auswirken mußte. Das ist letzten Endes zusammen mit anderen Faktoren die Ursache für die Mietpreiserhöhung, die wir heute zu beklagen haben. Zu diesen Faktoren zählt selbstverständlich die Lohn- und Preiserhöhung des Bau- und Ausbaugewerbes, dazu zählen die Erhöhungen der kommunalen Abgaben, die Erhöhungen der Reparaturkosten, der Wegfall der Grundsteuervergünstigungen und last not least natürlich die Bodenpreiserhöhungen. Wir kennen ja alle das Preisspiel, daß eine 8%ige Baupreissteigerung einer Hypothekenzinserhöhung von 1 % entspricht und damit einer



Jung
Erhöhung der Kostenmiete um etwa 6,7% verursacht. Ich möchte aber hier der Frau Kollegin Meermann darin zustimmen, daß man nicht anhand falsch gewählter Beispiele die Preise hochreden sollte, und das haben Sie hier in der Tat an einem Beispiel versucht. Es gibt draußen eine ganze Reihe von Wohnungen, die außerordentlich preisgünstig sind.
Frau Kollegin Meermann, in diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen noch sagen, daß es nicht nur unkorrekte und korrekte Hausbesitzer gibt, sondern daß man — das wissen Sie sehr genau — auch auf der Mieterseite zu unterscheiden hat, und ich wünschte nicht, daß zu Lasten der korrekten Hausbesitzer und der korrekten Mieter die Unkorrekten in irgendeiner Form mit bevorzugt werden. Ich sage das, weil Sie vorhin — da wurde es einem ja ein bißchen warm ums Herz — meinten, daß der sozialdemokratische Wohnungsbauminister und der sozialdemokratische Justizminister für eine Verbesserung der Sozialklausel und des Kündigungsschutzes gesorgt hätten.
Ich meine, daß die Erhöhungen, die beim Baugewerbe jetzt 10,2 % betragen, voraussichtlich eine weitere Preissteigerung um 6 % bringen werden; aber dafür ausschließlich die jetzige Regierungskoalition verantwortlich zu machen, ist geradezu absurd. Hier zu behaupten, das sei jetzt und im Augenblick erst entstanden, ist abwegig; das kann doch einfach nicht wahr sein, Herr Kollege Erpenbeck. Sie wissen doch genau, daß der Bauprozeß von der Planung über die Ausschreibung und Bauausführung bis hin zur Bezugsfertigstellung zwei bis drei Jahre dauert. Schon allein daraus können Sie ablesen, daß die Ursachen einer solchen Entwicklung ganz einfach zwei bis drei Jahre zurückliegen müssen und demnach in die Verantwortung eines CDU-Kanzlers fallen, einer Koalition, die nicht die heutige ist. Das muß doch endlich einmal klargestellt werden.
Worauf ist denn die Baupreisentwicklung auch zurückzuführen? Denken Sie doch daran, daß allein im zweiten Quartal 1969 die Stahlpreise um das Dreifache gestiegen sind! Das sind doch die Ursachen der heutigen Baupreise und damit zwangsläufig auch der Mietpreise. Die Kostenmieten errechnen sich eben aus den Aufwendungen, die gemacht werden mußten. Sehen wir uns einmal die Baupreisentwicklung insgesamt an! In der Zeit der Rezession war sie zwar fallend; vom Februar 1968 bis Februar 1969 ist eine Steigerung um 2,3 % zu verzeichnen. In der Zeit von Dezember 1968 bis Dezember 1969 sind die Baupreise sogar um 8,8 % gestiegen. Sie werden aber wohl nicht sagen wollen, daß diese Erhöhung um 8,8 % plötzlich im letzten Monat, also nach der Regierungsneubildung am 28. Oktober 1969, eingetreten sei. Hier wird deutlich, daß die letzte Regierungskoalition dafür die Verantwortung trägt.
Ich möchte auf folgendes hinweisen: Architekten sind bekanntlich Seismographen; denn dort zeichnet sich die Entwicklung im Bausektor sehr viel früher ab als beispielsweise in der Bauwirtschaft oder bei den an der Baupolitik Interessierten. Ich kann Ihnen
aus eigener Erfahrung sagen — Sie wissen ja, daß ich Architekt bin —, daß das Planungsvolumen — sicherlich auch auf Grund der preislichen Entwicklung — rückläufig ist. Wir haben im Augenblick einen hohen Beschäftigungsstand allein deswegen, weil wir einen sehr, sehr langen Winter hatten und dadurch natürlich ein großer Überhang im Bauwesen auftrat, der aber im Laufe der nächsten zwei, drei oder vier Monate abgebaut werden wird. Dann werden Arbeitskräfte frei.
Ich meine, wir sollten die Entwicklung sehr sorgsam beobachten, damit nicht noch einmal dasselbe passiert, was in der Rezession passierte, nämlich daß Arbeitskräfte der Bauwirtschaft ein für allemal verlorengehen, was zwangsläufig zur Folge hat, daß nachher neue Kräfte gesucht werden müssen und dadurch unweigerlich Kostenerhöhungen eintreten. Wir haben also im Interesse einer Normalisierung der Preise für eine kontinuierliche Beschäftigung in der Bauwirtschaft zu sorgen.
Die FDP fordert deswegen — wenn ich das recht verfolgt habe, wollen Sie das auch — die Verstärkung der Forschungsmittel und damit die Verstärkung des Angebots und der Leistungssteigerung. Aber nicht nur die Verstärkung der Forschungsmittel ist notwendig, sondern auch die Auswertung der Forschungsergebnisse. Es ist ferner erforderlich, die Forschungsergebnisse dorthin zu bringen, wo sie dann zugunsten einer Kostenreduzierung und einer Rationalisierung eingesetzt werden können. Dieses Hinbringen der Forschungsergebnisse ist — damit wende ich mich an Sie, Herr Minister — bisher nicht in ausreichendem Maße geschehen. Sie sollten künftig die Information über die Auswirkungen der Forschung verstärken, damit es zu einer echten Preissenkung, zumindest aber zu einer größeren Rationalisierung im Bauwesen kommen kann.
Die Regierung möchte, wie Frau Meermann vorhin erklärte, den Wohnungsbau nicht als Instrument der Konjunktursteuerung benutzen. Dennoch kann die konjunkturelle Situation nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Bundesregierung wird den Wohnungsbau kontinuierlich weiterführen müssen. Dazu sind zwei Wege aufgezeigt: die Förderungsbeträge des Bundes und der Länder werden nicht erhöht, und die Mehrkosten werden durch entsprechende Mieterhöhungen ausgeglichen — so war es bisher —, oder aber die Förderungsbeträge je Wohnung werden erhöht. Das geht natürlich zu Lasten der Zahl der neu zu fördernden Wohnungen. Eine sofortige Erhöhung der Förderungssätze würde sicher kreditpolitische Maßnahmen der Bundesbank zunichte machen. Im übrigen wäre eine solche Maßnahme auch nur in Absprache mit den Ländern möglich, weil diese entsprechend daran beteiligt wären. Das neue Wohngeldgesetz mit Wirkung ab 1971 ist angekündigt; es trägt neuen Mietbelastungen Rechnung und gleicht Härten aus.
Ich hoffe, daß wir gemeinsam — ich meine, Wohnungsbaupolitik eignet sich nicht so sehr zur parteipolitischen Auseinandersetzung — daran mitwirken, eine Koordination der beiden aufgezeigten



Jung
Wege zustande zu bringen. Und ich hoffe ferner, daß wir gemeinsam konstruktiv an der Überwindung der Misere mitwirken, die — das möchte ich hier noch einmal sagen — diese Regierungskoalition sicher nicht verschuldet hat, die sie aber bereit ist zu beseitigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605215300
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mick.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605215400
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestehe Ihnen gern, daß wir nicht erst seit der Regierung Brandt und der Amtszeit des Wohnungsbauministers Lauritzen Schwierigkeiten im sozialen Wohnungsbau haben. Der Unterschied zwischen heute und früher scheint mir allerdings der zu sein, daß wir den Schwierigkeiten früher mit aller Energie entgegengetreten sind und sie auch gemeistert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Widerspruch bei der SPD.)

— Meine verehrten Damen und Herren, wollen Sie etwa bestreiten, daß in einem ,der Jahre unter der Ara Lücke weniger als 500 000 Wohnungen gebaut worden sind?

(Zuguf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen].)

Meist lag das Volumen näher an der 600 000er- als
an der 500 000er-Grenze. In dieser Zahl stellte .der
soziale Wohnungsbau immer den Löwenanteil, und vom sozialen Wohnungsbau machten wiederum die Eigentumsmaßnahmen den Löwenanteil aus.
Ich erinnere mich mit großer Genugtuung — warum soll ich das verschweigen —, daß wir in der Fraktion der CDU/CSU sehr lebhafte Debatten darüber geführt haben, ob und wie der soziale Wohnungsbau fortgesetzt werden soll, weil es überschäumende Konjunkturen auch in früherer Zeit gab. Ich erinnere mich gern daran, daß verhindert wurde, den sozialen Wohnungsbau, so wie es jetzt ist, zum Prügelknaben der Konjunktur zu machen,

(Sehr richtig! in der Mitte)

weil Wohnungsnot und ihre Beseitigung für uns

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer [Tübingen])

— für uns, Herr Schäfer — einen so hohen Stellenwert hatten, daß wir uns keine Manipulation mit. dem Gut Wohnung erlaubt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich gestehe gern, daß wir uns mit ,der Arbeitsgruppe Wohnungsbau in unserer Fraktion gegen manchen unserer Wirtschaftsfachleute und nicht zuletzt auch gegen den damaligen Bundesbankpräsidenten Blessing durchgesetzt haben; er wollte schon damals durch Verringerung der öffentlichen Mittel den schwächsten Punkt der Bauwirtschaft und der Wirtschaft überhaupt treffen: den sozialen Wohnungsbau. Wir haben diesen Angriff — das möchte ich sagen, Herr Kollege Schäfer — mit Glanz und Gloria abgewehrt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605215500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0605215600
Herr Kollege, wie erklären Sie es sich dann, daß im Jahre 1966 für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus noch 90 Millionen DM vorgesehen waren? Wie reimt sich das mit dem zusammen, was Sie hier vortragen?

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605215700
Herr Kollege Schafer, selbstverständlich! Um so mehr war die Begehrlichkeit der Konjunkturpolitiker auf diesen Batzen gerichtet, und die Abwehr war damals nach meiner Meinung entschieden schwieriger, als es heute der Fall ist.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]: Sie stehen ja kopf!)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605215800
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Meermann?

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0605215900
Herr Kollege Mick, verstehe ich Sie recht? Ich habe den Eindruck, Sie betrachten 1966 als Zeit der Hochkonjunktur. Das mit den 90 Millionen DM war nämlich 1966.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605216000
Ich habe es nicht verstanden, Frau Kollegin.

Hedwig Meermann (SPD):
Rede ID: ID0605216100
Sie haben die Angriffe der Konjunkturpolitiker abgewehrt. 1966 war Rezession.

(Abg. Rösing: 1966 nicht! Sie irren sich!)

— Die vollen Auswirkungen zeigten sich allerdings erst 1967; immerhin hatten wir 1966 keine Hochkonjunktur.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605216200
Verehrte Frau Kollegin, im Jahre 1966 war unsere Fraktion, konkret gesagt — wenn wir so rechnen wollten wie Sie —, für die Wohnungsbaupolitik gar nicht verantwortlich. Aber wir fühlten uns dafür verantwortlich, weil wir mit in der Koalition waren, genauso, verehrte Damen und Herren von der SPD, wie wir an den Erfolgen der Großen Koalition mindestens so beteiligt sind wie Sie. Deshalb lehne ich Ihre Milchmädchenrechnung ab: der Herrr Lauritzen und der Herr Schiller haben das geschafft. Daß Herr Strauß aber das Geld gegeben hat, geben Sie nur notgedrungen zu. Ich bin nicht für solche Auseinandersetzungen und werde sie nicht führen. Sie tragen die Verantwortung, und Sie spreche ich an.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605216300
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer?
— Bitte schön!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0605216400
Herr Kollege, Sie werden mir doch bestätigen, daß es für die CDU/ CSU in der Großen Koalition eine Kehrtwendung bedeutet hat, den sozialen Wohnungsbau nach unseren Vorstellungen zu fördern?




Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605216500
Herr Kollege Schäfer, ich glaube, daß es wenig Sinn hat, sich mit Ihnen darüber in eine Debatte einzulassen; denn ich habe in den 13 Jahren meiner Zugehörigkeit zu diesem Parlament noch nicht gemerkt, daß Sie sich um besondere Kenntnisse im Wohnungsbau und im sozialen Wohnungsbau bemüht haben.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Und ob ich mich bemüht habe! Ist es falsch, was ich gesagt habe, oder ist es richtig?)

— Wenn das anders wäre, Herr Kollege Schäfer, würde mich das sehr beglücken, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Beratungen, in denen wir uns im Augenblick im Ausschuß befinden, durch Ihren Sachverstand bereichern würden.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Wollen Sie damit sagen, daß das, was ich hier gesagt habe, falsch ist? — Abg. Lücke [Bensberg] : da, es ist falsch, was Sie sagten!)

— Erstens ist es falsch. Zweitens verweise ich Sie auf das, was ich soeben gesagt habe.

(Lachen bei /der SPD.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, Sie haben sich immer gern — ich gestehe Ihnen auch: nicht immer mit Unrecht — als Schutzheilige des sozialen Wohnungsbaus betrachtet.

(Zuruf von der SPD: Heilige waren wir nie!)

Ich entsinne mich gern der Debatten mit Herrn Brecht in diesem Hause. In diesen Debatten — warum soll man das nicht sagen? — kam der Minister Lücke vorbereitet und mit einem Konzept. Da kam man nicht mit „Blabla" und irgendwelchen Behauptungen aus, sondern da hieß es, Butter zum Fisch zu geben. Ich stelle hier noch einmal fest, daß wir den sozialen Wohnungsbau in der Zeit, als wir die Verantwortung dafür trugen, den Wohnungsbau in keiner Weise gefährdet haben und ihn nicht auf den Altar der Konjunktur gelegt haben.

(Beifall bei 'der CDU/CSU.)

Es mutet mich an wie ein sanftes Schlummerkissen, wenn sich der Herr Minister für Städtebau und Wohnungswesen an die 525 000 Überhangwohnungen klammert. Als wenn damit die Baisse im Wohnungsbau und im sozialen Wohnungsbau übersprungen werden könnte! Wenn wir dieses Jahr noch mit einem blauen Auge davonkommen, haben wir doch im nächsten Jahr die Rechnung doppelt und dreifach auf dem Tisch. Es scheint mir auch kein Beitrag zur Beseitigung der jetzigen Krise im Wohnungsbau zu sein, wenn in ferne Zeiten hineingeredet wird; wenn Zukunftsprogramme, wenn langfristige Programme an die Wand gemalt werden, die zwar visionär sein mögen, aber keinen Beitrag zur Behebung der gegenwärtigen Krise darstellen.
Festzustellen, daß heute insbesondere die junge und die alte Familie gefördert werden müssen, es dann aber bei der bisherigen Einkommensgrenze im Zweiten Wohnungsbaugesetz zu belassen unterhalb deren man zum Beziehen einer Sozialwohnung berechtigt ist, ist doch Augenwischerei und sonst gar nichts. In diesem Zusammenhang möchte ich — aber jetzt im umgekehrten Sinn — mit Schiller, allerdings mit „Friedrich von", sagen: Der Knabe Lauritz beginnt mir, wenn nicht fürchterlich, so doch ärgerlich zu werden mit seinen Zukunftsprognosen und ,dem Verschweigen der Gegenwartsprobleme.
Wenn.z. B. eine junge Familie heute 950 DM bereinigtes Bruttoeinkommen nicht überschreiten darf, wenn sie eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau haben will, das heißt doch dann auf gut deutsch, 'daß ein Facharbeiter heute nicht mehr in der Lage ist, eine Wohnung im sozialen Wohnungsbau zu beziehen. In welchen Abgrund stürzt diese junge Familie, ,die sich etwa im frei finanzierten Wohnungsbau für 8 DM/qm eine Wohnung besorgen soll! Und Herr Lauritzen erklärt, eine Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sei nicht notwendig, da die Länder auf dem Verordnungswege eine Bandbreite von 10 bis 20 % hätten. Auch diese 10 bis 20% genügen nicht, ganz abgesehen von den Verzerrungen, die auf dem Wohnungsmarkt entstehen; denn Ländergrenzen sind keine Wirtschafts- und Einkommensgrenzen.
Es ist geradezu grotesk, wenn wir heute von Fehlbesetzungen im Sozialen Wohnungsbau sprechen — und sie sind in großem Maße vorhanden — und die Wohnungsunternehmen, vor allem die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, dazu übergehen müssen, wenn sie wachsenden oder auslaufenden Familien eine ihrem Status gemäße Wohnung beschaffen wollen, dieselben mit ihrem Altwohnungsbestand zu bedienen, also mit den Wohnungen, die gerade in den Wohnungsunternehmen am preiswertesten zu haben sind. Hier werden Verzerrungen begründet, die später nur sehr schwer beseitigt werden können.
Dabei bin ich mit Ihnen, Frau Kollegin Meermann, der Meinung, daß es mit einer Änderung der Einkommensgrenzen im Zweiten Wohnungsbaugesetz allein nicht getan ist, sondern daß damit andere Maßnahmen damit einher zu gehen haben, um hier zu Regelungen zu kommen, die dem standhalten, was notwendig ist. Bei allein Debatten, die wir hier geführt haben, auch um die Abbaugesetze, waren wir wohl in einem einig: Wir mögen die perfektesten Gesetze schaffen, wir mögen auch in den Abbaugesetzen um einige Stellenwerte näher an die Wirklichkeit herankommen, im Grunde genommen werden wir die Wohnungsnot nur beseitigen, wenn weiter gebaut wird und wenn zu Preisen gebaut wird, die den Bezug einer Wohnung überhaupt erst ermöglichen. Hier stellen wir ganz nüchtern fest, daß das gegenwärtig nicht der Fall ist.
Es muß in diesem Zusammenhang befremden, wenn man in den „Stuttgarter Nachrichten" vom 4. Mai liest, daß der Bundeswohnungsbauminister in einem Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk feststellt, daß der Städte- und Wohnungsbau zwischen Bonn und Ost-Berlin nicht kontrovers sei, daß hier nichts ideologisch verbaut sei, um zu gemeinsamen Gesprächen zu kommen; hier könne man



Mick
unter Fachleuten einfach Erfahrungen austauschen.— So die Nachricht in den „Stuttgarter Nachrichten". Nun, Herr Minister, etwa Erfahrungen darüber, wie man das Berliner Schloß beseitigt hat, um einen Platz für Mai-Aufmärsche zu gewinnen? Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ich aus Köln komme und wir Kölner mit Preußen nie in einer Liebesheirat verbunden waren; das hat also nichts mit „Preußens Gloria" zu tun, wohl aber mit dem Füßetreten deutscher Geschichte, Kulturgeschichte, Kunstgeschichte, von der z. B. die Polen mehr zu halten scheinen als das Regime jenseits der Elbe. Oder können Sie sich sonst erklären, wieso die Universitätskirche in Leipzig, diese geschichtsträchtige Kirche, abgerissen wurde, um Verkehrsbedürfnissen Rechnung zu tragen, von anderen Beispielen ganz zu schweigen? Und der Grund und Boden, Herr Minister, auf die neue Städte gebaut werden sollen, die Ruinengrundstücke, auf denen wiederaufgebaut werden soll oder ist? Oder haben Sie, Herr Minister, nie etwas von entschädigungsloser Enteignung gehört? Wir haben davon gehört. Da sagen Sie, hier sei nichts ideologisch verbaut! Ich sage Ihnen offen, daß mir lieber wäre, wenn Sie sich mit den Gegenwartsproblemen unseres Wohnungsbaus etwas mehr vertraut machten als solche Bemerkungen, die einem wirklich das Blut in Wallung bringen können.
Wenn man sich in solchen Gefilden bewegt, wie soll man dann noch Gedanken für die „Niederungen" haben, in denen sich etwa die Frage stellt: Wie bringen wir es fertig, auch im Jahre 1970 noch eine Wohnung zum Quadratmeterpreis von 4,50 DM zu bauen? Die Zahl von 4,50 DM ist unbestritten. Sie wissen genauso gut wie ich, wie groß der Kreis derer ist, die eine solche Wohnung, eine Sozialwohnung zu 4,50 DM je Quadratmeter, zu beziehen in der Lage sind.
Ziel der konjunkturpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung—wenn es welche sind, hier wollen wir darüber nicht diskutieren; Sie haben es oft gesagt, und in der Beantwortung der Anfrage wurde es •gesagt — ist 'der Wiedergewinn der Preisstabilität. Sehen Sie denn nicht 'ein, daß im Wohnungsbau genau das Gegenteil dessen erreicht wird, was Sie erreichen wollen und was wir alle erreichen wollen? Das Zinsniveau ist das höchste in der Nachkriegszeit. Dieses Zinsniveau wird sich im Wohnungsbau nicht von heute auf morgen ändern. Die Zinsen, die heute gezahlt werden, hängen auf dem sozialen Wohnungsbau für einen Zeitraum zwischen 10 und 30 Jahren. Dann denkt schon kein Mensch mehr daran, daß wir diese Zinsen heute aus konjunkturellen ,Notwendigkeiten hingenommen haben.
Aber nicht nur in den Wohnungsmieten schlägt sich das für 'heute und morgen nieder. Zur Kasse gebeten werden die Eigenheimer und werden diejenigen, die sich „erfrechen", eine Eigentumswohnung zu beziehen. Wir wären etwas versöhnt gewesen, wenn ;Sie wenigstens in Aussicht gestellt hätten, über einen längeren Zeitraum diese Lasten abzufangen. Ich will Ihnen auch sagen, warum.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen] : Sagen Sie auch wie!)

