Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich habe zunächst die Freude, zwei unserer Kollegen heute morgen zum Geburtstag zu gratulieren, Herrn Abgeordneten Glüsing, der am 27. Oktober 60 Jahre alt geworden ist,
und Herrn Abgeordneten Dr. Conring, der am 4. November 74 Jahre alt geworden ist.
Meine Damen und Herren, es liegt Ihnen folgende Liste von Vorlagen der Bundesregierung vor, die keiner Beschlußfassung bedürfen und die nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden sollen:Vorlage des Bundesministers des InnernBetr.: Internationale PolizeikonventionBezug: Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. Juni 1968- Drucksache V/3425 -zuständig: Innenausschuß , Auswärtiger Ausschuß Vorlage des Sprechers der Deutschen Delegation bei der Versammlung der Westeuropäischen UnionBetr.: Bericht über die XIV. Ordentliche Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 14. bis 18. Oktober 1968 in Paris- Drucksache V/3454 --zuständig: Auswärtiger Ausschuß , Verteidigungsausschuß, Ausschuß für Wissenschaft, Kulturpolitik und PublizistikErhebt sich gegen diese Überweisungen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 25. Oktober 1968 dem Gesetz zur Anderung des Grundgesetzes zugestimmt.Der Bundesminister für Verkehr hat am 28. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rollmann, Orgaß und Genossen betr. Personalsituation in der deutschen Seeschiffahrt - Drucksache V/3306 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3431 verteilt.Der Bundesminister für Gesundheitswesen hat am 4. November 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Pflicht zur Nachschau bei der Wiederholungsimpfung - Drucksache V/3362 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3462 verteilt.Der Bundesschatzminister hat am 31. Oktober 1968 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Müller , Frau Meermann, Geiger, Dr. Apel, Fellermaier, Biermann, Müller (Mülheim), Saxowski und Genossen betr. Bundesmietwohnungen in Friedrichshafen - Drucksache V/3361 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3469 verteilt.Der Bundesminister der Finanzen hat am 5. November 1968 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Kommission zur Vorbereitung der Steuerreform - Drucksache V/3283 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/3477 verteilt.Der Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen haben mit Schreiben vom 22./23. Oktober und 6. November 1968 mitgeteilt, daß gegen die nachstehenden, vom Rat veröffentlichten Verordnungen Bedenken nicht erhoben werden:Verordnung Nr. 708/68 des Rates vom 11. Juni 1968 zur Bestimmung besonderer Interventionsmaßnahmen auf dem SchweinefleischsektorVerordnung Nr. 888/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über allgemeine Regeln über die besondere Einfuhrregelung für zur Verarbeitung bestimmtes GefrierfleischVerordnung Nr. 967/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Änderung der Verordnung Nr. 158/66/EWG über die Anwendung der Qualitätsnormen auf Obst und Gemüse, das innerhalb der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wird Verordnung Nr. 969/68 (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 120/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für GetreideVerordnung Nr. 978/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für BirnenVerordnung Nr. 979/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für TafeltraubenVerordnung Nr. 986/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festlegung der Grundregeln zur Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver für FutterzweckeVerordnung Nr. 987/68 des Rates vom. 15. Juli 1968 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung einer Beihilfe für Magermilch, die zu Kasein und Kaseinaten verarbeitet worden istVerordnung Nr. 989/68 des Rates vom 15. Juli 1968 zur Festsetzung der Grundregeln betr. die Gewährung von Beihilfen für die private Lagerhaltung bei RindfleischVerordnung Nr. 990/68 des Rates vom 15. Juli 1968 über die Grundregeln für die Festsetzung der auf bestimmtes gefrorenes Rindfleisch anwendbaren AbschöpfungenVerordnung Nr. 1013/68 des Rates vom 20. Juli 1968 über die Eröffnung, Aufteilung und Verwaltung des Gemeinschaftszollkontingents für Gerbstoffauszüge aus Eukalyptus der Tarifnummer ex 32.01 C des Gemeinsamen ZolltarifsVerordnung Nr. 1031/68 des Rates vom 23. Juli 1968 zur Anderung der Verordnung Nr. 171/67/EWG über die Erstattungen und Abschöpfungen bei der Ausfuhr von OlivenölVerordnung Nr. 1040/68 des Rates vom 23. Juli 1968 über die Zurückstellung der Anwendung der Verordnung Nr. 160/66/EWG auf Waren der Tarifnummern 35.01 A und 35.01 C des Gemeinsamen ZolltarifsVerordnung Nr. 1113/68 des Rates vom 29. Juli 1968 zur Einfügung eines Artikels 17 b in die Verordnung Nr. 160/66/EWGVerordnung Nr. 1041/68 des Rates vom 23. Juli 1968 über die Anwendung der Verordnung Nr. 107/67/EWGVerordnung Nr. 1043/68 des Rates vom 23. Juli 1968 über die Grundregeln zum Ausgleich der Auswirkungen der Berichtigungsbeträge, die auf die Interventionspreise gewisser Milcherzeugnisse angewandt werdenVerordnung Nr. 1042/68 des Rates vom 23. Juli 1968 zur Festsetzung des Grundpreises und des Ankaufspreises für ApfelVerordnung Nr. 1051/68 des Rates vom 23. Juli 1968 zur Änderung der Verordnungen Nr. 134/67/EWG und 137/67/ EWG über die Einschleusungspreise und das sogenannte „System von Leit- und Folgeerzeugnissen" auf dem Schweinefleischsektor
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10446 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Vizepräsident ScheelVerordnung Nr. 1052/68 des Rates vom 23. Juli 1968 über die Regelung für die Einfuhr und die Ausfuhr von Getreide- und ReisverarbeitungserzeugnissenVerordnung Nr. 1135/68 des Rates vom 30. Juli 1968 über die Finanzierung der Ausgaben für Interventionen auf dem Binnenmarkt für Milch und MilcherzeugnisseVerordnung Nr. 1173/68 des Rates vom 2. August 1968 über die besondere Einfuhrregelung für bestimmte Kategorien von Jungrindern und KälbernVerordnung Nr. 1015/68 des Rates vom 20. Juli 1968 über die Abschlagszahlungen des EAGFL, Abteilung Garantie, auf die Ausgaben des ersten Halbjahres des Verbuchungszeitraumes 1967/68Verordnung des Rates über die Aufstellung allgemeinerRegeln hinsichtlich der Interventionsregelung für Rindfleisch— Drucksache V/3158 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 359/67/EWG über die gemeinsame Marktorganisation für Reis bezüglich des Verfahrens für die Festsetzung des Berichtigungsbetrags für die Erstattung— Drucksache V/3269 —Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1114/68— Drucksache V/3304 —Zu der in der Fragestunde der 191. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. Oktober 1968 gestellten Frage des Abgeordneten Dr. Müller , Drucksache V/3389 Nr. 18 *), ist inzwischen die schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt vom 24. Oktober 1968 eingegangen. Sie lautet:Nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften soll die Kapitalanlagegesellschaft das Stimmrecht grundsätzlich selbst ausüben. Falls die Gesellschaft einen anderen ermächtigt, soll dies mit einer Weisung für die Ausübung des Stimmrechts verbunden werden.Es ist nicht bekannt, inwieweit die Kapitalanlagegesellschaften von dieser Ermächtigung Gebrauch machen. Die Erfahrung in den letzten Jahren hat jedoch gezeigt, daß sich die Kapitalanlagegesellschaften in der Mehrzahl analog der gesetzlichen Vorschrift verhalten haben. Darüber hinaus wird erwogen, die Investmentfonds durch den Erwerb der Börsenmitgliedschaft gegenüber den sie tragenden Banken mit größerer Dispositionsfreiheit auszustatten.Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Rasner gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte beantragen, daß das Hohe Haus beschließt, den Haushaltsausschuß und nur diesen von der Verpflichtung freizustellen, während des Plenums des Bundestages nicht zu tagen. Ohne eine solche Freistellung durch das Haus wird der Ausschuß die zeitgerechte Erledigung des Haushalts 1969 nicht schaffen. Diese Freistellung soll auf die Behandlung des Etats des Jahres 1969 begrenzt sein.
Meine Damen und Herren! Sind Sie mit dem Vorschlag einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zur
Fragestunde
— Drucksachen V/3471, V/3478 —
Es liegen drei Dringlichkeitsfragen des Abgeordneten Gradl vor. Sie beziehen sich auf einen Sachverhalt, zu dem der Herr Abgeordnete Picard zwei Fragen eingereicht hat. Wir kommen deswegen zunächst zur Beantwortung der Frage 108 des Herrn
s) Siehe 191. Sitzung, Seite 10336 A
Abgeordneten Picard aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr:
Inwieweit sind nach Auffassung der Bundesregierung die vom Verband Deutscher Flugleiter seit längerem vorgetragenen Beschwerden über unzureichende Arbeitsbedingungen und Besoldung des Flugsicherungspersonals berechtigt?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage 108 des Kollegen Picard antworte ich: Die Beschwerden sind in ihrem Grundgehalt nicht für unberechtigt zu halten.
Ist das die Antwort auf die beiden Fragen?
Das war nur die Antwort auf die Frage 108.
Herr Picard, haben Sie Zusatzfragen zu Frage 108? — Bitte schön!
Herr Minister, trifft es zu, daß das Flugsicherungspersonal bis zum Beginn des Bummelstreiks oder, wie man von dort sagt: bis zur Arbeit streng nach Anweisung seine Aufgaben mit einem besonderen persönlichen Einsatz und unter erschwerten Bedingungen zur vollen Zufriedenheit erfüllt hat?
Bis zum Beginn der jetzigen Aktion — wenn ich das einmal so bezeichnen darf — lag keinerlei Veranlassung vor, mit der Arbeitsweise des Personals in irgendeiner Form unzufrieden zu sein.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Picard.
Herr Minister, können Sie irgend etwas über die Situation des Flugsicherungspersonals bezüglich Arbeitsbedingungen, Besoldung, Alterssicherung und dergleichen mehr in anderen, vergleichbaren Ländern mit ähnlichen oder gleichen Aufgaben und ansonsten gleicher Situation sagen?
Der Hauptunterschied zwischen dem Flugsicherungspersonal in der Bundesrepublik und dem in anderen Ländern besteht nach meinem Überblick wohl darin, daß in unserem Lande das Personal der Flugsicherung verbeamtet worden ist. Diese Verbeamtung wurde 1962 vorgenommen. Sie ist hier im Hause mit Mehrheit beschlossen worden.Bei Betrachtung der jetzigen Mißhelligkeiten und ihrer Ursache muß man vor allen Dingen drei Komponenten im Zusammenhang miteinander sehen:Erstens. Flugsicherungsbeamter kann nur sein und diese Tätigkeit kann nur ausüben, wer die entsprechenden Ausbildungen hinter sich hat und die entsprechenden Prüfungen abgelegt hat. Diese Ausbil-
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Bundesminister Leberdungen und diese Prüfungen sind für alle Bediensteten, die vor dem Radarschirm sitzen, zwangsläufig gleich.Zweitens. Wer vor dem Radarschirm sitzt, trägt in jedem Falle im Verhältnis zu seinem Arbeitskollegen, der die gleiche Tätigkeit ausübt, gleiche Verantwortung.Trotz dieser gleichen Voraussetzungen, die jemand erbringen muß, ehe er zugelassen wird, eine solche Tätigkeit auszuüben, besteht ein sehr starker Spannungsbogen in bezug auf die Bezahlung. Es gibt Fluglotsen, die für diese Tätigkeit — bei gleicher Ausbildung und gleicher Verantwortung — ein monatliches Gehalt von rund 850 DM erhalten, andere erhalten dafür 1507 DM. Dies ist in seinen Extremen die Weite des Spannungsbogens, wie ich ihn eben bezeichnete habe, und das führt zu den Mißhelligkeiten. Dies ist eine Eigenart unseres Besoldungsrechtes, die man 1962, als man die Verbeamtung vorgenommen hat, hätte sehen müssen. Aus dem Hohen Haus hier ist auch angeregt worden, das zu berücksichtigen.Wir müssen nun versuchen, damit fertig zu werden und die Forderung nach leistungsgerechter Entlohnung in Einklang zu bringen mit den Schwierigkeiten unseres Besoldungsrechtes. Ich habe einen Vorschlag erarbeitet, bin damit aber bei den Gewerkschaften noch nicht auf Zustimmung gestoßen und rechne damit, daß ich auch im Kabinett, wenn man Vergleiche anstellt, Schwierigkeiten haben werde. Dies ist aber im ganzen das Problem.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Müller.
Herr Bundesminister, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Forderungen des Flugsicherungsdienstes dem Grunde nach berechtigt sind? Woran liegt es dann, daß bisher eine zufriedenstellende Lösung noch nicht gefunden wurde?
Die Probleme, die die vorangegangene Bundesregierung ausgelöst hat und die der jetzige Bundesverkehrsminister vorgefunden, aber bis jetzt noch nicht gelöst hat, müssen wir noch zu lösen versuchen.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Müller.
Haben Sie denn die Vermutung, daß in Kürze eine befriedigende Regelung getroffen werden kann?
Ob sie alle befriedigt, weiß ich nicht. Wir müssen jedenfalls den Versuch machen, wieder zu geregelter Arbeit auf unseren Flugplätzen zu kommen.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Schmidt.
Herr Minister, sind von den Vorschlägen, die Sie erarbeitet haben, außer den Flugsicherungsbeamten auch die technischen Angestellten betroffen, die ebenfalls einer Verbesserung bedürfen?
Zunächst haben wir es mit den Fluglotsen zu tun. Ich weiß aber, daß dahinter auch Vorstellungen des technischen Personals stehen.
Eine weitere Frage, Herr Dr. Schmidt.
Werden Sie bei der Verbesserung der Situation, die aus Gründen der besonderen Verantwortung notwendig erscheint, auch die neue, zusätzliche Verantwortung der Überwachung lärmmindernder An- und Abflugverfahren berücksichtigen?
Ich glaube, man darf den Fluglotsen nicht überfordern und ihm Aufgaben zumuten, die seiner Tätigkeit nicht adäquat sind. Sonst würden die Schwierigkeiten, das Problem zu lösen, noch größer.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Burger.
Herr Minister, in welchen Besoldungsgruppen sind die Lotsen eingestuft?
Sie sind jetzt in den Besoldungsgruppen A 9 bis A 11 eingestuft. Diese drei Besoldungsgruppen haben im ganzen ungefähr 27 oder 30 Besoldungsstufen. Dies ist der Spannungsbogen, den ich soeben mit 850 bis 1500 DM umschrieben habe.
Eine weitere Frage, Herr Burger!
Herr Minister, gibt es auch noch Lotsen, die im Angestelltenverhältnis beschäftigt sind?
Ja, es gibt noch wenige Lotsen, die im Angestelltenverhältnis tätig sind. Aber der Politik, die 1962 eingeleitet wurde, lag zugrunde, die im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lotsen in eine Situation zu bringen, in der sie nach Möglichkeit selber die Verbeamtung vorzogen.
Dann kommen wir zur Frage 109 des Herrn Abgeordneten Picard:Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um Bummelstreiks für die Zukunft zu verhindern, wie sie am 28. Oktober 1968 vom Flugsicherungspersonal auf den deutschen Verkehrsflughäfen begonnen wurden und zu erheblicher Verzögerung des Flugverkehrs geführt haben?Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Verkehr.
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Die Bundesregierung wird stets und jederzeit im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten auf eine ordnungsgemäße Dienstausübung der Angehörigen der Bundesanstalt für Flugsicherung hinwirken.
Zusatzfrage, Herr Kollege Picard.
Herr Minister, wenn Sie davon sprechen, daß Sie stets darauf hinwirken wollen — so habe ich Sie doch wohl richtig verstanden —, dann darf ich Sie fragen, ob Sie darunter auch verstehen, daß Sie die von Ihnen als dem Grunde nach als berechtigt anerkannten Forderungen, soweit das irgend möglich erscheint, in absehbarer Zeit auf Grund von Verhandlungen noch zu erfüllen gedenken.
Wenn ich es im Grunde für nicht unberechtigt halte, daß von einem Personenkreis etwas beanstandet wird, dann bin ich noch nicht sicher, ob es möglich ist, daß alle Wünsche, die von dem betreffenden Personenkreis damit verbunden werden, voll erfüllt werden können. Wahrscheinlich muß es hier zu einem Kompromiß kommen, der, wie gesagt, die Forderung nach leistungsgerechter Bezahlung mit den Schwierigkeiten unseres Besoldungsrechtes in Einklang bringt. Wahrscheinlich werden, um das halbwegs in Ordnung zu bringen, gesetzliche Entscheidungen dieses Hohen Hauses erforderlich sein.
Eine weitere Frage des Herrn Kollegen Picard.
Herr Minister, können Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon etwas über die Folgen des Bummelstreiks sagen: Ausfall von Einnahmen durch Rückgang von Buchungen, Mehrverbrauch von Benzin, unter Umständen Mehrbelastung des Personals bei den beteiligten Fluggesellschaften usw.?
Abgesehen von zahlreichen Schwierigkeiten und Störungen, die vor allen Dingen den Fluggast betreffen, hat die Lufthansa mir gegenüber den täglichen Schaden, soweit man ihn in Mark und Pfennig beziffern kann, mit etwa 125 000 DM angegeben. Dieser Schaden entsteht vor allen Dingen dadurch, daß die Flugzeuge in der Luft zum Teil 30 Minuten und länger in Wartestellung fliegen müssen und dabei natürlich einen besonders hohen Spritverbrauch haben.
Eine Frage des Herrn Kollegen Matthöfer.
Herr Minister, da auf Grund der niedrigen Streikziffern in der Bundesrepublik offenbar in der Öffentlichkeit Schwierigkeiten bestehen, die verschiedenen Kampfmaßnahmen von Arbeitnehmern auseinanderzuhalten, darf ich Sie fragen, ob, die Bundesregierung möglicherweise dazu beitragen könnte, daß der Unterschied zwischen „Arbeit nach Vorschrift" und „Bummelstreik" — wie der Vorgang auch in der Frage des Herrn Kollegen Picard bezeichnet wird — in der Öffentlichkeit klarer wird.
Ich will das gern versuchen, obwohl es, wie Sie wissen, Herr Kollege, ein sehr schwieriges Unterfangen ist, das allen Teilen der Öffentlichkeit hinreichend klarzumachen.
Wir kommen damit zu den Dringlichen Mündlichen Anfragen des Herrn Kollegen Dr. Gradl, zunächst zur ersten Frage:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Personal des deutschen Flugverkehrs-Kontrolldienstes seine den Flugverkehr verzögernde derzeitige Arbeitsweise auch auf den Flugverkehr von und nach Berlin anwendet?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Auf die erste Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl antworte ich mit Ja.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Dr. Gradl, bitte schön!
Hat die Bundesregierung schon in der ersten Phase dieses Arbeitens nach Vorschrift den Versuch unternommen, auf das Personal einzuwirken, damit der Berlin-Verkehr gesondert behandelt wird?
Die Bundesregierung hat als Gesprächspartner die Gewerkschaften und die Vertretungen des Flugsicherungspersonals. Denen ist das mit hinreichender Klarheit gesagt worden.
Welche Antwort, Herr Bundesminister, haben Sie bekommen?
Ich habe den Eindruck, daß alle Fluglotsen, die hier im Spiele sind, wissen, um was es hier geht.
Wie erklären Sie es dann, daß es im Berlin-Verkehr — —
Herr Kollege, es waren schon zwei Zusatzfragen. Aber Sie haben ja noch zweimal Gelegenheit, Zusatzfragen zu stellen.Die zweite Dringliche Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl:Ist der Bundesregierung bekannt, daß das Personal der drei alliierten Fluggesellschaften, die den Flugverkehr mit Berlin durchführen, bei Arbeitskämpfen bisher stets den Berlin-Verkehr frei von Störungen und Verzögerungen gehalten hat?Bitte, Herr Bundesminister für Verkehr!
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Auf die zweite Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl antworte ich mit Ja.
Herr Kollege Dr. Gradl, haben Sie jetzt schon Zusatzfragen?
Dann die dritte Dringliche Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Gradl:
Ist die Bundesregierung bereit, das Personal des deutschen Flugverkehrs-Kontrolldienstes auf das gute Beispiel der alliierten Fluggesellschaften aufmerksam zu machen und ihm unter Hinweis auf die besondere Bedeutung des Flugverkehrs für die Berliner Bevölkerung entsprechendes Verhalten nahezulegen?
Bitte, Herr Bundesminister!
Auf die dritte Frage des Herrn Kollegen Dr. Gradl anworte ich mit Ja; es ist geschehen.
Dann stellt sich die Frage: welche Antwort haben Sie bekommen?
Ich habe das Flugsicherungspersonal auf diese Umstände und die Besonderheiten des Flugverkehrs nach Berlin hingewiesen. Ich kann nur sagen: sie haben das zur Kenntnis genommen.
Dr. Gradl: Stimmen wir darin überein, daß zur Kenntnisnehmen in diesem Falle nicht ausreicht?
Herr Kollege Gradl, ich kann keine andere Antwort als die geben, daß dem Personal das von uns dargestellt worden ist. Die Bundesregierung hat keine Möglichkeiten, wegen der Besonderheiten des Flugverkehrs das Personal der Flugsicherung anzuhalten oder gar zu zwingen, sich anders zu verhalten, als es das gegenwärtig tut.
Ich kann im übrigen — das möchte ich hier sagen, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen — bei genauem Hinsehen meines Wissens nicht einen einzigen Punkt im Verhalten der Flugsicherungsbeamten finden, bei dem ich ihnen nachweisen könnte, daß sie gegen geltendes Recht verstoßen und damit ein Eingreifen der Bundesregierung möglich machen.
Eine weitere Zusatzfrage? — Bitte, Herr Kollege Dr. Gradl!
Herr Bundesminister, stimmen wir darin überein, daß es sich bei diesem Vorgang um eine Frage von grundsätzlicher und allgemeinen Bedeutung handelt, nämlich darum, ob von deutschen Bediensteten, gleich welchen Ranges und welcher Arbeit, erwartet werden muß, daß sie in bezug auf den Berlin-Verkehr ein Höchstmaß an Vorsicht, Rücksicht und Engagement aufbringen?
Herr Kollege Dr. Gradl, ich bin davon überzeugt, daß die Flugsicherungsbeamten, wenn es bei der Art, wie die Arbeit dort getan wird, möglich wäre, den Flugverkehr nach Berlin anders behandeln würden als den übrigen Flugverkehr. Da es sich hier aber um einen Arbeitsvorgang handelt, der eine starke Verflechtung zeigt, vermag ich keinen Weg zu sehen, wie man diesen Flugverkehr gesondert behandeln kann oder wie man entsprechende Ratschläge geben könnte, soweit ich mir dazu überhaupt die Freiheit nehmen würde. Was mir auch in Briefen aus der deutschen Öffentlichkeit zukommt, läßt zum Teil den Schluß zu, als sei das etwas sehr Ungewöhnliches, was sich hier in unserem Lande vollzieht, — wenn ich jetzt einmal die Berlin-Situation ausnehme. Wir haben in den Vereinigten Staaten. von Amerika wochenlang Streiks des gleichen Personals gehabt mit einem völligen Ausfall jedweden Flugverkehrs. Wir haben in Frankreich längere Streiks gehabt, in anderen Ländern auch, in England und Skandinavien. Hier wird einmal nach Vorschrift gearbeitet, und schon taucht die Frage auf, ob das. nicht vom Staat völlig zu unterbinden ist. Wer das völlig unterbinden will, muß ein Wesensmerkmal der Demokratie ändern. Wir müsen uns daran gewöhnen, daß wir auch mit so unbequemen Dingen eine Zeitlang leben können. Das bezieht sich nicht auf den Berlin-Verkehr; von ihm wünschte ich, daß er von einer solchen Auseinandersetzung ausgenommen werden könnte. Ich werde mich im übrigen bemühen, die ganze Aktion sobald wie möglich zu Ende zu bringen.
Herr Kollege Dr. Gradl, eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, stimmen Sie mir zu, daß meine Frage nicht eine Beeinträchtigung der Bediensteten in ihren sozialen Auseinandersetzungen und Ansprüchen zum Gegenstand hat, sondern daß meine Frage nur darauf zielt, den Berlin-Verkehr, auf den die Berliner Bevölkerung wegen der politischen Behinderung des Landverkehrs lebenswichtig angewiesen ist, soweit das überhaupt irgend möglich ist, von Verzögerungen freizuhalten?
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß alle Anstrengungen unternommen werden müssen, dieses Ziel zu erreichen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Müller.
Herr Bundesminister — vorausgeschickt, daß ich selbstverständlich der Meinung bin, daß solche Maßnahmen zur Durchsetzung von wirtschaftlichen Forderungen berechtigt sind —, stimmen Sie nicht mit mir überein, daß diese Forderungen auch mit solchen Maßnahmen, wie sie jetzt eingeleitet sind, durchsetzbar sind, wenn der Berlin-Verkehr ausgenommen wird?
Herr Kollege Müller, wenn Sie mir einen Rat geben könn-
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Bundesminister Leberten, wie man auf unseren Flughäfen den Berlin-Verkehr und den übrigen Flugverkehr in der technischen Abwicklung voneinander trennen könnte, würde ich das gern versuchen. Ich sehe aber selbst keine technische Möglichkeit, das zu tun. Der Flugverkehr fließt doch in der Luft zusammen, oder die Flugzeuge stehen am Boden in Schlangen und warten auf ihren Start: da können Sie nicht den Flugverkehr nach Berlin in der Luft aussortieren oder am Boden von den anderen absondern.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Brück.
Herr Bundesminister, können Sie mir sagen, warum Vorschriften im öffentlichen Dienst so gehalten sind, daß dann, wenn sich die Beamten genau daran halten, alles durcheinandergerät?
Dies ist eine Eigenart der Flugsicherungsbestimmungen, die nicht nationales Recht sind, sondern bei denen es sich um internationale Flugverkehrsregeln, für deren Durchführung die Flugsicherungsbeamten verantwortlich sind, handelt. Jede einzelne dieser Flugsicherungsregeln enthält eine kleine Toleranz. Wenn man alle diese Toleranzen bei etwa 20 oder 30 Arbeitsvorgängen, bis ein Flugzeug aus der Luft auf den Boden gekommen ist, kumuliert, also jede Toleranz ausnutzt, dann entsteht ein zusätzlicher Zeitaufwand von — sagen wir einmal — einer Minute. Das reicht aus, um in der Kumulation der vielen Landungen, die vor allen Dingen in der Hauptverkehrszeit vorkommen, Verzögerungen von 30 Minuten oder einer Stunde auszulösen.
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Burger.
Herr Minister, sind nicht auch Sie der Auffassung, daß durch den Umstand der langen Wartezeiten der Flugzeuge vor der Landung in der Luft ein Unsicherheitsfaktor, ja, eine gewisse Gefährdung für die Passagiere eintritt und daß paradoxerweise durch Maßnahmen der Flugsicherung zur Unsicherheit des Flugverkehrs beigetragen wird?
Diese Frage vermag ich nicht mit Ja zu beantworten. Ich bin überzeugt davon, daß die Sicherheit der Flugzeuge und der Fluggäste dadurch nicht negativ beeinflußt wird, es sei denn, das Warten in der Luft würde so viel Zeit in Anspruch nehmen, daß die Verpflegung ausgehen würde; aber das ist noch in keinem Fall geschehen.
Zu einer weiteren Frage Herr Kollege Burger.
Herr Minister, sind Sie bereit, zuzugestehen — ich beziehe mich dabei auf meine Erfahrungen bei der früheren deutschen Luftwaffe —, daß gerade Landung und Start außerordentlich schwierige Vorgänge sind und daß man weiß, daß insbesondere bei Landung und Start sehr leicht Unfälle passieren und daß, wenn sehr viele Flugzeuge über einen Flugplatz kreisen, in diesem gesamten Umstand durchaus eine sehr große Erschwernis, eine nervliche Belastung der Passagiere und, wie ich meine, doch auch eine sehr schwierige Handhabung der Flugsicherungsvorschriften liegt?
Herr Kollege, die Start- und Landebedingungen bei der früheren deutschen Luftwaffe sind mit denen des jetzigen zivilen Flugverkehrs überhaupt nicht vergleichbar. Das ist jetzt ungleich komplizierter geworden und auch viel sicherer als damals.
Akzeptiert.
Zu einer weiteren Frage Herr Kollege Picard.
Herr Minister, habe ich Sie recht verstanden, wenn ich annehme, daß das Arbeiten exakt nach Vorschrift nichts mit unserem deutschen Beamtenrecht zu tun hat und daß die deutschen Flugsicherungsbeamten auf Grund internationaler Vorschriften die Chance haben, durch dieses exakte Arbeiten nach Vorschriften die uns allen bekannten und von uns so bedauerten Folgen hervorzurufen?
Ich bin nicht der Sprecher und der Interessenvertreter der Fluglotsen. Aber wenn Sie hier sagen, Herr Kollege, das habe nichts mit unserem Beamtenrecht zu tun, dann muß ich Ihnen darauf antworten, daß die Durchführung von Gesetzen und Regeln, die einem Beamten auferlegt sind, zuerst das Kennzeichen seiner Tätigkeit ist. Das tun die Leute gerade. Aber sie schöpfen die Freiheiten und die Toleranzen, die ihnen das auferlegte Recht einräumt, nicht voll aus.
Zu einer weiteren Frage Herr Kollege Picard.
Herr Minister, wäre nach den Grundsätzen des Beamtenrechts in der Bundesrepublik von einem Beamten nicht zu erwarten, daß er mindestens zeitweise auch bereit ist, über diese, sagen wir einmal: exakte Durchführung gegebener Mindestvorschriften hinauszugehen?
Das ist ja die Regel, das geschieht ja in der Regel. Nur sind die Beamten diesmal der Auffassung, daß sie ihre Tätigkeit nicht aus ideellen Gründen, auch nicht aus karitativen Erwägungen ausüben, sondern daß sie dafür eine handfeste Bezahlung zu erwarten haben. Mit ihrer jetzigen Bezahlung sind sie nicht einverstanden.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10451
Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Rollmann.
Herr Minister, ergibt sich nicht aus der ganzen Diktion Ihrer Antworten, daß Sie und möglicherweise die Bundesregierung diesem Arbeiten streng nach Vorschrift, wie Sie es nennen, mit Sympathie gegenüberstehen?
Ich bringe diesem Arbeiten nach Vorschrift sicher keine Sympathie entgegen. Ich wehre mich nur dagegen, daß der jetzigen Bundesregierung angelastet wird, sie habe die Ursachen zu vertreten, die zu der heutigen Störung geführt haben. Im übrigen bemühen wir uns, die Folgen des damaligen Beschlusses, so gut das denkbar ist, zu beseitigen.
Zu einer Zusatzfrage Kerr Kollege Müller.
Herr Bundesminister, wäre es denn nicht möglich, daß die Flugzeuge von Berlin wenigstens bei der Landung bevorzugt behandelt werden?
Ich habe das persönlich schon überlegt. Aber ich bin kein Fluglotse. Es liegt im Ermessen des Fluglotsen, da etwas herauszuziehen. Ich bin im Augenblick gar nicht sattelfest genug, sagen zu können, ob er das nach den internationalen Flugsicherungsbestimmungen überhaupt darf.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Herr Kollege Müller.
Herr Bundesminister, meine Frage zielt in diese Richtung. Deshalb frage ich. noch einmal: Glauben Sie also, daß der Berlinflug nur deshalb nicht ausgenommen werden kann — im Gegensatz zu Streiks in Frankreich oder sonstwo, in denen die Flüge nach Berlin nicht mit einbezogen wurden —, weil das wegen der örtlichen Verhältnisse nicht möglich ist?
Beim Streik ist das eine ganz andere Ausgangssituation als in diesem Falle. Dort kann man Ausnahmen machen. Es ist üblich, bei Streiks — wenn also nicht gearbeitet wird — bestimmte Tätigkeiten, die der Versorgung oder Aufrechterhaltung bestimmter Mindestbedingungen dienen, weiterzuführen. Hier handelt es sich um einen anderen Vorgang; es ist kein Arbeitskampf im üblichen Sinne.
Die nächste Frage, Herr Kollege Rawe.
Herr Minister, wenn ich Sie richtig verstehe, scheinen Sie doch die Gehaltsforderungen der Flugsicherungsbeamten für gerechtfertigt zu halten. Wenn dem so ist, frage ich Sie: warum versuchen Sie nicht dadurch, daß Sie ihnen nachgeben, dem Zustand abzuhelfen?
Es ist nicht so, daß ich alle Gehaltsforderungen der Flugsicherungsbeamten für gerechtfertigt halte. Ich habe vorhin gesagt, daß ich den Grund der Klagen nicht für unberechtigt halte. Das ist etwas anderes als die Vermutung, ich halte alle Forderungen für gerechtfertigt. .
Ich muß zwischen den Forderungen des Flugsicherungspersonals und den Schwierigkeiten unseres Besoldungsrechts und den übrigen Interessen, die im Kabinett noch aus anderen Ressorts vertreten werden, einen Mittelweg finden. Wenn ich als für die Flugsicherung zuständiger Minister diesen nicht finden kann, muß ich meinen Auftrag der Ordnung wegen zurückgeben an den Kollegen im Kabinett, der schlechthin für Besoldungsrecht zuständig ist. Dann wäre die Folge eine Gesetzesvorlage an den Bundestag, um die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Rawe.
Nun ist ja die Personallage im Flugsicherungsdienst nicht ganz unbekannt. Würden Sie uns vielleicht auch einmal sagen, wie es dort mit den Nachwuchssorgen aussieht. Stimmen Sie mit mir darin überein, daß die Personallage bei dem Flugsicherungsdienst in Wirklichkeit gar nicht so schlecht ist, wie sie uns in der Öffentlichkeit dargestellt wird?
Ich halte die Personallage nicht für schlecht. Es fehlt auch gar nicht an Nachwuchs. Das einzige, was wir dabei sehen müssen, ist die Tatsache, daß wir dicht frequentierten Flugverkehr und weniger dicht frequentierten Flugverkehr haben. In Frankfurt haben wir in den Ballungszeiten in einer Stunde oft 60 und mehr Starts und Landungen. Das ist auf einem anderen Flugplatz das Pensum in einer ganzen Woche. Man kann also auch hier nicht alles über einen Leisten schlagen.
Deshalb habe ich nicht von „gleicher Bezahlung" gesprochen, sondern von „vergleichbarer Bezahlung". Die Forderungen der Fluglotsen richten sich auf gleiche Bezahlung. Dafür, daß man in Frankfurt alle Minuten ein Flugzeug herunterlotst und in Nürnberg vielleicht am Tage drei, habe ich zwar Verständnis, aber entsprechenden Wunschvorstellungen vermag die Bundesregierung natürlich nicht zu folgen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Dorn.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, die Vorschriften zu ändern, — nachdem. Sie vorhin erklärt haben, Sie hätten keine Sympathie für diesen „Dienst nach Vorschrift"?
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10452 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Die Vorschriften kann ich nicht ändern. Das sind internationale Vorschriften, die von der ICAO erlassen werden und weltweit gelten. Der Flugverkehr kann sich nicht an nationalen Vorschriften orientieren, sondern nur an internationalen Regeln, die für den gesamten Weltflugverkehr gültig sind. Was wir hier ändern können, ist die Bezahlung an die Adresse der Leute, die nach diesen Vorschriften arbeiten.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Dorn.
Herr Minister, ich frage Sie, wer denn nach Ihrer Auffassung in der früheren Bundesregierung — der Bundesinnenminister oder der Bundesverkehrsminister kämen ja wohl nur in Frage — für diese Misere zuständig ist, nachdem Sie vorhin betont haben, diese Dinge könne man dieser Bundesregierung nicht anlasten.
Wenn Sie so konkret fragen, Herr Kollege Dorn: das wurde damals vom Bundestag im Rahmen des Haushaltsgesetzes beschlossen, und zwar mit Mehrheit von der damaligen Regierungskoalition; das waren, wenn ich mich nicht falsch erinnere, die CDU und die FDP,
gegen die Stimmen der SPD. Der Gesetzentwurf wurde von meinem Vorgänger vorgelegt. Da es nur einen gegeben hat, brauche ich den Namen nicht einmal zu nennen.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Brück.
Herr Bundesverkehrsminister, darf ich in diesem Zusammenhang mal folgendes fragen:
Ist es nicht so, daß — als damals die Verbeamtung vorgenommen wurde — niemand gegen seinen Willen ins Beamtenverhältnis überführt worden ist?
Weiter darf ich fragen: Ist es nicht so, daß auch jetzt dem Flugsicherungspersonal zugesagt worden ist — auch ich habe die Denkschrift bekommen und habe es den Leuten zugesagt —, daß im Zusammenhang mit der Beratung des Zweiten BesoldungsNeuregelungsgesetzes diese Frage eingehend geprüft wird, und ist es nicht so, daß im Entwurf des Zweiten Besoldungs-Neuregelungsgesetzes schon in einem bescheidenen Maße dem Flugsicherungsdienst Rechnung getragen ist, und ist es nicht ganz ungewöhnlich, daß Beamte solche Dinge anstellen?
Ich würde sagen, es ist nicht gewöhnlich, daß so etwas auch einmal von Beamten ausgeht. Aber als den Regeln in der Demokratie zuwiderlaufend würde ich dieses Verhalten nicht bezeichnen. Man muß eben bei der Beurteilung abwägen.
Zu Ihrer eigentlichen Frage möchte ich- sagen: Meines Wissens ist niemand gezwungen worden, Beamter zu werden. Aber wenn man den Angestellten damals die Aufstiegsmöglichkeiten verbaut und versperrt hat, war das doch auch ein Stückchen indirekter Druck, sich freiwillig verbeamten zu lassen, und das ist eben gerade geschehen. Wenn Sie mich hier so offen fragen: Ich beschönige vor diesem Hohen Hause nichts. Ich kann Ihnen noch einiges sagen, was vielleicht zur Klärung beiträgt und was noch nicht gefragt worden ist.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Geldner.
Herr Minister, sind Sie nicht schon vor Monaten auf die sich anbahnenden Schwierigkeiten hingewiesen worden, so z. B. in den Fragen des Kollegen Jung, die Sie in Ihren Antworten damals sehr verniedlicht haben?
Ich habe sie nicht verniedlicht. Ich habe in diesem Stadium noch geglaubt, daß wir in bilateralen Gesprächen zu einer Regelung kommen würden. Dies ist leider nicht geschehen. Wir sind seit längerer Zeit mit den Vertretern der Flugsicherungsbeamten im Gespräch, nicht erst jetzt, seit nach Vorschrift gearbeitet wird, wie das heißt.
Damit wären die Anfragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr erledigt.
Wir kommen dann zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend, zunächst zur Frage 1 des Herrn Abgeordneten Josten:
Warum wurde bei dem Regierungsentwurf für den Bundesjugendplan 1969 der Ansatz zur Förderung der politischen Bildung nicht wieder auf den früheren Stand gebracht?
Im Bundesjugendplan für das Rechnungsjahr 1968 wurde der Ansatz zur Förderung der politischen Bildung geringfügig von 7,1 Mio DM auf 6 870 000,— DM gekürzt. Dabei ist mein Ministerium davon ausgegangen, daß mit diesen Mitteln neben zentralen Vorhaben der Verbände in beträchtlichem Umfang auch örtliche und regionale Kurse bezuschußt werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Jugendwohlfahrtsgesetz vom 18. Juli 1967 erschien eine Einschränkung der Bundesförderung im Blick auf diese örtlichen und regionalen Kurse unvermeidlich. Vor der gleichen Situation stand das Ministerium bei der Ausarbeitung des Voranschlages für 1969, weil die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Förderung örtlicher und regionaler Kurse fortbestehen. Deswegen hält der Voranschlag für 1969 insoweit an dem Vorjahresansatz fest.Ich rufe die Fragen 2 und 3 des Herrn Abgeordneten Dröscher auf:Ist die Bundesregierung bereit, angesichts des jetzt schon vorausschaubaren Nichtvorhandenseins von Landesmitteln für die ausfallenden Bundesmittel zur Förderung des studentischen Jugendarbeitsprogrammes des Bundesjugendplanes für das Jahr 1969 noch einmal den gleichen Betrag wie für das Jahr 1968 in Vorschlag zu bringen, damit der Fragenkomplex mit den Ländern eingehend abgeklärt werden kann?In welchen Bundesländern ist das Jugendarbeitsprogramm für 1969 durch die vorgesehene erhebliche Verminderung der Stipendienförderung im studentischen Jugendarbeitsprogramm des Bundesjugendplanes gefährdet?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10453
Vizepräsident ScheelDer Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antworten liegen noch nicht vor. Sie werden nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Wir kommen damit zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesschatzministers, zunächst zur Frage 4 des Abgeordneten Freiherr von Lemmingen:Trifft es zu, daß die Aufforstung der auf dem Truppenübungsplatz Münsingen vorhandenen Grünlandflächen, deren Verpachtung an Schäfer z. Z. etwa 45 000 DM jährlich einbringt, das militärisch notwendige und wirtschaftlich ratsame Ausmaß übersteigt?Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Vogel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die Fragen 4 und 5 wegen ihres inneren Zusammenhanges zusammen beantworten?
Bitte schön! Dann rufe ich noch die Frage 5 des Abgeordneten Freiherr von Gemmingen auf:
Ist die Bundesregierung in diesem Falle geneigt, die für die weitere Aufforstung vorgesehenen Mittel statt dessen für die Frachtverbilligung von Schaftransporten zu verwenden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Aufforstungen auf dem Truppenübungsplatz Münsingen sind erforderlich, um in etwa einen Ausgleich für die Verluste an Wald zu schaffen, die infolge der erhöhten militärischen Inanspruchnahme des Platzes eingetreten sind. Diese Maßnahmen wirken gleichzeitig weitgehenden Erosionsschäden, z. B. Abtragung des Mutterbodens, entgegen. Sie gehen auf militärische Erfordernisse zurück und sollen zugleich dem Schutz der Bevölkerung vor einer übermäßigen Belästigung durch Staub und Lärm infolge der militärischen Nutzung des Platzes, insbesondere durch Kettenfahrzeuge, dienen. Bei allem Verständnis für die von Ihnen angestellten landwirtschaftspolitischen . und wirtschaftlichen Überlegungen müssen diese Gesichtspunkte bei militärischen Übungsplätzen Vorrang haben.
Eine anderweitige Verwendung der für die Aufforstung vorgesehenen Mittel für den von Ihnen genannten Zweck scheidet hiernach, abgesehen von der haushaltsrechtlichen Zweckbindung dieser Mittel, aus.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 6 des Abgeordneten Dr. Meinecke aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheitswesen:
Hält die Bundesregierung die Voraussagen der Weltgesundheitsorganisation und ausländischer Fachzeitschriften bezüglich einer „Grippewelle globalen Ausmaßes" für so schwerwiegend, daß sie gewillt ist, Vorsorgemaßnahmen — eventuell gemeinsam mit den Gesundheitsministerien der Länder — zu beraten und zu ergreifen?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. von Manger.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr
Präsident, ich glaube, es ist angebracht, auf diese Frage etwas ausführlicher zu antworten, und bitte Sie um Verständnis dafür.
Das Bundesgesundheitsministerium hat seit Monaten die Meldungen über Auftreten und Verbreitung der Hongkong-Variante des Influenzavirus A 2 aufmerksam verfolgt und bereits im August dieses Jahres Erörterungen mit den Impfstoffherstellern sowie im September mit den obersten Landesgesundheitsbehörden aufgenommen. Am Freitag letzter Woche sind die bis dahin verfügbaren Unterlagen mit den leitenden Medizinalbeamten der Länder eingehend erörtert worden. Sie teilen die Beurteilung der Situation durch die Weltgesundheitsorganisation nicht im vollen Umfang, jedenfalls nicht, soweit es die Bundesrepublik betrifft.
Die Hongkong-Variante der Grippe hat nur in Hongkong selbst, in Formosa und im Iran eine größere Ausbreitungstendenz gezeigt. Sie ist mit dem Reiseverkehr in eine ganze Reihe anderer Länder verschleppt worden, hat sich dort aber nicht ausgebreitet, sondern lediglich zu kleineren örtlichen Epidemien geführt. Alle Erkrankungen sind bisher außerordentlich milde verlaufen. Die Vorhersage einer weltweiten Ausbreitung und ausgedehnter Epidemien auch in Europa ist eine Vermutung.
In Europa wurde die Hongkong-Variante bei einzelnen Fällen in England festgestellt; sie hat sich dort nicht ausgebreitet. Seitdem wird bei uns und unseren Nachbarn mit erhöhter Sorgfalt auf entsprechende Hinweise geachtet. Für Pressemeldungen über 200 000 Erkrankungen an Hongkong-Grippe in Rom konnten wir keine Bestätigung erhalten. Nach bisherigen Auskünften handelt es sich um eine Erkältungskrankheit von zwei bis drei Tagen Dauer. Die virologische Identifizierung steht noch aus. In der Bundesrepublik sind in den vier nationalen Grippezentren — Berlin, Marburg, Hamburg, Frankfurt — weder die Hongkong-Variante noch die sonstigen Grippeviren nachgewiesen worden. Mit einer Einschleppung im Laufe der nächsten Monate muß aber gerechnet werden. Jedoch haben entsprechende Untersuchungen ergeben, daß sich in der deutschen Bevölkerung durch A 2-Streufälle der letzten Jahre sowie durch die Grippeschutzimpfungen ein gewisser Kollektivschutz entwickelt hat, der auch eine hinreichende Basisimmunität gibt. Erste orientierende Untersuchungen deuten darauf hin, daß die deutschen Impfstoffe schon in der bisherigen Zusammensetzung offenbar einen besseren Schutz auch gegen die Hongkong-Variante erreichen als diejenigen, mit denen die von der Weltgesundheitsorganisation zitierten Befunde erhoben worden sind. In wenigen Wochen wird deutscher Impfstoff auf den Markt kommen, der auch die Hongkong-Variante enthält.
Schließlich: Das Bundesgesundheitsamt wird ab Mitte November — wie in den Jahren vorher — einen besonderen Grippe-Informationsdienst einrichten, der einen schnellen Austausch aller Informationen gewährleistet.
Eine Zusatzfrage, Herr Dr. Meinecke, bitte!
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10454 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, trotz dieser umfangreichen Vorsorgemaßnahmen zuzugeben, daß in der Öffentlichkeit dadurch eine gewisse Unsicherheit gefördert wurde und wohl auch begründet ist, daß einerseits der Verband der niedergelassenen Ärzte empfohlen hat, sich mit dem gängigen Impfstoff gegen A 2 impfen zu lassen, andererseits dieser Impfstoff in einem ausreichenden Maße nicht mehr vorrätig ist, drittens der neue Impfstoff noch nicht verfügbar ist und viertens die Bundeswehr weiter gegen Polio impft?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Berufsverbände lieben manchmal eine gewisse Aktualität nach außen hin. Die Forderungen stimmen nicht ganz mit der tatsächlichen Impfstoffversorgungslage und mit der Beurteilung, die die obersten Gesundheitsbehörden der Länder geben, wie ich sie eben geschildert habe, überein. Wir haben zur Zeit kaum Impfstoff. Die zur Verfügung stehenden Impfstoffe sind restlos an Betriebe und andere Gruppen verkauft. Auch das, was in den nächsten Wochen von den Impfstoffherstellern bereitgestellt werden kann, ist berents verkauft. Für eine große Massenimpfung, etwa unter Einbeziehung aller Ärzte, ist also gar kein Impfstoff da.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Dr. Meinecke.
