Protokoll:
5233

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 233

  • date_rangeDatum: 9. Mai 1969

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:15 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:11 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 2 32 . und 233. Sitzung Bonn, den 9. Mai 1969 Inhalt: 232. Sitzung Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 12827 A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank (Drucksache V/4169) . . . . 12827 A Begrüßung einer Delegation des Nationalrats und des Ständerats der Schweiz . . 12843 D Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (1. StrRG) (Drucksachen V/32, V/2285); Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (Drucksache V/4094) in Verbindung mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (2. StrRG) (Drucksachen V/32, V/2285) ; Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform (Drucksache V/4095) — Dritte Beratung — Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) . . . . 12827 C Dr. Müller-Emmert (SPD) . . . . 12833 B Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 12838 B Dr. Wuermeling (CDU/CSU) . . . 12844 A Dr. Zimmermann (CDU/CSU) . . . 12845 A Dr. Ehmke, Bundesminister . . . 12845 B Memmel (CDU/CSU) 12846 C Entwurf eines Gesetzes zum Ratsbeschluß der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 19. Juli 1966 über die Annahme von Strahlenschutznormen für Uhren mit radioaktiven Leuchtfarben (Drucksache V/3539) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache V/4142) — Zweite und dritte Beratung — 12849 C Entwurf eines Gesetzes zu den vom Rat der Organisation am 14. Dezember 1967 beschlossenen Änderungen des Abkommens über die Errichtung einer Europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung (CERN) (Drucksache V/3861) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik (Drucksache V/4143) — Zweite und dritte Beratung — 12849 D Entwurf eines Gesetzes über das Meß- und Eichwesen (Eichgesetz) (Drucksache V/1073); Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 GO (Drucksache V/4136), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (Drucksachen V/3887, zu V/3887) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über Einheiten im Meßwesen (Drucksache V/1074); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirt- II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 schaft und Mittelstandsfragen (Drucksachen V/3888, zu V/3888) und mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (Abg. Gewandt, Wieninger, Dr. Frerichs, Lampersbach, Burgemeister, Dr. Luda, Porten u. Gen.) (Drucksache V/2324 [neu]) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache V/4035) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Frerichs (CDU/CSU) . 12850 C, 12851 A Lenders (SPD) 12852 A Dr. von Dohnanyi, Staatssekretär . 12852 D Opitz (FDP) 12853 A Gewandt (CDU/CSU) 12853 C Dr. Staratzke (FDP) 12853 D Reischl (SPD) 12854 B Entwurf eines Beurkundungsgesetzes (Drucksache V/3282) ; Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache V/4014) — Zweite und dritte Beratung — Dr. Besold (CDU/CSU) 12855 B, C, 12859 A, 12863 A Jacobi (Köln) (SPD) 12855 D Dr. Ehmke, Bundesminister 12856 D, 12860 D, 12862 A Dr. Arndt. (Hamburg) (SPD) . . . . 12857 D Busse (Herford) (FDP) . . ,12860 C, 12865 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 12861 C Erhard (Bad Schwalbach) (CDU/CSU) 12864 A Dr. Jaeger (CDU/CSU) (zur GO) . . 12865 B Feststellung der Beschlußunfähigkeit . . 12865 D Nächste Sitzung 12865 D 233. Sitzung Antrag der Abg. Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Schober, Raffert, Dr. Lohmar, Dr. Mühlhan u. Gen. betr. Postzeitungsgebühren (Drucksache V/3903) 12867 A Übersicht 28 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache V/4145) 12867 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Verordnung des Rates über eine Abweichung von den Bestimmungen der Verordnungen Nr. 160/66/EWG und Nr. 83/67/EWG für bestimmte, unter die Nummern 19.08 und 21.07 des Gemeinsamen Zolltarifs fallende Waren eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Grunderzeugnismengen, bei denen davon ausgegangen wird, daß sie zur Herstellung der unter die Verordnung (EWG) Nr. .../69 fallenden Waren verwendet worden sind (Drucksachen V/3901, V/3917, V/4139) . . 12867 B Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Fleischextrakt, Hefeextrakt, Eiweißextrakt, Suppen- und Speisewürze, Brühen, Suppen und Fleischsoßen eine Verordnung des Rates zur Festsetzung der Standardqualitäten für Weichweizen, Roggen, Gerste, Mais und Hartweizen eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit bei den Tätigkeiten in der Landwirtschaft eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen landwirtschaftlichen Dienste eine Verordnung des Rates. betreffend die Herstellung und den Handel mit Fruchtsäften und gleichartigen Erzeugnissen eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 825/68 und 986/68, hinsichtlich der Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, insbesondere aufgrund des Internationalen Getreideabkommens eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse eine Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge der Preise für Getreide und Mehl, Grütze und Grieß von Weizen oder Roggen für das Wirtschaftsjahr 1969/1970 eine Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1969/1970 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mad 1969 III (Drucksachen V/3526, V/3712, V/3844, V/3864, V/3911, V/3975, V/3982, V/4016, V/4017, V/4150) 12867 C Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/69 — Angleichungszölle für Verarbeitungsweine) (Drucksachen V/4077, V/4130) 12868 A Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 1/69 — Zollkontingent für Bananen) (Drucksachen V/3870, V/4131) 12868 A Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 6/68 — Zollaussetzungen und Zollkontingente für Tomaten usw.) (Drucksachen V/4076, V/4132) 12868 B Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Neunzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung Achtzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen V/3919, V/4073, V/4054, V/4133) 12868 B Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses über die Zweite Verordnung zur Einschränkung der Begünstigung des § 27 des Zollgesetzes (Drucksachen V/3752, V/4151) 12868 B Fragestunde (Drucksache V/4156) Frage des Abg. Dr. Giulini: Auswirkungen des Atomsperrvertrages Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär 12868 C Dr. Giulini (CDU/CSU) . . . . 12869 A Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 12869 B Fragen des Abg. Porsch: Spandauer Kriegsverbrechergefängnis Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . 12869 D, 12870 D, 12871 A Porsch (FDP) . . 12869 D, 12870 D, 12871 A Dr. Imle (FDP) . . . . . . . . 12870 A Dr. Kliesing (Honnef) (CDU/CSU) . . 12870 B Frage des Abg. Dr. Hofmann (Mainz) : Wirkung des Einmarsches ausländischer Truppen auf den völkerrechtlichen Status der Tschechoslowakei Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 12871 C Fragen des Abg. Ertl: Mordtaten innerhalb von Exilgruppen im Münchener Raum Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 12872 A Fragen des Abg. Dr. Becher (Pullach) : Mordanschläge auf Kroaten und jugoslawische Volksangehörige auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . 12872 C, 12873 C, 12874 A Dr. Becher (Pullach) (CDU/CSU) . 12872 C, 12873 C, 12874 B Schlager (CDU/CSU) 12873 A Sänger (SPD) 12873 B, 12873 C Fragen des Abg. Bäuerle: Deutsch-jugoslawisches Abkommen betr. die sozialen und rechtlichen Fra- gen von Gastarbeitern 12874 D Frage des Abg. Dr. Abelein: Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion — Einwohner Westberlins Jahn, Parlamentarischer Staatssekretär . . . . . . . . 12874 D Dr. Abelein (CDU/CSU) . . . . 12874 D Fragen des Abg. Nellen: Rechtsverhältnisse von Boten und Pförtnern im öffentlichen Dienst Benda, Bundesminister . . . . 12875 B, C Westphal (SPD) . . . . . . . . 12876 A Fragen des Abg. Haase (Kellinghusen) : Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten — Wehrpflichtige 12876 B IV Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 Frage des Abg. Exner: Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes 12876 C Fragen des Abg. Dorn: Funktionsfähigkeit des Bundeskriminalamtes Benda, Bundesminister . . 12877 A, C Opitz (FDP) 12877 B, D Fragen des Abg. Regling: Diabetiker und Staatsdienst Benda, Bundesminister 12877 D, 12878 A, C Regling (SPD) . . . . . . . . 12878 B, C Frage des Abg. Dr. Jahn (Braunschweig) : Einstellung von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren als Staatssekretäre in Bundesministerien 12879 A Frage des Abg. Kubitza: Haltung der Bundesregierung gegenüber Flagge und Hymne der DDR bei internationalen Sportveranstaltungen Benda, Bundesminister 12879 A Freiherr von Gemmingen (FDP) . 12879 B Mischnick (FDP) 12879 C Frage des Abg. Peiter: Standort der „Akademie für öffentliche Verwaltung" Benda, Bundesminister . . . . 12879 D Peiter (SPD) 12880 A Fragen des Abg. Porten: Assistenzärzte an Universitätskliniken — Finanzielle Entschädigung für Überstunden Benda, Bundesminister 12880 B, D, 12881 A Porten (CDU/CSU) . . . .12880 C, 12881 B Frage des Abg. Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell: Gefährdungshaftung nach § 22 des Wasserhaushaltsgesetzes bei gemeindlicher Kanalisation 12881 C Nächste Sitzung 12881 D Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 12883 A Anlagen 2 und 3 Änderungsanträge Umdrucke 655 und 654 zur zweiten bzw. dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Meß- und Eichwesen (Drucksachen V/1073, V/3887, zu V/3887) 12884 A Anlagen 4 bis 6 Änderungsanträge Umdrucke 652, 651 und 653 zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Beurkundungsgesetzes (Drucksachen V/3282, V/4014) . . . . . 12884 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Jung betr. Arztzulage für Sanitäts-Zeitoffiziere 12885 A Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Picard betr. Verwendung der Bezeichnung „Ingenieur (grad.)" neben der Amtsbezeichnung . . . . . 12885 B Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Picard betr. Besoldung von graduierten Ingenieuren im öffentlichen Dienst 12885 C Anlage 10 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Anfragen des Abg. Schmidt (Braunschweig) betr. Bundeswehrfachschule in der Braunschweiger Mölders-Kaserne . . 12885 D Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12827 232. Sitzung Bonn, den 9. Mai 1969 Stenographischer Bericht Beginn: 9.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung Es ist zu lesen: 230. Sitzung, Seite 12757 C, Zeile 12 statt 21: 91 230. Sitzung, Seite 12758 D, Zeile 11 von unten statt SPD: CDU/CSU Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode - 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12883 Anlage i Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 10. 5. Adorno 9. 5. Dr. Aigner * 10. 5. Frau Albertz 9. 5. Dr. Apel* 10. 5. Arendt (Wattenscheid) * 10. 5. Dr. Arndt (Berlin) 9. 5. Dr. Arndt (Berlin/Köln) 14. 5. Dr. Artzinger * 10. 5. Bading* 10. 5. Dr.-Ing. Dr. h. c. Balke 15. 5. Bauer (Wasserburg) 9. 5. Dr. Bechert (Gau-Algesheim) 9. 5. Behrendt* 10. 5. Berger 9. 5. Bergmann* 10. 5. Beuster 9. 5. Frau Blohm 24. 5. Dr. Brenck 10. 5. Dr. Burgbacher * 10. 5. Corterier* 10. 5. Deringer* 10. 5. Dichgans* 10. 5. Diebäcker 9. 5. Dr. Dittrich * 10. 5. Dorn 9. 5. Dröscher* 10. 5. von Eckardt 17. 5. Ehnes 9. 5. Frau Dr. Elsner * 10. 5. Enk 16. 5. Dr. Erhard 9. 5. Erpenbeck 9. 5. Dr. Even 10. 5. Faller* 10. 5. Fellermaier* 10. 5. Dr. Franz 31. 5. Dr. Furler * 10. 5. Gerlach* 10. 5. Glombig 10. 5. Dr. Gradl 9. 5. Graaff 9. 5. Freiherr von und zu Guttenberg 25. 5. Hahn (Bielefeld) * 10. 5. Hamacher 30. 6. Hellenbrock 31. 7. Hösl 9. 5. Illerhaus * 10. 5. Dr. Ils 9. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) 9. 5. Jahn (Marburg) 9. 5. Kahn-Ackermann 9. 5. Frau Klee 9. 5. Klinker * 10. 5. Dr. Koch 12. 5. Könen (Düsseldorf) 10. 5. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Kriedemann* 10. 5. Dr. Krone 9. 5. Kulawig* 10. 5. Kunze 15. 7. Lâutenschlager * 10. 5. Lemmrich 9. 5. Lenz (Brühl) * 10. 5. Dr. Löhr * 10. 5. Logemann 9. 5. Dr. Lohmar 16. 5. Lücker (München) * 10. 5. Dr. Martin 9. 5. Mauk* 10. 5. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 9. 5. Mertes 9. 5. Metzger* 10. 5. Michels 9. 5. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 14. 5. Müller (Aachen-Land) * 10. 5. Neemann 15. 7. Nellen 15. 5. Dr. von Nordenskjöld 10. 5. Orgaß 9. 5. Ott 9. 5. Picard 10. 5. Frau Pitz-Savelsberg 9. 5. Prochazka 9. 5. Raffert 9. 5. Ramms 9. 5. Rehs 9. 5. Richarts* 10. 5. Riedel (Frankfurt) * 10. 5. Ruf 9. 5. Prinz zu Sayn-Wittgenstein- Hohenstein 17. 5. Schmidt (Hamburg) 9. 5. Schmidt (Kempten) 10. 5. Dr. Schmidt (Offenbach) 9. 5. Dr. Schober 9. 5. Schoettle 10. 5. Dr. Schulz (Berlin) 10. 5. Springorum* 10. 5. Dr. Starke (Franken).* 10. 5. Dr. Stecker 9. 5. Stein (Honrath) 9. 5. Steinhoff 15. 7. Stiller 9. 5. Dr. Tamblé 17. 5. Walter 14. 5. Frau Wessel 15. 7. Wiefel 9. 5. Wieninger 10. 5. Dr. Wilhelmi 31. 5. Wurbs 9. 5. Zoglmann 9. 5. b) Urlaubsanträge Cramer 7. 6. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments 12884 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232, und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 Anlage 2 Umdruck 655 Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Frerichs zur zweiten Beratung des Entwurf eines Gesetzes über das Meß- und Eichwesen (Eichgesetz) — Drucksachen V/1073, V/3887, zu V/3887 —. Der Bundestag wolle beschließen: § 39 Abs. 2 erhält eingangs folgenden Wortlaut: „ (2) § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 gelten bis zum Ablauf von ..." Bonn, den 9. Mai 1969 Dr. Frerichs Anlage 3 Umdruck 654 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP zur ,dritten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Meß- und Eichwesen (Eichgesetz) — Drucksachen V/1073, V/3887 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, das Lebensmittelgesetz bis zum Inkrafttreten der Vorschriften der §§ 14 bis 16 und 18 des Eichgesetzes am 1. Januar 1972 hinsichtlich der Ahndung von Verstößen gegen Füllmengenvorschriften bei Packungen mit Lebensmitteln den Vorschriften des Eichgesetzes anzupassen. Bonn, den 6. Mai 1969 Dr. Barzel und Fraktion Schmidt (Hamburg) und Fraktion Mischnick und Fraktion Anlage 4 Umdruck 652 Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Besold, Busse (Herford), Dr. Arndt (Hamburg) und Dr. Lenz (Bergstraße) zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Beurkundungsgesetzes — Drucksachen V/3282, V/4014. Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 26 Abs. 2 wird wie folgt geändert: a) Nr. 3 und 4 werden gestrichen. b) Die bisherigen Nr. 5 bis 8 werden Nr. 3 bis 6. 2. In § 57 Abs. 3 Nr. 9 Buchstabe b wird die Angabe „§ 26 Abs. 2 Nr. 2 bis 7" durch die Angabe „§ 26 Abs. 2 Nr. 2 bis 5" ersetzt. Bonn, den 9. Mai 1969 Dr. Besold Busse Dr. Arndt (Hamburg) Dr. Lenz (Bergstraße) Anlage 5 Umdruck 651 Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Beurkundungsgesetzes — Drucksachen V/3282, V/4014 — Der Bundestag wolle beschließen: 1. § 57 Abs. 14 wird gestrichen. 2. Der bisherige Wortlaut des § 59 wird Absatz 1; folgender Absatz 2 wird angefügt: „(2) Die Amtsgerichte bleiben neben den Notaren zuständig für die Beurkundung von Willenserklärungen und die Beglaubigung von Unterschriften, soweit nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften Gebühren- oder Auslagenbefreiung gewährt wird." Bonn, den 8. Mai 1969 Schmidt (Hamburg) und Fraktion Anlage 6 Umdruck 653 Änderungsantrag der Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Conring, Dr. Lenz (Bergstraße) und Genossen zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Beurkundungsgesetzes — Drucksachen V/3282, 4014 —. Der Bundestag wolle beschließen: Folgender § 61 a wird eingefügt: „§ 61 a Die Länder sind befugt, durch Gesetz die Zuständigkeit für die öffentliche Beglaubigung von Abschriften oder Unterschriften anderen Personen oder Stellen zu übertragen." Bonn, den 9. Mai 1969 Reitz Bäuerle Flämig Riedel (Frankfurt) Haase (Kassel) Dr. Dr. Conring Schmitt-Vockenhausen Schwabe Dr. Kreutzmann Dr. Enders Fritz (Wiesbaden) Erhard (Bad Schwalbach) Dr. Lenz (Bergstraße) Dr. Preiß Dr. Reinhard Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12885 Anlage 7 Schriftliche Antwort des Bundesministers Benda vom 9. Mai 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jung (Drucksache V/4156 Frage 20) : Wird die vorgesehene Arztzulage auch den Sanitäts-Zeitoffizieren gewährt, um auf diese Weise den Sanitätsoffizierbedarf in der Bundeswehr sicherzustellen? Dem Haushaltsausschuß dieses Hauses wird demnächst eine Finanzvorlage über die Einführung einer Zulage für Sanitätsoffiziere und Medizinalbeamte der Bundeswehr zugeleitet werden. Die Zulage soll neben den Medizinalbeamten der Bundeswehr den Berufsoffizieren des Sanitätsdienstes gewährt werden. Für die Sanitätsoffiziere auf Zeit ist sie nicht vorgesehen. Die unterschiedliche Behandlung beider Personenkreise erklärt sich aus dem Zweck der Zulage. Die Bundeswehr braucht besonders dringend Sanitätsoffiziere, mit denen sie auf Dauer rechnen kann. Daher kommt es gegenüber dem Absinken des Ist-Bestandes in den letzten Jahren entscheidend darauf an, die Attraktivität des Dienstes als Berufssanitätsoffizier zu erhöhen und dadurch die Entwicklung des Bestandes an solchen Offizieren günstig zu beeinflussen. Dieser Zielsetzung würde es entgegenlaufen, wenn die gleiche Vergünstigung auch für die Sanitätsoffiziere auf Zeit eingeführt würde. Zu berücksichtigen sind ferner die besonderen Leistungen für ausscheidende Soldaten auf Zeit wie Übergangsgebührnisse und Übergangsbeihilfen. Man sollte nicht übersehen, daß es sich dabei um erhebliche Beträge handelt, die den nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr eine andere ärztliche Tätigkeit übernehmenden Sanitätsoffizieren auf Zeit gezahlt werden. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Bundesministers Benda vom 9. Mai 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Picard (Drucksache V/4156 Frage 23) : Wann beabsichtigt die Bundesregierung, endgültige Folgerungen aus der mit dem Fünften Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften durchgeführten Änderung des § 81 des Bundesbeamtengesetzes für ihren Geschäftsbereich zu ziehen und z. B. den Ingenieur (grad.) neben der Amtsbezeichnung im amtlichen Schriftwechsel, auf Beförderungsurkunden usw. anzuwenden? Das für diese Materie federführende Bundesministerium des Innern hat gleich nach der Verabschiedung des Gesetzes und noch vor dessen Verkündung in einem Rundschreiben die obersten Bundesbehörden von der neuen Rechtslage unterrichtet und sie darauf hingewiesen, daß die im Beamtenverhältnis stehenden graduierten Ingenieure künftig neben der Amtsbezeichnung auch die Bezeichnung „Ingenieur (grad.)" führen dürfen. Inhalt und Form der Ernennungsurkunden sind in den Durchführungsbestimmungen zur Anordnung des Bundespräsidenten über die Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten und Richter im Bundesdienst geregelt. Diese Bestimmungen werden z. Z. überarbeitet. Dabei ist vorgesehen, daß auch die Bezeichnung „Ingenieur (grad.)" in die Ernennungs- und Entlassungsurkunden aufgenommen werden soll. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Benda vom 9. Mai 1969 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Picard (Drucksache V/4156 Frage 24) : Ist die Bundesregierung bereit, entsprechend der in Nordrhein-Westfalen geltenden Regelung vom Unterhaltszuschuß für graduierte Ingenieure im öffentlichen Dienst abzugehen und statt dessen einen bestimmten Prozentsatz — z. B. 90 % — des Eingangsgehaltes der Besoldungsgruppe A 9 gesetzlich zu verankern? Im Bereich des Bundes wird den Anwärtern des gehobenen technischen Dienstes neben dem Unterhaltszuschuß eine Technikerzulage in Höhe von z. Z. 165 DM monatlich gewährt. Mit Wirkung vom 1. April 1969 sollen die Grundbeträge der Unterhaltszuschüsse auf der Grundlage der erhöhten Sätze des Zweiten Besoldungsneuregelungsgesetzes auch strukturell verbessert werden. Der Grundbetrag des Unterhaltszuschusses wird sich hierbei für die Anwärter des gehobenen Dienstes um insgesamt 16 % erhöhen. Eine weitere Verbesserung zugunsten der Anwärter des gehobenen technischen Dienstes halte ich z. Z. nicht für vertretbar. Eine solche Sonderregelung würde zwangsläufig zu nicht unberechtigten Berufungen anderer Gruppen von Anwärtern führen. Die Bundesregierung gibt deshalb einer allgemeinen Erhöhung der Unterhaltszuschüsse den Vorzug vor dem Ausbau von Präferenzen zugunsten bestimmter Gruppen von Anwärtern. Auch in den Ländern beginnt sich eine derartige Tendenz abzuzeichnen. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Schröder vom 8. Mai 1969 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Schmidt (Braunschweig) (Drucksache V/4156 Fragen 64 und 65) : Ist der Bundesregierung bekannt, daß die im Juli 1966 in der Braunschweiger Molders-Kaserne eingerichtete Bundeswehrfachschule mit etwa 250 Schulplätzen sowie einem angegliederten Internat für 80 Schüler trotz erheblichen Bedarfs bislang nicht genutzt wird? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diesen Zustand, durch den Soldaten in ihrer beruflichen Weiterbildung behindert werden, abzuändern? Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes vom 8. August 1964 (BGBl I S. 650) wurde der bisher dienstzeitbegleitend erteilte Unterricht an Bundeswehrfachschulen in einen dienstzeitbeendenden Unterricht umgewan- 12886 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 delt. Die in diesem Gesetz vorgesehenen finanziellen Verbesserungen lösten bei den Soldaten zahlreiche Weiterverpflichtungen aus mit der Folge, daß eine vorübergehende Verminderung der Lehrgangsteilnehmer eintrat, weil der Unterricht erst am Ende einer Dienstzeit erteilt wird. Als diese Auswirkungen für den Fachschulbesuch erkennbar wurden, habe ich von den bereits eingerichteten 47 Bundeswehrfachschulen 12 aufgelöst. Die Zahlung der Verpflichtungsprämie nach dem Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes vom 31. August 1965 (BGBl I S. 1005) erhöhte erneut die Zahl der Weiterverpflichtungen von Soldaten und führte deshalb zu einer weiteren Verminderung der Zahl der Lehrgangsteilnehmer an den Bundeswehrfachschulen. Deshalb habe ich im Jahre 1966 weitere 10 Bundeswehrfachschulen, darunter auch die bereits im Mai 1961 eingerichtete Bundeswehrfachschule in Braunschweig, vorübergehend stilllegen lassen. An dieser Schule war zu diesem Zeitpunkt nur eine Klasse mit 20 Lehrgangsteilnehmern eingerichtet, wovon 11 im Internat untergebracht waren. Im Wehrbereich II (Hannover) sind z. Z. 7 Bundeswehrfachschulen in Betrieb. An diesen Schulen stehen 1400 Lehrgangsplätze zur Verfügung. Im 1. Studienhalbjahr 1969 nahmen 967 Soldaten auf Zeit am Unterricht der Bundeswehrfachschule im Wehrbereich II teil. Somit blieben 433 Plätze ungenutzt. Für meine Entscheidung, die Bundeswehrfachschule Braunschweig bislang nicht wieder zu eröffnen, sind folgende Überlegungen maßgebend: Um die Rentabilität einer Schule zu gewährleisten, sind mindestens 3 Klassen mit je 20 bis 25 Lehrgangsteilnehmern erforderlich. Für die Bundeswehrfachschule Braunschweig lagen in den Jahren 1967 bis I. Schulhalbjahr 1969 folgende Meldungen vor: 1967 I. Schulhalbjahr: 11 Lehrgangsteilnehmer II. Schulhalbjahr: 6 Lehrgangsteilnehmer 1968 I. Schulhalbjahr : 20 Lehrgangsteilnehmer II. Schulhalbjahr: 26 Lehrgangsteilnehmer 1969 I. Schulhalbjahr: 42 Lehrgangsteilnehmer. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die jeweils gemeldeten Lehrgangsteilnehmer sich auf drei bis vier verschiedene Lehrgänge verteilen, so daß eine Zusammenfassung in einer Klasse bzw. zwei oder drei Klassen nicht möglich gewesen wäre. Für das II. Schulhalbjahr 1969 stehen aus dem Standort Braunschweig 48 Soldaten auf Zeit zum Besuch der Bundeswehrfachschule heran, von denen 13 bereits ein Studienhalbjahr an anderen Bundeswehrfachschulen absolviert haben. Diese Lehrgangsteilnehmer verteilen sich auf die Lehrgänge wie folgt: Grundlehrgang Verwaltung 15 Grundlehrgang Technik 2 Grundlehrgang Wirtschaft 4 Vorbereitungslehrgang 11 1. Studienhalbjahr des Lehrgangs zur Erlangung der mittleren Reife 16 Bei dieser Sachlage ist schulfachlich und haushaltsrechtlich eine Wiedereröffnung der Bundeswehrfachschule Braunschweig noch nicht zu vertreten. Durch die vorübergehende Stillegung dieser Schule sind die Soldaten aus dem Standort Braunschweig in ihrer beruflichen Weiterbildung nicht behindert worden. Sie sind an andere Bundeswehrfachschulen im Wehrbereich II kommandiert worden. Nach den mir vorliegenden Unterlagen ist jedoch damit zu rechnen, daß die Zahl der Lehrgangsteilnehmer aus dem Wehrbereich II im I. Schulhalbjahr 1970 so erheblich ansteigen wird, daß die Bundeswehrfachschule in Braunschweig voraussichtlich zu diesem Zeitpunkt den Schulbetrieb wiederaufnehmen kann.
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523300000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD betr. Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank
— Drucksache V/4169 —.
Das Haus ist damit einverstanden.
Ich möchte vorschlagen, über den Antrag, der Ihnen in dieser Drucksache vorliegt, gleich abzustimmen. Erhebt sich Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Sache selbst. — Ich höre keinen Widerspruch und nehme an, daß das Haus zustimmt.
Demnach ist gemäß dem Antrag beschlossen.
Damit komme ich zu Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (1. StRG)

— Drucksachen V/32, V/2285 —
Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform
— Drucksache V/4094 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. MüllerEmmert, Abgeordneter Schlee, Abgeordnete Frau Dr. Diemer-Nicolaus
b) Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (2. StrRG)

— Drucksachen V/32, V/2285 —
Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform
— Drucksache V/4095 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. MüllerEmmert, Abgeordneter Schlee, Abgeordnete Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Die Debatte über beide Gesetzentwürfe wird verbunden. — Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Güde.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523300100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden Verständnis dafür haben, daß für mich alten Juristen dieser Anlaß und dieser Tag etwas Besonderes ist. Nun hat kürzlich einmal jemand mit liebenswürdigem Spott über mich gesagt, ich sei einer der romantischen Typen meiner Juristengeneration. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber sei es so! Darum wage ich auch mit einem Wort sozusagen abseits des Themas anzufangen.
In den zwanziger Jahren — die Älteren unter Ihnen könnten sich vielleicht erinnern — hat Sigrid Undset, eine norwegische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin, einen Roman mit dem Titel „Gymnadenia" geschrieben. Der Held dieses Romans bekommt in seinen Kinderjahren von seiner Mutter von einer wildwachsenden norwegischen Orchidee erzählt; sie trägt den Namen Gymnadenia. Dieses geheimnisvolle Wort „Gymnadenia" wird für den Helden durch lange Jahre hindurch Bild und Symbol des Großen, Außergewöhnlichen und Wunderbaren. Die Pflanze selbst sieht er erst nach langen Jahren, die voller Enttäuschung waren; Gymnadenia erweist sich als eine kleine, ganz unscheinbare norwegische Bergorchidee. Jetzt steht sie als Symbol über seinem Leben und über dem Roman, als Symbol des Lebens zwischen strahlendem Traum und grauer Wirklichkeit.
Meine Damen und Herren, so ungefähr ist es mir mit dem Wort „Strafrechtsreform" gegangen. Als ich vor bald 45 Jahren Jurist wurde und zum erstenmal von der Strafrechtsreform hörte, war das Wort „Strafrechtsreform" auch für mich eine Art Gymnadenia: die Erwartung und Hoffnung eines glanzvollen neuen und vollendeten Werkes. Heißt das, daß ich jetzt enttäuscht bin, da ich die Strafrechtsreform wirklich vor mir sehe? Nein, sage ich; ich nicht.
Ich habe schon 1956, als ich in mein ehemaliges Amt als Generalbundesanwalt eingeführt wurde, mit ein paar Worten auch von dem Werk dieser Strafrechtsreform gesprochen. Die Strafrechtsreform, sagte ich, hat unser Schicksal, das Schicksal meiner Generation geteilt: mit dem optimistischen Ideengut des 19. Jahrhunderts als Erbe ausgefahren und in unserem gespenstischen Schiffbruch gescheitert zu sein. Nun, sagte ich, da jene Stunde des Untergangs vorüber ist, gilt es wohl, aus dem Strandgut der Überlieferung die wesentlichen Werte wiederzufinden: den Glauben an die menschliche Person, an ihr
12828 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. h. c. Güde
Gewissen und an ihr unzerstörbares Recht. Daran halte ich immer noch fest und sage es noch einmal: nein, für mich war Gymnadenia — sprich Strafrechtsreform — schon lange keine Wunderblume mehr, sondern eine illusionslos anzupackende Aufgabe in einer völlig veränderten, täglich sich mehr wandelnden Zeit und Welt.
Wenn ich nach der zweiten Lesung die mehr und weniger sachkundige Kritik an unseren Reformgesetzen überblicke, dann meine ich doch, da und dort in dieser und jener Enttäuschung einen Rest von Gymnadenia-Glauben bei anderen zu finden. Von da her kommt wohl die Erwartung der ganz großen perfekten Reform. Aber die Zeit der großen Kodifikationen im Stil der Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert ist vorbei. Am Ende der Aufklärung konnte man Gesetze, große geschlossene Gesetzesmassen aus einigen wenigen abstrakten Vernunftprinzipien deduzieren. Der Mensch und die Gesellschaft unserer Zeit sind dieser Methode nicht mehr zugänglich, sind mit dieser Methode nicht mehr zu erfassen und zu lenken.
Wenn nicht alles täuscht, werden sich die Reformen unserer Zeit nicht bloß bei uns, sondern auch in anderen Staaten in Schüben vollziehen, die sich dem rascheren Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen anpassen. Schon Schweden hat seine Strafrechtsreform in Etappen, ich glaube, von insgesamt 20 Jahren vollzogen. Die Schweiz, die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre glaubte, ein dauerhaftes neues Strafgesetzbuch geschaffen zu haben, ist jetzt gerade nach 30 Jahren im Begriff, eine bedeutsame Teilrevision durchzuführen. England, das eigentlich kein geschlossenes Strafgesetzbuch nach kontinentaler Art hat, reformiert immer wieder in Einzelgesetzen. Was wir mit dem jetzt erreichten Teilstück der Reform als künftigen Weg für uns vorgezeichnet haben, entspricht also durchaus dem zeitgemäßen Typus von Reform bei uns und anderswo. Übrigens läßt sich in einer Folge von einzelnen Reformgesetzen die Anpassung, gelegentlich wahrscheinlich auch die Korrektur, leichter vollziehen und erreichen. Sie alle wissen, große Vorlagen, gar Mammutvorlagen, stehen ständig in der Gefahr, am Prinzip der sogenannten Diskontinuität zu scheitern. Was in einer Legislaturperiode nicht ganz erledigt werden kann, geht dann ganz unter.
Wir sollten es darum nicht als einen Mangel ansehen, daß wir in unserer Reformarbeit — ja, man sagt: nur — nur diesen Punkt erreicht haben, an dem wir heute stehen. Wir sollten es eher als ein glückliches Geschick ansehen, nach mehr als 60 Jahren immer neuen Scheiterns, immer neuen Steckenbleibens heute zum erstenmal den großen und bedeutsamen Schritt in die Verwirklichung der Strafrechtsreform getan zu haben, der den raschen Abschluß der Gesamtreform nahezu zwangsläufig nach sich ziehen muß. Mir scheint es nur günstig zu sein, daß wir gerade den Punkt erreicht haben, an dem der Allgemeine Teil, der wegen seiner inneren Zusammenhänge schwer hätte in Einzelpartien zerlegt werden können, abgeschlossen ist, so daß nun der Rest in Novellen ohne Gefahr zu Ende geführt werden kann.
Auf das Konto übergroßer und darum, wie es scheint, enttäuschender Beanstandungen und Kritiken ist wohl auch der Vorwurf mangelnder Perfektion, Unvollständigkeit und Widersprüchlichkeit zurückzuführen. Nun, der Gesetzgeber in einer dürftigen Zeit und in einer offenen Gesellschaft kann seinem Gesetz — ich sage es vorsichtig — kaum mehr verpflichtenden Inhalt geben, als er in seiner Zeit und Gesellschaft vorfindet. Lackner hat es in seinem Nürnberger Korreferat so ausgedrückt, daß der Gesetzgeber das in einer gegebenen Gesellschaft` sozial-ethisch Gebotene nur vorfindet, aber nicht unmittelbar inhaltlich gestalten kann — ein bedeutsamer Satz für den Gesetzgeber, der wohl zu überlegen ist.
In der Zeitung, hinter der immer ein kluger Kopf steckt, habe ich das Bedauern gelesen, daß es nicht gelungen sei, eine Definition der Strafzwecke, zu denen sich das neue Strafrecht bekenne, in das Gesetz aufzunehmen. In der Tat hat der Ausschuß — und das ist ein Beispielsfall, dem ich ein paar Sätze widme — sich zu dieser Abstinenz, zu diesem Enthalten bewußt entschlossen. Auf der Tagung der Strafrechtslehrer 1967, auf der fast der ganze Ausschuß war, hat sich keine hinreichende Einmütigkeit über Sinn und Zweck von Strafe und Maßregeln unter den Strafrechtslehrern ergeben. Der Ausschuß hätte also einen Streit zwischen Lehrmeinungen entscheiden und eine noch in Fluß befindliche Entwicklung im Bereich der Lehre und Wissenschaft abschneiden müssen. Dabei haben solche zentrale abstrakte Definitionen wenig konkrete Wirkung, auf jeden Fall weniger, als sich der Laie vorstellen kann, dann nämlich sicher nicht, wenn sie nicht aus sicherem Gemeingut, aus sicherer Gemeinüberzeugung stammen. Denn dann kann die Entscheidung des Gesetzgebers in ihrer Gewaltsamkeit mehr verwirren als klären. Das geltende Recht hat diese Definitionen nie enthalten. Die Grundsatzentscheidung, die in diesen Definitionen fallen könnte, müßte, fehlt keineswegs im Ganzen des Strafgesetzbuchs, wenn diese Prinzipien zwar nicht ausdrücklich ausformuliert sind, dann aber doch in der Ausgestaltung der Einzelheiten und der einzelnen Tatbestände hinreichend zum Ausdruck kommen. Der Parlamentsausschuß und das Parlament würden doch wohl ihre Berufung überschreiten, wenn sie über Lehrfragen eine Entscheidung träfen, die eine reine Willensentscheidung sein müßte und als solche nicht die notwendige Überzeugungskraft hätte.
Was an dieser Stelle des grundsätzlichen Beispiels wegen gesagt wird, gilt für eine Reihe von ähnlichen Verzichten in der Ausschußarbeit auf Definitionen und Aussagen, die nicht mehr oder noch nicht oder noch nicht wieder ohne Gewaltsamkeit gegeben werden können.
Der Herr Bundesjustizminister hat vorgestern mit Recht die Frage aufgeworfen, welche Lehren aus der Erfahrung mit dieser, in der Geschichte dieses Parlaments vielleicht größten Reform zu ziehen sind. Wir sollten das in der Tat auf beiden Seiten, auf der Regierungs- wie auf der Parlamentsseite, ernst nehmen, unsere Erfahrungen sorgfältig sammeln, aufzeichnen und auswerten, zumal da wir ja in einer
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12829
Dr. h. c. Güde
stillen und lauten Auseinandersetzung um die Parlamentsreform sind. Ich will mich, weil ich glaube, daß wir zu dieser Parlamentsreform aus der Erfahrung unseres Ausschusses durchaus noch unseren Beitrag leisten werden, heute auf wenige Bemerkungen beschränken.
Erstens. Sicher hätte ein Unterausschuß des Rechtsausschusses — so war die ursprüngliche Konzeption gewesen — weniger Erfolgschance gehabt, weil eine zweimalige Beratung auf zwei Ebenen, nämlich auf der des Unterausschusses und der des Ausschusses, in einer so schwierigen Materie zur Verzögerung und Unsicherheit beigetragen hätte. Die Überweisung einer so großen Materie an einen Sonderausschuß war sicher sachgemäß und nützlich. Sie hat freilich zur Folge, daß dem überlasteten Rechtsausschuß dann Kräfte fehlen. Von da her wirft sich für die Zukunft die Frage auf, ob man nicht statt Rechtsausschuß und Unterausschuß zwei Rechtsausschüsse bilden sollte, auf die man dann den Arbeitsanfall gleichmäßiger verteilen könnte. Die Gesamtkräfte könnte man dann planmäßiger auf die Haupt- und die gelegentlichen anderen Aufgaben des einen oder anderen Ausschusses aufgliedern.
Aus der Erfahrung mit unserer Materie neige ich zu der Meinung, daß ein großer Ausschuß — wir haben ja einen kleinen Ausschuß gehabt — für eine Aufgabe wie die unsere weniger geeignet gewesen wäre. Ein relativ kleiner Ausschuß garantiert über lange Zeit leichter die kontinuierliche Identität von Beratungs- und Abstimmungskörper. Wir alle wissen, daß das in den großen Ausschüssen eine Misere ist, weil mit sehr wechselnden Präsenzen und auch mit wechselnden Mehrheiten entschieden wird, die dann wieder in Frage gestellt werden.
Ein weiteres ist von entscheidender Bedeutung, wie sich in unserer Erfahrung klar gezeigt hat. Die Erfolgschance einer großen Reformarbeit steht und fällt mit der Zahl und wissenschaftlichen Qualität ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter. Im Grunde bedürfte es für eine so große Aufgabe wie die der Strafrechtsreform eines Teams solcher Mitarbeiter, wie uns auf der Regierungsbank in dieser und in anderen Materien ein Mehrfaches und ein Vielfaches an Zahl — ich will die Qualität nicht vergleichen, die natürlich auf der Regierungsbank immer unvergleichlich ist — gegenübersteht, was uns ein wenig in die „Contergan-Lage" versetzt, nicht die richtigen Hände und nicht die richtigen Füße zu haben. Dabei hat sich unser Ausschuß im Vergleich des ganzen Hauses nicht beklagen können. Die Verwaltung hat uns — wir haben Grund, dafür dankbar zu sein — zunächst drei und in den späteren Jahren zwei wissenschaftliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, und wir haben den drei Herren, Herrn Regierungsdirektor Dr. Bayerwaltes, Herrn Landgerichtsrat Dr. Friedrich und Herrn Oberlandesgerichtsrat Dr. Meyer, für ihre Mitarbeit sehr zu danken.

(Beifall.)

— Ich danke Ihnen für Ihren anerkennenden Beifall, meine Damen und Herren, denn es ist wahr, daß diese Herren unseren Dank verdient haben. Ich schmälere das Verdienst der beiden anderen, insbesondere von Herrn Landgerichtsrat Friedrich, eines sehr tüchtigen und hilfreichen Mitarbeiters, nicht, wenn ich vor allem Herrn Oberlandesgerichtsrat Dr. Meyer hervorhebe. Er hat in den vergangenen Jahren die Geschäfte des Ausschusses in vorbildlicher Weise und mit unermüdlicher Arbeitskraft geführt. Er war Motor und Gedächtnis und Zusammenhalt des Ausschusses. Ich weiß nicht, wie der Ausschuß ohne ihn seine Arbeit hätte bewältigen können.

(Beifall.)

Ich sage das nicht nur um seiner Ehre willen, obwohl er es verdient, sondern auch um des Beispiels für das ganze Haus willen. Das Parlament braucht, wenn es Arbeitsaufgaben hat, die über die Routine hinausgehen, einen Stab von überdurchschnittlichen Mitarbeitern, die sachkundig und parlamentserfahren sind, und das kann nur der Fall sein, wenn das Parlament sich auf dieser Ebene eigene Laufbahnen schafft, die reizvoll genug sind, um tüchtige Menschen aus den Regierungshäusern auch hierher zu bringen.