— Ich komme gleich darauf, Herr Kollege Schäfer. — Schade, .daß .der Herr Matthöfer nicht mehr da ist. Denn sein Boß war es ja, der die Preissteigerungen mit der Bemerkung herunterzuspielen versuchte, daß die Konjunktur bereits überschritten sei und daß man sie sich selbst überlassen müsse, damit die Vollbeschäftigung erreicht bleibe. Ich teile diese Meinung des Herrn Brenner im allgemeinen nicht, ich teile sie aber hundertprozentig für den Wohnungsbau. Wenn ,diese Konjunktur, wie Sie sagen, sich in einer Spätphase befindet, 'dann wird die übrige Wirtschaft sehr 'schnell wieder diese nachteiligen Maßnahmen — etwa der Bundesbank -- überwunden haben, nicht aber .die Wohnungswirtschaft. Wir werden feststellen, daß in dier Bauwirtschaft in diese Lücke andere Bauvorhaben stoßen werden — das ist keine Erkenntnis, die wir erst seit heute haben, sondern wir haben uns mit Lücke tage- und nächtelang darüber unterhalten und haben debattiert, wie wir das verhindern können —, aus dem ganz einfachen Grund, weil andere Bauvorhaben, etwa ,der öffentlichen Hand, der gewerblichen Wirtschaft, viel schneller durchfinanziert sind, viel schneller am Markt sind, als das im Wohnungsbau, insbesondere im sozialen Wohnungsbau der Fall sein kann.
Sie sagen mit Recht: wir werden ,dann sofort zusätzliche Mittel bereitstellen, so wie wir es ja im Jahre 1966 getan haben; Sie haben es eben angekündigt, Frau Kollegin. Nur besteht da der Unterschied, daß damals in der gesamten Bauwirtschaft nicht allzuviel los war, während zum jetzigen Zeitpunkt auch die aufgestauten Investitionen, die Bauen voraussetzen, auf dem Markt sein werden, ehe man bei den städtischen und staatlichen Stellen der Länder und der Gemeinden dabei ist, überhaupt die ersten Anträge entgegenzunehmen,

(Abg. Lücke: Sehr richtig!)

um zu prüfen, ob die Finanzierung, die dort niedergelegt ist, nach allen Seiten hin stimmt.
Sehen Sie, Herr Kollege Schäfer, hier ist es bedeutend schwieriger, die Nachteile des Verlaufs der jetzigen Konjunktur zu überwinden.

(Abg. Dr. Schäfer [Tübingen]:: Natürlich!)

Wir kommen nicht zu einer Rezession in der Bauwirtschaft, aber wir behalten die Rezession — denn etwas anderes haben wir ja heute nicht — im Wohnungsbau und vor allen Dingen in 'seinem schwächsten Teil, im sozialen Wohnungsbau.
Es ist auch einigermaßen merkwürdig, wenn der Herr Minister sagt: Auf die Überhangwohnungen hat das alles keinen Einfluß mehr, denn das war ja alles durchfinanziert und damit klar. Verehrter Herr Minister, haben Sie schon einmal in einem Vergabeausschuß gesessen? Waren oder sind Sie etwa im Vorstand einer Wohnungsbaugenossenschaft, und haben Sie noch nie etwas davon gehört — —

(Bundesminister Dr. Lauritzen: Acht Jahre lang!)

— So, Herr Minister, dann haben Sie bestimmt nicht gut aufgepaßt

(Heiterkeit)




Mick
— entschuldigen Sie —, denn Sie müßten wissen, daß in jedem Angebot, das gemacht wird, eine Rücktrittsklausel ist — „bei Erhöhung der Löhne und bei Steigerung der Materialkosten" daß also hier automatisch auch bei festen Verträgen Preiserhöhungen eintreten, was 'im Augenblick in hohem Maße der Fall ist.
Es ist also leider nicht so, daß man mit Plänen, die man heute aus der Schublade nimmt, auch wenn sie technisch hundertprozentig in Ordnung sind, morgen auf die Baustelle gehen kann, um sie in die Wirklichkeit umzusetzen. Dazwischen liegt der dornige Weg der Auseinandersetzung mit den öffentlichen Stellen.
Ich gestehe der Bundesregierung und damit auch Ihnen, Herr Minister, gern ein Urteil darüber zu, wer ein verantwortungsbewußter Politiker ist oder nicht. Mir scheint aber, daß Sie es sich bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage etwas zu einfach machen: wer Sie kritisiert, ist unverantwortlich, und wer Ihnen zustimmt, der ist verantwortlich. Überschrift: Es lebe die parlamentarische Demokratie.

(Abg. Rösing: „Mehr Demokratie"!)

Ich fühle mich als verantwortungsbewußter Politiker und glaube dies über Jahre hin bewiesen zu haben. Trotzdem werfe ich der Bundesregierung konjunkturpolitisches Versagen im allgemeinen und Ihnen, Herr Minister Lauritzen, im Wohnungsbau, insbesondere im sozialen Wohnungsbau ein Extraversagen vor.
Auch uns ist bekannt, daß ,uns der vergangene Winter vor schwere zusätzliche Probleme in der Bauwirtschaft gestellt hat. Uns ist auch bekannt, daß die Situation auf dem Arbeitsmarkt in der Bauwirtschaft eine sehr prekäre ist. Das ist alber nicht erst seit heute, Frau Kollegin Meermann, das ist seit langem. Denn hier müssen wir auch folgendes sehen. Wenn .die Bauarbeiter in bestimmte Jahre gekommen sind, haben sie das Bestreben, unter ein Dach zu kommen

(Abg. Lücke: Sehr gut!)

mit gleichmäßigem Klima, damit sie nicht so den Unbilden der Witterung ausgesetzt sind, wie das bei Bauarbeitern leider noch der Fall ist. Die Antwort von Herrn Lücke war damals die Einführung des Winterbaues; er ist der Erfinder des Winterbaues, des Winterfestmachens der Baustellen, um ein kontinuierlicheres Bauen zu ermöglichen. Wir befanden uns damals in parallelen Überlegungen mit dem jetzigen Minister Georg Leber, der seine Bauarbeiter aus diesem unseriösen Zustand des Feierns herausholen und ihnen eine kontinuierliche Arbeitszeit geben wollte, damit sie nicht, wie das oft in der Bauwirtschaft der Fall war, am Heiligen Abend die Kündigung bis zum 2. Januar oder für noch länger bekamen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605216600
Herr Kollege Mick, Sie haben Ihre Zeit schon nicht unbeträchtlich überschritten. Ich würde Sie bitten, zum Schluß zu kommen.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605216700
Ich will dann sehen, daß ich zum Schluß komme.
Meine Damen und Herren, wir erwarten eine Fortschreibung der Lückeschen Gedanken. Ich begrüße die Erhöhung der Forschungsmittel. Vielleicht verwendet man einen Teil dieser Forschungsmittel dazu, gerade die Kontinuität des Bauens noch besser zu ermöglichen und damit auch die Seriosität des Bauarbeiterstandes im allgemeinen zu fördern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wußte nicht, daß ich auf Zeit gesetzt bin. Aber gegen die Frau Präsidentin kommt man nicht an; das wissen wir alle aus leidvoller Erfahrung. Ich komme dann zum Schluß.
Ich lasse mich nicht darauf ein — das, Frau Kollegin Meermann, schreibe ich auch Ihnen ins Stammbuch —, daß wir jetzt große Appelle an die Länder richten, was sie alles tun sollen usw. Hannemann, geh du voran! Ich bin überzeugt, daß die Länder uns entsprechend folgen werden.
Ich habe Ihnen, Herr Minister, in einer früheren Zeit für meine Fraktion gesagt, daß wir über Ihnen die Fuchtel der Opposition schwingen wollen, um Sie zu Höchstleistungen zu zwingen. Ich muß leider gestehen, daß die Opposition ihr Ziel nicht erreicht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das, was Sie bisher gezeigt haben, Ihre Höchstleistung ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605216800
Das Wort hat der Herr Minister Lauritzen.

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605216900
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beantwortung dieser Großen Anfrage stand bereits vor drei Wochen auf der Tagesordnung, und die Regierung war auch bereit, diese Anfrage zu beantworten. Auch auf Wunsch der CDU ist die Angelegenheit damals vertagt worden. Das hat Herr Erpenbeck leider vergessen.

(Abg. Erpenbeck: Nein!)

Ich glaube, es bedarf dieser Richtigstellung.
Nun, der reichlich melodramatische Aufgesang der Opposition ist ja gekennzeichnet durch eine Fülle sehr lautstarker Worte. Aber wenn man sich die Argumentation ansieht, so ist sie doch reichlich schwach, um sie nicht schwächlich zu nennen.

(Abg. Mick: Jawohl, Herr Oberlehrer!)

— So ist es nun wirklich nicht gemeint. Wissen Sie, wenn Sie anfangen, so zu kritisieren, dann müssen Sie sich auch daran gewöhnen, etwas Ähnliches wieder zu hören. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das ist eine alte Volksregel.
Meine Damen und Herren! Auch hier hat sich doch offensichtlich wieder derselbe Widerspruch gezeigt, den wir in diesem Hause nun schon so oft erlebt haben. Wenn es um die allgemeinen Fragen der Dämpfung der Konjunktur geht, verlangt die Opposition weitere Kürzungen im Bundeshaushalt. Wenn wir uns aber um Einzelfragen der einzelnen



Bundesminister Dr. Lauritzen
Fachbereiche kümmern, verlangt sie ausgabenwirksame Maßnahmen der Regierung.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, man kann nicht auf der einen Seite bremsen und gleichzeitig Gas geben wollen. Das ist unlogisch; ich würde sagen, das ist eine schizophrene Politik, die uns keinen Schritt weiterführt. Auch Herr Erpenbeck und Herr Mick haben diesen Widerspruch nicht auflösen können. Das Operieren mit .den Zahlen hat doch die Situation reichlich schief dargestellt und völlig. verzeichnet, und das macht nun allerdings einige Richtigstellungen notwendig.
Wir können auch — das ist im Ernst von der Opposition nicht bestritten worden — in diesem Jahre auf Grund des Überhangs und der Bausituation davon ausgehen, daß wir im Jahre 1970 wieder ein Volumen von 500 000 fertiggestellten Wohnungen haben werden. Das bedeutet: wir bekommen in diesem Jahr keinen Einbruch in den Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren, von einem völligen Zusammenbruch des sozialen Wohnungsbaus kann überhaupt keine Rede sein. Die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Vierteljahr 1970 liegt um 9% über der Zahl der Baugenehmigungen 'aus dem gleichen Zeitraum des Jahres 1969. Im öffentlich geförderten Wohnungsbau haben wir im ersten Förderungsweg einen leichten Rückgang in Höhe von 3%, im zweiten Förderungsweg einen Rückgang von 16% zu verzeichnen. Das macht einen Rückgang von insgesamt 7 % im öffentlich geförderten Wohnungsbau aus.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605217000
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick?

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605217100
Herr Minister, ist es richtig, in dem Zusammenhang von Baugenehmigungen zu sprechen? Kommt es nicht vielmehr darauf an, welche Bauten begonnen worden sind? Die Baugenehmigungen sagen über den Wohnungsbau doch gar nichts aus.

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605217200
Ich habe Ihnen zwei Zahlen genannt. Ich habe Ihnen gesagt, wir haben im öffentlich geförderten Wohnungsbau einen Rückgang von insgesamt 7% zu verzeichnen. Eine Baubeginnstatistik gibt es ja nicht, Herr Mick. Man kann also nur von Jahr zu Jahr vergleichen, und ich habe ja keine absoluten Zahlen genannt, sondern nur von Jahr zu Jahr verglichen. Ich habe gesagt: Im Verhältnis zum Vorjahr ist die Zahl der Baugenehmigungen sogar angestiegen, und im öffentlich geförderten Wohnungsbau haben wir einen Rückgang um 7 %, wobei nicht zu verkennen ist, daß das eine Auswirkung der Konjunkturdämpfungsmaßnahmen ist.
Meine Damen und Herren, wir haben in der gesamten Bauwirtschaft im Wohnungsbau einen Auftragsbestand von 3,7 Monaten. Das hat es in den letzten Jahren noch nie gegeben. Das zeigt doch ganz deutlich, daß die Bauwirtschaft im Bereich des Wohnungsbaues voll ausgelastet ist und daß von einem Zusammenbruch des Wohnungsbaus keine Rede sein kann.
Dann wiesen Sie auf die Beschlüsse der • Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hin, wonach diese Annuitätsbeihilfen nur noch für Hypothekenzinsen in Höhe von 7,5 % bei einem Auszahlungskurs von 95 % genehmigen will. Die Bausparkassen geben Hypotheken zu diesem Kurs und die Sparkassen und Lebensversicherungen in weiten Kreisen auch. Das sind einfache Feststellungen, die wir durch Rückfrage haben ermitteln können. Es ist also völlig übertrieben, es kann gar keine Rede davon sein, daß der soziale Wohnungsbau zum Erliegen gekommen sei.
Mit der Entwicklung der Mieten sieht es auch etwas anders aus, als in den dramatischen Prognosen — auch heute wurden solche wieder gestellt — angekündigt wurde. Nach der amtlichen Statistik haben wir im April eine Mietsteigerung von 0,4 % gegenüber dem Vormonat zu verzeichnen. Die Mietsteigerung von April 1969 bis April 1970 beträgt 4%, während sie in den vorangegangenen sieben Jahren immer zwischen 7 und 81/2% betrug. Die Mietsteigerung von 1968 auf 1969 betrug 8,1%, die von 1969 auf 1970 4 %. Das muß man sich einmal vergegenwärtigen. Deswegen ist es auch völlig falsch zu sagen: Das alles hat in die Mieten „hineingehauen". Bis jetzt nicht! Ich wehre mich dagegen, daß man diese Dinge dauernd dramatisiert.

(Beifall bei der SPD.)

Wenn man sich die Mietentwicklung einmal etwas näher ansieht, kommt man zu einer ganz erstaunlichen Feststellung. Gegenüber dem Vorjahr ist, wie gesagt, eine durchschnittliche Mietsteigerung von 4% zu verzeichnen. Die Mieten der Altbauten sind um 4,3%, die der Neubauten tim 3,8% und die der Sozialbauten um 3,3 % gestiegen. Wo liegen die höchsten Mietsteigerungen? Bei den Altbauwohnungen, die von den Baukosten und der Zinsentwicklung am allerwenigsten betroffen werden! Und warum liegen sie dort? Weil der Wohnungsmarkt nicht in Ordnung ist! Das ist doch der Grund.

(Beifall bei der SPD.)

Das zeigt doch auch die Wohnungszählung des Jahres 1968. Sie kennen die Zahlen. Es ist doch erschreckend, daß wir trotz des Baues von 10 Millionen Wohnungen — diese Leistung will niemand schmälern — immer noch 800 000 Familien, und zwar Mehrpersonenfamilien in der Bundesrepublik haben, die zur Untermiete und in Wohngelegenheiten wie Nissenhütten usw. leben und daß wir eine Million abbruchreife Wohnungen haben, die nicht modernisiert werden können. Jedes Jahr wachsen 300 000 neue Mietparteien dazu.
Daraus wird deutlich, daß wir in der Bundesrepublik nach wie vor einen Wohnungsmangel haben. Das ist von den früheren Bundesregierungen leider immer beschönigt worden.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Lücke: [Bensberg] : Herr Lauritzen, das können Sie doch nicht sagen!)




Bundesminister Dr. Lauritzen
— Natürlich ist das beschönigt worden!

(Abg. Lücke [Bensberg] : Das ist eine glatte Lüge, die Sie da aussprechen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

— Verzeihen Sie, ich glaube, das geht doch ein bißchen zu weit.

(Abg. Wehner: Sie sind sehr leichtfertig, Herr Lücke. — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und Gegenrufe von der SPD.)

Herr Lücke, das Wort „Lüge" geht ein bißchen zu weit; dies muß ich entschieden zurückweisen. Mit Ihrer Euphorie haben Sie das Ganze hinweggeredet, indem Sie gesagt haben: Wohnungsnot gibt es praktisch nicht mehr; das soziale Wohnungsbauprogramm muß verringert werden. Meine Damen und Herren, das gesamte rechnerische Wohnungsdefizit — ich komme darauf zurück — war doch eine einzige Fehlkonstruktion! Wie kann man die Beseitigung der Wohnungsbewirtschaftung damit begründen wollen, daß nur 3 % Wohnungen fehlen? Ein freier Wohnungsmarkt verlangt doch Freiheit für beide Seiten, für Vermieter und für Mieter.

(Beifall bei der SPD.)

Solange der Mieter nicht wählen kann, gibt es keinen freien Wohnungsmarkt.

(Abg. Lange: Sehr richtig!)

Ein freier Wohnungsmarkt verlangt ein angemessenes Überangebot von 3 % Wohnungen. Nicht ein 3%iges Defizit, sondern ein 3%iges Überangebot an Wohnungen wäre die richtige Grundlage für Ihr Wohnungsprogramm gewesen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605217300
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605217400
Bitte!

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605217500
Bitte schön, Herr Kollege Breidbach!

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0605217600
Herr Minister, darf ich Ihrer Aussage entnehmen, daß Sie die vor einigen Jahren beschlossene Einführung der weißen Kreise wieder aufheben wollen, weil es kein Überangebot von 3% auf dem Wohnungsmarkt gibt?

(Zurufe von der SPD.)


Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605217700
Ich will sie nicht wieder aufheben, sondern sage, daß sie zu früh eingeführt worden sind.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Das ist der entscheidende Fehler: sie sind zu früh gekommen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Lücke [Bensberg] : Sorgen Sie dafür, daß gebaut wird! Das ist die einzige Aufgabe, die Sie zu erfüllen haben!)

— Ich komme noch dazu, Herr Lücke.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605217800
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine zweite Frage von Herrn Breidbach?

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605217900
Ja.

Ferdinand Breidbach (CDU):
Rede ID: ID0605218000
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß die Zahlenangaben, die zur Einführung der weißen Kreise geführt haben, im wesentlichen von den :Kommunen geliefert worden sind und die Grundlage für die Bestimmung des Zeitpunkts der Einführung gebildet haben?

(Zuruf von der SPD: Das stimmt nicht!)


Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605218100
Hier irren Sie, Herr Kollege. Die Zahlen .stammen aus der fortgeschriebenen Statistik der statistischen Ämter.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Der Landesämter!)

— Das mag sein. Aber diese Statistiken hatten Fehler.

(Abg. Mick: Wer hat denn die Fehler gemacht?)

Die Wohnungs- und Gebäudezählung des Jahres 1968 hat deutlich gemacht, daß zwischen der fortgeschriebenen Zahl und der effektiven Zahl, die bei der Zählung ermittelt worden ist, eine Differenz von 4 % besteht.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Wer hat denn .die Fehler gemacht? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU.)

Wissen Sie, was diese 4 % bedeuten? Das sind 800 000 Wohnungen. Das entspricht einer Stadt wie Berlin; die war in der Statistik einfach nicht vorhanden.

(Abg. Mick: Wer hat die Fehler gemacht?)

— Die amtlichen Statistiken!

(Abg. Mick: Wer 'hat die amtlichen Statistiken gemacht?)

— Das ist nicht das ,Entscheidende.

(Abg. Wehner: Das politische. Debakel haben Sie zu verantworten! — Abg. Mick: Zu Befehl, Herr Wehner! Meine Hände liegen an der Hosennaht!)

— Nein, nein!

(Abg. Wehner: Daß Sie ein Tünnes sein wollen, weiß ich sowieso! — Gegenrufe von der CDU/CSU: Dass ist doch das Letzte! — Unruhe bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, mein Vorwurf besteht darin, daß jeder, der mit Statistiken umgehen kann, hätte wissen müssen, daß solche Fehlerquellen in der Statistik liegen.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Na also!)

Auf Grund solcher Fehlerquellen und unzulänglichen Statistiken darf man keine politischen Entscheidungen treffen. Das ist mein Vorwurf.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Lücke [Bensberg] : Bauen Sie Wohnungen!)




Bundesminister Dr. Lauritzen
— Ich .komme gleich darauf. Sie sind anscheinend sehr ungeduldig, Herr Lücke.

(Abg. Lücke [Beissberg]: Bauen Sie Wohnungen! Das ist wichtiger als Statistiken! — Abg. Wehner: Er will etwas verwischen!)