Herr Staatssekretär, ist neben den konkreten Ratschlägen zum Impfvorgang seitens Ihres Informationszentrums auch daran gedacht, diejenigen, die für besonders gefährdete Bevölkerungskreise — ich meine auf der einen Seite alte Menschen und auf der anderen Seite Kinder und Säuglinge — verantwortlich sind, anzuleiten und ihnen Ratschläge zu geben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden auf der in der nächsten Woche stattfindenden Konferenz der Gesundheitsminister mit diesen erörtern, in welchem Umfang der jetzt noch zur Verfügung stehende Impfstoff etwa in Form einer Eingreifreserve von den Ländern übernommen werden kann, um besondere Risikogruppen, wie Sie sie eben erwähnten — alte Menschen und besondere Schlüsselgruppen wie z. B. Verkehrspersonal — ausreichend impfen zu können. Aber gerade die Betriebe solcher Gruppen haben von sich aus bereits spontan Vorsorge getroffen.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zunächst rufe ich Frage 84 des Herrn Abgeordneten Baron von Wrangel auf:
Ist die Bundesregierung bereit, da besonders in strukturell schwachen Gebieten das jetzt geltende Ladenschlußgesetz zu Ungerechtigkeiten führt, sich für eine Befreiung der Landwirtschaft aus diesem Gesetz einzusetzen und Landwirten die Moglichkeit zu geben, ihre Erzeugnisse ungehindert zu verkaufen?
Zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Kattenstroth das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach Auffassung der Bundesregierung sind Landwirte für den Verkauf ihrer Erzeugnisse in der Regel nicht an die durch das Ladenschlußgesetz festgelegten Öffnungszeiten gebunden. Das Ladenschlußgesetz gilt für den geschäftlichen Verkehr in Verkaufsstellen und für das gewerbliche Feilhalten, von .Waren zum Verkauf an jedermann außerhalb von Verkaufsstellen. Der Verkauf von selbsterzeugten Produkten ist aber in der Regel kein gewerbliches Feilhalten in diesem Sinne. Landwirte unterhalten meist auch keine Verkaufsstellen. Sie fallen daher normalerweise nicht unter das Ladenschlußgesetz.
Die Ladenschlußvorschriften müssen sie allerdings dann beachten, wenn sie Verkaufsstellen einrichten und dort ihre Erzeugnisse verkaufen. In solchen Fällen befinden sie sich in einer ähnlichen Lage wie andere Gewerbetreibende. Daher werden sie auch im Ladenschlußgesetz ebenso wie andere Verkaufsstelleninhaber behandelt. Ihre Befreiung von den Vorschriften des Gesetzes würde eine ungleiche Behandlung gegenüber anderen unter das Gesetz fallenden Betrieben darstellen. In Anbetracht dessen würde es sich also nicht empfehlen, die landwirtschaftlichen Betriebe in diesen Fällen — es sind ja ohnehin nur Ausnahmefälle — von den Vorschriften des Ladenschlußgesetzes zu befreien.
Eine Zusatzfrage? — Bitte, Herr Baron van Wrangel!
Herr Staats-. sekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Begriff „Verkaufsstelle" in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich definiert wird und daß sich daraus möglicherweise Ungerechtigkeiten für einzelne Landwirte ergeben, die ihre Erzeugnisse verkaufen wollen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine solche Möglichkeit ist nicht auszuschließen, Herr Abgeordneter.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege von Wrangel.
Herr Staatssekretär, ist denn die Bundesregierung bereit, auf die Länder einzuwirken, damit hier eine gleiche Handhabung erfolgt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, dazu ist die Bundesregierung gern bereit. Ich wäre nur dankbar, wenn Sie uns Fälle mitteilten, in denen Sie eine Beanstandung für berechtigt halten.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10455
Wir kommen zur Beantwortung der Frage 85 des Herrn Abgeordneten Matthöfer:
Ist die Meldung der spanischen Zeitung „El Correo Catalan vom 23. Oktober 1968 zutreffend, der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Josef Stingl, habe erklärt, die spanischen Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland hielten sich praktisch in ihrer Gesamtheit außerhalb subversiver Bewegungen, besonders derjenigen, die von der IG Metall herrührten?
Das Wort hat Herr Staatssekretär Kattenstroth.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auf Anfrage hat mir der Präsident der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Herr Josef Stingl, folgendes mitgeteilt:
In der Pressekonferenz am 8. November 1968 habe ich tatsächlich erklärt, daß die spanischen Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland nach meiner Kenntnis sich in ihrer Gesamtheit jeder subversiven Tätigkeit enthielten. Ich wurde daraufhin mehrfach gefragt, ob denn nicht die IG Metall subversiv tätig sei. Ich habe darauf mit Entschiedenheit betont, daß die IG Metall zu den staatserhaltenden Gewerkschaften gehöre.
Nach dem Verhalten der IG Metall zu den Gesetzen eventuelle Notstände betreffend gefragt, erklärte ich, daß es das Recht der Gewerkschaften sei, andere Auffassungen als die Parteien zu vertreten, daß gerade aber das Verhalten der IG Metall und ihres Vorsitzenden Brenner nach der Verabschiedung dieses Gesetzes den Beweis liefere, daß sie den demokratischen Rechtsstaat bejaht. Die IG Metall habe ausdrücklich abgelehnt, die Verabschiedung der Gesetze mit einem Streik zu beantworten.
Eine Zusatzfrage, Kollege Matthöfer.
Herr Staatssekretär, wäre es in Anbetracht dieser Sachlage nicht im Interesse unserer Bundesrepublik und ihrer demokratischen Institutionen, zu denen ja auch die Gewerkschaften gehören, wenn der Herr Präsident der Bundesanstalt auf Richtigstellung in der spanischen Zeitung bestünde, insbesondere auch angesichts der Tatsache, daß die spanischen Arbeitnehmer im eigenen Lande immer noch ihrer freien Interessenvertretung beraubt sind?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich werde Herrn Präsident Stingl bitten, um eine Richtigstellung bemüht zu sein.
Kollege Geiger zu einer weiteren Frage.
Herr Staatssekretär, teilen Sie die Auffassung, daß der auch von ausländischen Regierungen immer wieder unternommene Versuch, die ausländischen Arbeitskräfte gegen die Deutschen — oder umgekehrt — auszuspielen, den Arbeitsfrieden erheblich stört?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich räume ein, daß die Möglichkeit, den Arbeitsfrieden zu stören, besteht. Wir sind bemüht, dem entgegenzuwirken.
Wir kommen zu den Fragen 86 und 87 des Herrn Abgeordneten Westphal:Trifft es zu, daß jugendliche Arbeitnehmer, die nach Verlegung des Schuljahrbeginns auf den Herbst vielfach eine Berufstätigkeit erst vom 1. Oktober an aufnehmen, hinsichtlich des Urlaubsanspruchs schlechter gestellt sind als erwachsene Arbeitnehmer, die für eine dreimonatige Beschäftigung schon 3/12 des Jahresurlaubs beanspruchen können, während für Jugendliche ein anteiliger Urlaubsanspruch erst nach einer dreimonatigen Beschäftigung eintritt?Ist die Bundesregierung bereit, die in Frage 86 dargestellte Schlechterstellung jugendlicher Arbeitnehmer durch eine Novelle zum Jugendarbeitsschutzgesetz zu korrigieren?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 12. November 1968 lautet:Es trifft zu, daß ein Jugendlicher, der seine Berufstätigkeit erst am 1. Oktober eines Jahres aufnimmt, nach der geltenden Rechtslage in diesem Jahr keinen Anspruch auf Urlaub hat, auch nicht einen Anspruch auf anteiligen Urlaub. Nach § 19 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes entsteht der Anspruch auf Urlaub im ersten Urlaubsjahr, das nach der gesetzlichen Regel das Kalenderjahr ist, erst nach einer Wartezeit von mehr als drei Monaten. Der Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember beträgt jedoch 'nur 3 Monate. Demgegenüber kann ein erwachsener Arbeitnehmer, dessen Arbeitverhältnis erst am 1. Oktober beginnt, für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember — vorbehaltlich anderweitiger tariflicher Regelung — wenigstens einen anteiligen Urlaub von drei Zwölfteln des Jahresurlaubs nach § 5 des Bundesurlaubsgesetzes beanspruchen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitnehmer für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt, einen Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses.Im Jugendarbeitsschutzgesetz, das zeitlich vor dem Bundesurlaubsgesetz erlassen worden ist, fehlt eine dem § 5 des Bundesurlaubsgesetzes entsprechende Bestimmung. Dies macht sich, wie Sie mit Recht hervorheben. nach Verlegung des Schuljahresbeginns auf den Herbst dann besonders nachteilig bemerkbar, wenn Jugendliche ihre Berufstätigkeit erst am 1. Oktober aufnehmen. Auch nach meiner Auffassung sollte die Benachteiligung Jugendlicher in diesen Fällen moglichst bald beseitigt werden. Ich bin allerdings der Meinung, daß zu diesem Zweck zunächst die tarifvertraglichen Möglichkeiten des Jugendarbeitsschutzgesetzes ausgeschöpft werden sollten. § 19 Abs. 8 des Jugendarbeitsschutzgesetzes gestattet den. Tarifpartnern, anders als nach dem Bundesurlaubsgesetz, durch Tarifvertrag das Urlaubsjahr auch abweichend vom Kalenderjahr festzulegen. So können die Tarifpartner z. B. bestimmen, daß das erste Urlaubsjahr für Jugendliche, die ihre Berufstätigkeit erst am 1. Oktober aufnehmen, nicht am 1. Januar, sondern am 1. Oktober beginnt. Die Jugendlichen wären dann in der Lage, die in § 19 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes bestimmte Wartezeit von mehr als 3 Monaten schon im ersten Urlaubsjahr zurückzulegen. Sie würden, wenn sie die Beschäftigung im Januar fortsetzen, in Zukunft einen Urlaubsanspruch auch für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember erwerben. Ich bin gern bereit, Ihre Anfrage zum Anlaß zu nehmen, die Tarifpartner zu bitten, diese Möglichkeit zu prüfen.Wir kommen dann zu der Frage 88. — Die Abgeordnete Frau Kurlbaum-Beyer ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet. Bei der Frage 89Ist die Bundesregierung bereit, das Kündigungsschutzgesetz für Angestellte auch auf Lohnempfänger auszudehnen und so zu gestalten, daß ältere Arbeitnehmer einen besonderen Schutz erhalten?hat sich die Abgeordnete Frau Kurlbaum-Beyer mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Katzer vom 12. November 1968 lautet:Das von Ihnen erwähnte Gesetz aus dein Jahre 1926 setzt bei einem Lebensalter von 30 Jahren ein und sieht dann verlängerte Kündigungsfristen je nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit vor. Es schützt also weniger das Alter als die Betriebs-
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10456 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Vizepräsident Scheelzugehörigkeit. Eine Einbeziehung der Arbeiter in dieses Gesetz würde daher den von Ihnen angestrebten Schutz der älteren Arbeiter jedenfalls dann nicht erreichen, wenn diese nicht gleichzeitig eine entsprechende Betriebszugehörigkeit aufzuweisen haben. Durch eine derartige Einbeziehung würden bei jüngeren Arbeitern im Falle einer längeren Betriebszugehörigkeit gesetzlich zwingend — d. h. ohne Einflußmöglichkeit etwa der Tarifpartner — Kündigungsfristen festgelegt, die den bestehenden Verhältnissen, z. B. im Baugewerbe, nicht entsprechen. Das wäre vom Gesichtspunkt der Mobilität her nicht unbedenklich und könnte zudem zu einer erheblichen Belastung insbesondere kleinerer Betriebe führen.Ich bin daher der Ansicht, daß sich eine schematische Ausdehnung des Gesetzes von 1926 auf Arbeiter nicht empfiehlt. Ich möchte Ihnen aber versichern, daß die Bundesregierung sich den Schutz der älteren Arbeitnehmer auch weiterhin besonders angelegen sein lassen wird. Hierbei werden gerade Maßnahmen zur Sicherung des Arbeitsplatzes eine besondere Rolle spielen. Allerdings wird man nicht nur an arbeitsrechtliche Vorschriften zu denken haben — Regelungen auf diesem Gebiet bringen leicht die Gefahr mit sich, die Einstellung älterer Arbeitnehmer überhaupt zu erschweren —; in Betracht kommen vielmehr besonders auch Hilfen auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung und der Arbeitsförderung, wie sie etwa im Entwurf des Arbeitsförderungsgesetzes vorgesehen sind.Die Frage 90 der Abgeordneten Frau Kurlbaum-Beyer wird auch schriftlich beantwortet, da sie nicht im Saale ist.Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — —
— Es tut mir leid, das muß vorher schriftlich bei mir eingereicht werden.Wir kommen nunmehr zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Ich rufe die Frage 33 der Abgeordneten Frau Dr. Diemer-Nicolaus auf. — Frau Diemer-Nicolaus ist nicht im Saal. Die Frage wird schriftlich beantwortet. Das gilt auch für die Fragen 34 und 35.Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten Bauer . — Der Abgeordnete Bauer (Würzburg) ist nicht im Saal, wie ich sehe; die Frage wird schriftlich beantwortet.Frage 37 -des Abgeordneten Wagner. — Der Abgeordnete Wagner ist nicht im Saal; die Frage wird schriftlich beantwortet.
Entsprechen Pressemeldungen den Tatsachen, daß eine Sekretärin aus dem Führungsstab des Heeres im Bundesverteidigungsministerium Anfang September wegen des Verdachts der Spionage im Dienst verhaftet wurde?
Da haben wir den ersten wieder erwischt, der hier ist. Der Herr Bundesminister hat das Wort zur Beantwortung der Frage 38.
Die erste Frage beantworte ich mit Ja.
Dann kämen die Fragen 39 und 40 — ich sehe, daß Herr Dr. Müller mit Zusatzfragen wartet, bis alle drei Fragen beantwortet sind —:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die der Spionage Verdächtige vor etwa zehn Tagen aus der Untersuchungshaft entlassen wurde?
Sind die Vermutungen richtig, daß die der Spionage verdächtige Sekretärin nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft in den Ostblock geflohen ist?
Die zweite Frage beantworte ich mit Ja, die dritte mit Nein.
Jetzt kommen die Zusatzfragen. Herr Kollege Dr. Müller, bitte!
Herr Minister, sind Sie auf Grund der Erfahrungen mit dieser Affäre der Meinung, daß die Vorschriften über die Verhängung einer Untersuchungshaft geändert werden müßten, oder könnten sie so bleiben, wie sie jetzt sind?
Ich bin der Meinung, daß die Vorschriften so bleiben sollten, wie sie sind. Ihre Anwendung im Einzelfall ist Sache des Gerichts. Das mag kritisiert werden; aber das ist kein Anlaß, die .Gesetzesbestimmungen wieder zu ändern.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Müller.
Sind Sie grundsätzlich der Meinung, daß für alle Fälle der Verhängung von Untersuchungshaft gilt, daß die Vorschriften in ihrer jetzigen Form ausreichen?
Es kann allenfalls darüber gesprochen werden — und derartige Überlegungen sind im Gange —, ob bei sogenannten Hangtätern, Kettentätern oder Bandentätern eine Änderung in Betracht gezogen werden sollte.
Eine weitere Frage, Herr Kollege Müller.
Werden entsprechende Vorstellungen aus Ihrem Hause dem Bundestag vorgelegt werden?
Darüber sind Erörterungen mit den Landesjustizverwaltungen im Gange. Ob das zu neuen Gesetzesentwürfen und Vorlagen an das Parlament führen wird, kann ich im Augenblick nicht sagen.
Wir kommen zur Beantwortung der Fragen 41, 42 und 43 des Herrn Abgeordneten Geisenhofer:Trifft die Meldung der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern zu, wonach jährlich ca. 4 Millionen Wirtschaftsdelikte durch unlautere Wettbewerbe in der Bundesrepublik Deutschland begangen werden, deren Schaden sich jährlich auf ca. 10 Milliarden DM beläuft ?Beabsichtigt die Bundesregierung, durch Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen in der Gewerbeordnung und im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb sowie im Scheckrecht Maßnahmen gegen diese Wirtschaftsdelikte zu ergreifen?Welche sonstigen Maßnahmen können zum Schutze der Bürger gegen diese Wirtschaftskriminalität getroffen werden?Bitte, Herr Bundesminister!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10457
Ich antworte auf die erste Frage folgendes: Die Zahl der Wirtschaftsdelikte durch unlauteren Wettbewerb sowie die Höhe der dadurch entstehenden Schäden ist mir nicht bekannt. Die von der Industrie-und Handelskammer für München und Oberbayern angegebenen Zahlen beziehen sich nach vorliegender Zeitungsnotiz nicht nur auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, sondern auf Wirtschaftskriminalität schlechthin. Bei diesen Zahlen handelt es sich aber offenbar um Schätzungen, insbesondere der nicht bekanntgewordenen Fälle. Auf welche Grundlagen die Industrie- und Handelskammer die Schätzungen stützt, konnte ich aber nicht ermitteln.
Zur zweiten Frage: Die Gewerbeordnung, die hier zur Änderung eventuell in Betracht stünde, ist gerade durch Gesetz vom 7. Oktober dieses Jahres geändert worden. Diese Gesetzesänderung hat die Vorschriften über Wanderlagerveranstaltungen erheblich verschärft. Ein Änderungsgesetz zum Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb wird zur Zeit in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages beraten. Voraussichtlich wird die Novelle strengere Verbotsvorschriften für irreführende Werbepraktiken bringen. Darüber hinaus sind weitere gesetzgeberische Maßnahmen zur Zeit nicht beabsichtigt.
Zusatzfrage, Herr Geisenhofer, bitte!
Herr Bundesminister, sehen Sie eine Möglichkeit, durch die Schaffung einer gesetzlich festgelegten Rücktrittsfrist dem unlauteren Wettbewerb stärker zu begegnen?
Wenn ich es recht verstehe, meinen Sie einen Rücktritt von Abzahlungsverträgen.
Derartiges ist durchaus erwägenswert, zumal wenn es sich um die Abzahlungsverträge handelt, die an den Haustüren abgeschlossen werden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Burger.
Herr Minister, wie beurteilen Sie die Ausführungen von Oberstaatsanwalt Bähr aus Kleve auf der diesjährigen Arbeitstagung der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft in Frankfurt, der ausführte, daß die Dunkelziffer im Bereich der Wirtschaftskriminalität gewaltig sei und sich daran in absehbarer Zeit kaum etwas ändern werde, und der sich nicht scheute, von einer glatten Kapitulation der Justiz vor der Wirtschaftskriminalität zu sprechen?
Ich glaube, von einer Kapitulation der Justiz kann man keinesfalls sprechen. Die Schwierigkeit der Strafverfolgung liegt im Schwerpunkt bei der Polizei und den Ermittlungsbehörden. Dort sind sicherlich nicht immer ausreichend qualifizierte Kräfte vorhanden, um der Weiße-Kragen-Kriminalität wirklich auf die Spur zu kommen. Es ist schon erörtert worden — und es sollte meines Erachtens auch verwirklicht werden —, ob man das Bundeskriminalamt hierfür mit zusätzlichen fachlich geeigneten Kräften ausstatten sollte.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Burger.
Was halten Sie von dem Vorschlag, der Justiz fachkundige Betriebswirte zu attachieren, damit künftig nicht nur die Hausfrau verurteilt wird, die einen relativ bescheidenen Ratenvertrag nicht erfüllt, sondern auch der Geschäftsmann, der andere um Millionenbeträge schädigt?
Genau das meinte ich mit meinem Hinweis, daß etwa das Bundeskriminalamt mit Wirtschaftsprüfern als Ermittlungsbeamten ausgestattet werden sollte.
Eine weitere Frage, Frau Kollegin Freyh.
Herr Minister, würden Sie in diesem Zusammenhang auch die Einrichtung von Wirtschaftsstrafkammern für förderlich halten, für die es ja bereits einige Beispiele gibt?
Dem möchte ich nicht ohne weiteres zustimmen. Das könnte dann zu einer weiteren Auffächerung der Strafjustiz in Fachgebiete führen. Wenn ein Gericht so, wie es normalerweise zusammengesetzt ist, einer Frage aus eigenem Wissen nicht Herr werden kann, muß es sich eines Sachverständigen bedienen.
Wir kommen damit zur Beantwortung der Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, zunächst die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Giulini:
Welche Bundes- oder Länderbehörde kann einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages verbindlich Auskunft darüber geben, welchen Gesamtbetrag an Kirchensteuern die Steuerbehörden von Bund und Ländern im Jahre 1967 an die berechtigten Kirchen abgeführt haben?
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Leicht.
Die Zuständigkeit für die von Ihnen, Herr Kollege, erbetenen Auskünfte liegt keinesfalls beim Bund und wohl auch nicht bei den Ländern. Gläubiger der Kirchensteuer sind allein die steuerberechtigten Religionsgesellschaften. Soweit die Länderfinanzverwaltungen die Festsetzung und Einziehung der Kirchensteuer, die als Zuschlag zur Einkommen- und Lohnsteuer erhoben wird, übernommen haben, beruht das auf vertraglichen Abmachungen zwischen der jeweiligen Landesfinanzverwaltung und den zuständigen obersten Kirchenbehörden. Die Länder werden also insoweit lediglich als Auftragnehmer tätig. Im Hinblick
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10458 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Parlamentarischer Staatssekretär Leichtauf die für Auftragsverhältnisse geltenden allgemeinen rechtlichen Grundsätze erscheint es zweifelhaft, ob die Landesfinanzverwaltungen verpflichtet werden können, über die für ihre Auftraggeber vereinnahmten Beträge Dritten oder der Allgemeinheit gegenüber Auskunft zu erteilen. Unzweifelhaft könnten dagegen die Religionsgesellschaften selbst die von Ihnen gewünschten Auskünfte geben.Diese Zuständigkeitsabgrenzung schließt aber nicht aus, daß Bundes- oder Landesbehörden an Hand allgemein zugänglicher Statistiken, z. B. an Hand der Einkommen- und Lohnsteuerstatistiken in Verbindung mit dem Einkommen- und Lohnsteueraufkommen, Schätzungen über das Kirchensteueraufkommen und seine Verteilung auf die berechtigten Kirchen durchführen und die Ergebnisse mitteilen, wie das z. B. kürzlich auf eine entsprechende Anfrage Ihres Sekretariats hin geschehen ist.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Giulini.
Herr Staatssekretär, könnte es sein, daß im Jahre 1967 etwa 3,12 Milliarden DM an Kirchensteuer eingegangen sind?
Ich kann Ihnen sogar die von uns geschätzten Zahlen — mit dem Vorbehalt, den jede Schätzung beinhaltet — für das Jahr 1967 geben: Kircheneinkommensteuer 1967 rund 1,28 Milliarden DM, Kirchenlohnsteuer 1967 rund 1,72 Milliarden DM, zusammen also rund 3 Milliarden DM.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Giulini.
Herr Staatssekretär, wäre es nicht sehr praktisch, daß, wie Sie selbst angeregt haben, einmal im Jahr, sei es über die Kirchen selber, sei es über eine Bundes- oder Landesbehörde, diese Zahl bekanntgegeben würde, um spekulativen und böswilligen Meinungen entgegenzutreten?
Ich habe ja schon gesagt, daß weder der Bund noch die Länder hier eine Zuständigkeit haben. Sie können also nur auf Grund der Statistiken Schätzungen vornehmen. Es wäre vielleicht besser, mit den Kirchen selber darüber zu sprechen. Ich kann mich erinnern, daß z. B. beim Katholikentag in diesem Jahr diese Frage der Publizität und der besseren Transparenz der kirchlichen Einnahmen eine Rolle gespielt hat. Vielleicht läßt sich von da her in Zukunft mehr erwarten.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Dichgans.
Herr Staatssekretär, wenn wir der Kirchensteuer eine so große Bedeutung beimessen, daß wir sie durch staatliche Behörden einziehen und auch mit den Zwangsmitteln des Staates eintreiben, könnte das nicht ein Argument dafür sein, daß wir die Kirchensteuer auch in die allgemeine Steuerstatistik einbeziehen und die Verträge mit den Kirchen entsprechend gestalten?
Diese Frage wäre sicherlich zu prüfen. Ob dabei dann das geschehen kann, was Sie angesprochen haben, ist von mir im Augenblick nicht festzustellen.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 45 des Herrn Abgeordneten Dr. Enders:
Treffen Berichte zu, wonach die Auflösung der Beförderungsteuerstelle beim Finanzamt Fulda erwogen wird und somit eine Dienststelle im Zonenrandgebiet verlorengeht?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!!
Ich darf die Frage des Kollegen Enders wie folgt beantworten. Durch Anfrage bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt und Fühlungnahme mit dem Hessischen Finanzministerium habe ich folgendes festgestellt:Die Oberfinanzdirektion hatte bereits vor längerer Zeit Überlegungen angestellt, wie die Bearbeitung der Beförderungsteuer, die gegenwärtig neun von insgesamt 44 Finanzämtern übertragen ist, noch stärker zentralisiert und die Zahl der Beförderungsteuerstellen auf etwa vier vermindert werden könnte. Das Ergebnis dieser Prüfung ist bisher nicht an das Hessische Finanzministerium herangetragen worden, das nach § 21 Abs. 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung für entsprechende organisatorische Anordnungen allein zuständig wäre. Die Oberfinanzdirektion Frankfurt hat inzwischen die Sache zurückgestellt, weil bekanntlich nach Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes 1967, also der Mehrwertsteuer, ab 1. 1. 1968 die Beförderungen mit Kraftfahrzeugen nur noch der Besteuerung nach Maßgabe dieses Mehrwertsteuergesetzes unterliegen und auch die parlamentarischen Beratungen über das verkehrspolitische Programm der Bundesregierung, das für die Zukunft wieder eine besondere Besteuerung des Straßengüterverkehrs — unabhängig von der Erfassung durch die Umsatzsteuer — vorsieht, noch nicht abgeschlossen sind.Nach dem letzten Stand der Beratungen soll das geplante Gesetz über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs nur vom 1. 1. 1969 bis 31. 12. 1970 gelten. Wir werden ja heute darüber sprechen. Die früheren organisatorischen Überlegungen der Oberfinanzdirektion waren nicht davon ausgegangen, daß die Erhebung dieser Steuer auf einen so kurzen Zeitraum beschränkt wird. Schon im Hinblick auf diesen bisher nicht in Rechnung gestellten Umstand dürften die erwogenen Zentralisierungsmaßnahmen voraussichtlich nicht mehr verwirklicht werden.Ich darf abschließend noch erwähnen, daß die Beförderungsteuerstelle des Finanzamts Fulda, nach
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Parlamentarischer Staatssekretär Leichtder ja gefragt ist, zur Zeit mit zwei bis drei Bediensteten besetzt ist. Bei einer Gesamtpersonalstärke des Finanzamts von rund 160 Bediensteten würde eine Auflösung der Stelle, die, wie ich sagte, wahrscheinlich jetzt nicht bevorsteht, den Personalbestand des Amtes nur ganz unwesentlich berühren.
Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Enders.
Herr Staatssekretär, würden Sie es für sinnvoll halten, daß, wenn im Bereich der Finanzverwaltung Dienststellen zusammengelegt würden, die Zentralisierung an einem Finanzamt im Zonenrandgebiet vorgenommen würde?
Diese Überlegung kann sicherlich mit angestellt werden. Aber, wie gesagt, auch die Beantwortung dieser Frage ist Sache des Hessischen Finanzministeriums.
Wir kommen dann zur Beantwortung der Frage 46 des Herrn Abgeordneten Erhard :
Wie gedenkt die Bundesregierung den Wettbewerbsvorteil auszugleichen, der nach Ablehnung des Antrags auf Einführung einer Alkoholausgleichsabgabe durch die Kommission der EWG zu Lasten der deutschen Produzenten besteht?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Ich darf Ihre Frage, Herr Kollege Erhard, wie folgt beantworten.
Zum Ausgleich der Wettbewerbsnachteile, denen die deutschen Spirituosenhersteller seit dem Wegfall der Binnenzölle auf Grund der niedrigeren Preise für Agraralkohol in den anderen Mitgliedstaaten ausgesetzt sind, bedarf es einer Maßnahme der Gemeinschaft. Bisher gibt es allerdings keine Anzeichen dafür, daß die Einfuhr von Trinkbranntwein aus EWG-Ländern seit dem Wegfall der Binnenzölle und nach der Ablehnung des Antrags der Bundesregierung auf Erhebung von Ausgleichsabgaben erheblich angestiegen ist. Die Zollstellen wurden bereits im Juli 1968 angewiesen, unverzüglich zu berichten, wenn Spirituoseneinfuhren in auffälliger Weise zunehmen sollten. Meldungen darüber, daß dies der Fall sei, sind bisher nicht eingegangen. Ebensowenig haben die Verbände der Branntweinindustrie Tatsachen für ein Ansteigen der Einfuhren darlegen können:
Einem bedrohlichen Ansteigen der Einfuhren steht die Bestimmung des § 3 des Branntweinmonopolgesetzes entgegen. Danach dürfen nur Rum, Arrak, Kognak und Likör ohne Genehmigung der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein eingeführt werden; außerdem hat die Bundesmonopolverwaltung die Einfuhr von Armagnac und Whisky sowie Genever aus den Niederlanden allgemein genehmigt. Rum und Arrak werden in Deutschland nicht gebrannt, Kognak und Armagnac finden als verhältnismäßig teure Markenspirituosen nur einen beschränkten Absatz, und Whisky kommt nur in geringen -Mengen aus EWG-Ländern nach Deutschland. Eine Beeinträchtigung für den deutschen Markt könnte hiernach nur von Likören und holländischem Genever ausgehen. Alle übrigen bisher nicht genannten Trinkbranntweine, z. B. Weinbrand, Kornbranntwein und sonstige klare Spirituosen, unterliegen einer Einfuhrbeschränkung im Rahmen der auf Grund einer Empfehlung der Kommission eröffneten Quoten, die 1968 auf insgesamt 10 730 hl Weingeist festgesetzt sind. Das sind noch nicht 0,8 O/o des Trinkbranntweinabsatzes der Bundesmonopolverwaltung und der Erzeugung von ablieferungsfreiem Branntwein im abgelaufenen Betriebsjahr 1967/68.
Herr Staatssekretär, würden Sie auch die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Erhard wegen des Sachzusammenhangs beantworten:
Hat der Bundesfinanzminister beim Ministerrat — wie für den Fall der Ablehnung des Antrags auf Einführung einer Alkoholausgleichsabgabe vorgesehen — beantragt, seine Entscheidung vom 26. Juli 1966 über den vorzeitigen Wegfall der Zölle bezüglich der Waren der Tarifnummern 22.09 - B und - C (alkoholhaltige Zubereitungen, alkoholische Getränke) einstweilen auszusetzen?
Wir müssen dann mit der Fragestunde Schluß machen. Aber das wollen wir noch beantwortet haben.
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat sich bei ihrer ablehnenden Entscheidung über den Antrag der Bundesregierung am 16. Juli 1968 bereit erklärt — ich zitiere wörtlich —,
dem 'Rat vorbehaltlich der Lösung einiger technischer Probleme einen Übergangsvorschlag im Rahmen von Art. 235 vorzulegen, solange die Maßnahmen zur endgültigen Lösung der Probleme im Zusammenhang mit den festgestellten Preisunterschieden bei reinem Alkohol noch nicht getroffen worden sind.
Unter Bezugnahme hierauf hat die Bundesregierung die Kommission am 25. Juli 1968 gebeten, dem Rat möglichst bald einen Übergangsvorschlag zu unterbreiten. Einen Antrag beim Ministerrat, seine Entscheidung vom 26. Juli 1966 über den vorzeitigen Wegfall der Zölle bezüglich der Waren der Tarifnrn. 22.09 - B und - C (alkoholhaltige Zubereitungen, alkoholische Getränke) einstweilen auszusetzen, hat die Bundesregierung bei dieser Sachlage nicht gestellt. Sie kann ihn mit Aussicht auf Erfolg auch nicht stellen, solange nicht eine konkrete Gefährdung der deutschen Branntweinwirtschaft belegt werden kann.
Ich sehe, daß der Herr Kollege Erhard verständnisvollerweise auf Zusatzfragen verzichtet.Die Fragestunde ist damit beendet.Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:Beratung des Antrags der Fraktion der SPDbetr. Einsetzung eines parlamentarischen
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Vizepräsident ScheelUntersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 GG— Drucksache V/3442 —Zu diesem Antrag hat Herr Kollege Dorn um das Wort für eine Erklärung gebeten. Das Wort hat der Herr Kollege Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen als Fraktion der Freien Demokratischen Partei in diesem Hause den Antrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, so wie er von der SPD-Fraktion gestellt worden ist. Wir gehen davon aus, daß dieses Haus mit uns der Meinung ist, daß im Punkt 3 a des Untersuchungsauftrages nach dem Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auch die Problematik enthalten ist, die sich daraus ergeben könnte, daß im Hinblick auf die Ermittlungen, die im Zusammenhang mit dem Tod des Flottillenadmirals Lüdke und in anderen Fällen geführt worden sind, bei denen der Spionageverdacht nicht ausgeschlossen werden kann, die Mängel in der Zusammenarbeit der verschiedenen Staatsschutzbehörden der Bundesrepublik Deutschland geprüft werden müssen, die nach unserer Meinung sichtbar geworden sind. Herr Kollege Hirsch, wir gehen ebenfalls davon aus, daß auch die Verbindung zwischen dem Spionageverdacht gegen Herrn Lüdke und andere und den Vorfällen, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Fallex-Übung 1968 festgestellt worden sind, in den Sachzusammenhang Ihres Antrags gehört. Wir verzichten daher darauf, eigene Beweisanträge zu Ihrem Antrag zu stellen.
Nachdem sich Ihre Fraktion gestern entschlossen hat, ihren Fraktionsvorsitzenden als Mitglied des Vertrauensmännergremiums in diesen Untersuchungsausschuß zu delegieren, wird meine Fraktion ebenfalls als Mitglied dieses Ausschusses unseren Fraktionsvorsitzenden, den Kollegen Mischnick, vorschlagen.
Damit kommen wir zu
Punkt 3 der Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktion der FDP
betr. zukünftige Steuerpolitik der Bundesregierung
— Drucksachen V/2208 , V/3255, V/3363 —
Die Große Anfrage ist schriftlich beantwortet worden. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Das Wort hat Herr Kollege Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage der Freien Demokraten zur Steuerpolitik ist eine Reihe von Monaten alt, und ihre Bedeutung hat sich im Zuge der wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklung, die wir durchgemacht haben, nicht unerheblich verändert. Insbesondere hat sie eine weit höhere Bedeutung gewonnen in Richtung der Konjunkturpolitik, die jetzt am Platze sein sollte. So ist diese Anfrage heute, jetzt im November 1968, unlösbar . verbunden mit der gesamten Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung, die jetzt nicht etwa vor einer Bewährungsprobe steht, wie man so schön sagt, sondern mitten in der Bewährungsprobe, wie wir Freien Demokraten immer vorausgesagt haben.Anlaß zu einer Betrachtung geben die Meldungen der letzten Tage, Meldungen und Gegenmeldungen in Zeitungen und Indiskretionen in den Zeitungen, die sich zu einem Bild ergänzen, bei dem nur eines ungewiß ist: ob die Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern größer ist als die Sucht, die sich bei den Koalitionspartnern zeigt, sich aus wahltaktischen Gründen voneinander abzusetzen. Es ist hier die Aufgabe der Freien Demokratischen Partei, als Opposition vor einer Entwicklung zu warnen, die nun vor uns liegt.Ich möchte zunächst einen Blick auf den Herbst 1966 zurückwerfen, als die CDU und die SPD sich entschlossen, einen anderen Kurs einzuschlagen, als die FDP es sich vorgestellt hatte. Auch wir hätten damals Schulden im Staat gemacht. Auch wir hätten in dieser Wirtschaftssituation Staatsaufträge erteilt. Aber wir hätten zweifelsohne weniger Steuern erhöht und dafür mehr Umstrukturierung im Bundeshaushalt vorgenommen in Richtung der Investitionen und der Entlastung von Konsumtivausgaben. - Wir hätten weniger Schulden gemacht und weniger Staatsaufträge erteilt und hätten dafür mehr mit steuerlichen Anreizen gearbeitet, schon allein deshalb, weil die steuerlichen Anreize eine breitere Streuung in der Wirtschaft finden und dadurch weit wirksamer sind.Unterdessen müssen wir uns klar sein — das wird jetzt jedem täglich klarer —, daß die Bundesregierung sich in ihren Prognosen in der Wirtschaftspolitik in fast allen Punkten getäuscht hat. Nehmen Sie nur als Beispiel für alles, daß das Bruttosozialprodukt nicht, wie einmal angenommen worden ist, um 3,5 % realiter zunehmen wird, sondern daß man jetzt in den Schätzungen bei 6,5 % liegt und daß wir wahrscheinlich mit einem realen Wachstum von 7, vielleicht sogar 8 % rechnen können — oder rechnen müssen, wie Sie wollen.Auf der anderen Seite kann man es auch so ausdrücken, daß man sagt: die Konjunkturentwicklung ist jenseits aller Voraussagen, die gemacht worden sind, in ihrer eigenen gewaltigen Dynamik im Gange. Ich möchte bemerken, daß der Orientierungswert der Prognosen, die gestellt worden sind, im Zuge dieser Entwicklung natürlich gesunken ist.Das Wichtigste ist, daß sich die Bundesregierung bisher in ihren Aussagen — in den offiziellen, nicht in den offiziösen Meldungen, von denen ich sprach — aus wahltaktischen Überlegungen nicht gewillt zeigt, Konsequenzen aus der andersgearteten Entwicklung zu ziehen. So bleibt man z. B. noch bei den sogenannten wachstumsnotwendigen Ausgabesteigerungen der öffentlichen Haushalte für 1969 von 6 %. Warum? Das können wir uns alle sagen: nicht so sehr aus wissenschaftlichen Gründen, son-
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Dr. Starke
dern weil man nur so die koalitionspolitischen und wahltaktisch bedingten Ausgaben leisten kann.
So bleibt man auch bei einer Verschuldung, die jetzt im Haushaltsentwurf sogar noch höher angesetzt ist, als das im Sommer 1968 der Fall war, als die Konjunkturentwicklung — jedenfalls für manchen — noch nicht so zu übersehen war wie heute.Der Haushalt 1969 ist als konjunkturneutral bezeichnet worden. Er läge richtig, wenn er konjunkturgerecht wäre. Das ist er natürlich, wie wir alle wissen, heute nicht mehr.
Die Schlußfolgerung, die sich daraus ergibt, liegt auf der Hand. Angesichts dieser Weigerung, die Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen, hinkt die Bundesregierung, die so sehr stolz auf ihre Prognosen war, hinter der tatsächlichen Entwicklung ständig her. Ja, man möchte sagen, sie ist durch diese Prognosen geradezu behindert, die tatsächliche Entwicklung zu erkennen oder sich mindestens zu ihr zu bekennen.Im Frühjahr wurde ein weiteres Konjunkturprogramm gefordert. Im Sommer haben wir Strukturprogramm auf Strukturprogramm neu aufgelegt. Diese Programme überschneiden sich. Sie heben sich zum Teil in ihren Wirkungen gegenseitig auf. Sie überschneiden sich auch noch mit den alten Konjunkturprogrammen aus dem Jahre 1967, die bis 1969 auslaufen. Das Neueste, was wir nun haben, ist ein neues Programm zur Koordinierung der Strukturprogramme. So gibt es jeden Tag etwa Neues, aber nichts, was auf die unterdessen jedem ersichtliche Entwicklung — wirklich in die Zukunft vorausschauend — abgestellt wäre.So hinkt die Regierung, so sagte ich, hinter der tatsächlichen Entwicklung her. Im Frühherbst noch wurde verlangt, mehr Kaufkraft in die Bevölkerung hineinzugeben, obwohl jeder weiß, daß in der Bevölkerung eine gewaltige Kaufkraft aufgespeichert ist und daß es mehr psychologisch bedingt ist, wann sie nun endgültig ins Rollen kommt;
es ist das keine materielle Frage. In diesem Punkt hat die Bundesregierung sich immer getäuscht.Nun möchte ich einen weiteren Punkt erwähnen. Wer in dieser Situation jetzt noch nach mehr Kreditfinanzierung ruft, wie es der Bundeswirtschaftsminister tut, und zwar zum Zwecke einer breit gestreuten Vermögensbildung, der hat die Zeichen der Zeit in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht erkannt.Die Presse spricht unterdessen von einem „Aufschwung ohne Maß". Unzweifelhaft sind die Auftriebskräfte viel stärker gewesen, als die Regierung sie geschätzt hat. Wenn man sich einmal die Lieferfristen ansieht, die heute schon bestehen; wenn man sich die Auftragseingänge ansieht; wenn man sich ansieht, wie der Arbeitsmarkt ausschaut; wenn man weiß, daß ein Drittel der Produktion durch Arbeitskräftemangel behindert ist, daß die Abwerbung insbesondere in den revierfernen Gebieten in vollem Gange ist; wenn man weiter sieht, daß die Wachstumsrate der Effektivlöhne seit der Mitte des Jahres 1968 höher ist als der Produktivitätszuwachs; — dann weiß man, daß wir uns in einem Preisklima befinden, das höchst gefährlich ist für die weitere Entwicklung: sozusagen eine Tendenzwende, die bei den Preisen festzustellen ist. So wird denn auch schon offen, wie es vor kurzem geschah, von amtlicher Seite mit leichter Hand von 2 % Geldentwertung im Jahre 1969 gesprochen.Schauen wir zurück. Wie war es denn 1966 im November? Damals hat die Bundesregierung, die jetzt noch amtiert, etwas übernommen, sie hat nämlich u. a. eine ausgeglichene Zahlungsbilanz übernommen, sie hat einen entlasteten Arbeitsmarkt übernommen, und sie hat eine Stabilität in der Lohn-und Preisgestaltung übernommen. Das wollen wir doch nicht vergessen! Wir müssen heute fragen: Wie hat die Bundesregierung mit diesem Pfund, das ihr da überantwortet wurde, gewuchert?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Frage wird täglich dringender. Hier geht es nicht darum, eine Konjunktur abzuwürgen, hier geht es doch lediglich darum, rechtzeitig einen nunmehr für alle ersichtlichen allzu steilen Anstieg der Konjunktur so abzuplätten, daß wir nicht allzu zeitig wieder in eine Rezession hineingeraten, daß wir vielmehr die Arbeitsplätze auf längere Sicht erhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wäre uns erwünscht gewesen — es war damals nicht durchzusetzen, weil die Bundesregierung auf einem allzu hohen Roß saß, wie das wohl immer am Anfang der Fall ist —, man hätte damals die Bevölkerung aufgeklärt — nicht in dem Sinne, daß man auf die FDP schimpfte, die angeblich an allem schuld war —, sondern daß die Maßnahmen, die die jetzige Bundesregierung durchführte, auf eine allgemeine Übersteigerung unserer volkswirtschaftlichen Möglichkeiten zurückzuführen waren. Es wäre uns lieber gewesen, wenn man gesagt hätte, daß diese Belastung breitester Schichten, die zusätzlich zu der Geldentwertung der letzten Jahre hinzutrat, eine Folge der vorhergehenden Jahre mit überproportionalen Einkommenssteigerungen, mit überproportionalen Staatsausgaben, überproportionalen Kostensteigerungen in der Wirtschaft und mit entsprechenden überproportionalen Preissteigerungen — sprich: Geldentwertung — war. Wir hätten gern gesehen, daß die Bundesregierung — ich habe die Frage damals gestellt — der Bevölkerung auch die Frage beantwortet hätte, ob die Politik der Bundesregierung nur auf die Abwälzung der entstandenen Belastungen ausgerichtet war oder tatsächlich auch darauf, solche Lasten und die damit verbundenen Gefahren sowie die begleitende Geldentwertung in Zukunft zu verhindern. Wir hätten als Freie Demokraten immer sagen müssen, daß diese zweite Frage von der Bundesregierung nicht positiv beantwortet werden konnte, denn dafür hatte sie nicht genügend getan.
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10462 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. Starke
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir möchten ausdrücklich betonen, daß wir 1967 — und das ist auch heute noch so — mit dem Bundesfinanzminister nicht immer übereingestimmt haben. Das haben wir auch zum Ausdruck gebracht. Wir möchten aber ausdrücklich erklären, daß wir mit ihm zusammen bedauern, daß er viele gute Absichten, die er gehabt und auch erklärt hat — sowohl im Jahre 1967 wie auch gerade wieder in diesen Tagen — und die wir für richtig halten, in dieser Regierung und in dieser Koalition nicht hat durchsetzen können.
Wo ist nun der Stolz der wissenschaftlich aufgeklärten Wirtschaftspolitik? Wenn man sich einmal die letzten Tage ansieht und dann in unserer Situation, die ich hier umrissen habe, feststellen muß, daß öffentlich darüber gestritten wird — nachdem wir gerade ein so vollkommenes Konjunkturgesetz geschaffen haben —, ob eine Konjunkturausgleichsrücklage geschaffen werden soll, muß man sagen: da liegen die praktischen Schwierigkeiten, die wir Freien Demokraten immer im Auge gehabt haben. Es kommt nicht nur auf die Vollkommenheit der Gesetze an. Wir wollen das doch für die Zukunft feststellen.Wo bleibt nun die stolz-bewußte Wirtschaftspolitik, wenn man die Vorgänge um den Zinsfuß betrachtet? Wir alle wissen, daß der Zinsfuß von 6 % eine wünschenswerte Sache ist, schon wegen des im Augenblick so bedeutsamen Kapitalexports. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn eine Bundesregierung eine Politik betreibt, die in vielen Punkten wegen der mangelnden Berücksichtigung der neuen Ereignisse nicht einem Zinstrend zu 6 % entspricht, wenn sich Zinssteigerungstendenzen hebemerkbar zu machen beginnen und eine Bundesregierung dann nichts anderes zu tun weiß, als mit der Aufwertung zu drohen, wie das jetzt passiert ist, dann müssen wir sagen, daß das eine schlechte Politik ist, die den augenblicklichen Belangen nicht dient und nicht dienen kann.
