Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung mit einem Worte der Trauer und des Gedenkens.
Gestern ist unsere frühere Kollegin Frau Dr. Marie-Elisabeth Lüders in Berlin im 88. Lebensjahre verstorben. Das Wirken dieser ausgezeichneten Frau verkörpert ein Stück deutscher Gesellschafts-
und Parlamentsgeschichte. Mehr als 50 Jahre stand sie im öffentlichen Leben. Mit einer Zähigkeit besonderer Art hat sie sich als eine der ersten deutschen Frauen den Weg ins Studium erkämpft.
Schon 1919 ist sie als Nachfolgerin Friedrich Haumanns Mitglied der Deutschen Nationalversammlung in Weimar geworden und war in der Folge von 1920 bis 1932 Mitglied des Deutschen Reichstages. Nach der rechtlosen Zeit stand sie sofort wieder in der ersten Linie des politischen Kampfes — in Berlin, dieser Stadt, der sie besonders verpflichtet war und der sie in ihrem Wesen besonderen Ausdruck gab, im Stadtrat, im Abgeordnetenhaus, als Mitglied des Magistratsrats.
Hier in diesem Hause hat sie den 2. Deutschen Bundestag und den 3. Deutschen Bundestag als Alterspräsidentin eröffnet.
Wo sie wirkte, war sie eine unübersehbare Persönlichkeit, mit weit gestreckten Interessen, Vorkämpferin der Rechte der Frau, der Familie, des Kindes, aber auch Vorkämpferin in allen Fragen des Rechts, unerbittlich, mit klarem Verstand und notfalls mit scharfem Wort.
Sie war eine große Frau. Sie war eine große Parlamentarierin. Ich spreche der Fraktion der Freien Demokratischen Partei, die in ihr die Ehrenpräsidentin der FDP betrauert, die Anteilnahme des Hauses aus. In diesem Hause wird sie unvergessen bleiben. — Sie haben sich zu Ehren unserer verehrten Kollegin von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Unser Kollege Dr. Eckhardt hat gestern seinen 60. Geburtstag gefeiert. Ich darf ihm die besten Wünsche des Hauses aussprechen.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen
Der Bundesschatzminister hat am 17. März 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Staratzke, Graaff, Ramms und Genossen betr. Konzentration in der Werftindustrie — Drucksache V/354 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/452 verteilt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 18. März 1966 gemäß § 19 Abs. 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten in der Fassung vom 10. Dezember 1952 die von der Bundesregierung beschlossene Verordnung über die zeitweilige Aussetzung der Verpflichtung zur Beimischung von inländischem Rüböl im Jahre 1966 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Bundesminister der Verteidigung hat am 16. März 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauer , Bals, Felder, Herold und Genossen betr. Praktische Auswirkung des Systems der Rechtsbehelfe in bezug auf die Einberufung von Wehrpflichtigen — Drucksache V/235 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/456 verteilt.
Der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 18. März 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kühn , Stingl, Dr. Huys und Genossen betr. Förderung von Abendoberschulen — Drucksache V/223 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/459 verteilt.
Wir kommen zum ersten Tagesordnungspunkt, der Fragestunde
— Drucksachen V/454, V/457 —,
zunächst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz.
Ich rufe die Frage I/1 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf — —
Herr Präsident, ich möchte darum bitten, die beiden Fragen gemeinsam beantworten zu dürfen!
Dann rufe ich die Fragen I/1 und I/2 des Herrn Abgeordneten Dr. Abelein auf:
Hält die Bundesregierung die Objektivität des in der Hauptverhandlung entscheidenden Richters noch für gesichert, wenn der gleiche Richter gemäß § 111 a StPO schon wegen eines den Straßenverkehr gefährdenden Deliktes des § 315 c StGB vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen hat?
Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, die Entscheidung über den endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis einem anderen Richter als dem in Frage I/1 bezeichneten oder einer anderen Stelle zu übertragen?
Bitte, Herr Minister!
Die erste Frage ist zu bejahen. Bei der Beratung des Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Ge-
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1496 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister Dr. Jaegerrichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 1964 hat der Deutsche Bundestag eingehend erörtert, ob die Mitwirkung an Vorentscheidungen — wie etwa dem Erlaß eines Haftbefehls, eines Durchsuchungsbefehls, einer Beschlagnahmeanordnung, der Anordnung der körperlichen Untersuchung oder der einstweiligen Unterbringung — hinreichenden Anlaß bietet, den Richter von der Teilnahme an der Hauptverhandlung auszuschließen. Diese Frage ist — nach meiner Ansicht zu Recht — verneint worden. Literatur und Rechtsprechung sind sich auch darüber einig, daß die Mitwirkung an einer solchen vorläufigen Entscheidung für sich allein kein Grund ist, an der Unbefangenheit des Richters zu zweifeln. Ich sehe keinen Anlaß, den Fall einer vorläufigen Entziehung der Fahrererlaubnis anders zu beurteilen.Daraus ergibt sich, daß die Bundesregierung keinen Anlaß für eine Gesetzesänderung sieht.
Keine Zusatzfrage. Die Frage I/3 des Abgeordneten Dr. Müller- Emmert:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Praxis der Richter verschiedener Bundesgerichte, die dahin geht, daß sie das Urheberrecht an Entscheidungen und Leitsätzen, die in den von ihnen oder einem Bundesgericht herausgegebenen Sammlungen veröffentlicht werden, für sich in Anspruch nehmen und daher mit der Veröffentlichung dieser Leitsätze und höchstrichterlichen Entscheidungen nur gegen Zahlung eines Honorars einverstanden sind, das einem Veröffentlichungsausschuß oder dem Richterverein zufließt?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Ich rufe die Frage des Abgeordneten Dr. Wörner aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher getroffen, um im Bereich der Entwicklungshilfe die private Initiative auch bei der Durchführung der Technischen Hilfe in möglichst großem Umfang zu nutzen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist davon überzeugt, daß die Aufgabe der Entwicklungshilfe nur bewältigt werden kann, wenn sich neben dem Staat die private Wirtschaft und 'die freien gemeinnützigen gesellschaftlichen Kräfte gestaltend beteiligen. Die Völker in Asien, Afrika und Lateinamerika brauchen für eine gesunde Wirtschaft und für ein leistungsfähiges Bildungs- und Sozialwesen auf allen Stufen verantwortliche Führungskräfte. Entwicklungsförderung von Staat zu Staat allein reicht nicht aus. Entwicklungsvorhaben vor allem im Bildungs- und im Sozialbereich sind so vielfältig, daß das besondere Wissen und der besondere Zugang zum Menschen, wie ihn oft nur private Organisationen haben, mit herangezogen werden müssen. Solche Organisationen können jenseits von gewissen Rücksichten und formalen Bindungen, die das staatliche Wirken manches Mal belasten, Risiken übernehmen und auch experimentieren.Bei der Durchführung der Technischen Hilfe im weiteren Sinne beteiligen sich die wichtigen einschlägigen privaten Organisationen vor allem bei der Sozialstrukturhilfe, bei der gesellschaftspolitischen Erziehung und bei der Jugend- und Erwachsenenbildung. Besondere Erwähnung verdienen vielleicht die drei Einrichtungen der politischen Bildung sowie der Deutsche Volkshochschulverband, die Wohlfahrtsverbände, das Büro für Internationale Soziale Hilfe und die Weltweite Partnerschaft.Die berufliche Aus- und Fortbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer in Deutschland erfolgt in bewährter Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft und der Carl-Duisberg-Gesellschaft, die weitgehend die organisatorische Verantwortung trägt. Eine interessante weitere Form der Zusammenarbeit zeigt die Vereinbarung mit einem großen deutschen Wirtschaftsunternehmen, das in seiner indischen Niederlassung über den Eigenbedarf hinaus mehrere hundert Lehrlinge ausbilden will. Weitere Unternehmen sind an ähnlichen Förderungen interessiert.Die aktive und verantwortliche Mitwirkung des privaten Bereichs beim Deutschen Entwicklungsdienst verdient die besondere Anerkennung der Bundesregierung. Den privaten Kräften, die im Arbeitskreis Lernen und Helfen zusammengeschlossen sind, ist es nicht zuletzt zu verdanken, daß der Gedanke des Dienstes in der deutschen Jugend einen so nachhaltigen und andauernden Widerhall gefunden hat.Schließlich sind private Organisationen auch bei der Durchführung von Vorhaben der technischen Hilfe im engeren Sinne seit längerem beteiligt, beispielsweise das Christliche Jugenddorfwerk. Einen wichtigen Impuls für die Intensivierung der Agrarhilfe erhofft sich die Bundesregierung von einer engen Zusammenarbeit mit den maßgeblichen Verbänden der deutschen Landwirtschaft; die ersten Schritte hierzu haben wir unternommen.In anderer Form, nämlich nur mit Zuschüssen, fördert die Bundesregierung auch die eigene Tätigkeit privater Organisationen. Hier ist in erster Linie auf die kirchliche Entwicklungsarbeit im Rahmen der Zentralstellen hinzuweisen. Die Bundesregierung hat seit 1962 für rund 850 kirchliche Entwicklungsvorhaben im landwirtschaftlichen, genossenschaftlichen, handwerklich-technischen und im Sozialbereich Zuschüsse in Höhe von 211 Millionen DM gewährt. Auf die erhebliche Eigenbeteiligung der Kirchen an den Kosten der einzelnen Vorhaben darf in diesem Zusammenhang ebenso hingewiesen werden wie auf das Sammlungsergebnis der kirchlichen Aktionen „Misereor" und „Brot für die Welt", das zusammen mit dem voraussichtlichen Ergebnis der unmittelbar bevorstehenden diesjährigen Fastenaktion von „Misereor" die beachtliche Höhe von nahezu einer halben Milliarde DM erreichen wird.Die Förderung der Eigeninitiative nichtkirchlicher privater Organisationen wird ebenfalls aus einem besonderen Haushaltstitel ermöglicht. Bisher haben sich vor allem Einrichtungen der Erwachsenenbildung und der sozialen Hilfe, Wohlfahrtsverbände und landwirtschaftliche Organisationen mit Vor-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1497
Staatssekretär Dr. Vialonhaben der Bildungs- und Sozialstrukturhilfe beteiligt; insgesamt wurden 5,5 Millionen DM an Zuschüssen gewährt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Wörner.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Möglichkeit, das von Ihnen angedeutete Beispiel der Zusammenarbeit mit einer deutschen Firma bei der Ausbildung von Lehrlingen auch auf andere Firmen zu erstrecken? Sie hatten gesagt, daß Interessenten vorhanden seien. Betrachtet die Bundesregierung diese Art der Zusammenarbeit als ausbaufähig? Wird sie das Ihre dazu tun, um das im Rahmen des Möglichen fortzusetzen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß die Frage ohne Einschränkung bejaht werden kann.
Keine weitere Frage.
Eine kleine Bemerkung. An sich entsprach die Antwort nicht ganz dem Ideal der Fragestunde. Allerdings war die Frage, Herr Dr. Wörner, auch sehr grundsätzlicher Art und hat zu dieser Antwort verlockt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts auf: Ich rufe die Fragen III/ 1 und III/ 2 des Abgeordneten Biechele auf.
Sind Informationen zutreffend, nach denen an der Deutschen Schule „Alexander von Humboldt" in Mexiko evangelischer und katholischer Religionsunterricht weder in regelmäßigen Schuh stunden noch in freiwilligen Religionsstunden erteilt werden darf?
Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, sich dafür einzusetzen, daß der Religionsunterricht an der Deutschen Schule „Alexander von Humboldt" auch im Hinblick darauf erteilt werden darf, daß der Bund für diese Schule erhebliche Zuschüsse leistet ?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt
Ich rufe die Frage 11I/3 des Abgeordneten Josten auf:
Wieweit bestehen mit den Europäischen Rundfunkanstalten Vereinbarungen, damit wichtige Nachrichten für Touristen, z. B. in Todesfällen, in deutscher Sprache gesendet werden?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten Josten wie folgt beantworten. Es besteht seit 1965 eine Vereinbarung innerhalb der Europäischen Rundfunkunion über die Weitergabe von dringenden Botschaften für Touristen, die sich im Ausland aufhalten und deren Wohnsitz nicht bekannt ist. Die Vereinbarung wurde für die Bundesrepublik
Deutschland von der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands federführend unterzeichnet; sie bezieht sich auf Mitteilungen über Unfall, Krankheit, Todesfall, soweit es sich um Verwandte ersten .Grades handelt Die Wahl der Sprache, in der die Botschaft weitergegeben wird, ist dem Ermessen der ausstrahlenden Rundfunkanstalt überlassen. Diese kann entweder eine der offiziellen Sprachen der Europäischen Rundfunkunion, d. h. Englisch oder Französisch, oder auch die Landessprache wählen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, bestehen ,solche Abmachungen auch mit den Rundfunkanstalten hinter dem Eisernen Vorhang?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So weit ich weiß, Herr Abgeordneter, sind alle europäischen Staaten außer den osteuropäischen kommunistischen Staaten Mitglied der Europäischen Rundfunkunion.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß z. B. der jugoslawische Rundfunksender in Laibach wichtige Nachrichten für `Touristen, die sich in Jugoslawien aufhalten, in deutscher Sprache sendet, und ist die Bundesregierung bereit, eine solche Regelung auch bei Rundfunkanstalten in Gebieten anzustreben, in die sich wahrscheinlich viele Touristen begeben werden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung ist gern bereit, der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten in Deutschland einen entsprechenden Hinweis zu geben.
Ich rufe die Frage III/4 des Abgeordneten Wischnewski auf:
Weiß die Bundesregierung, warum britische Behörden Herrn Bernhard Michael Haag, Köln-Deutz, anläßlich eines Transitaufenthaltes in London die geplante Weiterreise nach Irland verboten und ihn unter völlig ungewöhnlichen Umständen in die Bundesrepublik zurückgeschickt haben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Wischnewski zusammen beantworten?
Einverstanden. Ich rufe also auch die Frage III/ 5 des Abgeordneten Wischnewski auf:Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die Interessen von Herrn Bernhard Michael Haag zu wahren?
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1498 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die britische Einwanderungsbehörde auf dem Flugplatz London, die gemäß einer britisch-irischen Übereinkunft die Paß- und Zollkontrolle der in die Republik Irland reisenden Transitpassagiere durchführt, am 2. März 1966 nach telefonischer Rückfrage beim irischen Justizministerium und mit dessen Zustimmung Herrn Haag die Einreise in die Republik Irland verweigert hat.
Der Grund für diese Entscheidung war nach den der Bundesregierung zugegangenen Informationen der folgende. Bereits vor seiner Abreise hatte Herr Haag bei der irischen Botschaft in Bonn angefragt, unter welchen Bedingungen er in Irland arbeiten könne. Er wurde darauf hingewiesen, daß er dazu eine Arbeitsgenehmigung brauche. Bei der Überprüfung auf dem Flugplatz in London erklärte Herr Haag, er wolle in Irland arbeiten. Er war jedoch nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis. Darüber hinaus ergab sich, daß Herr Haag nicht über genügend Geld für seinen Unterhalt in Irland und auch nicht über eine Rückfahrkarte verfügte und in Irland keine Freunde hatte, die ihn gegebenenfalls hätten unterstützen können. Herr Haag ist daraufhin nach Deutschland wieder abgeschoben worden.
Herr Haag hat von der britischen Einwanderungsbehörde Gelegenheit erhalten, sich mit der deutschen Botschaft in London telefonisch in Verbindung zu setzen. Diese hat daraufhin die Einwanderungsbehörde gebeten, beim britischen Innenministerium eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Kurze Zeit später wurde die Botschaft jedoch unterrichtet, daß das Innenministerium strikt auf der Rücksendung von Herrn Haag bestehe. Da die Botschaft nunmehr keine weitere Möglichkeit hatte, zugunsten von Herrn Haag zu intervenieren, hat sie ihm bei einem erneuten Telefongespräch nahegelegt, sich ohne weiteren Widerstand mit der Rückführung einverstanden zu erklären.
Keine Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen.
Ich rufe die Fragen V/1 bis 3 des Abgeordneten Müller auf:
Ist dem Bundesfinanzminister bekannt, daß auf einer Teilfläche von 616 qm im Jahre 1938 im Auftrage des Luftgaukommandos XII ein Flakunterkunftshaus in der Gemeinde Offstein, Landkreis Worms errichtet und die damaligen Eigentümer, die Eheleute Jakob und Katharina Gieß, gezwungen wurden, einen Duldungsvertrag abzuschließen?
Teilt der Bundesfinanzminister die Auffassung der Bundesvermögensstelle Mainz, daß nach Ubersiedlung der derzeitigen Bewohner des Flakhauses, die seinerzeit von Mainz nach Off-stein evakuiert wurden, der derzeitige Eigentümer, Ernst Gieß, das Flakhaus käuflich übernehmen müsse, während dieser auf Wiederherstellung des früheren Zustandes besteht, weil er in dem sogenannten Flakhaus, das niemals als solches benutzt wurde, eine Beeinträchtigung des Grundstückswertes erblickt?
Teilt der Bundesfinanzminister die Auffassung der Oberfinanzdirektion Koblenz, daß im vorstehend geschilderten Fall Ansprüche wegen Inanspruchnahme der Grundstücksteile durch die seinerzeitige Duldungsentschädigung abgegolten seien?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Ich rufe die Frage V/4 des Abgeordneten Dröscher auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, das geltende Gewerbesteuerrecht der jetzt zu beobachtenden Entwicklung anzupassen, bei welcher infolge fortschreitender Automation in den Produktionsstätten die Betriebsgemeinden" bei der Verteilung der Gewerbesteuer nach der Lohnsumme gegenüber den Gemeinden mit den Verwaltungs- und Forschungsabteilungen der Unternehmungen benachteiligt zu werden drohen?
Bitte, Herr Minister!
Nach dem Gewerbesteuerrecht ist der einheitliche Steuermeßbetrag, wenn ein Gewerbebetrieb Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhält, in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile zu zerlegen. Bei Betrieben, auf die sich die mündliche Anfrage bezieht, also bei Produktionsbetrieben, sind die Arbeitslöhne Zerlegungsmaßstab. Führt die Anwendung dieses Maßstabs zu einem offenbar unbilligen Ergebnis, so ist gemäß § 33 des Gewerbesteuergesetzes nach einem Maßstab zu zerlegen, der die tatsächlichen Verhältnisse besser berücksichtigt. Dies wird auch dann gelten, wenn, gemessen an den durch die Existenz der Betriebsstätte verursachten Belastungen, zwischen den Zerlegungsanteilen der beteiligten Gemeinden ein krasses Mißverhältnis besteht und dieses darauf beruht, daß die Arbeitslöhne in der Gemeinde, in der sich die Verwaltungs- und Forschungsabteilungen eines Unternehmens befinden, besonders hoch sind.
Herr Abgeordneter Dröscher zu einer Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, wären Sie bereit, den Ihnen unterstehenden Behörden Anweisungen zu geben bzw. mit den Landesfinanzverwaltungen Verbindung aufzunehmen mit dem Ziel, daß dieser zweifellos in Gang befindliche Prozeß dahin gehend ausgewertet wird, daß nicht mehr generell die Löhne als Maßstab der Zerteilung genommen werden?
Herr Kollege Dröscher, ich habe bereits mit den Herren Finanzministern und -Senatoren der Länder gesprochen und gebeten, dieses Problem wegen seiner Tragweite auf der nächsten Zusammenkunft der Steuerreferenten zu besprechen, damit eine möglichst gleichmäßige Behandlung in allen Ländern erreicht wird. Ich glaube, daß die jetzige Regelung für die in Betracht kommenden Fälle immer eine alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung ermöglicht. Ich glaube auch nicht, Herr Kollege Dröscher, daß es sehr viele Fälle sind. Eine die vielfältigen Besonderheiten des Problems für den jeweiligen Einzelfall behandelnde gesetzliche Regelung erschwert, glaube ich, das Zerlegungsverfahren, das bisher recht einfach gelaufen ist. Abgesehen davon befürchte ich eine ganze Reihe von gesetzestechnischen Schwierigkeiten. Ich will das alles mit den Ländern besprechen, damit wir für die in Frage kommenden Fälle eine möglichst gleichmäßige Behandlung sichern.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1499
Eine weitere Frage, Abgeordneter Dröscher.
Würden Sie bereit sein, mir zuzugestehen, daß, wenn eine vernünftige Regelung nicht kommt — die bisherige Regelung ist von der Zustimmung der beiden Gemeinden abhängig —, die Gefahr besteht, daß unter Umständen eine Gemeinde, die den ganzen Betrieb hat, der aber voll automatisiert ist, überhaupt keine Gewerbesteuer erhält, während die andere Gemeinde — natürlich nur im extremen Fall — mit den Verwaltungs- und Forschungsabteilungen die gesamte Gewerbesteuer erhält, und daß das unrecht ist?
Wir wollen das im Kreise der Länder erörtern.
Frage V/5 des Abgeordneten Baier:
Welchen Unterschied sieht der Bundesfinanzminister in der lohnsteuerlichen Behandlung von Zinszuschüssen für Darlehen zum Bau von Eigenheimen, die von privaten oder kommunalen Arbeitgebern geleistet werden, und solchen, welche im Rahmen der Landes- und Bundesbedienstetenwohnungsfürsorge gewährt werden?
Bitte, Herr Minister!
Ich bitte damit einverstanden zu sein, daß ich die Fragen V/5 und V/6 zusammen beantworte, da sie dasselbe betreffen.
' Vizepräsident Dr. Dehler: ich rule auch die Frage V/6 des Abgeordneten Baier auf:
Ist der Bundesfinanzminister der Auffassung, daß Zuschüsse zur Verbilligung von Kapitalmarktmitteln für den Darlehensnehmer jeweils das gleiche wirtschaftliche Ergebnis haben, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber eine Privatfirma, eine Kommunalverwaltung, das Land oder der Bund ist?
Zinszuschüsse, die ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer für Darlehen gibt, die der Arbeitnehmer anläßlich eines Bauvorhabens von einem Dritten aufgenommen hat, gehören nach § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung zum Arbeitslohn. Es macht lohnsteuerrechtlich keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber einen Zinszuschuß oder einen entsprechend höheren Arbeitslohn gewährt. Zinszuschüsse, die ein privater oder öffentlicher Arbeitgeber gewährt, sind in gleicher Weise steuerpflichtig.
Eine Zusatzfrage, Abgeordneter Baier.
Herr Bundesfinanzminister, ist es nicht so, daß Zinszuschüsse etwa des Bundes oder der Länder zur Förderung des Wohnungsbaues gegeben werden, die das gleiche wirtschaftliche Ergebnis haben, aber nicht lohnsteuerpflichtig sind?
Herr Kollege Baier, da die Einkommensteuer und die Lohnsteuer von ,den Ländern verwaltet werden, kann ich wirklich nicht sagen, ob in der Vergangenheit die soeben dargestellte Rechtsauffassung überall im gesamten Bundesgebiet einheitlich praktiziert worden ist. Um eine einheitliche lohnsteuerrechtliche Behandlung der Zinszuschüsse sicherzustellen, haben die Steuerreferenten der Länder durch einen Beschluß Ende des vergangenen Jahres die Rechtsauffassung bestätigt, daß die Zinszuschüsse privater und öffentlicher Arbeitgeber in gleicher Weise steuerpflichtig sind.
Eine weitere Frage, Abgeordneter Baier.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesfinanzminister, ich möchte mit meiner Frage nicht mehr Steuern in Ihre Kasse bringen, sondern darauf hinweisen, daß doch durch Zinszuschüsse das gleiche wirtschaftliche Ergebnis erzielt wird, ob sie nun von einer Gemeinde oder einem privaten Arbeitgeber oder aber über den Bundeshaushalt oder den Landeshaushalt gegeben werden. Deshalb ist es einfach unerklärlich, daß Sie den einen Zinszuschuß der Lohnsteuer und der Einkommensteuer unterwerfen und den anderen Zinszuschuß nicht.
Beide sollen — ob sie nun von einem privaten oder einem öffentlichen Arbeitgeber kommen — der Lohnsteuer unterworfen werden; denn da ist kein Unterschied zu machen. Ob das in der Vergangenheit immer eingehalten worden ist, entzieht sich, wie ich schon sagte, meiner Kenntnis, weil die Länder die Lohnsteuer verwalten. Wir haben aber Ende vergangenen Jahres zum Zwecke der Schaffung einer einheitlichen Praxis in allen Ländern mit den Steuerreferenten der Länder über dieses Problem gesprochen.
Eine weitere Frage, Abgeordneter Baier.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesfinanzminister, werden Sie da nicht auf große Schwierigkeiten stoßen? Denn die Zinssubventionen, die wir in der Wohnungsbauförderung geben, sollen doch letztlich zu einer Streckung der Förderungsmittel dienen, die mit den Darlehensmitteln nicht ausreichen.
Das ist schon richtig, Herr Kollege Baier. Nur, wenn Zinszuschüsse vom Arbeitgeber, ob öffentlich oder privat, zur Erleichterung eines Darlehens eines Dritten gewährt werden, dann ist das Teil des Arbeitslohnes, der ja nicht nur in dem Barlohn besteht, sondern auch in Zuwendungen anderer Art bestehen kann.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mick.
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß Leistungen der freien Wirtschaft im Wohnungsbau der öffentlichen Hand öffentliche Mittel ersparen, und halten Sie es für richtig, daß die öffentliche Hand das honoriert, indem sie von diesen Leistungen noch einmal Steuer verlangt?
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1500 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Herr Kollege, wenn ich Ihrem Gedanken folgte, müßten wir bei allen Löhnen oder Gehältern untersuchen, ob darin Anteile enthalten sind, durch die etwa ein solcher Zweck erreicht- wird, und müßten diese dann steuerfrei lassen. Ich halte das für völlig unmöglich. Das Steuerrecht muß davon ausgehen, daß das Einkommen — Lohn oder Gehalt — eines Arbeitnehmers der Steuer unterliegt. Dann kommen die Vergünstigungen, die nach dem Steuerrecht geltend gemacht werden können. Ihr Gedanke, Herr Kollege, bedeutet, glaube ich, eine Überforderung des 'Steuerrechts.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Mick.
Herr Minister, wären Sie dann nicht bereit, zu überprüfen, ob man die Arbeitnehmer der privaten Wirtschaft nicht so behandeln könnte, wie man bis jetzt die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes behandelt hat? — Ich sagte nur „überprüfen", Herr Minister!
Herr Kollege, Ende des vergangenen Jahres haben wir das mit den Steuerreferenten der Länder überprüft, und die Steuerreferenten der Länder und meine Herren sind zu der Überzeugung gekommen, daß Steuerfreiheit auf einem Sektor dann ein Verfassungsverstoß wäre, wenn man den anderen Sektor besteuert. Es geht also nur das eine oder das andere. Der Bundesfinanzminister und die Finanzminister der Länder sind nicht befugt, Teile des Einkommens über das Gesetz hinaus steuerfrei zu lassen.
Eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Mick.
Herr Minister, gelten diese Gelder auch dann, wenn sie nur als Darlehen gegeben werden und diese Darlehen zurückgezahlt werden müssen, als Teil des Lohnes?
Nein, die Darlehen sind sicherlich kein Einkommen. Das widerspricht dem Sinn des Darlehens, das ja zurückgezahlt wird. Es dreht sich allein um die Zinsverbilligungszuschüsse, die gegeben werden. Diese sind besondere Teile des Einkommens.
Herr Abgeordneter Baier, Sie haben keine Frage mehr.
— Ja, bitte! Wir sind großzügig.
Herr Bundesfinanzminister, nach dem Frage-und-Antwort-Spiel mit dem Kollegen Mick muß ich Sie doch noch einmal fragen, ob Sie nicht auch den Eindruck haben, daß diese Zinsverbilligungsmittel letztlich nur dazu dienen, einen Ersatz für zinsgünstige Darlehen des Arbeitnehmers zu gewähren, und im Endeffekt das wirtschaftliche Ergebnis das gleiche ist. Aber das eine unterwerfen Sie der Lohnsteuer und der Einkommensteuer und das andere nicht.
Herr Kollege, ich habe auch Herrn Kollegen Mick insoweit eine Frage noch nicht beantwortet. Ich bin gern zu einer weiteren Überprüfung bereit, muß Ihnen aber sagen, nach dem geltenden Steuerrecht wird die Ihnen vorschwebende Regelung nicht möglich sein.
Keine weitere Zusatzfragen.
Ich rufe die Fragen V/7, V/8 und V/9 des Abgeordneten Deringer auf:
Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, in wie vielen Fällen Bausparer die ihnen gewährte Bausparprämie zurückerstatten mußten, weil sie infolge Nichterfüllung seitens Dritter den Einsatz aus einem Bausparvertrag innerhalb der Sperrfrist ausgezahlter Beträge verloren haben?
Hält die Bundesregierung das Verlangen der Finanzämter auf Rückzahlung der Bausparprämie nach dem WoPG für geboten und gerechtfertigt, wenn der Bausparer aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, den angestrebten Zweck nicht verwirklichen kann?
Betrachtet die Bundesregierung eine analoge Anwendung des § 131 AO in den aus Fragen V/7 und V/8 hervorgehenden Härtefällen trotz des völligen Ineinandergreifens von § 2 Abs. 1 Nr. 1 WoPG einerseits und § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG andererseits als unzulässig?
Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.
Dann die Frage V/10 des Abgeordneten Genscher:
Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag einen Vorschlag vorzulegen, durch den die Bildung von gewinnmindernden Rückstellungen für die private Wissenschaftsförderung ermöglicht wird?
Bitte, Herr Minister!
Herr Kollege, der Vorschlag, durch eine entsprechende Änderung des Einkommensteuergesetzes die Bildung von steuerlich anerkennungsfähigen Rückstellungen bzw. von steuerfreien Rücklagen für Wissenschaftsspenden zuzulassen, wird zur Zeit geprüft und soll so bald wie möglich mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert werden.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, werden Sie diesen Vorschlag unterstützen, um in Zukunft private Spenden für die Wissenschaft zu erleichtern?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1501
Herr Kollege, wir behandeln ein vielschichtiges, schwieriges Gebiet. Selbstverständlich hat jedermann allergrößtes Interesse an privaten Spenden für die Wissenschaft. Das Bundesministerium der Finanzen ist bereit, alles zu tun, um solche Spenden im Rahmen unserer Gesetze zu erleichtern.
Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die Frage IV/ 1 der Abgeordneten Frau Geisendörfer auf:
Hält es die Bundesregierung für angezeigt, daß mehrere Landesrundfunkanstalten, wie z. B. der Norddeutsche Rundfunk , der Westdeutsche Rundfunk (vgl. Rede des Intendanten am 20. Juli 1965) und der Bayerische Rundfunk (vgl. Neujahrsansprache des Intendanten), technisch verstärkt werden mit dem Ziel, den freien Teil Deutschlands vor den Rundfunkhörern Europas zu repräsentieren, dagegen die technischen und finanziellen Probleme des Deutschlandfunks — die Verstärkung der Sender und der eventuelle Anteil des Deutschlandfunks an den Rundfunkgebühren — immer noch nicht endgültig und zufriedenstellend geregelt sind?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich darf zum ersten Teil Ihrer Frage, Frau Abgeordnete, folgendes sagen. Die Bundesregierung begrüßt jede technische Verstärkung von Sendeanlagen für Rundfunkanstalten, die darauf abzielt, die Leistungsfähigkeit der Anstalten zu erhöhen. Was die technischen Probleme des Deutschlandfunks betrifft, die Sie im zweiten Teil Ihrer
1 Frage ansprechen, so wird bald eine zufriedenstellende Regelung erfolgen. Von den Sendeanlagen, die sich im Aufbau befinden, wird der Langwellensender Mudau im Odenwald im Sommer dieses Jahres in Betrieb genommen werden können. Die Inbetriebnahme der endgültigen Mittelwellensendeanlagen Braunschweig und Mainflingen ist für den Spätherbst dieses Jahres vorgesehen. Der Mittelwellensender Neumünster, der für die Ausstrahlung von Sendungen nach Skandinavien und England bestimmt ist, wird voraussichtlich ebenfalls im Herbst dieses Jahres sendebereit sein.
In finanzieller Hinsicht — darauf haben Sie in Ihrer Frage auch abgestellt — kann nach der Auffassung, die die Bundesregierung stets vertreten hat, eine zufriedenstellende Regelung nur darin bestehen, daß der Deutschlandfunk die Mittel, die zur Deckung seiner Ausgaben erforderlich sind, aus einem Anteil am Aufkommen an Tonrundfunkgebühren erhält. Die Bund /Länder-Verhandlungen über eine vertragliche Regelung des Rundfunkgebührenwesens konnten bedauerlicherweise immer noch nicht abgeschlossen werden. Eine Übergangsregelung für drei Jahre, die von Vertretern der Bundesregierung und Sprechern der Ministerpräsidentenkonferenz im vergangenen Frühjahr ausgearbeitet worden war, ist bisher ebenfalls noch nicht zustande gekommen. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz hat die Bundesregierung jedoch inzwischen wissen lassen, daß die Ministerpräsidenten der Länder bereit sind, die Verhandlungen über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens einschließlich der Finanzierung des Deutschlandfunks auf der Grundlage des bisher erzielten Besprechungsergebnisses fortzuführen. Die Verhandlungen sollen nunmehr fortgesetzt werden.
Frau Geisendörfer zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihre zurückhaltenden Formulierungen bald, voraussichtlich und vorgesehen im Hinblick auf den technischen Ausbau dahin verstehen, daß die Bundesregierung alles tun wird, was in ihren Kräften steht, um die Fertigstellung der verstärkten Sendeanlagen zu beschleunigen?
Ja, das dürfen Sie, • Frau Abgeordnete. Alle Bauvorhaben der Deutschen Bundespost für Zwecke des Deutschlandfunks sind in die höchste Dringlichkeitsstufe eingereiht. Die genannten Termine beruhen auf sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung des Fortgangs der Bau- und Installierungsarbeiten.
Zu einer weiteren Zusatzfrage Frau Abgeordnete Geisendörfer.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß seinerzeit bei der Verabschiedung des durch Bundesrat und Vermittlungsausschuß veränderten Bundesrundfunkgesetzes die Absicht bestand, den gestrichenen Finanzierungsparagraphen im gleichen Zeitpunkt durch ein BundLänder-Abkommen zu ersetzen, und sehen Sie nun — auch auf Grund dessen, was Sie soeben gesagt haben — eine Möglichkeit, die Verhandlungen durch den Bund so zu intensivieren, daß sie in allernächster Zukunft zu einem Abschluß kommen können?
Der Bundesregierung wäre es lieber gewesen, wenn die Gebührenregelung damals im Gesetzentwurf geblieben und von diesem Hohen Hause mit Zustimmung des Bundesrats verabschiedet worden wäre. Das war leider nicht der Fall. Seit der Verabschiedung des Gesetzes über die beiden Rundfunkanstalten bemüht sich die Bundesregierung intensiv um eine Vereinbarung mit den Ländern. Da aber auf der Länderseite elf Gesprächs-und zukünftige Vertragspartner vorhanden sind, haben sich die Verhandlungen in den vergangenen Jahren so hingezogen, daß sie bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Die Bundesregierung tut aber alles, um sie baldmöglichst zu einem Abschluß zu bringen.
Herr Abgeordneter Czaja zu einer Zusatzfrage.Dr. Czaja Herr Staatssekretär, lassen Sie sich bei diesen Verhandlungen auch von dem Gedanken leiten, daß das Etatprovisorium für die 500 Mitarbeiter, die ja im Ausland ein un-
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1502 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Dr. Czajaretuschiertes Bild der Bundesrepublik bieten sollen, eine sehr ungesunde und unbefriedigende Situation darstellt?Dr. Schäfer, Staatssekretär im . Bundesministerium des Innern: Ich habe Ihre Frage so verstanden, daß Sie von einer ungesunden Finanzierung des Deutschlandfunks sprechen. Oder habe ich die Frage so nicht richtig verstanden?
Etatprovisorium beim Deutschlandfunk! Das ist natürlich ein Provisorium, solange der Etat nicht endgültig aus dem Anteil an den Rundfunkgebühren finanziert werden kann.
Wir kommen dann zur Frage IV/ 2 des Abgeordneten. Baron von Wrangel:
Ist die Bundesregierung bereit, durch besondere bundesgesetzliche Bestimmungen der Polizei bei der Bekämpfung des sogenannten Landfahrerunwesens behilflich zu sein, nachdem sich herausgestellt hat, daß die Landfahrer, die auf Grund ihrer Lebensweise unstet umherziehen, keine Bindungen an einen Wohnsitz haben und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen, sich mit Erfolg der polizeilichen Überwachung entziehen können?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich darf Ihre Frage, Herr Abgeordneter, im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Justiz wie folgt beantworten.
) Die sogenannten Landfahrer, d. h. Personen ohne festen Wohnsitz, unterliegen — wie jedermann — den Meldegesetzen der Länder. Für sie gelten auch das Bundesgesetz über Personalausweise und das Paßgesetz; sofern sie Ausländer sind, gilt für sie ferner das Ausländergesetz vom 28. April 1965. Die Länder haben in ihren Meldegesetzen besondere Bestimmungen über die Melde- und Auskunftspflicht von Personen ohne festen Wohnsitz getroffen. Darüber hinaus haben Bayern durch eine Landfahrerordnung, Bremen und Hamburg durch Wohnwagengesetze das Umherziehen mit Wohnwagen oder das Aufstellen solcher Fahrzeuge besonders geregelt.
Da Sie auf die Tätigkeit der Polizei abstellen und damit strafbare Handlungen von Landfahrern im Auge haben, darf ich ergänzend noch folgendes sagen. Im Falle einer strafbaren Handlung ist nach § 127 Abs. 1 der Strafprozeßordnung nicht nur ein Polizeibeamter, sondern jedermann befugt, einen auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter vorläufig festzunehmen, wenn dieser der Flucht verdächtig ist oder seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden kann. Da bei Landfahrern regelmäßig Fluchtverdacht angenommen werden kann, ist bei frischer Tat im allgemeinen eine vorläufige Festnahme möglich
Wird der Täter nicht auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so kann ihn der Polizeibeamte nach § 127 Abs. 2 der Strafprozeßordnung bei Gefahr im Verzug vorläufig festnehmen, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen. Sonach darf der Polizeibeamte eine Person dann vorläufig festnehmen, wenn diese der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund vorliegt. Ein Haftgrund würde bei Landfahrern insbesondere dann vorliegen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen festgestellt wird, daß Fluchtgefahr besteht, oder aber wenn Verdunklungsgefahr vorliegt.
Nach dieser Schilderung der strafprozessualen Vorschriften, die ich bei der Art dieser Frage geben mußte, darf ich noch sagen, daß die geltenden bundesrechtlichen Vorschriften nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend sind. Es ist daher nicht beabsichtigt, Änderungen vorzuschlagen.
Ich rufe dann die Frage IV/ 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der geplanten Besoldungsreform für Forschungsanstalten des Bundes zwischen Staatlichem Verwaltungsdienst und Wissenschaftlichem Staatsdienst Unterscheidungen zu treffen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich darf Ihre Frage, Herr Abgeordneter, nämlich die Frage IV/ 3, so verstehen, ob die Bundesregierung bereit sei, im Rahmen der geplanten Besoldungsreform die Besoldung der Forschungsbeamten des Bundes zu verbessern. Hierzu ist folgendes zu sagen.
Bereits im Zweiten Gesetz zur Änderung beamtenrechtlicher und besoldungsrechtlicher Vorschriften, der sogenannten Harmonisierungsnovelle, ist als erster Schritt auf diesem Wege die Überführung von Forschungsbeamten aus der Besoldungsordnung A — das sind die aufsteigenden Gehälter — in die Besoldungsordnung B — feste Gehälter — vorgesehen worden. Damit sollte erreicht werden, daß diese Beamten praktisch schon in jungen Jahren sofort das Höchstgehalt erreichen. Bei den jetzigen Planungen für weitere Besoldungsneuregelungen ist vorgesehen, insbesondere die Leiter dieser Anstalten und leitende Forschungsbeamte in diesen Forschungsanstalten innerhalb der Besoldungsordnung B erneut um eine Gruppe anzuheben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, eine eigene Besoldungsordnung für die wissenschaftlichen Mitarbeiter an wissenschaftlichen Forschungsanstalten des Bundes zu schaffen?
Nein, dazu ist die Bundesregierung nicht bereit. Die Bundesregierung ist immer bemüht, mit Unterstützung dieses Hohen Hauses die Besoldung der einzelnen Zweige der Beamten zusammen in einer einheitlichen Besoldungsordnung zu regeln.
Eine weitere Frage.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1503
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß man in Forschung und Wissenschaft bei der Dienststellenbewertung nicht grundsätzlich von der Zahl und Dienststellung der dienstlich Untergebenen ausgehen sollte?
Es mag sein, daß man auf dem Forschungssektor bei der Dienstpostenbewertung besondere Maßstäbe anlegen muß. Das rechtfertigt aber nicht, die Forschungsbeamten generell aus der einheitlichen Besoldungsordnung herauszunehmen.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jahn.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Meinung, daß es zwischen der Verwaltungsarbeit und der wissenschaftlichen Beschäftigung wesentliche Unterschiede in den Tätigkeitsmerkmalen gibt?
Es mag sein, daß zwischen der Tätigkeit der eigentlichen Forschungsbeamten und der der verwaltenden Beamten Unterschiede bestehen. Diese Unterschiede scheinen uns aber nicht so weit zu gehen, zumal die Tätigkeiten oft bei derselben Person ineinanderfließen, daß man so weitgehende Folgerungen ziehen müßte, wie sie Ihnen vorschweben.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller .
Herr Staatssekretär, sind Sie — gerade nach Ihren Ausführungen — der Meinung, daß die Ansicht, die der Herr Minister für wissenschaftliche Forschung in einer Auskunft hier im Hohen Hause vorgetragen hat, daß nämlich ein eigener Tarifvertrag für die Angestellten geschaffen werden solle, nicht richtig ist?
Ich möchte mich hier nicht in Gegensatz zu der Meinung eines Bundesministers setzen. Aber über diese Auffassung des Herrn Bundesministers für wissenschaftliche Forschung schweben noch Erörterungen. Im übrigen handelte es sich — wie Sie selbst sagen — dabei nicht um Beamtenbesoldung, sondern um Angestelltentarife.
Eine zweite Frage, Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, wenn man eine Regelung für Angestellte schüfe, dann wären die Beamten doch benachteiligt, wenn man sie nicht auch in eine besondere Regelung einbezöge?
Das ist eine Frage des Systems, Herr Abgeordneter. Wir haben ja bekanntlich im Tarifrecht die Eingruppierung nach Tätigkeitsmerkmalen, während wir in der Besoldungsordnung Laufbahnen und Besoldungsgruppen haben. Natürlich muß eine gewisse Wechselwirkung bestehen. Aber darauf wird Bedacht genommen werden.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Hellige.
Herr Staatssekretär, wie weit sind Ihre Erwägungen bezüglich der Angestellten im wissenschaftlichen Dienst bereits fortgeschritten, und ist damit zu rechnen, daß die Sonderregelungen, die jetzt schon an .den Kernforschungsinstituten angewandt werden, in absehbarer Zeit auch den übrigen Forschungsanstalten zugute kommen werden?
Zur Zeit befaßt sich mit dieser Frage, Herr Abgeordneter Hellige, der Abteilungsleiterausschuß des Wissenschaftskabinetts. Ich habe Grund zu der Hoffnung, daß dieser Abteilungsleiterausschuß seine 'Überlegungen bald abschließen kann.
Dann noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Professor Bechert.
Dr. Bechert (SPD) : Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort, die Sie vorhin bezüglich des Unterschiedes zwischen wissenschaftlicher und Forschungstätigkeit auf der einen Seite und Verwaltungstätigkeit auf der anderen Seite gegeben haben, entnehmen, daß sich die Bundesregierung noch nicht darüber im klaren ist, daß unsere wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit in den kommenden Jahrzehnten von unserer Forschungs-und Entwicklungsarbeit und nicht von der Verwaltungsarbeit abhängt?
Doch, Herr Abgeordneter, die Bundesregierung ist sich über diese Tatsache durchaus im klaren.
Eine weitere Frage, Herr Professor Bechert.
Dr. Bechert (SPD) : Wird dann die Bundesregierung auch die entsprechenden Folgerungen ziehen? Aus Ihrer Antwort darf ich doch wohl entnommen haben, daß Sie diese Absicht nicht haben.
Nein, ,das dürfen Sie aus meinen Antworten nicht entnehmen. Ich habe zu der Hauptfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn gesagt, daß bei den jetzigen Planungen für weitere Besoldungsneuregelungen vorgesehen sei, die Leiter der Forschungsanstalten und die leitenden Forschungsbeamten innerhalb der Besoldungsordnung B erneut um eine 'Gruppe zu heben.
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1504 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Dann die Frage IV/ 4 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn :
Ist die Bundesregierung bereit, zur Verhinderung der Tendenz der Auswanderung bester Fachkräfte bei der Reform im Sinne der Frage IV/3 eine weitgehende Anpassung der Bezüge für die Wissenschaft in Anpassung an bewährte ausländische Vorbilder vorzunehmen?
Eine Anpassung der Bezüge für die Wissenschaftler an ausländische Vorbilder ist nur sehr bedingt möglich, weil die Verhältnisse nicht vergleichbar sind. Allen Besoldungsmaßnahmen sind auch insofern Grenzen gesetzt, als dabei das Gesamtbesoldungsgefüge nicht außer acht gelassen werden darf. Im übrigen ist zu bemerken, daß es sich bei den ausländischen Vorbildern häufig um Verträge handelt, die zwar eine hohe Vergütung, nicht aber in gleichem Maße soziale Sicherungen, insbesondere eine Altersversorgung, garantieren. Gleichwohl ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die vorgesehenen Maßnahmen, von denen ich vorhin bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage sprach, dazu beitragen werden, der Abwanderung entgegenzuwirken. Diese Abwanderung ist übrigens ein Problem, das nicht nur die Bundesforschungsanstalten betrifft, sondern auch andere Anstalten und Einrichtungen innerhalb der Bundesrepublik.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Jahn!
Herr Staatssekretär, werden Sie, um die Abwanderung von Technikern usw. zu verhindern, bereit sein, im Rahmen der Besoldungsreform auch für die übrigen technischen Fachkräfte — Ingenieure, Techniker, Laboranten, Mechaniker —, die dem wissenschaftlichen Staatsdienst zugeordnet sind, eine ausgeprägte Leistungseinstufung vorzunehmen?
Herr Abgeordneter, wir werden alles tun, um der Abwanderung in andere Länder entgegenzuwirken.
Herr Dr. Hellige zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Erwägungen angestellt worden, höchstbegabten Wissenschaftlern kurzfristig sehr hohe Gehälter ohne soziale Sicherung zu zahlen, um dadurch ihre Abwanderung nach Amerika zu verhindern?
So etwas ginge nur, Herr Abgeordneter Hellige, wenn diese Personen im Angestelltenverhältnis, nicht aber im Beamtenverhältnis wären. Im ersten Fall ist das auch vorgesehen.
Ich rufe die Frage IV/ 5 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn auf:
Ist die Bundesnegierung bereit, die Studien- und Arbeitsaufenthalte deutscher Forscher in ausländischen Forschungseinrichtungen, Instituten oder Hochschulen auf das Besoldungs- und Pensionsdienstalter voll anzurechnen?
Die Anrechnung von Zeiten eines Studien- oder Arbeitsaufenthalts im Ausland auf das Besoldungsdienstalter und auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit richtet sich nach den Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes. Eine volle Anrechnung dieser Zeiten kommt in Frage, wenn die Tätigkeit im Ausland als solche im Dienst eines anderen Staates oder einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung zu bewerten ist. Solche Zeiten können ferner in gewissem Umfang berücksichtigt werden, sofern diese Tätigkeit für die Wahrnehmung eines bestimmten Amtes vorgeschrieben ist. Ob auch auf diesem Gebiet weitere Verbesserungen der Anrechnung vorgesehen werden müssen, um qualifizierte Fachkräfte für die Forschungsanstalten des Bundes zu gewinnen und zu erhalten, wird im Rahmen der Besoldungsreform, von der ich bei der Beantwortung Ihrer ersten Frage sprach, geprüft werden.
Ich rufe die Frage IV/ 6 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele ausländische Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst beschäftigt werden?
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich die Fragen IV/6 und IV/7 wegen ihres engen Zusammenhangs gemeinsam beantworte?
Ja. Ich rufe also auch die Frage IV/7 des Abgeordneten Dr. Müller auf:
In welchen Bereichen sind ausländische Arbeitskräfte vor allem tätig?
Bei der Beantwortung muß ich mich auf die Ermittlungen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung stützen, die in ihren amtlichen Nachrichten, und zwar in der Beilage Nr. 2 vom Februar 1966, Seite 40, abgedruckt sind. Danach waren im Bundesgebiet einschließlich Berlin an ausländischen Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst am Stichtag des 30. September 1965 beschäftigt: a) bei der Bundespost 5923 Personen, b) bei der Bundesbahn 16 486 und c) in sonstigen öffentlichen Diensten und Dienstleistungen im öffentlichen Interesse 45 903. Die letztgenannte Zahl, 45 903, umfaßt auch die ausländischen Arbeitnehmer bei Vereinigungen, Organisationen usw., denen Dienstleistungen im öffentlichen Interesse obliegen. Andererseits sind in dieser Zahl nicht diejenigen ausländischen Arbeitnehmer aufgeführt, die im Bereich des Bundesministers für Verkehr außerhalb der Bundesbahn tätig sind. Zahlenmäßig kann diese letzte Gruppe jedoch nicht ins Gewicht fallen. Außer bei der Deutschen Bundesbahn ist insbesondere in der Krankenpflege, deren Träger hauptsächlich die Gemeinden und die Länder sind, eine große Anzahl ausländischer Arbeitnehmer beschäftigt, nämlich 20 024 Gastarbeiter.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1505
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, stimmen Pressemeldungen, daß es ohne Einsatz ausländischer Arbeitskräfte überhaupt nicht möglich wäre, eine Reihe von Krankenhäusern in der Bundesrepublik zu betreiben?
Das vermag ich auf Anhieb nicht zu beantworten. Dazu müßte man noch bei den Ländern rückfragen. Aber die hohe Zahl von 20 000 in der Krankenpflege Beschäftigten läßt diese Vermutung zu.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung — solche Meinungen wurden leider geäußert —, daß man durch eine einstündige Mehrarbeit von deutschen Arbeitnehmern die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte abbauen könnte?
Ich bin durchaus der Meinung, daß man durch Mehrarbeit von Deutschen die Zahl der Gastarbeiter vermindern könnte.
Auch auf dem Gebiet der Krankenpflege?
Inwieweit auf dem Gebiet der Krankenpflege noch eine Mehrarbeit von deutschen Kräften geleistet werden kann, vermag ich nicht zu übersehen.
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Matthöfer.
Herr Staatssekretär, sind Sie über die Arbeitszeiten von deutschen Krankenpflegern in Krankenhäusern unterrichtet?
Ich kann selbstverständlich nicht über die Arbeitszeiten sämtlicher Berufssparten, die hier erfaßt sind, unterrichtet sein. Ich müßte, wenn Sie Wert darauf legen, eine Antwort darauf zu bekommen, Ihnen diese schriftlich geben.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Matthöfer.
Sie glauben aber trotzdem, Herr Staatssekretär, daß durch eine Mehrarbeit die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte vermindert werden könnte?
Dann sind Sie offenbar auf diesem Gebiet besser unterrichtet.
Ich rufe die Frage IV/ 8 des Herrn Abgeordneten Dr. Müller auf:
Wieviel eigene Klassen für Gastarbeiterkinder bestehen in der Bundesrepublik?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Ich habe, Herr Abgeordneter Dr. Müller, für die Beantwortung Ihrer Frage bezüglich der Klassen für Gastarbeiterkinder Erkundigungen beim Sekretariat der Kultusministerkonferenz der Länder einziehen müssen, weil das Schulwesen Sache der Länder ist. Auf Grund dieser Informationen des Sekretariats kann ich Ihre Frage wie folgt beantworten.
In der Bundesrepublik gibt es keine eigenen Klassen für Gastarbeiterkinder. Vielmehr besuchen die Kinder von Gastarbeitern die Schule ihres Schulbezirks ebenso wie andere Kinder und werden dort mit diesen gemeinschaftlich unterrichtet. Über diesen Grundsatz der Integration herrscht übrigens Einvernehmen mit den Heimatstaaten der Gastarbeiterkinder. Besondere Förderung erfahren Kinder von Gastarbeitern jedoch in ihrer Muttersprache. Dieser Unterricht wird in der Regel durch Lehrkräfte erteilt, die durch die diplomatischen Vertretungen der Heimatstaaten vermittelt werden. Für diesen Unterricht werden unentgeltlich Klassenräume zur Verfügung gestellt. Die Kultusministerien der Länder gewähren zumeist auch Zuschüsse zur Vergütung dieser Lehrkräfte auf Grund von Vereinbarungen mit den diplomatischen Vertretungen der betreffenden Staaten.
Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Herr Staatssekretär, wissen Sie, wieviel derartige ausländische Lehrkräfte in der Bundesrepublik tätig sind?
Nein, das kann ich nicht sagen. Da müßte man noch einmal bei der Kultusministerkonferenz zurückfragen.
Dann rufe ich die Fragen IV/ 9, IV/ 10 und IV/ 11 des Herrn Abgeordneten Picard auf:Ist die Bundesregierung in der Lage, darüber Auskunft zu geben, wie viele politische Flüchtlinge von 1948 his Ende 1965 aus den Ostblockstaaten in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind?Wie viele der von dem unter IV/ 9 genannten Personenkreis gestellten Anträge auf Einbürgerung wurden positiv entschieden?Wie hoch ist die Zahl der heimatlosen Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt?Ist der Herr Abgeordnete im Raum? — Das ist nicht der Fall. Die Fragen werden dann schriftlich beantwortet.Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär.
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1506 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Vizepräsident Dr. DehlerIch rufe die Frage VI/ 1 des Herrn Abgeordneten Dröscher aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf:Wann beabsichtigt die Bundesregierung, den Entwurf eines Bundeswaldgesetzes einzubringen?Bitte, Herr Staatssekretär!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Die Überlegungen in meinem Hause haben noch nicht zu einer kabinettsreifen Vorlage geführt, weil noch außerordentlich schwierige Fragen zu klären sind. Es gilt, vor allen Dingen einen Ausgleich zwischen den Interessen der Waldbesitzer einerseits und der Allgemeinheit andererseits zu finden. Erörtert werden müssen Bestimmungen über Grundsätze zur Walderhaltung und zur Waldwirtschaft. Das Betreten des Waldes als Erholungswald, die Entschädigung der Waldbesitzer im Zusammenhang mit den Schutz- und Erholungsaufgaben des Waldes und die Förderung des Waldes an sich sind Probleme, die noch der eingehenden Prüfung bedürfen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Ich kann wohl unterstellen, daß der Bundesregierung die Schwierigkeiten insbesondere bei den kleinen kommunalen Körperschaften bekannt sind, die mit der Unterhaltung des Waldes
verbunden sind. Wann rechnen Sie mit der Einbringung dieses Gesetzes?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, von seiten meines Hauses wird alles getan, um die noch offenen Probleme zu klären. Solange aber eine kabinettsreife Vorlage noch nicht fertiggestellt ist, kann ich Ihnen zu meinem Bedauern den Termin nicht sagen.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Dröscher.
Beabsichtigt die Bundesregierung, Herr Staatssekretär, in dem einzubringenden Gesetzentwurf die Waldbesitzer — also den Privatwald, den Gemeindewald und den Staatswald — in ihren Ansprüchen bezüglich der Wohlfahrtswirkung des Waldes einerseits und der unkontrollierten oder kontrollierten Nutzungsfähigkeit des Waldes in kurzfristigen Zeiträumen andererseits gleichzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, von meinem Hause aus liegt diese Absicht vor. Für die Bundesregierung kann ich die Frage noch nicht beantworten.
Herr Abgeordneter Josten zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß z. B. in der Eifel viele Gemeinden an einer Vorlage dieses Bundeswaldgesetzes interessiert sind, weil für diese Gemeinden der Wald früher eine Einnahmequelle war und der Waldbesitz heute oft eine finanzielle Belastung für diese Gemeinden darstellt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das allgemeine Interesse an diesem Bundeswaldgesetz ist uns durchaus bekannt. Ich kann Ihnen versichern, daß von meinem Hause alles getan wird, um die Fertigstellung zu fördern.
Eine weitere Frage, Herr Abgeordneter Josten.
Herr Staatssekretär, kann ich Ihren Ausführungen also entnehmen, daß auch Ihr Haus an einer baldigen Regelung interessiert ist, damit diese finanzschwachen waldbesitzenden Gemeinden unterstützt werden, um überhaupt in der Lage zu sein, ihren Waldbesitz zu erhalten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie versuchen, auf Einzelheiten des beabsichtigten Gesetzes einzugehen. Ich kann diese Fragen nicht beantworten, solange sie nicht im Kabinett entschieden sind.
Herr Abgeordneter Büttner zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist im Zuge der Bearbeitung eines Waldgesetzes auch daran gedacht, die Landschaftsgestaltung mitzuberücksichtigen, und reicht in Ihrem Ministerium dann ein maßgeblicher Regierungsbeamter aus, um das betreiben zu können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Absicht besteht in unserem Hause, aber es ist noch nicht darüber entschieden.
Ich rufe die Fragen VI/ 2 und VI/ 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Klepsch auf:Ist die Bundesregierung bereit, Saatgut der Kartoffelsorte Bintje dadurch bereitzustellen, daß solches Saatgut auf die Importliste gesetzt wird?Ist die Bundesregierung bereit, im Falle der Kartoffelsorte Bintje von einer zu formalistischen Anwendung der geltenden Saatgut-Bestimmungen abzusehen?Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort liegt noch nicht vor. Sie wird nach Eingang im Sitzungsbericht abgedruckt.Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1507
Vizepräsident Dr. Dehlerauf, zunächst die Frage VII/1 der Frau Abgeordneten Freyh:Werden Ermessensentscheidungen zum Härteausgleich nach dein Bundesversorgungsgesetz in den Bundesländern verschieden gehandhabt?Bitte, Herr Minister!
Frau Kollegin, grundsätzlich führen die Länder das Bundesversorgungsgesetz nach Art. 83 des Grundgesetzes als eigene Angelegenheit aus. Daraus folgt, daß die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens dort, wo das Gesetz sie zuläßt, an sich Sache der Versorgungsbehörden der Länder ist. Das Bundesversorgungsgesetz hat jedoch die Gewährung eines Ausgleichs in den Fällen, in denen sich aus den Vorschriften des Gesetzes besondere Härten ergeben — des sogenannten Härteausgleichs —, an die Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung gebunden. Auf diese Weise will der Gesetzgeber für diesen Kreis besonders schwerwiegender Ermessensentscheidungen eine möglichst gleichmäßige Anwendung des von ihm geschaffenen Ermessensspielraums sicherstellen. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung über die Erteilung und Versagung einer solchen Zustimmung nur in den Fällen auf die gleichmäßige Rechtsanwendung hinweisen kann, die ihm von den Landesbehörden vorgelegt werden, — von den Fällen abgesehen, in denen der Sachverhalt auf sonstige Weise bekannt wird. Die Länder jedenfalls treffen die Auswahl der Fälle, in denen die Zustimmung zur
Gewährung des Härteausgleichs vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eingeholt werden soll, allein.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Minister, sind Sie nicht der Auffassung, daß also z. B. bei den Erziehungsbeihilfen und bei der dort gesetzten Altersgrenze des 25. Lebensjahres nicht sehr viele Ermessensentscheidungen uneinheitlich im Bundesgebiet gefällt werden und damit offensichtlich diese Handhabung, wie sie im Augenblick geübt wird, nicht ausreichend ist?
Ich vermag im Augenblick nicht zu übersehen, wie groß der Spielraum der Ermessensentscheidung der Länder ist, weil mir diese Fälle nicht zu Gesicht kommen. Ich bin aber gern bereit, von mir aus darauf hinzuwirken, eine möglichst große Einheitlichkeit zu erreichen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Freyh.
Herr Minister, es gibt neue Tatbestände wie z. B. den zweiten Bildungsweg, der gerade im Zusammenhang mit dieser Altersgrenze des 25. Lebensjahres doch offensichtlich nicht mehr im Wege von Ermessensentscheidungen zu regeln ist. Sind Sie nicht der Meinung, daß man dann andere Wege beschreiten müßte?
Frau Kollegin, wenn Sie Einzelfälle im Auge haben, bin ich gern bereit, diese, wenn Sie sie mir vorlegen, prüfen zu lassen und von mir aus darauf hinzuwirken, daß eine möglichst gleichmäßige Entscheidung in allen Fällen herbeigeführt werden kann.
Frage VII/ 2 des Herr Abgeordneten Langebeck:
Beabsichtigt die Bundesregierung, den § 4 Abs. 2 der 6. Berufskrankheitenverordnung in der Weise zu ändern, daß auch die Lärmschwerhörigkeit in diese Rückwirkung einbezogen wird, d. h. daß auch ein Leistungsanspruch begründet ist, wenn die Erkrankung vor dem Inkrafttreten der 6. BKVO eingetreten ist?
Bitte, Herr Minister!
In meinem Hause wird zur Zeit die 7. Berufskrankheiten-Verordnung vorbereitet. Im Zusammenhang hiermit wird bereits geprüft, ob eine Entschädigung wegen Lärmschwerhörigkeit auch für Versicherte vorgesehen werden kann, bei denen der Versicherungsfall schon einige Zeit vor dem Inkrafttreten der 6. Berufskrankheiten-Verordnung eingetreten ist. Es wird darauf ankommen, ob sich nach den heute vorliegenden Erkenntnissen auch in diesen älteren Fällen berufliche und andere Krankheitsursachen mit genügender Sicherheit auseinanderhalten lassen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Langebeck.
Herr Minister, welche Motive gab es dafür, daß die Lärmschwerhörigkeit von dieser Klausel ausgeschlossen wurde?
Zum Zeitpunkt des Erlasses der 6. Berufskrankheiten-Verordnung war die ärztliche Diagnostik noch nicht so weit, eine klare Unterscheidung treffen zu können. Ich hoffe, daß dies bald möglich sein wird.
Eine weitere Zusatzfrage.
Was würde man in solchen Fällen, wenn medizinisch der Tatbestand völlig unbestritten ist, daß Lärmschwerhörigkeit vorliegt, machen können, um den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen?
Wenn Ihnen solche Einzelfälle bekannt sind, bitte ich Sie, mir diese vorzutragen. Ich werde dafür Sorge tragen, daß so bald wie möglich eine Entscheidung herbeigeführt werden kann.
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1508 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Schmidt .
Haben Sie bei der Vorbereitung der neuen Berufskrankheiten-Verordnung auch die Absicht, die Frage der chronischen Emphysembronchitis, insbesondere bei Bergleuten, zu prüfen und in die neue Verordnung hineinzunehmen?
Diese Frage wird seit langem geprüft. Oh die Möglichkeit besteht, sie bereits in diese Verordnung hineinzunehmen, vermag ich im Augenblick nicht zu sagen.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Langebeck?
— Dann rufe ich jetzt die Frage VII/ 3 des Herrn Abgeordneten Langebeck auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Mitteldeutschland die Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit, unabhängig davon, wann sie eingetreten ist, entschädigt wird?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister.
Die Verordnung, mit der Lärmschwerhörigkeit mit Wirkung vom 1. Januar 1958 in die Liste der Berufskrankheiten in der sowjetischen Besatzungszone aufgenommen wurde, und das weitere mir vorliegende Gesetzesmaterial enthalten keine Rückwirkungsklausel. Ob trotzdem in Fällen, in denen die Krankheit schon vor 1958 bestanden hat, Entschädigung auf Grund von nicht veröffentlichten Richtlinien oder Anweisungen gewährt wird, ist mir nicht bekannt.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Langebeck.
Herr Minister, sind Sie bereit, von mir einen Einzelfall zur Kenntnis 'zu nehmen, um festzustellen, daß in der Zone Leistungen gewährt werden, die auf Grund unserer Durchführungsverordnung hier nicht gewährt werden?
Herr Kollege, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diesen Einzelfall mitteilten. Ich werde Ihnen selbstverständlich eine Antwort darauf zukommen lassen.
Ich rufe die Frage VII/ 4 des Abgeordneten Langebeck auf:
Hält es die Bundesregierung für politisch tragbar, daß Personen, die im Zuge der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik kommen, bei Anwendung des jetzt gültigen § 4 Abs. 2 der 6. BKVO ihren in Mitteldeutschland anerkannten Anspruch verlieren?
Wenn sich herausstellt, daß die diagnostischen Schwierigkeiten, die ich vorhin bereits erwähnt habe, überwindbar sind, wird die Berufskrankheiten-Verordnung entsprechend geändert werden.
Zu einer Zusatzfrage Abgeordneter Langebeck.
Herr Minister, wäre die Bundesregierung bereit, einmal zu überprüfen, ob nicht allgemein für jenen Personenkreis, der im Zuge der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik kommt, nach dem Grundsatz der Besitzstandswahrung jene sozialen Leistungen gewährt werden können, die in Mitteldeutschland gewährt werden?
Ich bin bereit, in eine solche Überprüfung einzutreten, mache allerdings darauf aufmerksam, daß das, wenn es für den gesamten sozialen Bereich geschehen soll, nicht ganz einfach ist.
Wir kommen zu den Fragen des Abgeordneten Dr. Schmidt . Es sind die Fragen VII/ 5 und VII/ 6 — die Frage VII/ 7 wird vom Bundesministerium für Gesundheitswesen beantwortet —:
Wie hoch ist der Prozentsatz der Gastarbeiter in der Bundesrepublik Deutschland, die ohne vorherige ärztliche Untersuchung in die Bundesrepublik gelangen?
Durch welche Maßnahmen wird sichergestellt, daß sich jeder Gastarbeiter vor Erteilung der Arbeitserlaubnis einer ärztlichen Untersuchung, insbesondere zur Feststellung von Infektionskrankheiten, unterziehen muß?
Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident, ich bitte, die Fragen 5 und 6 zusammen beantworten zu dürfen.Vor der Einreise in das Bundesgebiet werden diejenigen ausländischen Arbeitnehmer ärztlich untersucht, die über die Anwerbekommissionen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und der Türkei nach Deutschland angeworben werden. Ihre Zahl betrug im Jahre 1965 rund 154 000 bei insgesamt 488 000 neu eingereisten Arbeitnehmern. Demnach sind 1965 334 000 = 68,5 '°/o der neu eingereisten ausländischen Arbeitnehmer ohne vorherige ärztliche Untersuchung nach Deutschland gekommen. In der Gesamtzahl von 334 000 nicht untersuchten ausländischen Arbeitnehmern sind rund 190 000 Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft enthalten. Diese Arbeitnehmer haben nach den Freizügigkeitsbestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Arbeitserlaubnis, ohne vorher ärztlich untersucht worden zu sein.Nach dem Ausländergesetz können ausländische Arbeitnehmer aus den Anwerbeländern ohne Inanspruchnahme der deutschen Anwerbekommissionen — und somit ohne vorherige ärztliche Untersuchung — zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland einreisen. Der Präsident der Bundesanstalt für Ar-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1509
Bundesminister Katzerbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat seine nachgeordneten Dienststellen angewiesen, diese Einreisemöglichkeit dadurch einzuschränken, daß eine Zusicherung der Arbeitserlaubnis nur noch in Ausnahmefällen erteilt wird.Ausländer, die ohne Inanspruchnahme einer deutschen Anwerbekommission zur Arbeitsaufnahme nach Deutschland einreisen wollen, wird die Aufenthaltserlaubnis in der Form des Sichtvermerks von den deutschen Auslandsvertretungen erteilt. Diese Ausländer müssen unverzüglich nach der Einreise ihren Aufenthalt der Ausländerbehörde anzeigen und sich ärztlich untersuchen lassen. Zu diesem Zweck haben sie sich bei einem Amtsarzt oder einem von ihm beauftragten oder benannten Arzt binnen einer Woche zu melden. Die Untersuchung erstreckt sich auf übertragbare Krankheiten, insbesondere auch darauf, ob der ausländische Arbeitnehmer an einer Lungentuberkulose leidet. Kommt der Ausländer der Verpflichtung, sich untersuchen zu lassen, nicht nach, so kann er ausgewiesen werden.Bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis wird nicht geprüft, ob der ausländische Arbeitnehmer ärztlich untersucht worden ist. Die Arbeitserlaubnis wird nach der Lage des Arbeitsmarktes erteilt.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schmidt .
Herr Minister, ) ist Ihnen etwas darüber bekannt, daß in Fällen, in denen die Betreffenden sich nicht der Untersuchung unterzogen haben, auch tatsächlich Ausweisungen oder Zurückweisungen erfolgt sind?
Darüber ist mir im Augenblick nichts bekannt, Herr Kollege.
Ist Ihnen bekannt, ob das Verfahren in den einzelnen Bundesländern auch tatsächlich praktiziert wird oder ob es da Unterschiede gibt?
Soweit mir bekannt ist, wird es in den Ländern einheitlich praktiziert.
Ich rufe die Frage VII/ 8 des Abgeordneten Baier auf:
Bis wann wird die Ankündigung des Präsidenten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin verwirklicht, daß schon bald in regelmäßigen Abständen alle Versicherten einen Rentenauszug erhalten, aus welchem die Höhe der Altersrente zum jeweiligen Zeitpunkt ersichtlich ist?
Bitte, Herr Minister!
Eine Erklärung des Inhalts, daß schon bald in regelmäßigen Abständen alle Versicherten einen Rentenauszug erhalten, aus welchem die Höhe der Altersrente zum jeweiligen Zeitpunkt ersichtlich ist, hat der Präsident der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nicht abgegeben. Er hat vielmehr — wie mir die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte berichtet hat — bei der Übernahme einer neuen Datenverarbeitungsanlage durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausgeführt, er hoffe, daß es eines Tages möglich sein werde, jedem Versicherten in bestimmten Zeitabständen eine Mitteilung über die Höhe seiner Rentenansprüche zu geben. Die in einzelnen Tageszeitungen im November des vergangenen Jahres erschienenen Meldungen geben also den Sachverhalt nicht richtig wieder.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Baier.
Herr Minister, sollte man dann nicht diese Hoffnung weckende, aber irrige Feststellung dementieren?
Ich habe bereits veranlaßt, daß an alle Zeitungen, in denen diese Meldung unkorrekterweise wiedergegeben wurde, eine Berichtigung gegangen ist. Im übrigen haben wir die Absicht, noch einmal auf diesen Tatbestand hinzuweisen, allerdings verbunden mit der Bemerkung, daß wir selbstverständlich bestrebt sind, dieses Endziel so schnell wie möglich zu erreichen.