— Ich komme gleich darauf. Die Herren Vorredner haben eine halbe Stunde Zeit gehabt. Ich glaube, mir steht diese Zeit auch zur Verfügung.
Das 3%ige Wohnungsdefizit, meine Damen und Herren, war wahrscheinlich ,ein 5%iges, wenn nicht sogar ein 6%iges. Noch heute gibt es Städte, in denen das Wohnungsdefizit höher als 3 % liegt. Das sind die Schwierigkeiten, mit denen wir zu kämpfen haben. Hier liegen die Ursachen dafür, daß diese Schwierigkeiten heute noch bestehen.
Der zweite entscheidende Fehler der bisherigen Wohnungspolitik war die Degression der Bundesmittel von 700 Millionen DM im Jahre 1957 um jährlich 10 %. Wir Sozialdemokraten haben in diesem Hause gegen diese 'Degression gekämpft. Wenn wir uns nicht zuletzt entschieden zur Wehr gesetzt hätten, wären die Mittel wahrscheinlich ganz aus dem Haushalt verschwunden.
Was ist die Konsequenz? Wohnungsmangel und die zu frühe Aufhebung der Wohnungsbewirtschaftung, meine Damen und Herren. Das ist die wenig erfreuliche Erbschaft, die diese Bundesregierung übernommen hat. Wir müssen jetzt große Anstrengungen machen, um damit fertig zu werden und, Herr Mick, um die Lasten abzufangen.

(Abg. Mick: Wie lange sind Sie eigentlich Wohnungsbauminister?)

— Auf diesen Zwischenruf, Herr Mick, habe ich nur gewartet.

(Abg. Mick: Wie lange, frage ich Sie!)

Was habe ich für Anstrengungen machen müssen, um das soziale Mietrecht zu ändern! Meinen Vorschlag hat die CDU nicht akzeptiert. Da haben wir uns „zusammenraufen" müssen.

(Abg. Mick: Was machen Sie denn jetzt für Anstrengungen?)

— Erst einmal muß ich die eine Frage beantworten.
— Was habe ich mich angestrengt, die letzten „schwarzen Kreise" nicht zu schnell „weiß" werden zu lassen! Was haben wir gekämpft um die Verlängerung der Wohnungsbewirtschaftung! Wie habe ich mich bemüht, mehr Mittel für den Wohnungsbau zu bekommen, ohne Unterstützung des damaligen Finanzministers und ohne Unterstützung ,des damaligen Bundeskanzlers! Haben Sie, meine Damen und Herren, einmal gehört, daß der Bundeskanzler der Großen Koalition in diesem Hause überhaupt das Wort „Städtebau und Wohnungswesen" in den Mund genommen hat? Nicht einmal! Das war für ihn eine Angelegenheit von .sekundärer Bedeutung.

(Beifall bei der 'SPD. — Abg. Mick: Reden Sie doch einmal von heute!)

— Nein, Sie haben eben eine Frage an mich gestellt, und die habe ich jetzt beantwortet.

(Abg. Wienand: Und wie oft wurde Herr Kiesinger darauf hingewiesen!)

Ich habe ihm zu jeder Erklärung einen Vorschlag gemacht, keine sechs Seiten; ich wäre mit einer halben Schreibmaschinenseite zufrieden gewesen. Nicht einmal das hat er als notwendig angesehen. — Das war die Antwort auf Ihre Frage.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605218200
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geisenhofer?

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0605218300
Herr Bundesminister, wie vertragen sich Ihre jetzigen Ausführungen mit Ihrem Verhalten vor zwei Jahren, als es darum ging, die Fortsetzung des „grauen" Kreises in München durchzusetzen, wo Sie in München gesagt haben: Es muß endlich einmal Schluß gemacht werden mit der Auseinandersetzung „schwarzer" oder „weißer" Kreis; München ist ,am besten gedient, wenn mehr Wohnungen gebaut werden?

(Abg. Lücke [Bensberg] : Das war ein heller Blick!)


Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605218400
Diese Regierung hat die Frist für München verlängert.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Diese Regierung hat die Frist für München verlängert. Das können Sie doch nicht bestreiten.

(Abg. Dr. Ritz: Das ist keine Antwort auf die Frage!)

— Natürlich ist das eine Antwort auf die Frage. (Zuruf von der CDU/CSU.)

— Das war die Meinung Ihrer Leute. Das wissen Sie ganz genau. Damals saßen wir in der Großen Koalition, und damals hätten wir wahrscheinlich die Verlängerung für München nicht 'bekommen. Jetzt haben wir sie durchgesetzt, nämlich bei dieser Regierung.

(Abg. Mick: War das im Regierungsentwurf, Herr Lauritzen? — Abg. Geisenhofer: Sie waren dagegen, Herr Minister!)

— Ich war nicht dagegen. Das stimmt doch nicht.
Meine Damen und Herren, was 'ist also nun zu tun, nachdem wir diese Erbschaft übernommen haben mit Zahlen, die wirklich nicht begeisternd sind?

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine gute Erbschaft!)

Wohnungen bauen! Ich bin derselben Meinung wie Sie, Herr Lücke. Letzten Endes hilft nur der Bau von Wohnungen. Gesetze, Sozialklauseln können nur eine Zeitlang in Notsituationen helfen.

(Abg. Lücke [Bensberg]: Nicht einmal Statistiken!)

— Statistiken auch nicht. — Bauen wir also!
Und was müssen wir bauen? Wir haben den Bedarf der 800 000 unzulänglich Untergebrachten, wir haben 1 Million erneuerungsbedürftige Wohnungen, und wir haben den Bedarf der 300 000 neuen Mietparteien, die jedes Jahr 'hinzukommen. Das macht,



Bundesminister Dr. Lauritzen
wenn Sie es für die nächsten 10 Jahre ausrechnen, einen Bedarf von 5 Millionen. Wir kommen immer wieder auf dieselbe Zahl.

(Abg. Lücke [Bensberg]: Das habe ich schon vor fünf Jahren gesagt!)

Das gibt ein jährliches Programm von weiterhin 500 000.
Das Entscheidende ist nach meiner Meinung, daß die Hälfte davon öffentlich gefördert sein sollte. Das, meine Damen und Herren, erfordert mehr Mittel als bisher beim Bund und bei den Ländern. Die Besprechungen darüber sind soweit gediehen, daß die Grundzüge des Programms im Kabinett erörtert worden sind. In 14 Tagen geht es um die Aufstellung des Haushaltsplans 1971 und um die Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung. Dann muß diese Finanzierung dort mit hinein. Das ist das Vorhaben, und das ist meine Absicht.
Ich bin davon überzeugt, in der Person des Finanzministers und der Person des Bundeskanzlers eine wesentliche Hilfe auch für dieses Programm zu finden, ein Programm, das sich an dem tatsächlichen Bedarf nach der Wohnungszählung orientiert, das sich nach sozialen Schwerpunkten gliedert. Insbesonderer geht es um kinderreiche Familien, um junge Ehepaare und um alte und alleinstehende Menschen. Es geht auch darum, einen Teil dieses Programms an dem zu orientieren, worüber wir heute morgen diskutiert haben, nämlich an der Strukturpolitik der Bundesregierung. Der Wohnungsbau muß auch ein Mittel zur Verbesserung der Infrastruktur und zur Stützung der Strukturpolitik sein.

(Zustimmung bei der SPD.)

Das ist das Entscheidende, was wir damit erreichen wollen.
Dazu gehört — das möchte ich wirklich wieder einmal erreichen; leider ist das in den letzten beiden Jahren nicht mehr möglich gewesen — eine entscheidende Hilfe auch für die Modernisierung des Althausbestands.

(Abg. Lücke [Bensberg] : Sehr richtig!)

Auch das gehört in ein langfristiges Wohnungsbauprogramm hinein. Das zweite, um die Lasten tragbar zu machen, von denen die Rede ist, ist eine wesentliche Verbesserung des Wohngeldgesetzes. Das Gesetz liegt vor, es wird im Bundesrat beraten. Meine Damen und Herren, ich verspreche mir gar nichts davon, jetzt etwa die Mietobergrenzen vorweg anheben zu wollen. Man muß mit der Anhebung der Mietobergrenzen vorsichtig sein, weil mit der Anhebung der Mietobergrenzen die Mieten sofort nachziehen. Es muß umgekehrt sein, die Mietobergrenzen müssen sich der Mietentwicklung anpassen.
Herr Mick, Sie haben leider eines völlig außer acht gelassen, wenn Sie von Mietkosten von 4,50 DM im sozialen Wohnungsbau sprechen. Ich kenne das noch nicht, auch in Hamburg nicht. Im sozialen Wohnungsbau gibt es keine Mietobergrenzen. Das haben Sie völlig vergessen.

(Abg. Mick: Ich habe das nicht im Zusammenhang mit dem Wohngeldgesetz gesagt!)

— Natürlich.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605218500
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Geisenhofer?

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605218600
Bitte!

Franz Xaver Geisenhofer (CSU):
Rede ID: ID0605218700
Herr Bundesminister, halten Sie es für eine wesentliche Verbesserung im Wohngeldgesetz, wenn nach der Regierungsvorlage die Einkommensgrenze beim Wohngeld von jetzt 750 DM um nur 50 DM auf 800 DM erhöht wird?

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605218800
Die Einkommensgrenze beim Wohngeld spielt im Grunde genommen keine entscheidende Rolle, weil das Wohngeldgesetz so konstruiert ist, daß bei steigenden Einkommen der Eigenanteil immer größer wird, so daß von einer bestimmten Grenze an, auch wenn wir keine Einkommensgrenze hätten, der um Wohngeld Nachsuchende automatisch aus der Förderung herauswächst. Im Grunde genommen könnten wir die Einkommensgrenze beim Wohngeld streichen. Wir tun es nur nicht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, damit nicht diejenigen, die über einer gewissen Grenze sind, auch damit anfangen, Anträge zu stellen. Das ist eigentlich der Grund. Die Einkommensgrenze ist im Wohngeldgesetz nicht entscheidend.
Entscheidend ist aber, daß wir dieses Monstrum etwas vereinfachen müssen. Es ist sehr schwerfällig und muß wesentlich vereinfacht werden; das ist es, was wir dabei erreichen wollen. Wir kommen zu einer ganz entscheidenden Verbesserung.
Wenn Sie nach den Belastungen fragen, so darf ich Ihnen folgendes sagen: allein die materielle Verbesserung des Wohngeldgesetzes, wie die Regierung sie beschlossen und dem Bundesrat 'zugeleitet hat, wird im Jahre 1971 beim Bund 180 Millionen DM, bei den Ländern den gleichen Betrag ausmachen, d. h. 360 Millionen DM sind allein verbesserte Leistungen nach dem Wohngeldgesetz, wie wir es vorgesehen haben.
Nun noch etwas zur Bauforschung. Ich muß Ihnen leider sagen, meine Damen und Herren, ich war etwas betrübt, als ich feststellte, daß ein Bundesminister für den Wohnungsbau in seinem Haushalt für Forschungsaufgaben den Betrag von einer halben Million DM hat. Die kleine Schweiz gibt 20 Millionen für Forschungsaufgaben aus, die Engländer noch mehr. Hier ist einfach ein Arbeitsgebiet jahrelang ganz vernachlässigt worden. Wir haben uns nun darangemacht, das entscheidend zu verbessern. Wenn ich Ihnen sage, daß wir 5 Millionen DM haben, können Sie das gar nicht in Prozenten ausrechnen; das gibt einen enormen Steigerungsbetrag. Gleichwohl sind 5 Millionen DM nach meiner Meinung für die Bundesrepublik auch noch nicht ausreichend.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605218900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Mick?
Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 52, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1970 2637

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605219000
Herr Minister, sind Sie in diesem Zusammenhang bereit, anzuerkennen, daß auf dem Gebiet der Forschung, auch bei Versuchs- und Vergleichsbauten sowie Demonstrativvorhaben in der Vergangenheit Erkleckliches geleistet worden ist, daß allerdings diese Forschung von der Bauwirtschaft selbst geleistet und dann in die Tat umgesetzt wurde?

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605219100
Das schließt doch aber nicht aus, daß der Bund selbst durch Erteilung von Forschungsaufträgen an Institute, an Architekten, an Baufirmen, etwas Entscheidendes tun muß, denn wir sind uns doch sicherlich alle einig, die Entwicklung der Baukosten kann so nicht weitergehen. Wir können nicht so weiterbauen, wie wir vor 50 und 100 Jahren gebaut haben, sondern wir müssen das, was die Industrie in einem grandiosen Rationalisierungsprozeß geleistet hat, in etwa auch bei der Bauwirtschaft nachholen.

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605219200
Herr Minister, haben Sie überhört, daß ich das in meiner Rede ausdrücklich anerkannt habe, daß ich aber jetzt darauf aufmerksam machen wollte, daß das nicht der alleinige Beitrag für die Forschung auf dem Bausektor ist?

Dr. Lauritz Lauritzen (SPD):
Rede ID: ID0605219300
Sicherlich nicht, aber das schließt doch nicht aus, daß der Bund hier mehr tun muß. Hier liegt ein Gebiet vor, daß nach meiner Meinung fn der Vergangenheit vernachlässigt worden ist.
Ich möchte das aufgreifen, was Herr Kollege Jung gesagt hat. Es kommt nicht darauf an, Forschungsaufträge zu erteilen. Viel wichtiger ist die Auswertung der Forschungsergebnisse und die Weitergabe der Informationen an diejenigen, die es angeht, Bauträger, Bauwirtschaft usw., aber auch eine gewisse Bereitschaft derjenigen, die es angeht, sich von dem Herkömmlichen etwas frei zu machen, denn moderne Bauweise bedeutet nicht notwendig Uniformität und Monotomie. Man kann auch modern bauen, wenn den Architekten einmal etwas einfällt, mit den modernen Bauformen so schöpferisch zu gestalten, daß es uns auch gefällt. Ich glaube, hier muß von allen Seiten mehr verlangt werden als bisher.
Das sind die Dinge, auf die es nach meiner Meinung ganz entscheidend ankommt: mehr Wohnungen mit mehr öffentlichen Mitteln bauen, um auch zu tragbaren Mieten zu kommen; die anderen Belastungen durch ein wesentlich verbessertes Wohngeld abfangen und auf dem Gebiet der Entwicklung moderner Bauverfahren und -techniken weitere und entscheidende Fortschritte machen. Das sind langfristige klare Zielsetzungen. Die Vorschläge, die wir demgegenüber von der Opposition gehört haben — vergleichen Sie einmal die sechs Punkte in den Ausführungen von Herrn Erpenbeck miteinander —, sind doch in sich widerspruchsvoll, bedeuten im Grunde genommen ein Herumoperieren an Symptomen und helfen uns keinen Schritt weiter; denn mit dem, was Sie uns hier vorgeschlagen haben, wird nicht eine Wohnung mehr gebaut. Auch die Gesetzentwürfe der CDU/CSU reichen doch nicht aus. Wir haben im einzelnen schon darüber gesprochen. Sie behandeln nur partielle Probleme, nur Teilfragen, und sind daher nicht zulänglich.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Für die Bundesregierung sind der Städtebau und das Wohnungswesen Aufgaben von entscheidender politischer, vor allem gesellschaftspolitischer Bedeutung. Wir haben eine Städtebauförderungsgesetz vorgelegt, um endlich unsere Städte in Ordnung zu bringen. Der Entwurf dieses Gesetzes sieht Leistungen des Bundes für die ersten drei Jahre in Höhe von 450 Millionen DM vor. Wir haben ein zweites. Wohngeldgesetz vorgelegt, um die Mieter mit geringen Einkommen vor untragbaren Mietbelastungen zu schützen. Nach dem Entwurf dieses Gesetzes werden die Leistungen des Bundes und der Länder auf diesem Gebiet im Jahre 1971 um 360 Millionen DM, im Jahre 1972 um 440 Millionen DM, im Jahre 1973 um 480 Millionen DM steigen. Wir werden im Jahre 1973 auf dem Gebiet des Wohngeldes eine Jahresleistung von Bund und Ländern in Höhe von 1,8 Milliarden DM erreichen. Nun sagen Sie noch, es geschehe nichts auf diesem Gebiet! Da wird wirklich etwas getan.

(Abg. Mick: Das sind doch Zukunftsprognosen!)

— Das sind Gesetzentwürfe. Was heißt „Zukunftsprognosen" ? Wie sollen wir es denn anders machen? Gesetzentwürfe brauchen wir schon dazu. Aber wichtig ist doch, daß wir in der mittelfristigen Finanzplanung diese Beträge rechtzeitig einplanen, und das ist bereits geschehen. Wir haben die Grundzüge eines langfristigen Wohnungsbauprogramms entwickelt. Die Finanzierung wird im Haushalt 1971 und in der mittelfristigen Finanzplanung geregelt werden.
Meine Damen und Herren, das sind die tragenden Grundsätze unserer Städtebau- und Wohnungspolitik, und ich glaube, sie beweisen mit überzeugender Deutlichkeit, daß Städtebau und Wohnungsbau von der Bundesregierung nicht nur stärker als bisher gefördert werden sollen, sondern daß sie im Rahmen der Politik der inneren Reformen eine zentrale Stellung haben werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605219400
Meine Damen und Herren, ein Blick auf die Geschäftslage. Wir haben noch vier Wortmeldungen und noch gute 20 Minuten. Ich wäre dankbar, wenn jeder Redner wenigstens ein bißchen an den Nachfolgenden denken würde.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Henke.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0605219500
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage, die diese Debatte auslöste, und mehr noch die Argumente der Opposition können beim Unbefangenen den Eindruck hinterlassen, als ob die heutige Regierung für die



Henke
Situation auf dem Wohnungsmarkt verantwortlich wäre und nicht die früheren. Dies ist ja wohl auch das besondere Ziel des Antrages, und es paßt zur allgemeinen wirtschaftlichen Panikmache, meine Damen und Herren von der Opposition, die die Vertreter der CDU/CSU wohl mit Blick auf den 14. Juni dieses Jahres hier im Hause und draußen im Lande pflegen.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich weiß nicht, ob Sie gut beraten waren, als Sie sich gerade diesen Teilbereich der Wirtschaft zum Ziel einer besonderen Aktion nahmen; denn gerade dieser Teilmarkt — das zeigt ja die heutige Diskussion — bietet die Möglichkeit, sehr anschaulich darzustellen, daß die Lage, so wie sie heute ist, auf grundsätzliche Fehleinschätzungen der CDU/CSU schon Ende der 50er Jahre zurückzuführen ist. Damals glaubten Sie den Markt reif für eine Liberalisierung. Die Probleme des Wohnungsmarktes schienen Ihnen grundsätzlich gelöst zu sein. Dazu hat meine Kollegin Frau Meermann schon das Notwendige vorgetragen.
Die Große Anfrage der Opposition und Ihre heutigen Ausführungen dazu lassen nach meiner Auffassung nur einen Schluß zu: heute werden die Fehler der früheren Wohnungspolitik von ihren Urhebern eingestanden. Diese Debatte hat aber auch noch einen weiteren Vorzug. Sie gibt nämlich Gelegenheit, einiges von dem, was von Vertretern der Opposition und der beteiligten Verbände zur Lage am Baumarkt geäußert wurde, richtigzustellen. Ihre Anfrage wurde im wesentlichen durch die Diskontsatzerhöhung vom 9. März 1970 ausgelöst. In der Zwischenzeit haben Sie versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei dies die Ursache für alle Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt. Diese sehr isolierte Betrachtungsweise muß hier, so meine ich, richtiggestellt werden.
Die Wohnungspolitik ist für die SPD in erster Linie eine Aufgabe der Gesellschaftspolitik. Deshalb wenden wir nicht leichten Herzens allgemeine konjunkturpolitische Maßnahmen auf den Wohnungsmarkt an. Es ist aber leider nicht möglich, diesen Teilmarkt von der allgemeinen Wirtschaftslage zu isolieren. Wenn die Konjunktursituation, über deren Hintergründe ich hier nicht zu sprechen brauche, nachteilige Einflüsse auf den Wohnungsmarkt hat, können Maßnahmen zur Dämpfung der Konjunktur nicht an diesem Markt vorbeigehen. Im Gegenteil: die Folgen einer Marktüberhitzung über Baupreise auf Mieten und Belastungen zwingen zu Dämpfungsmaßnahmen.
Besonders erschwert wird die Lage durch Spätfolgen der Rezession. Herr Kollege Jung von der FDP ist ebenfalls darauf eingegangen. Diese Rezession geht ja wohl völlig unstreitig auf das Konto der heutigen Opposition. Personalmangel und Investitionsrückstände im Baumaschinensektor finden, wie wir heute wissen, hier ihre Erklärung.
Ein gewiß unverfänglicher Zeuge, die deutsche Bauindustrie, nimmt dazu in ihrem „Bauindustriebrief" vom März 1970 wie folgt Stellung — ich darf mit Genehmigung der Frau Präsidentin zitieren —:
Im Vergleich zum Juni 1966, als die ersten Anzeichen der Rezession sichtbar wurden, beträgt der Rückgang der Beschäftigten noch immer 8,1 %, für Arbeiter allein 8,7 %. Noch immer konnte also der schlagartige Rückgang der Bauarbeiterzahl in der Rezession nicht wieder aufgeholt werden.
Zum Bereich der Baumaschinen heißt es folgendermaßen:
Der Zugang an neuen Baumaschinen war etwa so hoch wie 1964. Er reichte allerdings nicht aus, um den durch die Investitionsschrumpfung der Jahre 1965 bis 1967 verursachten Rückschlag im Modernisierungsprozeß wieder auszugleichen.
Soweit die Bauindustrie.
Außerdem zeigt sich jetzt, daß die Bereitschaft zur Kooperation, Rationalisierung und Industrialisierung, die während der Rezession auf seiten der Bauwirtschaft durchaus bestand, auf Grund der veränderten Marktverhältnisse nicht mehr sonderlich groß ist. Zur Zeit ist es nicht möglich, auf diesem Wege Kapazitätsreserven zu mobilisieren. Hier, so meinen wir, sollte auch die Bauwirtschaft ihren Beitrag leisten. Durch Rationalisierung, Industrialisierung und Kooperation könnte der Preisentwicklung entgegengewirkt werden.
Der Anteil der Fertigbauweise im Wohnungsbau ist erstaunlich gering. Er betrug 1969 sage und schreibe 5,4 %. In den fünfziger Jahren, als vornehmlich in den Städten die Baulücken geschlossen wurden und besondere städtebauliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden mußten, war das vielleicht noch verständlich. Nachdem aber diese Wiederaufbauphase abgeschlossen ist und vornehmlich auf der berühmten grünen Wiese völlig neue Stadtteile entstehen, ist das nicht mehr verständlich.
Ich wage zu behaupten: wenn sich die übrige Wirtschaft den Rationalisierungsprozeß in der Bauwirtschaft zum Vorbild genommen hätte, würden wir heute nicht zu den führenden Industrienationen zählen. Es ist höchste Zeit, daß die Bauwirtschaft in großem Umfang zu industrieller Bauweise findet. Personallage, Zeitdruck, vor allem aber die Kostenentwicklung zwingen dazu. Wir freuen uns, daß die jetzige Bundesregierung durch gezielte Maßnahmen solche Entwicklungen fördern will.
Die stürmische Entwicklung auf dem Baumarkt zeichnete sich bereits 1968 ab. Der in der Rezessionszeit aufgestaute Investitionsbedarf und die günstige Konjunkturentwicklung trieben die Baupreise sprunghaft in die Höhe. Die Statistik weist von Februar 1969 bis Februar 1970 Baupreiserhöhungen von 15 % aus. Hier muß aber gesehen werden, daß die statistische Preiserhöhungsquote in den Ballungsräumen erheblich übertroffen wird. Hier stimme ich den Ausführungen des Kollegen Erpenbeck zu.
In den meisten Großstädten hat der hohe Investitionsbedarf im Bausektor Preiserhöhungen nach sich gezogen, die zum Teil mehr als doppelt so hoch liegen. In manchen Gewerken kommt es vor, daß von zehn Ausschreibungen nur zwei zurückkommen.