Wir müssen uns darüber klar sein — das ist ein Problem, das uns in den kommenden Wochen und Monaten immer mehr beschäftigen wird, daß die gewaltigen Ansprüche der öffentlichen Hand an den Kapitalmarkt und den damit unlösbar verbundenen Geldmarkt wie eine drohende Wolke über dem Geld- und Kapitalmarkt hängen und daß das auf den Zins mit Einfluß hat. Ich muß ein zweites sagen. Ich habe mich schon einmal dazu geäußert. Der Bundessparbrief mit einer Ausstattung, die befürchten läßt, daß ein großer Umtausch von Obligationen im Besitz von Staatsbürgern in den günstigeren Bundessparbrief stattfindet, schafft kein zusätzliches Kapital, aber er drückt den Zinstrend nach oben, und er leitet Geld in die Kasse des Bundes mit Mitteln, die wir nicht für richtig und im Augenblick auch gar nicht für konjunkturgerecht halten; auch das müssen wir hier feststellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wie mit den Steuererhöhungen. Auch diese Steuererhöhungen wurden so weitgehend allein in die Kasse des Bundes geleitet, daß alle anderen Belange, insbesondere die der Gemeinden, zu kurz kamen und wir heute vor einer Schwierigkeit in der Gemeindefinanzreform stehen, die Sie alle kennen und die ich im einzelnen nicht zu erwähnen brauche.Wenn man an diese stolze Wirtschaftspolitik denkt, dann müssen wir uns auch einmal vor Augen halten, daß in den letzten Wochen wiederholt gegen Kapitalexport gesprochen wurde und daß dann wieder für den Kapitalexport gesprochen wurde. Als Neuestes haben wir zu verzeichnen, daß jetzt von einer Variierung der Umsatzausgleichssteuersätze gesprochen wird — das war der Herr Bundeswirtschaftsminister — ohne Rücksicht darauf, daß wir unterdessen die Mehrwertsteuer mit einem Nachholeffekt haben, und ohne zu sagen, ob damit etwa auch das gemeint ist, was man früher Exportrückvergütung nannte. Das gehörte zu einer solchen Aussage, wenn man wirklich etwas damit anfangen können soll.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erinnere hier nur daran, daß wir mit — nun muß man es wirklich einmal sagen — pseudowissenschaftlichen Argumenten gesagt bekommen haben, daß die sogenannte Lohnfortzahlung konjunkturpolitisch jetzt das Richtige sei, sozusagen, wie es bezeichnet wurde, nach Maß geschneidert für diese Situation. Die Lohnfortzahlung, die wir erstens haben und die zweitens, wie Sie alle wissen, dem Arbeitnehmer materiell nichts bringt — —
— Das kommt sehr wohl. Das ist der Rahmen, in dem das steht, Herr Schmidt.Hier fragen wir uns: Wo beginnt die Wahltaktik, und wo hört die aufgeklärte Wissenschaft auf?Es ist wahrscheinlich, daß, wenn sich die Kostenbelastungen aller Art über Steuern, Sozialversicherungsbeiträge usw. in der Wirtschaft ausgewirkt haben, bei den dann zu erwartenden Preissteigerungen auch die Drohung der Aufwertung ausgesprochen wird. Drohungen statt guter und richtiger Politik sind nun das Motto dieser Wirtschaftspolitik. Was gut war, ist ein Erfolg der Bundesregierung, was schlecht war, ist Schuld der Wirtschaft. Das hören wir gar nicht gern.
Ich glaube, daß man auch die außenwirtschaftliche Situation nicht als Entschuldigung für ein Nichtstun heranziehen kann. Wir müssen es uns schwerer machen, wir müssen in dieser Situation viele Wege beschreiten, Herr Kollege Schmidt, u. a. eben den der Steuerpolitik. Der Haushalt, der nicht konjunkturgerecht ist, vergrößert unsere Schwierigkeiten, ebenso, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Rufen nach mehr Kreditfinanzierung der öffentlichen Ausgaben im jetzigen Augenblick. Wir müs-
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Dr. Starke
sen uns auch klar sein, daß die Notenbank nicht untätig bleiben darf, daß auch in unserer Situation — das wäre ein Sonderkapitel — die Kreditpolitik nicht ganz aufzuhören braucht zu arbeiten.Wir sollten uns die Einstellung der Bundesregierung zur Staatsverschuldung einmal generell vor Augen führen. Wir können sie so, wie sie ausgesprochen wird, nicht billigen. Auch wenn 1967, wie ich bereits sagte, Schulden in einem gewissen Umfang richtig waren, so ist jetzt an die Rückzahlung von Schulden zu denken. Die außenwirtschaftliche Situation — das ist ein wichtiger Punkt — verschleiert heute schon, daß die unkonsolidierten Bundesschulden einer schlagkräftigen Konjunkturpolitik entgegenstehen.Andere Staaten sind uns in dieser Staatsverschuldung vorausgegangen, ohne dabei glücklicher zu werden. Sie alle haben dabei ihr Geld entwertet, und sie sind allesamt in einer wirksamen Konjunkturpolitik behindert. Vergessen wir nicht, in der Finanzpolitik ist — anders als sonst — der Anfang leicht und stets das Ende schwierig.Selbstverständlich dürfen in dieser Situation auch die psychologischen Gesetze nicht ganz außer acht gelassen werden. Ich sprach von den Drohungen. Ich spreche auch von den halben Dementis. Ich habe einmal nach deutlicheren Dementis gerufen, als wieder eine Spekulationskrise war. Dazu gehört auch der so streng und so stetig angestrebte Wechsel der Pferde in der Bundesbank. Man sollte sich überlegen, ob man Herrn Blessing einmal fragen sollte — sein Vertrag läuft noch ein Jahr weiter —, ob er noch bleiben will. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, in einer solchen Situation bewährte Kräfte auszuwechseln.Insgesamt müssen wir nach einem solchen Überblick feststellen, daß die Bundesregierung infolge tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionspartnern es mehr und mehr an der Geschlossenheit, an der Überzeugungskraft und der Durchschlagskraft fehlen läßt, die notwendig wären, um Vertrauen zu erzeugen, einen klaren Kurs zu steuern und Aufwertungsgerüchte im Keim zu ersticken.Fest steht jedenfalls, daß eine Aufwertung nach unserer Auffassung auch heute falsch wäre. Es wäre ein Kurieren an den Symptomen. Es wäre keine Hilfe, wie wir wissen, für die Zahlungsbilanzen anderer Länder und kein Ersatz für innere Disziplin bei uns. Es wäre, wie wir seit 1961 wissen, kaum ein positives Element zu finden. Wohl aber würden wir ausscheren aus der Front derjenigen, die gegen den Trend der Währungsentwertung in der Welt ankämpfen. Bald würden wir vor dem gleichen Problem wieder stehen. Bei zuwenig würde die Spekulation weitergehen, bei zuviel oder gar bei einem Verfehlen des Ziels würden wir wirtschaftliche Schwächen erleiden.Ich möchte Ihnen an einem Beispiel, das mir vorliegt und das errechnet worden ist, sagen, daß ein Betrieb, der lohnintensiv ist — es ist ein relativ großer Betrieb —, die Lohnfortzahlung, wie sie vorgeschlagen worden ist, mit 7 % der Lohnsumme berechnet, mit einem Tarifverhandlungsergebnis
— ich will den Satz gerne fertig sagen — von 8 % Lohnerhöhung rechnet. Und dann stellen Sie sich vor, wir kämen noch zu einem Aufwertungssatz von 5 oder 6 %, dann ständen wir vor einer Belastung von 20 %.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege, von Herrn Dr. Schmidt?
— Bitte!
Nein, ich wollte zur Geschäftsordnung den Herrn Präsidenten fragen, ob er der Auffassung ist, daß — —
Nein, verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, Sie können den Präsidenten nicht fragen.
Dann bitte ich, den Redner zur Großen Anfrage dazu anzuhalten, daß er sich zur Sache äußert.
Herr Abgeordneter, Sie können den Redner auch nicht bitten, Sie können ihn etwas fragen. Wenn sie das in Frageform tun wollen, bitte sehr.
Ich habe das beim erstenmal in Frageform getan, es ist aber offenbar nicht verstanden worden.
Ja, das war ein Zwischenruf beim erstenmal, und die Zwischenrufe zu verstehen ist natürlich die souveräne Freiheit des
Redners.
Das, was ich hier anfügen wollte — um dann dem Herrn Kollegen Schmidt in meinem Konzept durchaus zu entsprechen —, ist, daß wir in unserer außenpolitischen Situation, die schwierig genug ist, einen solchen Weg nicht gehen dürften.Inmitten all dieser Probleme steht nun die Steuerpolitik. Wir haben es uns aufgeteilt; mein Kollege Dr. Staratzke wird zu einer Reihe von Fragen der Steuerpolitik im Anschluß daran sprechen.Auch in der Steuerpolitik hat die Bundesregierung außer der Durchführung der seit langem vorliegenden Umsatzsteuerreform und außer der Einbringung der seit langem vorbereiteten Haushaltsrechtsreform nur die Ergänzungsabgabe eingeführt — offensichtlich auf Dauer, leider — und Steuern aller Art erhöht, in Höhe vieler Milliarden. Immer, sei es jetzt bei der neuen Beförderungsteuer, sei es bei anderen Fragen, ohne Rücksicht auf die zukünftige
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10464 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. Starke
EWG-Entwicklung, die wir nicht mehr aus dem Auge lassen sollten. Auch jetzt sind wieder nicht nur die Einführung der Beförderungsteuer und die Anhebung der Grundsteuer im Gespräch, sondern es wird auch von weiteren Steuererhöhungen im Zusammenhang mit Verteidigungsanstrengungen gesprochen. Der Damm, der einmal aufgerichtet war, ist eben gebrochen.Eines möchte ich aber zusammenfassend sagen: Weder für jetzt noch für die Zukunft haben sich die Bundesregierung als Ganzes und die Koalition auf eine konstruktive Konzeption für die Steuerpolitik einigen können. Das wird bei der Betrachtung der Antwort auf die Große Anfrage ganz besonders klar, weil darin zwar sehr viele idealtheoretische Überlegungen angestellt werden, nicht aber gesagt wird, was praktisch von dieser Bundesregierung ins Auge gefaßt wird und durchgeführt werden soll.So ist es denn auch zu verstehen, daß die vorgesehene Steuerrechtsreform-Kommission, um die seit ein paar Monaten gerungen wird, keinen präzisen Auftrag hat und auch keine klare Zielsetzung für sie vorliegt. Es ist wohl eher so, daß man unangenehme Fragen auf dem Gebiet des Steuerrechts wegen der Uneinigkeit, die in der Koalition besteht, umgehen oder ihnen entgehen möchte, indem man auf diese Kommission verweist. Ich habe heute morgen eine Antwort auf meine Kleine Anfrage erhalten, welcher präzise Auftrag und welche Zielsetzung für diese Steuerrechtsreform-Kommission vorliegen. Ich habe sie nur ganz schnell lesen können. Aber auch darinist, wie ich erwartet hatte, nichts an präzisen Leitlinien enthalten, wie man es bei der Einsetzung einer solchen Kommission verlangen müßte.Ich möchte Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang sagen, daß wir eines nicht aus den Augen lassen dürfen. Ich entnehme das dem Sozialbericht der Bundesregierung für 1968, wo auf Seite 12 die Einkommen aus unselbständiger Arbeit in der Bundesrepublik von 1960 bis 1967 dargestellt sind und wo man ersehen kann, daß das Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit im Jahre 1967 nicht nur im Prozentsatz gegenüber dem Bruttoeinkommen, sondern auch im absoluten Betrag abgesunken ist. Damit haben Sie eine Situation vor Augen, vor deren Weiterentwicklung wir warnen möchten. Wenn wir eine Steuerpolitik betreiben, mit der nun hinsichtlich der materiellen Situation der Arbeitnehmer ein zwanzigjähriger Anstieg abgebrochen wird, und wenn wir durch eine übermäßige Beanspruchung seitens des Staates, der öffentlichen Hand und der Sozialversicherung zu einem Ergebnis kommen, bei dem wir einen umgekehrten Weg beschreiten, wird das, was aus der Wirtschaft über Lohnerhöhungen laufend ergänzt werden müßte, zuviel und zu gefährlich, ganz abgesehen davon, daß Sie doch alle wissen, wie schwer ein solcher laufender Ausgleich ist, weil nämlich die Lohnerhöhungen ihrerseits wiederum erstens der Lohnsteuer, und zwar progressiv, unterliegen und weil sich zweitens ein nicht unerheblicher Teil dieser Lohnerhöhungen wieder in Kosten niederschlägt, die über die Preise dann den verbleibenden Nettolohn wieder verkürzen.Über alle diese Fragen an Hand der jetzt nach zwei Jahren einer neuen Bundesregierung vorliegenden Zahlen nachzudenken erscheint uns nützlicher als das Rufen nach einer Vermögensbildung in breiten Schichten der Bevölkerung durch immer weitergehende Staatsverschuldung, ein Weg, für den wir kein Ziel sehen, den wir aber als äußerst gefährlich ansehen müssen.Man sollte dabei auch — wenn ich das erwähnen darf — die Mittelgruppen nicht vergessen, die in den letzten zwei Jahren ebenfalls besonders belastet worden sind. Ich habe das im Mai einmal so ausgedrückt, wenn ich diesen Passus hier kurz verlesen darf:Erst belastet man die gesamte Bevölkerung durch Erhöhung der Verbrauchsteuern, und um das vergessen zu machen, erfindet man Steuererhöhungen für Minderheiten wie die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und dann praktisch für den gleichen Personenkreis die Verschärfung der Ehegattenbesteuerung, die auch, wie uns mitgeteilt wird, einer Überprüfung zugeführt werden soll.
Vergessen Sie bitte nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß damit nicht die sogenannten Reichen betroffen werden, wie man es etwa ausdrücken könnte, sondern man trifft vor allem diejenigen, die sich, gleichgültig, ob als Selbständige oder als Lohn- und Gehaltsempfänger, durch eigene Tüchtigkeit und Leistung emporgearbeitet haben und die ohnehin schon durch die volle Wucht der Progression in der Einkommen- und Lohnsteuer betroffen werden, die keine Ermäßigungen oder Vergünstigungen für sich oder für die Ausbildung ihrer Kinder erhalten und die sich obendrein ihre Altersversorgung außerhalb oder neben der Sozialversicherung aufbauen müssen. Nur für diese Gruppe — das ist wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren — hat die Bundesregierung die Steuerermäßigung vom Januar 1965 durch die Ergänzungsabgabe rückgängig gemacht.Lassen Sie mich ein letztes Wort sagen und die Finanzreform ansprechen. Auch bei der Finanzreform hat sich gezeigt, daß infolge der Uneinigkeit in der Koalition die Bundesregierung praktisch handlungsunfähig ist.
Das betrifft vor allem die Gewerbesteuer, die allein in der Bundesrepublik besteht, die den Wettbewerb in der EWG deshalb besonders verzerrt und deren Abschaffung doch ein Kernstück der Finanzreform hätte sein sollen. Von ihr hört man jetzt gar nichts mehr, abgesehen einmal von dieser Art Finanzausgleich, der dadurch vorgenommen werden soll, daß die Gewerbesteuer in Form einer Umlage zum Teil an Bund und Länder und dafür ein Teil Einkommensteuer an die Gemeinden geht. Aber die endgültigen Entscheidungen sind — und das ist typisch für diese Koalition — vertagt, weil man sich nicht einigen kann.Im Gegensatz zur Regierungskoalition fordert hier die FDP —
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Bitte sehr! Vizepräsident Scheel: Bitte, Herr Dr. Schmidt!
Herr Kollege Starke, haben Sie schon einmal davon gehört, daß zu einer Verfassungsreform nicht nur eine Zweidrittelmehrheit dieses Hauses, sondern auch eine Zweidrittelmehrheit des Bundesrates erforderlich ist und daß man infolgedessen die Kräfte, die hier widerstrebende Auffassungen haben, zu einem vernünftigen Kompromiß zusammenführen muß?
Herr Kollege Schmidt, ich bin mir dessen vollkommen bewußt. Ich sage dazu zwei Sätze. Erstens: Sie wissen, daß diese Koalition damit begründet worden ist, daß man diese großen Reformen nicht nur in Angriff nehmen, sondern vernünftig durchführen wollte.
Zweiter Satz, Herr Kollege Schmidt: Vergessen Sie bitte auch nicht, daß die Schwierigkeiten, die Sie eben ansprachen und die eine Lösung verhindern, keineswegs Schwierigkeiten im Bundesrat sind, sondern daß die Lösung hier eindeutig dadurch verhindert wird, daß Ihr Koalitionspartner plötzlich erklärt hat, in der Frage der Gewerbesteuer nicht mehr mitzumachen, und zwar nicht nur im Bundesrat, sondern hier in diesem Hause. Ich glaube, das sollten Sie nicht vergessen. Ich habe mir das sehr wohl überlegt, denn ich stimme Ihnen ja sonst zu, daß man im Bundesrat dann über den Vermittlungsausschuß zu einer Lösung kommen muß.
Die Freien Demokraten fordern also im Gegensatz zur Regierungskoalition erstens eine massive, notfalls schrittweise Senkung der Gewerbesteuer, vor allem Zug um Zug mit den bei der Umsatzsteuerharmonisierung in der EWG zu erwartenden Umsatzsteuererhöhungen, weil nur auf diese Weise neue Steuerbelastungen vermieden werden könnten.
Zweitens fordern die Freien Demokraten eine aktuelle Erhöhung der Finanzmasse der Gemeinden, was ein erklärtes Ziel der Finanzreform war, nachdem, wie ich das bereits erwähnte, bei den bisherigen Steuererhöhungen des Bundes das Geld zwar in die Kasse des Bundes geleitet worden ist, man aber für die Gemeinden dabei nichts erübrigt hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man nun diese allgemeine Betrachtung abschließt, kommt man zu dem Ergebnis, daß die Äußerung des Bundeskanzlers in Berlin über die Fortsetzung dieser Koalition für das Gebiet der Wirtschafts- und Finanzpolitik und vor allen Dingen der Steuerpolitik natürlich ein besonderes Gewicht erhält; denn wenn man eindeutig feststellen kann, daß diese Koalition zwar vertagt und verschiebt oder vielleicht Behelfslösungen anstrebt, aber in Wirklichkeit eine Einigung auf bestimmte wichtige Punkte nicht erzielen kann, fragt sich natürlich jeder — und ich mache mich hier zum Sprecher einer solchen Auffassung —, wie es dann bei einer Fortsetzung der Koalition auf diesem Gebiete aussehen sollte.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, jetzt ein Versäumnis zu Punkt 2 der Tagesordnung nachzuholen, nämlich die Feststellung, daß der Antrag der Fraktion der SPD auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses einstimmig gebilligt worden ist. — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist damit beschlossen.
Als nächster Redner zu Punkt 3 hat das Wort Frau Abgeordnete Kurlbaum-Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Aus der bisherigen Erfahrung heraus haben wir gemeinsam bei Großen Anfragen ein neues Verfahren eingeführt, um langatmige Begründungen und Beantwortungen zu vermeiden. Sicher aber hat niemand gewollt, daß jetzt vom Antragsteller die Gelegenheit benutzt wird, von der eigentlichen Anfrage abzulenken und zu einem gerade liebgewonnenen Thema zu kommen.
Man hat nämlich bei der Begründung und bei den Ausführungen von Herrn Dr. Starke das Gefühl gehabt, daß er von der eigentlichen Großen Anfrage ablenken wollte; denn er hat mehr wirtschaftspolitische Ausführungen gemacht.
Lassen Sie mich nur zu zwei Punkten etwas sagen. Nach den Bemerkungen von Herrn Dr. Starke hätten Sie, wenn Sie 1966 die Möglichkeit gehabt hätten, weiter zu regieren — ich will mich über die Möglichkeiten, die Sie vorher hatten, gar nicht auslassen; Sie hatten ja die Finanzminister gestellt —, weniger Steuern erhöht und auch weniger Schulden gemacht.
— Na schön, aber dann hätten Sie mehr Ausgabensenkungen vorgenommen, und das hätte doch praktisch zu einer Verschärfung der Krise geführt.
Diese Situation dürfen Sie doch nicht übersehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Genscher? — Bitte!
Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, daß der Bundeswirtschaftsminister erklärt hat, die Steuererhöhungen dieser Regierung, gegen die er gewesen sei, hätten die deutsche Wirtschaft in den Export gedrängt, und daraus resultierten auch die Probleme, vor denen wir heute stünden?
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10466 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Ich glaube, Herr Genscher, auch der Wirtschaftsminister weiß — er hat ja hier auch mitgestimmt —, daß wir in der damaligen Situation gar keine andere Möglichkeit hatten. Nun werden Maßnahmen erfolgen, die dann auch das, was Sie jetzt hier als Kriterium herausstellen, wieder einengen werden.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Frau Kollegin?
Bitte schön!
Frau Kollegin, würden Sie mir darin zustimmen, daß der jetzige Wirtschaftsminister seinerzeit als Sprecher der Opposition noch Steuersenkungen gefordert bzw. gesagt hat, in der damaligen konjunkturellen Situation seien Steuererhöhungen auf jeden Fall nicht passend?
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wir haben 1965 unsere Anträge auf Steuersenkungen restlos zurückgezogen — das können Sie im Protokoll nachlesen —, und zwar mit der Begründung — wir haben das hier wiederholt zum Ausdruck gebracht —, daß zum damaligen Zeitpunkt Steuersenkungen die Finanzkrise noch verschärft hätten.
Das waren Anträge von über 2 Milliarden DM. Damals hat die FDP im Finanzausschuß und haben Sie als Fraktion immer noch zusätzliche Anträge gestellt. Ich denke nur an das Jahr 1965. Die großen Wahlgeschenke haben uns ja in diese Misere gebracht. — Meine Damen und Herren, ich lehne jetzt alle weiteren Fragen ab und möchte zu meiner Begründung kommen.
— Nein, nein, so geht es ja nicht. Ich habe Sie angehört und habe Sie reden lassen. Dasselbe Recht müssen Sie auch mir jetzt zugestehen.Sie haben es auch heute, Herr Dr. Starke, geflissentlich vermieden zu sagen, welche Ausgaben Sie gesenkt hätten.Sie möchten gerne wissen, wie groß die Uneinigkeit zwischen den Koalitionspartnern ist.
Ich möchte hier erklären: wenn zuviel Einigkeit imKabinett wäre, würde das der Demokratie schaden.
— Natürlich, meine Damen und Herren.
Aber es besteht doch ein ganz wesentlicher Unterschied. Im Kabinett wird hart gerungen, und dann kommt es zu einem echten Kompromiß. Aber wir tragen nicht den Streit in die Öffentlichkeit, den Sie in der Zeit Erhard—Mende immer wieder in der Öffentlichkeit geführt haben, was dann ein solchesMißtrauen gegenüber der Demokratie hervorgerufen hat.
— Sie wissen es heute sehr genau.
— Gott sei Dank! Das sehen Sie ja selbst.Lassen Sie mich nun zu Ihrer eigentlichen Anfrage kommen; denn dazu sind wir ja heute hier. Es wäre sicherlich nicht ohne politischen Reiz, die Anfrage vom 25. Oktober 1967, die inzwischen von der Fraktion der FDP zurückgezogen wurde, und die jetzt vorliegende Anfrage, deren Begründung wir am 12. September erhielten, einmal miteinander zu vergleichen. Wir standen schon einmal kurz vor der Beantwortung der ersten Anfrage. Die Rededispositionen, Herr Genscher, waren schon fertig; das können Ihnen alle hier bestätigen. Sie haben die Anfrage zurückgezogen; sicher aus guten Gründen. Ich kann Ihnen aus der damaligen Arbeit, als wir die Dispositionen miteinander besprachen, nur sagen: Jeder kam zu der Überzeugung, daß bei dieser Anfrage anscheinend jede Gruppe von Ihnen versucht hatte, noch einen Wunsch unterzubringen, und dies nicht immer mit der genügenden Kenntnis der Gesamtzusammenhänge.
Jedenfalls ließ manche Frage — hier darf ich das einmal offen aussprechen — den Sachverstand meiner und Ihrer verehrten Kollegin Frau Funcke vermissen.Trotz dieser Feststellung möchte ich zwei kurze Bemerkungen zum Inhalt machen. In der alten Anfrage vom 25. Oktober 1967 heißt es z. B., die Öffentlichkeit sei besorgt, ob die Bundesregierung weitere Anregungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium aufgreifen werde. Von einer solchen angeblichen Besorgnis ist in der neuen Anfrage wohlweislich nicht mehr die Rede. Die FDP scheint nunmehr eingesehen zu haben, daß gewisse Teile der Wirtschaftspresse nicht mit der öffentlichen Meinung gleichgesetzt werden können. Ich möchte an Sie, meine Damen und Herren der FDP, die Frage stellen: Von wo sind Ihnen eigentliche diese Einsprüche zugegangen? Waren es die Verbraucherverbände, Herr Kollege Mertes? Waren es die Steuerzahler allgemein, Herr Kollege Genscher?
Waren es etwa die Gewerkschaften? Darauf sollten Sie einmal eine Antwort geben, wenn Sie von einer Besorgnis der „gesamten Öffentlichkeit" sprechen. In der Tat ist es doch so, daß in Anbetracht der vielen Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten des heutigen Steuerrechts eher von der Besorgnis gesprochen werden muß, daß das Steuergutachten eines unabhängigen Gremiums unbeachtet bleibt.Das bedeutet nicht, meine Damen und Herren, daß die SPD sämtliche Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats vorbehaltlos akzeptiert. Ich werde bei
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Frau Kurlbaum-Beyerder Behandlung der Frage 3 zu diesem Gutachten noch Stellung nehmen.Bei einem Vergleich der beiden Anfragen fällt ferner auf, daß der Fragenkatalog der neu eingebrachten Anfrage wesentlich kürzer und mehr gestrafft ist. So fehlt z. B. die Frage, ob die Bundesregierung dem Vorschlag zustimme, die Freibeträge der Landwirte und freien Berufe zu streichen und die der Arbeitnehmer zu verdreifachen. Offensichtlich möchten Sie, meine Damen und Herren der FDP-Fraktion, nicht mehr daran erinnert werden, daß Sie die Streichung dieser Freibeträge, also auch des Arbeitnehmerfreibetrages, seinerzeit, nämlich im Jahre 1966, beschlossen haben. Es ist in Ihrem FDK-Tagesdienst vom 10. November ja noch nachzulesen.Im übrigen sollte auch nicht vergessen werden, daß die Beseitigung der steuerlichen Freibeträge eine Erhöhung der Steuerbelastungsquote bewirkt.Damit komme ich zur Frage 1 Ihrer Großen Anfrage.Wie aus der Begründung der Großen Anfrage hervorgeht, befürchtet die FDP eine beträchtliche Aufwärtstendenz der Steuerbelastungsquote.
— Hören Sie mal gut zu, dann werden Sie eines Besseren belehrt. — Diese Quote betrug 1964 24 v. H. Sie wird im Jahre 1969 ebenfalls 24 v. H. betragen und nach einem ganz geringfügigen Anstieg in den beiden folgenden Jahren im Jahre 1972 wieder auf 24 v. H. sinken. Von einem Ansteigen der Belastung kann also wohl nicht die Rede sein.- Der Finanzplanung bis 1972 ist zu entnehmen, daß die Steuereinnahmen des Bundes nach geltendem Recht 1971 im Verhältnis zum Sozialprodukt sogar nur noch unterdurchschnittlich ansteigen. Der Finanzminister sagt in seiner Antwort, daß er eine Erhöhung nicht für erforderlich hält. Ein Umbau in der Belastung, wenn er zu keiner wesentlichen Veränderung des Steuervolumens führt, ist allerdings auch von seiner Seite nicht ausgeschlossen worden.Erlauben Sie mir aber noch einige allgemeine Bemerkungen zu diesem Thema.Es ist so oft davon die Rede, daß die Bundesrepublik das Land mit der höchsten Steuerlast sei.
Ein internationaler Vergleich, der uns in den letzten Wochen zugegangen ist, belehrt uns auch hier eines Besseren. Es ist wohl unbestritten, daß es bei einem internationalen Belastungsvergleich nicht nur zweckmäßig, sondern sogar richtiger ist — das zeigt auch diese Statistik —, die Sozialversicherungsbeiträge in die Betrachtung einzubeziehen.Nach einem von der OECD aufgestellten Vergleich von 13 Staaten — er trägt das Datum 18. Oktober 1968 — steht die Bundesrepublik hinsichtlich der Steuerquote an sechster Stelle und hinsichtlich der Steuer- und Sozialquote an achter Stelle. Lassen Sie mich aber ein paar Zahlen nennen: Für die Bundesrepublik ergibt sich auch nach einer Untersuchung, die das Bundesfinanzministerium angestellt hat, eine Belastungsquote von 34,1 %, für Frankreich eine Belastungsquote von 38,4 %, für Holland eine Belastungsquote von 35,7 %. Wir kommen danach immerhin auch in Europa erst an dritter Stelle. Interessant ist sicher auch die Belastung außerhalb des EWG-Bereichs. Österreich z. B. hat eine Belastungsquote von 35,6 %, Norwegen von 35,8 % und Schweden von 39,2 %. Wenn wir die jüngsten Steuererhöhungen in Frankreich mitberücksichtigen, wird der Abstand in den Belastungsquoten zwischen Frankreich und Deutschland sicher noch vergrößert.
Frau Kollegin Funcke, daß die Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer keine Zwischenfragen zulassen will, gilt wohl für ihre ganze Rede.
Die Bundesregierung weist mit Recht auf die nur bedingte Aussagefähigkeit eines internationalen Vergleichs der Steuerlastquoten hin. Ich möchte hinzufügen: Wir leben in keinem Nachtwächterstaat, in dem die Steuergelder nur für Verwaltung und Polizei ausgegeben werden. Durch die von der Großen Koalition eingeleitete neue Wirtschafts- und Finanzpolitik wurden insbesondere die Infrastrukturmaßnahmen wesentlich erhöht. Solche Infrastrukturmaßnahmen beeinflussen aber die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ebenso wie die Steuerbelastung, und zwar im positiven Sinne.Lassen Sie mich an einem Beispiel verdeutlichen, wie. fragwürdig das Argumentieren mit der Steuerbelastungsquote sein kann. Angenommen, der Bundestag würde beschließen, das Ehegattensplitting zu limitieren und die Kinderfreibeträge im Einkommensteuerrecht abzuschaffen oder zu verändern. Dadurch würde die Steuerbelastungsquote statistisch betrachtet ansteigen. Wenn man nun aber gleichzeitig beschließt, die steuerlichen Mehreinnahmen zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs zu verwenden, so werden auch Sie, meine Damen und Herren der FDP, mir zustimmen, daß dann die Nettobelastung des Steuerzahlers die gleiche bleibt. Über die Möglichkeiten des Familienlastenausgleichs werden wir noch zu sprechen haben. Heute nur so viel: Man könnte z. B. daran denken, eine Erhöhung des Kindergeldes vorzunehmen. Man könnte aber auch an ein System denken, wie wir es im Stabilitätsgesetz oder im Kohleanpassungsgesetz angewandt haben, nämlich an eine Beseitigung der jetzigen Freibeträge, um dafür die Abzugsmöglichkeit von der Steuerschuld einzuführen. Natürlich müßte es auch zu einer Negativsteuer, d. h. zu einer Auszahlung dort kommen, wo die Steuerfreibeträge nicht zur Wirkung kommen. Solche Änderungen würden jedenfalls nach unserer Meinung zu einem gerechteren System führen. Man hätte gleiche Vergünstigungen für alle Kinder. Ich möchte hier erklären, daß die veraltete Auffassung, daß die Bezieher höherer Einkommen auch größere Steuervergünstigungen für ihre Kinder benötigten, weil sie unter
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Frau Kurlbaum-BeyerUmständen mehr für die Ausbildung ihrer Kinder ausgeben als die Bezieher kleiner Einkommen, heute nicht mehr aufrechterhalten werden kann.
Wir Sozialdemokraten haben uns immer zu dem Grundsatz bekannt, daß jedes Kind eine seiner Eignung und Leistung entsprechende Schul- und Gesamtausbildung erhalten soll, und wenn der Staat Zuschüsse, in welcher Form auch immer, zahlt
— ja, das gehört zum Thema, ich mache nur eine kurze Bemerkung —, sollte er sie vor allem dorthin geben, wo der einzelne bzw. die Familie nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft diese Gesamtbelastung zu tragen.In diesem Zusammenhang möchte ich die Feststellung der Bundesregierung, daß ein Umbau der Steuerbelastung, wenn er zu keiner wesentlichen Veränderung des Steueraufkommens führt, nicht ausgeschlossen wird, noch einmal voll unterstreichen. Einen Umbau in der Steuerbelastung, durch den die Steuerlast sozial gerechter verteilt wird, halten wir Sozialdemokraten nach wie vor unbedingt erforderlich.
Aus der Frage 1 der FDP ist zu entnehmen, daß sie die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben bei konstanter Steuerbelastungsquote ohne weitere Verschuldung für möglich hält. Leider haben Sie uns bisher und auch heute nicht erklärt, auf welche öffentlichen Ausgaben Sie verzichten wollen, um die öffentlichen Haushalte ohne weitere Kreditaufnahme auszugleichen.Dabei haben Sie selbst, meine Damen und Herren der FDP, gerade in der jüngsten Zeit eine Anzahl Anträge eingebracht, die eine Mehrbelastung des Haushalts von über 3 Milliarden DM notwendig machen. Ich kann Ihnen hier im einzelnen Ihre Anträge aufführen. Ich will nicht zum Inhalt der Anträge sprechen; ich will auch keine sachliche Wertung vornehmen. Nur, meine Damen und Herren, wenn man in der Opposition ist und oft Regierungsverantwortung getragen hat, ja von 1961 bis 1966 die Finanzminister stellte und wußte, wohin das Ganze führte, dann kann man es sich doch nicht so leicht machen, Anträge über 3 Milliarden DM zu stellen und nicht zu sagen, wovon sie finanziert werden sollen.
— Ja, ich will dies gern spezifizieren.
— Nein, es sind nur Anträge der FDP, und zwar der Änderungsantrag zur Mehrwertsteuer — ermäßigter Steuersatz für Wein und Most —, Kostenpunkt 125 Millionen DM, landwirtschaftliches Investitionsgesetz, Mehrkosten 275 Millionen DM
das geben Sie selbst an; es sind Anträge, die nicht zurückgezogen sind —, Änderung des Mehrwertsteuergesetzes — Steuervergünstigungen für bestimmte Umsätze —, Mindereinnahmen nur für 1969 750 bis 800 Millionen DM, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen, Mehrausgaben 950 Millionen DM, Ausbildungsförderungsgesetz, Mehrausgaben rund 1,1 Milliarden DM.
— Meine Damen und Herren, ich sage ja: ich will keine Wertung Ihrer Anträge vornehmen; es ist Ihr gutes Recht, sie zu stellen. Aber Sie haben dann auch die Verpflichtung, zu sagen, wie Sie sie finanzieren wollen.
Nur darum geht es mir; ich will keine Wertung vornehmen.
— Ein Ausbildungsgesetz haben wir auch. Meine Damen und Herren, darüber — das lesen Sie gerade heute morgen in dér Zeitung — wird es noch Diskussionen geben, in welcher Form und so weiter. Wir haben zu unserem Antrag genau gesagt: im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung. Sehen Sie, so verantwortungsbewußt sind wir in jeder Situation. Das haben wir auch zur Zeit der Opposition genauso gehalten.
Herr Kollege Genscher, Frau Kollegin Kurlbaum hat schon erklärt, daß sie keine Fragen zulassen kann. Ich glaube, das gilt für ihre ganze Rede.
Herr Kollege Genscher, ich will Ihnen weiter zugeben: Sie haben natürlich auch einen Einsparungsantrag gebracht, und zwar erstmals im Haushalt 1968. Das war sicher Ihre Frage. Da haben Sie Kürzungsvorschläge in Höhe von 693 Millionen DM für den Haushalt 1968 gebracht. Das Schwergewicht Ihrer Kürzungen lag bei der militärischen Verteidigung. Nun, meine Damen und Herren der FDP, ich frage Sie in Anbetracht der heutigen außenpolitischen Situation: was sollen wir denn jetzt damit machen? Ich führe das alles nur an, um einmal deutlich zu machen, wie leicht Sie es sich als Opposition machen.
— Nein, das stimmt nicht; das haben wir nie gemacht. Jedenfalls werden Sie das aus den letzten Jahren niemals nachweisen können.Nun ein Wort zu Ihrer Antipathie gegen jede weitere öffentliche Verschuldung. Das haben Sie ja auch heute wieder angesprochen. Die FDP beweist damit, daß der Konservativismus im finanzpolitischen Denken bei ihr noch nicht überwunden ist.
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Frau Kurlbaum-Beyer— Ja, der Konservativismus im finanzpolitischen Denken! Ich halte eine solche Denkweise für eine vereinfachende — ich möchte persönlich sogar hinzufügen: für eine etwas primitive — Betrachtungsweise, wenn man schlechthin jede weitere Verschuldung in der Form, wie Sie es sehr gern tun, ablehnt. Meine Damen und Herren, wichtig ist doch, wofür Steuergelder ausgegeben werden. Ich bin im übrigen überzeugt, daß es auch in Ihrer Partei genügend Sachverständige gibt, die diesen Zusammenhang sehr wohl anders sehen und auch das Gesamtproblem anders beurteilen.In der Privatwirtschaft nimmt wohl niemand daran Anstoß, daß ein expandierendes Unternehmen mit wachsendem Umsatz auch mehr Fremdkapital für produktive Investitionen aufnimmt. Warum sollen dann nicht — das ist meine Frage an die FDP — auch die öffentlichen Hände bei wachsendem Sozialprodukt und wachsenden Steuereinnahmen das gleiche tun dürfen zur Förderung und Steigerung der Produktivität in der Volkswirtschaft,
zumal dann, meine Damen und Herren, wenn wie bei uns der Anteil der investiven Ausgaben an den öffentlichen Gesamtausgaben stetig anwächst? Die Investitionsquote erhöht sich laut „Mifrifi" von 19,4 % im Jahre 1968 auf 21,4 % im Jahre 1972.Wir begrüßen es, daß sowohl der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium als auch die Bundesbank klar erklärt haben, daß die in der Finanzplanung eingesetzten Kreditbeträge vertretbar sind. Wenn die Bundesbank, die als die Hüterin der Währung eingesetzt wurde, keine Bedenken geltend macht, halte ich es für schlechthin unverantwortlich, wenn man die nach den Erfahrungen der Vergangenheit latent vorhandene Inflationsangst im deutschen Volk in demagogischer Weise ausnutzt.
Auch die heutige Opposition muß doch anerkennen, daß die Preise trotz Einführung und Erhöhung der Mehrwertsteuer im Durchschnitt der letzten 12 Jahre noch nie so stabil waren wie in den letzten beiden Jahren, wo wir Sozialdemokraten mit die Verantwortung trugen. Ich möchte jedenfalls noch einmal feststellen, daß die Geldwertstabilität durch die in der „Mifrifi" vorgesehene Kreditaufnahme in keiner Weise gefährdet wird.
— Schön, dann warten Sie doch mal ab! Sie können doch nicht immer nur Zweifel setzen, Sie setzen doch nur Zweifel, ohne einen wirklichen Fakt hier auf den Tisch legen zu können.Darüber hinaus ist auch Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung und hier im besonderen der Bundeswirtschaftsminister dieser Regierung weitere Maßnahmen zur Vermögensbildung einleiten wollen. Höhere Kreditaufnahme setzt natürlich auch eine wirksamere Sparförderung voraus. Wenn die Bundesbank aber der Kreditaufnahme zustimmt, dann, meine Damen und Herren, meinen wir, daß Ihre Befürchtungen, die Sie immer wieder zumGegenstand Ihrer Diskussion machen, jeder Grundlage entbehren.Damit, meine Damen und Herren, komme ich zu Punkt 2 Ihrer Anfrage. Es ist zuzugeben, daß uns in dem letzten Subventionsbericht und vor allen Dingen den darin enthaltenen Überlegungen zum Abbau von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen keine konkreten Vorschläge gemacht worden sind. Ich wundere mich aber mit meiner Fraktion darüber, daß Sie, meine Damen und Herren, seit 1966 immer wieder auf den Abbau der Subventionen hinweisen, ohne — das darf ich wiederholen — zu sagen, was Sie abbauen wollen. Seit der akuten Finanzkrise reiten Sie auf diesem Problem herum, ohne auch nur einmal gesagt zu haben, was Sie eigentlich wollen.
— Frau Funcke, Sie müssen doch zugeben, Sie haben die Finanzminister von 1961 bis 1966 gestellt. Sie kannten die ganzen Zusammenhänge. Wenn eine Partei in der Lage war, hier konkrete Vorschläge zu machen, dann mußten Sie es mit Ihren Finanzministern sein. Sie haben das nicht getan.Meine Damen und Herren, Sie können aber doch auch nicht bestreiten, daß der Abbau von Vergünstigungen in einer Zeit der wirtschaftlichen Rezession oder, wie mein Parteifreund Professor Schiller immer sagt, in einer Talsohle die Gefahr der beschleunigten Talfahrt noch vergrößert hätte.
Erst jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo eine Überprüfung ohne Gefahr für die Konjunktur in Angriff genommen werden kann. — Ich freue mich, daß Sie zustimmen.Da Sie uns aber bis heute nicht konkret gesagt haben, was Sie eigentlich wollen, muß ich Ihnen wenigstens ein paar Fragen stellen.Wollen Sie zum Beispiel die Vergünstigungen, die für das Zonenrandgebiet und für strukturschwache Gebiete gegeben werden, abbauen? Wir haben vor wenigen Wochen auf Ihr Verlangen eine Aktuelle Stunde zur Agrarpolitik gehabt. Ich frage Sie: Wollen Sie etwa die Agrarsubventionen streichen?