(Beifall. — Sehr wahr! bei der SPD.)

Lassen Sie mich nach diesen wenigen Randbemerkungen den Blick noch einmal auf das Ganze der Reform richten. Vor allem sage ich zu allen, die glauben, über Änderungen, Kühnheiten und Versuche unserer Strafrechtsreform erschrecken zu müssen: Dieses neue Strafrecht ist ein methodischer Schritt in einer langen Reformentwicklung, an der Deutschland schon in den ersten Anfängen, nämlich schon um 1900, maßgebend beteiligt war. Indem es nun die Reform, die es selbst mit geschaffen und initiiert hat, zu verwirklichen beginnt, reiht es sich wieder ein in eine gesamteuropäische Reformbewegung und Reformkonzeption. Sein Strafrecht, getragen von der Humanität und Rechtsstaatlichkeit des Grundgesetzes, erweist sich als ebenbürtiges Glied in der europäischen Rechtsfamilie. Und die gibt es.
Zweitens. Unsere Zeit hat gewiß auch auflösende Tendenzen, auch, aber nicht nur solche. Man kann der Gefährdung, die jeder Fortschritt in sich enthält, nicht begegnen, indem man sich der Bewegung des Fortschritts völlig verschließt, sondern, indem man sie mit der Überlieferung verbindet, wahrt man die Kontinuität des Ganzen. Unser Strafrecht wird jetzt nicht revolutioniert, sondern modernisiert. Es bleibt Strafrecht — nämlich Recht der Strafe — im Gegensatz zur Auffassung all derer, die es durch ein reines Behandlungssystem ersetzen wollten und noch ersetzen wollen. Es bleibt Strafrecht als Verbindung von Schuldstrafrecht mit besonderer Zielsetzung — der Resozialisierung —, mit Verfeinerung und einer auf Resozialisierung ausgerichteten Behandlung.
Drittens. Auch in seiner Modernisierung will dieses Strafrecht das Verbrechen bekämpfen. Wenn wir Humanität sagen, so meinen wir nicht Humanitätsduselei. Wir meinen, daß diejenigen, die das Verbrechen bekämpfen, dies wirkungsvoller tun können, wenn sie sich nach einem modernen Menschenbild ausrichten, wenn sie nach wissenschaftlichen Methoden handeln und sich und ihre Methoden
12830 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. h. c. Güde
dabei dem Leitbild der Humanität unterwerfen. Die humane — und das heißt in der Tat für den Christen auch barmherzige —, die humane und barmherzige Zuwendung zum schuldig gewordenen Mitmenschen, der oft genug — ach, vielleicht immer, sage ich im Rückblick auf 35 Jahre juristischer Praxis — ein unglücklicher Mensch ist, braucht auch einem modernen Strafrecht weder den realistischen Blick auf die Verbrechen noch den Willen zur wirkungsvollen Bekämpfung des Verbrechens zu nehmen.
Wir vergessen nicht — auch in dem ganzen Reformwerk nicht — die Pflicht, die Opfer des Verbrechens zu schützen. Auch dort, wo wir scheinbar die Reaktion auf das Verbrechen mildern, ändern wir zwar die Methoden, aber wir ändern sie, um wirksamer zu bekämpfen und wirkungsvoller zu schützen. Wenn wir beispielsweise die Zuchthausstrafe abschaffen, tun wir es, um eine, ich sage: wirkungslos gewordene Kulisse abzuschaffen, die aus einer alten Zeit stehengeblieben ist und die in Plan und Methode einen nüchternen und realistischen Aufbau des Strafvollzugs mehr stört als fördert. Wenn die moderne Behandlungsmethode, wie sie sich vor allem in der sozialtherapeutischen Anstalt verkörpert, gelingt, wie es ihren Schöpfern vorschwebt und wie wir sie in den dänischen und holländischen Anstalten mit tiefem Eindruck gesehen haben, dann wird die sozialtherapeutische Anstalt von ihren Insassen keineswegs als leichter oder milder — oder welche falsche Vokabel man hier sonst setzen mag — empfunden werden, sondern wahrscheinlich als anstrengender als die alte Strafanstalt.' Die Zuchthausstrafe konnte man „absitzen", und man könnte das, was damit alles verbunden ist, sehr explizieren. Von der Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt wird man eher in Anspruch genommen werden. In ihr wird sich die Abschreckungswirkung der Freiheitsstrafe mit der intensiveren Einwirkung auf den Täter selbst verbinden. In den neuen Möglichkeiten der Reaktion auf den gefährlichen Triebtäter wie im Festhalten an der Sicherungsverwahrung des schlechthin Gefährlichen wird der Wille zur wirksameren Verbrechensbekämpfung unter Beweis gestellt. Er wird und ist ernst genommen.
Dabei will ich zu einer Kritik der AlternativProfessoren im Punkt Sicherungsverwahrung nur ganz kurz bemerken: Ich stimme der in dieser Kritik erhobenen Maxime zu, daß die sozialtherapeutische Anstalt erprobt sein sollte, bevor einer endgültig aufgegeben wird und in die Sicherungsverwahrung kommt. Wir haben in unserem Entwurf den Zuweisungskreis von Personen für die sozialtherapeutische Anstalt wesentlich eingeschränkt, um dieser Neuerung überhaupt eine reale Chance zu geben. Wir haben den personellen Einzugskreis verengt und haben infolgedessen auf eine bindende Verknüpfung der sozialtherapeutischen Anstalt als Vorstufe zur Sicherungsverwahrung verzichten müssen, ohne — ich sage es noch einmal — die aufgestellte Maxime als Regel für falsch zu halten, daß alle Besserungsmöglichkeiten erschöpft sein müssen, bevor man einen als besserungsunfähig festschreibt.
Ein letztes Wort noch über die sozialtherapeutische Anstalt, die vielleicht die bedeutsamste Neuerung des modernen Strafrechts ist. Sie wird teuer sein. Aber wenn sie beispielsweise im Blick auf den Triebtäter auch nur einige Kinder im Jahr wirksam vor schwerem sexuellem Mißbrauch oder gar vor dem Tod schützt, dann wird die Gesellschaft die Aufwendungen für diese Anstalt nicht bereuen dürfen. Mein Beispiel des Triebtäters ist nur ein Beispiel; es ließe sich in einer ganzen Reihe von Richtungen ausweiten.
Viertens sage ich, meine Damen und Herren: Wir bitten die öffentliche Meinung um ein wenig Geduld für die Entwicklungen, die nun angebahnt sind und Zeit brauchen und das Verständnis der öffentlichen Meinung nötig haben. Wir haben eine Zeit vielfacher und überlauter Kritik hinter uns, nicht immer getragen von sehr fundierter Sachkenntnis. Wir wissen, daß der Versuch, den wir hier und heute unternehmen, auf der einen Seite vielen nicht weit genug geht, weil er nicht alle Reformerwartungen erfüllt, auf der anderen Seite aber dem breiten Mißtrauen begegnet, daß hier nicht aufgebaut, sondern aufgelöst werde. Der Versuch, den wir unternehmen, den unser Staat unternimmt, kann nicht gelingen, wenn ihm nicht ein wenig Verständnis und Vertrauen und Geduld gewährt wird. Wir bitten alle Gerichte und Staatsanwälte wie alle Organe der Justiz um wohlwollende und gutwillige Mitarbeit. In ihre Hände ist der Versuch gelegt, und nur mit ihrer Hilfe kann er Leben gewinnen und Erfolg erreichen.
Ich selbst, meine Damen und Herren, der ich ein Leben als Richter und Staatsanwalt hinter mir habe, bin des festen Glaubens, daß unser Versuch keine Utopie darstellt, sondern der Mühe Wert ist. Die Wirksamkeit in der Verbrechensbekämpfung mit Menschlichkeit verbinden zu können und dabei ein reicheres Instrumentarium der Möglichkeiten zur Verfügung zu haben als bisher, ist eine alte und neue Aufgabe für den Strafrichter, in der er seine unvergleichliche und verantwortungsvolle Funktion in der Gesellschaft wahrnehmen kann.
Mit dieser Bitte um Verständnis in der öffentlichen Meinung verbinde ich auch einen Gesichtspunkt, der uns in der ganzen Ausschußarbeit beschäftigt hat, nämlich den des notwendigen Zusatzes von Öffentlichkeitsarbeit. Für keinen anderen Ausschuß wäre es so notwendig gewesen, einen ständigen Kontakt mit der öffentlichen Meinung, planmäßig und systematisch angelegt, zu haben. Auch das ist eine Bemerkung zur Parlamentsreform, wobei wir, meine Damen und Herren, noch einen Vorteil gehabt haben, den alle anderen Ausschüsse nicht haben. Unsere Protokolle — unsere Ausschußprotokolle — sind Wortprotokolle wie die Protokolle der alten Strafrechtsreform im Kaiserreich noch und in der Weimarer Republik. Sie sind im Buchhandel zu kaufen. Wer sich interessiert hat, hat die Möglichkeit gehabt, nachzulesen. Wir wissen, daß vielfach davon Gebrauch gemacht worden ist. Aber dieser Gesichtspunkt des Kontaktes mit der öffentlichen Meinung sollte auch in der Parlamentsreform beachtet werden.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12831
Dr. h. c. Güde
Ich darf bei dieser Gelegenheit sagen: unsere Stenographen haben dafür und dabei eine vorbildliche Arbeit geleistet.

(Beifall auf allen Seiten.)

Ich habe kürzlich auf dem Deutschen Stenographentag gesagt, die Herren Stenographen bei uns seien die Kosmetiker des Parlaments. Wenn etwas ein bißchen schief und schlecht frisiert hier von der Kanzel kommt, sieht man es wohlfrisiert und schön von den Kosmetikern dieses Hauses hergerichtet.

(Erneuter Beifall.)

Auch dafür, meine Herren Stenographen, Ihnen und Ihren Kollegen herzlichen Dank! Ich habe diese Leistung Ihrer Kosmetik immer mit Bewunderung und Dankbarkeit verfolgt.
Fünftens sage ich, das Strafgesetzbuch, sei es nun neu oder alt, kann nur eine der Waffen in der Verbrechensbekämpfung sein, vielleicht in sich eine ganz schwache, vielleicht in sich, wie Montesquieu das von der dritten Gewalt sagt, en quelque façon nulle, für sich allein wirkungslos. Es bedarf nämlich der bewußten, gezielten und lebendigen Anwendung. Auch dann ist es mit dem ganzen Strafrechtswesen nur ein Sektor, ein Ausschnitt aus der notwendig breiten Bekämpfung der Kriminalität. Sie reicht von der bei Gott wichtigen Polizei bis in den Olymp der Revisionsgerichte.
Man hat oft gesagt — und ich glaube es —, daß die Hauptwirkung des Strafrechts eine vielfältig psychologische ist. Am Ende der französischen Schwurgerichtsverhandlung steht bekanntlich der Ruf des Huissiers: „Justice est faite", es ist Gerechtigkeit geschehen. Die Gesellschaft will erleben, daß Gerechtigkeit geschieht. Es kommt dabei — das sage ich gegen andere Deutungen — nicht so sehr auf Härte an, sondern auf den Eindruck sicherer, maßvoller, gleichmäßiger, überlegener Gerechtigkeit, die nicht wankt und nicht schwankt, die ihr Ziel der Ordnung des Staates und der Gerechtigkeit vor sich sieht. Daß unserem Strafrechtswesen da etwas an Wirkung fehlt, kann keiner von uns leugnen, so sehr seine Sympathie, wie die meine, bei der Justiz ist.
Wir sollten diese Strafrechtsreform zum Anlaß nehmen, das Ganze der unleugbaren Misere zu überdenken und etwas zu ihrer Überwindung zu tun. Wenn wir nach dem bisherigen Arbeitsschema — ein Vorwurf gegen mich selbst und alle anderen —weiterarbeiten, werden wir die Strafprozeßreform, die unentbehrliche Verfahrensreform vielleicht gegen das Jahr 2000 haben. Das ist unmöglich hinzunehmen. Es muß nach neuen Wegen gesucht werden, um notwendige gesetzgeberische Arbeiten — ich wiederhole dem Sinne nach, was der Herr Bundesjustizminister vorgestern selber gesagt hat — zu beschleunigen, und wenn sie nicht perfekt sind, dann eben imperfekt in Kraft zu bringen.
Sechstens. Ein ganz konkreter Wunsch an Bundesregierung und Bundesjustizministerium im besonderen. Uns — ich sage: mich, aber wahrscheinlich noch viel mehr Leute — schreckt die immer bedrohlichere Vorstellung einer ständig wachsenden
Kriminalität. Wir wissen nicht, ich zum Beispiel, obwohl ich sozusagen ein Fachkundiger bin, ich weiß nicht, wieviel an dieser Vorstellung gespenstisch oder real ist. Ich möchte es wissen, und ich möchte, daß die Gesellschaft es weiß, damit sie nicht aus dem Dunkel einer unbestimmten Vorstellung, sondern auf der Basis klarer, Bewußter Tatsachen handeln kann und von ihren Organen Handeln verlangen kann. Eine intensivere Befassung mit den Zahlen scheint mir wenigstens zu zeigen, daß auf jeden Fall keine gleichmäßige Zunahme der Gesamtkriminalität vorliegt, sondern eine Zunahme nur in gewissen Schwerpunkten, zum Beispiel — stärkstes Beispiel — bei den Eigentumsdelikten. Das Zahlenwerk muß einmal gründlich aufgearbeitet werden, nicht nur, um der öffentlichen Meinung Rechenschaft zu geben, sondern auch, um der Strafrechtspflege ein realistisches Bild der Kriminalität zu geben. Denn daran wird sie ja die Erfüllung ihrer Aufgabe ausrichten, das Verbrechen zu bekämpfen.
Bei allen Kundigen schließt sich der Wunsch an, es möge dabei die Spannung — vielleicht wissen das nur die Kundigen — zwischen Polizei- und Justizstatistik aufgeklärt und gedeutet werden, damit man zu klaren Bewußtseinsinhalten kommt.
Siebtens. Ein letztes, wenn auch nicht ganz kurzes, Wort zu dem Kapitel „Sexualstrafrecht". In den letzten Wochen und zunehmend in den letzten Tagen habe ich viele Briefe erhalten, deren Schreiber ihre Sorge wegen einiger Bestimmungen im Bereich des Sittenstrafrechts in diesem Entwurf ausdrücken. Ich habe allen Respekt und habe Verständnis für diese Briefschreiber. Doch weiß ich nicht, ob da nicht eine Übertreibung im ganzen Bereich der öffentlichen Meinung vorliegt. In der Broschüre des Bundesjustizministeriums zur Strafrechtsreform lese ich auf Seite 15 die Überschrift „Entkrampfung des Sexualstrafrechts". Mir gefällt diese Vokabel nicht. Sie gefällt mir sprachlich nicht, und sie gefällt mir auch sachlich nicht. Sprachlich: Wieso soll das Sexualstrafrecht verkrampft sein? Wie ist das vor sich gegangen? Es stehen da einige alte Bestimmungen, die im Zuge einer Gesamtreform selbstverständlich zu überprüfen sind, und nie hat jemand von uns in Abrede gestellt, daß sie zu überprüfen sind.
Daß die Gerichte diese Bestimmungen in einer übertriebenen oder verkrampften Weise anwendeten, habe ich nicht feststellen können. Übertrieben scheint mir weithin die Reaktion auf hochgespielte und sensationsmäßig aufgemachte Einzelfälle. Entkrampfung wünsche ich mir in der Behandlung des sachlichen Anliegens bei Freund und Feind und in der öffentlichen Meinung. Bei Freund und Feind Entkrampfung bitte! Die Vorstellung, daß wir unter einer polizeistaatlichen Sittenkontrolle oder Sittendiktatur lebten, ist doch geradezu lächerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU.) Der Augenschein erweist das jeden Tag.

Aber ebenso verzerrt, meine Damen und Herren, ist die Vorstellung der Gegenseite — ich muß sagen: unserer Freunde, meiner Freunde —, daß der Kahlschlag im Sittenstrafrecht nun vollzogen werde oder schon vollzogen sei. Das ist ebenso verzerrt. In den
12832 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. h. c. Güde
letzten Jahren konnte man manchmal meinen, daß der Inhalt der Strafrechtsreform in nichts anderem bestehe als in der Revision einiger Bestimmungen des Sexualstrafrechts. Darin liegt eine Verkrampfung der öffentlichen Meinung, eine Verkrampfung, zu der wir nichts beigetragen haben, sondern die aus ganz anderen Quellen geflossen ist. Ich wünsche mir eine Entkrampfung, damit auch diese Aufgabe der Reform, die ich nicht leugne, nämlich die Revision dieses Teils des Strafrechts, in Ruhe und Nüchternheit zu Ende geführt werden kann. Der Sonderausschuß hat eine systematische Revision dieses Abschnitts noch nicht vorgenommen, nicht, weil wir sie nicht wollten, sondern weil wir es zeitlich nicht mehr konnten. Ein systematischer Schluß aus Streichen und Bestehenbleiben darf also einstweilen gar nicht gezogen werden.
Wir haben der Streichung zugestimmt — das sage ich für meine Freunde und mich, soweit sie eben auch mir zugestimmt haben; das sind bekanntlich nicht alle —, soweit nach unserer Überzeugung in der öffentlichen Meinung dieser und jener Paragraph ausdiskutiert war. Wir haben es abgelehnt, auf Grund irgendwelcher Kundgebungen und Erklärungen und ich weiß nicht was zu reformieren. Meine Freunde und ich waren damit einverstanden, diese Streichung — es handelt sich um Ehebruch, um § 175 und um die Sodomie — jetzt schon vorzunehmen, um die Fortsetzung der Reform nicht noch einmal mit dem Streit um diese Tatbestände zu belasten, nachdem das Ergebnis der künftigen Entscheidung für uns sicher vorauszusehen war.
Dabei darf ich den sehr geschätzten Kollegen Dr. Wuermeling, der vorgestern für die Beibehaltung des Ehebruch-Tatbestands plädiert hat, auf zweierlei hinweisen. Die Stelle aus der Begründung des Entwurfs 1962, die er zitiert hat, ist in ihrer Grundlage — lassen Sie es mich kurz sagen — überholt. Sie stammt ebenso wie die Begründung zu § 175 — diese in noch stärkerem Maße — noch aus einer Zeit, in der die Grenze zwischen Sittenverstoß und strafwürdigem, weil sozialschädlichem Unrecht von den Kirchen, ihren Moraltheologen und Ethikern anders gezogen worden ist als heute.
Professor Lackner, Korreferent auf dem Nürnberger Juristentag, hat dazu ganz klare Aussagen gemacht. Er hat von der nachhaltig spürbaren Veränderung der allgemeinen Bewußtseinslage auf diesem Gebiet gesprochen und dann gesagt:
Während etwa noch im Jahre 1959 eine Mehrheit der Großen Strafrechtskommission für die Beibehaltung des Ehebruchstatbestandes eintreten konnte
— Zwischenbemerkung von mir: es war aber eine sehr knappe Mehrheit —
und der Gedanke einer Abschaffung des allgemeinen Verbots gleichgeschlechtlicher Betätigung zwischen Männern auf Empörung in einem Auditorium von Juristen verschiedenster Sparten stieß, geht heute, soweit ich sehe, für diese Tatbestände kaum noch jemand auf die Barrikaden ... Die Erkenntnis von der Unangemessenheit krimineller Bestrafung solcher Sachverhalte hat sich durchgesetzt. Es ist in der Tat notwendig, die Grenzen des Sexualstrafrechts neu zu bestimmen.
Man muß also vorsichtig sein, wenn man die Begründung des E 1962 zitiert. Sie steht nicht mehr, nicht nur weil ein anderer Justizminister da ist, sondern auch weil sie so nicht mehr geschrieben werden könnte, wenn man mit Welt und Kirche, mit der Meinung der Bürger und der Moraltheologen und der Ethiker — Sie können diese Reihe fortsetzen — einig gehen will.
Meine Damen und Herren, wenn Herr Dr. Wuermeling argumentiert, daß der Ehebruch sozialschädlich sei, so liegt darin eine Verdünnung des Begriffs der Sozialschädlichkeit, die dazu führen müßte, daß man wieder zur Strafwürdigkeit und zum Straftatbestand des Verstoßes gegen ethische Normen käme. Sozialschädlich in dem Sinne, wie Herr Wuermeling es darzulegen versucht hat, heißt ja nichts anderes, als daß eben der moralische Verstoß als solcher strafbar sein müsse.
Die Strafvorschrift gegen den Ehebruch war bei einer Reform nicht mehr zu halten, nicht . nur weil sie von der öffentlichen Meinung aufgegeben ist, sondern auch weil der Gesetzgeber nicht ignorieren kann, wie die Dinge sich entwickelt haben, und — das sage ich nun als alter Richter und Staatsanwalt, der auch diesen Teil des Strafrechts in der Praxis erlebt hat — weil diese Vorschrift eklatant unwirksam und daher unnütz geworden war.
In der Frage der Strafbarkeit einfacher, gleichgeschlechtlicher Unzucht zwischen Männern habe ich mich mit den Freunden, die mit mir gestimmt haben, für die Abschaffung der Strafbarkeit entschieden, nicht allein wegen des Umschlags der öffentlichen Meinung, sondern auch weil das unbestreitbare Phänomen der angeborenen gleichgeschlechtlichen Unzucht — wenn es auch nicht den ganzen Bereich abdeckt — in einem Schuldstrafrecht ernste Schwierigkeiten macht. In der Fortsetzung der Strafrechtsreform wird sich die CDU/CSU auf diesem Gebiet ohne Vorurteil einer rationalen Diskussion stellen. Daß dabei sowohl das Gutachten von Hanack, den ich respektiere und hoch schätze, als auch erst recht das Votum des Juristentages der wissenschaftlichen Überprüfung bedarf, ist klar und liegt auf der Hand. Das läßt sich auch bei Hanack selbst belegen, der an einigen wichtigen Stellen die Dürftigkeit des kriminologischen Materials beklagt.
Die CDU/CSU wird sich keiner Auseinandersetzung auf dieser Ebene wissenschaftlicher Prüfung und Diskussion entziehen. Sie wird freilich eine Prüfung und Auseinandersetzung unter zwei leitenden Gesichtspunkten wünschen und für sich selbst vornehmen.
Erstens. Der Schutz des Kindes und der Jugend vor geschlechtlichem Mißbrauch hat Vorrang vor anderen Erwägungen. Daran wird die CDU/CSU festhalten.
Sie stimmt mit Professor Lackner überein — das ist der zweite Punkt —: Das recht hat nicht die Aufgabe, Vorbereiter und Wegbereiter einer sexuellen Revolution zu sein. Man kann, wenn gesell-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12833
Dr. h. c. Güde
schaftliche Vorgänge endgültig abgeschlossen sind, vielleicht mit dem Recht nachrücken. Was aber zur Zeit mit einigem Lärm immer wieder und immer mehr verlangt wird, ist in der Tat, daß das Recht die Vorschüsse zu dieser sexuellen Revolution leistet. Das kommt dem Recht — und erst recht unserem Recht — nicht zu.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die CDU/CSU ist auch darin der Meinung Lackners, daß die Lösung all dieser Fragen nicht allein der Wissenschaft oder der wissenschaftlichen Auseinandersetzung überlassen werden kann. Die Wissenschaften können auf die dabei gestellten Fragen eine schlechthin verbindliche Antwort nicht geben; sie können weithin zur Antwort beitragen, aber sie können sie nicht selbst leisten. Es bleibt ein Spielraum für die verantwortliche politische Entscheidung, für eine echte politische Entscheidung. In diesem Raum echter politischer Entscheidung in diesem Hause hofft die CDU/CSU nach der Erfahrung mit dem bisherigen Reformwerk auch auf das Verständnis und — lassen Sie mich auch das noch kurz mit einem Wort sagen — auch auf die Toleranz der anderen Parteien dieses Hauses. Es kann nicht die Aufgabe eines klugen und verantwortungsbewußten Gesetzgebers sein, eine, wie ich glaube, immer noch sehr breite Gruppe braver rechtstreuer Bürger in Verwirrung zu stürzen und ihr Ärgernis zu geben.
Ich glaube, wir werden auch in der Fortsetzung der Reform über diese Tatbestände zu einer klaren oder nicht ganz klaren, auf jeden Fall zu einer politischen Gesamtregelung kommen, so wie es auch heute doch ein bedeutsamer Punkt ist, daß wir eine so schwierige, so langwierige, so große, so in die Tiefe der Probleme gehende Reform, diese Strafrechtsreform, wenn ich mich nicht täusche, doch in der Einmütigkeit des ganzen Hauses vollziehen können. Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß das ein Zeichen für die Zukunft ist, daß wir diese Aufgabe in diesem Geist zu Ende führen und daß wir uns das auch für andere Aufgaben zum Vorbild nehmen.
Meine Damen und Herren, ich will am Schluß nicht wieder „Gymnadenia" zitieren, sondern mit einem vergleichbaren Optimismus ein Wort, das Radbruch so sehr geliebt hat, ein Wort des Ritters von Schwarzenberg, des Schöpfers der Bambergensis, der seine Arbeit am Bamberger Strafgesetzbuch und das Strafrecht unter das Motto gestellt hat: „Um der Gerechtigkeit und des gemeinen Nutz willen." Diesem Motto und diesem Ziel soll die Strafrechtsreform gewidmet sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523300200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller Emmert.

Dr. Adolf Müller-Emmert (SPD):
Rede ID: ID0523300300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als am 28. März 1963 zum erstenmal in diesem Hause über jenen Reformentwurf beraten wurde, den wir heute allgemein unter dem Namen „E 1962" kennen, sind sehr ausführliche und, wie ich auch meine, sehr kluge Reden gehalten worden, die der Bedeutung des Vorhabens gewiß in jeder Weise Rechnung getragen haben. Es wurde damals darauf hingewiesen, daß die Strafrechtsreformgeschichte sehr lange dauere und daß auch viele Rückschläge zu verzeichnen gewesen seien. Das Ende der rund 60 Jahre währenden Bemühungen schien damals nahe, und es war nicht zu verwundern, daß die Sprecher der damaligen Koalitionsfraktionen den Entwurf mit Freude begrüßten.
Die Reaktion der Redner meiner Fraktion war damals eher skeptisch. Einmal deshalb, weil wir zu wissen glaubten, daß das umfangreiche Reformvorhaben nicht in kurzer Zeit oder gar in einer einzigen Legislaturperiode zu bewältigen sein würde, zum anderen deshalb, weil wir mit der Grundkonzeption des Entwurfs 1962 nicht völlig einverstanden sein konnten. Das war nach unserer Meinung nicht die Strafrechtsreform, die wir uns vorgestellt hatten. Es war lediglich eine redliche Bestandsaufnahme der Rechtsprechung und Rechtslehre, die allerdings — was wir immer anerkannt haben — fraglos sehr sorgfältig, gewissenhaft und perfekt erarbeitet worden war. Der Mut hingegen, in strafrechtliches Neuland vorzustoßen, war kaum zu erkennen.
In den entscheidenden kriminalpolitischen Fragen des Strafensystems, besonders der kurzzeitigen Freiheitsstrafe und der einheitlichen Freiheitsstrafe, hat der Entwurf 1962 eine Stellung bezogen, die wir eindeutig als rückschrittlich empfunden haben. Die von vielen Seiten geäußerte Kritik an diesem Entwurf, nämlich an seiner moralisierenden Tendenz, war nach unserer Meinung ebenfalls sehr gerechtfertigt. Wir haben deshalb bereits damals, bei der ersten Lesung, eine Entrümpelung dieses Entwurfs gefordert.
Von manchen Mitgliedern dieses Hohen Hauses wurde unsere damalige Kritik nicht sehr gern gehört. Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus glaubte damals sogar, uns auffordern zu sollen, bei den Reformarbeiten nicht abseits zu stehen. Dies zu tun, meine Damen und Herren, war niemals unsere Absicht. Wer die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei kennt, weiß, wie wesentlich ihr gerade dieses Reformanliegen immer war.

(Beifall bei der SPD.)

Bereits der Mannheimer Parteitag von 1906, das Görlitzer Programm von 1921 und das Heidelberger Programm von 1925 — ich sage dies sicher nicht ohne einen gewissen Traditionsstolz — stellten, immer von der damaligen Zeit her gesehen, Grundsätze für ein richtungweisendes Strafrecht auf und forderten insbesondere einen auf die Resozialisierung des Täters abgestellten Strafvollzug. Einen der glanzvollen Höhepunkte der Strafrechtsreformgeschichte überhaupt stellt das Schaffen des sozialdemokratischen Reichsjustizministers Gustav Radbruch dar, der im Jahre 1922 den am weitesten in Neuland vorstoßenden Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs vorgelegt hat. Radbruch hat Maßstäbe für ein kriminalpolitisches Programm gesetzt, das die SPD über die folgenden Jahrzehnte hinaus bis heute in den Grundzügen beibehalten hat.
12834 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Müller-Emmert
Als die SPD bald nach dem Neuanfang 1945, nämlich im Jahre 1951, die Einsetzung der dann drei Jahre später konstituierten Großen Strafrechtskommission zur Vorbereitung der Reform verlangte, war dies nur eine Fortsetzung ihrer fortwährenden Bemühungen um die Strafrechtsreform. Wenn Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gesetzentwürfe betrachten, über die wir heute endgültig abzustimmen haben, dann werden Sie feststellen, daß diese Bemühungen bis heute nicht aufgehört haben. Ich bitte, es mir nicht als Unbescheidenheit anzulasten, wenn ich sage, daß wir in diesen Gesetzentwürfen einen Großteil unserer Vorstellungen verwirklicht sehen.

(Beifall bei der SPD.)

Ich sage nicht, daß dies sozialdemokratisches Strafrecht sei; ein solches gibt es natürlich nicht, genauso wenig wie es ein christdemokratisches oder ein freidemokratisches Strafrecht gibt. Recht kann selbstverständlich niemals das geistige Eigentum einer einzigen Fraktion oder Partei sein, es kann auch niemals das Zufallsprodukt einer parlamentarischen Mehrheitsentscheidung sein; es kann nur die Zusammenfassung jener Überzeugung in unserem Volke darstellen, die einer weit überwiegenden Mehrheit in unserem Volk gemeinsam ist und die zugleich Minderheiten mit anderen, aber berechtigten Auffassungen nicht in Gewissenskonflikte bringen will.

(Beifall bei der SPD.)

Mein Freund Adolf Arndt, der gern an dieser Abschlußdebatte teilgenommen hätte, aber wegen Krankheit verhindert ist, und dem ich von dieser Stelle aus herzliche Genesungswünsche zukommen lassen möchte,

(Beifall)

nannte das Recht einmal ein Geschehen, das sich tagtäglich tausendfach vollzieht, weil freie Menschen es sich freiwillig zur Regel machten und es liebten, rechtlich zu handeln. Fürwahr, nur die Freiwilligkeit, mit der jeder sich die rechtliche Ordnung zu eigen macht, kann zu einer Gemeinsamkeit des Rechtes führen.
Dazu gehört in einer pluralistischen Gesellschaft auch Toleranz, Duldsamkeit gegenüber der Auffassung des Andersdenkenden. Es kann nämlich kein Zweifel darüber bestehen, daß der Mangel an Toleranz eine Rechtsordnung nicht nur im Hinblick auf ihre Wirksamkeit als fragwürdig erscheinen läßt, sondern sie unter Umständen auch zum Unrecht machen kann.
Warum sage ich dies, und warum sage ich es im Zusammenhang mit der Erwähnung jenes Entwurfs 1962? Nicht deshalb, weil ich der Auffassung bin, daß dieser Entwurf dem gemeinsamen Rechtsdenken in eklatanter Weise widerspräche, sondern deshalb, weil ich glaube, daß dieser Entwurf da und dort Ansatzpunkte zeigt, die mit dem Toleranzgebot nur schwer zu vereinbaren sind. Konservative und teils auch weltanschauliche Gesichtspunkte werden in ihm zum Nachteil von anderen, gleichwohl aber berechtigten Rechtsüberzeugungen überbetont.
Dieses System der Über- oder Unterbewertung verschiedener Ansichten zu beseitigen, ist ein wesentliches Anliegen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Ich meine, daß die Beratungsergebnisse des Sonderausschusses diesem unserem Anliegen in erheblicher Weise Rechnung tragen.

(Beifall bei der SPD.)

Wir Sozialdemokraten sind uns darüber im klaren, daß wir nicht alles erreichen konnten, was wir uns vorgenommen haben. Aber das ist unter Berücksichtigung der politischen Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause verständlich. Wir wollen das auch gar nicht beklagen, genausowenig wie Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, es beklagen sollten, daß Sie erhebliche Abstriche von Ihren ursprünglichen Vorstellungen machen mußten. Es mußte eben einmal ein gemeinsamer Nenner gefunden werden, damit die Rechnung aller aufgehen konnte. Nach meiner Überzeugung hat der Strafrechtsausschuß diesen gemeinsamen Nenner gefunden. Seine Ergebnisse werden gerade aus diesem Grunde ganz sicher auf öffentliche Kritik stoßen, und zwar von Kritikern, die nach meiner Meinung an der politischen Wirklichkeit vorbeidenken. Mir ist vor dieser Kritik nicht bange. Es gibt nämlich gute und schlechte Kompromisse; der vom Sonderausschuß gefundene verdient jedenfalls mit Sicherheit das Prädikat „gut".

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Denn trotz des Kompromißcharakters erweisen sich die erarbeiteten Lösungen als eine moderne und zukunftweisende Konzeption eines neuen Strafrechts. Dies gilt vor allem für den kriminalpolitischen Teil der beiden Vorlagen. Der Verzicht auf die Aufgliederung der Freiheitsstrafe in Zuchthaus, Gefängnis, Strafhaft, Haft und Einschließung, die der Entwurf von 1962 noch vorgesehen hatte, ist ein entscheidender Fortschritt. Gerade die Forderung nach Beibehaltung der Zuchthausstrafe war und ist offenbar auch heute noch Symbolfigur sehr konservativ Denkender, die sich nicht dazu aufraffen können, anzuerkennen, daß die Resozialisierungsfunktion der Strafe gegenüber der Vergeltungsfunktion Vorrang erhalten muß. Dabei weiß jeder Sachkenner, daß es in der Praxis ohnehin kaum einen Unterschied zwischen der Gefängnis- und der Zuchthausstrafe gibt und daß eine Differenzierung im Vollzug außer nach reinen Vollzugsgesichtspunkten nur in kleinlichen Schikanen bestehen kann. Der Unterschied der beiden Freiheitsstrafen macht sich in verhängnisvoller Weise erst dann bemerkbar, wenn der Zuchthausgefangene entlassen wird und in das bürgerliche Leben, in die Gesellschaft zurückkehren will. Die Abstempelung als Zuchthäusler verhindert seine echte Wiedereingliederung in die Gemeinschaft und bewirkt, daß er, der von der Gemeinschaft als Außenseiter abgelehnt wird, erneut straffällig wird. Die nunmehr beschlossene einheitliche Freiheitsstrafe ermöglicht demgegenüber eine Trennung nach Tätergruppen und die Unterbringung in geeigneten Anstalten. Sie verzichtet auch auf die unnötigen Kosten für besondere Zuchthausanstalten. Außerdem brandmarkt sie den Täter nicht, wie dies bei der Zuchthausstrafe der Fall ist, und wirkt sich
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12835
Dr. Müller-Emmert
deshalb weniger schädlich auf die Resozialisierung aus. Aus diesen Gründen wurde die einheitliche Freiheitsstrafe bereits in mehreren ausländischen Rechtsordnungen mit Erfolg eingeführt und erhält auch bei den Reformarbeiten mehrerer ausländischer Staaten, die zur Zeit laufen, mehr und mehr den Vorzug.
Eine ähnliche Tendenz zeigt sich bei dem Problem der kurzen Freiheitsstrafe. Nach weit überwiegender Auffassung in Wissenschaft und Praxis gelten Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten als ungeeignet für die Verbrechensbekämpfung. Der Grund hierfür ist, daß der Vollzug einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nicht ausreicht, einen erzieherischen Effekt zu erzielen. Der Aufenthalt in einer durch Vollzug vieler kurzer Freiheitsstrafen überfüllten Strafanstalt wirkt sich eher schädlich aus, da der Verurteilte durch den Verkehr mit anderen Gefangenen der Gefahr krimineller Ansteckung ausgesetzt ist.

(Abg. Hirsch: Sehr wahr!)

Hinzu kommt, daß die Vollstreckung solcher kurzen Freiheitsstrafen noch die Nachteile mit sich bringt, die in der Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes des Betroffenen und in durch seine Abwesenheit bedingten familiären Schwierigkeiten begründet sind. Der Sonderausschuß hat diese Gesichtspunkte, die von den Vertretern der SPD-Fraktion schon seit langer Zeit vorgetragen werden, berücksichtigt. Er schlägt zwar nicht vor, die kurzfristige Freiheitsstrafe vollständig abzuschaffen, er befürwortet aber eine entscheidende Einschränkung in der Weise, daß im Bereich bis zu sechs Monaten grundsätzlich Geldstrafen verhängt werden müssen und daß dann, wenn ausnahmsweise auf Freiheitsstrafe erkannt werden muß, diese Strafe grundsätzlich zur Bewährung ausgesetzt werden muß. Sollte sich die gefundene Lösung in den nächsten Jahren bewähren, wird man zu überlegen haben, ob es vertretbar ist, zukünftig auf kurzfristige Freiheitsstrafen ganz zu verzichten. Bis zum Inkrafttreten der großen Reform im Jahre 1973 besteht noch genügend Zeit, entsprechende Korrekturen anzubringen.
Neben der Regelung dieser beiden kriminalpolitischen Kardinalprobleme, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehen die Vorlagen des Strafrechtsausschusses noch eine weitere Fülle von Neuerungen vor, die ich in der gebotenen Kürze noch einmal zusammenfassend aufzählen darf, ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.
Der Anwendungsbereich der Strafaussetzung zur Bewährung wurde erweitert. Die Möglichkeit des Verzichts auf Strafe bei besonders schweren Tatfolgen für den Täter wurde eingeführt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt nunmehr auch bei der Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung. Das Arbeitshaus wurde gestrichen. Die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung werden erheblich verschärft, so daß sie eine starke Waffe gegen die Schwer-, Gewohnheits- und Berufskriminalität geworden ist.
Bei den freiheitsentziehenden Maßregeln tritt neben die schon bisher vorsehene psychiatrische Krankenanstalt, neben die Entziehungsanstalt und die Sicherungsverwahrung nun auch noch die für die Resozialisierung besonders bedeutsame neue sozialtherapeutische Anstalt. Diese in der Bundesrepublik bislang nur in einigen Ansätzen vorhandene neue Maßregel lehnt sich an das Vorbild verschiedener ausländischer Sonderanstalten — besonders in Holland und Dänemark — sowie an die verdienstvollen Vorschläge im Alternativ-Entwurf der 14 Strafrechtsprofessoren an. In ihr gehen die im Entwurf 1962 für schuldunfähige und vermindert schuldfähige Täter vorgesehene Bewahrungsanstalt und die vorbeugende Verwahrung für sogenannte Jungtäter auf. Sie erfaßt darüber hinaus voll schuldfähige Rückfalltäter mit schweren Persönlichkeitsstörungen und — was auch von erheblicher Bedeutung ist — Triebtäter.
Weiter ist zu sagen, daß die Geltungsbereichsvorschriften neu gestaltet worden sind, daß ein neues dogmatisches Konzept im Allgemeinen Teil gefunden wurde, das sich allerdings in wissenschaftlichen Streitfragen mit Recht sehr stark zurückhält, daß die Vorschriften über die Schuldunfähigkeit und die verminderte Schuldfähigkeit neu gefaßt worden sind.
Die nicht mehr zeitgemäßen Rückfallvorschriften für bestimmte Vermögensdelikte wurden gestrichen und durch eine allgemeine Rückfallklausel ersetzt. Auch wurde das Rechtsinstitut der Verwarnung mit Strafvorbehalt im Geldstrafenbereich neu eingeführt. Außerdem ist neu die freiheitsbeschränkende Maßregel der Führungsaufsicht, die die Polizeiaufsicht des geltenden Rechts ablöst und sich auch von der Sicherungsaufsicht, wie sie der Entwurf 1962 vorsah, abhebt. Der gleichfalls neue Vikariierungsgrundsatz, der besagt, daß freiheitsentziehende Maßregeln grundsätzlich vor der Strafe zu vollstrecken sind, berücksichtigt den Resozialisierungsgedanken besonders dadurch, daß es nunmehr auch möglich ist, die noch nicht verbüßte Strafe oder einen Strafrest zur Bewährung auszusetzen.
Im Besonderen Teil, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden verschiedene Vorschriften gestrichen, für die ein kriminalpolitisches Bedürfnis nicht mehr besteht. Dazu gehören insbesondere die Tatbestände des Ehebruchs, des Zweikampfes, der fahrlässigen Gefangenenbefreiung, der Unzucht mit Tieren, der Erschleichung des außerehelichen Beischlafs und der einfachen Unzucht zwischen Männern. Der bisherige § 175 a des Strafgesetzbuches, der die schwere Unzucht zwischen Männern unter Strafe stellt, wird durch eine neue Vorschrift ersetzt, die nur noch qualifizierte Formen der männlichen Homosexualität mit Strafe bedroht. Gleichgeschlechtliche Unzucht ist danach nur noch strafbar, dies aber auch unbedingt und mit Recht, wenn sie mit Minderjährigen, mit Abhängigen, gewerbsmäßig oder mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt erfolgt.
Der Sonderausschuß hat weiter die Bestimmung über die falsche Anschuldigung auf die Taten beschränkt, die wider besseres Wissen begangen werden. Er hat auch die Straftaten gegen den religiösen Frieden in voller Übereinstimmung mit den Stellungnahmen der Katholischen und der Evangelischen Kirche umgestaltet. Der Tatbestand der Gottes-
12836 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Müller-Emmert
lästerung kommt ganz in Wegfall. Die Vorschriften über Religionsbeschimpfung und Hinderung am Gottesdienst beziehen sich künftig auch auf Weltanschauungsgemeinschaften, erfassen aber im wesentlichen in einem engeren Rahmen nur Handlungen, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Neu ist in diesem Bereich auch die Strafvorschrift über die Störung einer Bestattungsfeier.
Auch werden die Entführungstatbestände der §§ 235 bis 238 eingeengt. Beispielsweise wird das Schutzalter vom 21. auf das 18. Lebensjahr herabgesetzt. In dem § 237 wird die bisherige, weit übersetzte Strafdrohung beseitigt und gezielt auf die moderne Erscheinungsform dieser Taten, nämlich auf die Entführung mit Kraftfahrzeugen, abgestellt.
Auch wurden die Tatbestände des schweren Diebstahls reformiert, so daß die oft seltsamen Ergebnisse der Rechtsprechung zukünftig nicht mehr anzutreffen sein werden.
Neu und durch die technische Entwicklung bedingt ist schließlich auch die Ausdehnung der Urkundenfälschung auf die Fälschung und Unterdrückung technischer Aufzeichnungen, die nunmehr den Urkunden gleichgestellt werden.
Besonders zu betonen ist, daß bei den vielfach als reformbedürftig angesehenen Abtreibungs- und Kuppeleivorschriften die Zeit nur noch dazu ausreichte, die Verbrechen der Fremdabtreibung und der schweren Kuppelei in Vergehen umzuwandeln. Immerhin wird dadurch die Problematik auf diesen umstrittenen Gebieten insofern entschärft, als in gewissen Fällen, in denen eine Bestrafung schwer einzusehen ist, das Verfahren eingestellt werden kann, ohne daß es überhaupt zur Anklageerhebung durch den Staatsanwalt zu kommen braucht.
Nicht berücksichtigt wurden in den beiden ersten Teilgesetzen zur Reform des Strafrechts die Beschlüsse des Sonderausschusses über ein Rechtsgebiet, das in der öffentlichen Diskussion steht, nämlich über die Straftaten gegen den Gemeinschaftsfrieden. Es wird in den noch bevorstehenden Beratungen sicher sehr schwer sein, bei der Ausgestaltung dieser Tatbestände, die sich in dem Spannungsverhältnis zwischen dem Demonstrationsrecht des einzelnen und dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit bewegen, die zum Teil völlig konträren Standpunkte anzugleichen und zu sachgerechten Lösungen zu kommen. Trotz dieser Schwierigkeiten habe ich jedoch die zuversichtliche Hoffnung, daß dem Strafrechtsausschuß, der bisher alle Schwierigkeiten meistern konnte, auch die Lösung dieses Problems gelingen wird. Die sachliche und kollegiale Atmosphäre, in der der Sonderausschuß zusammengearbeitet hat und für die ich mich bei Ihnen, meine Damen und Herren vom Sonderausschuß, recht herzlich bedanken möchte, berechtigt zu dieser Hoffnung. Diese Sachlichkeit war es auch, die uns in die Lage versetzte, unsere Arbeit zu diesem Zeitpunkt erfolgreich abzuschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD.)