Henke
Hier kann der Markt nicht mehr funktionieren. Ob die Baupreise in solchen Fällen noch sorgfältig kalkuliert worden sind, muß bezweifelt werden. Die Marktpreise liegen zum Teil ganz !erheblich über den Vergleichspreisen aus Vorjahren, die man selbstverständlich um die kostensteigernden Faktoren — Lohn-, Materialpreis- und sonstige Steigerungen - hochgerechnet hat.
Wenn dabei die Folgen der Rezession, unter anderem eine gewisse Stagnation bei den Tarifen im Baugewerbe, jetzt ausgeglichen wurden, so erscheint uns dies erwünscht und um so notwendiger, weil dieser Wirtschaftszweig im Interesse der gesamten Volkswirtschaft für die in ihm Beschäftigten wieder attraktiv gemacht werden muß.

(der Preisweile auf dem Baumarkt führen. Die SPD-Fraktion steht deshalb hinter der Entscheidung der Bundesbank, durch eine Erhöhung des Diskontsatzes die konjunkturelle Lage entspannen zu helfen. Der Effekt der Diskontsatzerhöhung, dämpfend auf die Investitionsneigung im Baubereich zu wirken, ist konjunkturpolitisch erwünscht. Ein „Bauloch" im Herbst befürchten wir nicht. Die Auftragspolster, d. h. die auf Grund des langen Winters überdurchschnittlichen Überhänge, ungebrochene Nachfrage und die Möglichkeit der Konjunktursteuerung durch die öffentlichen Haushalte wirken dem entgegen. Es scheint mir notwendig zu sein, an dieser Stelle auf die Ausführungen des Kollegen Erpenbeck zurückzukommen. Er meinte, daß im Kabinett von Nordrhein-Westfalen Beschlüsse gefaßt worden seien, die den sozialen Wohnungsbau zum Erliegen gebracht hätten. Ähnliches erwähnte er in bezug auf Hamburg. Diese Interpretation zwingt mich dazu, die Begründung zu dem Beschluß des nordrhein-westfälischen Kabinetts hier wenigstens teilweise zu zitieren — ich bitte dazu um Genehmigung, Frau Präsidentin —: 1. Es soll vermieden werden, daß den konjunkturpolitischen Überlegungen in diesem Zeitpunkt auf einem Teilsektor der Wirtschaft entgegengewirkt wird. Dabei werden die Schwierigkeiten, die zur Zeit für die Wohnungswirtschaft bestehen, nicht verkannt. 2. Den in letzter Zeit sichtbar gewordenen Preisauftriebstendenzen soll durch den Beschluß der Landesregierung auch auf dem Gebiet des Wohnungsbaus mit Einbast geboten werden. Dabei wird die Landesregierung ihren Beitrag zur Preisstabilität leisten. Dann werden ganz beachtliche Zahlen genannt. Es war vorgesehen, von 1967 bis 1970 in Nordrhein-Westfalen 200 000 öffentlich geförderte Wohnungen zu schaffen. In .der Tat sind heute bereits etwa 214 000 Wohnungen gebaut worden. Von daher bestehen also keine Gründe, Bedenken anzumelden. Des weiteren wird in dieser Begründung zum Schluß festgestellt, daß die Bauwirtschaft, insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen, vollauf beschäftigt ist, daß Bauüberhänge in beachtlicher Zahl vorhanden sind und nicht anzunehmen ist, daß sich dieser Beschluß negativ auf die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt auswirken wird. Am Ende wird gesagt: Wegen der aus gesamtwirtschaftlicher Sicht und aus Preisstabilitätsgründen notwendigen zeitlich begrenzten Verlangsamung des sozialen Wohnungsbaus werden somit in der künftigen Wohnraumversorgung keine Schwierigkeiten eintreten. Ich glaube, meine Damen und Herren, das hört sich schon ganz anders an als die Ausführungen, die Kollege Erpenbeck dazu gemacht hat. (Abg. Erpenbeck: Aber die Tatsache bleibt bestehen!)

Herr Kollege Erpenbeck, zu dem, was Sie zu Hamburg sagten. Ich habe zufällig hier eine Auskunft aus dem Senat für Wohnungswesen in Hamburg, die ich auszugsweise zitieren kann.

(Abg. Erpenbeck: Ganz zufällig? — Abg. Mick: Zitieren Sie mal Herrn Nevermann!)

— Herr Erpenbeck, wir bereiten uns natürlich auf eine solche Debatte auch vor. — Da heißt es:
1. Hamburg hat die Förderung des sozialen Wohnungsbaus nicht eingestellt. In diesem Jahr wurden bereits 1100 Sozialwohnungen gefördert. Das Hamburger Programm sieht für 1970 die Förderung von insgesamt 6000 Sozialwohnungen vor.
2. Richtig ist, daß Hamburg als Maßnahme der Konjunkturdämpfung bis 1. Juli nur solche Bauvorhaben fördert, deren Gesamtkosten 900 DM pro Quadratmeter nicht übersteigen und bei denen eine Miete von 3,50 DM pro Quadratmeter sichergestellt ist.
3. — Das scheint mir entscheidend zu sein. —
Hamburg hält diese konjunkturdämpfende Maßnahme auch wohnungspolitisch für vertretbar, da am Jahresende 1969 ein Bauüberhang von mehr als 12 000 Wohnungen bestand.
Nordrhein-Westfalen und Hamburg unterstützen also die Politik dieser Bundesregierung.

(Abg. Erpenbeck: Jetzt zitieren Sie Nevermann!)

— Das überlasse ich Ihnen, wenn Sie das Bedürfnis haben.

(Abg. Mick: Ist doch kein Mann von uns, der Nevermann!)

— Darauf komme ich vielleicht später zurück.
In den letzten Wochen sind die Folgen der Diskontsatzerhöhung teilweise nicht korrekt erläutert worden. Das hat zu Mißdeutungen in der Öffentlichkeit geführt. Auch in diesem Hause — jetzt zitiere ich Sie, Herr Mick, wenn auch nicht ganz wörtlich — haben Sie am 13. März 1970 erklärt, daß eine Diskontsatzerhöhung um 1 % eine 8%ige Baukosten-



Henke
erhöhung nach sich ziehen würde. Haben Sie sich überlegt, Herr Mick, wie sich die Baupreise entwickeln würden, wenn die Bauwirtschaft solchen Empfehlungen Folge leistete?

(Zuruf des Abg. Mick.) — Sehen Sie die Niederschrift nach.

In noch weitergehender Vereinfachung schlossen auch Hauseigentümer aus der damaligen Diskussion, 8%ige Mieterhöhungen seien als Folge gerechtfertigt. Gestatten Sie mir deshalb, daß ich die tatsächlichen Folgen einer Diskontsatzerhöhung für Baupreise und Mieten etwas präzisiere.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605219600
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick? — Bitte schön!

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605219700
Ist ihnen bekannt, daß ich diese Zahlen vom Verband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen habe?

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0605219800
Sie haben die Auskunft dieses Verbandes mißverstanden. Sie werden das aus meinen weiteren Ausführungen entnehmen können, Herr Mick.
Die von Ihnen falsch interpretierte Faustregel der Wohnungswirtschaft geht nicht vom Diskontsatz-, sondern von Hypothekenzinserhöhungen aus. Sie folgert, daß eine Hypothekenzinserhöhung um 1 % in der Auswirkung auf die Miete einer 8%igen Baukostenverteuerung gleichzustellen sei. Solche Verallgemeinerungen sind aber meistens gefährlich. Das Beispiel geht offensichtlich von einem Haus mit hoher Hypothekenbelastung aus. Bei öffentlich geförderten Häusern ist das Ergebnis wegen der zinsfreien öffentlichen Mittel erheblich geringer.
Um ein Beispiel zu nennen: Eine große Kölner Wohnungsgesellschaft — ich nenne sie Ihnen später gerne, Herr Mick — hat nach der letzten Hypothekenzinserhöhung die Mieten im davon betroffenen Teil ihrers Wohnungsbestandse um 3 bis 9 Pf erhöht. erhöht.
Diskontsatzerhöhungen treffen Baupreise doch nur, wenn Bauherren Zwischenkredite oder Bauunternehmer Bankkredite in Anspruch nehmen. Eine daraus resultierende Erhöhung der Baukosten kann jedoch nur relativ gering sein. Beim sozialen Wohnungsbau ist das Auszahlungssystem der öffentlichen Mittel so gestaltet, daß nur in ganz seltenen Fällen Bauzwischenkredite in Anspruch genommen werden müssen. Eine nennenswerte Erhöhung der Baukosten als Folge der Erhöhung des Diskontsatzes tritt demnach grundsätzlich nicht ein.
Anders ist die Wirkung bei den Kapitalkosten. Obwohl der Diskontsatz die Funktion eines Richtzinses nur für den Geldmarkt hat, wirkt er zum Teil auf den Spareckzins und damit in einen Teilbereich des Kapitalmarktes. Eine Diskontsatzerhöhung bewirkt keinesfalls eine allgemeine Hypothekenzinserhöhung und damit auch nicht automatisch eine allgemeine Mieterhöhung. Voll betroffen von den Diskontsatzerhöhungen werden nur Neubauvorhaben, die mit Hypotheken zu variablen Zinssätzen finanziert worden ist. Die große Masse der Wohnungsbestandes von 21 Millionen Wohnungen bleibt dagegen von der Diskontsatzerhöhung unberührt.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605219900
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mick? —
Bitte schön!

Josef Mick (CDU):
Rede ID: ID0605220000
Ist Ihnen nicht bekannt — ich konnte das in meiner Rede eben nicht sagen, weil die Zeit überschritten war —, daß z. B. die Altbauwohnungen, soweit sie lastenfrei waren, von den Wohnungsunternehmen wieder bis unter den Kamin mit Hypotheken vollgepfropft worden sind, um Eigenkapital für den Neubau zu bekommen, daß also diese Rückwirkungen auch auf weite Teile des Altwohnungsbaubestandes zutreffen?

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0605220100
Herr Mick, ich weiß nicht, ob es ohne weiteres zulässig ist, daß solche das Objekt nicht direkt betreffenden Belastungen auf die Mieterschaft abgewälzt werden. Ich bin mir nicht ganz klar, ob das der Rechtslage entspricht, was Sie hier vortragen; ich bezweifle es stark.
Bei den etwa 10 Millionen Altbauwohnungen bestehen keine hypothekarischen Belastungen mehr, mit Ausnahme des kleinen Teils der Modernisierungsfälle. Der Neuwohnungsbestand ist im frei finanzierten Bereich kaum betroffen, da die Mietverträge in der Regel Erhöhungen nicht zulassen. Der Block der etwa 5 Millionen Sozialwohnungen wird ebenfalls nicht betroffen, soweit die Wohnungen mit Festzinshypotheken finanziert wurden. Nur der geringere Teil der Sozialwohnungen ist über Hypotheken mit variablen Zinssätzen finanziert worden und wird betroffen.

(Abg. Erpenbeck: 46 %!)

Auch das ist der geringere Teil, wobei die Statistik ausweist, daß das in den letzten Jahren zwischen 36 und 45 % schwankt.

(Abg. Erpenbeck: Es gibt ganz genaue Zahlen!)

— Aber darüber wollen wir uns nicht streiten. Es ist auf jeden Fall der geringere Teil. — Hierbei sollte man nicht vergessen, daß die Hypotheken bereits in erheblichem Umfang getilgt worden sind. Die Zinserhöhung trifft nur die Resthypotheken.
Diese Ausführungen sollen nachweisen, daß sich die Folgen der Diskontsatzerhöhung über Hypothekenzinserhöhungen sehr differenziert auf die Mieten auswirken und daß verallgemeinernde Aussagen unzulässig sind. Maßgebend sind ganz allgemein die Konsequenzen, die die betroffene Sparkasse zieht, im besonderen Fall der Finanzierungsplan eines Hauses und nicht zuletzt die Bestimmungen des Mietvertrages.
Im übrigen ist es keinesfalls so, daß die Sparkassen Diskontsatzerhöhungen unmittelbar über den Spareckzins auf die Hypothekenzinsen übertragen.



Henke
Dies darf ich am Beispiel von zwei großen Kölner Sparkassen verdeutlichen; Herr Mick, Sie wissen ja da bestens Bescheid. Am 1. Januar 1969 lag der Diskontsatz bei 3 %, der Spareckzins bei 3,5 % und der Zinssatz für Hypotheken bei 6,75 %. Am 11. September 1969, also noch vor der letzten Bundestagswahl, wurde der Diskontsatz auf 6 % erhöht. Dies führte am 1. Februar 1970 zu einer weiteren Erhöhung des Eckzinses auf 4,5 % und des Hypothekenzinses auf 8 %.
Die letzte Erhöhung des Diskontsatzes vom 9. März 1970 auf 7,5 % beeinflußte den Spareckzins am 1. 4. 1970 mit einer Erhöhung auf 5 %. Beide von mir angeführten Kölner Institute haben aber nicht die Absicht, diese letzte Diskontsatzerhöhung zum Anlaß zu nehmen, den Zinssatz für Althypotheken noch weiter zu erhöhen.

(Abg. Erpenbeck: Wie hoch ist er denn?)

— 8 %! Das war er aber auf Grund der Diskontsatzerhöhung des Vorjahres, Herr Erpenbeck. —
An diesem Beispiel wird deutlich, ,daß ,die hinter uns liegenden Hypothekenzinserhöhungen auf die 3%ige Diskontsatzerhöhung des Vorjahres, noch unter der Richtlinienkompetenz des damaligen Bundeskanzlers Kiesinger, zurückzuführen sind. Es macht aber weiter deutlich, daß 1 % Diskontsatzerhöhung nicht gleichbedeutend mit 1 % Hypothekenzinserhöhung ist. Eine 3,5%ige Erhöhung des Diskonsatzes hat nur eine 1,25%ige Erhöhung der Hypothekenzinsen nach sich gezogen, und das dazu noch mit deutlicher zeitlicher Verzögerung.
Ich bitte um Verständnis, daß ich das hier etwas breit ausgewalzt habe. Wegen der u. a. durch die CDU/CSU in der Öffentlichkeit hervorgerufenen Mißverständnisse schien es mir aber notwendig zu sein.
Zusammenfassend darf ich sagen: Die Hypothekenzinserhöhung wirkt auf die Mieten nur in Teilen des Wohnungsmarktes, und hier sehr unterschiedlich, vor allem nicht so schwerwiegend, wie es teilweise von Politikern und Hauseigentümern dargestellt wird. Eine Mieterhöhung in Teilbereichen des Wohnungsmarktes als nicht vermeidbare Folge konjunktureller Dämpfungsmaßnahmen haben wir im Interesse vernünftiger Baupreise und sozial vertretbarer Mieten leider hinnehmen müssen.
Wir glauben, dies vertreten zu können, da wir davon ausgehen, daß eine Marktberuhigung zur Senkung der Hypothekenzinsen und damit zur Zurücknahme eventuell jetzt ausgesprochener Mieterhöhungen führt. Ich teile nicht die Auffassung der Opposition, daß eine Zurücknahme nicht zu erwarten sei. Dies widerspricht aller Erfahrung, die wir in den letzten 20 Jahren in diesem Marktbereich gemacht haben, und entspricht vor allen Dingen nicht der Rechtslage, die vom Kostenmietenprinzip ausgeht.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen.

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605220200
Darum muß ich leider bitten. Herr Kollege, wir sind am Ende der vereinbarten Zeit und wir sollten der antragstellenden Fraktion wenigstens noch drei Minuten geben.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0605220300
Frau Präsidentin, ich hatte an sich geglaubt — —

Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605220400
Ja, Sie hatten verlängerte Redezeit. Ich kann Sie deshalb jetzt nur um Verständnis bitten. Aber ich glaube, das sollten wir um des Abschlusses der Debatte willen tun.

Erich Henke (SPD):
Rede ID: ID0605220500
Ich werde mich danach richten.
Der Wohnungsmarkt ist nur deshalb von einer Hochkonjunktur und den zur Dämpfung notwendigen Maßnahmenstärker berührt, weil wir keinen ausgeglichenen Markt haben, wie Sie es, meine Damen und Herren von der Opposition, seit vielen Jahren unterstellen. Am Wohnungsmarkt herrscht nach wie vor eine echte Mangelsituation. Mir scheint, daß in Ihrer Großen Anfrage das Eingeständnis früherer Fehleinschätzungen liegt und daß Sie heute bereit sind, unserer Beurteilung der Lage zu folgen. Wir hoffen deshalb auf Ihre Unterstützung bei den anstehenden Gesetzgebungswerken, die zumindest langfristig dazu beitragen sollen, den Wohnungsmarkt zu beruhigen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605220600
Herr Abgeordneter Henke hat soeben seine Jungfernrede gehalten. Herzlichen Glückwunsch des Hauses, Herr Kollege!

(Beifall.)

Das Wort hat der Kollege Erpenbeck.

Ferdinand Erpenbeck (CDU):
Rede ID: ID0605220700
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir würden den Anregungen und den Vorstellungen der Regierungskoalition und des Bundeswohnungsbauministeriums in Wohnungsbaufragen gerne folgen, wie mein Vorredner gesagt hat, wenn uns zur Bewältigung der gegenwärtigen Situation — Frau Kollegin Meermann hat ja immer von der Gegenwart und der gegenwärtigen 'Situation gesprochen — auch nur im geringsten echte Anregungen .geboten würden. Lassen Sie mich zu dem, was der Herr Minister hier vorgetragen hat, nur ganz wenige Erklärungen abgeben; mir ist gesagt worden, ich habe für dieses abschließende Wort drei Minuten Zeit.
Erstens, Herr Minister, zum Zeitpunkt der Beratung. Wenn Sie das Protokoll nachlesen, werden Sie sehen, daß ich Ihnen und der Bundesregierung keinen pauschalen Vorwurf gemacht habe. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, daß wir erst neun Wochen nach Einbringung der Großen Anfrage in diesem Hause heute zu der Debatte kommen und daß wir, insgesamt gesehen, in diesem Hause bislang nicht immer die notwendige Zeit bekommen haben für wohnungspolitische und wohnungsbaupolitische Fragen, wichtige Fragen, die heute mehrfach als gesellschaftspolitische Fragen herausgestellt worden sind. Ich darf das vielleicht auch einmal als Kritik anbringen.