— Ich frage Sie, Sie können antworten. Sie sollen endlich einmal Farbe bekennen. Mehr wollen wir gar nicht erreichen. — Oder wollen Sie vielleicht Ihren alten Vorschlag von 1966, die Streichung des Arbeitnehmerfreibetrages, wiederholen? Sie haben hier die Möglichkeit, Ihre Vorstellungen bekanntzugeben. Ich finde, das ist der richtige Ort.Wir haben uns 1966, und zwar zu einer Zeit — das darf ich hier zur Erklärung sagen —, wo wir noch in der Opposition waren, einmal sehr große Mühe gemacht, die verdeckten und die unverdeckten Subventionen zu durchforsten. Wir haben schon damals feststellen müssen, wie schwierig das gesamte
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10470 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Frau Kurlbaum-BeyerProblem ist. Es darf auch heute noch nicht außer acht gelassen werden, daß für den Bereich des Steuerrechts konkrete Maßnahmen zur Beseitigung entbehrlicher Vergünstigungen erst nach intensiven Beratungen des betreffenden Steuergesetzes vorgeschlagen werden können. In Anbetracht des riesigen Pensums, das diese Bundesregierung und dieser Bundestag auf finanz- und steuerpolitischem Gebiet zu bewältigen hatten, konnte das Problem der Subventionen leider nicht in der gewünschten Breite in Angriff genommen werden, wie wir es uns damals selbst gewünscht hatten.In der nächsten Legislaturperiode wird es eine der wichtigsten Aufgaben, allerdings auch die schwierigste Aufgabe der Finanzpolitik sein, im Zusammenhang mit der Großen Steuerreform die steuerlichen Vergünstigungen, soweit sie als überholt und ungerecht angesehen werden müssen, abzubauen.In Ihrer Frage 3 beziehen Sie sich auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium zur Reform der direkten Steuern. Die SPD-Fraktion hat bereits anläßlich der Veröffentlichung des Gutachtens seinen Inhalt als einen beachtlichen Beitrag zur Reform des Steuerrechts bezeichnet. Das Gutachten übt Kritik am gegenwärtigen System. Diese Kritik wird auch aus Kreisen der Steuerzahler und der Steuerbeamten immer lauter, sicher nicht zu Unrecht. Man sollte daher nicht versuchen, einige Vorschläge des Gutachtens isoliert herauszugreifen und damit das Gutachten insgesamt abzuwerten.Wer das Gutachten in unvoreingenommener und uneigennütziger Weise liest, kommt zu dem Ergebnis, daß bei Realisierung dieser vom Beirat unterbreiteten Vorschläge die breite Masse unseres Volkes keinen Grund zur Besorgnis hat. Bei der künftigen Steuerreform werden vor allem die vielen im Steuerrecht versteckten, unsichtbaren Vergünstigungen im Vordergrund stehen und sicher erst in zweiter Linie der Tarif.Welches Gewicht diese Vergünstigungen im Vergleich zu dem reinen Steuertarif haben, ließe sich an vielen Beispielen zeigen. Gestatten Sie mir, daß ich nur ein Beispiel herausgreife, und zwar den Fall der Erbschaftsteuer. Im Heft 11/68 des „Gewerkschafter" wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer mit etwa 300 Millionen DM nur 0,3 °/o der gesamten Steuereinnahmen ausmachen, während in nahezu allen westlichen Kulturstaaten dieser Prozentsatz im Durchschnitt bei 3 % liegt. Sicher muß man darauf hinweisen, daß z. B. einige Länder keine Vermögensteuer haben. Es gilt daher, das . Problem der Erbschaftsteuer im Zusammenhang mit. der Vermögensteuer zu überprüfen.Um gleich zu sagen, welche weiteren Überlegungen im Kreis meiner Fraktion vorhanden sind: Wir würden es z. B. für sehr empfehlenswert halten, wenn man sich die in den USA gültigen Regelungen im Zusammenhang mit Stiftungen einmal etwas näher ansähe.Wir haben Wünsche auch bezüglich der Sparbegünstigungen. Es ist ,ein altes Anliegen meiner Fraktion, daß die Sparvergünstigungen vor allem den kleineren und mittleren Spargruppen gegeben werden. Mit anderen Worten, das Sparen soll dort mit einer Prämie, besser gesagt: mit einer höheren Prämie aus Steuermitteln ausgezeichnet werden, wo die Sparleistung noch eine echte Leistung, ja, einen Konsumverzicht darstellt. Hierzu ist im zweiten Teil des Steueränderungsgesetzes 1968 noch einiges zu erwarten. Wir werden die Vorlage sicher in absehbarer Zeit bekommen.Sie sprechen in Ihrer Anfrage u. a. auch von § 10 des Einkommensteuergesetzes. Hier sind ganz gewiß Einschränkungen vorzunehmen. Mir wurde vor einiger Zeit z. B. ein Fall mitgeteilt, der die Einmalprämie in der Lebensversicherung betrifft, die zu ganz besonderen Steuerersparnissen verhilft. Ich will es mir ersparen, auf Einzelheiten einzugehen. Jedenfalls bestehen hier über Kredite, die man von der Versicherungsgesellschaft selbst bekommt und für die man dann entsprechende Zinsen zu zahlen hat, Möglichkeiten, seine Steuerschuld zusätzlich zu ermäßigen. Wenn man in der höchsten Gruppe ist und eine entsprechend hohe Versicherungssumme abschließt, kann das zu einem zusätzlichen Steuergeschenk in Höhe der Hälfte der Zinsen führen, die man zu zahlen hat.Das sind Dinge, die gesehen werden müssen. Es gibt zwar bereits Verfassungsklagen, doch sie dauern sehr lange. Ich meine, diese Möglichkeiten haben w i r zu untersuchen, um solche Manipulationen zu unterbinden.Die aus dem Abbau von Steuervergünstigungen entstehenden Mehreinnahmen sollen nun nach Auffassung des Beirates zur Reduzierung der indirekten Steuern verwendet werden. Ich sage hier ganz offen: hier zeigt sich freilich auch eine gewisse Einseitigkeit des Gutachtens. Die Probleme der Steuerharmonisierung in der EWG sind nämlich in diesem Gutachten ausgeklammert worden. Deshalb hat meine Fraktion nach Erscheinen des Gutachtens die Einsetzung einer Expertenkommission zur Finanzreform gefordert. Das ist eine Frage, die natürlich im Gesamtzusammenhang gesehen werden muß. Aber das war mit ein Grund. Leider hat es viel zu lange gedauert, bis diesem Antrag der Sozialdemokraten entsprochen worden ist. Auch Sie, meine Damen und Herren von der FDP, haben sich diesem Antrag erst sehr spät zugewandt.Damit komme ich zur Frage 4; sie betrifft das Splittingverfahren. Die Pläne des ehemaligen Bundesfamilienministers Heck, das Splitting bei der Einkommensteuer zu limitieren, stoßen offenbar beim Bundesfinanzminister noch immer auf heftigen Widerstand. Nur so ist es wohl zu erklären, daß es eine klare Stellungnahme des Bundeskabinetts zu diesem in der Öffentlichkeit in letzter Zeit sehr rege diskutierten Problem noch nicht gekommen ist. Deshalb bleibt uns vorläufig nur die Hoffnung, daß die Frage der Limitierung des Splittings im Zusammenhang mit der großen Steuerreform behandelt und einer befriedigenden Lösung zugeführt werden kann.Bereits bei Einführung des Splittingverfahrens hat die SPD — ich darf hier meinen Kollegen Wal-
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Frau Kurlbaum-Beyerter Seuffert zitieren — erklärt, daß dieses Verfahren aus sozialen wie aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeschränkt werden müsse; das Splitting sei allenfalls noch beim Mittelstand tragbar; seine Auswüchse bei den allerhöchsten Einkommen müßten jedoch beseitigt werden.Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hat schon in einer Stellungnahme vom 29. April 1958 ein veredeltes Splitting zur Diskussion gestellt. Der DGB hatte sich ebenfalls für die Begrenzung des vollen Splittings auf eine bestimmte Einkommenshöhe ausgesprochen. Ja, selbst der Bund der Steuerzahler hat im Zusammenhang mit dem Splittingverfahren von einem Verstoß gegen den Gedanken der Sozialstaatlichkeit gesprochen. Ich darf ihn wörtlich zitieren; . er hat gesagt:Wenn eine ehefördernde Vergünstigung schon mit einer Begrenzung nach der Einkommenshöhe verbunden sein soll, müßte man billigerweise erwarten, daß sie dem sozial Schwachen und nicht, wie es im Gesetzentwurf vorgesehen ist, ausschließlich dem Wohlbegüterten gewährt wird.Es heißt dann weiter, „das sei ein Besteuerungsverfahren — gemeint ist hier das nicht begrenzte Splitting —, bei dem die Reichen sich nicht erst selbst um die Ausnutzung einer Gestaltungsmöglichkeit zu kümmern brauchen, sondern gleich von Amts wegen den größtmöglichen Progressionsvorteil zugesprochen erhalten, während die Bezieher kleiner . Einkommen genauso besteuert werden wie bei getrennter Besteuerung, ja in manchen Fällen sogar noch härter". Ich will gar nicht weiter fortfahren; ich könnte noch einige dieser Passagen anführen, um deutlich zu machen, daß auch der Bund der Steuerzahler diese Wirkung frühzeitig erkannt und gebrandmarkt hat.Im Sommer dieses Jahres hat der Wissenschaftliche Beirat für Familienfragen darauf hingewiesen, daß die steuerliche Entlastung, die innerhalb der Einkommensteuer den Beziehern höherer Einkommen beim Splittingverfahren für den Ehegatten gewährt wird, in einem groben Mißverhältnis zu den Steuerermäßigungen für Kinder stehe. Jeder, der sich für die Beibehaltung des jetzigen Verfahrens einsetzt — ich würde dankbar sein, Herr Kollege Dr. Starke, wenn Sie das jetzt einmal hörten —, sollte sich einmal die Zahlen ansehen, die in der Drucksache V/2532 vom 25. Januar 1968 enthalten sind. Aus der Tabelle 83 ist zu entnehmen, daß 1961 die Steuerentlastung durch das Splittingverfahren mit rund 5,8 Milliarden DM ein erheblich größeres Gewicht hatte als die Entlastung durch die Kinderfreibeträge mit 2,9 Milliarden DM. Für das Jahr 1966 wird die durch den Splittingeffekt erzielte Steuerentlastung auf rund 10 Milliarden DM geschätzt; die Entlastung durch Kinderfreibeträge beträgt aber nur 4 Milliarden DM.Ich darf das mit einem Beispiel noch deutlicher machen. Bei Verheirateten mit einem Jahreseinkommen von 10 000 DM entsteht durch das Splitting eine Steuerersparnis von 355 DM, wovon 325 DM auf den zweiten Grundfreibetrag zurückzuführen sind. Bei einem Jahreseinkommen von 250 000 DM beträgt die Ersparnis insgesamt 11 281 DM. Wer sich diese Zahlen im Familienbericht einmal eingehend betrachtet, muß doch zu dem Ergebnis kommen, daß die von der Bundesregierung in Aussicht gestellte Überprüfung dringend erforderlich ist. Es darf wohl an dieser Stelle hinzugefügt werden, daß Sie, meine Damen und Herren, dem Splitting-Tarif 1958 Ihre volle Zustimmung gegeben haben.Damit komme ich zur letzten Frage, zur Frage 5. Die SPD hat in ihren auf dem Nürnberger Parteitag verabschiedeten Perspektiven hervorgehoben, daß in der künftigen Steuerpolitik der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit stärker hervortreten müsse. Aus diesem Grundsatz leiten wir u. a. unsere Forderung ab — und hier darf ich sagen: ganz in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, und auch mit dem DGB —, daß der Anteil der indirekten Steuern am Gesamtsteueraufkommen nicht stärker anwachsen darf.Es ist immer wieder davon die Rede, daß der deutsche Mehrwertsteuersatz im Zuge der Harmonisierung der Mehrwertsteuer auf 15 % erhöht werden muß. Dabei wird vor allem auf den hohen Mehrwertsteuersatz in Frankreich hingewiesen. Es wird aber zumeist völlig übersehen, daß die Belastung mit indirekten Steuern z. B. in den Niederlanden geringer ist — jedenfalls heute noch — als in der Bundesrepublik. Eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes kann deshalb nicht heute schon als ein unabänderliches Schicksal hingenommen werden.Wir begrüßen daher den Willen der Bundesregierung, das in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Anteilsverhältnis von direkten und indirekten Steuern in der EWG zur Geltung zu bringen. Auch die Feststellung von Herrn Staatssekretär Leicht auf der Tagung des Verbandes der chemischen Industrie in Baden-Baden, daß sich jetzt noch keine Voraussagen darüber machen ließen, auf welchem Niveau die Mitgliedstaaten eines Tages ihre Steuersätze für die Mehrwertsteuer harmonisieren werden, hat meine Fraktion mit Erleichterung aufgenommen.Sie, meine Damen und Herren von der FDP, stellen ja in Ihrer Frage 5 offensichtlich in erster Linie auf die eventuelle Gewerbesteuersenkung und in diesem Zusammenhang natürlich auf die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes ab. Das war ja auch im großen und ganzen Ihr Petitum, Herr Dr. Starke, das Sie zum Schluß hier in Ihren Ausführungen zum Ausdruck brachten. Es wird so gerne behauptet, daß es in anderen EWG-Staaten keine Gewerbesteuer gebe und die Gewerbesteuer infolgedessen bei uns beseitigt werden müsse. Ich möchte das zum Anlaß nehmen, darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung in der Drucksache V/2386 auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion zur Steuerharmonisierung in der EWG folgendes ausgesagt hat. Auf Seite 3 heißt es — erlauben Sie mir, daß ich das im Wortlaut zitiere —:
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10472 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Frau Kurlbaum-BeyerSo hat Frankreich außer der ohnehin höheren Körperschaftsteuer eine Gewerbesteuer, deren Einnahme 1965 10,8 % des Steueraufkommens ausmachten,
während sie in der Bundesrepublik 9,8 % betrugen. Ebenso kennt Luxemburg ... eine Gewerbesteuer und die Niederlande erheben bei natürlichen Personen eine Vermögensteuer.Die Frage, welche direkten bzw. indirekten Steuern im Zuge der Steuerharmonisierung beseitigt oder gesenkt werden können bzw. erhöht werden müssen, läßt sich heute noch nicht mit Gewißheit beantworten. Sicher kann man über den Abbau von sogenannten Bagatellsteuern reden, dann aber in allen Ländern der EWG und nicht nur bei uns. Zu den Bagatellsteuern kann man aber sicher nicht die Gewerbesteuer rechnen, die in der Bundesrepublik immerhin ca. 11 Milliarden DM im Jahr einbringt. Geht man davon aus, daß 1 % Mehrwertsteuer heute 2,4 Milliarden DM einbringt, so müßte man, wenn man den Vorstellungen jedenfalls einiger hier im Hause folgen wollte, für den Abbau der Gewerbesteuer eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um 4 bis 5 % vornehmen.
—.Nach dem gegenwärtigen Stand! — Ich frage Sie allen Ernstes, meine Damen und Herren, die Sie hier im Hause mit diesem Gedanken spielen: wollen Sie das jetzt verantworten? Es ist wohl unbestritten, daß Preiserhöhungen, Preissteigerungen die Folge wären. Daß die Mehrwertsteuer zu jenen Steuern gehört, die die breite Masse des Volkes relativ stärker belasten als die Bezieher hoher Einkommen, wird heute auch in der Bevölkerung überall richtig gesehen und erkannt.In diesem Zusammenhang wird gern die Frage der Abwälzbarkeit der Steuern diskutiert. Ich möchte hier zur Klarheit nur folgendes sagen: Man sollte sich da vor jeder Schwarzweißmalerei hüten. Diejenigen, die behaupten, daß die indirekten Steuern voll und die Ertragsteuern gar nicht abgewälzt werden können, haben ebenso unrecht wie diejenigen, die behaupten, daß alle Steuern gleichmäßig abwälzbar seien. In Wirklichkeit liegen erhebliche Unterschiede bezüglich der Abwälzbarkeit vor. Zu beachten ist z. B., daß alle, die miteinander im Wettbewerb stehen, bei der Mehrwertsteuer den gleichen Steuersatz zahlen, einschließlich der ausländischen Mitwettbewerber. Bei der Einkommen- und Ertragsteuer hängt aber die Höhe der Belastung von der Rechtsform, der Höhe des Ertrags und je nach den Verhältnissen von den hier einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinnen ab. Daher ist die Abwälzbarkeit auf den Verbrauch bei den indirekten Steuern jedenfalls ungleich größer.Ich möchte aber auch zur Frage der Gestaltung des Mehrwertsteuersatzes eine kurze Bemerkung machen. Am 14. Oktober fand ich in der „Welt" einen Artikel mit der Überschrift „Ausgleichszölle auf alle Einfuhren der USA aus EWG-Ländern" . Indem Artikel selbst wird deutlich, welche protektionistische Wirkung hohe Mehrwertsteuersätze in den Ländern außerhalb der EWG haben. Nachdem hier bereits die amerikanischen Stahlfirmen Ausgleichszölle auf Stahleinfuhren verlangt haben, will man nun auch andere Branchen einbeziehen und bei ihnen das gleiche tun. Was das für unsere Ausfuhr bedeuten kann, brauche ich nicht weiter hervorzuheben.Ich möchte abschließend zur Frage 5 der Großen Anfrage sagen, daß sich meine Fraktion der Aussage des Bundesfinanzministers voll anschließt. Er sagt in seiner Antwort nämlich wörtlich:Das Anteilsverhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern, bei denen die indirekten Steuern insgesamt nicht das Übergewicht haben, kann nach den derzeitigen Gegebenheiten in der Bundesrepublik als ausgewogen angesehen werden.Wenn die Bundesregierung, wie sie durch ihre Sprecher wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, alles tun wird, um dieses Anteilsverhältnis von direkten und indirekten Steuern auch in der EWG durchzusetzen, dann, meine Damen und Herren, findet sie hierfür die volle Unterstützung meiner Fraktion. Jedenfalls sollten wir bei unseren Überlegungen nicht immer nach Frankreich starren, sondern maßgebend für unser Handeln — —
— Nun muß ich auch Ihnen zuklatschen.
— Der ist genau der Meinung. Das sehen Sie an seiner ganzen Politik. Maßgebend für unser Handeln müssen die Erfordernisse unserer Volkswirtschaft, aber auch die Interessen unserer Steuerzahler und Verbraucher sein.Ich kann nicht umhin, abschließend zu wiederholen, was ich bei anderer Gelegenheit schon einmal ausgesprochen habe. Ich habe nämlich gesagt, daß das heutige Steuerrecht weitgehend das Ergebnis jahrzehntelanger Flickschusterei ist. Ich will hier etwas abschwächend hinzufügen: Durch die Verhältnisse teilweise bedingt, vor allen Dingen aber durch das starke Nachgeben gegenüber Interessentenwünschen in der Vergangenheit sind die Steuergesetze von Jahr zu Jahr komplizierter geworden, ohne daß sie dabei an Gerechtigkeit gewonnen hätten. Ganz im Gegenteil, der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist nicht mehr gewahrt. Dine Vereinfachung des Steuerrechts würde insofern auch zu einer gerechteren Besteuerung führen. Außerdem kann mit einfacheren Steuergesetzen — das sollten wir uns zu Herzen nehmen — der immer stärker werdenden Staatsverdrossenheit entgegengewirkt werden.Wir sind uns natürlich der Grenzen, die einer Vereinfachung gezogen werden, völlig bewußt. Die Besteuerung muß auf die persönliche Leistungsfähigkeit Rücksicht nehmen. Sie dient außerdem der Konjunktur- und Strukturpolitik, der Sparförderung und der Familienpolitik; und man könnte noch vieles an-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10473
Frau Kurlbaum-Beyerführen. Deshalb lassen sich differenzierte Regelungen nicht ganz vermeiden. Viele dieser nichtfiskalischen Zwecke, meine Damen und Herren, könnten aber auch auf dem Wege über öffentliche Ausgaben statt mit Mitteln der Steuerpolitik angestrebt werden.Wir begrüßen sehr, daß der Bundesfinanzminister nunmehr nach anfänglichem Zögern bereit ist, eine Expertenkommission zur Reform der Steuern einzuberufen und damit dem Antrag der SPD zu entsprechen. Die Kommission sollte mit ihrer Arbeit — das ist der Wunsch, den ich hier vorzutragen habe — jetzt unverzüglich beginnen, Herr Finanzminister, damit dem Kampf um gerechtere und einfachere Steuern in der 6. Legislaturperiode endlich zum Siege verholfen werden kann.Lassen Sie mich abschließend sagen: wenn ich mich nach den anfänglichen Zwischenfragen dazu entschlossen habe, auf weitere Zwischenfragen nicht einzugehen, so haben Sie bitte dafür Verständnis! Wir haben uns ein Limit gesetzt; auch in der Zeit. Ich hatte die Zusage gemacht, höchstens eine Dreiviertelstunde in Anspruch zu nehmen. Wären wir so fortgefahren, wäre dieser Zeitrahmen gesprengt worden. Ich glaube, das lag nicht in unserem Interesse. Jeder hat die Möglichkeit, hier auch selber das Wort zu nehmen.
Ich darf feststellen, daß Frau Kurlbaum-Beyer ihr Limit auf die Minute genau eingehalten hat.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei dem Kollegen Starke herzlich dafür bedanken, daß er so freundliche Worte an den Herrn Bundesfinanzminister gerichtet und ihm damit seine Anerkennung zum Ausdruck gebracht hat.Herr Starke hat dann freilich vor dem Hause einen Eindruck entstehen lassen, als stünden wir alle vor einem Scherbenhaufen,
vor einer Wirtschaftskrise erster Ordnung. Nun, meine Damen und Herren, jeder Mensch hier in der Bundesrepublik — bis zum jüngsten Alter herab — weiß, das das nicht, daß das Gegenteil der Fall ist. Infolgedessen brauche ich auf diese Fragen nicht näher einzugehen. Herr Kollege Starke ich möchte vermeiden, hier in eine große wirtschaftspolitische Debatte zu kommen. Zwar ist der Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums anwesend, aber nicht der Bundeswirtschaftsminister selber. Im übrigen — ich bestreite es nicht — gehören Steuerpolitik und Wirtschaftspolitik zusammen. Beide haben enge Wechselwirkungen. Dennoch glaube ich, daß wir die Anfrage Ihrer Fraktion nicht zum Gegenstand einer großen wirtschaftspolitischen Debatte, insbesondere auch nicht über die Frage der Aufwertung; machen sollten. Das ist das erste.Das zweite — Frau Kurlbaum-Beyer ist in ihren Ausführungen bereits darauf eingegangen — ist die Frage der immer wiederholten Betonung der Nettoneuverschuldung und der Rückzahlung der Schulden. Dabei ist auch das Stabilitätsgesetz und die dort vorgesehene Konjunkturausgleichsrücklage angesprochen worden. Natürlich ist das richtig. Ich habe auch an anderer Stelle gesagt, daß gerade dieser Punkt der neuen mittelfristigen Finanzplanung ein gewisses Unbehagen erweckt, nämlich die stärkere Nettoneuverschuldung. Dennoch ist es unrichtig, auf das Ausland zu verweisen. Denn die Nettoneuverschuldung ist, sowohl was die Pro-Kopf-Verschuldung als auch was das Verhältnis zum Sozialprodukt anlangt, in unserem Lande an der unteren Grenze,
während andere Staaten sich in ganz anderem Maße verschuldet haben.
— Gewiß, wir werden auch alle zusammen darauf Obacht geben. Auf der anderen Seite ist aber auch richtig, daß immer wieder zum Ausgleich der an uns gestellten Anforderungen nur drei Quellen übrigbleiben. Die eine ist diese, die andere ist eine höhere Steuer, und die dritte sind stärkere Ausgabensenkungen. Alternativlösungen habe ich bisher noch nicht gehört.
Dann haben Sie, Herr Starke, die interessante Frage aufgeworfen, wo die Wissenschaft aufhöre und wo die Wahltaktik anfange. Wenn man sich die Rede des sehr verehrten Herrn Kollegen Starke angehört hat, dann wird man diese Frage ziemlich eindeutig beantworten können. Diesen Ball muß ich leider zurückspielen. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß Politik nicht eine Frage der Wissenschaft, sondern eine Kunst ist, wie bereits Otto von Bismarck zum Ausdruck brachte, und daß wir uns nicht anmaßen, diese Kunst zu beherrschen, aber immerhin auch in der Großen Koalition uns Mühe geben, der Beherrschung dieser Kunst näherzukommen.Meine Damen und Herren, die Anfrage der Freien Demokraten betrifft die zukünftige Steuerpolitik der Bundesregierung, nicht etwa steuerpolitische Vorstellungen der Parteien, wenngleich ich darauf nachher noch zu sprechen kommen darf. Wenn das aber so gefaßt ist: die zukünftige Steuerpolitik der Bundesregierung, kann sich diese Anfrage doch nur auf das erstrecken, was diese Bundesregierung bis zum Ende dieser Legislaturperiode an Steuerpolitik zu bieten hat; denn niemand weiß, wie die Bundesregierung nach 1969 aussehen wird. Das ist der eine Punkt, der diese Anfrage schon sowohl in ihrer Zielrichtung als auch in ihrer allgemeinen Fassung beschränkt.Das Zweite ist, daß die zukünftige Steuerpolitik der Bundesregierung selbstverständlich auch die Clausula enthält: Keine Bundesregierung kann davon
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10474 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. Pohleausgehen, daß die Verhältnisse immer so bleiben. Sie können sich möglicherweise ändern; sie werden sich möglicherweise ändern müssen, wenn das Sicherheitsbedürfnis der Nation — ich will das hier nur andeuten — solche Maßnahmen erfordert.Nun, meine Damen und Herren, einige Ausführungen über die Steuerpolitik als solche. Wir haben in diesem Hause seit seinem Bestehen eine große Zahl steuerrechtlicher Maßnahmen beschlossen, darunter solche von so bedeutendem Gewicht für die gesamte Volkswirtschaft wie die Einführung des Splitting-Verfahrens im Einkommensteuerrecht, von dem hier wiederholt die Rede gewesen ist, die Vorschriften für die neue Einheitsbewertung und vor allem die vollständige Umgestaltung unseres Umsatzsteuersystems, mit der wir sicherlich zusätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Vereinheitlichung des europäischen Steuerrechts geleistet haben.Wir haben außerdem eine Fülle steuerpolitischer Erleichterungen im Interesse unserer Wirtschaft verabschiedet, angesichts derer uns heute häufig der Vorwurf der Komplizierung oder der ungerechtfertigten Steuersubvention gemacht wird. Dieser Vorwurf wird allerdings oft leichthin erhoben, ohne daß das Für und Wider mit einer gewissen Sorgfalt behandelt wird, jedenfalls nicht so sorgfältig, wie diese Dinge — wir wollen uns hier nicht selbst loben, aber ich muß es doch hervorheben — im Finanzausschuß des Hauses behandelt zu werden pflegen.Die Änderungen der Steuergesetze, die infolge des Wiederaufbaus unserer Wirtschaft und aus konjunkturpolitischen und anderen Notwendigkeiten erforderlich gewesen sind, haben aber ohne Zweifel bei dem betroffenen Staatsbürger das Bedürfnis hervorgerufen, es möge einmal für längere Zeit auf diesem Gebiet eine gewisse Beruhigung eintreten. Der Unternehmer will kalkulieren, der Steuerzahler hat das berechtigte Verlangen nach Stetigkeit und Rechtssicherheit. Die Erklärung des Bundesfinanzministers, es solle für die nächsten Jahre Ruhe in der Steuerpolitik eintreten, liegt deshalb im allseitigen Interesse. Wir begrüßen diese Entscheidung und halten es daher auch nicht für besonders sinnvoll, in der gegenwärtigen Situation über sehr weittragende Reformvorschläge zu diskutieren, die von gewissen Institutionen und Verbänden vorgelegt worden sind und die natürlich einer sorgfältigen Prüfung bedürfen, die aber der Bundesfinanzminister im übrigen auch bereits durch die Berufung der hier schon genannten Steuerreformkommission eingeleitet hat.Selbstverständlich haben wir ganz bestimmte Auffassungen über die Probleme und Sorgen, die auch die Opposition bewegen. Unsere Steuerpolitik — Frau Kurlbaum-Beyer hat an mehreren Stellen darauf hingewiesen —, die ja doch mehrere Jahre von zwei maßgeblichen Bundesfinanzministern mitgetragen worden ist, die aus den Reihen der jetzigen Opposition stammen, Herr Starke, hat sich als erfolgreich erwiesen. Dabei ist zunächst einmal festzustellen, daß über den Ausgangspunkt jeder Steuerpolitik überhaupt kein Streit herrschen kann. Das liegt in der Natur der Sache begründet. Schon der selige Adam Smith hat bekanntlich Regeln für die bestmögliche Form der Steuerpolitik aufgestellt. Die internationale Finanzwissenschaft bekennt sich in seltener Einmütigkeit zu den Prinzipien, daß die Steuern sozial gerecht, möglichst einfach, fiskalisch ergiebig und dabei auch wirtschaftlich vernünftig sein sollen.
Das ist so ähnlich wie das magische Viereck.Das Bekenntnis zur sozialen Gerechtigkeit wird freilich durch die Feststellung in Frage gestellt, daß die Finanztheorie sich in keiner Weise darüber im klaren ist, inwieweit die Steuern im Wirtschaftsprozeß auf den Abnehmer und letztlich den Verbraucher übergewälzt werden können oder nicht.Die Steuerpolitik wird also von einigen obersten, sachlich bestimmten Prinzipien beherrscht. Darüber hinaus gibt es aber eine Fülle von Einzelfragen, deren steuerpolitische Beurteilung unter Sachzwang steht und über die die Sachverständigen der Fraktionen zu einer weitgehenden Übereinstimmung gelangt sind, wenn es auch in Einzelfragen gewichtige Unterschiede gibt, nicht nur zwischen den Fraktionen, sondern auch innerhalb der Fraktionen; ich glaube, auch innerhalb der Fraktion der Freien Demokraten. Ungeachtet dieser Übereinstimmung bestehen auch bei uns — das hängt aber nicht mit der zukünftigen Steuerpolitik dieser Bundesregierung zusammen — steuerpolitische Vorstellungen, an denen wir festhalten und nach denen wir uns in unserer künftigen Haltung auch richten werden. Wir vertreten nämlich eine Steuerpolitik, die den Verfassungsgrundsätzen sowohl der gleichmäßigen Behandlung aller Teile der Bevölkerung und Gruppen der Wirtschaft als auch der unbedingten Wahrung des Grundrechtsschutzes von Eigentum und Erbe gerecht wird. Das liegt im allgemeinen gesellschaftspolitischen Interesse. Wir denken in unserer Steuerpolitik aber auch besonders an die Beachtung des Art. 6 des Grundgesetzes, also an den Schutz und die Förderung der Familie und der Ehe. Ich halte es für sehr bedenklich, etwa an die Grundsätze des Splitting im Einkommensteuertarif zu rühren.Im gleichen Sinne treten wir, soweit dies die zwingenden Erfordernisse des Haushalts zulassen, für die Erweiterung und Ausgestaltung der Freibeträge im Recht der Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer ein. Wir sind daher auch nicht damit einverstanden, wenn der Wissenschaftliche Beirat in dem von ihm vorgelegten theoretischen Modell die Erbschaftsteuersätze für nahe Angehörige wesentlich erhöhen will. Im Gegenteil, es wäre wünschenswert, z. B. für das Ehegattenerbe im Hinblick auf den Sinn und auch den wirtschaftlichen Gehalt der ehelichen Bindung die Erbschaftsteuer zu ermäßigen, wenn nicht sie von dieser Steuer freizustellen. Auch wirtschaftspolitisch läßt sich die Auffassung des Beirats nicht vertreten; wenn man sie nämlich in die Tat umsetzen wollte, käme das einer
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10475
Dr. PohleBedrohung der Lebensrechte gerade der mittelständischen Betriebe gleich, die für uns völlig undiskutabel erscheint.
Was wir für wirtschaftlich vernünftig halten, kommt nicht zuletzt in den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfen zum Ausdruck, die demnächst vom Finanzausschuß zu beraten sein werden. Das ist einmal die Bestätigung des Rechts auf eine freie Wahl der Unternehmensform ohne steuerliche Sperrvorschriften, sodann die Angleichung der körperschaftsteuerlichen Organschaft an das neue Konzernrecht des Aktiengesetzes, die Herbeiführung einer möglichst großen Einheitlichkeit zwischen Handels- und Steuerbilanz gemäß den Grundsätzen, die in dem im Jahre 1965 verabschiedeten Aktienrecht als Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung anerkannt und aufgestellt worden sind.Bedenklich erscheint uns dagegen jeder Vorschlag, der zu einer Verschärfung der einkommensteuerlichen Progression und zu einer Heraufsetzung des Spitzensatzes der Einkommensteuer führen muß. Er würde nämlich die Folgen haben, die wir in der Zeit des Beginns unserer Tätigkeit in diesem Hause festgestellt haben, nämlich die Flucht in die vielfachen Gestaltungsmöglichkeiten des Zivil-, Handels- und Steuerrechts, in überhöhten Aufwand, wenig sinnvolle Investitionen, in unerwünschte Steigerung der Fremdfinanzierung und letztlich auch des Preisspiegels.Was die verschiedenen Projekte einer Umgestaltung der Körperschaftsteuer anlangt, etwa im Sinne ihres Aufgehens in der Einkommensteuer oder doch ihrer Anrechnung auf die Einkommensteuer — ich nenne einmal den Stützel-Plan oder die entsprechenden Überlegungen des Wissenschaftlichen Beirats —, so ist die Zeit noch nicht reif, hierüber etwas Abschließendes zu sagen. Die Konsequenzen solcher Projekte für die Volkswirtschaft sind bisher weder ausreichend geprüft noch im allgemeinen übersehbar. Unvernünftig wäre es meines Erachtens jedenfalls, im Rahmen einer Neugestaltung der Einkommensteuer so notwendige Dinge wie die degressive Abschreibung mit einem Federstrich beseitigen zu wollen, wie dies etwa der Wissenschaftliche Beirat vorgeschlagen hat. Die Methode der degressiven Abschreibung ist nicht nur seit langem in der Betriebswirtschaftslehre anerkannt, sondern einfach eine praktische Notwendigkeit für den modern geführten Betrieb. Ich habe nicht die Absicht, auf weitere Einzelheiten des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats einzugehen. Ich will dazu nur ein treffendes Wort des bedeutenden amerikanischen Juristen William Seagle zitieren: „Was wissenschaftlich und theoretisch möglich ist, ist rechtspolitisch noch nicht immer weise."Noch ein Wort zu der oft zu hörenden Forderung nach Steuervereinfachung; sie ist auch heute in der Debatte wiedergekehrt. Zum Teil sind die Normen des Steuerrechts schon deshalb nicht unkompliziert, weil sie verwickelte wirtschaftliche Sachverhalte ordnen. Zum anderen sind die vielfach angegriffenen sogenannten Steuersubventionen oft ganz unentbehrlich, wenn man nämlich den Einzelfall einmal gründlich untersucht. Das gilt z. B. in hohem Maße für die Ermächtigungen des § 51 des Einkommensteuergesetzes, die zu verwickelten Sonderregelungen geführt haben, wie etwa die Besteuerung der Einkünfte aus freien Erfindungen, die Vergütungen und Prämien für Erfindungen und Verbesserungsvorschläge der Arbeitnehmer, die steuerlichen Erleichterungen für Aufwendungen zur Luftreinigung und dergl. mehr.Häufig wird die Vielzahl der Steuergesetze angegriffen. Damit meint man hauptsächlich die kleineren Verbrauchsteuern. Man vergißt aber, daß gerade diese Abgaben einen ganz ungewöhnlich niedrigen Grad an Verwaltungsaufwand sowohl für die Finanzbehörde als auch für die Wirtschaft aufweisen. Ihr Erhebungskostensatz liegt in manchen Fällen unter 0,11 %, während die direkten Steuern mit einigen Prozenten beträchtliche Kosten verursachen, ganz abgesehen von dem Aufwand, der für den Unternehmer mit dem von der Finanzwissenschaft als versteckten Staatsbedarf bezeichneten Aufwand für seine Tätigkeit als Steuereinnehmer bei der Lohn- und Kapitalertragsteuer entsteht. Das Umwandlungssteuergesetz mit dem Ziel der unbehinderten Wahl der Unternehmensform und der Gesetzentwurf zur Angleichung von Steuer- und Handelsbilanz werden sicher beträchtliche Vereinfachungen für den Steuerzahler mit sich bringen.Herr Kollege Starke hat die Frage der Finanzreform in die Debatte geworfen, und Frau Kollegin Kurlbaum hat den Faden des Gesprächs insoweit aufgenommen, als sie das interessante Thema des Verhältnisses der direkten zu den indirekten Steuern und insbesondere das Problem der Gewerbesteuer hier aufgeworfen hat. Ich möchte beiden Kollegen auf diesem Weg nicht folgen, weil zur Zeit die Finanzreform Gegenstand wichtiger Verhandlungen des Finanz- und Rechtsausschusses ist und wir sicherlich demnächst Gelegenheit haben werden, uns in diesem Hause zur Erörterung dieser Fragen wieder zu treffen. Deshalb möchte ich zu diesen Problemen hier nicht sprechen.Es ist gefragt worden, wie sich die Bundesregierung die Steuerpolitik unter den Bedingungen des europäischen Wirtschaftsraums vorstelle. Das hat sie oft genug zum Ausdruck gebracht. Wir begrüßen jede Maßnahme, die der Angleichung förderlich ist, von der europäischen Handelsgesellschaft bis zur Aufhebung der Steuergrenzen und bis zur Harmonisierung der indirekten ebenso wie der direkten Steuern, wenngleich ich Frau Kurlbaum recht gebe, daß das Problem nicht ganz einfach liegt. Echter Wettbewerb bedarf der steuerlichen Chancengleichheit. Diese ist aber nicht gegeben, wenn z. B. die konkurrierenden Volkswirtschaften wie England, Frankreich, Italien und andere keine Steuerarten kennen, wie wir sie haben.Naturgemäß ist dabei auch das Verhältnis zwischen direkten und indirekten Steuern oder besser von Steuern, bei denen eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Überwälzung im Preis besteht, und solchen Abgaben, bei denen diese Wahrscheinlichkeit geringer ist, von wesentlicher Bedeutung. Hier das
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Dr. Pohlerichtige Maß zu finden, ist eine Aufgabe, die alle europäischen Wirtschaften gemeinsam angeht. Sicherlich spricht es für eine stärkere Betonung der Verbrauchsbesteuerung, daß der auf sie entfallende Kostenaufwand in Wirtschaft und Finanzverwaltung sehr viel niedriger ist. Auch muß man realistischerweise mit einem Trend zur Angleichung rechnen, und das bedeutet für uns doch wohl die ernstliche Beschäftigung mit der Frage der Anhebung der Umsatzsteuersätze. Das beweist nicht nur die französische, sondern auch die neue belgische Umsatzsteuer, deren Sätze wesentlich über der deutschen Mehrwertsteuer liegen. Aber diese Dinge sind noch nicht spruchreif; sie müssen im Zuge der weiteren Harmonisierung des Steuerrechts geprüft werden.Abschließend wird man wohl gerechterweise sowohl dieser Bundesregierung als auch ihrer Vorgängerin — Herr Kollege Starke, ich stehe nicht an, das zu erklären — gerade auf dem Gebiet der Steuerpolitik bescheinigen, daß sie stets bestrebt gewesen ist, die Steuergesetze sozial gerecht und wirtschaftskonform zu gestalten. Wir werden uns jeder Steuerpolitik versagen, die zu Benachteiligungen wichtiger Wirtschaftszweige und Gesellschaftsgruppen führt. Wir werden uns dabei auch sehr eingehend mit der von Ihnen angesprochenen Frage der Steuerlastquote befassen. Die Bundesregierung hat zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Erhöhung der Steuerlastquote in der Zukunft nicht wünscht. Daß dieser Gedanke der Bundesregierung richtig ist, unterstreicht die Statistik, die zeigt, daß der Spielraum für eine Erhöhung der Belastung mit Steuern und Sozialversicherung für die Bundesrepublik sehr gering ist. Wir sind zwar nicht ein Land mit der höchsten Belastungsquote, sondern wir liegen in der unteren Mitte; jedoch können wir angesichts unseres Interesses an der Aufrechterhaltung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit die Belastung auf keinen Fall weiter erhöhen. Das alles gilt, wie ich noch einmal betone, unter dem Gesichtspunkt der Clausula, nämlich daß nicht Verhältnisse eintreten, die uns zu anderen Überlegungen zwingen.Wir werden uns, wie ich sagte, jeder Steuerpolitik versagen, die zur Benachteiligung wichtiger Wirtschaftszweige und Gesellschaftsgruppen führt. Wir wollen weiter fortschreiten auf dem Wege, den wir von Beginn an eingeschlagen haben, nämlich: Eigentum zu bilden und zu fördern, die Familie zu schützen und durch den Zusammenklang finanz- und wirtschaftspolitischer Maßnahmen das Sozialprodukt zu steigern, von dem unsere Finanzkraft abhängt. Meine Damen und Herren, die Steuermühle gehört nach dem alten Sprichwort bekanntlich nicht an die Quelle, sondern an den Strom.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich mir nach dem ersten Durchgang einige Anmerkungen zu den bisher geleisteten Diskussionsbeiträgen erlaubten, vor allem zu der kritisch-positiven Würdigung der Tätigkeit des Bundestinisteriumiums durch den Kollegen Starke.Herr Kollege Starke hat beanstandet, daß damals, Ende 1966, Steuern erhöht worden seien
— nicht alle; das hätten Sie wohl auch nicht gemacht — und daß die Erhöhung dieser Steuern eine Sünde wider eine konjunkturorientierte Finanzpolitik gewesen sei. Ich weiß, daß diese Frage, Herr Kollege Starke, bei Ihnen und Ihren Freunden ein gewisses Trauma darstellt. Ich weiß auch, daß Ihr damaliger Beschluß — es war in Nürnberg, wenn ich es noch recht in Erinnerung habe —:.,Keine Steuererhöhung" etwas verwirrend war. Er hat einen Affekt ausgelöst: „Wir dürfen auf keinen Fall mehr von dieser Meinung abrücken." Aber wenn ich die Hintergründe einigermaßen richtig kenne, war dieser Beschluß eigentlich nur für direkte Steuern und nicht für indirekte Steuern gemeint.
— Oh ja!
— Dann hätten mich einige Ihrer Freunde total falsch informiert.
Da man aber in der Öffentlichkeit mit dem Plakat „Keine Steuererhöhung!" bekanntgeworden war, mußte man auch die indirekten Steuern miteinbeziehen.Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist etwas anderes. Es war ja damals nicht nur die Frage zu lösen: Wie kann der weitere Abstieg unserer wirtschaftlichen Entwicklung aufgehalten und eine neue, positive Konjunkturphase eingeleitet werden? Die Frage war damals gestellt; aber mit ihr war eine zweite Frage von gleicher Dringlichkeit gestellt, und zwar eine Frage, die langfristig sich immer stellt: nämlich das Gleichgewicht der Bundesfinanzen, das bedenklich zu leiden begonnen hatte, wieder herzustellen. Damals hatte der strukturelle Ausgabenüberhang des Bundeshaushalts, bedingt durch gesetzliche, politische und andere rechtliche Verpflichtungen, eine Größenordnung von 8 bis 81/2 Milliarden DM im Jahr erreicht. Außerdem hatte dieser Ausgabenüberhang die Tendenz, bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung — von Rezessionen gar nicht zu reden — im Jahr noch um mindestens 1 Milliarde anzusteigen. Darum mußte, wie ich sowohl vor diesem Hohen Hause wie auch in einigen Ausschüssen des Bundestages wie auch viele Male in der Öffentlichkeit schriftlich und mündlich dargelegt habe, ein Bündel von Maßnahmen ergriffen werden, deren Ziel es war, beide Probleme zu lösen.Nun ist es eine Binsenweisheit, daß Maßnahmen, die der langfristigen Konsolidierung der Finanzen dienen, sich nicht gerade günstig auf die Konjunktur, und daß Maßnahmen, die einer raschen Belebung der Konjunktur dienen, sich nicht gerade günstig auf die langfristige Konsolidierung der Finanzen auszuwirken pflegen. Vor diesem Dilemma stand die
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10477
Bundesminister Dr. h. c. Straußneue Bundesregierung, vor diesem Dilemma standen auch der Bundeswirtschafts- und der Bundesfinanzminister der neuen Regierung. Ich konnte unter den damaligen Umständen auf eine maßvolle Erhöhung einiger Steuern, die im übrigen von der Wirtschaft mühelos verkraftet worden ist, nicht verzichten.
— Ja, vielleicht im Jenseits. Manche Probleme werden sich erst in der nächsten Generation oder im nächsten Jahrhundert zeigen.
Eines sollten Sie aber ernsthaft nicht sagen: daß die Erhöhung der Mineralölsteuer, die Erhöhung der Tabaksteuer, die Einschränkung gewisser steuerlicher Vergünstigungen auf dem Gebiete der Sparförderung und die Einführung der Ergänzungsabgabe eine ganz gefährliche langfristige Zeitzünderwirkung hätten, deren heimtückische Folgen wie bei einer schleichenden Krankheit erst in einer fernen Zukunft wie ein drohender Schatten am Horizont hängen. Das werden Sie wirklich nicht ernsthaft behaupten können.
Glauben Sie denn, daß ich ein solcher Sadist bin, daß mir diese Steuererhöhungen Freude gemacht hätten, daß ich mit großer Begeisterung daran herangegangen wäre, um das Volk zu quälen, den Verbraucher mit durch Steuererhöhungen bedingten höheren Preisen zu schikanieren und den Produzenten an den Rand des wirtschaftlichen Ruins zu bringen? Die Rechnung war doch so, daß wir ohne eine gewisse maßvolle Erhöhung auf einigen steuerlichen Gebieten das eine langfristige Problem, nämlich die Konsolidierung der Bundesfinanzen, nicht hätten lösen können.
— Es wird niemals Wundermittel geben, auch nicht das Mittel von Mefo-Wechseln oder ähnlichem. Das sind dann Dinge, die sich unter Umständen langfristig gefährlich auswirken können. Das Arsenal der finanzpolitischen Mittel ist bekannt. Die Frage ist nur, in welcher richtigen Dosierung und welcher richtigen Zusammensetzung man es anwenden kann. Es wird nie ein Genie vom Himmel fallen, dem völlig neue Finanzierungsmethoden einfallen. Das erinnert ein bißchen an Goldmacher wie Cagliostro oder wie die Brüder geheißen haben, die mit ganz neuen Finanzierungsmethoden, mit billigen Rohstoffen, unter Anwendung geheimer Rezepte und unter Einsatz ihres eigenen Genies auf einmal große Reichtümer auf der Erde produzieren wollten. Dem ist aber unser an die Erde gebundener Verstand nicht ganz gewachsen.Ich wiederhole, wir mußten damals gewisse Steuern erhöhen. Ich erinnere mich auch an die Koalitionsbesprechungen, die mit dem heutigen Koalitionspartner gepflogen worden sind. Bei diesen Koalitionsverhandlungen — es ist allmählich beinahe schon ermüdend, immer wieder dazu zurückzukehren. — ist von seiten der damaligen Bundesregierung, die noch im Amte war, auf die wirkliche finanzielle Situation und ihren Ernst hingewiesen worden, und damals hat der neue Koalitionspartner erklärt: Wenn die Lage so ist, dann können bestimmte Wünsche auf Steuersenkung oder ein radikales Nein zu allen Steuererhöhungen nicht mehr aufrechterhalten werden. Wir haben uns dann auf einer Mittellinie getroffen. Ich habe damals auch, Herr Kollege Starke, die Meinung vertreten: beim Übergang von 1966 auf 1967 auf keinen Fall Erhöhung der direkten Steuern, darum maßvolle Erhöhung auf einigen verbrauchsteuerlichen Gebieten: Mineralölsteuer, Tabaksteuer, dann die einmalige Maßnahme der Verkürzung der Zahlungsfristen für Verbrauchsteuern und Zölle, um wenigstens für ein Jahr sozusagen 13 Monatsgehälter für den Staat aus diesem Bereich zu bekommen statt nur 12. Die leichte Erhöhung einer direkten Steuer ist dann erst mit der Einführung der Ergänzungsabgabe als Folge der ersten mehrjährigen Finanzplanung erfolgt. Nun hat sich aber doch eine Erhöhung der bisherigen Einkommen- und Körperschaftsteuerlast oberhalb einer bestimmten Einkommensgruppe um 3 % bestimmt nicht wirtschaftsstrangulierend ausgewirkt.Man sehe das Anwachsen zunächst der Investitionswelle, die frühzeitig in Gang gekommen ist, heute noch anhält und voraussichtlich noch bis Ende 1969 anhalten wird. Ich möchte jetzt keine genauen Zahlen nennen, aber die Kurve ist ansteigend. Nach der Investitionswelle kam, gar nicht unerwartet, aber lange Zeit noch bezweifelt, die Verbraucherwelle, die steigende Nachfrage nicht nur nach kurzfristigen Konsumgütern, sondern auch nach langfristigen Verbrauchsgütern, wie Radios,. Fernsehgeräten, Automobilen usw., ebenfalls wieder in Gang. Statt eines Zuwachses von 4 % des realen Sozialprodukts in 1968, wie ursprünglich prognostiziert, wird nunmehr ein Zuwachs von 6 % erwartet, nominal statt der erwarteten 6,2 5 7,8 %. Die Unternehmergewinne sind — was von der Bundesregierung begrüßt worden ist, weil dies die Voraussetzung für die Investitionstätigkeit ist — erheblich gestiegen. Sie wissen, mit Prozenten kann man nicht immer streiten; es hängt von der Bezugsgröße ab, wenn man sagt: plus 25 %; trotzdem sind sie gestiegen.Daß das umgekehrt auf der Arbeitnehmerseite natürlich auch zu gewissen Forderungen geführt hat, wie vorauszusehen war, damit habe ich mich hier nicht auseinanderzusetzen. Bloß kann auf dem Hintergrund dieses Bildes, das für das Jahr 1969 auch noch als optimistisch bezeichnet werden kann, ohne daß man sich selbst dabei zu betrügen braucht, ohne daß man sich selbst dabei irgendwelchen Täuschungen hinzugeben braucht, einfach nicht von verhängnisvollen Wirkungen der damals durchgeführten Steuererhöhungen gesprochen werden.
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10478 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. h. c. Strauß, Bundesminister. der Finanzen: Bitte sehr!
Herr Bundesfinanzminister, darf ich die Sache etwas erleichtern, indem ich Sie frage, ob ,Sie gehört haben, daß ich gesagt habe — ich will es nur erleichtern —, wir hätten nicht so viel Steuern erhöht? Von einer katastrophalen Auswirkung der von Ihnen vorgenommenen Steuererhöhungen habe ich nicht gesprochen.
Da müssen Sie sich aber jetzt innerhalb Ihrer eigenen Reihen auseinandersetzen; denn ich habe ja jetzt offensichtlich mehr Ihre eigene Meinung vertreten und gesagt: Der Nürnberger Beschluß der FDP ist ursprünglich so gefaßt worden: keine Erhöhung der direkten Steuern
— lassen Sie mich doch ausreden! —, aber maßvolle Erhöhung der indirekten Steuern. Soeben hat doch Ihr Kollege Starke gesagt: Steuererhöhungen ja, nur weniger. Das hat er doch soeben hier gesagt. Damit sind doch Sie widerlegt und nicht ich, und zwar durch Herrn Starke selber.
Herr Starke hat doch soeben in seiner Rede auch gesagt: Weniger Steuererhöhungen als die Bundesregierung! Ich wäre dann ganz interessiert, zu erfahren, welche Steuererhöhungen hier unter „weniger Steuererhöhungen" gegenüber den von uns vorgenommenen gemeint gewesen sind. Das würde nachträglich die Situation für uns alle noch recht interessant illustrieren. Vielleicht kann ich auf dem Wege der Fragestellung eine Information bekommen.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, darf ich noch einmal etwas erleichternd wirken, indem ich Ihnen sage: Der Beschluß, der Ihnen übermittelt worden ist — wie Sie sagen, von Kollegen aus meiner Partei —, ist nie so gefaßt worden, wie Sie ihn hier wiedergeben, daß es nämlich geheißen habe: nur bei direkten Steuererhöhungen, bei indirekten wäre es anders; davon kann keine Rede sein. Und darf ich erleichtern, indem ich Ihnen weiterhin sage, — —
— Darf ich die Situation erleichtern, indem ich Ihnen sage, daß ich hier kein Wort gesprochen habe von dieser oder jener Steuer, sondern von der Masse der Steuererhöhungen insgesamt? Das war alles.
Herr Kollege Starke, es sollen Zwischenfragen gestellt, keine Zwischenreden gehalten werden.
Ich hätte im Geiste dabei gesagt: „Ist der HerrFinanzminister bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ..." Dann ist der Text wieder in Ordnung. Dann war es also doch eine Frage.
Nur haben Sie in Ihrer Rede gesagt — Sie haben es soeben auch wiederholt —: Wir hätten weniger Steuererhöhungen vorgesehen.