Wir Mitglieder des Strafrechtsausschusses werden
gleichwohl aber den langen Marsch durch die Paragraphen des Strafgesetzbuches zwangsläufig noch eine Weile fortsetzen müssen, und wir werden es auch erreichen — davon bin ich überzeugt —, daß zunächst unüberwindlich erscheinende Gegensätze ausgeräumt und überwunden werden.
Ein rühmenswertes Beispiel stellt insofern die Fraktion der Freien Demokraten dar, die — um mit einem Vergleich zu sprechen — aus einem Saulus zu einem Paulus geworden ist und die uns gezeigt hat, wie sehr man seine Auffassungen aus sachlichen Gründen innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes ändern kann. Das war schon eine frappierende Kehrtwendung, die Sie, meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, vollzogen haben. Ich habe noch die Worte im Ohr, die der damalige Bundesjustizminister, Herr Kollege Bucher, anläßlich der Einbringung des Entwurfs von 1962 gebraucht hat. Er hat den Entwurf damals „eine auf dem Grundgesetz aufbauende, sich von Extremen fernhaltende, ausgewogene Grundlage" genannt, „die es jedem von uns ermöglichen sollte, ein grundsätzliches Ja dazu zu sagen". — Noch 1966, bei der dritten Einbringung dieses Entwurfs, sprachen Sie, Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus, sich zusammen mit den Sprechern der CDU/CSU-Fraktion für die Beibehaltung der Zuchthausstrafe und gegen die Einheitsstrafe aus. Auch das Problem der kurzzeitigen Freiheitsstrafe und der Strafaussetzung zur Bewährung haben Sie, meine Damen und Herren von der FDP- Fraktion und auch von der CDU/CSU-Fraktion, damals ganz anders gesehen als heute. Ihr heutiger Reformeifer verdient unsere ganz besondere Anerkennung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD. — Abg. Dr. h. c. Güde: Wahlkampf!)

Sie werden mir, rückblickend betrachtet, sicher zustimmen, meine Damen und Herren, wenn ich sage, daß wir in unserer Reformarbeit entschieden schneller und weiter vorangekommen wären, wenn sich die beiden anderen Fraktionen gleich und von Anfang an den Grundsatzauffassungen angeschlossen hätten, die wir von Anbeginn an vertreten haben, wie Sie es dann im Laufe der Beratungen doch zwangsläufig getan haben.

(Abg. Dr. Stark [Nürtingen] : Wahlkampf!)

Uns allen geht es darum, ein Strafrecht zu schaffen, das dem Erfordernis der Gerechtigkeit genügt. Ich meine nicht jene absolute Gerechtigkeit, die zu erkennen wir Menschen niemals in der Lage sein werden; ich meine vielmehr die Gerechtigkeit, die den vielen Fällen des täglichen Lebens standhalten muß. Dabei mögen wir berücksichtigen, daß das Verbrechen niemals ausschließlich ein Problem des Verbrechers, sondern immer auch ein Problem unserer Gesellschaft ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)

Es wird unsere Aufgabe sein, in verstärktem Maße jene Anlage- und Umweltfaktoren zu erforschen, die für die verbrecherische Handlung mitentscheidend sind. Wir wissen viel zuwenig über die Vererblichkeit krimineller Neigungen, über die bei Zeugung unter Alkoholeinfluß möglichen Schädigungen, über
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12837
Dr. Müller-Emmert
Drüsenstörungen und den Einfluß der Geschlechtshormone auf die Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung, über körperliche und seelische Erkrankungen, über die Psychopathie und die Auswirkung von Intelligenzmängeln, Affekten und Neurosen.
Die verbrecherische Tat
so sagte einmal der verstorbene hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer
ist wie ein großer Strom, aus vielen Flüssen und Bächen gespeist, mag es. sich um einen grauenvollen Mord oder um einen kleinen Diebstahl handeln.
Selten ist jemand zum Verbrecher geboren. Zu der anlagebedingten Prädisposition kommen immer ungünstige Umweltbedingungen. Gerade unsere heutige Wohlstandsgesellschaft entwickelt typische sozialschädliche Milieuformen. Sie schafft teilweise Gesellschaftsideale, die sich nicht in allen Fällen günstig auswirken. So ist die Begehrlichkeitskriminalität, über deren Zunahme wir alle erschrecken und die sich in allen Schichten der Bevölkerung findet, nicht zuletzt das Produkt ökonomischer Ungleichheit in einer Wettbewerbswirtschaft, in der sich die soziale Rangstufe weitgehend danach bemißt, ob man nur Schuhe oder vielleicht ein Fahrrad, ein Moped, ein Motorrad oder auch einen Volks- oder Luxuswagen besitzt. Die falsche Tafel der Rangwerte, die von einer sogenannten Oberklasse unserer Gesellschaft tagaus, tagein aufgestellt wird, ist ein verbrechensfördernder Faktor ersten Ranges. Ihr folgen Haß, Neid, falscher Ehrgeiz und alle Arten von Hochstapelei zwangsläufig. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, daß sich die Erkenntnis immer mehr durchsetzt, daß die beste Strafrechtspolitik eine gute Sozial- und Bildungspolitik ist.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn wir speziell die Zunahme der Jugendkriminalität betrachten, dann haben wir uns zu überlegen, wie es uns gelingen kann, diese unsere jungen Menschen in die Gemeinschaft zu integrieren. Wir haben dabei zu berücksichtigen, daß im Prozeß der Industrialisierung in den letzten hundert Jahren die ländliche oder kleinstädtische Großfamilie, die im ständigen Miteinanderleben einen festen Zusammenhalt bildete, der modernen Großstadtfamilie weichen mußte. Diese heutige Familie ist häufig nicht mehr in der Lage, dem Kind die Kunst des Triebverzichts im weitesten Sinne zugunsten der Gemeinschaft beizubringen, da sie selbst keine Gemeinschaft mehr ist. Sie ist oft pervertiert zu einer Produktionsgenossenschaft, deren wichtigstes Ziel die Erreichung eines höheren Lebensstandards ist. Wir werden diese Entwicklung nicht rückgängig machen können. Wir werden uns aber bemühen müssen, den jungen Menschen einen Inhalt zu geben, der in einem besseren, der Situation angepaßten Bildungssystem bestehen muß. Wir werden bei der Behandlung straffällig Gewordener besonders im Strafvollzug Rücksicht auf diese ungünstigen Milieuformen zu nehmen haben.
In der Öffentlichkeit wird gegen das neue Strafrecht manchen Ortes der Vorwurf erhoben, es sei zu weich. Manche unserer Bürger wünschen sich auch heute noch gern drakonische, harte Strafen. Diese Meinung sollte korrigiert werden und besserer Einsicht weichen. Der Gesetzgeber kann sich von solchen Vorstellungen nicht leiten lassen. Ihm muß es darauf ankommen, ein Gesetz zu schaffen, das eine wirksame Verbrechensbekämpfung gewährleistet. Mit sogenannten harten Strafen ist überhaupt nichts erreicht.

(Zustimmung bei der SPD.)

Sie verhindern in aller Regel nicht, daß ein Mensch straffällig wird, und sie bewirken auch keine Besserung. Die Zahl der in unserer Gesellschaft rückfällig gewordenen Täter spricht insoweit eine deutliche Sprache.

(Abg. Hirsch: Leider wahr!)

Härte ist nicht der Maßstab, an dem die Güte eines Strafrechts zu messen ist.

(Zustimmung bei der SPD.)

Soll es die Gesellschaft vor dem Verbrechen schützen, so muß eine zweckmäßige Kriminalpolitik nicht auf Strenge und Vergeltung, sondern allein auf Wirksamkeit abzielen.

(Abg. Hirsch: Sehr gut!)

Sinnvoll sind nur Freiheitsstrafen — das beweisen die Erfahrungen der Länder, die sich bereits zu einem modernen Strafrecht durchgerungen haben —, die bei der notwendigen abschreckenden Wirkung, die selbstverständlich von ihnen ausgehen muß, nicht zur Niederdrückung und Peinigung der Verurteilten, sondern zur Stärkung ihrer körperlichen, geistigen und sittlichen Widerstandskraft im Kampf um das Dasein führen. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Von diesem Weg dürfen wir uns nicht abbringen lassen, auch wenn manche, die es nicht besser wissen oder wissen wollen, eine Verbrechenspsychose schüren, die durch keinerlei Tatsachen gerechtfertigt ist.
An einem entscheidenden erfolgreichen Punkt unserer gemeinsamen Reformarbeit gebietet es die Kollegialität ganz selbstverständlich, allen an der Strafrechtsreform Beteiligten herzlichen Dank zu sagen. Die sechs Jahre Arbeit waren nicht einfach. Sie waren mühsam und von zeitraubender Tätigkeit erfüllt. Die SPD-Fraktion anerkennt diese Arbeit. Im Namen meiner Fraktion danke ich besonders dem Ausschußvorsitzenden, Herrn Kollegen Dr. Güde, der unermüdlich tätig war und es durch seine ausgleichende, souveräne Art immer fertiggebracht hat, die Arbeit voranzutreiben.

(Beifall.)

Ein besonderes Lob gebührt auch Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus.

(Beifall.)

Für sie war es deshalb besonders schwer, weil sie die einzige Vertreterin ihrer Fraktion im Ausschuß ist, also die Last der Arbeit für ihre Fraktion sechs Jahre allein tragen mußte, womit sie allerdings, das darf ich sagen, trotz ihrer zarten Schultern spielend fertig wurde.

(Heiterkeit und Beifall.)

12838 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Müller-Emmert
Ich darf auch allen Kolleginnen und Kollegen im Strafrechtsausschuß für ihre erfolgreiche Arbeit danken.
Ich darf mich besonders auch bei dem vormaligen Bundesjustizminister Dr. Gustav Heinemann und dem jetzigen Bundesjustizminister und seinem vormaligen Staatssekretär, Professor Dr. Horst Ehmke, sehr herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)

Durch die Initiativen dieser beiden Justizminister wurden entscheidende Impulse gesetzt. Sie haben dafür gesorgt, daß die Mitarbeiter ihres Ministeriums in gewohnt perfekter und präziser Form die Ausschußarbeit entscheidend unterstützt haben.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Damit habe ich zugleich den Herrn des Justizministeriums die ihnen im großen Maße gebührende Anerkennung gezollt. Ich möchte ihnen ebenfalls herzlich Dank sagen.

(Beifall.)

Zuletzt darf ich mich auch noch der angenehmen Aufgabe entledigen, daran zu erinnern, daß die Mitarbeiter des Strafrechtsausschusses, Oberlandesgerichtsrat Dr. Meyer und Landgerichtsrat Dr. Friedrich, eine unübersehbare langjährige Arbeit hinter sich gebracht haben und damit auch nicht von dem gemeinsamen Erfolg wegzudenken sind.

(Beifall.)

Lassen Sie mich abschließend sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß es dem neu zu beschließenden Strafrecht sehr dienlich wäre, wenn es mit großer Mehrheit von diesem Hohen Haus in Kraft gesetzt würde. Wie kein anderes Rechtsgebiet greift das Strafrecht in die Belange des einzelnen Bürgers ein. Daraus folgt, daß nur diejenigen Strafrechtsvorschriften auf Dauer Bestand haben werden, die von der weit überwiegenden Mehrheit unseres Volkes getragen werden.
Deshalb bittet Sie die SPD-Fraktion, die diesem großen Gesetzgebungswerk ihre Zustimmung gibt, ihm auch durch Ihr Ja volle Anerkennung zu zollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523300400
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (FDP):
Rede ID: ID0523300500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein etwas ungewöhnlicher Vorgang in diesem Hohen Hause, wenn am Ende einer mehrjährigen Beratung wir Freie Demokraten, die wir in der Opposition sind, trotzdem so freundliche Worte erhalten, wie das mir geschehen ist; freundliche Worte, die wahrscheinlich die bitteren Pillen, die Herr Kollege Müller-Emmert vorher glaubte verabreichen zu müssen, verzuckern sollten. Aber, Herr Kollege MüllerEmmert und auch Herr Güde, ich darf doch das eine vorausschicken: Es war wirklich eine außerordentlich gute Zusammenarbeit. Vielleicht lag das daran, daß wir so häufig tagten, und vielleicht auch daran, daß der Kreis derjenigen, die ganz regelmäßig an den Sitzungen teilnahmen, klein war; vor allen Dingen aber, weil bei Regierungsparten und Opposition — ob das früher eine Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP war, zu der die SPD in Opposition stand, oder nachher eine Regierung von CDU/ CSU plus SPD mit der FDP in Opposition — der Wille zu sachlicher Arbeit vorherrschte, der Wunsch und der absolute Wille, diese große Aufgabe, die uns gestellt war, tatsächlich zu meistern.
Ob wir sie wirklich gemeistert haben — wer kann das heute sagen! Wer kann für sich in Anspruch nehmen, in einer Zeit, die in einer derartigen gesellschaftlichen Wandlung begriffen ist, heute schon Lösungen zu finden, die sich nachher, ich will gar nicht sagen, für Zeit und Ewigkeit, vielleicht nicht einmal auf hundert, aber auf fünfzig Jahre als dauernd wirksam erweisen?!
Wie schnell die Zeit sich wandelt, hat sich gerade auch bei der Entwicklung der Strafrechtsreform gezeigt. Die geistige Situation war seinerzeit, als Thomas Dehler diese große Aufgabe in Angriff nahm, als er die Große Strafrechtskommission berief — das war Anfang der fünfziger Jahre —, eine ganz andere. Wie war damals die allgemeine Situation? Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches, nach dem, was damals Recht und Gesetz in einem autoritären Staatssystem erfahren mußten, glaubte man, wenn man wieder an das anknüpfe, was in Weimar war, werde man zu den Formen und zu den Gesetzen finden, die unserem heutigen parlamentarischen demokratischen Staat angemessen seien.
Herr Müller-Emmert hat vorhin mit Recht an einen der großen Juristen erinnert, an Radbruch. Ich darf auch auf einen anderen hinweisen, auf Kahl, der zu der demokratischen Volkspartei gehörte und der damals unsere heutigen liberalen demokratischen Grundsätze und Auffassungen vertreten hat, Grundsätze, die wir heute weitgehend aufrechterhalten. Damals lag dem Plenum des Reichstags bereits ein abgeschlossener Entwurf vor, an dem übrigens unsere sehr verehrte Frau Dr. Lüders, die leider heute nicht mehr unter uns weilt, ganz entscheidend mitgearbeitet hatte, wie sie dann in der ersten Zeit auch in der Großen Strafrechtskommission mitwirkte. Dieser Entwurf wurde nur deshalb nicht verabschiedet, weil damals durch die Nationalsozialisten die Auflösung des Reichstags kam. Dann kam das Dritte Reich mit seiner Pervertierung von Recht und Gesetzen, eine Pervertierung, in deren Folge wir heute vor schweren Aufgaben stehen, nicht nur wir im Parlament, sondern auch die Gerichte, die mit Sachverhalten fertig werden müssen, die ihnen das Richten, das Sprechen von Urteilen im Zeichen der Gerechtigkeit so außerordentlich erschweren. Über diese Fragen werden wir ja noch in einem anderen Zusammenhang sprechen müssen.
Nachher hat sich gezeigt — ich glaube, das ist auch der tiefere Grund für den geistigen Umbruch, den wir zur Zeit erleben —, daß die Zeit über Weimar hinausgegangen ist und wir heute Formen unseres gesellschaftlichen, unseres politischen Lebens finden müssen, die unserer heutigen modernen Zeit entsprechen. Ausgerechnet in diese Situation des
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12839
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
sich so schnell vollziehenden Umbruchs ist die Strafrechtsreform gestellt.
Das erklärt auch, warum wir Freien Demokraten heute teilweise andere Auffassungen vertreten, als wir sie am Anfang hatten. Herr Kollege MüllerEmmert konnte es sich trotz seiner sonst so netten kollegialen Art — ich hatte aber damit gerechnet — nicht verkneifen, auch auf Ausführungen hinzuweisen, die Herr Kollege Bucher seinerzeit gemacht hat. Dazu möchte ich doch auf folgendes hinweisen, und meine Fraktionskollegen haben mich gebeten, das doch ganz klar zu sagen. Sie kennen den Spruch: „Das sind die Weisen, die vom Irrtum zur Weisheit reisen." Wenn ich jetzt die „Reise,,, die wir auch nach den Ausführungen des Herrn Kollegen MüllerEmmert absolviert haben, werten sollte, müßte ich uns eigentlich zu den „Weisen" rechnen. Aber etwas Derartiges möchte ich mir nicht anmaßen.
Jetzt muß ich aber doch einmal die bittere, nachher von Herrn Kollegen Müller-Emmert mit einem schönen Zuckerguß versüßte Pille zurückgeben. Was soll ich dazu sagen, daß die SPD, die seinerzeit, im Jahre 1962, als Oppositionspartei — das gebe ich hundertprozentig zu — in bezug auf das Strafensystem fortschrittlicher gedacht hat als wir Freien Demokraten, ihre Weisheit dadurch eingebüßt hat, daß sie heute die kurzfristige Freiheitsstrafe in einem Umfang bejaht, wie sie es damals nicht getan hat, und zwar, wie sie jetzt sagt, im Zeichen eines guten Kompromisses? Es ist richtig, es gibt Kompromisse, die gut sind, und welche, die weniger gut sind. Ob das nun ein guter Kompromiß gewesen ist, wird sich erst in der Zukunft erweisen.

(Zuruf des Abg. Hirsch.)

Ich darf noch auf etwas anderes hinweisen; das hat die SPD allerdings bei ihren „verzuckerten" Angriffen auf die Wandlung der FDP nicht gesagt. Wir haben uns von Anfang an, 1962 und 1966, hier im Hohen Hause und in Diskussionen draußen immer von den moralisierenden Tendenzen distanziert, die vor allem bezüglich der sogenannten Straftaten gegen die Sittlichkeit erkennbar waren.

(Abg. Hirsch: Da sind wir wieder einer Meinung!)

Das haben wir klar zum Ausdruck gebracht. Insofern stimmten wir damals mit Ihnen überein.

(Abg. Hirsch: Auch heute, hoffe ich!)

Insofern darf ich auch der CDU — ich glaube, der CDU mehr als der CSU; bei der CSU weiß ich nicht, inwieweit ich das sagen darf — bescheinigen, daß sie den Weg vom Irrtum zur Weisheit in der Zwischenzeit angetreten hat. Die Ausführungen, die Herr Kollege Güde schon zu Beginn der zweiten Lesung gemacht hat, ließen doch folgendes klar erkennen. Sie ließen erkennen — Herr Güde, ich habe sie noch einmal sehr sorgfältig durchgelesen —, daß auch Sie heute an und für sich auf dem Boden derjenigen Grundgedanken für die Strafrechtsreform stehen— das kam auch in den Ausführungen der Sprecher der SPD zum Ausdruck —, die wir, die FDP, so gern an die Spitze dieses Reformwerks gestellt hätten, wonach eine klare Aussage über den
Zweck von Strafe und Maßregel erfolgen und klar ausgesprochen werden sollte, daß Strafe und Maßregel dem Schutz der Rechtsgüter und der Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft dienen.
Herr Güde, Sie haben in Ihren ersten Ausführungen gesagt, es sei hier gelungen, eine Verbindung zwischen der Tatschuld — es freut mich, daß auch Sie jetzt den Begriff der „Tatschuld" in diesem Zusammenhang gebrauchen — und der Notwendigkeit der Wiedereingliederung des Täters zu schaffen. Es ist eigentlich diese gemeinsame Grundlage, die uns nachher die Möglichkeit gab, bei allen unterschiedlichen Auffassungen in den Beratungen des Sonderausschusses doch zu einigermaßen zufriedenstellendenden Lösungen zu kommen.

(Abg. Hirsch: Der Herr freut sich immer mehr über einen reuigen Sünder als über tausend Gerechte!)

— Eben.
Ich möchte noch eins sagen. Vorhin wurde sowohl von Herrn Güde als auch von Herrn Müller-Emmert den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Ausschusses und den Herren des Bundesjustizministeriums gedankt. Ich kann mich für die Freien Demokraten diesem Dank nur in vollem Umfang anschließen. Ich möchte den Kollegen Müller-Emmert und Güde aber in gleicher Weise danken, daß sie den Stachel der Opposition, den ich natürlich — wie könnte es bei meiner Hartnäckigkeit anders sein? — im Ausschuß doch immer habe sehen lassen, oft mit. so großzügiger Geduld ertragen haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Diesen Stachel der Opposition haben wir auch in der zweiten Lesung gezeigt. Ich fühle mich verpflichtet, auch heute, da es darum geht, zu entscheiden, ob wir, die in Opposition stehenden Freien Demokraten, diesem Gesetz — trotz seiner Mängel, die wir an Hand unserer Änderungsanträge in der zweiten Lesung aufgezeigt haben— zustimmen können, diesen Stachel der Opposition zu zeigen und in diesem Sinne noch einige Ausführungen zu machen.
Zunächst möchte ich aber noch einmal herausstellen, was wir als das Positive ansehen. Wir halten dieses Gesetz für einen Durchbruch zu einem modernen Strafrecht und hoffen, daß es gelingt, in Zukunft noch zu einem besseren Gesetz als dem augenblicklich hier vorliegenden zu kommen. Ich danke auch den Herren des Justizministeriums. Wir haben ihnen mit unseren Wünschen, am nächsten Tag bereits Formulierungshilfen in den Händen zu haben, manche Nachtarbeit zudiktiert. Wir waren insofern ein strapaziöser Ausschuß, sowohl für die wissenschaftlichen Mitarbeiter als auch für die Herren des Justizministeriums.
Jetzt wird ein großer Durchbruch erzielt. Es werden Regelungen getroffen, die es in dieser Form noch nicht gab. Auf Grund der Unzufriedenheit mit der Gesamtkonzeption des Entwurfs aus dem Jahre 1962, über den die Zeiten hinweggegangen waren, haben zunächst 14 Professoren von sich aus einen Alternativ-Entwurf erarbeitet. Sie haben von sich
12840 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
aus eine echte Alternative zu dem Strafensystem, zu dem Maßregelsystem gesetzt. Sie haben auch die Grundlage für die Gesichtspunkte gelegt, nach denen nachher tatsächlich an die Arbeit herangegangen werden sollte. Dadurch, daß sie sagten, der Schutz der Rechtsgüter ist das erste Ziel, dadurch, daß hier die Normen des Strafrechts gesetzt werden, erfolgt die Verteidigung der Rechtsordnung, meine Herren und Damen von den Regierungsparteien. Das braucht man sonst nicht mehr ausdrücklich zu sagen. Man braucht es vor allen Dingen nicht da zu sagen, wo es keinen Sinn hat. Wenn es darauf ankommt, wann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, kommt es allein auf die Spezialprävention und darauf an, daß man für den betreffenden Täter die Strafe findet, die seiner Schuld, seiner Tat und seiner Persönlichkeit, die unter all den anderen Gesichtspunkten, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind — sie sind ja im einzelnen aufgeführt —, angemessen ist. Da geht es nicht um die Verteidigung der Rechtsordnung. Die Rechtsordnung wird dadurch verteidigt, daß es dann überhaupt zu einer Bestrafung kommt.
Herr Kollege Müller-Emmert, in einem haben Sie sich getäuscht. Sie haben in bezug auf das, was ich früher verteidigt habe, gesagt, dazu habe auch gehört, daß ich nicht für eine so weitgehende Ausdehnung des Instituts der Strafaussetzung zur Bewährung, wie sie jetzt vorgesehen ist, gewesen sei. Das trifft nicht zu. Es trifft — das gebe ich ganz ehrlich zu; ich habe es auch schon in der zweiten Lesung getan — für die Zeit zu, als ich noch für das Strafensystem mit differenzierten Strafen eintrat. Es trifft auch zu, daß ich des irrigen Glaubens war, eine kurzfristige Freiheitsstrafe habe eine Schockwirkung, und man sollte deshalb nicht auf sie verzichten. Bei der Strafaussetzung zur Bewährung war das nicht der Fall. Das weiß ich deshalb so genau, weil wir dieses Institut früher in unserer Rechtsordnung nicht hatten. Nach 1945, als wir hier die vielen Verfahren vor nichtdeutschen Gerichten hatten, vor amerikanischen, britischen, französischen Gerichten, erlebte ich in Stuttgart in der amerikanisch besetzten Zone als Rechtsanwältin das sogenannte Parole-Verfahren. Dieses bewog mich damals, die Ansicht zu vertreten, daß man etwas Ähnliches auch bei uns in Deutschland brauche. Daraus ist die Strafaussetzung zur Bewährung geworden. Ich bin deshalb froh, daß jetzt die Voraussetzungen und die Möglichkeiten geschaffen werden, daß in Zukunft in einem weitaus größeren Maße als bisher eine Strafaussetzung zur Bewährung erfolgen kann. Wir begrüßen diesen weiteren Ausbau sehr. Er ist allerdings mit dem Schönheitsfehler behaftet, daß die Aussetzung versagt werden kann, wenn die „Verteidigung der Rechtsordnung" das angeblich nicht zuläßt.

(Abg. Hirsch: Kein Schönheitsfehler, sondern ein wesentlicher Fortschritt, Frau Kollegin! Sie werden auch das noch begreifen!)

— Herr Kollege Hirsch, ich glaube es hat keinen Wert, wenn wir uns jetzt noch einmal im einzelnen darüber auseinandersetzen. Wir haben das ja bei der zweiten Lesung getan. Es wird vielmehr darauf
ankommen, jetzt die Erfahrung zu sammeln, ob die Richter mit diesem Instrument, das der Resozialisierung dienen soll, so umgehen, wie wir es erwarten, damit das eintritt, was wir ursprünglich schon mit der Schaffung der Aussetzung zur Bewährung erreichen wollten, nämlich ein Zurückdrängen der kurzfristigen Freiheitsstrafe. Sie wissen, daß nach den vorliegenden Statistiken bisher leider von der Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr, sondern weniger Gebrauch gemacht wurde.
Ich habe mich aber doch gefreut, insofern sowohl aus den Ausführungen von Herrn Kollegen Güde als auch aus denen des Herrn Kollegen MüllerEmmert entnehmen zu können, daß sie in den vier Jahren der nächsten Legislaturperiode, die uns zur Verfügung stehen, um dieses Reformwerk abzuschließen, bereit sind, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen und dann vielleicht mit uns Freien Demokraten so weit zu reisen, wie wir es schon gerne heute getan hätten, wozu die Regierungsparteien aber nicht bereit waren.
Bei den Pluspunkten dieser Reform — die Einzelheiten des ganzen Systems der Strafen und Maßregeln sind ja von Herrn Müller-Emmert vorgetragen worden — möchte ich an die Spitze stellen — und daran sehen Sie, wie weit ich gereist bin —, daß die Einheitsstrafe heute noch von einer derart großen Mehrheit in diesem Hohen Hause akzeptiert worden ist. Das ist ein Durchbruch des modernen Denkens, ein Durchbruch, zu dem die Verfasser des Alternativ-Entwurfs beigetragen haben. Ihnen möchte ich von dieser Stelle aus für ihre große Arbeit, die sie auf sich genommen haben, danken.

(Beifall bei der FDP.)