Erpenbeck
Der Widerspruch zwischen den Forderungen der Konjunktursteuerung insgesamt und der notwendigen Unterstützung des sozialen Wohnungsbaues ist unserer Meinung nach, Herr Minister, durchaus aufzulösen. Hier kommt es eben auf die Prioritäten an. Ihr Ministerkollege Herr Leber hat auf dem SPD-Parteitag in Saarbrücken bei der Prioritätenfrage zu einem Bibelzitat gegriffen, um das deutlich zu machen. Aber der ägyptische Joseph hatte damals immerhin noch eine Ziege unten in der Zisterne, die ihm ein Überleben sicherte. Herr Leber hat dieses Zitat, wenn die Zeitungen richtig berichtet haben, auf die Wissenschafts- und Bildungspolitik angewandt und gesagt, das werde man mit Herrn Leussink natürlich nicht tun, da man genügend gebildet sei. Meine Damen und Herren, hier geht es um den Wohnungsbau. Er liegt in diesem Augenblick in der Zisterne und findet nicht einmal die Ziege vor, die ihm idas Überleben sichert.
Herr Minister, in Ihrer Rede klang der Versuch an, die Situation im sozialen Wohnungsbau herunterzuspielen und so zu tun, als könnte allein mit Bausparkassenmitteln jetzt lustig weitergebaut werden. Sie wissen doch genausogut wie ich, daß die Bausparkassenmittel nicht den Löwenanteil am gesamten Kreditvolumen haben. Ihr Anteil ist zwar Gott sei Dank erheblich, aber sicherlich nicht so groß, damit wir damit den sozialen Wohnungsbau weitertreiben könnten.
Sie werfen uns Dramatisierung der derzeitigen Situation vor. Ich muß Ihnen, Herr Minister, leider nicht nur Dramatisierung, sondern unzulässige Vergröberung bei der Darstellung der tatsächlichen Wohnungsversorgung und ihrer Ursachen vorwerfen. Herr Minister, Sie haben hier so sehr mit Statistiken gearbeitet. Statistiken können selbstverständlich auch dem Politiker Entscheidungshilfen bieten. Aber letzten Endes ist es in den vergangenen zwanzig Jahren darauf angekommen und kommt es in den vor uns liegenden zwanzig Jahren darauf an, Wohnungen für die Menschen zu bauen.

(Abg. Lücke [Bensberg]: Sehr richtig!)

Die Menschen, die heute auch nach Ihrer Feststellung plötzlich keine Wohnung haben, müssen versorgt werden. Aber ich frage: wie sind sie bisher versorgt worden? Da sollte das Ministerium vielleicht noch einiges mehr tun. In der schriftlichen Antwort geben Sie selber den Hinweis auf die Möglichkeiten der Anpassung unserer Gesetze. Vor allem diese Anpassungsmöglichkeiten sollte man nun auch wirklich nutzen.
Ich hätte hier sehr gern etwas über das gehört, was Sie bis zum nächsten Jahr zur Milderung der Härten tun wollen, und über das, was Sie zusätzlich bis zum Anlaufen des langfristigen Wohnungsbauprogramms, das Sie hier ja wieder zitiert haben, tun wollen. Ich fürchte, daß die Langfristigkeit sich zunächst einmal auf das Warten bezieht, hoffentlich dann später auch einmal auf die tatsächlichen Wohnungsbaumaßnahmen.
Wie ist es denn mit den Rechtsverordnungen — dazu haben wir kein Wort gehört —, zu denen die
Gesetze Sie ermächtigen? Zehn Millionen Wohnungen — ich hatte es schon vorher gesagt — sprechen für sich; nicht so, als ob wir jetzt damit zufrieden wären und meinten, es brauche nichts mehr getan zu werden. Dann hätten wir die Große Anfrage nicht gestellt. Heute geht es nicht nur um das Mehrbauen, sondern heute geht es auch darum, wie wir weiterbauen, und vor allen Dingen darum, wie diejenigen, die schon gebaut haben und eine Wohnung haben, die Lasten überhaupt weiterhin verkraften können, die sie im Augenblick zu tragen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dazu hätten wir etwas hören müssen, und nicht nur ein Blick in die Zukunft.
Hier ist das Wort von der Wohnungsbaupolitik als Gesellschaftspolitik mehrfach bemüht worden. Darf ich daran erinnern, daß dieses Wort in die parlamentarische Diskussion dieses Hauses vor Jahren — man könnte beinahe sagen: vor langen Jahren — von Herrn Lücke eingeführt worden ist und von keinem anderen. Wir vergessen das nicht, auch wenn Sie es sich heute noch so sehr auch zu eigen gemacht haben; dafür sind wir außerordentlich dankbar. Wir wollen versuchen — so komme ich versöhnlich zu dem zurück, was mein Herr Vorredner gesagt hat —, unter diesem Gesichtswinkel Wohnungsbaupolitik der Zukunft und auch der nächsten Jahre zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Liselotte Funcke (FDP):
Rede ID: ID0605220800
Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes. Anträge liegen nicht vor.
Ich darf eine kurze Mitteilung geben. Der Innenausschuß tagt wegen der Fraktionssitzung der CDU/ CSU weder heute noch morgen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung der Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz

(2. Unterhaltshilfe-Anpassungsgesetz —2. UAG)

— Drucksachen VI/584, zu VI/584 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (7. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache VI/782 —
Berichterstatter: Abgeordneter Hermsdorf (Cuxhaven)

b) Schriftlicher Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuß)

- Drucksache VI/781 —Berichterstatter: Abgeordneter Freiherr von Fircks

(Erste Beratung 42. Sitzung)

Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich rufe in zweiter Lesung § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enhaltungen? — Es ist so beschlossen.



Vizepräsident Frau Funcke
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer diesem Gesetz in dritter Lesung seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir müssen noch über die Anträge des Ausschusses unter den Ziffern 2 und 3 — ebenfalls in der Vorlage — abstimmen. Wer diesen Anträgen des Ausschusses die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ichrufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand
— Drucksache VI/509 —
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (5. Ausschuß)

— Drucksache VI/794 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmude Abgeordneter Pohlmann

(Erste Beratung 39. Sitzung)

Wer in zweiter Lesung dem Gesetzentwurf — § 1, § 2, § 3, Einleitung und Überschrift — zustimmen will, ,den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und zur Schlußabstimmung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! —Enthaltungen? —Es ist so beschlossen.
Ich rufe die Punkte 6 bis 13 auf. Es handelt sich um von Mitgliedern des Hauses und von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwürfe. Das Wort Wird nicht gewünscht. Über die Überweisungsvorschläge ist abzustimmen:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes
— Drucksache VI/744 —
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an ,den Innenausschuß vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hirsch, Dichgans, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Beamtenrechtsrahmengesetzes
— Drucksache VI/775 —
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Innenausschuß —federführend — und an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. Mai 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Schadendeckung bei Verkehrsunfällen
- Drucksache VI/780 -
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen vor. — Kein Widerspruch; eis ist so beschlossen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Termins für die Vorlage des Entwurfs des Rentenanpassungsgesetzes
— Drucksache VI/792 —
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vor. — Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Erste Beratung des von ,der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 128 .der Internationalen Arbeitsorganisation vom 29. Juni 1967 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene
- Drucksache VI/793 —
Der Ältestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über vermögenswirksame Leistungen
— Drucksache VI/797 —
Der Ausschuß schlägt Überweisung an den Innenausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Zweites Anpassungsgesetz — KOV — 2. AnpG-KOV)

— Drucksache VI/798 —
Der Ausschuß schlägt Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zerlegungsgesetzes
— Drucksache VI/802 —
Der Ausschuß schlägt Überweisung an den Finanzausschuß vor. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.



Vizepräsident Frau Funcke
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 bis 16 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bardens, Dr. Bechert (Gau-Algesheim), Bay, Dr. Schmidt (Krefeld), Grüner, Jung, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Dr. Rutschke und der Fraktionen der SPD, FDP
betr. thermische Belastung von Gewässern durch Kernkraftwerke
— Drucksache VI/740 —
Beratung des Antrags der Abgeordneten Liehr, Schmidt (Kempten) und der Fraktionen der SPD, FDP
betr. berufliche Bildung
— Drucksache VI/741 —
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen
betr. Entlastung der Bundesregierung wegen der Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1968
— Drucksache VI/787 —
Das Wort wird nicht gewünscht.
Zu Punkt 14 ist Überweisung an den Innenausschuß — federführend — und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft vorgeschlagen, zu Punkt 15 Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend — und den Ausschuß für Bildung und Wissenschaft und zu Punkt 16 Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Ich höre keinen Widerspruch; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft (8. Ausschuß) über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der EG für eine Richtlinie des Rates über die Einführung einer gemeinsamen Police für mittel- und langfristige Geschäfte mit privaten Käufern
— Drucksachen VI/232, VI/746 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs
Wer dem Ausschußantrag zu dieser Vorlage zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 3 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
- Drucksache VI/753 —
b) Beratung der Sammelübersicht 4 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen
— Drucksache VI/779 —
Wer dem Antrag des Ausschusses zu diesen beiden Vorlagen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnungspunkte für den heutigen Tag.
Wir kommen zur
1. Fragestunde
— Drucksache VI/809 —

(Vorsitz: Präsident von Hassel.)


Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605220900
Meine Damen und Herren, es ist angeregt worden, daß wir die Fragestunde mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung beginnen und danach den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern aufrufen.
Zunächst die Fragen 49 und 50. Sie sind vom Fragesteller zurückgezogen.
Es folgen die Fragen 51 und 52 des Abgeordneten Dr. Beermann. — Ist der Abgeordnete im Saal? — Das ist nicht der Fall. Die Fragen 51 und 52 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 53 des Abgeordneten Varelmann auf:
Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß die Altersrentner an den Heilmaßnahmen der Rentenversicherung nicht beteiligt sind, und ist eine Änderung in Aussicht genommen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rohde.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605221000
Herr Präsident, ich darf bitten, beide Fragen des Fragestellers gemeinsam beantworten zu können.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605221100
Bestehen Bedenken? — Keine Bedenken. Ich rufe also noch die Frage 54 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die derzeitige Regelung sowohl von den Arbeitgebern als auch von den Arbeitnehmern eine harte Kritik findet, und man die Ausschließung der Rentner von Heilmaßnahmen nach einer langen Versicherungszeit nicht für vertretbar hält?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605221200
Ihre Fragen, Herr Kollege, beziehen sich offenbar auf die Altersrentner, denn die Empfänger von Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit sind an den Rehabilitationsmaßnahmen der Rentenversicherung beteiligt. Für die Altersrentner dagegen hat, wie Sie sicherlich wissen, der frühere, Ihrer Fraktion angehörige Arbeitsminister die Gewährung von Heilverfahren aus finanziellen Gründen abgelehnt.
Altersrentner sind durch die bisherige gesetzliche Regelung, die mit Ihrer Zustimmung beschlossen worden ist, von Heilverfahren der Rentenversicherungsträger mit der Begründung ausgeschlossen worden, daß bei diesem. Personenkreis nach Ausscheiden aus dem Arbeitsleben eine Maßnahme zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nicht mehr in Betracht komme.
Diese Regelung wird von Rentnern — wie ich meine, mit guten Gründen — als unbillig empfunden.



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
Von einer harten Kritik z. B. der Arbeitgeber, von der Sie in Ihrer Frage sprechen, Herr Kollege, ist mir bisher allerdings nichts bekanntgeworden. Trotzdem hat die jetzige Bundesregierung für das Anliegen der Rentner Verständnis und hält grundsätzlich die Gewährung von Heilverfahren auch an Altersrentner für erstrebenswert. In diesem Zusammenhang ist jedoch eine Reihe von medizinischen, finanziellen und rechtlichen Fragen zu klären. Wir werden diesen Fragenkomplex daher bei nächster Gelegenheit auch mit den Rentenversicherungsträgern erörtern.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605221300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0605221400
Herr Staatssekretär, als Mitglied der Selbstverwaltung der Rentenversicherung habe ich gerade von Arbeitgebern eine harte Kritik an dem derzeitigen Rechtszustand gehört. Man sagte, mit der derzeitigen Handhabung werde bei dem Rentner der Eindruck erweckt: Jetzt sind wir altes Eisen, das nur noch verrosten kann.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605221500
Verehrter Herr Kollege, wir warten auf die Frage.
Varelmann: Ich komme nun zu der Frage. Herr Staatssekretär, haben sich nicht die Verhältnisse gegenüber dem Zustand vor etwa 15 Jahren nun doch so wesentlich verändert, daß man die damalige Regelung langsam als überholt bezeichnen muß?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605221600
Herr Kollege, ich nehme zunächst Ihre Information über die Haltung der Arbeitgeber zur Kenntnis, möchte aber betonen, daß die bis heute bestehenden Regelungen auch in Erklärungen, die vom Arbeitsministerium noch vor wenigen Jahren abgegeben worden sind, noch einmal unterstrichen wurden. Ich habe in meiner Antwort darauf hingewiesen, daß wir uns bemühen werden, diese Regelungen im Gespräch mit den Rentenversicherungsträgern im Sinne einer besseren Entwicklung zu erörtern.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605221700
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Varelmann.

Franz Varelmann (CDU):
Rede ID: ID0605221800
Herr Staatssekretär, aus Ihren Ausführungen habe ich den Eindruck gewonnen, daß sich das Arbeitsministerium neuen Bestrebungen im Hinblick auf eine Änderung der Regelungen über die Gewährung von Heilmaßnahmen für Altersrentner nicht widersetzen würde.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605221900
Herr Kollege, das Arbeitsministerium ist bestrebt, neueren Erfahrungen auf vielen Gebieten 'Rechnung zu tragen und manches aus der Vergangenheit aufzuarbeiten. Diese Frage gehört dazu.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605222000
Wir kommen zu den Fragen 55 und 56 des Abgeordneten Dr. Unland. Ist der Abgeordnete im Saal? — Er ist nicht im Saal. Dann werden die Fragen 55 und 56 schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 57 des Abgeordneten Dr. Hermesdorf (Sehleiden) auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Arbeitgebern, die behinderten Jugendlichen geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten bieten oder im Rahmen einer Berufsausbildung geeignete behinderte Jugendliche, die eine Sonderschule absolviert haben, in Lehr- oder Anlernstellen übernehmen, Steuervergünstigungen zu gewähren, oder welche anderen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, Anreize für Arbeitgeber zu schaffen, diese Jugendlichen in geeignete Lehr-, Anlern- oder Arbeitsstellen zu übernehmen?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605222100
Herr Kollege, durch das am 1. Juli 1969 in Kraft getretene Arbeitsförderungsgesetz ist die Bundesanstalt für Arbeit in die Lage versetzt worden, zur beruflichen Eingliederung behinderter Jugendlicher einen ganzen Katalog von Hilfen zu gewähren. Zu diesen Hilfen gehören auch Leistungen an Arbeitgeber, um für die Ausbildung oder Beschäftigung von jugendlichen Behinderten einen Anreiz zu schaffen. Folgende Leistungen kommen hier in Betracht.
Erstens: Ausbildungszuschüsse an Arbeitgeber, die einen behinderten Jugendlichen in einem Ausbildungsberuf ausbilden.
Zweitens: Einarbeitungszuschüsse an Arbeitgeber, wenn der Behinderte die volle Leistung am Arbeitsplatz erst nach einer Einarbeitungszeit erreicht.
Drittens: Eingliederungshilfen in Form von Darlehen und Zuschüssen an diejenigen Arbeitgeber, die einen Behinderten beschäftigen, dessen Unterbringung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes erschwert ist.
Viertens: Gewährung von Darlehen und Zuschüssen für den Aufbau und die Ausstattung von besonderen Werkstätten für Behinderte.
Die Einzelheiten, insbesondere Dauer und Höhe dieser Leistungen, werden in einer Anordnung geregelt, die der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit erläßt. Es ist zu erwarten, daß diese Anordnung Anfang Juli vom Verwaltungsrat verabschiedet wird.
Bei dieser Sachlage ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die genannten Hilfen des Arbeitsförderungsgesetzes sehr viel besser als steuerliche Maßnahmen geeignet sind, die Beschäftigung behinderter Jugendlicher zu fördern. Allerdings, Herr Kollege — das will ich in diesem Zusammenhang hinzufügen — steht die Schwere der Behinderung in vielen Fällen einer sofortigen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt entgegen. Die Berufsausbildung der schwerbehinderten Jugendlichen geschieht deshalb überwiegend in besonderen Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation, in Berufsförderungswerken oder in Werkstätten für Behin-



Parlamentarischer Staatssekretär Rohde
derte, die durch das Rehabilitationsprogramm der Bundesregierung in Zukunft besonders gefördert werden sollen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605222200
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hermesdorf.

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0605222300
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung auch bereit, auf die Länder einzuwirken, das berufsbildende Schulwesen im Sonderschulbereich weiter auszubauen, damit die eben von Ihnen geschilderten Möglichkeiten der Lehrlingsausbildung von den behinderten Jugendlichen auch genutzt werden können?

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605222400
Herr Kollege, ich glaube, daß diese von Ihnen mit Recht aufgeworfene Frage in der Bund-Länder-Kommission, deren Einrichtung in Aussicht genommen ist und die sich mit gemeinsamen Fragen des Bildungswesens beschäftigen wird, erörtert werden wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605222500
Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hermesdorf.

Dr. Herbert Hermesdorf (CDU):
Rede ID: ID0605222600
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung beabsichtigt also nicht, Arbeitgebern, die behinderte Jugendliche
einstellen, Steuervergünstigungen zu gewähren.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605222700
Herr Kollege, ich habe unterstrichen, daß wir auf Grund der bisherigen Erfahrungen den Eindruck gewonnen haben und auch von Fachleuten darin bestärkt worden sind, daß die im Arbeitsförderungsgesetz genannten Maßnahmen besonders gezielt wirken können. Hinzu kommt, daß wir die Absicht haben, die Einrichtungen für die berufliche Rehabilitation von behinderten Jugendlichen in Zahl und Ausstattung zu fördern.
Schließlich haben wir auch die Absicht, in das Schwerbeschädigtengesetz, mit dessen Novellierung mein Haus sich zur Zeit befaßt, Bestimmungen aufzunehmen, die sich gerade auf den von Ihnen genannten Personenkreis auswirken werden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605222800
Ich rufe die Fragen 91 und 92 des Abgeordneten Dr. Weber (Köln) auf:
Hält die Bundesregierung die Bestimmungen des Gesetzes über die Unterkunft bei .Bauten vom 13. Dezember 1934 (RGBl. I S. 1234) und die Ausführungsverordnung vom 21. Februar 1959 (BGBl. I S. 44) — insbesondere hinsichtlich der Ausstattung und Belegungsstärke der Räume — für gesundheitspolitisch und sozial noch für tragbar und förderungswürdig?
Hält die Bundesregierung es für zulässig, bei der Errichtung oder Umbelegung von Heimen derart zu unterscheiden, daß bei Unterkünften für Deutsche mindestens eine Wohnfläche von 8 qm je Person, bei Ausländerunterkünften eine solche von 5 qm je Person zulässig ist?
Ist der Abgeordnete anwesend? — Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605222900
Die von Ihnen, Herr Kollege, genannten gesetzlichen Bestimmungen über die Unterkunft bei Bauten — darum handelt es sich in der ersten Frage — gelten für einen engen Personenkreis, nämlich für Bauarbeiter auf Baustellen. Die Vorschriften sollen sicherstellen, daß vor allem Tagesunterkünfte zum Schutz gegen schlechte Witterung und bei Bedarf Schlaf- und Aufenthaltsräume auf den häufig wechselnden Baustellen errichtet werden.
Die vorgeschriebene Mindestausstattung und Belegungsstärke berücksichtigt die besonderen Verhältnisse der Baustellen. Klagen sind mir bisher nicht bekanntgeworden. Vielmehr werden die gesetzlichen Vorschriften von den Betroffenen — soweit ich feststellen lassen konnte, auch von der zuständigen Gewerkschaft — als Mittel zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den Baustellen angesehen. Bestimmungen über die Förderungswürdigkeit sind in den Vorschriften nicht enthalten. Die Vorschriften gelten im übrigen für alle Arbeitnehmer auf Baustellen, ohne Rücksicht auf ihre Nationalität.
Ich darf im Hinblick auf Ihre zweite Frage hinzufügen, Herr Kollege, daß sie eine Vielzahl von Richtlinien und Vorschriften verschiedener Behörden auf Bundes- und Landesebene betrifft. Ich habe mir darüber in der Kürze der Zeit — erst gestern habe ich Ihre Frage erhalten — noch kein vollständiges Bild machen können. Ich bitte deshalb um Ihr Einverständnis dafür, daß ich Ihnen eine ausführliche Antwort schriftlich gebe. Ich darf Ihnen versichern, daß ich genau prüfen lassen werde, ob hier Fehler und Unzulänglichkeiten, die aus der Vergangenheit herrühren, berichtigt werden müssen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605223000
Keine Zusatzfrage?

Dr. Hubert Weber (SPD):
Rede ID: ID0605223100
Keine Zusatzfrage! Ich darf nur darum bitten, die Prüfung bald vorzunehmen, Herr Staatssekretär.