— Nicht so viel Steuererhöhungen; das sind also weniger Steuererhöhungen; und da wäre es doch ganz interessant, zu wissen, welche Steuererhöhungen Sie für richtig gehalten hätten,
um die Differenz zwischen unserer Steuererhöhung und der von Ihnen für vertretbar gehaltenen zu wissen. Damit setzen Sie sich aber in Gegensatz zu den Zwischenrufern aus Ihren eigenen Reihen, die gesagt haben: Nein, überhaupt keine Steuererhöhung, war damals der Sinn unseres Beschlusses. Diese Rechnung müssen Sie unter sich ausmachen, nicht mit mir.
— Das kommt noch dazu.Aber ich muß hier noch einmal, damit auch vor diesem Kreis, der wohl die Öffentlichkeit repräsentiert, die Sache klargestellt wird, sagen: es ging doch nicht nur um die Wiederingangsetzung der Konjunktur, sondern es ging um die Konsolidierung der Bundesfinanzen. Wenn die Finanzen aus dem Gleichgewicht geraten sind, kommen zur Konsolidierung der Finanzen zwei Dinge in Betracht, einmal Steuererhöhungen und zum anderen die Kürzung von Ausgaben, zumindest die Kürzung des Ausgabenzuwachses. Diese beiden Mittel, Steuererhöhung und Kürzung von Ausgaben oder vonAusgabenzuwachs, sind ohne jeden Zweifel konjunkturschädlich.
— Ich verstehe Sie nicht, Herr Starke.
— Die klassische Regel des deficit spending ist doch: Steuern senken, um damit die Investitionstätigkeit und den Konsum zu beleben, und die Ausgaben vermehren. Wenn ich jetzt sage, daß die Kürzung von Ausgaben — die nur zum Teil eingetreten ist —, aber auch die Kürzung von Ausgabenzuwachs in der Situation nicht konjunkturfördernd war, dann handelt es sich hier vielleicht um Nuancen, in denen wir uns in der Bewertung unterscheiden. -Aber wir haben Steuern erhöht, wir haben Ausgaben gekürzt, zumindest den zu oft zwangsläufigen Ausgabenzuwachs durch eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen gekürzt. Diese Maßnahmen dienten. der Konsolidierung der Bundesfinanzen.
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Bundesminister Dr. h. c. StraußAber sie waren nicht förderlich für eine rasche Wiederingangsetzung der Konjunktur.Darum mußten diese Negativmaßnahmen, die sich für das eine Ziel positiv auswirkten, durch Positivmaßnahmen überspielt oder kompensiert werden, die sich ihrerseits wiederum, allein ergriffen, negativ für die Konsolidierung ausgewirkt hätten. Deshalb unter anderem drei Dinge, die ich erwähnen möchte. Da waren zunächst die Sonderabschreibungen, die zuerst belächelt worden sind, die aber dann mit dem wieder ansteigenden Vertrauen in der zweiten Hälfte 1967 gegriffen haben; wir sehen ja, welche Zusatzinvestitionen da getätigt worden sind. Das andere waren die beiden Konjunkturprogramme.Nun gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Starke, daß man unter Umständen mit einem geringeren Umfang der beiden Konjunkturprogramme ausgekommen wäre. Aber ich sage ausdrücklich: wäre; nämlich nur dann, wenn wir nicht mit den Konjunkturprogrammen auch noch die negativen Auswirkungen der Maßnahmen zur Konsolidierung der Bundesfinanzen zusätzlich hätten kompensieren müssen. Wir hatten eben, wie von mir oft ausgeführt, damals nicht die Normallinie für eine antizyklische Finanzpolitik erreicht, von der aus man entweder bremsen oder Gas geben kann, sondern wir waren unterhalb der Normallinie mit einem jährlichen Ausgabenüberhang von etwa 8 Milliarden DM — mit steigender Tendenz von einer Milliarde DM —, und der mußte gleichzeitig mit der Wiederingangsetzung der Konjunktur in Ordnung gebracht werden. Daher dieses Bündel von Maßnahmen.Zu den konjunkturfreundlichen Maßnahmen gehörte auch die hohe Entlastung der Altvorräte. Es besteht heute kein Zweifel mehr, daß die Entlastung der Altvorräte dem Bundesfiskus mehr kostet, als man ursprünglich errechnet hatte.
— Das war auch noch zu wenig; da haben sie noch mehr verlangt, richtig.
— Früher? Früher ging es technisch gar nicht mehr. Sie können doch nicht die Entlastung bringen, bevor die Belastung kommt.
— Die Entlastung der Altvorräte ging durch das ganze Jahr 1968 hindurch und geht in das Jahr 1969 hinein. Wann hätten denn Sie die Entlastung gebracht?
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Bundesminister, erinnern Sie sich, daß Sie in der Vorlage für das Parlament zugeben mußten, daß die zunächst vernachlässigte
Entlastung der Altvorräte schon im Herbst 1967 zu einem konjunkturellen Rückgang geführt hat, weil die Lager geleert wurden?
Nein, das bestreite ich. Diejenigen, die glaubten, daß das Problem der Entlastung der Altvorräte hier im Vordergrund stehe und daß die Lagerhaltung ausschließlich unter steuerlichen Gesichtspunkten erfolge, haben sich getäuscht. Das stimmte einfach nicht. Wir haben doch gesehen — —
— Bitte jetzt keinen Dialog! Wir reden ja sonst dauernd miteinander. Oder Sie müssen in Kauf nehmen, daß ich dementsprechend länger spreche.
— Bitte schön, Herr Staratzke!
Herr Staratzke zu einer Zwischenfrage.
Herr Minister, nur zur Erleichterung: Ist Ihnen noch bekannt, daß die Freien Demokraten bereits im Sommer 1967 einen Antrag eingebracht haben, die Entlastung der Altvorräte besser zu dotieren, und daß ,er damals abgelehnt worden ist? Im Oktober oder November war die Wirtschaft schon weitergerollt, und die Läger leerten sich schon. Da war es zu spät. Das meinte mein Kollege Genscher. Das hat mit dem Zeitpunkt der Inkraftsetzung gar nichts zu tun.
Herr Kollege Staratzke, Sie gehen leider von einem doppelten Irrtum aus. Erstens war es nicht zu spät.
— Die Tatsache, daß die Entlastung der Altvorräte heute wesentlich mehr kostet, als vorher überhaupt geschätzt werden konnte, zeigt, daß die Lagerhaltung Ende 1967 für die zu entlastenden Güter wesentlich größer war, als alle Unwetterprognostiker damals vorausgesehen haben.
Ich habe folgenden zwingenden Beweis dafür. Obwohl in diesem Jahr das reale Bruttosozialprodukt von 4 % auf 6 %, das nominelle von 6,2 % auf etwa 7,8 % steigen wird, erreichen wir beim Bund unsere Steuerschätzungen Ende des Jahres voraussichtlich nicht. Warum? Aus zwei Gründen. Das hängt mit dem Ertrag der Mehrwertsteuer zusammen, nicht mit dem Ertrag der anderen Steuern. Die anderen Steuern kompensieren zum Teil sogar den Ausfall bei der Mehrwertsteuer.Warum dieser Ausfall? Erstens, weil der entgegen allen Unkenrufen anhaltende außenwirtschaftliche Überschuß, d. h. unsere Exporttätigkeit, keinen umsatzsteuerlichen Ertrag bringt, und zweitens, weil die Entlastung der Altvorräte wegen ihrer we-
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Bundesminister Dr. h. c. Straußsentlich höheren Bestände als geschätzt uns wesentlich mehr an Steuerausfällen kostet.
Normalerweise müßte ein Zuwachs um 2 % für die öffentliche Hand rund 2 Milliarden DM Steuermehreinnahmen •erbringen, und zwar für Bund und Länder. Die Länder und Gemeinden nehmen etwas mehr ein, als ursprünglich geschätzt worden ist. Der Bund nimmt in diesem Jahr voraussichtlich 250- bis 300 Millionen DM weniger ein, als in der Steuerschätzung vorausgesehen worden ist.
Dieser Betrag hält sich bei 75 Milliarden DM Steuereinnahmen allerdings innerhalb einer kleinen Fehlerquote. Für uns haben sich hier zwei Fehler kompensiert. Die pessimistische Schätzung des Sozialprodukts einerseits und die optimistische Schätzung des Ertrags der Mehrwertsteuer haben sich gegenseitig so kompensiert, daß wir in diesem Jahr bei den Bundeseinnahmen mit plus minus Null abkommen werden.Ich habe die Frage der Entlastung der Altvorräte nur erwähnt, um zu zeigen, daß der Bund mit den zwecks Konsolidierung der Bundesfinanzen ergriffenen, aber der Konjunkturbelebung nicht gerade freundlichen Maßnahmen ein Bündel von anderen Maßnahmen verbunden hat, die der Konjunkturbelebung dienen, wie Sonderabschreibungen, zwei Konjunkturhaushalte, die auch einige Zinszuschüsse enthielten, plus Entlastung der Altvorräte. Mit diesem dosierten Instrument von Maßnahmen zu a sozusagen und Maßnahmen zu b ist es gelungen, einerseits die Bundesfinanzen befriedigend zu konsolidieren — ich sage nicht vorbildlich oder ideal, aber befriedigend — und andererseits die Konjunktur so in Gang zu bringen. Hätte sie noch früher in Gang gebracht werden sollen, hätte sie noch schneller, hätte sie mit noch höherem Heizeffekt angekurbelt werden sollen? Herr Kollege Starke, da sage ich Ihnen nein. Wir mußten aber die Konjunkturhaushalte etwas höher ausstatten, um die negativen Wirkungen der anderen Maßnahmen, von denen ich gesprochen habe, damit auszugleichen.Nun komme ich zu einem anderen Punkt, den ich noch erwähnen darf. Sie haben von der Drohung der Bundesregierung mit einer Aufwertung gesprochen. Ich glaube, Sie haben hier die Äußerung eines Ministerialdirektors aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die per Indiskretion, gleichgültig, von wem sie stammt, in die Öffentlichkeit gekommen ist, doch wohl etwas überbewertet. Die Bundesregierung hat mehrmals erklärt — und zwar waren sich Bundeskanzler, Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzminister einig —, daß sie unter Abwägung der positiven und negativen Argumente im Saldo der Argumente zu der Auffassung kommt, daß sie aus heutiger Sicht keinen Anlaß hat, an eine Aufwertung jetzt oder in vorausschaubarer Zukunft zu denken.
Ich sage ausdrücklich: unter Abwägung der positiven und negativen Argumente. So primitiv — ichmeine damit nicht Sie, Herr Kollege Starke —, wie es manchmal in der Öffentlichkeit da und dort geschieht, indem man sagt: Die Aufwertung ist schlechthin Unfug, oder indem man sagt: Die Aufwertung ist unser letztes Allheilmittel, kann man die Diskussion nicht führen. Es gibt beachtliche Argumente für die Aufwertung, es gibt beachtliche Argumente gegen die Aufwertung, wie immer- bei solchen Entscheidungen niemals die eine allein richtig und die andere allein falsch sein kann.
Aber die Bundesregierung ist der Meinung, daß sie unter Abwägung der positiven und der negativen Argumente keinen Grund hat, sich zu einer Aufwertung zu entschließen; es gibt ja eine Reihe von Gründen, die ich jetzt nicht im einzelnen hier darzulegen brauche. Deshalb hat die Bundesregierung nicht mit der Aufwertung gedroht.Wenn aber das Verhalten gewisser Wirtschaftskreise einerseits und andererseits der Druck von dieser oder jener Seite sich weiterhin kumulieren und weiterhin zu einem kumulierenden Effekt beitragen, dann kommt die Bundesregierung mit ihrem Nein in eine immer schwierigere Situation. Ich bin überzeugt, wir können das Nein aus gutem Grunde durchhalten. Denn würde die Bundesregierung sich dazu entschließen, einer Aufwertung das Wort zu reden, dann würden ohne Zweifel Wirkungen eintreten — Einnahmeausfall in gewissen Wirtschaftsbereichen, nicht zuletzt bei der Landwirtschaft; Störungen in gewissen exportorientierten, aber unter harten Konkurrenzverhältnissen arbeitenden Sektoren unserer Wirtschaft —, die den Bundeshaushalt einerseits durch einen Steuerausfall in beträchtlicher Höhe und andererseits durch die Notwendigkeit, irgendeine Art von Einkommensausgleich zu gewähren, belasten würden. Es gibt eine Reihe anderer Gründe. Aber hieraus müßte man für 1969 allein beim Bund einen Betrag in der Größenordnung von 2,6 bis 3 Milliarden DM ansetzen.Daß Steuererhöhungen nicht in Betracht kommen, darin sind wir einig. Eine Kürzung der Ausgabenblöcke um diesen Betrag zeichnet sich angesichts der sonstigen Wünsche, die gegenüber dem Bundeshaushalt bestehen, nicht ab. Ich habe in meiner Etatrede hier dargelegt, daß die großen Ausgabenblöcke nach dem, was im Laufe dieser Jahre gemacht worden ist, praktisch unbeweglich geworden sind, gleichgültig, ob das der soziale Bereich, der Agrarbereich, der Verkehrsbereich, der Bereich der wissenschaftlichen Forschung oder der Bereich der Verteidigung ist. Wo kann man noch nennenswerte Summen gegenüber dem von der Bundesregierung vorgelegten Haushalt einsparen? Uns ist nichts eingefallen. Ich bin überzeugt, daß auch dem Haushaltsausschuß wesentliche Einsparungen gegenüber dem Vorschlag nicht mehr gelingen.Man könnte also die Folgen einer Aufwertung nur durch Kreditfinanzierung verkraften. Das würde heißen, daß bei einer Nettokreditfinanzierung, Herr Kollege Starke, von 3,6 Milliarden DM im Haushaltsentwurf 1969 die Folgen einer Aufwertung zu einer Kreditnettofinanzierung von 6 Milliarden
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Bundesminister Dr. h. c. StraußDM führen würden. Damit hätten wir das paradoxe Spiel, daß wir einerseits die Nettokreditfinanzierung zur Überwindung der Konjunkturkrise gewaltig steigern müßten und daß wir sie dann, um die Folgen des Booms zu bewältigen, abermals in der gleichen Größenordnung halten müßten. Aus diesen Überlegungen — nicht nur aus diesen, aber für mich als Finanzminister hauptsächlich aus diesen — neben einer Reihe anderer Erwägungen kann ich nur nein zur Aufwertung sagen.Ich sage dieses Nein auch nicht aus taktischen Gründen. Man soll endlich mit den Wochenendspekulationen aufhören,
als ob die Bundesregierung einen Geheimbeschluß gefaßt hätte: Die Aufwertung ist beschlossen, nur der Tag X steht noch nicht fest. Damit bestreiten zahlreiche Organe — Publikationen usw. — und auch zahlreiche an der Spekulation interessierte Kreise ihre Existenz. Es gibt keinen Beschluß der Bundesregierung über eine Aufwertung. Es gibt keinen Beschluß der Bundesregierung, der etwa heißt: die Entscheidung ist certus, aber incertus quando. Die Bundesregierung hat sich nicht zu einer Aufwertung entschlossen, weder mit Terminsetzung noch ohne Terminsetzung. Nichts dieser Art liegt vor. Ich muß es aber der Deutlichkeit halber noch einmal sagen, weil diese ewigen Wochenendspekulationen allmählich die Gemüter beunruhigen, die Börse stören, eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung usw. schwierig machen und überhaupt ein Element der spekulationsbedingten Unsicherheit hineinbringen, das wieder ausgeschaltet werden muß.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Scheel? — Bitte, Herr Kollege Scheel!
Herr Minister, gerade unter Berücksichtigung der Folgekosten einer Aufwertung auch für den Bundeshaushalt: Würden Sie mir zustimmen, daß eine steuerliche Förderung von Kapitalanlagen im Ausland nicht nur für uns möglicherweise billiger wäre, sondern auch unsere Zahlungsbilanzsituation merklich entlasten und dem Aufwertungsdrängen aus dem Ausland entgegenwirken könnte?
Ich möchte mich zu dieser Überlegung grundsätzlich positiv aussprechen, Herr Kollege Scheel, und zwar auch deshalb, weil der reine Kapitalexport in Form des allgemeinen Wettlaufes auf DM-Anleihen durch das Ausland nicht unbegrenzt fortgesetzt werden kann. Dieser Wettlauf enthält auch gewisse Risiken. Es ist Ihnen vielleicht auch nicht entgangen, daß ich im Zusammenhang mit der Frage des Devisenausgleichs für die USA um Prüfung aller administrativen, kreditären und steuerlichen Möglichkeiten gebeten habe, deutsche Direktinvestitionen in den USA zu begünstigen. Das setzt dann allerdings voraus, daß auch auf der anderen Seite die Bereitschaft dazu besteht, solche Direktinvestitionen nicht mit administrativen oder anderen Hemmnissen zu erschwerden.Ich halte diesen Weg aus einer Reihe von Gründen für sehr überlegenswert. Ich behaupte nicht, daß das den Stein der Weisen oder das Ei des Kolumbus darstellt. Wir würden damit aber nicht nur die Frage des Devisenausgleichs langfristig leichter lösen können — jedenfalls teilweise einen Beitrag leisten —, wir würden auch die psychologisch-politische Belastung durch das Schlagwort „Ausverkauf der deutschen Wirtschaft" durch potente amerikanische Kapitaleigentümer reduzieren. Außerdem halte ich es für sehr wünschenswert, daß der wirtschaftliche Weg über den Ozean keine One-way-street, sondern eine Two-way-street wäre. Nicht nur die Kapitalverflechtung in der EWG, auch die transatlantische Verflechtung von drüben herüber und von hier hinüber hat ihre unbestreitbaren, nicht nur kommerziellen, auch politischen Vorteile kurzfristiger und langfristiger Art. Für unsere Investoren drüben besteht das Problem, daß 4 DM für einen deutschen Unternehmer mehr sind als ein Dollar für einen amerikanischen Unternehmer. Diese psychologische und praktische Schwelle etwas niedriger zu gestalten, ist eine Aufgabe, die des Schweißes der Edlen wert ist. Ich möchte mich also zu diesem Vorschlag grundsätzlich positiv aussprechen und sagen, daß ich bereit bin und schon begonnen habe, alle Möglichkeiten zu prüfen, wie man auf diesem Wege Erleichterungen verschaffen kann und damit auch dieses heikle Problem der Aufwertung nicht in dieser von manchen Seiten immer wieder angedeuteten Form zu lösen braucht.Darüber hinaus kommen auch noch einige Ungewißheiten auf uns zu. Wir wissen noch nicht, ob die neue amerikanische Administration eine import-tax oder einen Exportbonus einführen wird. Das ist eine offene Frage. Wir hoffen alle, daß der Vietnam-Krieg möglichst bald zu Ende geht. Das wird wirtschaftliche Veränderungen in mindestens zwei Kontinenten mit sich bringen, sowohl auf dem asiatischen Kontinent wie in den USA. Das steht außer jedem Zweifel. Dann werden auch durch die Umstellungsschwierigkeiten die Amerikaner wieder mit vermehrter Kraft als Konkurrenten auf dem Weltmarkt erscheinen. Wir brauchen das nicht zu fürchten; das ist eine gute Erscheinung als Folge der Umstellung auf Friedensproduktion.Aus all diesen noch nicht übersehbaren Ereignissen heraus, Herr Kollege Starke, kommt die Bundesregierung in der Frage der Aufwertung zu einem ganz klaren Nein, wobei sie die Argumente ihrer Ratgeber, die anders lauten, selbstverständlich mit in die Prüfung einbezogen hat. Wenn Sie vorher sagten, man wisse nicht, wo die Wissenschaft aufhöre und wo das Wahlgeschenk beginne: es gibt nicht nur Wissenschaft oder Wahlgeschenk, es gibt dazwischen auch Politik, die weder unbedingt rein wissenschaftlich fundiert zu sein braucht noch etwa wie ein Wahlgeschenk wirkt. Wir sind unseren wissenschaftlichen Ratgebern dankbar. Der Bereich der Wissenschaft ist ein Bereich, der Bereich der Politik ist ein anderer Bereich. Beide sollen nicht in einem
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Bundesminister Dr. h. c. Straußunauflöslichen und unversöhnlichen Gegensatz zueinander stehen. Aber die Kategorien der wissenschaftlichen Beratungen und ihre Schlußfolgerungen sind nicht automatisch identisch mit den Kategorien der politischen Entscheidungsbildung.
Die beiden gehören jetzt und in Zukunft verschiedenen Bereichen an. Es fällt dem einen keine Perle aus der Krone, wenn er den anderen ernst nimmt, und es fällt dem anderen keine Perle aus der Krone, wenn er sich damit abfindet, daß der Politiker nicht automatisch das ausführt, was ihm der wissenschaftliche Rat empfiehlt, ganz abgesehen davon, daß oft auch der wissenschaftliche Rat gar nicht so eindeutig ist und durchaus verschiedene Möglichkeiten offenläßt.Ein letztes Wort — um Sie nicht noch länger aufzuhalten. Es ist davon gesprochen worden, daß weder ein klarer Auftrag noch eine präzise Zielsetzung da sei. Wir mußten ja einerseits, Herr Kollege Starke, der kommenden Kommission objektiv und subjektiv die Freiheit ihrer Arbeit gewährleisten. Wenn ihr die Bundesregierung einen Auftrag gibt und in dem Auftrag von vornherein auch andeutet, was das Ziel der Überlegungen der Kommission sein soll, dann wären wir angesichts der Bedeutung und der Sachkunde der in dieser Kommission jetzt zusammentretenden Persönlichkeiten wahrscheinlich in erhebliche und verständliche Schwierigkeiten geraten. Wir haben in unserem Einladungsschreiben den Auftrag in Umrissen formuliert. Ich verrate kein Staatsgeheimnis, wenn ich sage, daß gestern die Besprechung zwischen Staatssekretär Grund, Präsident Eberhard und mir stattgefunden hat, bei der über die Abgrenzung des Auftrags gesprochen worden ist. Wir sind uns nunmehr sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung als auch hinsichtlich der Formulierung des Auftrags so weit einig, daß noch vor Weihnachten die erste Sitzung dieser Kommission und, wie ich annehme, auch die Bildung der beabsichtigten Unterkommissionen oder Arbeitskreise erfolgen werden. Es heißt:Die Kommission erhält den Auftrag, ein Gutachten zur Vorbereitung einer umfassenden Steuerreform auszuarbeiten, das sowohl die direkten Steuern als auch die indirekten Steuern sowie die Prämiengesetze behandelt. Nach Möglichkeit soll das Gutachten spätestens bis Mitte 1970 vorgelegt werden.Dazu eine Bemerkung: Die von uns konsultierten Mitglieder dieser Kommission halten es nicht für möglich, diese Arbeiten innerhalb eines Jahres durchzuführen und abzuschließen. Denn der Auftrag an diese Kommission ist mindestens genauso schwierig und umfangreich, wenn nicht schwieriger und umfangreicher als der Auftrag an die Finanzreformkommission. Wenn die Finanzreformkommission von 1962 bis, wie ich glaube, 1966 gebraucht hat — ich sage das ohne jeden Vorwurf —, dann verlangen wir von der Steuerreformkommission schon viel, wenn wir von ihr erwarten, daß sie in 18 Monaten das Ergebnis ihrer Arbeiten, ihrer Überlegungen vorlegt.Ferner heißt es in dem Auftrag:Für die Ausarbeitung der Reformvorschläge stehen der Kommission das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, die Vorschläge der Einkommensteuerkommission, des Bundes Deutscher Steuerbeamter, des Bundes der Steuerzahler und andere wichtige Vorschläge zur Auswertung zur Verfügung.— Z. B. auch die Denkschrift über die Besteuerung der freien Berufe. —Die Vorschläge der Kommission- so haben wir weiter formuliert — sollen zu einem Steuerrecht führen, das— ohne Aufgabe der allgemein gültigen Grundsätze des Steuerrechts besonders die Zielsetzungen einer modernen Finanzpolitik —sowie den Grundsatz der Gleichmäßigkeit und sozialen Gerechtigkeit der Besteuerung berücksichtigt. Dabei sollen auch Möglichkeiten zum weiteren Abbau von Steuervergünstigungen eingehend untersucht werden. Ganz besonderer Wert ist auf eine Vereinfachung des Steuerrechts zu legen. Es werden schließlich die Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der EWG berücksichtigt werden müssen, wobei u. a. auch das Verhältnis zwischen den direkten und den indirekten Steuern von Bedeutung sein wird. Durch die Steuerreform soll das Volumen der Steuereinnahmen— in Zukunft —gegenüber dem jetzigen Rechtszustand einschließlich der Zuwachsquoten nicht verändert werden.So lautet nunmehr die gestern mit Präsident Eberhard abgesprochene Formulierung.Dabei besteht Übereinstimmung darüber — was Sie auch als EWG-Parlamentarier interessieren wird, Herr Kollege Starke —, daß sich diese Kommission nicht mit der Reichsabgabenordnung befassen soll, für die ein Arbeitskreis eine Neufassung erarbeitet hat, die wir nur deshalb nicht vorlegen, weil das Parlament in dieser Legislaturperiode nicht mehr in der Lage ist, zu allen anderen Dingen auch noch die Abgabenordnung als eine weitere Reform zu verabschieden. Das werden das Finanzministerium und die Regierung der nächsten Legislaturperiode tun müssen. Weiter sind wir der Meinung, daß das Bewertungsgesetz, das erst vor kurzem reformiert worden ist, auch nicht mehr einer grundsätzlichen Überprüfung unterliegen kann.Wir sind ferner der Meinung, daß die Eingangsabgaben, die weitgehend der Regelung durch die EWG unterliegen, auch nicht von der Kommission behandelt werden können, weil das nicht innerhalb nationaler Zuständigkeit liegt. Auch der auslaufende Lastenausgleich sowie das System der Umsatzsteuer sollten nicht innerhalb der Kommission zur Diskussion gestellt werden, wohl aber die Frage der Steuersätze, ihrer weiteren Entwicklung, und dann ist die Frage der Gewerbesteuer einzubeziehen usw.
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Bundesminister Dr. h. c. StraußIch darf schließlich noch sagen, Herr Kollege Starke, daß das Ausmaß der Nettoverschuldung — im Jahr 1967 mit 8,8 Milliarden DM, im Jahr 1968 mit 7,15 Milliarden DM, wie sich jetzt abzeichnet, 1969 mit 3,6 Milliarden DM, bei einer Steigerungsrate des Bundeshaushalts von 1967 auf 1968 um 6,8% und von 1968 bis 1969 noch um 5,4 % — sich durchaus im Rahmen der normalen Entwicklung des Bundeshaushalts hält.Auch in Zukunft werden nur 6 % der gesamten öffentlichen Ausgaben durch die Nettokreditaufnahme finanziert werden. Diese 6 %-Finanzierung durch Nettokreditaufnahme entspricht auch dem Durchschnitt der Jahre 1950 bis 1968 und bleibt damit unter der konjunkturell bedingten Höhe von 8 % der Jahre 1967/68. Man kann nicht das Volumen der Nettokreditaufnahme völlig ohne jede Beziehung zur Größe und zum Wachstum des Gesamthaushalts sehen.
Das gilt in der Privatwirtschaft, und das gilt auch in der öffentlichen Finanzwirtschaft.Die letzte Zahl, die zur Beruhigung beitragen soll, ist folgende. Auch in Zukunft werden nur 25 % der Ausgaben des Bundes, die als Investitionsausgaben oder wachstumsfördernde Ausgaben nach der Statistik anzuerkennen sind, durch Kreditaufnahme finanziert werden. 75 % — die Zahlen schwanken zur Zeit zwischen 27 und 24 %, ich wähle deshalb die Durchschnittszahl 25, weil der Prozentsatz degressiv ist — werden im Durchschnitt durch ordentliche Einnahmen finanziert. Ich glaube, daß eine Finanzpolitik, die ein Viertel der Investitions- und Wachstumsausgaben aus Kredit und drei Viertel aus ordentlichen Einnahmen finanziert, noch durchaus als solide bezeichnet werden kann.
Meine Damen und Herren, ein Wort zur Geschäftslage! In einer guten halben Stunde treten wir in die zweistündige Mittagspause ein. Es gibt eine Vereinbarung, daß wir dann um 15 Uhr mit der Beratung der Vorlagen zur Verkehrspolitik — Stichwort „Leber-Plan" —beginnen.
Mir liegen noch drei Wortmeldungen vor, die wir wohl nicht mehr alle erledigen können. Das hieße, daß diese Debatte heute am späteren Nachmittag — nach Erledigung der verkehrspolitischen Vorlagen — fortgesetzt werden müßte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Staratzke.
Herr. Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde versuchen, meine Anmerkungen so kurz zu machen, daß wir vielleicht doch noch bis 13 Uhr zu Rande kommen.Die Drucksache V/3363, die hier als Antwort auf die fünf Fragen der Freien Demokraten zugrunde liegt, hat natürlich vieles ergeben und vieles erleichtert. Wir haben vieles beantwortet bekommen. Aber ich muß auch sagen, daß vieles nicht befriedigend beantwortet worden ist. Deshalb müssen wir in Ergänzung dieser Beantwortung der fünf Fragen noch einmal auf einige Punkte eingehen.Zunächst aber vorweg eine Bemerkung! Frau Kollege Kurlbaum-Beyer hatte bemerkt, daß die Große Anfrage zur Steuerpolitik, die in der Tat im Dezember vorigen Jahres eingebracht worden ist, sich im Laufe der Zeit gewandelt habe. Frau Kurlbaum-Beyer, ich kann das nicht feststellen. Ich bin jedenfalls nicht der Meinung, daß wir bezüglich des Inhalts Wesentliches geändert hätten; denn die Große Anfrage war damals auf Grund der aufsehenerregenden Vorschläge vorgesehen, die der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums gemacht hatte. Die Überraschungen, die sich dabei ergaben, haben natürlich zu der Frage geführt, ob sich die Bundesregierung oder der Bundesfinanzminister davon distanziert oder nicht. Ich meine, seit der Veröffentlichung dieses Gutachtens im Spätherbst vorigen Jahres hat sich der Bundesfinanzminister zwar persönlich ein paarmal von einer Reihe von Fragen distanziert; aber eine klare Absage haben wir jedenfalls nicht feststellen können, auch nicht in der schriftlichen Antwort des Bundesfinanzministeriums. Insofern ist das der Ausgangspunkt gewesen. Wir haben im Sommer dieses Jahres unsere Anfrage zwar modernisiert — das ist unser gutes Recht —, aber nicht wesentlich dem Inhalt nach geändert.Meine Damen und Herren, ich will nur auf die Punkte eingehen, die noch klärungsbedürftig sind bzw. durch die Ausführungen der Vorredner einigen Widerspruch erzeugt haben. Ich möchte zunächst aber noch eine Vorbemerkung machen. Es ergibt sich manchmal, daß man hauptsächlich im Blick auf die Vergangenheit oder auch auf die Gegenwart spricht. Unser Anliegen war es aber, Zukunftsbetrachtungen anzustellen, Zukunftsbetrachtungen hinsichtlich der Steuerpolitik der Bundesregierung.
In der schriftlichen Antwort auf unsere erste Frage stellt der Bundesfinanzminister fest, daß eine Erhöhung der Steuerbelastungsquote weder erforderlich noch vertretbar erscheine. Diese Antwort ist natürlich sehr zufriedenstellend. Wenn das so wäre, könnten wir diese Antwort lebhaft begrüßen. Mir scheint aber hier zunächst übersehen worden zu sein, daß sich natürlich bei steigendem Sozialprodukt und bei Aufrechterhaltung der progressiven Steuertarife, vielleicht sogar, wenn es nach den Vorstellungen des Wissenschaftlichen Beirats ginge, nach einer noch stärkeren Progression der Steuertarife, die Steuerbelastungsquote automatisch erhöhen muß. Das ist eine Rechnung, die jeder kennt, und die ist nach meiner Meinung in der Beantwortung der Frage übersehen worden.Das zweite, was zu dieser allgemeinen Frage zu sagen ist, betrifft die internationalen Vergleiche der Steuerlastquoten. Hier stellt der Bundesfinanzminister fest, daß die Bundesrepublik eine Art Mittelstellung im Kreise der Länder einnehme. Zunächst einmal möchte ich diese Mittelstellung stark anzweifeln. Man braucht sich nämlich nur diejenigen Staaten anzusehen, die eine möglicherweise noch
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Dr. Staratzkehöhere Steuerlastquote aufzuweisen haben. Ich meine aber auch, daß das keine sehr überzeugende Begründung ist; denn wir müssen uns doch darauf einstellen, daß wir in einen größeren Markt eintreten. Wir haben schließlich eine EWG. Nach meiner Meinung kommt es bei den steuerlichen Fragen eben entscheidend darauf an, die deutsche Steuerlastquote mit derjenigen anderer EWG-Staaten zu vergleichen, mit denen wir zusammenarbeiten sollen, weil wir auch hier natürlich die Grenzen abbauen müssen; die Zollgrenzen sind ja schon gefallen. Wir wissen, daß die steuerlichen Lasten beim grenzüberschreitenden Verkehr gerade nach dem Abbau der Binnenzölle viel deutlicher zum Ausdruck kommen, als dies früher beim Vorhandensein unterschiedlicher Zölle naturgemäß der Fall war.Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht auf die Statistiken eingehen. Sie sind sehr unterschiedlich. Die OECD hat andere Rechnungen gemacht als das Bundesfinanzministerium. Einmal hat man die Steuerlast allein berechnet, dann hat man die Sozialversicherungsbeiträge hinzugenommen. Diese internationalen Steuerbelastungsvergleiche — ich glaube, das weiß jeder Steuerstatistiker — sind sehr problematisch.
— dann werden meine Kollegen ihm das sagen —, würde ich bei einer solchen Betonung dieser internationalen Vergleiche in der schriftlichen Antwort, in der dann für die Bundesrepublik ein so günstiges Ergebnis herauskommt, sagen: Soll das womöglich die Vorbereitung und der Auftakt für neue Steuererhöhungen bei uns sein? Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn es hier so dargestellt wird, als ob die deutsche Steuerlastquote so eine Art Mittelstellung einnimmt.
— Ich habe gesagt, Herr Kollege Kurlbaum: wenn ich boshaft wäre. Ich bin ja nicht boshaft.
— Es drängt sich einem die Frage auf. Frau Kollegin, Sie haben doch vorhin selbst gehört, was im Rohr ist, was wieder kommen soll. Das wissen wir doch alle. Sie müssen mir schon gestatten, in dieser vorsichtigen Form zu sagen, daß sich hier manchem dieser Eindruck aufdrängt.
— Beförderungsteuer, Grundsteuer. Soll ich Ihnen weiter sagen, was da alles noch zu nennen wäre?Ich möchte aber nicht auf die Vergangenheit eingehen, sondern ich möchte mit den wenigen Sätzen gerade etwas über die Zukunft sagen. Meine Damen und Herren, diese Steuerlastquoten sind ja außerdem — das muß man auch wissen; das wissen natürlich auch die Beamten des Finanzministeriums ganz genau — im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt sowieso nicht voll aussagefähig; denn es kommt in der Besteuerung natürlich immer darauf an, welche Steuerarten und welche Steuersysteme vorhanden sind. Sie drücken sich für den einzelnen Steuerzahler und für den einzelnen Betrieb, das einzelne Unternehmen eben anders aus als bei einem allgemeinen Vergleich der Steuerlastquoten mit dem Bruttosozialprodukt. Das hat die Bundesregierung in der schriftlichen Antwort im übrigen sogar selbst gesagt. Sie hat nämlich dort gesagt: Es kommt nicht auf die Prozentsätze an, sondern es kommt auf die ökonomische Wirkung der Steuern auf das einzelne Unternehmen und auf den einzelnen Steuerzahler an. Insofern meine ich, daß hier eine Überbewertung dieser Vergleiche vorliegt.Nun aber eine andere Sache, die mir höchst unbefriedigend beantwortet zu sein scheint. In der schriftlichen Antwort findet sich die Mitteilung der Bundesregierung, daß sie den im Jahre 1967 vorgelegten ersten Bericht über Subventionen aus zeitlichen Gründen nicht mit Vorschlägen über den Abbau von Finanzhilfen versehen konnte. Das bedauern wir sehr. Einer der Vorredner — ich weiß jetzt nicht mehr, wer es war — hat besonders betont und immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß das ja eine Aufgabe der Fraktionen oder sogar der Opposition wäre. Lassen Sie mich dazu sagen: Nein, meine Damen und Herren, hier ist im Stabilitätsgesetz etwas fixiert. In § 12 des Stabilitätsgesetzes steht ausdrücklich, daß die Bundesregierung dazu verpflichtet ist.Nun werden diese Abbauvorschläge im Rahmen des zweiten Berichts vorgesehen, der entsprechend der gesetzlichen Regelung 1969 vorzulegen ist. Sie werden für diesen Bericht angekündigt. Ich frage die Kollegen: Glauben Sie im Ernst, daß .im Wahljahr 1969 von dieser Koalition hier konstruktive Lösungen in Richtung auf Reduzierung steuerlicher Subventionen vorgelegt werden können?
Ich meine, daß das nicht der Fall ist. Der Bundesfinanzminister hat schon mit seinem ihm eigenen Geschick darauf hingewiesen, daß diese Fragen in die nähere oder weitere Zukunft verschoben werden. Er hat die Steuerreformkommission angeführt und dabei erklärt, daß der Auftrag eben dieser Steuerreformkommission mit übergeben werden soll. Ich darf in aller Klarheit feststellen: der Auftrag an die Bundesregierung, der in § 12 des Stabilitätsgesetzes fixiert ist, ist bisher nicht erfüllt worden.Nun die Sache mit dem Splitting. Der damalige Vorschlag des Bundesfamilienministers, eine vorläufige Erhöhung der Kinderfreibeträge durch eine Einschränkung des Ehegattensplittings zu finanzieren, würde zumindest zu einer teilweisen Einführung der gerade vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Haushaltsbesteuerung führen. Meine Freunde und ich hatten wirklich gehofft, daß sich die Bundesregierung von diesem Vorschlag distanzieren werde, nachdem dieses oberste Gericht die aus der Haus-
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Dr. Staratzkehaltsbesteuerung entstandene Rechtsfrage eindeutig geklärt hat.
Das ist nicht der Fall gewesen, was wir sehr bedauern, und das ist auch nicht mit den Bemerkungen in der schriftlichen Antwort geschehen. Ich darf mich darauf beziehen.Wer die Große Anfrage und die Begründung dazu gelesen hat, der wird festgestellt haben, daß wir bestrebt waren, im Hauptteil, nämlich in den Fragen 3 und 5, das Schwergewicht einerseits auf die Reformideen — ich sage ausdrücklich: die überraschenden Reformideen — des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministenium und andererseits auf die Frage der Steuerharmonisierung oder besser der Steuersystemharmonisierung in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu legen. Ich unterstreiche, daß mit der Einführung des Mehrwertsteuersystems in der Bundesrepublik ohne Zweifel ein Schrittehen lin jenes Feld der Steuersystemharmonisierung getan worden ist, einer Harmonisierung, die wir in der EWG aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit unbedingt anstreben müssen.Nun sind aber die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium allesamt den Harmonisierungs- und Angleichungsbestrebungen völlig konträr. Wenn man an den großen Markt und an die binnenmarktähnlichen Verhältnisse denkt, die es anzustreben gilt, darf man die direkten Steuern — ich will mich vorsichtig ausdrücken — in ihrer Gesamtheit bei uns in der Bundesrepublik nicht anheben. Man müßte sie im Gegenteil senken. Denn es ist wissenschaftlich unbestreitbar, daß die direkten Steuern, ganz sicher aber die gewinnunabhängigen direkten Steuern Kostencharakter haben, und ihr Anteil am Gesamtsteueraufkommen ist bei uns im Verhältnis zu den anderen Mitgliedsländern in der EWG entschieden am höchsten, weil wir z. B. die Vermögensteuer, die Gewerbesteuer und die Vermögensabgabe haben, alles Steuern, die in anderen Ländern nicht oder in wesentlich geringerem Umfang vorhanden sind. Der kalkulatorische Effekt dieser gewinnunabhängigen Steuern vervielfacht sich obendrein noch mit steigendem Kapitaleinsatz und mit niedrigeren Erträgen in den Unternehmen. Ich möchte es einmal anders ausdrücken — wie es die Wissenschaft sagt —: die Kostenwirksamkeit und damit die Wettbewerbsnachteiligkeit steigt mit der Kapitalintensität und mit sinkendem Ertrag.Gestatten Sie mir noch ein offenes Wort zur Verschärfung auch der Vermögensteuer, die ebenfalls in den Gedanken des Wissenschaftlichen Beirates zu finden ist. Hierzu möchte ich in aller Deutlichkeit folgendes sagen. Mit Blickrichtung auf die EWG und den Gemeinsamen Markt sollte man die Vermögensteuer eher ermäßigen. Denn sie ist eine Steuer, die es fast nur noch in unserem Land gibt, und diese hohe Vermögensteuer führt bei Betrieben mit hoher Kapitalintensität — das werden immer mehr Unternehmen aller Größen sein — dazu, daß unmittelbar in die Substanz eingegriffen wird, wenn die Erträge mager oder keine Erträge mehr vorhanden sind.Das gleiche gilt für die Gewerbesteuer. Dazu hat mein Kollege Starke ausführlich berichtet.Die absurde Idee mit der Abschaffung der Degression möchte ich hier nicht noch einmal anführen. Sie ist, das muß ich ausdrücklich bestätigen, in der schriftlichen Antwort des Bundesfinanzministeriums abgelehnt worden, und sie ist auch hier in den Ausführungen meiner Vorredner noch einmal als absurd gekennzeichnet worden. Aber, meine Damen und Herren, wir kommen doch nicht daran vorbei, in einem großen Markt, in der EWG, auch unsere Steuerpolitik entsprechend zu orientieren, auch bei den degressiven Abschreibungen, die wir ja unbestritten behalten wollen, weil sie aus den verschiedensten Gründen — die auch der Finanzminister soeben genannt hat — kein Geschenk, sondern eine zwingende Notwendigkeit darstellen. Die steuerpolitische Zielsetzung in Richtung auf den Gemeinsamen Markt und auf die steuerliche Harmonisierung erfordert nach unserer Meinung nicht nur die Aufrechterhaltung einer solchen degressiven Abschreibungsmethode, sondern auch eine angemessene Verbesserung, damit wir international gleichziehen. Das hat mit den Dingen, die im Stabilitätsgesetz vorhanden sind, mit einer möglichen Variierung, nichts zu tun; es geht hier um die Frage des Verhältnisses der Degression zur linearen Abschreibung, das entschieden verbessert werden muß, wenn wir international gleichziehen wollen.Wenn wir die Integration wirksam fördern wollen — und wir sprechen doch in diesem Hause so oft über eine echte Integration, über einen europäischen Markt, den wir ständig noch erweitern wollen —, müssen wir auf steuerlichem Gebiet ein Optimum an Systemharmonisierung erreichen. Was nützen alle Bemühungen um diese Integration, um eine Niederlassungsfreiheit, um eine Arbeitskräftefreiheit usw., wenn es Kostendifferenzen, und zwar erhebliche Kostendifferenzen, gibt, die durch Steuern entstehen, die weder der Arbeitnehmer noch der Unternehmer beeinflussen kann?Die Bundesregierung hat nun, zu meiner großen Überraschung, muß ich sagen, in ihrer Antwort auf die Frage 5 gesagt, daß das in der Bundesrepublik bestehende Anteilsverhältnis von direkten und indirekten Steuern ausgewogen ist, und auch Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer hat, wenn ich sie recht verstanden habe, bestätigt, daß dem so sei. Die Bundesregierung zieht daraus den Schluß, daß dieses Anteilsverhältnis auch für die anderen Mitgliedstaaten der EWG anzustreben sei. Tatsächlich ist aber, das kann man jederzeit in den Statistiken nachsehen, das in der Bundesrepublik bestehende Anteilsverhältnis der direkten und indirekten Steuern für die EWG-Mitgliedstaaten keineswegs typisch, wie wir übrigens auch in der Begründung unserer Anfrage in Zahlen einwandfrei dargelegt haben. Wir wissen ganz genau, daß in Frankreich und in Italien die indirekten Steuern überwiegen, und zwar beträchtlich. Wir wissen natürlich alle, warum man sich in diesen Ländern auf die indirekten Steuern stützen muß, weil man sonst nämlich in
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10486 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. StaratzkeGefahr käme, die Staatseinnahmen nicht voll zu erhalten.
— Entschuldigen Sie, was heißt „Na also"? Das ist doch eine Tatsache. Ich stelle nur fest, daß das Anteilsverhältnis nicht ausgewogen ist. Wir wissen doch, daß in anderen Staaten die indirekte Besteuerung sehr viel höher ist als bei uns. Da wir aber nur indirekte Steuern an den Grenzen ausgleichen, wie wir ja wissen, bedeutet eben die Belastung in Staaten wie der Bundesrepublik mit direkten Steuern, die in die Kalkulation eingehen, eine Wettbewerbsverfälschung. Das ist doch unbestritten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
Herr Kollege, sind Sie sich nicht bewußt, daß wir bei einem Vergleich nicht nur unsere Handelspartner innerhalb der EWG, sondern auch unsere großen Handelspartner außerhalb der EWG — die USA, Großbritannien — heranziehen müssen, bei denen die Verhältnisse ganz anders liegen, und sind Sie wirklich der Meinung, daß wir uns nun dem System der Länder anschließen sollten, die einfach wegen der geringeren Steuerehrlichkeit zu diesem System gezwungen sind?
Herr Kollege Kurlbaum, ich wollte die Versammlung nicht aufhalten; aber wenn Sie mich so direkt fragen, dann darf ich Ihnen sagen: Es ist selbstverständlich, daß wir auch die anderen einbeziehen müssen. Ich habe vorhin ausdrücklich bemerkt, daß es natürlich besonders notwendig ist, mit denjenigen Ländern steuerkostenmäßig ins reine zu kommen, gegenüber denen es keine Zölle mehr gibt, gegenüber denen wir also in eine Wirtschaftsunion hineinsteuern und somit andere Mittel, wie wir sie z. B. gegenüber den Vereinigten Staaten haben, nicht mehr besitzen. Wenn Sie, Herr Kollege Kurlbaum, sich die Tabellen des Vergleichs der Steuerbelastungsquoten ansehen, dann werden Sie finden, daß die der Vereinigten Staaten sehr viel niedriger liegen.
Ich stelle ja nur fest, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Anfrage erklärt hat, das Verhältnis, wie wir es haben, sei ausgewogen, und die anderen müßten sich nach uns richten. Das hat sie gesagt, und das bestreite ich aus den Gründen, die ich soeben nannte. Weil z. B. die Franzosen und die Italiener das einfach nicht können, müssen wir — und jetzt komme ich darauf zu sprechen — eine mittlere Linie bei einer Steuerharmonisierung suchen. Anders ist die Lösung nach meiner Meinung nicht zu finden. Wie sie aussieht — ich weiß genau, daß man nicht nur die Mehrwertsteuer nehmen kann, sondern daß es auch noch andere indirekte Steuern gibt —, ist eine andere Frage. Aber die Behauptung, bei uns sei das Verhältnis ausgewogen, und die anderen müßten sich tunlichst nach uns richten, halte ich für absurd. Deswegen behaupte ich, daß man hier widersprechen muß, und das tue ich hiermit.