Ich möchte ihnen auch dafür danken, daß sie damit einverstanden waren — es sind ja unabhängige, nicht parteigebundene Professoren —, daß wir als Freie Demokraten, als Partei diesen Gesetzentwurf einbrachten. Er wurde dadurch mit Grundlage unserer Beratungen — auch im Sonderausschuß —, was sich durchaus bewährt hat.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß die Rechtsinstitute, die wir bisher nicht hatten, wie die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe, absolut zu den Vorzügen dieser Teilreform gehören. Ich betrachte auch das Geldstrafensystem, wie es jetzt im Entwurf steht, als einen Fortschritt, dies allerdings nicht so ganz vorbehaltslos. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das, was die Verfasser des Alternativ-Entwurfs mit den Laufzeitgeldstrafen wollen, auf die Dauer gesehen nicht doch eine bessere Lösung wäre. Angesichts der Tatsache, daß heute viele Geldstrafen in Raten gezahlt werden, werden wir überlegen müssen, ob dem nicht ein Übergehen auf das andere System entsprechen würde, zumal damit verbunden ist, was jetzt in diesem Geldstrafensystem nicht möglich ist, daß man in Aussicht stellt: Zahlst du deine Raten pünktlich, wird dir ein Drittel erlassen. Ich glaube, dieses Appellieren an den guten Willen des Menschen, wenn er verurteilt ist, auch zu seiner Strafe zu stehen, ist ein ausgezeichnetes psychologisches System.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12841
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Dieses ausgezeichnete psychologische System ist leider nicht verwirklicht worden bei einem anderen Rechtsinstitut, für das auch die SPD gewesen ist, daß nämlich der Täter in bestimmten Fällen durch freiwillige gemeinnützige Arbeitsleistung seine Sühne erbringen kann. Die Türen für die nächste Legislaturperiode sind offengelassen worden. Wir haben die gemeinnützige Arbeit in diesem Entwurf sogar an einer Stelle stehen, und ich hoffe, daß diese Gedanken in der nächsten Legislaturperiode weiter verfolgt werden.
Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber doch noch einen Punkt erwähnen. Ein ganz großer Durchbruch ist doch insofern erfolgt, als wir uns heute so einmütig zu der sozialtherapeutischen Anstalt bekennen. Dies hat auch ein starkes Umdenken erfordert. Es war notwendig, daß wir die Reisen ins Ausland gemacht und daß wir dort erlebt haben, was Länder wie Schweden, wie Dänemark, wie Holland mit einem modernen Strafrecht, mit einem modernen Strafvollzug erreichen konnten. Überhaupt ist es ja der Sinn eines Strafgesetzes, die Begehung von Strafttaten zurückzudrängen. Wir haben entsprechende Konsequenzen zu ziehen, damit Täter nicht wieder rückfällig werden.
Diese Konsequenzen wurden übrigens in aufgeschlossenen Ländern auch unserer Bundesrepublik schon gezogen. Ich denke hier insbesondere an das Land Baden-Württemberg. Dort wurde schon in den fünfziger Jahren eine sozialtherapeutische Anstalt auf dem Hohenasperg eingerichtet. Ich darf darauf hinweisen, daß in der Zwischenzeit schon weitere Länder diesem Beispiel folgen, auch ohne daß ein entsprechendes Gesetz vorliegt. Hamburg hat erst in letzter Zeit eine sozialtherapeutische Anstalt geschaffen, in Hessen besteht jetzt eine in Kassel, und auch hier in Nordrhein-Westfalen ist, soviel ich weiß, jetzt eine solche Abteilung gebildet worden. Das zeigt, daß die Länder, auch ohne daß ein ausdrückliches Stafvollzugsgesetz vorliegt, schon eine Menge tun können, um in Ergänzung unseres jetzt geltenden Gesetzes zu einem modernen Strafvollzug unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung zu kommen.
Aber es hat mich in bezug auf die sozialtherapeutische Anstalt etwas bedrückt, daß auch hier die richtige Erkenntnis nicht gleich zu der bestmöglichen Lösung geführt hat. Von seiten der Länder wurden Bedenken hinsichtlich der Kostenfrage vorgetragen, und es wurde der Zweifel geäußert, ob überhaupt entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung stehe. Das führte dann erst zu einer Minimallösung. Man hat sich beschränkt auf Rückfalltäter mit schweren Persönlichkeitsstörungen, also mit entsprechenden Vorstrafen, und auch auf Triebtäter.
Vier angesehene Gesellschaften, nämlich die Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie und Tiefenpsychologie, die Stuttgarter Gemeinschaft „Arzt und Seelsorger", die Allgemeine ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie und der Berufsverband Deutscher Nervenärzte, sind voller Sorge noch einmal an uns herangetreten, nachdem die Entwürfe veröffentlicht waren, weil sie sagten, die Bestimmungen, die sich mit der sozialtherapeutischen
Anstalt befassen, seien zu eng gefaßt. Nach ihrer Meinung kann es — abgesehen von den Sexualtätern — gerade bei Tätern mit Persönlichkeitsstörungen darauf ankommen, daß schon nach der ersten Tat eine entsprechende Behandlung erfolgt. Nehmen Sie einmal folgenden Fall an. Es zeigt sich, daß bei einem Täter, der einen Diebstahl verübt hat; eine Veranlagung zur Kleptomanie vorliegt. Ich nehme bewußt dieses Beispiel, damit Sie sich das plastisch vorstellen können. Da ist es notwendig, daß schon nach der ersten Verurteilung eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird. Erfolgt diese Behandlung erst nach der zweiten oder dritten Verurteilung, ist es fraglich, ob die Heilung noch erreicht werden kann. Auch wenn sie noch erreicht werden kann, ist damit ein wesentlich größerer Aufwand verbunden, als wenn die Behandlung schon nach der ersten Tat eingesetzt hätte.
Von den anderen Parteien wurde bereits die Bereitschaft betont, bei den sozialtherapeutischen Anstalten zu einem weiteren Ausbau zu kommen.
Ein Vorteil ist auch darin zu sehen, daß nunmehr nach Verbüßung einer Maßregel das Vollstrekkungsgericht entsprechende Entscheidungen zu treffen hat. Das Vollstreckungsgericht hat auch darüber zu befinden, ob nach der Verbüßung eines Teils der Strafe ein Strafrest erlassen werden soll. Derartige Entscheidungen sollten nicht schon von dem erkennenden Gericht getroffen werden. Wenn also jemand wegen schwerer Straftaten zu Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, prüft das Vollstrekkungsgericht, wenn er seine Strafe verbüßt hat, ob die Sicherungsverwahrung tatsächlich vollzogen werden muß. Diese Sicherungsverwahrung stellt ja keine Vergeltung, keine Strafe, keine Sühne dar, sondern sie dient nur der Sicherung der Allgemeinheit. Wenn jemand, der seine Strafe schon verbüßt hat, weiter auf seine Freiheit verzichten muß, stellt das einen schweren Eingriff in seine Freiheit dar. Das sollte nur in schwersten Fällen geschehen. Ich habe volles Verständnis dafür — ich habe mich gefreut, daß auch Herr Güde das als richtig bezeichnet hat —, wenn von den Alternativ-Professoren gefordert wird, daß, bevor eine derart weitgehende Beschränkung der Freiheit vorgenommen wird, der letzte Versuch einer sozialtherapeutischen Behandlung erfolgt. Hier müssen wir also die Reform noch weiter vorantreiben.
Wir begrüßen es, daß das Arbeitshaus, das sich als unwirksam erwiesen hat, wegfällt.
Desgleichen begrüßen wir es, daß im Besonderen Teil wenigstens ein Anfang gemacht wurde — ich will nicht sagen eine „Entrümpelung" —, bei bestimmten Sexualdelikten einen gewissen Einklang mit der heute in der Bevölkerung vorhandenen Auffassung darüber zu finden, was kriminell strafwürdig ist und nach dem Strafgesetzbuch bestraft werden muß. Herr Kollege Güde hat darauf hingewiesen, daß die Zeit über die Ausführungen von Herrn Wuermeling hinweggegangen sei, der die Begründung des Alternativ-Entwurfs zitiert habe.
Es wurde schon 'darauf hingewiesen, daß sich eine kleine Mehrheit der Großen Strafrechtskommission seinerzeit noch zu der Strafbarkeit des Ehebruchs
12842 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
bekannt hat. Das geschah aber, weil ein Teil Angst vor Mißdeutung hatte. Nicht alles, was nicht bestraft wird, ist sittlich gerechtfertigt. Ein Ehebruch ist nie sittlich gerechtfertigt, auch wenn er nicht .als kriminelle Tat bestraft wird. In der Zwischenzeit hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß das, was sittlich zu beanstanden ist, und das, was unter eine kriminelle Strafe gestellt werden muß, weil es sozialschädlich ist, zwei verschiedene Dinge sind. Hier muß nach verschiedenen Gesichtspunkten geurteilt werden. Bei kriminellen Straftaten müssen solche sozialschädlichen Handlungen vorliegen — ich verstehe „sozialschädlich" allerdings etwas anders, Herr Kollege Wuermeling, als Sie das taten —, daß der Rechtsfrieden untragbar beeinträchtigt wird.
Wir bedauern es natürlich, daß wir mit unserer Forderung, schon heute den letzten Schritt bei der Beseitigung der kurzfristigen Freiheitsstrafe zu tun, nicht durchgedrungen sind. Wir bedauern es auch, daß 'die Rückfallbestimmung nicht nur nicht beseitigt, sondern sogar noch in einem Umfang ausgebaut wurde, den wir für unsachgemäß halten. Mich hat das beeindruckt, was mir vor kurzem Richter vorgetragen haben. Sie sind ja auch an den Bundestag herangetreten und haben dringend gebeten, von einer derartigen allgemeinen Rückfallvorschrift abzusehen. Sie haben mir geschildert, in welch schwierige .Situation sie mit diesen schematischen Rückfallvorschriften schon bisher gekommen sind und in Zukunft weiter kommen werden. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß der Richter, wenn jemand nicht nur das erstemal, sondern zum zweiten oder zum dritten Male straffällig wird, auf eine entsprechend höhere Strafe erkennt. Unsere Strafrahmen lassen das ja auch zu. Dazu bedarf 'es keiner ausdrücklichen Rückfallvorschrift, die gegebenenfalls eine gerechte Lösung erschwert. Insofern habe 'ich erheblich mehr Zutrauen zu der Weisheit der Richter und zu ihrer Art der Rechtsprechung, als es offensichtlich bei den Koalitionsparteien der Fall ist.
Wir bedauern ferner, daß Sie auch dort, wo es sich um politische Entscheidungen handelt, unserem Wunsche nicht Rechnung getragen haben. Das gilt vor allem für die Konsequenzen, die aus einem politischen Sachverhalt zu ziehen sind, den wir alle nicht gewollt haben. Nach 1945 wurde Deutschland in zwei oder gar, wie manche sagen, in drei Teile zerrissen: die Bundesrepublik, die DDR und Berlin. Dabei können Sie noch einmal Berlin in West- und Ost-Berlin aufteilen. Wir 'bedauern es, ,daß die Einheit des Rechts immer mehr verlorengeht. Heute liegt eine Teilreform unseres Strafrechts vor. Die DDR hat schon ein neues Strafgesetzbuch herausgebracht, das sich in der Grundkonzeption ganz wesentlich von den freiheitlichen und sozialen Grundsätzen unseres Grundgesetzes und unserer Reform unterscheidet, die wir als Liberale für richtig erachten. Mit der Beibehaltung der Todesstrafe in der DDR, mit dem politischen Strafrecht dort, das den Geist atmet, der allen autoritären Staaten eigen ist und den wir aus dem „Dritten Reich" gar zu gut kannten, ist der Geist der Toleranz, den wir für eine parlamentarische Demokratie für notwendig halten, nicht in Einklang zu bringen. Das hat nichts mit einer Anerkennung und nichts mit Völkerrecht zu tun. Wir müssen den Deutschen, die in der DDR leben, das Recht zubilligen, den dortigen Gesetzen und nicht unseren hiesigen strafrechtlichen Bestimmungen Rechnung zu tragen. Deshalb haben die Freien Demokraten die Forderung gestellt, das Gesetz auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu beschränken. Nur so kann es ja auch angewandt werden.
Wir bedauern es weiter, daß in der Frage der Verjährung von den Koalitionsparteien ein grundsätzlicher Schritt getan wurde. Insofern darf ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Busse verweisen. Er hat in der zweiten Lesung eingehend dargelegt, wie sich in den hundert Jahren gezeigt hat, daß dieses Institut der Verjährung mit unserem Rechtsstaat durchaus vereinbar ist. Es ist ein schwerer Schritt, wenn jetzt in einzelnen Punkten von der Unverjährbarkeit abgewichen wird und in anderen die Verjährungsfrist von 20 auf 30 Jahre heraufgesetzt wird. Über diese Fragen werden wir noch weiter sprechen müssen.
Andere Probleme will ich nur kurz streifen. Führungsaufsicht! Ich habe schon gesagt: das sollte an und für sich nicht so bleiben. Wir denken daran, es in der nächsten Legislaturperiode in die Bewährungshilfe einzubauen.
Die Lösung betreffend das Berufsverbot befriedigt keineswegs. Es ist nicht richtig, daß hier im Zusammenhang mit Straftaten Berufsverbote dort ausgesprochen werden, wo es heute sonst schon Rechtens ist, daß die entsprechenden Berufsgerichte darüber entscheiden. Es bleibt die Möglichkeit bestehen, dies zu ändern.
Wir bedauern, daß es nur eine Teilreform ist, haben aber Verständnis — um dieses Verständnis müssen gerade wir Mitglieder des Sonderausschusses bitten —, daß wir es nicht fertiggebracht haben, eine volle Reform vorzulegen.
Zu den Aufgaben, die uns in dieser Legislaturperiode noch bevorstehen und die unbedingt noch in einer weiteren Novelle gelöst werden müssen, gehören die Straftaten gegen den Gemeinschaftsfrieden. Sie wissen, daß in diesen Tagen in Berlin Richter aus vielen Ländern zusammenkommen. Es hat mich zutiefst betroffen, daß ich, als ich gestern morgen im Rundfunk die Nachrichten hörte, einem der Kurzgespräche — Sie wissen ja, daß diese morgens zu den Radiosendungen gehören — vernahm, daß dort die Richter gerade dies wieder hervorhoben. Sie wiesen darauf hin, daß wir als Gesetzgeber sie vielfach im Stich gelassen haben, daß sie vom Gesetzgeber die Richtlinien brauchen. Auf der einen Seite muß natürlich Gewalt gegen Personen und Sachen vermieden werden. Auf der anderen Seite muß aber auch der Tatsache Rechnung getragen werden, daß wir heute die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit haben. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Maßstäbe zu setzen. Herr Kollege Müller-Emmert hat darauf hingewiesen, daß dies schwer ist. Das ist richtig. Wir haben uns mit diesen Problemen schon einmal befaßt. Aber wir dürfen vor der Schwere dieser Aufgabe nicht mehr kapitulieren; sie muß noch gelöst werden.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12843
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Soweit es sich um Aufgaben für die nächste Legislaturperiode handelt, wird es darum gehen, zunächst den Besonderen Teil weiterzuberaten. Herr Kollege Güde, als ich gestern in dem Rundfunkgespräch — wir treffen uns ja laufend, nicht nur hier im Bundeshaus und im Sonderausschuß, sondern auch bei den Rundfunkdiskussionen — geltend machte, daß die Fortführung der Reform der Sexualdelikte notwendig sei, wiesen Sie darauf hin, für Sie sei noch dringender, eine zufriedenstellende Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag vorzunehmen. Ich muß Ihnen jetzt zustimmen, und zwar aus folgendem Grunde — übrigens kann man das eine tun und braucht das andere nicht zu lassen —: Wenn man weiß, wie fragwürdig die Abgrenzung ist, die Sie jetzt mit der Entscheidung für das Zweite Strafrechtsänderungsgesetz getroffen haben — daß nämlich die Verjährbarkeit davon abhängig ist, ob Mord oder Totschlag vorliegt —, wenn man weiß, wie schwierig diese Abgrenzung auch für den Richter ist, dann ist es tatsächlich notwendig — falls Sie sich insofern nicht doch noch zu dem Institut der Verjährung überhaupt bekehren lassen wollen —, dies mit als eine der wichtigsten Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode anzufassen.
Außer dem Sexualrecht haben wir das Arztrecht. Auch die Ärzte müssen einmal klar und eindeutig wissen, was sie tun dürfen und was nicht. Ich verstehe, daß sie es seit Jahren als unbefriedigend empfinden, daß eine erfolgreiche Operation, durch die die Gesundheit wiederhergestellt wird, vom Juristischen her immer noch als eine Körperverletzung gilt. Solche Widersinnigkeiten müssen beseitigt werden.
Ich darf zum Abschluß noch auf folgendes hinweisen. Wir machen heute eine Strafrechtsreform. Wie vorhin schon gesagt wurde, haben wir es damit zu tun, daß wir für den Täter einen sinnvollen und wirksamen Strafvollzug erreichen, der auch human ist und den Grundrechten Rechnung tragen muß. Wenn wir dabei den Täter dahin bringen, daß er nachher nicht wieder straffällig wird, dann haben wir nur die eine Seite unseres gesellschaftlichen Lebens berücksichtigt, nämlich nur den Gesichtspunkt, daß wir uns mit den Menschen befassen, nachdem sie straffällig geworden sind. Aber es gibt eine wesentlich größere Aufgabe, die allerdings nicht vom Strafrechtsausschuß in Angriff genommen werden kann, daß wir uns wesentlich intensiver, als es bisher geschehen ist, mit der Frage befassen, warum denn die Menschen straffällig werden. Wenn Sie heute die kriminologischen Erkenntnisse verfolgen, wenn Sie wie wir, die wir z. B. in der Strafvollzugskommission sind und mit den Praktikern des Strafvollzugs in Berührung kommen, aus ihren Erfahrungen lernen oder wenn Sie gar, wie Herr Dr. Güde, Herr Müller-Emmert und ich es in einer Mittagspause bei einer Sitzung des Bundestages in Berlin gemacht haben, in ein Zuchthaus gehen und dort mit straffällig Gewordenen, die ihre Freiheitsstrafe absitzen, vom Verkehrssünder bis zum Lebenslänglichen, diskutieren, dann werden Sie erkennen, daß heute mehr getan werden muß als bisher, um die Konsequenzen aus den kriminologischen Erkenntnissen zu ziehen. Die Kinder wachsen vielfach in asozialen Verhältnissen auf. Hier müssen die gesellschaftlichen Verhältnisse verbessert werden. Daher wird heute in der Strafvollzugskommission nicht mehr von Wiedereingliederung oder Resozialisierung gesprochen, weil ein großer Teil der Häftlinge, die in den Anstalten sind, niemals in sozialen Verhältnissen gelebt hat. Man spricht deshalb nicht mehr von der Wiedereingliederung, sondern darüber, daß überhaupt einmal eine Eingliederung erfolgt durch einen Strafvollzug, der die unterlassene Schulbildung, die unterlassene Berufsausbildung usw. nachholt.
Über der Aufgabe, ein gerechtes Strafgesetz zu schaffen, dürfen wir nicht vergessen, daß uns von der sozialen Seite her Aufgaben gesetzt sind. Wir müssen die Verpflichtung gegenüber den Mitmenschen und vor allen Dingen gegenüber der Jugend erkennen, bevor sie überhaupt in die Versuchung kommt, straffällig zu werden, und die Aufgabe, daß wir in dem Häftling, wenn er seine Strafe verbüßt hat, auch den Mitmenschen sehen und ihn am Leben unserer Gesellschaft wieder in vollem Umfang teilnehmen lassen. Das sind Aufgaben, die in die Zukunft weisen, die auch von den Politikern nicht leicht zu bewältigen sein werden. Es gilt, das Verständnis dafür noch weiter zu wecken, daß nicht die absolut harten Strafen die wirksamsten Maßnahmen sind, um in Zukunft Straftaten zu verhüten.
Ich darf zum Schluß darauf hinweisen, daß die Professoren des Alternativ-Entwurfs ihre Reformarbeiten keineswegs aufgegeben haben. Sie haben uns schon einen abgeschlossenen Komplex für die Reform der Sexualdelikte vorgelegt, der nach dem Wunsch des Juristentages zur Grundlage der Beratungen im Bundestag gemacht werden soll. Das könnte in der nächsten Legislaturperiode sehr schnell erfolgen. Die Alternativ-Professoren werden uns weitere Entwürfe vorlegen, und ich bitte Sie, weiterhin gegenüber diesen Männern — eine Frau ist auch dabei — aufgeschlossen zu sein, die sich so intensiv darum bemühen, uns unsere Arbeit zu erleichtern.
Wenn wir Freie Demokraten, obwohl wir in der Opposition sind, diesem Gesetz heute zustimmen, dann geschieht das bei aller Verschiedenheit der Auffassungen und bei der Kritik, daß Sie, meine Damen und Herren besonders von der SPD und von der CDU, nicht bereit waren, im Fortschritt so weit mitzugehen, wie wir es für richtig erachteten, in der Hoffnung, daß Ihre Reise so, wie sie bei uns Freien Demokraten in der Vergangenheit gegangen ist, zu einem humanen und wirksamen Strafrecht weitergeht, das der Wiedereingliederung der straffällig Gewordenen dient, aber auch die Rechtsgüter unserer Rechtsgemeinschaft ausreichend schützt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523300600
Meine Damen und Herren! In der Zwischenzeit ist eine Delegation des Schweizerischen Nationalrats und des Ständerats
12844 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Vizepräsident Dr. Jaeger
eingetroffen und hat auf der Diplomatentribüne Platz genommen.

(Lebhafter Beifall.)

Die Herren Kollegen aus den eidgenössischen Räten unter der Führung des Herrn Nationalrats Alwin Breitenmoser aus Basel sind aus besonderem Anlaß hier, nämlich wegen des ersten internationalen parlamentarischen Fußballspiels, das in der Bundeshauptstadt Bonn heute nachmittag stattfindet.

(Beifall und Heiterkeit.)

Ich heiße die Kollegen, die vom Berner Bundeshaus zum Bonner Bundeshaus gereist sind, hier im Deutschen Bundestag herzlich willkommen.

(Erneuter Beifall.)

Wir fahren in der Debatte im Rahmen der dritten Lesung über die Strafrechtsreform fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0523300700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Güde und auch Frau Kollegin Dr. Diemer-Nicolaus haben sich heute morgen mit den Ausführungen befaßt, mit denen ich vorgestern gegen die Aufhebung der Strafbarkeit des Ehebruchs Stellung genommen habe.

(Unruhe. — Zurufe: Lauter!)

Nun sind ja Meinungsverschiedenheiten zwischen der FDP und mir auf diesem Gebiete nichts so außergewöhnlich Neues, daß ich dazu unbedingt Stellung nehmen müßte.

(Anhaltende Unruhe. — Zurufe: Lautsprecher einschalten!)

— Nun, ich meine, da wäre doch nichts Verletzendes drin, wenn ich sage, daß diese Meinungsverschiedenheiten seit langem bestanden haben.

(Anhaltende Unruhe. — Zurufe: Nein, wir hören rein akustisch nichts! — Abg. Dr. h. c. Güde: Das Mikrofon scheint nicht eingeschaltet zu sein! — Weitere Zurufe: Herr Präsident, der Lautsprecher ist nicht eingeschaltet! Die Technik versagt!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523300800
Ich glaube, Sie müssen mehr in die Mitte treten und an das Mikrofon gehen, Herr Abgeordneter.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0523300900
Damit es nicht mißverstanden wird, wiederhole ich also die zwei Sätze. Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Güde und Frau Kollegin Diemer-Nicolaus haben sich heute morgen mit den Ausführungen befaßt, mit denen ich vorgestern gegen die Aufhebung der Strafbarkeit des Ehebruchs Stellung genommen habe. Ich habe hinzugefügt: Nun sind Meinungsverschiedenheiten zwischen der FDP und mir auf diesem Gebiet nichts so Neues, daß man dazu jetzt unbedingt Stellung nehmen müßte.

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

Aber was der Herr Kollege Güde als Fraktionskollege gesagt hat, scheint mir doch einer kurzen Antwort wert zu sein.
Meine Damen und Herren! Der Kollege Güde bezeichnete, wenn ich es recht gehört habe, die Begründung des Regierungsentwurfs von 1962, auf die ich mich im wesentlichen bezogen habe, als zeitlich überholt. Ich muß sagen, daß mich die Darlegungen meines Fraktionskollegen Güde in meiner hier vorgestern vorgetragenen Auffassung eigentlich nur bestärken konnten.

(Zuruf von der SPD: Das wundert uns gar nicht!)

Denn beide, auch Frau Kollegin Diemer-Nicolaus, sind auf das Hauptargument, von dem ich mit dem Entwurf 1962 ausgegangen bin, gar nicht eingegangen, nämlich auf den Teil der Begründung des Entwurfs 1962, der da lautet:
Die wesentliche Bedeutung der Vorschrift
— also Strafbarkeit des Ehebruchs —
liegt darin, daß in ihr das Bekenntnis des Staates zu der Einrichtung der Ehe als einer der tragenden Grundlagen unserer Gemeinschaft zum Ausdruck kommt und daß in einer Zeit, in der sich vielfach eine Lockerung der Auffassungen über die Beziehungen der Geschlechter zueinander bemerkbar macht, ein Abbau des strafrechtlichen Schutzes in weiten Kreisen des Volkes nicht verstanden und von anderen dahin mißverstanden würde, daß der Staat der Ehe nicht mehr dasselbe Gewicht beimißt wie bisher.
So stand es damals in der Begründung, und so gilt es meines Erachtens auch heute. Und wenn man sich demgegenüber jetzt darauf beruft, daß sich neuerdings gewichtige Stellen und Persönlichkeiten selbst aus kirchlichen Kreisen — anders als 1962 — gegen das Fortbestehen der Strafbarkeit des Ehebruchs ausgesprochen haben, so scheint mir das nur deutlich zu machen, wie weit die Lockerung der für die große Mehrheit unseres Volkes selbstverständlichen Auffassungen über die anscheinend auch von Dr. Güde bestrittene Sozialschädlichkeit des Ehebruchs bereits vorgedrungen ist.
Gerade deshalb, weil wir als Gesetzgeber nicht zur Sanktionierung einer negativen Entwicklung, sondern zum normativen Schutz der ehelichen Treue, wie sie die große Mehrheit unseres Volkes wünscht, berufen sind, sollten wir — nicht zuletzt auch im Sinne des uns durch Art. 6 des Grundgesetzes aufgegebenen besonderen Schutzes der Ehe — nicht zum Abbau des normativen Schutzes bereit sein.

(Abg. Killat: Treue können Sie doch nicht gesetzlich verordnen!)

. Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, sehe ich die Richtigkeit meiner vorgestern hier dargelegten Stellungnahme durch die am Kern meiner Stellungnahme vorbeigehenden Darlegungen Dr. Güdes nur bestätigt.
Im übrigen stelle ich mich auch für meine Person hinter die anschließend abzugebende Erklärung des Herrn Kollegen Dr. Zimmermann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, .den 9. Mai 1969 12845

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523301000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Zimmermann.

Dr. Friedrich Zimmermann (CSU):
Rede ID: ID0523301100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens einer Gruppe Abgeordneter der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union habe ich zur bevorstehenden Abstimmung folgendes zu erklären.
Wir begrüßen es, daß die durch die wechselhafte Geschichte unseres Staatswesens immer wieder verzögerte grundlegende Reform des Strafrechts mit dem zweiten der heute zur Beratung stehenden Gesetze begonnen wird. Wir bejahen insbesondere den Grundgedanken des Entwurfs, das Festhalten am Schuldprinzip und damit an der sittlichen Verantwortung des Menschen. Wir halten die Zweispurigkeit des Strafrechts mit Strafen und Maßregeln und ihr gegenseitiges Verhältnis für eine gute und ausgewogene Lösung. Wir glauben, daß die Regelung der kurzzeitigen Freiheitsstrafe einen geglückten Kompromiß verschiedenartiger Auffassungen darstellt, und hoffen, daß die Justiz die bedeutsamen Möglichkeiten, die ihr die erheblich erweiterte Strafaussetzung zur Bewährung bietet, verantwortungsvoll ausfüllt. Wir werden deshalb trotz mancher Bedenken im einzelnen dem Zweiten Gesetz zur Reform des Strafrechts und damit dem Beginn der Großen Strafrechtsreform zustimmen.
Diese Haltung ist uns jedoch gegenüber dem ersten der beiden heute vorliegenden Gesetzentwürfe leider nicht möglich. Denn durch diesen Gesetzentwurf wird — entgegen unserer vorgestern durch die Herren Kollegen Dr. Jaeger und Lenze (Attendorn) dargelegten Überzeugung — die Einheitsstrafe eingeführt. Außerdem machen uns die Abschaffung und Einschränkung bedeutsamer Tatbestände des Sittenstrafrechts gerade in diesem Augenblick besondere Sorgen, in dem auf manchen Gebieten nicht nur die traditionellen, sondern auch die ethisch unerläßlichen Schranken zu brechen drohen. Wir bedauern deshalb, dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts unsere Zustimmung nicht geben zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523301200
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523301300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat am Mittwoch bis in die späten Abendstunden hinein das Erste und das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts beraten. Die eingehenden Debatten insbesondere zu den wesentlichen Fragen der Einheitsstrafe und der kurzen Freiheitsstrafe sind noch in Ihrer aller Erinnerung, so daß ich glaube, darauf verzichten zu können, dies alles noch einmal zusammenzufassen. Ich möchte auch nicht noch einmal auf die Argumente eingehen, die Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann hier vorgebracht hat. Ich glaube, die Argumente sind ausgetauscht. Ich kann nur hoffen, daß der neue Entwurf auch insoweit im Laufe der Zeit diejenigen überzeugen wird, die ihm heute noch nicht zustimmen zu können glauben. Ich möchte mich daher auf einige allgemeine und grundsätzliche Bemerkungen beschränken.
Schon in der zweiten Lesung hatte ich Gelegenheit, den Damen und Herren des Sonderausschusses und insbesondere dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Generalbundesanwalt a. D. Güde, sehr herzlich zu danken und auch den Dank und die Hochachtung der Bundesregierung für die geleistete Arbeit zum Ausdruck zu bringen.

(Beifall.)

Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch einmal den Dank für die drei Sprecher der Fraktionen, Frau Dr. Diemer-Nicolaus, Herrn Schlee und Herrn Dr. Müller-Emmert, wiederholen.

(Beifall.)


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Mommer.)

Ich freue mich, daß diese Arbeit von Erfolg gekrönt war. Denn wir können hier wohl feststellen, daß mit dem Ergebnis der zweiten Lesung die Arbeiten des Ausschusses in sehr eindrucksvoller Weise bestätigt worden sind.
Das wesentlichste Ergebnis dieser zweiten Lesung scheint mir zu sein, daß es gelungen ist, trotz mancher sachlicher Gegensätze in Einzelfragen in der Schlußabstimmung die gesamte Vorlage zur Reform des Strafrechts einstimmig anzunehmen. Hierfür möchte ich dem gesamten Hohen Hause von Herzen danken. Wir im Justizministerium sehen in diesem einstimmigen Votum eine starke Ermutigung, auf dem einmal begonnenen Wege fortzufahren, um unserem Volke ein modernes Strafrecht auf allen Gebieten zu geben. Gerade darin, daß auch diejenigen, die in manchen wichtigen Einzelfragen sich nicht zu den Vorschlägen des Sonderausschusses bekennen konnten, dennoch dem gesamten Werk ihre Zustimmung gegeben haben, zeigt sich deutlich, daß überall der Wille zur guten Zusammenarbeit vorhanden ist, daß alle das Ganze im Auge haben und daß sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß es unverantwortlich wäre, wegen Differenzen in Einzelfragen die Reform im ganzen weiter zu vertagen oder gar zu verhindern.
Überblicken wir das Ergebnis der zweiten Lesung, so sollten wir zweierlei im Auge behalten. Erstens: Die Beschlüsse des Deutschen Bundestages zum Ersten und Zweiten Reformgesetz bedeuten einen entscheidenden, ja, den entscheidenden Durchbruch zu einer modernen Konzeption des Strafrechts, zu einer rationalen, modernen Kriminalpolitik. Zweitens: Das Ergebnis darf aber keineswegs bereits als d i e Gesamtreform angesehen werden, nach der man sich nunmehr auf den Lorbeeren, die man geerntet hat, ausruhen könnte.
Lassen Sie mich beide Gedanken noch etwas näher ausführen. Es wäre ungerecht und verfehlt, das heute Erreichte allein an theoretischen, idealen Forderungen der modernen Kriminalpolitik und Strafrechtslehre zu messen. Es liegt in der Natur zukunftweisender Erkenntnisse, daß sie ihrer Zeit vorauseilen. Erst hochgesteckte Ziele geben uns den Antrieb, wenigstens das Erreichbare zu erreichen. Deshalb möchte ich nochmals mit Dank der Unter-
12846 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Bundesminister Dr. Ehmke
Stützung und des Impulses gedenken, den der Alternativ-Entwurf unseren ganzen Reformarbeiten gegeben hat.

(Beifall.)

Messen wir nun das Erreichte an dem, was in anderen kriminalpolitisch als fortschrittlich geltenden Ländern verwirklicht ist, so ist festzustellen, daß die Bundesrepublik nach Inkrafttreten dieses neuen Gesetzes wieder in der vordersten Reihe stehen wird. Die Einheitsstrafe wird verwirklicht, die Strafaussetzung zur Bewährung bedeutend ausgebaut, die kurze Freiheitsstrafe entscheidend eingeschränkt und ein zukunftsträchtiges Maßregelsystem geschaffen. Weiter ist wenigstens der Beginn damit gemacht, die Straftatbestände einzuschränken auf solche Verhaltensweisen, die echtes kriminelles Unrecht sind. Das sind durchaus Dinge, meine Damen und Herren, die sich sehen lassen können, die das Gesicht unseres bisherigen Strafrechts entscheidend wandeln, so daß diese Gesetze mit Recht nicht mehr als Strafrechtsänderungsgesetze, sondern als Reformgesetze bezeichnet worden sind.
Wenn nun aber auch dieser Durchbruch erreicht worden ist, so ist damit bei weitem noch nicht alles getan. Das gilt sogar für den schon komplett verabschiedeten Allgemeinen Teil. Nehmen Sie etwa Dinge wie die sozialtherapeutische Anstalt oder auch die Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafe. Hier werden wir offen sein müssen für künftige Erkenntnisse, vor allem aber auch für die künftigen Erfahrungen der Praxis. Ich hoffe zuversichtlich, daß unsere Gerichte das neue Recht in dem Geiste anwenden werden, aus dem heraus es geschaffen worden ist. Vor allem wünsche ich, daß auch der Straf- und Maßregelvollzug recht bald in die Lage versetzt wird, die Chancen zu ergreifen, die ihm mit diesem Gesetz geboten werden, insbesondere wenn wir in der nächsten Legislaturperiode . ein modernes Strafvollzugsgesetz verwirklicht haben werden, was unsere feste Absicht ist. Nur wenn die Gerichts- und Vollzugspraxis den Geist des modernen Strafrechts aufnimmt, wird unser Reformwerk lebendig sein. Sonst bleiben die Gesetzesbeschlüsse dieses Hohen Hauses totes Papier.
Und vor noch einem Mißverständnis möchte ich warnen. In einigen Pressemeldungen über die zweite Lesung war zu lesen, der Bundestag habe außer dem Allgemeinen Teil des Strafrechts vor allem auch das Sittenstrafrecht reformiert. Das klingt so, als sei dieses ganze Kapitel bereits abgeschlossen. Davon kann keine Rede sein. Es sind, wie im Ausschußbericht auch deutlich zum Ausdruck kommt, nur einige wenige Probleme, die vordringlich waren und zu deren Behandlung die Zeit noch reichte, gelöst worden. Wichtige Dinge sind offengeblieben und werden in der nächsten Legislaturperiode vordringlich behandelt werden müssen. Das muß man für eine gerechte Würdigung der Reformarbeiten auf diesem Teilgebiet im Auge behalten.
Damit bin ich bereits bei dem, was noch vor uns liegt: Die ersten und wichtigsten Etappen der Strafrechtsreform sind zwar erreicht, aber zahlreiche bedeutende müssen noch verwirklicht werden. Ich nannte bereits das Strafvollzugsgesetz. Weiter wird ein umfangreiches Einführungsgesetz bewältigt werden müssen. Vor allem aber wird der gesamte Besondere Teil des Strafgesetzbuches, aus dem erst wenige Bruchstücke erledigt sind, so zeitig reformiert werden müssen, daß bei Inkrafttreten des von Ihnen bereits beschlossenen Allgemeinen Teils im Jahre 1973 nicht nur ein Torso, sondern ein einheitliches komplettes Strafgesetzbuch mit allen seinen Teilen in Kraft treten kann.
Dieses Ziel ist sicherlich hoch gesteckt. Wir halten es aber nicht für utopisch. Der Verlauf der Plenarberatungen hat uns ermutigt, dieses Ziel in Angriff zu nehmen. Helfen Sie alle uns dabei, auf dem so verheißungsvoll begonnenen Wege fortzufahren. Dann kann es nicht fehlen, daß wir endlich ein Strafrecht schaffen, das unseren eigenen Ansprüchen gerecht wird und das unseres demokratischen Staates würdig ist.

(Beifall auf allen Seiten.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523301400
Meine Damen und Herren, die Aussprache über die Strafrechtsreform in dritter Beratung ist beendet.
Zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Memmel um das Wort gebeten.

Linus Memmel (CSU):
Rede ID: ID0523301500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist ein solch wichtiges Gesetz, ein solch grundlegendes Gesetz, daß man es nicht als ein Änderungsgesetz, als eine Novelle bezeichnen kann. Der Herr Bundesjustizminister hat mit Recht gesagt, es handelt sich um ein Reformgesetz. Ich glaube, eine solche Reformgesetzgebung — es handelt sich ja um zwei Gesetze — bedarf einer besonderen parlamentarischen Behandlung, nachdem sie so lange in diesem Bundestag und im vorhergehenden behandelt worden ist. Ich beantrage namentliche Abstimmung, und zwar getrennt nach Erstem und Zweitem Strafrechtsänderungsgesetz. Daß damit verbunden ist, daß die Gruppe sichtbar wird, von der der Kollege Zimmermann sprach, ist für mich ein keineswegs unerwünschter Nebenzweck.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523301600
Meine Damen und Herren, es ist für beide Gesetzentwürfe — über die wir ja in jedem Fall getrennt abstimmen müssen — namentliche Abstimmung verlangt. Ich frage, ob dieser Antrag von wenigsten 26 Abgeordneten unterstützt wird. — Das ist der Fall.
Wir kommen zuerst zur namentlichen Abstimmung in dritter Beratung über das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts in der unveränderten Fassung der zweiten Beratung.
Meine Damen und Herren, da es immer wieder Zweifel gibt, sage ich noch einmal: Wir stimmen über das Erste Strafrechtsänderungsgesetz ab. Nachher findet eine getrennte Abstimmung über das Zweite Gesetz statt.
Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis der Abstimmung liegt vor. Von den Berliner
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12847
Vizepräsident Dr. Mommer
Abgeordneten haben 15 mit Ja, 2 mit Nein gestimmt. Die anderen Abgeordneten haben wie folgt abgestimmt: Mit Ja haben 256 gestimmt, mit Nein 61. Das macht zusammen 317 Stimmen und 17 Berliner Stimmen. Das Erste Strafrechtsänderungsgesetz ist angenommen.

(Beifall.)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 316 und 17 Berliner Abgeordnete; davon
Ja: 255 und 15 Berliner Abgeordnete
Nein: 61 und 2 Berliner Abgeordnete
Ja CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Arnold Dr. Artzinger Dr. Barzel Becker
Berendsen Dr. Besold Bewerunge Dr. Birrenbach
Blank
Blumenfeld Brand
Bremer
Brück (Köln) Budde
Bühler
Burgemeister Burger
van Delden Dr. Elbrächter Frau Enseling
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Exner
Falke
Franzen
Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Frey
Fritz (Welzheim)

Frau Geisendörfer Gewandt
Dr. Giulini Dr. Götz
Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde Dr. Häfele Härzschel
Dr. Hammans Hanz (Dahlen)

Hauser (Bad Godesberg) Dr. Hauser (Sasbach)
Dr. Hellige Dr. Hesberg
Hörnemann (Gescher) Frau Holzmeister
Dr. Huys
Frau Jacobi (Marl)

Josten
Kiep
Dr. Kliesing (Honnef) Köppler
Dr. Kopf
Kühn (Hildesheim) Lampersbach
Dr. Lenz (Bergstraße)

Dr. Marx (Kaiserslautern)

Meis
Dr. von Merkatz
Mick
Frau Mönikes
Müller (Remscheid)

Dr. Müller-Hermann Müser
Niederalt
Porten
Dr. Prassler
Dr. Preiß Rasner Rawe
Dr. Reinhard
Dr. Ritgen
Dr. Ritz Rösing Rollmann
Rommerskirchen
Schlee
Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt (Wuppertal) Schmitt (Lockweiler) Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Serres
Dr. Sinn Stahlberg
Dr. Stark (Nürtingen) Frau Stommel
Stooß
Struve
Dr. Süsterhenn
Dr. Dr. h. c. Toussaint Varelmann
Dr. Freiherr
von Vittinghoff-Schell Weiland
Weimer
Frau Dr. Wex Winkelheide
Dr. Wörner
Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel Zink
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl
Frau Pieser
SPD
Adams Dr. Apel
Dr. Arndt (Hamburg) Bäuerle
Bals
Baltes Barche Dr. Bayerl
Bazille
Berkhan
Berlin Biermann
Blume Böhm Börner Brück (Holz)

Brünen Buchstaller
Büttner Buschfort
Collet Eckerland
Frau Eilers
Dr. Enders
Eschmann
Esters Felder Flämig Folger
Franke (Hannover) Frehsee
Frau Freyh
Fritsch (Deggendorf)

Fritz (Wiesbaden)

Geiger Gertzen Gscheidle
Haage (München)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Hauck Hauffe
Dr. Dr. Heinemann Herberts
Frau Herklotz
Herold Hirsch
Höhmann (Hess. Lichtenau) Hölzle
Hörauf
Hörmann (Freiburg) Hofmann (Kronach)
Frau Dr. Hubert
Hufnagel
Iven
Jacobi (Köln)

Jaschke Jürgensen
Junghans
Junker Kaffka Kern
Killat
Frau Kleinert
Koenen (Lippstadt) Kohlberger
Fr au Korspeter
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler
Kurlbaum
Frau Kurlbaum-Beyer Lange
Langebeck
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Lotze
Maibaum
Marquardt
Marx (München)

Matthes Matthöfer
Dr. Meinecke
Dr. Mommer
Müller (Mülheim)

Müller (Ravensburg) Müller (Worms)
Dr. Müller-Emmert
Dr. Nann
Nellen
Neumann (Stelle)

Peiter
Pöhler
Porzner Dr. Rau Ravens Regling Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Dr. Rinderspacher
Rohde
Roß
Frau Rudoll
Sänger Saxowski
Frau Schanzenbach
Frau Schimschok
Dr. Schmid (Frankfurt) Schmidt (Braunschweig)
Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen Schonhofen
Schulte Schwabe Seidel
Seither
Freu Seppi
Spillecke
Dr. Stammberger
Stephan Strohmayr
Tönjes
Vit
Welke
Welslau Wendt Westphal Wienand Wolf
Wuwer
Zebisch
Berliner Abgeordnete
Bartsch
Frau Berger-Heise
Bühling
Frau Krappe
Liehr
Frau Lösche
Mattick
Neumann (Berlin)

Dr. Schellenberg
Dr. Seume
Urban
Wellmann
FDP
Busse (Herford)

Dr. Dahlgrün
Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Dr. Friderichs
Freiherr von Gemmingen Genscher
Dr. Imle Kubitza Freiherr
von Kühlmann-Stumm Mischnick
Moersch Ollesch Opitz
Porsch
Sander Scheel
Schultz (Gau-Bischofsheim) Spitzmüller
Dr. Staratzke
Wächter
12848 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Vizepräsident Dr. Mommer
Nein CDU/CSU
Dr. Aigner
Dr. Althammer
Baier
Balkenhol
Prinz von Bayern
Dr. Becher (Pullach) Blöcker
Brese
Dr. Conring Draeger
Dr. Eckhardt Erpenbeck
Franke (Osnabrück) Frieler
Geisenhofer
D. Dr. Gerstenmaier Gierenstein
Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen) Gottesleben
Haase (Kassel)

Häussler
Hilbert
Dr. Hudak Dr. Jaeger Klein
Dr. Klepsch Klinker
Knobloch
Krammig
Krampe Krug
Frau Dr. Kuchtner
Leicht
Lenze (Attendorn) Leukert
Dr. Lindenberg
Dr. Luda Memmel Petersen Dr. Pohle Rock
Röhner
Frau Schroeder (Detmold) Schröder (Sellstedt) Schulhoff
Dr. Schulze-Vorberg
Dr. Schwörer
Dr. Siemer Dr. Steinmetz
Storm
Stücklen Teriete
Tobaben Vogt
Wagner Dr. Wahl
Dr. Wuermeling Wullenhaupt
Ziegler
Dr. Zimmermann
Berliner Abgeordnete Lemmer
Müller (Berlin)

Wir haben dann über den Antrag des Ausschusses in Drucksache V/4094 unter Ziffer 2 abzustimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erkären, soweit sie das Erste Strafrechtsänderungsgesetz betreffen. — Das Haus nimmt diesen Antrag des Ausschusses an? — Ich höre keinen Widerspruch, es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung in dritter Beratung über das Zweite Strafrechtsänderungsgesetz in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Es ist gültig namentliche Abstimmung beantragt. Wir schreiten zur Abstimmung.
Es sind noch zwei Nachzügler da. Wir lassen Gnade vor Recht ergehen und nehmen die Stimmkarten an. Da das Resultat bei mir noch nicht vorliegt, halte ich es für durchaus möglich und vernünftig, die beiden Stimmkarten noch anzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis der Abstimmung bekannt. Von den Berliner Abgeordneten haben 16 Abgeordnete mit Ja gestimmt; einer hat sich der Stimme enthalten. Von den anderen Abgeordneten haben 317 mit Ja und zwei mit Nein gestimmt; einer hat sich der Stimme enthalten. Damit ist auch das Zweite Strafrechtsreformgesetz angenommen.

(Beifall.)