Helmut Rohde (SPD):
Rede ID: ID0605223200
Das werde ich tun, Herr Kollege.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605223300
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie nur Zusatzfragen stellen dürfen. Sie hätten Ihre Bitte auch in die Frageform kleiden können.
Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für Ihre Antworten danken.
Wir kommen zur Frage 1 des Abgeordneten Weber (Heidelberg) aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach Bundeskanzler Brandt in Erfurt dem Ministerratsvorsitzenden Stoph zugesagt hat, daß in Zukunft die Mineralölversorgung Westberlins in einer Größenordnung von 650 000 Tonnen durch die DDR erfolgen soll?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Bahr vom 26. Mai 1970 lautet:



Präsident von Hassel
Pressemeldungen, nach denen Bundeskanzler Brandt in Erfurt mit dem Ministerratsvorsitzenden Stoph Mineralöllieferungen nach West-Berlin vereinbart hat, treffen nicht zu.
Die Treuhandstelle für den Interzonenhandel hat allerdings im April 1970 mit dem Ministerium für Außenhandelswirtschaft der DDR eine Vereinbarung über die Lieferung von Mineralölfertigerzeugnissen durch die DDR geschlossen, wovon Teilmengen nach Berlin geleitet werden können.
Das war die einzige Frage aus diesem Geschäftsbereich.
Wir kommen jetzt zu 'den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, und zwar zur Frage 2 des Abgeordneten Dr. Riedl (München). Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Weigl auf:
Wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß alle ehemaligen Kommunalbeamten, die eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst der DDR wegen politischer Verfolgung aufgeben mußten und heute in der Bundesrepublik leben, eine ausreichende beamtenrechtliche Altersversorgung erhalten?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Genscher vom 26. Mai 1970 lautet:
Soweit Angehöige des öffentlichen Dienstes in der DDR bereits am 8. Mai 1945 als Beamte in dem von der DDR verwalteten früheren Reichsgebiet im Dienst standen und eine dort weiter ausgeübte Tätigkeit wegen politischer Verfolgung aufgeben mußten, fallen sie unter den Personenkreis des Gesetzes zu Artikel 131 des Grundgesetzes und haben in dem Gesetz vorgesehene Rechte. Steht ihnen danach eine beamtenrechtliche Versorgung nicht zu, greift die Nachversicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach § 72 des 131er-Gesetzes ein.
Ob die Altersversorgung dieser Personen auch ausreichend geregelt ist, ist m. E. nur bei einer Gesamtbetrachtung des 131er-
Versorgungskomplexes zu beurteilen. Hierfür bietet sich in erster Linie der nach der Entschließung des Innenausschusses vom 12. Juni 1969 von der Bundesregierung vorzulegende sog. Härtebericht an.
Soweit Angehörige der kommunalen Verwaltungen in der DDR angesprochen werden, die nach dem 8. Mai 1945 in den öffentlichen Dienst erstmals eingestellt worden sind und ihre Tätigkeit wegen politischer Verfolgung aufgeben mußten, fallen diese nicht unter den Auftrag des Artikels 131 GG. Sie können daher vom 131er-Gesetz auch nicht erfaßt werden.
Eine beamtenrechtliche Versorgung außerhalb des G 131 kann nicht in Aussicht gestellt werden. In der DDR gibt es keinen besonderen Status für Beamte. Die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dort zurückgelegte Beitragszeiten stehen nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich und begründen bei Vorliegen der für alle Versicherten geltenden Voraussetzungen — Eintritt des Versicherungsfalles und Erfüllung der Wartezeit — einen Anspruch auf Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen der Bundesrepublik. Diese Regelung gilt übrigens auch für die vom G 131 erfaßten Personen.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Hansen auf:
Treffen Presseberichte zu, denen zufolge die griechischen Generalkonsuln in Hannover und Düsseldorf die Organisatoren von Schlägergruppen regimefreundlicher Griechen sein sollen, die ihre andersdenkenden Landsleute terrorisieren?
Zur Beantwortung, bitte, Herr Bundesminister Genscher!

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605223400
Der Bundesregierung, Herr Kollege, liegen bisher keine Erkenntnisse darüber vor, daß die griechischen Generalkonsulate in Hannover und Düsseldorf Schlägergruppen regimefreundlicher Griechen organisieren, die ihre andersdenkenden Landsleute in der Bundesrepublik terrorisieren. Die entsprechenden Vermutungen der Betroffenen sind der Bundesregierung bekannt. Die bisher eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren haben hierfür keine Anhaltspunkte erbracht. Wegen der in der Ausgabe des „Spiegel" vom 27. April 1970 geschilderten Vorfälle ist bei der Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren anhängig.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605223500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0605223600
Herr Minister, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Behauptungen, die von verschiedenen Seiten erhoben worden sind, wonach die Polizei bei den Ermittlungsverfahren sehr dilatorisch vorgegangen sei und die politischen Hintergründe nicht untersucht habe, nicht zutreffen?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605223700
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß die Polizei in allen Bundesländern nach Recht unid Gesetz handelt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605223800
Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hansen.

Karl-Heinz Hansen (SPD):
Rede ID: ID0605223900
Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob die Bundesregierung in einem Fall, in dem auch nur der geringste Verdacht besteht, daß Beziehungen zwischen Konsuln und organisierten Schlägergruppen bestehen, bereit ist, diesen Konsuln das Agreement zu entziehen und sie auszuweisen.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605224000
Wenn dieser Sachverhalt gegeben wäre, selbstverständlich.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605224100
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Matthöfer.

Hans Matthöfer (SPD):
Rede ID: ID0605224200
Herr Bundesminister, werden Sie darauf hinwirken, daß noch einmal überprüft wird, ob wirklich mit der nötigen Dringlichkeit alle Aspekte derartiger Schlägereien, insbesondere der einer bewußten Organisierung durch offizielle griechische Stellen, untersucht werden?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605224300
Herr Kollege, wir widmen seit geraumer Zeit diesen Vorgängen große Aufmerksamkeit. Sie können davon ausgehen, daß das in der Vergangenheit geschehen ist und daß das in Zukunft weiterhin so sein wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605224400
Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Hansen auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die für wiederholte Übergriffe verantwortlichen antidemokratischen Verbände der Griechen in der Bundesrepublik Deutschland zu verbieten und aufzulösen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605224500
An den teilweise gewalttätigen Aktionen griechischer Staatsangehöriger auf deutschem Boden sind meist sowohl regimefreundliche als auch regimefeindliche Griechen beteiligt. Die bisher durchgeführten Ermittlungen haben keine Hinweise dafür erbracht, daß antidemokratische Verbände der Griechen in der Bundesrepublik für diese Übergriffe verantwortlich sind.



Bundesminister Genscher
Demnach sind Verbotsmaßnahmen nach dem Vereinsgesetz gegen eine griechische Vereinigung in
der Bundesrepublik im Augenblick nicht veranlaßt.
Die Bundesregierung wird, wie ich Ihnen schon sagte, die Betätigung und Entwicklung der griechischen Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin aufmerksam prüfen und beobachten und gegebenenfalls auch Maßnahmen nach dem Vereinsgesetz treffen. Die Bundesregierung wird insbesondere dafür Sorge tragen — und sie weiß sich damit in Übereinstimmung mit der Auffassung der Regierungen der Länder —, daß allen in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Griechen der ihnen nach dem Gesetz zustehende Schutz zuteil wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605224600
Keine Zusatzfragen.
Frage 6 des Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg). — Der Abgeordnete ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Die Frage 7 ebenfalls.
Frage 8 des Abgeordneten Dr. Böhme. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Dröscher auf:
Hält es die Bundesregierung für mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar, daß ein Oberfeldwebel a. D. mit bei der Heeresfachschule für Verwaltung abgelegter Abschlußprüfung II, der am 8. Mai 1945 eine Dienstzeit von 10 Jahren und 220 Tagen abgeleistet hatte, auf Grund einer Wehrdienstbeschädigung von 20 % einen Unterhaltsbeitrag nach § 29 G 131, § 142 Abs. 2 und § 181 a Abs. 4 BBG nur aus der Besoldungsgruppe A 6 Stufe 8 erhält, während Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von mehr als 12 Jahren am 8. Mai 1945, die die Abschlußprüfung II erfolgreich abgelegt haben, ihre Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A 9 erhalten?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister Genscher.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605224700
Die Frage, Herr Kollege, gibt die bestehende Rechtslage wieder und ist zu bejahen. Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von 12 und mehr Jahren können für die Bemessung der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge ihrer Versorgung nach dem Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes so behandelt zu werden. wie wenn sie am 8. Mai 1945 oder bei einem früheren Eintritt des Versorgungsfalles zu diesem Zeitpunkt nach Maßgabe der bestandenen Wehrmachtsfachschulprüfung Militäranwärter geworden wären.
Diese Regelung knüpft an die Rechtsstellung der Militäranwärter an, die Berufsunteroffiziere bis zum 8. Mai 1945 regelmäßig erwarben, wenn sie mit einer Dienstzeit von 12 und mehr Jahren entlassen wurden. Berufsunteroffiziere, die mit einer kürzeren Dienstzeit entlassen wurden, konnten den Status eines Militäranwärters nicht erwerben und sind daher insoweit mit den Berufsunteroffizieren mit 12 und mehr Dienstjahren nicht vergleichbar. Für die Bemessung ihrer Versorgung war ausschließlich der militärische Dienstgrad maßgebend, so wie das auch nach dem 131er-Gesetz der Fall ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605224800
Keine Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Rasner auf:
Wer war verantwortlich (aufgegliedert nach den einzelnen Teilgebieten) für die Sicherheits- und Polizeimaßnahmen anläßlich des Treffens in Kassel?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605224900
Schutz und Sicherung des Treffens von Bundeskanzler Brandt mit dem Vorsitzenden des Ministerrats Stoph am 21. Mai 1970 in Kassel war eine polizeiliche Aufgabe, deren Erfüllung nach Art. 30 des Grundgesetzes Sache der Länder ist.
Die Verantwortlichkeit richtet sich danach nach dem jeweiligen Landesrecht. Nach § 66 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 Satz 1 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 17. Dezember 1964 war für die Leitung des polizeilichen Einsatzes aller in Kassel eingesetzten kommunalen und staatlichen Polizeikräfte der vom Magistrat der Stadt Kassel bestellte kommunale Polizeipräsident zuständig.
Daneben war für den persönlichen Schutz sowie für die Innensicherung des Schloßhotelgebäudes und des Verhandlungsraumes selbst die Abteilung Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes eingesetzt, die gemäß Kabinettsbeschluß vom 13. Januar 1965 den persönlichen Schutz unter anderem der Kabinettsmitglieder und deren Gäste wahrzunehmen hat. Die Beamten der Sicherungsgruppe besitzen zur Durchführung dieser Aufgaben keine polizeilichen Befugnisse; sie haben nur die jedermann zustehenden Notwehr- und Hausrechte.
In Vorgesprächen sind die Verantwortlichkeiten zwischen der Abteilung Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamtes und der Polizei in Kassel abgegrenzt worden. Dementsprechend grenzten die schriftlichen Einsatzverfügungen, die unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Polizeidienstvorschrift 130 für den Einsatz der Polizei bei Staatsbesuchen und sonstigen Besuchen erlassen worden waren, die gegenseitigen Zuständigkeiten wie folgt ab:
1. Begleitschutz. Den Delegationsmitgliedern waren Begleitbeamte der Sicherungsgruppe beigegeben, die den unmittelbaren Personenschutz wahrnahmen. Die Zuständigkeit der Kasseler Polizei für den Schutz von Fahrt- und Gehwegstrecken und die Absicherung der Fahrzeugkolonne selbst wurde dadurch nicht berührt.
2. Objektschutz. Der Verhandlungsraum war durch drei Sicherheitszonen abgesichert:
a) Die erste Zone umfaßte den Bereich von 600 m mit dem Mittelpunkt „Schloßhotel". Die Verantwortung hierfür hatte die Kasseler Polizei.
b) Die zweite Sicherheitszone umfaßte die Innensicherung des Gebäudes des Schloßhotels. Die Verantwortung hierfür lag bei der Sicherungsgruppe, die durch örtliche Kriminalpolizei unterstützt wurde.
c) Die dritte Sicherheitszone umfaßte den eigentlichen Verhandlungsraum. Sie fiel unter die alleinige Verantwortung der Sicherungsgruppe.



Bundesminister Genscher
Ich darf hinzufügen, daß, soweit es sich um den Raum außerhalb der Stadt Kassel handelt, die staatliche hessische Polizei zuständig war.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605225000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rasner.

Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0605225100
Sehen Sie die Möglichkeit, Herr Bundesinnenminister, daß der Herr hessische Ministerpräsident, den während des ganzen Tages in Kassel so geflissentlich das Auge der Fernsehkamera zu erwischen suchte, oder daß der Herr hessische Innen- und Polizeiminister durch persönlichen Einsatz am wirklich richtigen Ort den ja gar nicht überraschenden, dafür aber um so blamableren Ablauf der Dinge hätte in den Griff bekommen können?

Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605225200

(zwischen der Landesregierung Hessen und dem Polizeipräsidenten in Kassel wiedergibt: Nach § 66 Abs. 1 und § 67 Abs. 1 Satz 1 des hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 17. Dezember 1964 war zuständig für die Leitung des polizeilichen Einsatzes aller in Kassel eingesetzten kommunalen ,und staatlichen Polizeikräfte der vom Magistrat der Stadt Kassel bestellte kommunale Polizeipräsident. Eine letzte Zusatzfrage, der Abgeordnete Rasner. Herr Bundesinnenminister, sieht die Bundesregierung auch in Zukunft in der gezielten Falschinformation von Bevölkerung, Presse, Rundfunk, Fernsehen sowie der Polizei, wie es in Kassel geschehen ist — die Polizei dabei gleichzeitig öffentlich blamierend —, eine wirkliche Chance, den störungsfreien Ablauf von Kranzniederlegungen und ähnlichen Staatsakten zu sichern? Herr Kollege Rasner, es war von gezielten Falschinformationen nicht die Rede. Es wird Ihnen aber aus Ihrer politischen Erfahrung bekannt sein, daß sehr häufig, wenn ein Sicherheitsrisiko entsteht, nun nicht gerade die gefährdeten Personen dadurch einem noch höheren Gefährdungsgrad ausgesetzt werden, daß für 'diejenigen, die die Absicht haben, die Gefährung herbeizuführen, Fahrtweg und Aufenthaltsort vorher präzise bekanntgegeben werden. Ich rufe die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Pieroth auf: Weshalb wird Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, die als Wehrpflichtige eingezogen waren, nach dem Wiedereintritt in ihre Beschäftigung im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der Höhe der Sonderzuwendung die Wehrdienstzeit nicht angerechnet, während sie Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit angerechnet wird? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß durch dieses Bemessungsverfahren den Wehrpflichtigen gegenüber den Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, aber auch gegenüber den nicht zum Wehrdienst herangezogenen Kollegen ein weiterer zusätzlicher Nachteil entsteht und damit der Wehrgerechtigkeit nicht gedient wird? Die Fragen werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Genscher vom 26. Mai 1970 lautet: Die von Ihnen angesprochene Regelung für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes entspricht voll der für die Beamten bestehenden Rechtslage. Zu den damit zusammenhängenden Fragen hat sich der Bundesminister der Verteidigung in seiner Stellungnahme vom 15. Januar 1970 zu der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1969 namens der Bundesregierung geäußert Die Nichtberücksichtigung der Wehrdienstzeit bei der Bemessung der Höhe der Zuwendung steht in einem engen Zusammenhang mit den Grundsätzen des Arbeitsplatzschutzgesetzes. Danach ruht das Arbeitsverhältnis während der Ableistung des Grundwehrdienstes; Bezüge, von deren Zahlung die Höhe der Zuwendung abhängt, kann deshalb normalerweise der wehrpflichtige Arbeitnehmer — anders als der Soldat auf Zeit und der Berufssoldat während seiner Soldatendienstzeit — nicht erhalten. Diese Regelung gilt nicht nur für die im öffentlichen Dienst beschäftigten, sondern schlechthin für alle im Berufsleben stehenden Wehrsoldempfänger. Mit der ungekürzten Auszahlung der Zuwendung in den von Ihnen angesprochenen Fällen würden daher die finanziellen Auswirkungen des Grundwehrdienstes nur einseitig zugunsten der im öffentlichen Dienst Beschäftigten gemildert. Ein entsprechender Anspruch könnte den Wehrpflichtigen aus Arbeitsverhältnissen außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht zugesichert werden. Denn die Zahlung eines Weihnachtsgeldes bei ruhendem Arbeitsverhältnis könnte den Arbeitgebern bei der insbesondere für eine solche Sonderleistung im Arbeitsrecht geltenden Gestaltungsfreiheit durch Gesetz kaum auferlegt werden. Die Probleme der Wehrgerechtigkeit sollten aber nicht noch durch eine Ungleichbehandlung der Grundwehrdienstleistenden untereinander verschärft werden. Vielmehr ist es ein gemeinsames Anliegen von Bundestag und Bundesregierung, in den Fragen der Wehrgerechtigkeit Verbesserungen zu erzielen, die allen Grundwehrdienstleistenden zugute kommen. Maßnahmen dieser Art stellen die Verdoppelung des Entlassungsgeldes im März 1969 und die Einführung einer besonderen Zuwendung von 70,— DM für die Grundwehrdienstleistenden im Dezember 1969 dar. Diese besondere Zuwendung soll nach dem von der Bundesregierung bereits beschlossenen Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes in diesem Jahre auf 75,— DM und ab 1971 auf 100,—DM erhöht werden. An weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Wehrgerechtigkeit hat die Bundesregierung, wie sich aus dem Weißbuch 1970 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr ergibt, eine weitere Anhebung des Entlassungsgeldes und eine Überprüfung des Wehrsoldes, insbesondere zugunsten der unteren Wehrsoldgruppen, in Aussicht genommen. Ich bin überzeugt, daß auf diesem Wege die von Ihnen angesprochenen Probleme befriedigend gelöst werden können. Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Josten auf: Ist die Bundesregierung bereit, angesichts der erneuten Hochwasserschäden am Rhein und seinen Nebenflüssen ihre vorgesehenen Hilfsmaßnahmen in Verbindung mit den Ländern zu erweitern? Zur Beantwortung, bitte, Herr Bundesminister. Nach Abstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen darf ich diese Frage wie folgt beantworten: Erstens. Auch bei dem jüngsten Hochwasser im Mai 1970 hat sich der Bund ebenso wie bei der Hochwasserkatastrophe im Februar 1970 zur Unterstützung der in erster Linie zuständigen Länder und Kommunen sogleich mit erheblichen Kräften des THW und der Bundeswehr in die Katastrophenabwehr eingeschaltet. Zweitens. Auf die dabei angefallenen Einsatzkosten, die entsprechend der grundgesetzlichen Aufgabenund Lastenverteilung grundsätzlich von den Ländern und Kommunen zu erstatten sind, wird der Bund auch diesmal verzichten. Darüber hinaus wird der Bundesminister der Finanzen darauf hinwirken, daß die Erleichterungen bei der Steuererhebung, die anläßlich der Hochwasserkatastrophe im Februar 1970 gewährt wurden, auch Iden jetzt vom Hochwasser Betroffenen zugestanden werden. Bundesminister Genscher Drittens. Ob und in welchem Umfang daneben subsidiäre finanzielle Hilfeleistungen des Bundes für den Ausgleich der Privatpersonen entstandenen Hochwasserschäden notwendig werden, ist zur Zeit noch nicht abzusehen. Eine derartige Bundeshilfe kommt nur in Betracht, wenn dem einzelnen Land eine ausreichende Hilfeleistung nicht zugemutet werden kann und im Einzelfall die Existenz der Betroffenen gefährdet ist. Die Angaben über den Umfang der Hochwasserschäden und die Belastung der Länder sind dem Bund von den Ländern noch nicht mitgeteilt worden. Dies dürfte aber wegen der Schwierigkeit der Feststellungen erst nach eingehenden Prüfungen in den betroffenen Ländern möglich sein. Sobald die Angaben der Länder vorliegen, wird der Bund nach den oben angeführten bewährten Grundsätzen prüfen, ob eine zusätzliche Hilfeleistung des Bundes erforderlich ist. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Josten. Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß viele Hochwassergeschädigte noch auf die Hilfsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem soeben von Ihnen genannten Hochwasser im Februar bzw. März dieses Jahres warten? Ich darf noch einmal sagen, Herr Kollege, daß es der bisherigen Übung entsprach und weiterhin entsprechen soll, daß .die Hilfsmaßnahmen des Bundes nur subsidiärer Art sind, also erst dann einsetzen, wenn die Leistungsfähigkeit der betroffenen Länder überstiegen wird. Dazu braucht der Bund zunächst eine Übersicht über das, was den einzelnen Ländern möglich ist. Ich gehe davon aus, daß .die Bundesländer, die im Verhältnis zu .den Betroffenen direkte Hilfeleistungen finanzieller Art erbringen, sie auch in dem Umfang, wie es notwendig ist, erbringen. Eine zweite Zusatzfrage. Herr Minister, wären Sie bereit, von Ihrem Ministerium aus mit darauf hinzuwirken, daß die Pläne zur Verhinderung und Regulierung des Hochwassers vom Rhein und seinen Nebenflüssen beschleunigt fertiggestellt werden? Das ist die Absicht der Bundesregierung insgesamt. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Jung. Herr Minister, sind Sie bereit, auch zu überprüfen, inwieweit man denjenigen Gemeinden helfen kann, die im Zusammenhang mit diesem Hochwasser Schäden an den Hochwasserdämmen festgestellt haben und nun große finanzielle Schwierigkeiten haben, diese Schäden zu beseitigen? Herr Kollege, für alle finanziellen Hilfen des Bundes ist es erforderlich, daß sich die Bundesregierung auf Grund der Meldungen der Länder ein umfassendes Urteil bilden kann. Sie wird dabei auch diese Fragen mit einbeziehen. Damit sind wir am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt, Herr Bundesminister. Ich darf Ihnen danken. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung sind schon aufgerufen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Mit Blickrichtung auf die Tribüne darf ich vielleicht sagen — die Kollegen werden das verstehen —: zum gegenwärtigen Zeitpunkt tagt eine Fraktion; es tagen außerdem eine Reihe von Bundestagsausschüssen, die die kommende Plenarsitzung vorbereiten. Deshalb die Leere hier in diesem Saal. Ein Wort der Erklärung an die Tribüne ist vielleicht angebracht. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung werden wahrscheinlich auch meistens schriftlich beantwortet werden müssen, weil ein Großteil der Mitglieder des Verteidigungsausschusses sich heute in Oslo befindet, darunter gerade auch die meisten Fragesteller. Ich rufe die Frage 58 des Abgeordneten Ernesti auf. — Er ist nicht _anwesend; die Frage wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 59 des Abgeordneten Dr. Klepsch auf. — Der Fragesteller ist nicht anwesend; die Frage 'wird schriftlich beantwortet. Für die Frage 60 gilt dasselbe. Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich die Fragen 58 und 59 wegen des inneren Zusammenhangs gemeinsam schriftlich beantworte? Keine Bedenken. Ich rufe die Frage 61 des Abgeordneten Ott auf: Billigt die Bundesregierung die Auffassung der in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 1. Mai 1970 wiedergegebenen Stellungnahme von Staatssekretär Berkhan, wonach „die Politik der Bundesregierung, insbesondere die Ostpolitik, nicht durch Äußerungen von Bundeswehroffizieren oder auch Politikern" in der Öffentlichkeit kritisch gewürdigt werden darf? Der Abgeordnete ist im Saal. Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär. Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Der Wortlaut der Frage und das Zitat der „Ausburger Allgemeinen Zeitung" vom 1. Mai 1970 geben meine Äußerungen zu einem Einzelfall nicht korrekt wieder. Ich habe wörtlich vielmehr folgendes ausgeführt: Ich bin aber der Meinung, daß die schwierigen Bemühungen der Bundesregierung um eine „Entkrampfung" in der Ostpolitik nicht durch Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan Äußerungen von Bundeswehroffizieren oder auch Politikern in der Öffentlichkeit gestört werden sollten. Die Bundesregierung hegt den berechtigten Wunsch, daß ihre Bemühungen in der Ostpolitik nicht durch mißverständliche Äußerungen gestört werden sollten. Nur in diesem Sinne können meine Ausführungen verstanden werden. Sie zielten eindeutig nicht darauf ab, einen Soldaten der Bundeswehr allgemein zu einem regierungskonformen Verhalten zu veranlassen und sein Recht als Staatsbürger, seine persönliche Meinung frei zu äußern, zu beschränken. Der der Frage zugrundeliegende Einzelfall betraf aber eine dienstliche Äußerung eines Offiziers auf einer dienstlichen Veranstaltung, die Anlaß zur Mißdeutung geben konnte und gab. Aus diesem Grunde erschien eine Belehrung des Soldaten angebracht. Der hierauf bezogene Teil meiner Äußerung lautete dementsprechend: „Oberst X hätte sich daher auf klare, für den dienstlichen Zweck notwendige und unmißverständliche Darlegungen beschränken müssen." Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ott. Herr Staatssekretär, da Sie vorhin davon sprachen, daß die Politik der Bundesregierung nicht durch Äußerungen von Offizieren oder Politikern gestört werden darf, frage ich Sie: Maßen Sie sich an, darüber zu entscheiden, was Politiker sagen dürfen und was Sie dann als gestört empfinden? Herr Kollege, renn Sie sich den Satz noch einmal im Protokoll ansehen, werden Sie feststellen, daß ich gesagt habe: „nicht durch Äußerungen von Bundeswehroffizieren oder auch Politikern in der Öffentlichkeit gestört werden sollten". Ich maße mir weder eine Zensur noch eine Kritik einer Äußerung eines Politikers oder eines Soldaten, sofern er sie als Staatsbürger tut, an. Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Ott. Herr Staatssekretär, können Sie mir widersprechen, wenn ich aus dieser Ihrer Äußerung den Schluß ziehe, daß Sie sich mit Ihrer Formulierung gegen die Meinungsfreiheit von Abgeordneten wenden? Ich kann Ihnen widersprechen. Ich beantworte Ihre Frage mit Ja. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel. Herr Staatssekretär, haben Sie ihre berichtigte Äußerung, die Sie jetzt soeben kundgetan haben, auch bei der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" zur Berichtigung gestellt? Nein. Herr Kollege, der Oberst fühlt sich beschwert und hat gegen mich ein Beschwerdeverfahren eingeleitet. Daher habe ich mich jeder Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit und außerhalb der Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt enthalten. (Abg. Ott meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage.)