Ich will damit zum Schluß kommen, weil im Kern alles gesagt ist. Meine Freunde und ich meinen, daß die Angleichung von Steuersystemen und Steuerstrukturen der Mitgliedstaaten der EWG ein Erfordernis für diese Integration und diese Einigung ist. Vorhin ist in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage, die wir gestellt hatten, von seiten der Bundesregierung ein bißchen zaghaft, ein bißchen schüchtern gesagt worden, daß die Steuerreformkommission ihre Arbeit auch auf die Steuerharmonisierung in der EWG ausrichten soll. Ich sage aber ausdrücklich: etwas schüchtern; vielleicht wird das noch kräftiger, wenn die Steuerreformkommission nun in die Arbeit eintritt. Wir meinen, daß das ein Erfordernis ist für die Integration und für die unbedingt notwendige Fortsetzung der Arbeiten in Richtung auf eine Wirtschaftsunion. Deswegen haben wir auch unsere Fragen in diese Frage ausmünden lassen: Wie denkt eigentlich die Bundesregierung über die Steuerharmonisierung in der EWG für die Zukunft?
Meine Damen und Herren, wir haben noch drei Wortmeldungen hier vorliegen: von Herrn Krammig, Herrn Genscher und Herrn Staatssekretär Arndt. Herr Staatssekretär Arndt teilt mir mit, daß er gegebenenfalls auf das Wort verzichte. — Er verzichtet. Wenn auch die anderen Kollegen dazu bereit wären, könnten wir die Debatte schließen und brauchten sie am späten Nachmittag nicht wieder aufzunehmen.
— Ja, wenn das nur Sätze sind, schaffen wir es noch. Sie haben das Wort, Herr Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht des Umstandes, daß die Vorredner die vom Ältestenrat vorgesehene Zeit fast restlos ausgenützt und damit den Kollegen, die noch etwas sagen wollten, die Möglichkeit zu sprechen genommen haben, verzichte ich auf das Wort.
Das Wort hat Herr Genscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zeitmangel zwingt mich zur Beschränkung auf wenige Bemerkungen.Die Große Anfrage der FDP zur Steuerpolitik sollte der deutschen Öffentlichkeit und der Wirtschaft Aufschluß darüber geben, welche Steuerpolitik diese Regierung anstrebt. Vor allen Dingen sollte sie verläßlich eine Auskunft darüber geben, ob wir mit einer Erhöhung der Gesamtsteuerbelastung rechnen müssen. Darauf hat es eine vertrauenswürdige Antwort der Bundesregierung, meine verehrten Damen und Herren, nicht gegeben.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10487
GenscherDer Satz: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß eine Erhöhung der Steuerbelastungsquote, wie sie sich nach dem geltenden Steuerrecht entwickelt, weder erforderlich noch vertretbar ist", klingt schön, aber er hätte heute durch eine Erklärung des Finanzministers untermauert werden müssen, wie denn die Regierung alle diejenigen Projekte finanzieren will, die sie permanent in Reden außerhalb und innerhalb dieses Hauses verkündet.
Da ist die große Lösung des Wirtschaftsministers zur Vermögensbildung. Da sind die Vorstellungen zur Verteidigungspolitik. Da sind die Verhandlungen über den Devisenausgleich. Da sind die Vorstellungen des Bundeswirtschaftsministers über eine Mineralölgesellschaft und vieles mehr. Das alles, meine Damen und Herren, stellt uns vor Haushaltsprobleme, deren Lösung die Regierung hier mindestens andeuten mußte, wenn sie erwartet, daß ihre Erklärung nicht nur als platonisch empfunden wird.Diese Begründung wäre auch deshalb erforderlich gewesen, weil Frau Kollegin Kurlbaum-Beyer hier erkennen ließ, daß auch die Sozialdemokratische Partei Probleme sieht, mit Recht Probleme sieht, wie die Haushalte angesichts dieser Ziele der Bundesregierung ausgeglichen werden sollen, eine Tendenz, die auch schon in der Rede des Herrn Kollegen Möller am Schluß der letzten Debatte über die Regierungserklärung angeklungen ist. Hier fehlt es an der Untermauerung, und die Bundesregierung selbst hat doch die Verläßlichkeit dieser ihrer Absage an eine Steuererhöhung in Frage gestellt, wenn sie nämlich in derselben Antwort auf unsere Große Anfrage erklärt: Es wird nur dann möglich sein; die bestehende Steuerbelastungsquote nicht zu überschreiten, wenn Bund und Länder sich bei der Inangriffnahme neuer ausgabenwirksamer Maßnahmen äußerste Beschränkungen auferlegen und die finanziellen Auswirkungen der Gesetzesvorhaben auch auf die Haushalte späterer Jahre genauestens beachten. Meine Damen und Herren, wie wollen Sie diese Erklärung in ein Verhältnis setzen zu dem Verhalten etwa der Ministerpräsidenten zu den Zuständigkeiten und Möglichkeiten des Finanzplanungsrates?Herr Kollege Starke hat darauf hingewiesen, daß es einer der Hauptrechtfertigungsgründe für die Große Koalition war, daß man verfassungsändernde Mehrheiten hat und daß man davon Gebrauch macht. Sie sind aber nicht einmal in der Lage, Ihre Ministerpräsidenten auf eine einheitliche finanzpolitische Linie mit dem Bund zu bringen, meine Damen und Herren. Das sind Ihre innerparteilichen Probleme, die Sie zu Lasten des Staates und der Gesamtheit nicht lösen können.
Eine gemeinsame Finanzpolitik ist nun einmal die Voraussetzung einer homogenen Steuerpolitik. Wir müssen doch das schreckliche Gegeneinander-hochschaukeln vermeiden: daß einmal die Finanzmasse des Bundes, dann die der Länder nicht ausreicht und daß dann jeweils Steuererhöhungen beschlossen werden müssen, die auch demjenigen Teil zugute kommen, der eigentlich im Augenblick keinen Finanzbedarf hat. Hier liegen die Probleme, und die haben Sie nicht gelöst. Hier haben wir eine Antwort der Bundesregierung nicht bekommen.Herr Kollege Starke hat mit Recht darauf hingewiesen, wie problematisch die Steuerpolitik der Bundesregierung für die wirtschaftliche Entwicklung war, wie kontraktiv die Auswirkungen dieser Steuerpolitik waren. Deshalb muß man noch einmal mit allem Ernst die Frage stellen, ob nicht gerade die kontraktive Steuerpolitik der Bundesregierung einer der Gründe dafür ist, daß wir heute in der Binnennachfrage einen solchen Nachholbedarf haben, daß wir die Probleme der Diskrepanz zwischen Export und Binnennachfrage zu verzeichnen haben. Es ist ein Teufelskreis, daß Sie in der Vergangenheit restriktive Steuermaßnahmen ergriffen und, um die Restriktionswirkungen aufzuheben, eine zusätzliche Verschuldung auf sich nehmen mußten, um damit die Wirtschaft wieder zu beleben. Diesen Teufelskreis haben Sie nicht durchbrechen können. Sie haben mit Ihrer Steuerpolitik die Bemühungen, denen wir uns alle in den letzten Monaten verschrieben hatten, belastet.Meine Damen und Herren, ein Wort noch zur Klarstellung. Frau Kollegin Beyer hat es unternommen, die ausgabenwirksamen Gesetzesanträge der FDP aufzuzählen. Es ist ihr ein Irrtum unterlaufen. Sie hat z. B. den Bedarf, der sich aus unserem Ausbildungsförderungsgesetz ergibt, mit 1,5 Milliarden DM beziffert.
Mir liegt eine Berechnung der Bundesregierung aus dem April dieses Jahres vor, worin dieser Bedarf mit 300 Millionen DM richtig angegeben wird. Es handelt sich nur um einen Saldo, weil dieses Ausbildungsförderungsgesetz eine Reihe von Leistungen, die wir jetzt erbringen, überflüssig machen würde.Um die Zeit nicht zu überschreiten, möchte ich abschließend nur noch folgendes sagen. Die Antwort der Bundesregierung klingt schön. Es werden eine Reihe von Absichten deutlich. Aber die Untermauerung fehlt, und es fehlt die politische Zielsetzung für die künftige Steuerpolitik. Der Finanzminister schreibt in der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, die Sie morgen bekommen werden, daß die Wahrnehmung der Interessen der Länder in seiner Steuerkommission dadurch gewährleistet sei, daß drei ehemalige Finanzminister darin vertreten sind. Meine Damen und Herren, eine Sachverständigenkommission hat doch nicht die Aufgabe, die Interessen aller Beteiligten zu vertreten. Das muß Ergebnis der politischen Vorentscheidung sein. Eine Sachverständigenkommission soll auf Grund einer politischen Richtlinie eine praktikable Lösung mit Sachverstand entwerfen.
Diese politische Richtlinie fehlt bei dieser Bundesregierung hier wie in vielen anderen Fragen.
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10488 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung der Großen Anfrage unter Punkt 3 der Tagesordnung.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. (Abg. Rasner: Zur Geschäftsordnung!)
Ich schätze es, daß die Herren parlamentarischen Geschäftsführer auf Draht sind. Aber zuerst wollen wir doch die unterbrochene Sitzung wieder eröffnen.
Meine Damen und Herren, ich habe auf den dringenden Wunsch zweier Fraktionen die Wiedereröffnung der Sitzung um eine Stunde zurückgestellt. Ich muß das Verständnis des Hauses dafür erbitten.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Das Haus hat seine Mittagspause zweimal verlängern müssen. Sie wissen, daß das auf Wunsch der sozialdemokratischen Fraktion geschah. Ich höre gerade, daß die Sitzung zu Ende ist. Aber die Änderungsanträge, auf deren Basis wir verhandeln müssen, können natürlich noch nicht ausgedruckt sein. Infolgedessen, glaube ich, würde es das ganze Haus dankbar begrüßen, wenn wir anfingen mit dem Promille-Gesetz — um mich einfach auszudrücken, Herr Präsident — und erst im Anschluß daran die jetzt vorgesehene Vorlage behandelten.
Ich habe nicht verstanden: wenn wir womit anfingen?
— Mit dem Promille-Gesetz!
Was ist das für eine Amtssprache, meine Damen und Herren!
Herr Abgeordneter Genscher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Antrag des Kollegen Rasner namens der Fraktion der FDP widersprechen. Die Anträge, die jetzt von den Koalitionsfraktionen beschlossen worden sind, machen unter Umständen eine Beratung in der FDP-Fraktion erforderlich. Es wäre nicht sachgemäß, wenn wir wegen dieser Beratung der Beratung der jetzt von Ihnen genannten Vorlage, Herr Kollege Rasner, fernblieben. Ich bitte deshalb, uns zunächst Gelegenheit zur Einsichtnahme zu geben, damit wir entscheiden können, ob dazu eine Fraktionssitzung erforderlich ist.
Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident, ich zweifle nicht daran, daß die Oppositionsfraktion sofort Gelegenheit bekommt, alle Anträge zu sehen. Aber gerade weil es so ist, Herr Kollege Genscher, mache ich darauf aufmerksam: Auf die Debatte des Tagesordnungspunktes 5 — um mich nun korrekt auszudrücken, Herr Präsident: erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes — ist das ganze Haus vorbereitet,
und diese Beratung sollten wir nach meiner Meinung jetzt durchführen. Wenn wir aber verschiedener Meinung sind — Herr Kollege Genscher, Ihrem Wunsch nach Orientierung wird mit Sicherheit entsprochen —, müßten wir über die Reihenfolge in der Tagesordnung notfalls abstimmen.
Herr Abgeordneter Rasner, bei dieser Besetzung des Hauses und in einer solchen Sache ist es nicht gut, wenn man das mit Kampfabstimmungen regelt. Das hat keinen Zweck.
Ich möchte deshalb fragen, Herr Abgeordneter Genscher, ob Sie nicht für Ihre Fraktion einverstanden sein könnten, daß wir jetzt mit Punkt 5 beginnen.
Herr Abgeordneter Genscher noch einmal zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Beginn der Plenarsitzung auf 16.30 Uhr zu verschieben. Bis dahin werden wir die Möglichkeit haben, uns wenigstens ein vorläufiges Urteil über den in schweren Verhandlungen zustande gekommenen Kompromiß der Regierungskoalition zu bilden.
Dem kann man nicht gut widersprechen. Aber, Herr Kollege Genscher, das Plenum immer wieder auf kleinere oder größere Zeiträume zu vertagen, mag ich nun gar nicht. Dann frage ich die mit der Sache befaßte Fraktion — vor allem also die SPD —, ob es nicht klüger ist, um 17 Uhr zu beginnen. Dann können wir wenigstens davon ausgehen, daß bis dahin alles fertig ist und die Opposition Gelegenheit gehabt hat, sich hinreichend zu informieren. Dann können wir endlich geschlossen in der Sitzung fortfahren. Ich glaube, es ist wohl besser, wir fangen erst um 17 Uhr an.
Herr Abgeordneter Frehsee!
Die an uns gerichtete Frage, Herr Präsident, können wir deswegen nicht beantworten, weil es jetzt auf den Apparat des Bundes-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10489
Frehseetages ankommt. Der Antrag liegt vor, er muß nun vervielfältigt werden. Wie lange das dauert, kann ich nicht ganz genau sagen. Aber wir sind mit einer nochmaligen Vertagung bis 17 Uhr einverstanden.
Ich schätze, daß es 20 Minuten dauern wird. Dann hätten Sie, Herr Abgeordneter Genscher, bis 16.30 Uhr nur noch 10 Minuten Zeit. Ich vertage die Sitzung also bis 17 Uhr. Meine Damen und Herren, dann bitte ich aber, mich nicht mehr in die Verlegenheit zu bringen, weiter vertagen zu müssen.
Die Sitzung ist bis 17 Uhr unterbrochen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir beraten zuerst den Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes
— Drucksache V/3002 —
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bundesregierung, die ihre Beschlüsse primär daran orientiert, ob eine Vorlage bequem oder populär ist, würde diese Vorlage nicht beschließen, und ein Minister, der sich an solchen Prämissen orientiert, würde seiner Regierung gar nicht erst mit einer solchen Vorlage kommen.
Ein Parlament, dessen Abgeordnete zuerst daran denken würden, was bequem oder nicht bequem vor vielen fragenden Bürgern zu vertreten ist, würde ein solches Gesetz weit von sich weisen.
Eine Presse, deren Journalisten es gewöhnt wären, vielen Bürgern nach dem Munde zu schreiben, würde ein solches Gesetz öffentlich in die Luft zerreißen. Diese Vorlage ist eine unbequeme Vorlage.
Einen Augenblick, Herr Minister. — Ich bitte doch um mehr Ruhe. Es geht um eine wichtige Materie, es geht um Menschenleben. Wollen Sie bitte Platz nehmen, meine Damen und Herren!
Diese Vorlage ist eine unbequeme Vorlage, und doch hat sich die Bundesregierung entschlossen — --
Herr Kollege Müller-Hermann, würden Sie so freundlich sein, sich hinzusetzen! — Einen Augenblick, Herr Minister! — Bitte, fahren Sie fort!
Diese Vorlage ist eine unbequeme Vorlage, und doch hat sich die Bundesregierung entschlossen, sie einzubringen. Sie bittet das Parlament, das vorgelegte Gesetz zu beschließen.Wir wissen alle, wie es auf unseren Straßen aussieht. Um der Situation gerecht zu werden, machen wir äußerste Anstrengungen auf dem Gebiete des Straßenbaus. Die Bundesrepublik liegt, von Amerika abgesehen, an der Spitze aller straßenbautreibenden Nationen der Welt. Wir wissen aber, daß wir mit Straßenbau allein die Probleme nicht lösen können, und wir sind gemeinsam entschlossen, ver- kehrspolitische Maßnahmen zu treffen, um dadurch einen freien und besseren Fluß des Verkehrs zu ermöglichen.Innerhalb dieser Bemühungen spielt das Streben nach mehr Sicherheit im Straßenverkehr eine wichtige Rolle. Die Bundesregierung hat diesem Sachverhalt im Rahmen ihrer verkehrspolitischen Entscheidungen besondere Aufmerksamkeit beigemessen. Das Erfordernis, nach mehr Sicherheit zu streben, ist in unserem Lande besonders groß und müßte in unserem Lande besonders energisch vertreten werden. Die Bundesrepublik liegt unter allen autofahrenden Nationen der Welt mit ihrer Unfallstatistik an der Spitze. Wir halten den Weltrekord an tödlichen Verkehrsunfällen. Im Jahre 1965 waren es 15 753 Menschen, die ihr Leben auf unseren Straßen verloren haben, im Jahre 1966 waren es 16 868, und im Jahre 1967 waren es 17 079 Verkehrstote, die wir auf unseren Straßen .zu beklagen hatten. Das sind pro Tag 50 Menschenleben, die im Straßenverkehr verlorengehen.Wer den Unfallursachen nachgeht, kommt zu dem schlimmen, aber auch erschütternden Ergebnis, daß sich der Alkohol mehr und mehr als ein wichtiger Verursacher schwerer und tödlicher Verkehrsunfälle erweist. Es waren im Jahre 1965 2952, 1966 3422 und 1967 rund 4000 gerichtlich untersuchte und gerichtlich nachgewiesene Fälle, bei denen eindeutig feststeht, daß der tödliche Unfall durch übermäßigen Alkoholgenuß ausgelöst worden ist. Diese Zahl ist leider unvollständig. Sie erfaßt nicht die Fälle, bei denen wahrscheinlich auch Alkohol im Spiel war, aber ein schlüssiger Beweis von den Gerichten nicht erbracht werden konnte. Sie erfaßt z. B. auch nicht die Fälle, bei denen Unfallflucht oder ein vorübergehender Entzug gegenüber der Kontrolle die Beweismöglichkeit erschwert oder unmöglich gemacht hat.Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß jährlich mehr als 4000 Menschenleben zerstört werden und daß täglich 12 bis 15 Tote auf unseren Straßen auf das Konto von zuviel Alkohol am Steuer gebucht werden müssen. Von den 50 Todesopfern, die unser Straßenverkehr täglich fordert, ist mehr als jeder vierte Verkehrstote in Wirklichkeit ein Alkoholopfer. 50 Menschenleben pro Tag, meine Damen und Herren, das ist eine schlimme Bilanz für ein Volk, die von vielen mit stoischer Gleichmütigkeit hingenommen wird. Die ganze Welt regt sich auf über das, was in Vietnam vor sich geht. Wie wenige
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10490 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Bundesminister Leberdenken in unserem Lande daran, daß wir, ohne daß sich jemand aufregt, hier Tag für Tag eine gleiche Zahl von Menschen um ihr Leben bringen, die, wie die Statistiken bis 1967 über den Vietnam-Krieg zeigten, dort auf beiden Seiten ihr Leben verloren.
Schlimm wird es erst, wenn der Unfalltod in der eigenen Umgebung oder gar in der eigenen Familie zuschlägt; dann kommen die Klagen, die Anklagen, aber auch die Forderungen nach Abhilfe.Eine Regierung, die ihre Verantwortung sieht, kann diesem Sachverhalt gegenüber nicht gleichgültig sein. Wir müssen dem Unfalltod auf unseren Straßen den Kampf ansagen, und wenn es erforderlich ist, müssen wir, die wir vor dem Volk die Verantwortung tragen, auch den Mut aufbringen, dem ganzen Volk und uns selber unbequeme Schranken zu setzen und uns selber Regeln aufzuerlegen, die mit diesem Phänomen fertig werden.
Wer die Sicherheit auf unseren Straßen verbessern will, kann das nicht nur mit technischen Verbesserungen im Straßenbau oder mit Ordnungsregeln erreichen, sondern der muß Antwort auf die Frage geben, wie er mit dieser Hauptursache der Todesstatistik in unserem Straßenverkehr fertigwerden will. Das ist der erste und der wichtigste Grund, warum sich die Bundesregierung entschlossen hat, diese Vorlage einzubringen.Es handelt sich hier aber nicht nur um ein deutsches, sondern um ein weltweites Problem. Die Überlegung, eine juristisch fixierte Grenze für den Alkoholgenuß am Steuer zu ziehen, ist keine deutsche Erfindung. Andere Länder sind uns vorangegangen. Im gesamten Ostblock ist für den Kraftfahrer jedweder Genuß von Alkohol an sich strafbar. Andere Staaten, beispielsweise die skandinavischen Länder, haben die Grenze auf 0,5 Promille festgelegt, und die Statistiken weisen aus, daß sie damit im Vergleich zu früher die Zahl der Alkoholtoten im Straßenverkehr erheblich reduziert haben. Andere Länder wie England oder die Schweiz, auch Österreich, haben die 0,8-Promille-Grenze durch Gesetz oder durch höchstrichterliche Entscheidung bereits festgelegt.Anlaß für die Initiative der Bundesregierung sind neben langjährigen eigenen Untersuchungen von Wissenschaftlern in der Bundesrepublik auch parallel dazu geführte Untersuchungen in anderen Ländern und internationalen Organisationen. Das Ergebnis all dieser Untersuchungen mündet in der Schlußfolgerung: Mit 0,8 Promille Alkohol im Blut besteht zwar noch keine absolute Fahruntüchtigkeit, aber eine um mehr als das Vierfache verminderte Fahrtüchtigkeit. Fahruntüchtigkeit, meine Damen und Herren, ist ein Zustand, in dem das Fahren eines Kraftfahrzeuges zu einer absoluten Gefahr wird. Das ist ,ein Zustand, in dem der Mensch nicht mehr sicher gehen kann. Wer nicht mehr sicher auf seinen Beinen ist, der ist auch mit dem Auto nicht nur unsicher, sondern selber in Gefahr und gleichzeitig damit auch eine Gefahr für seine Umwelt.Zwischen einem Nüchternen und dem Zustand der völligen Fahruntüchtigkeit gibt es eine Grenzlinie, in der die Fahtüchtigkeit so erheblich gemindert ist, daß die beweisbare Gefahrenzone beginnt. Dies ist die Grenze, die mit 0,8 Promille Alkohol im Blut fixiert ist.Ich weiß dabei sehr genau und streite gar nicht darüber, daß es natürlich auch Verkehrsteilnehmer gibt, die mit 0,8 Promille noch relativ sicher fahren. Es ist aber ebenso klar erwiesen, daß die Mehrzahl aller Kraftfahrer dann nicht mehr relativ sicher, sondern relativ unsicher und relativ gefährlich fährt und eine erhebliche Gefahr für alle übrigen Verkehrsteilnehmer darstellt, wenn sie diese Grenze erreicht hat.Mit der Fixierung dieses Gefahrentatbestandes wird gar kein neuer Rechtsgrundsatz aufgestellt. Ein Gesetz über die 0,8-Promille-Grenze im Straßenverkehr gehört in dieselbe Kategorie wie das Rauchverbot im Wald, nur daß es sich bei diesem Gesetz nicht um Bäume, sondern um lebende Menschen handelt, die in Gefahr sind.Aus diesem Grunde haben die Verkehrsminister aus 19 europäischen Ländern, die in einer Konferenz zusammenarbeiten, im vergangenen Jahr den Beschluß gefaßt, ihren Regierungen und Parlamenten einheitlich die 0,8-Promille-Grenze zu empfehlen, und in einer Entschließung entsprechende Beschlüsse in den nationalen Parlamenten angeregt. Mit der Vorlage dieses Gesetzes folgt die Bundesregierung damit auch dieser internationalen Empfehlung, die auf Untersuchungen in der OECD und in der Konferenz der Verkehrsminister Europas zurückgeht.Wir müssen bemüht sein, zu verhindern, daß es unterschiedliche nationale Regelungen gibt, damit in einer Zeit, in der die nationalen Grenzen mehr und mehr an Bedeutung verlieren, jeder Europäer weiß, wie er sich zu verhalten hat, und er nach Möglichkeit auch davon ausgehen kann, daß das, was erlaubt und was verboten ist, in allen Ländern Europas gleich geregelt ist. Es wäre schlimm, wenn wir nicht den ernsten Versuch machten, die Straßenverkehrsregeln in Europa zu vereinheitlichen, und es wäre auch schlimm, wenn in dieser konkreten Frage so etwas wie ein europäischer Alkoholatlas erforderlich wäre, in dem man sich erst orientieren müßte, wieviel im anderen Lande erlaubt ist oder nicht. Auch das gehört zur Harmonisierung und zur europäischen Entwicklung.Es gibt Leute, die sich gegen ein solches Gesetz wenden, weil sie es als einen unzumutbaren Eingriff in ihre Privatsphäre betrachten. Ich bestreite gar nicht, daß es sich um einen Eingriff in die private Sphäre unserer Bürger handelt. Dieser Einwand könnte mit viel mehr Begründung geltend gemacht werden, wenn die Folgen des Alkoholmißbrauchs allein den treffen würden, der eben zuviel getrunken hat. Dies ist aber leider nicht so. Die Statistiken weisen eindeutig aus, was auch seit Jahrhunderten sprichwörtlich ist: Der Betrunkene hat eben Glück; er kommt in vielen Fällen mit dem blauen Auge davon. Auf der Strecke bleibt der Nüchterne, auf der
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10491
Bundesminister LeberStrecke bleibt das Kind, auf der Strecke bleibt der nicht mehr so reaktionsfähige ältere Mensch. Der übergroße Teil aller Verkehrstoten — mehr als die Hälfte —, die mit Alkohol in Zusammenhang zu bringen sind, sind Nüchterne, die von Betrunkenen — Alkoholfahrern — angefahren werden.Ich bin sicher, daß wir in Verfolg der weiteren Gesetzgebung wegen der Schwierigkeit der Materie und der Aufmerksamkeit, die sie auslöst, mit großem und hartem Widerstand zu rechnen haben werden. Dies ist bei Verkehrsgesetzen generell so und wird hier im besonderen auch der Fall sein. Wir werden es nicht nur mit Interessenten zu tun haben, sondern wir werden auch noch eingedeckt werden mit einer Fülle von Gutachten. Es wird wahrscheinlich Gutachter geben, die für gutes Geld zu beweisen versuchen, daß man mit einem bestimmten Quantum Alkohol im Blut viel sicherer und besser Auto fährt, als wenn man nichts getrunken hat.Aus diesem Grunde darf ich einmal darstellen, worum es bei diesem Gesetz nicht geht. Dies ist keine Gesetzesvorlage, die unserem Volk den Genuß von Alkohol abgewöhnen oder es zur Abstinenz erziehen soll. Ein solcher Versuch würde erstens gar nicht in mein Ressort fallen, und außerdem gestehe ich, daß auch ich gerne ein Glas Wein trinke. Hier geht es nicht um Alkohol oder nicht Alkohol, sondern hier geht es um Alkohol und Autofahren. Alkoholtrinken ist eine Sache, das Autofahren ist eine andere Sache. Wenn beides aber zusammentrifft, wird ein friedliches Verkehrsmittel zu einer gefährlichen Waffe in der Gemeinschaft.Außerdem ist dieses Gesetz kein Gesetz gegen Autofahrer. Im Gegenteil: Da in der Regel der nüchterne Verkehrsteilnehmer bei einem Unfall mit einem Betrunkenen den kürzeren zieht, ist es ein Gesetz zum Schutze der Autofahrer vor unberechenbaren und nicht mehr kalkulierbaren Verkehrsteilnehmern, die unter dem Einfluß von Alkohol stehen.In einem Rechtsstaat, wie ich ihn begreife, kann man die Antwort auf das hier gestellte Problem nicht ohne ausreichende gesetzliche Grundlage den Gerichten allein überlassen. In einem Rechtsstaat muß der Bürger wissen, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist.Mit der jetzt vorgeschlagenen Regelung wird auch die Unsicherheit beseitigt, die darin besteht, daß ein Autofahrer in der Regel erst nachher weiß, ob er strafbar gehandelt hat oder nicht, nämlich dann, wenn das richterliche Ermessen sich im Urteil gegen ihn niedergeschlagen hat. Ich halte es deshalb auch für fair, in ein Gesetz offen und klar hineinzuschreiben, was erlaubt ist und was nicht erlaubt ist, damit sich jeder Bürger darauf einrichten kann.Wir sind aber auch der Überzeugung, daß, so groß die Gefahr ist, die sich durch den Genuß von Alkohol im Verkehr ergibt, derjenige, der gesündigt hat, nicht gleich zu einem kriminellen Verbrecher abgestempelt werden soll. Aus diesem Grunde wird vorgeschlagen, übermäßigen Alkoholgenuß am Steuer als Ordnungswidrigkeit zu betrachten und ihn entsprechend zu ahnden, statt Strafen sind Geldbußen und befristete Fahrverbote vorgesehen.Ich bin davon überzeugt, daß dieses Gesetz, so wichtig und so notwendig es ist, nicht zum vollen Erfolg führt, wenn es nicht vom guten Willen aller Verkehrsteilnehmer mitgetragen wird und wenn es nicht Hand in Hand mit einem solchen Gesetz pädagogische Bemühungen und Aufklärungen gibt, so wie sie seit langer Zeit in der Vergangenheit schon versucht worden sind und auch in der Zukunft fortgesetzt werden müssen.Ich bin aber über eines besonders froh und möchte das auch diesem Hause nicht vorenthalten; es ergibt sich aus den Unterlagen, die uns zur Verfügung stehen. Ob sie lange Haare tragen oder ob sie kurzgeschoren sind: in diesem Punkt kann die Jugend und gerade auch der Teil der Jugend, der mit seinen Ausgaben beim Friseur sparsam ist, manchem Älteren ein wenig als Vorbild dienen. Alkohol trinken, Alkohol am Steuer gilt bei weiten Teilen unserer Jugend, auch bei der randalierenden Jugend, nicht als gentlemanlike.Im übrigen ist dies keine Gesetzesvorlage gegen Bierbrauer, Weinbauern und Destillateure. Ich weiß aus vielen Gesprächen, die ich in den letzten Monaten mit den Produzenten von Alkohol hatte, daß man dort zwar daran interessiert ist, daß das produzierte Getränk auch einen breiten Markt und viel Absatz findet. Ich habe aber dort nicht die Wortführer einer Politik angetroffen, die sich am liebsten, um es einmal zu übertreiben, ein Volk in Volltrunkenheit als ideale Basis für den Absatz ihrer eigenen Produkte wünschen.Es kommt im ganzen auf das rechte Maß an. Wir sind international zu dem Ergebnis gekommen, daß das Maß von Alkohol mit 0,8 Promille dann, wenn man autofahren muß, richtig abgegrenzt ist.Es geht um das Leben von Menschen, darum, ob wir Hunderten oder Tausenden künftig das Leben erhalten werden oder ob wir es nicht tun werden, weil es unbequem ist, ein solches Gesetz zu erlassen. Wer sich in der Welt umsieht, kann dort ablesen, daß mit einer solchen Regelung, wie sie hier vorgeschlagen wird, vielen das Leben erhalten werden kann. Wenn man das weiß, dann gebietet die Verantwortung, die uns auferlegt ist, daß wir uns alle gemeinsam engagieren.Ich bitte das Hohe Haus, sich dieser Vorlage anzunehmen.
Dank für die Begründung, Herr Bundesminister.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt hier in diesem Parlament und in der gesamten Öffentlichkeit niemanden, der nicht alles versuchen möchte,. die brutalen Folgen des modernen Massenverkehrs mit Tausenden von Toten, ja, ich möchte fast sagen,
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10492 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. Besoldmit Hekatomben von Opfern, von Verkrüppelten, Schwer- und Leichtverletzten, deren Lebensfreude mit einem Schlag vernichtet ist, wenigstens auf ein erträgliches Maß zurückzudämmen. Der Alkoholgenuß eines am Steuer sitzenden Kraftfahrers, der nicht nur für sich selbst, sondern auch für jeden anderen Verkehrsteilnehmer verantwortlich ist, darf einfach nicht mit dazu führen, daß jährlich fast die Bevölkerung einer mittleren Stadt auf diese Weise ums Leben kommt.Wenn man diese erschreckenden, unübersehbaren Folgen, die sich immer noch steigern, sieht, muß man eben feststellen, daß vielen alkoholisierten Kraftfahrern das erforderliche Verantwortungsbewußtsein und vor allem die notwendige Selbstbeherrschung fehlt. Der gewissenlose Kraftfahrer sieht scheinbar nicht, daß er damit auch das Gros der gewissenhaften Fahrer irgendwie in eine unverdiente Meinungsbildung hineinzieht. Wir werden daher die Regierung bei dem Bestreben der Lösung, besser gesagt, bei der bestmöglichen Bannung dieses furchtbaren Problems voll unterstützen. Bei diesem Ziel dürfen wirtschaftliche Überlegungen keine Rolle spielen.Es ist nicht so, daß die -Bundesregierung und das Parlament der Rechtsprechung nicht Straftatbestände gegeben hätten, um wirkungsvoll eingreifen zu können. Dies geschah insbesondere mit dem Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. November 1964. Dieses Gesetz erzielte auch zunächst schnell eine deutliche, abschreckende Wirkung. Die Trunkenheitsvergehen im Straßenverkehr gingen schlagartig zurück. Inzwischen ist jedoch ihr neuerliches gefährliches Ansteigen zu beobachten. Meine Damen und Herren, das mag daran liegen, daß die Gerichte nicht sofort — auch heute tun sie es noch nicht — die weitgehenden Strafmöglichkeiten der bestehenden Strafgesetze mit der notwendigen Härte voll ausgeschöpft haben und daß es nicht gelungen ist, eine Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu erzielen. Ich wage es nicht, den Gerichten hieraus einen Vorwurf zu machen; denn jeder, der diese Strafrechtsmaterie kennt, weiß, wie schwer es oft ist, den richtigen Schuldspruch zu finden. Die hierzu erforderlichen wissenschaftlichen Hilfsmittel waren in ihrer höchsten Zuverlässigkeit damals noch unausgereift, und auch heute sind sie trotz weitgehender Verbesserung noch nicht ausgereift. Außerdem bestehen auch heute noch beachtliche unterschiedliche Auffassungen unter den Wissenschaftlern und Sachverständigen.Gerade deshalb hat die Bundesregierung schon rechtzeitig umfassende gutachtliche Stellungnahmen des Bundesgesundheitsamts eingeholt. Fußend darauf hat die Bundesregierung nunmehr mit Drucksache V/3002 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vorgelegt, mit dem Ziel, damit die erschreckende Zahl der Trunkenheitsdelikte zu bannen. Es handelt sich dabei darum, daß neben die jetzigen strafrechtlichen Gefährdungstatbestände nach § 316 und § 315 c StGB noch ein weiterer Gefährdungstatbestand treten soll, jedoch nicht ein strafrechtlicher, sondern ein ordnungswidrigkeitsrechtlicher. Nach dem vorliegenden Gesetz liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, wenn ein Kraftfahrer eine Blutalkoholkonzentration von 0,8 % hat.
— Promille! Entschuldigen Sie.
— Ich habe gemerkt, daß Sie aufpassen. Das ist gut.
Es wird also neben der absoluten Fahruntüchtigkeit, die bei 1,3 Promille wissenschaftlich begründet liegt, eine Gefährdungsgrenze von 0,8 Promille neu gesetzt, d. h. das Führen eines Kraftfahrzeugs bei dem Gefahrengrenzwert von 0,8 Promille und darüber hinaus wird als Ordnungswidrigkeit geahndet, ohne daß im Einzelfall eine Fahrunsicherheit des Kraftfahrers nachgewiesen zu werden braucht. Also ein Formaldelikt.Dieses Wagnis im Gesetzentwurf der Bundesregierung mag angesichts der Schwere und der hohen Zahl der Verkehrsdelikte aus verkehrs- und gesundheitspolitischen Erwägungen begründet sein, und das bedeutet viel. Wenn wir aber zur Beratung dieses Gesetzes kommen, werden die vielerorts gemachten und auch von uns erkannten Bedenken doch geprüft werden müssen. Die beratenden Ausschüsse werden also nicht von der hohen Verpflichtung entbunden sein, nach verschiedenen Richtungen hin zu untersuchen, welches die bestmögliche Lösung des Problems ist.Da ist z. B. das Problem, daß nach den medizinischen Untersuchungen von Personen, die alkoholisiert sind, etwa ein Drittel derjenigen mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille durchaus vollkommen fahrtüchtig ist. Das ist eine medizinische Feststellung. Für diesen Personenkreis wird also — das soll man nicht übersehen, das ist die Konsequenz dieses Gesetzes — eine Ordnungswidrigkeit fingiert, die bei diesem Teil der Betroffenen überhaupt nicht vorliegt. Das muß man bei der Prüfung der Gesetzesvorlage sehen.Die Neuregelung läuft also darauf hinaus, daß nicht das Fahren im Zustand der Fahruntüchtigkeit, sondern generell das Fahren bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille verboten wird.Es wird weiterhin im Ausschuß zu prüfen sein, ob die medizinischen Gutachten gerade in bezug auf die neue 0,8-Promille-Gefährdungsgrenze wirklich eine letzte Schlüssigkeit besitzen. Gutachten, die schon vom Bundesgesundheitsamt eingeholt worden sind, und Gegengutachten werden im Ausschuß einer genauen Analyse unterzogen werden müssen, möglicherweise unter Anhörung von Gutachtern.Soviel mir erkennbar ist, gibt es noch keine Auskunft darüber, welche Unfälle und in welchem Ausmaß diese Unfälle auf Unfallbeteiligte zurückzuführen sind, deren Blutalkoholgehalt zwischen der Grenze von 0,8 Promille, also der neuen Gefährdungsgrenze, und der absoluten Untauglichkeitsgrenze von 1,3 Promille liegt. Es ist also noch sehr unsicher, .wo beim einzelnen bei einer Alkoholisie-Deutscher Bundestag 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10493Dr. Besoldrung zwischen 0,8 und 1,3 Promille ein Gefährdungstatbestand zuverlässig behauptet werden kann. Reagiert doch, wie ich schon sagte, ein Drittel der Kraftfahrer bei 0,8 Promille noch einwandfrei und absolut fahrsicher.Dazu kommt noch, daß die Festsetzung auf 0,8 Promille vor allem bei Restalkohol eine für den einzelnen subjektiv nicht erkennbare Grenze bedeutet. Auch der subjektive Tatbestand spielt bei der Ordnungswidrigkeit eine Rolle.Wenn es sich herausstellen sollte, daß man medizinisch einigermaßen eine Grenze festzustellen vermag, bei der die Gefährdung der Fahrtauglichkeit angenommen werden kann, dann ist die weitere Frage zu prüfen, ob bei Festlegung einer solchen Grenze das Gesetz wirklich praktikabel ist. Es ist ein bewährter Grundsatz und eine alte kriminalpolitische Forderung, daß das materielle Recht möglichst mit seiner prozessualen Durchsetzbarkeit übereinstimmen soll. Für die Durchsetzbarkeit kommt es nicht nur auf die erleichterte Beweisführung, sondern hauptsächlich darauf an, daß ein möglichst hoher Prozentsatz der Gesetzesübertreter gefaßt und bestraft wird. Darüber ist unbedingt zu sprechen. Das Gesetz muß praktikabel sein. Aber diese Praktikabilität ist kaum möglich, da die meisten Kraftfahrer bei 0,8 Promille noch keine auffällige Fahrweise zeigen. Die durch ihre Fahrweise auffallenden Verkehrsteilnehmer werden schön jetzt durch Gesetz und Rechtsprechung ergriffen.
Es müßten also ständig vorbeugende Polizeikontrollen an sämtlichen oder einer Vielzahl von vorbeifahrenden Kraftfahrern erfolgen, um überhaupt zu einer Praktikabilität dieses Gesetzes zu kommen. Das würde aber doch wohl irgendwie über das Vermögen der Polizei hinausgehen.In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, daß in zwei Ländern — der Herr Bundesminister hat sie schon erwähnt —, Österreich und England, die 0,8-Promille-Grenze eingeführt wurde, aber teilweise — auch das muß man sehen, insbesondere im Hinblick auf die Erfolgswirksamkeit dieser Gesetze — unter anderen Voraussetzungen und anderen Bedingungen als bei uns in der Bundesrepublik. Die Berichte über die Erfolge in diesen beiden Ländern sind sehr unterschiedlich. Aufgabe der Ausschüsse wird es sein, auf jeden Fall die neuesten Erfolgsberichte dieser beiden Länder zur Beurteilung unserer eigenen Lage heranzuziehen.Die vorgelegten statistischen Globalzahlen, die insbesondere in der Begründung aufgeführt sind, müssen verbessert werden. Die Zahlen der Jahre 1956 bis 1966 für die Fälle der gerichtlichen Entziehung von Fahrerlaubnissen sind einfach unvollständig. In den Tabellen, die in der Begründung aufgeführt worden sind, fehlt der Zuwachs an Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugführern in dieser Zeit. Er muß nach meiner Ansicht bei einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts unbedingt mit berücksichtigt werden. Bei den statistischen Zahlen über die alkoholbedingten Verkehrsunfälle sind diejenigen Fälle herauszulösen, die sich durch Freispruch oder Einstellung des Verfahrens erledigt haben. Auch hier ist bei den angegebenen Zahlen eine Fehlerquelle.Die Ausschüsse werden sich wohl auch über Ungenauigkeiten und Fehlerquellen in den einschlägigen medizinischen Fragen und den damit zusammenhängenden Berechnungsverfahren orientieren müssen, z. B. Schwankungsbreite im Blutalkoholbestimmungsverfahren, Ungenauigkeit der Rückrechnung der Blutalkoholgehalte auf den Zeitpunkt der Tat bei spät durchgeführter Blutentnahme. Auch bei der Blutalkoholbestimmung und ihrer Auswertung sind noch längst nicht alle Fehlerquellen beseitigt.Meine Damen und Herren, ich habe nur einige wichtige Punkte aufgeführt, die bei der allgemeinen Absicht und bei dem allgemeinen Willen, ein praktikables und ein wirkungsvolles Gesetz durchzubringen, einer Prüfung unterzogen werden müssen. Aber trotz allem, was ich jetzt gesagt habe, ist eben doch die Hekatombensprache ihre eigene Sprache. Das Problem muß gelöst werden. Aber es ist zu ernst, als daß es ohne gründliche Prüfung nach jeder Richtung hin gelöst werden könnte. Wir wollen weniger Tote und Verletzte auf den Straßen; wir wollen aber auch die Straffälligkeit nicht der Ungenauigkeit und dem Zufall überlassen.Ich beantrage, die Vorlage dem Rechtsausschuß — federführend — und dem Verkehrsausschuß — mitberatend — zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, darf ich eine Bemerkung zur Geschäftslage machen. Wir haben heute nachmittag im Plenum zwei Stunden verloren. Am Freitag haben wir eine an sich schon überladene Tagesordnung. Wir können also nicht von heute etwas vor uns herschieben auf Freitag; wir müssen heute mit den Punkten 4 und 5 fertigwerden. Das heißt, daß wir alle diszipliniert und zeitbewußt sein müssen. Bei der ersten Beratung darf ich auch diesen Satz des § 78 der Geschäftsordnung ins Gedächtnis rufen: „Es werden nur die Grundsätze der Vorlagen besprochen."
Das Wort hat Herr Abgeordneter Haas.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich will dem Appell des Herrn Präsidenten folgen und mich ganz kurz fassen.Es ist selbstverständlich, daß dieses Problem erörtert werden muß und daß die dazu bestimmten und berufenen Ausschüsse das auch eingehend tun müssen.Wie groß und wie scharf die Problematik geworden ist, zeigen die in den letzten Jahren ständig gestiegenen Zahlen der tödlichen Unfälle und der Verletzten und die ständig steigende Zahl der Zulassungen von Kraftfahrzeugen auf den engen Straßen der Bundesrepublik.