Ich danke Ihnen, Herr Minister. Wir sind damit am Ende der heutigen Fragestunde.Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:Beratung der Sammelübersicht 4 des Petitionsausschusses über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages zu Petitionen— Drucksache V/438 —Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Es liegt Ihnen der Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/438 vor. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch; es ist nach diesem Antrag beschlossen.Punkt 3 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel über die Rückzahlung der Reichsmarkanlagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Deutschland — Drucksache V/330muß zurückgestellt werden, weil der Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung noch nicht vorliegt.Ich rufe den Punkt 4 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einesGesetzes zu dem Abkommen vom 9. Juli 1962
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1510 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Vizepräsident Dr. Dehlerzwischen der Regierung der BundesrepublikDeutschland und der Regierung des Staates Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei der Gewerbesteuer— Drucksache V/142 —Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/446 —Berichterstatter: Abgeordneter Schulhoff
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort zur Aussprache wird nicht begehrt. Änderungsanträge liegen nicht vor.Wer dem Gesetz einschließlich Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest. Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zur dritten Beratung.Keine Wortmeldungen. Wer dem Gesetz im ganzen zustimmen will, erhebe sich. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.Ich rufe den Punkt 5 der Tagesordnung auf:a) Beratung des Berichts des Verteidigungsausschusses über die Beratungen zum Waffensystem Starfighter— Drucksache V/450 —Berichterstatter: Abgeordneter Draegerb) Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, FDPbetr. Waffensystem „Starfighter"— Drucksache V/360 —c) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Flugsicherheit des Starfighter F 104 G— Drucksache V/351 —Zunächst erteile ich dem Herrn Abgeordneten Draeger das Wort zur Ergänzung seines Schriftlichen Berichtes.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Verteidigungsausschuß hat den Verlauf seiner Beratungen zu dem Waffensystem „Starfighter" in einem Schriftlichen Bericht vom 17. März niedergelegt, der dem Hohen Hause als Drucksache V/450 vorliegt. Lassen Sie mich zu den darin aufgenommenen Vorbemerkungen noch eine weitere mündlicher Art hinzufügen.Als Berichterstatter habe ich meinen fertig formulierten Bericht vor seiner Drucklegung auch der Opposition zur Kenntnis und zur Stellungnahme gegeben. Von der SPD war ursprünglich der Kollege Cramer als Mitberichter benannt. Er fiel wegenKrankheit aus, und für ihn ist dann der Kollege Iven eingesprungen. Herr Kollege Iven hat in den mündlichen Verhandlungen mit mir darauf hingewiesen, daß eine Reihe von Punkten daraufhin überprüft werden sollten, inwieweit die Meinung der Minderheit in meinem Schriftlichen Bericht stärker berücksichtigt werden könnte. Ich darf feststellen, daß in diesen Besprechungen mit dem Kollegen Iven die Mehrzahl dieser Wünsche durch Streichungen und Zusätze im Bericht ohne weiteres Eingang finden konnte. Lediglich in zwei Punkten kam es nicht zu einer Verständigung zwischen mir und dem Mitberichterstatter. Es ist selbstverständlich, daß ich in fairer Weise als Berichterstatter die abweichende Meinung in diesen beiden Punkten mündlich vortragen werde.Nun hat die Opposition im Laufe des gestrigen Tages noch weitere Punkte genannt, die in Form von Ergänzungen ebenfalls berücksichtigt werden sollten. Ich bin bereit, auch diesem Anliegen zu entsprechen.Des weiteren wird zu Punkt B meines Berichts von der Opposition gewünscht, ihre Anträge, die im Ausschuß von der Mehrheit nicht gebilligt worden sind und die ihren Niederschlag durch Änderungen im Bericht gefunden haben, sowohl in ihrem materiellen Inhalt als auch in der Begründung für die Ablehnung im einzelnen noch näher zu behandeln.Ich freue mich, trotzdem feststellen zu können, daß der Bericht .in seinem Teil A hinsichtlich seiner wesentlichen Inhalte wohl auch von der Opposition als ein gemeinsamer Gesamtbericht des Verteidigungsausschusses angesehen wird.Nun lassen Sie mich zu den Änderungen, die die Opposition zu dem Bericht gewünscht hat, in der Reihenfolge, wie sie anstehen, kurz die Meinung der Minderheit vortragen.Auf Seite 2 meines Berichts in der linken Spalte unter „II. Der Ablauf der Beratungen" werden Ergänzungen des dritten Absatzes gewünscht, der lautet:In Anschluß an den Bericht beantwortete GenLtn Panitzki die noch offengebliebenen Fragen aus der Kleinen Anfrage der SPD-Fraktion — Drucksache V/53.Ich darf in Erinnerung rufen, daß die Opposition unter Punkt 7 dieser Kleinen Anfrage gewünscht hatte, die Bundesregierung möge sagen, welche Maßnahmen bisher getroffen worden seien, um festgestellte Absturzursachen zu beseitigen. Die Opposition wünscht, daß ich hier folgendes ausdrücklich festhalte:Die im Ausschuß gegebene Erklärung steht zum Teil im Widerspruch zu den vom Bundesminister der Verteidigung in einigen Pressekonferenzen getroffenen Feststellungen. Es kann also geschlußfolgert werden, daß die zu diesem Punkt dem Ausschuß gegebene Auskunft recht unzureichend war.Ein weiterer Nachtrag, und zwar zu Seite 2, rechte Spalte, vorletzter Absatz. Der Berichterstatter glaubte dort feststellen zu können: „Alle Fragen
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Draeger wurden beantwortet. Ich darf an dieser Stelle sagen, daß es sich dabei nicht um wenige Fragen gehandelt hat, sondern sicherlich um einige hundert. Die Minderheit wünscht, daß festgehalten wird, daß eine Frage, die im Ausschuß im Zusammenhang mit den Meldungen über den Klarstand des Starfighter eine Rolle gespielt hat, von der Bundesregierung nicht oder nicht erschöpfend genug beantwortet worden ist.Eine weitere Anmerkung darf ich zu Seite 3, Abschnitt III „Abstürze von Starfightern" machen. Dort sind Angaben über die Unfallraten in den einzelnen Jahren seit 1958 gemacht. Die Zahl für das Jahr 1965 lag dem Ausschuß auch in seiner letzten Sitzung heute vor acht Tagen nicht vor; diese Zahlenangabe habe ich vom Ministerium erst einen Tag später erhalten. Ich hielt es aber für notwendig, auch diese Zahl mit in den Bericht aufzunehmen.Zu Seite 3, rechte Spalte: Der erste Absatz des eingerückten Textes lautet in meiner Formulierung: „Das seit 1963 anhaltende Ansteigen der Unfallrate ist nicht durch den einen oder anderen greifbaren alleinigen Hauptfehler verursacht worden, sondern ist durch ein Zusammenwirken von Mängeln, Fehlern und Unzulänglichkeiten entstanden." Hier legt die Minderheit Wert auf die mündliche Ergänzung, daß auch die Frage des Personalmangels hier mit hineinspielt. Die Minderheit räumt wohl ein, daß der Mangel an Personal, im wesentlichen an technischem Fachpersonal in den verschiedenen Bereichen des Bodendienstes, natürlich dazu geführt hat, daß weniger Starfighter an der Flight-Line flugbereit standen. Sie weist dabei darauf hin, daß infolge dieses Weniger an start- und flugklar gemeldeten Flugzeugen der kontinuierliche Flugbetrieb und damit die Schulung und die Eingewöhnung des Piloten nicht sichergestellt war und daß aus dieser fehlenden Erfahrung auch ein Teil der Abstürze zu erklären sei.Eine weitere Ergänzung, und zwar zu Abschnitt IV Unfallursachen, Ziffer 3 Sonstige, letzter Absatz. Dort wird in meinem Bericht gesagt, daß eine gewisse Unfallhäufigkeit im technischen Bereich vorgekommen ist, sei es durch Störungen im Triebwerk, sei es durch totalen Ausfall des Triebwerks. Hier wünscht die Minderheit eine etwas andere Bewertung: daß von den Unfallursachen im technischen Bereich die Triebwerkstörungen und der Triebwerkausfall eine wesentliche Ursache für den Totalverlust von Maschinen und für den Tod von Piloten dargestellt haben.Ich darf ,dazu erwähnen: Bei Ausfall des Triebwerks gibt es für den Piloten im Starfighter kaum eine Möglichkeit, seinen Heimathafen zu erreichen. Er muß also eine Außenlandung vornehmen, und diese Außenlandung ist infolge der relativ hohen Landegeschwindigkeiten mit Sicherheit immer mit dem totalen Verlust der Maschine und auch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mit dem Tode des Piloten verbunden. Daher gibt es bei Ausfall des Triebwerks keine andere Möglichkeit, als dem Piloten die freie Entscheidung zu überlassen, durch Katapultieren zumindest sein eigenes Leben zu retten.Des weiteren ist auf Seite 5 unter dem Abschnitt' 5." Starfighter-Piloten" der letzte Satz des ersten Absatzes vielleicht mißverständlich gedeutet worden. Ich weise darauf hin, daß dieser Satz „Es ist unbestritten, daß die Abstürze bei anderen Piloten psychologische Rückwirkungen hatten" in der Sache durchaus stimmen mag. Er ist in meinen Bericht noch vor Drucklegung auf besonderen Wunsch der Minderheit hineingekommen.Ehe ich nun zu dem Teil B komme, lassen Sie mich aber auch als Berichterstatter einige kurze Feststellungen zu dem treffen, was im Bericht ohnehin unter dieser Rubrik gesagt worden ist. Ich will mich bemühen, das in der notwendigen Kürze und etwa im Telegrammstil zu tun.Erste Bemerkung als Feststellung des Verteidigungsausschusses: Die Absturz- und Unfallursachen sind nicht auf einen Hauptkomplex zu komprimieren. Sie sind im Gegenteil von Fall zu Fall außerordentlich differenziert. Daher war in meinem Bericht auch keine Möglichkeit, die Unfallursachen auf einen Hauptnenner zu bringen und Hauptakzente zu setzen.Zweite Bemerkung: Aus den verschiedenartigen Unfallursachen im menschlichen und im technischen Bereich geht keinesfalls hervor, daß es sich bei diesen Unfallursachen um für den Starfighter typische Angelegenheiten und Probleme handelt. Es sind Unfallursachen, wie sie bei allen Jet-Flugzeugen in der Welt immer wieder vorkommen.Dritte 'Bemerkung: Es hat im Ausschuß keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, daß dieses Waffensystem schlecht sei. Im Gegenteil, so positive Äußerungen, wie sie von den Piloten im Ausschuß abgegeben wurden, hat es in früheren Jahren niemals zu diesem Problem gegeben. Das heißt, die Piloten sind nicht nur mit diesem Waffensystem einverstanden, sondern sie sind ihm sehr zugetan und mit ihm zufrieden, und sie glauben, daß es ein Instrument ist, das zu dem Besten gehört, was sich im Augenblick überhaupt in der freien westlichen Welt bietet.Vierte Bemerkung: Die Tatsache, daß erfahrene Piloten mit mehr als 2000 Flugstunden an den Abstürzen aus Ursachen im menschlichen Bereich nur mit 2% beteiligt waren, daß dagegen weniger erfahrene Piloten mit einer Flugstundenzahl unter tausend Stunden zu 73 % beteiligt sind, beweist uns im Verteidigungsausschuß zur Genüge, daß dieses komplizierte Waffensystem mit hinreichender Erfahrung sehr wohl, auch in schwierigen Luftlagen, auch in Situationen, wo die Technik ausfallen sollte, zu beherrschen ist. Aber Erfahrung läßt sich nicht erzwingen und schon gar nicht kommandieren, sondern kann nur das Ergebnis von Üben, Üben und noch einmal Üben, d. h. von mehr Fliegen mit diesem Waffensystem sein.Eine fünfte Bemerkung. Damit beantworte ich eine Frage, die in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert worden ist. Man sagt: Starfighter als Typ F 104 gut; Starfighter als Typ F 104 G, in der deutschen Version, schlecht. Dazu hat der Ausschuß festgestellt, daß die Abwandlung der F 104 in ein Mehrzweckflugzeug keinesfalls zu einer Verschlechterung der Flugeigenschaften, der Steigungsfähig-
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Draegerkeit und der Manövrierfähigkeit geführt hat. Die Vorstellung, daß alle drei Komponenten — Fernaufklärer, Abfangjäger und Jabo — immer in einem Flugzeug präsent seien, ist irrig. Vielmehr sieht die Lösung so aus, daß wir Flugzeuge haben, die mir zugerüstet sind für die Aufgabe A und für die Aufgabe B und für die Aufgabe C, also daß, wenn mehr Flugzeuge vom Typ A gewünscht werden als vom Typ B, die Möglichkeit geboten ist, durch eine kurzfristige Umrüstung von nur wenigen Stunden von einem zweckgebundenen System sehr rasch auf das andere umzusteigen.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine wichtige Feststellung treffen. Die Behauptung, wir hätten durch die Umkonstruktion auf die Version G in dieses Flugzeug so viel an Mehrgewicht hineingepackt, daß damit Leistungsfähigkeit und Flugsicherheit .entscheidend beeinträchtigt würden, trifft nicht zu. Tatsache ist vielmehr, daß die Verstärkung der Zelle, die Verbesserung des Triebwerks und namentlich der Einbau der Elektronik in dieses Waffensystem nur zu einem Mehrgewicht von 360 kg geführt haben.
— Das ist eine nüchterne, sachliche Feststellung, die ich, wie ich glaube, hier als Berichterstatter treffen sollte, damit wenigstens diese Dinge, die im Verteidigungsausschuß unbestritten waren, schon vorab geklärt sind.
Auch die Frage, ob der Schub für dieses Waffensystem ausreichend ist, ist von den Piloten im Ausschuß bejaht worden. Die Piloten haben klar erklärt: Selbst in extremsten Belastungsfällen beim Start, selbst wenn an den Stummelansätzen rechts und links je zwei Behälter hängen, bietet das Triebwerk noch genügend Schubreserve.Ich sollte hier auch etwas zu der Frage sagen, daß zu viele Starfighter auf einmal angeschafft worden seien. Im Verteidigungsausschuß ist klargeworden, daß die NATO-Forderung nach ursprünglich zwölf Geschwadern auf Grund der deutschen Vorstellungen auf eine solche nach neun Geschwadern reduziert worden ist.In bezug auf das Problem der überstürzten Einführung darf ich daran erinnern, daß im Ausschuß sehr deutlich geworden ist, über wie lange Zeiträume, nämlich über mehrere Jahre, sich die Einführung und die Beschaffung dieses Waffensystems tatsächlich hingezogen hat.Lassen Sie mich es mit diesen kurzen, ,stichwortartigen Feststellungen bewenden und nun auf den Hauptteil B kurz eingehen und dazu die Meinung der Minderheit vortragen. Unter diesem Abschnitt B finden Sie die Anträge, die im Verteidigungsausschuß entweder einstimmig oder mit Mehrheit angenommen worden sind. Ich hatte in meinem Bericht global festgestellt, daß mehrere Anträge der Opposition durch die Mehrheit entweder modifiziert oder abgelehnt worden sind.Ich darf Ihnen nun im einzelnen sagen, um welche Anträge der Opposition es sich dabei gehandelt hat.Zunächst war die Opposition der Auffassung, daß sie Einblick in den Schriftwechsel zwischen dem Verteidigungsministerium und einer Firma bekommen sollte, die hauptsächlich Lieferant für die Sauerstoffanlagen in diesem Waffensystem und auch in anderen Waffensystemen ist. Die Mehrheit hat sich auf den Standpunkt gestellt, der auch der Standpunkt der Regierung war, daß in dieser Frage die Kompetenzen, die Zuständigkeiten zwischen dem Parlament als der Legislative und der Regierung als der Exekutive nicht verwischt werden sollten. Aus diesen Gründen konnte diesem Petitum nicht stattgegeben werden.Des weiteren wünschte die Opposition einen zusätzlichen Bericht, genauer gesagt: eine Liste, aus der alle Abstürze hervorgehen sollten, die sich seit Einführung der F 104 G im Inland wie im Ausland ereignet haben. Darüber hinaus wurde die Angabe — und das waren die kritischen Punkte — von Zeit, Ort, Name des Piloten und Nummer der Maschine gewünscht. Diese Liste sollte dann auch noch Angaben über die verschiedenen Typen, getrennt nach F 104 G, F 84, F 86 und G 91, enthalten. Die Mehrheit hat der Forderung nach Angabe von Zeit, Ort, Name des Piloten und Nummer des Flugzeugs nicht entsprechen können, weil darin keine weitere zweckdienliche Information zur Erfüllung der dem Ausschuß gestellten Hauptaufgabe erblickt wurde, nämlich der Aufgabe der Untersuchung der Unfälle und der Aufgabe, mit der Regierung Maßnahmen zu treffen, um Unfälle möglichst zu verhindern.In Punkt 6 des Antrags der Opposition wurde u. a. verlangt, daß die Bundesregierung im Ausschuß einen weiteren Bericht erstattet. Es sollte eine lükkenlose Aufstellung vorgelegt werden, aus der die Zahl der Unfälle je 100 000 Flugstunden hervorgeht, und zwar im Vergleich mit den anderen Waffensystemen, die ich vorhin genannt habe, sowie im Vergleich mit den Staaten, von denen diese Flugzeugtypen ebenfalls geflogen werden. Dem ersten Punkt, nämlich einer Aufstellung in bezug auf die Unfallrate bei 100 000 Flugstunden, wurde ohne weiteres zugestimmt. Diese Aufstellung ist dem Ausschuß auch gegeben worden. Dem zweiten Petitum hinsichtlich des Vergleichs mit den Staaten, von denen diese Flugzeugtypen ebenfalls geflogen werden, glaubte die Mehrheit so lange nicht entsprechen zu sollen, als die hier angesprochenen Staaten ihrer eigenen Bevölkerung die Zahl der Abstürze bisher nicht mitgeteilt haben. Es ist gut, sich in dieser Frage weise und bescheiden zurückzuhalten.Außerdem sollte auf Antrag der Opposition die Bundesregierung noch einen Bericht und eine Übersicht über sämtliche Unfälle und Beschädigungen, gegliedert nach Flugzeugtypen, vorlegen, aus der hervorgehen sollte a) die Art der Beschädigung, b) der Zeitaufwand der Instandsetzung, c) die Kosten der Instandsetzung, d) die durch die Unfälle entstandenen Nachfolgekosten. Wir haben nicht geglaubt, diesem Antrag stattgeben zu sollen, und zwar aus folgenden Überlegungen.
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DraegerDie wesentlichsten Beamten im Verteidigungsministerium — —
— Wir, d. h. die Regierungskoalition, glaubten diesem Antrag nicht stattgeben zu können, und zwar aus folgender Überlegung.
Ich betone noch einmal, die Mehrheit im Verteidigungsausschuß, dargestellt durch die Regierungskoalition, hat diesem Antrag aus folgenden Gründen nicht stattgegeben. Die Tatsache, daß sich der Verteidigungsausschuß im Jahr 1966 bisher ausschließlich — mit zwei Ausnahmen, einer Sitzung in Berlin und einem Bericht über eine Petition — diesem Thema gewidmet hat, daß eine Reihe von Berichten vorgetragen wurde, hat dazu geführt, daß die wesentlichsten Herren sowohl im Ministerium als auch in der Luftwaffe in einem sehr starken Maße von ihrer eigentlichen Tätigkeit durch unsere Inanspruchnahme absorbiert worden sind.
Wenn man dem hier stattgäbe — so war die Auffassung der Mehrheit —, würde gerade jenes Personal, das die Verbesserungen durchführen sollte, die ich in einem langen Katalog dargestellt habe, von seiner Arbeit ebenfalls in einer Weise abgehalten werden, die schwerwiegende Folgen haben 3) könnte.
— Nein, meine Herren von der Opposition, es war Ihr mir gestern abend vorgetragener Wunsch, die Anträge, die im Ausschuß nicht durchgekommen sind, hier kurz in ihrem sachlichen Inhalt
und auch kurz in der Begründung darzutun. Ich erwähne nur die Anträge, die im Ausschuß durch die Regierungskoalition abgelehnt worden sind.Die SPD wünschte eine zentrale unabhängige Stelle zur Verbesserung und Beschleunigung der Unfalluntersuchungen in der Bundeswehr.
Nun, diese zentrale Stelle für Fluguntersuchungen in der Bundeswehr gibt es bereits.
Das Problem ihrer Unabhängigkeit warf für die Regierungskoalition sofort die Frage auf, welche Rechtsform zur Garantie der Unabhängigkeit gemeint sei. Die Mehrheit war der Auffassung, daß die Tätigkeit dieser Stelle in die militärische und in die ministerielle Verantwortlichkeit gegenüber dem Deutschen Bundestag eingebettet bleiben müsse.
Ein zweiter Punkt, der ebenfalls nicht von der Mehrheit akzeptiert wurde, betraf besonders ausgebildete Flugsicherheitsoffiziere in den fliegenden Verbänden, die nicht dem Einheitsführer, sondern dieser eben genannten zentralen Dienststelle unterstehen sollten. Begründung für die Ablehnung: diese Aufgabe — sie hat eine besondere Dringlichkeitsstufe — bleibt vornehmlich dem Kommodore überlassen. Die disziplinäre Unterstellung des Flugsicherheitsoffiziers muß doch unter allen Umständen erhalten bleiben. Sie können hier nicht mit der Auflösung eines Disziplinarprinzips, wenn auch nur im Bereich der Luftwaffe, einen Anfang machen. Die fachliche Tätigkeit des Flugsicherheitsoffiziers ist absolut frei und an keinerlei Weisungen gebunden.Dritter Punkt: Die SPD wünschte eine zentrale Bundesbehörde für die Auswertung aller zivilen und militärischen Flugunfälle zur Verbesserung der Flugsicherheit in der Bundesrepublik. Ich gehe nicht davon aus, daß mit diesem Anliegen ein bestimmtes Mißtrauen gegenüber den Soldaten zum Ausdruck gebracht werden sollte. Aber der Wunsch, hier eine neue, zentrale Oberbehörde zu schaffen, in der alle Anliegen der zivilen und der militärischen Fliegerei und auch der Sportfliegerei behandelt würden, scheint uns von dem Auftrag des Verteidigungsressorts und der Luftwaffe her nicht gerechtfertigt. Diese Aufgaben scheinen in einer solchen zentralen Oberbehörde schlecht aufgehoben zu sein; denn die Probleme, die sich im militärischen Bereich der Fliegerei stellen, sind von den Problemen der zivilen und der Sportfliegerei himmelweit verschieden.Der nächste Punkt: Die Opposition wünschte die beschleunigte Inbetriebnahme einer E-Stelle für die F 104 G. Nun, wie Sie wissen, haben wir eine ganze Anzahl von Erprobungsstellen. Eine davon dient der Erprobung von Flugzeugen und Fluggeräten. Es ist im Augenblick nicht möglich, eine neue, besondere E-Stelle zu installieren, die sich ausschließlich mit Erprobung des Starfighters befaßt. Die Mehrheit glaubt, die Probleme des Starfighters mit den Mitteln und Möglichkeiten, die in der eingerichteten Erprobungsstelle der Luftwaffe gegeben sind, durchaus in den Griff bekommen zu können.Ein weiterer Punkt ist die beschleunigte Durchführung von technischen Änderungen. Lassen Sie mich zu diesem Fragenkomplex nur folgendes sagen. Die Bundesregierung hat natürlich — das geht schon aus meinem Bericht hervor — eine ganze Reihe solcher technischer Änderungen, soweit sie die Betriebssicherheit und Flugsicherheit dieses Systems betreffen, schon in eigener Zuständigkeit und Vorsorge sehr weit vorwärtsgetrieben. Hier wäre beispielsweise die Frage des Düsennotschlußsystems anzusprechen; Sie wissen, daß die entsprechende Änderung schon bei 90 % der ersten Ausbaustufe und bei etwa 70 % der zweiten Variante durchgeführt worden ist. Hier wäre auch das Problem des Schleudersitzes zu erwähnen. Die Verstärkung der Raketentreibsätze ist schon so weit vorangeschritten, daß mit den Erprobungen
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Draegerbereits im Mai begonnen wird. Es sind noch die Frage des frühzeitigen Entfaltens des Fallschirms und das Problem einer besseren Trennung von Sitz und Pilot zu erwähnen. Hierzu gehört vielleicht auch die Frage der Notfangvorrichtung. Zumindest die Mitglieder des Verteidigungsausschusses wissen zur Genüge, daß wir mit der Verstärkung und den konstruktiven Änderungen der Notfanganlage schon so weit gediehen sind, daß die Erprobung der Notfangvorrichtung in den nächsten Wochen in Angriff genommen wird.Eine weitere Forderung, die ich erwähnen muß — ich betone noch einmal, daß ich das nicht zu meinem besonderen Vergnügen tue, sondern daß das der Wunsch der Minderheit des Ausschusses ist, dem ich nach Möglichkeit so viel Raum lassen will, daß diese Fragen nachher nicht mehr strittig sein können —, lautete: besonders ausgebildete hauptamtliche Fliegerärzte bei allen fliegenden Verbänden. Meine Damen und Herren, dieses Wunsches hat sich das Ministerium so frühzeitig angenommen, daß die Annahme dieser Forderung allenfalls eine Unterstützung und ein Appell an die Regierung sein könnte, auf diesem Wege fortzuschreiten.Und einen letzten Punkt. Die Minderheit wünschte — und hat das in einem Antrag formuliert — die Durchführung organisatorischer Maßnahmen zur besseren zentralen Überwachung der Auswahl, Indienststellung und Unterhaltung der technischen Einsatzbereitschaft moderner Waffensysteme in der Bundeswehr. Wenn die Opposition glaubt, hier schon die Durchführung von organisatorischen undB) sonstigen Maßnahmen beschließen zu können, dann geht sie den Dingen sehr weit voraus. Wir — und hier spreche ich wieder für die Mehrheit im Verteidigungsausschuß — sind der Meinung, daß die Regierung erst einmal überprüfen muß, ob, wann und wie sich solche Forderungen überhaupt realisieren lassen. Die Regierung sollte zunächst einmal aufgefordert werden, festzustellen: Was kann ich, was soll ich, was muß ich? Dann erst kann man an die Durchführung dieser Maßnahmen herangehen.Damit habe ich auch den. Komplex unter B als Berichterstatter abgehandelt.Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich hatte den Auftrag, Ihnen den Bericht über die Beratungen des Verteidigungsausschusses vorzutragen. Ich möchte diesen Bericht nicht abschließen, ohne kurz folgendes zu erklären. Der Verteidigungsausschuß hat sich allen durch die Abstürze von Starfightern unserer Luftwaffe aufgeworfenen Fragen mit großem Ernst zugewandt. Er hat das nicht nur deshalb getan, weil der Starfighter als modernes und hochkompliziertes Waffensystem unsere besondere Aufmerksamkeit verdient. Er hat es auch nicht nur deshalb getan, weil der Starfighter ein wesentliches Instrument deutscher Verteidigungspolitik ist. Er hat es vor allem deshalb getan, weil dem Leben und der Sicherheit unserer jungen Soldaten und damit auch dem Geschick ihrer Familien unsere besondere Aufmerksamkeit gehört. Er ist bei diesen Überlegungen davon ausgegangen, daß menschliche Sicherheit vor allem anderen Vorrang in den gesamten Beratungen verdient.
Der Beifall ist ein wenig peinlich. Der Berichterstatter hat eine objektive Aufgabe, nämlich die Entscheidungen eines Ausschusses, Gründe und Gegengründe vorzutragen. Das entzieht sich eigentlich dem Beifall wie dem Mißfallen. In dem Beifall liegt eine gewisse Kritik an dieser Art der Berichterstattung.
Ich hätte ein wenig mehr sachliche Distanz gewünscht. Das ändert nichts an meinem Dank für die Mühewaltung des Kollegen Draeger.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Ich erteile dann das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP dem Herrn Abgeordneten Rommerskirchen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP die Große Anfrage vom 3. März dieses Jahres, Drucksache V/360, zu begründen.Meine Damen und Herren, wir begrüßen es sehr, daß der Herr Verteidigungsminister für die Bundesregierung auf Grund der Anfragen der Koalition und der Opposition heute Gelegenheit hat, sich zu dem in der öffentlichen Diskussion 'zweifellos teilweise recht verzerrten Sachverhalt ganz ausführlich zu äußern. Wir würden es auch begrüßen, wenn durch die Stellungnahme der Regierung und durch die heutige Plenardebatte die leidige Diskussion über einen der wesentlichsten Komplexe unserer Verteidigungsanstrengungen beendet wäre. Damit sage ich keineswegs, daß die Beratungen über die jeweils notwendig werdenden weiteren Maßnahmen nicht fortgesetzt werden sollten; aber sie müssen wieder in den normalen Gang kommen, sie müssen auf das normale Maß zurückgeführt werden.Nach unserer Meinung soll, muß und kann im Interesse der Sache bei allseits gutem Willen heute Klarheit geschaffen werden. Das muß geschehen, das soll geschehen, das kann geschehen, damit der Weg nach vorn wieder frei ist, damit die politisch und militärisch führenden Kräfte über und innerhalb der Bundeswehr sich wieder mehr ihrer Gesamtverantwortung unterziehen können. Das war in den ersten Monaten dieses Jahres angesichts der außergewöhnlichen zeitlichen und sachlichen Beanspruchung durch das, was wir heute hier beraten, doch ganz zweifellos viel zuwenig möglich. Auch der Verteidigungsausschuß selber muß wieder Zeit und Gelegenheit bekommen, sich noch anderen anstehenden drängenden Problemen zuzuwenden. Es ist so, daß unsere Arbeit seit Beginn der neuen Legislaturperiode allzu
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RommerskirchenP einseitig von diesem Problem in Anspruch genommen wurde,
und darum sollte es unser aller Bestreben sein, mit dieser Debatte, die einen ganzen Tag währen und, wenn es not tut, morgen fortgesetzt werden kann, zunächst einmal einen Schlußstrich unter die Überprüfung zu ziehen. Alle Verantwortlichen wissen nun genau, woran sie sind und was zu tun ist, und alle sollten mit höchster Kraftanstrengung das Menschenmögliche leisten, um das sachlich Bestmögliche zu erreichen. Aber es ist so, in beider Hinsicht wird es leider immer nur das Mögliche sein und bleiben können.Meine Damen und Herren, es soll Klarheit geschaffen werden. Das war nachweisbar der Wille aller derer, die mit diesem Problem in diesem Hohen Hause befaßt waren. Dem Entschluß am Ende der vorigen Legislaturperiode, sofort nach Wiederbeginn der Arbeit des neuen Bundestages das Problem Starfighter zu behandeln, haben die drei Fraktionen damals durch ihre Obleute ohne Vorbehalt zugestimmt. In der ersten Sitzung des Verteidigungsausschusses dieses 5. Bundestages habe ich selber namens der Fraktion der CDU/CSU die breitestmögliche Aufklärung unter Beteiligung aller in Betracht kommenden Stellen und Leute gefordert. Andere Fraktionskollegen von mir haben noch während eines Informationsaufenthalts bei einem Starfighter-Geschwader vor vielen Wochen ganz deutlich auch in der Presse zum Ausdruck gebracht, daß sie eine umfassende Klärung des Sachverhalts ohne Ausschluß der Offentlichkeit für erforderlich hielten. Dem wurde von seiten der Koalitionsfraktionen zu keiner Zeit widersprochen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das, weil es mir noch heute unerklärlich ist, warum der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, warum Sie, Herr Kollege Dr. Mommer, am 15. Februar glaubten erklären zu müssen, die SPD werde in der Starfighter-Angelegenheit notfalls eine Plenardebatte erzwingen. Ich unterstelle Ihnen nicht, Herr Kollege, daß es dabei mehr auf Öffentlichkeitswirkung als auf Richtigkeit ankam, aber — verzeihen Sie — den Eindruck mußte man aus Ihrer Presseerklärung dennoch gewinnen. Am Tage zuvor hatte auch Herr Kollege Wienand eine ähnliche Feststellung im „Parlamentarisch-Politischen Pressedienst", der ja ebenfalls Ihrer Partei mindestens nahesteht, im Grunde aber zugehört, getroffen. Ich finde, sie war genauso irreführend wie die Erläuterung — wenn ich das zitieren darf —, „daß die vom Verteidigungsminister spektakulär angekündigte Aktion der Konsolidierung, zu der das StarfighterProblem gehöre, ohne bekanntgegebene greifbare Ergebnisse geblieben" sei. Die Bemerkung betreffend Bekanntgabe in der Öffentlichkeit mag stimmen; aber die Behauptung von einem Ausbleiben greifbarer Ergebnisse in der Bundeswehr stimmt einfach nicht. Vielleicht kann und wird sich der Herr Verteidigungsminister auch dazu äußern, nachdem Herr Kollege Wienand ja selber feststellte, daß das nun einmal zu dem Problem gehört, dem wir uns heute zu stellen haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Klarheit muß geschaffen werden. Das höchste Gut, dem unsere Sorge zu gelten hat — das wurde eben auch vom Herrn Berichterstatter zum Ausdruck gebracht, und das ist keine Höflichkeitserklärung —, das höchste Gut ist das Leben der Menschen, denen wir die Meisterung des komplizierten Waffensystems zumuten müssen.
Was immer die damit verbundene, der Sache innewohnende Gefahr herabmindern kann, das muß geschehen. Die Flugzeugführer und ihre Angehörigen haben das Recht darauf, zu wissen und darauf vertrauen zu können, daß ihnen nichts Unmögliches abverlangt, daß alle Vorsorge zur Ausschließung vermeidbarer Schwierigkeiten getroffen und daß die Beseitigung erkannter bzw. festgestellter Fehler und Mängel unverzüglich eingeleitet und durchgeführt wird.Klarheit muß auch geschaffen werden, damit die Luftwaffe nicht von der Psychose angesteckt wird, die, so meine ich, da und dort in der Offentlichkeit ausgebrochen zu sein scheint. Ich sage nichts gegen berechtigte Besorgnis. Aber es darf nicht zu einer Angstpsychose kommen. Denn sie würde ganz sicher das Problem nur vergrößern. Es ist geradezu verwunderlich, daß sich die unmittelbar Betroffenen noch nicht haben kopfscheu machen lassen. Wie die einsatzbereiten jungen Männer, wie die Piloten der F 104 sind, was sie denken und was sie von ihrem Flugzeug halten, das konnte man in der überzeugenden Fernsehsendung vorgestern abend wieder erfahren.
— Wieso „bestellt", wenn ich das feststelle? Ich habe die Sendung gesehen. Damit habe ich sie doch nicht bestellt. Ich bestelle ja auch nicht die anderen Sendungen, die ich mir anschaue und zu denen ich dann anschließend Stellung nehme.Jeder Unfall, vor allem der mit tödlichem Ausgang, trifft alle sittlich denkenden Menschen schwer. Wir beklagen den Tod einer Anzahl junger Männer, die im Friedenseinsatz zur Verhinderung des Krieges ihr Leben ließen, und wir trauern aufrichtig mit ihren Hinterbliebenen. Im Gespräch mit Jet-Piloten vernimmt man aber immer wieder, daß sie sich ihren Maschinen ohne Furcht anvertrauen. Sie wissen einfach, daß das Fliegen in einem hochmodernen Überschallflugzeug gefahrvoll ist, und sie sind stolz auf ihren Beruf — das haben sie wieder und wieder zum Ausdruck gebracht, und das hört man in jeder Begegnung mit ihnen —, sie sind stolz auf den Beruf, der sich durch eben diese Gefahr von anderen wesentlich unterscheidet. Sie sind sich dessen eben bewußt, daß der Verteidigungswille und die Verteidigungsfähigkeit nicht zuletzt solche Leistungen fordern, und verrichten deshalb in einer meines Erachtens für die ganze deutsche Jugend vorbildlichen Haltung ihren unsagbar schweren Dienst.
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RommerskirchenIn der Zumutung an die Piloten der F 104, die ich ein wenig kennzeichnete, liegt die Frage begründet, die wir zunächst an die Bundesregierung gerichtet haben, ob nämlich die Umrüstung der Luftwaffe auf dieses Waffensystem erforderlich, ob es sinnvoll, ob es vertretbar und für die Sicherheit unseres Landes wie für die- Gesamtverteidigung bedeutsam war. Auch angesichts der öffentlichen Diskussion, die unbestreitbar durch Feststellungen und Wertungen, nicht zuletzt von Angehörigen aus diesem Hause, wesentlich mitbestimmt wurde, halten wir die Klärung dieser Grundentscheidung für dringend geboten. Wir hatten geglaubt, daß sie nach der Plenardebatte im Januar 1965, also im vorigen Jahr, der spektakulären Erklärungen des Kollegen Wienand in der Öffentlichkeit vorausgegangen waren, nicht mehr erforderlich sei. Sie schien auch angesichts der Tatsache nicht mehr nötig, daß die Vertreter der Opposition auf unsere wiederholten Anfragen im Verteidigungsausschuß, was nach ihrer Auffassung noch der Klärung bedürfe, weder das Waffensystem als solches noch die Beschaffung noch den Vertragsabschluß genannt hatten. Weil dann aber doch wieder, z. B. auch in einem Artikel des Kollegen Cramer im Vorwärts, also der parteioffiziellen Wochenzeitung der SPD, davon gesprochen wurde, daß auch der heutigen Plenardebatte nur der Charakter einer Zwischenbilanz zuerkannt werden könne, solange nicht die Beschaffung der F 104, solange nicht die Begleitumstände dieser Beschaffung, die Verwendung und Ausstattung als Mehrzweckwaffe ausdiskutiert seien, schien es uns geboten, auch dazunoch einmal die Stellungnahme der Bundesregierung zu hören.Wir glauben, daß es das ganze Hohe Haus und darüber hinaus die Öffentlichkeit außerordentlich interessiert, zu erfahren, ob durch die Mehrzweckverwendung des Waffensystems das einzelne Flugzeug über Gebühr vollgepackt und damit unzulässig und sträflich überladen, ob es für den Flugzeugführer dadurch zu kompliziert, ob es dadurch insgesamt fluguntüchtiger. geworden ist.
-- Das kann dann dazu gesagt werden.
— Herr Kollege Eschmann, der Herr Minister wird Gelegenheit nehmen, auch diese Frage zu beantworten; davon bin ich überzeugt.
Erst recht muß es interessieren, zu erfahren, ob auf Grund der Mehrzweckverwendung Abstürze erfolgt sind.Der andere Komplex unserer Großen Anfrage betrifft die Häufung der Starfighter-Unfälle in letzter Zeit. Der Inspekteur der Luftwaffe hat schon in seinem ausführlichen Bericht vor dem Verteidigungsausschuß am 12. Januar in großer Offenheit und Eindringlichkeit hierzu Stellung genommen. Er hat gar nicht verheimlicht, daß die politische und militärische Führung nach besonders günstigen Flugjahren vom plötzlichen Ansteigen der Unfallquote seit Mai des Jahres 1965 überrascht wurde. Es drängt sich also die Frage auf, ob die Annahme nicht berechtigt war, man sei von typischen Folgeerscheinungen bei der Umrüstung auf ein modernes, leistungsfähigeres und damit auch komplizierteres Waffensystem weitgehend verschont geblieben. Zweifellos ist der Vergleich mit den Unfall- und Absturzquoten vorheriger Strahlflugzeugsysteme bei uns oder unseren Partnern bzw. die Beleuchtung der Situation nach oder während Umrüstungen auf neue Waffensysteme nicht uninteressant und auch nicht unerheblich für die Beurteilung des Gesamtvorgangs. Wer das glaubt anders beurteilen und sofort von Leichtsinn, von schuldhafter Nachlässigkeit oder von Unverantwortlichkeit sprechen zu müssen, der sollte doch bedenken, daß hernach immer jeder klüger ist als zuvor, sofern er sich nicht völlig taub und blind gegenüber Geschehnissen, Erfahrungen und Erkenntnissen zeigt.
Auch wir stellen nicht in Abrede, daß die Unfälle höchst bedauerlich und alarmierend zugleich sind. Aber wir halten zur Beurteilung der Gesamtsituation doch die Frage für berechtigt und angebracht, ob die Unfallquote außergewöhnlich ist und ob Abstürze als unausweichlich anzusehen sind.Dabei sind wir uns allerdings von vornherein dessen bewußt, daß gerade die deutsche Luftwaffe nach der zehnjährigen Zwangspause, in der keine Erfahrungen gesammelt und keine Erprobungen durchgeführt werden konnten, in der der Anschluß an die rasende technische Entwicklung nicht gehalten werden konnte, besondere Schwierigkeiten zu überwinden hat. Wer will denn überhaupt bestreiten, daß ein Umstellungsprozeß vom Unterschallzum Überschallsystem bis hin zu 2 Mach ganz gewaltige Anstrengungen erfordert und objektiv größte Schwierigkeiten hervorrufen muß? Weisen nicht, so fragen wir, die Erfahrungen bei den Luftwaffen anderer Staaten bereits aus, daß der Vorstoß bis an die Höchstgrenze der Technik seinen Preis fordert?Es wäre nur zu wünschen, daß uns die Leistungen unseres potentiellen Gegners keine entsprechenden Gegenleistungen abverlangten. Eine glaubwürdige Abschreckung ist aber nur dann gegeben, wenn wir in der Lage sind, dem potentiellen Gegner bei einem eventuellen Angriff wirksam zu begegnen. Das duldet also keine Unterlegenheit von vornherein. Das ist doch auch der wesentliche Grund, weshalb uns unsere Verbündeten die Ausrüstung mit einem entsprechenden Luftwaffensystem abforderten; wir sollten gegebenenfalls gleich leistungsstark bei der Verteidigung Deutschlands, Europas und der freien Welt mitwirken können.Wir halten es für angebracht und geboten, daß der Herr Verteidigungsminister im Namen der Regierung noch einmal eine Übersicht über die Vorkehrungen und Maßnahmen gibt, die eine höchstmögliche Flugsicherheit gewährleisten. Aber ich darf schon gleich feststellen: auf das Ansteigen der Unfälle reagierte das Ministerium bzw. die Luftwaffen-
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Rommerskirchenführung ganz eindeutig und nachgewiesenermaßen sofort. Man reagierte zunächst mit Startstopps. Die Maschinen des entsprechenden Typs wurden, zweifellos nicht zuletzt aus Verantwortung gegenüber den sie fliegenden Menschen, zunächst auf Serienmängel überprüft, ehe sie wieder einsatz- und flugfrei gegeben wurden.Es drängt sich die Frage auf, ob es angebracht und vertretbar ist, von solchen allgemeinen Startverboten abzusehen, wie sie in der Offentlichkeit, auch in diesem Hause, . in letzter Zeit immer wieder gefordert wurden, nachdem bereits erwiesen ist, daß keine greifbaren Hauptfehler oder Serienmängel die bisherigen Unfälle verursacht haben. Wie denkt die Luftwaffenführung bzw. das Ministerium heute über die gerade in letzter Zeit wiederholt ausgesprochene Forderung nach einem neuen Startverbot für sämtliche F-104-Flugzeuge?Für uns Mitglieder des Verteidigungsausschusses war es höchst bedeutsam, zu erfahren, daß gerade auch von seiten der Luftwaffenführung beim Befehlshaber Zentraleuropa unserer Luftwaffe dringend angeraten wurde, auf einen zwar naheliegenden, der Sache jedoch nicht dienlichen Startstopp zu verzichten. Es wurde gerade von dort der deutschen Luftwaffenführung dringend empfohlen, den Starfighter-Piloten viel mehr Gelegenheit zum Fliegen zukommen zu lassen, damit sie Erfahrungen sammeln könnten.Wir fragen also die Bundesregierung, ob sie ausweisen kann, daß die politische und militärische Führung den sich häufenden Abstürzen nicht nur nicht tatenlos zugesehen, sondern alle möglichen Anstrengungen unternommen hat, um die Unfälle auf ein wahrscheinlich unvermeidbares Mindestmaß zurückzudrängen. Wurden nach den jeweiligen Erkenntnissen forciert Maßnahmen ergriffen, um die Wiederholung eines Unfalls aus gleicher oder ähnlicher Ursache zu verhindern?In diesem Zusammenhang, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich mir erlauben, folgendes zu sagen. Die Beauftragung eines Sonderbeauftragten in der Person von General Hrabak, dem Kommandeur der Vierten Luftwaffendivision, der also aus unmittelbarer Truppenerfahrung kommt, wurde und wird von uns sehr begrüßt. Wir sahen und sehen in ihr den Ausdruck des Willens, auch auf ungewöhnlichem Weg Abhilfe zu schaffen. Den Vorwurf aus den Reihen der Opposition und seitens dieses oder jenes Presseorgans, die Beauftragung sei zu spät erfolgt, halte ich einfach nicht für stichhaltig.
— Ungewöhnlich ist nicht der Weg, aber die Berufung eines solchen Sonderbeauftragten ist kein alltäglicher Vorgang.
Die Berufung mit dem Auftrag der Koordinierungund Beschleunigung aller Maßnahmen in unmittelbarer Zuordnung zur politischen und militärischenFührung entspricht keineswegs dem normalen Vorgehen, sondern ist Ausdruck dafür, daß das Problem ganz ernst genommen wird.Erst wenn das Verteidigungsministerium oder die Luftwaffenführung vorher nicht bereits alles unternommen hätte, um auf herkömmliche Weise mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, könnte ich mich einem Vorwurf, wie ich ihn eben nannte, anschließen.Im übrigen möchte ich nur wünschen, daß sich General Hrabak mit seinem Arbeitsstab nun sehr konzentriert der Erfüllung seines Auftrages im Sinne einer Koordination und Beschleunigung aller Maßnahmen zuwenden kann und nicht weiterhin durch die geforderte Teilnahme an allen parlamentarischen Beratungen allzusehr davon abgehalten wird.
— Ja, er kann koordinieren. Es ist sein Auftrag, zu koordinieren und zu beschleunigen. Das werden Sie nachher von seiten des Verteidigungsministeriums ganz zweifellos hören, und Sie können es sich von Herrn Hrabak selber bestätigen lassen.Ich möchte hinzufügen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir wünschen den Herren dieses Sonderstabes im Interesse der Sache viel Glück und Erfolg bei ihren Bemühungen und können den Herrn Verteidigungsminister nur noch einmal bitten — damit komme ich Ihnen, Herr Kollege Berkhan, wahrscheinlich besonders entgegen —, den Auftrag an General Hrabak und seinen Stab zugleich so ex- und intensiv zu verstehen und zu geben, wie es im Rahmen unserer nun einmal bestehenden Gesamtordnung möglich ist. Jedenfalls dürfen Kompetenzfragen niemals zu schwerwiegenden Unterlassungen oder halben Maßnahmen führen.Wir fragen: Ist es richtig, daß die Hauptschwierigkeit in einem umfassenden Personalmangel zu sehen ist? Die Bundeswehr befindet sich heute zweifelsfrei in einer noch härteren Konkurrenzsituation gegenüber der freien Wirtschaft als zu Beginn ihrer Aufstellung. Bei der Einführung des Waffensystems F 104 war die Lage für die Bundesluftwaffe noch günstiger als heute. Die teilweise außerordentlich hohen Fehlzahlen unter dem erforderlichen Spezialpersonal sind ganz zweifellos sehr bedrückend. Hier Abhilfe zu schaffen muß die Sorge zunächst der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr, aber auch die Sorge aller um die Verteidigung bemühten Stellen und Organe sein. Die Bundeswehr allein ist damit einfach überfordert.Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, kehren gerade die länger gedienten Soldaten nicht mit weniger, sondern mit erheblich mehr Sachverstand und Spezialkönnen in die Wirtschaft zurück. Das sollte auch die Einstellung der Wirtschaft zu den Aufgaben und Forderungen der Bundeswehr mit bestimmen. Wir fragen: Welche Maßnahmen können dazu beitragen, die Abwerbungssituation zwischen Bundeswehr und freier Wirtschaft zu entschärfen?
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Rommerskirchen) Die uns am vordringlichsten erscheinenden Verbesserungen haben die Koalitionsfraktionen in ihrem Sammelantrag berücksichtigt. Es handelt sich zunächst um Verantwortungs- und Leistungszulagen für Personal, das in besonders schwierigen und gefährdeten Aufgabenbereichen eingesetzt ist.Aber fast noch entscheidender scheint mir die allgemeine Statusfrage zu sein. Und — darf ich das nicht sagen? — nur wer bestimmte Einstellungen und Anschuldigungen in der Vergangenheit nicht mehr wahrhaben will, nur der wird bestreiten, daß die Verunglimpfung des Soldatenberufes, sei ,es als Offizier oder als Unteroffizier, die derzeitige prekäre Lage ganz wesentlich mit verursacht hat.
Wer also immer nach Verantwortlichkeit für die Schwierigkeiten im personellen Bereich ruft, sollte sich davor hüten, mit Fug und Recht der „Haltetden-Dieb!"-Methode bezichtigt zu werden, sollte sich vielmehr auch seinerseits allenthalben und immerzu ohne Einschränkung dafür einsetzen, daß die hohe Leistung unserer Soldaten die Anerkennung findet, die sie verdient.
— Das bestreitet doch niemand, daß es daran lag, daß der Soldat mißbraucht worden war.
Aber, Herr Kollege Eschmann, wenn in diesen Tagen sogar noch ein Studienrat einer höheren Lehranstalt die Abiturienten fragt, was sie werden wollten, und zwei junge Männer sagen, sie wollten den Beruf des Offiziers ergreifen, und der Studienrat dann fragt, ob das denn überhaupt ein Beruf sei, so kennzeichnet das eine Situation, die wir überwinden müssen.
— Herr Eschmann, wir haben den ganzen Tag Zeit; Sie können nachher die tieferen Ursachen ja noch ansprechen. — Ich bestreite das keineswegs, aber ich bin der Meinung: wir müssen darüber sprechen, daß das Ansehen der Soldaten, vornehmlich der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, nicht zuletzt deswegen so gering ist, weil sie vor Jahren in diesem unserem Lande unvorstellbar beschimpft worden sind.
— Ja, das habe ich doch getan! — Lieber Herr Berkhan, Sie kennen mich doch!
— Herr Berkhan, ich erzähle hier das, was ich für richtig halte, um eine Sache zu begründen. Sie können dasselbe beanspruchen, und das werden wir Ihnen gleichermaßen konzedieren.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Würden Sie so liebenswürdig sein, Herr Rommerskirchen, uns zu sagen, welchem Kultusminister der eben zitierte Studienrat untersteht?
Dem Kultusmininister von Nordrhein-Westfalen.
— Das bedeutet doch gar nichts!
Herr Kollege Schmidt, ich bin bereit, Ihnen nachher die Schule zu nennen, und dann unterhalten wir uns gleichzeitig über den betreffenden Studienrat, und dann werden Sie staunen, welcher politischen Provenienz er ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fragen, ob die Zusammenarbeit zwischen der Bundeswehr und der zivilen Luftfahrtindustrie zur Behebung des Personalmangels nicht intensiviert werden kann. Wir begrüßen es jedenfalls, daß die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet worden sind, und fragen, ob weitere Vereinbarungen zur zusätzlichen Intensivierung, d. h. zur engeren Verzahnung und stärkeren Heranziehung, getroffen worden sind bzw. getroffen werden können.Das Bundesverteidigungsministerium wurde unsererseits bereits aufgefordert — und ich möchte das heute namens meiner politischen Freunde wiederholen —, die Zeit im Anschluß an den auslaufenden Vertrag mit der Herstellerfirma Lockheed durch die entsprechenden zusätzlichen Vereinbarungen vorzuplanen. Wir wünschen dringend, daß sich der Übergang nicht verzögernd, sondern sich sofort beschleunigend auswirkt.Daß wir im Interesse der bereits angesprochenen Standardisierung, die ja auch in diesem Hause immer wieder zu Recht gefordert wird, in entsprechender Verbindung mit den Partnerstaaten des F-104-Konsortiums bleiben sollen und müssen, betone ich nur, um Mißverständnisse in diesem Zusammenhang auszuschließen.Meine Damen und Herren, aus diesem Hause und in der Publizistik draußen ist in den vergangenen Wochen des öfteren der Ruf nach einer Reduzierung der Luftstreitkräfte laut geworden, um dadurch zur Behebung der Schwierigkeiten beizutragen. Die Ansicht der Bundesregierung hierzu interessiert uns außerordentlich. Aber auch dazu möchte ich namens meiner Freunde schon heute feststellen: Wer inDeutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag,' den 24. März 1966 1519Rommerskirchenunserem Lande von Reduzierung spricht, darf es unseren Bündnispartnern nicht verübeln, wenn auch sie sich dann zunehmend Gedanken darüber machen. Wenn damit allerdings gemeint ist, daß die Umrüstung von auslaufenden Flugzeugtypen zugunsten der Konzentration auf den Starfighter noch mehr beschleunigt werden soll, dann ist dem selbstverständlich zuzustimmen. Aber es muß klar bleiben: Es dürfen nicht weniger, sondern es müssen mehr Starfighter zum Einsatz kommen, damit mehr Erfahrungen gesammelt werden können. Lag diese Absicht nicht auch der Entscheidung zugrunde, sofort eine entsprechend große Zahl von Flugzeugen zu beschaffen? Damit standen doch, ganz abgesehen davon, daß die ursprüngliche NATO-Forderung, wie der Herr Berichterstatter schon ausführte, noch 300 Maschinen mehr vorsah und daß die Abnahme einer großen Serie auch wirtschaftlich am günstigsten ist, genügend Flugzeuge zur praktischen Erprobung ständig zur Verfügung.Wir begrüßen es, daß der Herr Verteidigungsminister bei der zuständigen NATO-Kommandobehörde die Genehmigung zur umgehenden Auflösung der F-84-Staffeln eingeholt hat, um die frei werdenden Kräfte und Einrichtungen zur Verstärkung den F-104-Geschwadern zuführen zu können. Wir halten es auch für eine der heutigen Lage entsprechende verantwortungsbewußte Maßnahme, daß die Anzahl der für kurzfristigen Alarmeinsatz vorgesehenen Flugzeuge verringert wurde. Die Entlastung im Bereitschaftsdienst kommt zweifellos dem sowieso außerordentlich beanspruchten Personal sehr zugute.Wir fragen die Bundesregierung: Sieht sie darüber hinaus andere Möglichkeiten und Wege zu einer noch stärkeren Konzentration auf das Waffensystem F 104 ohne eine Verminderung der Gesamtstärke unserer Luftwaffe?Das Stichwort ist schon oft gegeben worden, ich darf es noch einmal aufgreifen: In allen Beratungen und Überlegungen wurde und wird zwingend klar, daß die Flugerfahrung die entscheidende Rolle spielt. Müssen deshalb nicht die unter den erheblich günstigeren Flugbedingungen in den Vereinigten Staaten ausgebildeten Piloten wieder intensiver mit den schwierigen Verhältnissen in Europa und zumal in den Randgebieten der Nordsee und der Alpen vertraut gemacht werden?Lassen Sie mich dann aber auch dies schon feststellen: Wer die Ausbildungsmöglichkeiten verbessern, wer die Flugerfahrung begünstigen will, der muß zugleich auch bereit sein, der betroffenen Bevölkerung das Verständnis für die entsprechende Belastung — ja, Sie können auch sagen: Belästigung abzufordern. Derjenige, der an einem ruhigen Parkweg wohnt und an dessen Wohnung vorbei plötzlich eine Umgehungsstraße gebaut wird, muß auch sein Opfer für die Allgemeinheit bringen. Es gibt wohl noch viele andere Beispiele dafür, daß das gemeinsame Wohl einen unterschiedlichen Preis von den Bürgern fordert. So ist es ja auch mit den jungen Männern in unserem Lande, den Wehrpflichtigen, gegenüber den Mädchen und jungen Frauen; das Leben verteilt dann zumeist auf seine Weise die Lasten wieder gerecht.Wer also die Ausbildungsgrundlage verbessern helfen will, der darf keine Protestmärsche gegen Belästigung durch Düsenlärm anführen, der darf sich nicht beteiligen an dem Abdrängen der fliegenden Verbände und der Flugschulen in die schwierigsten Lebens-, Wartungs- und Flugbedingungen, der darf nicht im Interesse flugfreier Tageszeiten die Einsatz- und Übungsmöglichkeiten über Gebühr und aufs Ganze gesehen unvertretbar einschränken.
Damit im Zusammenhang steht ein anderer Komplex, die Infrastruktur. Es interessiert uns sehr, vom Verteidigungsminister zu erfahren, wie die Beschaffenheit der Flugplatzanlagen dort verbessert werden kann, wo sie noch nicht voll den Anforderungen genügt. Zur Unterstützung der entsprechenden Bemühungen möchten wir aber schon jetzt festhalten: wenn die NATO nicht bereit oder in der Lage ist, das in ihrer Verantwortung Liegende einschließlich der finanziellen Konsequenzen mitzutragen, sollten von uns selber die erforderlichen Finanzmittel für die notwendigen Verbesserungen aufgebracht werden.Abschließend sei mir noch ein kurzes Wort zur öffentlichen Diskussion gestattet. Die Berichtenden und die Kommentierenden, die vielfach außerordentlich positiven Willen auswiesen, sind leider nicht selten Opfer eines bösen Kreislaufs geworden. So manche falsche Behauptung wurde von zweifelhaften Informanten aufgestellt und von Politikern ohne ausreichende kritische Prüfung und Würdigung in die Öffentlichkeit weitergeleitet.
Oder wenn das Bemühen der Verantwortlichen, neuesten Erkenntnissen und dringenden Forderungen aus unseren Reihen zu entsprechen, jeweils zum Eingeständnis vorherigen Versagens umgemünzt wird, kann man sich über eine entsprechende Reaktion bei den meinungsbildenden Organen kaum noch wundern. Aber novellieren wir nicht auch fortlaufend Gesetze, ohne daß damit gesagt sein muß, daß zuvor eine kurzsichtige oder unverantwortliche Regelung getroffen worden war? Auf keinen Fall sollten wir — keiner von uns — gemeinsame Sache mit Kritikern machen, die Sorge um unsere Bundeswehr und um unsere Verteidigung vortäuschen, in Wirklichkeit jedoch ihrer ganzen Konzeption nach, ihrem ganzen politischen Willen nach gegen jeden wirksamen Verteidigungsbeitrag sind.
— Nein, dessen Artikel — —
— Die Pressemitteilungen, Berichte und Kommentare kennen Sie doch! Sie häufen sich bei mir zu Bergen. Wenn Sie wollen, rede ich z. B. auch von Herrn Gerold, der vorgestern in der Frankfurter Rundschau glaubte feststellen zu müssen, daß die Piloten der F 104 bibberten, derweil diese Piloten
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Rommerskirchenuns ausweisen, daß das Gegenteil der Fall ist, daß sie ganz anderen Mumm in den Knochen haben, als Herr Herold ihnen zu unterstellen gewillt ist.
Wir diskutieren heute eine todernste Angelegenheit, so wie es im Bereich der Verteidigungspolitik letztlich überhaupt um nichts anderes geht. Das erfordert gerade wegen der tragischen Begleiterscheinungen große Nüchternheit und Redlichkeit. Das Thema Flugsicherheit bei 2-Mach-Flugzeugen, der vorletzten Stufe des bemannten Flugzeugs überhaupt, ist geradezu naturnotwendig mit emotionalen Regungen verbunden. Wir sollten aber als politisch Verantwortliche so sachlich, wie es geboten und nur irgend möglich ist, prüfen, wägen, kritisieren und fordern.Ich darf das wohl zugleich für meine politischen Freunde festhalten: wir haben in den bisherigen Beratungen kein .schuldhaftes Versagen, keine Unverantwortlichkeit der politischen oder militärischen Führung der Bundeswehr feststellen können.
Darum möchte ich jetzt schon der Leitung des Ministeriums wie der Bundeswehrführung für ihr überzeugendes Bemühen, den vom Volk gestellten unsagbar schwierigen Auftrag gewissenhaft zu erfüllen, danken.
Wir danken den Soldaten und Beamten, heute aber besonders dem militärischen und zivilen Personal bei den Strahlflugzeugverbänden, für ihre unbeirrte, beispielhafte Pflichterfüllung.
Wir vertrauen auf unser Volk, vertrauen darauf, daß es mit viel Verständnis für die teilweise außerordentlichen Schwierigkeiten mit gebührender Anerkennung der soldatischen Leistungen und mit tatkräftiger Unterstützung die Verteidigungsanstrengungen weiterhin fördert und unterstützt.Es gilt, stets zu erkennen und anzuerkennen, daß die Bemühungen einzig dem Zweck der Erhaltung unserer Freiheit und der Sicherung des Friedens dienen. Wir müssen alle miteinander, unser ganzes Volk, so scheint mir, noch mehr Sinn dafür bekommen, daß wir keine Kosten scheuen dürfen, wenn es um die Erhaltung und die Erhöhung unserer Sicherheit geht.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Karl Wienand.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute erörtern wir die zahlreichen Unfälle mit dem Starfighter, ihre Ursachen und die Möglichkeiten ihrer Überwindung. Dabei sind sich alle Mitglieder des Deutschen Bundestages darin einig, daß diese Debatte vor dem Hintergrund der großen Anstrengungen und Opfer der Angehörigen der Bundeswehr in der Aufbauzeit gesehen werden muß. Dabei gedenken wir all derer, die in Erfüllung dieser Aufgabe ihr Leben gelassen haben. —Meine Damen und Herren, „der Verteidigungsausschuß des 4. Deutschen Bundestages hatte keine Gelegenheit mehr, sich mit der unliebsamen Häufung der Abstürze im Frühjahr und Sommer 1965 zu beschäftigen". Diesen Satz, meine Damen und Herren, habe ich wörtlich der Vorbemerkung des Berichtes entnommen, den unser -Kollege, Herr Draeger, als Berichterstatter des Verteidigungsausschusses diesem Hohen Hause erstattet hat. Ich möchte dem Kollegen Draeger für den Bericht danken, auch wenn wir mit seinen Feststellungen und Wertungen nicht ganz einig gehen konnten.Der Herr Berichterstatter hat „von der unliebsamen Häufung" der Abstürze gesprochen. Ich will nicht mit ihm rechten, ob es den schrecklichen Vorgängen entspricht, die sich so grausam häufen. Es soll auch nicht geprüft werden — wie hier und da angeregt —, ob und inwieweit darin gar eine Verharmlosung zu sehen ist.
Eine Feststellung muß jedoch getroffen werden, damit hier im Hohen Hause und dadurch auch in der Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entsteht. Es mußte nicht erst zu dieser höchst bedauerlichen und besorgniserregenden Häufung von Starfighter-Abstürzen kommen, um den Verteidigungsausschuß und das Parlament und vom Parlament her vor allen Dingen die verantwortliche politische Führung, das Verteidigungsministerium und damit die Regierung, auf die Kompliziertheit moderner Waffensysteme mit der jetzt tragisch sichtbar gewordenen Bedeutung aufmerksam zu machen.Nachdem der Verteidigungsausschuß Feststellungen getroffen hat, die den Berichterstatter veranlaßt haben, von unliebsamen — ich sage: von besorgniserregenden — Häufungen der Abstürze zu sprechen, nachdem die Öffentlichkeit besorgt reagiert, Fragen über Fragen — sachverständige, weniger sachverständige, mit Recht!, zu Unrecht!? — von allen Seiten gestellt werden, fragen wir: Beurteilt die Bundesregierung die Zahl der Starfighter-Unfälle als eine im Rahmen des militärischen Flugbetriebes normale oder als erträglich anzusehende Unfallrate?Soweit die erste Frage unserer Großen Anfrage vom 1. März. Ich bin sicher, daß die Bundesregierung die 24 Tage — vom 1. bis zum 24. März — genutzt hat und heute bei der Antwort auf unsere Große Anfrage auch auf die vielen anderen Fragen eingeht, die wir von der SPD-Fraktion unter anderem am 10. März im Verteidigungsausschuß gestellt haben. Wir fragten insgesamt nach den StarfighterUnfällen im Rahmen des militärischen Flugbetriebes, nicht nur nach den Abstürzen, meine Damen und Herren, obwohl diese für sich gesehen schon alarmierend genug sind.Der Antrag der SPD, nach dem die Bundesregierung eine Übersicht über sämtliche Unfälle und
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WienandBeschädigungen, gegliedert nach Flugzeugtypen, vorlegen sollte, aus der erstens die Art der Beschädigung, zweitens der Zeitaufwand der Instandsetzung, drittens die Kosten der Instandsetzung und viertens die durch die Unfälle entstandenen Nachfolgekosten hervorgehen, wurde von der Mehrheit im Ausschuß auf Wunsch des Verteidigungsministers abgelehnt.
Ja, abgelehnt. Man will das nicht wissen oder nicht sagen; aber danach fragt die öffentliche Meinung, und sie fragt mit vollem Recht danach.
Diese von uns geforderte Ubersicht hätte, wäre sie geliefert worden, die jetzt zu stellende Frage schon zum Teil für jeden nachkontrollierbar und sichtbar beantwortet.Wir fragen die Bundesregierung weiter: Seit wann war sich die Bundesregierung darüber klar, daß die Starfighter-Unfallrate anomal und unerträglich zu werden drohte?Mußte es erst zu der entsetzlichen Häufung der Abstürze im Frühjahr und Sommer 1965 kommen? Nein, meine Damen und Herren, bereits am 3. November 1964 — ja, am 3. November 1964 — brachte die SPD-Fraktion mit Drucksache IV/ 2688 eine Kleine Anfrage ein. Sie hatte folgenden Wortlaut:Die Zahl der Flugzeugunfälle 'bei der Luftwaffe,der Bundeswehr ist im letzten Jahr gegenüber den früheren Jahren erheblich gestiegen. Wir fragen die Bundesregierung:so heißt es weiter in dieser Kleinen Anfrage vom November 1964 --1. Wie groß ist die Zahl der Flugzeugunfälle in diesem Zeitraum, nach Typen geordnet?2. Wie viele Personen sind dabei zu Tode gekommen und verletzt worden?3. Wie hoch beläuft sich der entstandene finanzielle Sachschaden?4. Worauf sind die Flugzeugunfälle zurückzuführen, geordnet nacha) technischen Fehlern,b) anderen Ursachen?5. Kann die Bundesregierung die Relation zwischen den Gesamtflugstunden und der Zahl der Verluste an abgestürzten oder im Flug beschädigten Flugzeugen der Bundeswehr sowie die Vergleichsziffern bei gleichen oder ähnlichen Flugzeugtypen anderer Mitgliedstaaten der NATO ermitteln und die Ergebnisse der Untersuchung der Beantwortung dieser Anfrage beilegen?6. Ist die Bundesregierung bereit, den Bericht des Bundeswehr-Inspizienten der Luftwaffe über die 'bedenklich angestiegenen Flugzeugunfälle den Abgeordneten des Ausschusses für Verteidigung zuzustellen?— Hier ist an den Inspizienten für Flugsicherheit gedacht. —7. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um Verluste an Menschenleben und Material in Zukunft so weit wie möglich zu verhindern?Diese Fragen der SPD-Fraktion wurden im Verteidigungsausschuß in geheimer Sitzung beantwortet — ja, in geheimer Sitzung! Es gibt kein Protokoll über diese Sitzung. Daß es kein Protokoll gibt, ist nicht Schuld der Regierung. Daß die Sitzung geheim war, wünschte die Regierung. Wenn die Regierung es wünscht, ist eine Sitzung geheim; so wird es praktiziert. Wenn eine Sitzung geheim ist, gibt es kein Protokoll. Wenigstens ist es in diesem Fall so gehandhabt worden.
Durch die Handhabung der damals neu eingeführten Geheimhaltungsvorschriften ist es heute, da die Antwort im Verteidigungsausschuß nicht protokolliert wurde, für den Abgeordneten — und damit auch für mich — nicht mehr möglich, auf Einzelheiten der Antwort einzugehen.
Dieses verbieten jedoch auch zusätzlich die Geheimhaltungsvorschriften.Wohlgemerkt, meine Damen und Herren: Diese sieben Fragen — betrachten Sie sie bitte auch in rückschauender Betrachtung im Lichte der Ergebnisse, die sich in mühevoller Arbeit der Verteidigungsausschuß in acht Sitzungen in diesem Jahr erarbeiten mußte — wurden bereits vor rund 11/2 Jahren, im November 1964, gestellt.Diese Feststellung, die ich hiermit getroffen habe, erhellt, warum die SPD in ihrer Großen Anfrage vom März dieses Jahres erneut und mit gutem Recht fragt, seit wann sich ,die Bundesregierung darüber klargeworden ist, daß die Starfighter-Unfallrate anomal und unerträglich zu werden drohte. Hätte nicht — so muß ich jetzt fragen — diese Kleine Anfrage zumindest von diesem Zeitpunkt an die politisch verantwortliche Führung — für mich heißt das, den Minister und seinen Staatssekretär — veranlassen müssen, alle diese Fragen und noch mehr dieses Problem mit der letzten Verantwortung aufzugreifen, zu untersuchen und für sofortige Abhilfe zu sorgen?
Gab es denn in den vergangenen Jahren wirklich nicht auch verantwortungsbewußte Sachkenner im Ministerium und innerhalb der Bundeswehr — ich will die Frage nicht ausweiten auf fachlich Interessierte und Versierte außerhalb der Bundeswehr und außerhalb des Ministeriums —, die von sich aus auf diese von uns damals angesprochenen Schwierigkeiten, die in den Jahren 1964 und 1965 auf uns zukommen mußten, rechtzeitig aufmerksam gemacht haben? Gab es solche verantwortungsbewußten Mitarbeiter nicht Anfang der 60er Jahre im Verteidigungsministerium? Was ist nach ihren Erinnerungen, was ist nach ihren Berichten von den
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1522 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Wienandmaßgebenden, verantwortlichen Leuten im Ministerium geschehen? Das ist die Frage, die der Minister heute auch beantworten sollte.
Was' ist aber nach unseren Hinweisen von 1964 wirklich geschehen, um größere Flugsicherheit zu erreichen? Dies, meine Damen und Herren, ist die Frage aller Fragen, und ihr darf nicht durch das Aufgreifen anderer Themen ausgewichen werden.
Wir lassen uns auf keinen Nebenkriegsschauplatz abdrängen. Das ist die Kernfrage,
die heute zur Diskussion gestellt werden und, wie mir scheint, eine zufriedenstellende Beantwortung erfahren muß.Wir fragen die Bundesregierung weiter: Wer trägt die Verantwortung dafür, daß eine große Anzahl von Einzelmaßnahmen zur Abhilfe, die erst nach der Kleinen Anfrage der Fraktion der SPD vom 25. November 1965 betreffend Tauglichkeit der Flugzeuge vom Typ F 104 G — Drucksache V/53 — durch das Bundesministerium der Verteidigung oder erst unter dem Druck der Ergebnisse des Verteidigungsausschusses ergriffen worden sind, nicht bereits vor Jahresfrist in Kraft gesetzt wurden?Die hier zitierte Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom 25. November 1965, die zu den Untersuchungen im Verteidigungsausschuß führte und dort von,) der Bundesregierung beantwortet wurde, setze ich als bekannt voraus. Die Kleine Anfrage Drucksache V/53 wurde im Verteidigungsausschuß zum Teil in geheimer Sitzung beantwortet. Leider läßt der Bericht des Verteidigungsausschusses nicht klar erkennen, ob und inwieweit die Kleine Anfrage im Ausschuß beantwortet wurde und vor allem wie sie beantwortet wurde.Hier möchte ich Sie, Herr Minister von Hassel, jetzt sehr konkret fragen:1. Haben Sie als der verantwortliche Minister vor dem 3. November 1964 von all den Dingen nichts gewußt und nichts gehört?2. Haben Sie bei oder kurz nach Antritt Ihres Amtes keinerlei Hinweise erhalten, die Sie auf die jetzt eingetretenen Folgen aufmerksam gemacht haben?3. Hat Ihr Vorgänger, Herr Strauß, in den Jahren seiner Amtsführung ebenfalls keine Berichte, keine Hinweise, keine Warnungen erhalten?4. Sind Sie, Herr Minister, Ihr Herr Vorgänger oder die Staatssekretäre nie auf die jetzt eingetretenen Folgen aufmerksam gemacht und hingewiesen worden? Sind Sie nicht gewarnt worden? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?Wenn Sie, Herr Minister von Hassel, nichts davon gewußt haben, nicht darauf aufmerksam gemacht worden sind, hätten Sie dann nicht wenigstens auf die Kleine Anfrage meiner Fraktion hin im November 1964 tätig werden müssen? Wären Sie im richtigen, wohlverstandenen Sinne tätig geworden, wären Sie im Sinne des Wortes vorgegangen: „Die nackte und ungeschminkte Wahrheit ist immer unerfreulich" , dann wären schon 1964 die Maßnahmen eingeleitet worden, die leider erst über ein Jahr später eingeleitet worden sind.
Sie haben es versäumt. Sie, Herr Minister von Hassel, haben es nicht getan. Hier liegt Ihre Schuld, die Schuld des politisch verantwortlichen Ministers,
die Schuld des politisch verantwortlichen Ministers, nicht die Schuld des Soldaten.