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 317 und 17 Berliner Abgeordnete; davon
Ja: 314 und 16 Berliner Abgeordnete Nein: 2 Abgeordnete
Enthalten: 1 und 1 Berliner Abgeordneter
Ja CDU/CSU
Dr. Abelein Dr. Aigner Dr. Althammer
Dr. Arnold Dr. Artzinger Baier
Balkenhol Dr. Barzel Prinz von Bayern
Dr. Becher (Pullach) Becker
Berendsen Dr. Besold Bewerunge Dr. Birrenbach
Blank
Blöcker
Blumenfeld Brand
Bremer
Brück (Köln) Budde
Bühler
Burgemeister Burger
Dr. Conring van Delden Draeger
Dr. Eckhardt Dr. Elbrächter Frau Enseling
Erhard (Bad Schwalbach) Ernesti
Erpenbeck Exner
Falke
Franke (Osnabrück) Franzen
Dr. Freiwald Dr. Frerichs Dr. Frey
Frieler
Fritz (Welzheim)

Frau Geisendörfer Geisenhofer
D. Dr. Gerstenmaier Gewandt
Gierenstein Dr. Giulini Dr. Gleissner
Glüsing (Dithmarschen) Dr. Götz
Gottesleben Frau Griesinger
Dr. h. c. Güde
Haase (Kassel)

Dr. Häfele Härzschel Häussler
Dr. Hammans
Hanz (Dahlen)

Hauser (Bad Godesberg) Dr. Hauser (Sasbach)
Dr. Heck
Dr. Hellige Dr. Hesberg Hilbert
Hörnemann (Gescher) Frau Holzmeister
Dr. Hudak Dr. Huys
Frau Jacobi (Marl)

Dr. Jaeger Josten
Kiep
Klein
Dr. Klepsch
Dr. Kliesing (Honnef) Knobloch
Köppler Dr. Kopf Krammig Krampe
Dr. Kraske Krug
Frau Dr. Kuchtner
Kühn (Hildesheim) Lampersbach
Leicht
Dr. Lenz (Bergstraße) Leukert
Dr. Lindenberg
Dr. Luda
Dr. Marx (Kaiserslautern) Meis
Memmel
Dr. von Merkatz
Mick
Frau Mönikes
Müller (Remscheid)

Dr. Müller-Hermann Müser
Niederalt Petersen Dr. Pohle Porten
Dr. Prassler Dr. Preiß Rasner
Rawe
Dr. Reinhard
Dr. Rinsche Dr. Ritgen Dr. Ritz Röhner
Rösing
Rollmann Rommerskirchen
Schlee
Dr. Schmid-Burgk
Dr. Schmidt (Wuppertal) Schmitt (Lockweiler)
Frau Schroeder (Detmold) Schröder (Sellstedt) Schulhoff
Dr. Schulze-Vorberg
Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Schwörer
Dr. Serres Dr. Siemer Dr. Sinn Stahlberg Dr. Stark (Nürtingen)

Dr. Steinmetz
Frau Stommel
Stooß
Storm
Struve
Stücklen
Dr. Süsterhenn
Teriete
Tobaben
Dr. Dr. h. c. Toussaint Varelmann
Dr. Freiherr
von Vittinghoff-Schell Vogt
Wagner Dr. Wahl Weiland Weimer
Frau Dr. Wex Winkelheide
Dr. Wörner Frau Dr. Wolf
Baron von Wrangel
Dr. Wuermeling Wullenhaupt
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12849
Vizepräsident Dr. Mommer
Ziegler
Dr. Zimmermann Zink
Berliner Abgeordnete
Benda
Dr. Gradl
Müller (Berlin) Frau Pieser
SPD
Adams Dr. Apel
Dr. Arndt (Hamburg) Bäuerle
Bals
Baltes Barche Dr. Bayerl
Bazille Berkhan Berlin Biermann
Blume Böhm
Börner Brück (Holz)

Brünen Buchstaller
Büttner Buschfort
Collet Eckerland
Frau Eilers
Dr. Enders
Eschmann
Esters Felder Flämig Folger Franke (Hannover)

Frehsee Frau Freyh
Fritsch (Deggendorf)

Fritz (Wiesbaden)

Geiger Gertzen Glombig
Gscheidle
Haage (München)

Haase (Kellinghusen) Haehser
Hauck Hauffe
Dr. Dr. Heinemann
Herberts
Frau Herklotz
Herold Hirsch
Höhmann (Hess. Lichtenau) Hölzle
Hörauf
Hörmann (Freiburg) Hofmann (Kronach)
Frau Dr. Hubert
Hufnagel
Iven
Jacobi (Köln)

Jaschke Jürgensen
Junghans
Junker Kaffka Kern
Killat
Frau Kleinert
Koenen (Lippstadt) Kohlberger
Frau Korspeter
Dr. Kreutzmann
Dr. Kübler
Kurlbaum
Frau Kurlbaum-Beyer Lange
Langebeck
Lemp
Lemper Lenders Liedtke Löbbert Lotze
Maibaum Marquardt
Marx (München) Matthes
Matthöfer
Dr. Meinecke
Dr. Mommer
Müller (Mülheim) Müller (Ravensburg) Müller (Worms)
Dr. Müller-Emmert
Dr. Nann Nellen
Neumann (Stelle) Peiter
Pöhler
Porzner Dr. Rau Ravens Regling Dr. Reischl
Reitz
Frau Renger
Dr. Rinderspacher Rohde
Roß
Frau Rudoll
Sänger Saxowski
Frau Schanzenbach Frau Schimschok Schmidt (Braunschweig) Dr. Schmidt (Gellersen) Schmidt (Würgendorf) Schmitt-Vockenhausen Schonhofen
Schulte Schwabe Seidel
Seither Frau Seppi
Spillecke
Dr. Stammberger Stephan
Strohmayr
Tönjes Welke Welslau Wendt Westphal Wienand
Wolf
Wuwer
Zebisch
Berliner Abgeordnete
Bartsch
Frau Berger-Heise Bühling
Frau Krappe
Liehr
Frau Lösche
Mattick
Neumann (Berlin)

Dr. Schellenberg
Dr. Seume
Urban
Wellmann
FDP
Busse (Herford)

Dr. Dahlgrün
Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. Friderichs
Freiherr von Gemmingen Genscher
Dr. Imle Kubitza Freiherr
von Kühlmann-Stumm Mischnick
Moersch Ollesch
Opitz
Porsch
Sander
Scheel
Schultz (Gau-Bischofsheim)

Spitzmüller Dr. Staratzke Wächter
Nein CDU/CSU
Brese Rock
Enthalten
CDU/CSU
Lenze (Attendorn)

Berliner Abgeordneter Lemmer
Wir stimmen ab über die Punkte 2 und 3 des Ausschußantrages auf Seite 52 der Drucksache V/4095. Wer diesen Anträgen des Ausschusses zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ratsbeschluß der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vom 19. Juli 1966 über die Annahme von Strahlenschutznormen für Uhren mit radioaktiven Leuchtfarben
— Drucksache V/3539 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß)

— Drucksache V/4142 —
Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Dr. Heuser

(Erste Beratung 201. Sitzung)

In zweiter Beratung rufe ich die Art. 1, 2, 3 und 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmen wall, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
12850 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Vizepräsident Dr. Mommer
Gesetzes zu den vom Rat der Organisation am 14. Dezember 1967 beschlossenen Änderungen des Abkommens über die Errichtung einer Europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung (CERN)

— Drucksache V/3861 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik (8. Ausschuß)

— Drucksache V/4143 —
Berichterstatter: Abgeordneter Raffert (Erste Beratung 218. Sitzung)

Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, 2 und 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. — Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Die Punkte 16, 17 und 18 rufe ich gemeinsam auf:
16. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Meß- und Eichwesen (Eichgesetz)

— Drucksache V/1073 —
a) Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/4136 —
Berichterstatter: Abgeordneter Westphal
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

— Drucksachen V/3887, zu V/3887 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs (Erste Beratung 74. Sitzung)

17. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Einheiten im Meßwesen
— Drucksache V/1074 —
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß)

— Drucksachen V/3888, zu V/3888 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Frerichs (Erste Beratung 74. Sitzung)

18. Zweite und Dritte Beratung des, von den Abgeordneten Gewandt, Wieninger, Dr. Frerichs, Lampersbach, Burgemeister, Dr. Luda, Porten und Genossen eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
— Drucksache V/2324 (neu)
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß)

— Drucksache V/4035 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Reischl (Erste Beratung 164. Sitzung)

Mir ist gemeldet worden, daß in der dritten Beratung eine verbundene Aussprache zu diesen drei Tagesordnungspunkten stattfinden soll.
Zu dem Gesetzentwurf Drucksache V/3887, dem Eichgesetz, ist ein Änderungsantrag *) eingegangen, der noch nicht vervielfältigt und verteilt werden konnte. Ich höre, daß er nur redaktionelle Bedeutung hat, und darf den Herrn Berichterstatter bitten, daß er uns den Antrag vorträgt. Das Wort hat Herr Dr. Frerichs.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0523301700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat handelt es sich nur um eine kleine, fast möchte ich sagen: redaktionelle Änderung. In § 39 Abs. 2 soll hinter „§ 6" eingefügt werden: „Abs. 1", so daß dieser § 39 Abs. 2 jetzt folgenden Wortlaut hat:
§ 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 gelten bis zum Ablauf von . . .
Alles übrige bleibt so, wie es Ihnen in der Gesetzesvorlage vorliegt.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523301800
Vielen Dank, Herr Berichterstatter.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe die §§ 1 bis 38 auf. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Änderung ist einstimmig angenommen.
Wer § 39 mit der vom Berichterstatter vorgetragenen Änderung zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? —§ 39 ist angenommen.
Ich rufe die übrigen Bestimmungen des Gesetzentwurfs sowie Einleitung und Überschrift auf. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Dann rufe ich zur zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Einheiten im Meßwesen auf. Wir stimmen ab auf der Grundlage des Ausschußberichts Drucksache V/3888. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen über §§ 1 bis 15 sowie Einleitung und Überschrift ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung einstimmig angenommen. Die dritte Beratung verschieben wir auch hier.
*) Siehe Anlage 2
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12851
Vizepräsident Dr. Mommer
Wir stimmen jetzt in zweiter Beratung über den von den Abgeordneten Gewandt und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ab.
Grundlage der Abstimmung ist der Ausschußbericht Drucksache V/4035. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer Art. I, II, III sowie Einleitung und Überschrift zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt zur
dritten Beratung
der soeben in zweiter Beratung angenommenen Gesetze auf und eröffne die verbundene allgemeine Aussprache über diese drei Gesetze. — Das Wort hierzu hat Herr Abgeordneter Dr. Frerichs.

Dr. Göke D. Frerichs (CDU):
Rede ID: ID0523301900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nur zu dem Gesetzentwurf über das Meß- und Eichwesen,. abgekürzt Eichgesetz, und zwar als Sprecher der CDU/CSU.
Meine Damen und Herren, wir haben es hier erstmalig in dieser Legislaturperiode mit einer umfassenden verbraucherpolitischen Gesetzesmaterie zu tun. Der Entwurf dieses Gesetzes wurde im November 1966 von der damaligen Bundesregierung eingebracht. Wenn es sich nur darum handelte, im Rahmen dieses Gesetzes Meßeinheiten, Maße und Gewichte zu ändern, so bedürfte es eigentlich kaum der Erwähnung. Dieses Gesetz bringt aber eine Fülle von neuen Vorschriften, die dem Verbraucher Hilfestellung bei der Beurteilung seiner Einkaufsvorstellungen am Markt leisten sollen. Sie sollen sozusagen das Marktgeschehen transparenter machen und dem Verbraucher die Möglichkeit geben, das, was er kauft, der Menge und dem Inhalt nach preislich genau zu vergleichen.
Aus diesem Grunde bringt dieses Gesetz die Verpflichtung zur sogenannten Grundpreiskennzeichnung für eine ganze Reihe von Artikeln des täglichen Bedarfs, so für Lebensmittel, für Wasch- und Reinigungsmittel, für Kosmetika, für Pflegemittel für Fußböden — z. B. für Lackanstriche —, für Leder und Möbel, für Mineralöl und für feste Bestandteile der Brennstoffe, aber auch für gebrauchsfertige Lacke und für Anstrichfarben. Sie sehen bereits aus dieser Aufzählung, daß hier praktisch der gesamte Warenkatalog des täglichen Bedarfs erfaßt wird und der Verbraucher in Zukunft vor sogenannten „Mogelpackungen" geschützt und in die Lage versetzt werden soll, bei standardisierten Fertigpackungen einen klaren, einfachen Preisvergleich vorzunehmen.
Wir haben uns bei den Beratungen dm Bundestag die Dinge nicht leicht gemacht und haben die Einwände insbesondere der Wirtschaft sehr ernst genommen, die befürchtet hatte, daß durch diese neuen Vorschriften erhebliche Kostenbelastungen auf die Betriebe und damit natürlich in der Preisbildung auch auf den Verbraucher zukommen würden. Aus diesem Grund ist es notwendig, hier zu erklären, daß mit diesem Gesetz auch ein gewisser heilsamer Zwang zur Rationalisierung und Standardisierung der Fertigpackungen ausgeübt wird. Wir werden also in Zukunft bei den Fertigpackungen von der Verpflichtung zur Grundpreiskennzeichnung alle jene Packungen mit Gewichten von 50 Gramm bis zu 5 Kilogramm freistellen, die die Standardgrößen von 50, 100, 150, 200, 250 und 500 Gramm, in der Folge dann jeweils ganze Kilogramm oder Liter bis zu fünf Kilogramm bzw. Litern haben. Die Industrie hat also die Möglichkeit, sich, indem sie zur Standardisierung der Fertipackungen übergeht, wie das im wesentlichen heute schon der Fall ist, auch im Einzelhandel, von dieser Verpflichtung zur Grundpreiskennzeichnung freizustellen. Damit würde sie eine wesentliche zusätzliche Leistung zur Rationalisierung der Betriebe erbringen.
Wir haben darüber hinaus für eine ganze Reihe von Bereichen Ausnahmen vorgesehen, weil wir der Auffassung waren, daß eine Perfektionierung des Gesetzes vermieden werden sollte. Diese Ausnahmen umfassen z. B. leicht verderbliche Lebensmittel; sie umfassen Bagatellfälle, indem wir Fertigpakkungen, deren Grundpreis höchstens eine D-Mark beträgt, freistellen wollen, sofern sich ihr Preis auf einen vollen 10-Pfennig-Betrag beläuft. Wir wollen darüber hinaus solche leicht umrechenbaren Fertigpackungen freistellen, wie ich sie Ihnen eben in den einzelnen Größen vorgeführt habe.
In der Diskussion hat unter anderem die Frage eine Rolle gespielt, ob wir bei kosmetischen Produkten auch eine generelle Freistellung für Pflegemittel vorsehen sollten, d. h. für Cremes, Duftstoffe, Duftwässer und ähnliche Pflegeerzeugnisse, die im täglichen Gebrauch eine große Rolle spielen. Wir sind nach einer sehr sorgfältigen Prüfung jedoch zu der Auffassung gekommen, daß insbesondere durch die Möglichkeit der Standardisierung der Packungen und der Gewichtseinheiten eine weitgehende Freistellung der kosmetischen Präparate von der Grundpreiskennzeichnung bereits vollzogen wird. § 17, der eine Ermächtigung enthält, gibt die Möglichkeit, weitere Produkte von der Grundpreiskennzeichnung freizustellen. Wir denken hier zum Beispiel an kosmetische Gesichtswässer, an Eau de Cologne, aber auch an Duftstoffe, an Desodorantien oder auch an die sogenannten Sprays.
Das alles konnten wir nicht im Gesetz perfektionistisch mit einem Katalog regeln. Aus diesem Grunde hoffen wir — und damit verbinde ich natürlich eine Frage an den Herrn Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium —, daß die Bundesregierung von diesem Ermächtigungsparagraphen 17 angemessenen Gebrauch machen wird; denn der Sinn des Gesetzes war es ja nicht, neue Belastungen für die Wirtschaft zu schaffen, sondern sie zu entlasten, ihr die Möglichkeit der Standardisierung zu geben mit dem Ziel, dem Verbraucher die Chance zu bieten, daß er auf Grund leichter Vergleichbarkeit von Packungen und Preisen weiß, was er kauft, und daß er nicht das Gefühl hat, durch — ich wiederhole den Ausdruck — „Mogelpackungen" möglicherweise preislich nicht richtig bedient zu werden.
Wir hoffen, daß durch dieses große verbraucherpolitische Gesetz eine enge Zusammenarbeit von
12852 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Frerichs
Industrie, Handel und Verbraucherorganisationen veranlaßt wird mit dem Ziel, Ware nach ihrer Preiswürdigkeit und nach ihrem Qualitätsstandard in solchen Abpackungen zu verkaufen, die für den Verbraucher unproblematisch sind und ihm die Möglichkeit bieten, mit dem Geld recht hauszuhalten. Das ist der Sinn dieses Gesetzentwurfs. Die CDU/ CSU begrüßt ihn; sie weist noch einmal darauf hin, daß er von Bundeswirtschaftsminister Schmücker seinerzeit eingebracht worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523302000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lenders.

Helmut Lenders (SPD):
Rede ID: ID0523302100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses begrüßt es, daß das Eichgesetz als wichtiges Verbrauchergesetz noch in dieser Woche zur Verabschiedung kommt. Wir haben in dieser Legislaturperiode einige Gesetze verabschiedet, die für den Verbraucher von großem Interesse sind, Gesetze, die entweder im ganzen oder mit einem Teil ihrer Bestimmungen die Marktposition des Verbrauchers verbessern und ihn vor Übervorteilung und Nachteilen schützen sollen. Ich denke an das Weingesetz, ich denke an das Gesetz über technische Arbeitsmittel, das ja z. B. auch Haushaltsgeräte und Spielzeug erfaßt; ich weise hin auf das Anfang dieses Jahres hier im Hause verabschiedete Textilkennzeichnungsgesetz. Heute, am vor-letzten Tag der zweiten Woche des Verbrauchers, werden wir nun über ein Gesetz entscheiden, über das Eichgesetz, dem in der Reihe der von mir erwähnten Gesetze eine besondere Bedeutung zukommt.
Das Eichgesetz ist deshalb so bedeutsam, weil es dem Verbraucher in einem weiten Bereich von Artikeln des täglichen Bedarfs eine Hilfe für den rationellen Einkauf sein wird. Die Gewichts- bzw. Maßangabe in Kilogramm oder Liter bei Fertigpackungen, die dieses Gesetz verlangt, und die Pflicht, unabhängig vom tatsächlichen Mengeninhalt einer Fertigpackung den Preis der Ware, bezogen auf Kilogramm oder Liter, anzugeben, zwingen den Anbieter zu einem fairen und übersichtlichen Angebot und geben dem Käufer die Möglichkeit, die Preise der verschiedenen Angebote eines Produktes ohne große Rechenoperationen zu vergleichen. Dies ist ein Fortschritt, den wir unter verbraucherpolitischen Gesichtspunkten sehr begrüßen.
Die Verbraucherverbände haben Anfang dieser Woche auf ihrer Veranstaltung mit Recht gesagt, daß es nicht genügt, auf den am Markt herrschenden Wettbewerb zwischen den Produzenten oder zwischen den Händlern hinzuweisen, den Verbraucher zum König Kunden oder zum Souverän der Wirtschaft zu erklären und ihn im übrigen seinem Schicksal zu überlassen. Der Verbraucher kann heute bei der Fülle des Angebots, bei der Unübersichtlichkeit des Marktes, bedrängt von teilweise raffinierter, teilweise aber auch problematischer Konsumwerbung, seine Rolle nicht spielen und seine Interessen nicht ausreichend wahren, wenn ihm nicht eine aktive Verbraucherpolitik zur Seite steht. Ich möchte hinzufügen: auch ein funktionsfähiger Leistungswettbewerb, den wir alle wollen, verlangt geradezu danach, daß die Position des Verbrauchers im Markt durch solche Gesetze wie das Eichgesetz oder auch das Textilkennzeichnungsgesetz gestärkt wird.
Nun hat die vom Eichgesetz betroffene Wirtschaft
— Herr Dr. Frerichs hat in seinem Beitrag bereits darauf hingewiesen — argumentiert, daß insbesondere die Grundpreisauszeichnung mehr Arbeit mache und daher auch mehr Kosten verursachen werde Diese Problematik — auch darauf hat Herr Dr. Frerichs hingewiesen — ist von uns im Ausschuß durchaus gesehen worden. Die Mehrbelastung aber
— das ist unsere Auffassung — bleibt dann in sehr engen Grenzen, wenn die Möglichkeiten zur Standardisierung, die dieses Gesetz bietet, genutzt werden. Dieses Gesetz zielt nämlich auch darauf ab, die Rationalisierung im Handel zu fördern, und kann kostensparend genutzt werden.
Die Wirkung eines solchen Gesetzes wie überhaupt die Wirkung von Verbrauchergesetzen auf den Wettbewerb hängt natürlich auch davon ab, wieweit sich der Verbraucher selbst dieser neuen Möglichkeit bewußt wird und wie er sie zu seinem Vorteil zu nutzen versteht. Verbrauchergesetze müssen durch Aufklärung und Selbsthilfe ergänzt und wirksam gemacht werden. Dies ist eine wichtige Aufgabe der Verbraucherverbände, deren öffentlich geförderte Arbeit sicherlich noch effektiver gemacht werden kann.
Die verbraucherpolitische Bilanz der letzten zwei Jahre erhielt bei der Eröffnung der zweiten „Woche des Verbrauchers" Anfang dieser Woche keine schlechte Note. Aber es wurde auch deutlich gesagt, daß wir in der Bundesrepublik erst am Anfang einer systematischen Verbraucherpolitik stehen, einer Politik, die dem Verbraucher die Hilfen zu geben hat, die er braucht, um in unserer Marktwirtschaft gegenüber Industrie und Handel die Stellung eines wirklichen, souveränen Partners zu erlangen.
Das Eichgesetz, das wir nun verabschieden wollen, ist ein guter Schritt in diese Richtung. Ich bitte Sie, das Gesetz in der Ausschußfassung mit den beiden vorgelegten Änderungen anzunehmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523302200
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium von Dohnanyi.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523302300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, vor diesem Hohen Hause noch einmal zu diesem Gesetz zu sprechen, weil die vorbildliche Vorarbeit zu den Einzelheiten so weit gediehen war, daß sich jede weitere Stellungnahme erübrigt hätte. Aber der Herr Berichterstatter hat eine Frage an mich gerichtet, und diese Frage gibt mir Gelegenheit, von dieser Stelle aus noch einmal den Dank der Bundesregierung für die erfolgreiche Arbeit aus-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, ,den 9. Mai 1969 12853
Staatssekretär Dr. von Dohnanyi
zusprechen, die an diesem Gesetz geleistet worden ist.
Zu der spezifischen Frage, Herr Abgeordneter Frerichs, die Sie gestellt haben, möchte ich folgendes sagen. Es ist richtig, daß Schutz auf der einen Seite und kein sinnlos belastender Perfektionismus auf der anderen Seite gewissermaßen die beiden wesentlichen Komponenten der Grundkonzeption waren. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch festzustellen, daß von der Ermächtigung, die § 17 ausspricht und die dem Bundeswirtschaftsminister die Möglichkeit gibt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und mit dem Bundesminister für Gesundheitswesen gewisse Ausnahmen zu machen, natürlich in diesem Sinne Gebrauch gemacht werden wird. Ihre besondere Bezugnahme, Herr Abgeordneter, auf den § 17 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c ist natürlich in diesem Sinne und mit diesen Worten zu interpretieren.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523302400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0523302500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich schließe mich dem allgemeinen Begrüßungsturn an. Auch die Fraktion der Freien Demokraten begrüßt es, daß das Gesetz über das Meß- und Eichwesen heute hier zur Abstimmung gelangt. Auch wir sind der Meinung, daß der zweite Abschnitt mit seinen verbraucherpolitischen Vorschriften von weittragender Bedeutung ist. Auch wir unterstützen das Bemühen, den Markt für die Verbraucher transparenter zu machen, den Preisvergleich zu erleichtern, und hoffen, daß durch dieses Gesetz eine Reduzierung der Vielzahl von irritierenden Verpackungsarten und -mengen erreicht wird.
Aber bei aller verbraucherpolitischen Gesetzgebung muß die Praktikabilität für die Wirtschaft gewahrt bleiben, muß sichergestellt sein, daß nicht durch Mehrarbeit und Erhöhung der damit verbundenen Kosten letztlich gegebenenfalls wieder Nachteile für die Verbraucher entstehen, weil die gestiegenen Kosten sich wahrscheinlich durch höhere Preise auswirken werden. Wir haben bei der Sachverständigenanhörung im Ausschuß die Bedenken der Wirtschaft gehört, die insbesondere gegen die Verpflichtung zur Grundpreiskennzeichnung vorgetragen wurden. Wir glauben, daß durch Standardisierung, durch Verzicht auf „krumme" Gewichte — wenn ich so sagen darf — und durch die Ausnahmeregelung eine tragbare Lösung für die Verbraucher und für die Wirtschaft erreicht wird.
Bedenken bestehen bei uns nach wie vor hinsichtlich der Regelung für Kosmetika. Uns wäre es lieber gewesen, wenn die Pflegemittel in die Ausnahmeregelung einbezogen worden wären. Aber die Mehrheit des Ausschusses hat sich anders entschieden. Wir hoffen nach den Ausführungen von Herrn Staatssekretär von Dohnanyi, das Ministerium wird verhindern, daß allzu großer Perfektionismus praktiziert wird.
Trotz unterschiedlicher Meinung in der einen oder in der anderen Frage stimmen auch wir Freien Demokraten diesem Gesetz zu.

(Beifall bei der FPD.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523302600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gewandt.

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0523302700
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als einer der Initiatoren des Änderungsantrags zum UWG möchte ich mir einige kurze Bemerkungen gestatten. Wir haben bereits bei der Einbringung betont, daß wir davon ausgehen, daß eine Reihe von Formulierungen, die wir gefunden haben, verbesserungsbedürftig sind. Wir halten 'die neuen Formulierungen, die in den Ausschüssen era'rbe'itet worden sind, in der Tat für eine Verbesserung. Uns kam es seinerzeit in erster Linie darauf an, die Zielsetzung, die wir uns mit 'der Einbringung des Änderungsantrags gestellt hatten, zu verdeutlichen.
Gelegentlich anklingende kritische Stimmen, die meinten, es sei jetzt zu einer Abschwächung gekommen, sind nach meiner Meinung unbegründet. Daß man die Kasuistik aufgegeben hat, bedeutet ja nicht, daß man die Zielsetzung preisgibt. In der Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 3 UWG als Generalklausel gegen Täuschungstatbestände ist alles das inbegriffen, was uns dm einzelnen vorschwebte, nämlich die täuschende Verwendung von Preislisten, Lockvogelangebote, täuschende Angaben über die Funktion des Werbungtreibenden, der Kaufscheinhandel, die Ausnutzung fremder Autoritäten. Wir sind also mit der hier gefundenen Lösung einverstanden und begrüßen sie. Wir glauben, daß mit der Verabschiedung 'dieser Novelle ein weiterer Schritt in Richtung auf einen fairen Leistungswettbewerb getan wird, der nach unserer Auffassung gesichert werden muß. Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Beitrag dazu, die Verbraucher vor Täuschungen zu schützen.
Wir bitten daher um Annahme des Gesetzes in der Ausschußfassung.

(Beifall.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523302800
Das Wort hat der Abgeordnete Staratzke.

Dr. Hans-Werner Staratzke (FDP):
Rede ID: ID0523302900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte für die Fraktion der Freien Demokraten erklären, daß wir, wie bereits in der ersten Lesung bekanntgegeben, einer Neuregelung dieser Materie zustimmen werden. Wir alle wissen, es ist eine komplizierte Materie, die hier neu zu regeln ist. Wie kompliziert sie ist, kann man schon daran erkennen, daß der Initiativantrag bereits vor der ersten Lesung umformuliert werden mußte und dann in den Ausschüssen eine totale Umformulierung erfahren hat. Meine Kollegen im Rechtsausschuß und im Wirtschaftsausschuß haben bei der Neuformulierung lebhaft mitgeholfen.
Mit dem, was nun in der Ausschußfassung Drucksache V/4035 vorliegt, wird es nach unserer Auffas-
12854 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Staratzke
sung möglich sein, einigen besonders gravierenden Auswüchsen, Mißständen und Mißbräuchen in der Werbung entgegenzutreten. Wir glauben in der Tat, daß mit dieser Novellierung odes UWG dem Verbraucher ein sehr viel besserer Schutz gegeben wird, als er ihn bisher hatte. Und was immer wieder betont werden muß: gleichzeitig bekommt die praktizierende Justiz ein unserer Meinung nach anwendbares Instrument in die Hand, um Übelständen in der Werbung wirksam entgegentreten zu können, ohne daß jedoch die Werbung von Handel und Industrie allzu stark eingeengt wird.
Ich habe in der ersten Lesung dargelegt, daß wir gegen einige der im Entwurf vorgeschlagenen Neuerungen bei formaljuristischen und prozessualen Fragen wie aber auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Praxis erhebliche Bedenken anbringen müßten. Diese Bedenken sind — ich darf das mit Befriedigung sagen — weitgehend ausgeräumt, da die fraglichen Tatbestände aus dem Initiativgesetzentwurf entweder beseitigt oder doch in praktikabler Weise umformuliert worden sind.
Ich möchte auf die einzelnen Dinge nicht noch einmal eingehen, z. B. die im Initiativantrag enthaltene mißliche Umkehr der Beweislast. Wir können, glaube ich, sagen, daß wir auch in einem besonders unangenehmen Punkt durch die §§ 6 a und 6 b eine Lösung gefunden haben. Der unlautere Trick, eine vorhandene „Bezugsscheinmentalität" mittels Kaufund Berechtigungsscheinen auszunutzen, ist unterbunden worden. Worauf es ankommt, ist von meinem Vorredner gesagt worden: das Vorspiegeln von Sondervorteilen grundsätzlich zu untersagen. Unsere — von mir bereits in der ersten Lesung vorgetragenen — Vorstellungen von der Verhinderung einer irreleitenden Werbung mit der Angabe, Fabrikoder Großhandel zu sein oder zu Fabrik- oder Großhandelspreisen anzubieten, sind mit der Fassung des § 6 a erfüllt. Wir halten es schließlich und endlich auch für richtig, daß den Verbraucherverbänden der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung eröffnet wird. Wir versprechen uns davon eine weitere Schutzmöglichkeit der Verbraucherinteressen.
Alles in allem erhoffen wir uns von der jetzigen Novellierung, daß in der Praxis jene Mißbräuche, die sich in der Werbung eingeschlichen haben und die mit dem aus dem Jahre 1909 stammenden Gesetz nicht mehr erfaßt und bewältigt werden konnten, nunmehr wirksam bekämpft werden können, ohne — das möchte ich noch einmal besonders betonen — andererseits eine allzu starke Einengung der wirtschaftlichen Freiheit zu bewirken.
Die Fraktion der Freien Demokraten wird dieser Ausschußfassung zustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523303000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Reischl.

Dr. Gerhard Reischl (SPD):
Rede ID: ID0523303100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der SPD ebenfalls erklären, daß wir dem Gesetz in der Gestalt, die es jetzt durch die Ausschußberatungen und, wie ich glaube sagen zu dürfen, unter sehr starker Beteiligung gerade auch meiner Fraktion gefunden hat, gern zustimmen.
Wir sehen darin einen wirklichen Fortschritt beim Schutz des Verbrauchers, und das ist für uns der Gesichtspunkt, der bei der Ausgestaltung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Vordergrund stehen muß. Ich darf aber auch darauf hinweisen, daß alle die Mängel ausgebügelt werden konten, die ich namens meiner Fraktion hier noch in der ersten Lesung rügen mußte. Es ist gelungen, einer Auflösung der Generalklausel des § 3 vorzubeugen, die negative Wirkungen hätte haben können. Jetzt bleibt sie bestehen. Die Rechtsprechung kann sich mit ihr weiterentwickeln.
Das kann vielleicht sogar dazu führen, daß der Gesetzgeber in einigen Jahren wieder neue Tatbestände, die sich bis dahin herauskristallisiert haben, endgültig übernimmt, um den Verbraucherschutz auch gesetzmäßig weiter auszubauen. Es ist also gelungen, diese beiden an sich etwas auseinanderlaufenden Möglichkeiten miteinander zu verbinden, einerseits die Generalklausel zu sichern und andererseits zwei wichtige Tatbestände, aber eben unabhängig von der Generalklausel, an einem anderen Ort im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Gesetzes, die dem Verbraucherschutz dienen, festzulegen.
Ich glaube also, daß dieser Gesetzgebungsakt einen wirklichen Fortschritt im Verbraucherschutz, aber auch in der Rechtsprechung zum Verbraucherschutz bringen wird, und darf Sie deshalb auch namens meiner Fraktion bitten, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523303200
Meine Damen und Herren, damit ist die verbundene Aussprache über die Gesetzentwürfe unter den Tagesordnungspunkten 16, 17 und 18 beendet. Wir kommen zu den Schlußabstimmungen, zunächst über das Eichgesetz.
Wer dem Eichgesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Eichgesetz ist einstimmig angenommen.
Der Ausschuß beantragt weiter, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Das Haus ist damit einverstanden.
Zu diesem Gesetz liegt ein Entschließungsantrag der drei Fraktionen des Hauses auf Umdruck 654*) vor. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Die Gegenprobe!
— Enthaltungen? — Diese Entschließung ist einstimmig angenommen.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung über das Gesetz über Einheiten im Meßwesen. Wer diesem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen?
— Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 3
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12855
Vizepräsident Dr. Mommer
Der Ausschuß beantragt, die zu diesem Gesetz eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Das Haus ist damit einverstanden.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Wer diesem Gesetz im ganzen zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Hier liegt ein Entschließungsantrag der drei Fraktionen des Hauses auf Umdruck 654 vor. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe dann Punkt 19 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Beurkundungsgesetzes
— Drucksache V/3282 —
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (12. Ausschuß)

— Drucksache V/ 4014 —
Berichtersatter: Abgeordneter Dr. Besold (Erste Beratung 191. Sitzung)

Ich frage, ob das Wort in der allgemeinen Aussprache gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.
Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Wer den §§ 1 bis 25 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Paragraphen sind einstimmig angenommen.
Ich rufe § 26 auf. Zu diesem Paragraphen liegt ein Änderungsantrag *) der Abgeordneten Dr. Besold, Busse und Genossen vor. Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Besold begründet den Antrag.

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0523303300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine notwendige redaktionelle Änderung des Gesetzes auf Grund des vorhin beschlossenen Strafrechtsreformgesetzes. Weil durch die Reform des Strafrechts der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte weggefallen ist, sind diese Änderungen in § 26 notwendig. In § 26 Abs. 2 werden die Nrn. 3 und 4 gestrichen. Die bisherigen Nrn. 5 bis 8 werden Nrn. 3 bis 6.
Ich möchte an dieser Stelle schon vorweg sagen, daß § 57 Abs. 3 entsprechend geändert werden muß.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523303400
Meine Damen und Herren, wer mit diesen Änderungen einverstanden ist, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Wer dem so geänderten § 26 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthal-
*') Siehe Anlage 4
tungen? — § 26 ist in der geänderten Fassung angenommen.
Ich rufe die §§ 27 bis 56 auf. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe § 57 auf. Der soeben begründete Änderungsantrag zu § 26 soll auch hier gelten. Er braucht nicht mehr begründet zu werden. Wer der entsprechenden Änderung des § 57 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Zu § 57 liegt ferner ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 651 *) vor. — Bitte!

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0523303500
Ich schlage vor, die Abstimmung über die Streichung von § 57 Abs. 14 zurückzustellen, bis über die Änderung des § 59 entschieden ist, denn nur wenn der Antrag zu § 59 angenommen würde, müßte auch in § 57 die Konsequenz gezogen werden.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0523303600
Das Haus stimmt dem zu.
§ 58 bleibt von den Änderungsanträgen unberührt. Wir stimmen dann zunächst über § 58 ab. Wer § 58 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Zu § 59 liegt der Änderungsantrag auf Umdruck 651 vor. Er wird von Herrn Jacobi begründet. — Sie haben das Wort.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0523303700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, so kurz wie möglich den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu § 59 zu erläutern und zu begründen. Der Kern unseres Anliegens, das sich mit dem deckt, was dem federführenden Ausschuß aus den Reihen des Innenausschusses und des Ausschusses für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen vorgetragen wurde, ist in Ziffer 2 des Änderungsantrages zu finden. Wir wollen durch die Änderung bzw. Ergänzung des § 59 erreichen, daß die Amtsgerichte auch weiterhin für die Beurkundung und Beglaubigung solcher Willenserklärungen und Unterschriften zuständig sind, für die nach Bundes- und Landesrecht Gebühren- oder Auslagenbefreiung gewährt wird. Die in Ziffer 1 des Änderungsantrags vorgesehene Streichung des § 57 Abs. 14 stellt die sich daraus ergebende logische Konsequenz bezüglich des Rechtspflegergesetzes dar.
Meine Damen und Herren, warum wünschen wir, daß die Amtsgerichte neben den Notaren für die Beurkundung und Beglaubigung von Unterschriften und Willenserklärungen zuständig bleiben sollen, soweit nach Bundes- oder Landesrecht Gebührenoder Auslagenbefreiung gewährt wird? Ein Wegfall dieser genannten Zuständigkeiten hätte erhebliche Kostenwirkungen.
*) Siehe Anlage 5
12856 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Jacobi (Köln)

Derzeit genießen neben dem Bund und den Ländern die Organe der staatlichen Wohnungsbaupolitik und die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen vor den Amtsgerichten persönliche Gebührenbefreiung. Sachliche Gebührenbefreiungen vor Amtsgerichten gelten insbesondere für Kleinsiedlungs-
und Heimstättenangelegenheiten sowie für Siedlungssachen. In diesen Fällen haben nach dem bisherigen Recht die Amtsgerichte vollständige Gebührenbefreiung zu gewähren. Wir wünschen, das aufrechterhalten zu sehen. Bei den Notaren entsteht eine Gebührenverpflichtung von mindestens 20 %. Hinzu kommt, daß bei ihnen Mehrwertsteuer erhoben werden muß und daß damit auch andere Kostenbelastungen verbunden sind, die weit über das hinausgehen, was heute bei den Amtsgerichten zu zahlen ist.
Zu berücksichtigen ist im übrigen, daß die Bundesnotarkammer, wie der Bundesrat in seiner mit unserem Antrag übereinstimmenden Stellungnahme anführt, eine Erhöhung des Gebührensatzes von 20 auf 50% anstrebt. Bereits ohne Berücksichtigung der beabsichtigten Gebührenerhöhung würde der Wegfall der Zuständigkeiten der Amtsgerichte im Bereich der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu einer Mehrbelastung führen, die zwischen 15 und 20 Millionen DM liegt.
Die durch den Wegfall der totalen Gebührenbefreiung eintretenden Verteuerungen belaufen sich nach sorgfältigen Berechnungen durchschnittlich auf zirka 0,4 bis 0,5 % der Gesamtkosten. Das bedeutet, daß z. B. für ein Organ der staatlichen Wohnungspolitik gegebenenfalls Kosten entstehen, die etwa bei einem 100 000-DM-Eigenheim 500 DM betragen.
Ich gebe zu, daß vielleicht hier der Einwand kommen könnte: Das ist doch relativ wenig, da handelt es sich doch nur um eine Kostenerhöhung von 0,5%. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Verteuerungen überwiegend von Personengruppen getragen werden müssen, die als sozial schwach anzusehen sind, vor allen Dingen von Kleinsiedlern und den — wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf — Kunden der Organe der staatlichen Wohnungspolitik sowie der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen.
Ich darf daran erinnern, daß sich gerade diese Wohnungsbaugesellschaften in besonderem Maße im sozialen Wohnungsbau engagiert haben und daß zu ihren Kunden besonders sozial Schwache gehören. Der Anteil andererseits allein der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft am gesamten Wohnungsbau, der hier berührt wird, beträgt zirka 25%. Das erhellt die Größenordnung, um die es geht. Schließlich dürfen die bei einem Wegfall der vor Gericht gewährten Gebührenbefreiung entstehenden Kosten nicht isoliert gesehen werden; denn die logische Folge ist, daß sich die Erhöhungen, die jetzt noch vermieden werden können, wenn wir es gemäß unserem Antrag bei der Zuständigkeit der Gerichte belassen, auf die Mieten niederschlagen. So geringfügig sich das auswirken mag, diese Erhöhungen wirken kumulativ mit den in der jüngsten Vergangenheit bereits eingetretenen administrativen Mehrbelastungen.
Aus allen diesen Gründen sind wir wie der Bundesrat der Meinung, daß die Kostenfreiheit vor Gericht als ein Instrument der Sozialpolitik im weiteren Sinne anzusehen ist, und wir möchten die Verantwortung für eine Änderung dieses Zustands nicht tragen.

(Vorsitz : Vizepräsident Scheel.)

Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zu dem möglichen Argument sagen — es ist uns entgegengehalten worden —, durch unseren Änderungsantrag würden die Ziele des Gesetzentwurfs, besonders die Entlastung der Gerichte, gefährdet. Dem ist folgendes entgegenzuhalten. Einmal machen die Fälle, in denen nach bisherigem Recht vor Gericht Gebühren- oder Auslagenbefreiung zu gewähren ist, nur einen minimalen Bruchteil der Beurkundungs- und Beglaubigungstätigkeit der Amtsgerichte aus, und deshalb werden auch bei Annahme unseres Änderungsantrags die Gerichte in ganz erheblichem Umfang entlastet werden. Zum anderen aber gehört das Gegeneinanderabwägen unterschiedlicher Interessen und Ziele zu den wesentlichen Elementen unserer Demokratie. Wir sind nach langer und sorgfältiger Abwägung zu dem Ergebnis gekommen, daß die durch unseren Antrag in sehr geringem Umfang bewirkte Aufrechterhaltung bisheriger amtsgerichtlicher Zuständigkeiten durch den sozialpolitischen Zweck der Kostenfreiheit voll aufgewogen wird. Wir halten es deshalb für geboten, das vor allem sozial Schwachen zugute kommende Instrument der Gebührenbefreiung vor Amtsgerichten aufrechtzuerhalten. Ich wäre Ihnen für einen entsprechenden Beschluß dankbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523303800
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz:

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523303900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme Herrn Abgeordneten Jacobi völlig darin zu, daß in diesen Fragen abgewogen werden muß. Bei der Abwägung komme ich allerdings sehr entschieden zu einem anderen Ergebnis.
Der Antrag, der die Zuständigkeit der Amtsgerichte für gebührenfreie Geschäfte aufrechterhalten will, widerspricht in der Tat der Grundvorstellung des Entwurfs, die Beurkundung ganz von Gerichten und Verwaltungsbehörden wegzuziehen und endlich klare Zuständigkeiten zu schaffen in dem zersplitterten Beurkundungswesen. Er widerspricht sowohl dem Ziel, die Aufgaben zu konzentrieren, als auch dem Ziel, die Gerichte von allem, was nicht Rechtsprechung ist, zu entlasten. Ich bin der Meinung, daß das ein sehr hohes Ziel ist und daß wir das nicht durch Abwägen mit anderen Interessen, die absolut legitim sind, verwässern sollten.
Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß ich in keiner Weise dem zustimmen kann, was Herr Abgeordneter Jacobi über die Auswirkungen des Gesetzes auf den von ihm genannten Gebieten gesagt hat. Ich darf einmal sagen, um welche Zahlen es geht. Bei der Beurkundung eines Grundstückskauf-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12857
Bundesminister Dr. Ehmke
vertrags — mit oder ohne Auflassung — werden 20 % von zwei vollen Gebühren — ich rechne zwei volle Gebühren, für den Vertrag und für die Auflassung X berechnet. Das kostet bei 1000 DM 4 DM, bei 100 000 DM 80 DM. Ich bin also zunächst einmal der Meinung, das sind sehr minimale Beträge.
Außerdem muß man sich noch einmal ansehen, was überhaupt in Frage kommt. Da ist zunächst die persönliche Gebührenfreiheit: Bund, Länder, gemeinnützige Wohnungsunternehmen. Das haben wir ja immer nur dann, wenn eine der genannten Stellen die Gebühren tragen muß, also nicht etwa bei allen Geschäften. Wenn z. B. der Bund kauft, trägt er die Gebühren, das gemeinnützige Wohnungsunternehmen auch. Wenn sie dagegen verkaufen, trägt der Käufer die Gebühren. Die fallen also dem Wohnungsunternehmen gar nicht an. Bei der sachlichen Gebührenfreiheit ist es wie folgt. Sie ist bedeutsam in Siedlungssachen, Kleinsiedlungen und zur Begründung und zur Vergrößerung von Heimstätten. Es gibt keine Gebührenfreiheit im sozialen Wohnungsbau. Schon heute ist es so, daß derjenige, der etwa ein Grundstück erwirbt, um darauf ein Eigenheim zu bauen, oder derjenige, der von einem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ein von diesem errichtetes Eigenheim erwirbt, die volle Gebühr zahlt. Um diese Leute geht es also sowieso nicht. Es kann höchstens um die persönliche Gebührenbefreiung der Wohnungsunternehmen gehen.
Der Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen hat in einem an den Bundesjustizminister gerichteten Schreiben vom 28. November 1968 in Übereinstimmung mit dem, was Sie, Herr Abgeordneter Jacobi, vorgetragen haben, die gebührenmäßigen Auswirkungen als sehr gravierend dargestellt. Ich muß aber gegen diese Darstellung vielerlei einwenden. Erstens wird hier nur von der sachlichen Gebührenbefreiung für Kleinsiedlungsvorhaben sowie für die Begründung und Erweiterung von Heimstätten gesprochen. Das sind Vorhaben, die zahlenmäßig im gesamten Wohnungsbau nicht stark ins Gewicht fallen. Das Zahlenbeispiel, das angegeben wird, ist unter anderem schon darum unrichtig, weil die Vollzugsgebühr nach § 146 Abs. 1 der Kostenordnung mehrfach angesetzt wird.
Außerdem läßt diese Stellungnahme außer acht, daß alle Tätigkeiten des Notars, die über die eigentliche Beurkundung hinausgehen, vom Notar nicht vorgenommen zu werden brauchen. Das macht der Notar nur — und dafür muß nur gezahlt werden —, wenn man den Notar darum bittet. Die gesetzliche Zuständigkeit des Notars ist allein auf die reine Beurkundung beschränkt, so daß die Kostenfolgen geringer sind. Es kann hier höchstens Mehrarbeit für die Wohnungsunternehmen aufkommen. Das gilt übrigens auch für den Vollzug der Urkunde. Wo das Wohnungsunternehmen die Urkunde selber vollziehen lassen will, braucht es den Notar nicht zu beauftragen. Allerdings hat es dann mehr Arbeit; das ist richtig.
Im übrigen ist — das betrifft jetzt nicht die Wohnungsunternehmen, sondern den einzelnen, der eventuell unter die sachliche Befreiung fällt — darauf hinzuweisen, daß der Notar nach § 17 Abs. 2 der Bundesnotarordnung unbemittelten Beteiligten eine Urkundentätigkeit vorläufig gebührenfrei zu gewähren hat. Außerdem besteht daneben noch die Möglichkeit, bereits entstandene Gebühren aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der Notarkammer ganz zu erlassen.
Ich darf zum Abschluß auf folgendes hinweisen. Das, was hier von der Bundesregierung vorgeschlagen wird, ist bereits heute geltendes Recht in den Ländern Bayern, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz sowie im Landesteil Baden von Baden-Württemberg. Hier können die Amtsgerichte schon nach bisherigem Recht überhaupt nur in ganz wenigen Ausnahmefällen beurkunden. Obgleich wir in diesen Ländern diese Regelung haben, sind keinerlei Kostenprobleme aufgetreten, weder unter der persönlichen noch unter der sachlichen Gebührenbefreiung.

