Rede von
Dr.
Emmy
Diemer-Nicolaus
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein etwas ungewöhnlicher Vorgang in diesem Hohen Hause, wenn am Ende einer mehrjährigen Beratung wir Freie Demokraten, die wir in der Opposition sind, trotzdem so freundliche Worte erhalten, wie das mir geschehen ist; freundliche Worte, die wahrscheinlich die bitteren Pillen, die Herr Kollege Müller-Emmert vorher glaubte verabreichen zu müssen, verzuckern sollten. Aber, Herr Kollege MüllerEmmert und auch Herr Güde, ich darf doch das eine vorausschicken: Es war wirklich eine außerordentlich gute Zusammenarbeit. Vielleicht lag das daran, daß wir so häufig tagten, und vielleicht auch daran, daß der Kreis derjenigen, die ganz regelmäßig an den Sitzungen teilnahmen, klein war; vor allen Dingen aber, weil bei Regierungsparten und Opposition — ob das früher eine Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP war, zu der die SPD in Opposition stand, oder nachher eine Regierung von CDU/ CSU plus SPD mit der FDP in Opposition — der Wille zu sachlicher Arbeit vorherrschte, der Wunsch und der absolute Wille, diese große Aufgabe, die uns gestellt war, tatsächlich zu meistern.
Ob wir sie wirklich gemeistert haben — wer kann das heute sagen! Wer kann für sich in Anspruch nehmen, in einer Zeit, die in einer derartigen gesellschaftlichen Wandlung begriffen ist, heute schon Lösungen zu finden, die sich nachher, ich will gar nicht sagen, für Zeit und Ewigkeit, vielleicht nicht einmal auf hundert, aber auf fünfzig Jahre als dauernd wirksam erweisen?!
Wie schnell die Zeit sich wandelt, hat sich gerade auch bei der Entwicklung der Strafrechtsreform gezeigt. Die geistige Situation war seinerzeit, als Thomas Dehler diese große Aufgabe in Angriff nahm, als er die Große Strafrechtskommission berief — das war Anfang der fünfziger Jahre —, eine ganz andere. Wie war damals die allgemeine Situation? Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches, nach dem, was damals Recht und Gesetz in einem autoritären Staatssystem erfahren mußten, glaubte man, wenn man wieder an das anknüpfe, was in Weimar war, werde man zu den Formen und zu den Gesetzen finden, die unserem heutigen parlamentarischen demokratischen Staat angemessen seien.
Herr Müller-Emmert hat vorhin mit Recht an einen der großen Juristen erinnert, an Radbruch. Ich darf auch auf einen anderen hinweisen, auf Kahl, der zu der demokratischen Volkspartei gehörte und der damals unsere heutigen liberalen demokratischen Grundsätze und Auffassungen vertreten hat, Grundsätze, die wir heute weitgehend aufrechterhalten. Damals lag dem Plenum des Reichstags bereits ein abgeschlossener Entwurf vor, an dem übrigens unsere sehr verehrte Frau Dr. Lüders, die leider heute nicht mehr unter uns weilt, ganz entscheidend mitgearbeitet hatte, wie sie dann in der ersten Zeit auch in der Großen Strafrechtskommission mitwirkte. Dieser Entwurf wurde nur deshalb nicht verabschiedet, weil damals durch die Nationalsozialisten die Auflösung des Reichstags kam. Dann kam das Dritte Reich mit seiner Pervertierung von Recht und Gesetzen, eine Pervertierung, in deren Folge wir heute vor schweren Aufgaben stehen, nicht nur wir im Parlament, sondern auch die Gerichte, die mit Sachverhalten fertig werden müssen, die ihnen das Richten, das Sprechen von Urteilen im Zeichen der Gerechtigkeit so außerordentlich erschweren. Über diese Fragen werden wir ja noch in einem anderen Zusammenhang sprechen müssen.
Nachher hat sich gezeigt — ich glaube, das ist auch der tiefere Grund für den geistigen Umbruch, den wir zur Zeit erleben —, daß die Zeit über Weimar hinausgegangen ist und wir heute Formen unseres gesellschaftlichen, unseres politischen Lebens finden müssen, die unserer heutigen modernen Zeit entsprechen. Ausgerechnet in diese Situation des
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Frau Dr. Diemer-Nicolaus
sich so schnell vollziehenden Umbruchs ist die Strafrechtsreform gestellt.