— Ich glaube, den Herrn Minister und seine Darstellungsarten in etwa zu kennen,
und ich bin absolut sicher, daß er eine aus unserer Sicht und aus der Sicht aller Sachverständigen berechtigte Kritik an ihm und an seiner politischen Verantwortung wiederum umzumünzen versucht in eine allgemeine Kritik an den Soldaten, und dagegen verwahre ich mich.
Das, meine Damen und Herren, ist die Methode, die wir leider von Herrn Minister von Hassel in letzter Zeit in diesem Hohen Hause und in der Öffentlichkeit so oft erleben mußten, daß man schon als Erfahrungswert immer wieder davon ausgehen mußte.
Ich sage es deshalb noch einmal: Hier liegt die Schuld des Herrn Ministers,
die Schuld des politisch verantwortlichen Ministers, nicht die Schuld der Soldaten!
Weh dem, der zur Wahrheit geht durch Schuld!Sie wird ihm nimmermehr erfreulich sein.Sie werden mir zubilligen, daß ich hier ein einziges Mal ein Dichterwort zitiere.Geschehenes ungeschehen zu machen, Erfreuliches festzustellen, wirklich Veranlaßtes, von Ihnen, Herr Minister, zur richtigen Zeit Veranlaßtes hier feststellen zu dürfen, zur Kenntnis nehmen zu können, wäre mir lieber.Meine Damen und Herren, ich gehöre nicht zu denen, die um so schneller laufen, je weniger sie das Ziel im Auge behalten.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1523
WienandEs muß endlich klargestellt werden, wer die Verantwortung für diese Unglücksserie trägt und getragen hat. Das muß hier im Deutschen Bundestag heute geschehen. Der verantwortliche Minister muß diese von uns gestellten Fragen beantworten,
und er muß Antworten geben, die dieses Haus und die Öffentlichkeit zufriedenstellen.
Deshalb frage ich noch einmal im Namen meiner Freunde: Wer trägt und wer trug die Verantwortung dafür, daß erst vor kurzer Zeit und nicht schon im Jahre 1964 diese, wie uns scheinen will, noch dazu unzureichenden Maßnahmen ergriffen wurden bzw. erst noch ergriffen werden sollen?In diesem „noch ergriffen werden sollen" — von mir bewußt im Ausdruck so gewählt — liegt die Bestätigung für das Unvermögen einer Regierung und einer politischen Führung, die nach all den Monaten und Jahren bis zur Stunde weder dem Verteidigungsausschuß noch dem Haushaltsausschuß oder diesem Hohen Hause, obwohl seit Wochen bekannt ist, daß das Hohe Haus sich heute mit der Flugsicherheit in den Starfighter-Verbänden der Bundeswehr befaßt, beschlußfähige Kabinettsvorlagen unterbreitet hat.
Auch das ist eine aus der Sicht der Sache äußerst betrübliche Feststellung.
Ja, bis zur Stunde liegt noch keine beratungsfähige, beschlossene Regierungsvorlage vor! Dies, meine Damen und Herren, obwohl in letzter Zeit so viel von dem letzten Ernst und der letzten Verantwortung gegenüber der Bundeswehr die Rede wahr. Hier überspielte das Pathos des Ministers kurzerhand die nüchternen Tatsachen. Wir versagen uns in diesem Zusammenhang und in dieser Stunde, auf die durch ein solches Verhalten tangierte Sicherheitsfrage der Bundesrepublik einzugehen -- jawohl, Herr Kollege Rommerskirchen: tangierte Sicherheitsfrage der Bundesrepublik. Das wird einer weiteren Prüfung vorbehalten bleiben müssen.Wir wollten — und haben es getan — im Verteidigungsausschuß in diesen ersten Beratungsrunden fast ausschließlich die Frage der Flugsicherheit und nicht die Fragen der Einsatzbereitschaft, nicht die Frage der Einsatzfähigkeit der Starfighter-Verbände untersuchen. Wir werden hier heute konsequent bei der Beratung der Flugsicherheit und der Untersuchung der Unfallserien bleiben, und wir sind nicht bereit, uns abdrängen zu lassen.
Als vorläufiges Ergebnis, als Zwischenbilanz — jawohl, als Zwischenbilanz! — sind Anträge von den Fraktionen eingebracht worden. Die Anträge der Koalitionsparteien liegen dem Bericht bei. Wir haben den Anträgen zugestimmt.Unsere Anträge wurden, wie vom Herrn Berichterstatter schon dargetan, von den Koalitionsparteien — teils auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Ministers von Hassel — abgelehnt.
Unsere Anträge gingen tiefer und scheinen uns gründlicher anzuleuchten, was doch endlich bekannt werden muß, weil das ganze Volk teilhaben will und muß an seiner Sicherheit und wissen will und soll, was zu seinem Schutz getan oder unterlassen wurde.
Es geht hier um die Sicherung der Verteidigungskraft der Bundesrepublik Deutschland. Es geht aber in gleichem Maße auch um die Sicherheit unserer Piloten.
Wir werden auch darauf noch einmal zurückkommen müssen. Nun, es hat uns etwas enttäuscht, daß unsere Anträge im Verteidigungsausschuß abgelehnt wurden. Aber wir halten es mit der Weisheit: Enttäuschungen im Leben soll man sofort verbrennen und niemals einbalsamieren. Wir sind deshalb heute mit den Anträgen wiedergekommen, um dem Hohen Hause Gelegenheit zu geben, zu revidieren, was nach unserem Dafürhalten im Verteidigungsausschuß falsch gemacht wurde. Wir wissen auch, daß in eigener Sache jeder stets ein milder Richter ist.Wir fragen deshalb die Bundesregierung:Hat die Bundesregierung Anhaltspunkte dafür, daß die Unfallquote im Jahre 1966 wesentlich niedriger liegen wird als 1965?
Sind Sie, Herr Minister, z. B. bereit und in der Lage, vor diesem Hohen Hause verbindlich zu erklären, daß bis zum Eintritt des Winters die Hallen gebaut sind, um bei jedem Geschwader 42 Flugzeuge unterstellen zu können? Man sollte nicht mit der NATO kommen. Man sollte auch nicht damit kommen, daß die NATO es uns nicht erlaubt habe. Ich erinnere an das Schicksal des ersten Antrags auf Grund einer Forderung der militärischen Führungsspitze und daran, wie sich dann ein Vertreter der Bundesrepublik bei NATO-Stellen im Hinblick auf den Antrag, Hallen zu bekommen, verhalten hat. Ich betone, daß es einzig und allein Sache der Bundesregierung ist und war: wenn sie Hallen für nötig gehalten hat, hätte sie sie bauen können ohne die NATO mit einer Vorfinanzierungserklärung. Die NATO hat nie gesagt: Ihr braucht, ihr dürft keine Hallen bauen. Sie hat nur gesagt: „Wir finanzieren sie zur Zeit nicht aus dem gemeinsamen NATO-Topf, weil andere Dinge vordringlicher sind".
Es herrscht das Prinzip, daß die Staaten, auf derenBoden diese Einrichtungen sind, selber entscheiden
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1524 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Wienandkönnen, wenn sie es für notwendig halten; sie können es vorfinanzieren, und sie können dann ihren Anspruch auf spätere Erstattung aus NATO-Töpfen aufrechterhalten, wenn sie es mit Vorfinanzierungserklärungen machen. Kommen Sie uns also bitte nicht mit solchen Ausreden und Hinweisen auf die NATO, wo keine Ausreden angebracht sind.
Sind Sie bereit, Herr Minister, verbindlich zu erklären, daß sich die technische Wartung und Instandsetzung für den Starfighter so verbessern wird, daß noch im Laufe dieses Jahres mit einem erheblich verbesserten Klarstand und damit erhöhtem Flugstundenaufkommen gerechnet werden kann?Hiermit ist — neben einer Reihe anderer, nicht minder wichtiger Probleme und Unterlassungsfehler — ein sehr gravierendes Problem angesprochen, das Problem mangelnder oder gar schlechter Planung. Aufgabe einer richtigen, vorausschauenden Planung wäre es gewesen, einen vernünftigen personellen und infrastrukturellen Vorlauf zu haben, bevor die Maschinen in dieser Anzahl der Truppe überantwortet wurden.
Die Truppe war und ist, wie Sie, Herr Minister, zugeben müssen — und das hat die Untersuchung im Verteidigungsausschuß ergeben —, mit dieser Anzahl von Starfightern überfordert. Dafür tragen Sie die Verantwortung. Hier liegt kein Unvermögen, hier liegt kein Mangel am guten Willen der Truppe, der Soldaten vor. Im Gegenteil! An dieser Stelle möchte ich allen Soldaten und Zivilisten, die damit befaßt waren und sind, auch im Namen meiner Freunde unsere ausdrückliche Anerkennung und Hochachtung für ihre Leistungen aussprechen.
Die Schuld für diese Überforderung — ich sage es noch einmal — liegt bei Ihnen, Herr Minister, und bei Ihrem Herrn Vorgänger. Die Schuld liegt bei der politischen Führung, und es ist eine politische und keine militärische Schuld.
Soldaten und Zivilarbeiter, die unter den bekannten Belastungen teils über Monate und Jahre hinweg das Anderthalbfache bis Doppelte der normalen Arbeitszeit aufgebracht haben, verdienen höchste Anerkennung. Diejenigen, die das mit angesehen und zugelassen haben, die es verantwortet haben, sind schuldig.. Die Schuld wiegt besonders schwer, weil es sich hier nicht um als normal anzusehende Arbeiten handelt, sondern um Arbeiten, die die größten Anforderungen an Präzision, Sachverstand und Verantwortung stellten. Jeder Betrieb weiß, daß die Überstunden selten, um nicht zu sagen nie, als die produktivsten Arbeitsstunden anzusehen sind. Wo sie aber dennoch notwendig wurden — wie hier —, hätte schnellste Abhilfe einsetzen müssen, von Ihrer Seite, Herr Minister! Wir mahnten vergeblich.Welche Anhaltspunkte hat die Bundesregierung dafür, daß die Unfallquote 1966 wesentlich geringer liegen wird als 1965, da doch bis zur Stunde innerhalb der Bundesregierung offenbar noch keine Klarheit und Übereinstimmung im Hinblick auf die notwendig werdenden Gesetzesvorlagen und dem Hause zuzuleitenden Kabinetts-Beschlußvorlagen besteht? Wie werden — so fragen wir weiter — die finanziellen Auswirkungen solcher Maßnahmen sein?Ich frage hier nicht, um beckmesserhaft Gelder aufzurechnen oder gar die Notwendigkeit weiterer Ausgaben vorsorglich zu bestreiten. Das Waffensystem ist teurer geworden — vielleicht schon zu teuer — auf Grund von Versäumnissen und Fehlplanungen, die weniger in Ihrer Verantwortung, Herr Minister von Hassel, als in der Verantwortung Ihres Vorgängers liegen. Sie haben sich jedoch wiederholt voll und ganz hinter die Maßnahmen und Handlungen Ihres Vorgängers gestellt. Ich nehme an, Sie haben dies im vollen Bewußtsein dessen getan, was Sie sich damit eingehandelt haben. Wer vor der Sonne der Macht sitzt, wirft Schatten. Ich wäre an Ihrer Stelle bei Franz Josef Strauß vorsichtiger gewesen.
„Du kannst die Sorgenvögel nicht hindern, über deinen Kopf hinwegzufliegen, aber du kannst sie hindern, in deinen Haaren zu nisten." Sie, Herr Minister, ließen sie nisten; deshalb müssen Sie sich heute diese Fragen gefallen lassen.Obwohl ich im Verteidigungsausschuß wiederholt nach den finanziellen Auswirkungen gefragt habe, konnte mir, abgesehen von einer allgemein gehaltenen Antwort des Herrn Staatssekretärs, keine verbindliche Antwort gegeben werden. Wir wissen demnach bis zur Stunde noch nicht: Was ist an Gesetzesnovellierungen, -änderungen und neuen Gesetzen erforderlich? Wie wird der Finanzaufwand sein? Wann werden die Vorlagen dem Parlament zugeleitet, wann werden sie in Kraft treten können, um dann, als bisher nur angekündigte Maßnahmen, zur Verbesserung der Situation wirksam zu werden? Sind Sie hier und jetzt in der Lage, dem Parlament und der Öffentlichkeit zu sagen, was bisher eingeleitet und wirksam geworden ist? Wann wird der Rest der angekündigten Maßnahmen, der keiner gesetzlichen Regelung bedarf, eingeleitet und wirksam?Nur Antworten hierauf können als solide Aussage bewertet werden; alles andere muß bis zum Beweis des Gegenteils als eine Ankündigung, getragen vom guten Willen, ohne realen Hintergrund betrachtet werden. Nur mit der sehr konkreten Beantwortung dieser Fragen — ich habe mich auf einige beschränkt, weil ich sonst zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde — und unter Berücksichtigung der von uns gestellten Anträge, die Sie zum Teil abgelehnt wissen wollten und die dann von Ihren Freunden auch abgelehnt wurden, können Sie, Herr Minister, unsere Frage 4 befriedigend beantworten. Zur Erleichterung der gewiß nicht angenehmen Aufgabe
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1525
Wienanddenken Sie daran, daß eine offenherzige Darlegung uns allen dient und hilft.
Bei all unseren Diskussionen im Verteidigungsausschuß kamen wir immer wieder auf den einen Punkt zurück, den ich schon erwähnt habe und der auch in dem Bericht des Herrn Berichterstatters erwähnt wurde: Wenn die Unfallzahl in den Starfighter-Verbänden der Bundeswehr entscheidend herabgesetzt werden soll, muß der Klarstand an F 104 G und damit das Angebot an Flugstunden erhöht werden. Das heißt, der Klarstand an F 104 G in .den Starfighter-Geschwadern und an den Schulen der Bundeswehr muß entscheidend verbessert werden. Damit erhöht sich dann das Angebot an Flugstunden, was wieder Voraussetzung für die bessere Qualifikation des fliegenden Personals ist.Über die Einsatzbereitschaft und den Klarstand an 'Flugzeugen in einigen Geschwadern und an der Waffenschule der F 104 G haben wir im Ausschuß einige Zahlen gehört. Aber trotz mehrfacher ausdrücklicher Fragen haben wir einen Gesamtüberblick über den Klarstand aller F 104 G in den fliegenden Verbänden der Luftwaffe nicht bekommen.
So bin ich auf Schätzungen angewiesen. Mir will scheinen, daß selbst bei optimistischer Schätzung von allen bisher von der Industrie ausgelieferten F 104 G und zusammen mit den in den USA beschafften F 104 G und TF 104 G, also den zweisitzigen Schulflugzeugen, sich nur weniger als ein knappes Viertel bei den Geschwadern und an den Schulen der Bundeswehr in einsatzbereitem Zustand befindet.
Nun haben wir im Ausschuß gehört, daß mit zunehmender Flugerfahrung der Piloten Unfälle, bei denen Bedienungsfehler des Piloten eine wesentliche Rolle spielen, erheblich zurückgehen. Wir haben außerdem gehört, daß unsere Starfighter-Piloten weit weniger Stunden auf dem Starfighter geflogen haben als ihre ausländischen Luftwaffenkameraden, die den gleichen oder doch vergleichbaren Flugzeugtyp fliegen. Wir haben weiterhin gehört, daß die von der NATO für das In-Übung-Halten der Piloten geforderten jährlichen Flugstunden für die Bundeswehr schon um ein Viertel gesenkt wurden. Wir wissen, daß auch die verringerte Zahl der Flugstunden bei der 'Bundeswehr nicht erreicht werden kann, da das Flugstundenangebot zu gering ist. Hieraus ergibt sich die dringende Forderung, Einsatzbereitschaft und Klarstand der F 104 G Schritt für Schritt zu erhöhen.Mir scheint, daß die letzte Frage unserer Großen Anfrage unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden muß. Sie lautet:Kann die Bundesregierung versichern, daß der Klarstand des Starfighters F 104 G im Laufe des Jahres so weit gehoben wird, daß im Durchschnitt wenigstens 30 % der insgesamt für Luftwaffe und Marine beschafften bzw. heute noch vorhandenen Starfighter einsatzfähig sind?Mir scheint, diese 30 % müssen als sehr bescheiden angesehen werden. Es müßte doch möglich sein, wenigstens ein Drittel aller bisher angeschafften Starfighter in den Verbänden der Luftwaffe, der Marine und bei den Schulen einsatzbereit zu haben, um das Flugstundenangebot zu erhöhen.Hinter dieser Frage steht allerdings ein noch viel ernsteres Problem, nämlich: Wie ist es möglich, daß die Zahl der vorhandenen, d. h. von der Industrie ausgelieferten oder in den Vereinigten Staaten gekauften Maschinen bis heute ganz offenbar bei weitem 1. die personellen, 2. die technischen, 3. die infrastrukturellen und 4. die logistisch verfügbaren Kapazitäten der Bundeswehr überschreitet?Im Ausschuß hörten wir von einem der erfahrensten Geschwaderkommodoren der Bundeswehr, daß den Geschwadern, die gerade mit einem kleinen Kern ausgebildeten Personals in die Umrüstungsphase hineingingen, Maschinen um Maschinen auf den Platz gerollt wurden. Sie konnten dann mit dieser Flut nicht fertig werden. Den Geschwadern der Bundeswehr sind sogar 52 und teils mehr F 104 G zugeteilt worden und nicht 42 wie in allen anderen NATO-Luftwaffen. Wollte man mit dieser Maßnahme beweisen, daß keine F 104 G zuviel oder zu früh geliefert wurde?Das kommt uns so vor, als wenn 'ein Industriebetrieb die Maschinen für eine neue, hochmoderne Automatenstraße einkauft und, wenn diese modernen Maschinen auf dem Fabrikhof eintreffen, mit Erschrecken festgestellt wird, daß nur ein Teil der Gebäude vorhanden ist, um diese wertvollen Maschinen aufzunehmen, und daß viel zuwenig technisches Spezial- und Bedienungspersonal vorhanden ist und deshalb die Fertigung nicht anlaufen kann. Wenn sich die Betriebsleitung dann erst nach Jahren entschließt, neue Hallen zu bauen, neues Personal anzuwerben und auszubilden und damit in den vorausgehenden Jahren Millionenverluste bewußt und schuldhaft in Kauf nimmt, so scheint mir das zumindest eine eklatante Fehlplanung zu sein,
eine eklatante Fehlplanung auf technisch-organisatorischem Gebiet und auf dem Gebiet der Personalpolitik.Es waren und sind logistische Mängel und Fehlplanungen vorhanden. Wurden nicht Flugzeuge geliefert — so frage ich Sie, Herr Minister —, ohne daß zur gleichen Zeit die Boden- und Testprüfgeräte mitgeliefert wurden? Wurden nicht Maschinen geliefert und dabei wenigstens für einen langen Zeitraum Boden- und Testprüfgeräte vergessen? Hatte man, als die Boden- und Testprüfgeräte kamen — sie kamen viel zu spät —, die hohe Verschleißquote dieser Geräte einkalkuliert? Gab es Ersatzteile, genügend Ersatzteile für diese Geräte und für die F 104 G, die schon geflogen wurde?
Hatte man die richtigen Ersatzteile, hatte man dieReparaturanleitungen für diese Geräte? Hatte man
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1526 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Wienandausreichende Ausbesserungs- und Überholungskapazitäten für die Maschinen und für die Boden- und Testprüfgeräte vorgesehen, die zur Erhöhung der Flugsicherheit der Maschinen beitragen?Das sind Fragen, die Sie hier beantworten sollten und an denen wir uns nicht vorbeimogeln dürfen.
Hatte man oder hat man gar heute eine moderne betriebstechnische Organisation in den Geschwadern, in den Parkregimentern, in den Depots, im BWB, im Ministerium selbst? Gibt es sie heute? Oder wo ist die Vorlage, wo ist der Gesetzentwurf, mit dem wir sie schaffen können, wenn Sie es schon nicht aus eigener Kraft aus den Kompetenzen des Ministers heraus getan haben oder tun können? Wie erklären Sie sich die langen Zeiten, bis es zu den notwendigen, zu den als dringend notwendig erkannten technischen Änderungen kam? Sie dauerten teilweise zwei Jahre. Fragen über Fragen! Fehler? Ich weiß, es gibt gewisse Fehler, welche, gut dargestellt, besser glänzen als Tugenden. Ich sage dies nicht ohne Grund; denn man wird dadurch nicht besser, daß man seine Fehler verbirgt, vielmehr gewinnt unser moralischer Wert durch die Aufrichtigkeit, mit der wie sie gestehen.
Kommen wir deshalb auf unser Beispiel zurück. Wenn Sie, Herr Minister von Hassel, Direktor des vorhin erwähnten Industriebetriebes wären, würden Sie an diesen hochmodernen Maschinen sicherlich nur wenig Freude haben, und was, glauben Sie, würden Ihre Aktionäre oder gar der Aufsichtsrat sagen, wenn Sie dort nicht bedingungslose Beschützer in der Mehrheit haben!
Genau in der Lage dieses Direktors aber befinden Sie sich als Minister mit den Starfightern in der Bundeswehr; nur daß Sie die Verantwortung vor dem ganzen deutschen Volke übernehmen müssen. Niemand wird Sie, wie die Dinge heute liegen, darum beneiden. Aber daß sie so liegen, das ist weitgehend Ihre Sache.
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort dem Herrn Minister zur Beantwortung der Anfragen und zur Stellungnahme zum Ausschußbericht gebe, habe ich eine Mitteilung zu machen. Der Herr Bundeskanzler will morgen vormittag eine bedeutsame Erklärung zur Außenpolitik abgeben. Ich schlage Ihnen vor, die Tagesordnung für morgen zu ändern, und zwar wie folgt: 9 Uhr: Erklärung des Bundeskanzlers zur Außenpolitik; anschließend eine Aussprache, von der mir von seiten der Herren Fraktionsgeschäftsführer gesagt wurde, sie werde kurz sein; dann die Fragestunde. Ist das Haus einverstanden? — Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu dem soeben erstatteten Bericht des Ausschusses für Verteidigung Stellung nehme und die Antwort der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP sowie der Fraktion der SPD gebe, hält es die Bundesregierung für unerläßlich, eine kurze Bemerkung über die Verteidigungssituation der Bundesregierung und der Bundesrepublik und des gesamten Westens voranzustellen.
Denn das Starfighter-System ist ein Eckstein unserer Verteidigung, und aus der Gesamtschau ergibt sich der Rang dieses Waffensystems.
Oberstes Ziel der deutschen Verteidigungspolitik ist die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.Gemessen an den Kräften des möglichen Gegners reicht das deutsche Verteidigungspotential nicht annähernd aus, die Sicherheit zu gewährleisten. Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich deshalb zur NATO, zu dem Bündnis zwischen Europa, den Vereinigten Staaten und Kanada. Denn nur das Zusammenstehen des freien Westens in diesem Bündnis gewährleistet die Freiheit Europas, die Sicherheit Europas und damit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland.
Das oberste Ziel der Verteidigungspolitik aller Bündnispartner der Nordatlantischen Allianz ist die Verhinderung des Krieges. Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu diesem Ziel und damit auch in Zukunft zu diesem Bündnis der freien Völker, das allein Freiheit und Sicherheit unseres Staatswesens zu garantieren vermag. Als gleichberechtigte, aber auch gleichverpflichtete Partner leisten wir deshalb loyal und nach dem Maß der Möglichkeiten unseren Beitrag zur Sicherung des Friedens.Die militärische Konzeption der NATO ist zwar durch die waffentechnische und die politische Entwicklung einem Wandel unterworfen; sie dient jedoch unverändert dem politischen Ziel der Kriegsverhinderung. Diese militärische Konzeption ist seit dem atomaren Patt der Großmächte in Ost und West ausgerichtet nach dem Grundprinzip der abgestuften Abschreckung des potentiellen Gegners. Die Wirksamkeit dieser Strategie ist abhängig von der Glaubwürdigkeit dieses Prinzips. Diese ist nur dann sichergestellt, wenn die NATO nicht nur willens ist, die Freiheit Europas zu verteidigen, sondern auch über ein ausgewogenes konventionelles und nukleares Rüstungspotential in allen Stufen verfügt, damit ein möglicher Gegner eine Aggression unterläßt, weil er das Risiko, das er bei jedem wie auch immer gearteten Angriff laufen würde, nicht mehr kalkulieren kann.Nach dieser für die Funktionsfähigkeit des Verteidigungsbündnisses entscheidenden Notwendigkeit richten sich die militärischen Forderungen der NATO an die einzelnen Partner der Allianz. Die ent-
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Bundesminister von Hasselsprechenden Forderungen an den Bündnispartner Bundesrepublik Deutschland umfassen deshalb nicht nur Rüstungen im konventionellen, sondern genauso im nuklearen Bereich. Deshalb besteht unser Beitrag darin, daß die Bundeswehr auch mit solchen Waffensystemen ausgerüstet ist, die neben konventioneller Munition auch nukleare Sprengköpfe zum Einsatz bringen können. Das Waffensystem Starfighter ist ein solches Waffensystem!Die Bundesregierung braucht wohl nicht zu wiederholen, daß die Bundesrepublik Deutschland auf die Herstellung von nuklearen Sprengköpfen vertraglich verzichtet hat und daß Deutschland eine nationale Verfügungsgewalt über solche Waffen weder hat noch anstrebt.Auf Weisung des NATO-Rates erarbeitet die Defense Planning Working Group in Verbindung mit den NATO-Militärbehörden — SACEUR, Standing Group und Militär-Ausschuß — periodisch die langfristigen NATO-Streitkräfte-Forderungen für die Verteidigung der in der NATO zusammengeschlossenen Staaten. Auf Grund der Feindlagebeurteilung, insbesondere der darin enthaltenen Einschätzung der Bedrohung und der waffentechnischen Entwicklung beim potentiellen Gegner, wurde die Einführung von Allwetterwaffensystemen zum frühestmöglichen Zeitpunkt gefordert und hierbei Art und Umfang der Verbände der NATO-Partner im einzelnen empfohlen. Die Bundesrepublik Deutschland hat unter gewissen unerläßlichen Abstrichen, auf die noch einzugehen sein wird, sich dieser Forderung weder entziehen wollen noch entziehen können, und zwar im Interesse ihrer nationalen Sicherheit zur Gewährleistung einer wirksamen NATO-Verteidigung.Meine Damen und Herren, auf der Grundlage dieser politischen Entscheidung hat sich der Aufbau der deutschen Streitkräfte vollzogen. Teil dieser Streitkräfte ist die deutsche Luftwaffe. Entscheidendes Waffensystem dieser Luftwaffe ist das Flugzeug F 104 G, der Starfighter.An dieser Stelle darf ich auf eine Frage des Abgeordneten Rommerskirchen, wie die Bundesregierung über die Forderung nach einem Startstopp für den Starfighter denke, mit wenigen Sätzen wie folgt antworten: Die Stillegung des Starfighters würde die Stillegung des Kernsystems der deutschen Luftwaffe bedeuten.
Sie würde entscheidend das Prinzip der Abschrekkung schwächen.
— Die Frage ist mir gestellt worden. Ich unterstelle nicht, daß jemand es will. Aber in einer ganzen Reihe von Stellungnahmen, auch von Ihrer Seite, meine Damen und Herren von der SPD, ist diese Frage durchgeklungen.
Die Wiederaufnahme des Flugbetriebes mit dem Starfighter würde uns um Jahre zurückwerfen. Wahrscheinlich würde sie dann sehr viel höhereKosten verursachen und sehr viel größere Opfer fordern, ganz abgesehen davon, daß uns das qualifizierte Personal in der Zwischenzeit davonlaufen würde. Die Stillegung dieses Waffensystems würde eine verhängnisvolle Lücke in der Gesamtverteidigung der NATO bedeuten.
Am Rande darf ich bemerken, daß ein einziges assigniertes, für den strike vorgesehenes Geschwader der deutschen Luftwaffe mehr Sprengkraft hat als die Luftwaffen aller Staaten des 2. Weltkrieges zusammengenommen.Bevor ich mich den zahlreichen Detailfragen zuwende, sollte eine Frage vorab behandelt werden, weil sich spätere Ausführungen daran anschließen müssen, nämlich die Frage Nr. 1 aus der Großen Anfrage der CDU/CSU und FDP. Dabei geht es um die Auswahl des Typs, den Umfang der Beschaffung und das Aufbau-Tempo.Zunächst folgendes! Der Bundesminister der Verteidigung hat stets zwei Aufgaben nahezu gleichzeitig zu lösen: die Bundeswehr von heute bereitzustellen, zu bewaffnen, auszubilden, zu führen, sie in bestmöglicher Form „präsent" zu haben und gleichzeitig die Bundeswehr von morgen zu konzipieren, die Lehrsätze, die Doktrinen von morgen zu entwickeln. Die Bundeswehr von heute konnte bei ihrer Aufstellung 1955 zunächst nur mit den Waffen ausgerüstet werden, die kurzfristig zur Verfügung standen. Die Erstausstattung der Luftwaffe erfolgte deshalb mit bereits in der Produktion auslaufenden Typen. Zur gleichen Zeit aber mußte schon die Bundeswehr von morgen geplant werden. Im Jahre 1957 ergab sich daher für meinen Amtsvorgänger die Notwendigkeit, die Umrüstung der Luftwaffe — das gleiche gilt für die Marine-Fliegerverbände — auf ein modernes Waffensystem zu planen. Wie bei jeder Rüstungsentscheidung mußte der Schritt nach vorn so weit gemacht werden, daß nach menschlichem Ermessen der neue Flugzeugtyp für die Dauer seiner voraussichtlichen Indiensthaltung dem potentiellen Gegner überlegen bleibt.
Die Bundeswehr hatte also keine andere Wahl, als den Sprung vom Überschall-Flugzeug zu einem Typ zu tun, der mit mehr als zweifacher Schallgeschwindigkeit fliegen kann, im Bewußtsein dessen, daß diese Umstellung ungewöhnlich hohe Anforderungen an die Ausbildung, an die Technik und an die Logistik stellen wird,
und mit dem Willen, im Interesse unserer Sicherheit diese Probleme zu meistern. Die Bundeswehr hat damals nach sorgfältiger Prüfung von 14 Mustern — das ist vor etwa einem Jahr hier im Bundestag debattiert worden — die Systeme Mirage III A, Super-Tiger und F 104 in die engere Wahl gezogen und sich dann im Jahre 1958 für die F 104 entschieden. Die Richtigkeit der damaligen Entscheidung ergibt sich aus folgendem. Von den beiden in engerer Wahl stehenden Typen wurde der eine, der Super-Tiger, nie gebaut; dem
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Bundesminister von Hasselanderen, der Mirage, ist die F 104 überlegen. Die F 104 ist auch heute nicht nur dem Namen nach Super-Starfighter, sie ist eines der modernsten Waffensysteme überhaupt.Die Bundeswehr hat die F 104 in einer Mehrzweckeversion beschafft, nämlich in dem Typ F 104 G. Diese Mehrzweckeversion erlaubt es — der Berichterstatter ist schon darauf eingegangen —, mit einem Flugzeugtyp jeweils nach Austausch bestimmter Elemente drei verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Nach dem Urteil der Piloten steht die Flugeigenschaft der F 104 G in nichts der Flugeigenschaft des Ausgangstyps F 104 nach.
Im übrigen bringt die Mehrzweckeversion im taktischen Bereich den Vorteil, Kräfte für einen bestimmten Auftrag konzentrieren zu können. Die Mehrzweckeversion ergibt ferner gegenüber der Inbetriebhaltung von drei verschiedenen Flugzeugtypen wesentliche Ersparnisse im personellen und logistischen Bereich.Schließlich ist die Tatsache nicht uninteressant, daß nunmehr auch die amerikanische Luftwaffe mit ihren weit größeren personellen, technischen und finanziellen Möglichkeiten ihre modernen Systeme — F 4 C und F 111 — als Mehrzweckesysteme ausrüstet.Die Umrüstung mußte alsbald und in großem Umfang durchgeführt werden. Die Notwendigkeit der alsbaldigen Inangriffnahme der Umrüstung ergab sich aus der NATO-Forderung, die im Dezember 1961 schriftlich fixiert wurde. Die NATO- Forderung wiederum beruht, wie schon dargelegt worden ist, auf der Einschätzung des potentiellen Gegners.Ich darf mir hier eine Zwischenbemerkung erlauben. Es kommt darauf an, zu wissen, was der potentielle Gegner kann, welches Vermögen er hat, was er drüben an Verbänden usw. hat, und nicht darauf, was er gegenwärtig politisch für Absichten haben könnte.
Die Notwendigkeit, die Umrüstung alsbald und mit ganzer Kraft in Angriff zu nehmen, ergab sich ferner aus dem beträchtlichen Zeitraum von etwa neun Jahren, der für die Durchführung zu veranschlagen war. Diese Zeitplanung hat sich als richtig erwiesen; die Umrüstungsziele sind bzw. werden in wesentlichem Umfange termingerecht erreicht.Schließlich ist bei dieser Betrachtung auch die Lage der Luftfahrtindustrie zu berücksichtigen. Ihr fehlten damals sowohl Aufträge als auch das know how. Ich möchte hier sagen, der Aufbau einer deutschen Luftfahrtindustrie, den wir aus vielfachen Gründen, glaube ich, uneingeschränkt bejahen, ist nur möglich gewesen durch die Aufträge, die der Bundesminister der Verteidigung, meine Vorgänger, dieser deutschen Industrie gegeben haben.
— Meine Damen und Herren, wenn wir keine eigeneLuftfahrtindustrie hätten, könnten wir zwar in Amerika, in England oder Frankreich kaufen; aber Sie werden mir, die Sie ansonsten immer gerade auch das wissenschaftliche Potential der deutschen Seite usw. für die Zukunft im Auge haben, genauso zugeben, daß gerade die deutsche Luftfahrtindustrie auf diese Weise eine ganze Portion „know how" für Deutschland auf Grund eigener Fähigkeiten entwickelt hat.
— Nein, Herr Kollege, Sie haben das nicht bestritten.
Aber wenn das — —
— Von dieser Seite ist ein Zwischenruf gekommen, aus dem hervorgeht, daß bei meiner Feststellung, es sei ein Verdienst, daß wir die deutsche Luftfahrtindustrie wiederaufgebaut hätten, das Wort „Verdienst" in Zweifel gezogen worden ist. So habe ich es hier gehört.
Hinsichtlich des Umfanges der Umrüstung — —
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Schmidt!
Herr von Hassel, würden Sie mir zustimmen, daß der Wiederaufbau der deutschen Luftfahrtindustrie nach dem letzten Krieg zwar ein verdienstvoll zu behandelndes Thema ist — auch eine Sache, an der mancherlei Leute verdient haben —, daß dies aber nicht ein Thema ist, das im Zusammenhang mit Ihrer Antwort auf Fragen nach der Sicherheit des Flugzeugs steht, das in der Bundeswehr eingesetzt wird?
Herr Kollege Schmidt, der Sprecher Ihrer Fraktion, der Herr Abgeordnete Wienand, hat — eingebettet zwar in das Thema der Sicherheit — die Frage gestellt, ob man das Flugzeug in diesem Umfang hätte beschaffen sollen.
Diese Frage spielt eine wesentliche Rolle, nämlich die Beschäftigung
der deutschen Luftfahrtindustrie bei dem gesamten Komplex der Starfighter.
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Bundesminister von Hassel — Meine verehrten Herren, ich darf vielleicht antworten.
Ich mache keinen Hehl daraus, daß auch ich den Zulauf der Starfighter in die deutschen Verbände gern etwas langsamer gesehen hätte. Aber was bedeutet das? Das heißt erstens, daß wir uns mit Konsortialpartnern auseinanderzusetzen haben, mit Holländern, mit Belgiern, mit Italienern, die bei diesem großen Programm mit uns zusammenwirken, und zweitens hätte dann wahrscheinlich auch die deutsche Luftfahrtindustrie in Eingaben an Ihre Fraktion darauf aufmerksam gemacht, daß diese deutsche Flugzeugindustrie durch die Streckung der Verträge, der Produktionsziele, der Bänder, die man aufgelegt hat, in wesentliche Schwierigkeiten hätte geraten können. Auch das, scheint mir, muß man bei den Vorwürfen, die man ja nur noch an meine Adresse richtet, hier einmal zum Ausdruck bringen.
Das zweite werden Sie mir vielleicht auch abnehmen, wenn ich Ihnen das offen sage, daß wir nämlich hinsichtlich des Umfanges der Umrüstung in der Bundeswehr gezwungen gewesen sind, hinter der NATO-Forderung zurückzubleiben. Die Bundeswehr hat im Dezember 1962, also bei Beginn der Auslieferung der Flugzeuge, den Planungsumfang insbesondere wegen der allgemeinen Verschärfung der Personalsituation in der Bundesrepublik Deutschland nicht aufrechterhalten können, und sie hat daher die Streichung von drei Geschwadern dieses Waffensystems in der Aufsiellungsplanung — drei Geschwader sind ungefähr ein Viertel — angeordnet. Die Gesamtzahl der zu beschaffenden Flugzeuge wurde auf 700 F 104 G, einschließlich der Bundesmarine, festgelegt. Der Umfang dieser Beschaffung eines Flugzeugstyps muß nicht nur die Sollzahl für die Einsatzstaffeln und die Schulen einschließlich einer Reserve abdecken, sondern ebenso auch die Zahl derjenigen Flugzeuge, die in einem Kreislauf in der Instandsetzung oder in der Grundüberholung sind. Schließlich muß eine zusätzliche Verschleißreserve zur Verfügung stehen. Dies sind die Prinzipien aller Staaten.Die erste Frage der Großen Anfrage der CDU/ CSU und der FDP: „Steht die Bundesregierung zu ihrer Entscheidung des Jahres 1958, die Bundeswehr alsbald und in großem Umfang auf das Starfighter-System umzurüsten? beantwortete die Bundesregierung mit Ja.Vor diesem Hintergrund darf ich mich nunmehr zunächst den soeben erstatteten Berichten zuwenden und ein Wort des Dankes an den Herrn Berichterstatter sagen, der mit seinem Bericht die Verhandlungen des Verteidigungsausschusses umfassend dargestellt hat, wenn er auch nur andeutet, mit welcher Gründlichkeit und Ausdauer sich der Verteidigungsausschuß der Frage des Waffensystems Starfighter angenommen hat.Ich selber habe wegen einer längeren Erkrankung nur an den letzten Sitzungen teilnehmen können, weiß aber, daß das Verteidigungsministerium mit rückhaltloser Offenheit dem Ausschuß alles zur Verfügung stehende Material vorgetragen und vorgelegt hat.
So ist es mir besonders wertvoll, daß der Ausschußbericht dies mit dem Hinweis anerkennt, daß „alle Fragen beantwortet wurden.Das Verteidigungsministerium hatte gewünscht und dies auch angeboten, den Verteidigungsausschuß zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu informieren. Sie wissen, daß dies wegen der Neukonstituierung des Verteidigungsausschusses nicht möglich war.Das Verteidigungsministerium hat es begrüßt, daß der Verteidigungsausschuß zur Ergänzung des vom Führungsstab der Luftwaffe vorgelegten umfassenden Berichtes eine Reihe von Sachkennern gehört hat, darunter auch Starfighter-Piloten. Diese Piloten, so heißt es wörtlich in dem Bericht, haben „ein klares Vertrauensvotum für das Waffensystem Starfighter" abgelegt. Sie bestätigen damit nicht nur den Bericht des Führungsstabes der Luftwaffe und meine Auffassung, sondern die Auffassung aller Beteiligten. Die Frage sei gestattet: wer wäre kompetenter, zu einem solchen Urteil zu gelangen, als der Mann, der den Starfighter persönlich fliegt? Der Bericht macht ferner deutlich, daß neben dem Piloten Männer stehen, die ihre Arbeit im stillen mit höchstem Verantwortungsbewußtsein unermüdlich leisten.Ich darf aus dem Bericht des Verteidigungsaus schusses besonders unterstreichen, daß die tödlichen Abstürze und die Verluste an Starfightern, so bedrückend jeder einzelne Fall ist, bis zum Jahre 1964, ja bis in die Mitte des Jahres 1965, unter Berücksichtigung des Stadiums der Umrüstung und der Steigerung der Zahl der Flugstunden auch im internationalen Vergleich keine anomale Entwicklung waren. Unser Urteil über das Ansteigen der tödlichen Unfälle und der Totalverluste ab Juni 1965 deckt sich mit ,der Feststellung in dem Ausschußbericht, daß diese Entwicklung nicht durch den einen oder anderen greifbaren Fehler alleinige Ursache gewesen ist.Die Bundeswehr hat deshalb, und zwar nicht erst heute und gestern, alles nur Erforderliche getan, um diesem nach der günstigen Entwicklung his Mitte 1965 nicht voraussehbaren Verlauf Einhalt zu gebieten. Der umfangreiche Bericht der Luftwaffe, der 'den Beratungen des Verteidigungsausschusses zugrunde gelegen hat, führt ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Fülle von solchen Maßnahmen auf. Ein Teil dieser Maßnahmen kann nur auf Grund von Gesetzesänderungen vollzogen werden, mit denen sich die Bundesregierung zur Zeit befaßt. Ziel dieser Vorlagen ist eine materielle Besserstellung des fliegenden und ,des technischen Personals.Meine Damen und Herren, es handelt sich im wesentlichen um vier oder fünf Komplexe, um die Frage einer ruhegehaltfähigen Zulage für die Piloten, um die Frage der Flugunfallentschädigung, die Frage der Technikerzulage, der Elektronikerzulage
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Bundesminister von Hasselund ähnliches. Im Verteidigungsausschuß bestand Einigkeit darüber, daß man das alles tun sollte, auch Technikerzulage, auch Elektronikerzulage. Ich darf das Hohe Haus für die Urteilsbildung nur einmal darauf aufmerksam zu machen: es sind ja nicht nur Techniker und Elektroniker bei den Verbänden der F 104, sondern auch solche bei G 91, F 84, F 86, nicht nur bei Düsenmaschinen, sondern auch bei Propellermaschinen, auch hei Hubschraubern, in der Luftwaffe nicht nur bei den Flugzeugen, auch bei den Raketen, der „Nike", der „Hawk" und der „Pershing", nicht nur in der Luftwaffe, sondern auch beim Heer, und nicht nur bei Luftwaffe und Heer, auch bei der Marine, so daß eine Entscheidung, die man hier trifft, möglicherweise weitreichende Konsequenzen hat. Es ist daher nach meiner Auffassung, Herr Kollege Wienand, ein wenig oberflächlich, wenn ,man hier sagt, das hätte die Bundesregierung längst erledigen müssen, wenn das die Auswirkungen nicht nur in der gesamten Bundeswehr sein können, sondern darüber hinaus in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes, z. B. bei der Polizei der Länder, der Bereitschaftspolizei,
bei der Bahn, bei der Post und in der gesamten Verwaltung. Auch dort haben Sie dann mit den Konsequenzen zu rechnen.
Meine Damen und Herren, ich bin aber weit entfernt davon, zu meinen, daß allein die materiellen Anreize der Bundeswehr helfen können, die Personalenge zu überwinden. Höchstleistung kann sicher nicht durch noch so verlockende finanzielle Angebote erreicht werden. Verantwortungsbewußtsein, Einsatzbereitschaft und auch ein gut Stück Idealismus haben mit Geld nichts zu tun. Ich halte es aber aus Gründen der Gerechtigkeit für unerläßlich, auch auf materiellem Gebiet den besonderen Belangen der Bundeswehr stärker, als es bisher geschehen ist, Rechnung zu tragen, auch wenn dies zu nicht unwesentlichem finanziellem Aufwand führt und auch — ich komme zurück auf das soeben Gesagte —, wenn möglicherweise hierdurch Berufungsfälle für andere Sparten des öffentlichen Dienstes geschaffen werden. In Kenntnis dessen, daß ich unter Umständen Ärger mit den anderen Sparten des öffentlichen Dienstes bekommen könnte, möchte ich hier erklären: man kann nur Gleiches mit Gleichem vergleichen. Man kann nicht Soldaten mit Beamten allgemein vergleichen. Die Beamten haben eine geregelte Tätigkeit. Sie haben eine Fünf-TageWoche. Sie tun ein halbes Leben lang ihren Dienst an einem Fleck, während die Soldaten mehr oder weniger sieben Tage in der Woche ihren Dienst zu erfüllen haben,
— Das ist Ihnen völlig neu? Das kann ich mir vorstellen, daß es Ihnen ganz neu ist. Gehen Sie einmal hinaus und sehen Sie nach, in welchen Alarmeinheiten die Soldaten stehen. Dann werden Sie feststellen, daß diese Soldaten nicht danach fragen können, ob sie am Freitagnachmittag nach Hause fahren können; ein großer Teil kann es, aber im Grunde genommen gilt es für die Bundeswehr nicht.
Ich meine also, wir sollten uns in diesem Hohen Hause dazu bekennen, nur Gleiches mit Gleichem zu vergleichen, und dazu, daß der Soldat im öffentlichen Dienst sicherlich eine Stellung besonderer Art — nicht gesellschaftlich, aber ansonsten — einnimmt.
Zu den Anträgen des Verteidigungsausschusses an das Hohe Haus, die sicher im einzelnen noch zur Debatte stehen werden, möchte ich zunächst nur folgendes sagen.Zunächst einmal zu I. 1. Im Zusammenhang mit der Übertragung der sogenannten Design Responsibility auf ein deutsches Unternehmen ab Mitte 1965 fordert der Verteidigungsausschuß, daß die im Interesse der Standardisierung mit den Partnerstaaten des F-104-G-Konsortiums getroffenen Vereinbarungen auch künftig eingehalten werden. Dies ist meine feste Absicht. Im Verteidigungsausschuß habe ich dargelegt, daß es für uns sehr viel einfacher ist, allein etwas zu entscheiden, was wir für nötig halten, als mit drei anderen Partnern gemeinsam diese Entscheidung zu treffen. Dennoch halten wir an dem fest, was ich eben sagte, und zwar zum einen aus Gründen der Standardisierung, zum anderen aber auch und besonders deshalb, weil eine so enge Zusammenarbeit der Partnerstaaten auch politisch gesehen unter den großen Vorzeichen der militärischen und_ der politischen Integration eine bedeutsame Klammer darstellt.Zu I.- 2. und I. 3. darf ich folgendes sagen. Die Heranziehung der Industrie für die Materialerhaltung des Starfighter-Waffensystems bei den großen Instandsetzungen und Grundüberholungen — das sind die Erhaltungsstufen 3 und 4 — erfolgt bereits seit längerem. Sie ist auch schon in ihrem Umfang ausgeweitet worden. Bei der Materialerhaltungsstufe 2 wird von mir eine Industrieunterstützung personeller Art angestrebt trotz mancher Bedenken, die sich besonders aus Einsatzgründen ergeben; denn bei dieser Erhaltungsstufe müssen die zivilen Kräfte verpflichtet werden können, auch im Verteidigungsfall bei der Truppe ihre Arbeit zu verrichten. Die rechtliche Möglichkeit dazu ist, wie Sie wissen, zur Zeit nicht gegeben. Die deutsche Industrie hat außerdem das erforderliche ausgebildete Personal zur Zeit nicht zur Verfügung, um diese Aufgabe zu übernehmen. Eine Realisierung dieses Vorschlags wird deshalb nur auf lange Sicht möglich sein.Aus diesem Grunde habe ich mich um Aushilfe an eine amerikanische Firma gewandt. Über diesen Schritt ist der Ausschuß von mir unterrichtet worden. Die Bundeswehr steht ferner in Verhandlungen wegen der direkten Ersatzteilbeschaffung durch die Industrie, um eine Beschleunigung der Instandset-
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Bundesminister von Hasselzung bei der Industrie zu erreichen. Ich bin bereit, in Kauf zu nehmen, daß bei der Einführung eines weiteren Beschaffungsweges die Gefahr einer Doppelbevorratung nicht ausgeschlossen werden kann, zumal ich wegen des Mangels an Fachpersonal in den Materialämtern deren Leistungseffizienz noch mit Sorge beobachte. Es wird darauf ankommen, unvermeidbare Mehrkosten in vertretbaren Grenzen zu halten.Zu I. 4. Die Vorfinanzierung von Infrastrukturmaßnahmen auf unseren Starfighter-Flugplätzen erfolgt bereits mit nationalen Mitteln. Rund 14 Millionen DM hat das Verteidigungsressort vorgestreckt. Die Vorfinanzierung weiterer Maßnahmen in Höhe von rund 50 Millionen DM ist beabsichtigt. Es liegt aber naturgemäß auf der Hand, daß unsere Position bei der Verhandlung um die Bereitstellung von NATO-Mitteln sicher schwieriger wird, wenn dieses Verfahren der Vorfinanzierung zur Regel wird und in größerem Umfang angewandt werden sollte. Aber auch dies sollte man nicht scheuen. Bei Maßnahmen, für die die NATO die Kosten nicht übernimmt, bleibt nur die Möglichkeit nationaler Finanzierung. Ein Beispiel dafür sind die Unterstellhallen für die F 104. Wir benötigen dazu — die Frage ist vorhin gestellt worden — etwa 23 Millionen DM.Zu I. 5. Ich begrüße den Antrag des Verteidigungsausschusses, die von mir erstrebte Erweiterung des Europäisierungsprogramms in Upj ever beschleunigt durchzuführen. Mehr fliegen, so sagt der Pilot, ist die beste Lebensversicherung. Das gilt in besonderem Maße für die Periode der Umschulung auf europäische Wetter- und auf europäische Raumverhältnisse. Mehr fliegen heißt aber auf der anderen Seite mehr Lärm. Ich erinnere an die vielfältigen Appellationen in diesem Hohen Hause wegen des Fluglärms. Ausschließlich wegen der Rücksichtnahme auf die Bevölkerung sind die Sperrstunden, in denen der Flugbetrieb ruhen muß, eingeführt worden. Sie beschränken in nicht mehr vertretbarem Umfang den Flugbetrieb der Waffenschule 10 in Upjever. Die Zahl der Flugstunden ist in diesem Jahr gegenüber der im Vorjahr in den gleichen Zeiträumen auf genau 50 O/o zurückgegangen. Das ist das Gegenteil von dem, was Verstärkung des Europäisierungsprogramms bedeutet. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, draußen um Verständnis dafür zu werben, daß die Luftwaffe nun einmal fliegen muß und daß eine Lärmbelästigung unvermeidbar ist.
Im übrigen wird im Verteidigungsministerium ebenso von der Technik her wie auf dem Gebiete der Infrastruktur alles unternommen, um den Lärm in der Umgebung der Flugplätze herabzumindern.Die nächste Ziffer Ihres Antrages wird von mir begrüßt, nämlich die Forderung nach einer finanziellen Besserstellung der Jet-Piloten, des Elektronikpersonals, des Wartungs- und Instandsetzungsfachpersonals bei Strahlflugzeugen, Erhöhung und Erweiterung der Flugunfallentschädigung usw. Die erwähnten Gesetzesvorlagen werden dem Hohen Hause zugeleitet.Zur nächsten Frage. Ich danke auch dem Verteidigungsausschuß, daß er meine Forderung nach einer besseren Bewertung und einer größeren Anzahl von Stellen in den Geschwadern und in den Schulen unterstützt. Mein Kollege, der Herr Finanzminister, hat mir bereits vor längerer Zeit zugesagt, für die Bundeswehr eine Zahl von Stellenhebungen und -vermehrungen beim Haushaltsausschuß für 1966 zu beantragen. Der Weg zum Haushaltsausschuß geht für uns alle über den Finanzminister, der naturgemäß — sonst wäre es ein schlechter Finanzminister — den Rotstift ständig bereithalten muß. Ich möchte aber keinen Zweifel darüber lassen — ich weiß nicht, ob mir das als eine Belastung ausgelegt wird —, daß die Zusammenarbeit zwischen dem Herrn Finanzminister und mir ausgezeichnet ist.Weitere Stellenwünsche für die Luftwaffe sollten nach der Planung erst 1967 realisiert werden. Ich denke, daß der Finanzminister unter dem Eindruck dieses Ausschußantrages bereit sein wird, die Erfüllung dieser weiteren Wünsche bereits für das laufende Haushaltsjahr dem Verteidigungsausschuß vorzuschlagen.Und schließlich zu der Ziffer 8. Der Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit der Piloten von Strahlflugzeugen gilt die besondere Fürsorge der Bundeswehr. Die Piloten befinden sich unter ständiger ärztlicher Kontrolle. Die Bundeswehr wird auch jede erprobte neue medizinische Maßnahme ergreifen, die diesem Ziele dient.Nun zu II. Der Verteidigungsminister wird von sich aus den Verteidigungsausschuß auch weiterhin über die Situation des Starfighter-Waffensystems unterrichten.Zu III und IV. Die Anträge betreffen organisatorische Fragen. Ich bin bereit, die Möglichkeit einer stärkeren Zentralisierung der Flugunfalluntersuchung zu prüfen, wenn auch bereits jetzt schwere Unfälle von dem Inspizienten Flugsicherheit der Bundeswehr in unmittelbarer Zuständigkeit untersucht werden und alle übrigen Untersuchungsberichte ihm zur Auswertung zugehen und er auch die Möglichkeit hat, sich an jeder Untersuchung zu beteiligen. Die Luftfahrtindustrie wird bereits jetzt weitgehend zu Untersuchungen aller technischen Unfälle herangezogen. Mit dem Luftfahrtbundesamt, das meinem Kollegen Seebohm untersteht, besteht ein eingehender — —
— Ich kann Ihnen ein Fernschreiben beispielsweise der MAN an die deutsche Presseagentur verlesen— ich habe es hier nicht zur Hand, ich kann es Ihnen nachher in einer Fotokopie geben —, in dem von MAN — sie ist für das Triebwerk zuständig— gesagt wird, daß auf jedem Flugplatz der Starfighter ein sogenannter Technical Representative sei, der bei jedem Unfall hinzugezogen werde. Mir ist von dieser Firma MAN gesagt worden, daß sie bedauert, daß diese an dpa gegangene Meldung, die Ihren Behauptungen entgegensteht, nicht veröffentlicht worden sei. Ich bin bereit, Ihnen nach-
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Bundesminister von Hasselher eine Fotokopie — ich habe sie nicht hier — zur Verfügung zu stellen.
Zum anderen ist vom Ausschuß vorgeschlagen, bei der Einführung moderner Waffensysteme in die Bundeswehr eine Organisation, vergleichbar dem sogenannten System Management, zu bilden. Es ist hierbei an ein System der Amerikaner gedacht. Die Amerikaner haben sich dieses Systems bedienen müssen, weil die Aufsplitterung der Kräfte in Fragen der Forschung, der Entwicklung, der Erprobung und in der Frage der Beschaffung als Folge des Teilstreitkraftprinzips der Amerikaner zu konkurrierenden Entwicklungen geführt hat. Das Beispiel der Raumfahrt ist allgemein bekannt. Wir hingegen haben insoweit eine reine Bundeswehrlösung: bis zur Einführung eines neuen Gerätes ist nicht jede Teilstreitkraft für ihre Technik verantwortlich, sondern die Bundeswehr als solche. Hiermit verbunden ist das sogenannte Geräteprinzip: die Entwicklung usw. technischen Gerätes, das zusammengehört, wird von einer Stelle bearbeitet, ganz gleich, in welcher Teilstreitkraft es nachher verwendet wird.Die Richtigkeit dieser Prinzipien wird auch von anderen Staaten anerkannt, die mehr und mehr zu einer Stärkung der Zentrale gegenüber den Teilstreitkräften übergehen. Im übrigen entspricht es unserem Prinzip, und zwar dem Prinzip der Sparsamkeit — auch der Sparsamkeit auf personellem Gebiet —, eine solche Lösung zu finden und sie nicht in Richtung auf ein System Management umzuwandeln. So würden z. B. die Experten, die Techniker, die Volkswirte usw., alles, was dazugehört, überall vertreten sein müssen, in jedem System Management. Damit würde mehr oder weniger ein Ministerium auseinanderfallen in die Systeme F 104, F 84, F 86, G 91, Starrflügler, ,Hubschrauber — oder auseinanderfallen in diese Raketen oder jene Raketen, in Transall-Transportflugzeuge, in Noratlas-Transportflugzeuge oder ähnliches. Wer von Ihnen das System der Ordnung unseres Hauses kennt, der weiß z. B., daß in der Wehrtechnik in einem einzigen Referat, dem Referat der Flugzeugtriebwerke, eben die Triebwerke für sämtliche Flugzeuge technisch zusammengefaßt werden. Das hat auch noch einen großen Vorteil, nämlich den, daß man, wenn ein Flugzeug ausläuft und ein neues technisches System anläuft, die Erfahrungen lückenlos an die andere, nächste Generation weitergeben kann. Möglich ist es in unseren Verhältnissen, zur Koordinierung und zur Kontrolle des Fortgangs der Arbeiten an einem Waffensystem einen Beauftragten mit einem kleinen Mitarbeiterstab zu ernennen. Dieser Beauftragte übt eine Überwachungsfunktion aus. Man würde ihn überfordern, würde man ihm die Verantwortung übertragen. Die Verantwortung hat der Minister.
Man würde den Beauftragten überfordern, wenn man ihm die Verantwortung übertrüge. Er ist mit einem kleinen Stab in der Lage, zentral die Entwicklung des Waffensystems in ihren jeweiligen Stadien und im Zusammenspiel der Kräfte — ausdem Ministerium, aus den Teilstreitkräften, aus der Technik, aus den Beschaffungsorganen — zusammenzubinden. Er- ist — meine Damen und Herren von der SPD, das wissen Sie — von dem Dienstweg entbunden. Er kann also jederzeit, wenn er Schwierigkeiten hat, beim Minister vorstellig werden. Sie haben die Zwischenfrage gestellt: Kann er auch koordinieren? Er kann koordinieren. Aber wo er Schwierigkeiten hat, kann er sofort den Minister ansprechen oder in seiner Vertretung den Staatssekretär.Für diese Lösung eines Beauftragten darf ich vielleicht einmal ein Beispiel hier anführen. Bei dem Waffensystem des Panzers der 70 er-Jahre, der zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten entwickelt wird, haben wir einen Beauftragten, der aber nicht einen riesigen Stab hat, sondern der das koordiniert, was an vielen Komponenten, an Zuarbeit aus den verschiedensten Bereichen der Bundeswehr kommen muß.Schließlich schlägt der Ausschuß vor, die Luftwaffe schneller von Überschußmaterial, von alten Flugzeugen usw. zu entlasten. Das ist eine Forderung, die ich seit langem vertreten habe. Der Ausschuß kennt meine Meinung. Ich bitte Sie aber, die Schwierigkeiten zu sehen, die darin bestehen, daß Flugzeuge aus politischen Gründen nicht an beliebige Empfänger veräußert werden dürfen und daß die Regierung insoweit in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeengt ist. Ich wäre deshalb dankbar, wenn die Bundeswehr ermächtigt würde, solches Material alsbald zu verschrotten. Nicht daß uns dann vorgehalten wird: Ihr verschrottet etwas, was man vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal hätte verwenden können. Ich darf betonen, daß an älteren Komponenten das nicht zu verschrotten ist, was noch als Teilstück in einem neueren System oder in einer neuen Waffe oder in einem neuen Gerät verbleiben wird.Schließlich die letzten Fragen, die Fragen VI und VII. Bei der technischen Abnahme von Flugzeugen für die Bundeswehr hat es nur vorübergehend Vorzögerungen gegeben. Beim Güteprüfdienst der Bundeswehr, dem diese Aufgabe obliegt, konnte der Fehlbestand an Personal in den letzten Jahren verringert, wenn auch noch nicht völlig ausgeglichen werden. Gegenüber 1963/64 ist die Zahl der Güteprüfer für diesen Bereich von 132 auf 151 gestiegen. Das Soll ist 186. Es fehlen also noch 35.Eine Lizenzierung der Güteprüfer der Industrie z. B. durch einen Vertrag begegnet aber nicht unerheblichen Bedenken. Denn wenn ein Angehöriger der Industrie gleichzeitig für uns als Güteprüfer wirkt, könnte es sein, daß er selber in einen Gewissenskonflikt gerät, wenn er etwas beanstanden müßte, was das Werk, dem er selbst angehört, nicht in Ordnung gebracht hat. Dennoch versuchen wir, eine in diese Richtung gehende vertragliche Lösung zu erwägen.Lassen Sie mich jetzt noch ein paar Bemerkungen zu den Fragen des Abgeordneten Wienand machen, die er ohne direkte Berührung mit dem Bericht des
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Deutscher Bundestag -- 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1533
Bundesminister von HasselAusschusses in seiner außerordentlich temperamentvollen Rede vorgebracht hat. Angesichts der Diskussion vom 20. Januar 1965, verehrter Herr Kollege Wienand, habe ich volles Verständnis für Sie, daß Sie dem Verteidigungsminister --- so ein bißchen „Rache für Sadowa!" — ganz kräftig die Leviten lesen. Ich habe aber nicht die Absicht, bei diesem Thema in den Ton der Anklage zurückzuverfallen, in dem Sie hier gesprochen haben.
— Ich habe es gemacht?
— Ich bin so friedlich, wie ich überhaupt nur sein kann, verehrter Herr. Wenn ich friedlich bin, sind Sie böse, wenn ich nicht friedlich bin, sind Sie auch böse. Also ich fahre fort in der sachlichen Auseinandersetzung und möchte auf einiges antworten, was der Kollege Wienand gesagt hat.Er hat z. B. erklärt, daß im Verteidigungsausschuß ein Antrag der SPD von den Regierungsparteien abgelehnt worden sei, und zwar auf mein ausdrückliches Petitum hin, und er hat diesen Antrag hier noch einmal verlesen. Es handelte sich um vier Punkte — wenn ich das richtig mitgeschrieben habe —, nämlich um Auskunft erstens über die Art der Beschädigung jedes beschädigten Flugzeugs, zweitens die Zeit der Instandsetzung, drittens die Kosten der Instandsetzung und viertens die Folgen, die daraus unter Umständen in anderen Bereichen entstehen können. Ich habe in der Tat gebeten — ich möchte es Ihnen noch einmal offen sagen —, von einem solchen Vorhaben abzugehen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens ist für niemanden — nicht für die Herren meines Ministeriums, nicht für mich und wohl auch nicht für die Angehörigen des Verteidigungsausschusses — sichtbar geworden, welche Schlußfolgerungen zum Thema Sicherheit aus Antworten auf diese vier Fragen nachher abgeleitet werden können. Das ist aber nebensächlich. Zweitens jedoch würde eine lückenlose Darstellung z. B. der Kosten der Instandsetzung und der für die Instandsetzung aufgewendeten Zeit, getrennt nach Waffensystemen, ein so ungeheures Maß an Arbeit für die Mitarbeiter des Ministeriums — nicht für den Minister — bedeuten, daß man die dafür erforderliche Zeit wahrscheinlich auf nicht unter vier Monate ansetzen kann. Da würden riesige Mengen Papier kommen. Ich glaube nicht, daß es sehr sinnvoll ist, nun noch in der Vergangenheit herumzudoktern und die Zeit damit zu vertun, während wir im Grunde genommen in die Zukunft schauen und uns um die Abstellung dieser Dinge bemühen müssen.
Das, verehrter Herr Kollege Wienand, ist der Grund, weshalb ich vor dem Ausschuß dafür plädiert habe — und ich glaube, in einer menschlich guten Art —, von diesem Antrag abzusehen.Zweitens haben Sie kritisiert, daß auf Grund Ihrer Kleinen Anfrage vom November 1964 nichts geschehen sei. Herr Wienand, Sie haben selber gesagt, daß dieser Antrag im Bundestagsausschuß für Verteidigung behandelt worden ist und daß Sie sich nur deshalb nicht an Einzelheiten erinnern könnten, weil aus Gründen der Geheimhaltung kein Protokoll darüber geführt worden ist. Tatsächlich gibt es aber genügend Mitglieder dieses Hauses — obwohl es sich um den Bundestag der vorigen Wahlperiode handelt —, die noch genau im Gedächtnis haben, was wir damals diskutiert haben.Drittens haben Sie gefragt, Herr Kollege Wienand, was seit 1960 mit den Berichten geschehen sei, die vorgelegt worden sind. Herr Wienand, ich gebe zu, ich kenne nicht alle Berichte, die dem Verteidigungsausschuß erstattet werden. 5000 Mitarbeiter insgesamt, davon 3000 qualifizierte Soldaten und Beamte, bringen sicherlich eine ganze Portion zu Papier und berichten auch vieles. Ich glaube aber, daß mir alle wesentlichen Berichte zu Gesicht gekommen sind und daß ich mich in allen wesentlichen Fragen immer eingeschaltet habe. Sie haben mir doch zum Teil den Vorwurf gemacht, daß ich ein Bundeswehrminister sei und nicht so sehr in den großen Fragen der Verteidigungspolitik wirkte, sondern mich sehr stark um die Bundeswehr kümmerte. Das ist ein Thema der Bundeswehr gewesen, verehrter Herr Wienand.
— Ich weiß nicht, soll ich mal in meinem Archiv kramen? Dann werde ich möglicherweise einige aus der ersten Reihe hier finden.
Herr Kollege Wienand, meinen Sie darunter z. B. den Bericht eines Obersten, dessen Namen ich hier mit Rücksicht auf den betreffenden Herrn nicht nennen möchte? Sie kennen seinen Namen; wir haben uns persönlich unter vier Augen über ihn unterhalten. Dieser Oberst berichtet zum LN-Gerät, dem sogenannten Litton-Gerät, das seinerzeit Hauptgegenstand der Debatte im Bundestag war — --
— Ich kann es nicht sagen. Dann müssen Sie mir nachher mal sagen, an welche Berichte Sie gedacht haben. Ich war der Meinung, daß dieser Mann genannt sei. Er ist doch einer derjenigen gewesen, der zu allen ging. Ich möchte es einmal so sagen, Herr Wienand: er hat monoman nur das Litton-Gerät gesehen. Weil wir seinen Bedenken nicht gefolgt sind, glaubte er, er sei deshalb nicht General geworden. Das sind die Hintergründe. Ich habe Sie damals darauf aufmerksam gemacht. Ich glaube, Herr Kollege Wienand, im Grunde haben wir uns damals bei diesem Gespräch — ich will nicht sagen, daß wir einig waren — zumindest verstanden.Dann fragen Sie, Herr Kollege Wienand: „Was haben Sie vor dem 3. November getan? Haben Sie von all dem nichts gehört? Haben Sie bei Ihrem Amtsantritt keine Hinweise gehört? Hat Ihr Vorgänger Ihnen das nicht gesagt? Hat er etwas gehört?" Ich zweifle nicht, daß mein Vorgänger nach-
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1534 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister von Hasselher das Wort nehmen und dazu Stellung nehmen wird. Ich bin ja nur der Halbbeteiligte bei Ihrem heutigen Unternehmen. Mein Vorgänger ist ebenfalls mitbeteiligt; er wird dazu vielleicht etwas sagen. Sie fragen weiter: „Ist der Staatssekretär, ist Ihr Vorgänger nicht gewarnt worden?" — Selbstverständlich gibt es eine ganze Reihe von Punkten, z. B. die Warnung, das Flugzeugbeschaffungsprogramm nicht zu übertreiben. Ein hoher General der Luftwaffe hat das schriftlich zu Papier gebracht. Das ist Ihnen nicht unbekannt. Er ist erschienen. Ich könnte Ihnen den Schriftwechsel und unsere Entscheidung vorlegen. Dann würden Sie sehen, daß wir dieser Warnung eines hohen Generals der Luftwaffe gefolgt sind.Der ganze Tenor ist doch: Warum machen wir das erst seit dem 25. November 1965, seit der Kleinen Anfrage? Sie ergehen sich in Vorwürfen gegen die Bundesregierung, daß sie in bezug auf die personellen Notwendigkeiten nicht vorgeplant habe. Sie sagenverehrter Herr Wienand, nur der Großen Anfrage der SPD und nur der Kleinen Anfrage vom 25. November sei es zu verdanken gewesen, daß sich der Ausschuß überhaupt mit diesen Fragen beschäftigt habe. Es ist nicht meine Art, verehrter Herr Wienand, aber ich möchte hier Legendenbildungen vorbeugen.
— Ja, jetzt kommt es. Jetzt kommen zwei Dinge, die ganz interessant sind. Das eine sind diese Vorwürfe und die Behauptung, der Ausschuß habe sich erst wegen der Kleinen Anfrage vom 25. November damit beschäftigt, und die Große Anfrage sei gekommen, um die Regierung zu zwingen, hier Rede und Antwort zu stehen. Verehrter Herr Wienand, daß das von Ihnen noch einmal gekommen ist!
— Gerade eben in Ihrer Begründung; ich habe zugehört.
Herr Kollege Wienand, ich habe Sie am Tage, als ich neu zum Verteidigungsminister berufen wurde— Datum kann ich nicht mehr nennen; es ist Ihnen bekannt —, angerufen und gesagt: Herr Wienand, ich bin heute neu bestellt worden — es war damals vielleicht fraglich, wer, ich wußte nicht, wer das würde —, und ich habe weiter gefragt: ist es nicht richtig, daß wir zu Beginn des neuen Bundestages einmal unter vier Augen und unter Ausschluß der Offentlichkeit zusammenkommen und uns über das unterhalten, was wir erneut, Regierung und Opposition, in den kommenden Monaten zu tun haben?
Dieses Gespräch, verehrter Herr Wienand, dem Sie zugestimmt haben, das ich begrüßt habe, hat am 10. November 1965 stattgefunden, 15 Tage vor der Datierung Ihrer Kleinen Anfrage. Da habe ich in meinen Aufzeichnungen — ich pflege dann gewisse Aufzeichnungen, mehr für mein eigenes Gedächtnis, zu machen — folgenden Absatz stehen, den ich wohl mit Genehmigung des Präsidenten verlesen kann:Ich schilderte Herrn Wienand meine Auffassung zur Arbeit des Verteidigungsausschusses. Es erschiene mir nicht sonderlich sinnvoll, mit Vergangenem den Ausschuß übermäßig zu belasten. Der Ausschuß würde von mir eine eingehende Darstellung über die F-104-Probleme erhalten. Ich hätte nicht die Absicht, irgend etwas zu verschleiern. Ich legte auf Offenheit Wert, damit das Thema wirklich in der Diskussion beendet wird.Und Sie sagen hier, es habe erst der Initiative derSPD bedurft, um diese Dinge ans Licht zu bringen.Verehrter Herr Wienand, Sie machen uns Vorwürfe — —
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Sind Sie, Herr Minister, nachdem Sie so viel von dem Gespräch Anfang November zitiert halben, bereit, zur Sache zurückzukehren und noch einmal zur Kenntnis zu nehmen, was ich vorher wörtlich gesagt habe? Sie können es durch einen Ihrer Herren an Hand des Stenographischen Berichts prüfen lassen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich folgendes gesagt habe?
Es mußte nicht erst zu dieser höchst bedauerlichen und besorgniserregenden Häufung von Starfighter-Abstürzen kommen, um den Verteidigungsausschuß und das Parlament und vom Parlament her vor allen Dingen die verantwortliche politische Führung, das Verteidigungsministerium und damit die Regierung auf die Kompliziertheit moderner Waffensysteme mit der jetzt tragisch sichtbar gewordenen Bedeutung aufmerksam zu machen, nachdem der Verteidigungsausschuß Feststellungen getroffen hat ...
Sonst habe ich in diesem Zusammenhang nicht davon gesprochen.
Das Wortprotokoll, Herr Kollege Wienand, wird genau ausweisen, ob Sie nicht an anderer Stelle — ich habe es im Moment nicht gegenwärtig — davon gesprochen haben.
— Verehrter Herr Wienand, Sie wollen doch nicht leugnen, daß die Ihnen nahestehende Presse, Ihre eigenen Presseorgane, Ihre eigenen Sprecher bei jeder Gelegenheit sagen: daß es hier zur Sprache kommt und daß es überhaupt im Verteidigungsausschuß behandelt wurde und daß die Regierung überhaupt reagierte, sei Ihr Verdienst mit der Kleinen Anfrage und der Großen Anfrage! Deshalb habe ich das hier einmal zurechtgerückt.
