Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung hat am 6. Februar 1969 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Höhe der Verteidigungskosten der Mitgliedstaaten der NATO — Drucksache V/3379 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3814 verteilt.
Zu den in der Fragestunde der 212. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Februar 1969 gestellten Fragen der Abgeordneten Frau Freyh, Drucksache V/3793 Nrn. 3 und 4 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Hein vom 5. Februar 1969 eingegangen. Sie lautet:
Auf Grund einer Beratung in der Kabinettsitzung am 11. September 1968 ist die Bundesregierung der Auffassung, daß eine organisatorische Neuordnung auf dem Gebiet der Durchführung der Entwicklungshilfe unerläßlich ist und so schnell wie möglich verwirklicht werden muß. Sie erwägt die Errichtung einer Behörde für die Durchführung der Entwicklungshilfe im Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung wurde gebeten, die hierzu notwendigen Untersuchungen anzustellen und der Bundesregierung das Ergebnis der Untersuchungen zuzuleiten.
Die gutachtliche Stellungnahme des Präsidenten des Bundesrechnungshofes liegt der Bundesregierung seit Anfang Januar vor. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, daß auf Grund der Zunahme und der besonderen Struktur der Entwicklungshilfeaufgaben die Errichtung einer Behörde für die Durchführung der Entwicklungshilfemaßnahmen erforderlich ist.
Es ist beabsichtigt, daß sich das Bundeskabinett in seiner
nächsten Sitzung abschließend mit der Angelegenheit befaßt.
Zu den in der Fragestunde der 212. Sitzung des Deutschen Bundestages am 5. Februar 1969 gestellten Fragen des Abgeordneten Dr. Müller-Emmert, Drucksache V/3793 Nrn. 34, 35 und 36 **), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 5. Februar 1969 eingegangen. Sie lautet:
1. Für die Durchführung von internationalen Jugendbegegnungen erhalten die Mitgliedsverbände des Deutschen Bundesjugendrings Globalzuschüsse aus dem Bundesjugendplan. Die Verwendung der Mittel innerhalb der Richtlinien für den Bundesjugendplan bleibt den zentralen Jugendverbänden überlassen.
In den vergangenen Jahren haben fast alle Mitgliedsverbände des Deutschen Bundesjugendrings deutschisraelische Jugendbegegnungen durchgeführt. Angaben für 1968 können erst gemacht werden, wenn die zentralen Jugendverbände im März/April 1969 die Verwendungsnachweise vorgelegt haben.
2. Es ist den zentralen Jugendverbänden unbenommen, für ihre Bereiche Förderungsprioritäten festzulegen. Der BMFa würde
*) Siehe 212. Sitzung, Seite 11483 D
**) Siehe 212. Sitzung, Seite 11493 A
es begrüßen, wenn die Deutsche Sportjugend aus den global zugewiesenen Mitteln des Bundesjugendplans die für 1969 geplanten 20 deutsch-israelischen Jugendbegegnungen in der Bundesrepublik Deutschland und in Israel fördern würde.
3. Diese Frage kann erst beantwortet werden, wenn die zentralen Jugendverbände die Sammelanträge für die Förderung von internationalen Jugendbegegnungen im Jahr 1969 vorgelegt haben und damit ein erster Überblick über die für 1969 geplanten deutsch-israelischen Jugendbegegnungen möglich ist.
Nach den vorliegenden Informationen waren bisher die im Bundesjugendplan bereitgestellten Mittel für die Förderung von deutsch-israelischen Jugendbegegnungen der zentralen Jugendverbände in der Regel ausreichend.
Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksachen V/3793, Nachtrag zur Drucksache V/3793 —Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wissenschaftliche Forschung. Die beiden ersten Fragen sind gestern beantwortet worden. Frage 3 der Abgeordneten Frau Dr. Maxsein:
Mit Bezug auf die in der 200. Sitzung am 29. November 1968 gegebene schriftliche Auskunft der Bundesregierung über ihre Pläne hinsichtlich des am 1. Januar 1970 in Kraft tretenden neuen INTELSAT-Abkommens frage ich, ob die Bundesregierung mit mir der Meinung ist, daß eine Änderung der Funktion von INTELSAT unumgänglich ist, d. h., daß INTELSAT die Aufgabe der Koordination und Harmonisierung übernimmt, während die zu errichtenden regionalen Nachrichtensatellitensysteme von regionalen Konsortien, die Eigentümer sind, zu betreiben wären.
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister Dr. Stoltenberg.
Die Existenz verschiedener Fernmeldesatellitensysteme, aber auch das Nebeneinander von wissenschaftlichen Satelliten und Nutzsatelliten aller Art schafft in zunehmendem Maße ein Bedürfnis nach Koordinierung und Harmonisierung. Die Frage, welche Koordinierungsfunktionen dabei INTELSAT als zentrale Organisation für die weltweite Nachrichtenverbindung durch Satelliten übertragen werden sollen, läßt sich nach Auffassung der Bundesregierung erst beurteilen, wenn bekannt ist, welche Struktur und welche Aufgaben die Organisation in Zukunft durch die neue Konvention erhalten wird. Von den europäischen Staaten wird eine Zulassung von regionalen Systemen angestrebt, die neben dem von INTELSAT für die sogenannten klassischen Fernmeldedienste errichteten weltweiten System aufgebaut werden können. Solche regionalen Systeme sollten nach europäischer Auffassung möglichst im Eigentum regionaler Konsortien und Organisationen stehen und von diesen betrieben werden.
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11544 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969
Frage 4 der Frau Abgeordneten Dr. Maxsein:
Sind der Bundesregierung französische Pressemeldungen bekannt, wonach die USA bereit sein sollen, ihren Anteil an INTELSAT auf 40 % zu reduzieren und gleichzeitig den britischen auf 12 % zu erhöhen?
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Pressemitteilungen der erwähnten Art sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung ist jedoch über einen Vorschlag der Vereinigten Staaten unterrichtet, die Investitionsquoten in der endgültigen INTELSAT-Organisation nicht wieder durch das Abkommen festzulegen, sondern sie als veränderliche Größe von Jahr zu Jahr den tatsächlichen Benutzungen des Systems durch die einzelnen Mitglieder anzupassen. Bei Anwendung dieses Prinzips würde nach Verkehrsvorausschätzungen und nach einer von mehreren möglichen Rechnungsarten die Quote der USA im Laufe der Jahre bis 1972 auf 41,8 % sinken und die Quote des Vereinigten Königreichs auf 12,5 % steigen.
Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Herr Minister, würden Sie in dieser Lösung, die Sie im letzten Satz andeuteten — daß die USA 41 % und Großbritannien 12 % erhalten —, mit mir die Gefahr sehen, daß die übrigen europäischen Staaten genau wie bisher in INTELSAT majorisiert werden können?
Ich würde Großbritannien in diesem Zusammenhang als einen wesentlichen europäischen Staat bewerten. Eine Mehrheit der USA wäre unter diesen Voraussetzungen nicht gegeben. Aber das ist nur eine Hypothese, wie ich betonen möchte. Die Verhandlungen sind nicht abgeschlossen.
Darf ich Ihnen trotzdem — —
Eine weitere Zusatzfrage? — Frau Kollegin, Sie müssen die Zusatzfragen hier bei mir anmelden.
Verzeihen Sie, Herr Präsident. Darf ich Ihnen trotzdem meine Bedenken ans Herz legen? Ich bin nicht so optimistisch wie Sie, Herr Bundesminister.
Ich habe nur von möglichen Lösungen gesprochen und mich jeder Wertung dieses Vorschlags enthalten.
Jetzt kommen wir zur Frage 5 der Frau Kollegin Dr. Maxsein:
Mit Bezug auf die mir von der Bundesregierung am 29. November 1968 gegebene Auskunft, die Bundesregierung verfolge das Ziel, die Errichtung und den Betrieb von selbständigen Regionalsystemen zuzulassen, frage ich, ob sich unter Umständen die Frage der weiteren Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in INTELSAT stellen kann, wenn sich die Vorstellungen der Bundesregierung als nicht realisierbar erweisen?
Die Bundesregierung hat keinen Anlaß, anzunehmen, daß das von ihr gemeinsam mit den europäischen und außereuropäischen Partnern des INTELSAT angestrebte Ziel, die Errichtung und den Betrieb von selbständigen Regionalsystemen zuzulassen, nicht verwirklicht werden könnte. Sie hält es deshalb nicht für zweckmäßig, zu diesem Zeitpunkt auf eine hypothetische Frage einzugehen.
Dann kommt die Frage 41 des Abgeordneten Dr. Müller :
Welche Folgen für die Bundesrepublik Deutschland hätte eine längere Schließung von Universitäten?
Herr Bundesminister!
Die augenblickliche Situation an den deutschen Hochschulen ist voller Spannungen, läßt aber dennoch nicht erwarten, daß mehrere Hochschulen für längere Zeit geschlossen werden müssen. Die Schließung einer Universität ist das äußerste Mittel, um einen gesetzlosen Zustand an der Hochschule zu beenden. Durch die Schließung einer Universität werden auch die Studenten beeinträchtigt, die ihr Studium planmäßig fortsetzen wollen. Eine längere Schließung einer Universität oder einzelner Fakultäten könnte zur Nichtanrechnung des ganzen Semesters führen und in Fächern mit Numerus clausus die spätere Aufnahme weiterer Studienbewerber erschweren. Die ohnehin überfüllten Universitäten würden durch die notwendige Verlängerung des Studiums weiter belastet. Es ist zu hoffen, daß es den Hochschulen, dem besonnenen Teil ihrer Studentenschaft und den zuständigen staatlichen Stellen gelingt, die Störungen des Lehrbetriebs, die von einer relativ kleinen Gruppe ausgehen, so einzuschränken, daß eine Schließung ganzer Universitäten vermieden werden kann.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Müller.