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10494 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. HaasEs ist rechtspolitisch immer bedenklich, Gefährdungstatbestände neu einzuführen, sei es in ein Strafrecht, sei es auch nur in ein Ordnungswidrigkeitenrecht. Aber die Lage, ganz gleichgültig, ob sie in allen Punkten so ist, wie der Herr Minister sie vorgetragen hat, zwingt uns dazu, nachzudenken.Es ist von Anfang an bestritten worden, daß 40 % der tödlichen Unfälle dadurch herbeigeführt worden seien, daß alkoholisierte Kraftfahrer am Steuer saßen. Andere Zahlenangaben sind wesentlich bescheidener, wieder andere dagegen wesentlich höher. Aber das ist gleichgültig, Wir wissen jedenfalls, daß ein sehr großer Teil der tödlichen Unfälle durch etwas absolut Vermeidbares herbeigeführt worden ist, nämlich dadurch, daß der Mann am Steuerrad alkoholisiert war. Und da muß man sich in der Tat etwas einfallen lassen.Meine Fraktion hat sich schon vor Jahresfrist im zuständigen Arbeitskreis Gedanken darüber gemacht, ob sich nicht neues statistisches Material hilfsweise für das Begehren der Regierung, jetzt einen neuen Gefährdungstatbestand einzuführen und dabei auf einen Gefahrengrenzwert von 0,8 Promille herunterzugehen, finden läßt. Das Bundesjustizministerium hat dieser unserer Anregung entsprochen, hat an die Länderjustizverwaltungen geschrieben, und immerhin fünf Länderjustizministerien haben brauchbares Material geliefert, und zwar betrifft dieses Material die Relativzone von 0,8 Promille bis 1,29 Promille, die ja bisher außerhalb einer Ordnungswidrigkeit liegt. Das Ergebnis spricht tatsächlich dafür, daß wir mit den bisher von der Rechtsprechung beachteten 1,3 Promille wohl kaum mehr werden auskommen können. Man wird sich einer Herabsetzung dieser Promillegrenze dann nicht verschließen können, wenn dargetan ist, daß vor allem bei fahrlässigen Tötungen im Straßenverkehr Promillewerte der Relativzone von 0,8 bis 1,29 Promille in erheblichem Umfange mit im Spiele waren. Um das Ergebnis dieser Umfrage kurz zu sagen: Während bei tödlichen Unfällen im Straßenverkehr, denen schuldhaftes, zu einer Verurteilung nach § 222 StGB führendes Verhalten zugrunde lag, im Schnitt 67,5 % der beteiligten Kraftfahrer BAK-Werte von über 1,3 Promille hatten, liegt dieser Prozentsatz in der genannten Relativzone niedriger, doch immerhin noch in der Höhe von 25,5 %. Es ist auch zuzugeben, in einer Anzahl von Fällen, in denen bisher mangels Beweises, vor allem wegen fehlender Tatzeugen für eine schuldhafte Fahrweise das Gericht freigesprochen hat oder eine Einstellung des Verfahrens erfolgen mußte, wäre eine Verurteilung wegen Mitverschuldens dann möglich gewesen, wenn wir einen herabgesetzten Gefahrengrenzwert gehabt hätten. Für viele Hinterbliebene von Unfalltoten hätte das bedeutet, daß von den Haftpflichtversicherern Schadensersatzansprüche nicht wie bisher hätten abgelehnt werden können. Viele Unbilligkeiten wären dadurch ebenfalls beseitigt worden. Daran wird man denken müssen.Man wird alles genau prüfen müssen. Dazu wird die Ausschußarbeit dienen. Ob sich eine Herabsetzung bis zu dem genannten Gefahrengrenzwert von 0,8 Promille am Ende dieser Beratungen tatsächlich noch vertreten läßt, wie das die Vorlage tut, wissen wir noch nicht. Auf jeden Fall aber muß dieser Tatbestand mit aller Sorgfalt geprüft werden. Das ist auch die Meinung der Opposition.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Meister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Gestatten Sie mir einige wenige Worte zu diesem Fragenkomplex. Es scheint Übereinstimmung darüber zu herrschen, daß einer der großen Faktoren der Unfallgefahren ohne Zweifel der Alkohol ist. Es scheint auch Übereinstimmung darüber zu herrschen, daß dagegen etwas getan werden sollte oder getan werden muß. Schließlich ist aber die Frage offen, wieweit man die Maximalgrenze des Blutalkoholgehalts heruntersetzen sollte. Trotz dieser Bedenken möchte ich mich aber an die Regierungsvorlage halten und nur auf eines hinweisen: auf die Meßtoleranz. Je weiter wir die Maximalgrenze des Blutalkoholgehalts heruntersetzen, desto enger müssen natürlich die Meßtoleranzen in den unteren Grenzen gezogen werden.Nun wird man mir entgegnen: Es handelt sich ja hier um ein Ordnungswidrigkeitengesetz, nicht um ein Strafgesetz; da spielt das vielleicht gar nicht diese große Rolle und ist nicht relevant. Dem muß ich aber entgegenhalten, daß auch bei den einfachen Meßröhrchenkontrollen — der eine oder andere Kollege wird das vielleicht einmal persönlich erfahren haben— mit gewissen Minimaltoleranzwerten gerechnet werden muß. Ich will auf diese Probleme einmal kurz eingehen.Wenn Sie die Literatur der älteren und der neueren Zeit verfolgen, werden Sie zu diesem Fragenkomplex Fußnoten finden. Und wenn Sie sich mit dem einen oder anderen Autor unterhalten, werden Sie feststellen, daß er sich auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung zurückzieht. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist eine großartige Sache, die auch die Politiker interessiert; denken Sie an die Auswertung von demoskopischen Umfragen. Aber als Grundlage für forensische Entscheidungen scheint mir die Wahrscheinlichkeitsrechnung doch etwas problematisch zu sein.Ohne Zweifel sind die Blutuntersuchungsmethoden — diese beiden Methoden, die bei uns gängig sind — in dieser Frage etwas problematisch geworden, von der Prüfröhrchenmethode gar nicht zu sprechen. Sie werden mich fragen: Wie groß ist nun diese Toleranz überhaupt? — Die dürfte bei dem Prüfröhrchen bei plus/minus 20 % liegen — manche Leute glauben sogar, bei plus/minus 30 %, und bei den gängigen Blutuntersuchungen dürfte sie bei vielleicht plus/minus 10 % oder plus/minus 8 % liegen. Das ist gar nicht so einwandfrei klar.Ich möchte deswegen eine kurze Anregung geben. Sehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei physiologischen Untersuchungen in den großen Kliniken usw. benutzt man die Blutgasanalyse, eine physikalische Meßmethode, die viel größere Ge-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10495
Meisternauigkeiten ergibt als die chemischen Untersuchungen, wie sie bisher gebräuchlich sind. Sie werden mir nun sagen: Die Blutgasanalyse ist aber nicht spezifisch, sondern sie erstreckt sich auf sehr viele Komponenten im Blut. — Das kann man bei dem heutigen Stand unserer Apparatetechnik ohne Zweifel dergestalt modifizieren, daß sie spezifisch ist und daß vielleicht auch Personal diese Untersuchungen durchführen kann, das nicht diese Fähigkeiten eines Experimentalphysikers hat.Ich möchte sehr bitten, meine sehr verehrten Damen und Herren, in den Ausschußberatungen diesen Fragenkomplex gebührend zu berücksichtigen. Ich halte ihn für dringlich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, der Herr Bundesverkehrsminister hat das Entscheidende gesagt. Dieses Gesetz ist unbequem. Es ist unbequem für jeden Autofahrer in diesem Lande, der gleichzeitig auch gerne mal Alkohol zu sich nimmt. Es ist unbequem für die meisten von uns, vielleicht sogar unbequemer für uns als für viele andere. Denn die meisten von uns haben keinen Chauffeur, und sie sind gezwungen, Herr Kollege Unertl, im Wahlkampf und sonstwie in Bayern im Lande herumzufahren, und es ist dann schwierig, keinen Alkohol zu sich zu nehmen. Es ist sehr unbequem für uns.
Viele von uns werden ihr Leben umzustellen haben, wenn dieses Gesetz einmal in Kraft getreten ist.
— Ja, Herr Kollege, ich sage das ja ausdrücklich. Aber wenn es darum geht, daß auf der einen Seite eine Unbequemlichkeit zur Debatte steht, auf der anderen Seite aber Menschenleben gefährdet sind, dann müssen wir diese Unbequemlichkeit, meine ich, in Kauf nehmen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Petersen?
Herr Kollege, wäre es Ihnen nicht sehr angenehm, in der Zukunft dann bei Wahlreisen die Möglichkeit zu haben, darauf hinzuweisen, daß Sie eben auf Grund dieses Gesetzes nicht trinken sollten, und dann Traubensaft trinken?
Es kommt darauf an, ob das eine Annehmlichkeit ist.Aber, wie gesagt — ich möchte es noch einmal dick unterstreichen —: Wenn es auf der einen Seite um eine Unbequemlichkeit geht und auf der anderen Seite um Menschenleben, dann müssen wir alle diese Unbequemlichkeit in Kauf nehmen.Ich persönlich habe es sehr begrüßt, daß die größte deutsche Automobilfahrerorganisation, nämlich derADAC, diesem Gesetzentwurf, der vor uns liegt, im Grundsatz zugestimmt hat. Dazu gehörte einige Entsagung für den Vorstand des ADAC, und man muß ihn rühmen, daß er es fertiggebracht hat, seinen Mitgliedern die Notwendigkeit dieser Unbequemlichkeit klarzumachen. Ich begrüße also diesen Gesetzentwurf.Ich begrüße ihn um so mehr, als ich seit eh und je größte Bedenken gegen die bisherige Regelung gehabt habe, die wir in unserem Strafgesetzbuch hatten; um diese Probleme in den Griff zu bekommen. Wir haben bisher auf den Begriff der sogenannten Fahrtüchtigkeit abgestellt und so getan, als ob der Mensch eine Art chemische Substanz wäre, die man in eine Retorte tun und umrühren könne, wobei man dann feststellen könne: Der nüchterne Mensch ist fahrtüchtig, und der Mensch ab einer bestimmten Alkoholgrenze — also 1,3 Promille nach Bundesgerichtshof — ist nicht fahrtüchtig. Ich habe größte Zweifel an der Richtigkeit dieser Konzeption. Sie vergißt nämlich völlig, daß der Mensch nicht nur ein naturwissenschaftliches Wesen ist, sondern daß bei diesen Dingen der Charakter des Menschen eine Rolle spielt, daß es Menschen gibt, die trotz Alkohol besonders vorsichtig fahren, daß es andere Menschen gibt, die schon bei sehr wenig Alkohol schlecht fahren, und daß es Leute gibt, die bei Alkohol plötzlich mutig werden und sich zu Rennfahrern entwickeln.
Ich halte es für einen großen Fortschritt, daß die Regierung sich entschlossen hat, jetzt einen anderen Weg zu gehen, nämlich den, ganz eiskalt auf eine bestimmte Menge von Alkohol abzustellen, die der Betreffende zu sich genommen hat. Dergestalt hat nämlich auch der Betreffende eher die Möglichkeit, sich unter Kontrolle zu bringen. Denn das ist doch das Gefährliche, daß die meisten, die sich trotz Alkohol ans Steuer setzen, sich für fahrtüchtig halten. Nur ein Narr fährt doch, wenn er glaubt, er sei nicht mehr fahrtüchtig. Man kommt eben in die Gefahr, zu meinen, man könne noch fahren, obgleich man es in Wirklichkeit nicht mehr tun sollte, und merkt gar nicht, wie gefährlich das für einen selbst und für die Mitmenschen ist. Ich halte es also für richtig, daß hier auf einen ganz bestimmten Grenzwert abgestellt wird, den man kontrollieren kann. Wenn man Alkohol zu sich nimmt, dann weiß man: Jetzt habe ich also ungefähr 0,7 Promille, jetzt höre ich auf. Das hat man viel besser im Griff als die eigene Beurteilung der Frage, ob man fahrtüchtig ist.Selbst wenn dann — das ist ein Gegenargument, das ich eigentlich nie verstanden habe — der eine oder andere mit mehr als 0,8 Promille noch sehr gut Auto fährt, muß er es in Kauf nehmen, daß er das nicht mehr tun soll. Genauso, wie es nach einem alten Grundsatz besser ist, daß man 99 Schuldige laufen läßt, ehe einen Unschuldigen zu bestrafen, muß man hier umgekehrt sagen: Derjenige, der vielleicht im Ausnahmefall auch mit über 0,8 Promille noch fahren kann, muß, weil man das nicht klären kann, in Kauf nehmen, daß er dann nicht mehr fahren darf.
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10496 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
HirschIch begrüße diese Regelung. Ich habe nur die Hoffnung, daß wir in der Ausschußberatung vielleicht sogar noch ein Stück weiterkommen. Ich habe nämlich ernstliche Bedenken dagegen, daß wir in Zukunft, wenn diese Regierungsvorlage Gesetz wird, ein Nebeneinander dieser Ordnungswidrigkeit nach § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes, also dieser 0,8-Promille-Regelung, und des abstrakten Gefährdungstatbestandes des § 316 StGB haben. Ich bin der Meinung, das stimmt dann nicht mehr zusammen. Ich würde es also sehr begrüßen — ich will mich darüber hier nicht im einzelnen verbreiten, aber ich möchte es doch schon in der ersten Lesung anmerken —, wenn wir diese beiden Bestimmungen zu einer zusammenziehen könnten. Da wir sowieso bei der Strafrechtsreform, wie ich sehr hoffe, die sogenannte kurzfristige Freiheitsstrafe abschaffen werden, dürfte die Bestimmung des § 316 StGB ohnehin an praktischer Bedeutung verlieren. Ich würde mich viel wohler fühlen, wenn wir nur eine Bestimmung hätten, und zwar eine Ordnungswidrigkeit mit unter Umständen erheblich höherer Geldbuße, als normalerweise vorgesehen ist, die dann im Rahmen dieser neuen Regelung, über die wir heute sprechen, d i e Regelung zur Bekämpfung des Fahrens unter Alkohol sein könnte. Das möchte ich hier zur Debatte gestellt haben. Es wäre gut, wenn wir auf diese Weise ganz von dem falschen Weg der Bekämpfung der Alkoholtäter unter dem Begriff der Fahrtüchtigkeit wegkommen könnten.Die Mehrheit der SPD-Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf sehr. Man kann sicherlich darüber streiten, ob 0,8 oder 0,6 oder 0,9 Promille richtig sind. Für die 0,8 Promille spricht auf jeden Fall, daß man sich in der internationalen Regelung für die 0,8 Promille entschieden hat. Natürlich wird es Gutachter geben, die sagen werden, eigentlich seien 0,6 Promille richtig, und es wird andere geben, die sagen werden, 1,0 Promille seien richtig. Eine hundertprozentige Sicherheit, was das Richtige ist, wird es nicht geben. Wenn sich andere Länder für 0,8 Promille entschieden haben, sollte man sich aus den Gründen, die der Herr Minister angeführt hat, zu der gleichen Regelung entschließen.Aber es gibt — das möchte ich nicht verschweigen — in meiner Fraktion auch andere Meinungen. Es gibt die ganz harte Meinung, man sollte das Fahren unter Alkohol überhaupt verbieten, also auf 0,0 Promille gehen. Das gibt es ja bekanntlich bereits in der DDR. Und es gibt andere, denen ist 0,8 Promille zu niedrig, die wollen auf 1 Promille hinaus. Sie werden im Ausschuß ihre Meinung vertreten. Es gibt noch andere, die die ganze Regelung für falsch halten. Auch sie werden die Möglichkeit haben, ihren Standpunkt im Ausschuß geltend zu machen.Nur meine ich, wir dürfen das Problem nicht weiter vor uns herschieben und — das ist hier mit Recht gesagt worden — Tausende von Toten im Straßenverkehr nur deshalb in Kauf nehmen, weil einige meinen, sie müßten trotz Alkoholgenusses unbedingt noch Auto fahren, weil sie ihre Bequemlichkeit der Verpflichtung vorziehen, einmal ein Opfer für die Allgemeinheit zu bringen. Hinausschieben dürfen wir das Problem nicht. Wir müssen uns so oder so entschließen, um jetzt endlich eine Regelung zu bekommen, die praktikabel ist.Ganz nebenbei sei gesagt: Wenn wir uns dazu entschließen kannten, aus den Straftaten des § 316 und des § 24 a eine meinetwegen mit hohen Geldbußen bedachte Ordnungswidrigkeit zu schaffen, würde auch das dazu beitragen, daß Kraftfahrer nicht, wie es nach dem geltenden Recht der Fall ist, unter Umständen zu Kriminellen gestempelt werden und in Gefängnis gesteckt werden müssen, so daß sie ihre Existenz verlieren, — alles Maßnahmen, die in Wirklichkeit in keinem Verhältnis zu dem stehen, was der Betreffende mehr oder weniger fahrlässig angerichtet hat. Man dient dem vernünftigen Kraftfahrer, wenn man ihm eine klare Regelung gibt und wenn man außerdem verhindert, daß er wegen eines Fehlers, den er gemacht hat, gleich zu einem Kriminellen wird. Auch von diesem Gesichtspunkt aus wird man die Dinge sehen müssen.Die Einzelheiten, insbesondere all die Fragen der Zuverlässigkeit der Gutachten usw., werden im Ausschuß zu erörtern sein. Ich möchte nur heute schon diejenigen warnen, die etwa hoffen, daß diese Erörterung noch neue Ergebnisse zeitigen wird. Gutachter aller Art — das kennen wir doch wenigstens auf diesem Gebiet — gibt es für diese und für jene Theorie. Keiner von uns wird wissen, welcher Gutachter recht hat. Wir müssen uns entscheiden — ich habe es schon einmal gesagt —, und im Interesse der Menschen, für deren Sicherheit wir verantwortlich sind, müssen wir uns für eine klare Regelung entscheiden. Wir müssen Opfer bringen, auch wenn es uns manchmal wie in diesem Falle in unserer eigenen Existenz vielleicht sehr schwer fallen mag.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe. die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt vor, die Vorlage dem Rechtsausschuß als federführendem Ausschuß und .dem Verkehrsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 a der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
— Drucksache V/3483 —
Ich frage, ob zur Begründung das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Aussprache. — Zur Aussprache hat das Wort der Herr Abgeordnete Fellermaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hier erklären, daß wir gemeinsam mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesen Antrag eingebracht haben, weil wir glaubten,
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10497
Fellermaierdaß er die notwendige Grundlage dafür ist, das System der Befördérungsteuer, das das Hohe Haus heute noch beschäftigen wird, umzustellen auf eine Straßenbenutzungsgebühr und damit auf das, was wir Sozialdemokraten bereits im Aktionsprogramm unserer Partei von 1952 und auf unserem Parteitag 1954 als Einführung von Wegekosten formuliert haben. Für Schiene und Straße — so hatten wir damals formuliert — sollten die gleichen Startbedingungen geschaffen werden. Der Kraftverkehr sollte — auch das ist eine alte Formulierung von uns — die auf ihn entfallenden Straßenaufwendungen durch spezifische Steuerleistungen selbst decken.Um diese Abgabe möglich zu machen, ist die Änderung des Grundgesetzes notwendig. Der Bund kann heute keine Gebühren oder Abgaben für die Benutzung von Straßen erheben, die nicht in seiner Baulast liegen. Hierauf beschränkt sich der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes.Inzwischen hat der Bundesminister für Verkehr — wir begrüßen das für unsere Fraktion sehr — eine Arbeitsgruppe in seinem Haus eingesetzt, die die Wegekosten der binnenländischen Verkehrsträger errechnen soll. Für eine künftige Straßenbenutzungsabgabe wird voraussichtlich die Achslast oder Nutzlast sowie die Fahrleistung von großer Bedeutung sein.Die sozialdemokratische Fraktion ist sich bewußt, daß die Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr nach dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung von Art. 74 des Grundgesetzes nicht ganz unproblematisch ist. Es ist zweifelhaft, ob diese Gebühr eine geeignete Abgabeform zur Erhebung des Ausgleichs für die verursachten Wegekosten ist. Möglicherweise ist es zweckdienlicher, die Gebühr als Abgabe auszugestalten und dazu auch den Art. 105 des Grundgesetzes zu ändern. Beide Formen sind möglich. Der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion kommt es darauf an, diese Frage im Rechtsausschuß noch einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Überweisung. Die Vorlage soll nach dem Vorschlag des Ältestenrates an den Rechtsausschuß — federführend — sowie an den Verkehrsausschuß und Finanzausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. — Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 b der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs
— aus Drucksache V/2494 —
aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache V/3479 —
Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
bb) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksachen V/3421, zu V/3421 —Berichterstatter: Abgeordneter Porzner .
Zunächst hat um das Wort zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Klepsch gebeten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß die jedem zugegangenen Vereinbarungen und Vorlagen sowie die Ergänzungen durch die Koalitionsfraktionen und die Fülle der zusätzlichen Anträge zu den Vorlagen, die jetzt zur Beratung aufgerufen sind, es außerordentlich schwer machen, die sachgerechte und überlegte Entscheidung in einer so schwerwiegenden Materie an Ort und Stelle so zu treffen, wie es von uns erwartet werden darf.
— Vielleicht hat es der Kollege Lemmrich, der ein sehr beschlagener Herr auf diesem Felde ist, etwas leichter als die anderen, die aber doch die gleiche Verantwortung zu tragen haben.
Unter diesen Gesichtspunkten würde ich sagen, daß es für uns alle nicht so ganz einfach ist, die Auswirkungen zu übersehen, die sich durch die jetzt zu treffenden Entscheidungen ergeben können. Angesichts dieser Sachlage würde ich es für sehr sinnvoll halten, die Vorlagen an die Ausschüsse zurückzuüberweisen, die sie in der nunmehr vorgelegten veränderten Form noch nicht beraten haben; ich meine an den Finanzausschuß — federführend — sowie an den Verkehrsausschuß und vielleicht sinnvollerweise auch an den Rechtsausschuß. Der § 82 der Geschäftsordnung bietet uns einen Weg, der in einer solchen Situation meines Erachtens angemessen ist.
Ich erlaube mir deshalb, dem Hohen Hause vorzuschlagen, gemäß § 82 der Geschäftsordnung die Anträge, die unter Punkt 4 b der Tagesordnung fallen, an die genannten Ausschüsse zurückzuverweisen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Dr. Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es fällt mir natürlich außerordentlich schwer, meinem sehr verehrten Kollegen Klepsch eine Bitte abzuschlagen. Ich möchte das Hohe Haus jedoch bitten, den Gesetzentwurf in der zweiten Beratung heute zu erledigen. Ich nehme an, daß die sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition ohnehin von der Geschäftsordnung Gebrauch machen werden und die dritte Lesung heute nicht werden stattfinden lassen. So wird bis zur endgültigen Abstimmung genügend Zeit sein, sich das, was wir heute erledigen, noch einmal reiflich zu überlegen.
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10498 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dorn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei unterstütze ich den Zurückverweisungsantrag des Kollegen Klepsch und beantrage weiter, den Gesetzentwurf zur zusätzlichen Beratung an den Rechtsausschuß zu überweisen. Wir haben zwar im Finanzausschuß erleben können, daß die verfassungsrechtlichen Fragen angesprochen worden sind, wir müssen aber eindeutig feststellen — das geht auch für jeden objektiven Leser aus dem Bericht des Berichterstatters hervor —, daß hier eine Fülle von Problemen angesprochen worden ist, die verfassungsrechtlich äußerst umstritten sind.
Es kommt hinzu, daß heute eine derartige Fülle von Ausnahmebestimmungen im Rahmen von Änderungsanträgen zu dieser Sachmaterie vorgelegt worden ist — von einzelnen Kollegen, von den beiden Koalitionsfraktionen und nicht zuletzt auch von meiner eigenen Fraktion —, daß wir der Meinung sind, es würde der Beratung dieses Gesetzes entscheidend nützen, wenn die nunmehr durch die Anträge aufgeworfenen Probleme in den beiden Ausschüssen und zusätzlich im Rechtsausschuß beraten würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Fülle der verfassungsrechtlichen Bedenken, die bereits jetzt vorgetragen werden, wird mit Sicherheit dazu führen, daß wir mit ganz entscheidenden verfassungsrechtlichen Auseinandersetzungen zu rechnen haben,
wenn die Gesetzesmaterie so verabschiedet würde, wie sie heute ansteht. Ich bitte Sie daher, im Interesse einer Sachberatung die Vorlage vor der endgültigen Beratung in zweiter Lesung an diese drei Ausschüsse zurückzuverweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seifriz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei abzulehnen. Das Thema Beförderungsteuer steht seit vielen Monaten auf der Tagesordnung. Es war sehr oft Gelegenheit, dazu auch im Verkehrsausschuß das Wort zu nehmen, um die Bedenken, die die Fraktion der Freien Demokratischen Partei auch hinsichtlich der Verfassungsrechtlichkeit des Gesetzes hatte, anzubringen.
Die Änderungsanträge, die heute vorliegen, und insbesondere die beiden Änderungsanträge der Koalition — wenn ich den Container-Antrag hinzunehme — bringen insgesamt kein neues grundsätzliches Moment in die Frage der Beförderungsteuer hinein, vielmehr bringt der Änderungsantrag der Koalition eine Systematisierung, indem er bei den Ausnahmebestimmungen für die Regionen drei überprüfbare Tatbestände schafft. Ich halte es nicht für gerechtfertigt, daraus eine Rückverweisung an die Ausschüsse abzuleiten. Ich bitte daher noch einmal, diesen Antrag abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Ich schlage vor, zunächst darüber abzustimmen, ob wir zurückverweisen; wir können dann sehen, an welche Ausschüsse wir gegebenenfalls zurückverweisen.
Wer für den Antrag auf Rückverweisung ist, gebe das Zeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag auf Rückverweisung ist abgelehnt.
Wir treten dann in die Beratung der Vorlage ein. Dazu liegen nicht weniger als 17 Änderungsanträge vor, und ich darf noch einmal an Sie appellieren, bei der Begründung und bei der Aussprache über diese Änderungsanträge kurz und knapp zu argumentieren, sonst werden wir es nicht schaffen.
Ich rufe in zweiter Beratung zunächst den § 1 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 1 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Bei § 2 haben wir es mit einer großen Zahl von . Änderungsanträgen zu tun, zunächst mit dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 514 *)
Der Antrag wird begründet. — Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Gesetzentwurf, wie er von den beiden Ausschüssen beschlossen worden ist, sind aus Wettbewerbs- und Gleichheitsgründen auch Fertigbauteile aus Holz und aus Beton aufgenommen worden. Hieraus ergibt sich aber, daß andere Fertigbauteile, die z. B. aus Stahl sind, nicht aufgenommen sind. Es würde also zwischen diesen drei Bauteilen eine erhebliche Wettbewerbsverschiebung eintreten. Wir sind daher der Meinung, daß man Fertigbauteile, gleichgültig, woraus sie hergestellt sind, nach dieser Bestimmung begünstigen sollte.
Hinzu kommt, daß gerade diese Fertigbauteile aufgenommen worden sind, weil die Verladungsmöglichkeiten eben nur über den Lkw bestehen. Wenn man aber diese Fertigbauteile mit hineinnimmt, dann muß man auch die hierzu in Konkurrenz stehenden Substitute, nämlich die Bausteine, die Ziegel und Hohlblocksteine und was es da gibt, mit hineinnehmen.
Aus diesem Grunde bitten wir, unserem Antrag Umdruck 514 zuzustimmen, weil eben erhebliche Wettbewerbsverschiebungen eintreten, wenn es bei
*) Siehe Anlage 2
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10499
Dr. Imle
der vom Ausschuß beschlossenen Regelung verbleibt.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Dann stimmen wir ab. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will,. gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 523 *) auf, der sich auf Nr. 3 des § 2 bezieht. Es ist ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU/ CSU. Ich frage, ob der Antrag begründet wird.
— Der Antrag wird nicht begründet. Wir stimmen ab. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist, soviel ich sehe, einstimmig angenommen.
Ich rufe dann den Antrag Umdruck 517 **) Ziffer 1 betreffend § 2 Nr. 6 Buchstabe g auf.
Wird dieser Antrag der Fraktion der FDP begründet? — Der Antrag wird nicht begründet. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag der FDP-Fraktion auf Umdruck 517 Ziffer 1 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 525 ***), einen Antrag der Abgeordneten Stücklen, Unertl und Genossen, auf. — Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Unertl das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag befaßt sich mit einer redaktionellen Ergänzung.
In § 2 Nr. 6 Buchstabe g sind aufgeführt: „... genießbarem Schlachtabfall sowie Schweinespeck, Schweinefett und Geflügelfett". Wir wollen nach dem Wort „Geflügelfett" eingefügt haben „Talg von Rindern roh oder ausgeschmolzen,". Wir beantragen dies deswegen, weil in den Beratungen vorher davon die Rede war, daß alle Agrarprodukte, die über EWG-Marktordnungsgesetze zustande kamen, in dieser Vorlage enthalten sind. Später hat sich herausgestellt, daß dem nicht so ist.
In der Praxis geschieht doch folgendes. Ein und derselbe Unternehmer befördert auf seinem Lkw Speck, und er ist auch gezwungen, Talg von Rindern mitzunehmen. Ich frage Sie, wie dann die polizeiliche und finanzamtliche Überwachung und Kontrolle aussehen sollte, wenn das eine Produkt ausgenommen und das andere — ebenfalls ein genießbarer Schlachtabfall von einem Tier — nicht ausgenommen wäre.
Dr. Kempfler hat heute in der Fraktionssitzung gesagt: „Was dem Schwein recht ist, sei dem Rind
I) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4 ***) Siehe Anlage 5 billig". Ich möchte sagen, man soll die Rinder nicht schlechter behandeln als die Schweine. Ich bitte, diesen Zusatz anzunehmen.
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Grundsatz zustimmen will,
der gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Ich muß die Abstimmung durch Aufstehen wiederholen. Wer dem Antrag zustimmen will, möge sich erheben. — Danke. Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 527 *) Ziffer 1 a auf. Das ist der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD. Ich frage, ob das Wort zu diesem Antrag gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen ab. Wer dem Antrag zustimmt, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 527 Ziffer 1 b auf, gleichfalls der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe den Antrag Umdruck 528 **) auf, einen Änderungsantrag der Abgeordneten Klepsch und Genossen. Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir stimmen ab. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe den Antrag Umdruck 521 ***) auf, den Antrag der Abgeordneten Erhard , Brück und Genossen.
— Der Antrag ist zurückgezogen.
Wir kommen zu dem Antrag Umdruck 527 ****) Ziffer 1 c, einem Antrag der CDU/CSU und SPD Er hat eine kleine textliche Korrektur in der letzten Zeile erfahren. Da heißt es „süßen Erfrischungsgetränken", und hinter „süßen" ist das Wort „alkoholfreien" einzuschieben. Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? — Herr Kollege Imle, Sie wünschen das Wort? — Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Antrag wird gerade noch eine Ergänzung verteilt.
*) Siehe Anlage 6**) Siehe Anlage 7 ***) Siehe Anlage 8 ****) Siehe Anlage 6
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10500 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Dr. Imle— Der Antrag Umdruck 531 *) gehört mit dazu. Ich wäre dankbar, wenn darüber mit abgestimmt würde.
Der Antrag liegt hier vor.
Er gehört mit hierzu und ist eine Erweiterung dieses Antrags.
Der Antrag Umdruck 527 Ziffer 1 c bezieht sich auf Buchstabe k der Nr. 6. Es ist richtig, daß der Gegenstand hier hineingehört. Wünschen Sie das Wort zu Umdruck 531? — Sie haben das Wort zu dem Antrag Umdruck 531.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn nach Ziffer 1 Buchstabe c) des Antrags auf Umdruck 527 nur süße Erfrischungsgetränke, die am Quellort abgefüllt werden, aufgenommen werden, werden alle diejenigen Erfrischungsgetränke, die nicht abgefüllt, sondern sonstwie hergestellt werden, demgegenüber benachteiligt; das sind alle Fruchtgetränke; es sind Getränke, die in Konkurrenz damit stehen, wie Sie sich vielleicht denken können; die bleiben dann draußen.
Deswegen meinen wir, daß dem Änderungsantrag auf Umdruck 531 zugestimmt werden müßte.
Wenn ich es recht verstehe, soll es statt „Erfrischungsgetränke" „Fruchtgetränke" heißen.
— Ja, „Fruchtgetränke" paßt nicht.
— Es wird noch das Wort gewünscht. Ich muß das Wort erteilen.
Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es müßte dann unter Ziffer 1 Buchstabe c) des Antrags auf Umdruck 527 heißen: „ ... am Quellort abgefüllten, süßen Erfrischungsgetränken und süßen alkoholfreien Fruchtgetränken". So muß der Zusatz lauten.
Wir stimmen darüber ab; ich glaube, das können wir durch Abstimmung erledigen.
*) Siehe Anlage 9 Ist es nicht so? Können wir das nicht durch Abtimmung erledigen? — Wer dem Antrag auf Umdruck 531 zustimmen will, gebe das Zeichen.
— Danke! Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 527 Buchstabe c) mit der Einfügung: „alkoholfreien" Erfrischungsgetränke. Wer dem zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke! Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!
Wir kommen zu Ziffer 1 Buchstabe d) des Antrags auf Umdruck 527, der sich auf § 2, Buchstabe m bezieht. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab.
Wer Ziffer 1 Buchstabe d) des Antrags auf Umdruck 527 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Es gibt doch eine Wortmeldung. Herr Imle, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde vorschlagen, in die Abstimmung den Antrag auf Umdruck 516 hineinzunehmen. Er gehört nämlich genau an diese Stelle, wobei wir uns dann auch dem Antrag anschließen würden, an die Stelle von „150 km" „170 km" zu setzen. Wir sind allerdings der Meinung, daß die Steuerberechnung erst ab 170 km beginnen sollte, wie es auch bei den Seehäfen der Fall ist. Insbesondere für Schleswig-Holstein, für den Waldbesitz, darf ich einmal sagen, wäre es eine außerordentliche Benachteiligung, wenn man ab 151 km voll versteuern müßte.
Ich glaube, aus Gerechtigkeitsgründen müßte man dem hier zustimmen. Das heißt, erst die übersteigende Tarifentfernung wird der Tarifberechnung zugrunde gelegt.
Wird weiter das Wort zu diesem Antrag gewünscht? — Dann kommen wir zuerst zur Abstimmung über den Zusatzantrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Danke! Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen dann zur Abstimmung über Ziffer 1 Buchstabe d) des Antrags auf Umdruck 527. Wer dem zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke! Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!Der Antrag auf Umdruck 514, der eigentlich hierher gehörte, wurde schon zu Beginn behandelt und erledigt.Wir kommen dann zu den Änderungsanträgen betr. § 2 Nr. 6 Buchstabe n), zunächst zu Umdruck 526 *) des Abgeordneten Bremer und Genossen. Wird das Wort gewünscht? — Sie haben das Wort.*) Siehe Anlage 10
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10501
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Einbeziehung von Baumschulerzeugnissen in die Freiliste. Dazu nur zwei Gesichtspunkte. Die Baumschulen liegen mit ihren Zentren an den Rändern der Bundesrepublik, in Schleswig-Holstein und in Oldenburg. Sie haben dadurch eine außerordentlich hohe Frachtbelastung. Die durchschnittliche Entfernung für die Beförderung beträgt 300 bis 400 km; jedenfalls gilt das für die holsteinischen Baumschulen.
Weiterhin: Die Baumschulerzeugnisse sind lebende Pflanzen und daher transportempfindlich. Alle anderen transportempfindlichen und verderblichen Güter finden Sie in der Freiliste, von Milch über Fisch, Früchte, Eier, lebende Tiere bis zum Fleisch.
Ich bitte Sie daher um Zustimmung, daß auch Baumschulerzeugnisse in die Freiliste mit aufgenommen werden.
Zu diesem Antrag wird weiter nicht das Wort gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe dann den Umdruck 530 *) des Abgeordneten Dr. Menne und Genossen auf. Wird der Antrag begründet? — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren. Wir möchten bitten, diesen Antrag nicht so in cumulo abzulehnen, sondern ihm zuzustimmen, und zwar aus folgendem Grund. Die Kohlensäure wird lediglich über die Straße befördert. Sie wird mit einer Art von Tankwagen an Ort und Stelle gefahren, und dort werden dann die Kohlensäureflaschen aus diesen Tankwagen gefüllt. Wenn ganze Flaschen geliefert werden, müssen diese Flaschen auch wieder abgeholt werden. Es gibt hierfür besondere Einrichtungen auf den dafür vorgesehenen Lastkraftwagen. Bei der Bundesbahn würde das jetzt auf Schwierigkeiten stoßen. Um hier eine zügige Versorgung sicherzustellen, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diesem Antrag zustimmen würden.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 530. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe dann die Anträge auf Umdruck 517 **) auf, und zwar die Ziffern 2 bis 4. Wird das Wort gewünscht? — Sie haben das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bitten, dem Antrag in Ziffer 2 zuzustimmen, da es sich hier um ein Pro-
*) Siehe Anlage 11 **) Siehe Anlage 4
Bukt handelt, das heute für einen landwirtschaftlichen Betrieb von größter Bedeutung ist und in steigendem Maße dringend benötigt wird. Sie wissen, daß der Landwirt gezwungen ist, bei der Veredelung seiner Produkte ein Futter zu nehmen, das in den Fabriken heute, so möchte ich hier sagen, durch Zusatz von Mineralien und Wirkstoffen veredelt wird.
Zu Ziffer 3 möchte ich sagen, daß ich das Gefühl habe, daß man das Massengut Zuckerrüben hier einfach vergessen hat. Es ist doch unmöglich, hier neben Getreide und Vieh ausgerechnet dieses Massengut Zuckerrüben, welches heute — auch schon in der Vergangenheit — immer mehr, zu 80%, auf den Bauernhöfen verladen wird, unberücksichtigt zu lassen. Der Arbeitskräftemangel hat die Landwirtschaft dazu gezwungen, hier zur Verladung per Lkw überzugehen.
Zweitens hat man, ich möchte beinahe sagen, Herr Minister, nicht daran gedacht, daß heute durch die Stillegung von Nebenstrecken bei der Bundesbahn der Landwirt direkt gezwungen ist, hier per Lkw abzuliefern. Es ist wirklich so, daß Zuckerrüben aus dem Raum Bremervörde bis in den Raum Northeim, um ein Beispiel zu geben, oder aus dem Raum Nienburg in den Raum Göttingen per Lkw geliefert werden müssen.
— Nein, das geht aus den angegebenen Gründen nicht.
— Herr Kollege Franke, ich habe mich soeben bemüht, Ihnen sehr sachlich zu sagen, daß die Landwirte durch die Stillegung von Nebenstrecken nicht in der Lage sind, die Rüben mit der Eisenbahn zu befördern. Sie müssen in den entfernt gelegenen Gebieten dazu übergehen, die Rüben per Lkw zu verladen. Die anderen Rüben werden sowieso im Nahschnellverkehr befördert; aber jene müssen per Lkw verladen werden. Wir bitten Sie also, die Zuckerrüben mit hineinzunehmen, da es sich doch hier nur um ein Versehen handeln kann.
Bei der Ziffer 4 unseres Antrages geht es uns um leicht verderbliche Produkte, die mit der Bahn einfach nicht versandt werden können. Das Wort Schleswig-Holstein ist hier schon gefallen. Ihnen ist bekannt, daß sich dort die größte Wunstwarenfabrik Deutschlands befindet. Das war der Grund, weshalb wir die Ziffer 4 mit hineingenommen haben. Wir bitten Sie herzlich, auch diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort zu diesen Anträgen wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung.Wer den Anträgen Umdruck 517 Ziffern 2 bis 4 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Anträge .sind abgelehnt.
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10502 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Vizepräsident Dr. MommerDamit haben wir die Anträge zu § 2 erledigt. Wer dem § 2 .in der neuen Fassung zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 2 ist mit Mehrheit angenommen.Ich rufe § 3 auf. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das gleiche gilt für § 4.Wer den §§ 3 und 4 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Mit Mehrheit angenommen.Ich rufe § 5 auf. Hierzu liegen Änderungsanträge vor. Wird zu dem Änderungsantrag Umdruck 515 *) das Wort gewünscht? — Das Wort hat Frau Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Kollege Dr. Pohle hat heute morgen in der Steuerdebatte an den Sozialökonomen Adam Smith erinnert, der gesagt hat, Steuergesetze sollten vier Voraussetzungen erfüllen, und zwar sollten sie möglichst einfach, sozial gerechtfertigt, wirtschaftlich vernünftig und fiskalisch ergiebig sein. Er hat dabei in Zweifel gezogen, daß es immer gelingen könnte, gleichzeitig alle vier Voraussetzungen zu erfüllen. Aber der Großen Koalition ist es mit diesem Gesetz gelungen, der deutschen Öffentlichkeit ein Gesetz vorzulegen und vermutlich zu verabschieden, das nicht eine einzige von diesen Voraussetzungen erfüllt.
— Nein, sie ist weder fiskalisch ergiebig noch wirtschaftlich vernünftig, noch ist sie einfach, das kann ja nun kein Mensch behaupten. — Auch frage ich mich, ob sie in allen Punkten sozial gerechtfertigt ist. Also keine einzige Voraussetzung wäre mit diesem Gesetz erfüllt.
Das gilt insbesondere für den Punkt, zu dem ich hier zu sprechen habe, nämlich für § 5 Abs. 2. Wir alle in diesem Hause wollen die Zonenrandgebiete und ihnen gleichzustellende Gebiete in ihrer wirtschaftlichen Kraft fördern. Wir wissen, daß die dort befindlichen Betriebe wegen der Randlage oder der wirtschaftlichen Struktur dieser Gebiete mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben als Betriebe, die günstiger liegen. Dies gilt sowohl für die Speditionsbetriebe dort wie auch für die Wirtschaft überhaupt. Wir alle sind bestrebt, ihnen zu helfen, und zwar, wenn ich das richtig verstehe, vernünftigerweise auf Kosten der Allgemeinheit. Was Sie hier jetzt beschließen wollen, heißt, die wirtschaftlichen Fernverkehrsbetriebe in diesen Gebieten zu unterstützen auf Kosten der Wirtschaft in eben diesen Zonenrandgebieten.
Das ist das Groteske, das Sie hier tun. Wir müssen uns doch die Frage stellen: Was wollen wir fördern? Wollen wir die Wirtschaftskraft dieser Gebiete insgesamt fördern, oder wollen wir ganz gezielt die Speditionsbetriebe fördern? Wenn Sie das letztere wollen, dann sollten Sie lieber direkte Subventionen
*) Siehe Anlage 12
oder Vergünstigungen geben, das wäre vernünftiger. Wenn Sie aber die Wirtschaft insgesamt fördern wollen — und bisher war das immer unsere Auffassung —, dann können Sie das doch nicht dadurch tun, daß Sie ihr die Möglichkeiten der verkehrsmäßigen Anbindung erschweren. Genau das tun Sie, indem Sie die Verbilligung, die Sie hier vorgesehen haben, einseitig daran binden, daß die Spedition durch Betriebe durchgeführt wird, die ihren Standort im Zonenrand- oder Förderungsgebiet haben und daß — was ja bisher noch in der Vorlage steht — la nichts beigepackt wird, was nicht aus diesem Gebiet kommt oder in dieses Gebiet hereingebracht werden soll. Sie glauben, damit die Spedition in diesen Gebieten zu fördern. Ich bin im Zweifel, ob Sie wenigstens das erreichen. Alles andere jedenfalls erreichen Sie nicht. Sie erschweren es der verladenden Wirtschaft ganz eindeutig, von dieser Verbilligung so Gebrauch zu machen, daß sie nicht auf der anderen Seite Verzögerungen oder Erschwernisse im Transport auf sich nehmen müßte. Denn Sie können die Kapazität in diesen Gebieten ja nicht so genau abstimmen, daß zu jeder Zeit terminlich und kapazitätsmäßig und mit Rückfracht versehen ein geeignetes Unternehmen zur Verfügung steht; und wenn ein Betrieb dann ein paar Kilometer weiter einen Spediteur anwerben will, dann sagt der: „Ja, aber, bitte schön, das kostet die doppelte Fracht, weil wir hier nicht in dem Förderungsgebiet wohnen." Meine Herren und Damen, wer ein bißchen wirtschaftlich vernünftig denkt, kann einer solchen Regelung nicht zustimmen. denn sie würde doch bedeuten, daß die verladende Wirtschaft und vor allem die Speditionsfirmen innerhalb und außerhalb des Gebiets ihre Fahrten nicht mehr in wirtschaftlich rationeller Weise durchführen, sondern sich allein nach steuerlichen Gesichtspunkten richten müssen. Wir haben doch nun in diesem Hause schon so viel darüber gesprochen, daß die steuerlichen Bestimmungen oft nicht der beste Ratgeber für eine vernünftige wirtschaftliche Handhabung sind.
Ich sehe, daß Sie seitens der Koalitionsfraktionen in Ihrem Antrag den zweiten Streitpunkt nun selber herausstreichen möchten, weil Sie wohl inzwischen eingesehen haben, daß es nun wirklich nicht geht, das wirtschaftlich vernünftige Beiladen von Frachten außerhalb des Förderungsgebietes zum Ausschließungsgrund für die Vergünstigung zu machen. Wir würden uns in diesem Punkt Ihren Auffassungen anschließen. Aber wir meinen, es wäre vernünftiger und sinnvoller, wenn wir überhaupt die ganzen einschränkenden Bestimmungen ausließen — einige Kollegen der CDU haben das ja gleichlautend beantragt —, damit eindeutig feststeht: Was verkehrsmäßig ins Zonenrandgebiet geht und was verkehrsmäßig aus dem Zonenrandgebiet kommt, wird gefördert. Damit helfen wir der Wirtschaft in diesen Gebieten generell am allerbesten.
Meine Damen und Herren, der Antrag auf Umdruck 522 *) hat das*) Siehe Anlage 13
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10503
Vizepräsident Dr. Mommergleiche Petitum: den § 5 Abs. 2 zu streichen. — Herr Gewandt, Sie wollen ein Wort dazu sagen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine verehrte Vorrednerin hat bereits die steuerpolitischen und wirtschaftspolitischen Akzente gesetzt. Ich möchte mir erlauben, unter den Gesichtspunkten der Strukturpolitik einiges zu dem Problem zu sagen.
Ich räume ein, daß die Annahme des Antrages der Großen Koalition eine Verbesserung darstellen würde; ich meine aber, sie reicht nicht aus. In dem Gutachten, das der Bundeswirtschaftsminister zur regionalen Strukturpolitik erstattet hat, wird ausgeführt, daß in den strukturschwachen Regionen, um die es sich hier handelt, eine völlige steuerliche Entlastung vorgenommen werden sollte. Wenn dies nun aus fiskalischen Gründen nicht möglich sein mag, muß man sich mit der Halbierung des Steuersatzes bescheiden. Ich glaube aber, man sollte nicht durch eine weitere Einengung — und sie ist hier durch das Erfordernis der Standortbindung vorgesehen — eine verkehrsgerechte Bedienung der unterstrukturierten Gebiete verhindern. Denn niemand wird erwarten können, daß wegen der Laufzeit von zwei Jahren — nur so lange soll ja das Gesetz gelten — Verlagerungen von Verkehrsbetrieben in diese Gebiete möglich sind.
Ich möchte darauf hinweisen, daß man bereits früher einmal eine analoge Regelung im Berlin-Verkehr getroffen hatte und daß man sie sehr schnell hat revidieren müssen, weil sie Verwirrung stiftete und nicht praktikabel war. Ich glaube also, wenn wir die unterstrukturierten Gebiete verkehrsmäßig richtig bedienen wollen und wenn wir hier keine ökonomischen Fehler zu machen gedenken, dann sollten wir konsequent sein und in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Regionalpolitik diesen Absatz streichen.
Ich bitte deshalb, uns zu folgen und dem Antrag Umdruck 522 zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schlee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Entscheidung über diesen Antrag mit der Ziffer 3 des Antrages Umdruck 527 in Zusammenhang steht. Es ist sicher richtig, es muß zunächst Verwunderung erregen, daß die für Zonenrand- und andere Gebiete vorgesehene Steuerbegünstigung an den Standort des Fahrzeugs oder an den Sitz des Unternehmers, des Beförderers gebunden sein soll. Infolgedessen habe ich mich an die mir zugängliche Vertretung der Wirtschaft, nämlich an die Industrie- und Handelskammern, gewandt und ihre Stellungnahme erbeten. Sie haben mir erklärt, sie würden diese Bindung befürworten, um zu erreichen, daß die sich der Beförderung widmenden Unternehmungen auch im Zonenrandgebiet tunlichst ihren Sitz behalten und dort in der Hauptsache der verladenden Wirtschaft zur Verfügung stehen. Das hat also einen guten Sinn. Wenn Sie aber nunmehr, meine Damen und
Herren, außer Zonenrand- und Frachthilfegebieten auch alle auf Umdruck 527 aufgeführten Bundesausbaugebiete hereinziehen wollen, dann möchte ich meinen, daß diese Bindung der Steuervergünstigung an den Standort des Fahrzeugs und an den Sitz des Unternehmens eigentlich ihren Sinn verloren hat, und man sollte dem Antrag zustimmen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Ich glaube, wir müssen zunächst über die Anträge auf Umdruck 515 und Umdruck 522 abstimmen, die den gleichen Inhalt haben. Wer diesen Anträgen zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Wir wollen die Abstimmung durch Aufstehen wiederholen. Wer zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Wir sind uns hier oben einig, daß das die Mehrheit ist. Die beiden Anträge Umdruck 515 und Umdruck 522 sind abgelehnt.
Wir haben dann zu § 5 noch einen Antrag auf Umdruck 527 *) Ziffer 2. Wird das Wort zur Begrün-
dung gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag auf Umdruck 527 Ziffer 2 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über § 5 in der geänderten Fassung. Wer dieser Bestimmung zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — § 5 ist in der neuen Fassung angenommen.
Wir kommen zu § 6. Auch hierzu liegen einige Änderungsanträge vor. Zunächst der Antrag des Abgeordneten Jung auf Umdruck 518 **). Wird das Wort gewünscht? - Herr Jung hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Umdruck 518 soll erreicht werden, daß einige Gebiete als Ausbaugebiete, als wirtschaftlich schwache Gebiete und insbesondere auch als Grenzkreise in den Katalog der steuerbegünstigten Kreise mit aufgenommen werden. Der Antrag ist im wesentlichen identisch mit dem Antrag auf Umdruck 52i Ziffer 3. Ich bitte, diesem weitergehenden Antrag, der insbesondere auch die Grenzkreise umfaßt, zuzustimmen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir stimmen über den Antrag auf Umdruck 518 ab. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Ich rufe den Änderungsantrag der Abgeordneten Becker und Genossen auf Umdruck 520 ***) auf.
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 14 ***) Siehe Anlage 15
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10504 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Vizepräsident Dr. Mommer— Dann der Antrag der Abgeordneten Hilbert, Maucher, Bühler und Genossen auf Umdruck 519 *) — Das Wort hat Herr Abgeordneter Maucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren: Wenn man sich den Änderungsantrag, der durch die Koalitionsverhandlungen zustande gekommen ist, ansieht, muß man feststellen, daß alle Länder berücksichtigt worden sind, nicht aber das Land Baden-Württemberg.