Ich bin der Meinung, Herr Kollege Wienand, daß Ihnen einmal dargelegt werden sollte, was wir im
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1535
Bundesminister von HasselZusammenhang mit der Konsolidierung eigentlich alles gemacht haben.
— Das ist dauernd im Ausschuß dargelegt worden. Aber das wird heute 'damit abgetan: Der Minister ist schuld daran, daß zum Beispiel keine personelle Vorkehrung getroffen ist. Ich behalte mir vor, heute nachmittag, wenn noch einmal die Behauptung aufgestellt wird, wir hätten nichts getan, zu diesem Thema erneut das Wort zu ergreifen. Aber angesichts der Tatsache, daß es jetzt 20 Minuten nach 1 Uhr ist und ich davon ausgehen darf, daß jeder den Versuch unternehmen möchte, noch zeitig genug zum Essen zu kommen, bevor die Sitzung wieder eröffnet wird — —
— Ach, Herr Berkhan, doch keine Atombombe! Nur tut es mir leid, daß Sie heute abend um 6 Uhr wegmüssen.
— Das ist ausgezeichnet! Wenn Sie dabeibleiben, haben wir die Chance, daß es heute endlich zu einem Abschluß kommt.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wienand sagte, die personellen Schwierigkeiten im technischen, im Elektronikbereich usw. usw. hätten voraussehbar sein können, wir hätten nichts getan, und die Schuld trage der Verteidigungsminister. Herr Wienand, ich weiß nicht, ob Sie mir auch nur einen einzigen Bereich in der deutschen Wirtschaft oder auch in den Bereichen des öffentlichen Dienstes nennen können, in dem man sagen kann: Wir haben genug männliche oder weibliche Mitarbeiter. Die einzige Ausnahme sind, glaube ich — ich habe es neulich einmal gesagt —, die Damenfriseure; die haben einen guten Nachwuchs. Mit dieser Einschränkung behaupte ich, daß es in Deutschland keinen einzigen Bereich gibt, in dem wirklich ein ausreichendes Maß an Technikern, Elektronikern aller Art, Mechanikern, Meistern und Gesellen vorhanden ist. Dann können Sie von uns schlechterdings nicht verlangen, daß ausgerechnet wir, die wir in der Bundeswehr vieles schwerer haben als in der freien Wirtschaft, unsere Soll-Stellen voll auffüllen können.Herr Wienand, es reizt mich außerordentlich, Ihnen zu sagen, was für Schwierigkeiten Sie in Ihrer eigenen Verwaltung gehabt haben mit einem jungen Mann, den Sie ausgebildet haben und der dann eingezogen wurde; da haben Sie uns einen Brief geschrieben, in dem Sie darum baten, daß der Mann freigestellt werde,
weil Sie nicht mehr wüßten wie Sie dort arbeiten sollten!
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe! — Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Sind Sie, Herr Minister, auch bereit, dem Hohen Hause zu sagen, daß ich zunächst, als die Einberufung dieses Verwaltungsangestellten meiner Verwaltung anstand, es abgelehnt habe, um Freistellung zu bitten, und erst dann um Freistellung gebeten habe, als mir mitgeteilt wurde und ich mich vergewissert hatte, daß er nach der Grundausbildung nur Dienste in einer Schreibstube tun mußte und daß in dieser Schreibstube vier andere junge Männer waren und nur eine Schreibmaschine zur Verfügung stand, und ich der Meinung war, daß er dann bei mir besser arbeiten könnte, weil mir die Leute fehlten?
Ich bitte um
Ruhe. — Bitte, Herr Minister!
Ich glaube, das, was ich bisher gesagt habe, gehört ausschließlich zum Thema Starfighter. Aber es scheint Ihnen, Herr Kollege Schmidt, nicht zu passen, daß man auch einige Dinge darlegt, die Ihnen nicht ins Konzept passen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage? —
Herr Minister, würden Sie nicht für zweckmäßig halten, langsam zum Thema „Flugsicherheit des Starfighter" zurückzukehren?
Ich komme zurück.
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1536 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister von HasselIch möchte aber ein Wort sagen, in diesem Falle zugunsten des Herrn Wienand. In dem Brief von Herrn Wienand heißt es: „Sie wissen, daß ich Gemeindedirektor der Gemeinde ... bin. Wir haben eine relativ kleine Verwaltung, bedingt durch die Nähe Bonns aber große Personalschwierigkeiten."
Meine Damen und Herren, in dem Brief heißt es weiter: „Ich hatte mit Absicht für ihn keine Zurückstellung beantragt, da ich den Standpunkt vertrete, daß die Jungens ihre Wehrpflicht erfüllen sollen."
— Was heißt: „Na und"? Das halte ich in hohem Maße für einen positiven Satz, und deshalb habe ich ihn hier auch verlesen.Aber, Herr Wienand: die Schwierigkeiten, die Sie in Ihrer Verwaltung haben — und die ja keiner bestreitet —, haben wir potenziert im Maßstab 1 : 100 000 bei uns in der Bundeswehr.
Meine Damen und Herren, wer sich über Personalmangel unterhalten will, der lese einmal das englische Weißbuch. Darin hat die verantwortliche Führung der englischen Verteidigung die Sorge um die personelle Entwicklung der englischen Streitkräfte mit sehr klaren Worten ausgedrückt. Oder wer etwa die Schwierigkeiten bei Kanada sehen will: einer Zeitungsmeldung entnehme ich, daß ein großer Teil der kanadischen Flotte wegen Personalmangels hat aufgelegt werden müssen, daß die kanadische Luftwaffe aus Gründen des Personalmangels große Probleme hat, daß man die kanadischen Piloten mit Gehältern abwirbt, denen auch die kanadische Luftwaffe nicht entsprechen kann.
— Nein; aber z. B. die Hamburger, verehrter Herr aus Hamburg!
— Sehr gut, sehr gut! Und da die Hamburger Personalmangel haben — jetzt wird gleich der frühere Senator von Hamburg böse werden, wenn ich das sage —, annonciert z. B. die Hamburger Polizei in der Bundeswehr-Zeitung: „Tüchtige Soldaten Z 4 gesucht von der Hamburger Polizei".
Jawohl!
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich gestatte keine Frage.
— Bitte schön, Herr Kollege Schmidt!
Ich melde mich nur zum Wort, damit einmal eine Prophezeihung von Ihnen, Herr von Hassel, auch in Erfüllung geht. Ich darf Sie fragen, ob Sie es für illegitim halten, wenn die deutschen Polizeien diejenigen, die nach Ablauf ihrer Verpflichtungszeit aus der Bundeswehr ausscheiden, für die Polizei zu werben suchen.
Herr Kollege Schmidt, Sie können ruhig weiter werben, ruhig weiter Anzeigen aufgeben. Mit meinem Hinweis auf die Anzeige wollte ich nur darstellen, daß auch Sie Schwierigkeiten bei der Gewinnung des Nachwuchses für Ihre Polizei haben.
— Das hat sehr viel mit dem Starfighter zu tun; denn aus dem ganzen Bericht, den der Berichterstatter schriftlich vorgelegt und mündlich begründet hat, und aus der Begründung der Großen Anfragen geht doch das Personalproblem hervor, und Sie können uns doch nicht zur Last legen, daß es auch uns nicht möglich ist, die Techniker, die Elektroniker und alle diese Männer zu bekommen, wenn der Personalmangel in Deutschland so ist wie dargelegt.
Meine Damen und Herren, nachdem ich den Bericht, die Berichterstattung und die Zusatzbemerkungen des Herrn Abgeordneten Wienand in der Beantwortung abgehandelt habe, komme ich nunmehr zu der Antwort auf die beiden Großen Anfragen zurück. Ich darf Sie bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich zusammengehörende Themen aus den beiden Anfragenkomplexen zusammen behandle.Der nächste große Komplex heißt: Bewertung des Waffensystems Starfighter und Frage nach dem Klarstand. Das sind die Frage Nr. 5 aus der Großen Anfrage der SPD und die Frage Nr. 2 aus der Großen Anfrage der CDU/CSU und FDP. Ich erlaube mir, auf diese Fragen folgendes zu antworten:Im Konzept der Abschreckung ist das Waffensystem Starfighter ein wichtiges und entscheidendes Schwerpunkt-Waffensystem der NATO. Es ist in der Lage, sowohl im konventionellen Einsatz wie als atomarer Träger verwendet, die gestellten Einsatzaufgaben zu erfüllen. Diese Beurteilung der Bundesregierung deckt sich mit der der NATO und wird erhärtet durch die Tatsache, daß das StarfighterWaffensystem auch von einer ganzen Reihe anderer Staaten der NATO und auch von Staaten außerhalb der NATO eingeführt worden ist.Die Frage nach dem Klarstand der Flugzeuge kann nur auf die Verbände bezogen werden, die die Umrüstung beendet haben und assigniert worden sind. Denn bei den übrigen Verbänden ist der Be-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1537
Bundesminister von Hasseltrieb auf die Umrüstung abgestellt. Die Luftwaffenführung kann deshalb nicht versichern, daß 30 % aller vorhandenen F-104-G-Flugzeuge, also einschließlich der Flugzeuge bei Verbänden, die sich in der Umrüstung befinden, und einschließlich der Reserveflugzeuge, im Durchschnitt des laufenden Jahres flugkar sind, zumal der Klarstand auch von Umständen abhängt, die außerhalb der unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten der Bundeswehr liegen. Hierher gehört die Industrieinstandsetzung ebenso wie die Durchführung von technischen Änderungen und Verbesserungen, die sich aus der laufenden Erfahrung bei allen Luftwaffen der Welt ergeben. Die Bundesregierung versichert jedoch — und nur darauf kommt es an —, daß der durchschnittliche Klarstand bei den Verbänden, die die Umrüstung beendet haben und assigniert sind, in etwa an die NATO-Forcierung herankommt.Für die im Jahre 1965 überprüften deutschen Starfighter-Verbände — sie werden ohne jede Ankündigung überprüft, und die Überprüfung wird durch unabhängige Überprüfungsgruppen der NATO nach den Richtlinien von SHAPE durchgeführt — lautet die NATO-Charakteristik:Die Verbände erfüllen die Minimum-Forderungen SACEURs und sind fähig, die ihnen gestellten Einsatzaufgaben, ungeachtet der kleinen festgestellten Mängel, wirkungsvoll zu erfüllen.Kleine Mängel sind z. B. Infrastruktur, zu geringe Flugstundenzahl gegenüber der NATO-Forderung oder etwa nicht ausreichender ABC-Schutz.Zusammenfassung: Der Wert des Starfighter-Waffensystems für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und für die Gesamtverteidigung des Westens im Rahmen der NATO ist unbestritten. Die Beurteilung der bereits umgerüsteten und assignierten deutschen F-104-G-Geschwader durch die NATO ist „gut". Der Klarstand bei diesen Verbänden erreicht annähernd die NATO-Forderung. Eine Voraussage über einen bestimmten Klarstand bei den Verbänden in Umrüstung und bei den Flugzeugen in der Kreislauf-Reserve ist nicht möglich.3. Ich komme zu den Fragen danach, ob die Starfighter-Unfälle als normal und erträglich oder als anomal und unerträglich anzusehen sind, der Frage danach, ob die Unfallquote 1966 wesentlich niedriger liegen wird — Fragen 1, 2 und 4 in der Großen Anfrage der SPD —, der Frage nach der Erklärung für die Häufung von Starfighter-Unfällen und der Frage, ob die Unfälle, verglichen mit anderen Ländern und mit früheren Waffensystemen, außergewöhnlich sind — Frage Nr. 3 in der Großen Anfrage der CDU/CSU und FDP —.Bundesregierung und Bundeswehr sind weit davon entfernt, Unfälle im Flugbetrieb als unabänderlich, gewissermaßen als Preis für die moderne Technik hinzunehmen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß Bundesregierung und Bundeswehr das Menschenmögliche getan haben, tun und tun werden, um Unfallmöglichkeiten auszuschließen. Es ist jedoch eine bittere Tatsache, daß sich bei der Luftfahrt, und zwar ebenso im zivilen wie im militärischen Bereich, Unfälle nicht vermeiden lassen. Jede Luftwaffe derWelt muß bereits im Frieden mit einer gewissen Verlustrate rechnen. Dieses Risiko wächst, je höher die Leistung eines Flugzeuges ist. Es ist nicht möglich, diesem mit einer modernen Rüstung verbundenen Risiko auszuweichen; denn im Verteidigungsfall hat nur der Pilot eines Hochleistungsflugzeuges die Chance, seinen Auftrag auszuführen.Die Bundeswehr sah bis zum Jahre 1964 ihr Bemühen, die Unfallraten so niedrig wie möglich zu halten, belohnt. Die Unfallrate stieg im Jahr 1964 gegenüber dem Jahre 1962 keineswegs proportional zu der Vervierfachung der Zahl der eingesetzten Starfighter und der mehr als sechsfachen Zahl der Flugstunden. Die Zahl der Totalverluste an Starfightern stieg von 7 auf 9, die Zahl der tödlich verunglückten Piloten ging sogar auf die Hälfte zurück. Das Jahr 1963 forderte bei den Starfightern keine Toten und keinen Totalverlust. Bis zum Jahre 1964 lag die Bundeswehr mit den Unfallraten, gemessen an 100 000 Flugstunden, im Vergleich mit anderen NATO-Partnern, auch bei den Strahlflugzeugen nicht an ungünstiger oder gar besorgniserregender Stelle. Die Prozentzahlen sind dem Verteidigungsausschuß vorgetragen worden. Es ist der Bundesregierung nicht möglich, sie hier zu wiederholen, da, soweit bekannt, bis auf Frankreich die NATO-Partner diese Zahlen nicht zur Veröffentlichung freigeben.Bis zum Jahre 1964 waren auch die StarfighterVerluste im Vergleich mit früheren Waffensystemen nicht außergewöhnlich. Von dem in aller Welt bewährten Flugzeugtyp 84F, der jetzt ausläuft, hat die Bundeswehr in acht Jahren 162 Flugzeuge verloren, im Jahresdurchschnitt also - 20,2. Damit lagen diese Verluste höher als die der Starfighter.Zur Frage der voraussichtlichen Unfallrate im Jahre 1966 weist die Bundesregierung darauf hin, daß der Führungsstab der Luftwaffe die Häufung von Unfällen seit Mitte 1965 als exzeptionell bezeichnet. Die Bundesregierung geht deshalb mit der Bundeswehr davon aus, daß sich die Kurve der Unfallrate entsprechend dem nicht ungewöhnlichen Verlauf vor dem Jahre 1965 abflachen wird. Unfälle werden sich nicht verhindern lassen. AIR-CENT, die oberste- Luftwaffenkommandobehörde der NATO in Europa Mitte, rechnet mit einer Rate von 15 bis 20 Unfällen je 100 000 Flugstunden.Eine Prognose ist auch aus folgendem Grunde schwierig. Die sorgfältige, umfassende Prüfung der Flugsicherheitslage des Starfighters hat keinen Fehler erkennen lassen — das haben die Berichterstatter dargelegt —, der regelmäßig zu Unfällen führt, weder im menschlichen noch im technischen Bereich. Es wird zwar darauf hingewiesen, daß unseren jungen Piloten noch die Erfahrung fehlt. Erfahrung aber kann nicht befohlen, sondern nur erflogen werden.Die Zeit der Umstellung auf ein neues Waffensystem ist eine risikoreiche Phase. Gegenwärtig hat eine große Zahl von fliegenden Verbänden ihre Umrüstung auf den Starfighter entweder eben erst abgeschlossen, ist noch in der Umrüstung oder beginnt diese erst.
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1538 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister von HasselDie Bundeswehr bemüht sich besonders darum, die Zahl der Flugstunden der Piloten zu vermehren, weil eine internationale Statistik ausweist, daß Flugzeugführer mit mehr als 2000 Flugstunden-Erfahrung nur noch zu einem verschwindend geringen Bruchteil an Unfällen beteiligt sind, nämlich nur 2 %. Die über zehnjährige Zwangspause, die dann folgenden Aufbaujahre !mit besonders schwierigen personellen, technischen und infrastrukturellen Problemen bringen es mit sich, daß heute die Mehrzahl der deutschen Piloten noch unter 1000 Flugstunden-Erfahrung liegt.Die bereits erzielte Vermehrung der StarfighterFlugstunden ist beachtlich. Sie konnte im Jahre 1965 gegenüber dem Jahr 1964 nahezu verdoppelt werden; von 1962 auf 1965 nahmen sie sogar um das Zehnfache zu. Das Ziel der Luftwaffenführung ist es, die Zahl der Flugstunden in diesem Jahre nochmals um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu steigern. Eine starke Vermehrung der Flugstunden bedeutet auch das Risiko einer größeren Zahl von Unfällen in absoluten Zahlen, wenn auch die Annahme begründet ist, daß die Unfallrate, d. h. der Prozentsatz der Unfälle auf 100 000 Flugstunden, mit fortschreitender Erfahrung drastisch fällt.Ich fasse zu diesem Punkt zusammen: Die Bundesregierung unternimmt alle Anstrengungen, die Unfallrate zu mindern. Im internationalen Vergleich und im Vergleich mit früheren Waffensystemen waren die Unfallraten bis zum Jahre 1964 nicht anomal. Die Unfallhäufung seit Mitte 1965 ist l anomal; aber eine typische Starfighter-Unfallursache ist — das hat sich auch im Ausschuß gezeigt — nicht feststellbar. Die Bundesregierung ist mit der Bundeswehr der Überzeugung, daß die Kurve der Unfallrate wieder sinken wird, kann jedoch nicht mit Sicherheit ausschließen, daß die Zahl der Unfälle durch die Periode der Umrüstung und die Vermehrung der Flugstunden weiterhin noch ungünstig beeinflußt bleibt.4. Frage 3 der Großen Anfrage der SPD nach dem Verantwortlichen für die angeblichen Versäumnisse, Fragen 4, 5, 6 der Großen Anfrage der CDU/CSU und FDP, die Frage nach durchgeführten Maßnahmen sowie künftigen Maßnahmen in der Zuständigkeit der Regierung oder des Bundestages; und die Frage nach der vorgeschlagenen zeitweiligen Reduzierung der Luftwaffenverbände.Meine Damen und Herren! Es wurde bereits dargelegt, daß ebenso nach dem Urteil der NATO wie dem der Bundeswehr kein typischer Fehler in dem Starfighter-Waffensystem erkennbar ist, der die Unfallhäufung seit 1965 verursacht haben könnte. Das Bemühen der Bundeswehr zielt deshalb in erster Linie darauf ab, die Flugerfahrung mit diesem neuen Waffensystem in möglichst kurzer Zeit zu steigern.Die Maßnahmen zur Gewährleistung einer höchstmöglichen Flugsicherheit für das Waffensystem Starfighter begannen taktgleich mit der Beschaffung dieses Systems und werden seitdem entsprechend dem Fortschreiten der Erfahrungen und Erkenntnisse laufend fortgesetzt. Solche Maßnahmen werden auch künftig das Waffensystem bis zu seiner Außerdienststellung begleiten, da der Fortschritt der Technik und weitere Erfahrungen keinen Stillstand dulden.Es ist deshalb abwegig zu meinen, daß die Bundeswehr erst auf Grund der Kleinen Anfrage der SPD vom 25. November 1965 oder — Zitat aus der Großen Anfrage der SPD — „erst unter dem Druck der Untersuchungsergebnisse des Verteidigungsausschusses" eine große Zahl von Einzelmaßnahmen ergriffen hätte. Die gegenwärtige Zielsetzung der Bundeswehr zur Durchführung von Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Starfighter-Waffensystem lag bereits monatelang vor der Einbringung der Kleinen Anfrage der SPD fest.Die Beratungsergebnisse des Verteidigungsausschusses beruhen im wesentlichen auf dem vom Führungsstab der Luftwaffe vorgetragenen ausführlichen Bericht über die F-104-Flugsicherheitslage. In dem Bericht sind die wichtigsten bereits durchgeführten, vorbereiteten oder geplanten Maßnahmen dargelegt worden.Die Richtigkeit dieses Berichtes ist durch die Beratungen des Verteidigungsausschusses nicht etwa in Zweifel gezogen, sondern durch die Anhörung von Sachverständigen bestätigt worden. Der Verteidigungsausschuß hat sich deshalb auch im wesentlichen darauf beschränken können, die Vorschläge des Führungsstabes der Luftwaffe aufzugreifen und zu unterstützen, so daß es abwegig ist, zu unterstellen, die Bundeswehr habe unter dem Druck der Untersuchungsergebnisse des Verteidigungsausschusses Versäumtes nachgeholt.
Die Bundesregierung bedauert besonders, daß die von der SPD-Fraktion mit dieser ihrer Unterstellung von Pflichtversäumnissen geübte ungerechtfertigte Kritik an der Bundesregierung und insbesondere am Bundesminister der Verteidigung sich gleichzeitig gegen die Luftwaffenführung sowie gegen die vielen tausend Soldaten, Beamten und Angestellten,
innerhalb und außerhalb der Bundeswehr — lesen Sie bitte nach — —
— Meine Damen und Herren, das ist sehr interessant; erstens sprechen Sie von Unwahrheit und zweitens von Charakterlosigkeit; das sind die Zwischenrufe von Ihrer Seite.
Ich fahre fort.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1539
Nein!
— Herr Abgeordneter Schmidt wird nachher die Debatte eröffnen. Dann kann er das sagen, was er sagen will. Darauf werde ich antworten.
Die Zahl der Maßnahmen, die die Bundeswehr laufend getroffen hat — —
— Meine Herren, ich will Ihnen eines sagen.
Ich habe das zur Kenntnis genommen, Herr Schmidt, darauf antworte ich nicht.
Herr Abgeordneter Schmidt, Ihr Zwischenruf ist nicht parlamentarisch zulässig. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Mißbrauch ist es, Herr Abgeordneter Wienand, wenn Sie hinausgehen zu den Soldaten und sagen: Ihr Soldaten seid prima, aber eure Führung ist miserabel. Das ist der Mißbrauch.
Meine Damen und Herren, die Zahl — —
— Ich will Ihnen mal eines sagen — —
-- Herr Abgeordneter Wehner, Sie sind in den Debatten des Verteidigungsausschusses nicht dabeigewesen.
— Aber wir, jawohl. Darf ich Ihnen eines sagen, meine Herren von der SPD.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schade, daß wir nicht recht gehabt haben.
Die Zahl der Maßnahmen, die die Bundeswehr laufend getroffen hat, um das Starfighter-Waffensystem so sicher wie nur möglich 2u machen, ist so groß, daß eine vollständige Darstellung an dieser Stelle nicht möglich ist. Die Bundesregierung beschränkt sich daher darauf, einen Überblick zu geben, und stellt vorweg drei Komplexe, die die Durchführung von Maßnahmen allgemein erschweren, in den Vordergrund.Erstens. Der Mangel an Fachpersonal für die Luftwaffe und die anderen Bereiche der Bundeswehr ist eine Erscheinung, die auf einem Engpaß beruht, mit dem die Wirtschaft und fast ausnahmslos alle übrigen Bereiche des öffentlichen Dienstes ebenso zu kämpfen haben wie die Bundeswehr. Die Bundeswehr hat hierbei gegenüber der Wirtschaft in zweifacher Hinsicht einen besonders schweren Stand. Zum einen ist sie auf dem Gebiet der Besoldung an .die allgemein für den öffentlichen Dienst geltende Ordnung gebunden und muß im Gegensatz zum zivilen Bereich nicht nur gelegentlich eine unregelmäßige und zu ungünstigen Zeitpunkten liegende Dienst- und Arbeitszeit verlangen. Die Bundeswehr muß in den Einsatzverbänden auch an den Wochenenden die Bereitschaft aufrechterhalten. Sie kann sich generell eine Fünf-Tage-Woche nicht leisten. Im Zusammenhang hiermit steht, daß die Bundeswehr Fachpersonal, das sie selbst ausbildet, nur verhältnismäßig kurze Zeit zur Verfügung hat, weil sie keine ausreichende Möglichkeit hat, dem Abwandern in die Wirtschaft entgegenzuwirken.Zweitens. Die fliegerische Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland ist erschwert durch die Enge des Raumes und durch zusätzliche Beschränkungen, die sich aus der Rücksichtnahme auf die Bevölkerung ergeben. Die ständigen Interpellationen in diesem Hohen Hause — in Fragestunden etwa oder in zahlreichen Briefen auch aus Ihren Reihen — an den Bundesminister der Verteidigung sind bekannt. Die Ausbildung im Ausland kann wegen der nicht vergleichbaren meteorologischen Verhältnisse die fliegerische Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland nicht voll ersetzen.1540 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, 'Donnerstag, den 24. März 1966Bundesminister von HasselDrittens. Das Starfighter-Waffensystem wird nicht nur von der Bundesrepublik Deutschland, sondern von mehreren NATO-Partnern geflogen, den sogenannten Konsortialländern. Ich sagte vorhin, daß die Bundeswehr im Interesse der Standardisierung bemüht bleibt, Maßnahmen mit den anderen gemeinsam durchzuführen und eine Übereinstimmung herbeizuführen, auch wenn es zum Teil erhebliche Beschränkungen und Verzögerungen gibt.Viertens. Sämtliche Starfighter-Flugplätze sind NATO-Flugplätze. Die baulichen Maßnahmen und die Ausstattung mit Bodengeräten erfolgen auf Grund einer Bewilligung der NATO, aus deren Mitteln. Diese Maßnahmen werden also von ihr finanziert. Wir leisten unseren Beitrag zur Gesamtfinanzierung. Die Herbeiführung eines einheitlichen Beschlusses in einem großen Gremium von 15 Partnern — der NATO — ist naturgemäß noch zeitraubender als die Beschlußfassung des F-104-Konsortiums, an dem nur 4 Partner beteiligt sind, wobei naturgemäß eine Rolle spielt, daß die meisten Maßnahmen auf deutschem Boden durchgeführt, von anderen aber finanziert werden, bei denen keine derartigen Maßnahmen durchgeführt werden. Ein Drittel aller Maßnahmen etwa wird in Deutschland durchgeführt. Deutschland selber trägt aber die Finanzierung nur zu etwa 20 %. Die NATO-Plätze sind mehr oder weniger standardisiert, nach ihren Kriterien von ihnen finanziert, standardisiert, was einen unschätzbaren Vorteil auch darin hat, daß Luftwaffenverbände anderer NATO-Staaten auf deutschen Plätzen einfallen und sich hier also in einem gewissen Umfang mehr oder weniger heimisch fühlen können.Meine Damen und Herren, die Maßnahmen, die die Bundesregierung zur Erhöhung der Flugsicherheitslage der F 104 ergriffen hat, gliedern sich in zwei Gruppen.Zum einen handelt es sich um Maßnahmen, die sich unmittelbar auswirken, zum anderen um Maßnahmen, die auf lange Sicht eine Konsolidierung bewirken.Zu der ersten Gruppe gehört auf dem technischen Gebiet insbesondere die Durchführung technischer Änderungen auf Grund neuer Erkenntnisse. Wenn ein Fehler festgestellt wurde, der die Flugsicherheit beeinträchtigen und möglicherweise bei einer ganzen Baugruppe von Flugzeugen gleichermaßen vorhanden sein konnte, wurde die gesamte Baugruppe bis zur Überprüfung oder Beseitigung des Fehlers gesperrt, wie z. B. im vorigen Jahr, als anläßlich einer Industrie-Grundüberholung festgestellt wurde, daß bei einer Servosteuerung ein Bolzen nicht vorschriftsmäßig abgesichert war. Die Bundeswehr ist bestrebt, Änderungen, die zwar der Verbesserung, aber nicht unmittelbar der Erhöhung der Flugsicherheit dienen, zurückzustellen, um sie erst bei einer turnusmäßigen Grundüberholung durchführen zu lassen. Aus diesem Grunde ist im Juni 1963 das Technische Büro F 104 eingerichtet worden, das den jeweiligen Änderungszustand eines jeden Starfighters ausweist.Einige der Hauptänderungen darf ich hier einmal erwähnen. Die eine betrifft das sogenannte Schubdüsennotschließsystem. Seit 1963 verfolgen wir mit der Arbeitsgruppe der Konsortialländer, also mit den anderen Dreien zusammen, diese Frage. Dieser Gruppe obliegt die Behandlung, Abstimmung, Beschlußfassung und Einleitung aller Änderungen an Zelle, Triebwerk und Elektronik.Hierher gehört z. B. auch die lange im Verteidigungsausschuß behandelte Frage des Schleudersitzes C 2, die seit November 1963 im Konsortium behandelt, aber erst im November 1965 abgeschlossen wurde, nachdem der Bundesminister der Verteidigung im Oktober 1965 die Durchführung der Verbesserung ohne Rücksicht darauf angeordnet hatte, wie sich die Konsortialpartner entscheiden.Auf dem Gebiet der Infrastruktur ist ein umfangreiches Sonderinfrastrukturprogramm durchgeführt worden, nachdem am 27. Januar 1963 die Zustimmung der NATO hierzu hatte erreicht werden können. Es handelt sich um Elektronikwerkstattgebäude und Triebwerk-Werkstattgebäude, um Fragen der Sicherheit der eigentlichen Startbahn durch Aufbringen eines Antiskit-Belags, durch Ausbau der Schultern, usw. usf. Diese Arbeiten sind zu einem Teil bereits abgeschlossen. Zum anderen Teil werden sie in einem überschaubaren Zeitraum — 1966 und 1967 — beendet.Der deutsche Antrag auf Unterstellhallen für Starfighter-Flugzeuge wurde aber abgelehnt. Die Ansichten über den Wert von Unterstellhallen gehen heute noch auseinander. So hat erst kürzlich der Leiter der amerikanischen Stiftung für Flugsicherheit, Generalmajor a. D. Caldara, in einem Interview den Standpunkt vertreten, daß es sogar gefährlich sei, Flugzeuge über Nacht in geheizten Hallen abzustellen und sie dann zum Einsatz in die Kälte zu holen. Auch sieht das taktische Konzept grundsätzlich im Frieden für die Abstellung der Flugzeuge die Einsatzverhältnisse eines Spannungsfalles vor. Der Bundesminister der Verteidigung hat sich jedoch, um alles Erdenkliche zur Erhöhung der Flugsicherheit zu tun, im Januar 1966 entschlossen, eine größere Zahl von Unterstellhallen für Starfighter noch in diesem Jahr zu errichten, und zwar ohne Finanzierung durch die NATO. Das Ergebnis dieses Versuches aber bleibt abzuwarten.Nun haben Sie ein paar Vorschläge zu organisatorischen Fragen gemacht. Auf organisatorischem Gebiete hat die Bundeswehr frühzeitig, nämlich 1959, die erforderlichen Sonderdienststellen eingerichtet, darunter im Juli 1960 einen „Arbeitsstab F 104" beim Inspekteur der Luftwaffe. Bei der günstigen Entwicklung dieses Waffensystems in der Umrüstung ist im Jahre 1964 dieser Fachstab F 104 aufgelöst worden, weil alle Fachkräfte .der Meinung waren, man habe die F 104 „im Griff". Die erneute Einrichtung dieses Stabes infolge der im Jahre 1965 aufgetretenen Schwierigkeiten ist durch eine Entscheidung von mir am 19. November 1965 angeordnet worden.Unter den organisatorischen Maßnahmen, die die Truppe unmittelbar berühren, ist, wie vorhin schon dargelegt, insbesondere 'die Reduzierung des Aufstellungsplans um drei Geschwader, also etwa um ein Viertel, im Jahre 1962 zu nennen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1541
Bundesminister von HasselDie Umgliederung der Luftwaffenführung im Jahre 1964 und die Straffung der fachdienstlichen Aufsicht durch neu geschaffene Dienststellen beim Luftwaffenamt im Jahre 1963 verdienen hierbei Erwähnung, weil sie alle zu diesem Thema gehören.Bereits 1960 wurden innerhalb der Geschwader Umgliederungen vorgenommen, die die fliegenden Staffeln von der Technik und von der Wartung trennen, sie also entlasten.Im Jahre 1964 wurden Verhandlungen mit der Industrie mit dem Ziel der vollen Übernahme der Materialerhaltungsstufen 3 und 4 durch die deutsche Luftfahrtindustrie aufgenommen. Die Vertrage sind abgeschlossen. Die Bundeswehr strebt an, die Truppe auch bei der Materialerhaltungsstufe 2, soweit dies aus Einsatzgründen möglich ist, durch ziviles Personal zu entlasten. Ein entsprechendes Gutachten wird durch eine amerikanische Firma gegenwärtig erstellt. Sie wissen .aber, daß die Angebote der Industrie, die uns im vorigen Jahr gemacht wurden, nicht angenommen werden konnten.Der Überwindung des personellen Engpasses gilt ein umfangreicher Katalog von Maßnahmen, die sich jedoch nicht kurzfristig auswirken können. Diese Maßnahmen kennzeichnen im besonderen die Anfang 1963 vom Bundesministerium der Verteidigung für die Bundeswehr befohlene Konsolidierungsphase. Die Maßnahmen gehen von der Einführung eines modernen Einziehungsverfahrens, von der Abstellung des blinden Lossystems, von der Zurückstellung oder der Streckung von Aufstellungszielen über die Einschränkung der Versetzungshäufigkeit, die Verbesserung und Vertielung der Ausbildung bis zur Verlegung des bisher dienstzeitbegleitenden Unterrichts in den Bundeswehrfachschulen zum Dienstzeitende und der Einschränkung von Kommandierungen und Lehrgängen, bei der Luftwaffe allein um, 'ich glaube, 25 oder 27%, um zu verhindern, daß durch zu viele Kommandierungen der Ist-Bestand der Einheiten zu gering ist.Wir haben versucht, den Soldaten die beste Ausbildung, die beste Weiterbildung und allgemein die Bildung überhaupt zu vermitteln. Je besser wir unsere Soldaten aber ausbilden, desto attraktiver werden sie für die Abwerbung, für die Abwerber, die unsere gut ausgebildeten Soldaten bei Ablauf der Verpflichtungsprämien zur Füllung der Lücken in der Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst gern übernehmen. Und dennoch wird die Bundesregierung diesen Weg der guten Bildung, Weiterbildung und Ausbildung fortsetzen — konsequent fortsetzen. Es handelt sich hierbei außerdem um eine ganze Reihe von unorthodoxen Maßnahmen, z. B. in der Staffel um die Umkehr des Stellenplans — viele Leutnante, wenig Hauptleute — in das Gegenteil: ein Leutnant, zwei Hauptleute. Es geht in Richtung auf die Verbesserung der Laufbahnbedingungen, auf die Erhöhung der Unfallentschädigung, auf die Zulagen für das technische Personal, das fliegende Personal — wie ich es vorhin einmal ganz kurz dargestellt habe.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung glaubt, dargetan zu haben, daß nichts unversucht gelassen worden ist, die Umrüstung auf das Starfighter-Waffensystem unter größtmöglicher Begrenzung des nun einmal mit der modernen Technik verbundenen Risikos durchzuführen. Es ist selbstverständlich, daß die Regierung und die Bundeswehr beim Anlaufen der Umrüstung noch nicht in der Lage sein konnten, die bevorstehenden Schwierigkeiten in vollem Umfang zu übersehen. Der Prozeß, diese Probleme zu lösen, ist seit langem in vollem Gang. Dabei haben auch Bundesregierung und Bundeswehr- selbst Erfahrungen gewonnen und daraus Lehren gezogen.Auf Grund dieser Erkenntnisse — um zwei zu nennen — glaubt die Bundesregierung, daß der Starfighter das letzte Waffensystem seiner Art ist, das noch von einem einzelnen Menschen beherrscht werden kann. Die bedeutendste Lehre ist, daß die Nachfolge dieses Flugzeuges nicht so früh eingeführt werden wird, wie die Planung es zu Anfang dieses Jahrzehnts vorgesehen hat. Die Umrüstung auf ein Nachfolgemuster wird die Bundeswehr im Rahmen ihrer nach amerikanischem Vorbild eingerichteten langfristigen Planung deshalb nicht vor Mitte der 70er Jahre in Erwägung ziehen. Sie ist aber nicht frei in ihrer Entscheidung; denn das letzte Wort über Stärke und Art der Rüstung hängt von dem ab, wofür sich der potentielle Gegner entscheidet.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung glaubt sich mit dem Hohen Hause einig, wenn sie abschließend der Luftwaffenführung ihr volles Vertrauen ausspricht.
Sie anerkennt das Bemühen und die Arbeit aller, gleich welchen Ranges, im militärischen und im zivilen Bereich, die das Menschenmögliche tun, um das schwierige Problem zu meistern, das sich vielfach, aber auch zwangsläufig durch modernste Rüstung und den Schritt in die Technik von morgen ergibt. Sie schließt in diese Anerkennung Arbeit und Leistung der deutschen Luftfahrtindustrie ein. Sie spricht vor allem unseren Piloten des Waffensystems F 104 für ihre Haltung, ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft ihre Anerkennung aus.
Diese Männer, die bereits im Frieden unter Einsatz ihres Lebens ihre Pflicht für Sicherheit und Freiheit des Vaterlandes tun, verdienen Achtung und Respekt unseres Volkes.
Ich danke dem Herrn Bundesminister.Wir treten nunmehr in die Mittagspause ein. Die Mittagspause ist um 15 Uhr beendet.Ich unterbreche die Sitzung.
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1542 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
I Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden. Ich nehme an, daß das dem Hause schon mitgeteilt worden ist. Es ist ein Einvernehmen darüber herbeigeführt worden, daß die Verabschiedung dieser beiden Punkte jetzt sogleich vorgenommen und erst danach in der Debatte fortgefahren werden soll.Es handelt sich um den zurückgestellten Punkt 3, sodann um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 22. März 1965 über die Verlängerung des Internationalen Weizenübereinkommens 1962, schließlich um die Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährungs, Landwirtschaft und Forsten über Vorschläge der Kommission der EWG für Verordnungen des Rats betreffend Butter. — Das Haus ist mit der Erweiterung der Tagesordnung einverstanden.Dann rufe ich zunächst Punkt 3 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. November 1965 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel über die Rückzahlung der Reichsmarkanlagen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Deutschland — Drucksache V/330 —a) Bericht des Haushaltsausschuses gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache V/470 —Berichterstatter: Abgeordneter Windelenb) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses
— Drucksache V/447 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Schmid-Burgk
Ich frage die Herren Berichterstatter, ob sie das Wort wünschen, zunächst den Berichterstatter des Haushaltsausschusses, Herrn Abgeordneten Windelen — er verzichtet —, dann den Berichterstatter des Finanzausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt-Burgk — er verzichtet ebenfalls.Ich rufe in zweiter Beratung die Art. 1, — 2, —3, — Einleitung und Überschrift auf. — Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Dritte Beratung.Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldung. Wer in der dritten Lesung dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Auch in dritter Lesung einstimmig angenommen.Dann rufe ich den neu aufgenommenen Tagesordnungspunkt auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 22. März 1965 über die Verlängerung des Internationalen Weizenübereinkommens 1962— Drucksache V/403 —Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
— Drucksache V/469 —Berichterstatter: Abgeordneter Schröder
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zu nehmen wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet.Zweite Lesung. Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — In zweiter Lesung angenommen.Dritte Beratung.Allgemeine Aussprache. — Keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — In dritter Lesung angenommen.Schließlich der letzte neu aufgenommene Punkt: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG für eine Verordnung des Rats über besondere Maßnahmen zum Absatz der Butter in privater Lagerhaltung —— Drucksache V/16 —eine Verordnung des Rats über die Festsetzung der Höhe der Beihilfen für die private Lagerhaltung von Butter— Drucksache V/165 —eine Verordnung des Rats über besondere Maßnahmen betreffend die Aufkäufe von Butter aus privater Lagerhaltung durch die InterventionsstellenDrucksache V/338 —— Drucksache V/471 —Berichterstatter: Abgeordneter KrugIch frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. — Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wer dem Ausschußantrag auf Drucksache V//471 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1543
Präsident D. Dr. GerstenmaierDamit, meine Damen und Herren, kehren wir zu Punkt 5 der Tagesordnung zurück.Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Schmidt !
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe des Vormittags hat jemand allen Piloten des Waffensystems F 104 G für ihre Haltung, ihren Mut, ihre Einsatzbereitschaft Anerkennung gezollt und hat gesagt, daß diese Männer, die bereits im Frieden unter Einsatz ihres Lebens ihre Pflicht für Sicherheit und Freiheit des Vaterlandes tun, Achtung und Respekt unseres Volkes verdienen. Meine Freunde und ich würden sehr gern, weil es unserer Überzeugung entsprochen hätte, diesem Ausdruck der Anerkennung und des Respekts Beifall gezollt haben, wenn es sich nicht um den Schlußsatz einer Rede gehandelt hätte, die nun allerdings nicht den mindesten Beifall von unserer Seite verdiente.
Die Antwort, die Herr von Hassel auf die Große Anfrage gegeben hat, teile ich in drei Teile. Der erste Teil ist derjenige, in dem er wirklich versucht hat, zur Sache zu antworten; darauf komme ich zurück. Der zweite, sehr viel größere Teil war alles mögliche andere, was zur Sache nicht gehörte
und was eine große Zahl von Details ausbreitete, die vom eigentlichen Thema ablenken sollten.
Und der dritte Teil — —
— Ich höre den Herrn Haase schon wieder Zwischenrufe machen. Sie sind offenbar Fachmann für alles, Herr Haase.
Und der dritte Teil der Rede des Herrn von Hassel
— ein relativ kleiner Teil — war weder Antwort noch zur Sache; er war einfach nur unanständig.
— Von dem Herrn Rasner möchte ich wirklich ein einziges Mal eine Rede zur Sache hören. Sie sind wirklich nur ein Scharfmacher, Herr Rasner, weiter gar nichts.
Aber damit Sie Gelegenheit bekommen, zu kontrollieren, was hier gemeint war, verlese ich den entsprechenden Satz aus der Rede des Herrn von Hassel. Herr von Hassel hat wörtlich ausgeführt:
Die Bundesregierung bedauert besonders, daß die von der SPD-Fraktion mit ihrer Unterstellung von Pflichtversäumnissen geübte ungerechtfertigte Kritik an der Bundesregierung und insbesondere am Bundesminister der Verteidigung sich gleichzeitig gegen die Luftwaffenführung richtet sowie gegen die vielen tausend Soldaten, Beamten, Angestellten und Arbeiter, die innerhalb und außerhalb der Bundeswehr in entsagungsvollem persönlichem Einsatz ihr Bestes tun.
Diese Bemerkung, Herr von Hassel, hat ihre Qualifikation vorhin in der Plenardebatte schon erhalten. Ich bin froh, daß diese Qualifikation im Protokoll des Bundestages enthalten sein wird.
Ich nenne es eine Unanständigkeit sondergleichen, meinen Freunden und mir zu unterstellen, daß, wenn wir Sie angreifen, wir damit gleichzeitig die Soldaten oder die Arbeiter oder die Angestellten oder alles, was zur Bundeswehr gehört, meinten. Sie haben gar kein Recht,
Sie haben nicht das mindeste Recht, die Angehörigen der Bundeswehr,
Sie haben nicht das mindeste Recht, die Angehörigen der Bundeswehr mit ihrer eigenen, höchst unwichtigen Person zu identifizieren.
Einen Augenblick! Meine Herren, zügeln Sie Ihre Entrüstung, sonst kann der Präsident da oben überhaupt nichts mehr sagen; er ist darin sowieso sehr beschränkt.
Nun ein Wort an den Herrn Redner.
Herr Abgeordneter, sachliche Auseinandersetzungen, möglichst ohne persönliche — na, sagen wir mal — Ausfälle, das ist der Stil des Hauses. Ich darf bitten, an diesem Stil festzuhalten.
Wissen Sie, meine Herren: Ordnungsrufe und so, das kommt mir allmählich archaisch vor. Das Niveau dieses Hauses muß so sein, daß man von selber weiß, was man tun kann.
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1544 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Präsident D. Dr. Gerstenmaier Bitte, fahren Sie fort!
— Ja, ich weiß!Bitte, fahren Sie fort!
Meine Damen und Herren, soviel über den unanständigen Teil der Rede von Herrn von Hassel.
Und jetzt zur Antwort, soweit sie zur Sache gesprochen war. Wir hatten fünf Fragen gestellt. Die erste Frage war, ob die Bundesregierung die gegenwärtige Zahl der Starfighter-Unfälle für normal oder erträglich ansieht. Ich begrüße, daß Herr von Hassel diese Frage mindestens zur Hälfte klar beantwortet hat. Er hat gesagt, seit dem Sommer 1965 handle es sich um eine anomale Unfallrate. Er hat nicht gesagt, von welchem Maßstab aus gemessen. Die Frage, ob erträglich, hat er nicht beantwortet.Im zweiten Punkt war er gefragt worden, seit wann er sich darüber klar sei, daß diese Unfallrate anomal und unerträglich sei. Diese Frage ist nicht beantwortet worden.
Die dritte Frage, wer die Verantwortung dafür trage, daß eine große Zahl der vielen Einzelmaßnahmen, die der Herr von Hassel, der Herr Draeger und auch der Herr Rommerskirchen im Laufe dieses Vormittags hier ausgebreitet haben, erst jetzt in diesem Winter und in diesem Frühjahr auf den Tisch gekommen ist — das heißt: in Wirklichkeit sind sie noch nicht auf dem Tisch, wir sind noch nicht im Besitz einer einzigen Gesetzesvorlage —,
diese Frage hat Herr von Hassel nicht beantwortet.
— Ich verstehe nicht, wie Sie darüber lachen können.Herr von Hassel hat ausgeführt, lange vor der Kleinen Anfrage meiner Fraktion seien Sie sich über die Zielsetzung Ihrer Maßnahmen bereits im klaren gewesen, also mindestens bereits Oktober vorigen Jahres. Wieso kann er von Oktober bis März — nachdem er gleichzeitig im Ausschuß gesagt hat, für einige dieser Dinge brauchte er allerdings Gesetzesbeschlüsse des Parlaments — diese Gesetzesvorlagen im Parlament nicht vorlegen? Das ist mir unerfindlich, es sei denn, daß er sich in Wirklichkeit im Oktober eben nicht darüber im klaren gewesen ist.
Jedenfalls hat er diesen Punkt der Anfrage nicht beantwortet.Auf den vierten Punkt unserer Anfrage ist eine Antwort versucht worden. Wir hatten gefragt, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Unfallquote im Jahre 1966 wesentlich niedriger liegen würde als im Jahre 1965. Hier ist eine Antwort versucht worden, d. h., man hat ein bißchen drum herum geredet. Eine klare Prognose hat er nicht abgegeben. Ich habe dafür Verständnis.
Ich habe dafür absolutes Verständnis, weil er nichtsicher sein kann, daß alles, was er an Maßnahmeneinleitet, sich in dieser kurzen Zeit schon auswirkt.
Die Frage Nummer 5, ob im Laufe dieses Jahres 1966 .der Klarstand dieser Flugzeuge so weit gehoben werden könne, daß im Durchschnitt mindestens 30 °h. immer einsatzfähig sein würden, hat Herr von Hassel negativ beantwortet.Ich muß sagen, insgesamt sind die Antworten auf unsere Große Anfrage für uns in keiner Weise befriedigend ausgefallen.Ich möchte mich ein paar der Ausführungen zuwenden, die Herr von Hassel im Laufe seiner anderthalbstündigen Rede gemacht hat. Er hat zum Teil darauf hingewiesen, daß der überstürzte Zulauf von Flugzeugen in die Verbände einerseits mit NATO- Rats-Beschlüssen oder NATO-Forderungen und zum anderen damit zu tun gehabt habe, daß es im Aufbauinteresse der Industrie gelegen habe, so schnell und so viel wie möglich Flugzeuge zu produzieren. Das ist keine besonders befriedigende Antwort, Herr von Hassel. Es ist ja- nicht so, daß die Industrie Ihnen die Liefertermine diktiert, sondern Sie sind doch derjenige, der die Liefertermine festsetzt.
— Ich würde das hier herauslassen.
Sie haben sodann — um auf die Entschuldigung mit der NATO zurückzukommen —, wie ich meine, nicht ganz korrekt argumentiert. Es ist ja nicht so, daß der NATO-Rat etwas beschließen kann, was Sie für die deutsche Bundeswehr nicht oder noch nicht oder noch nicht in diesem Ausmaß für durchführbar halten. NATO-Rats-Beschlüsse erfordern Einstimmigkeit. Es ist also keineswegs so, daß die NATO Ihnen etwas oktroyieren kann — das hat sie auch gar nicht getan —, dem Sie nicht selber vorher zugestimmt haben.Mir scheint, daß Sie sich nach wie vor gegenüber drei Punkten rechtfertigen müssen. Erstens müssen Sie sich gegenüber einer unzureichenden Gesamtorganisation an der Spitze rechtfertigen, die es nicht ermöglicht hat, eintretende Gefährdungen rechtzeitig zu erkennen, die es nicht ermöglicht hat, den Ursachen rechtzeitig zu Leibe zu rücken. Sie müssen sich zweitens gegenüber dem Vorwurf verantworten, daß Sie das Gesamtaggregat der Teilstreitkraft
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Luftwaffe und darüber hinaus einige andere Einrichtungen Ihres Ministeriums in personeller, technischer, logistischer und infrastruktureller Hinsicht überfordert haben. Sie haben sich drittens gegenüber dem Vorwurf unwahrer Auskunftserteilung vor dem Deutschen Bundestag zu rechtfertigen. Ich komme gleich auf alle drei Punkte zurück.Zunächst darf ich aber in die Bewertung der gegenwärtigen Situation eintreten. Dazu braucht niemand Mitglied des Verteidigungsausschusses zu sein. Dazu gehört nur ein ganz klein wenig Fleiß beim Lesen der Zeitschriften und Zeitungen in der ganzen Welt. Ich lese mit Genehmigung des Präsidenten ein paar Sätze vor, die ich heute morgen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung fand. Sie stammen aus der Feder von Adelbert Weinstein, einem der anerkannten Militärjournalisten, die es in Deutschland gibt, und jedenfalls einem guten Bekannten des vorigen Verteidigungsministers. Herr Weinstein schreibt:Es liegt nicht am Starfighter.— Ich glaube, er hat recht. — Es liegt keinesfalls immer an den Piloten.— Ich glaube, er hat recht. — Es liegt an der Organisation.— Ich glaube, er hat recht.In seinem Aufsatz schreibt er etwas später:Die F 104 ist die gefährdete Spitze einer breiten logistischen Ordnung, die morsch ist.Zum Schluß schreibt er: Ohne einen soliden Stamm— das bezieht sich auf das Stammpersonal in den fliegenden Verbänden, insbesondere auf das Wartungspersonal —kann das Waffensystem der F 104 G nicht unterhalten werden.
Ich darf mir hierzu eine Randbemerkung gestatten. Ich muß der Sorge Ausdruck geben, daß unsere militärfachlich zwar schimmerlose, dafür aber besonders schneidige Bundesanwaltschaft jetzt wahrscheinlich wieder prüft, ob Herr Weinstein hier abermals ein Staatsgeheimnis mitgeteilt hat, wenn er sagt, es liege an der Organisation.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schmidt, wenn Sie schon diesen Artikel des Herrn Weinstein zitieren, wären Sie bereit, dann auch die letzten beiden Sätze dieses Artikels vorzulesen?
Ja, ich bin gern bereit. Ich lese Ihnen den ganzen letzten Absatz vor:Die F 104 ist die gefährdete Spitze einer breiten logistischen Ordnung, die morsch ist. Die Menschen sind falsch angesetzt. Die amerikanische Luftwaffe hat 12,4 Prozent Offiziere, die Bundesluftwaffe aber 6,3 Prozent. Amerikas Luftwaffe hat ein Soll von 73 Prozent Unteroffizieren und ein Ist von 63,4 Prozent. In Amerika beträgt die kürzeste Verpflichtung von Luftwaffenangehörigen vier Jahre. In unserer Luftwaffe gibt es rund 25 Prozent Unteroffiziere; und 25 Prozent der Soldaten bleiben drei Jahre dabei; 42 Prozent der Luftwaffensoldaten dienen nur achtzehn Monate. Ohne einen soliden Stamm kann das Waffensystem der F 104 G nicht unterhalten werden. Die Unfälle zeigen es.Und jetzt kommt der Satz, auf den Sie Wert legen:Deshalb ist die Starfighter-Affäre keine politische Angelegenheit.
— Ich hätte nichts dagegen, es so aufzufassen; ich wäre durchaus dafür, es auffassen zu wollen als eine Angelegenheit unzureichender militärfachlicher Führung in der Spitze des Ministeriums. Ich wäre durchaus bereit.
Aber Herr Weinstein ist nicht der einzige Urteilskräftige, der sich zu diesem Thema äußert. Ich lese— mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — au: der „New York Herald Tribune" von vorgestern Dort steht:In fact, the "Starfighter scandal", as it has come to be known,— nicht unser Ausdruck, sondern der Ausdruck dei Amerikaner —is the most serious crisis the 11 year old Wes. German armed forces have ever had to face.
— Mir wird zugerufen, ich solle es übersetzen. Mi Vergnügen!
— Mit Vergnügen
Tatsächlich, der „Starfighter-Skandal", wie e: genannt worden ist, stellt die schwierigste, die ernsthafteste Krise dar, der die elf Jahre alte deutsche Armee jemals gegenübergestanden hat.Und dann geht es weiter:Ernste Zweifel müssen erhoben werden über di( Gefechtstüchtigkeit der Deutschen, die nunmehr eine wichtige Rolle in der Nordatlantikpakt Organisation und in ihrem Counterstrike-Plan
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spielen. Die Situation wirft ein unangenehmesLicht auf die Kampfkraft der NATO als Ganzes.So steht es hier.Das ist also „New York Herald Tribune". Das hat dann am nächsten Tage in Amerika zu besorgten Anfragen an das amerikanische Verteidigungsministerium geführt, und Sie können heute in der Welt lesen, was das amerikanische Verteidigungsministerium darauf geantwortet hat, nämlich: Auf Anfragen erklärte das US-Verteidigungsministerium gestern, daß die vergleichbare amerikanische Unfallrate bei Starfighter wesentlich geringer sei. — Sie können in der Zeitung einen Tag früher das lesen, was Herr von Hassel dem Ausschuß gegenüber als geheim erklärt hat, nämlich die Starfighter-Unfallraten anderer NATO-Länder. Im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages ist das geheim, aber in der „Welt" steht es, und es ist ja in den Ländern, in denen es passiert ist, auch gar nicht geheim.Ich möchte hier sagen, daß kein Zweifel daran besteht, daß es innerhalb der NATO keinen Staat gibt, der die F 104 G fliegt, der eine so hohe Unfallrate damit hat und so hohe Totalverluste wie wir.Aber ich möchte ganz gern, daß auch diejenigen, die nicht im Verteidigungsausschuß gesessen haben, wirklich das Gefühl bekommen, daß man sich über die Sache ein Urteil bilden kann, ohne alle die Details zu kennen; deswegen komme ich noch auf zwei oder drei andere Pressestimmen zurück.Ein Mann, den die Verteidigungsexperten alle seit Jahr und Tag kennen, Lothar Ruehl, schrieb vor kurzer Zeit:Die Frage lautet in Wahrheit nicht, ob die Luftwaffe recht daran getan hat, den Starfighter als Hauptwaffe zu wählen. Vielmehr hat der Starfighter-Flugbetrieb eine in den ersten Jahren des Aufbaus verborgen gebliebene Tatsache bloßgelegt ... Ein Land, das den unerläßlichen Aufwand scheut, um eine leistungsfähige Betriebstechnik, eine industrielle Basis, einen dem Bedarf angemessenen Personalbestand für solche komplizierten und anspruchsvollen Waffensysteme zu schaffen, ein Land, das versäumt, eine Elite qualifizierter Piloten und Techniker auszubilden und im Dienst zu halten, muß entweder auf solche Flugzeuge verzichten oder dafür mit Blut bezahlen.So ist es gekommen. — Und etwas später heißt es bei Lothar Ruehl:Die Organisationsmethoden, die technische Kapazität, die Verwaltungspraxis, die Haushaltsplanung haben sich am Starfighter als ungenügend erwiesen.Mein Eindruck ist, daß alle diese Urteile zutreffend sind, Herr von Hassel.Oder um eine der Regierung etwas — nein, das kann man wohl nicht sagen, freundlich, oder doch, ja — freundlich gegenüberstehende Zeitung am Schluß noch zu zitieren: Die „Frankfurter Allgemeine" schrieb vor ein paar Tagen am Ende eines sorgfältigen Aufsatzes:... es ist nicht aus der Welt zu schaffen, daß die meisten Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die Flugsicherheit und die Einsatzbereitschaft des „Starfighters" zu erhöhen, erst eingeleitet worden sind, nachdem in der Öffentlichkeit Alarm geschlagen worden ist.Sie haben sicherlich, Herr von Hassel, vorhin Ihre eigene Fraktion völlig davon überzeugt, daß Sie das alles schon vorher gewußt haben; die Frankfurter Allgemeine Zeitung haben Sie diesmal nicht überzeugt.
Eine weitere Stimme aus einem der besten Fachblätter, die wir in Deutschland auf diesem Gebiet besitzen, aus Wehr und Wirtschaft ! Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich aus der Märzausgabe zitieren.
— Es tut mir leid; es ist unendlich viel sachlicher, wenn ich hier die Meinung von Fachleuten vortrage, als wenn ich mir anhören muß, was Herr von Hassel hier sagt.
Niemand wird bestreiten können, daß es sich hier um einen sachlich-fachlichen Vortrag handelt. — Wehr und Wirtschaft" schreibt in ihrer Märzausgabe, nachdem sie sich schon viele Male mit dem Problem beschäftigt und viele Aufsätze unter den verschiedensten Aspekten zu dem Problem veröffentlicht hat:Die Anzahl der 'beschafften Starfighter ... stand unid steht auch heute noch nicht in einem realen Verhältnis zu den verfügbaren personellen und technischen Kapazitäten der deutschen Luftwaffe. Die Truppe wurde von der Politik in jeder Beziehung überfordert. Mit einem neu entwickelten Flugzeug, denn das ist unbestreitbar die F-104 G Super Starfighter, kann man nicht innerhalb von drei bis vier Jahren die auferlegten Einsatzaufgaben einer modernen taktischen Luftwaffe übernehmen, wenn die neugebildete Luftwaffenorganisation selbst noch im Wachstum begriffen ist.Nicht das technische System ,des Starfighters ist anzuprangern, sondern das Wie der Beschaffung und die überstürzt fest in Autrag gegebene Anzahl ... Bei einem geringeren Auftragsvolumen mit entsprechenden Optionen hätten sich die heute schier unüberwindbar erscheinenden Schwierigkeiten bei der deutschen Luftwaffe jedenfalls vermeiden lassen.Herr Präsident, erlauben Sie mir, eine letzte Stimme zu zitieren, diesmal aus London, aus dem Daily Telegraph" von gestern, — nur einen einzigen Satz aus der Feder seines Air Correspondent. Die englischen Zeitungen haben ja eigene Redakteure für Marinefragen, für Luftwaffenfragen, für Heeresfragen. Hier ist es also der für Luftwaffenfragen zuständige Korrespondent des „Daily Telegraph". Er hat selbst hier in Deutschland — er
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ist Pilot — ,eine Starfighter-Maschine der Bundeswehr geflogen, hat sich also auch selbst umgesehen. Er schreibt im Rahmen eines Aufsatzes — es tut mir leid, .die Zeitung ist in Englisch geschrieben —: This is a record of unparalleled disaster for a modern air force, oder auf deutsch: „Dies ist der Bericht über ein unvergleichliches Unglück einer modernen Luftwaffe." Ich zitiere das nur, damit wir uns klar darüber sind, wie draußen in der Welt die Bedeutung dieses Problems gesehen wird, —nicht nur so, wie es heute vormittag schien.
— Bitte sehr!
Herr Kollege Schmidt, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß in dem von Ihnen zitierten Artikel von Lothar Ruehl u. a. — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten — die Feststellung getroffen ist:
Die Luftwaffe hat mit der F-104 nach zehnjähriger Zwangspause einen Start ins Ungewisse wagen müssen, um eine Entwicklung einzuholen, die über Deutschland hinweggegangen war. Dieses Experiment war riskant und kostspielig. Aber es war trotz allem richtig, ganz abgesehen davon, daß die NATO von der Bundesrepublik sofort einen großen Verteidigungsbeitrag ohne ausreichende Aufbauzeit verlangt hatte.
lind die weitere Feststellung:
Heute sind die deutsche Luftwaffe und die deutsche Luftfahrtindustrie dem Anschluß an das internationale Niveau nahegekommen — dank der F-104.
Dazu die zusätzliche Frage: Sind Sie der Meinung, daß es ein guter Stil ist, aus allen möglichen Artikeln nur das zusammenzulesen, was Ihnen zupaß kommt, und das andere zu verschweigen?
Zunächst, Herr Kollege, muß ich mich gegen den Vorwurf wehren, ich würde etwas zitieren, was mir zupaß käme. Mir kommt diese Starfighter-Tragödie weiß Gott nicht zupaß.
Selbstverständlich habe ich den Artikel von Ruehl ganz gelesen. Ich habe mit ihm darüber gesprochen, und ich unterstreiche durchaus alles, was in diesem Artikel steht,
auch das, was Sie vorgelesen haben.
Ich habe nicht im mindesten kritisiert, daß derStarfighter ausgewählt wurde. Dieses Thema ist ausgestanden.
Ich habe damals, vor acht Jahren, der Beschaffung nicht zugestimmt, weil ich das Gefühl hatte: man darf nicht eine so große Zahl von Flugzeugen kaufen, wenn es noch nicht ein einziges davon gibt, das wirklich fliegt. Ich verstehe nicht viel von Flugzeugen, aber das war mein Gefühl hier im Verteidigungsausschuß vor acht Jahren. Doch ich will das nicht mehr kritisieren; das ist ja schon lange her. Hier kommt es darauf an, daß man, wenn man ein solches Flugzeug in so großer Zahl kauft, auch die übrigen Vorkehrungen treffen muß, und da hat Herr Ruehl recht — daran ist nicht zu deuteln —, so wie in allen seinen Feststellungen.Lassen Sie mich auf einige Bemerkungen von Herrn von Hassel eingehen, zunächst auf das, was er in der ersten Sitzung des Ausschusses hat vortragen lassen. Auf Seite 1 des schriftlich erstatteten Berichts — nicht des geheimen, sondern des offenen Teils — heißt es:Die derzeitige Unruhe in der Offentlichkeit über die häufigen Unfälle ist nicht begründet.Das ist die Auffassung des Verteidigungsministeriums. Danach ist die Sache zwar anomal — so hat Herr von Hassel heute gesagt, aber die Unruhe über diese Anomalie „ist nicht begründet". Sie müssen doch selber spüren, daß die Konsistenz, der Zusammenhang fehlt, wenn ich mich sehr vorsichtig so ausdrücken darf.
Was muß eigentlich passieren, Herr von Hassel, damit Sie endlich unruhig werden?
Ich sagte, Herr von Hassel — wo ist er denn geblieben? —
habe sich in drei Punkten zu verantworten, und ich will nur zu diesen drei Punkten reden. Für alle fachlichen Details hat sich eine ganze Garnitur von meinen Kollegen bereitgemacht, damit hier über alles gesprochen werden kann. Ich rede nur zu diesen drei Punkten und fange bei dem ersten an: un-wahrhafte Auskunfterteilung gegenüber dem Deutschen Bundestag.
Herr von Hassel hat am 21. Januar 1965, also vor rund einem Jahr, im Streit mit dem Kollegen Wienand — ich benutze die Gelegenheit, eine Fußnote anzubringen: der Kollege Wienand hat sich in jener Debatte ein Verdienst damit erworben, daß er damals den Finger auf diese Wunde gelegt hat —
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folgendes ausgeführt: Das, was der Herr Wienand über die — damalige — Einsatzfähigkeit des Starfighters gesagt habe — nicht über das Waffensystem! —, sei nicht nur falsch, sondern „in höchstem Maße verantwortungslos". Die Behauptung, die Starfighter seien — damals — allenfalls bedingt einsatzbereit, sei „in höchstem Maße verantwortungslos".Herr von Hassel, nun muß ich Ihnen die Tatsachen vorhalten. Sie sind aus jedermann zugänglichen öffentlichen Quellen zu entnehmen. Zunächst einmal eine Niederschrift des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Danach sind Sie vor wenigen Wochen in einem Radiointerview gefragt worden, ob denn nicht ein Versäumnis daraus zu erkennen sei, daß überhaupt nur die Hälfte oder weniger als die Hälfte der 650 Starfighter einsatzfähig sei. Ihre Antwort darauf lautet — ausweislich des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung —:Es ist zunächst einmal festzuhalten, daß wir zu wenig Wartungspersonal haben. Das Wort Versäumnis ist aber ganz interessant. Ich weiß nicht, ob Sie mir einmal sagen können — jetzt darf ich einmal den Spieß umdrehen —: gibt es irgendwo in Deutschland eine technische Disziplin ..., wo es genügend Techniker gibt?Sie haben heute morgen die Ausnahme genannt: die Damenfriseure. Ich gebe es zu. Aber Sie haben sich um die Frage herumgedrückt. Sie haben die Frage dieses Journalisten nicht beantwortet — genausowenig wie damals gegenüber dem Kollegen Wienand.Lassen Sie uns einmal eine Daumenrechnung aufmachen. Wir haben ungefähr 800 Starfighter gekauft. So steht es in den Fachzeitschriften, und ich nehme an, daß das stimmt. Davon sind bis jetzt rund 50 total verlorengegangen. Es bleiben noch 750. Setzen wir davon rund 100 Maschinen zweisitziger Art für Schulzwecke ab, so bleiben noch 650 Maschinen.
Von diesen 650 Maschinen sind in neun Luftwaffengeschwadern und zwei Marinegeschwadern insgesamt wohl 550 Maschinen — wenn ich es richtig übersehe — einschließlich der Kreislaufreserve vorgesehen. Die restlichen 100 dürften für Schulungszwecke, Erprobung und dergleichen abgezogen werden. Von diesen 550 oder — wenn Sie die anderen 100 mitzählen — 650 Maschinen sind nun, wenn ich die Zeitungen und die Fachzeitschriften richtig lese, der NATO bisher weniger als ein Viertel assigniert worden. Von denen, die der NATO assigniert sind, sind — so konnten wir heute morgen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" lesen — weniger als 70 °/o innerhalb von sechs Stunden einsatzbereit. Der Rest wird dann wahrscheinlich im Laufe der Zeit kommen. Genauer gesagt: weniger als 20 % aller bisher beschafften Maschinen sind kriegsverwendungsfähig und einsatzbereit.Sie werden jetzt auf diese Feststellung antworten: Ja, wir sind ja im Stadium der Umrüstung; das kommt ja demnächst alles! Ich hoffe, daß es demnächst kommt. Aber deswegen hatte ich ja auch gefragt, ob es demnächst kommt. Wir hatten ja gefragt: Werden es am Ende des Jahres 1966 wenigstens 30 % sein? Darauf haben Sie eine ausweichende, nicht konkrete Antwort gegeben. Das Ergebnis meiner Überschlagsrechnung zeigt, daß man wohl annehmen darf, daß heute etwa 20 % aller vorhandenen einsitzigen Starfighter militärisch voll einsatzbereit sind, während der Rest zum Teil bedingt einsatzbereit, zum Teil in der Reparatur, zum Teil im Kreislauf, zum Teil nicht voll ausgerüstet, zum Teil ohne kriegsverwendungsfähige Piloten und — wie wir allerdings auch gehört haben -- zum kleineren Teil sogar ausgeschlachtet ist. Diese Feststellung treffe ich in bezug auf den gegenwärtigen Zeitpunkt, Herr von Hassel, nicht in bezug auf den Zeitpunkt im Januar vorigen Jahres, als Sie dem Herrn Wienand entgegengehalten haben, die seien alle voll einsatzbereit.In der damaligen Debatte hat der Herr Strauß zur gleichen Zeit gesagt: „Heute, im Januar 1965, hat die F 104 G die höchste Sicherheitsquote aller deutschen Militärflugzeuge, die höchste Sicherheitsquote aller F 104 in der NATO. Ich will mit Herrn Strauß nicht rechten; das war vor einem Jahr! Aber wenn heute, im März 1966; jemand diesen Satz wieder aussprechen wollte, einer von denen, die im Verteidigungsausschuß dabei waren, dann müßte er lügen.
— Nein, nein, ich weiß, daß Sie das nicht wiederholen wollen. Herr Strauß nickt mir 'zu; er gibt mir innerlich recht, daß er sich damals ein bißchen sehr weit vorgewagt hat.
.
Habe ich .Sie mißverstanden, Herr Strauß? —
Sie müssen in der Frageform antworten.
Darf ich fragen, Herr Kollege Schmidt, ob Sie eigentlich damals, als Sie in Hamburg Innensenator waren, die Toten der Hamburger Flutkatastrophe ein Jahr vorher vorausgesagt haben und wenn ja, warum Sie keine Vorsorge getroffen haben.
Herr Strauß, hier wurde ja nicht von irgend jemandem verlangt, daß er Sterbefälle oder Unglücke prognostizieren solle, sondern ich habe mich nur an Ihrer damaligen — wie wir heute genau wissen: völlig unzutreffenden — Feststellung gerieben, es handle sich um das unfallsicherste Flugzeug in der ganzen NATO. Wir wissen heute, daß die deutsche Luftwaffe — —
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— Ich habe ja vorhin schon gesagt, daß ich Ihnen nichts unterstellen will.
Heute würde es eine Lüge sein, wenn Sie es wiederholten.
Sie wiederholen es ja auch nicht; Sie lesen ja inzwischen schon wieder im „Spiegel".
Und jetzt kommen zwei Punkte, die mir besonders am Herzen liegen und die ebenfalls die Äußerungen des Herrn Verteidigungsministers gegenüber dem Parlament betreffen. Die gesamte Diskussion im Verteidigungsausschuß über die prozentuale Einsatzbereitschaft unserer der NATO assignierten F-104-GVerbände und die ihr zugrunde liegenden Forderungen der NATO an uns oder an unsere Verbände sind im Ausschuß für geheim erklärt worden. Sie haben Auskünfte gegeben, aber Sie haben sie für geheim erklärt. In dem Bericht des Generalleutnants Panitzki ist die entsprechende Stelle nicht enthalten. Da steht im Protokoll: „ist geheim". Sie selber, Herr Minister, haben am 10. Februar 1966 der Presse mitgeteilt —Sie machten Ihre Pressekonferenz übrigens im Fraktionssitzungsaal der SPD —,
innerhalb von sechs Stunden müßten bisher 70 O/o der Flugzeuge bereitgehalten werden, das sei nunmehr auf 58 % reduziert. Im Ausschuß war es geheim. S i e haben darüber öffentlich geredet.
Zweiter Punkt. Im Ausschuß ist von den Anstrengungen Ihres Hauses berichtet worden, vorzeitig die vorhandenen und der NATO assignierten F-84-Staffeln herauszulösen, um die Umrüstung auf 104 G beschleunigen zu können und um die Geschwader von der Einsatzbereitschaft der F 84 zu entlasten. Das ist im Ausschuß für geheim erklärt worden. Sie selber haben dann aber vor der Presse und vor der Öffentlichkeit später diese Tatsache bekanntgegeben.Es gibt dafür nur zwei Auslegungsmöglichkeiten. Entweder gehen Sie — das will ich nicht unterstellen — mit der Verschlußsachenverordnung anders um als andere, oder aber man hat in bezug auf die Geheimhaltungsnotwendigkeit seinerzeit dem Ausschuß etwas vorgemacht. Ich halte das letztere für das Wahrscheinlichere. Da ich davon spreche, daß dem Ausschuß etwas vorgemacht wurde — ich war nur eineinhalb Sitzungen anwesend, das muß ich bekennen —
— Das ist mein Vorzug: ich kann nicht in die Gefahr geraten, Geheimnisse auszuplaudern, meine Damen und Herren.