(ich Sie sehr herzlich, die einheitliche Linie des Regierungsentwurfs zu wahren. Ich bin der Meinung, die Abwägung mit den durchaus legitimen Interessen der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen muß hier dazu führen, die Reform als Ganzes durchzusetzen und sie nicht an einer Stelle wieder halb in Frage zu stellen. (Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien. — Abg. Jacobi [Köln] : Das trifft aber auch Bund und Länder!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523304000
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt (Hamburg).

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0523304100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist für mich ein etwas schwerer Weg, weil ich hier gegen den Antrag der Fraktion sprechen muß, der ich angehöre. Das ist für mich nicht leicht, denn ich gehöre nicht nur dieser Partei, sondern auch dieser Fraktion aus Überzeugung an, und daraus ergibt sich schließlich auch die Notwendigkeit einer kollegialen Zusammenarbeit.
Mir ist im Rechtsausschuß die Aufgabe des Mitberichterstatters zugefallen. Der Mitberichterstatter ist wie der Berichterstatter zur absoluten Objektivität verpflichtet. Er hat dieses Haus darüber zu unterrichten, welche Gesichtspunkte sachlicher Art dafür sprechen, eine vom Ausschuß beschlossene Regelung zu treffen; gegebenenfalls hat er das Haus auch darüber zu unterrichten, welche Bedenken im Ausschuß vorgetragen oder abgelehnt worden sind.
In Würdigung dieser meiner Aufgabe als Mitberichterstatter sehe ich mich leider gezwungen, bei Ihnen dafür zu plädieren, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen. Ich kann mich in sehr wesentlichen Punkten auf das beziehen, was der Herr Bundesjustizminister vor mir schon gesagt hat, und kann mich deswegen im Hinblick auf den Freitagmittag relativ kurz fassen.

(Zustimmung des Abg. Dr. Lenz [Bergstraße].)

12858 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Arndt (Hamburg)

— Herr Kollege Lenz, Sie werden selber noch dazu beitragen, daß sich die Debatte noch etwas hinzieht, wie ich mir habe sagen lassen.
Zurück zu dem roten Faden meiner Ausführungen! Dieses Gesetz ist einer der Eckpfeiler der Reform unserer Justiz. Es hat zwar nicht jene überragende Bedeutung, die die Reform des Strafrechts besitzt, die wir hier heute morgen beraten und verabschiedet haben; aber wir werden eine gesunde und ihrer Aufgabe für die Freiheit in diesem Lande gewachsene Justiz nur dann bekommen, wenn wir die Zahl der Richter dadurch vermindern, daß wir den Richtern ermöglichen, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, die reine Rechtsprechung sind, und alle anderen Aufgaben von ihnen wegnehmen. Das ist aber nur möglich, wenn wir eine ganze Reihe von Aufgaben, die heute bei den Richtern liegen, auf andere Kräfte, insbesondere die des gehobenen Dienstes, also auf die Rechtspfleger übertragen. Das bedeutet wiederum andererseits, daß wir auch die Rechtspfleger bei den Gerichten von den Aufgaben, die sie heute noch wahrnehmen müssen, ohne daß es sich dabei um echte Gerichtsaufgaben handelt, entlasten müssen. Dies ist die zentrale Aufgabe des Gesetzes. Richter und Rechtspfleger sollen von der Beurkundungsaufgabe, die sie heute schon nur neben anderen Organen, vor allem neben dem Notar als dem klassischen staatlichen Organ für das Beurkundungswesen, wahrnehmen, entlastet werden. Wenn wir aber jetzt wieder eine Zuständigkeit der Gerichte neben den Notaren begründen, scheitert die Erfüllung dieser Aufgabe; denn alle deutschen Amtsgerichte müssen dann für diese Aufgabe ausgebildete Rechtspfleger vorrätig halten. Die Gerichte müssen sie ausbilden, damit sie die Beurkundungsaufgabe wahrnehmen können. Das kann aber nicht der Sinn dieser Regelung sein, auch nicht bei der soeben von dem verehrten Herrn Kollegen Jacobi zitierten Güterabwägung, wenn wir berücksichtigen, welche Bedeutung sie wirklich hat.

(Abg. Jacobi [Köln] : Dramatisieren Sie es nur nicht!)

— Nein, aber ich will gerade zum Thema „Dramatisierung" gleich noch ein paar Worte sagen. Hier ist auch an anderer Stelle ein klein wenig daramatisiert worden. Der Herr Bundesjustizminister hat gerade einige Zahlen, die mir bis dato unbekannt waren, zitiert. Diese Zahlen sprechen für sich. Unabhängig davon habe ich mir bei zwei großen Wohnungsunternehmen, die ja hier an sich sogar Partei sind, in den letzten beiden Tagen in Vorbereitung dieser Debatte eine Berechnung darüber anstellen lassen, welche Kostenerhöhungen bei der Verwirklichung des Gesetzes, so wie es der Ausschuß vorschlägt, eintreten würden. Die beiden Unternehmen in Hamburg sind zu dem Ergebnis gekommen, daß frühestens beginnend mit dem Jahre 1973 oder 1975 eine Kostenerhöhung von minimal 1 Promille und maximal, bei sehr hoher Inanspruchnahme von Fremdkapital, 1,8 Promille der Baukosten entsteht. Wer angesichts dieser Zahlen die Behauptung auf-. stellt, daß die Kostenbelastung irgendwo ins Ge-
wicht fallen könnte, der setzt sich dem Vorwurf aus, hier zu dramatisieren.

(Abg. Jacobi [Köln] : Eins kommt zum anderen! Das ist eine Kumulation!)

— Aber von Promille-Sätzen!

(Abg. Jacobi [Köln] : Ich bezweifle die! Ich akzeptiere sie nur bei Verkehrsdelikten!)

— Gut, bei Alkoholdelikten. Wie dem auch sei, einige Dinge sollten jedoch an dieser Stelle klargestellt werden, gerade weil in der Öffentlichkeit immer wieder darüber diskutiert worden ist. Die Mieten für alle Gebäude des sozialen Wohnungsbaus, die heute stehen, werden von diesem Gesetz überhaupt nicht betroffen. In der Öffentlichkeit wird damit argumentiert, daß jetzt die Mieten steigen müßten. Das ist nicht im geringsten der Fall.

(Abg. Jacobi [Köln] : Das ist doch nicht für bestehende Wohnungen gemeint!)

— Ja, Herr Kollege, das wollte ich hier eben deutlich machen. Aber in der öffentlichen Diskussion wird immer wieder gesagt

(Abg. Jacobi [Köln] : Aber nicht von uns!)

— von wem auch immer —: Jetzt steigen die Mieten. Das ist doch einfach unrichtig, weil diese Dinge nur anfallen, wenn später eine Wohnungsbaugesellschaft etwas erwirbt und sie die Kosten zu tragen hat. Es kann sich also frühestens auf Gebäude auswirken, mit deren Bau 1973 bis 1975 begonnen wird, aber keineswegs auf eine soziale Wohnung, die heute besteht. Eigenheime — Herr Kollege Jacobi, Sie erwähnten das Eigenheim — kann es überhaupt nicht treffen; denn der Eigenheimeigentümer ist zur Zeit der Letztverbraucher. Er zahlt schon heute und wird immer die volle Gebühr zahlen. Die Gebührenbefreiung trifft nur die großen Gesellschaften. Wenn sie erwerben, haben sie die Kosten zu tragen, aber nicht, wenn der Endverbraucher, gerade der kleine Mann, das Grundstück erwirbt, wenn er sein Eigenheim kauft; denn dann muß er heute die vollen Gebühren zahlen, uns es wird überhaupt nichts daran verändert. Das muß man hier doch einmal ganz deutlich sagen, damit draußen im Lande nicht ein falscher Eindruck entsteht.
Im übrigen ist hier auch noch darauf hinzuweisen, daß von denjenigen Gerichten, mit deren Landesjustizverwaltungen ich in der Kürze der Zeit habe sprechen können, festgestellt wurde, daß der Anteil der gerichtlichen Beurkundungen, die unter den von der SPD-Fraktion eingebrachten Änderungsantrag fallen würden, etwa 80 bis 90% beträgt, und zwar einfach deswegen, weil diejenigen, die ohnedies die Gebühren zahlen müssen, gar nicht mehr zum Gericht gehen; sie gehen schon heute zum Notar, weil natürlich beim Notar und beim Gericht, wenn keine Gebührenbefreiung gegeben wird, die gleiche Gebühr zu zahlen ist, wie jedermann im Gesetz nachlesen kann. 80 bis 90% der anfallenden Beurkundungen sind also solche, die von der Vorschrift erfaßt würden.
Mit Recht haben die Landesjustizverwaltungen zudem ihre Gerichte aufgefordert, diejenigen, die
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12859
Dr. Arndt (Hamburg)

keine Gebührenbefreiung genießen, mit dem Hinweis wegzuschicken: „Wir sind überlastet. Geh zum Notar; da kostet es das gleiche." Auch das sollte man hier berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, es erschien mir bei meiner Aufgabe als Mitberichterstatter für dieses Gesetz notwendig, Ihnen dies alles hier ganz deutlich zu sagen. Wir sollten uns nicht von Zahlen, die uns von interessierter Seite und sicherlich größtenteils mit dem guten Willen, hier einer guten Sache zu dienen, unterbreitet worden sind, irreführen lassen. Wir sollten sehen, welche realen Auswirkungen hier gegeben sind, und sollten daher dem Antrag auf Umruck 651 nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten auf allen Seiten.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523304200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0523304300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich als Berichterstatter leider zu spät gemeldet. Was Wohnungs- und Innenausschuß hier angeregt haben, hat auch der Rechtsausschuß in Anhörung der Herren dieser Ausschüsse bereits ernst gewürdigt. Trotz der Vorhalte dieser Herren sind wir zu dem Ergebnis gekommen, uns dem Begehren, das in dem Antrag der SPD nun seinen Niederschlag findet, nicht anzuschließen.
Ich muß hier auch etwas zu der Beurteilung des nächsten Änderungsantrags sagen. Was ist denn die Ursache, der Sinn und der Zweck dieses Beurkundungsgesetzes? Hierüber bestand im Rechtsausschuß eine einheitliche Meinung. Ursache ist die heillose Zersplitterung der beurkundungsrechtlichen Bestimmungen in zahllosen Gesetzen. Das können Sie im Fünften Abschnitt dieser Gesetzesvorlage sehen, wo, glaube ich, Hunderte von Gesetzen und Verordnungen aufgehoben werden. Wir hatten eine heillose Zersplitterung, eine heillose Unübersichtlichkeit, und vor allem war die Freizügigkeit der Urkunden in Frage gestellt.
Deshalb sind wir zu der Auffassung gekommen, daß zwei Gesichtspunkten Rechnung zu tragen war. Einmal mußte das Verfahren im Beurkundungswesen in einem Gesetz geregelt werden. Zweitens war eine klare Richtlinie für die Zuständigkeit im Beurkundungsverfahren zu setzen. Die Zuständigkeiten waren auch in alle Himmelsrichtungen verstreut. Der Vorschlag sieht als die zentrale Stelle aller Beurkundungsverfahren in Zukunft den Notar an, und zwar deshalb, weil er eine objektive, unabhängige, von Verwaltungseinflüssen nicht berührte Stelle ist, weil er von der Tradition her mit dem gesamten Beurkundungswesen verbunden ist und weil er dazu auch das hierfür erforderliche Personal hat, um in allen Beurkundungsverfahren die zuverlässigste und die sicherste Stelle zu sein. Das heißt als gleichzeitig —. es ist hier schon gesagt worden, hier wird ein Teil der Justizreform durchgeführt —, daß wir uns entschlossen haben: alles weg von den Gerichten, was nicht zur Rechtsprechung gehört, was den Richter belasten, was den
Richter hindern würde, seine ganze Kraft in die Rechtsprechung zu stecken.
Nun soll hier wiederum für einen kleinen Teil nur wegen der Gebührenfreiheit die Zuständigkeit der Amtsgerichte belassen werden.

(Abg. Jacobi [Köln] : Nur wegen dieser Gebührenfreiheit!)

— Nur wegen der Gebührenfreiheit, ja. Ich weiß, daß die Gebührenfreiheit auf diesen Gebieten und bei den Institutionen, die Sie genannt haben, eine große Rolle spielt. Aber Sie haben aus den Ausführungen sowohl des Herrn Justizministers als insbesondere auch aus den Ausführungen des Mitberichterstatters Arndt gehört, daß die Beträge, die bei Zusammenfassung aller Millionen ausmachen und daher zunächst unheimlich wirken, sich für den einzelnen auf ein Minimum reduzieren. Dieser Betrag kann ihm zugemutet werden, zumal überall dort, wo bisher Gebührenfreiheit gewesen ist, der Notar verpflichtet ist, nur 20 % seiner vollen Gebühren zu verlangen.

(Zuruf des Abg. Jacobi [Köln].)

Darüber hinaus besteht nach wie vor schon die Bestimmung, daß für Minderbemittelte eine Gebührenfreiheit beim Notar möglich ist.
Bei jeder Reform ist auch ein Rationalisierungseffekt mit zu sehen. Wenn wir jetzt diesem Antrag stattgeben, müssen bei den Amtsgerichten eigene Stellen dafür aufrechterhalten und eigene Beamte dafür ausgebildet werden. Es geht also nicht nur um den Effekt der Gebührenfreiheit, sondern das ist auch eine Kostenfrage; indirekt muß dann wieder der Steuerzahler, muß die Allgemeinheit das bezahlen.

(Abg. Jacobi [Köln] : Es gibt keine mehr und keine weniger!)

Wir müssen doch einmal, wenn wir Reformen durchführen, auch den Mut haben, diese Reformen ganz durchzuführen. Sonst sind diese Reformen Teilerfolge und führen nie zu einem Rationalisierungseffekt. Das müssen wir einmal sehen, und den Mut müssen wir haben, diese Grundsätze auch zu verwirklichen.
Im übrigen möchte ich noch sagen, wie es bei den gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften steht. Hier unterscheiden wir zwischen einem Ankauf der Grundstücke durch die Gesellschaft und einem Verkauf der Wohnungen oder Eigenheime an die Bürger. Bei dem zweiten Fall — Verkauf der Wohnungen oder Eigenheime an die Bürger — ist festzustellen: sie sind auch heute nicht von den Kosten befreit, auch nicht bei den gerichtlichen Beurkundungen. Allerdings ist bei dem ersten Punkt die 20%ige Gebührensenkung bei den Notaren gegeben.

(Zuruf von der Mitte: 80%ige!)

Das werden Sie selbst aus der Erfahrung wissen, daß diese 20% der Gebühren nicht einmal die Kosten decken.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523304400
Würden Sie, Herr Kollege, eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Jacobi erlauben?
12860 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0523304500
Herr Kollege Besold, wollen Sie bitte darauf achten, daß nach einer Feststellung des Bundesrates, dessen Begehren mit dem des SPD-Antrages völlig identisch ist, die Notarkammer bereits angekündigt hat, daß sie eine Erhöhung der Gebühren auf 50 % anstrebt, und daß im übrigen ja auch Bund, Länder und Gemeinden betroffen sind?

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0523304600
Ich glaube, auf die Gebührenerhöhung haben wir hier einen Einfluß. Wir können die Dinge bei dem Maß belassen, das hier als Ausgangspunkt der Regelungen vorgesehen worden ist. Ich meine, alles gehört zusammen, und alles muß man zusammen sehen.
Aber man muß die Gesamtreform sehen und den Gesamterfolg und vor allem den Schutz und die Sicherheit des Bürgers, an einer Stelle eine zuverlässige Beurkundung zu bekommen. Wir wissen ja, was wegen mangelnder Erfahrungen im Beurkundungswesen schon an Fehlern gemacht worden ist. Dazu hat der Notar noch die Belehrungspflicht, z. B. bei Urkunden, die — wie hier — zum Vollzug dem Grundbuchamt vorgelegt werden; der Vollzug wird ebenfalls von den Notaren veranlaßt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523304700
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt?

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0523304800
Herr Kollege Besold, ist Ihnen bekannt, daß der Bundesrat, dessen zuständiger Ausschuß gestern getagt hat, seine bisherige Stellungnahme nicht aufrechterhalten hat und sich insoweit nunmehr dem Entwurf des Rechtsausschusses des Bundestages angeschlossen hat?

Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0523304900
Ich habe eben gerade das Protokoll bekommen und konnte es noch nicht durchlesen. Wenn dem so ist, dann muß ich sagen, das ist ein weiteres Argument.
Ich betone jetzt noch einmal, was ich bereits gesagt habe, damit nicht der Eindruck entsteht, daß der Rechtsausschuß, der dieses Gesetz beraten hat, und wir, die wir zu diesem Ergebnis gekommen sind, Unmögliches von der Allgemeinheit verlangen. Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß das in Bayern, in Hamburg, in Bremen, in RheinlandPfalz und in Baden schon so praktiziert wird und daß in diesen Ländern bei den Kosten, die bei den Notaren entstanden sind, niemand entweder eine Erhöhung der Mieten oder irgendwelche sonstigen unsozialen Auswirkungen erlebt hat. Sie können glauben, daß sich der Rechtsausschuß sehr wohl mit den vom Wohnungsbauausschuß und vom Innenausschuß vorgetragenen Wünschen unterhalten hat,

(Abg. Jacobi [Köln]: Unterhalten, ja!)

— unterhalten hat, auch zu Entschlüssen gekommen ist, Gespräche geführt, Diskussionen geführt hat; das ist alles das gleiche. Und wir sind nach Anhörung dieser Herren eben zu dem übergeordneten und höheren Gesichtspunkt gekommen, daß, wenn
schon eine Reform angestrebt wird, diese auch ganz durchgeführt wird und daß eine klare Lösung herauskommen muß, die auch dem Schutzbedürfnis der Gesamtbevölkerung und der Betroffenen zugute kommt.
Ich bitte also, den Ausschußvorschlag anzunehmen und diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523305000
Das Wort hat der Herr Kollege Busse.

Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0523305100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Nach dieser eingehenden Begründung der Ablehnung des Antrages Jacobi von mir nur noch zwei Hinweise. Einer der wesentlichen Gründe, die uns veranlassen, diesem Gesetz nicht nur zuzustimmen, sondern es als notwendig zu begrüßen, ist die endlich notwendige Vereinheitlichung der Zuständigkeiten für die Stellen, die öffentliche Beurkundungen vornehmen können. Die Rechtszersplitterung, die wir zur Zeit haben, ist bei einer Urkunde, die über die Grenzen des einzelnen Landes hinaus in die Welt hinein wirkt, geradezu unerträglich. Es ist unerträglich, wenn da erst immer gesucht werden muß: wer ist nun wofür zuständig?
Meine Damen und Herren! Im Laufe des Verfahrens sind von allen möglichen Stellen alle möglichen Anregungen mit allen möglichen mehr oder weniger guten Begründungen an uns herangetragen worden. Wenn wir hier an einer Stelle, an der nicht einmal eine sehr überzeugende Begründung gegeben werden kann, ein Tor in dieser Regelung öffnen, dann weiß ich nicht, wie andere Regelungen, die mit ähnlich guten oder schlechten Gründen angestrebt werden, dann abgelehnt werden sollen. Das ist doch auch ein Gesichtspunkt, den wir hier beachten müssen. Und wenn ich sehe, daß z. B. die von mir so hoch geschätzten Kollegen Dr. Lenz und Erhard einen Antrag vorgelegt haben, wonach die Länder künftig sogar wieder berechtigt sein sollen, andere Personen und andere Stellen mit der Befugnis auszustatten, öffentlich beurkunden zu können — wenn auch in einem ganz beschränkten Umfang; das ist klar —, ja, meine Freunde, dann sehen Sie, wohin all das wieder zielt. Das, was notwendig ist, wirdnachher Punkt für Punkt wieder ausgehöhlt, und am Ende steht dann wieder der Katalog der Gesetze, die wir jetzt endlich aus der Welt schaffen zu können glauben. Denn wenn wir eine Tür aufmachen, und sei sie noch so klein, werden andere größere Türen folgen.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523305200
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523305300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die interessante Debatte hat ergeben, daß die besseren Argumente auf Seiten der Regierungsvorlage sind, ohne daß ich bestreite, daß es bei den gemeinnützi-
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12861
Bundesminister Dr. Ehmke
gen Wohnungsunternehmen legitime Interessen gibt; aber die Abwägung — das hat die Debatte gezeigt — spricht eindeutig für den Regierungsentwurf.
Ich darf jetzt noch ein Wort zu Ihnen, liebe Freunde von der Sozialdemokratischen Partei, sagen. Es ist immer das Anliegen dieser Partei gewesen, die Rechts- und Justizfremdheit in diesem Volke zu beseitigen. Sie können mit der Zustimmung zum Regierungsentwurf, der ein wichtiger Schritt zur Justizreform in diesem Lande ist — übrigens ein Schritt, der nicht von mir stammt, sondern den ich von meinem Amtsvorgänger Dr. Heinemann übernommen habe —, jedenfalls beweisen, daß es keine Rechts- und Justizfremdheit in diesem Hohen Hause gibt.

(Beifall bei der SPD und bei der FDP. — Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523305400
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Abstimmung über Ziffer 2 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD; ich glaube, wir sollten in dieser Reihenfolge abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 651 Ziffer 2 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Damit — ich sehe das, glaube ich, richtig — entfällt die Ziffer 1 dieses Antrags.
Wir müßten dann zunächst über § 59 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer dem § 59 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen ist der § 59 angenommen.
Wir springen jetzt zurück zu dem § 57, der mit dem Abs. 14 zur Abstimmung kommt, also in der Ausschußfassung. Wer dem § 57 in der vorliegenden Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen?
— § 57 ist bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Dann kommen wir zum § 60. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem § 60 zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — § 60 ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zum § 61. Hier liegt eine Wortmeldung des Kollegen Schmitt-Vockenhausen vor.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Herr Präsident, es geht um die Einfügung eines § 61 a! Ich weiß nicht, ob dieser Änderungsantrag schon jetzt behandelt werden soll!)

— Es handelt sich um einen Änderungsantrag auf eine Einfügung nach § 61. Dann stimmen wir zunächst über § 61 ab; das ist wohl das einfachste Verfahren.
Wer dem § 61 in der Ausschußfassung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe!
— Enhaltungen? — § ,61 ist damit einstimmig angenommen.
Jetzt haben wir einen Änderungsantrag *) vorliegen, einen § 61 a einzufügen. Zur Begründung dieses Antrags Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0523305500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Antrag der Fraktion der SPD zu § 59 in der zweiten Lesung leider nicht angenommen worden ist, freue ich mich, daß ich mit einer Reihe von Kollegen des Hauses noch einen Antrag vorlegen kann, der eine begrenzte anderweitige Beurkundungsmöglichkeit vorsieht, die dem Herrn Bundesjustizminister nicht jene große Erregung bringen wird, die vorhin bei § 59 entstanden ist.
Meine Damen und Herren, ich habe das Gefühl, daß es in diesem Hause und vor allem in den Ministerien sofort Entsetzen hervorruft, wenn einmal etwas nicht in ganz Deutschland einheitlich geregelt ist.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Ich muß ganz offen sagen, das kann ich überhaupt nicht einsehen. Ich habe sogar das Gefühl, es ist gewissermaßen zu einem Lebenswerk geworden, das Beurkundungsrecht einheitlich zu regeln, als ob davon das Heil der Welt abhinge. Hier ist dann ein Meisterwerk perfekter Gesetzgebung entstanden, das im Grunde gar nicht notwendig ist. Wir haben beispielsweise in meinem Heimatland, in Hessen, eine bewährte Regelung, das hessische Ortsgerichtsgesetz. Ich weiß, daß man über die Beurkundung von Verträgen streiten kann. Wir wollen es in unserem Antrag aber auf die Beglaubigung von Unterschriften beschränken. Diese Möglichkeit sollte man doch im Interesse der Menschen draußen im Lande belassen, damit sie nicht zum nächsten Notar gehen müssen, sondern weiterhin ihre Unterschrift auch bei dem Ortsgericht .beglaubigen lassen können. Diese Unterschriftsbeglaubigung ist wirklich nicht zuviel. Die andere Regelung verursacht für den Betroffenen erheblich höhere Kosten, im Einzelfall mehr als das Doppelte, ganz abgesehen von der Arbeitszeit, die dabei erforderlich ist. Nach unserem Vorschlag kann der Beglaubigungsakt beim Bürgermeister auch noch nach Dienstschluß, wenn man von der Arbeit kommt, eingeholt werden. Ich komme dann abends um 7 Uhr in die Abendsprechstunde und lasse mir dort meine Unterschrift beglaubigen, beispielsweise um die Hypothekenlöschungsbewilligung einzureichen. Das ist alles so bewährt und so klar, daß ich wirklich nicht einsehen kann, warum eine neue perfektionistische Regelung die bisherige praktische zunichte machen soll.
Ich wäre dankbar, wenn das Hohe Haus wenigstens diesem Antrag zustimmen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523305600
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
*) Siehe Anlage 6
12862 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523305700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß den Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen enttäuschen. Ich war der Meinung, daß ich schon bei dem ersten Antrag nicht erregt, sondern nur sachlich engagiert war. Aber ich muß sagen, dieser Antrag ist noch viel schlimmer, Herr Abgeordneter.
Für den ersten Teil gilt alles das, was ich gegen den Antrag gesagt habe, der vorhin schon behandelt worden ist. Aber hier geht es nicht etwa nur um die berühmten hessischen Ortsgerichte, sondern § 61 a sagt: „anderen Personen oder Stellen zu übertragen". Gegen die Übertragung der Beglaubigungszuständigkeit auf Verwaltungsbehörden bestehen meines Erachtens auch ernsthafte rechtsstaatliche Bedenken.

(Lachen und Zurufe von Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Denn öffentliche Urkunden — ich bitte, mir doch einmal etwas zuzuhören — kehren in gerichtlichen Verfahren die Beweislast um.

(Abg. Dr. Lenz [Bergstraße] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Darf ich es zu Ende bringen, Herr Dr. Lenz. Bei der öffentlichen Beglaubigung einer Unterschrift wird beispielsweise gegenüber dem Grundbuchamt der Nachweis geführt, daß der in der Urkunde genannte Eigentümer der Eintragung einer Hypothek zustimmt. Der Eigentümer ist jedoch in aller Regel an dem Eintragungsverfahren des Grundbuchamtes überhaupt nicht beteiligt. In diesen Fällen ersetzt die Vorlage der Eintragungsbewilligung des Eigentümers in öffentlich beglaubigter Form das sonst notwendige rechtliche Gehör. Eine Beurkundung mit so weitreichenden Folgen — Erwerb oder Verlust von Rechten an Grundstücken — kann meines Erachtens keineswegs jeder Verwaltungsbehörde übertragen werden.
Darüber hinaus muß die öffentliche Urkunde ein Instrument sein, das freizügig ist. Die Wirksamkeit einer Urkunde hängt wesentlich mit davon ab, wer sie errichten darf. Das muß auf den ersten Blick erkennbar sein. Wenn die Länder künftig für ihren Bereich die Zuständigkeit regeln können, was beinahe eine Einladung ist, und es wieder zu der gesamten Rechtszersplitterung kommt, die wir gerade beseitigen wollen, dann wird es beispielsweise für Gerichte und Verwaltungsbehörden in Bayern außerordentlich schwer sein, die Gültigkeit einer in Schleswig-Holstein errichteten Urkunde zu prüfen. Im Interesse der Verkehrsfähigkeit der Urkunden ist es gerade in einem Land mit hockentwickeltem Handel und Wirtschaftsverkehr unerläßlich, daß eine übersichtliche Regelung über die Beurkundungszuständigkeiten erfolgt.
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen, es geht nicht darum, daß hier der schönen Systematik wegen ministeriale perfektionistische Einheitlichkeit exerziert wird, sondern es geht um die Frage, ob man, wenn man Reformen macht, solche Reformen macht auf Kopf und Nagel, die auch welche sind, oder ob man nur darüber redet und auf dem halben
Wege stehenbleibt. Das ist die Frage, die hier zu entscheiden ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523305800
Erlauben Sie, Herr Bundesminister, eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lenz?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523305900
Selbstverständlich.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0523306000
Herr Bundesjustizminister, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß wir den Landesregierungen und den Landtagen das Vertrauen schenken können, daß sie von dieser Ermächtigung einen zweckentsprechenden Gebrauch machen werden?

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523306100
Ich will natürlich die Suggestivfrage, ob ich den Landesregierungen und den Landtagen vertraue, nicht mit Nein beantworten, Herr Dr. Lenz, schon um mich mit meinem Ministerpräsidenten in Stuttgart nicht zu überwerfen. Aber wenn die Zersplitterung der Landeszuständigkeiten kein Problem wäre, dann hätten wir heute nicht diese Debatte um ein Gesetz, das versucht, die heillose Zersplitterung der Beurkundungszuständigkeit endlich zusammenzufassen, damit auf diesem Gebiet in der Bundesrepublik endlich Ordnung ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523306200
Herr Bundesminister, würden Sie eine weitere Zwischenfrage zulassen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523306300
Gern.

Dr. Carl Otto Lenz (CDU):
Rede ID: ID0523306400
Herr Minister, nur noch eine Zwischenfrage. Halten Sie es nicht für einen wesentlichen Fortschritt dieses Gesetzes, daß zum Teil über hundert Jahre alte Gesetze und Verordnungen von Gesetzgebern, die heute gar nicht mehr existieren, beseitigt werden, und meinen Sie nicht, daß es ein großer Unterschied dazu ist, ob wir unseren heutigen Ländern — Landesregierungen und Landtagen — in einem beschränkten Bereich nach den lokalen und regionalen Bedürfnissen diese Befugnis erhalten?

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523306500
Ein Unterschied ist schon da. Aber als vorausschauender Mensch, Herr Dr. Lenz, möchte ich dem Bundesjustizminister in zwanzig Jahren ersparen, die gleiche Arbeit, die wir heute machen müssen und vorlegen, noch einmal machen zu müssen, weil dann die Zersplitterung schon wieder so ist, wie sie heute ist!

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien und der FDP.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12863

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523306600
Das Wort hat der Abgeordnete Besold.

(Zurufe von der SPD: Das reicht aber jetzt! —Noch einmal das gleiche! — Neue Lobby!)


Dr. Anton Besold (CSU):
Rede ID: ID0523306700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst feststellen, daß in dieser Frage im Rechtsausschuß keine einheitliche Meinung war. Ich gestehe offen zu und berichte das auch, daß Herr Lenz und Herr Erhard seinerzeit die Einreichung eines diesbezüglichen Änderungsantrages angekündigt haben. Gleichwohl möchte ich sagen — ich glaube, ich bin als alter Föderalist bekannt —, daß diese Frage keine föderalistische Frage ist, sondern eine Frage der Vernunft, eine Frage des Schutzes unserer Bürger, eine Frage einer sicheren und übersichtlichen Regelung des Beurkundungswesens.
Wenn wir uns im Rechtsausschuß dazu entschlossen haben: „Alles weg von den Gerichten und hin an eine zentrale Stelle", so war dies auch der Fall bezüglich der Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden. Wir haben ja bei den Verwaltungsbehörden schon einen Mißstand abgestellt. Es war mit den Grundsätzen des Beurkundungsrechts einfach nicht zu vereinbaren, daß Behörden in Angelegenheiten, an denen sie selbst beteiligt sind, Beurkundungen vornehmen konnten. Daraus ersieht man aber, daß eben Behörden bei solchen Dingen nicht immer ganz die Objektivität bewahren können, sei es infolge der Beeinflussung der unmittelbaren Umgebung, sei es, daß sie, wenn es Verwaltungsstellen sind, ein gewisses Verwaltungsziel anstreben und die objektive Aufklärung desjenigen unterbleibt, der sein Recht sucht und eine öffentliche Beglaubigung begehrt. Diese kann immerhin mit sehr großen Folgen verbunden sein. Denken Sie nur an die Löschung einer Hypothek; wenn sie von einem nicht Rechtskundigen oder von jemandem, der im Beurkundungswesen nicht firm ist, falsch abgefaßt ist, können eben Folgen eintreten, die von erheblicher Bedeutung sind.

(Abg. Jacobi [Köln] : Das wird doch hier gar nicht getroffen!)

— Doch! Öffentliche Beglaubigungen! Hier steht „öffentliche Beglaubigung von Abschriften".
Dazu gehört z. B. auch die Löschung einer Hypothek. Das kann damit umfaßt werden. Sie dürfen damit nicht die amtliche Beglaubigung nach § 63 verwechseln, bei der es sich aber z. B. nicht um die Beglaubigung von Erklärungen gegenüber den Grundbuchämtern handeln kann. Die ist ja auch in diesem Gesetz durchaus aufrechterhalten. Aber öffentliche Beglaubigungen von Abschriften oder Unterschriften oder öffentliche Beglaubigungen überhaupt würden diesen Fall treffen.
Ich möchte aber die Antragsteller noch fragen, was es eigentlich bedeutet, „anderen Personen oder Stellen" diese Aufgabe zu übertragen. Hier ist doch allem Tür und Tor geöffnet und die große Linie, die wir angestrebt haben, die Sie auch im Beurkundungsgesetz gebilligt haben, verlassen worden.

(Abg. Wienand: Wer soll denn noch überzeugt werden? Es weiß doch jeder, was er will!)

— Ich will Sie nicht überzeugen, aber Ihnen doch noch einmal etwas zu überlegen geben, ob der Antrag in dieser Form, nach dem, was wir bisher beschlossen haben, nämlich einen Schritt nach vorn zur Bereinigung dieser ganzen Unübersichtlichkeit und Unklarheit, nicht ein Schritt nach rückwärts ist. Wir hatten eine klare, übersichtliche Lage geschaffen, und jetzt öffnen wir wieder die Tür dafür, daß über alle Länder hinweg neue Zuständigkeiten, neue Stellen, neue Behörden, seien es die Amtsgerichte, seien es die Ortsvorsteher, seien es andere, geschaffen werden. Das führt gerade auch hier zu einer Unübersichtlichkeit. Vor allem ist, insbesondere bei der Unklarheit dieses Antrags, nicht gewährleistet, daß derjenige, der eine solche öffentliche Beglaubigung wünscht, auch das rechtliche Gehör findet und die Belehrung durch den Notar empfangen kann. Das ist bei öffentlichen Beglaubigungen immerhin eine sehr wichtige Angelegenheit. Wir sollten also, nachdem wir den Schritt nach vorne getan haben, nicht gleich schon wieder einen Schritt nach rückwärts tun.
Hier ist gesagt worden, die Bequemlichkeit sei beeinträchtigt; man könne zum Ortsvorsteher gehen und die Beglaubigung sofort einholen. Meine Damen und Herren, wer die Entwicklung in der Gemeindeverwaltung kennt, der weiß, daß es über kurz oder lang eben nicht mehr in jeder Gemeinde einen Bürgermeister geben wird, sondern die Entwicklung wahrscheinlich dahin gehen wird, mehrere Gemeinden zusammenzuführen. Dann wäre es eben auch ein größerer Weg. Heute hat jeder die Möglichkeit, mit dem Kraftfahrzeug die nächstgelegene Kreisstadt zu erreichen. Außerdem halten, soweit ich unterrichtet bin, auch die Notare heute bereits Tagungen außerhalb ihres Sitzes ab. Damit kann man den Wünschen einzelner Bevölkerungskreise in allernächster Nähe gerecht werden, ohne das es Unbequemlichkeiten gibt.
Wir sollten das große Ziel dieses Beurkundungsgesetzes und auch den Reformgedanken sehen, vor allem aber sehen, daß hier Klarheit und Übersichtlichkeit geschaffen werden sollen, daß die Freizügigkeit der Urkunde gewährleistet sein soll und daß auch derjenige, der eine Beurkundung mit Hilfe der Beratung durch einen Notar und sein geschultes Personal haben will, eines Schutzes teilhaftig werden soll. Ich glaube deshalb, daß wir diesen Antrag ablehnen müssen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523306800
Meine Kollegen, darf ich den Herren, die sich weiter zu Wort gemeldet haben — es sind noch eine ganze Anzahl —, zu erwägen geben, daß ich um 14 Uhr die Beratungen hier unterbreche, weil um 14 Uhr 'eine Fragestunde stattfindet. Wir müßten dann nach 15 Uhr fortfahren. Ich bitte diejenigen Redner, die sich jetzt noch gemeldet haben, darum, es durch eine entsprechende
12864 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Vizepräsident Scheel
Straffung ihrer Darlegungen zu ermöglichen, daß wir bis 14 Uhr mit dem Tagesordnungspunkt fertig werden. Es ist vielleicht manchem nicht bekannt, daß wir um 14 Uhr eine Fragestunde einlegen müssen.
Das Wort hat jetzt Herr Kollege Erhard.

Benno Erhard (CDU):
Rede ID: ID0523306900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erstaunlich, daß sich über eine derartig kleine Sache eine solche gemüthafte Erregung überhaupt einstellen kann.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Sehr richtig!) Dafür fehlt mir jedes Verständnis.


(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Wir stimmen mit der Regierung und der Mehrheit dieses Hauses völlig darin überein, daß das Beurkundungsrecht entsprechend der Vorlage der Regierung bereinigt werden muß. Wir stimmen sogar — sehen Sie sich einmal § 61 an, den wir bereits angenommen haben — zu, daß eine ganze Reihe von landesrechtlichen Vorschriften aufrechterhalten bleiben, und zwar bis zur Nr. 11, einzelne Gesamtkomplexe, die in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt sind. Wenn wir uns das einmal genau anschauen, erhebt sich doch die Frage, wie man hier von „großer Reform" und „großer 'Rechtsbereinigung" sprechen kann. Es ist eine „kleine Maus", und über das letzte Härchen dieser „kleinen Maus" wird jetzt so gestritten.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Hinzu kommt, daß wir uns, glaube ich, einbilden, wir wären sehr viel klüger als die Landtage, Landesregierungen und Landesverwaltungen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Und die Ortsgerichtsvorsteher!)

Welche Bundesverwaltung hat denn wirklich die nachgeordnete Verwaltung, um hineinschauen zu können? Die Justiz doch ganz bestimmt nicht!

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Warum wollen wir denn viele Dinge nicht dort lassen, wo sie konkret aus der Erfahrung des Tages geregelt werden können? Was soll überhaupt eingeräumt werden? Den Landesparlamenten soll für die Zukunft die Zuständigkeit gegeben werden, bei Abschriftenbeglaubigungen und bei Unterschriftenbeglaubigungen — und bei sonst nichts — nach ihrem Ermessen zu verfahren.

(Zustimmung bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Wenn das der Landesgesetzgeber nicht besser kann als wir aus sogenannten „Prinzipien" — so möchte ich es nennen; es ist nicht einmal ein Prinzip —, sind wir am Ende vernünftiger Rechtsetzung. Deswegen, so meine ich, sollte der Antrag angenommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523307000
Das Wort hat der Kollege Dr. Arndt.

Prof. Dr. Claus Arndt (SPD):
Rede ID: ID0523307100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte. Es ist noch nicht davon gesprochen worden, daß — außer der Hypothekenbestellung und ähnlichen Dingen — ein weiterer sehr tiefgehender Eingriff in die Rechte des einzelnen dadurch erfolgen kann, daß eine solche Urkunde, deren Unterschrift öffentlich beglaubigt ist, die Beweislast im Prozeß umkehrt.

(Zurufe von den Regierungsparteien.)