Herr Bundesminister, sind Sie der Meinung, daß eine Schließung von Universitäten eine Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre in der Bundesrepublik wäre?
Eine Schließung von Universitäten oder Fakultäten kann nur die Konsequenz aus einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre sein. Ich glaube also, die Kausalität liegt in der vorhandenen Beeinträchtigung; die Schließung wäre nicht die Ursache für die Beeinträchtigung.
Weitere Zusatzfragen? — Bitte, Herr Dr. Müller.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969 11545
Herr Bundesminister, welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um den Teil der Studentenschaft — der offensichtlich auch die Mehrheit der Studenten darstellt —, der studierwillig ist, vor einer Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre durch die Schließung von Universitäten zu schützen?
Wie Sie wissen, haben der Herr Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder vereinbart, genau diese Frage der Sicherung der im Augenblick stellenweise bedrohten Freiheit von Forschung und Lehre durch angemessene Maßnahmen der Hochschulen und des Staates in einer Kommission zu erörtern. Ich möchte den Beratungen dieser Kommission, die bis Ende Februar zu Ergebnissen kommen soll, nicht vorgreifen. Sie werden bei der außerordentlichen Schwere dieser Frage und der Entscheidung Verständnis dafür haben.
Wir kommen nun zur Frage 42 des Abgeordneten Lemmrich:
Welches sind nach Meinung der Bundesregierung die Gründe für die Tatsache, daß die Bundesrepublik Deutschland heute technologisch so weit hinter den Vereinigten Staaten zurückliegt?
Herr Bundesminister!
Die Frage beantworte ich im Einverständnis mit dem Bundesminister für Wirtschaft wie folgt.
Ich bin nicht der Meinung, daß die Bundesrepublik auf allen Gebieten technologisch hinter den Vereinigten Staaten zurückliegt. Dies beweist auch der Exporterfolg unserer Industrie, der nur möglich ist, weil unsere Wirtschaft technologisch in vielen Sektoren auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist.
Die Gründe für den technologischen Rückstand der Bundesrepublik gegenüber den Vereinigten Staaten auf einigen besonders wichtigen Gebieten können im Rahmen der Antwort auf eine mündliche Frage nicht erschöpfend dargestellt werden. Ich verweise deshalb zunächst auf die umfassenden Untersuchungen, die die OECD der 3. Forschungsministerkonferenz im März 1968 vorgelegt hat. Ein zusammenfassender Bericht mit dem Titel „Gaps in Technology — General Report" ist vor einigen Monaten erschienen. Die einzelnen Untersuchungen werden ebenfalls veröffentlicht. Die OECD-Studien zeigen, daß das Problem des technologischen Rückstands einer differenzierten Betrachtung bedarf. Während es zahlreiche Gebiete gibt, auf denen die Vereinigten Staaten keinen Vorsprung haben, lassen sich wesentliche Rückstände im Bereich solcher forschungsintensiver Industrien feststellen, die in den letzten 15 Jahren neu entstanden sind und in denen sich die Vereinigten Staaten aus politischen Gründen technologische Ziele mit einem besonders großen Aufwand gesetzt haben.
Zusatzfrage, Herr Lemmrich.
Herr Bundesminister, nachdem Sie diese Frage im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft beantwortet haben, gestatte ich mir die Frage, ob der Bundesminister für Wirtschaft eine andere Ansicht hat als sein Staatssekretär von Dohnanyi, der nach der „Frankfurter Allgemeinen" vom 21. Januar 1969 erklärt hat, wenn die Bundesrepublik jedoch heute technologisch so weit hinter den Vereinigten Staaten zurückliege, sei das eine Folge der Planungsfeindlichkeit Ludwig Erhards.
Ich bin nicht in der Lage, Herr Kollege, im Augenblick bei einer Zusatzfrage zu überprüfen, ob dies eine richtige Wiedergabe der Ausführungen des Herrn Staatssekretärs von Dohnanyi ist, und möchte deshalb diese Meldung nicht bewerten.
Zur Sache selbst kann man wohl sagen, daß die qualifizierte internationale Diskussion den technologischen Rückstand mehrerer europäischer Länder auf wichtigen Gebieten auf andere Ursachen zurückführt. Es ist ein Problem, das auch Länder mit einer sozialistischen Wirtschaftspolitik wie Großbritannien oder mit einer perfekten Planifikation wie Frankreich mindestens genauso beschäftigt wie die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Wirtschaftspolitik der sozialen Marktwirtschaft.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Lemmrich.
Herr Minister, könnten Sie überprüfen lassen, ob der Herr Staatssekretär von Dohnanyi diese Äußerung gemacht hat, und mich unterrichten lassen?
Ich kann es nicht überprüfen lassen, aber ich kann ihn danach fragen.
Wir kommen zur Frage 43 des Herrn Abgeordneten Kohlberger:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Augsburg eine Teiluniversität errichtet werden soll, die zum Teil mit Bundesmitteln finanziert wird?
Herr Minister!
Wegen des sachlichen Zusammenhangs möchte ich die drei gestellten Fragen gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Fragen 44 und 45 des Herrn Abgeordneten Kohlberger auf:Hat die Bundesregierung der bayerischen Staatsregierung Zusagen gemacht, sich finanziell am Objekt Wiso in Augsburg zu beteiligen?Wie hoch sind die Zuschüsse zu diesem Objekt Wiso?
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11546 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969
Es ist der Bundesregierung bekannt, daß es Pläne für eine wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Hochschule in Augsburg gibt. Sie ist nach den Empfehlungen zu Struktur- und Studienprogrammen des Gründungsausschusses vom 23. Februar 1968 als selbständige Einrichtung zur neuzeitlichen Ausbildung von Diplom-Volkswirtschaftlern konzipiert. Der Wissenschaftsrat hat in seinen Empfehlungen zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen bis 1970 Bedenken geäußert, ob ein Bedarf an einer weiteren wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Ausbildungsstätte besteht und eine neue Hochschule auch angesichts des Mangels an Hochschullehrern speziell in der Betriebswirtschaft personell ausgestattet werden könnte. Diese Bedenken sind durch die Empfehlungen des Gründungsausschusses nicht in vollem Umfang beseitigt worden. Die bayerische Staatsregierung hat die Planung für dieses Projekt dem Wissenschaftsrat bisher nicht vorgelegt. Die Bundesregierung hat auch keine Zusagen über eine künftige finanzielle Beteiligung gemacht. Wenn im Rahmen der Finanzverfassungsreform die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau der wissenschaftlichen Hochschulen" zustande gekommen ist, wird sich der Bund bei allen Projekten, die von dem gemeinsamen Planungsausschuß des Bundes und der Länder in die Planung aufgenommen werden, an den Investitionskosten zur Hälfte beteiligen. Zuvor müssen jedoch alle Planungen im Bundesgebiet für Neugründungen unter den neuen Gesichtspunkten einer überregionalen Abstimmung der Schwerpunkte geprüft werden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kohlberger.
Herr Minister, habe ich richtig gehört, daß Sie sagten, die bayerische Staatsregierung habe beim Wissenschaftsrat noch keinen Antrag eingebracht und habe auch nicht um die Finanzierung dieser Pläne nachgesucht?
Die bayerische Staatsregierung hat, soweit ich es übersehe, bei der generellen Erörterung der Empfehlungen für 1970 auf dieses Vorhaben hingewiesen. Deshalb ist es ja auch in den Empfehlungen für 1970 behandelt in der Art, wie ich es soeben ausgesprochen habe. Unter dem Eindruck der etwas abwartenden oder skeptischen Äußerung des Wissenschaftsrates ist aber offensichtlich eine Neuprüfung des Vorhabens im Gange, die es bisher nicht zu einem formellen Antrag auf endgültige Zustimmung hat kommen lassen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kohlberger.
Ist es richtig, daß im Haushalt die Unterstützungssumme von 25 auf 140 Millionen DM angehoben worden ist? Wenn ja, darf ich Sie bitten, mir zu sagen, welche Hochschulprojekte hiermit unterstützt werden sollen.
Es trifft zu, daß auf Grund von Gesprächen zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf bestimmte Finanzschwierigkeiten bei den Ländern der Anteil für Neugründungen an Hochschulen in dem von Ihnen zitierten Umfang erhöht wurde und demgegenüber die Mittel für überkommene Hochschulen entsprechend vermindert wurden. Die Mittel für Neugründungen werden für solche wissenschaftliche Hochschulen verwandt, die bereits arbeiten, wie Bochum, oder wo die Bauplanung bereits konkret zu Investitionen geführt hat. In einem Fall, bei Regensburg, werden wir ausnahmsweise im Vorgriff auf die Finanzverfassungsreform auch Grunderwerb finanzieren. Insoweit ist das Land Bayern auch an diesen Mitteln für Neugründungen durch Regensburg beteiligt.