Ich habe die offen verteilten Protokolle und die offen verteilten Schriftstücke gelesen. Das allein reicht aus, um zu diesem Urteil zu kommen. Ich habe den Bericht des Herrn Kollegen Draeger gelesen, nichtnur den mündlichen heute morgen gehört, sondern den schriftlichen gelesen. Das reicht sehr weitgehend zum Urteil aus. Aber ich erinnere mich, daß in der Sitzung, an der ich teilnahm, der Kollege Schultz von der FDP — er war es, glaube ich — danach fragte, was die zuständige NATO-Behörde zu dem Starfighter-Problem geäußert habe. Die Antwort lautete: Sie hat sich nicht geäußert. Sie ist heute zitiert worden. In Herrn von Hassels Rede ist sie — AIR-CENT — genannt mit einem Zitat, das in seinen Duktus gerade hineingehörte. Und uns wurde damals gesagt: Nein, von AIRCENT ist nichts gekommen.Dann hat Herr Schultz ein bißchen gebohrt. Dann haben wir gesagt: Laßt uns doch mal den Journalisten holen, der darüber geschrieben hat. Dann kam heraus, daß die AIRCENT doch einen Brief geschrieben hatte. Der Inhalt dieses Briefes ist für vertraulich erklärt worden, aus — wie ich annehme — Rücksicht auf den Absender, der ja nicht gewollt hat, daß er hier öffentlich vorgetragen wurde. Der Brief ist dann schließlich vorgelesen worden. Allerdings, es steht genau das darin, was Sie z. B. in der „Welt" in den Aufsätzen von Lothar Ruehl lesen können, eine sehr scharfe, sehr eindeutige Kritik.Wissen Sie, das hat in mir den Eindruck hervorgerufen, wie manche spätere Vorkommnisse auch, daß es eben doch große Anstrengungen bedeutet hat, Herr von Hassel, dem Ausschuß vollen Aufschluß zu geben. Sie haben vorhin gemeint, es käme uns darauf an, möglichst nachweisen zu können, wie schlecht alles sei. Das ist nicht richtig. Sie werden mir zugeben, daß wir uns unter vier Augen — Sie lieben es ja, Gespräche preizugeben, die Sie mit jemand anders unter vier Augen gehabt haben — unterhalten haben. Sie werden sich erinnern, daß wir beide uns im Laufe dieses Frühjahrs unterhalten haben und daß wir uns darüber einig waren, daß man sich bemühen müßte, so wenig wie möglich Parteilichkeit in die Untersuchungen hineinfließen zu lassen, solange die Untersuchungen noch liefen. Ich habe mir große Mühe gegeben. Aber es ist sehr schwer für meine Freunde und für mich, anzuerkennen, daß auch Sie sich Mühe gegeben hätten in dem Sinne, weil nämlich an so vielen Stellen unterdrückt worden ist, an denen nicht hätte unterdrückt werden sollen.Der Bericht des Herrn Kollegen Draeger ist sehr vorsichtig abgefaßt, der schriftliche Bericht, — der mündliche war ein bißchen unvorsichtiger — aber der schriftliche ist sehr vorsichtig abgefaßt. Nichtsdestoweniger — blättern Sie mal darin, meine Damen und Herren! — finden Sie auf Seite 6 und 7 insgesamt die Maßnahmen, die das Bundesverteidigungsministerium angekündigt hat, um dieser Starfighter-Misere Herr zu werden. Es sind insgesamt 23 Maßnahmen, wenn ich richtig gezählt habe. Auf den nächsten beiden Seiten finden Sie 15 weitere Maßnahmen, die der Verteidigungsausschuß beantragt. Das sind zusammen 38 Maßnahmen, die nun ergriffen werden sollen, die anlaufen sollen. Das heißt, an 38 Punkten war der Ausschuß der Meinung, es sei notwendig, hervorzuheben, daß hier etwas geschehen müsse. Das macht ja die
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1550 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
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Sache so schwierig, daß es eben nicht eine einzige typische Ursache gibt. Wenn es nur eine Ursache für die Unfälle gäbe, dann könnte man der zu Leibe rücken. Das ist eben nicht so. Es sind eben Ursachen allüberall im ganzen System vorhanden. Das ganze System ist überfordert.In dem Zusammenhang ist von Herrn General Hrabak die Rede. Ich habe den Vorzug, Herrn Hrabak seit einer Reihe von Jahren zu kennen. Ich glaube, daß er ein sehr respektabler Offizier ist. Ich finde es nicht ganz gut, daß man dem Mann seine Division weggenommen hat, die er gerade erst vier Monate befehligte. Was ist das eigentlich für eine Personalwirtschaft! Die Division hat also jetzt sogar zwei Divisionkommandeure in einem Jahr. Bisher hat dort der Divisionskommandeur bloß einmal alle Jahre gewechselt. Jetzt ist das also innerhalb eines Jahres sogar zweimal der Fall. Bei einer solchen Personalwirtschaft, wo dauernd die Divisionskommandeure wechseln, können Sie doch keine Ruhe und Konsolidierung in die Truppe bringen.
— Ich will darauf noch ein bißchen näher eingehen.Wenn es . notwendig ist, diesen Sonderstab Starfighter wieder zu bilden, von dem Herr von Hassel heute vormittag sagte, man habe ihn 1964 aufgelöstund jetzt wieder gebildet, dann kann es auch notwendig sein, einen Mann wie Hrabak wieder aus der Division herauszunehmen, die er gerade erst bekommen hat, aber doch nur dann, wenn Sie ihm im Ministerium wirklich Befugnisse in die Hand geben. Er hat doch gar keine Anordnungsbefugnisse.
Er ist doch nur noch einmal wieder ein Koordinator.Ich will Ihnen vorlesen; was Herr Hrabak selber öffentlich zu seinem Auftrag gesagt hat. Ausweislich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 26. Februar hat er gesagt, er habe festgestellt, daß schon viel getan worden sei. Er habe eine Reihe von Maßnahmen angeregt. Ob diese Maßnahmen aber mit dem Nachdruck, den er sich sich vorstelle, ausgeführt würden, könne er bei der jetzigen Organisationsform noch nicht übersehen.
Ich fürchte, er hat sich sehr zutreffend ausgedrückt.
Wenn Sie einen Kommissar in der Luftwaffe einsetzen, der das in Ordnung bringen soll, Herr von Hassel, dann kann das nach meiner Vorstellung nur der General Panitzki sein. Sie können doch nicht einen der dienstjüngsten deutschen Generale für alles verantwortlich machen, .was noch in den nächsten Monaten und Quartalen kommt. Ich meine, da sind doch ganz andere „Raupenschlepper" in Ihrem Ministerium vorhanden.
Ich habe die große Sorge, daß der General Hrabak bei dieser Sache schlecht landen wird; denn Befugnisse hat man ihm nicht gegeben.Die Frage ist auch, warum eigentlich der General Hrabak erst im Januar beauftragt wurde, nachdem der Ausschuß seine Beratungen aufgenommen hat. Die Frage ist, warum Sie am Anfang der Ausschußberatungen eine Liste mit Maßnahmen vorlegten, die alle ergriffen werden sollen, dann einen Monat später eine neue Liste, die sehr viel umfangreicher war. Da war inzwischen ungefähr noch das Doppelte dazugekommen. Jetzt im März behauptet Herr von Hassel, das alles sei bereits im Herbst oder im Oktober geplant gewesen. Das kann doch, verehrter Herr Verteidigungsminister, niemandem einleuchten. Das ist doch eine Flucht vor der Verantwortung.Sie müssen nämlich die unzureichende Organisation und Führung in der Spitze Ihres Hauses verantworten. Wenn es überhaupt eine Hauptunfallursache gibt, dann ist es die Tatsache, daß die verschiedenen Abteilungen Ihres Hauses nicht in der ausreichenden Form miteinander zusammenarbeiten, daß es keine einheitliche Willensbildung gibt und daß es die Grabenkämpfe gibt, daß uns die Industrie erklärt hat, sie brauche drei Jahre, bis sie schließlich die Genehmigung zu einer Formänderung erhalte, die aus Flugsicherheitsgründen notwendig sei.
Drei Jahre Papierkrieg! Das ist nicht das ,persönliche Verschulden des einen oder anderen Beamten oder Offiziers; sondern das ist die unausweichliche Konsequenz, wenn man keine klare Organisation hat.
Bei der Art, wie das Verteidigungsministerium heute gegliedert ist, ist es unmöglich, z. B. die Luftwaffenführung für das verantwortlich machen zu wollen, was hier geschieht. Völlig unmöglich! Die Luftwaffenführung trägt nur einen ganz kleinen Teil Verantwortung für einen Teil der Maßnahmen. Den anderen Teil trägt die Personalwirtschaft, den dritten Teil trägt die Technik, den vierten Teil trägt Koblenz und wer, was weiß ich, noch alles in Betracht kommt. Es gibt nur zwei Personen in Ihrem Hause, in deren Kopf und auf deren Schreibtisch das alles zusammenfließen kann. Das sind Sie, und das ist Ihr interner Stellvertreter, der Herr Gumbel. Ich glaube, Sie machen einen Fehler. Sie haben sich heute morgen hingestellt und gesagt, Sie lehnten das amerikanische „System Management" ab, das sei uns nicht angemessen. Ich fürchte, Herr von Hassel, im Laufe der nächsten zwölf oder achtzehn Monate wird Ihr Ministerium zu der Erkenntnis kommen, daß das die einzige Möglichkeit ist, im ganzen Querschnitt aller dieser Abteilungen zu einer einheitlichen Entscheidungsmacht zu kommen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1551
Herr Abgeordneter Schultz!
Schultz (FDP) : Herr Kollege Schmidt, machen Sie es sich jetzt nicht etwas zu einfach, wenn Sie die Organisationsform des Ministeriums, die sich ohne Zweifel gegenüber früher verändert hat, für all diese Dinge verantwortlich machen? Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Organisationsform des Ministeriums im wesentlichen damals geboren wurde, als die Wehrgesetze gemacht wurden, und daß es im wesentlichen Ihrer Fraktion damals zuzuschreiben war, daß dieses Supersystem gegenseitigen Kontrollierens in die ganze Organisationsform und die Gesetzgebung hineingebracht worden ist?
Lieber Herr Schultz, es ist nicht ganz korrekt, wie Sie wissen. Es gibt zur Zeit kein Gesetz über die Organisation.
Es gibt aber im Soldatengesetz einen seit genau zehn Jahren unerfüllten Paragraphen. Da steht drin, daß die endgültige Spitzenorganisation der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums durch Gesetz festgelegt werden soll.
Das ist bisher nicht geschehen.
— Das ist genau die Antwort auf Herrn Schultz. Herr Schultz meinte — —
Sie wollen sich noch etwas näher erklären; bitte sehr.
Schultz (FDP) : Darf ich dann vielleicht noch die Zusatzfrage stellen, Herr Schmidt, wann nun die Opposition, die doch bisher immer Opposition gewesen ist und sich um diese Fragen doch so bemüht hat, hier im Plenum des Bundestages den Antrag gestellt hat, ein Organisationsgesetz vorzulegen? Soviel ich weiß, ist das bei Ihnen nicht der Fall gewesen.
Herr Schultz, ich weiß nicht, zu welchen Daten das immer wieder geschehen ist. Aber ich weiß, daß ich selber es beispielsweise mehrere Male getan habe, viele Male. Herr von Hassel kennt auch beispielsweise meine Vorschläge. Er hält sie nur nicht für richtig. Das ist sein gutes Recht. Nur muß ich zu Ihrer Frage darauf hinweisen, daß der Bundestag beschlossen hat: Die Spitzenorganisation des Verteidigungsministeriums soll durch Gesetz geregelt werden, und das ist bisher nicht geschehen.
— Ja, die endgültige. Sie haben völlig recht mitdem Zwischenruf „endgültige". Vorläufig basteln wirjedes Jahr ein bißchen an der Organisation herum.Einer der wichtigsten Punkte in der Organisation ist, daß der Herr von Hassel ganz allein — hier hat jemand von einer Unternehmung gesprochen — eine Unternehmung mit 450 000 Soldaten und über 200 000 zivilen Beschäftigten, einen riesenhaften Komplex, als alleiniges Vorstandsmitglied mit einem Stellvertreter managen soll, mit einem Umsatz von ungefähr 18 Milliarden DM im Jahr, davon etwa ein Viertel oder ein Drittel Investitionsaufwand. Schauen Sie mal nach England! Mein Freund Denis Healey hat drei stellvertretende Minister, alles Parlamentarier. Er hat ungefähr denselben Umsatz — 10 % mehr —, und er hat ungefähr dieselbe Größe seiner Armee und seiner Luftwaffe. Der muß genau wie der Herr von Hassel nach Paris, nach London und nach Washington reisen. Er muß auch wie Herr von Hassel als Vizepräsident der Partei in Erscheinung treten, in Bonn oder auf anderen Parteitagen. Er muß dem Parlament gegenüber in Erscheinung treten, er muß im Ausschuß auftreten. Ein einzelner kann dieses Maß an Arbeit, das der Herr von Hassel bewältigen soll, nicht bewältigen. Infolgedessen trifft er viele Entscheidungen im Zustand unzureichender Information, oder aber er muß mehr Entscheidungen, als eigentlich wünschenswert wäre, an seine Beamten delegieren, und die streiten sich dann mit seinen Soldaten und umgekehrt. Es ist völlig unmöglich, einen so großen Apparat als einzelner steuern zu wollen und außerdem noch diesem Hause ständig Rede und Antwort stehen zu müssen, der Presse ebenfalls, und draußen in den internationalen Konferenzen für Deutschland auftreten zu müssen. Das ist völlig ausgeschlossen.Ich rede nicht der englischen Lösung mit einem Heeresminister, einem Luftwaffenminister und einem Marineminister das Wort, gewiß nicht. Aber ich bin überzeugt, daß Sie ohne mindestens einen zusätzlichen Staatsminister in Ihrem Hause bei vielen Fragen immer wieder zu Blocks kommen müssen, weil die Arbeitskraft eines einzelnen nicht ausreichen kann. Es ist eine schiere Überforderung. Ich sage, Sie sind überfordert, Herr von Hassel, und das bezieht sich noch nicht einmal auf Ihre persönliche Fähigkeit.
Ich möchte ,auf einen anderen Aspekt zurückkommen, den Aspekt nämlich, den Herr von Hassel ins Spiel gebracht hat, als er meinte, er müsse die Truppe vor ,sozialdemokratischen Angriffen auf .den Oberbefehlshaber in Schutz nehmen. Wir haben einige Leute aus der Truppe im Ausschuß gehabt, und viele von uns haben mit vielen Leuten in der Truppe gesprochen, z. B. mit Piloten des Starfighters, z. B. mit Kommodores, z. B. mit Leuten, die technische Gruppen auf den Fliegerhorsten führen. Zum Beispiel hat Oberst Rall, einer der besten Kenner des Problemkomplexes, im Ausschuß eine Liste von 24 Beanstandungen vorgetragen, die er als Kommodore eines Geschwaders vorbringt, zum Teil von großem Gewicht, zum Teil von kleinerem Gewicht. Dazugibt es dann 24 Stellungnahmen des Ministeriums der Verteidigung. In vielen Fällen steht dort, die Untersuchung sei eingeleitet, das bedürfe noch der Klärung, es werde weiter untersucht werden, es werde noch geprüft.
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1552 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Schmidt
Woran mir hier vor allen Dingen liegt, ist, auf ein Intermezzo zurückzukommen, das dabei eine Rolle spielte. Einer der Kollegen — es war ein Kollege von der CSU — wollte den Oberst etwas fragen, wie nämlich der Mangel, worüber er gerade sprach, abgestellt werden könne, was man da tun könne. Der Kollege sitzt dort, der es gefragt hat. Da fuhr ihm der Stellvertreter ,des Verteidigungsministers dazwischen und sagte, das sei keine Sache des Obersten, es sei Sache des Verteidigungsministeriums, sich dazu zu äußern. Da wurde also dem Troupier die Rede abgeschnitten, der nun endlich einmal sagen wollte, was nach seiner Meinung geschehen sollte. — Das ist Ihre Art, mit der Truppe umzugehen!
Bringen Sie es doch endlich einmal dahin, daß die Erfahrungsberichte der Truppe wirklich gelesen werden. Ich weiß von vielen Kommandeuren, die seit Jahr und Tag einen leicht resignativen Zug an den Tag legen, wenn man sie bei irgendwelchen Schwierigkeiten, über die die Rede ist, fragt, ob sie das denn nicht berichtet hätten. — Herr Rommerskirchen lächelt; er hat das auch vielfach erfahren. Berichtet wird das alles, aber niemand in der Truppe ist wirklich sicher, daß Konsequenzen gezogen werden.Ich sehe leider den Bundeskanzler nicht mehr hier sitzen. Mir scheint, daß die Konsequenzen, die hier gezogen werden müssen, nicht so sehr militärischfachlicher Art sind, sondern die Konsequenzen sind politischer Art. Das Bundesverteidigungsministerium insgesamt — das schließt seine Technik ein, das schließt seine Logistik ein, das schließt seine Personalwirtschaft ein — muß endlich in eine leistungsfähige organisatorische Form gebracht werden. Das geht auch, Herr Schultz, das Parlament an. Wir müssen miteinander endlich an dieses Organisationsgesetz herangehen, wie mir scheint.Einer der Starfighter-Offiziere hat jüngst in einem Interview erklärt, er sei 'der Meinung, man hätte einem Spitzenmanager der freien Wirtschaft 50 Millionen DM dafür bieten sollen, daß er das Starfighter-System errichtete; dann hätte es wahrscheinlich geklappt. — 50 Millionen Mark sind ein bißchen viel; 500 000 hätten es wahrscheinlich auch gemacht. Aber im Grunde hat dieser Offizier recht. Hier fehlt doch das moderne Management. Es ist doch eine betriebswirtschaftliche Angelegenheit, mit der Sie es zu tun haben. Das ist doch nicht eine Sache, die man verwalten kann, wie es die Titelverwalter in einer Finanzverwaltung tun.Genauso ist es in bezug auf das personelle Management. Herr Kollege Ollesch hat im Pressedienst seiner Partei geschrieben, die Personalpolitik des Verteidigungsministeriums sei ein Schlüssel zur Misere des Starfighters. Ich unterstreiche das Wort „ein". Es gibt mehrere Schlüssel; aber dieser eine Schlüssel ist auch notwendig, um das Schloß aufzuschließen. Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Ollesch. Wieso haben Sie denn vor zwei Jahren die Fliegerzulagen gekürzt, wenn Sie uns heute erklären, Sie wollen sie wieder erhöhen? Wieso haben Sie denn die ganzen Maschinen denGeschwadern zurollen lassen, haben sie den Geschwadern gegeben, wenn Sie gleichzeitig beklagen, Sie hätten 12 000 Elektroniker zuwenig? Wieso haben Sie gegen den Widerstand der Kommodores Wehrpflichtige in die Geschwader hineingepumpt, um wenigstens nach außen die Kopfzahl ein bißchen anzureichern? Die Geschwaderkommodore sagen: Wir können die gar nicht gebrauchen, es kostet unsere Stammunteroffiziere und Stammoffiziere vielzuviel Arbeitskraft, sie auszubilden; denn sie sind ja noch neu und unausgebildet. Das sind doch alles Klagen, die Sie bei jedem Geschwader immer wieder hören.Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir haben neulich alle, glaube ich, miterlebt, wie in dem Ausschuß des amerikanischen Senats unter Vorsitz des Senators James Fulbright hervorragende Politiker und Wissenschaftler sowohl aus der Regierung als auch aus verschiedenen oppositionellen Lagern in aller Offentlichkeit und bei voller Übertragung durch alle amerikanische Fernsehanstalten das Für und Wider der Politik des amerikanischen Präsidenten in Vietnam erörtert haben. Für mich war das ungeheuer eindrucksvoll. Wie stark muß eigentlich die Demokratie in einem Lande sein, das sich in einem Kriege befindet und es sich leisten kann, in einem Parlamentsausschuß in aller Öfentlichkeit unter Beisein von Presse und Publikum und Fernsehen eine so entscheidende Frage so offen zu debattieren?!
Das ist jetzt nicht an Ihre Adresse gesagt, Herr von Hassel, sondern das ist eigentlich an die Adresse des ganzen Hauses gesagt. Wir müssen es wahrscheinlich noch lernen, nicht immer Angst zu haben, wenn eine Sache wirklich schwierig ist oder wenn sie gefährlich ist, und nicht immer vorsichtshalber erst einmal einen „Geheim"-Stempel daraufzudrücken, damit nichts passieren kann. Die Demokratie kann sich nur entwickeln, wenn auch wir im Laufe der Zeit so weit kommen, daß wir schwierige und gefährliche Fragen öffentlich und offen miteinander erörtern. Man muß nicht Angst haben, daß dann wirkliche Staatsgeheimnisse dabei verlorengehen.
— Ich entnehme daraus Zustimmung.
— Sicher. Die Presse wird auch unterrichtet in Amerika. Bei uns wird ja die Presse dann, wenn eine Starfighter-Debatte bevorsteht — entschuldigen Sie, meine Kollegen da oben auf jener Tribüne —, zum Abendessen in drei Schichten bei Herrn von Hassel eingeladen, damit sie wenigstens einigermaßen im Bilde ist. Das ist unsere Art.
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Schmidt
Größere Transparenz, nicht nur gerade kurz vor einer Debatte, Herr von Hassel, sondern kontinuierlich über das ganze Jahr — und gar nicht unbedingt von Ihnen persönlich wahrzunehmen —, größere Transparenz aller unserer Probleme im Verteidigungsbereich wäre eine gute Sache. Je durchsichtiger die Bundeswehr wird, je durchsichtiger die Probleme der Bundeswehr werden — die werden ja nicht kleiner, es wird jedes Jahr andere und immer schwerere Probleme geben —, je transparenter die Probleme für die deutsche Öffentlichkeit — auch für das Parlament — werden, desto mehr kann man erwarten, daß Offentlichkeit und Parlament der Bundeswehr helfen werden bei der Lösung dieser Probleme.
— Würden Sie das ein bißchen deutlicher aussprechen, damit ich es verstehen kann?
— Wir wollen ihn nicht allzu sehr quälen. Er möchte es nicht sagen, was er gerufen hat.
Ich darf zusammenfassen und folgendes sagen. Erstens. Das Waffensystem ist, nachdem Änderungen und Verbesserungen im Laufe der letzten Jahre durchgeführt worden sind, inzwischen offensichtlich durchaus ein brauchbares Waffensystem. Daran wollen wir keinen Zweifel äußern. Daß einzelne Teile einstweilen nicht hinhauen — wie das Litton-Gerät — oder noch nicht so hinhauen, wie sie sollen, das will ich mal beiseite lassen. Das Flugzeug als Ganzes ist offenbar nach all den Änderungen und Verbesserungen inzwischen ein durchaus brauchbares Flugzeug geworden.Zweitens. Die Regierung selber erklärt, daß die Unfallrate der letzten drei Vierteljahre anomal sei.Drittens. Warum ist diese Unfallrate anomal? Weil das Flugzeug so hohe Anforderungen an fliegendes Personal, Wartungspersonal, an Ausbildung, Technik, an Nachschub und Infrastruktur, an die Organisation und an die Führung stellt, daß für eine so große Zahl dieser Flugzeuge die Anforderungen insgesamt nicht bewältigt werden können. Die hohe Zahl der Flugzeuge, die auf die Truppe zugerollt sind, hat diese Anforderungen zur Zeit unerfüllbar gemacht.Daraus darf nicht — das ist mein vierter Punkt, und ich stimme in diesem Punkt mit Herrn von Hassel überein — der Schluß gezogen werden, die Flugstunden der Piloten herabzusetzen. Herr von Hassel hat völlig recht, wenn er sagt: Jede geflogene .Flugstunde erhöht die Erfahrung und ist Gewähr dafür, daß die Unfallrate gedrückt werden kann.Fünfter Punkt: Die Flugzeugführer und das gesamte militärische Personal in fliegenden Verbänden tun schon seit Jahr und Tag das beste, was sie können, und wer sie kritisieren wollte, der hätte unrecht. Das gilt ganz genauso für die Ingenieure und Facharbeiter in der deutschen Flugzeugindustrie. Sie verdienen Respekt und Dank. Sie haben nicht immer aus dem Hause von Hassel Respekt und Dank erhalten. Ich erinnere mich an die Pressekonferenz im letzten Herbst, und ich weiß auch von dem Brief, den die Industrie damals geschrieben hat. Sie haben uns den Brief im Ausschuß nicht gezeigt, Herr von Hassel, aber ich weiß von ihm. Heute jedenfalls haben Sie gesagt: Respekt und Dank auch für die Industrie. Ich freue mich, daß Sie sich korrigiert haben.Sechster Punkt: Alle wesentlichen Mängel beruhen auf nicht rechtzeitigem Erkennen der Probleme in der Zentrale selbst, im Verteidigungsministerium und seinen ihm nachgeordneten Abteilungen und Ämtern, auf unzureichender Planung. Dieses Defizit ist behebbar, das kann man ändern. Es bedarf dazu der Urteils- und Entschlußkraft des Mannes an der Spitze und, wenn sie ihm fehlen sollte, der Urteils- und Entschlußkraft des Bundeskanzlers.Siebenter Punkt: Wenn in dem Schriftlichen Bericht unseres Kollegen Draeger gesagt wird, auch in Zukunft werde es Unfälle und Abstürze geben, so ist das unbestreitbar richtig. Falsch aber wäre es, wenn die Abgeordneten dazu beitrügen, der Öffentlichkeit zu suggerieren daß eine Fortsetzung der Unfallserie der F 104, so wie sie sich bisher ereignet hat, eine normale Sache wäre.
Ich trete gewiß Herrn Draeger nicht zu nahe, wenn ich das sage. Er hat das so nicht gemeint. Aber ich will sichergehen, daß niemand mit diesem Eindruck aus dem Raum geht. Im Gegenteil, diese Unfallrate ist innerhalb der ganzen NATO anomal und wird innerhalb der gesamten NATO — siehe AIRCENT — als beunruhigend beurteilt.Achter Punkt: Nach den Erfahrungen und Eindrükken, die wir im Laufe der letzten Monate gewonnen haben, und nach dem Eindruck von der Begrenztheit der Reichweite der Maßnahmen, die Herr von Hassel hier vorträgt; nach dein Eindruck von der relativ geringfügigen Vorbereitung einer Reihe dieser Maßnahmen, die er vorträgt, glaube ich nicht, daß wir auf eine baldige Besserung hoffen dürfen. Die Verantwortung dafür trägt derjenige, der nach dem Grundgesetz die Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr ausübt.Zu diesem Manne und an ihn persönlich gerichtet ein letzes Wort. Herr von Hassel, Sie haben am 20. Januar 1965 hier in diesem Hause gesagt:Lesen Sie einmal nach, was mit dem Nachbau der Mirage in der Schweiz passiert ist! Daraus können Sie einmal lernen, wie es an anderen Orten ist.Und Sie haben ein Jahr davor, im Jahre 1964, hier in dem gleichen Hause gesagt, das Primat der Politik gegenüber dem Militärischen sei in der deutschen Verfassungsgeschichte nie so stark gesichert gewesen wie jetzt; damit falle aber auch die Haupt-
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verantwortung für die Bundeswehr auf die Politik; die Bundeswehr mit ihren Stärken und Schwächen sei und werde auch künftig sein ein Kind der politischen Verantwortung. — Soweit Ihre eigenen Worte.Nun, ich habe mich Ihrem Rate anbequemt, ich habe studiert, was in der Schweiz passiert ist und was man in der Schweiz daraufhin gemacht hat. Ich habe daraus folgendes gelernt: Erstens, daß übertriebene Forderungen an das Militär und übertriebene Bestellungen von Flugzeugen, die noch nicht erprobt sind, zu Pannen und Peinlichkeiten führen müssen. Zweitens habe ich gelernt, daß im Parlament solche Mängel in aller Sachlichkeit erörtert werden, ohne daß dem Parlament Kenntnisse vorenthalten und Fragen nicht beantwortet werden. Und drittens, Herr von Hassel, habe ich gelernt — allerdings gilt das einstweilen offenbar nur für die Schweiz —, daß die für die Pannen Verantwortlichen zurückgetreten sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Zimmermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, der zweite Teil Ihrer Rede war wesentlich sachlicher als der erste, war wesentlich sachlicher als Ihr unmutiger Ausruf von heute früh während der Vormittagsdebatte: „Kommen Sie endlich zur Sache, verdammt noch mal!" und war wesentlich sachlicher als die beleidigende Bemerkung, die Ihnen heute vormittag einen Ordnungsruf eingetragen hat. Wir glaubten alle in diesem Hohen Hause, daß Sie Ihren populären Spitznamen allmählich loswerden wollten. Aber wir sehen heute, das Gegenteil ist der Fall.
— Daß Sie diese Geschmacklosigkeit nicht aufgeben würden, darüber war ich mir von vornherein klar, das bin ich allmählich bei Ihnen gewohnt.
Aber jetzt gleich zur letzten Behauptung, wie man es in der Schweiz hält, wenn man als politisch verantwortlicher Minister angegriffen wird. Sie haben offenbar nicht aus der Schweizer Presse zur Kenntnis genommen, daß der Verteidigungsminister Chaudet nicht zurückgetreten ist, obwohl die 56 Mirage, die die Schweiz bestellt hat, mittlerweile pro Stück die Kleinigkeit von 25 Millionen Schweizer Franken kosten. Also nicht ganz richtig informiert, kann ich nur sagen.Es sind eine Reihe von Details gesagt und eine Reihe von Ausführungen von Herrn Kollegen Schmidt gemacht worden, die sich aus der Sicht des verantwortlichen Ministers und mit seinen Unterlagen besser beantworten lassen. Aber zu einigen Punkten von allgemeinem Interesse noch folgendes.Es ist beklagt worden, daß wir noch nicht im Besitz von Gesetzesvorlagen seien. Ohne Zweifel hat eine Reihe von Vorschlägen des Ministeriums absolut haushalts- und finanzwirksamen Charakter. Da dreht es sich nicht um geringe Summen. Daß das vorher mit dem Finanzminister abgestimmt sein muß, bevor die Vorlage der Regierung kommen kann, liegt auf der Hand. Aber wir haben durch die Form unserer Anträge dafür gesorgt, daß, wenn diese Vorlagen kommen, sie sofort vom Parlament und. vom Haushaltsausschuß behandelt werden können. Das Fachliche ist nämlich im Verteidigungsausschuß, wie ich gleich noch ausführen werde, in neun Sitzungstagen mit über 25 Sitzungsstunden so ausführlich wie möglich behandelt worden.Herr Kollege Schmidt meinte, eine Teilstreitkraft sei überfordert worden. Nun, man kann hier das NATO-Dokument MC 70 nicht vorlesen. Aber es ist Ihnen bekannt, daß es mit einer Genauigkeit ohnegleichen die zugegebenermaßen harten Forderungen aufstellt, die für unseren Bereich, die für die deutsche Luftwaffe verpflichtend gewesen sind. Schon im Jahre 1962 hat der damalige Verteidigungsminister Strauß die sich nach der NATO-Forderung richtende Planung von 12 Geschwadern auf 9 Geschwader revidiert. Es ist also damals durchaus erkannt worden, daß der Aufstellungsmodus und der Aufstellungszeitraum, die verlangt worden waren, daß die Anzahl von Flugzeugen, die von der NATO gefordert war, von uns nicht eingehalten werden konnten. Schon vor vier Jahren hat der zuständige Verteidigungsminister seinen Schluß daraus gezogen und die Planung reduziert. Man kann also nicht davon sprechen, daß die Situation damals nicht übersehen worden sei. Man kann nicht davon sprechen, daß man ohne jede Rücksicht vorgegangen sei, nur, um die Planzahlen um jeden Preis zu halten.Wir haben hier eine ganze Fülle von Zeitungszitaten gehört; es war beinahe eine Zeitungsvorlesung, die wir über uns ergehen lassen mußten. Ich glaube, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" muß besonders dankbar sein. Ihr Inhalt aus vielen Nummern ist fast vollständig wiedergegeben worden. Auch die „New York Harald Tribune", die Welt und Lothar Ruehl sind zu ihrem Recht gekommen. Gar kein Zweifel, in den Presseerzeugnissen, die genannt worden sind, hat viel Bemerkenswertes gestanden. Bei den Journalisten, die geschrieben haben, handelt es sich zu einem großen Teil um wirklich anerkannte Fachleute. Es sind Fachzeitschriften zitiert worden. Aber, meine Damen und Herren, was ist natürlicher, als daß über dieses riesige, komplizierte und komplexe Thema — ich werde dafür nachher einige Beispiele aus dem Verteidigungsausschuß bringen — ein ganzes Kaleidoskop von Meinungen, Ansichten und Vorschlägen vorhanden ist! Es wäre unnatürlich, wenn es anders wäre.Wie Sie zitiert haben, sagen „New York Herald Tribune" und auch eine britische Zeitung, mangelnde Gefechtsfähigkeit der NATO insgesamt sei das, was bei uns passieren würde. Nun darf ich einmal Lothar Ruehl zitieren. Er schreibt:Bei dem Starfighter handelt es sich nicht umirgendein Flugzeug, sondern um die Speerspitze der deutschen Landesverteidigung. Diese
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Dr. ZimmermannMaschine ist eine der wichtigsten Waffen, die zur Zeit in deutschen Händen sind. Sie ist einer der Träger der deutschen Mitwirkung an der nuklearen Abschreckung. Die Gegner der Bundeswehr und der aktiven Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der atlantischen Allianz haben dies seit längerem erkannt. Sie attackieren im Starfighter kein defektes oder unfertiges Flugzeug, sondern eine Waffe, die eine relativ große Reichweite, nukleare Kapazität, bedeutende militärische Verwendungsbreite und damit besondere politische Bedeutung besitzt. Indem sie behaupten, diese Waffe sei stumpf oder unzuverlässig, suchen sie den Sinn und den Wert des deutschen Verteidigungsbeitrages zu bestreiten.In der Tat, meine Damen und Herren, wer das behauptet, sucht den Wert unseres Beitrags zu bestreiten.Damit muß ich auf die Vorwürfe kommen, die im Januar 1965 begonnen haben und sich in den Überschriften „Bedingt einsatzbereit" und „Bedingt abwehrbereit" ausdrücken. Man muß eben einfach zur Kenntnis nehmen, daß die Zahl der insgesamt vorhandenen Flugzeuge dieses Typs für sich allein betrachtet gar nichts aussagt. Denn die Geschwader befinden sich in ihrer Mehrzahl in der Umrüstung auf dieses Flugzeug. Nur ein Teil der F-104-GFlugzeuge ist den Kampfverbänden der NATO voll unterstellt.Was die Einsatz- und Abwehrbereitschaft betrifft, kann und darf man nur von den Kampfverbänden ausgehen, die voll assigniert sind und deren Klarstand, wie wir im Verteidigungsausschuß zum Beispiel bei dem ersten voll umgerüsteten Geschwader Michel gesehen haben, befriedigend ist. Er ist ohnehin auch bei der 30prozentigen Klarstandsmeldung fast erreicht worden, und er wird bei der neuen Forderung von 58 % ohne weiteres erreicht werden können. In den umgerüsteten Geschwadern ist die 58 %-Forderung erfüllt.Es ist wirklich mühsam — ich weiß das —, das zum drittenmal ausführen zu müssen. Aber ich bin mir bewußt, wie schwierig es für jemand, der nicht täglich mit diesen Problemen zu tun hat, ist, den Unterschied zwischen voll unterstellten, halb unterstellten, nicht unterstellten, in der Ausbildung befindlichen, umzurüstenden und umgerüsteten Geschwadern erkennen zu können. Ich glaube also, man muß immer und immer wieder darauf hinweisen, daß die Flugzeuge, die für den Einsatz bestimmt sind, einen ausreichenden Klarstand haben.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind noch eine ganze Reihe von anderen Ausführungen gemacht worden, mit denen ich mich vorweg beschäftigen will.Herr Kollege Schmidt sagte z. B., er habe 1958 der Auswahl des Waffensystems deshalb nicht zugestimmt, weil damals noch kein einziges dieser Flugzeuge geflogen sei. Ich darf Sie berichtigen, Herr Kollege Schmidt: Vor dem Ausschuß hat damals, als wir die Entscheidung für die F 104 trafen, u. a. ein Oberstleutnant ausgesagt, der nicht nur diese Maschine, sondern zum Vergleich auch die „Mirage 3" geflogen hatte. Selbstverständlich waren damals schon eine ganze Reihe von Flugzeugen des Typs F 104 in den Vereinigten Staaten vorhanden und wurden auch schon in Staffeln geflogen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schmidt ?
Herr Zimmermann, würden Sie so liebenswürdig sein, davon Notiz zu nehmen, daß ich keinerlei Kritik an der Auswahlentscheidung geübt habe, sondern daß ich mir nur auf einen Zwischenruf darauf hinzuweisen erlaubte, daß ich damals nicht beteiligt war, weil — ich darf das wiederholen — die F 104 G zu jener Zeit eben doch noch nicht geflogen war?
Die F 104 G natürlich nicht, die gab es damals überhaupt noch nicht!
— Na also! Meine Herren, was ist denn der Unterschied zwischen der F 104 C und der 104 G? Genügt Ihnen denn die Aussage zahlloser Piloten immer noch nicht, daß keinerlei Unterschied im fliegerischen Gebrauch der Maschine zwischen der 104 C und der 104 G ist? Genügt es Ihnen immer noch nicht, daß sämtliche Piloten erklären, daß die 360 kg Umrüstung der Elektronik auf die G-Version fliegerisch überhaupt nichts bedeuten?
Das heißt also, es ist kein unerprobter Typ damals ausgewählt worden.
— Herr Kollege Schmidt hat mindestens behauptet, es sei damals noch keine geflogen worden, und das stimmt eben nicht. Sie sind geflogen, und die Typen von damals unterscheiden sich von denen von heute in ihrer Flugtüchtigkeit und ihrer Einsatzmöglichkeit— es gibt keine andere Stimme, ich kenne keine — eben nicht. Darum kann man das, glaube ich, durchaus gleichsetzen. Ich weiß nicht, wie oft wir noch darüber reden sollen.Aber, meine Damen und Herren, wir sind ja außerordentlich dankbar, daß ein ganz großer Teil der Vorwürfe des Januar 1965 heute eben nicht mehr aufrechterhalten werden.
— Oh ja, wir wissen ganz genau, worum es geht, Herr Wienand! Sie können sich darauf verlassen, daß wir das wissen!
Man wird das doch wohl noch feststellen dürfen, nachdem das ganze Waffensystem jahrelang so im Gespräch war; da drücke ich mich ganz vorsichtig aus, wenn ich Ihren „Stern"-Artikel heute vor meinem geistigen Auge sehe mit den Überschriften: „Millionenverschwendung — falsches Waffen-
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1556 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Dr. Zimmermannsystem — Mehrzweckverwendung falsch — Auswahl falsch — Umrüstung falsch — Verträge ein Wahnsinn — viel zuviel bezahlt — Drang zum Atomwaffenträger", und was da alles dringestanden hat und behauptet worden ist. Daß wir darüber heute nicht mehr zu diskutieren brauchen,
darüber bin ich sehr froh, und Sie sollten auch froh sein, daß wir jetzt auf einmal eine solche Einigkeit in diesen Fragen haben.Herr Kollege Wienand, wenn Sie jetzt gerade sagen: „Das kommt noch!", geben Sie mir damit leider ein neues Stichwort, das sehr ernsthaft ist. Der Verteidigungsausschuß hat sich jetzt im Januar, Februar und März, sooft die technische Möglichkeit überhaupt bestand, mit dieser Sache beschäftigt. Wir hörten aus dem Kreis der SPD in den letzten Wochen, die Debatte werde keinen Abschluß bringen, sondern das werde ein „Starfighter-Jahr" werden.
— Ja, wer hat das denn gesagt? Sie rufen ja gerade dazwischen, die ganzen anderen Fragen, die ich eben angeschnitten hätte, kämen erst noch! Wenn die alle noch kommen, Herr Wienand, wenn sie noch einmal kommen, wenn es Ihnen seit dem Januar 1965 noch nicht reicht, dann haben wir zwangsläufig ein „Starfighter-Jahr". Ob das draußen der Psychologie hinsichtlich dieses Waffensystems dient, das müssen Sie verantworten!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Dr. Zimmermann, Sie wehren sich gegen die Behauptung, daß es sich in der ganzen Starfighter-Misere unter anderem auch um eine Millionenverschwendung handle. Sind Sie als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses in der Lage, überhaupt eine Summe zu nennen, was denn das alles gekostet hat: Umrüstung, Reparaturen, Totalschäden, alles zusammengenommen? Auf diese Antwort, was es den Steuerzahler gekostet hat, wartet die Offentlichkeit.
Herr Eschmann, das Verteidigungsministerium hat Ihnen — das kann ich als Ausschußvorsitzender wohl sagen — auf über 400 Fragen geantwortet, in 25 Stunden, die randvoll mit der Debatte über dieses Thema ausgefüllt waren. Über 30 verantwortliche Personen sind von dem Ausschuß gehört worden. Wir haben über die Unfallursachen bis in die letzte Einzelheit diskutiert. Wir haben über die Anzahl der Unfälle im Vergleich zu den Flugstunden, über die Unfälle anderer Typen, über die Unfälle in anderen Ländern geredet. Wir haben über die Personalsituation im militärischen und zivilen Sektor, über die Materialsituation, über die Ausbildung vonWarten für Zelle, Triebwerk und Elektronik gesprochen. Wir haben den Klarstand jedes einzelnen Geschwaders erörtert. Wir haben die Situation der Luftwaffenschulen besprochen. Wir sprachen über Sauerstoffmasken, Fanganlagen, Schleudersitze bis hin zu den Besoldungs- und Versorgungsfragen.Darf ich ein paar Einzelheiten nennen, bei denen sich mir manchmal die Frage aufgedrängt hat: Ist dieser Verteidigungsausschuß einer der wichtigsten Ausschüsse des Deutschen Bundestages, noch ein politischer Ausschuß oder ist er bereits ein technisches Gremium geworden, in dem Nichttechniker über die letzte technische Einzelheit beraten? Ist es erlaubt, daß ich mir diese Frage gestellt habe? — Ich glaube, ja. Darf ich ein paar Beispiele dafür bringen, wie weit wir ins Detail gegangen sind: Wir haben die Verbindlichkeit ausländischer Güteprüfstempel auf den Ersatzteilen erörtert. Wir haben über die angeblich mangelnde Wartung eines Bodengenerators zum Anheizen oder zur Prüfung einer Kreiselanlage geredet. Wir haben darüber geredet, ob es richtig war, den Fanghaken bei der F 104 exzentrisch oder in der Rumpfmitte anzubringen. Wir haben über das Verfahren gesprochen, wie von dem flüssigen Sauerstoff in einem Spezialkesselwagen eine Probe von einem fachkundigen, eingewiesenen Fahrer in ein spezielles, mit einem weißen Filterpapier versehenes Becherglas gefüllt, geprüft und übernommen wird. Wir sind nicht davor zurückgeschreckt, uns mit der Numerierung der Werkzeugkästen des Wartungspersonals zu beschäftigen. Wir haben auch erörtert, ob das Klappmesser der F-104-Piloten gut oder schlecht ist.Entschuldigen Sie, wenn ich das aus den Ausschußberatungen als typische Beispiele dafür herausnehme, wie weit wir gegangen sind.
— Nein, das war nicht geheim, wie Sie am bestenwissen, Herr Berkhan; denn Sie haben sicher einfeines Gefühl dafür, was geheim ist und was nicht.
Sie entschuldigen; aber manchmal muß man zu solchen Repliken seine Zuflucht nehmen.
Meine Damen und Herren, was wollte ich damit sagen? — Ich wollte damit sagen, daß der Ausschuß, glaube ich, die Grenze schon überschritten hat, die ein Ausschuß des Parlaments sich selbst einräumen kann, und ich bin der Meinung, daß heute, nachdem Hunderte von Fragen beantwortet, nachdem -zig Anträge gestellt und verabschiedet worden sind, ein Fazit da ist, das den Verteidigungsminister in die Lage versetzt, die Pläne — auch auf gesetzlichem Wege — durchzuführen, die von uns beschlossen worden sind und die, das muß der Gerechtigkeit halber gesagt werden, zum größten Teil schon in seiner ersten Vorlage enthalten waren. Wenn Sie also, meine Herren von der SPD, sich wirklich etwas davon versprechen, damit fortzufahren, — bitte, es
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1557
Dr. Zimmermannist Ihre Sache, Sie können ja, wie Sie wissen, den Ausschuß jederzeit zu einem Untersuchungsausschuß machen. Ich glaube aber, Sie sollten sich ernsthaft überlegen, ob nicht der Verteidigungshaushalt im ganzen in diesem Jahr ebenfalls vom Verteidigungsausschuß beraten werden sollte, und zwar vor der Beratung im Haushaltsausschuß, damit das Fachliche nicht zu kurz kommt. Sie sollten sich überlegen, ob dieser Ausschuß nicht gehalten ist, die neue NATO-Situation von seinem Standpunkt aus politisch 71.1 überprüfen, anstatt sich weiter mit Details zu beschäftigen, die der Lösung des Problems nicht dienen können. Worauf es ankommt, ist in diesen letzten zweieinhalb Monaten erkannt worden. Deshalb würde ich der Behauptung widersprechen, daß es zu einem Starfighter-Jahr kommen könnte. Ich wäre traurig darüber, wenn Sie alles das, was ich vorhin über die Behauptungen angeführt habe, wieder neu zur Debatte stellen wollten; aber das ist Ihre Möglichkeit, das ist Ihre Verantwortung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wienand? — Bitte.
Sind Sie, Herr Kollege Dr. Zimmermann, bereit, hier dem Hohen Hause auch darzulegen, daß ich auf sehr konkrete Fragen im Ausschuß hin gesagt habe, ob in dieser Frage im Ausschuß weiter untersucht werde, hänge davon ab, wie meine Freunde den Ausgang dieser Debatte werteten, und daß ich hinzugefügt habe, man könne auch ganz bestimmte Dinge provozieren? Sie sind gerade dabei.
Lieber Herr Kollege Wienand, es würde mir leid tun, wenn Sie sich durch mich provozieren ließen. Ich habe Ihnen dazu keinen Anlaß gegeben. Ihr Zwischenruf war es ja, der da lautete: Das werden wir alles noch untersuchen; darauf kommen wir schon noch. Das mußte mich einfach zwangsläufig zu dieser Replik bringen.Herr Kollege Wienand, das führt mich zum nächsten Gedanken. Wenn ich mir nämlich die Vorwürfe, die Sie im Januar 1965 erhoben haben, ansehe und sie mit den heutigen vergleiche, so muß ich sagen: von den heutigen Vorwürfen, von den heutigen Vorschlägen, von der heutigen Kritik am Verteidigungsminister auf dem Sektor, über den Sie heute mit uns diskutieren, ist damals kein Wort gesagt worden.
— Oh ja, ich habe sehr gut zugehört. Davon ist kein Wort gesagt worden. Auch .Sie konnten damals die Ereignisse des Jahres 1965 eben nicht voraussehen. Daraus kann Ihnen niemand einen Vorwurf machen.Ist es eigentlich so schwer, zugeben zu wollen oder zu sollen oder zu müssen, daß es manchmal Dinge gibt — auch tödliche Unfälle, auch eine tödliche Unfallserie —, die exzeptionell sind, wie der Minister mit Recht gesagt hat, oder die anomal sind, wie der Herr Abgeordnete Schmidt es formuliert hat, oder unvermeidlich sind? Ich weiß, inDeutschland muß immer ein Schuldiger gefundenwerden, gleichgültig, ob es sich um ein Lawinenunglück oder um eine sonstige Katastrophe handelt.
Es ist nicht leicht, damit fertig zu werden, daß Soldaten im Frieden zu Tode kommen. Ich bin mir des Ernstes dieser Situation durchaus bewußt. Aber konnten die Luftwaffe und die Führung des Ministeriums nach den Umrüstungsjahren — das zweite Halbjahr 1962, 1963 und 1964 — nicht wirklich der Meinung sein, daß sie das Problem F 104, über dessen Kompliziertheit sie sich klar waren, bewältigt hätten? Die Zahlen sprachen zweieinhalb Jahre lang dafür. Dann hat sich leider herausgestellt, daß es in seinem gesamten Ablauf und in der Gesamtorganisation nicht ganz bewältigt war; denn mit dem raschen Ansteigen der Flugstunden — in den ersten drei Monaten des Jahres 1966 ist um 50 % mehr geflogen worden als in den ersten drei Monaten des Jahres 1965 — hat sich bei den Geschwadern in der Umrüstung die Zahl der Unfälle unverhältnismäßig erhöht. Sie wissen genau: bei solchen Unglücken gibt es direkt Seriengesetze. Auch aus der zivilen Luftfahrt kennen wir eine Häufung von solchen Ereignissen, oft über einen langen Zeitraum hinweg. Man kann das nicht immer auf „Mark und Pfennig", auf den Millimeter, auf das letzte technische Detail hin erklären. Das entzieht sich oft unserer Faßbarkeit und unserer Psychologie. Wir sollten deshalb nicht um jeden Preis einen Schuldigen für die Tatsache suchen, daß es nach zweieinhalb oder drei Jahren Umrüstung beinahe wie ein unabwendbares Ereignis dazu gekommen ist, daß sich auf einmal die Unfallzahlen in einem Maße erhöhten, wie niemand es damals, nach der ersten Zeit der Umrüstung, für möglich hielt. Man sollte ein solches Argument nicht einfach vom Tisch wischen.Meine Damen und Herren, Sie haben sich vorhin beklagt, daß wir Ihr Bemühen, hier Klarheit zu schaffen, und die Öffentlichkeit aufzuklären, nicht ernst genug nähmen. Dazu muß ich Ihnen folgendes sagen. Als wir im Ausschuß die Piloten eines Geschwaders hörten, habe ich nachher dem Kommodore dieses Geschwaders gesagt, ich beglückwünschte ihn zu diesen Offizieren; sie hätten bewiesen, daß sie nicht nur die F 104 fliegen könnten, sondern daß sie auch in der Lage seien, im Ausschuß adäquat zum Fliegen zu argumentieren. Darauf hat der Ausschuß Beifall gezollt, mit Ausnahme der Kollegen von der SPD.
Diese jungen Offiziere haben unverkrampft, sachlich, höflich, gelassen, nüchtern und kühl geantwortet im Beisein ihres Ministers, ohne ihren Minister auch nur einmal anzuschauen, um etwa in seinen Augen eine Bestätigung dafür zu finden, ob sie nun richtig oder fàlsch geantwortet hätten.
— Meine Damen und Herren, diejenigen, die das nicht selbst miterlebt haben, sollten- nicht lachen. Genauso war es.
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1558 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Dr. ZimmermannDie. Piloten haben einen ausgezeichneten Eindruck gemacht, jedenfalls keinen schlechteren als die Piloten, die am Dienstag zwischen 10 und 11 Uhr in der Sendung des Zweiten Deutschen Fernsehens auf dem Schirm zu sehen waren, und zwar ohne ihren Minister.
— Oh nein, Herr Kollege Berkhan, das waren nicht die gleichen: weder war der Oberleutnant Müller noch war der Hauptmann Rudolf dabei. In jener Diskussionsrunde mit Herrn Woller, die . auf dem Schirm zu sehen war, waren fünf andere Offiziere und Feldwebel anwesend, nicht aber die beiden, die bei uns im Ausschuß gewesen sind.
Jeder, der im Ausschuß zugegen war, konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, meine Damen und Herren von der SPD, daß Ihnen .das, was die Piloten geantwortet haben, einfach zu gut war; es hat Ihnen nicht gepaßt, es hat nicht in Ihr Konzept gepaßt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Abgeordneter Wienand!
Herr Kollege Dr. Zimmermann, sind Sie auch bereit, damit Sie einen Eindruck von der Gesamtsituation der Piloten bekommen — und ich bin mir bewußt, daß ich jetzt ein neue:sThema anspreche —, sich einmal mit den Psychologen in Fürstenfeldbruck über die Piloten zu unterhalten, um zu erfahren, welchen Eindruck sie haben und was sie als Wissenschaftler, als die Betreuer dieser Leute, zu sagen haben, um nicht von diesen beiden auf alle zu deduzieren?
Herr Wienand, Sie geben mir die Möglichkeit, zu dem zu kommen, was ich mir für den Schluß aufgespart hatte. Sie dürfen zunächst einmal annehmen, daß ich außer mit den beiden Piloten, die bei uns im Ausschuß waren, auch noch mit anderen gesprochen, daß ich auch noch andere als auf dem Bildschirm persönlich gesehen habe.
— Aber sicher!
Was die psychologische Situation anbetrifft, so zitiere ich jetzt zum zweitenmal einen der Kronzeugen aus dem Journalismus, einen, der besonders Zuständigen und Fachkundigen, nämlich Lothar Ruehl:
Entscheidend ist die Zahl geeigneter Freiwilliger für die fliegerische Laufbahn. Freiwilligkeit ist eine veränderliche Größe, die Stimmungsschwankungen unterliegt. In einem der Hysterie nahen Zustand der Off entlichkeit könnte die Zahl der Freiwilligen nicht zunehmen. Solange die Starfigther-Psychose anhält, wird die Luftwaffe keine Pilotenelite finden und in einer günstigen Umweltatmosphäre ausbilden können. Hier trägt die öffentliche Meinung eine große Verantwortung. Das Risiko des Fliegens ist unvermeidlich. Solange die Unfälle als Kriminalfälle verstanden werden und man die Luftwaffe beschuldigt, sie verwende ein unsicheres oder gar defektes Flugzeug, so lange werden die Familien der Flugzeugführer und der Bewerber nicht zur Ruhe kommen und die Nerven der Piloten strapaziert. Damit wächst die Unfallträchtigkeit.
Das ist der letzte Absatz in einem Artikel von Lothar Ruel in der „Welt" von gestern oder vorgestern. Ich glaube, jeden dieser Sätze, die Helmut Schmidt leider nicht zitiert hat, sonst hätte er mir die Arbeit abgenommen,
kann man unterscheiden. Meine Damen und Herren, deswegen komme ich zu der Warnung an Sie, nicht fortzufahren mit einem Starfighter-Jahr, weil das der psychologischen Beruhigung nicht dient, weil uns das keine neuen Erkenntnisse bringt, keine Erkenntnisse, die wir nicht jetzt .schon in den letzten Monaten gesammelt hätten.
Wir wissen doch, es gibt keine Hauptunfallursache; es gibt nichts, was man einfach greifen könnte, so daß man dann die Schuld für alles hätte, was da passiert. Nehmen wir deshalb — und das ist ernst, wirklich ernst — alles in allem die Serie dieser Unfälle, die sich oft der menschlichen Kalkulation entzieht, wie wir auch aus der zivilen Luftfahrt wissen. Nehmen wir die psychologische Situation der Piloten, die noch gut ist, meine Herren, überraschend gut, die aber nicht so zu sein braucht. Wenn man in der Luftwaffe den Eindruck bekäme, daß nicht gemeinsam alles geschähe, um die Dinge in Ordnung zu bringen, und das geschieht nicht, wenn wir fortfahren würden, öffentlich kontrovers, divergierend, different darüber zu streiten, wer nun die Schuld an etwas hat, das wie eine Naturkatastrophe als Serie auf' einmal
nach Jahren, als das Problem schon bewältigt schien, neu auf uns zukam — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?
Bitte sehr!
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1559
Herr Dr. Zimmermann, muß ich das von Ihnen wiederholte Anführen der Zufälligkeiten dieser Unfälle so deuten, daß Sie glauben, es sei in der Vergangenheit überhaupt nichts versäumt worden, oder sind Sie mit mir der Auffassung, daß die langen Beratungen im Ausschuß immerhin ergeben haben, daß es einiges Verbesserungswürdiges in unserer Luftwaffe gibt?
Herr Kollege Berkhan, Sie dürfen mich ruhig so verstehen, wie Ihre Frage gelautet hat, und das wissen Sie auch, daß Sie mich so verstehen dürfen. Niemand kann in Abrede stellen, daß es natürlich eine ganze Serie von Maßnahmen gibt, die man zusätzlich einleiten kann und muß. Wir wissen auch, daß ein nicht geringer Teil dieser Maßnahmen das Gefüge des normalen Beamten-, ja des Soldatendenkens sprengt, daß wir besoldungsmäßige, daß wir laufbahnmäßige Dinge vorhaben, die den F-104-Piloten, -Techniker und -Wart entscheidend herausheben.
— Das hat damit gar nichts zu tun. Aber ich hoffe, daß ich nicht jeden Halbsatz bei Ihnen erklären muß, Herr Kollege. Ich habe auf eine Frage des Herrn Abgeordneten Berkhan geantwortet. Deshalb wende ich mich gleich diesem Problem zu. Wenn ich nicht mehr auf Fragen antworten soll, die von den Kollegen der SPD gestellt werden, dann müssen Sie mir das sagen.
— Herr Kollege Berkhan legt Wert darauf. Also darf ich mich damit weiter beschäftigen.
Selbstverständlich, Herr Kollege Berkhan, weist der Katalog aus, daß viel getan werden kann.
— Er weist auch aus, daß man nicht vor 18 und vor 12 Monaten voraussehen konnte, daß das alles notwendig werden würde.
Das ist der Kern meiner Aussage, und ich glaube, auf. den kommt es entscheidend an.
Meine Damen und Herren, ich weiß natürlich, daß man über Waffensystem und alles, was damit zusammenhängt, noch viele, viele Stunden reden kann. Ich weiß auch, daß man den Verteidigungsausschuß noch das ganze Jahr damit beschäftigen könnte. Ob das im Sinne der Sache als Ganzes liegt, wage ich füglich zu bezweifeln.
Ich meine, wir sollten uns jetzt damit beschäftigen, die als notwendig erkannten Maßnahmen so schnell wie möglich zu beschließen und zu verabschieden und damit wieder eine Sicherheit — auch psychologisch — zu bringen und die Umrüstung der Geschwader zu beschleunigen.
Der Erfolg wird nicht ausbleiben. Wir haben ja jetzt schon gesehen, daß die als erste voll umgerüsteten Geschwader bei weitem die niedrigsten Unfallquoten hatten. Keine Illusion vor dem Jahre 1966 und daß nichts passieren würde! Aber die Erfolge dieser Maßnahmen sind erkennbar. Nehmen Sie nur das erste umgerüstete Geschwader Büchel. Damals, als darüber berichtet wurde, hatte es noch keinen tödlichen Unfall; jetzt hat es einen tödlichen Unfall.
— Ich habe gesagt, daß sich das auf das erste umgerüstete Geschwader bezieht. Davon war die Rede.
Ich meine — damit komme ich zum Schluß —, daß das der allgemeinen Situation, dem Gesamtproblem mehr dienen würde, als ein Starfighter-Jahr aus einer Sache zu machen, die auf dem Tisch liegt,
die beschlossen worden ist und deren Maßnahmen sich auswirken werden und wo der Verteidigungsminister aufgefordert worden ist, uns am 15. Oktober dieses Jahres im Ausschuß den ersten Zwischenbericht über die Auswirkungen dieser Maßnahmen zu geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schultz.Schultz (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich dem anschließen, was Herr Kollege Zimmermann eben, besonders in seinen letzten Worten gesagt hat, die quasi in der Frage gipfelten: Was müssen wir diskutieren, was dient der Sache? Es wäre ganz nützlich, wenn man sich in diesem Hohen Hause überlegte, daß die Diskussion über Verteidigungsfragen eine sehr ernste Angelegenheit ist, die es sehr wenig verträgt, wenn, ich möchte einmal sagen, gewisse parteipolitische Interessen hineingetragen werden.
Es muß immer wieder klar herauskommen, daß es selbstverständlich darauf ankommt, Fehlerquellen im Bereich der Verteidigung zu erkennen und die notwendigen Abhilfen dafür zu schaffen.Ich möchte sagen, der Verteidigungsminister in unserer Demokratie und bei der Konstruktion unserer Streitkräfte,
ganz von der Person abgesehen, — das würde ich auch sagen, wenn einer von Ihnen da oben säße — kann auch von diesem Hohen Hause aus gesehen, in einer sachlichen Form angegriffen werden. Er hat aber ohne Zweifel keine schmückenden Beiwörter wie „unanständig" verdient.
Das geht in diesem Bereich zu weit. Ich möchte fast sagen, andere Ressortminister können das mit größerer Gelassenheit hinnehmen als gerade er. Der Verteidigungsminister ist Oberbefehlshaber, und
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Schultz
insofern wirkt sich das irgendwie auf die ganze Hierachie aus.
Ob Sie wollen oder nicht, das wirkt irgendwie in die Truppe zurück. Davor muß man warnen. Wir alle müssen uns selber warnen, hier zu weit zu gehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?
Schultz (FDP) : Bitte sehr!
Herr Schultz, kennen Sie das Sprichwort „Wie man in den Wald hineinschreit, so hallt es heraus"?
Schultz (FDP) : Herr Kollege Berkhan, dieses Wort kenne natürlich auch ich. Ich kenne auch das Wort Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.
Kollege Berkhan, lassen Sie mich eines sagen. Ich habe damals eigentlich erst ganz kurze Zeit dem Bundestag angehört. Ein psychologisches Problem der Bundeswehr, mit dem wir heute in ihrem Verhältnis von innen nach außen und von außen nach innen zu kämpfen haben und mit dem wir in bezug auf die Starfighter-Affäre zu kämpfen haben, ist das gewesen, daß gerade im Anfangsaufbau der Bundeswehr nach dieser Methode — auf den groben Klotz gehört ein grober Keil — verfahren worden ist. Das hat außerordentlich geschadet. Aber wir wollen ja nicht über die Vergangenheit reden, in die Zukunft wollen wir sehen. — Bitte!
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Kollege Schultz, haben Sie mit mir den Eindruck, daß heute ein grober Klotz einen groben Keil bekommen hat?Schultz (FDP) : Ich kann diese Ihre Auffassung nicht teilen. Aber ich möchte es mir eigentlich versagen, nun in die Details zu gehen, warum ich sie nicht teilen kann. Jedenfalls meine ich, die Wertung, die Kollege Schmidt am Anfang seiner Rede vorgenommen hat, hat nicht ganz der Sachlage in diesem Hohen Haus entsprochen. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung, und ich glaube, es ist auch die meiner Freunde.
Lassen Sie mich nun auch zu einigen Zitaten Stellung nehmen, die Kollege Schmidt hier gebracht hat. Sicher ist Herr Weinstein eine außerordentliche Kapazität in Militärfragen. Gleichzeitig muß man sich aber, wenn man Werturteile ausspricht, auch überlegen, unter welchen Umständen Kapazitäten was woanders gesagt haben. Ich kann mich noch erinnern, daß Herr Weinstein noch vor vier oder fünf Jahren hinsichtlich der Schnelligkeit, mit der die Bundeswehr aufgebaut werden kann, zumindest eine ganz andere Meinung vertreten hat als heute in dem Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
— Mag sein. Aber es gibt auch Leute in diesem Hohen Hause und draußen, die schon manches gelernt hatten und nichts mehr dazulernen brauchten. Sie haben nämlich gelernt, daß eine Bundeswehr nicht aus dem Nichts geschaffen wird, sondern daß eine Bundeswehr im Blick auf das geschaffen wird, was früher einmal gewesen ist und welche Organisationsformen, welche Maßnahmen man früher ergriffen hat, um so etwas aufzubauen. Davon haben wir uns nicht zuletzt auch unter Ihrer Mitwirkung etwas weit entfernt.Herr Kollege Schmidt meinte, es sei verdienstvoll von Herrn Kollegen Wienand gewesen, im Januar vergangenen Jahres diese Rede hier gehalten zu haben, die er gehalten hat. Ich stehe gar nicht an, meinem Kollegen Wienand, mit dem ich mich gewissermaßen sogar freundschaftlich verbunden fühle, das zu attestieren. Aber etwas ganz anderes möchte ich Ihnen doch sagen. Damals hatte ich allerdings nicht die Meinung, daß die SPD besonders entzückt über dieses Finger-auf-die-Wunde-Legen gewesen ist.
Noch ein letztes bezüglich des Organisationsgesetzes. Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung in nächster Zeit, ich möchte fast annehmen: nach den Osterferien, ein Organisationsgesetz vorlegen wird, genauso wie das am Ende der letzten Legislaturperiode getan hat.Lassen Sie mich nun auf den eigentlichen Punkt eingehen, nämlich die Frage, was wir nun tun müßten, um gemeinsam — das unterstreiche ich sehr, was Herr Kollege Zimmermann gesagt hat: gemeinsam — über die Situation hinwegzukommen. Ich glaube, wir sind alle einer Meinung darüber — das ist auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, gesagt worden —, daß es über das Waffensystem als solches keine Diskussion mehr gibt, schon allein deswegen, weil nichts anderes vorhanden ist und weil auch die von der Verteidigungskonzeption her gestellten Aufgaben sich nicht verändert haben oder zum mindesten die Veränderungen, soweit sie vielleicht im Beginn sind, noch keinen Ausdruck in der Planung gefunden haben. Wir sind auch wohl einer Meinung, daß die Entwicklung, wie der Herr Verteidigungsminister heute ausgeführt hat, heute dahin geht, daß mit einem Flugzeug mehrere Aufgaben erfüllt werden. Ich stehe nicht an, zu sagen, daß auch ich große Bedenken hatte, ob das richtig ist, ob man ein Flugzeug quasi wie ein Lastwagenfahrgestell behandeln kann, wo nur verschiedene Aufbauten draufgesetzt werden. Wenn man nach draußen bilckt, scheint es aber so zu sein, daß in
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Schultz
der Tat die Kompliziertheit der Technik und die dadurch sich ergebenden Probleme der Ausbildung, Versorgung und Instandhaltung es notwendig machen, daß man sich auf einen Typ konzentriert.Nun, wir haben also den Starfighter mit seinen guten und vielleicht auch mit seinen schlechten Eigenschaften. Wir müssen aber natürlich wissen, daß sich die Entwicklung zu dem F 104 G quasi als eine Neuentwicklung vollzogen hat. In einer Zeitschrift — Der Wehringenieur heute, Herausgeber: Bundesminister der Verteidigung, P II/ 1, vom Februar 1965 — wird gesagt:Vom Abfangjäger F 104 A, dem Urtyp, sind nur einzelne Zellenteile und die äußere Form erhalten geblieben.Wir haben also in der Tat — und das widerspricht nicht dem, was Herr Kollege Zimmermann über diesen, möchte ich sagen, Geburtsvorgang gesagt hat — ein neues Flugzeug gekauft oder uns damals angeschafft, und es sind, so meine ich, bei dieser Beschaffung — aus welchen Gründen auch immer — alte überkommene Grundsätze der Beschaffung und Einführung von Flugzeugmustern oder sonstigen Großgeräten übersehen worden.Sie wissen, daß bei der Anschaffung von Großgeräten nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch bei der Post und Eisenbahn und bei sonstigen Großunternehmungen nach den Grundsätzen vorgegangen wird, daß zunächst wenige Prototypen produziert werden; an ihnen wird das Funktionieren und ) die Leistung geprüft entsprechend den Forderungen, die gestellt worden sind — also hier entsprechend den militärischen Forderungen —, und die Truppe wird quasi als Verbraucher zur Mitprüfung und Stellungnahme herangezogen. Nach diesen Prototypen kommt die Null-Serie mit den truppenmäßigen Änderungen und Wünschen, und das Schaffen der Großserie wird schon vorbereitet. Gleichzeitig wird die Null-Serie in den Erprobungsstellen geprüft — mit einem gleichzeitig laufenden Truppenversuch —, um festzustellen, welche Folgerungen sich für Organisation, Ausbildung und Taktik ergeben. Nach Abschluß der Prüfung und der Zustimmung sowohl des Technikers wie des Soldaten wird dann grünes Licht für die Großserie gegeben. Daß diese einzelnen Phasen einander überlappen, ist selbstverständlich, das brauche ich nicht weiter auszuführen. Der Vorteil dieses Beschaffungssystems ist eine größere Sicherheit für das Gerät und diejenigen, die es bedienen. Die Nachteile allerdings sind, daß der Stückpreis für die Null-Serie und die Prototypen wesentlich höher ist als für die Großserie. Auf der anderen Seite besteht aber die Möglichkeit, das in dem Hauptvertrag hinterher abzurechnen.Dieser herkömmliche Weg der Beschaffung ist beim Aufbau der Bundeswehr wiederholt verlassen worden — das müssen wir uns hier auch einmal sagen —, vielleicht auch von diesem Hause her in Gang gesetzt. Man glaubte, daß man mit einer global erteilten Serienherstellung, mit Großstückzahlen eine größere Wirtschaftlichkeit erreichen könnte. Wir haben negative Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Ich erinnere nur an den HS 30, an dieGeschichte mit dem U-Boot-Stahl und letzten Endes auch an den Starfighter.Wir haben bis jetzt, so glaube ich jedenfalls, gute Erfahrungen mit dem herkömmlichen Weg erzielt, und zwar bei dem Leopard und dem Kanonenjagdpanzer. Deswegen scheint mir die Schlußfolgerung sein zu müssen, daß für die Zukunft unter allen Umständen die notwendigen Entwicklungs- und Erprobungszeiten eingehalten werden müssen, so wie das für den Panzer 70, der gemeinsam mit Amerika entwickelt wird, vorgesehen ist, und wie es auch, wie der Verteidigungsminister heute sagte, für das Nachfolgemuster der F 104 vorgesehen ist.Die organisatorische Voraussetzung, die für die Einführung dieses Waffensystems geschaffen worden ist, als die Entscheidung gefallen war, war auf der Seite der industriellen Fertigung die Ingangsetzung eines Organisationsbüros, das alle Vorgänge in dem Fertigungsbereich konzentriert und die staatlichen Stellen und die Industrie zusammengeführt hat. Wir hatten, wie wir gehört haben, eine Arbeitsgruppe F 104 G im Bundesverteidigungsministerium. Wir hörten, daß diese Gruppe, weil man mit den Dingen fertig zu sein glaubte, aufgelöst wurde. Sie wurde jetzt wieder quasi neu eingerichtet. Ich glaube, es ist notwendig, darauf hinzuweisen — die Meinungen im Hause hierüber scheinen mir verhältnismäßig einheitlich zu sein —, daß diese Arbeitsgruppe, die jetzt gebildet worden ist, selbstverständlich Koordinierungsbefugnisse haben muß. Wir werden uns im Oktober ganz sicher darüber unterhalten müssen, ob die Koordinierungsbefugnisse ausreichend gewesen sind. Ich hoffe aller dings, daß im Verteidigungsministerium erkannt wird — und auch danach gehandelt wird —, daß für diese Arbeitsgruppe wahrscheinlich weitere Kompetenzen — über die hinaus, die ihr jetzt zugebilligt sind — notwendig werden..