Wenn wir uns den Schutz des einzelnen Rechtsuchenden angelegen sein lassen wollen, müssen wir hier den Bürger davor schützen, daß er vor Gericht in eine schwierige Situation gebracht wird.
Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, an die Gesetzgeber des Bundes und der Länder zu appellieren, immer mehr aus der öffentlichen Beurkundung herauszunehmen und der amtlichen Beurkundung zuzufügen, die nicht von den Notaren, sondern von den Verwaltungsbehörden — § 63 dieses Gesetzes
vorgenommen wird. Wir haben mit diesem Gesetz einen guten Anfang gemacht, indem wir z. B. die öffentliche Beurkundung für die Gehaltsabtretung der Beamten, die im BGB vorgeschrieben war, aufgehoben haben. Warum muß das öffentlich beurkundet werden? Es genügt, daß einer, der das Dienstsiegel führt, die Bescheinigung mit diesem Siegel versieht und bestätigt: Diese Gehaltsbescheinigung kommt von diesen Beamten. All das sollte amtlich beglaubigt werden — unterscheiden Sie das bitte in dem Gesetz —; das sollten die Verwaltungsbehörden machen können. Hier besteht nicht wie bei der öffentlichen Beurkundung die Gefahr, daß jemand um wesentliche Teile seines Vermögens gebracht werden kann. Nehmen Sie den Fall, der jetzt in Hessen anhängig ist. Dort hat ein Mann 17 000 DM dadurch verloren, daß der Ortsgerichtsvorsteher ihn nicht ordentlich hat beraten können.

(Abg. Köppler: Das ist beim Notar auch passiert! — Weitere Zurufe.)

— Wie dem auch sei, wir sollten sehen, daß wir überall, wo diese Gefahr nicht besteht, zur amtlichen Beglaubigung übergehen, die die Verwaltungsbehörde vornehmen kann.
Ein Letztes: das In-die-Stadt-Fahren. Die Bundesnotarordnung sieht ausdrücklich vor, daß die Notare berechtigt und verpflichtet sind, Ortstermine zu halten. Bei uns in Norddeutschland ist es so, daß in jedem Dorf alle 14 Tage Markt- und Notartag ist. Der Notar kommt dann ins Dorf und hält dort am Markttag seine Sitzung, so daß der Weg zum Notar dann sogar kürzer ist als der zum Ortsgericht.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Keine Ahnung von den Verhältnissen draußen!)

Meine Damen und Herren, das nur als ein paar wichtige Bemerkungen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523307200
Das Wort hat der Kollege Busse.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12865
Vizepräsident Scheel
Ich darf noch einmal darauf aufmerksam machen, selbst vor der Abstimmung über dieses Gesetz unterbreche ich um 14 Uhr.

(Abg. Schulte: Herr Busse, wir bezweifeln die Beschlußfähigkeit des Hauses! Dann ist das Gesetz vom Tisch!)


Hermann Busse (FDP):
Rede ID: ID0523307300
Unter solchem Druck, wie er jetzt hier angekündigt ist — daß die Ablehnung dieses Antrags zur Folge hat, daß die Beschlußfähigkeit bestritten wird —, möchte ich die Dinge hier doch nicht stellen. Ich will nur noch sehr wenig sagen. Herr Kollege Lenz, ich habe während meines Lebens verschiedene Landesregierungen und Landesparlamente erlebt, zu denen ich kein Vertrauen hatte. Ich weiß auch nicht — dieses Gesetz soll nicht nur
für heute, sondern für lange Zeit gelten —, welche Landesregierungen und Landesparlamente es später geben wird und ob ich zu denen Vertrauen haben kann, um so weniger, als hier eine Ermächtigung erteilt werden soll, die doch einfach nicht mehr verständlich ist. Nicht mehr verständlich ist, daß man es einfach der Regierung überlassen will, mit öffentlicher Beurkundung „andere Personen und Stellen" zu beauftragen, ohne daß gesagt wird, welche Voraussetzungen hier vorliegen müssen, was geschehen sein muß usw.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Vom Landtag durch Gesetz!)

Der Bürgermeister X im Dorf Y kann durchaus ein tüchtiger Mann sein, aber der Bürgermeister im Dorfe Z kann der schlechteste Mann sein, den man dazu gebrauchen kann.

(Beifall bei der FDP.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523307400
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir werden über den Änderungsantrag der Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen, Erhard und Genossen auf Umdruck 653 abstimmen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU.) Damit ist nach § 61 ein § 61 a eingefügt.

Meine Damen und Herren, wir stimmen jetzt ab über die §§ 62, 63, 63 a, 64, 65, 66, 67, 68, Einleitung und Überschrift. Wer diesen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Diese Paragraphen sind einstimmig angenommen.
Wir kommen damit zur dritten Beratung.

(Abg. Dr. Jaeger: Zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung Herr Dr. Jaeger vor der dritten Beratung.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0523307500
Angesichts der Bedenken gegen eine Entscheidung, die eine Zufallsmehrheit in diesem Hause getroffen hat, widerspreche ich der dritten Beratung.

(Zurufe. — Abg. Rösing: Da hat er recht! — Abg. Jacobi [Köln] : Wem Sie damit einen Dienst erwiesen haben, das muß sich noch zeigen, Herr Dr. Jaeger!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523307600
Ich darf unterstellen, Herr Kollege, daß Sie die 10 Mitglieder, die das unterstützen, im Saale wissen. — Dann muß ich fragen: Wer unterstützt den Widerspruch von Herrn Kollegen Jaeger? — Das sind 7 Abgeordnete; die Unterstützung reicht nicht aus.

(Lachen bei Abgeordneten der Regierungsparteien.)

Wir müssen dann in die
dritte Beratung
eintreten. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, wer dem Gesetz als Ganzem — —

(Abg. Wagner: Zur Abstimmung!)

— Zur Abstimmung hat das Wort Herr Kollege Wagner.

(Zurufe.)


Dr. Leo Wagner (CSU):
Rede ID: ID0523307700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit dieses Hauses in dieser Lage und bitte, das festzustellen.

(Zuruf von den Regierungsparteien: Wir waren schon in der Abstimmung! — Weitere Zurufe.)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523307800
Meine Damen und Herren, dieser Antrag muß von fünf Mitgliedern des Hauses unterstützt werden. — Sechs Mitglieder unterstützen diesen Antrag.

(Zuruf von der SPD: So kann man das machen!)

Damit ist dieser Antrag ausreichend unterstützt.
Um die Beschlußfähigkeit des Hauses feststellen zu können, lasse ich über dieses Gesetz in dritter Lesung durch Auszählen abstimmen. Ich darf bitten, den Saal zu verlassen.
Meine Damen und Herren, es haben insgesamt 140 Mitglieder abgestimmt. Das Haus ist nicht beschlußfähig.
Ich hebe die Sitzung auf und berufe die nächste Sitzung mit der gleichen Tagesordnung ein auf heute 14.15 Uhr; der Punkt 19 wird von der Tagesordnung abgesetzt.
Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 14.09 Uhr.)

Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12867
233. Sitzung
Bonn, den 9. Mai 1969
Stenographischer Bericht
Beginn: 14.15 Uhr

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523307900
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.
Wir kommen zunächst zu den Punkten 20 bis 28 einschließlich.
Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Schober, Raffert, Dr. Lohmar, Dr. Mühlhan und Genossen betr. Postzeitungsgebühren
— Drucksache V/3903 —
Der Altestenrat schlägt Überweisung an den Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik — federführend — sowie an den Postausschuß vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
Beratung der Ubersicht 28 des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht
— Drucksache V/4145 —
Wer dieser Übersicht zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 22 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
eine Verordnung des Rates über eine Abweichung von den Bestimmungen der Verordnungen Nr. 160/66/EWG und Nr. 83/67/EWG für bestimmte, unter die Nummern 19.08 und 21.07 des Gemeinsamen Zolltarifs fallende Waren
eine Verordnung des Rates zur Festlegung
der Grunderzeugnismengen, bei denen davon
ausgegangen wird, daß sie zur Herstellung
der unter die Verordnung (EWG) Nr. .../69 fallenden Waren verwendet worden sind
— Drucksachen V/3901, V/3917, V/4139 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Steinmetz
Wer zustimmt, den bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 23 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (17. Ausschuß) über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für
eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Fleischextrakt, Hefeextrakt, Eiweißextrakt, Suppen- und Speisewürze, Brühen, Suppen und Fleischsoßen
eine Verordnung des Rates zur Festsetzung der Standardqualitäten für Weichweizen, Roggen, Gerste, Mais und Hartweizen
eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten
der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit bei den Tätigkeiten in der Landwirtschaft
eine Richtlinie des Rates über die Einzelheiten der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für die selbständigen landwirtschaftlichen Dienste
eine Verordnung des Rates betreffend die Herstellung und den Handel mit Fruchtsäften und gleichartigen Erzeugnissen
eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 825/68 und 986/68, hinsichtlich der Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke
eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, insbesondere aufgrund des Internationalen Getreideabkommens
eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse
eine Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung der monatlichen Zuschläge der Preise
12868 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, .den 9. Mai 1969
Vizepräsident Scheel
für Getreide und Mehl, Grütze und Grieß von Weizen oder Roggen für das Wirtschaftsjahr 1969/1970
eine Verordnung (EWG) des Rates zur Festsetzung des Schwellenpreises für Getreide für das Wirtschaftsjahr 1969/1970
— Drucksachen V/3526, V/3712, V/3844, V/3864,
V/3911, V/3975, V/3982, V/4016, V/4017, V/4150 —
Berichterstatter: Abgeordneter Bauknecht
Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe die Punkte 24 bis 28 auf:
24. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 4/69 — Angleichungszölle für Verarbeitungsweine) — Drucksachen V/4077, V/4130 —
Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
25. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 1/69 — Zollkontingent für Bananen)
— Drucksachen V/3870, V/4131 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene Verordnung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 6/68 — Zollaussetzungen und Zollkontingente für Tomaten usw.) — Drucksachen V/4076, V/4132 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Serres
27. Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen (15. Ausschuß) über die von der Bundesregierung erlassene
Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung
Neunzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
Achtzehnte Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung
— Drucksachen V/3919, V/4073, V/4054, V/4133—Berichterstatter: Abgeordneter Lange
28. Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses (14. Ausschuß) über die von der
Bundesregierung beschlossene Zweite Verordnung zur Einschränkung der Begünstigung des
§ 27 des Zollgesetzes
— Drucksachen V/3752, V/4151 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schwörer
Wer diesen Berichten zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt Punkt 1 auf:
Fragestunde
— Drucksache V/4156 —
Zunächst kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Ich rufe die Frage 99 des Abgeordneten Dr. Giulini auf:
Ist es der Bundesregierung möglich, von den Vertragspartnern in Sachen Atomsperrvertrag eine sogenannte Positivliste zu erhalten, die uns deutlich macht, was wir Deutschen nach einer eventuellen Unterzeichnung des Atomsperrvertrages noch tun dürfen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär Jahn.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523308000
Erstens. Nach der ersten klassischen amerikanischen Interpretationsregel befaßt sich der Nichtverbreitungsvertrag nur mit dem, was untersagt, nicht mit dem, was erlaubt ist. Untersagt ist, Kernwaffen — das bedeutet Bomben und Sprengköpfe — oder die Verfügungsgewalt darüber an irgendeinen Empfänger weiterzugeben. Er untersagt ferner die Weitergabe sonstiger Kernsprengkörper, weil ein für friedliche Zwecke bestimmter Kernsprengkörper als Waffe verwendet oder unschwer für eine derartige Verwendung hergerichtet werden kann. Diese Interpretation ist Teil der amerikanischen Gesetzgebungsgeschichte. Die Sowjets haben von ihr Kenntnis erhalten und ihr nach Kenntnis der Bundesregierung nicht widersprochen. Die Interpretation gilt im Hinblick auf alle Nichtverbreitungsvertragspartner. Sie würde auch in bezug auf Deutschland gelten. Versuche einer diskriminierenden Behandlung der Deutschen würde die Bundesregierung entschieden zurückweisen.
Zweitens. Nach der genannten Interpretation ist alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, erlaubt. Nach Auffassung der Bundesregierung gibt die Beschränkung auf die Verbote in Verbindung mit dem allgemeinen Schutzartikel 4 größere Sicherheit hinsichtlich der Freiheit von Forschung und Entwicklung sowie der ungehinderten Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke als eine detaillierte und zwangsläufig unvollkommene Beschreibung des Erlaubten. Die rasch fortschreitende technische Entwicklung während der Laufzeit des Vertrages von mindestens 25 Jahren ist nicht mit Sicherheit vorauszusehen. Eine Positivliste des Erlaubten könnte schon deswegen nicht erschöpfend sein. Sie ist nach Kenntnis der Bundesregierung auch von keinem entwickelten Industrieland zur Lösung etwa bestehender Probleme in Aussicht genommen worden.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12869
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
Drittens. Für in der Diskussion über den Nichtverbreitungsvertrag besonders erwähnte technologisch fortgeschrittene nukleare Tätigkeiten — wie des schnellen Brutreaktors oder des möglichen Reaktors der Zukunft, der auf der Basis der kontrollierten Kernfusion arbeiten könnte — hat der amerikanische Chefdelegierte in der Nichtverbreitungsdebatte der Vereinten Nationen am 15. Mai 1968 in einer Art illustrativer Positivliste erklärt, daß die genannten Tätigkeiten von den Verboten des Vertrages nicht betroffen sind. Die Bundesregierung hat das gleiche auf der Genfer Konferenz der Nichtkernwaffenstaaten im September 1968 erklärt. Diese Erklärung finden Sie in der Dokumentation des Presse- und Informationsamtes, Seite 25, Ziffer 7, abgedruckt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523308100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Giulini.

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0523308200
Herr Staatssekretär, wäre es zweckmäßig, daß die Bundesregierung von sich aus eine Positivliste an die Staaten, die Atomwaffen besitzen, einreicht, um festzustellen, ob das, was die Bundesregierung positiv aus dem Vertrag herausliest, auch die Meinung der Atomwaffenbesitzer ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523308300
Ich kann diese Frage nicht positiv beantworten, Herr Kollege. Denn eine Positivliste wäre eine indirekte Beschränkung aus den dargelegten Gründen. Deswegen sehe ich das nicht als eine hilfreiche Maßnahme an.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523308400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Giulini.

Dr. Udo Giulini (CDU):
Rede ID: ID0523308500
Herr Staastsekretär, Sie teilen also nicht meine Meinung, daß eine solche Positivliste, die von der Bundesregierung den atomwaffenbesitzenden Staaten vorgelegt würde, uns gegenüber doch ganz klar sagen könnte, wie weit die einzelnen unterschiedlichen Auffassungen der atomwaffenbesitzenden Staaten in bezug auf das Erlaubte in dem Atomwaffensperrvertrag gehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523308600
Ich teile Ihre Auffassung nicht. Ich glaube in der Tat, daß die Grundregel, daß alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist, weiter reicht.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523308700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0523308800
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, ob dieser Grundregel auch von seiten des sowjetischen Verhandlungspartners zugestimmt worden ist.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523308900
Ich kann im
Augenblick nicht sagen, ob es eine formale, d. h. eine in irgendeiner Form formalisierte Zustimmung gibt. Aber es ist die Grundregel des Vertrages, von der er ausgeht und an dessen Ausarbeitung die Sowjetunion bekanntlich maßgeblich beteiligt gewesen ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523309000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0523309100
Herr Staatssekretär, darf ich fragen: gibt es nicht aus früheren Verhandlungsstadien Bemerkungen der offiziellen sowjetischen Vertreter, daß alles verboten sei, was nicht ausdrücklich erlaubt sei?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523309200
Mir sind solche Äußerungen im Augenblick nicht geläufig. Ich will mich aber gern noch einmal vergewissern.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523309300
Wir kommen zu der Frage 100 des Herrn Abgeordneten Porsch:
Wird die Bundesregierung aus Anlaß des 75. Geburtstages von Rudolf HeB erneut Schritte bei den vier Gewahrsamsmächten unternehmen, um eine Freilassung dieses Gefangenen zu erreichen, dessen 29. Haftjahr nunmehr beginnt?
Zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Jahn das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523309400
Die Bundesregierung verspricht sich im Augenblick nichts von einem weiteren Schritt, weil leider nicht zu erwarten ist, daß die Regierung der UdSSR ihren bisherigen ablehnenden Standpunkt heute aufgeben und der Freilassung von Rudolf Hell zustimmen würde.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523309500
Herr Kollege Porsch, Zusatzfrage.

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0523309600
Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß eine weitere Inhaftierung von Rudolf Heß in keinem Verhältnis zu der Schuld steht, die Rudolf Heß möglicherweise vor seinem Flug nach England auf sich geladen hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523309700
Herr Kollege Porsch, das ist eine persönliche Bewertung. Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, hier von Amts wegen eine Bewertung eines Urteils vorzunehmen, das nun einmal die Grundlage für die Strafe bildet.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523309800
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Porsch.

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0523309900
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung der Ansicht, daß unabhängig von der Schuld, die Rudolf Heß möglicherweise auf sich geladen hat, eine weitere Inhaftierung allen Geboten der Menschlichkeit zuwiderläuft?
12870 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523310000
Herr Kollege Porsch, ich würde dies — entschuldigen Sie bitte — jedenfalls nicht als eine Frage von Schuld oder Nichtschuld bewerten, sondern einfach die Frage stellen: Ist dies eine Überlegung, die eine Begnadigung rechtfertigt, befinden wir uns bei dieser Frage in einer Situation, die eine Begnadigung rechtfertigen würde? Und da würde ich, ohne daß ich hier die Bundesregierung insgesamt ins Wort nehmen kann, für meine Person sagen: Nach den Maßstäben unseres Gnadenrechts wäre diese Frage wohl positiv zu beantworten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523310100
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Imle.

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0523310200
Herr Staatssekretär, Sie sprachen vorhin davon, es sei nicht zu erwarten, daß die Sowjetunion ihre Auffassung ändern würde. Ist denn die Bundesregierung nicht einmal bereit, von sich aus bei der Regierung der Sowjetunion wegen einer Freilassung des inhaftierten Herrn Heß vorstellig zu werden, um auf diese Art und Weise auch das Interesse unseres Landes an der Freilassung von Herrn Heß offen zu bekunden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523310300
Nachdem in den beiden letzten Jahren von den Mitgewahrsamsmächten sehr eindeutige formale Anträge in dieser Richtung vorgelegt und ebenso formal und eindeutig zurückgewiesen worden sind, kann sich die Bundesregierung von einem solchen Schritt nichts versprechen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523310400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Imle.

Dr. Wolfgang Imle (FDP):
Rede ID: ID0523310500
Herr Staatssekretär, könnte die Sowjetunion nicht eventuell aus der Tatsache, daß die Bundesregierung nicht selbst einen solchen Schritt unternimmt, schließen, daß die Bundesrepublik selber an einer Freilassung von Herrn Heß nicht interessiert ist, und könnte nicht deswegen allein ein solcher Schritt bereits eine für Herrn Heß günstige Aussage sein?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523310600
Zu einer solchen Schlußfolgerung gibt es nicht den mindesten Anlaß, zumal die Schritte, die seitens der Mitgewahrsamsmächte erfolgt sind, ja nicht im Gegensatz zu den Erwägungen der Bundesregierung stehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523310700
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0523310800
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung mit mir der Auffassung, daß die Verweigerung der Begnadigung im Widerspruch zu der von der sowjetischen Regierung immer wieder propagierten sowjetischen Humanität steht?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523310900
Das ist eine reine Frage der Wertung, und über solche Bewertungen hat die Bundesregierung bisher keine Meinung gebildet. Ich kann deswegen hier nicht für die Bundesregierung eine verbindliche Erklärung abgegen, aber ich darf meinerseits das sagen, Herr Kollege Kliesing, was ich soeben schon angedeutet habe. Nach unseren strafrechtlichen Vorstellungen, nach den Maßstäben unseres Gnadenrechts läge hier wohl ein Fall vor, bei dem — und dabei spielen natürlich im Gnadenrecht humanitäre Erwägungen immer eine entscheidende Rolle — ein Gnadenerweis nicht nur möglich, sondern wohl auch notwendig wäre.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523311000
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Kliesing.

Dr. Georg Kliesing (CDU):
Rede ID: ID0523311100
Ist es vielleicht möglich, daß die sowjetische Regierung zur Beibehaltung ihrer gegenwärtigen Einstellung dadurch ermutigt wird, daß es eine ähnliche Haltung der Verweigerung der Begnadigung auch noch in westlichen Staaten gegenüber dort befindlichen Kriegsverurteilten gibt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523311200
Das ist schwer zu beurteilen, inwieweit sich die Sowjetunion an anderen Fällen orientiert. Nur liegen die anderen Fälle, an die Sie offenbar denken, Herr Kollege Kliesing, in der Sache auch wesentlich anders, so daß ich von da her diese Verbindung nicht ohne weiteres herstellen würde.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523311300
Ich rufe dann die Frage 101 des Abgeordneten Porsch auf:
Ist es zutreffend, daß nach den Verwaltungsbestimmungen des Spandauer Gefängnisses die Vier-Mächte-Verwaltung beendet und das Gefängnis geschlossen werden muß, wenn einer der Gewahrsamsstaaten die Bewachung und die Zahlungen für das Gefängnis einstellt?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523311400
Die Vereinbarungen über das Spandauer Gefängnis sind zwischen den vier Mächten getroffen worden. Der Bundesregierung sind die Einzelheiten nicht bekannt. Aus den der Bundesregierung zugänglichen Unterlagen ist eine derartige Vereinbarung nicht ersichtlich.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523311500
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Porsch.

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0523311600
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht mit mir der Ansicht, daß — unabhängig vom Schicksal des Rudolf Heß — ein derartiger Aufwand, wie er in Spandau betrieben wird, für nur einen einzigen Gefangenen auf keinen Fall zu rechtfertigen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523311700
Der Aufwand ist jedenfalls außerordentlich hoch und ungewöhnlich,
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12871
Parlamentarischer Staatssekretär Jahn
und es ließe sich eine einfachere und auch praktikablere Regelung denken. Aber Sie wissen, Herr Kollege, daß es hier eine Grundlage in den Vier-
Mächte-Vereinbarungen gibt, die eben nur von allen vier Mächten im Einvernehmen geändert werden kann, und da scheinen die entscheidenen Schwierigkeiten zu liegen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523311800
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 102 des Abgeordneten Porsch:
Ist die Bundesregierung bereit, die Besatzungskosten und Zahlungen für das Spandauer Gefängnis, an denen sich bekanntlich die DDR nicht beteiligt, einzustellen, um auf diese Weise auf die Schließung des Spandauer Gefängnisses hinzuwirken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523311900
Die Kosten für das Gefängnis in Spandau werden vom Haushalt des Landes Berlin getragen. Rechtsgrundlage für diese, Zahlungen sind Anordnungen der Berliner Besatzungsmächte gegenüber Berlin. Eine Einstellung der Zahlungen durch das Land Berlin ist nicht möglich, weil dies einen Verstoß gegen das in Berlin noch fortgeltende Besatzungsrecht darstellen würde.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523312000
Eine Zusatzfrage, Herr Borsch.
Porsch (FDP)-: Herr Staatssekretär, wodurch ist es nach Ansicht der Bundesregierung gerechtfertigt, daß die Bundesrepublik diegesamten Besatzungskosten für das Spandauer Gefängnis trägt, während sich die DDR an diesen Kosten nicht beteiligt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523312100
Herr Kollege Porsch, ich verstehe diese Frage nach der Antwort, die ich eben gegeben habe, nicht ganz. Die Bundesrepublik trägt die Kosten nicht. Die Kosten trägt das Land Berlin auf Grund einer Vereinbarung der vier Mächte untereinander, die dem Land Berlin eine entsprechende Auflage gemacht haben. Dies ist eine Vier-Mächte-Entscheidung, auf deren Abänderung wir keinen Einfluß haben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523312200
Eine weitere Zusatzfrage.

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0523312300
Wie groß sind zur Zeit die Besatzungskosten, die die Bundesrepublik für das Spandauer Gefängnis aufbringen muß?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523312400
Die Bundesrepublik trägt keine Kosten für das Spandauer Gefängnis.

Werner Porsch (FDP):
Rede ID: ID0523312500
. . . die Berlin aufbringen muß!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523312600
Ich bin im Moment nicht ganz sicher. — Nein, die Frage kann ich Ihnen ziffernmäßig nicht beantworten. Es handelt
sich um anteilige Kosten. Ich will das gern noch nachprüfen und nachreichen. Es bedarf dazu der Rückfrage in Berlin.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523312700
Frage 103 des Abgeordneten Dr. Hofmann (Mainz) :
Muß der gegenwärtige völkerrechtliche Status der Tschechoslowakei auf Grund des Einmarsches ausländischer Truppen am 21. August 1968 und auf Grund der gegenwärtigen Verstärkung der sowjetischen Truppen in diesem Lande mit dem völkerrechtlichen Begriff „Protektorat” bezeichnet werden?
— Der Herr Abgeordnete ist nicht da. Die Frage wird schriftlich beantwortet.

(Abg. Burgemeister: Wird übernommen!)

— Also gut, im Wege des gütlichen Ausgleichs. Die Frage wird übernommen. Es ist eigentlich schon zu spät gewesen; aber die Übernahme ist hiermit genehmigt.
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523312800
Der völkerrechtliche Begriff des Protektorats kennzeichnet in der Staatenpraxis recht verschiedene Formen von Staatenverbindungen. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Protektorats gehört, daß die völkerrechtliche, außenpolitische Handlungsfähigkeit des Protektorats und damit dessen Souveränität als Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft ganz aufgehoben oder wesentlich eingeschränkt ist. In diesem Sinne ist die Tschechoslowakei auch nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts und ungeachtet der Stationierung sowjetischer Streitkräfte kein Protektorat im Sinne des Völkerrechts, weil ihre Souveränität formell nicht eingeschränkt ist und sie nach außen hin völkerrechtlich voll handlungsfähig geblieben ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523312900
Wir kommen damit zur Beantwortung der Fragen 16 und 17 des Herrn Abgeordneten Ertl:
Worauf sind nach Meinung der Bundesregierung die sich in letzter Zeit wieder häufenden Morde innerhalb von Exilgruppen im Münchener Raum zurückzuführen?
Was muß nach Ansicht der Bundesregierung getan werden, damit die Sicherungsorgane des Bundes, des Landes Bayern und der Stadt München solche Vorfälle aufklären können?
Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.

(Abg. Porsch: Die Fragen werden übernommen!)

— Ich bitte doch, wenn hier Fragen übernommen werden, dies vorher bei mir anzugeben, wie das nach der Geschäftsordnung üblich ist. Es wird nicht gefragt, ob sie übernommen werden. Die Fragen sind dann verfallen.

(Abg. Porsch: Herr Präsident, es ist von Herrn Ertl heute früh vor seinem Weggang gemeldet worden!)

— Mir ist davon nichts bekannt. Ich bitte darum, das dann für weitere Fragen zu tun. Die Fragen werden also von Herrn Abgeordneten Porsch übernommen.
12872 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523313000
Ich darf beide Fragen zusammen beantworten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523313100
Ich bitte darum.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523313200
Seit September 1967 wurden in der Bundesrepublik sieben serbische oder kroatische Emigranten ermordet, davon fünf in München. Die Ermordeten waren Angehörige von Exilorganisationen, des Verbandes der Angehörigen des ehemaligen serbischen Freiwilligenkorps „ZBOR", der Vereinigung „SMENA" und der „Kroatischen Befreiungsbewegung in Europa".
Bei dem zuletzt in München getöteten Serben wurden Bürstenabzüge eines Flugblattes in serbischkroatischer Sprache vorgefunden, was auf die Einleitung einer neuen Flugblattaktion gegen den jugoslawischen Staat hinweist.
Hinweise auf die Täter liegen — außer einer Personenbeschreibung und der Beschreibung eines benutzten Kraftfahrzeuges — bisher nicht vor.
Den Verfolgungsbehörden ist es bei ihren Vernehmungen außerdem kaum möglich, den Angehörigen der Exilgruppen Auskünfte zu entlocken. Es sind deshalb auch noch keine verwertbaren Rückschlüsse möglich, worauf diese Morde zurückzuführen sind.
Die Bundesregierung beobachtet die Vorkommnisse mit großer Sorge. Sie ist der Auffassung, daß alles getan werden muß, um diese Terroraktionen künftig zu unterbinden. Der Bundesminister des Innern hat bereits am 22. Dezember 1966 dem Bundeskriminalamt einen Auftrag gemäß § 4 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt zur Bekämpfung geheimbündlerischer und terroristischer Umtriebe jugoslawischer Personengruppen erteilt. Die Ermittlungen zur Aufklärung der Morde werden von den örtlichen Verfolgungsbehörden mit Unterstützung des Bundeskriminalamtes mit großer Intensität geführt.
Der Bundesminister des Innern hat ferner das Thema „ausländerrechtliche Maßnahmen gegen ausländische Teilnehmer an politischen kriminellen Gewaltaktionen" auf der gestrigen Konferenz der Innenminister der Länder zur Sprache gebracht, damit die ausländer- und sicherheitspolizeilichen Maßnahmen in den Ländern noch mehr intensiviert werden.
Eine auf der letzten Arbeitstagung der Leiter der zentralen Kriminalpolizeibehörden für die Bearbeitung von Staatsschutzsachen mit dem Bundeskriminalamt für technische Einzelfragen gegründete Unterkommission zur Bekämpfung terroristischer Aktionen hat ihre Tätigkeit bereits aufgenommen. Ich bin sicher, daß insbesondere die unmittelbar betroffenen Länder die letzten Vorfälle zum Anlaß nehmen werden, in verstärktem Maße gegen diese Terroraktionen vorzugehen. Die zuständigen Bundesbehörden werden den Ländern im Rahmen der verfassungsmäßigen Möglichkeiten jede Hilfe gewähren.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523313300
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 104 des Herrn Abgeordneten Dr. Becher:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die jugoslawische Geheimpolizei UDBA nach den in München durchgeführten Mordanschlägen auf die Kroaten Mile Rukavina, Kresimir Tolj, Vid Maricic und Mirko Curic und auf den Serben Ratko Obradovic weitere Anschläge, wie Zeugenaussagen bekundeten, auszuführen gedenkt?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523313400
Der Bundesregierung sind die gegen jugoslawische Emigranten in der Bundesrepublik begangenen Verbrechen bekannt. Die Bundesregierung verurteilt jede Gewaltanwendung auf ihrem Territorium, unabhängig davon, von welcher Seite sie begangen worden ist. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Unterlagen ist es den zuständigen Stellen bisher trotz intensiver Untersuchungen nicht gelungen, die in neuerer Zeit gegen kroatische Emigranten begangenen Gewalttaten aufzuklären und die Verantwortlichen zu ermitteln. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß jugoslawische Dienststellen beabsichtigen, Anschläge im Bundesgebiet auszuführen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523313500
Herr Kollege Dr. Becher, Zusatzfrage.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523313600
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß der in Berlin verhaftete UDBA-Agent Anton Petranovic gegenüber dem Berliner Polizeipräsidium eine unterschriebene Aussage gemacht hat, derzufolge er von der UDBA-Zentrale in Rijeka beauftragt war, den deutsch-kroatischen Arzt Dr. Jelić in Berlin sowie weitere in der Bundesrepublik lebende Kroaten zu ermorden, deren Namen er den Berliner Behörden zu Protokoll gab?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523313700
Die Einzelheiten dieses Vorgangs sind mir persönlich nicht bekannt, Herr Kollege Becher.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523313800
Könnte ich vielleicht schriftlich darüber Auskunft bekommen, zumal es sich um einen Mann handelt, der sechs Monate in Haft war und der darüber hinaus angeblich — ich bitte, das zu überprüfen — auch angegeben hat, daß der in München residierende Konsul oder Generalkonsul Dimitrijewitsch als der für die zur Zeit in der Bundesrepublik agierenden UDBA-
Agenten zuständige Chef gilt, welcher zehn oder zwölf Namen von Exilkroaten genannt hat, die noch ermordet werden sollen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523313900
Wer soll das gesagt haben?

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523314000
Dieser Anton Petranovic in schriftlicher Aussage gegenüber der Berliner Polizei.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12873

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523314100
Ich denke, dieser Fall bedarf sicher sehr sorgfältiger Klärung, insbesondere auch wegen der Vorwürfe, die hier gegen eine amtliche Vertretung eines Landes erhoben werden, mit dem wir diplomatische Beziehungen haben. Ich bin gern bereit, das aufzuklären, möchte die Gelegenheit aber benutzen, auf folgendes hinzuweisen. Auch gegenüber den Vertretungen des Staates Jugoslawien werden in erheblichem Umfang Gefährdungen beobachtet bzw. behauptet, die mindestens ebenso Anlaß zu Sorge geben wie das, was Sie hier zur Frage stellen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523314200
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schlager.

Manfred Schlager (CSU):
Rede ID: ID0523314300
Herr Staatssekretär, kann man gerade nach dem, was Sie zuletzt gesagt haben, die Vermutung völlig ausschließen, daß nach dem Tathergang, nach dem Cui bono und auch nach der Art der verwendeten Waffen doch eine offiziöse jugoslawische Institution hier mit im Spiel gewesen ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523314400
Ich kann mich an solchen Vermutungen schon deshalb nicht beteiligen, Herr Kollege Schlager, weil dieser Bereich leider in einem solchen Maße unübersichtlich ist, daß jede Vermutung einfach Glatteis ist, auf das man sich begibt. Hier ist von Vermutungen kaum eine Hilfestellung zu erwarten, weil nicht zuletzt unter den verschiedenen Organisationen selber offenbar heftige und auch in einer erkennbar verbrecherischen Weise ausgetragene Spannungen bestehen, hinter die man von außen nur sehr schwer leuchten kann.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523314500
Zusatzfrage, Herr Kollege Sänger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0523314600
Ist es nicht so, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung oder die ihr nachgeordneten Behörden oder die Behörden, die von ihr beobachtet werden und angeregt werden könnten, von selbst zugreifen würden, wenn sie solche Behauptungen erfahren, wie sie hier soeben aufgestellt worden sind? Bedarf es dazu erst der Anregung durch öffentliche Diskussionen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523314700
Sicherlich bedarf es solcher Anregungen nicht. Wenn solche schwerwiegenden Behauptungen aufgegriffen werden können, auf Grund von Vernehmungen oder wo auch immer sie sonst auftauchen, werden selbstverständlich die zuständigen Ermittlungsbehörden dieser Sache nachgehen, und soweit — wie in dieser Frage steckt — davon auch die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik betroffen werden, wird auch das Auswärtige Amt sich in solche Überlegungen einzuschalten haben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523314800
Weitere Zusatzfrage, Kollege Sänger.

Fritz Sänger (SPD):
Rede ID: ID0523314900
Finden Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß, wenn sich die Polizei in solche Ermittlungen eingeschaltet hat, es der Sache und dem Ansehen der Bundesrepublik nicht überaus dienlich ist, wenn die Dinge dann noch öffentlich diskutiert werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523315000
Es ist nicht meine Sache, hier eine Beurteilung abzugeben, Herr Kollege Sänger. Aber es ist sicher auch ein alter Erfahrungssatz, daß öffentliche Diskussionen den amtlichen Ermittlungen nicht immer sehr bekömmlich sind.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523315100
Frage 105 des Kollegen Dr. Becher:
Hat die Bundesregierung bei der Regierung in Belgrad Protest erhoben bzw. gedenkt sie das zu tun, nachdem offenbar feststeht, daß jugoslawische Konsulatsbeamte auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Mordanschläge anregten bzw. selber durchführten?
Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523315200
Da die für die Gewalttaten Verantwortlichen bisher nicht bekannt sind, sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, bei der jugoslawischen Regierung in Belgrad Protest zu erheben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523315300
Zusatzfrage, Herr Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523315400
Ist der Bundesregierung aus dem 1967 in Stuttgart geführten Prozeß Goreta bekannt, daß dieser dort Verurteilte von dem in Stuttgart wirkenden Konsul Milanović Waffen mit dem Auftrag, Exilkroaten zu ermorden, erhielt und diese sogar mit dem Hinweis auf diesen Auftrag der deutschen Polizei in Karlsruhe übergab?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523315500
Ich kann mir diese Unterstellungen, von denen Sie hier ausgehen, nicht zu eigen machen, Herr Kollege Becher. Aber aus der Tatsache, daß ein Protest irgendeiner Art seitens der Bundesregierung nicht erfolgt ist, muß ich die Schlußfolgerung ziehen, daß Ihre Annahme nicht zutrifft. Die Bundesregierung würde selbstverständlich in einem solchen Falle das Notwendige tun, um die mißbräuchliche Benutzung der Position eines diplomatischen oder konsularischen Vertreters in gehöriger Form zurückzuweisen bzw. weitergehende Konsequenzen daraus zu ziehen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523315600
Weitere Zusatzfrage, Kollege Becher.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523315700
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir der Überzeugung,
12874 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Dr. Becher (Pullach)

daß wir, wenn wir andere, ähnliche Fälle von Unrechtstatbeständen — ich denke an die südkoreanische Problematik — aufdecken, auch hier nicht nur das Recht, sondern die Pflicht haben, auch Anfragen nach Zusammenhängen zu stellen, die nach den Mordtaten der letzten Wochen und Monate allenthalben als bedenklich erscheinen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523315800
Niemand wird daran denken, Ihr Fragerecht zu bestreiten, Herr Kollege Becher.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523315900
Wir kommen zur Frage 106 des Abgeordneten Dr. Becher:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland den fortlaufenden Mordanschlägen auf Kroaten und andere aus Jugoslawien stammende Volksangehörige Einhalt zu gebieten?
Bitte, Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523316000
Die vorbeugende Bekämpfung strafbarer Handlungen fällt in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Der Bundesminister des Innern hat aber angeordnet, daß die Sicherheitsbehörden des Bundes für die Verhütung von Mordanschlägen und Terrorakten gegen aus Jugoslawien stammende Volksangehörige jede erdenkliche Hilfe leisten. Ich darf im übrigen auf das verweisen, was ich als Antwort auf die Frage des Kollegen Ertl dazu schon ausgeführt habe.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523316100
Zusatzfrage, Herr Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523316200
Herr Staatssekretär, darf ich Sie fragen, ob nicht vielleicht die Aufhebung der Visumpflicht die Überwachung und Kontrolle möglicher Grenzgänger erschwert oder ob Ihrer Meinung nach dieses Problem mit der Verhütung der hier besprochenen Mordwelle nichts zu tun hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523316300
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Aufhebung der Visumpflicht in dieser Frage eine wirklich spürbare Veränderung herbeiführt. Darüber sollte doch wohl kaum ein Zweifel bestehen, daß derjenige, der, um hier eine Straftat zu begehen oder aus welchen Gründen auch immer, den Weg einer illegalen Einreise in die Bundesrepublik sucht, ihn auch finden wird. Dagegen bieten Visa in unserer Zeit doch keinen Schutz mehr.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523316400
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Dr. Becher.

Dr. Walter Becher (CSU):
Rede ID: ID0523316500
Darf ich zuletzt fragen: Ist seitens der Bundesregierung bzw. des zuständigen Ministeriums eine zentrale Mordkommission ähnlich wie in anderen Fällen eingesetzt worden, um der raschen Aufklärung der Ereignisse aus den letzten Tagen und Wochen, auch des Düsseldorfer Falles von vorgestern, Genüge zu tun?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523316600
Ich habe bereits vorhin darauf hingewiesen, Herr Kollege Becher, daß der Herr Bundesinnenminister gemäß § 4 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt Anweisung gegeben hat, daß das Bundeskriminalamt unmittelbar in die Ermittlungs- und Verfolgungsarbeit eingeschaltet wird. Die Länderbehörden werden in engem Zusammenhang mit dem Bundeskriminalamt diese Fragen untersuchen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523316700
Ich rufe die Fragen 107, 108 und 109 des Herrn Abgeordneten Bäuerle auf:
Hält die Bundesregierung eine alsbaldige Ratifizierung des deutsch-jugoslawischen Abkommens, das die sozialen und rechtlichen Fragen der in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten jugoslawischen Gastarbeiter betrifft, für notwendig?
Hat die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien dieses Abkommen bereits ratifiziert?
Wenn die Frage 108 bejaht wird, wann ist zeitlich nach Meinung der Bundesregierung mit unserer Ratifizierung zu rechnen?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 110 des Abgeordneten Dr. Abelein:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Einwohner West-Berlins von einer Mitgliedschaft in der neu gegründeten „Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion" laut Satzung dieser Gesellschaft ausgeschlossen sind?
Ist Dr. Abelein im Saal? — Heir Staatssekretär, bitte l

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523316800
Die Satzung der Gesellschaft ist der Bundesregierung bekannt. § 3 sagt über den Erwerb der Mitgliedschaft lediglich folgendes:
Mitglieder können Einzelpersonen und juristische Personen werden. Förderer und Freunde der Gesellschaft können solche Personen werden, die, ohne Mitglied zu sein, die Gesellschaft ideell und finanziell unterstützen.
Die Mitgliedschaft wird erworben durch schriftliche, von zwei Mitgliedern unterstützte Beitrittsanträge; über den Antrag entscheidet das Präsidium durch Beschluß. Gegen einen ablehnenden Beschluß kann der Antragsteller innerhalb eines Monats Einspruch beim Kuratorium einlegen, das endgültig entscheidet.
Die Satzung enthält keine Bestimmung, in der gesagt wird, daß Einwohner West-Berlins von der Mitgliedschaft ausgeschlossen sind.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523316900
Zusatzfrage.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0523317000
Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich dann Pressemeldungen, nach denen Bewohner West-Berlins von der Mitgliedschaft dieser Gesellschaft ausgeschlossen sein sollen?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12875

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523317100
Der Bundesregierung ist zwar eine Meldung des „Rheinischen Merkur" in diesem Sinne bekannt. Es ist ihr jedoch nicht bekannt, ob sie zutrifft und wie der „Rheinische Merkur" darauf gekommen ist. Die Bundesregierung hat auch keine Möglichkeit, eine private Vereinigung zu veranlassen, bestimmte Mitglieder aufzunehmen und Gäste einzuladen. Allerdings würde sie in ihrem Verhalten einer privaten Vereinigung gegenüber die gebotenen Konsequenzen ziehen, wenn sich herausstellen sollte, daß sie deutsche Staatsbürger, die in West-Berlin wohnhaft sind, diskriminiert.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523317200
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Abelein.