Eine weitere Zusatzfrage, zunächst Herr Kollege Dr. Althammer.
Herr Bundesminister, wäre es unter Umständen denkbar, daß der Wissenschaftsrat seine vorläufig skeptische Haltung ändern könnte, wenn das Projekt einer reinen Wiso im Verlauf der weiteren Planung auf andere Teilbereiche einer Universität ausgeweitet würde?
Bei allen Plänen für Neugründungen, so auch im Hinblick auf das Augsburger Projekt, wird man in der Tat neuere Erkenntnisse über das Schwergewicht der einzelnen Fakultäten und die Bedarfs- und Berufschancen für die Studenten stärker berücksichtigen müssen. Hier gibt es nicht nur für Augsburg, sondern für eine Reihe anderer Neugründungen Erkenntnisse, die gegenüber den Planungen der Jahre 1966 und 1967 Abweichungen erbringen.
Ich möchte also die Frage offenlassen, ob es mit einer bloßen Ausweitung getan ist oder ob nicht eine grundlegende Neuorientierung des ganzen Vorhabens zweckmäßig erscheint. Das muß den weiteren Verhandlungen und Überlegungen vorbehalten bleiben. Wir sehen in der Tat als Forschungsministerium in Übereinstimmung mit der von mir zitierten Stellungnahme des Wissenschaftsrates keinen vorrangigen Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bei Neugründungen. Ich verweise darauf, daß auch im Kreis der Sozialwissenschaftler selbst von führenden Professoren jetzt die Auffassung vertreten wird, daß die Berufschancen für die im Hauptfach Sozialwissenschaften Studierenden sehr ungünstig sind und daß man zu einer gewissen Überprüfung der bisherigen Planungen kommen muß.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Althammer.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969 11547
Herr Minister, wäre es von entscheidender Bedeutung, wenn der Bedarf an Wirtschafts- und Verwaltungsmanagement in bezug auf die Ausbildung im Rahmen einer solchen Hochschule gedeckt werden könnte?
Wir glauben, daß neue Gesichtspunkte der Heranbildung von Führungskräften für Aufgaben in Wirtschaft und Verwaltung sehr wichtig sind. Dies gilt aber sowohl für überkommene Universitäten als auch für Neugründungen.
Herr Kollege Strohmayr, ich nehme die Gelegenheit wahr, Ihnen über einige Teile der Geschäftsordnung eine Auskunft zu geben.
— Ich will Ihnen das nur erläutern. Die Wortzu teilung erfolgt durch das Präsidium.
Aber um zur Sache etwas zu sagen: In diesem Fall — ich habe ein sehr weites Gesichtsfeld — ist die Wortmeldung nicht nach dem Alphabet, sondern strikt nach der Reihenfolge der Meldungen vorgenommen worden, und da waren Sie leider der zweite.
— Nein, da waren Sie der zweite, Herr Kollege Strohmayr. — Aber ich gebe Ihnen, obgleich Sie sich in dieser Frage unrechtmäßig zu Wort gemeldet haben, jetzt trotzdem das Wort.
Sie sind dran, Herr Strohmayr.
Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, daß Sie mir jetzt das Wort erteilen, obwohl ich bereits vorher an der Reihe gewesen wäre. — Ich möchte hier nun den Herrn Minister fragen — —
Herr Kollege Strohmayr, ich muß Sie unterbrechen: Sie waren nicht an der Reihe. Wir haben hier ein Präsidium, das auf die Reihenfolge der Wortmeldungen genau aufpaßt. Obgleich keinerlei Reihenfolge eingehalten zu werden braucht, möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß sich Herr Althammer vor Ihnen zu Wort gemeldet hatte.
Ich nehme es zur Kenntnis; aber es war anders.
Dann ist es gut, wenn Sie es zur Kenntnis nehmen.
Herr Minister, darf ich also den Ausführungen, die Sie vorhin zu den Fragen gemacht haben, entnehmen, daß das Land Bayern bis zum heutigen Tag an den Wissenschaftsrat noch keinen Antrag bezüglich der Wiso in Augsburg gerichtet hat?
Es liegt kein formeller Förderungsantrag vor. Ich wiederhole aber noch einmal, um mögliche Mißverständnisse in der publizistischen und politischen Folgediskussion zu vermeiden, daß das Land Bayern dieses Vorhaben im Zusammenhang mit den Empfehlungen bis zum Jahre 1970 zur Diskussion gestellt hat und daß der Wissenschaftsrat in einer einschränkenden oder skeptischen Weise dazu Stellung genommen hat. Hier mag, ohne daß ich die internen Verwaltungsvorgänge des Landes Bayern kenne, der Grund dafür liegen, daß man noch in eine interne Diskussion und Überprüfung des ganzen Projektes eingetreten ist, um eine zweite Stellungnahme mit einem positiveren Votum zu erzielen.
Eine weitere Frage, Herr Strohmayr.
Herr Minister, ich kann also zusammenfassend sagen, daß auch bis zum heutigen Tag Haushaltsmittel von Bundesseite für eine Wiso in Augsburg noch nicht zur Verfügung stehen?
Das trifft zu, weil die erforderlichen Voraussetzungen, die ich in meiner ersten Antwort geschildert habe, noch nicht vorliegen.
Herr Kollege Ott zu einer weiteren Zusatzfrage.
Herr Minister, sind Sie mit mir der Meinung, daß das Problem der vom Wissenschaftsrat nicht akzeptierten Wiso in Augsburg dadurch bereinigt werden könnte, daß sich die Universität München mit einer Teiluniversität in Augsburg ansiedelt?
Dies ist eine so schwerwiegende Frage, daß ich von einer unvorbereiteten Antwort absehen möchte. Ich glaube, daß die Überprüfung der zu wählenden Fakultäten und Disziplinen entscheidend sein wird. Hier ist offenbar eine neue Diskussion im Gange, deren Ergebnisse wir abwarten müssen, bevor wir eine neue Stellungnahme abgeben können.
Eine Zusatzfrage, Kollege Dr. Jahn!
Herr Minister, können Sie Auskunft darüber geben, ob — soeben war von einigen bayerischen Universitäten, die gefördert werden sollen, die Rede — auch Förderungsanträge aus Niedersachsen beim Ministerium vorliegen?
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11548 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969
Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, Herr Kollege Jahn, daß im Rahmen der etwa 730 Millionen DM, die die Bundesregierung für das nächste Jahr vorgesehen hat, erhebliche Mittel nach Niedersachsen fließen. Wir fördern alle 37 wissenschaftlichen Hochschulen; mit Ausnahme einiger Neugründungen, bei denen die Voraussetzungen nicht gegeben sind. Selbstverständlich erstreckt sich die Förderung auf die wissenschaftlichen Hochschulen in allen Bundesländern.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Zunächst rufe ich die Frage 55 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Altersversorgung der Angestellten des öffentlichen Dienstes, die keinen Anspruch auf Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, auch nach der Änderung der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder noch immer nicht wirklich sozial gelöst ist?
Zur Beantwortung hat der Staatssekretär Köppler das Wort.
Herr Kollege, die Frage der Altersversorgung der Angestellten des öffentlichen Dienstes ist durch die am 1. Januar 1967 in Kraft getretene Neuregelung in Anlehnung an die Versorgung der Beamten gelöst worden. Dabei sind die Tarifvertragspartner davon ausgegangen, daß die Angestellten unter Berücksichtigung der von ihnen im öffentlichen Dienst verbrachten oder anrechenbaren Zeiten und der von ihnen geleisteten Beiträge zur gesetzlichen und zur Zusatzversicherung im allgemeinen eine Gesamtversorgung in Höhe von 35 v. H. bis 75 v. H. des mit Beiträgen belegten Durchschnittseinkommens der letzten drei Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalles erhalten.
Angestellte, die nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren und daher auch keinen Anspruch auf Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, erhalten eine entsprechende Gesamtversorgung, wenn sie neben der Zusatzversicherung an Stelle der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gleich hohe Beiträge zu einer Ersatzversicherung geleistet haben. Diese Regelung entspricht dem Grundsatz, daß Angestellte, die während ihres Arbeitslebens weniger für die Sicherung ihres Alters getan haben, nicht zu Lasten derjenigen bevorzugt werden können, die ständig und entsprechend der Höhe ihres Einkommens Ausgaben für ihre Alterssicherung geleistet haben.
Die Versorgung der Angestellten des öffentlichen Dienstes, die keinen Anspruch auf Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben, ist damit im Grundsatz, wie wir glauben, sachgerecht geregelt.
In meiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Kollegen Dr. Franz, Wagner, Wieninger, Schlager und Genossen — Drucksache V/2828 — habe ich mitgeteilt, daß die Tarifvertragsparteien zur Zeit gemeinsame Überlegungen anstellen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise Schwierigkeiten ganz unterschiedlicher Art, die sich aus der Neuregelung ergeben, begegnet werden kann. Die Bundesregierung sei bereit, im Rahmen dieser Verhandlungen zu prüfen, wo besondere Härten vorliegen und wie diese gegebenenfalls ganz oder teilweise ausgeräumt werden können. Demnach kann bei diesen Verhandlungen auch geprüft werden, ob speziell bei der Zusatzversorgung der nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten Härten auftreten können, die eine Abhilfe erfordern. Ich habe veranlaßt, daß auch diese Frage in die laufende Prüfung mit einbezogen wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Varelmann.