Das erklärt auch, warum wir Freien Demokraten heute teilweise andere Auffassungen vertreten, als wir sie am Anfang hatten. Herr Kollege MüllerEmmert konnte es sich trotz seiner sonst so netten kollegialen Art — ich hatte aber damit gerechnet — nicht verkneifen, auch auf Ausführungen hinzuweisen, die Herr Kollege Bucher seinerzeit gemacht hat. Dazu möchte ich doch auf folgendes hinweisen, und meine Fraktionskollegen haben mich gebeten, das doch ganz klar zu sagen. Sie kennen den Spruch: „Das sind die Weisen, die vom Irrtum zur Weisheit reisen." Wenn ich jetzt die „Reise,,, die wir auch nach den Ausführungen des Herrn Kollegen MüllerEmmert absolviert haben, werten sollte, müßte ich uns eigentlich zu den „Weisen" rechnen. Aber etwas Derartiges möchte ich mir nicht anmaßen.
Jetzt muß ich aber doch einmal die bittere, nachher von Herrn Kollegen Müller-Emmert mit einem schönen Zuckerguß versüßte Pille zurückgeben. Was soll ich dazu sagen, daß die SPD, die seinerzeit, im Jahre 1962, als Oppositionspartei — das gebe ich hundertprozentig zu — in bezug auf das Strafensystem fortschrittlicher gedacht hat als wir Freien Demokraten, ihre Weisheit dadurch eingebüßt hat, daß sie heute die kurzfristige Freiheitsstrafe in einem Umfang bejaht, wie sie es damals nicht getan hat, und zwar, wie sie jetzt sagt, im Zeichen eines guten Kompromisses? Es ist richtig, es gibt Kompromisse, die gut sind, und welche, die weniger gut sind. Ob das nun ein guter Kompromiß gewesen ist, wird sich erst in der Zukunft erweisen.
Ich darf noch auf etwas anderes hinweisen; das hat die SPD allerdings bei ihren „verzuckerten" Angriffen auf die Wandlung der FDP nicht gesagt. Wir haben uns von Anfang an, 1962 und 1966, hier im Hohen Hause und in Diskussionen draußen immer von den moralisierenden Tendenzen distanziert, die vor allem bezüglich der sogenannten Straftaten gegen die Sittlichkeit erkennbar waren.
Das haben wir klar zum Ausdruck gebracht. Insofern stimmten wir damals mit Ihnen überein.
Insofern darf ich auch der CDU — ich glaube, der CDU mehr als der CSU; bei der CSU weiß ich nicht, inwieweit ich das sagen darf — bescheinigen, daß sie den Weg vom Irrtum zur Weisheit in der Zwischenzeit angetreten hat. Die Ausführungen, die Herr Kollege Güde schon zu Beginn der zweiten Lesung gemacht hat, ließen doch folgendes klar erkennen. Sie ließen erkennen — Herr Güde, ich habe sie noch einmal sehr sorgfältig durchgelesen —, daß auch Sie heute an und für sich auf dem Boden derjenigen Grundgedanken für die Strafrechtsreform stehen— das kam auch in den Ausführungen der Sprecher der SPD zum Ausdruck —, die wir, die FDP, so gern an die Spitze dieses Reformwerks gestellt hätten, wonach eine klare Aussage über den
Zweck von Strafe und Maßregel erfolgen und klar ausgesprochen werden sollte, daß Strafe und Maßregel dem Schutz der Rechtsgüter und der Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft dienen.
Herr Güde, Sie haben in Ihren ersten Ausführungen gesagt, es sei hier gelungen, eine Verbindung zwischen der Tatschuld — es freut mich, daß auch Sie jetzt den Begriff der „Tatschuld" in diesem Zusammenhang gebrauchen — und der Notwendigkeit der Wiedereingliederung des Täters zu schaffen. Es ist eigentlich diese gemeinsame Grundlage, die uns nachher die Möglichkeit gab, bei allen unterschiedlichen Auffassungen in den Beratungen des Sonderausschusses doch zu einigermaßen zufriedenstellendenden Lösungen zu kommen.
— Eben.
Ich möchte noch eins sagen. Vorhin wurde sowohl von Herrn Güde als auch von Herrn Müller-Emmert den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Ausschusses und den Herren des Bundesjustizministeriums gedankt. Ich kann mich für die Freien Demokraten diesem Dank nur in vollem Umfang anschließen. Ich möchte den Kollegen Müller-Emmert und Güde aber in gleicher Weise danken, daß sie den Stachel der Opposition, den ich natürlich — wie könnte es bei meiner Hartnäckigkeit anders sein? — im Ausschuß doch immer habe sehen lassen, oft mit. so großzügiger Geduld ertragen haben.
Diesen Stachel der Opposition haben wir auch in der zweiten Lesung gezeigt. Ich fühle mich verpflichtet, auch heute, da es darum geht, zu entscheiden, ob wir, die in Opposition stehenden Freien Demokraten, diesem Gesetz — trotz seiner Mängel, die wir an Hand unserer Änderungsanträge in der zweiten Lesung aufgezeigt haben— zustimmen können, diesen Stachel der Opposition zu zeigen und in diesem Sinne noch einige Ausführungen zu machen.