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605225300
Will Rasner (CDU):
Rede ID: ID0605225400
Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605225500
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605225600
Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605225700



Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605225800
Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0605225900
Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605226000
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605226100
Johann Peter Josten (CDU):
Rede ID: ID0605226200
Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605226300
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605226400
Kurt Jung (FDP):
Rede ID: ID0605226500
Hans-Dietrich Genscher (FDP):
Rede ID: ID0605226600
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605226700
Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605226800
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605226900
Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605227000



Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605227100
Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0605227200
Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605227300
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605227400
Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0605227500
Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605227600
Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605227700
Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605227800
Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605227900

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605228000
Eine Sekunde. Herr Ott, ich muß zunächst klären, ob die Fragen 61 und 62 zusammen beantwortet worden sind.
Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung! Nein, Herr Präsident.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605228100
Dann dürfen Sie, Herr Kollege Ott jetzt keine Zusatzfrage mehr stellen. Ich rufe die Frage 62 des Abgeordneten Ott auf:
Wie steht die Bundesregierung zu dem im Grundgesetz verbürgten Recht auf freie Meinungsäußerung von Politikern und Staatsbürgern in Uniform, wenn diese nicht regierungskonform sind?
Sie können anschließend noch Zusatzfragen stellen. — Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605228200
Herr Präsident, ich beantworte die Frage folgendermaßen. Der Soldat hat wie jeder andere Staatsbürger das Recht, seine eigene Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern (Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 6 Abs. 1 des Soldatengesetzes). Dieses Recht schließt eine eigene politisch-kritische Stellungnahme ein, auch wenn sie nicht mit den Zielsetzungen der Bundesregierung übereinstimmt.
Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung kann jedoch nicht schrankenlos ausgeübt werden (Art. 5 Abs. 2 des Grundgesetzes). Es findet seine verfassungsrechtlichen Grenzen u. a. in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, wie z. B. dem Soldatengesetz. Danach ist das staatsbürgerliche Recht der freien Meinungsäußerung für den Soldaten im Rahmen der Erfordernisse des militärischen Dienstes durch seine gesetzlich begründeten Pflichten beschränkt. Unabhängig davon, ob sich der Soldat politisch oder unpolitisch äußert, hat er bei jeder persönlichen Meinungsäußerung innerhalb und außerhalb des dienstlichen Bereichs insbesondere die Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Dienstherrn (§ 7 des Soldatengesetzes), zur Verschwiegenheit (§ 14 des Soldatengesetzes) und zum achtungswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 des Soldatengesetzes).
Hinzu kommt die Pflicht, im Dienst und innerhalb dienstlicher Unterkünfte jede einseitige politische



Parlamentarischer Staatssekretär Berkhan
Beeinflussung anderer Soldaten zu unterlassen (§ 15 des Soldatengesetzes). Bei Äußerungen im Rahmen eines dienstlichen Auftrags, z. B. bei Vorträgen als offizieller Vertreter der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, handelt der Soldat nicht in Ausübung seines staatsbürgerlichen Grundrechts auf Meinungsfreiheit, sondern als Soldat im Dienst. Bei der Abgabe einer Stellungnahme ist er durch den ihm erteilten dienstlichen Auftrag gebunden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605228300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0605228400
Herr Staatssekretär, angesichts Ihrer Darlegungen über die Meinungsfreiheit von Offizieren sowohl innerhalb als auch außerhalb des Dienstes frage ich Sie: War Ihnen die Äußerung des fraglichen Obersten bekannt, als Sie diese Belehrung verfügten? In dem Zeitungsbericht steht nämlich, daß nach Auffassung der Augsburger Jungsozialisten Gedankengänge geäußert wurden, die Sie kritisiert haben, ohne sie gekannt zu haben.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605228500
Herr Kollege, ich habe die Belehrung des Obersten nicht verfügt, sondern ich habe nur mitgeteilt, daß der Oberst belehrt wird. Die Verfügung der Belehrung ist von einer militärischen Dienststelle getroffen worden, und ich finde in den Akten, die ich Ihnen als Person hinterher gern zeigen will, den Vermerk: „Wird durch ... belehrt" und: „Ist erfolgt", jeweils abgezeichnet durch einen Offizier von hohem Dienstgrad. Ich habe nur mitgeteilt, daß diese Belehrung erfolgen wird. Meine Mitteilung ist erfolgt als die Belehrung nach menschlichem Ermessen stattgefunden haben mußte. Der Vermerk trägt ein Datum. Mein Brief ging einen Tag später ab. Ich habe mich so vorsichtig ausgedrückt, weil ich mich nicht rückversichern konnte, ob die Belehrung wirklich stattgefunden hatte.
Die Äußerungen waren durch den direkten Vorgesetzten und durch den nächsten Vorgesetzten dieses Soldaten untersucht worden. Aus der Aktenlage geht eindeutig und klar die Stellungnahme der Vorgesetzten dieses Oberst einschließlich des Führungsstabs Bundeswehr und des Führungsstabs Heer hervor. Darauf basiert meine Antwort.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605228600
Zur letzten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0605228700
Herr 'Staatssekretär, halten Sie es für richtig, daß andere eine briefliche Nachricht über die Belehrung bekommen und dies der Presse mitteilen, aber der zu Belehrende zu diesem Zeitpunkt noch nicht belehrt worden ist und davon nichts wußte?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605228800
Herr Kollege, ich habe Ihnen das gerade erklärt. Mein Brief trägt das Datum vom 23. April, jedenfalls nach der Akte, die mir vorliegt. Die Belehrungsnotiz in der gleichen
Akte auf einer anderen Seite trägt das Datum vom 21. April. Ich konnte davon ausgehen, daß der Fall, da die Notiz vom 21. April mit dem Vermerk „Ist erledigt" versehen ist, wirklich erledigt ist. Aus Ihrer Frage schließe ich, daß Zweifel vorhanden sind. Ich werde erneut in die Prüfung eintreten und Sie von dem Prüfungsergebnis unterrichten.
Über Fragen des Geschmacks, Herr Kollege, steht mir kein Urteil in diesem Hause zu. Wenn ein Brief, den ich an einen Herrn adressiert habe, dessen Namen ich hier nicht nennen möchte — Sie haben anscheinend eine Ablichtung dieses Briefes in der Hand —, den ich also namentlich abgesandt habe, hinterher in der Presse abgedruckt ist, dann wollen Sie das bitte nicht mir anlasten. Das müssen Sie demjenigen anlasten, der den Brief empfangen und an die Presse weitergegeben hat. Nehmen sie von mir die Versicherung entgegen, daß ich diesen Brief nicht an die Presse gegeben habe. Unabhängig davon bin ich bereit, Ihnen den Brief zu zeigen; in ihm steht nichts Sonderliches.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605228900
Ich rufe die Frage 63 des Abgeordneten Bremer auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenfalls die Frage 64.
Ich rufe die Frage 65 des Abgeordneten Wagner (Günzburg) auf:
Treffen Pressemeldungen zu, wonach in diesem Jahr Abiturienten, die zum Jahresende aus dem Grundwehrdienst entlassen werden, nicht zur Aufnahme ihres Studiums vorzeitig beurlaubt werden?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Berkhan, 'Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Das Bundesministerium der Verteidigung verhandelt seit dem 23. März erneut mit Vertretern der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder und der Westdeutschen Rektorenkonferenz über Möglichkeiten für eine Lösung des Problems eines nahtlosen Übergangs vom Wehrdienst zum Studium. Das Bundesministerium der Verteidigung hat einen Lösungsvorschlag vorgelegt, der sowohl die sicherheitspolitischen und wehrpsychologischen Erfordernisse als auch die berechtigten Interessen der anderen Betroffenen angemessen berücksichtigt. Ich schließe die Abiturienten ein.
Die Vertreter der Kultusminister- und der Rektorenkonferenz sicherten zu, ihre Institutionen noch im Mai mit dem Vorschlag zu befassen und auf ihre Zustimmung hinzuwirken.
Ohne die Entscheidungen der Kultusminister- und der Rektorenkonferenz beeinflussen oder auch nur ein Präjudiz schaffen zu wollen, kann schon jetzt festgestellt werden, daß der Bundesminister der Verteidigung alles tun wird, um den wehrdienstleistenden Studienbewerbern solcher Fachrichtungen, die mit ihrem Studium nur im Wintersemester beginnen können, unnötige Wartezeiten zu ersparen.




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605229000
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Wagner.

Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0605229100
Herr Staatssekretär, sehen Sie eine Möglichkeit, diese Verhandlungen so zu beschleunigen, daß die von Ihnen angedeuteten Härten mit Beginn des Wintersemesters nicht auftreten?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605229200
Herr Kollege, ich hoffe, daß die langfristige Lösung, die ab 1971 Platz greifen soll, durch die. Kultusminister- und die Rektorenkonferenz angenommen wird. Dann würden wir als Übergangslösung für die im Juli einberufenen studienwilligen Abiturienten zum 15. Oktober Beurlaubungen vornehmen und dafür sorgen, daß diese Härten beseitigt werden. Aber vorher muß es zu einer generellen Lösung auf längere Frist kommen.
Ersparen Sie mir bitte, den Vorschlag des Ministeriums hier vorzutragen, da wir in Verhandlungen stehen. Sie wissen, Verhandeln bedeutet, daß man notfalls einem günstigen Kompromiß zu einem günstigen Zeitpunkt zustimmt. Wenn ich hier schon etwas über unser Verhandlungsthema sagte, bestünde die Gefahr, daß der Kompromiß so weit hinausgeschoben würde, daß für uns eine schwer erträgliche Grenze erreicht würde.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605229300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Ott.

Anton Ott (CSU):
Rede ID: ID0605229400
Herr Staatssekretär, darf aus Ihren letzten Ausführungen hoffnungsvoll geschlossen werden, daß die zum Jahresende 1970 zu entlassenden Wehrpflichtigen bereits Mitte Oktober entlassen werden und damit das Studium an der Technischen Hochschule beginnen können?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605229500
Herr Kollege, wenn die langfristige Lösung angenommen wird — diese Einschränkung möchte ich noch einmal machen —, gehe ich davon aus, daß die studienwilligen Abiturienten zum 15. Oktober 1970 für diesen Zweck freigestellt werden. Ob sie entlassen oder beurlaubt werden, ist für den einzelnen Soldaten uninteressant. Wesentlich ist, daß er sein Studium aufnehmen kann. Es ist nicht sehr wichtig für den Betroffenen, welchen Status er hat.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605229600
Ich rufe die Frage 66 des Abgeordneten Dröscher auf:
Wie weit sind die Bemühungen des Bundesverteidigungsministeriums gediehen, den gewerkschaftlichen Vorschlägen und der beim Truppendienst erwiesenen Notwendigkeit nachzukommen, Fahrkostenersatz und Verpflegungszuschuß für Soldaten und für Zivilbeschäftigte gleich zu regeln?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär.

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605229700
Herr Präsident!
Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage folgendermaßen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß Fahrkosten- und Verpflegungszuschußregelungen bei Vorliegen gleicher Verhältnisse grundsätzlich für Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer nicht unterschiedlich gestaltet werden sollten. Die bestehenden Regelungen — und hier sind die Trennungsgeldverordnung und die Fahrkostenzuschußregelung des Bundesministers des Innern zu erwähnen — sind auch gleichermaßen auf die Personengruppen anzuwenden. Aus der Zeit des Aufbaus der Bundeswehr bestehen aus arbeitsrechtlichen Gründen zum Teil noch Sonderbestimmungen als Besitzstandsmaßnahme für Arbeitnehmer weiter.
Das Problem der Fahrkostenzuschüsse ist im übrigen im Rahmen der kritischen Bestandsaufnahme der Bundeswehr geprüft worden. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Zuschüsse zu verbessern. Ich verweise insoweit auf die Ausführungen auf Seite 109 des Weißbuches der Bundesregierung.
Die Vorschläge der vertragschließenden Gewerkschaften werden ebenfalls zu prüfen sein.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605229800
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dröscher.

Wilhelm Dröscher (SPD):
Rede ID: ID0605229900
Ist damit zu rechnen, Herr Staatssekretär, daß die Vereinbarungen mit den Gewerkschaftsvertretern noch in diesem Jahr zustande kommen?

Karl Wilhelm Berkhan (SPD):
Rede ID: ID0605230000
Herr Kollege, Sie wissen, daß erstens Verhandlungen es immer mit sich bringen, daß Termine wichtiger Personen aufeinander abgestimmt werden müssen, und daß zweitens Verhandlungen unter Umständen nicht an einem einzigen Termin zu Ende geführt werden können.
Ich gehe davon aus — ich betone: ich —, daß wir dieses Jahr noch zu einem Abschluß kommen. Ich möchte aber davon absehen, Ihnen zuzusagen, daß die Sache bis zum Ende des Jahres endgültig geregelt ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605230100
Keine Zusatzfrage. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereiches angelangt. Ich darf Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung danken.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie, Jugend und Gesundheit. Ich rufe die Fragen 67 und 68 des Abgeordneten Petersen auf. Er ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 69 des Abgeordneten Leicht auf. Er ist nicht anwesend, da er im Haushaltsausschuß ist. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 70 des Abgeordneten Niegel auf:
Welche Stellung nimmt die Bundesregierung zum Ergebnis der Untersuchung von Dr. Dietrich Oeter vom Hygienischen Institut der Gesundheitsbehörde Hamburg ein, wonach festgestellt wurde, daß bei Bewohnern der oberen Stockwerke von Hoch-



Präsident von Hassel
häusern die Krankheitsgefahren gegenüber den in den unteren Stockwerken wohnenden größer sind, und welche Konsequenzen zieht sie daraus in ihrer Städte- und Wohnungspolitik?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0605230200
Herr Kollege Niegel, das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit mißt der gesundheitspolitischen Problematik des Wohnens in Hochhäusern große Bedeutung bei. Bereits in der im Juli 1969 vom damaligen Bundesminister für Familie und Jugend unter dem Titel „Mütter und Kinder in der Bundesrepublik Deutschland" herausgegebenen Analyse der Ergebnisse einer Stichprobe über die Situation erwerbstätiger und nicht erwerbstätiger Mütter sowie ihrer Kinder wurde in dem Beitrag von Dr. med. Dietrich Oeter über die Wohnverhältnisse und Wohnwünsche auf die gesundheitliche Gefährdung hingewiesen, insbesondere auf häufige Infektionen der Atemwege der Kinder und psychoneurotische Störungen der Mütter. Inzwischen liegen mehrere Untersuchungen zu dieser Frage vor, die jedoch nicht zu einem einheitlichen Ergebnis kommen. Mit diesem Problemkreis soll sich eine im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit inzwischen neugebildete Arbeitsgruppe unter maßgeblicher Beteiligung des Bundesministeriums für Städtebau und Wohnungswesen eingehend befassen.
Die Bundesregierung wird weiterhin ihre Städte- und Wohnungsbaupolitik danach ausrichten, gesunde Städte und gesunde Wohnungen zu schaffen. Dazu dient auch ein umfangreiches Forschungsprogramm.
Diese Antwort ist mit dem Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen abgestimmt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605230300
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605230400
Herr Staatssekretär, wird man, wenn sich nach Ihren Worten erhärten sollte, daß dort Gefahren für die Gesundheit bestehen, vom Städtebaulichen und Wohnungsbaulichen her die Konsequenzen ziehen und den Bau von solchen Hochhäusern eindämmen und dafür mehr andere Häuser errichten?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0605230500
Ich glaube nicht, daß ich Ihnen zusagen kann, daß es eine Wohnungsbaulösung gibt, die obere Stockwerke abschafft. Es wird immer mehr höhere als niedrige Häuser geben, auch bei künftigen Wohnvierteln. Aber ich möchte Ihnen zusagen, daß es sicher auch eine Rückwirkung auf die Diskussion künftiger Wohnungsbaupolitik haben wird, wenn Forschungsergebnisse solche Dinge bestätigen, wie sie hier von einigen Wissenschaftlern als Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit vorgelegt wurden.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605230600
Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Niegel.