Herr Staatssekretär, in welchem Umfange haben frühere Nationalsozialisten, die vor dem Kriege in den öffentlichen Dienst eingestellt wurden, aus ,der Zusatzversorgung einen Vorteil gegenüber Gegnern, die nach 1945 eingestellt wurden?
Herr Kollege, ich bin nicht in der Lage, diese exakte Frage so, wie es sein sollte, exakt zu beantworten, bin aber gern bereit, die Untersuchungen anstellen zu lassen, die notwendig sind, um Ihnen Auskunft zu geben.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 56 der Abgeordneten Frau Funcke:
Trifft es zu, daß der Kommission für politische Bildung beim Bundesinnenministerium keine Frau angehört?
Der Kommission zur Beratung der Bundesregierung in Fragen der politischen Bildung gehören derzeit elf 'Mitglieder an, darunter befindet sich leider keine Frau.
Frage Nr. 57 der Abgeordneten Frau Funcke:
Hält die Bundesregierung die einseitige Zusammensetzung der Kommission für politische Bildung beim Bundesinnenministerium im Hinblick auf die Aufgabe für angemessen und vertretbar?
Frau Kollegin, die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn der Kommission nicht nur Männer angehörten. Sie wird bei Neuberufungen diesen Gesichtspunkt berücksichtigen. Im Vordergrund muß natürlich nach wie vor die Überlegung stehen, daß die Kommission nach den in Betracht kommenden Fachdisziplinen ausgewogen ist. Das schließt gelegentlich die Beachtung anderer, auch wichtiger Gesichtspunkte aus.
Zusatzfrage, Frau Kollegin Funcke.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969 11549
Herr Staatssekretär, was spricht dagegen, daß .die Bundesregierung sofort eine Ergänzung vornimmt, da ja doch die Zahl elf keine heilige Zahl ist und zumal da durchaus bekannte und namhafte Frauen zur Verfügung stehen, sowohl auf dem Gebiet der Soziologie wie auch dem der Pädagogik?
Frau Kollegin, ich will mich nicht 'über den Symbolwert der Zahl elf verbreiten. Es ist schon einmal vor einiger Zeit der Vorschlag, eine qualifizierte Vertreterin einer Fachdisziplin in die Kommission zu berufen, erörtert worden, aber mit anderen solchen Vorschlägen zurückgestellt worden, weil, wie der Bundesminister des Innern diesem Hause in Beantwortung der Großen Anfrage zur politischen Bildung mitgeteilt hat, jetzt eine gewisse Verzahnung mit dem vorgesehenen Beirat bei der Bundeszentrale für politische Bildung vorgenommen werden soll. In allernächster Zeit werden diese Überlegungen abgeschlossen sein, und es wird eine Komplettierung der Kommission erfolgen können.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Funcke.
Herr Staatssekretär, darf ich davon ausgehen, daß Ihnen bekannt ist, daß die Vertretung der Frauen in den Gremien der Bundeszentrale für politische Bildung keineswegs besser ist und daß eine Addition von zwei ungenügenden Regelungen noch keine gute Regelung ergibt?
Gnädige Frau, dieser Beirat, auf den Sie hier offenbar anspielen, ist noch gar nicht gebildet. Sie können ihn also in dieser Richtung noch nicht qualifizieren. Der Bundesregierung schwebt vor — um das ganz deutlich zu sagen —, eine personelle Verzahnung zwischen den Mitgliedern der Kommission und den Mitgliedern des Beirates bei der Bundeszentrale vorzunehmen. Das wird in allernächster Zeit geschehen.
Ich darf Ihnen nur noch eins aus der Genesis dieser Kommission sagen, die seit vielen Jahren an der Arbeit ist. Zu der Zeit, als diese Kommission gebildet wurde, war die Zahl der Damen, die Lehrstühle in entsprechenden Disziplinen innehatten, außerordentlich gering. Inzwischen hat sich das erfreulicherweise geändert, und die Bundesregierung wird in der Lage sein, Ihrem Petitum bei der Neuzusammensetzung der Kommission nachzukommen.
Es tut mir furchtbar leid, Frau Kollegin Funcke, die beiden Fragen sind nicht verbunden gewesen, und nach der ersten Frage ist keine Zusatzfrage gestellt worden. Damit sind die Zusatzfragen leider erschöpft.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 58 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller:
Hält die Bundesregierung die Durchführung von Vorlesungsstreiks durch Professoren als Abwehrmaßnahme gegen Terroraktionen für vereinbar mit dem Beamtenrecht?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege Dr. Müller, die Hochschullehrer sind Beamte, und zwar Landes-beamte. Selbstverständlich dürfen Beamte nicht streiken. Das Streikverbot ist unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes abzuleiten.
Hochschullehrer sind beamtenrechtlich verpflichtet, ihr Fach in Forschung und Lehre angemessen zu vertreten. Im Rahmen dieser Verpflichtung müssen sie den Vorlesungsbetrieb auch unter gewissen erschwerten Bedingungen aufrechterhalten. Die generelle Einstellung von Vorlesungen als Antwort auf bestimmte Aktionen von studentischer Seite dürfte daher im allgemeinen nicht zulässig sein.
Anders ist die Rechtslage allerdings dann zu beurteilen, wenn Terroraktionen von Studenten einen ordnungsmäßigen Vorlesungsbetrieb unmöglich machen. In einem solchen Fall — und ich nehme an, daß Ihre Frage von dieser Prämisse ausgeht — liegt kein „Streik", also keine Verweigerung der Erfüllung der Dienstpflichten durch den Hochschullehrer vor. Vielmehr besteht hier eine subjektive und objektive Unmöglichkeit, die vom Hochschullehrer kraft seines Amtes geforderte Leistung, nämlich die angemessene Vertretung seines Faches in Forschung und Lehre, tatsächlich zu erbringen. In einem solchen Fall kann also von einem Verstoß gegen die Dienstpflichten nicht gesprochen werden.
Eine Zusatzfrage, Kollege Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, würden Sie eine solidarische Abwehrmaßnahme von Professoren einer Fakultät, in der ständig der Lehrbetrieb gestört wird, in diesem Fall als eine Abwehrmaßnahme betrachten, die nicht als Streik zu bezeichnen ist?
Herr Kollege, ich glaube, aus meiner Antwort auf Ihre Frage sind die Kriterien, unter denen ich die Nichtabhaltung von Vorlesungen für rechtlich zulässig halte, klar hervorgegangen. Um Ihre Frage exakt beantworten zu können, müßte man einen sehr konkreten Fall schildern und studieren, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Wir kommen zur Frage 59 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:Wann ist mit der Abschaffung des Sichtvermerkzwangs zwischen Jugoslawien und der Bundesrepublik Deutschland zu rech-non?Bitte, Herr Staatssekretär!
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11550 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969
Völkerrechtlich ist die Abschaffung des Sichtvermerkszwanges für Touristen bis zu drei Monaten zwischen der Bundesregierung und der jugoslawischen Regierung durch Notenwechsel vom 17./23. Oktober 1968 vereinbart worden. Um das Abkommen durchzuführen, bedarf es auf deutscher Seite einer — das geltende Ausländerrecht insoweit abändernden — Rechtsnorm. Sie läßt sich am zweckmäßigsten durch Änderung der Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz schaffen. Ein Zustimmungsgesetz einzubringen, wäre zeitraubender gewesen. Die Änderungsverordnung, die neben der Abschaffung des Sichtvermerkszwanges gegenüber Jugoslawien noch eine Reihe anderer bedeutsamer Punkte regelt, ist dem Bundesrat Ende Januar 1969 zugeleitet worden. Es ist damit zu rechnen, daß der Bundesrat sie am 7. März behandeln wird. Die Bundesregierung hat Grund zu der Annahme, daß der Bundesrat der Verordnung seine Zustimmung geben wird. Sie kann dann noch im Laufe des Monats März erlassen werden, so daß die Erleichterungen des Abkommens sich bereits im Osterreiseverkehr auswirken können.
Ich rufe die Frage 60 des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen auf:
Ist eine Zwischenlösung vorgesehen, wenn sich die Entscheidung des Bundesrates noch längere Zeit hinzieht?
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, eine Zwischenlösung dürfte nicht notwendig sein, da, wie gesagt, damit zu rechnen ist, daß der Bundesrat die Verordnung am 7. März behandeln wird. Die dort vorgesehenen Bestimmungen im Verwaltungsweg vorwegzunehmen, würde wegen der dem deutschen Rechtssystem eigenen strengen Bindung der Verwaltung an bestehende Rechtsvorschriften auch auf große rechtliche Schwierigkeiten stoßen. Zur Vermeidung etwaiger Härten wird aber schon jetzt bei der Erteilung von Ausnahmesichtvermerken an jugoslawische Touristen die vorhandene gesetzliche Ermächtigung seitens der deutschen Grenzbehörden in großzügiger Weise angewandt; die jugoslawische Seite zeigt dem Vernehmen nach gegenüber deutschen Reisenden ähnliches Entgegenkommen.