Zunächst möchte ich aber noch einmal herausstellen, was wir als das Positive ansehen. Wir halten dieses Gesetz für einen Durchbruch zu einem modernen Strafrecht und hoffen, daß es gelingt, in Zukunft noch zu einem besseren Gesetz als dem augenblicklich hier vorliegenden zu kommen. Ich danke auch den Herren des Justizministeriums. Wir haben ihnen mit unseren Wünschen, am nächsten Tag bereits Formulierungshilfen in den Händen zu haben, manche Nachtarbeit zudiktiert. Wir waren insofern ein strapaziöser Ausschuß, sowohl für die wissenschaftlichen Mitarbeiter als auch für die Herren des Justizministeriums.
Jetzt wird ein großer Durchbruch erzielt. Es werden Regelungen getroffen, die es in dieser Form noch nicht gab. Auf Grund der Unzufriedenheit mit der Gesamtkonzeption des Entwurfs aus dem Jahre 1962, über den die Zeiten hinweggegangen waren, haben zunächst 14 Professoren von sich aus einen Alternativ-Entwurf erarbeitet. Sie haben von sich
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aus eine echte Alternative zu dem Strafensystem, zu dem Maßregelsystem gesetzt. Sie haben auch die Grundlage für die Gesichtspunkte gelegt, nach denen nachher tatsächlich an die Arbeit herangegangen werden sollte. Dadurch, daß sie sagten, der Schutz der Rechtsgüter ist das erste Ziel, dadurch, daß hier die Normen des Strafrechts gesetzt werden, erfolgt die Verteidigung der Rechtsordnung, meine Herren und Damen von den Regierungsparteien. Das braucht man sonst nicht mehr ausdrücklich zu sagen. Man braucht es vor allen Dingen nicht da zu sagen, wo es keinen Sinn hat. Wenn es darauf ankommt, wann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, kommt es allein auf die Spezialprävention und darauf an, daß man für den betreffenden Täter die Strafe findet, die seiner Schuld, seiner Tat und seiner Persönlichkeit, die unter all den anderen Gesichtspunkten, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind — sie sind ja im einzelnen aufgeführt —, angemessen ist. Da geht es nicht um die Verteidigung der Rechtsordnung. Die Rechtsordnung wird dadurch verteidigt, daß es dann überhaupt zu einer Bestrafung kommt.
Herr Kollege Müller-Emmert, in einem haben Sie sich getäuscht. Sie haben in bezug auf das, was ich früher verteidigt habe, gesagt, dazu habe auch gehört, daß ich nicht für eine so weitgehende Ausdehnung des Instituts der Strafaussetzung zur Bewährung, wie sie jetzt vorgesehen ist, gewesen sei. Das trifft nicht zu. Es trifft — das gebe ich ganz ehrlich zu; ich habe es auch schon in der zweiten Lesung getan — für die Zeit zu, als ich noch für das Strafensystem mit differenzierten Strafen eintrat. Es trifft auch zu, daß ich des irrigen Glaubens war, eine kurzfristige Freiheitsstrafe habe eine Schockwirkung, und man sollte deshalb nicht auf sie verzichten. Bei der Strafaussetzung zur Bewährung war das nicht der Fall. Das weiß ich deshalb so genau, weil wir dieses Institut früher in unserer Rechtsordnung nicht hatten. Nach 1945, als wir hier die vielen Verfahren vor nichtdeutschen Gerichten hatten, vor amerikanischen, britischen, französischen Gerichten, erlebte ich in Stuttgart in der amerikanisch besetzten Zone als Rechtsanwältin das sogenannte Parole-Verfahren. Dieses bewog mich damals, die Ansicht zu vertreten, daß man etwas Ähnliches auch bei uns in Deutschland brauche. Daraus ist die Strafaussetzung zur Bewährung geworden. Ich bin deshalb froh, daß jetzt die Voraussetzungen und die Möglichkeiten geschaffen werden, daß in Zukunft in einem weitaus größeren Maße als bisher eine Strafaussetzung zur Bewährung erfolgen kann. Wir begrüßen diesen weiteren Ausbau sehr. Er ist allerdings mit dem Schönheitsfehler behaftet, daß die Aussetzung versagt werden kann, wenn die „Verteidigung der Rechtsordnung" das angeblich nicht zuläßt.
— Herr Kollege Hirsch, ich glaube es hat keinen Wert, wenn wir uns jetzt noch einmal im einzelnen darüber auseinandersetzen. Wir haben das ja bei der zweiten Lesung getan. Es wird vielmehr darauf
ankommen, jetzt die Erfahrung zu sammeln, ob die Richter mit diesem Instrument, das der Resozialisierung dienen soll, so umgehen, wie wir es erwarten, damit das eintritt, was wir ursprünglich schon mit der Schaffung der Aussetzung zur Bewährung erreichen wollten, nämlich ein Zurückdrängen der kurzfristigen Freiheitsstrafe. Sie wissen, daß nach den vorliegenden Statistiken bisher leider von der Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr, sondern weniger Gebrauch gemacht wurde.