Lorenz Niegel (CSU):
Rede ID: ID0605230700
Herr Staatssekretär, nicht daß ich mißverstanden werde: ich möchte fragen, ob dann die Tendenz bestehen wird, weniger derartige Hochhäuser und mehr geringergeschossige Häuser zu errichten.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0605230800
Ich glaube nicht, daß ich jetzt darauf eine positive Antwort geben könnte. Mir scheint, daß dazu wirklich erst konkrete Forschungsergebnisse das bestätigen müssen, was einige Wissenschaftler herausgearbeitet haben. Bis jetzt ist das Feld, auf dem wir uns dort befinden, doch noch zu unsicher.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605230900
Ich kann mir vorstellen, daß wir aus unserem eigenen Abgeordnetenhaus einige Erfahrungen beisteuern können, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0605231000
Herr Staatssekretär, falls sich bei den Untersuchungen herausstellen sollte, daß es sich um eine besondere Art der Höhenkrankheit handelt, würde das irgendwelche Konsequenzen für höher gelegene Gebiete in Deutschland haben?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0605231100
Herr Kollege Moersch, soviel ich aus den Erfahrungen mit der Höhenkrankheit weiß, ist das eine sehr belebende und interessante Krankheit. Ich habe das einmal als Flieger erlebt. Insofern würde ich sagen, daß wir auch hier erst noch abwarten sollten, ob das Konsequenzen für höher gelegene Gegenden in unserem Land haben könnte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605231200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dasch.

Valentin Dasch (CSU):
Rede ID: ID0605231300
Herr Staatssekretär, sind in Ihrem Ministerium Ergebnisse von Untersuchungen über die Auswirkung von Baustoffen auf die Gesundheit vorhanden, oder haben Sie für die Zukunft wissenschaftliche Untersuchungen vorgesehen?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0605231400
Die Frage bezüglich der Baustoffe müßte ich an das Ministerium verweisen, das auf diesem Gebiet Forschungsarbeit leistet. Wir sind hier vorrangig unter gesundheitlichen Gesichtspunkten gefragt worden. Wir werden das immer nur zusammen mit dem Minister für Städtebau und Wohnungswesen tun können. Ich könnte Ihnen im einzelnen nicht sagen, ob es solche Untersuchungsergebnisse gibt. Was ich beantworten könnte, wäre die Frage im Sinne des ersten Fragestellers, welche Veröffentlichungen über Forschungsergebnisse oder Meinungsäußerungen der Wissenschaftler es zu der von Ihnen gestellten Frage gibt. Ich stelle Ihnen das später gern zur Verfügung.




Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605231500
Ich rufe die Frage 71 des Abgeordneten Dr. Arnold auf. — Er ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 72 dieses Abgeordneten.
Ich rufe die Frage 73 des Abgeordneten Dasch auf:
Sind der Bundesregierung die Klagen der Bewohner sogenannter Entlastungsstädte oder neuer Großsiedlungen, wie z. B. München-Perlach, bekannt, daß mehrfach nicht genügend Kindergärten, Spielplätze und Sportanlagen für die Kinder eingeplant wurden?
Zur Beantwortung der Herr Parlamentarische Staatssekretär.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0605231600
Herr Kollege Dasch, auch diese Antwort wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen gegeben.
Nicht ausreichende Sozialplanung in einzelnen Entlastungsstädten oder neuen Großsiedlungen wird zur Zeit öffentlich diskutiert. Dabei erörterte Unzulänglichkeiten sind der Bundesregierung bekannt. Möglichkeiten unmittelbarer Einflußnahme hat die Bundesregierung hinsichtlich der angesprochenen Beanstandungen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht.
Alle von Ihnen genannten Einrichtungen sind in der nicht erschöpfenden Aufzählung des § 5 Abs. 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes als für die Wohlfahrt der Jugend erforderliche Einrichtungen erfaßt. Die Durchführung dieses Gesetzes obliegt jedoch nach Art. 83 des Grundgesetzes den Ländern als 1 eigene Aufgabe. Ihnen obliegt — speziell in § 78 des Jugendwohlfahrtsgesetzes geregelt — die Aufsicht über Heime und Einrichtungen, in denen Minderjährige dauernd oder zeitweise, ganztägig oder für einen Teil des Tages, jedoch regelmäßig, betreut werden oder Unterkunft erhalten. Die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten der Bundesregierung sind auf die Bundesaufsicht gemäß Art. 84 Abs. 3 des Grundgesetzes beschränkt. Daneben bleibt der Bundesregierung lediglich die Möglichkeit, Anregungen zu geben.
Die Bundesregierung hat darüber hinaus auf dem in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Gebiet des Bauwesens an der Erarbeitung einer Musterbauordnung mitgewirkt. Darin wird den von Ihnen gerügten Unzulänglichkeiten vorgebeugt. Sache der Landesgesetzgeber ist es, die hierbei gewonnenen Erkenntnisse im Wege des Landesrechts zu verwirklichen.
Um vorbildliche städtebauliche Lösungen aufzuzeigen und Kostensenkungen durch rationelle Planung und Bauausführung bei gleichzeitiger Steigerung der Güte und Produktivität zu erreichen, hat die Bundesregierung Grundsätze für sogenannte Demonstrativ-Bauvorhaben geschaffen, deren Einhaltung Voraussetzung dafür ist, für die Durchführung eines Demonstrativ-Bauvorhabens zweckgebundene Bundessondermittel zu erhalten.
Die Bundesregierung ist überzeugt, daß diese Grundsätze in Verbindung mit der finanziellen Förderung, auf die Dauer gesehen, Beanstandungen der von Ihnen genannten Art nicht mehr aufkommen lassen. Darüber hinaus muß die Sozialplanung mehr und mehr Anerkennung und Beachtung finden. Dies wird dazu beitragen, daß künftig schon im frühestmöglichen Stadium der Planung bzw. der Erstellung von Bebauungsplänen gerade auch die Jugend- und Sozialämter eingeschaltet werden und ihren berechten Anliegen Rechnung getragen wird.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605231700
Keine Zusatzfrage. Wir sind am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich darf Ihnen danken, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Städtebau und Wohnungswesen. Ich rufe die Frage 86 des Abgeordneten Dichgans auf. — Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet, Frage 87 des Abgeordneten Dichgans ebenfalls.
Ich rufe die Frage 88 des Abgeordneten Mertes auf. — Er ist nicht anwesend. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 89 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Trifft es zu, daß die Mieten für Bundesbedienstetenwohnungen für Soldaten und Zivilbedienstete, die mit Bundesdarlehen errichtet wurden, durch die jüngsten beträchtlichen Anhebungen eine Erhöhung von bisher insgesamt 80 Prozent erfahren haben?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Ravens.

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0605231800
Herr Präsident! Herr Kollege, Ihre Frage beantworte ich wie folgt. In jüngster Zeit sind verschiedentliche Fälle von Mietanhebung bekanntgeworden, in denen Bundesdarlehenswohnungen u. a. mit Sparkassenhypotheken finanziert worden sind und die Sparkassen auf Grund einer vereinbarten Zinsgleitklausel ihren Zinssatz angehoben haben. Es dürfte sich erfahrungsgemäß um relativ wenige Wohnungen handeln, die davon betroffen sind, zumal nach allgemeinen Feststellungen der überwiegende Teil der Sparkassenhypotheken zur Finanzierung von Eigenheimen eingesetzt worden ist.
Der Umfang etwaiger sich aus der Anhebung der Sparkassenzinsen ergebender Mieterhöhungen richtet sich wesentlich nach der Höhe der Hypothek für das betreffende Objekt und nach der Anhebung des Zinssatzes. Sofern in einem konkreten Fall die Miete infolge einer Erhöhung des Sparkassenzinses und anderer mieterhöhender Faktoren, z. B. des Wegfalls der für .die Dauer von fünf Jahren ab Bezugsfertigkeit gewährten Aufwendungszuschüsse oder Erhöhung der Grundsteuer nach Ablauf von zehn Jahren oder höherer Kommunalabgaben, unangemessen erhöht worden sein sollte, bin ich gerne bereit, nähere Einzelheiten nachprüfen zu lassen.
Prozentuale Angaben über Mieterhöhungen haben nur relativen Aussagewert. Je niedriger die Miete beim Erstbezug der Wohnung war, um so höher wirken sich, prozentual gesehen, spätere Mieterhöhungen aus. In Anlehnung an die Mietsätze des sozialen Wohnungsbaus lagen z. B. bei den Ende der fünfziger Jahre geförderten Bundesdarlehenswohnungen



Parlamentarischer Staatssekretär Ravens
einfacher Ausstattung die Mieten bei 1,35 DM per Quadratmeter Wohnfläche und Monat. Bei Annahme einer Mieterhöhung von 80 v. H. seit Bezugsfertigkeit ergäbe sich bei einer solchen Wohnung heute eine Miete von 2,43 DM. Soweit Bundesbedienstetenmieten in einzelnen Standorten im Hinblick auf die sozialen Mieten unangemessen hoch erscheinen, wird jeweils geprüft, ob eine Anpassung notwendig ist.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605231900
Eine Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0605232000
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß in zahlreichen Standorten wegen dieser Mieterhöhungen eine beträchtliche Unruhe unter ,den Angehörigen der Bundeswehr und unter den Bundeswehrbediensteten herrscht?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0605232100
Ja. Es gibt in einigen Standorten solche Erhöhungen. Ich glaube, ich kann in der Antwort auf Ihre zweite Frage, wenn ich sie jetzt beantworten darf, auf die Möglichkeiten hinweisen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605232200
Wollen wir das miteinander verbinden? Ich rufe auch die Frage 90 des Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, um den Angehörigen der Bundeswehr Wohnungen mit angemessenen Mieten zu beschaffen?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0605232300
Die von der Bundesregierung beabsichtigten Maßnahmen, mit denen für alle Bundesbediensteten das Wohnungsproblem besser gelöst werden soll, sind unter der Textziffer 129 des vom Herrn Bundesminister der Verteidigung herausgegebenen Weißbuchs 1970 zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage der Bundeswehr dargestellt. Danach wird der Bau noch benötigter Wohnungen mit Nachdruck vorangetrieben. Eine weitere Erleichterung ist auch durch das im Entwurf bereits vorliegende Zweite Wohngeldgesetz zu erwarten, das dazu dienen soll, erkennbar gewordene Härten zu beseitigen. Vorher jedoch schon sollen alle Bundesbediensteten der Besoldungsgruppen von A 1 bis A 9 einen Ausgleich für solche Mietbelastungen erhalten, die 18 v. H. der Dienstbezüge — Grundgehalt und Ortszuschlag — überschreiten. Die Richtlinien dazu werden zur Zeit vom Herrn Bundesminister des Innern ausgearbeitet.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605232400
Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0605232500
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß vielfach heute schon Bundesbedienstetenwohnungen nicht belegt sind, weil sie auf Grund dieser aufgezeigten Mieterhöhungen nicht begehrt sind?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0605232600
Ich glaube nicht, daß eine der Ursachen für die geringere Begehrtheit von Bundesbedienstetenwohnungen Mietkosten sein können. Im Gegenteil, wir haben viel zuwenig Wohnungen. Wir müssen im Bereich der Bundeswehr nach Aussage des Weißbuches bis 1973 etwa 27 000 Wohnungen bauen; so groß ist die Nachfrage.
Eine der Fragen, die dabei entstehen, ist die häufig nicht mehr zeitgemäße Ausstattung. Eine zweite Frage ergibt sich aus den Differenzen, die im Verhältnis von Soldaten und Belegrecht der Bundeswehr in die Wohnung hinein auf der einen Seite und der privaten Vermieter auf der anderen Seite auftreten.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605232700
Eine dritte Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID0605232800
Herr Staatssekretär, geben Sie mir recht, daß die Verhältnisse strukturell verschieden sind, nämlich anders in den ländlichen Bereichen als in den Ballungszentren?

Karl Ravens (SPD):
Rede ID: ID0605232900
Das trifft nicht nur auf die Bundesbedienstetenwohnungen zu, das trifft auf die gesamte Wohnungssituation in Deutschland zu.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605233000
Keine weitere Zusatzfrage.
Die Fragen 91 und 92 sind beantwortet.
Ich danke Ihnen für die Beantwortung Ihrer Fragen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den letzten Geschäftsbereich der heutigen Fragestunde auf, den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft.
Frage 93 des Herrn Abgeordneten Dr. Jungmann wird auf seine Bitte hin schriftlich beantwortet.
Ich rufe Frage 94 der Abgeordneten Frau Dr. Walz auf:
War das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft nach dem sehr ausführlichen Hearing vor dem Ausschuß für Bildung und Wissenschaft mit sämtlichen Gruppen der zukünftigen Gesamthochschule und, nachdem die Vorstellungen dieser Gruppen zumeist im Druck vorliegen, nicht in der Lage, „konkrete Formulierungsvorschläge sowie Hinweise darüber, wo Kompromisse möglich sind" zu erarbeiten, so daß diese Besprechungen, wie der Frankfurter Rundschau vom 30. April 1970 zu entnehmen war, in diesem Ministerium mit derselben Besetzung fortgesetzt werden mußten?
Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0605233100
Herr Präsident! Die gegenwärtigen Besprechungen im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft über die Thesen zum Hochschulrahmengesetz dienen dazu, bestimmte Sachfragen, die n den vorangegangenen Anhörungen des Bundestagsauschusses für Bildung und Wissenschaft offengeblieben sind, zwischen den beteiligten und betrof-



Parlamentarischer Staatssekretär Dr. von Dohnanyi fenen Gruppen und der Bundesregierung zu erörtern und zu klären. Diese Erörterung ist den Beteiligten zu Beginn der Bundestagsanhörung in Aussicht gestellt und von ihnen auch nachdrücklich begrüßt worden. Im Rahmen einer vom Bundestag veranstalteten Anhörung, Frau Kollegin Walz, besteht die Möglichkeit zu einer solchen Diskussion ja nicht. Insofern liegt — worauf auch der erwähnte Zeitungsbericht hinweist — in den gegenwärtigen Besprechungen keine Wiederholung etwa der Anhörung des Bundestagsausschusses. Vielmehr ergänzen sich beide Verfahren, die völlig verschiedene, jeweils auf andere Ziele ausgerichtete Zwecke haben, so scheint mir, in sinnvoller Weise.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605233200
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Walz.

Dr. Hanna Walz (CDU):
Rede ID: ID0605233300
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, halten Sie es — um mich auf denselben Zeitungsartikel zu beziehen — für die Aufgabe der Bundesregierung, sich von Gruppen, die naturgemäß jeweils ihr Eigeninteresse vertreten und die sich gerade auf dem Hochschulsektor zu den merkwürdigsten Kampfverbindungen zusammengeschlossen haben, den Wortlaut eines Gesetzes vorformulieren zu lassen — wie Ihr Sprecher dort gesagt hat —, bzw. es von deren Kompromißbereitschaft abhängig zu machen, ob die Freiheit von Forschung und Lehre vor Beeinträchtigung besser als bisher geschützt werden kann und ob insbesondere die verschiedene Forschungsstrukturierung der Natur- und Geisteswissenschaften besser als bisher im Hearing berücksichtigt werden kann?

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605233400
Es ist mir nicht ganz möglich, zu klären, ob es nur eine Zusatzfrage war oder ein ganzes Bündel.

Dr. Hanna Walz (CDU):
Rede ID: ID0605233500
Es war eine Zusatzfrage, deren zweiter Teil mit „beziehungsweise" angeschlossen war, Herr Präsident.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605233600
Ja. — Bitte schön, zur Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär!

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0605233700
Frau Kollegin, es ist selbstverständlich nicht Aufgabe einzelner betroffener ,Gruppen, für die Bundesregierung etwa die Vorformulierung eines Gesetzestextes vorzunehmen. Ich kann Sie versichern, daß dies selbstverständlich auch nicht stattfindet.
Wohl aber geht es darum, daß die hinzugezogenen Gruppen ja nicht nur betroffen sind, sondern ein großes Maß von Sachwissen haben. Die Bundesregierung wird versuchen, ein Gesetz zu formulieren, das dem gesamten vorhandenen Sachwissen entspricht. Zu diesem Zweck ist es notwendig, zu bestimmten Einzelfragen vertiefende Gespräche zu führen. Wir werden diese Gespräche immer präziser auf für uns offengebliebene und ungeklärte Sachfragen zuspitzen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605233800
Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Walz.

Dr. Hanna Walz (CDU):
Rede ID: ID0605233900
Der Sprecher Ihres Ministeriums, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, hat also nicht erklärt - und es war ein Irrtum der Zeitung —, daß Sie sich bestimmte Gesetzestexte vorformulieren lassen wollten?
Dr. von Dohnanyi, 'Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Bildung und Wissenschaft: Es war ein Irrtum der Zeitung, Frau Kollegin.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605234000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Moersch.

Karl Moersch (FDP):
Rede ID: ID0605234100
Herr Staatssekretär, können Sie uns bestätigen, daß es ein ständiges Problem der parlamentarischen Demokratie ist, :Sachverständige anhören zu müssen, die zugleich Interessenten sind?

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0605234200
Ich bin sicher, Herr Kollege Moersch, daß ich das bestätigen kann, und ich bin sicher daß auch Frau Kollegin Walz hiermit übereinstimmt.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605234300
Ich rufe die Frage 95 der Abgeordneten Frau Dr. Walz auf:
Beinhaltet die „Milieu-Quote", die nach einer Meldung der Frankfurter Rundschau vom 30. April 1970 vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft neben dem Losverfahren im Rahmen des Numerus clausus in Erwägung gezogen wird, daß bei gleichen Leistungen Studenten aus den sozial benachteiligten Schichten vorrangig zugelassen werden, oder beinhaltet sie, daß in diesen Fällen geringere Leistungen für eine Zulassung ausreichend sind?
Zur Beantwortung, bitte!

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0605234400
Bei den Überlegungen, die im Zusammenhang mit der Einführung einer sogenannten „Milieuquote" bei der Zulassung zu Fächern mit Zulassungsbeschränkungen in einer der Bundestagsanhörungen von verschiedener Seite angestellt wurden, ging es sowohl um die Frage, ob bei Vorliegen gleicher Leistungen Studienbewerbern aus sozial benachteiligten Schichten der Vorrang vor anderen gegeben werden sollte, weil es ihnen wirtschaftlich nicht zumutbar ist, längere Wartezeiten vor Beginn des Studiums in Kauf zu nehmen, als auch alternativ um die Überlegung, ob bei der Bewertung von Noten die sozialen Umstände, unter denen sie erworben wurden, etwa zu berücksichtigen wären. Hinter diesen Überlegungen, die, wie ich sagte, durch eine Diskussion in den Anhörungen angeregt wurden, steht die Frage, ob auf diese Weise ein weiterer Beitrag zur Verwirklichung der Chancengleichheit im Bildungswesen geleistet werden könnte.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605234500
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Walz.




Dr. Hanna Walz (CDU):
Rede ID: ID0605234600
Sie sind sich hoffentlich darüber klar, Herr Staatssekretär, daß Sie, wenn Sie eine Milieuquote einführten, gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstießen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605234700
War das eine Frage?

Dr. Hanna Walz (CDU):
Rede ID: ID0605234800
Sie sind sich hoffentlich darüber klar, daß Sie dagegen verstoßen würden? So habe ich es formuliert.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605234900
Ich würde sagen: Sind Sie sich darüber klar . . .

Dr. Hanna Walz (CDU):
Rede ID: ID0605235000
Sind Sie sich darüber klar, daß Sie, wenn Sie die Milieuquote einführten, gegen Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes verstießen? Ich danke für die Formulierungshilfe, Herr Präsident.

Dr. Klaus von Dohnanyi (SPD):
Rede ID: ID0605235100
Frau Kollegin, in Art. 3 des Grundgesetzes wird auch davon gesprochen, daß niemand auf Grund seiner sozialen Herkunft benachteiligt werden darf

(Abg. Frau Dr. Walz: Oder bevorzugt werden darf!)

— oder bevorzugt werden darf.

(Abg. Frau Dr. Walz: Eben!)

Die Frage ist, ob nicht auf Grund des bestehenden Systems der Auswahl und der Kriterien im Zusammenhang mit Zulassungsbeschränkungen eine solche Benachteiligung bestimmter sozialer Schichten und eine Bevorzugung anderer bereits stattfindet. Die Bundesregierung hat diese Frage bisher noch nicht geklärt. Sie wird alle Fragen, die im Zusammenhang mit der Erreichung der Chancengleichheit gestellt werden, und alle Anregungen, die in der Bundestagsanhörung gegeben wurden, sorgfältig prüfen.

Kai-Uwe von Hassel (CDU):
Rede ID: ID0605235200
Keine Zusatzfragen.
Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereichs angelangt. Ich danke auch Ihnen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Mittwoch, den 27. Mai 1970, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.