Ich rufe die Frage 61 des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der britischen Journalistin Hella Pick am Sonntag, dem 12. Januar 1969, die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ohne Visum verweigert wurde, weil sie, obwohl britische Staatsbürgerin, einen Paß besaß, der von der britischen Hochkommission in Lagos ausgestellt war, und daß diese Tatsache erhebliche Aufmerksamkeit in der britischen Presse nach sich gezogen hat?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Kollege, der Bundesregierung war bereits aus Pressemitteilungen bekannt geworden, daß von der britischen Journalistin Hella Pick bei der Einreise in die Bundesrepublik von der Grenzpolizeistation am Flughafen München-Riem eine Aufenthaltserlaubnis in der Form des Sichtvermerks verlangt worden ist.
Der Sichtvermerk mußte gefordert werden, weil Frau Pick zu dem Personenkreis gehört, der nach der Neufassung des Commonwealth Immigrants Act vom Frühjahr 1968 trotz des Besitzes eines britischen Passes nicht mehr zur unbeschränkten Einreise in das britische Mutterland berechtigt ist.
Die Konsequenzen, die sich für die deutschen Einreisebestimmungen aus der Änderung des britischen Rechts ergeben haben, habe ich bereits in der Fragestunde am 5. Dezember vergangenen Jahres dargestellt.
Auf Frau Pick konnte die für Angehörige des britischen Mutterlandes bestehende Einreiseerleichterung nicht angewendet werden, da sie ausweislich ihres Passes nicht zu dem Personenkreis gehört, der nach britischem Recht zur freien Einreise in das britische Mutterland berechtigt ist.
Im übrigen darf ich bemerken, daß die Grenzpolizeistation am Flughafen München-Riem keineswegs die Absicht hatte, Frau Pick wegen Fehlens des Sichtvermerks zurückzuweisen, sondern ihr unter Hinweis auf die Rechtslage die Erteilung eines Ausnahmesichtvermerks angeboten hat. Hierzu sind die mit der Paßnachschau beauftragten Behörden bei Vorliegen der für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Form des Sichtvermerks erforderlichen Voraussetzungen namentlich dann ermächtigt, wenn eine Zurückweisung eine unbillige Härte darstellen würde. Nach einer offenbar zum Teil recht unerfreulichen, von den Beamten der Grenzpolizeistation jedoch höflich und korrekt geführten Auseinandersetzung, bei der Frau Pick zunächst auf einer sichtvermerkfreien Einreise bestand, machte sie von dem Angebot der Erteilung eines Ausnahmesichtvermerks schließlich Gebrauch.
Ihre Ankündigung, sie werde die Angelegenheit in der britischen Presse zur Sprache bringen, hat Frau Pick, wie aus Berichten in der deutschen Presse ersichtlich ist, verwirklicht. Die Andeutung in ihrem im „Guardian" veröffentlichten Artikel, die Verhaltensweise der deutschen Beamten sei auf deren antisemitische Gesinnung zurückzuführen, möchte ich auch an dieser Stelle nachdrücklich zurückweisen. Daß von ihr für die Einreise ein Visum verlangt werden mußte, ergab sich aus dem geltenden deutschen Recht und geht zurück auf die auch Frau Pick betreffende Verschärfung des britischen Commonwealth Immigrants Act.
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Zusatzfrage, Kollege
Kahn-Ackermann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen nicht bekannt, daß in der Veröffentlichung der Frau Pick über ihre Erlebnisse bei der Paßnachschau in München-Riem mit keinem Wort etwas darüber steht, daß die von Ihnen zitierte Anti-Haltung oder Anti- — —
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Kahn-Ackermann— Wie soll ich das sagen? Ich weiß nicht mehr, welches Wort Sie dafür gebraucht haben. Jedenfalls schien daraus hervorzugehen, daß Frau Pick behauptet haben soll, die Beamten hätten sich sozusagen naziähnlich betragen. Das ist mit keinem Wort unterstellt.Darf ich Sie in diesem Zusammenhang weiter fragen, Herr Staatssekretär, ob Ihre Behauptung richtig ist, daß Frau Pick zu dem Personenkreis gehört, der nach dem neuen britischen Gesetz diesen Beschränkungen unterworfen ist, nachdem Frau Pick eindeutig festgestellt hat, daß ihr Paß zufälligerweise von einer britischen Hochkommission draußen im Commonwealth ausgestellt worden ist, weil während einer journalistischen Dienstreise ihr eigener Paß abgelaufen war. Gibt es denn keine Möglichkeit — und es ist anzunehmen, daß solche Fälle in größerer Zahl vorliegen —, in solchen Fällen, wo es ganz offensichtlich ist, daß es sich nicht um Bürger des Commonwealth handelt, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen, insbesondere dann, wenn es sich um bekannte britische Journalisten handelt?
Herr Kollege, damit ist Ihr Fragenkontingent insgesamt erschöpft, wie Sie sich vorstellen können.
Herr Kollege, ich will versuchen, Ihre Fragen ganz kurz zu beantworten.
Ich bin in der Tat dahin unterrichtet, daß der Beitrag, den Frau Pick im „Manchester Guardian" veröffentlicht hat, eine solche Unterstellung gegenüber den Beamten enthält. Ich habe mich für verpflichtet gehalten, das auch anläßlich Ihrer Frage vor diesem Hohen Hause zurückzuweisen.
Zu der zweiten Frage, die Sie gestellt haben: Ich glaube, unsere Behörden an den Grenzübergangsstellen wären überfordert, wenn sie in eine Prüfung darüber eintreten müßten, ob ein Paß, der ihnen vorgelegt wird, nun vielleicht auf Grund der persönlichen Situation und des Rechtsstatus des Vorweisenden durch ein anderes Ausweispapier ersetzt werden könnte. Maßgeblich muß der Paß sein, der vorgelegt wird, und dieser Paß fiel allerdings unter die einschränkenden Bestimmungen der erwähnten britischen Gesetzgebung.
Ich rufe die Frage 62 des Herrn Abgeordneten Weigl auf:
Kann die Bundesregierung Auskunft geben über die Zahl der Beamten des Bundes und der Länder, z. B. aus dem Bereich der Finanzverwaltung, die sich in den letzten Jahren entweder selbständig gemacht haben oder die wegen günstigerer Bezahlung als Beamte ausgeschieden und in die Privatwirtschaft übergewechselt sind?
Herr Kollege Weigl, die Bundesregierung führt wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwands keine zentrale laufende Verwaltungsstatistik über die Zahl der in den letzten Jahren abgewanderten Beamten und über die Beweggründe für die Abwanderung. Auch für den Bereich der Steuerverwaltung liegt eine offizielle
Fluktuationsstatistik nicht vor. Im Rahmen des im Mai vorigen Jahres erlassenen Gesetzes über eine Statistik des Personals, der Dienstbezüge, Vergütungen und Löhne im öffentlichen Dienst werden zur Zeit auch Erhebungen über die Personalfluktuation durchgeführt. Das Ergebnis zu diesem Teil der Statistik wird voraussichtlich aber erst im Januar 1970 vorliegen.
Wir kommen zu Frage 63 des Abgeordneten Jung. — Abgeordneter Jung ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet.
Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern erledigt. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Frage 89 stellt der Abgeordnete Dr. Gleissner:
Ist die Bundesregierung bereit, die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere im Interesse von Verbrauchern und Steuerzahlern, darüber aufzuklären, daß die deutsche Landwirtschaft, außer bei Butter, keine Überproduktion hat, daß aber die in der Übergangszeit stark angeheizte Produktion und die dadurch hervorgerufenen Überschüsse von EWG-
Partnern unsere Steuerzahler, insbesondere aber unsere eigene Landwirtschaft, mehr oder weniger einseitig belasten?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ich darf feststellen, daß die Bundesregierung in diesem Hohen Haus wiederholt zu dieser Frage Stellung genommen hat. Sie ist sehr dankbar dafür, daß ihr wiederum Gelegenheit gegeben wird, ihren früheren Standpunkt zu bestätigen. Sie hat das auch in der Öffentlichkeit getan und ist bereit, weiterhin aufklärend in dieser Frage mit Hilfe der Abgeordneten, die sich ja jetzt einem sehr intensiven Einsatz hingeben, zu wirken. Es gehört aber zum Wesen des von uns geschaffenen gemeinsamen Agrarmarkts und zu seinen wichtigsten Voraussetzungen, daß die aus der EWG-Agrarpolitik erwachsenden finanziellen Verpflichtungen — vor allem auf dem Gebiet der Marktpolitik —gemeinsam getragen werden. Das heißt aber nicht, daß die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in Zukunft für weiter steigende und nicht absetzbare landwirtschaftliche Überschüsse die volle finanzielle Verantwortung tragen müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, durch andere Maßnahmen als bisher Einfluß auf die Entwicklung im Produktionsbereich zu bekommen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Gleissner.
Herr Bundesminister, bei aller Dankbarkeit für die Aufklärung von seiten der Bundesregierung: ist Ihnen bekannt, daß der Großteil der Presse — der Illustrierten —, zum Teil auch des Fernsehens, nach wie vor die Meinung verbreitet, die deutsche Landwirtschaft habe die Hauptschuld an der Belastung der Steuerzahler und sei der Urheber der Überproduktion in der EWG?
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11552 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969
Diese große Presse hätten wir für viele andere, nützliche Zwecke auch oft sehr gern auf unserer Seite gehabt; aber wir können das nicht bestimmen. Die große Presse ist frei, wir haben keine Zensur, und das ist gut so.