Dr. Manfred Abelein (CDU):
Rede ID: ID0523317300
Würde die Bundesregierung in einem ähnlichen Fall, unterstellt, eine solche Pressemeldung wäre richtig, offen ihre Mißbilligung über eine derartige Regelung, sei es auch bei einer privaten Gesellschaft, aussprechen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523317400
Ich hätte keine Bedenken dagegen, daß die Bundesregierung in einem solchen allerdings jetzt sehr hypothetischen Fall ihre Auffassung nicht nur sagt, sondern auch in ihrem übrigen Verhalten gegenüber einer solchen Vereinigung deutlich machte.
Ich muß nur noch einmal betonen, Herr Kollege Abelein: Die Meldung des „Rheinischen Merkur" war bekannt. Aber es ist, da bisher keine Tatsachen in irgendeiner Weise bekanntgeworden sind, nicht ersichtlich, ob das gerechtfertigt wäre. Deswegen habe ich allen Anlaß, gegenüber der damit aufgeworfenen Frage äußerste Zurückhaltung an den Tag zu legen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523317500
Wir kommen dann zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern, zunächst zur Frage 4 des Abgeordneten Nellen:
Was gedenkt die Bundesregierung zur Beseitigung des sozialen Unrechts zu tun, das durch die unterschiedliche Vergütung bei der Beschäftigung von Boten und Pförtnern im Arbeits-, Angestellten- und Beamtenverhältnis entstanden ist und monatliche Unterschiede bis zu 250 DM ergibt?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Bundesminister Benda.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523317600
Falls der Herr Kollege Nellen einverstanden ist, Herr Präsident, würde ich gern 'die Fragen 4 bis 6 zusammen beantworten.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523317700
Ja, bittel Dann rufe ich noch die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Nellen auf:
Kann nicht in absehbarer Zeit eine Verbeamtung aller Boten und Pförtner angestrebt werden?
Warum wurde die Übernahme in das Angestelltenverhältnis nach dem Tarifvertrag vom 1. August 1968 durch eine Begrenzung auf Bedienstete über 50 Jahre und 60 % der gesamten Gruppe fast unmöglich gemacht und damit die jüngeren Bediensteten gezwungen, wegen der im öffentlichen Dienst niedrigeren Löhne in besser bezahlte Stellen abzuwandern, und einer Überalterung dieser Gruppen Vorschub geleistet?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523317800
Ich muß zunächst feststellen, daß bei der unterschiedlichen Vergütung der Boten und Pförtner, je nachdem, ob sie als Arbeiter, Angestellte oder Beamte beschäftigt werden, keineswegs von einem „sozialen Unrecht" gesprochen werden kann. Boten und Pförtner üben — das wird von keiner Seite bestritten — eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit aus. Sie sind daher grundsätzlich als Arbeiter einzustellen und dann in die Lohngruppen einzureihen, nach denen auch alle anderen ungelernten Arbeiter entlohnt werden. Eine generelle Übernahme aller Boten und Pförtner in das Beamtenverhältnis ist aus beamtenrechtlichen und personalwirtschaftlichen Gründen nicht möglich.
Um gleichwohl bewährten Kräften, die die Voraussetzungen für die Berufung in das Beamtenverhältnis nicht erfüllen, einen Aufstieg zu eröffnen, haben die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit geschaffen, Boten und Pförtner nach dreijähriger Beschäftigung in das Angestelltenverhältnis nach Vergütungsgruppe X zu übernehmen und sie nach zweijähriger Bewährung in die Vergütungsgruppe IX b höherzugruppieren.
Die Bezüge der Boten und Pförtner im Angestellten- und Beamtenverhältnis weisen keine nennenswerten Unterschiede auf. Unterschiede ergeben sich dagegen zwischen den im Arbeiterverhältnis und den im Angestellten- oder Beamtenverhältnis beschäftigten Boten oder Pförtnern, dies aber nur in einem höheren Lebensalter. Dabei kann es sich in Einzelfällen höchstens um einen Unterschiedsbetrag von rund 150 DM handeln. Die Bundesregierung ist bemüht, diesen Auswirkungen durch eine vermehrte Übernahme von Boten und Pförtnern in das Angestelltenverhältnis zu begegnen.
Nachdem im vergangenen Jahr bereits der Anteil der in das Angestelltenverhältnis zu übernehmenden Boten und Pförtner mit Zustimmung des Haushaltsausschusses dieses Hohen Hauses von 40 auf 60 v. H. angehoben worden ist, habe ich im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen unter dem 21. April 1969 die bisherige Altersgrenze von 50 Jahren für die Übernahme in das Angestelltenverhältnis aufgehoben. Damit wird nunmehr auch qualifizierten jüngeren Arbeitern eine Aufstiegsmöglichkeit gegeben. Ich gehe davon aus, daß diese Maßnahme zu einer wesentlichen Verbesserung der Situation führt.
Im übrigen teile ich aber nicht Ihre Auffassung, daß die bisher geltende Regelung die jüngeren Bediensteten gezwungen hat, aus dem öffentlichen Dienst abzuwandern. Gerade der jüngere Arbeiter verdient als Bote oder Pförtner eher mehr als der vergleichbare Beamte.

Peter Nellen (SPD):
Rede ID: ID0523317900
Ich danke Ihnen, Herr Minister.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523318000
Zusatzfrage, Kollege Westphal.
12876 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0523318100
Herr Minister, ich habe mich im vergangenen Jahr im Haushaltsausschuß um diese Sache bemüht und freue mich, daß Sie darauf hingewiesen haben, daß dort schon diese Erhöhung von 40 auf 60 % gebilligt worden ist. Meine Frage ist, ob Ihr neuer Schnellbrief, durch den Sie diese Altersgrenze aufgehoben haben, nun auch zur Folge hat, daß es keine 60 %-Grenze für den Übergang vom Arbeiterverhältnis in das Angestelltenverhältnis mehr gibt. Oder besteht diese nach meiner Meinung ungute Grenze noch weiter?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523318200
Dies ist eine Frage, Herr Westphal, die ich aus dem Handgelenk nicht zu beantworten vermag. Ich will ihr gerne nachgehen und Ihnen dann eine Mitteilung zukommen lassen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523318300
Eine weitere Zusatzfrage.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0523318400
Würden Sie diese Überprüfung mit der Tendenz vornehmen, die Grenze noch weiter nach oben zu drücken und möglichst ganz aufzuheben, wie dies im Haushaltsausschuß von mir und anderen Kollegen mehrfach gefordert worden ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523318500
Ich bestätige gerne, daß ich tendenziell — bitte legen Sie mich jetzt nicht auf absolute Prozentzahlen fest; so weit kann ich im Augenblick nicht gehen — der Ihrer Frage zugrunde liegenden Auffassung zustimme.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523318600
Ich rufe dann die Fragen 7, 8 und 9 des Abgeordneten Haase (Kellinghusen) auf:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, mit Erlaß vom 20. Dezember 1968 rückwirkend ab 1. Oktober 1968 die Zahlung einer Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten für Besoldungsempfänger (Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit und Beamte) anzuordnen, womit Wehrpflichtige, die den gleichen Dienst leisten, von dem Anspruch auf diese Zulage ausgeschlossen sind?
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß der o. a. Erlaß eine weitere Verschärfung der Wehrungerechtigkeit bedeutet in einer Zeit, in der Parlament und Regierung gemeinsam dabei sind, die Wehrungerechtigkeit unter den Wehrpflichtigen und zwischen Wehrpflichtigen und Besoldungsempfängern abzubauen und auszugleichen?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Kommandeure von Bundeswehreinheiten, in denen Dienst zu ungünstigen Zeiten geleistet wird, besorgt sind durch eine zunehmende Unruhe bei den Wehrpflichtigen, die im Gegensatz zu den Zeit- und Berufssoldaten für diesen besonderen Dienst nicht besonders entschädigt werden?
Die Fragen werden im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Benda vom 9. Mai 1969 lautet:
Die Einführung der Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten wurde ausgelost durch eine entsprechende, auf besonderer Rechtsgrundlage beruhende Zulageregelung für die Beamten der Bundesbahn und der Bundespost. Die in diesem Bereich schon seit längerer Zeit bestehende Regelung war auf Grund eines Ersuchens dieses Hohen Hauses vom 23. 6. 1965 mit Wirkung vom 1. 1. 1966 erheblich verbessert worden. Die Verbesserung stand im Zusammenhang mit einer Änderung des Arbeitszeitrechts für Bundesbeamte.
In die ab 1. 10. 1968 im gesamten Bundesbereich geltende Zulageregelung mußten die Berufssoldaten und die Soldaten auf Zeit mit einbezogen werden, weil diese den Beamten besoldungsrechtlich grundsätzlich gleichgestellt sind. Für die Bezüge der Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, gelten völlig andere Regelungen. Wegen dieser grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Recht der Wehrsoldempfänger und dem der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit können aus den
Regelungen des einen Bereichs Folgerungen für den anderen nicht gezogen werden.
Im übrigen darf ich bemerken, daß die Zulageregelung der Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestages bedurfte. Im Haushaltsausschuß, der sich sehr eingehend mit der Ausgestaltung der Regelung befaßt hat, stand gerade die Frage der Einbeziehung des Wehrbereichs im Mittelpunkt der Erörterungen.
Bei den Erörterungen zur Wehrgerechtigkeit geht es um das Problem, wie ein Ausgleich dafür geschaffen werden kann, daß nur ein Teil der Wehrpflichtigen zum Wehrdienst einberufen wird. Die Verbesserung der Wehrgerechtigkeit hat nicht zum Ziel, die Rechtsstellung der Wehrsoldempfänger an die der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit anzugleichen.
In diesem Zusammenhang darf ich jedoch daran erinnern, daß gerade in letzter Zeit zugunsten der Wehrsoldempfänger verschiedene Verbesserungen wirksam geworden sind, die durch weitere Maßnahmen ergänzt werden sollen. Hierbei ist insbesondere zu erwähnen die Verdoppelung des Entlassungsgeldes, die Verbesserung des Unterhaltssicherungsgesetzes und die vorgesehene Erhöhung des Wehrsoldes.
Es ist richtig, daß von Wehrsoldempfängern der Wunsch geäußert wird, in die Zulageregelung einbezogen zu werden. Hierbei wird jedoch übersehen, daß die Zulage den Berufssoldaten und den Soldaten auf Zeit auf Grund ihrer andersartigen Rechtsstellung, die Ausfluß ihrer auf längere Dauer eingegangenen Verpflichtung ist, gewährt wird.
Dann rufe ich die Frage 10 des Abgeordneten Exner auf:
Wann gedenkt die Bundesregierung zum Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes jene Ausführungsbestimmungen zu erlassen, die nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes durch den Bundesinnenminister mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen sind?
Die Frage wird im Einverständnis mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Köppler vom 7. Mai 1969 lautet:
Das Gesetz über die Erweiterung des Katastrophenschutzes (KatSG) hat zum Ziel, den friedensmäßigen Katastrophenschutz und den Luftschutzhilfsdienst zu einem einheitlichen Instrument für Friedenskatastrophen und für den Verteidigungsfall zu verschmelzen. Solche einschneidenden Organisationsänderungen können nur schrittweise vollzogen werden.
Der künftige Katastrophenschutz hat in den Kommunen, den Ländern und dem Bund verschiedene Träger, so daß eine sorgfältige Abstimmung zwischen diesen Stellen unter Beteiligung der mitwirkenden Organisationen erforderlich ist.
Bevor Neuregelungen des einheitlichen Katastrophenschutzes endgültig in Kraft gesetzt werden, sollen sie erst in der Praxis erprobt werden. Diesen Gedanken entsprechend sind bereits eine Reihe vorläufiger Ausführungsvorschriften zum Katastrophenschutzgesetz erlassen worden.
Durch Runderlaß vom 31. Juli 1968, knapp 3 Wochen nach Inkrafttreten des Gesetzes, an die Länder und mitwirkenden Organisationen wurde der Einsatz des Luftschutzhilfsdienstes zur Verstärkung des friedensmäßigen Katastrophenschutzes und die Weiterführung der Einheiten in der Übergangszeit geregelt. Drei Runderlasse zu § 8 Abs. 2 KatSG regeln die Freistellung der Helfer des Katastrophenschutzes vom Wehrdienst nach einheitlichen Grundsätzen. Dabei wurde vorgesehen, daß bis zum Abschluß der Vereinbarung zwischen dem Bundesminister der Verteidigung und dem Bundesminister des Innern über den Kräfteausgleich die Belange der Bundeswehr berücksichtigt werden. Als nächste Maßnahme zur Durchführung des Katastrophenschutzgesetzes und erster Schritt zur Einordnung des Luftschutzhilfsdienstes in den Katastrophenschutz sollen die LSHD-Einheiten auf die Kreisebene übergeleitet werden. Damit wird ein wichtiges Ziel des Katastrophenschutzgesetzes, das Hilfspotential auf der Kreisebene zu koordinieren, erreicht. Diese Überleitung ist bereits mit den Ländern abgestimmt. Die entsprechende Überleitungsweisung ist im Mai d. J. zu erwarten.
Weitere Teilgebiete des Gesetzes, die beim schrittweisen Vollzug des Gesetzes in Kürze vorläufig und probeweise geregelt werden sollen, sind die Mitwirkung privater Katastrophenschutzorganisationen (§ 1 Abs. 2 KatSG) und die Bildung von Stäben bei den Hauptverwaltungsbeamten (§ 7 Abs. 3 KatSG).
Wegen weiterer Einzelheiten darf auf die schriftliche Antwort zu der weitergehenden Anfrage des Herrn Kollegen Ertl verwiesen werden, die im Protokoll der 227. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 23. April 1969 als Anlage 30 abgedruckt ist.
Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Dorn auf:
Hält die Bundesregierung die auf der „Arbeitstagung über Grundlagenforschung und Kriminalpolizei" in Wiesbaden erhobenen Vorwürfe über eine Bankrotterklärung des Bundeskriminalamtes bzw. dessen nicht mehr gegebene Funktionsfähigkeit für berechtigt?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Opitz übernommen.
Herr Bundesminister, bitte!
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12877

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523318700
Vom 21. bis 25. April 1969 hat das Bundeskriminalamt eine Arbeitstagung über „Grundlagenforschung und Kriminalpolizei" veranstaltet. Auf dieser Arbeitstagung hat der Leiter der „Arbeitsgruppe elektronische Datenverarbeitung" beim BKA, Diplom-Mathematiker Rouette, über „Probleme der elektronischen Datenverarbeitung für den Bereich des Bundeskriminalamtes" referiert.
Er hat dabei u. a. ausgeführt, daß auf Grund der bisher angestellten Untersuchungen davon ausgegangen werden könne, daß für die Auswertungstätigkeit im Bundeskriminalamt die elektronische Datenverarbeitung gegenüber der bisherigen konventionellen Methode insoweit Vorteile bietet, als mit Hilfe der Datenverarbeitung in fast beliebigem Umfang Informationen mehrdimensional verknüpft werden können, die Auswertung also intensiviert werden kann.
Die Bundesregierung hat in ihren Berichten an den Bundestag über das Bundeskriminalamt mehrfach, zuletzt in dem Bericht vom 30. Januar dieses Jahres, darauf hingewiesen, daß auf Grund der bisher gewonnenen Erkenntnisse die Einführung eines allgemeinen kriminalpolizeilichen Informations- und Auskunftssystems beim BKA verwirklicht werden soll, daß dafür aber erhebliche personelle und materielle Aufwendungen notwendig sind.
Ich halte es im übrigen für falsch, einer Behörde gegenüber den Vorwurf der Bankrotterklärung zu einem Zeitpunkt zu erheben, in dem sie sich anschickt, die neuesten technischen Erkenntnisse in ihrem Bereich einzuführen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523318800
Eine Zusatzfrage, Kollege Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0523318900
Herr Minister, können Sie annähernd sagen, wann oder in welchem Zeitablauf die Bundesregierung bereit ist, aus diesen Arbeitstagungen die Konsequenzen zu ziehen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523319000
Ich darf Sie freundlicherweise und der Kürze halber, Herr Kollege Opitz, auf die wiederholten Berichte über das Bundeskriminalamt verweisen, zu denen ja das Hohe Haus aufgefordert hat. Der letzte ist — wie gesagt — am 30. Januar 1969 erschienen. Dort ist gerade diese Frage sehr eingehend beantwortet worden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523319100
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0523319200
Herr Minister, teilen Sie demnach die Meinung von Generalbundesanwalt Martin, der laut dpa in bezug auf Lebach erklärt hat, daß das Verfahren gezeigt habe, daß die Bundesrepublik eine Polizeibehörde brauche, die fachlich und personell gut ausgestattet sei und über die neueste Technik verfüge?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523319300
Dem, was Generalbundesanwalt Martin gesagt hat, ist überhaupt nicht entgegenzutreten. Er hat damit eine bloße Selbstverständlichkeit ausgesprochen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523319400
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 12 des Abgeordneten Dorn:
Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Hamburger Kriminaldirektors Bertling, daß das Bundeskriminalamt die Chance vertan habe, Zentrale der Verbrechensbekämpfung in Deutschland zu sein?
Die Frage wird von Herrn Abgeordneten Opitz übernommen.
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523319500
Aufgabe und Stellung des Bundeskriminalamtes richtet sich nach dem Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes (Bundeskriminalamtes) vom 8. März 1951. Danach ist es wesentliche Aufgabe des Bundeskriminalamtes, Nachrichtensammel- und Auswertungsstelle für die Kriminalpolizei zu sein. Das Bundeskriminalamt ist nach diesem Gesetz also nicht „Zentrale der Verbrechensbekämpfung". Angesichts der Verfassungslage, nach der die Polizeihoheit Sache der Länder ist, könnte das Bundeskriminalamt einen solchen Führungsanspruch nach geltendem Recht nur unter Verletzung der Vorschriften des Grundgesetzes geltend machen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523319600
Zusatzfrage, Kollege Opitz.

Rudolf Opitz (FDP):
Rede ID: ID0523319700
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß es besser wäre, wenn das Bundeskriminalamt solch einen Führungsanspruch hätte?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523319800
Der Inhalt der Vorstellungen der Bundesregierung zu diesem Fragenkomplex ergibt sich aus dem, was in öffentlichen Anhörungen im Innenausschuß erklärt worden ist. Im übrigen wissen Sie natürlich, Herr Kollege Opitz, daß dem Innenausschuß entsprechende Initiativentwürfe des Hohen Hauses vorliegen, von denen ich wohl sagen darf, daß sie inhaltlich und auch in den Formulierungen durch mein Haus wesentlich beeinflußt worden sind, was zweifellos nicht die besondere Qualität hervorheben soll, sondern das hohe Maß an inhaltlicher Übereinstimmung.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523319900
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 13 des Abgeordneten Regling:
Besteht bei den Bundesbehörden ein grundsätzliches Einstellungsverbot für Diabetiker?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523320000
Ein Verbot, Diabetiker einzustellen, besteht nicht.
Zur Einstellung in den öffentlichen Dienst wird von den Bewerbern allgemein verlangt, daß sie für ihren Dienst geeignet sind. Hierzu gehört natürlich auch die körperliche Tauglichkeit. Nach den Er-
12878 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Bundesminister Benda
kenntnissen der medizinischen Diabetes-Forschung kommen für eine Aufnahme in den öffentlichen Dienst auch arbeitsfähige Diabetiker in Betracht, deren Stoffwechselstörung ohne und mit Insulin gut einstellbar ist und bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, daß ihre Arbeitsfähigkeit bis zum normalen Ruhestandsalter erhalten bleibt. Natürlich muß die Einstellbarkeit durch eine ärztliche Begutachtung individuell geklärt werden. Allerdings eignen sich — vor allem in den Betriebsverwaltungen — nicht alle Dienstposten für solche Bewerber.
Auf die grundsätzliche Verwendbarkeit von Diabetikern im öffentlichen Dienst hat mein Haus bereits mit Rundschreiben vom 4. September 1959 an die obersten Bundesbehörden ausdrücklich hingewiesen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523320100
Dann die Beantwortung der Anfrage 14 des Abgeordneten Regling:
Trifft es zu, daß die Bundesbehörden gehalten sind, Diabetiker aus dem Staatsdienst zu entlassen, selbst wenn die Ursache zur Diabetes auf einen Dienstunfall zurückzuführen ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523320200
Herr Kollege, auch Ihre Annahme zur Frage 14 trifft nicht zu.
Für die Versetzung in den Ruhestand oder die Entlassung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit ist es grundsätzlich unerheblich, worauf die Dienstunfähigkeit beruht. Entsprechendes gilt für die Fälle der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses infolge Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Für Diabetiker gibt es insoweit keine sie benachteiligenden Sonderregelungen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523320300
Zusatzfrage, Herr Kollege Regling.

Karl Regling (SPD):
Rede ID: ID0523320400
Herr Minister, ist Ihnen nicht bekannt, daß nach den Mitteilungen, die laufend vom Deutschen Diabetikerbund bekanntgegeben werden, in der Praxis genau das Gegenteil von dem der Fall ist, was Sie eben unter Hinweis auf Ihre Durchführungsverordnung dargelegt haben?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523320500
Herr Kollege Regling, die rechtliche Situation ist in der Tat so, wie ich es hier dargestellt habe. Wenn die Behauptung erhoben werden sollte, daß die Praxis davon abweicht, scheint mir der einzige Weg, die Berechtigung einer solchen eventuellen Behauptung aufzuklären, die Angabe von Einzelfällen, für die ich sehr dankbar wäre. Erst die Prüfung des Einzelfalles könnte ergeben, ob ein solcher Vorwurf zu Recht erhoben wird.

(Abg. Regling: Die will ich Ihnen gerne nachreichen!)


Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523320600
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 15 des Kollegen Regling:
Hält die Bundesregierung es für richtig, daß z. B. die Deutsche Bundesbahn einem von ihr geförderten Studenten nicht nur die zugesagte Einstellung als Inspektoranwärter und Übernahme als Ingenieur verweigert, sondern auch noch 10 000 DM Ausbildungshilfe zurückfordert, nachdem nach einer Erkrankung des jungen Mannes bei einer Nachuntersuchung Diabetes festgestellt wurde?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523320700
Herr Kollege Regling, auch zu dieser Frage muß ich sagen, daß sie sich ohne genaue Kenntnis des konkreten Einzelfalles, an den Sie denken, nicht allgemein beantworten läßt, da es hierbei entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung der Darlehensvereinbarung ankommt. Ich wäre daher ebenfalls dankbar, wenn auch insoweit der Vorgang zu einer Nachprüfung in den Einzelheiten mitgeteilt werden könnte.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523320800
Zusatzfrage, Herr Kollege Regling. .

Karl Regling (SPD):
Rede ID: ID0523320900
Herr Minister, es ist Ihnen doch sicherlich bekannt, daß die neuesten Forschungen auf diesem Gebiete im allgemeinen zu der Beurteilung kommen, daß eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr begründet ist und es somit doch wohl zweckmäßig wäre, die Tauglichkeitspflichten, insbesondere in § 28, einer Überprüfung zu unterziehen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523321000
Ich habe bereits in meiner Antwort auf die Frage 13 gesagt, daß wir nach dem Rundschreiben bereits aus dem Jahre 1959 von dem Prinzip der Arbeitsfähigkeit ausgehen, die natürlich im Einzelfall genauso nachgeprüft werden muß, wie es bei jedem Bewerber für den öffentlichen Dienst der Fall ist, der zunächst einmal arbeitsfähig erscheint und bei dem keine besonderen Gründe für die Annahme vorhanden sind, daß er nicht arbeitsfähig ist, der aber dennoch einer ärztlichen Untersuchung im Hinblick auf die Anforderungen in der betreffenden Stelle unterzogen wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523321100
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Regling.

Karl Regling (SPD):
Rede ID: ID0523321200
Herr Minister, auf Grund der auftretenden Schwierigkeiten in der Praxis darf ich doch noch einmal fragen — dankenswerterweise werden ja mit öffentlichen Mitteln Frühuntersuchungen veranlaßt, um bei dem Erkrankten möglichst frühzeitig Diabetes festzustellen —: Wäre es nicht zweckmäßig, auch Überlegungen anzustellen, was mit den Menschen, die an dieser Krankheit leiden, nachher im Arbeitsprozeß geschehen kann, um nicht nachher in der Praxis dauernd auf ablehnende Bescheide zu stoßen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523321300
Ich bin sicher, daß schon der Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht es gebietet, auf den körperlichen Zustand von an Diabetes erkrankten Personen besondere Rücksicht zu nehmen. Das gilt auch für den Teilbereich, auf den Sie mit Ihrer Frage abgestellt haben.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523321400
Wir kommen zu der Frage 18 des Abgeordneten Dr. Jahn (Braunschweig) :
Ist die Bundesregierung bereit, neben den Verwaltungsjuristen, Volkswirtschaftlern und Sozialwissenschaftlern auch erfahrene Naturwissenschaftler und Ingenieure als zusätzliche Staatssekretäre in allen Bundesministerien, in deren Verantwortungsbereich naturwissenschaftliche und technische Aufgaben eine bedeutende Rolle spielen, einzustellen?
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12879
Vizepräsident Scheel
Die Frage wird im Einvernehmen mit dem Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antwort des Bundesministers Benda vom 9. Mai 1969 lautet:
Es kann zweckmäßig sein, in einem Ministerium, in dessen Verantwortungsbereich naturwissenschaftliche und technische Fragen eine Rolle spielen, einen Naturwissenschaftler oder Ingenieur zum Staatssekretär zu berufen. Das ist z. B. in den Bundesministerien für das Post- und Fernmeldewesen und für Gesundheitswesen geschehen.
Die fachliche Ausrichtung des Geschäftsbereichs eines Ministeriums ist jedoch nicht alleiniger Maßstab für die Qualifikation eines Staatssekretärs. Nach § 14 der Geschäftsordnung der Bundesregierung vertritt der Staatssekretär den Bundesminister in dessen Eigenschaft als Leiter einer obersten Bundesbehörde. Die Wahrnehmung dieser Leitungsfunktion setzt Spezialkenntnisse aus den fachlichen Aufgabenbereichen des Ministeriums nicht unbedingt voraus. Sollte es sich im Einzelfall als notwendig erweisen, einen Spezialisten als zusätzlichen Staatssekretär zu berufen, so wird die Bundesregierung diesem Bedürfnis im Rahmen der haushaltsmäßigen Möglichkeiten Rechnung tragen.
Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Kubitza:
Ist die Haltung der Bundesregierung gegenüber Flagge und Hymne der DDR bei internationalen Sportveranstaltungen im Bundesgebiet unverändert so, wie sie wiederholt vom Bundesinnenminister und vom Parlamentarischen Staatssekretär des Bundeskanzlers formuliert worden ist?
Die Frage wird von Herrn von Gemmingen übernommen.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523321500
Die Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Flaggen- und Hymnenproblem ergibt sich aus dem Beschluß des Bundeskabinetts vom 18. Dezember 1968. In der gleichen Kabinettsitzung hat die Bundesregierung die beteiligten Ressorts — mein Haus, das Auswärtige Amt und das Gesamtdeutsche Ministerium, natürlich auch das Bundeskanzleramt — beauftragt, weitere Überlegungen in dieser Frage anzustellen. Die Prüfung in diesem Sinne ist noch nicht abgeschlossen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523321600
Zusatzfrage, Herr Kollege von Gemmingen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523321700
Herr Minister, waren also die Äußerungen des hierfür als besonders kompetent anzusehenden Gesamtdeutschen Ministers, Herbert Wehner, und der Sprecher der SPD in der jüngsten Deutschland-Debatte eigentlich nur in den Wind gesprochen, oder wirken sie bei der Meinungsbildung der Bundesregierung mit?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523321800
Herr Kollege, Äußerungen eines Mitglieds dieses Hohen Hauses sind nie in den Wind gesprochen; sie sind selbstverständlich wichtiges Material für die Überlegungen, die die Ressorts, die ich soeben genannt habe, zur Zeit anstellen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523321900
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege von Gemmingen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0523322000
Herr Minister, spielt die Auffassung der führenden Männer des Deutschen Sportbundes keine Rolle bei der Meinungsbildung der Bundesregierung? Ich meine die, die auf drohende Internationale Isolierung hinweisen und die in ihrer schwierigen Position nicht gerade gestärkt werden.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523322100
Auch diese Äußerungen spielen eine Rolle. Sie sind ebenfalls Material für die Überlegungen, die angestellt werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523322200
Zusatzfrage, Herr Kollege Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0523322300
Herr Minister, wann, glauben Sie, werden diese Prüfungen endlich abgeschlossen sein können?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523322400
Mir ist vom Auswärtigen Amt, dessen Stellungnahme zur Zeit noch aussteht, mitgeteilt worden, daß eine abschließende Vorlage dieses Hauses zur Zeit erstellt wird. Ich nehme an, das bedeutet, daß sie mir und den anderen beteiligten Ressort innerhalb der nächsten Tage oder jedenfalls in einer sehr kurzen Frist zugehen kann. Wenn diese Vorlage vorliegt, haben sich alle beteiligten Häuser geäußert, und dann kann die Entscheidung des Kabinetts vorbereitet werden.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523322500
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Mischnick.

Wolfgang Mischnick (FDP):
Rede ID: ID0523322600
Liegen Äußerungen der Landesinnenminister zu diesen Fragen vor?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523322700
Die Konferenz der Landesinnenminister in Würzburg, die gestern stattgefunden hat und bei der ich anwesend war, hat sich sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523322800
Wir kommen zu der Frage 20 des Herrn Abgeordneten Jung. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Frage 21 des Abgeordneten Peiter:
Wo beabsichtigt die Bundesregierung die „Akademie für öffentliche Verwaltung" zu errichten?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523322900
Die vorgesehene Bundesakademie für öffentliche Verwaltung soll Träger der zentralen Fortbildung im öffentlichen Dienst werden. Diese Fortbildung muß praxisnah sein. In erheblichem Umfang werden daher nebenamtliche Lehrkräfte, vor allem aus dem Bereich des Bundes, eingesetzt werden. Diese Kräfte sind auf die Dauer nur zu gewinnen, wenn der Zeitaufwand für die Zurücklegung der An- und Abfahrtswege in Grenzen gehalten werden kann. Entsprechendes gilt bei kurzfristigen Lehrveranstaltungen auch für die Teilnehmer. Ich habe deshalb die Absicht, die Akademie im näheren Einzugsbereich von Bonn unterzubringen. Die Akademie sollte aber so peripher gelegen sein, daß bei längerdauernden Lehrgängen die Aufrechterhaltung eines Internatsbetriebs sichergestellt ist. Erfahrungsgemäß wirkt sich der Internatsbetrieb positiv auf den Lehrgangs-
12880 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969
Bundesminister Benda
erfolg aus. Das Bundeskabinett hat in dieser Frage eine Entscheidung noch nicht getroffen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523323000
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Peiter.

Willi Peiter (SPD):
Rede ID: ID0523323100
Herr 'Minister, können Sie mir sagen, ob in Ihre Überlegungen bezüglich der Standortwahl auch die Gemeinde Rheinbreitbach einbezogen worden ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523323200
Sie wird einbezogen. Dieser Standort ist einer von mehreren Vorschlägen, die mir vorliegen. Wir sind dabei, diesen Standort neben den anderen vorgeschlagenen zu erwägen.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523323300
Eine weitere Zusatzfrage.

Willi Peiter (SPD):
Rede ID: ID0523323400
Herr Minister, wann ist mit Ihrer Entscheidung zu rechnen?.

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523323500
Zunächst muß die Entscheidung der Bundesregierung über die Errichtung der Akademie ergehen. Die Bundesregierung hat sich bereits in einer Kabinettsitzung mit diesem Thema beschäftigt, und sie wird das in sehr naher Zukunft erneut tun. Ich verbinde damit die Hoffnung, daß dann die Entscheidung über die Gründung der Akademie erfolgen kann. Alsdann werden die konkreten Verhandlungen mit den in Frage kommenden Stellen über den Standort kommen. Erst die Verhandlungen auch über die finanzielle Seite der Angelegenheit werden Klarheit darüber bringen können, welchem der verschiedenen Angebote der Vorzug zu geben ist.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523323600
Wir kommen zu den Fragen 23 und 24 des Abgeordneten Picard. Der Abgeordnete ist nicht im Saal; die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 96 des Abgeordneten Porten auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Assistenzärzte an Universitätskliniken auf Grund ihres Status als Beamte auf Widerruf bei einem regelmäßigen Nacht- und Sonntagsdienst keine finanzielle Entschädigung für die geleisteten Überstunden erhalten, wie sie angestellten Ärzten zusteht?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523323700
Der Bundesregierung sind die Umstände, die Herr Kollege Porten in seiner Frage erwähnt, bekannt. Nach dem geltenden Beamtenrecht können Beamte keine Überstundenvergütung erhalten. In der Fragestunde vom 23. April 1969 hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Köppler auf die Frage des Herrn Kollegen Wagner bereits darauf hingewiesen, daß die von Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantierten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, mit denen die Gewährung einer Überstundenvergütung bisher nicht für vereinbar gehalten wurde, einer Weiterentwicklung fähig sind und daß ich eine gesetzliche Regelung für möglich halte, wonach künftig in besonderen Ausnahmesituationen erhebliche Mehrbelastungen der Beamten finanziell abgegolten werden können, wenn ein Freizeitausgleich bei Anlegung eines strengen Maßstabes im Hinblick auf die Personalsituation unmöglich ist. Dieser sehr differenzierte Komplex muß allerdings in Bund und Ländern einheitlich geregelt werden. Hier bestehen noch Meinungsverschiedenheiten zwischen den Innen- und Finanzministern der Länder. Ich hoffe aber, daß schon bald eine Einigung im Grundsätzlichen zwischen den beteiligen Stellen erreicht werden wird.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523323800
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Porten.

Josef Porten (CDU):
Rede ID: ID0523323900
Herr Minister, sind Sie und die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß es der wissenschaftlichen Arbeit — um die handelt es sich ja hier auch — abträglich ist, wenn nicht einmal ein Mindestmaß einer in die Zukunft reichenden materiellen Sicherung für diesen Bereich vorhanden ist?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523324000
Ich bin durchaus dieser Meinung, Herr Kollege Porten. Allerdings stehen dem von Ihnen vorgeschlagenen Weg zur Zeit noch die von mir bezeichneten Schwierigkeiten entgegen. Ich hoffe, daß sie beseitigt werden können.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523324100
Eine weitere Zusatzfrage.

Josef Porten (CDU):
Rede ID: ID0523324200
Ist dieser Tatbestand, Herr Minister, im Hinblick auf den gesellschaftlichen Standort dieser Beschäftigten nicht — gelinde gesagt — als Schönheitsfehler im Recht des öffentlichen Dienstes anzusehen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523324300
Herr Kollege Porten, das Problem taucht nicht nur in dem von Ihnen erwähnten Bereich der Ärzte, sondern auch in zahlreichen anderen Gebieten auf, bei denen sich die Notwendigkeit, über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zu arbeiten, auf Grund der tatsächlichen Verhältnisse herausgestellt hat.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523324400
Frage 97 des Abgeordneten Porten:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es durch die knappe Zahl von Planstellen in der Regel auch nicht möglich ist, diesen Ärzten eine Freizeitentschädigung zu gewähren, wie sie Beamten zusteht, wodurch insbesondere in den operativen Fächern wie der Chirurgie und bei knapper Stellenbesetzung bis zu 100 Wochenstunden ohne Entschädigung geleistet werden müssen, um die Patientenversorgung aufrechtzuerhalten?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523324500
Der Bundesregierung ist im einzelnen nicht bekannt, ob und in welchem Maße — etwa auf Grund zu geringer Planstellenausstattung oder wegen Personalmagnels allgemein — Schwierigkeiten bei der Gewährung des Freizeitausgleichs für die beamteten Assistenzärzte entstehen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 232. und 233. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Mai 1969 12881

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523324600
Wir kommen zur Frage 98 des Abgeordneten Porten:
Ist die Bundesregierung bereit, bei den Beratungen der Novelle zum Beamtenrechtsrahmengesetz auf eine Änderung dieses unerträglichen Zustandes hinzuwirken, der nicht nur die Ärzte in ihrer wissenschaftlichen Arbeit erheblich behindert und ihre Gesundheit gefährdet, sondern vor allem auch die Versorgung der Bevölkerung mit speziellen ärztlichen Leistungen in Frage stellt, wenn die Ärzte sich zunehmend von den besonders betroffenen Disziplinen wie z. B. Chirurgie abwenden?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523324700
Bei der Beratung des dem Hohen Hause vorliegenden Regierungsentwurfs zur Änderung deis Hochschullehrerteils des Beamtenrechtsrahmengesetzes wird sicher auch diese Frage eine Rolle spielen. Ich sehe allerdings — von den bereits erörterten grundsätzlichen Fragen einer Überstundenvergütung für Beamte abgesehen — keine Möglichkeit, die Ihrer Frage zugrunde liegenden Probleme durch eine bundesgesetzliche Regelung zu lösen. Die erwähnten Engpässe liegen vor allem auf haushaltsrechtlichem und personalwirtschaftlichem Gebiet, auf das der Bund aber, weil es ausschließlich zur Kompetenz der Länder gehört, keinen Einfluß nehmen kann.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523324800
Herr Kollege Porten!

Josef Porten (CDU):
Rede ID: ID0523324900
Herr Minister, sieht es die Bundesregierung als angemessen an, daß qualifizierte Wissenschaftler wie etwa die mir bekanntgewordenen 5000 wissenschaftlichen Assistenten an Universitätskliniken unter der Furcht, jederzeit entlassen zu werden, also unter Bedingungen arbeiten zu müssen, die man anderen Beschäftigten schon längst nicht mehr anzubieten wagt, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß das schnellstens geändert werden muß?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523325000
Ich vermag hier nicht festzustellen, ob die Voraussetzungen, die Ihrer Frage zugrunde liegen, im Einzelfall zutreffen. Aber unterstellt, daß dies der Fall ist, bin ich in der Tat der Meinung, daß dies ein Anlaß zu ernster Sorge sein muß.

Josef Porten (CDU):
Rede ID: ID0523325100
Wären Sie denn bereit, Herr Minister, auf Grund dieser meiner Frage, die Sie im Augenblick berechtigterweise nicht schlüssig beantworten, mir einmal eine schriftliche Nachricht darüber zu geben, ob meine Vermutungen stimmen?

Dr. Ernst Benda (CDU):
Rede ID: ID0523325200
Ja, allerdings würde das voraussetzen oder es jedenfalls die Beantwortung erleichtern, daß Sie mir den konkreten Vorgang, auf den Sie offenbar abstellen, mitteilen. Dann wird sich sicher ein Weg finden und feststellen lassen, wie der Vorgang im einzelnen war.

Josef Porten (CDU):
Rede ID: ID0523325300
Ich bin dazu bereit.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0523325400
Damit kommen wir zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen, zunächst zur Frage 93 des Herr Abgeordneten Dr. Freiherr von Vittinghoff-Schell:
Hält es die Bundesregierung weiterhin für vertretbar, daß die sog. mittelbare Einleitung über eine gemeindliche Kanalisation in einen Vorfluter nicht unter die Gefährdungshaftung aus § 22 des Wasserhaushaltsgesetzes fällt, mit der Folge, daß die Gemeinden als Betreiber der Kanalisation einer nach oben hin unbegrenzten Haftung unterliegen, der Einleiter dagegen nur in Anspruch genommen werden kann, wenn ein Haftungstatbestand nach § 823 BGB nachgewiesen werden kann?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Staatssekretärs Dr. von Manger-Koenig vom 8. Mai 1969 lautet:
Die in Ihrer Frage enthaltene Auslegung des § 22 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes für die Haftung der Gemeinden im Falle der Einleitung von Stoffen in Gewässer über eine gemeindliche Sammelkanalisation deckt sich mit den Motiven des Gesetzgebers und der herrschenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung. Die Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes erfassen nur den Einleiter in ein Gewässer, nicht aber den Einleiter in eine Kanalisation. Die Gemeinden sind danach auch bei Sammelkanalisationen die Einleiter. Für den jeweils Geschädigten hätte es zudem keinen Wert, den Ersatzanspruch gegen den Einleiter in die Kanalisation zu haben, da er diesen kaum festzustellen vermag. Gemeinden, die in solchen Fällen schadensersatzpflichtig sind, können versuchen, den Einleiter festzustellen und von ihm auf Grund satzungsrechtlicher oder vertraglicher Bestimmungen oder auf Grund des § 823 BGB Ersatz verlangen.
Der Abgeordnete Dr. Meinecke hat seine Fragen — 94 und 95 — zurückgezogen.
Wir stehen damit am Ende der Fragestunde und auch der heutigen Sitzung.
Ich 'berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Dienstag, den 13. Mai 1969, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.