In dem Bericht des Generalleutnants Panitzki, der dem Ausschuß gegeben worden ist, können wir lesen, daß mitentscheidend für die Qualität der ausgewählten Flugzeugführeranwärter die Höhe des Angebots ist. Diese ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt unzureichend. Wir haben eine Reihe von Anträgen und Vorschlägen in dem Ausschußbericht seitens des Verteidigungsausschusses schon untergebracht, die eine Verbesserung auf dem Gebiet. des Angebots an Flugzeugführeranwärtern mit sich bringen sollen. Darunter sind, wie schon hier erwähnt wurde, die Erhöhung der Fliegerzulage und die Einführung ihrer Ruhegehaltfähigkeit. Ich bin der Meinung, damit allein ist dieses Problem nicht zu meistern. Herr Kollege Zimmermann hat gesagt, daß glücklicherweise bei den Piloten das Vertrauen in die Maschine noch besteht. Es scheint mir notwendig zu sein, daß dieses Vertrauen in die Maschine erhalten und gestärkt wird.Damit komme ich zu einem Problem, zu dem vielleicht der Verteidigungsminister nachher noch Stellung nehmen kann: wie kann erreicht werden, daß die Ausbildung verbessert wird? Sie wissen: an den
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1562 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
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Flugunfällen sind Piloten mit 2000 Flugstunden zu 2% beteiligt, die Piloten mit einer geringeren Zahl von Flugstunden zu etwa 73%. Die Frage also, die hier auch schon diskutiert worden ist und die uns im Verteidigungsausschuß die ganze Zeit in Bewegung gehalten hat, lautet: wie erreiche ich eine höhere Flugstundenzahl und damit eine bessere Ausbildung? Die Frage möchte ich stellen, aber ich kann sie nicht entscheiden — ich kann es nicht so beurteilen, weil mir einfach die Ausbildung dazu fehlt —: müßte gegebenenfalls die Ausbildungsdauer in den Vereinigten Staaten noch einmal verlängert werden? Müßte man von — ich glaube, es sind jetzt so viel —150 Stunden auf 300 Stunden gehen? Müssen vielleicht die Trainerstunden, in denen der Schüler mit dem Lehrer, dem Trainer, zusammen fliegt, vermehrt werden, bis die Genehmigung zum Alleinflug gegeben wird? Muß etwa vorgeschrieben werden, daß die Übungszeit im Simulator erhöht wird? Sie wissen, der Simulator ist ein Apparat, der am Boden steht und der sämtliche Flugereignisse simulieren, also deutlich machen kann, wobei der Flugschüler durch den Fluglehrer kontrolliert wird. Dieses System hat den Vorteil, daß Fehler, die begangen werden, auch bemerkt und kontrolliert beziehungsweise korrigiert werden können, während natürlich der Pilot oben in der Luft keiner Kontrolle unterliegt. Die Vereinigten Staaten haben in ihrer Planung pro Pilot pro Monat 15 Stunden Training im Simulator. Ich weiß nicht, wie hoch die Zahl bei uns ist, aber ich habe im Ausschuß ein bißchen das Gefühl gewonnen, daß dieser Teil der Ausbildung vielleicht doch nicht so beachtet wird.Letzten Endes ist nun die Frage zu stellen — das ist natürlich eine sehr entscheidende Frage, ich möchte aber annehmen, daß ich mir die Antwort wahrscheinlich selbst ausrechnen kann —, ob es nicht in der Tat notwendig ist, vorübergehend einen Teil der Geschwader aus dem Assignment herauszunehmen, insbesondere dann, wenn sie sich noch in Umrüstung befinden oder erst teilweise umgerüstet sind, um zu erreichen, daß in diesen Geschwadern ein rein friedensmäßiger Übungsdienst gemacht werden kann.Der Verteidigungsminister hat heute früh gesagt, daß natürlich die Einsatzbereitschaft gerade dieses Waffensystem ein wesentlicher Abschreckungseffekt der NATO ist. Ohne Zweifel ist ihm hierbei zuzustimmen. Auf der anderen Seite wissen wir, daß wir innerhalb der NATO zwar freundschaftlich mit unserem französischen Nachbarn verbunden sind, daß dort aber auf seiten der Staatsspitze anderer Meinung ist, daß man also augenblicklich keine akute Gefahr sieht. Die Frage ist also: können wir uns diese Einschätzung der Lage nicht in dem Sinne zunutze machen, daß wir noch etwas mehr für die Ausbildung der Piloten tun? Ich möchte jedoch gleichzeitig davor warnen — der Herr Verteidigungsminister hat heute früh auch darauf hingewiesen —, daß man alle diese Dinge nur unter der Sicht der Strahlflugzeugpiloten sieht und dabei die übrige Luftwaffe vergißt. Ich glaube, gerade für Hubschrauber muß ein außerordentlich gutes und ein außerordentlich befähigtes Personal zur Verfügung stehen, um den Aufgaben gerecht werden zu können.Nun hat uns im Verteidigungsausschuß die Frage beschäftigt, wie das Wartungspersonal in der Quantität und auch im einzelnen in der Qualität verbessert werden kann, und wir haben bedauert — das geht auch aus dem Bericht des Herrn Kollegen Draeger hervor —, daß noch ein zu hoher Anteil von Wehrpflichtigen in die Wartung mit eingeschaltet ist. Der Vorteil dieses Anteils ist allerdings — so wird uns vom Luftwaffenführungsstab und auch vom Ministerium gesagt —, daß man aus diesem Wehrpflichtigenreservoir Nachwuchs gewinnen könne. Der Nachteil ist aber ebenso bekannt, daß nämlich das Fachpersonal wiederum mit der Ausbildung belastet wird. Wir wissen, daß wir in einem personellen Engpaß stecken; es ist hier schon oft darüber geredet worden: Hochkonjunktur in der freien Wirtschaft, unzureichende Bezahlung beim Staat für diese Menschen, die wir brauchen, im Vergleich zur freien Wirtschaft.Wie können wir darüber hinwegkommen? Mir scheint, daß wir nur zwei Wege beschreiten können: entweder Anstellung zivilen Personals bei den Verbänden, bezahlt nach Industrienorm, oder — jetzt komme ich auf das zurück, was ich bei den Piloten gesagt habe — Anpassung der Zahl der einsatzbereiten Staffeln an die Personallage, was natürlich eine Kürzung bedeuten würde. Ich bin jedenfalls der Auffassung — das möchte ich ganz deutlich sagen, ich habe das früher auch schon getan —, daß der Mut zur Lücke kein Ausweg ist, weil dadurch das zur Verfügung stehende Personal überbelastet wird. 1 Wir wollen hier die Aussage des einen Kommodore im Ausschuß nicht gering bewerten, die etwa dahin ging, daß die jetzige Belastung auch des wartenden Personals natürlich nur bis zu einer bestimmten Grenze durchzuhalten sei.Lassen Sie mich über das Problem Starfigther hinaus etwas zu der personellen Situation der Technik in der Bundeswehr überhaupt sagen. Es wird von allen Stellen, von Schreibern draußen, von ministeriellen Stellen, von Abgeordneten herausgestellt, daß die Bundeswehr sich von der früheren Wehrmacht und vom kaiserlichen Heer im wesentlichen dadurch unterscheide, daß sie technisch weit spezialisierter sei, als man sich das jemals habe vorstellen können. Ich muß sagen, daß trotz dieser Feststellung die Technik in der Bundeswehr aber unterbewertet wird, und zwar nicht nur in der Stellendotierung oder in dem Auswerfen von Stellen durch die Stärkenachweisung, sondern auch durch die Möglichkeit aufzurücken und ebenso bei der Ausbildung. Man meint so oft, daß die Technik quasi nur von denen beherrscht werden müsse, die sich diesen Beruf gewählt haben. Dabei vergißt man, daß jeder Offizier, auch jeder Unteroffizier einen bestimmten Grad von Kenntnissen haben sollte. Wir haben ohne Zweifel zuwenig technisch ausgebildete Offiziere in den Kompanien und bei der Luftwaffe in der Staffelebene. Noch schlechter ist die Besetzung in der mittleren und höheren Führungsebene. Man muß oft fragen: wer hat noch die Urteilskraft, was dem technischen Personal an Arbeit zugemutet
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Schultz
werden kann, und wer kann noch beurteilen, was für Fehler gemacht werden und ob die Leute gut oder schlecht arbeiten? Die Anträge des Verteidigungsausschusses, die hier im Plenum verabschiedet werden sollen, geben uns die Möglichkeit zu einigen Dingen. Im Rahmen dessen, was diese Anträge vorsehen, müssen vom Ministerium auch Vorschläge gemacht werden, wie die technische Situation von innen heraus verbessert werden kann.Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zu der Absicht machen, technisches Personal in den Vereinigten Staaten anzuwerben, um mit den Problemen hier besser fertig zu werden. Ich weiß nicht, ob dieser Weg erfolgversprechend ist. Ich will dabei nicht dem Bericht des Bundesverteidigungsministers zu nahe treten. Soviel ich weiß, ist die Flugzeugindustrie in den Vereinigten Staaten voll beschäftigt. Ich weiß also nicht, wie da noch Männer abgegeben werden können, die die volle technische Qualifikation haben, die wir von ihnen verlangen.Unsere Flugzeugindustrie hat doch inzwischen durch den Bau von 800 Flugzeugen — es mögen auch weniger gewesen sein —, durch den Bau des Starfighters, entsprechende Erfahrungen gewonnen. Sollte es da nicht möglich sein — das wird an sich von der Industrie den Abgeordneten gegenüber bestätigt —, das Personal hier in der Bundesrepublik oder zumindest in Europa, in einem überschaubaren Bereich — vielleicht innerhalb der EWG — zu gewinnen? Man sollte sich das doch noch einmal sehr genau überlegen, damit man sich nicht Hoffnungen macht, die später nicht erfüllt werden können.Lassen Sie mich noch zu einem anderen technischen Problem kommen. Die Fraktion der SPD hat — wenn ich mich recht erinnere und richtig gelesen habe — beantragt, daß eine besondere Erprobungsstelle für das Flugzeug F 104 geschaffen wird. Ich bin im Zweifel, ab ,das zweckmäßig ist, da ja für die Flugzeuge insgesamt Erprobungsstellen vorhanden sind, soviel ich weiß, eine in Manching und eine zur Teilerprobung in Istres. Wenn wir nun für die F 104 eine eigene Erprobungsstelle schaffen, so scheint mir das insofern nicht sehr rationell zu sein, als wir dadurch einen neuen Apparat aufbauen müssen, während man auf der anderen Seite sicher auch Erfahrungen, die mit anderen Flugzeugmustern gemacht worden 'sind, auf .die F 104 übertragen kann.Ich halte von einer eigenen Erprobungsstelle also nicht viel, meine aber, daß auf ,den vorhandenen Erprobungsstellen immer wieder erprobt werden sollte — vielleicht kann der Minister dazu sagen, wieweit das bereits geschieht —, welche Unfallmöglichkeiten und welche Unfallursachen ,auftreten können.Wir entwickeln jetzt doch ein neues Flugzeugmuster, den Senkrechtstarter. Auch er muß natürlich erprobt werden. Zur Erprobung dienen dann in das Flugzeug eingebaute Geräte, die Unstabilität und dgl. mehr feststellen können. Hierzu möchte ich die Frage stellen: Ist solches beim Starfighter schon in ausreichendem Maß geschehen oder kann hier noch etwas verbessert werden? Denn aus den Flugzeugtrümmern allein die Absturzursache festzustellen scheint mir manchmal etwas schwierig zu sein. Ich würde also ganz gern wissen, wieweit man .die Methoden der Untersuchung verbessern und verfeinern kann, ohne deswegen neue Stellen schaffen zu müssen.Lassen Sie mich noch etwas zu den technischen Änderungen sagen. Herr Kollege Draeger hat in seinem Bericht ausgeführt, daß jedes Waffensystem, bis es quasi aus dem Dienst gestellt wird, Änderungen unterworfen ist, die einmal — wie in diesem Fall — durch die Flugsicherheit und zum anderen aus was weiß ich für sonstigen Zweckmäßigkeitserwägungen notwendig sind. Wir haben uns im Ausschuß sehr lange darüber unterhalten. Ein Beamter des Ministeriums hat dazu ein sehr weises Wort gesprochen. Er hat nämlich gesagt, daß diese Änderungen nur so weit durchgeführt werden sollen, wie es unbedingt notwendig ist, und daß es quasi die Kunst des Schützen ist, herauszufinden, wann eine Änderung zur Perfektion wird und wann sie tatsächlich notwendig ist. Wir haben uns auch darüber unterhalten, daß es lange dauert, bis die als notwendig erkannten Änderungen beim Bau des Flugzeuges berücksichtigt werden können. Und wir haben auch heute ein klein wenig darüber gehört.Ich möchte an das Verteidigungsministerium die dringende Bitte richten, daß auch für die Prozedur der Einführung von Änderungen und ihrer Durchführung durch die Firmen eine andere Form gewählt wird, die ein schnelleres Arbeiten ermöglicht. Allerdings muß man dann wahrscheinlich auf gewisse Mitzeichnungen, die sich nun eingespielt haben, und dgl. mehr verzichten. Oder man muß es so machen, daß man alle Leute, die damit befaßt sind, so lange nicht auseinanderläßt, wie sie ein gemeinsames Papier nicht unterzeichnet haben, das den Startschuß für die Einführung der Änderungen gibt.Lassen Sie mich zum Schluß auch eine allgemeine Bemerkung machen. Wir haben im Ausschuß gehört, daß eine Stunde Starfighter-Fliegen etwa vier Stunden angestrengter körperlicher Arbeit entspricht. Wir müssen uns nun fragen: ist der heutige junge Mann schon von vornherein genügend trainiert, um eine solche Belastung auszuhalten? Oder mit anderen Worten: kann die Bundeswehr überhaupt diese Versäumnisse — wenn er nämlich nicht so belastbar ist —, die in der Jugend des Piloten liegen, ausgleichen? Wir sollten uns gerade auch in bezug auf dieses Problem in diesem Hohen Hause einmal den Bericht der vergangenen Bundesregierung aus der 4. Legislaturperiode über den Gesundheitszustand der jungen Generation vornehmen und sollten uns überlegen, wie weit die Mindestforderung — drei Stunden Turnen und eine Spielstunde in der Schule — erfüllt wird und was man tun kann, um sie zu erfüllen.Lassen Sie mich noch eine andere Bemerkung machen: wo kann der Nachwuchs für die Luftwaffe herkommen? Ich meine, er kann natürlich auch aus dem Flugsport als solchem herkommen. Ich bin nun nicht der Lobbyist für eine Zeitung; ich glaube, sie
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Schultz
heißt Aero-Kurier; ich weiß nicht mehr, welche es ist.
— Ich bin nicht der Lobbyist für diese Zeitung. Aber ich muß als schlichter und einfacher Abgeordneter dieses Hohen Hauses sagen: was die da schreiben, leuchtet mir ein. Ich weiß aus eigener Erfahrung aus meinem Wahlkreis, wie hart es für einen Flugsportverein ist, hier oder dort etwas an Förderung herauszuholen. Man hat viele Klinken in die Hand zu nehmen, und man muß sich viele Absagen holen.Die Frage der Förderung des Flugsports durch die Bundeswehr ist aber nicht nur eine reine Frage des Geldes, sondern auch eine Frage der Psychologie. Wenn ich mich recht erinnere, gab es oft die Meinung, daß man eine quasi-vormilitärische Ausbildung damit bewirken würde, wenn etwa der Flugsport aus dem Verteidigungshaushalt unterstützt würde. Ich meine, auch das sind ein bißchen antiquierte Vorstellungen, die wir allmählich beiseite lassen können; denn es kommt darauf an, daß wir personell sowohl auf der Seite der Piloten als auch auf der Seite der Technik stärker werden, und zwar nicht nur für die Strahlflugzeuge, sondern auch für die Luftwaffe überhaupt. Deswegen sollten wir uns das, was dort geschrieben ist, durchaus zu Herzen nehmen; wir sollten es ernst nehmen und sollten seine Durchführbarkeit mit dem Ziel einer günstigen Lösung überprüfen.Lassen Sie mich damit schließen, daß ich sage: es kommt für uns in diesem Hohen Hause genauso wie für die Bundesregierung, wie für die Bundeswehr und ihre Teilstreitkraft Luftwaffe darauf an, daß wir in möglichst schneller Zeit den Einsatzstand und die gleiche Beherrschung dieses Waffensystems erreichen, wie sie die NATO-Partner haben, die dasselbe System in gleicher Art mit uns fliegen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Strauß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht Mitglied des Verteidigungsausschusses.
— Ich bedaure es beinahe genauso wie Sie, Herr Kollege Berkhan! — Der Bericht des Verteidigungsausschusses gäbe mir eigentlich auch keinen Anlaß, in dieser Debatte zu sprechen. Die Debatte vom Januar 1965 ist vorläufig abgeschlossen. Aber es sind heute einige Bemerkungen gefallen, einmal von seiten des Herrn Kollegen Wienand, zum anderen von seiten des Herrn Kollegen Helmut Schmidt, der sicherlich wahlkämpfend nach Hamburg abgereist ist
— ja, ich war auch vor kurzem dort —
und der sich deshalb an dieser Unterhaltung nicht in Form der von mir erhofften Zwischenfragen beteiligen kann.
Wenn ich mich richtig erinnere, ist heute mehrmals gesagt worden, daß die Frage, ob die seinerzeit getroffene Entscheidung für die F 104 als Flugzeug und für die F 104 G als Waffensystem richtig oder falsch gewesen sei, geklärt sei und nicht mehr zur Diskussion stehe. Diese Debatte hier ist ja nicht nur eine parlamentarische Diskussion unter den Mitgliedern des Parlaments, sondern ist auch eine parlamentarische Diskussion gegenüber der Offentlichkeit, und gerade weil dem so ist, darf ich sagen, daß ja wohl im Hintergrunde hinter einem gewissen Vorhang von Rauch, Nebel und Zwielicht immer noch die Frage im Raum steht: war diese Entscheidung richtig, mußte sie so getroffen werden, hätte nicht besser eine andere getroffen werden können?, daß aber diese Frage aus gutem Grunde von Ihnen, die Sie an der Debatte im Verteidigungsausschuß teilgenommen haben, hier nicht mehr gestellt wird, weil Sie wissen, daß Sie diese Debatte nicht bestehen würden, wenn Sie an der Auffassung vom Januar 1965 festgehalten hätten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?
Bitte!
Herr Kollege Strauß, erinnern Sie sich noch an die Abstimmung im Verteidigungsausschuß — Sie waren damals Minister — und erinnern Sie sich vielleicht noch daran, daß die Stimmen der Sozialdemokraten, ausgenommen Helmut Schmidt, der sich der Stimme enthalten hat, der Regierung damals gewissermaßen freie Bahn für den Kauf gegeben haben?
Ich erinnere mich dessen sehr wohl. Ich habe das bereits für die erste Auswirkung des — ich weiß nicht, ob damals schon beschlossenen — Godesberger Programms gehalten.
Ich bin damals, das darf ich auch sagen, mit großer — nicht Befriedigung, aber Zufriedenheit, mit einer gewissen Freude von dieser Ausschußsitzung weggegangen, weil sie mir, sowohl was den umfangreichen Vortrag der Luftwaffe wie der Techniker anbetraf, wie auch was die Diskussion anbetraf, der Beginn einer sehr praktischen und vernünftigen wehrpolitischen Diskussion zu sein schien. Deshalb war ich um so bedrückter, daß die Sache von Ihnen dann in einer solchen — entschuldigen Sie, Herr Kollege Wienand — Science-Fiction-Form, einer so populärwissenschaftlichen, pseudowissenschaftlichen Methode in Ihrem berühmten Artikel, den Herr Kollege Erler hat durchgehen lassen, was ihn hernach sehr gereut hat, behandelt worden ist.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1565
Herr Abgeordneter Strauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan?
Bitte sehr!
Herr Kollege Strauß, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie das Godesberger Programm für gut halten?
Ich habe — es ist eine sicherlich im weitesten Sinne mit diesem Thema zusammenhängende Frage — das Godesberger Programm für den Anfang eines langen Weges gehalten, der von den ursprünglichen Grundsätzen und Zielen immer weiter wegführte
und damit, Herr Kollege Berkhan, in diesem Hause eine Übereinstimmung in manchen Fragen ermöglichte, die bei unseren Diskussionen vom Jahre 1949 an bis Ende der 50er Jahre nicht möglich war und die dann erst mit dieser Wende allmählich eintrat. Aber das würde- jetzt sehr weit führen; wir sollten vielleicht in Hamburg eine Podiumsdiskussion darüber führen.
— Nein, der wird Diskussionsleiter.
Da wir eine streng gegliederte, gut disziplinierte Partei sind, haben Sie natürlich recht. Bei Ihnen wäre das anders.
Aber lassen Sie mich zum Thema im engeren Sinne zurückkommen. Sicherlich steht diese Frage heute immer noch im Raum, wird aber bewußt im Hintergrund gehalten oder nicht mehr angeschnitten. Dazu kommt noch etwas. Herr Kollege Cramer, den ich heute hier in der ersten Reihe bei Ihnen gesehen habe und den ich jetzt ansprechen möchte — ja, da ist er —, hat in seinem Artikel im „Vorwärts" vom 16. März gesagt:Mit der Debatte am 24. und 25. März wird die Starfighter-Frage im Verteidigungsausschuß nicht zu Ende geführt sein. Bis jetzt sind nur die Unfallursachen geprüft worden. Die große Frage, ob die Beschaffung der Starfighter F 104 G und ihre Ausstattung als Mehrzweckeflugzeug überhaupt sinnvoll war, sowie die der Begleitumstände der Beschaffung bleiben noch zu stellen und zu klären. Insofern ist der hier gegebene Bericht lediglich eine Zwischenbilanz.
Gerade diese von mir wörtlich verlesene Passage aus dem Artikel des Kollegen Cramer gibt doch Veranlassung, in dieser Debatte, die hoffentlich für einige Zeit — ich sage: „hoffentlich", aber nicht aus Angst — die letzte Plenardebatte dieser Art sein wird, noch einmal die grundsätzliche Frage aufzurollen; denn wenn sozusagen der Teil II des Gesamtprogramms — Unfallursachen, Abstellung der möglichen Quellen — erledigt ist, dann besteht doch die Gefahr, daß man wieder ganz von vorn beginnt und wir dann nicht nur ein „Starfighter-Jahr", sondern eine Starfighter-Legislaturperiode bekommen.
Das wäre aber, ohne daß ich mich hier in Ihre Zuständigkeit als Verteidigungsausschuß einmischen möchte, Herr Kollege Zimmermann, eigentlich nicht im Sinne dessen, was dem Verteidigungsausschuß an Aufgaben gestellt ist.
Wir stehen vor einer Reihe von schwierigen Fragen, bei denen nach meiner Überzeugung — ich sage nur meine persönliche politische Meinung — auch der Verteidigungsausschuß neben dem Außenpolitischen Ausschuß zu einer Klärung der Begriffe, zu einer Klärung der Situation, und, wenn möglich, zu einer gemeinsamen Auffassung der deutschen Politik gegenüber so schwerwiegenden Problemen wie der Organisation der NATO und den Konsequenzen der Genfer Verhandlungen für die innere Struktur der NATO kommen sollte.
Ich komme deshalb auf diese grundsätzliche Frage, um Ihnen, Herr Kollege Cramer, den nächsten Artikel etwas zu erleichtern oder um Ihnen die Möglichkeit zu geben, in Ihrer eigenen Zeitung oder im „Vorwärts" das zu schreiben, was Kollege Helmut Schmidt heute hier expressis verbis gesagt hat, nämlich daß die Frage der Entscheidung für dieses System, also die Frage, ob es zweckmäßig, sinnvoll oder richtig war, gar nicht mehr zur Diskussion stehe. Wir sind zwar von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, sonst gewohnt, daß Sie viel mehr als wir mit einer Zunge sprechen und in einer Kategorie denken, aber mir scheint, daß Sie doch in den letzten Monaten etwas aus dem Marschtritt gekommen sind, was sich gerade auch bei dieser Frage zeigt.
— Eben. Aber es ist ganz gut, wenn man auf beiden Ohren hört.
— Dann wäre mir sicher etwas anderes eingefallen,
z. B. hätte ich dann einige Stellen von Herrn Wienand zitiert.
— Auch spätere noch. Aber ich kann ja hier nicht als Vorleser wirken.
Aber es steht noch so im Hintergrund und ist zwischen manchen Zeilen zu lesen, daß seinerzeit
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1566 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Straußdie Entscheidung für die F 104 unter dem Gesichtspunkt erfolgt ist, damit ein Waffensystem zu wählen, das zwar nach der uns Deutschen in der NATO zugedachten militärischen Aufgabenstellung nicht eigentlich als atomarer Waffenträger gedacht gewesen sei, das aber durch seine Beschaffenheit und seine Kapazität uns sozusagen über die Hintertreppe, auf dem Schleichwege quasi, zu einer Art Nuklearmacht, zu einer Art Pseudo-Nuklearmacht machen sollte. Ich darf hier vor aller Öffentlichkeit und vor diesem Parlament im ersten Teil meiner Ausführungen über die Aufgabenstellung, die der Luftwaffe der Bundesrepublik Deutschland nach dem damals gültigen, im übrigen heute nicht wesentlich geänderten NATO-Dokument auferlegt war, folgendes sagen. Die Luftwaffe der Bundesrepublik Deutschland hatte danach insgesamt vier Aufgaben zu erfüllen.Das eine war die Aufgabe der Abfangjagd. Ich habe immer — mehrmals wohl auch vor diesem Hohen Hause — als Minister gesagt, daß bei unserer militärisch-geographischen Situation und bei der Leistungsfähigkeit der modernen Flugzeuge ein Abfangen von Flugzeugen, also eine defensive Luftabwehr — wenn ich mich so ausdrücken darf —, außerordentlich problematisch ist, weil wir gar nicht die technischen Möglichkeiten haben, um noch nach den Maßstäben etwa des ersten oder vielleicht des zweiten Weltkriegs aktive Luftabwehr dieser Art betreiben zu können.Wir haben zweitens die Aufgabe einer gewissenAufklärungstätigkeit mit einer begrenzten Reichweite. Ich bin überzeugt, daß es eines der sehnlichsten Anliegen der Industriegewerkschaft Metall ist, der Bundesrepublik Deutschland Flugzeuge mit möglichst großer Reichweite, vielleicht bis tief in die Sowjetunion hinein, zu verschaffen. Wissen Sie, warum ich das sage? Ich sage das, weil in einer der letzten Nummern der „IG-Metall" unter anderem zu lesen steht, und zwar unter der Überschrift „Sehr peinliche Fragen", der Starfighter sei deshalb als Aufklärer ungeeignet, weil er nicht weit genug fliegen könne.
Nun, ich habe mich in der Zwischenzeit bei einem Aufklärungsgeschwader genau erkundigt, wie weit er fliegen kann. Das Ergebnis entspricht noch genau den Leistungskriterien, die damals, im Jahre 1957/58, aufgestellt worden sind, und er fliegt genauso weit, wie unsere militärische Aufgabenstellung reicht. Ich bin fest davon überzeugt, daß dann, wenn wir ein Flugzeug mit einer wesentlich größeren Reichweite — was übrigens wahrscheinlich auch noch wesentlich komplizierter und kostspieliger wäre — ausgewählt hätten, mit Sicherheit der Vorwurf gekommen wäre, dahinter stünden ganz merkwürdige größenwahnsinnige militärische Ambitionen.
Ich begehe keine Indiskretion, Herr Kollege Wienand, wenn ich Ihnen, der Sie ungläubig Ihr Haupt schütteln obwohl Sie nicht Thomas heißen —,sage, daß — —
— Wo die sitzt? - Die sitzt hier.
— Ich weiß, daß die IG-Metall mit der SPD gar nichts zu tun hat.
— Einen Moment! Sofort, Herr Kollege! Ich gebe Ihnen sofort die Möglichkeit zu Ihrer Frage. Ich wollte nur noch einen Satz sagen. Ich wollte nur zeigen, was für merkwürdige Formen diese Diskussion — völlig abseits von der eigentlichen Themenstellung — angenommen hat.
Wenn hier die periodische Zeitschrift „IG-Metall", deren politischer Hintergrund uns ja nicht ganz unbekannt ist und deren Haltung zur Notstandsgesetzgebung bis jetzt noch nicht verändert ist, auf einmal im Kampf — lassen Sie mich das sagen; das sind doch Tatsachen — um das zum Politikum erhobene Starfighter-Problem die mangelnde Reichweite des Aufklärers F 104 beklagt, dann muß ich Ihnen sagen: Wenn die Reichweite eines anderen Typs genommen worden wäre, wären wir schon tief in der westlichen Sowjetunion drin, zumindest was die Reichweite anbetrifft. Dann würde es bestimmt heißen, hier habe die Bundesrepublik Deutschland wesentlich mehr geleistet, als es ihr militärisches Soll gewesen sei. Da wir das aus politischen wie aus militärischen und finanziellen Gründen abgelehnt haben, begehe ich auch keine Indiskretion
— Herr Kollege Wienand, ich gebe Ihnen sofort die Möglichkeit, zu fragen —, wenn ich sage, daß mir General Norstad seinerzeit erklärt hat, als wir darüber diskutierten, ob z. B. die F 105 statt der F 104 in Betracht käme: „Ich warne Sie vor diesem Waffensystem, es ist noch schwieriger als die F 104; auch die US-Luftwaffe wird mit diesem Waffensystem Arger haben" — was sich in der Zwischenzeit herausgestellt hat —, „im übrigen solltet ihr jeden falschen Schein vermeiden; denn die F 104 hat— genauso wie die Phantom — eine Reichweite strategischer Art wenigstens für europäische Verhältnisse; diese Reichweite braucht ihr nicht, und deshalb könnt ihr euch mit einem Flugzeug begnügen, das keine wesentlich größere Reichweite hat." — Deshalb war ich so erheitert, als ich las, daß ausgerechnet von seiten der IG-Metall die mangelnde Reichweite der F 104 als ein schwerwiegendes Kriterium der politischen Fehlentscheidung herausgestellt worden ist.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1567
Herr Kollege Strauß, räumen Sie ein, daß es auch für uns erheiternd ist, wenn wir gelegentlich den Bayern-Kurier lesen und dann Rückschlüsse auf die Politik der CDU/CSU ziehen?
Ich freue mich sehr, daß Sie meiner Auffassung darüber zustimmen, wie weit man das Thema dieser Debatte fassen kann, ohne mit den Gesetzen dieses Hauses in Konflikt zu kommen. Ich habe mich über das Thema Bayern-Kurier — ich darf sagen — schon mit noch bedeutenderen Zeitgenossen, Staatsmännern der Gegenwart in ganz hohen Rängen, zu unterhalten Gelegenheit gehabt und bin deshalb auf dieses Thema sogar bis zu einem gewissen Grade vorbereitet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Abfangjagd erwähnt, was man Interception nennt. Ich habe die Aufklärungsaufgabe — reconnaissance — erwähnt. Ich muß die dritte Aufgabe, für die wir aus Gründen, die man hier nicht unbedingt zu erläutern braucht, bewußt die Fiat G 91 genommen haben, erwähnen, nämlich die Aufgabe der Unterstützung der Erdtruppe, die sogenannte closed air support — ich muß leider diese Ausdrücke heute gebrauchen —, weil sich dieses Flugzeug nach Überwindung der Anfangsschwierigkeiten als ein brauchbares taktisches Naherdkampfflugzeug erwiesen hat und wesentlich billiger und einfacher ist als die F 104.
Dann bliebe noch die Hauptaufgabe der F 104. Es ist jetzt nicht die Frage, ob das unseren Ambitionen entspricht, ob das auf geraden oder auf Schleichwegen erworben werden sollte. Das ist ja wirklich alles politische Hintertreppenromantik übelster Art. Das ist Nick Knatterton auf Pseudodetektiv gequält, und das in der Verteidigungstechnik, muß ich beinahe sagen.
Es steht doch außer jedem Zweifel, daß in dem MC 70 wie in ihrem Nachfolgedokument allen Luftwaffen der NATO-Länder — der deutschen, der französischen, der englischen, der holländischen, der belgischen, der italienischen — schwarz auf weiß eine Aufgabe im Bereich des strike zugewiesen ist.
Man spricht über diese Thema nicht gern, weil dies das Inferno der Menschheit wäre und weil es vermutlich das Ende unseres europäischen Kontinents wäre. So kommt es einem schwer an, darüber zu sprechen. Darum sagen wir: der Sinn dieser ganzen Vorbereitung kann nur darin liegen, mit einer fast absoluten Präzision die Möglichkeit der Ingangsetzung dieses Teufelsmechanismus überhaupt unmöglich zu machen.
Aber daß wir uns durch die Entscheidung für die F 104 sozusagen über die Hintertreppe an einen atomaren Waffenträger heranschlängeln und durch Kauf dieses Flugzeuges die Amerikaner überrumpeln wollten, das ist eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit. Für denjenigen, der wirklich behauptet, Wehrexperte zu sein, sei es im Parlament — ich habe nicht Sie gemeint, Herr Kollege Wienand, und auch niemanden von Ihnen hier — oder in der Publizistik, wer wirklich Wehrexperte ist und wer die in der MC 70 schriftlich niedergelegten Aufgaben unserer Luftwaffe kennt, der muß sagen, daß uns, bevor der erste Gedanke an die F 104 ,gefaßt wurde, mit Zustimmung der 15 NATO-Nationen, die alle Umfang, Größe und Aufgabenstellung der Luftwaffen aller NATO-Länder kannten, mit diesem Dokument schwarz auf weiß die NATO- Aufgabe im sogenannten interdiction und im sogenannten counter air gestellt war, also die Aufgabe, im Bereich des strike atomare Waffenträger der NATO zur Verfügung zu stellen.
Ich weiß nicht, ob ich hier die Grenze überschreite, wenn ich sage, daß die F 104 nach der NATO-Aufgabenstellung und ihrer Auslegung, nach der damaligen Konzeption, die bis heute noch — ich weiß nicht, ob ich noch ,sagen darf — gültig ist, für konventionellen Waffeneinsatz, für Bomben dieser Art überhaupt nicht gedacht und nicht vorgesehen war, sondern von vornherein nur für die Abschreckungsaufgabe, d. h. interdiction und counter air.
Ich wollte mit dieser Klarstellung endlich einmal — und ich hoffe, endlich einmal — .aus dem Bereich der seriösen Diskussion — ,eine unseriöse wird es immer geben — die Legende oder das Märchen vertreiben, daß wir, zu einer nichtatomaren Aufgabenstellung bestimmt, uns auf diesem Wege eine atomare Aufgabenstellung erschleichen wollten. Ich hoffe, daß ich das hiermit deutlich genug zum Ausdruck gebracht habe.
Herr Abgeordneten Strauß, 'gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Da Sie, Herr Kollege Strauß, bei Klarstellungen sind: besitzen Sie dann auch die Liebenswürdigkeit, klarzustellen, daß ich in dem von Ihnen vorhin .apostrophierten Artikel lediglich von der Funktion als Abfangjäger gesprochen und zum Ausdruck gebracht halbe, daß mir diese Konstruktion im Hinblick auf die Aufgaben, die damit verbunden sind, nicht ganz gelungen erscheint — ich bitte, das nachzulesen — und daß ich zu der zweiten und dritten Version, von der Sie gesprochen halben, kein Urteil abgegeben habe?
Ich habe keinen Grund, Herr Kollege Wienand, die Debatte etwa unsachlich oder Ihnen ,gegenüber unfair zu führen, so sehr ich mich auch bemühe, sie deutlich zu führen. Sie haben Ihre Bedenken gegenüber der Interceptionsfähigkeit, der Abfangjagdfähigkeit dieses Waffensystems zum Ausdruck gebracht. Das stimmt. Ich habe demgegenüber gesagt — das ist eine richtige Feststellung —, daß wir entgegen den NATO-Vorstellungen von einer großen Abfangjägerluftwaffe — wir sollten ja wesentlich mehr aufstellen —, von einer
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1568 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Strauß.) defensiven Luftverteidigung auf deutschem Boden von vornherein nicht viel gehalten haben. Die technische Entwicklung hat uns recht gegeben. Es ;gibt meines Wissens von einem Ihrer Herren eine Stimme dazu. Ich habe sie noch heute nachgelesen, aber bei der Fülle der Zitate hat man nicht mehr alles auswendig im Gedächtnis. Dieser Herr sagte: „Ausgezeichnet! Bloß müßten dann alle deutschen Verbände etwa in Frankreich stationiert werden, damit sie als Abfangjäger noch einen Sinn haben." Aber wenn sie in Frankreichstationiert wären, würden sie als Abfangjäger Frankreich schützen, aber nicht mehr die Bundesrepublik Deutschland, weil sie nämlich auch schon wieder zu spät kämen.
— Aus diesem Grunde hatten wir immer das Zweischlüsselsystem im Gespräch: französischer Kommandant, deutscher Truppenführer! Das funktioniert auch bei den Depots. Das ist bei gutem Willen auf beiden Seiten alles nicht so schwierig. Darum ist für uns immer schon in jenen Jahren die uns, ich darf sagen, etwas veraltet erscheinende NATO-Planung suspekt gewesen, eine stärkere Abfangjägerluftwaffe noch zu errichten, weil wir in ihr militärisch angesichts der geomilitärischen und angesichts der technischen Entwicklung keinen Sinn mehr gesehen haben und die aufzuwendenden Kosten und den möglichen Erfolg überhaupt in keine vernünftige Kombination mehr glaubten, bringen zu können. Die Ablösung der Abfangjagd1, durch Raketen ist heute schon so weit vor sich gegangen, daß man die Frage, ob ein besserer Abfangjäger hätte gewählt werden können, nicht mehr zu stellen braucht.Damit komme ich zu dem zurück, was Herr Kollege Schultz gesagt hat. Ich danke ihm dafür, daß er heute seine Meinung gegenüber früheren Auffassungen etwas revidiert hat. Ich komme auf das zurück, was heute vormittag der Verteidigungsminister sagte. Wenn wir für jede Aufgabe einen eigenen, spezifisch dafür brauchbaren Flugzeugtyp wählen, dann wird es in jedem Falle ein Hochleistungssystem sein. Wenn sich schon so ungeheure Schwierigkeiten ergeben haben, nur ein modernes Hochleistungssystem nach unserem Zusammenbruch von 1945 und der 12jährigen Pause, die wir, kann man beinahe sagen, nachher hatten, zu verkraften, wie sollten wir dann ein jeweils höchst brauchbares, höchst leistungsfähiges System — Abfangjagd, Aufklärung und vielleicht noch Jagdbomber — verkraften! Wenn wir heute, was ja auch vorgeschlagen worden ist, z. B. einen Teil der F 104 durch die ohne Zweifel technisch vielleicht bessere Phantom, die es ja erst seit Anfang der 60er Jahre gibt, ersetzen würden, so ginge es mit der Phantom wieder genauso. Wir würden wieder unsere Ausbildungskapazität aufspalten, unsere Wartungskapazität aufspalten; und wir hätten mit der Phantom genauso eine bestimmte Zahl von bedauerlichen Unfällen. Je mehr wir infolge der technischen Perfektionierung im einzelnen in das jeweils leistungsfähigste Einzelsystem gehen, desto unfähiger würde unsere Kapazität im gesamten werden.Darum habe ich Ihnen damals erwidert, daß ich zwar Ihre Bedenken gegen die Interceptionsfähigkeit teile, daß diese aber für uns niemals ein entscheidendes Kriterium gewesen sind. Im Gegenteil; hätten wir das Höchstmaß eines Abfangjägers geschaffen, würde man uns heute mit Recht die schwersten Vorwürfe machen.Ich habe Ihnen damals aber auch die Frage gestellt, was S i e denn genommen hätten. Dann kamen Sie, Herr Kollege Wienand, mit der Mirage. Ja, die schnittige Mirage! Sie haben da so einen etwas aus der Automobiljournalistik gewählten Terminus technicus gebracht.
— Nein, ich irre mich nicht. Als ich damals hier sprach, haben Sie unten Zwischenfragen gestellt. Auf meine Frage, welches Flugzeug Sie denn genommen hätten, haben Sie sich zwar nicht klar für die Mirage ausgesprochen, aber Sie haben als mögliche Alternative die Mirage genannt. Da bin ich allerdings nicht Ihrer Meinung.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Strauß, darf ich Sie darauf hinweisen, daß ich auf die Frage, die Sie rhetorisch gestellt haben, welches System oder welches Flugzeug ich denn genommen hätte, mit der Gegenfrage geantwortet habe, seit wann aus dem Parlament auf Fragen geantwortet werde? Ich habe lediglich in dem Artikel in dem Stern, weil vorher einmal gesagt worden war, praktisch habe nur dieses System zur Auswahl gestanden, bei der Begründung neben dem Grumman Tiger auch die Mirage genannt, ohne daß ich mich für die Mirage ausgesprochen habe. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis!
Sie kämpfen ja heute auf einem neuen „Dampfer", Herr Kollege Wienand, nicht auf demselben, auf dem Sie damals im Januar 1965 gekämpft haben. Aber wollen wir uns nicht geschäftsordnungsmäßiger Einzelheiten annehmen! Wenn Sie schon sagen, wie Sie es damals gesagt haben, die Entscheidung war auf alle Fälle falsch, sie war eine Riesenfehlentscheidung mit ungeheuren Verlusten, eine Verschleuderung und Verschwendung von Hunderten von Millionen DM Steuergeldern, dazu keine technische Leistungsfähigkeit, dann muß doch der von dieser Kritik Betroffene — das war in dem Fall ja ich; Sie haben damals keinen anderen gemeint, was diese Frage anbetraf — Sie doch fragen dürfen: Was hätten Sie bei Ihrer Sachkunde in Kenntnis der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten anderes genommen als die F 104? Hier hätte ich von Ihnen erwartet, daß Sie Farbe bekannt und nicht bloß Hinweise gegeben hätten, die uns ohnehin bekannt waren: Daß es die Mirage
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Straußgegeben hat, das wissen wir. Sie war in der engeren Auswahl. Ich war auch unvorsichtig genug, zu sagen, daß ich aus politischen Gründen gern die Mirage genommen hätte, daß ich aber angesichts der einmütigen Entscheidung der Soldaten und der Techniker, angefangen vom Sachbearbeiter bis zum Inspekteur auf der einen Seite und zum Ministerialdirektor auf der anderen Seite keine Möglichkeit sah, etwas anderes zu nehmen als die F 104. Das wäre die Möglichkeit gewesen — ich sage das nur zur Klärung der Vorgeschichte, weil das immer wieder in diesen nebulösen Zusammenhängen dargestellt wird —, wenn damals dem Minister Vorschläge gemacht worden wären: Hier können wir erstens die F 104 und zweitens die Mirage nehmen, beide weisen etwa gleiche Leistungskriterien auf; der eine hat diese Vorzüge, der andere hat jene Vorzüge, dafür hat der eine diese Nachteile und der andere die anderen Nachteile. Aber das gab es gar nicht. Die Auswertung aller theoretischen und praktischen Prüfungsberichte lief auf die F 104 zu. Darum habe ich damals die Frage gestellt: Was hätten Sie damals anderes getan, als der ganze Apparat des Ministeriums und die nachgeordneten Stellen vorgeschlagen hatten, die im übrigen an ihrem damaligen Urteil heute noch festhalten, wie wir heute morgen vernommen haben? Da haben Sie nur ein Ausrufungszeichen hinter das Wort Mirage gesetzt, nicht mehr. Daran wollte ich Sie heute, ohne das in gehässiger Weise zu tun, erinnert haben.Die Kriterien der Auswahl sind ja auch klar; das darf ich Herrn Kollegen Cramer sagen. Da war erstens die Aufgabe, die uns leihweise zur Verfügung gestellten und schon längst nicht mehr in Produktion befindlichen Flugzeuge abzulösen. Ich darf sogar Herrn von Hassel etwas berichtigen. Die Produktion der F 84 und der F 86 war damals in Amerika nicht im Auslaufen, sondern sie war im Jahre 1956 schon ausgelaufen. Die Amerikaner produzierten bereits modernere Typen. Wir haben uns nurmehr durch Ausschlachten alter Flugzeuge und durch Kauf von Ersatzteilen sozusagen auf dem freien Beschaffungswege mühsam behelfen können, um die notwendigen Ersatzteile für die F 84 und die F 86 zu bekommen. Sie wissen auch selber, meine Damen und Herren vom Verteidigungsausschuß, daß die Unfallquote bei der F 84 ungewöhnlich hoch war und daß sie uns die schwersten Sorgen und Kümmernisse bereitet hat.Dazu kam aber die Notwendigkeit, mit der Luftwaffe des Sowjetblocks zu konkurrieren, deren zukünftige Typen uns auch im großen und ganzen mit ihren Leistungsmerkmalen bekannt waren, der MIG 17, der MIG 19 und der MIG 21 und zum Schluß dem Delta-Jäger; ich weiß das gar nicht mehr so genau; der Delta-Jäger dürfte etwa auf dem gleichen Niveau sein wie die F 104.Jetzt kommt ich aber zum nächsten Punkt; auch er ist heute vormittag erwähnt worden. Es hatte für uns einfach keinen Sinn, angesichts unserer Verflechtung hier im deutschen Alleingang vorzugehen. Darum haben wir uns nach Partnern umgesehen. Wir haben die Kanadier dazu bekommen, wir haben die Holländer dazu bekommen, wir haben die Belgier dazu bekommen, und wir haben die Italiener dazu bekommen. Wenn wir in jeder nationalen Luftwaffe Europas jeweils einen verschiedenen Typ hätten oder gar noch etwa für jede Aufgabe einen verschiedenen Typ, wäre das Problem der Instandhaltung, Instandsetzung, Ersatzteilbeschaffung, Ersatzteilhaltung und Ersatzteilfindung gar nicht mehr zu lösen. Ich habe nämlich das unbestimmte Gefühl, daß es trotz der theoretischen Perfektion des heutigen Systems auf manchem unserer Flughäfen Ersatzteile gibt, die es gar nicht mehr gibt, daß Ersatzteile vorhanden sind, die nicht mehr gefunden werden, zwar nicht deshalb, weil sie physisch nicht mehr da sind, sondern weil das komplizierte System der Buchhaltung diese Ersatzteile dem raschen Zugriff entzieht. Ich kenne Aussagen von einigen Offizieren, die sagen: Wir haben hier nachgesehen und nach zwei Tagen des Suchens nachgewiesen, daß das Geschwader die Ersatzteile hat; aber das Geschwader hat die Ersatzteile nicht gefunden. Das gibt es. Aber wissen Sie, daran kann man keine schwerwiegenden politischen Kombinationen anschließen. Daran kann man andere Kombinationen anschließen. Ob ich damit Freude erwecken würde, möchte ich bestreiten.
— Sicherlich nicht.
Ich wollte auch zur Frage der Ausrüstung nicht mehr Stellung nehmen. Aber sehen Sie, das ganze Umrüstungsprogramm von den uns seinerzeit leihweise zur Verfügung gestellten F 84, F 86 oder Super-Sabre dauert nun neun Jahre. Wir haben 1957 mit dem Umrüstungsprogramm begonnen, und im Jahre 1966 sollte das Umrüstungsprogramm abgeschlossen werden. Es wird im Jahre 1966 noch nicht ganz abgeschlossen sein; ich sage das, ohne daß ich hier die Zahlen genau kenne. Kann man sagen, daß ein Programm überstürzt durchgeführt wird, das sich in seiner Durchführung schon auf einen Gesamtzeitraum von neun Jahren erstreckt? Da kann man nicht mehr mit Ausdrücken wie „übereilt", „überstürzt", „durchgepeitscht", „Hals über Kopf" usw. arbeiten. Wenn man sich vorstellt, was immerhin andere Länder zu bewältigen vermögen — und nicht nur die Supermacht USA, sondern verhältnismäßig kleinere Länder wie Holland und Belgien, Frankreich, England, Kanada —, dann sind wir durch das uns von der damaligen militärischen Führung gestellte, nach den NATO-Kriterien aufgestellte Programm in keiner Weise in unserer Leistungsfähigkeit überfordert worden.Ich darf einen weiteren Punkt noch einmal unterstreichen. Man hat auf seiten der NATO eine ganz bestimmte Vorstellung von der deutschen Leistungsfähigkeit. Man hält das Unterschreiten dieser Ziele für bösen Willen. Man hält das Unterschreiten dieser Ziele oft für einen Versuch, zu sagen: Na ja, laßt die Amerikaner doch die Last der europäischen Verteidigung tragen, wir Europäer beteiligen uns sozusagen mit einer Anerkennungsprämie! — Ich war nie der Meinung, "daß der jährliche Unterhalt für die Bundeswehr sozusagen eine transatlantische Versicherungspolice für eine atlantische Assekuranzgesellschaft ist, mit deren Bezahlung wir uns sozusagen wieder einmal für ein Jahr frei gemacht haben,
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1570 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
StraußDas hieße den Ernst der Situation und den Ernst unserer Aufgabe unterschätzen.
Ich habe — ich sage es nicht als Apologie, sondern nur, weil in dieser Sache einmal die Fakten auf den Tisch gelegt werden müssen, so wie die Dinge wirklich abgelaufen sind — die NATO-Partner, an der Spitze die Amerikaner, bei jeder Zusammenkunft davor gewarnt, unsere Leistungsfähigkeit zu überschätzen und sie nach Maßstäben der Vergangenheit zu beurteilen. Wir haben ihnen klarzumachen versucht, daß das, was die NATO von uns will, schon mehr ist, als wir bei Aufgebot aller Kräfte leisten können. Ich habe bei MC 70 im Auftrag der Bundesregierung auf Grund eines einstimmigen Kabinettsbeschlusses erklärt: im Grundsatz ja, in der Einzeldurchführung nach Maßgabe unserer personellen, finanziellen, technischen und raummäßigen Möglichkeiten. Insgesamt haben wir ja fünf Geschwader gestrichen. Es sind ja nicht nur die drei Geschwader der F 104, es sind ja auch zwei Geschwader der FIAT G 91 gestrichen worden. Insgesamt sind fünf Geschwader aus dem Minimalplan der NATO für den Abschnitt Deutschland von uns einfach per Ankündigung nach Paris gestrichen worden, weil wir uns außerstande gesehen haben, diese Forderung zu erfüllen. Um so mehr mußten wir aber bemüht sein, das verkürzte Programm auch tatsächlich einzuhalten, wenn wir nicht den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verlieren wollten. Der Verlust an Glaubwürdigkeit in einem Bündnissystem ist ja auch ein Politikum, und darum sollten wir uns als gemeinsame Aufgabe setzen, unsere politische Glaubwürdigkeit in diesem Bündnissystem zu verstärken und zu erhöhen und in der Sache der F 104 nicht ein Spiel mit dem Schwarzen Peter zu betreiben.
Ich gehe nicht mehr auf die seinerzeit von Ihnen angeschnittene, aber auch in der Publizistik wieder aufgetauchte Frage der Vertragsgestaltung mit der Bezahlung von angeblich 10 0/Œ Lizenzgebühren ein. Der in der Zwischenzeit in die Privatwirtschaft übergetretene Beamte — er ist also heute nicht mehr unter amtlichem Druck —, ein hoher Beamter und Sachverständiger, der aus dem Ministerialdienst in eine hohe Position der Privatwirtschaft übergewechselt ist, hat dazu eine Denkschrift angefertigt, deren Richtigkeit ich, soweit ich selbst betroffen bin, aus eigener Erinnerung bestätigen kann und deren Richtigkeit ich auch sonst unterstellen muß.
— Es ist ein Brief an den Abgeordneten Dr. Zimmermann, der darum gebeten hat. Ich habe eine Abschrift bekommen. Ich sehen keinen Grund, Ihnen das vorzuenthalten.Er schreibt hier: Was die Firma Lockheed und die Zelle anbetrifft — das Triebwerk ist ja wieder von General Electric geschaffen worden —, so belaufen sich die Lizenzgebühren für die Bundesrepublik auf 3%, für Kanada auf 7 %, für Holland auf 6 % und für Belgien auf 7,6 %. In der Denkschrift wird bestätigt, daß die Bundesrepublik Deutschland die günstigsten Vertragsbedingungen von den genannten Partnern bekommen habe und — entschuldigen Sie mich, daß ich das jetzt ausgerechnet noch sagen muß — daß dieses durch meine persönliche Intervention erfolgt sei, nachdem Lockheed die Annahme der von mir dann durchgesetzten Bedingungen für unmöglich und unerträglich erklärt und die Verhandlungen abgebrochen hatte. Das sei nur nebenbei erwähnt. Sie können es lesen. Ich habe keinen Grund, den damaligen .Ministerialrat Dr. Alfred Rennert etwa nicht für glaubwürdig zu halten, der in monatelangen, zum Teil erbitterten und zähen Verhandlungen diesen Abschluß herbeigeführt hat.Man sollte hier — Lieschen Müller ist eine sehr ehrenwerte Zeitgenossin — von diesem so sehr vereinfachenden Stil loskommen, als ob Aufträge dieser Art sozusagen am Kaffeetisch ausgehandelt und so über den Tisch hinweg hin- und hergeschoben würden. Wenn man weiß, was hier für eine Apparatur in Bewegung ist — technischer, militärischer, betriebswirtschaftlicher, juristischer und finanzieller Art —, bis am Ende eine Entscheidung und dann ein Stück weiter ,ein Vertrag steht, wird man von diesen primitiven Dingen — als ob man etwa Putzkübel oder ähnliches besorgte — hoffentlich endlich loskommen.Sie haben heute morgen, Herr Kollege Wienand, die Frage gestellt: Sind denn keine Warnungen aufgetaucht? Ich weiß, daß Sie über gute Informationen verfügen. Ichglaube auch einige der Urheber dieser Informationen zu kennen — einige sicherlich nicht —; Sie haben sicherlich mehr, als wir für möglich halten.
— Davon bin ich überzeugt, ohne sie zu kennen.Natürlich ist innerhalb aller Abteilungen der eine oder andere Referent in der einen oder anderen Frage einer anderen Meinung gewesen als sein Abteilungsleiter. Aber wenn einmal der Abteilungsleiter sich eine bestimmte Auffassung zu eigen gemacht hat, dann muß der Minister — ob er Blank oder Strauß oder Hassel heißt, ist völlig gleichgültig — das, was der Abteilungsleiter ihm vorlegt, als Vorschlag der Abteilung betrachten und als solchen werten. Einen Abteilungsleiter, der sich selber keine Meinung bildet, der sagt: „Mein Referent I hat die Meinung, mein Referent II hat überhaupt keine Meinung, mein Referent III hat eine andere Meinung, mein Referent IV war nicht da, und mein Referent V hat neuerdings eine abweichende Meinung", einen solchen Abteilungsleiter müßte man allerdings schleunigst hinauswerfen, weil er sein Geld nicht wert wäre.
Wenn deshalb die Logistiker sich beklagen, daß sie bei manchen Dingen nicht gehört worden seien — darauf hat vielleicht Herr Kollege Wienand angespielt —, dann mögen die Logistiker in diesem oder jenem einzelnen Punkt recht haben. Aber dann muß es innerhalb einer Abteilung — in diesem Falle im Führungsstab Luftwaffe — verarbeitet und dem Staatssekretär und dem Minister vorgelegt werden. Denn sonst müßte man das Ministerium so organi-
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Straußsieren, daß einem Minister 300 Referenten auf einmal unterstellt werden. Dann bräuchte er keine Unterabteilungen und keine Abteilungen mehr.Im übrigen sollte man bei dieser Debatte zwei Dinge nicht miteinander verwechseln, die sich nur am Rande berühren, die aber nicht identisch sind, wie es manchmal auch aus dieser Diskussion zutage tritt. Man sollte nicht Einsatzbereitschaft und Flugsicherheit verwechseln. Einsatzbereitschaft und Flugsicherheit können dann miteinander etwas zu tun haben, wenn der Kommandeur erlaubt, daß eine nicht einsatzbereite, nicht startklare Maschine für einen Flug freigegeben wird. Dann verstößt er aber in ernsthafter Weise gegen schriftlich festgelegte Dienstpflichten. Wo er seine Dienstpflichten einhält und eine nicht startklare Maschine nicht freigibt, gibt es auch kein Problem der Flugsicherheit. Wenn aber eine Maschine startklar ist und zum Start freigegeben wird und wenn sie fliegt, dann besteht das Moment der Flugsicherheit.Darum möchte ich diese beiden Dinge, die nur in der vorher geschilderten Weise etwas miteinander zu tun haben, in der Diskussion säuberlicher voneinander getrennt halten. Wissen Sie, warum? Weil heute morgen wieder das Thema, das mir schon von den Kraftfahrzeugen und auch von der Luftwaffe von früher her bekannt ist, das leidige Thema der hallenmäßigen Unterbringung in etwas verwirrender Weise auf den Tisch gelegt zu sein scheint. Die Unterbringung in Hallen hat mit der Flugsicherheit zunächst gar nichts zu tun.
— Aber immer wieder wird es gesagt. Sie haben ja heute gesagt — und jetzt widerlegen Sie sich selbst — daß Sie nur über die Frage der Flugsicherheit und nicht über die Frage der Einsatzbereitschaft sprechen. Trotzdem haben Sie die Frage der Hallen als schwerwiegendes Versäumnis des Ministeriums hier heute eingehend diskutiert.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Sind Sie bereit, Herr Kollege Strauß, nachträglich — wenn Sie es heute morgen nicht zur Kenntnis genommen haben — zur Kenntnis zu nehmen, daß ich mit Blickrichtung auf die Hallen angesprochen habe, was das Ministerium vorgeschlagen hat, und mich dagegen verwahrt habe, daß hier so getan wird, als hätte die NATO uns am Bau der Hallen gehindert?
Bloß : der Bau der Hallen ist eine auch in der NATO umstrittene Frage. Die NATO war jahrelang der Meinung, nicht nur daß man keine Hallen brauche, sondern daß man überhaupt keine Hallen errichten sollte. Wenn Sie aber heute sagen, hier steht nur das Thema Flugsicherheit, Untersuchung der Unfälle sowie die Frage, ob alles geschehen ist, was hätte geschehen müssen,
um die Zahl der Unfälle zu verringern, zur Debatte, dann verwirren Sie die Öffentlichkeit und auch einen Teil des Parlaments, wenn Sie die Frage der Hallen in Zusammenhang damit als ein Argument für die Unterstützung Ihrer These auf den Tisch legen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte! Nur dürfen Sie es mir nicht übelnehmen, wenn ich die Zeit, die durch diese Diskussion in Anspruch genommen wird, als Sonderzeit benötige.
Herr Kollege Strauß, ich habe davon gesprochen, und ich bitte das zur Kenntnis zu nehmen — —
— Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
daß ich davon gesprochen habe, das FlugstundenAngebot müsse unbedingt erhöht werden? Sind Sie bereit, weiter zur Kenntnis zu nehmen, daß ich von den Voraussetzungen gesprochen habe, wie man dazu kommen kann, daß der Circulus vitiosus durchbrochen wird, und daß als eine der Maßnahmen von dem Geschwaderkommodore auch die Schaffung von Unterstellmöglichkeiten gefordert worden ist, weil sonst startklar gemachte Maschinen nicht mehr startklar seien, wenn sie inzwischen dem Wetter ausgesetzt gewesen seien, deshalb die Flugstundenzahl reduziert werde, auf Grund der reduzierten Flugstundenzahl weniger geflogen werden könne und auf Grund des reduzierten Fliegens die Piloten gefährdet seien, weil sie nicht genug in Übung blieben?
Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß, wenn das Wartungspersonal eine Stunde früher angefangen hätte, man die Maschine eine Stunde eher startklar gehabt hätte?
Aber es handelt sich ja hier um die Frage: Haben Hallen etwas mit der Flugsicherheit zu tun?
Ich möchte mich hier nicht als allwissender Experte gerieren; aber es gibt namhafte Experten der NATO und der deutschen Ebene,
die aus gutem Grunde und auch im Hinblick auf arktische Flugerfahrungen den Standpunkt vertreten, daß es einfach falsch sei, normale, gemütliche friedensmäßige Verhältnisse zugrunde zu legen und darauf die Einsatzfähigkeit dieses Flugzeugs aufzubauen.
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1572 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
StraußVielleicht müßte man fragen, ob wir die richtigen Überzüge haben. Ich weiß es nicht; ich bin kein Überzug-Experte.
Aber ich weiß, daß die Kanadier — ich habe es selbst gesehen —, daß die Norweger in Bodö mit der F 104, ohne bisher einen einzigen Absturz gehabt zu haben, im arktischen Bereich ihre Flugzeuge ohne Hallen im Freien stehen haben, ihre Übungs- und Einsatzflüge durchführen, ohne daß dort jemals dieses Thema angeschnitten worden ist.Ich halte es für richtig, daß man für die Übergangszeit hier etwas erwägt. Wenn nicht die F 104 untergestellt wird, —wir finden sicher etwas anderes, was man unterstellen kann. Das Militär har noch. nie zuviel Hallen gehabt, sondern immer zuwenig. Es wäre also kein hinausgeschmissenes Geld.
— Selbstverständlich, ich stimme zu; aber nicht der Aufrechterhaltung der Fiktion, daß ein Kausalkonnex zwischen Hallenbau und dem Maß der Unfallgefährdung bestehe.Natürlich wissen Sie auch, daß es mit der NATO- Finanzierung noch seine besondere Bewandnis hat. Es gibt nämlich in der Bundesrepublik auch noch einen Bundesrechnungshof, und die Aussetzungen des Bundesrechnungshofs werden von der Opposition mit Recht — weil er zum Teil ihre Argumente liefert, liefern muß; das liegt in der Natur des Rechnungshofs — sehr ernst ins Feld geführt. Früher hat der Rechnungshof erstens die Notwendigkeit des Baus von Kraftfahrzeughallen grundsätzlich bestritten. Der Rechnungshof hat es ferner beanstandet, wenn wir die NATO auf dem Wege der nationalen Vorfinanzierung von der Aufgabe der Gemeinschaftsfinanzierung bei umstrittenen Bauprojekten befreit haben. So war es damals, und so dürfte es heute ebenfalls noch sein.Nun noch ein letztes Kapitel vor dem Schlußwort! Es ist heute von dem Ausstoß der Luftfahrtindustrie gesprochen worden. Meine Damen und Herren, wir hatten hier vor wenigen Wochen eine Wissenschaftsdebatte. Ich habe in dieser Wissenschaftsdebatte, wenn mich nicht alles täuscht, gesagt, daß der Aufbau einer wissenschaftlich-technischen Forschungs- und Entwicklungskapazität unmöglich ist, daß die Schaffung von Lehrstühlen und Apparaturen, daß das Studium von Studenten über viele Semester hinweg die Bezahlung ausländischer Potentiale ist, wenn im Inland nicht nach Forschung, nach Studium und nach Entwicklung eine korrespondierende, kongruente, adäquate Produktionstätigkeit ermöglicht wird.
An der Richtigkeit dieses Satzes kann man leider nicht vorbei. Wir hätten auch lieber manches mehr theoretisch gemacht, um uns den kostspieligen Weg der praktischen Entwicklung und Erprobung zu ersparen. Das ist ausgeschlossen. Wenn wir nicht unserer Wissenschaft und Technik die systematische, logische, konsequente Fortsetzung ihrer Tätigkeit in der Produktion ermöglichen, werdenwir über Grundbegriffe der Aerodynamik und des Raketenbaus leider nicht hinauskommen.Sie mögen hier von Schuld oder Nichtschuld reden. Es geht nicht um Schuld oder um Nichtschuld, es geht hier um eine Verantwortung um das Ganze im gehobenen Sinne des Wortes. Aus dem Grunde habe ich auf diese Dinge Wert gelegt. Sie haben auch Wert darauf gelegt, ohne die Konsequenzen daraus zu ziehen, wie wir sie gezogen haben. Ich habe auch in der eigenen Fraktion Widerstände gehabt. Es gab auch dort Kreise und Kräfte, die sagten: Warum sollen wir das, was das Ausland schon kann, uns selbst wieder erwerben, und warum können wir das nicht vom Ausland fertig beziehen oder höchstens im Lizenzbau das erwerben, was das Ausland erarbeitet hat? Ich bin der Meinung: Lizenzbau — ja; auf gewissen Gebieten bedarf es aber einer eigenen nationalen Entwicklung, weil nur die eigene nationale Entwicklung die Basis dafür gibt, daß man sich international eine Eintrittskarte verschaffen kann, mit der man wirklich gleichberechtigt drinsitzt und alles mitbekommt.
Aus diesen Gründen haben wir den Lizenzbau der F 104 und Fiat G 91 in der Bundesrepublik und nebenher die Entwicklung eines deutschen Senkrechtstarters mit zum Teil ausländischen Komponenten — wie Rolls-Royce-Motor — durchgeführt. Es geschah, weil ohne diese Tätigkeit der Aufbau einer deutschen Luftfahrtindustrie und die Rückkehr unseres Volkes zu einer wissenschaftlich-technischen Spitzenstellung in der modernen Industriewelt leider nicht mehr möglich ist. Ich habe dieses Geld — seine Ausgabe ist oft als Verschwendung bezeichnet worden, allerdings von jenen, die einen sehr kleinen Horizont hatten — für sinnvoller angelegt gehalten, als wenn man damit konventionelle Waffen und riesige Munitionsmengen, die dazu gehören, angehäuft hätte.Deshalb ist auch eine bestimmte Darstellung falsch. Ich bin kein Fertigungsexperte in Fragen der Luftfahrtindustrie und könnte nicht morgen Generaldirektor von Messerschmitt werden, sicherlich nicht, ohne eine längere Anlaufzeit durchzumachen.
Sie können nicht Flugzeuge produzieren, wie ein Dorfschuster mit einem Gehilfen auf Bestellung Schuhe produziert: einmal in einer Woche drei, und dann kommt wieder eine Woche kein Kunde, und 14 Tage später macht er fünf Paar Schuhe, und so geht das weiter.
— Ich hoffe, daß es sie trotz der Konzentration der modernen Wirtschaft immer noch gibt, weil sie ein liebenswerter Typ sind, auf den man sich im Zweifelsfall mehr verlassen kann als auf manche Großbetriebe.
Aber ich bin mir der Fragwürdigkeit dieser Bemerkung natürlich bewußt.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1573
StraußWenn die Investitionen getätigt sind, wenn die Montagehallen fertig sind, wenn die Apparaturen beschafft sind, wenn die ganzen Werkzeugmaschinen installiert sind und wenn der Apparat einmal in der erforderlichen Mindestgröße zu arbeiten beginnt, muß er produzieren, oder die Grundkosten werden so unerträglich hoch, daß die ursprünglich vereinbarten Preise nicht gehalten werden können. Es ist einfach eine Utopie, zu glauben, man könne das Tempo der Produktion in beliebigen Portionen festlegen, man könne es mal etwas steigern und dann wieder abblasen. Das kann man doch nicht. Was ist denn überhaupt der Grund für die heutige Konzentration in der Wirtschaft? Der Grund liegt darin, daß die moderne Produktionstechnik den Rhythmus der Produktion in Verbindung mit den Kosten zum Lebenselement der Konkurrenzfähigkeit macht. Genauso ist es auch hier.Die Frage ist nicht — ich möchte sie nicht im Sinne eines Vorwurfs gegen meinen Nachfolger erheben, ganz im Gegenteil —, ob die Maschinen zu schnell zugerollt sind, sondern die Frage ist, ob man bei der Truppe nicht zuerst einen Teil der aus der Produktion kommenden Maschinen wieder hätte einmotten und im Laufe der Zeit dann entmotten und in den Ausbildungs- oder Einsatzbetrieb überführen müssen. Aber so wie die Dinge 1961, 1962, 1963 aussahen, bestand damals auch auf personellem Gebiet durchaus Aussicht, das Programm mit der gegebenen Organisation verkraften zu können. Das war damals mein Eindruck. Ich wäre Herrn von Hassel dankbar, wenn er sich dazu noch äußern würde.Nun noch einige Hinweise. Ich habe schon einen Hinweis gegeben. Ich sage auch hier — und erlauben Sie es mir, es in einer zwar etwas ernst gemeinten, aber ironischen Form zu tun —: Wir haben manchmal das militärische Instrument zu sehr als eine Art Exerzierplatz für Demokratisierungsübungen betrachtet, und zwar für Demokratisierungsübungen mit untauglichen Mitteln am tauglichen Objekt oder, Sie können es auch so sagen: mit tauglichen Mitteln am untauglichen Objekt; für beides läßt sich wie immer eine Argumentation erfinden.Solange heute der Vorgesetzte noch — wenn auch nur subjektive — Hemmungen hat, seinem Untergebenen die letzte Pflichterfüllung mit größter militärischer Disziplin und präzisester technischer Genauigkeit vorzuschreiben und seinen Willen durchzusetzen, solange er Hemmungen dieser Art hat, werden wir erleben, daß eine gewisse Nachlässigkeit, die heute nicht nur beim Militär zu finden ist, sondern sich zum Teil auch quer durch unsere ganze moderne Gesellschaft hindurchzieht, bei diesen technischen Höllenmaschinen, wie sie eine F 104 ist, sich da und dort leider in kleinen Ungenauigkeiten auswirkt, die beim Auto meistens nicht tragisch sind, aber beim Flugzeug zu verheerenden Folgen führen können.
Ich bin zwar kein Werber für den deutschen aerokurier, aber darin steht ein durchaus beachtenswerter Artikel, den man sorgfältig lesen muß. Was hier über schwere politische Sünden steht, hat nicht den gleichen Gegenstand zum Ziel wie heute morgen Ihre Rede, Herr Kollege Wienand, oder auch Ihre Rede von heute nachmittag, Herr Kollege Helmut Schmidt, sondern ist eine Anklage gegen die Auswüchse einer Wohlstandsgesellschaft, in der militärische Disziplin, technische Präzision und der Wille zur exaktesten Pflichterfüllung nicht mehr in dem Ausmaß vorhanden sind, wie es gerade bei diesem Gegenstand Voraussetzung für die Verkraftung des gesamten Systems ist.
— Für diese Frage bin ich Ihnen sehr dankbar. Wir verwechseln nämlich das legere Verhalten amerikanischer Soldaten und auch Untergebener in der amerikanischen Wirtschaft oder im zivilen Behördendienst, das sehr legere Benehmen mit Händen in der Hosentasche nach dem Dienst und der Zigarette im Mund, mit etwas anderem. So geht man dort am Vorgesetzten vorbei. Bei Vorgesetzten unserer Tradition löst das häufig die Vorstellung vom bevorstehenden Weltuntergang wegen völliger Auflösung aller Bande und Ordnungen aus.
— Selbstverständlich gibt es solche. Ich kenne sie auch selber. Ich könnte sie sogar nennen. Aber es ist um des Friedens willen besser, es nicht zu tun. —— Aber wenn man weiß, in welch für unsere Vorstellungen geradezu barbarisch rücksichtsloser Weise in Amerika in der Wirtschaft, im zivilen Dienst der Streitkräfte und im militärischen Dienst verfahren wird, dann erkennt man den Unterschied. Wenn da ein Gefreiter vergessen würde, einen Bolzen ganz nachzuziehen, dann steht er vorm Kriegsgericht. Und was ihm bis dahin passiert, ist nicht die erfreulichste Seite, die Sonnenseite des Lebens. So ist es bei dem „milden" amerikanischen Kommiß, der angeblich militärisch so schlapp und unfähig ist, wie unsere ewigen Lanzenreiter früher immer gemeint haben. Die Amerikaner haben eine ganz barbarische Disziplin und eine technische Präzision, wie sie sich bei uns kein Vorgesetzter auch nur annähernd erlauben dürfte. In den US-Streitkräften ist das eine Selbstverständlichkeit.
Ich rede damit, meine Damen und Herren, nicht etwa einer Behandlung das Wort, wie sie die amerikanische Militärpolizei den amerikanischen Soldaten bei irgendeiner Ruhestörung zuteil werden läßt; denn wenn unsere Feldjäger das täten, stünden sie samt und sonders wegen Körperverletzung vor Gericht. So behandeln amerikanische Militärpolizisten ihre Soldaten. Man wagt ja kaum hinzublicken, wenn man es gesehen hat.Ich darf Ihnen einen anderen Fall nennen, und zwar auch aus apologetischen Gründen. Es ist z. B. in der amerikanischen Luftwaffe — ich habe selbst einen Fall erlebt — Selbstverständlichkeit: Wenn jemand, der Dienstvorgesetzter ist, die politische oder die militärische Verantwortung für etwas übernehmen muß, was in seinem Dienstbereich vorkommt, auch wenn er persönlich als Individuum
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1574 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Straußnicht die Schuld dafür trägt, dann muß er es sich gefallen lassen, daß er auf Knall und Fall hinausgeschmissen, aus seiner Funktion sofort herausgehoben und unter Umständen noch vor ein Kriegsgericht gestellt wird.