— Es war nur von der großen die Rede. Natürlich ist die kleine auch frei, Herr Abgeordneter.
Dann kommen wir zur Beantwortung der Frage 90 des Abgeordneten Dr. Gleissner:
Ist die Bundesregierung bereit, konstruktive Vorschläge zum Abbau der Überproduktion im EWG-Bereich vorzulegen, wie z. B. die Einführung der finanziellen Verantwortung der nationalen Regierung für ihre jeweilige Überproduktion und — in Verbindung mit einer Neuregelung der Agrarfinanzierung — die Vorbereitung der Mengenregelung für alle EWG-Partner, um die Kosten der EWG zu begrenzen, die kostspielige Vernichtung von Agrarerzeugnissen zu vermeiden usw.?
In Frankreich als einem Mitgliedstaat mit der größten landwirtschaftlichen Erzeugungsfläche und dem größten Produktionspotential in der Gemeinschaft, das weitgehend unterschätzt worden ist, hat sich das Ertragsniveau sowohl hinsichtlich der Flächenerträge wie der tierischen Produktion während der vergangenen Jahre ständig erhöht. Das hat zu einer rasch steigenden finanziellen Belastung des EWG-Agrarfonds und damit derjenigen Mitgliedsländer geführt, die — wie die Bundesrepublik — diesen Fonds zu einem großen Teil — nämlich zu 31,2 % — finanzieren. Für eine Lösung des Überschußproblems innerhalb der EWG und der daraus resultierenden nationalen Haushaltsbelastungen hat die Bundesregierung im Rahmen ihres Agrarprogramms, das dem Studium wiederholt empfohlen wird, eine Reihe von Möglichkeiten aufgezeigt. Die Bundesregierung wird bei den bevorstehenden Verhandlungen über das Memorandum der EWG-Kommission zur Reform der Landwirtschaft — und mehr liegt nicht vor — nach Lösungen suchen, durch die der Markt in ein besseres Gleichgewicht kommt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Bading.
Herr Minister, ist es richtig, wenn ich annehme, daß wir einen gemeinsamen europäischen Markt haben und daß sich eine Überschußsituation in einem Mitgliedsland der EWG selbstverständlich für alle Mitgliedsländer auswirken muß?
Herr Kollege Bading, ich erinnere mich aus meiner Antwort, daß ich genau dasselbe gesagt habe.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Gleissner.
Herr Bundesminister, bei allem Verständnis für die Gemeinsamkeit des gemeinsamen Marktes: glauben Sie nicht, daß die Überschußsituation, die jetzt da ist — und so, wie wir sie finanzieren —, einseitig auf dem Rücken nicht nur des Steuerzahlers, sondern vor allem einseitig auf dem Rücken der Landwirtschaft getragen wird? Das trägt doch dazu bei, denjenigen, die gegen die deutsche Landwirtschaft Propaganda machen, Material geben!?
Auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft wird die Überschußverwertung nicht ausgetragen. Wir sind sogar so weit, daß wir einen gemeinsamen Außenschutz aufbauen — auch im Interesse der deutschen Landwirtschaft —, Interventionen usw. vorsehen, die der deutschen Landwirtschaft nützen.
Es ist richtig, was Sie sagen: daß die Öffentlichkeit von den komplizierten Zusammenhängen nicht die Kenntnis nimmt und vor allem die Kenntnis verbreitet, die wir uns gern wünschten. Wir sind alle aufgerufen — das Parlament, die Regierung, alle Organe —, hier für mehr gerechte Aufklärung zu sorgen.
Frage 91 des Herrn Abgeordneten Rollmann. — Der Herr Abgeordnete Rollmann ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen. Frage 46 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:
Was hat die Bundesregierung seit 1962 an Hilfe für Kinder mit Gliedmaßenfehlbildungen getan?
Das Wort zur Beantwortung hat Frau Bundesminister Strobel.
Das Bundesministerium für Gesundheitswesen hat in den Jahren von 1962 bis 1968 rund 6,8 Millionen DM für die Entwicklung und Erprobung von technischen Hilfen für gliedmaßengeschädigte Kinder zur Verfügung gestellt. Durch diese Forschungsvorhaben wurden pneumatisch betriebene Prothesen, neuartige Antriebs- und Steuerungssysteme, Spezialkrankenfahrstühle, Lichtschreiber, Fuß-, Zehen- und elektroakustisch gesteuerte Schreibmaschinen sowie zahlreiche weitere Hilfsmittel für Alltagsverrichtungen entwickelt und erprobt. Diese Forschungsarbeiten werden fortgesetzt und weiter gefördert.Bei der Vielzahl der in den Jahren 1958 bis 1962 geborenen Dysmelie-Kinder reichen die Plätze in den Fachkliniken nicht aus. Deshalb hat das Bundesministerium für Gesundheitswesen in den Jahren 1963 bis 1968 rund 7 Millionen DM an Kliniken und Anstalten zum Ausbau und zur Einrichtung von Sonderstationen für diese Kinder bereitgestellt. Auch diese Maßnahmen werden fortgesetzt.Außerdem wurden und werden Aufklärungsschriften und Kurzfilme finanziert sowie Fachtagungen
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Bundesminister Frau Strobelund Elternschulungsveranstaltungen durchgeführt, um die Eltern mit den notwendigen Maßnahmen und Hilfen durch das Elternhaus vertraut zu machen, den Erfahrungsaustausch unter den in der Rehabilitation tätigen Fachleuten zu fördern, aber auch um bei der Bevölkerung mehr Verständnis für diese Kinder zu wecken.Ein Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vom November 1962, wonach bei Mißbildungen durch Arzneimittel für die notwendigen Hilfen Einkommensprüfung und Einkommenseinsatz entfallen sollten, ist damals von der Mehrheit des Bundestages abgelehnt worden.
Eine Zusatzfrage, Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Frau Minister, sind Sie in der Lage, die genauen Zahlen auch für den Zeitraum von 1962 bis 1966 zu nennen?
Gern! Ich habe eine sehr lange Aufstellung über die Einzelmaßnahmen da; sie hier vorzutragen würde zu weit führen. Die Zahlen betragen insgesamt:
1962 306 400 DM,
1963 1,6 Millionen DM,
1964 1,9 Millionen DM,
1965 2,28 Millionen DM,
1966 2,075 Millionen DM,
1967 2,074 Millionen DM,
1968 2,3 Millionen DM.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Trifft es also zu, daß für den Zeitraum von 1962 bis 1966 insgesamt 8,6 Millionen DM für diesen Bereich zur Verfügung gestellt worden sind?
Ich habe es nicht zusammengezählt, aber es dürfte in etwa so stimmen.
Wir kommen zu Frage 47 des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:
Was hat die Bundesregierung seit 1962 getan, um eine bessere Überprüfung von Arzneimitteln auf Nebenwirkungen, insbesondere auf teratogene Wirkungen, zu gewährleisten?
Frau Minister, bitte!
Die Bundesregierung hatte in einem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes unter anderem vorgesehen, daß der Hersteller einer Arzneispezialität, die aus einer „therapeutisch neuen Substanz" besteht, den Nachweis zu erbringen hat, daß er diese Substanz ausreichend geprüft hat. Eine nicht ausreichende Prüfung sollte die Ablehnung der Registrierung rechtfertigen.
Die SPD-Fraktion hatte im Juni 1962 ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Arzneimittelgesetzes eingebracht. Der Gesetzgeber hat an der Grundkonzeption des Arzneimittelgesetzes vom 16. Mai 1961 festgehalten, das den Hersteller zur vollen Verantwortung verpflichtet, daß sein Arzneimittel den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes entspricht, nach dem es verboten ist, schädliche oder unwirksame Arzneimittel in den Verkehr zu bringen. Der Gesetzgeber hat jedoch die Regierungsvorschriften verschärft — wie es in dem SPD-Entwurf vorgesehen war — und eine Bestimmung in das Arzneimittelgesetz aufgenommen, wonach Arzneimittel mit Stoffen von in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannter Wirksamkeit für die Dauer von drei Jahren automatisch verschreibungspflichtig sind.
Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesänderung haben die deutschen pharmakologischen Gesellschaften und die Deutsche Gesellschaft für innere Medizin 1963 bzw. 1965 Richtlinien über die pharmakologische und klinische Prüfung von Arzneimitteln aufgestellt. Die deutsche Ärzteschaft hat 1961 einen Fachausschuß für die zentrale Erfassung, Sammlung und Auswertung von Meldungen über Einzelbeobachtungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen ins Leben gerufen. Daraus ist 1966 der Arzneimittelinformationsdienst entstanden, der unter der fachlichen Leitung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft die Aufgabe hat, Meldungen der Ärzte über Arzneimittelnebenwirkungen auszuwerten. Dieser Ausschuß erhält aus Bundesmitteln einen Zuschuß von jährlich 60 000 DM.
Außerdem werden Forschungsaufträge über teratogene Wirkung von Arzneimitteln vom Bundesgesundheitsministerium finanziert. Zudem ist jetzt die Bildung einer wissenschaftlichen Arbeitsgruppe „Sicherung der Arzneimittel" veranlaßt worden, über die ich in der Schriftlichen Antwort auf die Frage des Kollegen Dr. Meinecke in der 209. Sitzung des Bundestages berichtet habe.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Sayn-Wittgenstein-Hohenstein.