Ich habe mich aber doch gefreut, insofern sowohl aus den Ausführungen von Herrn Kollegen Güde als auch aus denen des Herrn Kollegen MüllerEmmert entnehmen zu können, daß sie in den vier Jahren der nächsten Legislaturperiode, die uns zur Verfügung stehen, um dieses Reformwerk abzuschließen, bereit sind, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen und dann vielleicht mit uns Freien Demokraten so weit zu reisen, wie wir es schon gerne heute getan hätten, wozu die Regierungsparteien aber nicht bereit waren.
Bei den Pluspunkten dieser Reform — die Einzelheiten des ganzen Systems der Strafen und Maßregeln sind ja von Herrn Müller-Emmert vorgetragen worden — möchte ich an die Spitze stellen — und daran sehen Sie, wie weit ich gereist bin —, daß die Einheitsstrafe heute noch von einer derart großen Mehrheit in diesem Hohen Hause akzeptiert worden ist. Das ist ein Durchbruch des modernen Denkens, ein Durchbruch, zu dem die Verfasser des Alternativ-Entwurfs beigetragen haben. Ihnen möchte ich von dieser Stelle aus für ihre große Arbeit, die sie auf sich genommen haben, danken.
Ich möchte ihnen auch dafür danken, daß sie damit einverstanden waren — es sind ja unabhängige, nicht parteigebundene Professoren —, daß wir als Freie Demokraten, als Partei diesen Gesetzentwurf einbrachten. Er wurde dadurch mit Grundlage unserer Beratungen — auch im Sonderausschuß —, was sich durchaus bewährt hat.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß die Rechtsinstitute, die wir bisher nicht hatten, wie die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe, absolut zu den Vorzügen dieser Teilreform gehören. Ich betrachte auch das Geldstrafensystem, wie es jetzt im Entwurf steht, als einen Fortschritt, dies allerdings nicht so ganz vorbehaltslos. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das, was die Verfasser des Alternativ-Entwurfs mit den Laufzeitgeldstrafen wollen, auf die Dauer gesehen nicht doch eine bessere Lösung wäre. Angesichts der Tatsache, daß heute viele Geldstrafen in Raten gezahlt werden, werden wir überlegen müssen, ob dem nicht ein Übergehen auf das andere System entsprechen würde, zumal damit verbunden ist, was jetzt in diesem Geldstrafensystem nicht möglich ist, daß man in Aussicht stellt: Zahlst du deine Raten pünktlich, wird dir ein Drittel erlassen. Ich glaube, dieses Appellieren an den guten Willen des Menschen, wenn er verurteilt ist, auch zu seiner Strafe zu stehen, ist ein ausgezeichnetes psychologisches System.
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Dieses ausgezeichnete psychologische System ist leider nicht verwirklicht worden bei einem anderen Rechtsinstitut, für das auch die SPD gewesen ist, daß nämlich der Täter in bestimmten Fällen durch freiwillige gemeinnützige Arbeitsleistung seine Sühne erbringen kann. Die Türen für die nächste Legislaturperiode sind offengelassen worden. Wir haben die gemeinnützige Arbeit in diesem Entwurf sogar an einer Stelle stehen, und ich hoffe, daß diese Gedanken in der nächsten Legislaturperiode weiter verfolgt werden.
Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen, aber doch noch einen Punkt erwähnen. Ein ganz großer Durchbruch ist doch insofern erfolgt, als wir uns heute so einmütig zu der sozialtherapeutischen Anstalt bekennen. Dies hat auch ein starkes Umdenken erfordert. Es war notwendig, daß wir die Reisen ins Ausland gemacht und daß wir dort erlebt haben, was Länder wie Schweden, wie Dänemark, wie Holland mit einem modernen Strafrecht, mit einem modernen Strafvollzug erreichen konnten. Überhaupt ist es ja der Sinn eines Strafgesetzes, die Begehung von Strafttaten zurückzudrängen. Wir haben entsprechende Konsequenzen zu ziehen, damit Täter nicht wieder rückfällig werden.