Meine Damen und Herren, mich hat eines tief betroffen. Ich habe jahrelang dazu geschwiegen. Ich wollte, ich hätte es im Verteidigungsausschuß noch in den letzten Jahren behandeln können. Das war die Prozedur, die von Ihrer Seite im Zusammenhang mit dem Zwischenfall des Fluges zweier deutscher Bomber nach Berlin in Sachen Oberstleutnant Barth angestellt worden ist. Die Amerikaner hatten mehrere Fälle ähnlicher Art, z. B. den Flug eines RB 66 in die Zone. Der Kommandeur dieser Einheit, die in England stationiert ist, ist sofort seines Dienstes enthoben und strafweise nach Amerika zurückgeholt worden, obwohl er persönlich individuell auch keine Schuld daran hatte.
Als sich damals der Zwischenfall ereignete, über den ich tief entsetzt und in d e r Situation tief erschrocken war, hatten wir eine ganz besondere Situation. Wenige Wochen vorher war die Mauer errichtet worden. Wenn man heute die PenkowskiPapiere liest — sie sind natürlich eine Veröffentlichung des amerikanischen Geheimdienstes, aber hinter ihnen steht eine Fülle von echtem, authentischem Material, das nicht einmal frisiert ist, das nur etwas ausgekämmt worden ist und das etwas gefiltert worden ist —, findet man die Bestätigung unserer damaligen Ansicht, daß es eine Phase im Jahre 1961 gegeben hat, wo ein militärischer Zusammenstoß möglich gewesen wäre — ich sage nur: möglich gewesen wäre. Auch die Planungen der NATO hatten sich nach monatelangen Arbeiten darauf eingestellt, in welcher Form der „escalation" dieser Zusammenstoß geführt werden sollte — die berühmte „contingency planning". Was glauben Sie, wie einem Verteidigungsminister zumute ist, wenn er dann — es war mitten im Wahlkampf — hört, daß zwei deutsche Bomber nicht irgendeine Grenzverletzung begangen haben, was auch schon bedauerlich gewesen wäre — auf dem Höhepunkt der Krise, wo die . Sowjets gewissermaßen die Bundesrepublik als die Schuldigen und die Kriegshetzer provokatorisch herausstellen wollten —, sondern daß zwei deutsche Bomber in Berlin gelandet sind. Wenn ich in diesem Augenblick den Kommodore des Dienstes enthebe, um ein Zeichen zu setzen, und seine Versetzung anordne, dann werde ich als Rechtsbrecher diffamiert und jahrelang in übelster Weise diskriminiert.
— Herr Kollege Berkhan, wenn der Wehrdienstsenat einen Teil der damals getroffenen Maßnahmen für nicht richtig erklärt hat und dieser Teilder Maßnahme — nämlich die automatische Versetzung, nicht die Dienstenthebung — zurückgenommen werden mußte, dann ist auch jeder Landrat und Oberbürgermeister ein Rechtsbrecher, der eine Verwaltungsanordnung erläßt, die bei der richterlichen Nachprüfung vor dem Verwaltungsgericht zum Teil geändert werden muß. Hier kann man nicht mit zweierlei Maß messen.Aber eines sage ich Ihnen auch, Herr Kollege Berkhan, weil wir uns damals über diese Frage im Verteidigungsausschuß unterhalten haben: wenn als Folge dieses bedauerlichen Zwischenfalls damals die Sowjets die Zufahrt nach Berlin gesperrt hätten und wenn es über diese Zufahrt zu unangenehmsten Verwicklungen, unter Umständen zu Blutvergießen gekommen wäre: der einzig Schuldige wären nicht die Piloten gewesen und wäre nicht der Geschwaderkommodore gewesen, der einzig Schuldige wäre in weitesten Kreisen der Inlandspropaganda und fast der gesamten Auslandspropaganda der Verteidigungsminister gewesen. Darum habe ich damals eingegriffen, um ein Zeichen zu setzen, daß solche Fälle einfach nicht vorkommen dürfen und daß der Vorgesetzte dafür die Verantwortung übernehmen muß.
Ich darf mich jetzt mit ein paar Bemerkungen an den Verteidigungsminister wenden und darf ihm sagen: schärfen Sie Ihren Kommodores ein, daß sie nicht die Zahl der Flugstunden über den technischen Klarstand der Flugzeuge stellen! Schärfen Sie es ihnen mit den äußersten Ihnen zu Gebote stehenden Möglichkeiten ein, daß kein Flugzeug zum Start freigegeben werden darf, das nicht auch wirklich startklar ist! Dieses Hochleistungssyste.m verträgt es nicht, daß man kleinere Dinge in Kauf nimmt unter dem Motto: „Es wird schon nichts passieren!" Dieses Flugzeug erfordert eine derartige Präzision nicht nur des Piloten, auch der 30 Mann, die als Wartungspersonal dahinterstehen, auch der Dienstaufsicht, der Einhaltung der Dienstaufsicht, der Überwachung der Einhaltung der Dienstaufsicht von oben nach unten und die Erzwingung der Einhaltung der Dienstaufsicht, daß man diesen Punkt nicht laut und scharf genug betonen kann. Hier herrscht nicht die taktisch-operative Seite vor, hier hat zunächst nur die technische Seite vorzuherrschen. Die Einsatzklarheit, und zwar ohne jedes Wenn und Aber im Sinne der letzten technischen Präzision, ist die Voraussetzung für die Freigabe eines Flugzeugs zu einem Ausbildungs- oder Einsatzflug. Ich erhebe diese Forderung, und ich bitte, das mit aller Schärfe durchzusetzen.Und ein Zweites. Ich kenne die Firma Lockheed aus jahrelangen Verhandlungen gut, kenne ihre guten und ihre schwachen Seiten, und man soll hier nicht mit phantastischen und gespenstischen Vorwürfen arbeiten. Wenn jetzt aber zur Abhilfe von Mängeln bei der Wartung, Instandsetzung, Ersatzteilbeschaffung, Logistik usw. Lockheed-Teams eingesetzt werden, dann prüfen Sie und verlangen Sie, daß die Firma eine Garantie dafür gibt, daß jeder Mann, den sie auf unsere Flugplätze
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1575
Straußschickt, fünf Jahre Typenerfahrung bei .der F 104 hat.
— Ja, nicht im Verkauf von Ersatzteilen,
sondern in der Wartung und Instandsetzung der F 104! Denn die amerikanische Staatsbürgerschaft, verbunden mit dem Angestelltenausweis der Firma Lockheed, ist noch kein ausreichendes Zertifikat für einen Experten, der es besser machen und die vielleicht da und ,dort besserungsbedürftigen Verhältnisse auf den gewünschten Stand bringen könnte. Man zahlt nach amerikanischen Maßstäben — anders geht es nicht — mit recht hohen Tagegeldern, mit recht hohen Gehältern; aber dann will man auch eine bessere Gegenleistung haben, als sie manchmal von dieser Seite gewährt worden ist. Ich weiß, warum ich das sage.
— Ich habe vorhin gesagt, daß ich jetzt dem Herrn Verteidigungsminister einige Beobachtungen und Eindrücke unterbreiten will. Aber ich kann nicht immer nach rechts schauen, sonst meinen Sie, ich ginge zur NPD.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein letztes Wort. Wir haben ja eine Logistic Working Group, meines Wissens unter Leitung des ) Oberst Paul, eines Sachverständigen. Da sind sämtliche Mitglieder dieses F-104-Ringes beisammen, und wir haben durchaus die Möglichkeit, unsere Erfahrungen mit den Holländern, Belgiern, Norwegern, Dänen und Kanadiern auszutauschen. Man hat heute in den europäischen Luftwaffen bereits mehr F-104-Erfahrung als in der amerikanischen Luftwaffe. Man hat bei der holländischen, belgischen, norwegischen Luftwaffe eine Unfallquote, die wesentlich niedriger ist als die unsere,
aus Gründen, die ja Gegenstand der Auschußberatungen waren, aus Gründen, die jetzt wohl so klar erkannt sind, daß ihre Abstellung innerhalb kurzer Zeit, wenn nicht außergewöhnliches Pech herrscht, möglich ist.Und sicherlich ist so auch manches bei der Industrie zum mindesten unter ganz scharfer Kontrolle zu halten. Ich weiß von einem Fall bei der F 86, wo für das Einkleben von Schaufelrädern eine Silikonmasse aus einer Flasche verwendet wurde, aus deren Aufdruck einwandfrei hervorging, daß ihre Verwendungszeit längst abgelaufen war. Ich würde auch sehr gern einmal wissen, woher die Sauerstoffgeräte kamen, mit denen der Pilot ausgerüstet war, der besinnungslos in einem auf Automatikkurs fliegenden Flugzeug in Richtung Narvik geflogen und dann abgestürzt ist.
Ich würde sehr gern wissen, ob man hier noch einenKontrollflug gemacht hat, um festzustellen, ob dieseGeräte reinen Sauerstoff geliefert haben, und wenn nicht, warum die Firma es nicht getan hat. Hier geht es um Menschenleben, hier geht es um militärische Sicherheit, und deshalb ist hier die letzte sachliche Präzision, und ich muß bei aller Menschenliebe und Kameradschaft auch sagen: die letzte unpersönliche Genauigkeit notwendig, wenn diese Maschinen — missile with a man heißen sie nicht umsonst — bewältigt werden sollen. Ich weiß auch, wie schwer die Last den Verteidigungsminister drückt; denn ich kenne das harte Brot, in der NATO unter Druck gesetzt und wegen mangelnder Leistung kritisiert zu werden und zu Hause vor einer Unsumme von Schwierigkeiten, Widernissen und Fährnissen zu stehen. Ich kenne das sehr genau.
Ich glaube nicht, Herr Kollege Wienand und Herr Kollege Berkhan, daß wir die F 104 wesentlich zu schnell eingeführt haben. Wenn die Personalzufuhr aus bestimmten Gründen absinkt, dann müßte man darüber auch einmal reden — das werden Sie im Ausschuß tun —, dann müßte man unter Umständen jedenfalls die Indienststellung verlangsamen. Aber etwas anderes war und ist zum Teil heute noch eine schwerwiegende Angelegenheit, nämlich die Tatsache, daß wir, die wir unter NATO-Verpflichtung stehen, einerseits einsatzfähige alte Flugzeuge, z. B. die F 84, in Dienst halten und andererseits im gleichen Geschwader neue Flugzeuge übernehmen und an ihnen die Ausbildung betreiben mußten. Gerade wenn die wesentlichen NATO-Mitglieder heute hinsichtlich der Gefährlichkeit der Politik der Sowjetunion gemilderte Vorstellungen gegenüber früher haben, wenn sie die Gefahr einer militärischen Aggression heute für wesentlich geringer erachten als in den Jahren, in denen ich das Vergnügen hatte, hier ex officio zu sprechen, dann sollten sie uns auch erlauben, vorübergehend eine Anzahl von Geschwadern so zu behandeln, daß wir die alten Maschinen auf einen Schlag herausnehmen, das gesamte Wartungspersonal und die gesamte Wartungskapazität nur auf die F 104 konzentrieren und dann nicht mehr den Piloten zumuten, an einem Tag mit der F 84 und am nächsten Tag oder schon am Nachmittag mit der F 104 zu fliegen, wobei das Wartungspersonal dann zum Teil so, zum Teil so eingesetzt wird.
Ich darf Sie darauf aufmerksam machen,' daß Ihre Redezeit von einer Stunde schon um zehn Minuten überschritten worden ist.
Aber ich wollte noch den Beitrag zur Klärung liefern.
Bitte schön!
Ich meine den Beitrag für die Fortsetzung und für den Abschluß der Diskussion.
— Um das Fernsehen habe ich mich heute wirklichnicht gekümmert. Ich hätte auch nicht gesprochen,
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1576 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
StraußHerr Kollege Wienand, wenn Sie meinen Namen nicht in so präziser Weise genannt hätten.
Es warten nämlich noch viele Kollegen meiner Fraktion, die sich als noch im Aufstieg befindliche Kräfte präsentieren wollen, während das bei mir, wo ich schon die andere Hälfte des Lebens erreicht habe, schon nach der Vorgeschichte der letzten 16 Jahre nicht mehr so notwendig ist.Noch etwas in dem Zusammenhang zum Waffensystem, das eine solche Symbiose zwischen Mensch und Technik erfordert. Man würde schon kaum einem Autorennfahrer zumuten, am Morgen mit einem Porsche-Spider Trainingsrunden am Nürburgring zu fahren und am Nachmittag mit einem Ferrari in Monza einen Weltrekord aufzustellen. Der Pilot befindet sich immer in Situationen, in denen er mit seinem technischen System so verschmolzen sein muß, daß er ein Optimum an Unfallsicherheit und an Maximum an Leistung erreicht. Darum müssen wir unsere Regierung, auch den Verteidigungsminister, bei den Bemühungen, gegenüber der NATO mit solchen Änderungen durchzukommen, unterstützen; wir müssen die Stellung des Verteidigungsministers stärken, anstatt sie zu schwächen.
Der Herr Kollege Schmidt hat heute auf eine die USA-Streitkräfte betreffende Frage gesagt: In den USA liegen die Dinge anders. Er hat damit recht. Die USA sind eine Nation mit einem ungebrochenen nationalen Bewußtsein. In einem viel größeren Maße als wir sind das auch noch die Engländer, die Franzosen, ja selbst die kleineren Nationen wie die Holländer, die Belgier und die Luxemburger sowie die Dänen und die Norweger. Wir sind eine Nation mit einem noch nicht wiederhergestellten geschichtlichen Kontinuitätsbewußtsein. Die Integration, die Synthese zwischen der bewaffneten Macht und der deutschen Nation ist noch nicht so weit gediehen, daß der Soldat ohne Rücksicht auf eine ihm zustehende Bezahlung eine solche soziologische Stellung im Gefüge unseres Volkes einnimmt, daß der Dienst in der Uniform oder im Monteurkittel wieder als ein guter, ich darf wohl sagen: als ein Ehrendienst betrachtet werden kann.
Ich bin nicht der Meinung, daß der Soldat sozusagen der Übermensch und der Zivilist der Untermensch ist, der sich vor ihm zu verneigen hat. Aber ich bin auch nicht der Meinung, daß es sich umgekehrt verhält. Ich meine, daß der Soldat zwar als normaler -Bürger bürgerliche Rechte und Pflichten hat, daß er aber entsprechend seinen Aufgaben eine Stellung sui generis einnimmt. Schlagen Sie einmal die Zeitung von heute morgen auf! Dort werden Sie lesen: ÖTV verlangt eine Arbeitszeitverkürzung von 44 Stunden auf 40 Stunden. Sie verlangt ferner eine Erhöhung der Löhne und Gehälter von 9 %. —Beides ist ihr gutes Recht. Aber wie will man dann noch einen 24-Stunden-Dienst mit zivilem Wartungspersonal sieben Tage in der Woche und 52 Wochen im Jahr unter diesen Voraussetzungen durchhalten?! Unsere Wohlstandsgesellschaft nimmt sich ja immer mehr die Möglichkeit, überhaupt noch verteidigungsfähig zu bleiben, außer man schließt mit der Sowjetunion in Genf einen Vertrag, daß nur an 240 Tagen ein Konflikt möglicherweise in Betracht kommt, in der restlichen Zeit aber nicht mehr.
Wenn man sieht, wie kompliziert heute die Dinge geworden sind für diejenigen, die verantwortlich sind, dann kann man doch beinahe dankbar dafür sein, daß man nicht persönlich verantwortlich ist und eine Sisyphus-Aufgabe hier wirklich zu leisten hat.Meine Damen und Herren von der Opposition, nehmen Sie mir das Wort bitte nicht übel, das ich Ihnen am Schluß noch sage. Ich sage es ohne jede Verärgerung, ohne jede Verbitterung, ohne jede Gehässigkeit, ohne jede Polemik, ohne jede hämische oder ironische Unternote. Denken Sie einmal selbst darüber nach, wieweit Sie noch dazu beitragen können, das Verhältnis — ich darf sagen — zwischen Nation und bewaffneter Streitmacht zu normalisieren und zu harmonisieren,
wieweit Sie dazu beitragen können, daß das, was an Wunden in der Vergangenheit geschlagen worden ist und was die besten Kräfte unseres Volkes vom zivilen und militärischen Dienst in den Streitkräften ferngehalten hat, überwunden und beseitigt werden kann, damit alle bereit sind, in diesem Dienst wenigstens im Grundsatz mitzuwirken. Das ist die Debatte der fünfziger Jahre hier in diesem Hause gewesen.
— In diesem Hause! Das ist erst im Herbst 1949 zusammengetreten; vorher war es nicht möglich.
— Ich habe gesagt „in diesem Hause"!
Meine letzte Bitte in dem Zusammenhang! Ich sage es nicht, weil ich eine weitere Diskussion über die Einzelheiten fürchte. Das sind ja kindliche Vorstellungen, die da und dort erwogen werden. Sie tun der Sache einen ganz schlechten Dienst, wenn Sie das Starfighter-Problem zum Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung machen.
Sie tun der Sache einen ganz schlechten Dienst, wenn Sie Ausdrücke wie „Selbstmordmaschine", „Witwenmacher" usw. benutzen. Das ist übrigens die dritte Maschine, die ich als „Witwenmacher" kenne. Zuerst war es die F 84, als die Konkurrenz versuchte, das Nachfolgemuster zu bestimmen. Dann wurde es die Noratlas, als man versuchte, ebenfalls kommerziell das Nachfolgemuster zu bestimmen, und jetzt ist es die F 104 geworden, wobei ganz bestimmte Hintergründe auch hier die Paten dieser Terminologie sind. Sie tun der Sache einen ganz schlechten Dienst, wenn Sie den Soldaten — —
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1577
Strauß— Diejenigen, die den Ausdruck Witwenmacher, Selbstmordmaschine usw. gebrauchen.
— Soll ich Ihnen die Dokumentation vorlesen?
— Der Kollege Cramer hat in dieser Debatte ja auch mehrmals das Wort ergriffen. Er ist Verleger und Chefredakteur der „Wilhelmshavener Rundschau". Diese Zeitung hat erst vor kurzem, am 22. Januar, einen Dreispalter über eine Denkschrift von Flugplatzanrainern gebracht, und der Inhalt dieser Denkschrift ist dort — dem Informationsbedürfnis oder der Informationspflicht folgend — abgedruckt worden. Dort heißt es aber:Wir können die zuständigen Politiker aus ihrer Verantwortung für den Witwenmacher nicht entlassen. Sie haben es in der Hand, für Entspannung, für Disengagement, für Verständigung zu sorgen, damit unsere Heimat nicht mehr länger Basis für Atombombenträger und nukleare Sprengköpfe zu sein braucht.
Ich bitte Sie dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie für diese Debatte ein großes Maß an Verantwortung tragen, denken Sie auch daran, daß mancher Pilot genauso wie ein Leistungssportler in einer extremen Situation falsch reagieren kann, wenn er mit Unsicherheit und Angst erfüllt ist.
Ich habe das einmal bei einem Motorsportfreund erlebt; es war der unvergeßliche Gall, der im Jahre 1938 bei der „Tourist Trophy" in England schwer gestürzt ist und einen Schädelbruch erlitten hat, der dann im Jahre 1939 an genau derselben Stelle nochmals verunglückt ist und tot am Platz liegengeblieben ist. Hier handelt es sich um ein unbestimmbares Element der Panik und der Angst. Der Soldat muß zu seinem Waffensystem Vertrauen haben.
Es muß besser gemacht werden. Es müssen Versäumnisse ausgeglichen werden. Aber ein Soldat, der kein Vertrauen zu seinem Waffensystem hat, taugt nichts für die Verteidigung; er wird in einer schwierigen Situation um so schneller falsch reagieren und damit unter Umständen sein eigenes Leben zerstören.Noch eine Bitte. Wir sollten diese Diskussion nach Klärung des heute Klärbaren jetzt abschließen, tun, was wir können, das Verteidigungsministerium überwachen, daß diese Aufgaben durchgeführt werden, aber unsere Bundeswehr nicht nur zum Gegenstand fürsorglicher Beteuerungen von allen Seiten, sondern auch zum Gegenstand einer wirklichen seelischen, herzlichen Fürsorge machen. Dazu gehört auch, den Soldaten mit seinem Waffensystem zu versöhnen und zu einer Vertrauensgemeinschaft zu verbinden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Berkhan.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Strauß, Sie werden verstehen, daß ich, bevor ich auf den Kern unserer Anfrage zurückgehe, ganz gern ein paar Bemerkungen zu Ihrer Rede mache, die Sie uns hier eben vorgetragen haben. Ich will Ihnen also gleich sagen, daß Sie in langen Passagen ohne Zweifel die Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei finden werden. Ich weiß auch nicht genau, gegen wen Sie. hier polemisiert haben oder was das eigentlich sollte. Die Sozialdemokratische Partei hat sich ein Programm gegeben, in dem ganz klar steht, daß sie Ja zur Landesverteidigung sagt. Sie wissen auch ganz genau aus langen Jahren gemeinsamer Arbeit, daß es einfach nicht wahr ist, daß wir immer nein gesagt hätten und daß wir uns also absentiert hätten, daß wir nichts getan hätten, daß wir der ganzen Verteidigung kritisch gegenübergestanden hätten. Das ist ja alles nicht wahr.
Was mir an Ihrer Rede nicht gefallen hat, will ich Ihnen ganz offen sagen: Diese rhetorisch geschickte Vermischung von den angenehmen Dingen, die Sie aus USA berichten konnten, mit den „unangenehmen" Dingen bei uns. Sie sagen z. B., die ÖTV fordert 40 Stunden und 9 % Zulage. Und dann fragen Sie, wie das alles in Zusammenhang gebracht werden solle mit der Arbeitszeit von Soldaten. Sie verschweigen dabei, daß weite Teile der amerikanischen Industrie bereits in der 32-Stunden-Woche sind. Sehen Sie, mit diesen Schwierigkeiten haben die Amerikaner auch zu kämpfen.
Das ist gar nicht so einseitig.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Sind Sie bereit, in Ihre Gesamtbetrachtung auch die Tatsache einzubeziehen, daß die USA zwischen 4 und 5 Millionen Arbeitslose haben, während wir 2 Millionen Fehlstellen haben?
Genau das, Herr Kollege Strauß, bin ich bereit in meine Betrachtungen aufzunehmen. Aber Sie wissen ja, daß der Rücklauf der Arbeitszeit in den USA bereits einsetzte, als sie noch keine Arbeitslose hatten. Es hat doch keinen Sinn, daß wir anfangen, uns in Wortklaubereien auseinanderzusetzen. Ich möchte nur feststellen, daß ich bedaure, daß Sie so geschickt diese Dinge miteinander vermischt haben.Hier haben Sie ganz klar gesagt, hinsichtlich der drei Aufgaben des Flugzeuges seien Sie z. B. bei der Jägeraufgabe immer einer anderen Auffassung gewesen. Nehmen Sie es mir übel, wenn ich Ihnen sage, daß Sie das als Minister im Verteidigungsausschuß nicht sehr klar gesagt haben, als Sie da-
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1578 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Berkhanmals von uns verlangten, wir sollten dem Kauf dieses Flugzeugs gewissermaßen unser Plazet geben. Damals haben wir dieses Flugzeug gekauft in der Auffassung, eine dreifache Version zu haben. Darüber geht die Auseinandersetzung und nicht darüber, ob das Waffensystem gut oder schlecht ist, ob die Methode des Anbietens und des Nichtinformierens immer korrekt gewesen ist. Es geht nicht darum, hier einen „Schwarzen Peter F 104" in die Debatte zu bringen.
— Dafür können Sie mich doch nicht verantwortlich machen, meine Damen und Herren. Ich mache die Instrumente, die dafür vorgesehen sind, — —
Ich bitte um Ruhe. Ich bitte, Platz zu nehmen.
Genau diese Methode, Herr Kollege Strauß, haben Sie bei der Darlegung des Falles Barth angewendet. Ich finde es überhaupt nicht gut, daß wir in der Offentlichkeit unter Nennung von Namen solche Fälle von Offizieren, die heute noch Dienst tun, hier debattieren. Daher will ich mich auf ganz wenige Sätze beschränken.Erstens hat uns die Methode mißfallen, wie der Fall Barth behandelt worden ist. Zweitens hat uns mißfallen, daß später die Genehmigung zur Aussage vor der untersuchenden Behörde durch das Verteidigungsministerium nicht erteilt wurde. Wenn Sie verlangen, daß hier gleiche Härte Platz greift wie in Amerika, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß dann auf der politischen Ebene das gleiche Spiel gespielt werden muß. Dann müssen wir auch öffentliche Hearings haben und müssen wissen können, was gesagt wird und was die Tatsachen sind.
Mein Kollege Schmidt hat auf das Hearing in Sachen Vietnam hingewiesen. Herr Kollege Strauß, ich bin leider nicht die ganze Zeit bei den Beratungen im Ausschuß gewesen. Sie wissen, daß ich im Auftrage meiner Partei eine Auslandsreise unternehmen mußte. Aber nach Schätzung hätten 80 0/0, vielleicht mehr, von dem, was im Ausschuß gesagt worden ist, in voller Offentlichkeit gesagt werden können.
Manches könnten wir uns dann ersparen. Diese Geheimnisfieselei und diese Getue mit Dingen, die überhaupt nicht geheim sind, die man in jeder großen Fachzeitschrift und Tageszeitung lesen kann, die einem aber hier unter dem Titel „Geheim" verkauft werden — ich werde nachher darauf zurückkommen —, mißfällt uns.Nehmen Sie also die Versicherung, daß die Sozialdemokratische Partei zu ihrem Programm steht. Nehmen Sie aber auch die Versicherung, daß wir unsere Pflicht als Opposition, von der Sie ja mitunter gesagt haben, wir nähmen sie nicht richtig wahr, so ernst nehmen werden, daß wir dann, wenn wir meinen, daß der Minister wieder nach dem Verlauf dieser Dinge gefragt werden muß, ihn fragen werden. Wir sind nicht bereit, zu sagen: heute um 19.20 Uhr oder 21.00 Uhr, wenn der Präsident die Sitzung abklingelt, gibt es für uns keine F-104-GAffäre mehr. So billig werden wir Sie nicht entlassen. Wir werden vielmehr, wenn es notwendig ist, das Wort nehmen und werden unsere Fragen stellen und unsere Meinung dazu sagen.Es ist verlockend, jetzt alles anzupicken, was man sich aufgeschrieben hat. Aber ich muß zu meinem eigentlichen Thema kommen. Nur noch eines. Ich bin nicht ganz sicher, ob Sie die Genehmigung erhalten — ich kenne die Geschäftsordnung nicht so gut wie Sie —, aber ich würde mich freuen, wenn Sie zur Teilnahme an der Sitzung des Verteidigungsausschusses bereit wären, wenn wir über die Hallen beraten. Im Draeger-Bericht steht etwas über die Hallen. Da wird ein sehr komplizierter, aber immerhin ein Zusammenhang hergestellt zwischen Flugsicherheit, Einsatzfähigkeit und dergleichen mehr und den Hallen.Sie haben hierzu etwas gesagt, was mir sehr beachtenswert erschien. Ich habe, als das damals zuerst auftauchte, nur mit einer kleinen Zwischenbemerkung zu dem Thema Stellung genommen. Ich glaube, daß an den Argumenten, die Sie, versteckt in die Aussage eines amerikanischen Generals, vorgetragen haben, etwas ist und wir sicher sorgfältig diese Dinge prüfen müssen._ Wo aber wären wir Sozialdemokraten, wenn wir gesagt hätten, die Hallen seien gar nicht nötig, und wenn Ihre ehemaligen Mitarbeiter, Ihr Nachfolger und sein Staatssekretär uns vorgetragen hätten, daß diese Hallen viele Schwierigkeiten beseitigen würden? Dann würde eitel Freude herrschen. Das habe ich nicht gesagt. Es hat auch keiner gesagt, aber man konnte es heraushören, nach dem Hallenbau würde alles viel, viel besser sein. Aber, ich bin sicher, dann wird es andere Schwierigkeiten geben, über die wir dann vielleicht erneut zu reden haben.
— Wir werden es gemeinsam tun, Herr Dr. Jahn.Nun lassen Sie mich ein paar Bemerkungen machen, die ich nicht gemacht hätte, wenn nicht Herr Kollege Draeger heute morgen bei der mündlichen Berichterstattung diese 'Geschichten mit dem erhöhten Gewicht des Starfighters wieder aufgebracht hätte. Ich möchte mich einmal mit diesem erhöhten Gewicht etwas auseinandersetzen, weil das gleichzeitig ein Beispiel dafür ist, wie man zu einem Teil die Abgeordneten im Ausschuß informiert und behandelt und wie man uns über diese Dinge ins Bild setzt. In vielen Debatten in der Offentlichkeit hat es so geklungen, als wäre ein erhöhtes Fluggewicht eine wesentliche Ursache der Unfallkette.
Herr Draeger hat heute morgen wieder behauptet, es seien nur 360 kg dazugekommen. Der Minister oder der Staatssekretär hat das im Ausschuß gesagt. Der Minister hat es ganz sicher in seinem Interview mit der „Welt" gesagt. Zunächst einmal ist der Begriff Fluggewicht nach meiner Meinung
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Berkhannicht eindeutig. Jedes Einsatzflugzeug kann nämlich in ganz verschiedenen Rüstzuständen geflogen werden und hat dann auch verschiedene Gewichte. Das hängt mit der Betriebsstoff- und Waffenbeladung zusammen und damit, welche Mission geflogen wird.Zum zweiten haben uns der Minister und auch Herr Draeger nicht mitgeteilt, auf welchen Vergleichstyp sich die 360 kg denn nun eigentlich beziehen.
— Aha. Ausschlaggebend für die Beurteilung der gewichtsmäßigen Belastung der F 104 G gegenüber der ursprünglichen amerikanischen Version kann doch aber wohl nur jener Flugzeugtyp sein, der in den Jahren 1957 bis 1959, als das Flugzeug erprobt und ausgewählt wurde, vorhanden war. Nur jener Typ kann doch wohl der Vergleichstyp sein. Danach erst sind durch Initiative des Ministeriums unter Ihrer politischen Verantwortung Spezifikationen angemeldet worden, die dann das Flugzeug und das Gewicht verändert haben.Wie sieht denn nun ein Gewichtsvergleich zwischen dem Typ, der damals zur Verfügung stand, und dem Typ, der heute ausgewählt ist, aus? In Jane's Handbuch der Flugzeuge der Welt aus den Jahren 1957 bis 1959 — das sind also die Jahre, in denen die Entscheidung F 104 getroffen wurde — habe ich nachlesen können, daß das normale Startgewicht ohne Außentanks mit 7710 kg und das! Maximalgewicht bei höchstem Rüststand, d. h. mit vier Außentanks, mit 9980 kg angegeben ist. Soweit also das Handbuch. Aber es gibt jedes Jahr eine Ausgabe. In der Ausgabe 1963/64 werden in diesem Handbuch erstmals Gewichtsangaben für die F 104 G veröffentlicht. Hier sind die Zahlen: Normales Startgewicht, d. h. ohne Außentanks, 9480 kg und maximal zugelassenes Startgewicht 12 052 kg.Weil ich nun weiß, daß man mir sagen wird: „Ja, Handbuch ist nicht amtlich" — ich kenne -ja schon die Einwände, die kommen — und: „Was geht uns dieses Handbuch an?" — mir steht leider nichts anderes zur Verfügung —, habe ich mich hingesetzt und mir aus der Weapon System Planig Guide noch einmal die Zahlen für die F 104 G selbst errechnet. Dann habe ich, Herr Minister von Hassel, einen Herrn Ihres Hauses bemüht und ihn gebeten, meine Rechnung nachzuprüfen. Er hat mir diese Rechnung bestätigt. Wir wollen nicht in den alten Streit eintreten, wer das getan hat. Ich werde Ihnen meinen Rechenhelfer nicht nennen. Auch da komme ich etwa zu den gleichen Zahlen jedenfalls für unseren Typ, der im Jane's Handbuch angegeben ist. Wenn ich dann mit einer einfachen Rechnung, mit Zuzählen und Abzählen, hätte ich beinahe gesagt, abschließe, dann ist das Ergebnis weit über 360 kg. Ich wäre sehr dankbar, wenn dieser Widerspruch hier einmal aufgeklärt würde.
— Wieviel das macht? Ich habe das hier stehen. Bitte, Sie können es selbst ausrechnen, Herr Dr. Jahn. Dann zeige ich Ihnen das nachher.Aber ich wäre auf das Fluggewicht nicht eingegangen, wenn Herr Draeger das nicht als Berichterstatter getan hätte und wenn ein erhöhtes Gewicht nicht Folgen hätte für die Flächenbelastung jedes Flugzeugs und da nicht gewisse Schwierigkeiten aufträten. -- Bitte sehr!
Herr Kollege Berkhan, würden Sie bei Ihrem Vergleich des Abfluggewichts auch die gegenüber dem früheren Muster erhöhte Triebwerksleistung der F 104 G anführen?
Natürlich, es ist eine erhöhte Triebwerksleistung da. Ich habe sie nicht abgestritten. Ich habe sie im Moment nicht zur Verfügung. Aber da Sie eben darüber gesprochen haben, können Sie sie mir nennen. Ich könnte sie aber auch aus meinen Akten heraussuchen. Selbstverständlich ist auch das Triebwerk weiter verändert. Es hat kein Mensch etwas dagegen, daß Flugzeuge verändert werden. Es geht nur darum, wie zureichend der Ausschuß informiert wurde.
Ich habe in einem Bericht einer Bundeswehrdienststelle gelesen, daß seit langer Zeit — und das hängt wieder mit dem Gewicht zusammen — bei allen F 104 G die unter der Tragfläche anzubringenden Zusatzbehälter für Treibstoff nicht mehr angebracht werden dürfen und das Flugzeug keine high load take-offs, also keine Starts mit erhöhtem Abfluggewicht, durchführen darf, weil nämlich bei diesen Starts das Bugradflattern auftritt und sich damit unter Umständen große Schwierigkeiten für den Flugzeugführer ergeben können.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter? — Bitte, Herr Kollege Draeger!
Herr Kollege Berkhan, ist Ihnen entgangen, daß ich heute morgen in diesem Zusammenhang j a nur das Thema angesprochen habe: auf der einen Seite 1600 kg, in der Tat 360 kg? Ist Ihnen entgangen, daß die 360 kg im Verteidigungsausschuß sogar noch aufgeschlüsselt worden sind, nämlich in 120 kg zur Verstärkung der Zellen, 180 kg für die elektronische Ausrüstung und 60 kg für sonstige kleinere Änderungen?
Das ist mir nicht entgangen, Herr Kollege Draeger; ich sagte es nur, um diese geisterhafte Zahl einmal etwas näher zu erläutern. Mein Vergleich bringt mich nämlich dazu, daß bei normalem Startgewicht die F 104 G etwa 1770 kg schwerer geworden ist und bei maximalem Startgewicht 2270 kg. Das sind aber ganz andere Zahlen, als Sie genannt haben, und es ist recht interessant, einmal festzustellen, woher diese Differenzen kommen. Aber es wird ja noch Zeit sein. Wir werden darüber ja reden können, und vielleicht klärt sich das ja auf. Wir werden also darüber ins Gespräch kommen.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
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Ja, selbstverständlich.
Herr Kollege Berkhan, würden Sie sich nicht zweckmäßigerweise bei dem Kollegen Schmidt erkundigen, dem in einem Privatissimum vom Ministerium — er war ja in den Ausschußsitzungen selten dabei — diese Zahlen ganz genau erläutert worden sind, und zwar auf Grund des neuesten Standes der neuesten Vergleiche mit der Firma Lockheed, so ausführlich, daß ich, der ich mich zur gleichen Zeit um die gleichen Zahlen bemühte, nicht einmal mehr dazu kam, diese abzuschreiben, weil der Betreffende zu Herrn Kollegen Schmidt hin mußte.
Ich werde das gern tun; Herr van Delden. Aber ich sage Ihnen, auch ich habe Lockheed-Zahlen benutzt, und ich habe diese Lockheed-Zahlen durch einen Herrn des Ministeriums verwenden und verwerten lassen. Ich bin nicht sicher, ob diese Rechnerei auf der gleichen Grundlage beruht. Man muß erst einmal wissen, wovon man ausgeht, und dann wird man feststellen können, wie es aussieht. Das läßt sich aber nur machen, wenn es schriftlich vorgelegt wird und wenn man das in aller Ruhe in seinem Büro nachlesen kann.Ich darf jetzt zu der Unfallsituation kommen. Auch in bezug auf diese Unfallsituation hat der Minister heute in seiner Rede, die mir leider nicht vollinhaltlich zugänglich ist, sondern nur in der verkürzten Ausgabe, die das Presse- und Informationsamt herausgegeben hat, Angaben gemacht, die auf der Seite 9 dieses Exemplares nachzulesen sind. Er sagt dort:Die Unfallrate stieg im Jahr 1964 gegenüber 1962 keineswegs proportional zu der Vervierfachung der Zahl der eingesetzten Starfighter und der mehr als sechsfachen Zahl der Flugstunden.Sehen Sie, schon dieser Satz muß einen Laien dazu verleiten, zu falschen Schlußfolgerungen zu kommen, weil nämlich hinterher in der Rede des Ministers auch gesagt wird, daß es für solch einen Vergleich überhaupt keinen Anhaltspunkt gibt. Es hat nämlich überhaupt nur Sinn zu vergleichen, wenn man die Unfallrate, wie es international üblich ist, auf 100 000 Flugstunden festlegt. Die Prozentzahlen sind im Verteidigungsausschuß vorgetragen worden. Die Prozentzahlen sind völlig uninteressant. Solche absoluten Zahlen und solche Prozentzahlen lassen nämlich keinen Vergleich zu. Man muß wissen, wieviel Unfälle auf 100 000 Flugstunden entfallen.Ich will es noch einmal ganz klar machen: Ein Autofahrer ist mit einem bestimmten Kraftfahrzeugtyp im Jahr 10 000 km gefahren und hatte dabei einen Unfall; ein anderer Kraftfahrer ist mit einem ähnlichen Typ 40 000 km gefahren und hatte dabei ebenfalls nur einen Unfall. Der erste Autofahrer hat eben eine höhere Unfallrate als der zweite, und genauso muß man es bei der Luftwaffe ausrechnen. Es hat keinen Sinn, daß man je nach Bedarf sehr geschickt ausgewählte Zahlen zur Verfügung stellt.So sind wir heute alle nicht in der Lage, uns ein brauchbares Bild von der Flugunfallsituation in der Luftwaffe zu machen, weil wir nur summierte Zahlen aller Typen bekommen haben, aber keine aufgegliederten Zahlen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, warum absolute Zahlen über Flugunfälle, die einen solchen Vergleich nicht zulassen, offen sind, aber — ich wiederhole — die Unfallzahlen auf 100 000 Flugstunden, also relative Zahlen, geheim bleiben. Liegt der Grund vielleicht darin, daß der Bundesminister der Verteidigung hier eben dem Hause nicht sagen will, wie die Sache wirklich aussieht? In seiner Rede hier hat er wiederum gesagt, die amerikanischen Zahlen seien geheim. Nun, ich habe mich auch um die amerikanischen Zahlen bemüht. Zwar bin ich nicht in der Lage wie Sie, Herr von Hassel, ein ganzes Ministerium zu beschäftigen. Ich kann gerade die Wissenschaftliche Abteilung des Bundestages daransetzen. Da sind mir ganz klare Zahlen gegeben worden. In dem Brief, der mir hier vorliegt, wird sogar ausdrücklich festgestellt:Die amerikanische Botschaft hat uns auf nochmalige Rückfragen nach einer Spezialstatistik der Flugunfälle der amerikanischen Luftwaffe an das Bundesverteidigungsministerium verwiesen. Von dort erhielten wir folgende Unfallstatistik — aus der Zeitschrift „Aviation-week" 83, Nr. 16, vom 18. Oktober 1965 — Darin finden Sie, daß die Amerikaner bei vergleichbaren Flugzeugen Unfallzahlen haben, die zwischen 27,4 und 7,9 liegen. Wenn man dann unsere Zahlen dazu vergleicht, wird die Sache sehr schwierig. Da kommt man bei der Summierung der drei vergleichbaren Typen F 84, F 86 und G 91 — leider ist mir das aufgegliedert nicht bekanntgeworden -- auf Zahlen, die ab 1961 von 31,7 auf 64,3 ansteigen, dann wieder etwas abfallen und im ersten Halbjahr 1965 19,3 betragen. Beim Starfighter jedoch hat man Zahlen, die mit 90,2 ansetzen und die dann sogar sehr hoch - auf 154,4, das ist das Jahr 1962 — steigen. Man kann auch erklären, wie das kommt: das war der Zulauf und der Beginn der Umrüstung. Aber da sind wir im ersten Halbjahr 1965 bei einer Zahl von 89,5! Sie haben heute morgen in diesem Hause erklärt, daß das eigentlich Anomale erst im zweiten Halbjahr 1965 eingetreten sei. Da muß ich also vermuten, daß die Zahl wesentlich höher liegt.Wenn es mir also möglich ist, mit meinen primitiven Mitteln die Zahlen zu errechnen und herauszubringen, Herr Minister, dann muß ich mich fragen: sind Ihnen denn diese Zahlen wirklich unbekannt geblieben? Ich will Ihnen sagen, woher ich die Zahlen habe. Ich habe sie aus einem Bericht entnommen, der von einer Ihnen unterstellten Dienststelle gefertigt wurde. Zwar ist dieser Bericht „N. f. D.", das will ich nicht verschweigen, aber ich weiß nicht, warum wir nicht darüber reden können. Denn wenn es wirklich darum geht, die Ursachen abzustellen, dann muß erst einmal in diesem Hause oder zumindest im Verteidigungsausschuß klargestellt werden, wo die Ursachen sind. Nur wer die Ursachen kennt, wird die richtigen Maßnahmen zur Abstellung der
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BerkhanUrsachen treffen können. Die Unfallrate der Bundeswehr insgesamt ist eben heute erheblich höher als die vergleichbaren Zahlen der USA-Luftwaffe. Es mag viele Gründe dafür geben, die zum Teil im Aufbau begründet sind. Aber der Aufbau kann doch nicht ununterbrochen als eine Entschuldigung vorgezeigt werden. Mittlerweile hat der Aufbau ja einen gewissen Stand erreicht oder hätte ihn wenigstens erreichen müssen.In einem anderen Teil Ihrer Rede — der mir im Text leider nicht vorliegt, weil er nicht aufgeschrieben wurde — sind Sie auf die Flugstunden zu sprechen gekommen. Sie haben gesagt, 1965 sei mehr geflogen worden als im Jahre 1964. Aber doch nicht mit der gleichen Zahl von Flugzeugen! Wenn Sie nämlich das Fliegen auf den Piloten beziehen, verehrter Herr von Hassel, dann stellen Sie fest, daß jeder einzelne Pilot 1965 weniger geflogen hat — ich rede nur von den F-104-Piloten; jedenfalls nach den Zahlen, die mir vorliegen — als im Jahre 1964. Sehen Sie, die Zahl von Michel betrug 1964 9000 Flugstunden, 1965 war sie etwa gleich. In Nörvenich wurden 7000 Stunden geflogen, 1964 waren es 7600; das sind schon 600 Stunden weniger. Aus Wittmund ist mir die Zahl nicht bekannt. Aber insgesamt haben diese drei Verbände 21 000 Flugstunden abgeleistet statt der NATO-Forderung von 33 000 Flugstunden. Und das nennen Sie „mehr geflogen"! Ich muß Ihnen also sagen, Herr von Hassel, das kann man nicht „mehr geflogen" nennen, sondern dazu kann man nur sagen: es ist leider nicht erreicht worden, was notwendig wäre.Ziel muß es sein, die Zahl der Flugstunden zu erhöhen. Wir werden aber diese Flugstundenzahl nur erhöhen können, wenn wir bestimmte Maßnahmen schnell und zügig treffen. Wenn z. B. bis heute die Industrie noch keinen Auftrag hat, mit ihren Unterstützungsteams bei den Verbänden anzutreten — ich weiß, daß sie in der Lage sind, zumindest einen Verband sofort zu betreuen, wahrscheinlich zwei, einen dritten in etwa vier Wochen —, dann frage ich mich: Wie lange soll es eigentlich noch dauern, bis wir nun endlich zur Abstimmung Maßnahmen vorgeschlagen bekommen, die das Dilemma wirkungsvoll 'beheben?Sie haben die Behauptung aufgestellt, daß der Verteidigungsausschuß stets in allen Fragen vollständig und umfassend unterrichtet worden sei und daß keine Frage offengeblieben sei. Nun, lassen Sie mich etwas dazu sagen. Am 20. Januar 1965 haben Sie, Herr Minister von Hassel, hier im Parlament die Behauptung aufgestellt, .daß Herr Kollege Wienand bestimmte Dinge der Bundeswehr fahrlässig und leichtsinnig dargestellt habe. Sie haben also die Tatsachenbehauptung Karl Wienands zurückgewiesen und Sie haben sich damals bereit erklärt, Unterlagen vorzulegen 'und, soweit sie geheimen oder vertraulichen Charakter halben, nach Prüfung freizugeben. Karl Wienand hat daraufhin am 4. März 1965 — 'das ist jetzt etwas mehr als ein Jahr her — einen Brief an den damaligen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Herrn Dr. Jaeger, geschrieben und darum gebeten, daß eine Reihe von Protokollen und Unterlagen, die unterVerschlußsachen-Grad 'beim Verteidigungsausschuß vorlagen, herabgestuft und freigegeben würden. Am 10. März 1965 übersandte der Abgeordnete Wienand eine Abschrift ,dieses an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses gerichteten Briefes an den Herrn Minister von Hassel und bat den Bundesminister der Verteidigung in einem Anschreiben, möglichst bald dem Ausschuß einen Bericht darüber vorzulegen, ob und in welchem Umfang der Inhalt der angegebenen Dokumente freigegeben werden könne. Am 30. März bestätigte Dr. Jaeger den Eingang des Schreibens des Abgeordneten Wienand. Er bestätigte die Auffassung des Abgeordneten Wienand, äußerte jedoch Zweifel, ob das Ministerium in der Lage sei, den Bericht noch „in dieser Woche" vorzulegen. Das ist fast ein Jahr her. Am 27. Juli 1965 erinnerte der Abgeordnete Karl Wienand den Minister schriftlich an die bis zu dieser Zeit noch nicht erfolgte Vorlage des erbetenen Berichtes. Am 18. Oktober 1965 erinnerte der Abgeordnete Wienand erneut den Bundesminister der Verteidigung an seine Schreiben vom 10. März und 27. Juli 1965, und er fügte noch die Bitte hinzu, nunmehr auch die Ergebnisse des sogenannten Kategorie-3-Tests für das Flugzeug F 104 dem Ausschuß vorzulegen. Am 7. Februar dieses Jahres erinnerte der Abgeordnete Wienand den Bundesminister der Verteidigung noch einmal an seine vorausgegangenen Schreiben und an die Vorlage des Kategorie-3Tests.Dann endlich, am 9. Februar 1966, wurde im Verteidigungsausschuß nach nochmaliger Erinnerung an den Staatssekretär die Vorlage des Kategorie-3Tests eingeleitet und am 28. Februar sagte der Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung einen zusammenfassenden Bericht des Kategorie-3-Tests .zu. Auf die übrigen Angelegenheiten ging er überhaupt nicht ein.Ich stelle fest, Herr von Hassel: der Abgeordnete Karl Wienand hat bis heute auf seine Briefe vom 10. März 1965, vom 27. Juli 1965, vom 18. Oktober 1965 und vom 7. Februar 1966, mit denen er die Vorlage eines Berichts an den Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages erbeten hatte, bis zur Stunde keine Antwort erhalten. Nicht einmal den primitivsten Regeln des Anstandes ist man nachgekommen. Man hat noch nicht einmal den Eingang der Briefe bestätigt.Und dann, Herr Strauß, sagte man man müsse hier eine gemeinsame Basis finden, man müsse Vertrauen zueinander haben. Das beginnt bei den alltäglichen Dingen! Wenn Sie Zweifel haben, bin ich bereit, Ihnen den Briefwechsel vorzulegen. Ich habe ihn hier in Kopie. Ich wurde heute morgen daran erinnert, als Herr von Hassel ein privates Gespräch, das er mit Karl Wienand geführt hat, hier in der Debatte — dazu noch mit seinen schriftlichen Handnotizen — angebracht hat. Dieses Gespräch ist — ich habe mich mittlerweile erkundigt — damals auf Bitten von Herrn von Hassel zustande gekommen. Herr von Hassel hat Karl Wienand angerufen und ihn um ein solches Gespräch gebeten. Er hat dann am Telefon dieser Bitte hinzugefügt: Bitte, werten Sie das nicht in irgendeinem Zusammenhang aus.
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BerkhanWienand sagte das zu und fühlt sich bis heute an seine Zusage gebunden, und ich finde, das ist auch ganz richtig und vernünftig. Wie wollen wir denn in diesem Hause zusammenarbeiten, wenn es keine vertraulichen Gespräche zwischen einzelnen Kollegen, zwischen einem Minister und einem Abgeordneten mehr gibt? Soll es nicht mehr möglich sein, daß man private Gespräche führt? Muß man damit rechnen, daß im Anschluß an ein solches privates Gespräch irgend jemand hier auftaucht, einen Zettel aus der Tasche holt und sagt: Ich habe mir damals Notizen gemacht? Dann muß auch ich damit rechnen, daß Sie, Herr Strauß, bei einem Gespräch, das ich mit Ihnen hatte, ein Bandgerät in der Tasche hatten und mir eines Tages vorspielen werden, was ich Ihnen dort gesagt habe. Das sind Methoden, die einfach den primitivsten Anstand verletzen.Ich bedauere, in welche Lage mein Kollege Karl Wienand gekommen ist. Erstens kann ich ihm für die Zukunft nie mehr anraten, sich auf private Gespräche mit Leuten einzulassen, die solche Gespräche in dieser Art in diesem Hause ausnutzen.
Zweitens steht Herr Wienand ständig unter dem Druck seiner Kollegen. Sie wollen von ihm wissen: Was habt ihr eigentlich damals besprochen? Ich weiß nicht, ob Herrn von Hassel das angenehm ist, wenn das ganze Gespräch bekannt wird. Ich kann nur sagen: Karl Wienand behauptet, er habe sich keine Aufzeichnungen gemacht. Ich muß unterstellen, daß das wahr ist. Aber er sagt, es sei eine Erinnerung vorhanden.Ich meine, dieses Verhalten hat sehr deutlich gezeigt, welcher Geist an der Spitze des Ministeriums herrscht.
Herr Schultz hat gesagt, daß dieser Minister ein Minister eigener Art sei. Was sollen denn hohe Offiziere von diesem Minister halten, die einmal in einem privaten Gespräch dieses oder jenes äußern, wenn ihnen ein paar Monate später Handnotizen vorgelesen werden können?Ich komme zu dem Ergebnis: dieses Verhalten zeigt mir sehr deutlich, daß der Hinweis meines Freundes Helmut Schmidt auf die Art, wie man eine ähnliche Affäre in der Schweiz behandelt hat, nicht völlig unberechtigt ist. Herr Kollege Strauß, Sie berufen sich so gern auf die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Verteidigungsminister McNamara hat kürzlich einen deutschen Fernsehjournalisten nicht sehr vornehm behandelt. Er hat einen Tag später den Mut gefunden oder die ordentliche Haltung besessen, sich zu entschuldigen.Es wäre an der Zeit, daß Herr von Hassel sich erstens dafür entschuldigt, wie er heute mit seinen Notizen über eine private Unterredung umgegangen ist, und daß er sich zweitens dafür entschuldigt, wie er einen Abgeordneten, der einen Schriftwechsel mit ihm zu führen versucht, behandelt. Solange das nicht geschehen ist, können Sie mir nicht verübeln, wenn ich zu Journalisten sage, ich wünschte mir einen Schleudersitz für Herrn von Hassel; ich füge heute hinzu: guter Art, der schon die verstärkte Rakete hat und dessen Fallschirm sich öffnet. Ich will den Minister nicht umbringen, aber ich möchte ihn aus seinem Ministersitz herauskatapultieren.
Das Wort hat der Abgeordnete Ollesch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Strauß ist in einem großangelegten Plädoyer für die Entscheidung, an der er maßgebend beteiligt war, eingetreten. Und, meine Damen und Herren, ich bin noch nicht davon überzeugt, daß eine Maschine, die in einer Ausführung drei Versionen beinhaltet, dem Piloten weniger Leistungsvermögen abfordert als die Einzelversion. Herr Kollege, davon bin ich nicht überzeugt.
Herr Abgeordneter Strauß möchte eine Frage stellen.
Sind Sie bereit und in der Lage, sich zu erinnern, daß ich nicht von den Forderungen an das Leistungsvermögen des Piloten, sondern von der objektiven Unfähigkeit, der Unmöglichkeit gesprochen habe, für drei Aufgaben drei verschiedene Hochleistungssysteme ausbildungsmäßig und technisch zu bewältigen?
Herr Kollege Dr. Strauß, ich erinnere mich, daß Sie gesagt haben, daß eine Einzelausführung so hochgezüchtet sein würde, daß der diese Ausführung Bedienende überfordert wäre.
— Wenn ich Sie mißverstanden habe, dann bitte ich um Entschuldigung.Ich bin aber auch der Meinung, Herr Kollege Dr. Strauß, daß die Einzelversion ihrer Aufgabe entschieden gerechter wird als die Mehrzweckversion. Denn wir alle wissen, daß- eine Kombination von vielen Möglichkeiten den Nachteil in sich birgt, daß die einzelne Möglichkeit nicht in der höchsten Präzision ausgenutzt werden kann.Aber, meine Damen und Herren, heute ist die Entscheidung nicht mehr zu fällen, und es ist ja nur am Rande davon die Rede gewesen. Wir haben uns mit dem derzeitigen Zustand zu beschäftigen. Wir wollen uns bemühen, aus den Schwierigkeiten, die uns dieses Waffensystem zweifellos bringt, herauszukommen. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Luftwaffe mit diesem System in seiner Ausführung und mit der Anzahl der Maschinen überfordert war; denn sonst stünden wir heute nicht hier und hätten uns damit nicht zu beschäftigen.Nun gibt es eine ganze Reihe von Gründen, die anzuführen wären, wenn wir die Abstürze im einzelnen betrachten, Gründe und Ursachen, die man durch gesetzliche Maßnahmen beheben kann. Dem Verteidigungsminister wurde zum Vorwurf gemacht, daß da Versäumnisse vorhanden seien. Aber ich
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Olleschmeine, wir können aus den Schwierigkeiten nicht so sehr durch gesetzliche Maßnahmen herauskommen, sondern durch eine Personalpolitik innerhalb der Bundeswehr, die nur auf lange Sicht und in langen Zeiträumen wirksam wird.Wir können sicherlich die Organisation verbessern, und zwar sehr schnell. Sie scheint mir verbesserungswürdig zu sein, wenn wir hören, daß Verbesserungsvorschläge bis zur Durchführung eines unverhältnismäßig langen Zeitraums bedürfen.Zum Teil war aus der Industrie zu hören, daß notwendige Verbesserungen bis zur Genehmigung einen Zeitraum von drei Jahren in Anspruch nehmen. Das mag aber nicht allein an unserer nationalen Organisation, sondern auch an der Tatsache liegen, daß wir in einem Konsortium gemeinsam mit anderen Ländern mit diesem Waffensystem zu tun haben.Aber die Verbesserungen auf dem personellen Sektor sind schwieriger; sie sind nicht mit Einsatz von Geld allein zu lösen. So dankenswert es ist, daß in den Vorschlägen des Verteidigungsministeriums von einer Verbesserung der Fliegerzulagen und von Technikerzulagen gesprochen wird, aber mit Geld allein werden wir aus den Schwierigkeiten auf dem personellen Sektor nicht herauskommen.Wir haben gehört, daß unsere Flugzeugführer nicht die erforderliche Anzahl von Flugstunden haben, die notwendig sind, mit diesem komplizierten System fertig zu werden. Die Anzahl der Flugstunden hängt aber von verschiedenen Faktoren ab. Sie hängt einmal von der Zurverfügungstellung von Plätzen ab — wir sind darin wegen unserer geographischen Lage, wegen unserer Struktur behindert. Sie hängt ab vom Klarstand der Maschine, also davon, ob genügend Maschinen zur Verfügung gestellt werden können. Wir haben in den Anhörungen im Verteidigungsausschuß feststellen können, daß nicht allerorten Maschinen in ausreichender Anzahl klar waren. Das hängt nun wieder damit zusammen, daß wir in einem Zeitalter der Vollbeschäftigung uns nur sehr schwer tun, das erforderliche Wartungspersonal zu erhalten.Nun hat der Verteidigungsminister den Vorschlag gemacht — und Verhandlungen aufgenommen; mein Kollege Schultz hat es schon erwähnt —, 300 Techniker aus den Vereinigten Staaten zu holen, die sicherlich teures Geld kosten. Es wurde bezweifelt, daß es möglich ist, auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt 300 hockqualifizierte Kräfte zu erhalten. Wir meinen, es müßte auch genügen, mit einigen Spezialisten von Lockheed Arbeitsteams hier aufzubauen; denn mit dem finanziellen Angebot, das wir den amerikanischen Kräften machen müssen, würde es auch hier in Deutschland möglich sein, dieses Personal aus der Industrie zu erhalten; viele würden sicherlich sehr gern in diese Teams hineinkommen.Bei der Betrachtung der schlechten Personallage sollten wir auch einmal das System unserer Dienstzeiten betrachten. Wir haben auf den Fliegerhorsten leider in hoher Anzahl Wehrpflichtige, die sicherlich, wenn möglich, nach Vorbildung ausgesucht sind. Wir haben daneben Freiwillige für zwei Jahre, für drei Jahre, für vier Jahre, für sechs Jahre, für acht Jahre, für zwölf Jahre, für 15 Jahre, und wir haben Berufssoldaten. Welche Schwierigkeiten werden dem gesteuerten Personaleinsatz allein durch die Vielseitigkeit der Verpflichtungsmöglichkeiten bereitet! Im Grunde blickt draußen der unbefangene Betrachter nicht mehr durch, welche Möglichkeiten für den einzelnen Bewerber bestehen. Von daher unterbleiben sicherlich manche Bewerbungen, die bei genauer Kenntnis der Möglichkeiten der Ausbildung und der Versorgung eingehen würden.Zum anderen ist der mangelnde Personalstand bei der Luftwaffe speziell und bei der Bundeswehr überhaupt doch auch eine Folge der jahrelangen Diskriminierung des Soldatentums. Wir löffeln heute die Suppe aus, die uns in den turbulenten Zeiten kurz nach dem Kriege von gewissen Kreisen eingebrockt wurde.
Es ist nicht gut für die Verteidigungsbereitschaft eines Volkes, wenn ein ganzer Personenkreis eine Art Sport daraus macht, sich am Wehrdienst vorbeizudrücken.Zu dieser Tatsache hat auch das Lossystem der Vergangenheit beigetragen. Ich habe mich kürzlich in einem Gespräch darüber gewundert, daß viele Abiturienten die Möglichkeit, daß sie zur Bundeswehr müssen, überhaupt nicht in die Betrachtung einbeziehen. Sie sind es zumindest zu einem Teil gewöhnt, daß es irgendwelche Wege gibt, am Wehrdienst vorbeizukommen. Nun wird sich sicherlich aus den Wehrpflichtigen nicht das Personal rekrutieren, das wir zur Einsatzbereitschaft unserer Waffen brauchen; aber es gibt eine ganze Reihe von Wehrpflichtigen, die sich im Laufe ihres Wehrdienstes freiwillig zu einer längeren Dienstzeit verpflichten, und diese Möglichkeiten werden nicht voll ausgeschöpft.Ich sagte, es gibt Maßnahmen gesetzlicher Art, um zu versuchen, das unbefriedigende Ergebnis in unserer Ausrüstung zu verbessern. Organisationsformen sind leicht zu ändern. Aber alle Maßnahmen auf dem personellen Sektor sind auf lange Sicht ausgelegt. Sowohl das Ministerium wie die Koalitionsfraktionen in ihren Anträgen haben eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Wir sind der Ansicht, daß es gelingen wird, im Verein mit den zuständigen Stellen des Ministeriums und mit allen gutwilligen Kräften hier im Deutschen Bundestag diese Maßnahmen nach eingehender Beratung im Verteidigungsausschuß endgültig durchzusetzen, und ich glaube, wir werden dann in absehbarer Zeit wie unsere Nachbarvölker in der Lage sein, auch mit diesem schwierigen Waffensystem fertig zu werden. Meine Damen und Herren, es mutet doch etwas sonderbar an, daß dieses intelligente und arbeitsame Volk der Deutschen nicht in der Lage sein soll, wie seine Nachbarvölker mit einer schwierigen technischen Materie zu aller Zufriedenheit fertig zu werden. Das müßte doch zu schaffen sein. Wir sind sicherlich nicht klüger als die Welt um uns herum, wir sind aber auch bestimmt nicht dümmer. Ich meine, wenn als Ergebnis der heutigen Diskussion
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Olleschum den Starfighter dieses gemeinsame Bemühen herauskommt. dann werden wir uns mit diesem System in absehbarer Zeit bis zur Einführung eines neuen nicht mehr zu beschäftigen haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Damm.
Herr Präsident! Meine Damen Herren! Nach der Rede meines Fraktionsfreundes Franz Josef Strauß wäre im Grunde nichts mehr zu sagen. Aber ich gehöre — wenn Sie gestatten, daß ich das sage — zu denen, die sich ja noch zu bewähren haben, und so ist das schon ein Anlaß, daß ich hierherkomme. Vielleicht sollte jedoch auch vor diesem Hause und in dieser Debatte einmal gesagt werden, wie denn ein Neuer in diesem. Bundestag, jemand, der — wenn Sie so wollen — nicht belastet ist mit vier, drei oder zwei Legislaturperioden und den Entscheidungen, die in diesen Legislaturperioden gefällt worden sind, zu diesem Problem steht, wie er sich bemüht hat, das Problem zu erkennen und Erkenntnisse über die Frage der F 104 zu gewinnen.
Ich muß Ihnen sagen: ich bin völlig unvoreingenommen in die Ausschußsitzungen gegangen, vor allem mit der Vorstellung, daß 26 Abstürze im vergangenen Jahr zuviel sind. Alle Untersuchungen haben ja auch deutlich gemacht, daß in der Tat zu viele Abstürze zu verzeichnen sind. Diese Unvoreingenommenheit, mit der ich und sicher viele meiner jungen Kollegen gerade im Verteidigungsausschuß den Dingen gegenübergetreten sind, hat uns aber auch annehmen lassen, daß wir es sowohl im Ausschuß als auch in der anschließenden Diskussion hier im Plenum ausschließlich mit sachlichen Argumenten zu tun haben würden. Leider mußten wir das Schauspiel erleben, daß einige Ihrer Kollegen, Herr Wienand, den Versuch gemacht haben, parteipolitisches Kapital aus dieser Geschichte zu schlagen.
— Herr Wienand, ich habe z. B. vorhin mit großem Interesse von einem Zwischenruf von Ihnen Kenntnis genommen, der erneut bestätigte, daß Sie die Meinung, die Sie vor anderthalb Jahren im Stern vertreten haben, auch heute noch hegen. — Sie bestätigen mir das. Ich will mich mit den Details nicht auseinandersetzen. Aber in dieser Darstellung im Stern haben Sie ganz am Anfang dem Sinne nach gesagt: Die Mehrheit im Verteidigungsausschuß bestehe leider aus solchen Abgeordneten, die sich ständig vor das Ministerium stellten, also gewissermaßen aus Ja-Sagern.
— Aber er hält das, was er damals gesagt hat, heute noch für richtig, und er will offensichtlich damit sagen: Wer heute noch anderer Meinung ist als er, müsse nach wie vor als Ja-Sager qualifiziert werden. Herr Wienand, soweit Sie das auf mich beziehen wollen und damit meinen, daß ich zu jenen gehöre, die zu nichts anderem in der Lage seien, als ja zu sagen, muß ich eine solche Unterstellung ganz entschieden zurückweisen.
Nun zu einer anderen Äußerung, Herr Wienand, bei der ich Sie fragen muß, ob das eigentlich wirklich Ihre Meinung ist. Sie haben es mit anderen Worten ausgedrückt; sonst wäre es ja auch nicht parlamentarisch gewesen. Heute morgen haben Sie darzustellen versucht, daß im Verteidigungsministerium im Grunde — das ist jetzt meine Interpretation dessen, was Sie vorgetragen haben — ein Haufen unfähiger, ja geradezu unwilliger, böswilliger Leute sitze, denen im Grunde nichts anderes einfalle, als dafür zu sorgen, daß dieses Waffensystem nicht in Ordnung komme.
Ich bin entsetzt darüber, daß dieser Versuch, qualifizierte Beamte des Ministeriums abzuwerten, hier
von Ihnen immer wieder unternommen worden ist.
— Von Ihnen, Herr Wienand.
— Der Versuch, qualifizierte Beamte dieses Ministeriums abzuwerten, ist von Ihnen immer wieder unternommen worden. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten auch nicht abstreiten, daß Sie heute morgen immer wieder versucht haben, einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Sie haben z. B. das Ministerium gefragt, warum es nicht früher entsprechende Entscheidungen gefällt habe, Entscheidungen, wie sie jetzt vom Bundestag verlangt würden.
Herr Abgeordneter Damm, gestatten Sie eine Zwischenfrage. — Bitte, Herr Wienand.
Verehrter Herr Damm, würden Sie mir bitte sagen, wen ich denn überhaupt fragen kann, wenn ich hier spreche?
Sicher will ich die Frage beantworten, Herr Kollege Glombig. Wir kennen uns ja, und Sie wissen, daß ich in der Regel keine Frage unbeantwortet lasse.Herr Wienand, natürlich müssen Sie, parlamentarisch gesehen, den Minister fragen; aber indem Sie dem Minister unterstellen, daß er zu einer Zeit, in der er längst hätte wissen müssen, was zu tun sei, ein Jahr oder mehr habe verstreichen lassen, unterstellen Sie damit doch gleichzeitig auch der Führung des gesamten Ministeriums Unfähigkeit oder sogar noch Schlimmeres.
— Eben, das ist es ja, dieses zu Recht. Nein, diese Unterstellung erfolgt eben nicht zu Recht.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1585
DammAber selbst wenn es richtig wäre, was Sie hier gesagt haben, muß ich mich fragen: Wo war denn die verantwortungsbewußte Opposition? Wo waren denn Ihre Anträge das ganze Jahr 1965 hindurch, die hätten verhindern sollen, daß eine solche Misere eintritt? Sie waren nicht da, und deshalb können Sie hier auch nicht als jemand auftreten, der sich nun aufspielen und das Ministerium mit solchen Vorwürfen abqualifizieren kann.
Meine Damen und Herren, ich bin Ihnen wenigstens einen Beweis noch schuldig; ich könnte weitere liefern. Ich bin Ihnen schuldig, einen Beweis dafür zu liefern, daß einige Ihrer Freunde bestrebt waren, aus dieser Sache parteipolitisches Kapital zu schlagen. Ich erinnere mich sehr gut, daß einer Ihrer Kollegen zu unserer großen Verblüffung im Ausschuß vorgetragen hat, ihm sei zu Ohren gekommen, daß den Frauen abgestürzter Piloten das Beileid des Ministeriums auf Saugpost-Umdruckpapier hektographiert übermittelt würde. Damals hat der Herr Staatssekretär im Ausschuß gesagt, er könne sich dazu nicht äußern, er müsse das prüfen lassen. Bereits am nächsten Tag aber, Herr Wienand, war — und Sie dürfen versichert sein: nicht auf Grund unserer Meldungen an die Presse — in einer deutschen Zeitung zu lesen, daß ein SPD-Abgeordneter gegen diese Art von Beileidsbezeugungen protestiert habe. Ich habe nicht gelesen — nachdem wir ja nun inzwischen ausführlich haben zur Kenntnis nehmen können, wie es sich wirklich verhält; ich werde das gleich darstellen —, daß derselbe SPD-Abgeordnete nun etwa der Presse gegenüber erklärt habe, daß seine Vermutungen von damals falsch gewesen seien. Meine Damen und Herren, natürlich gibt es die selbstverständliche Regelung, daß der GeschwaderKommodore persönlich das Beileid in einem solchen tragischen Fall ausspricht. Das, was hier mit dem Saugpost-Umdruckpapier gemeint ist, ist eine Benachrichtigung — wenn ich so sagen soll — der Pensionskasse, die Tage später erfolgt und im Grunde den einzigen Zweck hat, die Betroffenen darauf hinzuweisen, wie sie möglichst unbürokratisch die entsprechende Unfallentschädigung und die Pension bekommen. Wie man da nun, meine Damen und Herren, eine solche Sache in dieser Weise gleich in die Offentlichkeit bringt, ohne die Prüfung abzuwarten, die das Ministerium zugesagt hat, vermag ich nicht zu verstehen; ich kann es auch nicht als verantwortungsbewußt bezeichnen.
Heute nachmittag ist auch wieder von den Hallen die Rede gewesen. Wenn ich den Kollegen Strauß richtig verstanden habe, so war seine Einstellung dazu doch etwas kritisch; er äußerte sich kritisch dazu, ob man Hallen in diesem Umfange einrichten sollte. Ich will Ihnen hier ganz offen sagen, ich bin entsetzt gewesen, als ich im Januar dieses Jahres in Wittmund war und eine Reihe der Maschinen so unter dem „nackten Himmel" stehen sah. Ich überlegte: warum eigentlich nicht in Hallen? Wir haben uns aber sehr schnell sagen lassen müssen, daß es darüber in der Tat seit Jahren Überlegungen gibt und daß die Amerikaner dem Ministerium gesagt haben: ihr braucht diese Maschinen nicht in Hallen zu stellen. Es ist schon dargestellt worden, was die NATO zu dem deutschen Wunsch, die Hallen über die NATO finanzieren zu lassen, gesagt und schließlich entschieden hat. Ich muß hier aber nun hinzufügen: es hat mich hoch interessiert, daß der amerikanische Fachmann — er ist heute schon genannt worden — der General Caldara, inzwischen geäußert hat, die Unterstellung in Hallen sei sogar schädlich.Sie sehen also, daß hier in der Tat unter Fachleuten die verschiedensten Meinungen vorhanden sind. Es ist daher leichtfertig, dem Ministerium vorzuwerfen — und in diesem Zusammenhang hat Herr Wienand von Millionen-Verlusten gesprochen —, es lasse leichtfertig diese teueren Millionen-Objekte im Freien stehen und überlege sich nicht, daß das ja ein Unsinn sei.Ich kann — und ich tue das gerne — übrigens folgendes hinzufügen. Ich habe mir inzwischen sagen lassen, daß 1961 z. B. von deutschen Piloten in Kanada an der Hudson-Bay ein Kältetest mit der 104 gemacht worden ist. Man hat diese Versuche damals unter dem Gesichtspunkt gemacht: Müssen wir Hallen haben oder müssen wir sie nicht haben? Es ist in der Tat ein Unterschied, ob ich diese Maschinen an der Hudson-Bay sei sehr niedrigen Temperaturen draußen stehen lasse oder etwa im Emsland bei ganz anderen Luftdruckverhältnissen, d. h. bei ganz anderen Feuchtigkeitsgraden. Unter dem Gesichtspunkt der deutschen meteorologischen Verhältnisse sind in der Tat — das sage ich hier sehr deutlich — meiner Meinung nach Hallen unbedingt erforderlich. Ich kann nur hoffen, daß das Ministerium. allen Nachdruck darauf legt, daß diese Hallen so schnell wie möglich erstellt werden.Es ist die Rede davon gewesen, daß wir im Ausschuß mehr oder weniger mit der linken Hand eine Reihe von Anträgen der Sozialdemokraten abgeschmettert hätten. Diese Anträge werden heute wiederholt. Ich will zunächst einmal sagen, daß die Anträge, die im Ausschußbericht genannt sind, auch von den Sozialdemokraten mitbeschlossen worden sind
und daß es sich hier also nur um eine Reihe von Zusatzanträgen der SPD handelt, die wir abgelehnt haben, insgesamt sieben an der Zahl. Meine Damen und Herren, damit hier nun nicht der Eindruck entsteht, wir würden etwas Wesentliches ablehnen und mit unserer Mehrheit abschmettern, was möglicherweise dazu beitragen kann, die Flugsicherheit des Starfighters zu erhöhen, ist es wohl notwendig, daß ich einige Worte zu den Anträgen der Sozialdemokraten sage.In ihrem ersten Antrag verlangen die Sozialdemokraten eine neue, eine unabhängige, eine Superbehörde zur Untersuchung von Flugunfällen, von der erstens nicht klar ist, wann sie überhaupt wirklich arbeitsfähig sein kann, und zweitens, welche zusätzliche Wirkung zu dem, was wir bereits jetzt haben, sie denn erreichen kann. Natürlich gibt es beim Ministerium eine Stelle, die die Unfälle untersucht. Das ist der Inspizient Flugsicher-
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1586 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Dammheit. Wenn ich eines dazu sagen darf: Herr Minister, es wäre sehr wünschenswert, wenn diese Position künftighin mit einem General besetzt würde und nicht mit einem Oberst. Aber das ist eine Sache, die Sie hoffentlich mit dem Finanzminister in Kürze werden auspauken können. Ich hoffe, daß der Haushaltsausschuß dieses Hauses dann bereit ist, eine solche Stelle zu bewilligen. Aber wir brauchen deswegen keine Superbehörde, um die Unfälle entsprechend untersuchen zu können.