Trifft es also zu, Frau Minister, daß die Bundesregierung im Jahre 1963 mit der Vorlage eines Entwurfs zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Schritte unternommen hat, um den Auswirkungen, die damals im Zusammenhang mit der Thalidomid-Frage bekannt wurden, zu begegnen?
Das trifft zu. Für meine Begriffe ist das Parlament der Vorlage der Bundesregierung nicht ganz gefolgt.
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Eine weitere Zusatzfrage.
Sie stellen damit aber auch fest, daß sich das Hohe Haus mit der Frage beschäftigt hat?
Ja, das habe ich nie in Frage gestellt.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jungmann.
Sind Sie, Frau Bundesministerin, wenn man nun den ganzen Komplex betrachtet, der Meinung, daß die Bundesregierung — nur um die handelt es sich — nach 1962 alles ihr Mögliche, alles in ihrer Macht Stehende und alles das, was sie nach Lage der Dinge tun mußte, wirklich auch getan hat, um eine Verbesserung der Überprüfung von Arzneimitteln insbesondere auf teratogene Wirkung nach dem jeweils neuesten Stand der Wissenschaft zu gewährleisten?
Herr Kollege Jungmann, es ist nichts so gut, als daß man es nicht noch besser machen könnte. Im Interesse der Betroffenen müssen wir uns ständig darum bemühen, diese Möglichkeiten sowohl des Schutzes als auch der Hilfe zu verbessern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jungmann.
Glauben Sie im Hinblick auf die Presse-, Rundfunk- und Fernsehdiskussion zu diesem ja hochaktuellen Gegenstand nicht, daß durch Äußerungen aus Ihrem Hause der Eindruck hat entstehen können, als ob die Bundesregierung in der damaligen Phase nicht das getan hätte, was sie hätte tun müssen, und als ob das alles von der Natur der Sache her unzulänglich gewesen wäre? Ich weiß im übrigen, daß das Bessere der Feind des Guten ist.
Herr Kollege Jungmann, Sie zielen jetzt bereits auf die nächste Frage ab, die mit einer Report-Sendung im Zusammenhang steht, in der ein Teil des Interviews wiedergegeben wurde, das mit Staatssekretär von Manger-Koenig in Berlin gemacht worden ist. Da aber eben nur ein Teil des Interviews wiedergegeben wurde, sind falsche Eindrücke entstanden. Aber damit nehme ich zum Teil die Antwort auf die nächste Frage vorweg.
Wir wollen zuerst noch die Zusatzfrage unserer Kollegin Frau Dr. Hubert zu der vorigen Frage hören. Bitte, Frau Kollegin!
Ich wollte die Frau Ministerin fragen, ob sie auch der Ansicht ist, daß das Parlament der Bundesregierung gegenüber bezüglich einer Verschärfung des Arzneimittelgesetzes sogar vorangegangen ist und den Vorschlag der automatischen Rezeptpflicht zuerst gemacht hat. Sie erwähnten das von seiten der SPD-Fraktion; können Sie das bestätigen?
Frau Kollegin, in der damaligen Zeit haben Kollegen aus dem Parlament in einer Reihe von Fragestunden limmer wieder Fragen in dieser Richtung gestellt. Im Juni 1962 — das habe ich schon gesagt — hat die SPD-Fraktion einen Änderungsantrag vorgelegt, der die automatische Rezeptpflicht forderte. Die Regierung hat im Juni 1963 einen Entwurf zur Änderung vorgelegt. Wenn ich das richtig beurteile, dann hat die Regierung damals vorgeschlagen, die materielle Prüfung der Unterlagen, die von dem In-Verkehr-Bringer vorgelegt werden müssen, dem BGA zu geben. Wenn man bei dieser Prüfung zu der Auffassung kommt, daß in der pharmakologischen und klinischen Prüfung nicht alles getan wurde, was möglich und nach dem neuesten Stand der Wissenschaft notwendig ist, würde das bedeuten, daß dann eine Registrierung eventuell zurückgewiesen werden könnte. Deshalb habe ich gesagt, daß das Parlament bei der Grundkonzeption des Arzneimittelgesetzes geblieben ist, das dem Hersteller die Hauptverantwortung zuschiebt, und daß der Schutz des Bürgers in den Strafbestimmungen besteht, die sehr scharf sind, wenn jemand ein Arzneimittel in den Verkehr bringt, das gesundheitsschädliche Wirkungen haben kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Dr. Hubert.
Frau Minister, sehen Sie nicht gerade bei der Registrierung eine ziemliche Verschärfung und Veränderung darin, daß der Hersteller im Gegensatz zu dem ersten Gesetz, nach dem er nur einen Bericht über die von ihm vorgenommenen Prüfungen vorlegen mußte, nunmehr die Unterlagen der pharmakologischen und klinischen Prüfungen selbst vorlegen muß? Dadurch ist ein Überblick für das Bundesgesundheitsamt gegeben, ob er die notwendige Sorgfalt hat walten lassen, und es sind auch bestimmte Vorschriften für diese Prüfungen aufgestellt worden, daß z. B. auch auf teratogene Schäden untersucht werden muß.
Ich meine, ich habe bereits deutlich gemacht, daß durch diese Beschlüsse des Parlaments, die auf den Entwurf der SPD zurückgehen, eine Verschärfung des Arzneimittelgesetzes eingetreten ist.
Frau Minister, die Registrierung hat erst der Ausschuß beschlossen — —
Frau Kollegin, wir haben jetzt keine Möglichkeit zu einer Debatte. — Eine weitere Zusatzfrage zu diesem Thema, Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt.
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Frau Minister, Sie sprechen immer von dem Entwurf der SPD und .den Beschlüssen des Parlaments. In dieser Reihe ist nach meiner Auffassung auch der Entwurf der Regierung aus dem Jahre 1963 zu nennen, der ebenfalls eine verschärfte Prüfung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen vorsah, und zwar weitergehend, als es nachher beschlossen worden ist. Ist das nicht richtig?
Frau Kollegin, das hatte ich gesagt. Ich hatte in der Antwort auf die zweite Frage des Herrn Kollegen von Wittgenstein gesagt, daß die Regierung am 20. Juni 1963 diesen Entwurf eingebracht hat. Ich war nur aus Respekt dem Parlament gegenüber der Meinung, daß ich dann auch sagen mußte, daß die SPD im Juni 1962 einen solchen Entwurf eingebracht hat.
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 48 des Kollegen Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein:
Weshalb hat Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig auf diese Frage in einer Fernsehsendung vom 23. Dezember 1968 folgende Antwort gegeben:
„Sie wissen, die jetzige Bundesregierung besteht erst seit zwei Jahren. Es kann nicht meine Aufgabe sein, zu rechten über das, was seinerzeit erfolgt ist. Jedenfalls haben weder der Bundestag noch damals die Bundesregierung einen Anlaß gesehen, etwa über die Ermittlungen, die unsere Rechtsinstanzen in Angriff nahmen, hinauszugehen."?
Bitte, Frau Minister!
Nach Angaben der Redaktion, die die Report-Sendung verbreitet hat, ist das Interview mit Staatssekretär Dr. von Manger-Koenig aus Zeitgründen stark gekürzt worden, so daß nur knapp ein Fünftel des Gesprächs in der Sendung wiedergegeben worden ist. Die Fragen und Antworten sind zum Teil aus dem Zusammenhang gerissen und zum Teil in der Reihenfolge geändert worden. Dabei sind die Hinweise des Staatssekretärs auf die von mir in der Antwort auf die Fragen 46 und 47 aufgezeigten Maßnahmen und Initiativen, die im ursprünglichen Interview enthalten waren, weggefallen.
Zusatzfrage, Kollege Sayn-Wittgenstein.
Frau Minister, wären Sie bereit, mir zuzustimmen, daß, da der Interviewer in diesem Fernsehgespräch den vollen Wortlaut der Diskussion mit Herrn Staatssekretär Professor von Manger-Koenig kannte, er mit seiner Äußerung, daß erst nach sieben, acht Jahren etwas zu tun begonnen werde, eben nicht recht hat?
Herr Kollege von Wittgenstein, ich habe die leidvolle Erfahrung gemacht, daß man bei solchen Interviews eigentlich darauf bestehen müßte, daß sie entweder ganz oder gar nicht verwendet werden.
In diesem Falle ist tatsächlich der ganze Teil, in dem darauf hingewiesen wurde, was im Bundestag, was seitens der Arzneimittelkommission, was seitens der Bundesregierung, der Länder und Kommunen — das hat er übrigens auch gesagt — geschehen ist, nicht gesendet worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Sayn-Wittgenstein.
Wäre es dann nicht sinnvoll gewesen, wenn Ihr Haus aus Respekt vor den Bemühungen dieses Hohen Hauses, aber auch aus Respekt vor den Bemühungen der früheren Bundesregierung in der Presseverlautbarung klarer zum Ausdruck gebracht hätte, daß in den Jahren 1962 bis 1966 eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden sind?