Diese Konsequenzen wurden übrigens in aufgeschlossenen Ländern auch unserer Bundesrepublik schon gezogen. Ich denke hier insbesondere an das Land Baden-Württemberg. Dort wurde schon in den fünfziger Jahren eine sozialtherapeutische Anstalt auf dem Hohenasperg eingerichtet. Ich darf darauf hinweisen, daß in der Zwischenzeit schon weitere Länder diesem Beispiel folgen, auch ohne daß ein entsprechendes Gesetz vorliegt. Hamburg hat erst in letzter Zeit eine sozialtherapeutische Anstalt geschaffen, in Hessen besteht jetzt eine in Kassel, und auch hier in Nordrhein-Westfalen ist, soviel ich weiß, jetzt eine solche Abteilung gebildet worden. Das zeigt, daß die Länder, auch ohne daß ein ausdrückliches Stafvollzugsgesetz vorliegt, schon eine Menge tun können, um in Ergänzung unseres jetzt geltenden Gesetzes zu einem modernen Strafvollzug unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung zu kommen.
Aber es hat mich in bezug auf die sozialtherapeutische Anstalt etwas bedrückt, daß auch hier die richtige Erkenntnis nicht gleich zu der bestmöglichen Lösung geführt hat. Von seiten der Länder wurden Bedenken hinsichtlich der Kostenfrage vorgetragen, und es wurde der Zweifel geäußert, ob überhaupt entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung stehe. Das führte dann erst zu einer Minimallösung. Man hat sich beschränkt auf Rückfalltäter mit schweren Persönlichkeitsstörungen, also mit entsprechenden Vorstrafen, und auch auf Triebtäter.
Vier angesehene Gesellschaften, nämlich die Deutsche Gesellschaft für Psychotherapie und Tiefenpsychologie, die Stuttgarter Gemeinschaft „Arzt und Seelsorger", die Allgemeine ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie und der Berufsverband Deutscher Nervenärzte, sind voller Sorge noch einmal an uns herangetreten, nachdem die Entwürfe veröffentlicht waren, weil sie sagten, die Bestimmungen, die sich mit der sozialtherapeutischen
Anstalt befassen, seien zu eng gefaßt. Nach ihrer Meinung kann es — abgesehen von den Sexualtätern — gerade bei Tätern mit Persönlichkeitsstörungen darauf ankommen, daß schon nach der ersten Tat eine entsprechende Behandlung erfolgt. Nehmen Sie einmal folgenden Fall an. Es zeigt sich, daß bei einem Täter, der einen Diebstahl verübt hat; eine Veranlagung zur Kleptomanie vorliegt. Ich nehme bewußt dieses Beispiel, damit Sie sich das plastisch vorstellen können. Da ist es notwendig, daß schon nach der ersten Verurteilung eine entsprechende Behandlung eingeleitet wird. Erfolgt diese Behandlung erst nach der zweiten oder dritten Verurteilung, ist es fraglich, ob die Heilung noch erreicht werden kann. Auch wenn sie noch erreicht werden kann, ist damit ein wesentlich größerer Aufwand verbunden, als wenn die Behandlung schon nach der ersten Tat eingesetzt hätte.
Von den anderen Parteien wurde bereits die Bereitschaft betont, bei den sozialtherapeutischen Anstalten zu einem weiteren Ausbau zu kommen.
Ein Vorteil ist auch darin zu sehen, daß nunmehr nach Verbüßung einer Maßregel das Vollstrekkungsgericht entsprechende Entscheidungen zu treffen hat. Das Vollstreckungsgericht hat auch darüber zu befinden, ob nach der Verbüßung eines Teils der Strafe ein Strafrest erlassen werden soll. Derartige Entscheidungen sollten nicht schon von dem erkennenden Gericht getroffen werden. Wenn also jemand wegen schwerer Straftaten zu Sicherungsverwahrung verurteilt wurde, prüft das Vollstrekkungsgericht, wenn er seine Strafe verbüßt hat, ob die Sicherungsverwahrung tatsächlich vollzogen werden muß. Diese Sicherungsverwahrung stellt ja keine Vergeltung, keine Strafe, keine Sühne dar, sondern sie dient nur der Sicherung der Allgemeinheit. Wenn jemand, der seine Strafe schon verbüßt hat, weiter auf seine Freiheit verzichten muß, stellt das einen schweren Eingriff in seine Freiheit dar. Das sollte nur in schwersten Fällen geschehen. Ich habe volles Verständnis dafür — ich habe mich gefreut, daß auch Herr Güde das als richtig bezeichnet hat —, wenn von den Alternativ-Professoren gefordert wird, daß, bevor eine derart weitgehende Beschränkung der Freiheit vorgenommen wird, der letzte Versuch einer sozialtherapeutischen Behandlung erfolgt. Hier müssen wir also die Reform noch weiter vorantreiben.
Wir begrüßen es, daß das Arbeitshaus, das sich als unwirksam erwiesen hat, wegfällt.