Das zweite, meine Damen und Herren: Es soll eine Dienststelle geschaffen werden, die der Erprobung ausschließlich der F 104 dienen soll. Das hört sich zunächst so an, als ob die Luftwaffe überhaupt keine Erprobungsstelle hätte. Hier muß mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß natürlich bei der Luftwaffe eine entsprechende Erprobungsstelle vorhanden ist. Ich muß als Laie sagen, daß es mir sinnvoll erscheint, daß sich diese Erprobungsstelle mit allen Flugmaschinen beschäftigt und nicht, wie es Ihr Antrag fordert, nur auf einen Typ spezialisiert werden soll. Deswegen haben wir, weil das auch die Überzeugung des Ministeriums und meiner Freunde ist, diesen Antrag abgelehnt.Schließlich fordern Sie in einem anderen Antrag, wir sollten hauptamtliche Fliegerärzte bei den Geschwadern einstellen. Da kann ich Ihnen nur sagen, es gibt sie überall. Es ist gar nicht einzusehen, warum sie noch zusätzlich in einem Antrag gefordert werden müssen.
— Herr Berkhan, das Ministerium hat das im Ausschuß so erklärt. In den Geschwadern, in denen ich gewesen bin, habe ich diese Fliegerärzte selbst gesehen, so daß ich annehmen kann, daß es sie in der Tat gibt. Gäbe es sie in einigen Geschwadern nicht, wäre es für Sie ein leichtes, das hier zu sagen. Dort sitzen die Fachleute. Sie werden Ihnen sagen, ob Sie recht haben oder nicht.
Es ist also nicht einzusehen, warum wir Dinge, die schon vorhanden sind, noch einmal beschließen sollen. Sie werden es uns deshalb nicht verargen können, daß wir Ihre Anträge ablehnen.Ich frage mich nur, Herr Wienand: warum stellen Sie oder stellt Ihre Fraktion hier heute nicht den Antrag, den Sie am 7. Januar angekündigt haben? Sie haben am 7. Januar in einem Interview — wenn ich mit Genehmigung des Präsidenten zitieren darf — auf die Frage, was denn der Ausschuß selber tun müsse, u. a. gesagt, der Ausschuß selbst könne insofern Abhilfe schaffen, als er von sich aus, wenn er Fehler festgestellt habe, sage, jetzt müßten diese und jene Konsequenzen gezogen werden. Aber, so haben Sie hinzugefügt, Sie möchten wünschen, daß der Ausschuß diesen Mut zu diesen Konsequenzen auch habe. Dann heißt es wörtlich bei Ihnen weiter: „Es müssen einige hundert Maschinen stillgelegt werden."
Herr Wienand, ich vermisse unter allen Anträgen, die Sie gestellt haben, einen Antrag dieser Art, denn nach allem, was Sie heute morgen vorgetragen haben, steht es um das Waffensystem Starfigther so schlimm und ist die „Verantwortungslosigkeit" des Ministeriums so groß, daß man gar nicht anders handeln kann, als das zu tun, was Sie am 7. Januar vorgeschlagen haben.
— Ich bin sofort bereit, Ihnen eine Zwischenfrage zu gestatten. Ich möchte nur wissen, Herr Wienand: Wo ist Ihr Mut geblieben, das zu beantragen? Oder darf ich unterstellen, daß Sie inzwischen überzeugt worden sind, daß Ihre Vorstellung vom 7. Januar nicht richtig ist? Hat Sie möglicherweise einer Ihrer Fraktionsvorsitzenden überzeugt, wenn nicht Herr Wehner, so vielleicht Herr Schmidt?
Sie gestatten eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Damm, sind Sie bereit, den ganzen Absatz oder das ganze Interview zu zitieren? Sie haben nur die Auszüge zitiert, die Ihnen genehm sind.
Ich darf in Ihre Erinnerung rufen und frage Sie, ob Sie bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen, daß ich auf die Frage: „Ja, aber kann der Ausschuß nun selbst Abhilfe schaffen?" geantwortet habe:
Der Ausschuß selbst kann insofern Abhilfe schaffen, als er von sich aus, wenn er Fehler feststellt, sagt: Jetzt müssen diese und jene Konsequenzen gezogen werden. Wenn sich z. B. herausstellen sollte, was ich vermute, daß wir zuviel Flugzeuge haben und zuwenig fachlich geschultes Wartungspersonal haben, vielleicht auch zuwenig Piloten, dann sollte — das möchte ich dem Ausschuß wünschen, diesen Mut möchte ich ihm wünschen — der Ausschuß zu der Konsequenz kommen und sagen: weniger ist mehr, es müssen einige hundert Maschinen stillgelegt werden; und erst wenn wir die anderen im Griff haben und genügendes Personal haben, kann erneut ausgeweitet werden. Wenn wir zu dieser Konsequenz kommen, glaube ich, wird der Ausschuß eine gute Arbeit geleistet haben.
Darf ich weiter fragen, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, was das Verteidigungsministerium am 10. Februar im Hinblick auf die vorzeitige Herausnahme von Flugzeugen aus den assignierten Verbänden gesagt hat? Darf ich Sie weiter fragen, ob dadurch nicht in etwa die von mir in diesem Interview vor Beginn der Ausschußberatung angedeuteten Konsequenzen gezogen worden sind?
Sehr geehrterr Herr Wienand, ich brauche nicht das zu tun, was Sie schon getan
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Dammhaben, und den Absatz noch einmal ganz vorlesen. Im übrigen stelle ich fest, daß das, was Sie vorgelesen haben, an dem, was ich ausgeführt habe, nicht einen Deut geändert hat.
Ich stelle aber mit großem Interesse fest, daß Sie an dem Punkt, der für Sie persönlich und für Ihre Aussage sehr entscheidend war, als es nämlich hieß, „was ich vermute", einen Augenblick gezögert haben, auch das vorzulesen. In der Tat war am 7. Januar Ihre Meinung, es müßten einige hundert Flugzeuge stillgelegt werden.Nun haben Sie mich gefragt, ob nicht das, was das Ministerium erklärt habe, daß nämlich einiges aus der Assignierung herausgenommen werden müsse oder könne, dem entspreche, was Sie am 7. Januar in prophetischer Manier vorausgesagt hätten. Nun bin ich allerdings der Meinung, Herr Kollege Wienand, daß zwischen der Stillegung einiger hundert Maschinen und der Herausnahme oder etwa der Verzögerung der Assignierung bei einigen Geschwadern doch wohl ein ganz großer Unterschied besteht. Sie sehen eben, Herr Wienand, wie schwierig es ist, diesem Problem wirklich von der Sache her gerecht zu werden. Es wäre im übrigen auch angemessener gewesen, nicht vor Beginn der Beratungen des Ausschusses bereits eine mehr oder weniger fix und fertige Meinung zu verkünden, sondern zu warten, bis wir mit den Beratungen fertig sein würden.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einige Worte zu dem Eindruck sagen, den ich von den Piloten gewonnen habe. Ein tragischer Umstand hat es gefügt, daß mein Kollege Petersen und ich just einen Tag nach einem Unfall mit tödlichem Ausgang in Wittmund waren. Das war ein Zufall. Es war nicht etwa eine Absicht, daß wir nun zu dem Zweck hingefahren sind; es war ein tragischer Zufall. Wir haben aus diesem Grunde in dem Gespräch mit den Piloten damals beide gefragt: „Meine Herren, bitte sagen Sie uns ganz offen, sind Sie der Meinung, daß wir uns dem Ministerium gegenüber dafür einsetzen sollen, daß ein generelles Startverbot ausgesprochen werden soll!" Alle anwesenden Piloten haben, und zwar spontan und mit großem Nachdruck, gesagt: „Um Gottes willen nicht!" Was wir wollen, ist: Wir wollen fliegen, wann immer wir können."
— In der Tat freue ich mich — ich weiß Ihren Namen nicht —, daß sich diese Piloten wie auch ihre Familien, so wie sie uns versichert haben, noch nicht haben irremachen lassen von der Psychose, die durch eine Anzahl wenig glücklich geführter Presse-Kampagnen in der Öffentlichkeit erzeugt worden ist. Daß sie sich noch nicht davon haben anstecken lassen, das freut mich in der Tat.
Meine Damen und Herren, auch wir haben uns immer wieder, nicht nur in Wittmund, sondern wo immer wir gewesen sind, ebenso wie im Ausschuß, also insgesamt von ... zig verschiedenen Piloten, sagen lassen: Diese Maschine ist großartig. Das sollten wir hier allesamt nun nicht mehr in Frage stellen, daß es sich hier wirklich um eine hervorragende Maschine handelt, wahrscheinlich um die beste, die wir zur Zeit in dieser Hinsicht überhaupt haben können.
Das, meine Damen und Herren, ist die Auffassung der deutschen Starfighter-Piloten.Nun, meine Damen und Herren, die Piloten haben allerdings auch gesagt: Diese F 104 ist für jeden jungen Mann eine ungeheure Forderung, eine challenge, und längst nicht jeder kann ihr wirklich in jeder Situation entsprechen. Darum bedarf es eines sehr sorgfältigen Auswahlsystems für unsere Piloten. Ich darf in diesem Zusammenhang in Richtung auf das Ministerium sagen: Ich würde mir sehr wünschen, daß insbesondere die psychologischen Grundlagen der Auswahl der Piloten noch verfeinert werden können. Ich sage das in der Gewißheit, daß der Herr Verteidigungsminister seine Kraft dafür einsetzen wird, daß das in Zukunft in verstärktem Maße geschieht. Denn, meine Damen und Herren, es ist in der Tat eine neue Situation, wenn Sie es mit einem 2-Mach-Flugzeug zu tun haben, die Situation, die auf dem Grenzbereich zwischen Mensch und Maschine auftritt. Hier kommen Kräfte zur Wirkung, die wahrscheinlich nur von einer kleinen Anzahl Menschen überhaupt gemeistert werden können. Ich bin mehrfach gefragt worden, ob die Piloten nicht überfordert seien. Ich glaube, daß man mit den Piloten sagen können wird: Sie sind nicht etwa generell überfordert, sie sind aber in manchen Situationen bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit gefordert. Das sollten wir uns jederzeit, auch wenn wir eine solche Debatte wie heute hier führen, vor Augen halten.
Natürlich ist die Frage durchaus berechtigt: Haben die Piloten denn gar nichts auszusetzen? Aber sicher haben die Piloten auch etwas auszusetzen gehabt. Zum Beispiel haben sie auszusetzen gehabt, daß sie unter Umständen nicht häufig genug fliegen können, weil die Maschinen nicht in dem notwendigen Maße klar sind. Aber ich muß hier sehr deutlich sagen, ähnlich wie es der Kollege Strauß auch gesagt hat: Meines Wissens ist nicht ein einziges Mal eine Maschine, die nicht klar war, zum Start zugelassen worden. Es ist schließlich ein großer Unterschied, ob eine Maschine klar ist und dann auch wirklich flugsicher ist und mit ihr gestartet wird oder ob eine Maschine, die oberflächlich gewartet ist, dann auch noch startet. Aber meine Damen und Herren, es ist gar keine Frage, daß sich die Piloten einen besseren Klarstand wünschen und auf diese Weise erhoffen, daß sie häufiger fliegen können.Eine andere Sache, die die Piloten meines Erachtens mit Recht moniert haben, ist folgendes. Sie haben gesagt: Muß es denn sein, daß wir, wenn die Maschinen klar sind, das Wetter großartig ist und alles an Voraussetzungen dafür vorhanden ist, daß wir fliegen können, auf Grund einer Lärmschutz-
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Dammverordnung in bestimmten Bereichen nicht fliegen dürfen? Ich habe mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen, daß etwa in der Waffenschule 10 in Jever z. B. zwischen 12 und 14 Uhr nicht geflogen werden darf wegen des Lärms, der dann in der Tat — das ist nicht zu bestreiten — die umwohnende Bevölkerung belästigt. Die Zeit von 12 bis 14 Uhr gehört nun aber — das kann sich jeder Laie selbst ausrechnen — zu den besten Flugzeiten, die es da überhaupt geben kann. Wenn man dann weiß, daß sie auch vor 8 Uhr nicht fliegen dürfen und abends ab 10 Uhr auch wieder nicht und am Mittwoch nachmittag nicht und am Sonnabend nachmittag nicht und am Sonntag auch nicht, fragt man sich natürlich: Wann sollen die denn noch fliegen an einer Schule, wo das Europäisierungsprogramm gemacht wird? Ich meine, wir allesamt müßten bereit sein — gegenüber der Bevölkerung, die in der Tat hier Schweres zu ertragen hat —, auch politisch den Schirm gegenüber der Bundeswehr zu geben, daß das erträglich sein muß, was hier von der Bevölkerung verlangt wird.
Eine andere Sache. Die Piloten haben gesagt: Was wir auszusetzen haben: Wir möchten weniger Bürokratie im Zusammenhang mit diesem Waffensystem. — Die Piloten haben natürlich Verbesserungswünsche, und oft dauert es wirklich irrsinnig lange, bis dann eine Resonanz von oben erfolgt. Ich will ein Beispiel nennen. Die Piloten in Wittmund haben sehr deutlich gemacht, daß sie es für notwendig halten, orangefarbene Kombinationen zu haben. Sie sollen jetzt kommen. Es ist aber nun immerhin doch schon einige Zeit her, seit das gefordert wird. Warum ist das notwendig? Ich muß hier einmal die Details erklären. Wenn sich ein Pilot, was ja leider vorkommen kann, in der See — in der Nordsee etwa — befindet, ist er in seiner graugrünen Kombination so gut wie nicht zu sehen. Er muß also diese sichtbare Kombination haben, damit er dann schneller von den Hubschraubern aufgefunden werden kann. Wenn dann die Piloten sagen: Es schmerzt uns, daß der eine oder andere zuständige Beamte, wie wir gehört haben, ausgesprochen hat, daß wir das ja nur haben wollen, um damit „anzugeben", so muß ich hier sagen, meine Damen und Herren: Diese Haltung wünschen wir allerdings nicht an verantwortlicher Stelle, dort, wo es um das Leben unserer Piloten geht.
Meine Damen und Herren, ganz kurz zu einem weiteren Punkt. Wir haben natürlich mit den Piloten auch über die Verbesserung der finanziellen Situation gesprochen; aber ich will Ihnen hier ganz deutlich sagen: Das Finanzielle war in den Augen der Piloten niemals das erste. Natürlich haben sie — und sie sind ja Kinder unserer Zeit — auch kein Hehl daraus gemacht, daß jemand, der eine solche Spezialausbildung durchlaufen hat wie sie, im Grunde natürlich auch finanziell in ähnlicher Weise eingestuft werden müsse wie jemand, der in der Wirtschaft oder sonstwo in unserer hochtechnisierten Gesellschaft eine solche Spezialausbildung hinter sich gebracht hat.Meine Damen und Herren, das gilt aber nicht nur für die Piloten, das gilt natürlich auch für die Techniker und die Warte. Ich glaube, wir können miteinander sicher sein, daß das Ministerium nun auch mit dem vollen Rückhalt dieses Hauses, so hoffe ich, in Kürze diese Vorlagen über das Kabinett an den Bundestag bringen wird.Meine Damen und Herren, ich darf hier schnell sagen, daß mich ein Hinweis der Piloten besonders befriedigt hat, weil es nämlich eine Sache ist, die bisher noch niemals so deutlich aufs Tapet gebracht worden ist. Das war der Hinweis einiger Piloten darauf, was die Warte an der sogenannten Flight-line, also da draußen, wo die Flugzeuge losgeschickt werden, auszuhalten haben, und das insbesondere zu einer Zeit — als wir mitflogen, waren es ja auch 10° minus — wenn wirklich bittere Kälte herrscht. Ich wünschte, daß die verantwortlichen Stellen sich überlegten, ob man nicht für diese Männer, die bei 10 und mehr Grad minus mit wirklich klammen Fingern schwierige Wartungsaufgaben erfüllen müssen, nicht die primitivsten Möglichkeiten des Sichaufwärmens und des Sichunterstellens schaffen kann. Ich finde es gut, daß gerade die Piloten darauf aufmerksam gemacht haben.Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber sagen, daß die Piloten auch gesagt haben: Wenn ihr aus dem Ausschuß herauskommt und das Plenum des Bundestages selbst über unsere Sorgen und unsere Nöte und die Unfälle der Starfighter debattiert, so können wir nur hoffen, daß das in sachlicher Weise geschieht und daß dabei nicht der Versuch gemacht wird, durchaus parteipolitisches Kapital zu schlagen.
— Das haben Sie schon einmal gehört, Herr Glombig. Aber ich wiederhole es Ihnen hier jetzt aus dem Munde der Piloten, und ich könnte mir denken, daß es Ihnen wenig angenehm ist, das aus dem Munde der Piloten zuhören.
— Herr Wehner, ich habe — wenn Sie das vielleicht bemerken wollten — auf einen Zwischenruf eines Kollegen von Ihnen geantwortet, und das ist ja wohl noch erlaubt. — Sie möchten eine Zwischenfrage stellen? Bitte!
Ich möchte Sie nur fragen, Herr Kollege, ob Sie es für taktvoll halten, hier die Truppe gegen die Politik auszuspielen? Das kann doch nicht Ihre Meinung sein!
Herr Kollege Wehner, ich halte es für angebracht und damit auch für taktvoll, zu wiederholen, was mir Piloten gesagt haben, und wenn sie mir gesagt haben, sie würden es nicht für der Sache dienlich halten, daß diese Geschichte in das parteipolitische Gezänk gezogen werde, dann glaube ich, haben diese Piloten recht.
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DammAußerdem haben diese Piloten -- das hat jetzt nichts mit Mitgliedern dieses Hauses zu tun, das sage ich vorher, damit nicht ein Mißverständnis aufkommt — gesagt: „Was wir ebenfalls für falsch halten, ist die Tatsache, daß dieses Flugzeug, und zwar in Millionenauflagen, als ,Witwenmacher' bezeichnet worden ist."
Es ist völlig klar, daß eine solche Bezeichnung, daß diese Art polemischer Sensationsdarstellung insbesondere in den Familien der Piloten, die in der Regel beieinander wohnen, weil die Flugplätze weit draußen liegen, natürlich psychologisch negativ wirken muß; das ist sonnenklar bei einer solchen sensationellen Darstellung.Ich hoffe sehr, daß diese Debatte dazu beigetragen hat, dem Problem Starfighter besser gerecht zu werden als bisher, insbesondere aber doch das, was die Psychose an dieser Sache ausgemacht hat, zu beseitigen.Lassen Sie mich zum Schluß nur noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Wir haben gehört, daß die Nachwuchssituation für das fliegende Personal insgesamt in den letzten Jahren ungünstiger geworden ist. Nun muß man sicher zunächst einmal sagen, daß das seinen Grund darin hat, daß die Jahrgänge, die zur Verfügung stehen — auch gegenüber denen vor einigen Jahren —, gewaltig zusammengeschmolzen sind. Das ist eine rein biologische Angelegenheit, für die niemand etwas kann. Darüber hinaus ist verständlich — das ist schon zitiert worden; ich meine das, was Herr Ruehl in seinem gestrigen Artikel geschrieben hat —, daß angesichts einer solchen Psychose die Begeisterung der jungen Leute, sich diesem Dienst zu widmen, nicht größer wird.Ich könnte mir aber denken, daß es auch einen anderen Grund gibt, warum die Bereitschaft, sich für die Luftwaffe und das fliegende Personal zu entscheiden, relativ gering ist. Ich meine die großen Schwierigkeiten, mit denen junge Menschen zu kämpfen haben, wenn sie heute privaten Flugsport betreiben wollen.
Das kostet riesige Summen Geld und dazu noch den vollen Aufwand an Freizeit. Ich meine, es wäre wohl angebracht, daß auch der Staat, der ja mit Recht andere Sportarten weitgehend unterstützt, dem Flugsport eine angemessene Unterstützung zukommen ließe.
Insbesondere sollten alle bürokratischen Hemmnisse abgebaut werden, die es der Luftwaffe bisher so gut wie unmöglich machen, den Flugsportvereinen ihre Flugzeuge z. B. für das Fallschirmspringen zur Verfügung zu stellen.
Ich habe mir sagen lassen — Sie haben sehr recht, Herr Kollege Jahn —, daß es z. B. beim Rechnungshof versicherungsrechtliche Bedenken dagegen gibt, daß Flugzeuge der Luftwaffe für das Springen derFallschirmjäger zur Verfügung gestellt werden. Ich meine, es muß möglich sein, solche Bedenken abzubauen.Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Wir werden mit den Anträgen, die wir im Ausschuß gestellt haben und die heute abend für das ganze Haus zur Abstimmung stehen, einen — so glauben wir — guten Schritt nach vorn tun, um die Flugsicherheit der F 104 zu erhöhen.Ich habe mich in den Wochen und Monaten, in denen der Ausschuß darüber beraten hat, von einigen Tatbeständen überzeugen können. Ich habe volles Vertrauen einmal zu unseren Piloten, zum zweiten zu dieser Maschine und drittens — ich füge es bewußt hinzu —: ich .habe Vertrauen zu diesem Minister,
daß er sein Ministerium in der Weise in der Hand hat, daß er das erreicht, was notwendig ist, um die Starfighter-Maschine noch besser zu machen als bisher.
Das Wort hat der Abgeordnete Kaffka.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz vor Schluß der Debatte noch etwas aufgreifen, was sich wie ein roter Faden durch die Reden zog. Immer wieder nämlich wurde auf die Debatte Bezug genommen, die dieses Haus vor 13 Monaten geführt hat. Herr Minister von Hassel hat vorhin herablassend verständnisvoll den Kollegen Wienand angesprochen: er könne ja seine Gefühle verstehen, die in Richtung revanche pour Sadowa" gingen. Ich glaube, das ist nicht der richtige Ton, und ich glaube, aus jener Debatte vor 13 Monaten ist noch einiges auszuräumen.Es ging um einen Artikel, den mein Parteifreund Wienand in einer Illustrierten veröffentlicht hatte. Er hatte dort über .den Starfighter etwas durchaus Zutreffendes ausgeführt, und der Verteidigungsminister von Hassel ging auf diese Feststellungen, wenn auch nur ganz allgemein, ein. Er sagte: Meinen Sie nicht, daß das eine Abwertung ,der Waffe ist, auf die wir unsere besten Piloten setzen?Ich hatte den Eindruck, daß dem Minister in ,der Folgezeit im Blick auf die damalige Debatte nicht ganz wohl war. Denn wenige Wochen nach ihr stellte eine Fachzeitschrift Behauptungen, die in jener Debatte vorgebracht worden waren, den Tatsachen gegenüber und widerlegte damit Wesentliches von dem, was der Minister hier behauptet hatte. Das Bundesministerium für Verteidigung schwieg dazu. Vielleicht war dem Minister in der Zwischenzeit durch seine Experten etwas anderes berichtet worden, und vielleicht erinnerte er sich — zwar spät, aber es wäre damals noch nicht zu spät gewesen — an die heute bereits mehrfach erwähnte Kleine Anfrage der SPD-Fraktion vom 4. November 1964. Ich weiß es nicht.
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1590 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
KaffkaWir haben damals diese sachliche Zusammenstellung zu der Debatte im Bundestag vom 20. Januar 1965 durchaus begrüßt, auch wenn wir in dem einen oder anderen Punkte eine Berichtigung hinnehmen mußten.Nun, damals hat sich Herr Strauß in der Debatte wesentlich weniger zurückhaltend in Sachen Starfighter ausgelassen. Er nahm den Mund damals viel voller, und es war heute sehr erfreulich, zu vernehmen, daß Herr Strauß in verschiedenen Punkten den Kollegen Wienand bestätigte. Er sagte: Nun freilich, der Herr Wienand kämpft ja heute auch von einem anderen Dampfer aus! — Ich glaube, Herr Strauß, Sie haben festes Land betreten und sehen diesen Dampfer nun vielleicht aus einer anderen Sicht.Aber gestatten Sie, daß ich noch auf einen Punkt aus der damaligen Debatte Bezug nehme. Wenn man heute die Protokolle liest, stellt man fest, daß in Verteidigungsdebatten mitunter mit harten Bandagen gekämpft wird. Aber es war unter der Gürtellinie, als der Minister damals sagte:Ich bin bereit, Ihnen anzubieten, daß Sie oder einer Ihrer Freunde mit einem Flugzeug F 104 G an einem von Ihnen zu bestimmenden Tag zu einem von Ihnen festzulegenden, vorher nicht bestimmten Ziel mit einer von Ihnen zu bestimmenden und vorher nicht bekannten Flugroute fliegen, möglichst bei Schlechtwetter, um Ihnen zu zeigen, daß das Flugzeug F 104 G ausgezeichnet ist.Das Protokoll verzeichnet an dieser Stelle „Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien". Wie großzügig von dem Minister, solche Gelegenheiten einzuräumen! Aber ich kann es, ehrlich gesagt, nicht verstehen, meine Damen und Herren, warum Sie diese Aufforderung, dieses Anerbieten des Ministers mit solch lebhaftem Beifall quittiert haben.
— Entschuldigen Sie, lassen Sie mich einmal ausreden. Das Angebot des Ministers an den schwerkriegsbeschädigten Kollegen Wienand, in einer F 104 zu fliegen, stellt eine Beleidigung dar.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß in einem anderen Land sich ausgerechnet der Verteidigungsminister unterfangen würde, einen Schwerkriegsbeschädigten
in dieser Weise im Parlament anzusprechen.
Es gereicht dem Minister und seiner Fraktion nicht zur Ehre, bis zum heutigen Tage kein entschuldigendes Wort für den Kollegen Wienand gefunden zu haben.
Aber das Anerbieten des Ministers, Abgeordnete in einer F 104 G mitfliegen zu lassen, hat noch eine andere Seite. Allen auch nur einigermaßen mit derSache Vertrauten erscheinen- derartige Informationsflüge vollkommen sinnlos, es sei denn, man verspricht sich davon parteipolitische Propaganda im Wahlkreis.
Denn, meine Damen und Herren, Gegenstand der Diskussion ist nicht die F 104 G in ihrer Flugleistung und Flugeigenschaft — das ist heute schon mehrfach deutlich geworden — als Einzelexemplar. Wir wissen, daß es ein tadelloses Flugzeug ist, ein Flugzeug, das an der Spitze ist.
— Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, denken Sie doch bitte etwas differenzierter. Die Diskussion geht gar nicht um das Einzelflugzeug, sondern sie geht um das gesamte Einsatzsystem
und um die Situation, wie sie sich in der Bundesluftwaffe ergeben hat.
Wir haben heute eine ganze Reihe von Gründen und gute Beweise gehört, daß beide Verteidigungsminister, der vergangene und der derzeitige, in jener Debatte vom 20. und 21. Januar 1965 nicht guten Glaubens gesprochen haben können.
— Meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, ich kann Ihnen das mehrfach durch eine Reihe von Unterlagen belegen; nur würde das die Diskussion noch wesentlich hinausziehen.Beide haben damals in der Debatte das Wort ergriffen, und sie hätten beide wissen müssen, welche Schwierigkeiten mit dem Waffensystem Starfighter bestehen. Wir müssen heute feststellen, daß die Ausführungen, die vor Jahresfrist vor diesem Hause gemacht wurden, nicht der sachlichen Aufklärung von Parlament und 'Öffentlichkeit dienten, sondern eine Verschleierung von Tatbeständen waren.
Mein Vorredner hat davon gesprochen, es sollte hier kein parteipolitisches Kapital herausgeschlagen werden. Es wurde ein Pilot zitiert: Parteipolitisches Gezänk sei das Gefährlichste für die Bewältigung dieses Problems.
Ich glaube, die Taktik des Verschweigens, die Sie im Januar 1965 hier geübt haben, ist dahin zu verstehen und auszudeuten, daß es Ihnen einmal darum ging, die Opposition zum Schweigen zu bringen,
und zum anderen darum, aus ganz bestimmten parteipolitischen Erwägungen heraus Tatbestände zu verschleiern.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1591
Kaffka4 Denn das ist bekannt, meine Damen und Herren: auch eine noch so berechtigte Kritik am Verteidigungsministerium wird von Ihnen immer abgewürgt, wenn sie Ihnen aus parteipolitischen Gründen unbequem ist.
Meine Damen und Herren, was haben Sie in diesem Spiel nun erreicht? Wir haben ein ganzes Jahr versäumt, um zu erreichen, was wir in dieser heutigen Debatte vielleicht gemeinsam erreicht haben können: daß intensiver gearbeitet wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Kollege Kaffka, können Sie mir sagen, ob eine der großen Fragen, die wir in dieser Debatte behandelt haben, in der Debatte vom Januar des vergangenen Jahres von Ihrer Fraktion, abgesehen vom Thema der Beschaffung oder von einer allgemeinen Stellungnahme zur F 104 G, angeschnitten worden ist?
Herr Kollege Jahn, ich meine, allein die Ausführungen, die Herr Kollege Wienand zur F 104 gemacht hatte, hätten das Ministerium zu einer eindeutigen Erklärung und dazu veranlassen müssen, in dieser Sache endlich aus der Reserve herauszutreten.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie bitte. daß ich noch auf einen anderen Punkt eingehe. Uns ist ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vorgelegt worden. Beim schnellen Durchlesen dieses Antrages stellte ich fest, daß am Schluß dieser Debatte eine große Vertrauenskundgebung für den Herrn Minister stehen soll.
Wir haben — das erkläre ich für meine Fraktion — gerade nach dem Verlauf dieser Debatte keinen Grund, dem Minister unser Vertrauen auszusprechen.
Lassen Sie mich zu Ihrem Antrag noch etwas anderes sagen. Ich halte es für taktlos, im letzten Satz die Anteilnahme gegenüber den Angehörigen der tödlich verunglückten Flugzeugführer aussprechen zu wollen. Meine Damen und Herren, eine rechte Anteilnahme kann nur in einer erhöhten Wachsamkeit des Parlaments darüber geschehen, daß die Maßnahmen, die uns heute versprochen worden sind, auch tatsächlich ausgeführt werden.
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Es ist bedauerlich, daß wir erst heute zu dieser gründlichen Debatte gekommen sind. Vermutlich wären Menschenleben und Vermögenswerte erhalten worden, wenn die Regierung früher bereit gewesen wäre, hier zu reden, wenn die Regierung bereit gewesen wäre, die Karten zu einer Zeit auf den Tisch zu legen, wo das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen war.
Herr Minister, Sie haben unser Vertrauen nicht.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, darf ich ein paar Punkte aus der Debatte aufgreifen und mit einer persönlichen Bemerkung beginnen. Sie bezieht sich auf die letzten Darlegungen des Abgeordneten Kaffka von der Sozialdemokratischen Partei, und zwar im Zusammenhang mit der Debatte vom Januar 1965, und auf das Angebot während meiner Rede an die Sozialdemokratische Partei, mitzufliegen usw., und dabei auf den Satz, daß ich dieses Angebot dem Herrn Kollegen Wienand gemacht hätte. Im Wortprotokoll steht: „oder einen seiner Freunde". Ich möchte hier erklären, Herr Kollege Wienand: ich habe zu diesem Zeitpunkt nicht gewußt, daß Sie Kriegsversehrter sind, sonst hätte ich dieses Angebot nicht gemacht.
— Verzeihung vielmals! Ich habe es wirklich nicht gewußt, sondern erst später aus der Debatte erfahren — das möchte ich hier ausdrücklich erklären —, sonst hätte ich Ihnen dieses Angebot nicht gemacht.
Meine Bemerkungen zu den Debattebeiträgen darf ich damit beginnen, daß ich auf einige Betrachtungen des Abgeordneten Schmidt eingehe, der in drei oder vier Punkten sagte, daß meine Antwort ihn nicht befriedigt habe. Erstens hätte ich auf die Frage „anomal und unerträglich" zwar geantwortet, es sei anomal gewesen, ich hätte aber nicht auf die Frage „unerträglich" geantwortet. Meine Meinung ist, daß eine anomale Situation, wie ich .sie bestätigte, nicht erträglich ist und daß meine Antwort das zweite bereits einbezieht.Die zweite Bemerkung betraf die Frage, seit wann wir von diesen Zuständen gewußt hätten, also seit wann wir im Ministerium die wachsenden Unfälle gesehen hätten. Herr Schmidt sagte, ich hätte hierauf nicht geantwortet. Meine Antwort war — bitte lesen Sie nach —: seit Mitte des Jahres 1965.Die dritte Bemerkung bezog sich darauf, ich hätte nicht darauf geantwortet, wie denn die Bundesregierung, die Führung der Bundeswehr, die Bundesluftwaffe die weitere Entwicklung der Unfälle für das Jahr 1966 beurteilt. Ich brauche mich auf meine Ausführungen nicht zu beziehen. Aber da der Abgeordnete Schmidt inzwischen, wie wir wissen, nicht mehr da ist, werde ich ihm, sobald er wieder in Bonn ist, eine geheime Aufzeichnung darüber geben, wie der Klarstand der Maschinen per heute früh 8 Uhr ist. Ich hätte ihm diese Aufzeichnung, wenn er noch hier gewesen wäre, persönlich zur eigenen Information übergeben. Der Klarstand der Maschinen bezieht sich auf die assignierten Geschwader, auf die diesen Geschwadern zugeteilten Maschinen, mit der genauen Zeit von sofort bis innerhalb drei
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1592 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister von Hassel Stunden, nach sechs Stunden, nach 24 Stunden. Nach Rückkehr des Abgeordneten Schmidt nach Bonn werde ich ihm diese geheimen Zahlen zur persönlichen Kenntnis zuleiten.Herr Kollege Schmidt hat mich auf die JanuarDebatte angesprochen und einiges dazu zitiert. Ich möchte die Mitglieder des früheren Deutschen Bundestages daran erinnern, daß sich die Januar-Debatte zunächst einmal auf einen großen Spielraum innerhalb der Bundeswehr insgesamt erstreckte, also nicht nur auf Starfighter, sondern auf eine ganze Reihe anderer Komplexe und daß sich der Starfighter-Komplex hier im Hohen Hause und übrigens auch in der Zeitschrift, die ein paar Tage vorher erschien, im wesentlichen auf zwei Bereiche erstreckte. Der eine war das Litton-Navigationsgerät. Der andere betraf die Fragen: Sind die Verträge in Ordnung? Sind wir nicht betrogen und über das Ohr gehauen worden? Sind wir nicht mit der Firma Lockheed zu gnädig umgegangen? Müssen wir es nicht zu teuer bezahlen? Und ähnliches. Aber der andere Komplex, die Frage nach dem Litton-Gerät, war der Ansatzpunkt für die Behauptung einer „bedingten Einsatzbereitschaft". Die Mitglieder des Hohen Hauses von damals entsinnen sich: die bedingte Einsatzbereitschaft wurde daraus abgeleitet, daß das Litton-Navigationsgerät erstens nicht genau genug arbeite und zweitens in der Lebensdauer und im Durchlauf durch die Reparatur nicht ausreichend sei. Das waren damals, 1965, die Komplexe der „bedingten Einsatzfähigkeit".Es ist mir durch Herrn Kollegen Schmidt unterstellt worden, daß ich dem Verteidigungsausschuß ein NATO-Papier verschwiegen hätte. Ich muß die Behauptung zurückweisen, dem Verteidigungsausschuß sei ein NATO-Papier zum Starfighter vorenthalten oder nur zögernd vorgelegt worden. Der Staatssekretär, der mich in dieser Sitzung vertrat — Sie wissen, daß ich leider zwei Monate durch eine Krankheit ausgefallen bin —, erklärte dort wahrheitsgemäß, daß ihm von einem solchen Papier nichts bekannt sei. Es stellte sich dann heraus, daß die Opposition einen privaten Brief des Luftmarschalls Huddleston von AIRCENT meinte, den dieser an General Panitzki geschrieben hatte. Die Existenz dieses privaten Briefes war dem Staatssekretär nicht bekannt. General Panitzki hat dann sofort von sich aus auf diesen Brief hingewiesen und ihn im Ausschuß vollständig verlesen.
Ich glaube, daß damit dieser Vorwurf des HerrnKollegen Schmidt von heute morgen ausgeräumt ist.Das nächste: Herr Kollege Schmidt sagt, ich solle mich einer größeren Transparenz befleißigen, ich solle nicht. nur vor einer Debatte, sondern das ganze Jahr hindurch die Verteidigungspolitik und die Dinge der deutschen Bundeswehr in der Öffentlichkeit ausbreiten. Zu dieser Kritik möchte ich sagen: Ich bin selber seit 1950 Parlamentarier, und ich habe — das weiß auch der Ausschuß — bei vielfältigen Gelegenheiten nicht nur gesagt, sondern auch bewiesen, daß ich mich zuerst bemühe, das Parlament oder seinen zuständigen Ausschuß von etwas Bedeutendem zu unterrichten, bevor ich hinausgehe in die deutsche Öffentlichkeit, etwa in einer Pressekonferenz.
Ich gebe Herrn Kollegen Schmidt zu, daß ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte sehr viel früher von mir aus — mit der Autorität des Ministers — die deutsche Presse unterrichten müssen.Mir ist dann vorgehalten worden, ich hätte abendliche Einladungen gegeben. Warum eigentlich, meine Herren von der SPD? — Wir haben es ja mit einem ungeheuer komplexen Vorgang zu tun. Herr Dr. Zimmermann hat heute dargelegt, daß im Ausschuß 400 Fragen gestellt worden sind. Ich habe es nicht nachgezählt; er ist Ausschußvorsitzender, er wird es kontrolliert haben. Bei 400 Fragen kann es sein, daß dann irgendwo eine Frage nicht beantwortet wurde, aber sicher nicht aus bösem Willen. Meine Damen und Herren, 400 Fragen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, kann man nicht in einer Pressekonferenz, in der man die Journalisten vielleicht anderthalb Stunden verfügbar hat, grundsätzlich und sorgfältig abhandeln. Meine Herren von der Opposition, als ich im Krankenhaus und im Sanatorium lag, habe ich gelesen, wie Sie bereits das Ausschußergebnis vorwegnahmen und sagten: es hat sich erwiesen, daß alles gestimmt hat, der Minister muß zurücktreten. Ich habe mich nicht wehren können, und als ich dann zurückkam, habe ich allerdings eine Gruppe von Journalisten — zu denen auch sozialdemokratische Journalisten eingeladen wurden, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition — auf der Hardthöhe gehabt, zusammen mit den Sachverständigen des Ministeriums, der Luftwaffe, auch mit Piloten von draußen. Ich bin selber die ganze Zeit dabei gewesen und habe, glaube ich, meine „Abiturprüfung" bestanden, denn das Gros der Fragen habe ich beantworten können. Ich habe festgestellt, daß, wenn die Einladung für 17 Uhr ausgesprochen war, das Ende dieser Aussprache im allgemeinen zwischen 1/2 11 Uhr und 1/2 12 Uhr nachts lag und daß mir dann mancher der Herren Journalisten sagte: Herr von Hassel, nachdem wir diese sorgfältige Darstellung bekommen haben, sieht für uns vieles doch sehr viel anders aus als zuvor.Meine Herren, wollen Sie mir bitte einmal sagen, wie man einen solchen Komplex anders als durch ein sorgfältiges Gespräch mit den Fachmännern behandeln soll.
Denn dieses Parlament ist letztlich kein Parlament von Oberingenieuren, mit denen man die sachlichen, die technischen Details etwa im einzelnen behandeln könnte. Und wenn Sie mir das vorhalten, dann — ich wiederhole es — können Sie mir nur vorhalten, daß ich das nicht früher gemacht habe. Ich habe es nicht früher machen können, weil ich krank gewesen bin.Der fünfte Komplex ist die Kritik des Herrn Kollegen Schmidt an der Organisation des Verteidigungsministeriums. Meine Damen und Herren, die Zeit ist davongelaufen, wohl niemand möchte noch gern von mir eine Darstellung der Organisationsprinzipien des Verteidigungsministeriums hören. Das wäre ein abendfüllender Vortrag. Sie wissen
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Bundesminister von Hasselselber, daß ich ein Organisationsgesetz vorgelegt habe und daß dieses Organisationsgesetz in der letzten Legislaturperiode den Bundesrat passiert hat. Im Verteidigungsausschuß des Bundesrats habe ich dieses Gesetz persönlich vertreten. Dort saß auch der damals zuständige Hamburger Vertreter, nicht der Herr Senator Schmidt, der zum Verteidigungsausschuß gehört, sondern einer seiner Mitarbeiter. Damals ist von Hamburg, stellvertretend für Herrn Senator Schmidt, kein Vorschlag in der Sache des Organisationsgesetzes gemacht worden.Ich habe mich mit dem Organisationsprinzip des Abgeordneten Schmidt auseinandergesetzt. Wir haben uns darüber auch unterhalten. Im Verteidigungsausschuß der vorigen Legislaturperiode habe ich begründet, warum ich den Prinzipien des Herrn Schmidt nicht folgen kann.Ich möchte hier erklären: in Kürze wird das Organisationsgesetz wiederum vorgelegt. Dann wird der Verteidigungsausschuß Gelegenheit haben, Organisationsprinzipien zu erörtern. Ich wehre mich nur dagegen, daß mit einer Handbewegung gesagt wird: Was da oben an Organisation geschieht, ist falsch, man muß es anders machen.Noch ein Wort zu einer Frage, die hier durch einen Zwischenruf gestellt worden ist. Am Beginn der Bundeswehr stand das klare Prinzip der Trennung: hier Soldat und dort Verwaltung, und zwar unter einer politischen Gesamtverantwortung. An diesem Prinzip ist nie gerüttelt worden und wird nie gerüttelt werden. Wenn das die Grundlinie bedeutet,,) dann muß man aber auch die Fragen, die hier zur Sprache gebracht werden, in diese Grundlinie einordnen; dann kann man nicht einfach sagen: Das Organisationsprinzip ist falsch.
Herr Minister, stimmt es nicht, daß das Organisationsgesetz im vorigen Jahr erst vorgelegt wurde, nachdem man genau wußte, daß der Verteidigungsausschuß dieses Gesetz nicht mehr behandeln konnte, weil es eben zu spät vorgelegt wurde?
— Sie stimmt aber!
Verehrter Herr Kollege Berkhan, ich bin, als idh in mein Amt berufen wurde, von Ihrem damaligen Sprecher für Verteidigungsfragen, dem Abgeordneten Erler, gefragt worden. Wir haben ein langes Gespräch über seine und über meine Auffassung gehabt.
— Ich komme nachher noch darauf zurück. Im Prinzip haben Sie recht, wenn Sie meinen, daß man über
Unter-vier-Augen-Gespräche nicht sprechen sollte.
Herr Kollege Berkhan, ich habe im Verteidigungsausschuß — Sie waren damals nicht da; Sie sind erst später wieder eingetreten — ebenfalls dargelegt, aus welchen Gründen ich gegenwärtig ein Gesetz nicht vorlegen würde, und zwar in den Jahren 1963 und 1964. Um aber die Richtung festzulegen und um das Thema „Organisation des Verteidigungsministeriums" aus dem Wahlkampf, der damals gerade begann, herauszunehmen — darin werden Sie mir sicher zustimmen, Herr Kollege Berkhan —, habe ich im Ausschuß meine Meinung zur Organisation des Ministeriums vorgetragen, und zwar durch eine Gesetzesvorlage, damit man sieht: Was will eigentlich dieser Verteidigungsminister?!
Bitte, Herr Wienand!
Darf ich Sie fragen, Herr Minister, ob Sie sich daran erinnern, daß das Plenum am 20. oder 21. Januar 1965 die Bundesregierung aufgefordert hat, bis zum 1. April 1965 diesem Hause einen Organisations- und Gliederungsgesetzentwurf vorzulegen. Darf ich Sie weiter fragen, ob Sie sich — ungeachtet der Darstellung, die Sie dem Verteidigungsauschuß gegeben haben, ohne daß der Entwurf den Bundesrat passiert hatte und dem Hause vorlag — erinnern, daß dieser Entwurf praktisch erst kam, als das Parlament schon in Urlaub ging, so daß der Verteidigungsausschuß keine Gelegenheit mehr hatte, sich mit dem Papier zu befassen.
Dazu möchte ich mit einem Satz des Herrn Schmidt antworten, der heute morgen gesagt hat: Der Verteidigungsminister ist überlastet; er hat dies und jenes zu tun und kann nicht alles auf einmal machen. Eigentlich finde ich, daß es eine ganz gute Leistung war, wenn ich es zuwege brachte, innerhalb von drei Monaten einen kompletten Entwurf vorzulegen; denn wenn mich nicht alles täuscht, habe ich Ihnen schon Anfang Mai diesen Gesetzentwurf im Verteidigungsauschuß erläutert.
Ich meine, daß ich dann, wenn ich einen solchen Komplex nur mit vier oder fünf Wochen Verzögerung erläutere — wir wissen, wie solche Dinge entstehen: Mitte oder Ende Januar wird beschlossen, daß er am 1. April vorliegen soll —, kein Monitum von Ihnen mehr zu erwarten hätte.
— Verzeihung, ich habe es Ihnen und dem Verteidigungsausschuß gesagt. Wir wollen das nicht vertiefen. Wir haben genügend Gelegenheit dazu, wenn der Entwurf da ist, das im Ausschuß zu tun. Ich glaube, ich darf mich auf diese wenigen Bemerkungen beschränken.Herr Kollege Berkhan, Sie sprachen über das Gewicht. Niemand, glaube ich, in diesem Hohen Hause wird Wert darauf legen, daß wir nunmehr die ganzen Fragen der Gewichte und die Einzelkomponenten innerhalb des 360 kg betragenden Mehrgewichts erläutern. Sollte es uns nicht eigentlich reichen, daß dies neulich geschehen ist? 'Ich glaube, Sie waren nicht dabei, weil Sie ein paar Wochen im Ausland waren; aber die übrigen Mitglieder des Verteidigungsausschusses waren präsent. Die Piloten sind von Mitgliedern des Ausschusses gefragt worden,
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1594 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister von Hassel worin nun eigentlich der Unterschied in den ganzen Flugeigenschaften, im Fluggefühl bestehe, worin nun eigentlich der Unterschied zwischen dem einen und dem anderen, dem schwereren und dem leichteren amerikanischen Flugzeug bestehe. Herr Berkhan, die Piloten haben etwa folgendes geantwortet — ich sage es einmal aus dem Stegreif —: Wenn man in eine Maschine mit verbundenen Augen hineingesetzt würde und losflöge, würde man den Unterschied zwischen der amerikanischen Version F 104 C und der deutschen Version F 104 G nicht merken. Meinen Sie nicht, daß es besser wäre, sich darauf zu verlassen, was die Piloten über die Flugeigenschaften sagen, als jetzt noch einmal Überlegungen mit Gewichten hin und Gewichten her anzustellen?
— Ja, wenn er runterfällt, ist es völlig gleichgültig, ob .er mit 360 kg mehr Gewicht runterfällt oder nicht. Er soll überhaupt nicht runterfallen.Verehrter Herr Kollege Berkhan, Sie sagen dann, der Abgeordnete Wienand habe vier Briefe an mich geschrieben mit der Bitte, eine Reihe von Dokumenten, die der Verteidigungsausschuß hat, hinsichtlich der Geheimhaltung herabzustufen. Dazu möchte ich Ihnen sagen, daß der entsprechende Brief des Herrn Wienand an den Ausschußvorsitzenden gerichtet war und an mich lediglich als Abschrift zur Kenntnisnahme gegangen ist. Der Ausschuß hatte damals darüber zu befinden und nicht ich. Ich glaube also, daß das Thema hier keine Rolle spielt.Herr Wienand sei nun aber — und das ist auch1) ein Wort von Herrn Berkhan — verletzt, weil ich aus einem privaten Gespräch etwas vorgetragen habe. Warum ist das eigentlich geschehen? Verehrter Herr Berkhan, Sie haben — ich weiß nicht, ob Sie persönlich oder Herr Wienand; jedenfalls Ihre eigenen Parteifreunde — in so vielen Presseveröffentlichungen aller Art erklärt, es habe erst der Kleinen Anfrage der SPD bedurft, um das Ministerium überhaupt zum Agieren zu bringen. Es habe erst der Großen Anfrage, die Sie eingebracht hätten, bedurft, um das Plenum zur Debatte zu zwingen. Dazu sage ich, damit keine Legendenbildung entsteht: Ich habe mit Herrn Wienand darüber gesprochen und habe ihm gesagt, ich würde als erstes dem Verteidigungsausschuß die Dinge darlegen, und zwar ohne Hintergedanken, ohne etwas zu tarnen. Ich meine, daß ich, wenn mir bei jeder Gelegenheit von Ihnen erklärt wird, es habe erst Ihrer Initiative bedurft, auch berechtigt bin, zu sagen: Herr Wienand wußte, was ich vorgehabt habe.
Herr Berkhan, Sie sprachen weiter über die Zahlenvergleiche für 100 000 Flugstunden, und zwar umgerechnet auf die einzelnen Waffensysteme. Ich möchte das hier nicht vertiefen. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß jedem Mitglied des Verteidigungsausschusses in der letzten Sitzung des Ausschusses das gesamte Konzept, das all diese Zahlen enthält, gegeben worden ist. Vielleicht waren Sie in dem Augenblick nicht da. Ich darf Sie aber bitten, über das Ausschußbüro dafür Sorge zu tragen, daß sie es bekommen. Da sind sämtliche Unterlagen vorhanden, die Sie hier eben zur Sprache gebracht haben. Wenn Sie sie nicht bekommen können, so sagen Sie es mir; ich werde sie Ihnen dann zuleiten.
— Verzeihung, Herr Kollege Berkhan, hier liegt eine große Schwierigkeit. Wir können aus Geheimhaltungsgründen nicht veröffentlichen, wieviel Flugstunden wir fliegen, weil daraus der potentielle Gegner irgendwelche Rückschlüsse ziehen könnte. Wir haben einiges aus der Vergangenheit veröffentlicht, weil wir glauben, daß das Thema für die Zeit bis zum Jahre 1961 gestorben und uninteressant geworden ist. Um die Schwierigkeit, zu publizieren, ohne daß es der andere mitlesen kann, zu umgehen, haben wir Systeme erfunden, bei denen die andere Seite, der Osten, nach menschlicher Voraussicht nicht gleich erkennen kann, was los ist. Bitte, erkundigen Sie sich im Ausschußbüro, und Sie werden dort diese Unterlagen vorfinden. Wenn dort keine mehr sein sollten, fordern Sie sie bitte von meinem persönlichen Büro an.Noch ein paar Bemerkungen an den Sprecher der FDP, bevor ich nachher noch einmal auf das eine oder andere eingehe. Verehrter Herr Kollege Schultz, ich bin Ihnen dankbar für Ihren Hinweis auf den Flugsport. Ein anderer hat mir das Wort aus dem Munde genommen. Herr Damm, der hier übrigens nicht nur seine Jungfernrede gehalten hat, sondern der nachher vom Inspekteur der Luftwaffe als drittes Mitglied dieses Hohen Hauses die ZweiMach-Nadel bekommen wird, hat es noch einmal aufgenommen. Auch ich bin der Meinung, daß man den Flugsport fördern soll. Aber Sie wissen, um was für komplizierte Vorgänge es sich handelt — Herr Damm hat es gesagt —, allein vom Gesichtspunkt der Versicherung.Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schultz bringt zwei Probleme, zu denen ich einiges sagen möchte. Er fragt als erstes, ob man nicht die Ausbildung der deutschen Piloten in Amerika verlängern könne. Die Antwort, Herr Kollege Schultz: Die Amerikaner sind der Auffassung, daß wir bereits an einer Höchstgrenze des Trainings dort angekommen sind. Sie bringen bereits ihr eigenes Training, z. B. für die F 105, um zehn Stunden unter unsere Stundenzahl von 125 und haben uns eine Erweiterung des Trainings abgelehnt, weil sie befürchten, daß es ein sogenanntes Overtraining gibt. Deshalb kann dieser Plan nicht verfolgt werden.Nun zum zweiten. Amerikanische Sachverständige sagen uns: Schult nicht zuviel in der Europäisierung um, sondern bringt möglichst die Piloten, wenn sie aus Amerika kommen, gleich in die Verbände. Dazu sind wir noch nicht bereit. Aber wahrscheinlich wird es das Ziel in der Zukunft sein.Herr Kollege Schultz, Sie sprechen dann über die Unterbewertung der Technik. Man kann das nicht in Bausch und Bogen bejahen oder verneinen. Ich selber — das wissen die Herren aus dem Ministerium — bin der Auffassung, daß man bei der Frage der Dotierung, der Fortkommensmöglichkeiten gerade auch den Techniker sehen muß, aber auch — das darf ich hinzufügen — eine andere Gruppe, die sehr leicht falsch behandelt wird. Das sind nämlich
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1595
Bundesminister von Hasseldie Logistiker. Herr Kollege Schultz, es gab eine Zeit — das ist noch gar nicht so lange her —, wo man meinte, wenn man für Führungsaufgaben —S 1, S 3 — nicht mehr geeignet sei, dann könne man in die Logistik wandern. Herr Schultz, ich wehre mich dagegen. Auch der Logistiker hat in unserer Zeit eine ungeheure Bedeutung. Er wird daher ebenso wie der Techniker eine Aufwertung erfahren müssen.
An diesem Punkte der Logistik setzt dann das Thema Ersatzteilversorgung an. Herr Kollege Strauß sagt, man habe nichts gefunden; nach zwei Tagen habe man festgestellt, daß in einem Geschwader doch die Ersatzteile gewesen seien. Meine Damen und Herren, ich mache kein Hehl daraus, daß für mich beispielsweise das Materialamt der Bundeswehr ein Sorgenkind besonderer Art ist. Das ist noch nicht so, wie ich es mir vorstelle. Das funktioniert nicht so, wie es sein müßte. Aber wir bemühen uns mit modernsten elektronischen Verfahren, das hinzukriegen. Dieses modernste elektronische Netz wird im Materialamt praktisch zwar erst 1968, in den anderen Ämtern aber bereits am 1. Januar 1967 vorhanden sein. Wenn man sich also über solche Dinge unterhält, muß man auch wissen, daß vom Personellen her auch in dieser Richtung etwas zu geschehen hat.Meine Damen und Herren, jetzt zwei oder drei Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Strauß. Herr Strauß, Sie sagen: Schärfen sie den Kommodores ein, daß kein Flugzeug zumStart freigegeben wird, das nicht startklar ist. Ich möchte das hier ausdrücklich als eine Selbstverständlichkeit erklären.Sie sagen zweitens: Prüfen Sie die Lockheed-Teams. Ich bin in den ersten Maitagen mit Lockheed zusammen in Luke Air Force Base und bei Lockheed selber. Ich danke für diesen Hinweis. Auch hier handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit.Sie sagen drittens, man sollte die F 84 mit einem Ruck herausnehmen, um das Personal für die F 104 freizubekommen. Ein schwieriger Punkt ist dabei, daß man eine Reihe von Flugzeugen des Typs F 84 noch braucht, um die Piloten im Training zu lassen, weil aus Gründen, die Sie kennen, nicht alle sofort auf F 104 übernommen werden können.Frage 4 von Herrn Strauß: Hätte man nicht einmotten können? Antwort: Nein, man kann Flugzeuge nicht einmotten, es sei denn, man hätte für die Einmottungsperiode eine ausreichende Zahl von Pflegepersonal, das die Flugzeuge in der Periode der Einmottung entsprechend betreut. Einmotten bedeutet nicht, daß man die Flugzeuge mit Plastik überzieht und die Sache dann ruhig laufen lassen kann. Wenn ein eingemottetes Flugzeug nicht betreut wird, läuft man Gefahr, daß es nachher praktisch verschrottet werden muß.Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte hat ja immer wieder aufgebracht: Warum eigentlich erst heute? Die Unfälle sind schon vor sechs, vor acht, vor neun, vor zehn Monaten gewesen. Warum erst heute? Bevor man Entscheidungen treffen kann, muß man untersuchen. Man muß klären, man muß erkennen, man muß aus den Erkenntnissen Folgerungen ziehen. Diese technischen Folgerungen bedeuten zum Teil neue Konstruktion, neue Erprobung. Dann erst geht es in die Fertigung und in den Einbau.Was tut eigentlich die Luftwaffe insgesamt: Sie rüstete um, und sie rüstet um auf die F 104 G. Wir rüsten auf die Fiat G 91 um. Wir rüsten zur gleichen Zeit auf die Transall um. Die Marine rüstet von Gannet und von Seahawk auf F 104 um. Wir rüsten in der Hubschrauber-Generation auf die Bell um. Wir haben auf die Nike, auf die Hawk, auf die Pershing umgerüstet.Wir bemühen uns, die modernsten Streitkräfte zu haben, die dem potentiellen Gegner gewachsen und dem Nachbarn mindestens gleichwertig sind. Ich meine, daß uns sicher mancher NATO-Partner noch überlegen ist, verständlicherweise uns voraus ist. Aber eines ist doch wohl sicher, daß wir uns weiß Gott nicht des Geleisteten zu schämen brauchen.Ich habe zum Schluß ein paar Bitten. Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich sie hier offen ausspreche. Wir haben im Ministerium und in allen Teilen der Bundeswehr so viel Aufgaben zu lösen, daß man nach vorne sehen und nicht nur im Vergangenen seine Arbeitskraft verbrauchen sollte. Meine Bitte geht wirklich dahin, daß das Thema „Vergangenheit des Starfighters" uns nicht mehr länger beschäftigen sollte. Wenn jemand glaubt, wir wichen der Verantwortung aus, möchte ich deutlich sagen: wir sind bereit, auch das auf uns zu nehmen. Wir meinen aber, daß wir größere Aufgaben in die Zukunft hinein zu lösen haben.
Im übrigen habe ich keinen Hehl daraus gemacht, daß das Ministerium aus diesen Fragen gelernt hat. Das Parlament bitte ich, uns dort zu helfen, wo wir seiner Unterstützung bedürfen. Fernsehen, Rundfunk, Presse, die sich besonders in der letzten Zeit um eine sachliche Berichterstattung bemühten, bitte ich, das in ihren Kräften Stehende zu tun, ihren wertvollen Beitrag zur Lösung unserer schwierigen Aufgaben im Interesse der Bundeswehr zu leisten und auch uns diese Aufgabe zu erleichtern. Die Offentlichkeit aber darf ich bitten, sich bewußt zu sein, daß unsere Luftwaffe bei ihrem Schritt zur modernen Streitmacht einen großen und schwierigen Umstellungsprozeß zu bewältigen hat, einen Prozeß, der auch Rückschläge nicht ausschließt. Die Öffentlichkeit darf auch überzeugt sein, daß von der Bundesregierung, dem Bundesministerium der Verteidigung, der Bundeswehrführung und der Luftwaffe wie bisher alles auch nur Menschenmögliche getan wird, die Unfälle auszuschließen. Die Führung der Bundeswehr, die Luftwaffe, die Kommodoren, die jüngsten Warte, die Techniker, die Piloten, die vielen Mitarbeiter werden nicht müde werden, das ihre zu tun, die Schwierigkeiten zu meistern. Nehmen Sie die Gewißheit mit, daß ebenso wie bisher auch in Zukunft kein Flugzeug der Bundeswehr zum Start rollt, das nach menschlichem Ermessen nicht hundertprozentig flugklar ist. Haben Sie das Vertrauen dazu, daß die Bundeswehr die Kraft hat, ihre Pro-
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1596 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Bundesminister von Hasselbleme zu meistern und damit ihren Verteidigungsbeitrag zu erfüllen. Helfen Sie hier im Hause, als Gesetzgeber, aber auch draußen in der Bevölkerung in Ihrem Wahlkreise, daß der Soldat die Achtung vor seiner Leistung erhält, die er verdient.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Herren Abgeordneten Jahn * und Iven** geben ihre Reden zu Protokoll. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Erledigung der vorliegenden Anträge. Zunächst steht der Antrag des Ausschusses auf Drucksache V/450 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Dann stimmen wir ab über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 30 *** zu der Großen Anfrage der Fraktion der SPD. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Weiter liegt ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Umdruck 31*** zur Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vor, dazu ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu diesem Antrag.
Über diesen Antrag müssen wir zuerst abstimmen. Ist der Antrag verteilt?
Zur Begründung Herr Abgeordneter Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß der Antrag noch nicht überall verteilt ist. Er wird jeden Moment hier eintreffen.
Es geht um folgendes. Wir könnten Ihrem Antrag auf Umdruck 31 in allen Punkten zustimmen, wenn nicht in dem ersten Absatz in der dritten Zeile in die Worte gleich welchen Ranges und auf welcher Stufe — im militärischen und zivilen Bereich die politische Spitze mit einbezogen wäre. Sie meinen hier auch den Minister. Nach dem Gang der Ereignisse und nach dem Gang der Debatte wird niemand von uns erwarten, daß wir diesem Minister hier ein Vertrauensvotum ausstellen.
Um das völlig klarzustellen, haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, nach dem Ihr Antrag am Ende durch folgenden Text ergänzt werden soll:
Der Bundestag tadelt, daß der Bundesminister der Verteidigung trotz der seit langem erkennbaren Entwicklung beim Waffensystem F 104 G so lange untätig blieb, bis die Flugunfallrate ein untragbares Ausmaß erreichte.
* Siehe Anlage 5
** Siehe Anlage 6 *** Siehe Anlage 2 **** Siehe Anlage 3
Ich darf zur Abstimmung noch folgendes sagen. Nachdem über unseren Änderungsantrag abgestimmt sein wird — und ich unterstelle, daß Sie unseren Antrag ablehnen —, werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen können. Aber wir werden getrennte Abstimmung nach Absätzen verlangen. Wir werden nur gegen den ersten Absatz Ihres Antrags stimmen, uns aber der Anerkennung, die hier allen anderen ausgesprochen ist — mit Ausnahme des Ministers —, anschließen. Wir sprechen ausdrücklich auch den Piloten unsere Anerkennung und natürlich den Angehörigen der verunglückten Flugzeugführer unser Mitgefühl aus.
Ich glaube, daß die deutsche Öffentlichkeit für unseren Tadelsantrag mehr Verständnis haben wird als für Ihren Vertrauensantrag.
Das Wort hat Herr Dr. Barzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein einziger Satz zu der Intervention des Kollegen Mommer. In aller Form erkläre ich für unsere Fraktion: Der Bundesminister der Verteidigung, unser Kollege Kai-Uwe von Hassel, hat unser volles Vertrauen.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Mommer hat dem Hause den Wortlaut eines Antrags vorgetragen, der auf Umdruck 32* vervielfältigt worden ist und sich in meiner Hand befindet. Er mag noch nicht bei Ihnen sein, aber ich nehme an, meine Damen und Herren, daß es der guten Ordnung in diesem Hause entspräche, wenn Sie über einen Antrag, der so vorgetragen und so begründet worden ist, wenigstens in Ruhe abstimmten.
Der Antrag wird gerade verteilt. Ich bin auch bereit, so lange zu warten.
— Gut, wie Sie wollen.
Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag ab. Wer stimmt ihm zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Herr Abgeordneter Mommer hat gebeten, es möge über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP abschnittweise abgestimmt werden. Sind Sie damit einverstanden?
— Zur Abstimmung der Abgeordnete Könen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Zwischenrufen der CDU/CSU-Fraktion muß ich entnehmen, daß Sie dem Antrag auf abschnittweise Abstimmung, den Herr Dr. Mommer gestellt hat, nicht entsprechen wollen. Ich muß Ihnen dann sagen, daß ich es zu-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966 1597
Könen
tiefst bedaure, daß es weder in der CDU noch in der CSU noch — —
— Herr Rasner sagt gerade, es ist nicht so. Schönen Dank!
Meine Damen und Herren, der Vorschlag, die Frage 71.1 teilen, ist gemacht, aber wir müssen darüber abstimmen, und nach § 53 der Geschäftsordnung entscheidet das Haus darüber, ob die Frage geteilt werden soll.
Wer stimmt der Teilung der Frage zu? — Danke.
— Dann stimmen wir doch abschnittweise ab.
Ich stelle zunächst den ersten Abschnitt zur Abstimmung. Er beginnt mit Der Bundestag anerkennt und endet: „Leistung der deutschen Luftfahrtindustrie mit ein."
Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mommer, wir haben Ihrem Petitum auf abschnittweise Abstimmung zugestimmt. Wir wissen, warum Sie das tun wollen. Aber jetzt soll mit diesem Antrag manipuliert werden, und dazu geben wir uns nun wirklich nicht her. Abschnittweise Abstimmung ja, aber nicht mehr.
Herr Abgeordneter Mommer!
Herr Präsident Meine Damen und Herren! Dann sei es so! Aber ich erkläre hier noch einmal ausdrücklich für uns, daß wir unsere Anerkennung auch der Arbeit und Leistung der deutschen Luftfahrtindustrie aussprechen.
Wir kommen zur Abstimmung. — Meine Damen und Herren, das mag für einige von Ihnen ein Vergnügen sein, für mich ist .es keines. — Wir stimmen über den ersten Abschnitt ab. Wer stimmt ihm zu? Ich bitte um ein Handzeichen. — Danke. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Dieser Abschnitt ist angenommen.
Wir stimmen über den zweiten Abschnitt ab. Wer stimmt ihm zu? — Danke. — Das war offenbar einstimmig.
Der letzte Absatz. Wer stimmt ihm zu? — Danke.
— Soll ich wirklich die Gegenprobe veranstalten?
— Dieser letzte Abschnitt ist einstimmig angenommen.
Damit sind wir mit der Beratung der Punkte — —
— Einen Moment! Ich wäre Ihnen dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie mich wenigstens diesen Satz zu Ende sprechen ließen, ehe Sie aufbrechen.
Zum anderen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie nicht alle samt und sonders den Saal verließen. Denn wir wollen noch einige Tagesordnungspunkte erledigen, damit morgen das Feld frei ist.
Die Beratung des Punktes 5 ist beendet.
Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FPD eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes
— Drucksache V/393 —
Der Gesetzentwurf soll nicht begründet werden.
— Ein Wort zur Überweisung, Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich in dieser vorgerückten Stunde noch etwas zu der Überweisung sagen muß. Der Ältestenrat des Bundestages schlägt Ihnen vor, den Antrag zur federführenden Behandlung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und zur Mitberatung an den Finanzausschuß zu überweisen. Ich bin beauftragt, Sie darum zu bitten, die Überweisung genau umgekehrt vorzunehmen, nämlich zur Federführung an den Finanzausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen.
Das hängt damit zusammen, daß das Zollgesetz zu den Finanzgesetzen gehört und immer im Finanzausschuß federführend bearbeitet worden ist. Das gilt auch für die bisherigen sechs Änderungsgesetze. Es ist daher nicht einzusehen, warum die Federführung geändert werden soll. Ich darf Sie also namens des Finanzausschusses bitten, die Federführung dem Finanzausschuß zu übertragen.
Zum selben Punkt, Herr Abgeordneter Mertes!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß der Ältestenrat einmütig der Auffassung gewesen ist, daß die Vorlage Drucksache V/393 federführend im Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen beraten werden soll. Ausschlaggebend dafür war die Überlegung, daß mit diesem Gesetzentwurf sehr stark wirtschafts- und konjunkturpolitische Fragen berührt werden.
Diese Meinung des Ältestenrats wird im übrigen auch — wiederum einmütig — von den Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen geteilt. Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie der Empfehlung des Ältestenrats folgten und die Vorlage zur Federführung an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir entscheiden über den Vorschlag des Ältestenrats, daß der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen federführend und der Finanzausschuß mitberatend sein soll. Wer stimmt diesem
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1598 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 33. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. März 1966
Vizepräsident SchoettleVorschlag zu? — Danke. Gegenprobe! -- Gegen eine Anzahl Stimmen ist der Vorschlag des Ältestenrats akzeptiert.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes— Drucksache V/451 —Hier ist der Finanzausschuß federführend, der Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen mitberatend. — Gegen diesen Vorschlag erheben sich keine Einwände. Dann ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 8:Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Schädlingsbekämpfungsmittel— Drucksache V/395 —Soll der Antrag begründet werden? — Das ist offensichtlich nicht der Fall.Es ist vorgeschlagen, den Antrag an den Ausschuß für Gesundheitswesen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung zu überweisen. Wird diesem Vorschlag des Ältestenrats widersprochen? — Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen.Punkt 9:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Elbrächter, Frau Dr. Hubert, Dr. Hamm [Kaiserslautern] und Genossen betr. 2. Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Arzneispezialitäten— Drucksache V/441 —Der Antrag soll an den Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen werden. — Dem wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.Punkt 10:Beratung der Ubersicht 3 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht— Drucksache V/429 —Der Antrag des Rechtsausschusses lautet:Der Bundestag wolle beschließen, von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.Wer stimmt dem Antrag des Ausschusses zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.Punkt 11:Beratung des Schriftlichen Berichts des Verkehrsausschusses über die von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschläge der Kommission der EWG füra) eine Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die amtlichen Kennzeichen an der Rückseite von Kraftfahrzeugenb) eine Richtlinie des Rats für die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Funkentstörung von Kraftfahrzeugen— Drucksachen V/163, V444 —Berichterstatter: Abgeordneter Dr. ApelDer Herr Berichterstatter wünscht offenbar nicht das Wort.Der Ausschuß empfiehlt, die Vorschläge zur Kenntnis zu nehmen. — Das Haus ist bereit dazu; es ist so beschlossen.Punkt 12:Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für das Bundesvermögen über den Antrag des Bundesministers der Finanzenbetr. Veräußerung einer Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes auf der Karthause in Koblenz an die Gemeinnützige DeutscheWohnungsbaugesellschaft mbH, Berlin — Drucksachen V/336, V/453 —Berichterstatter: Abgeordneter GraaffDer Berichterstatter verzichtet auf das Wort.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Vorschlag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Punkt 13:Beratung des Mündlichen Berichts des Innenausschusses über den Bericht des Bundesministers des Innernbetr. Rechtsstellung und Ausbildung der deutschen Beamten für internationale Aufgaben—Drucksachen V/153, V/455 —Berichterstatter: Abgeordneter Schmitt-VokkenhausenDer Berichterstatter verzichtet auf das Wort.Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Innenausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 25. März, 9 Uhr.Die Sitzung ist geschlossen.