Soweit ich die Presseverlautbarungen übersehe, ist ausdrücklich gesagt worden, daß in dem am 21. Dezember 1968 aufgenommenen Interview ausführlich auf die Änderung des Arzneimittelgesetzes von 1964 eingegangen worden ist, auf die Verschärfung der Registrierungsvorschriften usw., auf die Erweiterung der klinischen. Sonderabteilungen, auf die Rehabilitationseinrichtungen, auf die Forschung und Entwicklung von prothetischen Hilfen durch den Bund und auf die Bemühungen der Länder und Kommunen sowie der Sozialleistungsträger in der Versorgung der betroffenen Kinder. Das ist in der Presseverlautbarung gesagt worden.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt.
Frau Minister, halten Sie die Aussage Ihres Staatssekretärs für wahr oder für nicht wahr, die dahin geht: „Jedenfalls haben weder Bundestag noch damals die Bundesregierung" — also in den ersten Jahren nach der Katastrophe — „einen Anlaß gesehen, etwa über die Ermittlungen, die unsere Rechtsinstanzen in Angriff nahmen, hinauszugehen."? Ist das wahr, oder ist das nicht wahr?
Frau Dr. Schwarzhaupt, das kann sich meiner Meinung nach nur auf die juristische Seite der Angelegenheit beziehen. Denn es heißt ja: „über die Rechtsermittlungen hinaus", wenn ich Sie richtig verstanden habe. — Ich habe das ganze Interview hier; ich müßte das jetzt erst suchen. Aber meiner Meinung nach kann sich das nur auf die juristische Seite der Sache beziehen. Die Frage war ja — wenn ich das richtig verstehe — etwa in der Richtung gestellt, ob es einen Untersuchungsausschuß oder so etwas gegeben hat.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin Dr. Schwarzhaupt.
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11556 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969
Frau Minister, ich muß leider meine Frage noch einmal wiederholen, und ich präzisiere sie, indem ich auch die Frage verlese, auf die diese nach meiner Auffassung unwahre Antwort gegeben worden ist. Die Frage hieß:
Hat man diese Katastrophe
— also die Contergan-Katastrophe insgesamt —
damals im Ministerium in ihrer ganzen Größe erkannt, hat man sich darauf eingestellt, hat man das Notwendige getan, um mit der Katastrophe fertig zu werden?
Also nicht beschränkt auf Juristisches. Darauf die Antwort:
Sie wissen, die jetzige Bundesregierung besteht erst seit zwei Jahren. Es kann nicht meine Aufgabe sein, zu rechten über das, was seinerzeit erfolgt ist. Jedenfalls haben weder Bundestag noch damals die Bundesregierung einen Anlaß gesehen, etwa über die Ermittlungen, die unsere Rechtsinstanzen in Angriff nahmen,
— also über die Justizverfahren — hinausgehen.
Frau Minister, ist das wahr, oder ist das nicht wahr?
Frau Kollegin, Sie legen meiner Meinung nach in diese Antwort etwas hinein, was nicht drin ist. Denn im Grunde genommen sagt er: nicht über die Ermittlungen hinauszugehen. Das, was auf gesetzlichem Wege geschehen ist, und das, was in der Praxis geschehen ist, hat doch nichts mit den Ermittlungen der Instanzen zu tun. Im übrigen muß man sehen, daß diese Antwort aus dem Zusammenhang gerissen ist, daß vorher eine ganze Reihe von Hinweisen liegen. Der Herr Staatssekretär ist gern bereit, Ihnen diese ganzen vielen Seiten Interview zur Verfügung zu stellen.
Leider, verehrte Frau Kollegin, gibt es für Sie keine weitere Zusatzfrage.
— Aber Herr Kollege Dr. Marx hat noch eine Zusatzfrage.
— Er verzichtet auf seine Zusatzfrage. — Dann Herr Kollege Jungmann.
Frau Minister, wenn man die Dinge, die in der Vergangenheit liegen, einmal außer acht läßt, was gedenken Sie zu tun, um den in Presse-, Funk- und Fernsehkommentaren beinahe täglich vertretenen Auffassungen und auch 'dem Eindruck, der in der Öffentlichkeit entstehen mußte, zu begegnen, daß Regierung, Bundestag und Gesetzgeber in bezug auf die Arzneimittelgesetzgebung versagt hätten? — Ich darf dazu ein Zitat aus einer großen deutschen Tageszeitung aus den letzten Tagen verlesen. Danach soll — wörtlich zitiert — ein Berliner Professor im Contergan-Prozeß ausgesagt haben:
In den meisten anderen zivilisierten Ländern gibt es seit langem ein Arzneimittelgesetz. Nur bei uns war das nicht durchzudrücken.
Ich bin der Meinung, daß das an den Realitäten völlig vorbeigeht.
Herr Kollege Jungmann, Ihnen ist — besser als mir — aus den Beratungen über das Arzneimittelgesetz bekannt, daß — ich nehme an, es ist derselbe Professor — gerade dieser Professor damals vom Gesundheitsausschuß um ein Gutachten zu diesen Fragen gebeten wurde. Mir ist aber nicht bekannt, wieweit der Gesundheitsausschuß dieses Gutachten verwendet, verwertet bzw. wie er darauf reagiert hat. Ich habe damals dem Gesundheitsausschuß nicht angehört.
Richtig ist auch — und das ist mir heute früh in der Sitzung dieses wissenschaftlichen Gremiums von Pharmakologen, Pharmazeuten und Klinikern gesagt worden; ich muß das sagen, weil ich es auch weiß —, daß in den anderen fünf Ländern der EWG die Bestimmungen auf dem arzneimittelrechtlichen Gebiet anders sind als bei uns und daß ein Teil der Wissenschaftler, insbesondere auch der hier in Betracht kommenden, der Meinung ist, wir sollten unsere Arzneimittelgesetzgebung in dieser Richtung ändern.
Deshalb habe ich in der Antwort auf die erste Frage gesagt: Dem Gesetzgeber haben diese und jene Vorschläge vorgelegen; er ist dabei geblieben, daß die Verantwortung beim Hersteller liegen muß, der Schutz des Bürgers durch das Verbot des InVerkehrBringens nicht wirksamer ist oder bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädigender Arzneimittel in den Strafbestimmungen liegt.
Meine Kollegen, obgleich die Zeit schon überschritten ist, möchte ich die Zusatzfragen zu diesem Komplex noch zulassen, damit er ganz geklärt werden kann.
Die nächste Zusatzfrage stellt Kollege Jungmann.
Frau Bundesminister, darf ich annehmen, daß auch Ihnen klar ist, daß zwar die Gesetzgebung der Länder anders ist, daß damit aber noch nicht gesagt ist, welche Gesetzgebung besser in der Lage ist, die bösen Vorkommnisse, die wir erlebt haben, zu verhindern. Denn es war ja das gemeinsame Bestreben der Bundesregierung und des Gesetzgebers, dieses Ziel zu erreichen.
Welche Gesetzgebung besser ist, wird jeder für sich beurteilen müssen. Ich stehe nicht an zu sagen, daß wir diese Auffassung vertreten. Aber wir werden auch den Professoren nicht verbieten oder es ihnen nicht übelnehmen können, wenn sie darüber anderer Meinung sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 213. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Februar 1969 11557
Jetzt noch eine Zusatzsatzfrage von Herrn Kollegen Müller .
Frau Minister, Sie haben vorhin auf Sachverständige verwiesen, die Ihnen erklärt haben, daß in fünf anderen Ländern andere gesetzliche Bestimmungen auf diesem Gebiet bestehen. Wären Sie bereit, mit der gleichen Offenheit meine Frage zu beantworten, ob Ihnen diese Herren Sachverständigen auch dargetan haben, ob sich die entsprechenden Bestimmungen in den erwähnten fünf Ländern aus ihrer Sicht als umfassender und trefflicher darstellen?
Dazu muß ich sagen, daß diese Fragen im Zusammenhang damit behandelt wurden, ob sich bei der Harmonisierung des Arzneimittelrechts in der EWG die Grundsätze unseres Arzneimittelrechts oder die Grundsätze des Arzneimittelrechts in den anderen Ländern durchsetzen werden, in denen nur die therapeutische Wirksamkeit der Arzneimittel und ihre Unbedenklichkeit nachgewiesen werden müssen. Es gibt bereits eine erste Richtlinie der EWG auf diesem Gebiet, die vom Ministerrat einstimmig angenommen worden ist und die wir in deutsches Recht transponieren müssen. Die Herren haben die Auffassung vertreten, daß es gut wäre, wenn wir diese Richtlinie transponieren würden. Dies wird geschehen, sobald wir in der EWG erreicht haben, daß auch unsere Prüfungsmethoden und Prüfungsergebnisse von den anderen EWG-Ländern anerkannt werden, damit die Harmonisierung zu dem führt, was beabsichtigt ist, nämlich zum freien Verkehr innerhalb der Gemeinschaft.
Meine verehrten Damen und Herren, die Länge des im Gange befindlichen sogenannten Contergan-Prozesses schreckt mich, weitere Zusatzfragen zuzulassen. Im Rahmen der Fragestunde ist das Thema, glaube ich, erschöpfend behandelt. Was darüber hinausgeht, müßte in einer Debatte geklärt werden. Ich bitte die Damen und Herren, die sich zusätzlich zu Wort gemeldet haben, dafür Verständnis zu haben. Wir haben die Fragestunde um 10 Minuten überschritten. Das ist wohl das Äußerste, was man zubilligen kann.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich berufe die nächste Sitzung für Freitag, den 7. Februar, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.