Desgleichen begrüßen wir es, daß im Besonderen Teil wenigstens ein Anfang gemacht wurde — ich will nicht sagen eine „Entrümpelung" —, bei bestimmten Sexualdelikten einen gewissen Einklang mit der heute in der Bevölkerung vorhandenen Auffassung darüber zu finden, was kriminell strafwürdig ist und nach dem Strafgesetzbuch bestraft werden muß. Herr Kollege Güde hat darauf hingewiesen, daß die Zeit über die Ausführungen von Herrn Wuermeling hinweggegangen sei, der die Begründung des Alternativ-Entwurfs zitiert habe.
Es wurde schon 'darauf hingewiesen, daß sich eine kleine Mehrheit der Großen Strafrechtskommission seinerzeit noch zu der Strafbarkeit des Ehebruchs
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bekannt hat. Das geschah aber, weil ein Teil Angst vor Mißdeutung hatte. Nicht alles, was nicht bestraft wird, ist sittlich gerechtfertigt. Ein Ehebruch ist nie sittlich gerechtfertigt, auch wenn er nicht .als kriminelle Tat bestraft wird. In der Zwischenzeit hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß das, was sittlich zu beanstanden ist, und das, was unter eine kriminelle Strafe gestellt werden muß, weil es sozialschädlich ist, zwei verschiedene Dinge sind. Hier muß nach verschiedenen Gesichtspunkten geurteilt werden. Bei kriminellen Straftaten müssen solche sozialschädlichen Handlungen vorliegen — ich verstehe „sozialschädlich" allerdings etwas anders, Herr Kollege Wuermeling, als Sie das taten —, daß der Rechtsfrieden untragbar beeinträchtigt wird.
Wir bedauern es natürlich, daß wir mit unserer Forderung, schon heute den letzten Schritt bei der Beseitigung der kurzfristigen Freiheitsstrafe zu tun, nicht durchgedrungen sind. Wir bedauern es auch, daß 'die Rückfallbestimmung nicht nur nicht beseitigt, sondern sogar noch in einem Umfang ausgebaut wurde, den wir für unsachgemäß halten. Mich hat das beeindruckt, was mir vor kurzem Richter vorgetragen haben. Sie sind ja auch an den Bundestag herangetreten und haben dringend gebeten, von einer derartigen allgemeinen Rückfallvorschrift abzusehen. Sie haben mir geschildert, in welch schwierige .Situation sie mit diesen schematischen Rückfallvorschriften schon bisher gekommen sind und in Zukunft weiter kommen werden. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß der Richter, wenn jemand nicht nur das erstemal, sondern zum zweiten oder zum dritten Male straffällig wird, auf eine entsprechend höhere Strafe erkennt. Unsere Strafrahmen lassen das ja auch zu. Dazu bedarf 'es keiner ausdrücklichen Rückfallvorschrift, die gegebenenfalls eine gerechte Lösung erschwert. Insofern habe 'ich erheblich mehr Zutrauen zu der Weisheit der Richter und zu ihrer Art der Rechtsprechung, als es offensichtlich bei den Koalitionsparteien der Fall ist.
Wir bedauern ferner, daß Sie auch dort, wo es sich um politische Entscheidungen handelt, unserem Wunsche nicht Rechnung getragen haben. Das gilt vor allem für die Konsequenzen, die aus einem politischen Sachverhalt zu ziehen sind, den wir alle nicht gewollt haben. Nach 1945 wurde Deutschland in zwei oder gar, wie manche sagen, in drei Teile zerrissen: die Bundesrepublik, die DDR und Berlin. Dabei können Sie noch einmal Berlin in West- und Ost-Berlin aufteilen. Wir 'bedauern es, ,daß die Einheit des Rechts immer mehr verlorengeht. Heute liegt eine Teilreform unseres Strafrechts vor. Die DDR hat schon ein neues Strafgesetzbuch herausgebracht, das sich in der Grundkonzeption ganz wesentlich von den freiheitlichen und sozialen Grundsätzen unseres Grundgesetzes und unserer Reform unterscheidet, die wir als Liberale für richtig erachten. Mit der Beibehaltung der Todesstrafe in der DDR, mit dem politischen Strafrecht dort, das den Geist atmet, der allen autoritären Staaten eigen ist und den wir aus dem „Dritten Reich" gar zu gut kannten, ist der Geist der Toleranz, den wir für eine parlamentarische Demokratie für notwendig halten, nicht in Einklang zu bringen. Das hat nichts mit einer Anerkennung und nichts mit Völkerrecht zu tun. Wir müssen den Deutschen, die in der DDR leben, das Recht zubilligen, den dortigen Gesetzen und nicht unseren hiesigen strafrechtlichen Bestimmungen Rechnung zu tragen. Deshalb haben die Freien Demokraten die Forderung gestellt, das Gesetz auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes zu beschränken. Nur so kann es ja auch angewandt werden.