— Warum gerade jetzt der Widerspruch? Ich möchte feststellen, daß wir uns das sehr genau angesehen und daß wir das auch verglichen haben. Wir, die wir nicht im Verkehrsausschuß tätig sind, haben die Aufgabe, unsere Auffassung, wenn wir in einer bestimmten Frage anderer Meinung sind, hier im Plenum darzulegen.
Meine Herren von der SPD, Sie geben jetzt etwas laut Ihr Mißfallen kund. Ich kann Ihnen sagen, daß ich hier durchaus auch der Meinung des Innenministers des Landes Baden-Württemberg vertrete, den Sie ja stellen. Ich glaube sicher, daß Sie ihm einen Gefallen tun würden, wenn Sie den berechtigten Anliegen entsprechend diesem Antrag nachkämen, nämlich die Landkreise Sigmaringen, Stockach, Überlingen, Hochschwarzwald, Waldshut, Lörrach, Wangen, Münsingen und Säckingen mit hineinzunehmen.
Meine verehrten Damen und Herren, ich bin völlig unbefangen. Aus meinem Gebiet ist kein einziger Kreis dabei. Ich spreche nicht für mich, sondern ich sehe objektiv die Situation des Landes Baden-Württemberg in den verschiedenen Kreisen. Wenn die Länder an dieser Stelle ein Mitspracherecht ausüben und mit einwirken wollen auch auf die Bundespolitik, dann sind wir doch mehr oder weniger auf das Urteil der Fachministerien der einzelnen Länder angewiesen. Die aber sagen uns: Wenn wir die Raumentwicklung, die Entballung wollen, wenn wir gerade die finanzschwachen Gebiete weiterentwickeln wollen, dann müssen wir Wert darauf legen, ihnen eine entsprechende Vergünstigung zu geben. Das ist der Sinn dieser Bestimmungen. Ich sehe deshalb gar nicht ein, warum gerade die Kollegen dagegen sind, die die Situation genau kennen, die Kollegen aus den Gebieten z. B. des Hochschwarzwaldes, auch aus dem Gebiet am Rande der Schweiz, wo an sich die Ausstrahlung bei weiten nicht so groß ist wie in den Gebieten, die Mittelpunkt eines gut entwickelten Industriegebiets sind. Das, glaube ich, muß man berücksichtigen. Das gleiche gilt für das Gebiet von Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Ich glaube, wir haben die Aufgabe, gerade diese Interessen zu berücksichtigen.
Das ist, kurz zusammengefaßt, der Sinn dieses Antrags. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihm Ihre Zustimmung gäben.
*) Siehe Anlage 16
Das Wort hat Frau Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zu den beiden Änderungsanträgen Umdruck 527 und Umdruck 519. Daß hier ein innerer Zusammenhang besteht, hat Herr Kollege Maucher eben eingehend vorgetragen. Es ist überraschend, daß, nachdem in § 6 Abs. 3 Nr. 5 in der Fassung des Schriftlichen Berichts Drucksache V/3421 wenigstens noch drei Landkreise von Baden-Württemberg aufgezählt sind, jetzt auch diese noch verschwunden sind. Das überrascht um so mehr, als der Kanzler der Großen Koalition, der Herr Bundeskanzler Kiesinger, als langjähriger Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg die Verhältnisse in diesem Land ausgezeichnet kennt. Wir hätten erwartet, daß er unseren Belangen im Lande Baden-Württemberg eher Rechnung trägt, als das hier geschehen ist.
Meine Damen und Herren Kollegen, letzte Woche hatten wir einmal die Möglichkeit, als Abgeordnete wieder im eigenen Land zu sein. Es war aufschlußreich, daß bei einer Veranstaltung der Industrie von Baden-Württemberg der Ministerpräsident Filbinger, der der CDU angehört, in Gegenwart des Wirtschaftsministers Schwarz, der der SPD angehört, unter Beifall ausführen konnte, daß die Benachteiligung, die das Land Baden-Württemberg im Augenblick erfährt, so nicht länger aufrechterhalten bleiben könne. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß bei der gleichen Veranstaltung Herr Dr. Klingele an Hand von Zahlen eingehend dargelegt hat, daß in der Vergangenheit, wenn es um ähnliche Probleme wie die ging, die hier angesprochen werden, die Belange von Baden-Württemberg nicht entsprechend berücksichtigt worden sind.
— Ich war sieben Jahre im Landtag. Ich kann sie Ihnen alle aufzählen, und ich kann Ihnen sagen, daß in den Landkreisen, die in dem Antrag von Herrn Kollegen Maucher aufgeführt sind, die Verhältnisse in keiner Weise anders liegen als in den Landkreisen, die in der Drucksache V/3421 oder in dem neuen Antrag Umdruck 527 sonst aufgeführt sind.
Als Vertreterin der Opposition sehe ich mich in der Lage, hier einmal die Belange unseres Landes zu vertreten, auch wenn wir auch dort in der Opposition sind. Aber es geht hier um sachliche Entscheidungen, und hier darf nicht mit ungerechtem Maß gemessen werden.
Herr Maucher hat noch einmal das Wort.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968 10505
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst, Frau Diemer, darf ich Ihnen herzlich danken für die Unterstützung. Ich muß aber hinzufügen, Frau Diemer, daß wir hier Entscheidungen nicht dem Bundeskanzler oder anderen Persönlichkeiten der Regierung zuliebe treffen, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten.
Ich muß in diesem Zusammenhang eines feststellen. Ich habe mir die Dinge eben noch einmal angesehen und mir sagen lassen, daß Baden-Württemberg als einziges Land ausgeschlossen ist. Das ist ein Tatbestand, den Sie einfach nicht bestreiten können. In Kreisen wie Münsingen an der Schweizer Grenze oder Wangen, wo einige Betriebe aufkommen, ist die Problematik viel schwieriger als in manchen Kreisen, die hier aufgeführt sind. Deshalb bin ich der Meinung, daß Sie über diesen berechtigten Antrag von Baden-Württemberg nicht hinweggehen können.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 519 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Es bleibt zu diesem Punkt der Antrag der Abgeordneten Wächter, Dr. Imle auf Umdruck 529 *). —Herr Abgeordneter Wächter, Sie haben das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag Umdruck 529 möchten mein Freund Imle und ich erreichen, daß zu den Gebieten, die bereits in die Regierungsvorlage Drucksache V/2494 aufgenommen worden sind und die durch den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Umdruck 527 Seite 2 ergänzt worden sind, zusätzlich noch bei den Stadtkreisen im Lande Niedersachsen Wilhelmshaven und bei den Landkreisen im Lande Niedersachsen Friesland und Wesermarsch aufgenommen werden. Wenn Sie auf die Karte sehen, können Sie feststellen, daß gerade diese drei Gebiete, die Stadt Wilhelmshaven und die beiden soeben von mir genannten Landkreise, weiße Flecke bilden. Auch diese Gebiete gehören zu den sogenannten Randgebieten und haben denselben Anspruch darauf, berücksichtigt zu werden, wie die in dem Änderungsantrag Umdruck 527 Ziffer 3 genannten Landkreise Cloppenburg, Vechta, Bersenbruck, Wittlage und Grafschaft Hoya. Deswegen bitten wir, dem Antrag stattzugeben.
Das Wort wird zu diesem Antrag nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 529. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 17
Der Antrag des Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Genossen auf Umdruck 532 *) ist zurückgezogen worden.
Es bleibt der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 527 Ziffer 3, der dem § 6 Abs. 3 eine neue Fassung geben will. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen
und einigen Gegenstimmen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich stelle jetzt den ganzen § 6 in der geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. - Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen ist § 6 angenommen.
Ich rufe § 7 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 516 **) Ziffer 2 vor. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort hat Herr Abgeordneter Imle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der § 7 behandelt den sogenannten nichtersetzbaren Werkfernverkehr. Er sieht vor, daß der Bundesfinanzminister auf Antrag im Einzelfall die Steuer bis auf einen Pfennig je Tonnenkilometer erlassen kann, wenn das Unternehmen, das die Beförderung durchführt, wegen seiner Eigenart oder geographischen Lage den Werkfernverkehr für bestimmte Güter nicht entbehren, insbesondere auf die öffentlichen Verkehrsunternehmen nicht ausweichen kann — und jetzt kommt das entscheidende Wort — „und" wenn das Unternehmen durch die Einziehung der vollen Steuern in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist oder geraten würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie die Bestimmung in dieser Form mit dem Wörtchen „und" annehmen, wird damit bestimmt, daß das Unternehmen erst dann in den Genuß der Vergünstigung kommen kann, wenn es kurz vor der Pleite steht. Ich meine, das sollten wir hier nicht beschließen. Es gibt doch zahlreiche Unternehmen, die überhaupt nicht ausweichen können. Nehmen Sie z. B den Stahlhandel, der seine Geräte über hunderte Kilometer hinaus außerhalb der Nahverkehrszone transportieren muß, 20 Ablader zu bedienen hat, wo jeweils einige hundert Kilo oder auch einige Tonnen abgeladen werden sollen. Wenn er erst dann die Vergünstigung erhalten soll, wenn er in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, dann ist das Gesetz dazu bestimmt, Unternehmen, die sonst florieren, die blühen, von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Ich meine, das kann nicht der Sinn dieses Gesetzes sein.*) Siehe Anlage 18 **) Siehe Anlage 19
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Dr. ImleDeswegen schlagen wir Ihnen vor, an die Stelle des Wortes „und" das Wort „oder" zu setzen. Das gleiche muß ja, auch ohne daß ein Unternehmen in seiner Eigenart beeinträchtigt wird, dann der Fall sein, wenn es dem Unternehmen wirtschaftlich nicht sonderlich gut geht. Das sollte dann auch ausreichend sein, damit das Unternehmen die Vergünstigungen des § 7 erhält.Wir meinen, daß das wirklich ein sinnvoller Antrag ist, dem Sie diesmal, auch wenn Sie sonst alles, was von der Opposition kommt, ablehnen, doch Ihre Zustimmung geben sollten.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Falls die Einschränkung „wirtschaftliche Schwierigkeiten" durch die beantragte Ersetzung des Wortes „und" durch das Wort „oder" fallen würde, würde zu befürchten sein, daß der größte Teil der Werkfernverkehr betreibenden Unternehmer — subjektiv sicherlich zu Recht — geltend machen würde, sein Werkfernverkehr sei schon aus Kostengründen nicht ersetzbar. Ich muß ganz deutlich darauf hinweisen, daß die Steuerverwaltung die dann zu erwartende Flut der Anträge nicht bewältigen könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß gegen ablehnende Entscheidungen in vielen Fällen Rechtsbehelfe eingelegt werden mit allen Folgen des umständlichen, lange andauernden Rechtsbehelfsverfahrens. Selbstverständlich würde verlangt werden, daß bis zur Entscheidung über Erlaßanträge die Steuern gestundet werden. Praktisch würde durch die beantragte Änderung die ordnungsmäßige Bearbeitung auch der übrigen Steuerfälle für die zwei Jahre der Geltungsdauer des Gesetzes blockiert werden.
Im Verlaufe der Beratungen — und auch das, glaube ich, ist wichtig festzustellen — sind zahlreiche weitere Vergünstigungen in das Gesetz aufgenommen worden, die auch und vor allem dem Werkfernverkehr zugute kommen. Der Umfang des nicht begünstigten, nicht ersetzbaren Werkfernverkehrs hat sich daher beträchtlich vermindert. Für die verbleibenden Härtefälle dürfte die in § 7 des Gesetzes vorgeschlagene Ermächtigung ausreichen.
Im übrigen bin ich persönlich davon überzeugt, daß im Einzelfall immer eine gemäße Beurteilung sichergestellt sein wird. Wir haben ja auf Grund des Verfassungsgerichtsurteils aus dem Jahre 1963 gerade in dieser Frage eine bestimmte Praxis entwickeln müssen. Wir haben diese Praxis so entwickelt, daß wir in vielen Fällen auch Sachverständige einschalten. Dabei sind die Sachverständigen in erster Linie die Industrie- und Handelskammern. Sie können daraus das Bemühen der Steuerverwaltung erkennen, die Einzelfälle, die hier anfallen
können, so zu erledigen, daß man von einer gewissen Elastizität sprechen kann, soweit das eben möglich ist.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 516 Ziffer 2. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über § 7 in der nicht geänderten Fassung. Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. —Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe dann auf die Paragraphen 8, — 9, —10, — 11, — 12, — 13, — 14, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir kämen dann zur dritten Beratung.
— Zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Dorn!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach § 93 der Geschäftsordnung erhebe ich im Auftrage von mehr als zehn Kollegen meiner Fraktion Fristeinrede zur dritten Beratung.
Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht weiter gewünscht.Ich stelle fest, daß gültig Fristeinrede eingelegt wurde und wir die dritte Beratung nicht vornehmen können.
Ich rufe Punkt 4 c der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr— aus Drucksache V/2494 —aa) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache V/3473 —Berichterstatter: Abgeordneter Haehserbb) Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschusses
— Drucksache V/3414 —Berichterstatter: Abgeordneter Müser
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht? — Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe zunächst den Art. 1 der Vorlage auf. Zu
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Vizepräsident Dr. MommerZiffer 12, Seite 10 der Vorlage, liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Elbrächter und Genossen auf Umdruck 524 *) vor. Ich frage, ob der Antrag begründet wird. Wird das Wort zu dem Antrag gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 524 zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, -Platz zu nehmen. Wir können nicht abstimmen, wenn zahlreiche Kollegen uns den weniger schönen Teil ihres Ichs zuwenden.
Wir stimmen dann über den Art. 1 der Vorlage ab. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Art. 1 ist einstimmig angenommen.Ich rufe auf die Art. 2, — 3, — 4, — Einleitung und Überschrift. — Wer zustimmen will, gebe das Zeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle fest, daß dieser Gesetzentwurf in. zweiter Beratung angenommen wurde.Ich rufe dann zurdritten Beratungdieser Vorlage auf. Zur dritten Beratung hat der Herr Abgeordnete Müser um das Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Sätze zu der vorgesehenen Änderung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes. Diese Vorlage ist, wenn ich recht sehe, die einzige Gesetzesinitiative des verkehrspolitischen Programms, die im wesentlichen nicht kontrovers diskutiert wurde.Worum geht es bei dieser zweiten- Änderung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes? Im einzelnen soll mit der Novelle bezweckt werden, 1. veralteten und technisch überholten, unwirtschaftlichen Schiffsraum abzuwracken, 2. die Aufgabenstellung der Schifferbetriebsverbände an die künftige Marktorganisation anzupassen, 3. für die Marktgerechtheit der Beförderungsentgelte die Marktpartner verantwortlich werden zu lassen und 4. sicherzustellen, daß die Beförderungsentgelte eingehalten werden und daß die Unterfrachtführer die für sie vereinbarten Beförderungsentgelte auch erhalten. Diese Ziele werden von meiner Fraktion voll bejaht.Die Behandlung der in der Regierungsvorlage enthaltenen Bestimmung, mit der verhindert werden soll, daß weiterhin die Frachten für Beförderung zwischen ausländischen und deutschen Lade- und Löschplätzen die festgesetzten Frachten für Teilstrecken im innerdeutschen Verkehr in ruinöser Weise beeinflussen, ist auf Wunsch des Herrn Bundesministers für Verkehr zurückgestellt worden. Der Verkehrsausschuß hat diesem Wunsch entsprochen. Ich darf hier der Hoffnung meiner Fraktion Ausdruck*) Siehe Anlage 20geben, daß diese wichtige Frage in den angekündigten internationalen Verhandlungen möglichst bis zum April nächsten Jahres zu einem guten Ende gebracht werden kann.Ohne die Bedeutung der anderen eben von mir genannten Ziele, die mit der Änderung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes erreicht werden sollen, herabzumindern, muß deutlich gesagt werden, daß der Schwerpunkt dieser Modelle fraglos die Abwrackaktion ist. Lassen Sie mich einige wenige Sätze zu diesem Schwerpunkt sagen.Durch die Abwrackaktion soll eine Strukturbereinigung in der deutschen Binnenschiffahrt erreicht werden. Der unwirtschaftliche Schiffsraum soll entfernt und den nicht mehr lebensfähigen Betrieben soll die Möglichkeit gegeben werden, aus dem Geschäft auszuscheiden. Über 900 Betriebe wollen von sich aus ihr Geschäft völlig aufgeben. Die Ladefähigkeit der abwrackbereiten Schiffe beträgt 650- bis 700 000 t von 4,9 Millionen t in der Binnenschiffahrt insgesamt. Es handelt sich hierbei durchweg um alte, technisch überholte, unwirtschaftliche Fahrzeuge.Die Masse der Schiffe, die abgewrackt werden sollen, ist im Schnitt etwa 60 Jahre alt. 50 % der zur Abwrackaktion angemeldeten Schiffe wurden vor 1910 gebaut, 20% der zur Abwrackaktion angemeldeten Schiffe wurden im vorigen Jahrhundert gebaut, und einige Fahrzeuge sind. heute schon älter als 100 Jahre und gehören eigentlich längst ins Museum.Die Abwrackprämien sollen außer zur Schuldentilgung — ein ganz wichtiger Gesichtspunkt! — auch für die Altersversorgung der ausscheidenden Partikuliere verwandt werden. Hier wird auch ein wichtiger sozialer Aspekt dieses Gesetzes deutlich.Nun soll man heute nicht völlig verschweigen — und ich will das auch nicht tun —, daß in den letzten Monaten auf Grund konjunktureller und auch saisonaler Umstände eine wesentlich verbesserte Kapazitätsauslastung erreicht wurde. Aber hier muß ganz deutlich gesagt werden, daß selbst bei dieser verbesserten Auslastung, bei dieser herbstlichen Verkehrsspitze, heute noch erheblicher Schiffsraum brachliegt. Mir ist heute eine Aufstellung des Verkehrsministeriums zugegangen, wonach alleine an sechs Verkehrsplätzen derzeit 500 000 bis 600 000 t Kapazität brachliegen und nicht eingesetzt werden.Hinzu kommt, daß der technisch überholte, veraltete Schiffsraum, den wir mit dieser Abwrackaktion ausscheiden wollen, vom Markt nicht mehr gefragt wird. Wir begrüßen besonders, daß die Abwrackprämie vom Gewerbe selber durch Umlage finanziert wird. Lediglich für den mittelständischen Bereich, also für die abwrackwilligen Partikuliere, soll in drei Jahren ein Zuschuß von insgesamt 18 Millionen DM aus Steuermitteln geleistet werden.Wir hoffen, daß die angestrebten Ziele mit der beabsichtigten Novellierung des Binnenschiffsverkehrsgesetzes erreicht werden können. Die CDU/
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MüserCSU-Fraktion wird diesem Gesetzesantrag ihre Zustimmung geben.
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Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Ich habe eine Wortmeldung von Herrn Kollegen Müller-Hermann zu einer persönlichen Erklärung vorliegen. — Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte lediglich für meine Person erklären, daß ich dem Gesetz die Zustimmung nicht geben werde, weil die. in dem Gesetz enthaltenen Tarifbildungsbestimmungen eine Diskriminierung der deutschen Seehäfen im Wettbewerb gegenüber den Benelux-Häfen darstellen.
Herr Seifriz, auch Sie haben das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
Meine Herren! Ich kann mich der Einfachheit halber Herrn Dr. Müller-Hermann insoweit anschließen, daß ich eine Regelung wünsche, die eine Diskriminierung der deutschen Seehäfen ausschließt. Ich bin der Auffassung, daß dieses Problem nicht unmittelbar mit der heutigen Abstimmung erledigt zu werden braucht. Da wir unbedingt ein rasches Beginnen der Abwrackaktion haben wollen, werde ich der Vorlage dennoch zustimmen, aber in der Erwartung, daß der Herr Bundesverkehrsminister sein wiederholt gegebenes Wort auch in diesem Falle, wie immer, einlöst, daß er nämlich eine Diskriminierung der deutschen Seehäfen unter gar keinen Umständen zulassen wird. Dafür eine geeignete Regelung zu finden, wird auch nach dieser Abstimmung möglich sein; dessen bin ich gewiß.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über die Gesetzesvorlage. Wer der Vorlage als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben.. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Bei einer Enthaltung ist das Gesetz angenommen.
Wir müssen dann über die weiteren Ausschußanträge abstimmen, zunächst über Punkt 2 des Ausschußantrages, den Antrag der Fraktion der CDU/ CSU durch die Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses unter Punkt 2 ist einstimmig angenommen.
Punkt 3 des Ausschußantrages besagt, das Haus möge die Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zur Kenntnis nehmen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. — Die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Auch dieser Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Damit ist Punkt 4 c erledigt.
Wir kommen zur Behandlung des Punktes 4 d) der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes
— Drucksache V/1622 —
Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/3426 —Berichterstatter: Abgeordneter Feuring
Das Wort hat der Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich im wesentlichen auf den dem Hohen Hause vorliegenden Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses zu der Gesetzesvorlage beziehen. Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, daß sich nach dem zur Zeit gültigen Kraftfahrzeugsteuergesetz für Kraftomnibusse, die überwiegend im Linienverkehr eingesetzt sind, der Normalsteuersatz um 50% ermäßigt. Nach der Gesetzesvorlage ist künftig eine gänzliche Befreiung für Omnibusse im Linienverkehr von der Kraftfahrzeugsteuer vorgesehen.Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Änderung des § 11 Abs. 3 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vor. Durch die Änderung und Festsetzung höherer und gestaffelter Steuersätze für Fahrzeuge, die im ausländischen Zulassungsverfahren in der Bundesrepublik zugelassen sind, sollen die ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile des ausländischen Güterverkehrs auf den deutschen Straßen gemindert werden.Der Finanzausschuß schlägt dem Hohen Hause einstimmig die Annahme der Gesetzesvorlage vor.Meine Damen, meine Herren, gestatten Sie mir, daß ich als Abgeordneter, nicht in meiner Eigenschaft als Berichterstatter, noch einige Anmerkungen mache. Von den Personennahverkehrsbetrieben wird allenthalben erwartet, daß sie die Bevölkerung vor chaotischen Verkehrsverhältnissen in den dichtbesiedelten Städten und Gemeinden bewahren, aber auch eine bessere verkehrsmäßige Erschließung der dünner besiedelten Gebiete, also der Landkreise, betreiben.Die wirtschaftliche Lage dieses Verkehrszweiges, dessen Träger überwiegend die Gemeinden und Gemeindeverbände sind, hat sich in den letzten Jahren laufend verschlechtert.
Bei vielen Betrieben werden nicht mehr die reinenBetriebsausgaben, geschweige denn die Abschrei-
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Feuringbungen und der Kapitaldienst, durch die Verkehrseinnahmen gedeckt. Das hängt damit zusammen, daß die Nahverkehrsbetriebe sehr lohnintensiv sind. Die Personalkosten erreichen häufig einen Anteil von 60 bis 70 % der Gesamtausgaben. Ferner haben die Betriebe gemeinwirtschaftliche Leistungen durch Gewährung von Sozialtarifen und bei der Durchführung von Schülerbeförderungen zu nicht kostendeckenden Tarifen zu erbringen. Andererseits sind ständige Tarifanhebungen nicht nur unpopulär, sondern auch wirtschaftlich sehr zweifelhaft geworden, weil sie in der Regel eine Abwanderung von Fahrgästen auf den Individualverkehr zur Folge haben.
Eine große finanzielle Belastung ist den öffentlichen Nahverkehrsunternehmen durch das neue Umsatzsteuergesetz entstanden, das bekanntlich u. a. auch das Beförderungsteuergesetz ablöste. Obwohl das Umsatzsteuergesetz 1967 unter bestimmten Voraussetzungen für den Personennahverkehr den ermäßigten Steuersatz von 5,5% vorsieht, ist allein für die im Verband öffentlicher Nahverkehrsunternehmen zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen eine Steuermehrbelastung von 80 Millionen DM jährlich errechnet worden.Ich möchte deshalb nochmals auf den Bericht der Sachverständigenkommission über eine Untersuchung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden vom. 24. August 1964, Bundestagsdrucksache IV/2661, verweisen. In Ziffer 329 c) wird ausgeführt — ich zitiere —:Unter dem Gesichtspunkt der Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Stärkung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit empfiehlt die Kommission, auch die Höhe der Kraftverkehrsabgaben — Kraftfahrzeugsteuer und Mineralölsteuer — des öffentlichen Personennahverkehrs zu überprüfen.Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme in dem Bericht vom 18. Juni 1965 zugesagt, unter anderem zu prüfen, ob eine nachträgliche Erstattung eines Teils der Mineralölsteuer in Form einer Betriebsbeihilfe in Erwägung gezogen werden kann. Auch die Finanzminister der Länder haben sich für eine Entlastung des öffentlichen Nahverkehrs von der Mineralölsteuer in Form einer nach der Kilometerleistung pauschalierten Betriebsbeihilfe ausgesprochen.Ich verweise schließlich noch auf die Ausführungen des Vorsitzenden des Verkehrsausschusses, des Kollegen Seifriz, in der Sitzung des Bundestages vom 13. Februar 1968, in denen er auf den „hohen Vorrang des öffentlichen Personennahverkehrs" hinwies und erneut zu prüfen bat, inwieweit der öffentliche Personennahverkehr von Steuerabgaben befreit werden könnte.Meine Damen! Meine Herren! Mit der Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfes wird den öffentlichen Nahverkehrsunternehmen nur eine sehr bescheidene Hilfe. gegeben. In der Schweiz und in den meisten Staaten der USA ist der Linienverkehr fast ganz von der Mineralölsteuer freigestellt. In Großbritannien ist die Steuer für diese Verkehrsart ermäßigt. Es wäre zu begrüßen, wenn die Bundesregierung dem Hohen Hause baldigst einen Vorschlag zur Stärkung der Wirtschaftskraft der Personennahverkehrsunternehmen machte, denn nur wirtschaftlich gesunde Verkehrsunternehmen können die von ihnen geforderten hohen Leistungen erbringen.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes. Wer den Artikeln 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung einstimmig angenommen.Wir kommen dann zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Wir müssen dann über Ziffer 2 des Ausschußantrages abstimmen, den von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes für erledigt zu erklären.Wer diesem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Ausschußantrag ist einstimmig angenommen.Dann kommen wir zu Punkt 9 der Tagesordnung:a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Mertes und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuches— Drucksache V/1730 —b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Mertes, Bauer (Würzburg) und Genossen betr. WaldgesetzgebungDrucksache V/1832 —Meine Damen und Herren, es liegen Ihnen die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates für die Überweisung des Gesetzentwurfs und des Antrags vor.Zu Punkt 9 a) schlägt der Ältestenrat Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend — sowie an den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor.Zu Punkt 9 b) lautet der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, Rechtsausschuß, Ausschuß für Gesundheitswesen, Ausschuß
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Vizepräsident Scheelfür Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen.Wer den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. —Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Zu den Punkten 10 bis 12 der Tagesordnung wird das Wort zur Begründung nicht gewünscht, zur Aussprache ebenfalls nicht.Punkt 10:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. Dezember 1958 über den zwischenstaatlichen Austausch von amtlichen Veröffentlichungen und Regierungsdokumenten— Drucksache V/3372 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß.Punkt 11:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zweiten Abkommen vom 20. März 1968 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit und der Zusatzvereinbarung zu dem Abkommen über Soziale. Sicherheit vom gleichen Tage— Drucksache V/3349 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß — federführend —, Ausschuß für Familien- und Jugendfragen, Ausschuß für Sozialpolitik.Punkt 12:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Bergmannsprämien— Drucksache V/3337 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung.Wer den Überweisungsvorschlägen des Ältestenrates zu den Punkten 10 bis 12 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Ich rufe dann Punkt 13 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften
— Drucksache V/3430 —Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Das Wort hat Frau Kollegin Funcke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Regierung hat darauf verzichtet, das Steueränderungsgesetz 1968 offiziell einzubringen. Wahrscheinlich meint sie, wir merkten dann gar nicht, daß die „Ruhe an der Steuerfront" in Wirklichkeit keine Ruhe ist. Aber wir haben es doch gemerkt.
Einige Punkte in diesem Gesetz sind uns von der verfassungsrechtlichen Seite nahegelegt bzw. aufgezwungen. Außerdem hat die Regierung einen Entwurf aufgegriffen, den die FDP vor anderthalb Jahren dem Hohen Hause vorgelegt hat und der im Finanzausschuß seitens der Koalitionsparteien verschleppt worden ist. Insofern sind wir dem Herrn Finanzminister bzw. seinem hier anwesenden Vertreter dankbar, daß wenigstens auf diese Weise nun unser Vorschlag, „mit höheren Weihen ausgestattet", endlich beraten werden wird.
Nur eines hat uns erstaunt. Es geht um eine Änderung des § 10 des Einkommensteuergesetzes. Man will, was sehr vernünftig ist, die Ausbildung steuerlich erleichtern, weil mit dem Kinderfreibetrag nicht mehr alle Tatbestände erfaßt werden. In der heutigen Bildungsgesellschaft handelt es sich nicht mehr nur darum, daß Kinder lernen, soweit sie unter elterlicher Sorgfalt stehen, sondern auch Erwachsene, verheiratete Menschen lernen. Die Ausbildungskosten werden zum Teil vom Ehegatten bestritten, die nach bisherigem Recht kein Recht auf Steuervergünstigung haben. Es gibt Leute, die im zweiten Bildungsweg ihre Ausbildung selbst finanzieren. Für sie alle soll nun eine Steuererleichterung geschaffen werden. So weit, so gut.
Aber unser Antrag ging in einem Punkt etwas weiter, nämlich dahin, auch die Fortbildung, soweit sie nicht zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten gehört, als Sonderausgabe zu berücksichtigen. Es geht hier um die Hausfrauen, die vorübergehend nicht berufstätig sind, aber sich in ihrem Beruf fortbilden wollen, um später wieder in den Beruf einzutreten. Die Frauenenquete und auch verschiedene Äußerungen hier in diesem Hause haben deutlich gemacht, daß wir eine solche Fortbildung der Frauen wünschen, um ihnen den Wiedereintritt in den Beruf, wenn die Kinder groß sind, zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dazu ist hier schon vieles gesagt worden.
Der Regierungsentwurf aber benachteiligt diese Fortbildung der nicht berufstätigen Frau; denn „Fortbildung" wird unter dem neuen § 10 nicht erfaßt. Wir möchten jedoch, daß auch dieser Tatbestand steuerbegünstigt sein soll. Vielleicht könnte sich die Frau Minister für Familienfragen dieses Problems nun etwas intensiver annehmen, nachdem offensichtlich der frühere Familienminister bei der Kabinettsberatung sich nicht befürwortend eingeschaltet hat; denn sonst wäre ja dieser Tatbestand zweifelsohne mit erfaßt worden. Unsere Bitte geht dahin, daß wir in den Beratungen des Finanzausschusses die Lücke schließen, damit alle bildungsmäßigen Bemühungen im Sinne der beruflichen Fort-
Frau Funcke
bildung in gleicher Weise steuerlich gefördert werden können.
Wird weiter das Wort zu diesem Punkt gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates vor. Wer diesem Vorschlag folgen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.Bei den Punkten 14 bis 21 handelt es sich wieder um die erste Beratung von Gesetzentwürfen:Punkt 14:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1969
— Drucksache V/3443 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für das Bundesvermögen - federführend —, Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Haushaltsausschuß.Punkt 15:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Zollerleichterungen im kleinen Grenzverkehr— Drucksache V/3435 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend —, Finanzausschuß.Punkt 16:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 31. März 1953 über die politischen Rechte der Frau— Drucksache V/3448 — 'Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß — federführend —, Innenausschuß.Punkt 17:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen— Drucksache V/3449 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß — federführend —, Innenausschuß.Punkt 18:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zollübereinkommen vom 6. Oktober 1960 über die vorübergehende Einfuhr von Umschließungen, dem Zollübereinkommen vom 8. Juni 1961 über die vorübergehende Einfuhr von Berufsausrüstung und dem Zollübereinkommen vom 1. Dezember 1964 über Betreuungsgut für Seeleute— Drucksache V/3436 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen.Punkt 19:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Rohholz— Drucksache V/3458 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend —, Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen.Punkt 20:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge— Drucksache V/3460 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Angelegenheiten für Heimatvertriebene und Flüchtlinge — federführend —, Innenausschuß.Punkt 21:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 17. Januar 1966 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege— Drucksache V/3474 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Sozialpolitik — federführend —, Ausschuß für Familien- und Jugendfragen.Wird zu diesen Punkten das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zur Debatte gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats liegen Ihnen vor. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.Punkt 22:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren bei der Erteilung von Zollkontingentscheinen— Drucksache V/2980 —
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10512 Deutscher Bundestag - 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Vizepräsident ScheelSchriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksache V/3408 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
Wird das Wort zur zweiten Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 1, —2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,— 10,- 11, — 12, — 13, — Einleitung und Überschrift in der Form des Ihnen schriftlich vorgelegten Berichts. Wer diesen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen will, der gebe das Handzeichen.— Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig in der zweiten Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Punkt 23 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes— Drucksache V/2923 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksache V/3409 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preiß
Wird das Wort zur zweiten Beratung gewünscht?— Das ist nicht der Fall.Wer den Artikeln 1,- 2, — 3, — einschließlichder vom Ausschuß beantragten Streichung in § 1, die Ihnen mitgeteilt worden ist —, der Einleitung und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Punkt 24:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes— Drucksache V/2979 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksache V/3410 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Staratzke
Wird das Wort zur zweiten Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Änderungsvorschläge des Ausschusses sind in den Gesetzentwurf eingearbeitet.Wer den Artikeln 1, — 2, — 3, — 4, — der Einleitung und Überschrift in dieser Form zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Wir kommen zu Punkt 25 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen und zu dem Protokoll über den Beitritt Griechenlands zu diesem Übereinkommen— Drucksache V/2838 —Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/3423 —Berichterstatterin: Abgeordnete Frau Pieser
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? — Zur Beratung? — Das ist nicht der Fall.Wer den Art. 1, - 2, — 3, — der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen damit zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
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Vizepräsident ScheelDann kommen wir zu Punkt 27 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Teesteuergesetzes— Drucksache V/2778 —Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/3427 —Berichterstatter: Abgeordneter Ott
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer den Art. 1, — 2, — 3, — 4, — der Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmige Zustimmung!Wir kommen zurdritten Beratung.Wird das Wort zur dritten Beratung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer dem Gesetz als Ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich höre, daß Punkt 28 nach einer Vereinbarung für die Sitzung am Freitag vorgesehen ist.Wir kommen dann zu Punkt 29 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Genfer Protokoll von 1967 zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, dem Übereinkommen vom 30. Juni 1967 zur Durchführung von Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und dem Abkommen vom 30. Juni 1967 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie deren Mitgliedstaaten und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Uhrmacherwaren— Drucksache V/3341 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen
— Drucksache V/3472 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Elbrächter
Wird zu diesem Gesetzentwurf das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wer den Art. 1, — 2, — 3, — der Einleitung und Überschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen!Wird in derdritten Beratungdas Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Damit kommen wir zur Schlußabstimmung über dieses Gesetz. Wer dem Gesetz als Ganzem seineZustimmung geben möchte, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Es folgt Punkt 30 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung beschlossene Achtzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1968 (Verarbeitungsweine)— Drucksachen V/3360, V/3411 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. PreißWer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme ist der Schriftliche Bericht angenommen.Wir kommen zu Punkt 31:Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über die von der Bundesregierung erlassene Fünfunddreißigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen V/3285, V/3412 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SerresWird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Bericht ist, wenn ich richtig sehe, einstimmig angenommen.Punkt 32 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der FDPbetr. Wegebauprogramm für ländliche Betriebe in Höhenlagen— Drucksachen V/2813, V/3415 —Berichterstatter: Abgeordneter Bauer
dazuBericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache V/3451 — Berichterstatter: Abgeordneter WindelenWird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Punkt 33 unserer Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Finanzausschusses über den Antragder Abgeordneten Dr. Schmidt ,
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Vizepräsident ScheelBading, Mertes, Dr. Elbrächter und Genossen betr. steuerliche Regelung für Elektrofahrzeuge— Drucksachen V/1638, V/3429 —Berichterstatter: Abgeordneter FeuringWird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Finanzausschusses seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Bericht ist einstimmig angenommen.Punkt 34 unserer Tagesordnung:Beratung des Mündlichen Berichts des Verteidigungsausschusses über den Antrag der Fraktion der FDP zur Großen Anfrage der Fraktion der FDPbetr. Verteidigungskonzeption der Bundesrepublik Deutschland— Umdruck 314, Drucksache V/3440 — Berichterstatter: Abgeordneter IvenWird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.Damit kommen wir zu Punkt 35 der Tagesordnung:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rats über die zolltarifliche Behandlung von Waren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden eingeführt werden oder in Kleinsendungen an natürliche Personen eingehen— Drucksachen V/3153, V/3403 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SerresHierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Mommer und Genossen auf Umdruck 533 *) vor. Wird das Wort zur Begründung dieses Änderungsantrages gewünscht? — Zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 533 hat Herr Kollege Dr. Mommer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, daß wir hier schnell noch ein gutes Werk tun. Die Kommission hat, nachdem zum 1. Juli die Zölle im innergemeinschaftlichen Handel abgeschafft wurden, Vorschläge gemacht, um im Reiseverkehr und bei den kleinen Geschenksendungen auch die Steuergrenzen, die wir vorläufig noch nicht losgeworden sind, wenigstens ein wenig zu überspringen.
Dieser Vorschlag der Kommission lag unserem Wirtschaftsausschuß vor. Der Bericht auf Drucksache V/3403 sagt nun, wir sollen den Verordnungsvorschlag der Kommission zur Kenntnis nehmen. Ich
*) Siehe Anlage 21
glaube, daß wir uns hier im Hause einig sind, daß wir der Regierung empfehlen sollten, den Vorschlag nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern das Gute, das man tun kann, sofort zu tun und es, wenn das Bessere zu lange dauert, auch allein zu tun, also hier einmal einseitig so zu verfahren, wie wir in den 50er Jahren mit großem Erfolg bei dem Bemühen um die Abschaffung von Visen und allerlei Grenzpapieren verfahren sind. Tun wir einseitig das Gute! Wir werden sehen, daß die anderen bald nachziehen.
Der Änderungsantrag, der Ihnen auf Umdruck 533 vorliegt, ist vorsichtig abgefaßt. Es wird ersucht, das vorläufig in Kraft zu setzen. Das heißt: die Verhandlungen können ruhig weiterlaufen, und wenn sich in diesen Verhandlungen dann die Notwendigkeit zu Korrekturen in dem einen oder anderen Fall ergibt, kann man ja korrigieren. Es wäre aber wichtig, daß man an den Grenzen auch im Reiseverkehr merkt, daß sich zum 1. Juli etwas geändert hat.
Europa tritt dem Mann auf der Straße und dem Mann im Reisezug nicht immer von der besten Seite entgegen. Hier ist die Gelegenheit, eben auch den Millionen von Menschen zu zeigen, daß sich etwas geändert hat und daß wir willens sind, weiterhin zu ändern.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Herr Dr. Serres bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Herrn Kollegen Mommer sagen: Es liegt ein klarer Irrtum auf Ihrer Seite insofern vor, als es sich bei diesem Bericht nicht um den innergemeinschaftlichen Verkehr handelt, sondern um den Verkehr mit Drittländern, also mit Nicht-EWG-Ländern. Hierzu hat die Kommission einen Vorschlag ausgearbeitet, dem wir zustimmen. Jetzt verlangen Sie durch Ihren Antrag, diese Sache einseitig durch die Bundesrepublik in Kraft setzen zu lassen. Darüber kann man sicher diskutieren. Ich darf nur daran erinnern, Herr Kollege Dr. Mommer, daß wir für den innergemeinschaftlichen Verkehr bereits einen Koalitionsantrag eingebracht haben, bei dem wir diese Frage auch schon hier diskutiert haben.Ich erinnere mich aber sehr genau, daß sich Herr Minister Strauß ebenfalls zustimmend zu diesem Antrag geäußert hat, daß er aber Bedenken hatte, die Sache einseitig durch die Bundesrepublik in Kraft zu setzen. Es wäre vielleicht ganz zweckmäßig, wenn Herr Staatssekretär Leicht ein Wort dazu sagte. Im Prinzip würden wir es natürlich alle begrüßen, wenn diese Regelung so schnell wie möglich in Kraft träte. Aber ich erinnere mich sehr deutlich dieses Vorbehalts, den der Herr Bundesfinanzminister gemacht hat. Es wäre zur Klarstellung dieser Situation doch wohl notwendig, daß das Bundesfinanzministerium ein Wort sagt.
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Das Bundesfinanzministerium hatte sich bereits zu Wort gemeldet. Herr Staatssekretär Leicht hat das Wort zu dieser Frage.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe viel Verständnis für diesen Antrag, Herr Kollege Mommer. Die Bundesregierung wird sich auch bemühen, diesem Antrag nach Möglichkeit zu entsprechen. Ich muß nur den Vorbehalt machen, daß es eben doch Gründe geben kann, die es unter Umständen nicht ermöglichen, dem Ersuchen unbedingt sehr schnell nachzukommen. Ich sage noch einmal: wir prüfen die Sache und werden es nach Möglichkeit tun.
Herr Kollege Dr. Mommer!
Noch ein Wort. Wir haben in den 50er Jahren immer die Erfahrung gemacht, daß es dieses Parlaments bedurfte, um über eine Fülle von Zweifeln, Schwierigkeiten usw., die aus der Verwaltung kamen, hinwegzukommen. Nun haben wir das Glück, daß wir Parlamentarische Staatssekretäre haben, die zu diesem Hause gehören. Ich bin überzeugt, daß Sie aus Ihren Häusern einen Berg von Argumenten von Ihren Referenten bekommen, daß das alles sehr schwierig und im Grunde unmöglich sei. Da müssen Sie sich, Herr Staatssekretär, und müssen wir uns mit unserem politischen Willen gegen die Bürokratie durchsetzen.
Deswegen meine ich, die Bedenken müssen überwunden werden. Wenn wir einmal eine solche Schikane an der Grenze losgeworden sind, dann haben alle aufgeatmet, und niemand denkt daran, sie je wieder einzuführen. Aber erst einmal von einer alten, schlechten Gewohnheit herunterzukommen, das hat sich immer als sehr schwierig erwiesen.
Was nun den Irrtum angeht —, in der Tat, hier geht es nur um die außenwirtschaftlichen Beziehungen. Aber mit meinem politischen Verstand, nicht mit dem Sachverstand Ihrer ausgezeichneten Referenten, scheint mir das auch einseitig möglich zu sein, ehe die anderen zugestimmt haben. Denn bei dem, was im Reisegepäck mitgeführt wird, kann nicht die Gefahr bestehen — nicht wahr, Herr Serres? —, daß das weiter exportiert wird und den Handel unserer Partner in der EWG schädigt. Das geht doch in unser Land, und da bleibt es. Also kann uns niemand vorwerfen, daß wir gegenüber denen, die von außerhalb der Gemeinschaft in das Gemeinschaftsgebiet — in diesem Fall bei uns — einreisen, zuviel Gutes täten.
Warum sind seit dem 1. Juli schon so viele Monate vergangen, ohne daß man das getan hätte, was doch so nahe liegt, daß man diesen vernünftigen und maßvollen Vorschlag der Kommission von uns aus in Kraft gesetzt hätte? Da regen wir
uns auf, daß es nicht vorwärtsgeht in Europa und daß der eine mehr sabotiert als der andere. Tun wir doch das Gute und Vernünftige da, wo wir die Gelegenheit haben! Wenn wir damit zunächst allein sind, um so besser für unseren guten Ruf.
Das Wort hat der Herr Kollege Dr. Dichgans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur drei Sätze. Ich habe durchaus Verständnis für eine Taktik, die Bedenken hat, Vorleistungen zu machen. Ich glaube aber, Herr Staatssekretär, in diesem besonderen Fall ist der Betrag, um den es sich etwa für die Bundeskasse handeln könnte, so gering, daß wir wirklich eine Vorleistung wagen könnten, ohne befürchten zu müssen, uns Schwierigkeiten zu bereiten.
Auch wenn es sich um eine Angelegenheit gegenüber Drittländern handelt, ist es doch eine Maßnahme unserer innereuropäischen Politik, weil es ja ein Vorschlag unserer EWG-Kommission ist. Ich glaube, wir können auch die übrigen Länder am schnellsten zur Zustimmung bringen, wenn wir damit anfangen. Passieren kann ja nicht sehr viel, weil Herr Mommer mit Recht das Wort „vorläufig" in den Text hineinbringen will.
Ich meine, wir sollten soviel Mut beweisen, dem Vorschlag von Herrn Mommer zu folgen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht.Wir stimmen jetzt ab über den Änderungsantrag des Herrn Kollegen Dr. Mommer und Genossen auf Umdruck 533. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme und mehreren Enthaltungen ist der Antrag des Kollegen Dr. Mommer angenommen worden.Wir stimmen dann über den somit geänderten Antrag des Ausschusses ab. Wer dem geänderten Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der geänderte Antrag des Ausschusses ist damit angenommen.Ich rufe die Punkte 36, 37 und 38 der Tagesordnung auf:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Messung der Schüttdichte von Getreide— Drucksachen V/3141, V/3452 — Berichterstatter: Abgeordneter Opitz
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10516 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 194. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. November 1968
Vizepräsident ScheelBeratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates über die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Freizonen— Drucksachen V/2843, V/3455 — Berichterstatter: Abgeordneter LangeBeratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie des Rates vom 7. Juli 1964 (64/427/EWG) über die Einzelheiten der Übungsmaßnahmen auf dem Gebiet der selbständigen Tätigkeiten der be- und verarbeitenden Gewerbe der CITI-Hauptgruppen 23-40 (Industrie und Handwerk)— Drucksachen V/3123, V/3456 — Berichterstatter: Abgeordneter Dr. SerresWünscht jemand das Wort zu diesen Ausschußberichten? — Das ist nicht der Fall.Wir stimmen der Einfachheit halber über die Punkte 36, 37 und 38 gemeinsam ab. Wer den Ausschußanträgen zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe jetzt die Punkte 39, 40 und 41 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags des Bundesministersder Finanzen betr. Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen alten FlugplatzesNorderney an das Land Niedersachsen— Drucksache V/3424 —Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung der ehemaligen Ulanenkaserne A in Düsseldorf an das Land Nordrhein-Westfalen— Drucksache V/3434 —Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen Flugplatzes KölnOstheim an die Stadt Köln— Drucksache V/3406 —Nach den Vorschlägen des Ältestenrates soll der Antrag unter Punkt 39 an den Ausschuß für das Bundesvermögen überwiesen werden. Der Antrag unter Punkt 40 soll nach dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates an den Ausschuß für das Bundesvermögen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß überwiesen werden. Zu Punkt 41 geht der Überweisungsvorschlag des Ältestenrates dahin, den Antrag an den Ausschuß für das Bundesvermögen zu überweisen. Ist das Haus mit den Vorschlägen des Ältestenrates einverstanden? — Das ist der Fall; es ist so beschlossen. Damit sind wir am Ende der Tagesordnung angelangt.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 14. November 1968, 14 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.