Wir bedauern es weiter, daß in der Frage der Verjährung von den Koalitionsparteien ein grundsätzlicher Schritt getan wurde. Insofern darf ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Busse verweisen. Er hat in der zweiten Lesung eingehend dargelegt, wie sich in den hundert Jahren gezeigt hat, daß dieses Institut der Verjährung mit unserem Rechtsstaat durchaus vereinbar ist. Es ist ein schwerer Schritt, wenn jetzt in einzelnen Punkten von der Unverjährbarkeit abgewichen wird und in anderen die Verjährungsfrist von 20 auf 30 Jahre heraufgesetzt wird. Über diese Fragen werden wir noch weiter sprechen müssen.
Andere Probleme will ich nur kurz streifen. Führungsaufsicht! Ich habe schon gesagt: das sollte an und für sich nicht so bleiben. Wir denken daran, es in der nächsten Legislaturperiode in die Bewährungshilfe einzubauen.
Die Lösung betreffend das Berufsverbot befriedigt keineswegs. Es ist nicht richtig, daß hier im Zusammenhang mit Straftaten Berufsverbote dort ausgesprochen werden, wo es heute sonst schon Rechtens ist, daß die entsprechenden Berufsgerichte darüber entscheiden. Es bleibt die Möglichkeit bestehen, dies zu ändern.
Wir bedauern, daß es nur eine Teilreform ist, haben aber Verständnis — um dieses Verständnis müssen gerade wir Mitglieder des Sonderausschusses bitten —, daß wir es nicht fertiggebracht haben, eine volle Reform vorzulegen.
Zu den Aufgaben, die uns in dieser Legislaturperiode noch bevorstehen und die unbedingt noch in einer weiteren Novelle gelöst werden müssen, gehören die Straftaten gegen den Gemeinschaftsfrieden. Sie wissen, daß in diesen Tagen in Berlin Richter aus vielen Ländern zusammenkommen. Es hat mich zutiefst betroffen, daß ich, als ich gestern morgen im Rundfunk die Nachrichten hörte, einem der Kurzgespräche — Sie wissen ja, daß diese morgens zu den Radiosendungen gehören — vernahm, daß dort die Richter gerade dies wieder hervorhoben. Sie wiesen darauf hin, daß wir als Gesetzgeber sie vielfach im Stich gelassen haben, daß sie vom Gesetzgeber die Richtlinien brauchen. Auf der einen Seite muß natürlich Gewalt gegen Personen und Sachen vermieden werden. Auf der anderen Seite muß aber auch der Tatsache Rechnung getragen werden, daß wir heute die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit haben. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die Maßstäbe zu setzen. Herr Kollege Müller-Emmert hat darauf hingewiesen, daß dies schwer ist. Das ist richtig. Wir haben uns mit diesen Problemen schon einmal befaßt. Aber wir dürfen vor der Schwere dieser Aufgabe nicht mehr kapitulieren; sie muß noch gelöst werden.
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Frau Dr. Diemer-Nicolaus
Soweit es sich um Aufgaben für die nächste Legislaturperiode handelt, wird es darum gehen, zunächst den Besonderen Teil weiterzuberaten. Herr Kollege Güde, als ich gestern in dem Rundfunkgespräch — wir treffen uns ja laufend, nicht nur hier im Bundeshaus und im Sonderausschuß, sondern auch bei den Rundfunkdiskussionen — geltend machte, daß die Fortführung der Reform der Sexualdelikte notwendig sei, wiesen Sie darauf hin, für Sie sei noch dringender, eine zufriedenstellende Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag vorzunehmen. Ich muß Ihnen jetzt zustimmen, und zwar aus folgendem Grunde — übrigens kann man das eine tun und braucht das andere nicht zu lassen —: Wenn man weiß, wie fragwürdig die Abgrenzung ist, die Sie jetzt mit der Entscheidung für das Zweite Strafrechtsänderungsgesetz getroffen haben — daß nämlich die Verjährbarkeit davon abhängig ist, ob Mord oder Totschlag vorliegt —, wenn man weiß, wie schwierig diese Abgrenzung auch für den Richter ist, dann ist es tatsächlich notwendig — falls Sie sich insofern nicht doch noch zu dem Institut der Verjährung überhaupt bekehren lassen wollen —, dies mit als eine der wichtigsten Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode anzufassen.
Außer dem Sexualrecht haben wir das Arztrecht. Auch die Ärzte müssen einmal klar und eindeutig wissen, was sie tun dürfen und was nicht. Ich verstehe, daß sie es seit Jahren als unbefriedigend empfinden, daß eine erfolgreiche Operation, durch die die Gesundheit wiederhergestellt wird, vom Juristischen her immer noch als eine Körperverletzung gilt. Solche Widersinnigkeiten müssen beseitigt werden.
Ich darf zum Abschluß noch auf folgendes hinweisen. Wir machen heute eine Strafrechtsreform. Wie vorhin schon gesagt wurde, haben wir es damit zu tun, daß wir für den Täter einen sinnvollen und wirksamen Strafvollzug erreichen, der auch human ist und den Grundrechten Rechnung tragen muß. Wenn wir dabei den Täter dahin bringen, daß er nachher nicht wieder straffällig wird, dann haben wir nur die eine Seite unseres gesellschaftlichen Lebens berücksichtigt, nämlich nur den Gesichtspunkt, daß wir uns mit den Menschen befassen, nachdem sie straffällig geworden sind. Aber es gibt eine wesentlich größere Aufgabe, die allerdings nicht vom Strafrechtsausschuß in Angriff genommen werden kann, daß wir uns wesentlich intensiver, als es bisher geschehen ist, mit der Frage befassen, warum denn die Menschen straffällig werden. Wenn Sie heute die kriminologischen Erkenntnisse verfolgen, wenn Sie wie wir, die wir z. B. in der Strafvollzugskommission sind und mit den Praktikern des Strafvollzugs in Berührung kommen, aus ihren Erfahrungen lernen oder wenn Sie gar, wie Herr Dr. Güde, Herr Müller-Emmert und ich es in einer Mittagspause bei einer Sitzung des Bundestages in Berlin gemacht haben, in ein Zuchthaus gehen und dort mit straffällig Gewordenen, die ihre Freiheitsstrafe absitzen, vom Verkehrssünder bis zum Lebenslänglichen, diskutieren, dann werden Sie erkennen, daß heute mehr getan werden muß als bisher, um die Konsequenzen aus den kriminologischen Erkenntnissen zu ziehen. Die Kinder wachsen vielfach in asozialen Verhältnissen auf. Hier müssen die gesellschaftlichen Verhältnisse verbessert werden. Daher wird heute in der Strafvollzugskommission nicht mehr von Wiedereingliederung oder Resozialisierung gesprochen, weil ein großer Teil der Häftlinge, die in den Anstalten sind, niemals in sozialen Verhältnissen gelebt hat. Man spricht deshalb nicht mehr von der Wiedereingliederung, sondern darüber, daß überhaupt einmal eine Eingliederung erfolgt durch einen Strafvollzug, der die unterlassene Schulbildung, die unterlassene Berufsausbildung usw. nachholt.
Über der Aufgabe, ein gerechtes Strafgesetz zu schaffen, dürfen wir nicht vergessen, daß uns von der sozialen Seite her Aufgaben gesetzt sind. Wir müssen die Verpflichtung gegenüber den Mitmenschen und vor allen Dingen gegenüber der Jugend erkennen, bevor sie überhaupt in die Versuchung kommt, straffällig zu werden, und die Aufgabe, daß wir in dem Häftling, wenn er seine Strafe verbüßt hat, auch den Mitmenschen sehen und ihn am Leben unserer Gesellschaft wieder in vollem Umfang teilnehmen lassen. Das sind Aufgaben, die in die Zukunft weisen, die auch von den Politikern nicht leicht zu bewältigen sein werden. Es gilt, das Verständnis dafür noch weiter zu wecken, daß nicht die absolut harten Strafen die wirksamsten Maßnahmen sind, um in Zukunft Straftaten zu verhüten.
Ich darf zum Schluß darauf hinweisen, daß die Professoren des Alternativ-Entwurfs ihre Reformarbeiten keineswegs aufgegeben haben. Sie haben uns schon einen abgeschlossenen Komplex für die Reform der Sexualdelikte vorgelegt, der nach dem Wunsch des Juristentages zur Grundlage der Beratungen im Bundestag gemacht werden soll. Das könnte in der nächsten Legislaturperiode sehr schnell erfolgen. Die Alternativ-Professoren werden uns weitere Entwürfe vorlegen, und ich bitte Sie, weiterhin gegenüber diesen Männern — eine Frau ist auch dabei — aufgeschlossen zu sein, die sich so intensiv darum bemühen, uns unsere Arbeit zu erleichtern.
Wenn wir Freie Demokraten, obwohl wir in der Opposition sind, diesem Gesetz heute zustimmen, dann geschieht das bei aller Verschiedenheit der Auffassungen und bei der Kritik, daß Sie, meine Damen und Herren besonders von der SPD und von der CDU, nicht bereit waren, im Fortschritt so weit mitzugehen, wie wir es für richtig erachteten, in der Hoffnung, daß Ihre Reise so, wie sie bei uns Freien Demokraten in der Vergangenheit gegangen ist, zu einem humanen und wirksamen Strafrecht weitergeht, das der Wiedereingliederung der straffällig Gewordenen dient, aber auch die Rechtsgüter unserer Rechtsgemeinschaft ausreichend schützt.