Protokoll:
5024

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 5

  • date_rangeSitzungsnummer: 24

  • date_rangeDatum: 2. März 1966

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:04 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 24. Sitzung Bonn, den 2. März 1966 Inhalt: Glückwunsch zum Geburtstag der Abg. Frau Rudoll 1029 A Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966) (Drucksache V/ 250), in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1966 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1966) (Drucksache V/305) — Erste Beratung — Dr. Dahlgrün, Bundesminister . . . 1029 D Dr. Dollinger, Bundesminister . . 1040 B Überweisung von Vorlagen 1042 B Fragestunde (Drucksachen V/339, V/343) Fragen des Abg. Bading: Drohende Ölpest durch Strandung des norwegischen Tankers „Anne Mildred Brovig" Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 1042 D Dr. Tamblé (SPD) . . . . . . . 1043 B Frage des Abg. Dr. Marx (Kaiserslautern) : Künftige Regelung der deutschen Ostgrenzen Dr. Mende, Bundesminister . . . . 1044 A Dr. Marx (Kaiserslautern) (CDU/CSU) 1044 D Dr. Klepsch (CDU/CSU) 1045 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 1046 B Prinz von Bayern (CDU/CSU) . . . 1047 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 1047 B Frau Dr. Maxsein (CDU/CSU) . . . 1047 C Frau Kalinke (CDU/CSU) . . . . 1047 D Borm (FDP) . . . . . . . . . 1048 A Köppler (CDU/CSU) . . . . . . 1048 B Wehner (SPD) . . . . . . . . 1048 C Frage des Abg. Schmitt-Vockenhausen: Zeitungsaustausch mit der Zone Dr. Bülow, Staatssekretär . . . . 1049 A Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 1049 B Dr. Dr. Heinemann (SPD) . . . . 1049 B Frage des Abg. Felder: Beruhigungszellen in Gefängnissen und Zuchthäusern Dr. Bülow, Staatssekretär . . . . 1049 C Felder (SPD) . . . . . . . . . 1050 A Dr. Geißler (CDU/CSU) . . . 1050 B Rollmann (CDU/CSU) 1050 C Wehner (SPD) 1050 D Jacobi (Köln) (SPD) 1051 C Haase (Kassel) (CDU/CSU) . . . 1051 D Lemmer (CDU/CSU) 1052 A Dr. Bechert (SPD) 1052 B Strohmayr (SPD) . . . . . . 1052 C Dr. Apel (SPD) 1053 A II Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 Fragen des Abg. Westphal: Zweiter Bericht über die Lage der Jugend Dr. Heck, Bundesminister . . . 1053 B Westphal (SPD) 1053 C Frage der Abg. Frau Korspeter: Einrichtungshilfe für nicht anerkannte Flüchtlinge 1054 C Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen V/255, zu V/255) Bauknecht (CDU/CSU) 1054 D Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . 1060 A Höcherl, Bundesminister 1069 B Dr. Effertz (FDP) 1075 D Bauer (Wasserburg) (CDU/CSU) . 1080 B Frehsee (SPD) 1087 C Logemann (FDP) 1093 B Frau Griesinger (CDU/CSU) . . 1096 B Ertl (FDP) 1098 C Bewerunge (CDU/CSU) . . . . 1101 D Dr. Mommer (SPD) zur GO . . . 1105 B Struve (CDU/CSU) zur GO . . . 1105 C Nächste Sitzung 1107 D Anlagen 1109 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 1029 24. Sitzung Bonn, den 2. März 1966 Stenographischer Bericht Begin: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Adorno 4. 3. Dr. Arnold 2. 3. Bading 7. 3. Benda 4. 3. Berkhan 12. 3. Dr. Birrenbach 2. 3. Frau Blohm 4. 3. Bremer 2. 3. Burger 10. 4. Dr. Dittrich *) 4. 3. Dr. Eppler 12. 3. Erler 4. 3. Faller 6. 3. Figgen 5. 3. Fritz (Wiesbaden) 31. 3. Frau Funcke 4. 3. Frhr. von und zu Guttenberg 5. 3. Haage (München) 4. 3. Hamacher 31. 3. Hauffe 2. 3. Dr. h. c. Jaksch 3. 3. Klein 18. 3. Klinker *) 4. 3. Frau Krappe 31. 3. Kriedemann *) 2. 3. Frhr. von Kühlmann-Stumm 5. 3. Frau Kurlbaum-Beyer 4. 3. Leber 4. 3. Liedtke 15. 4. Dr. Löhr 4. 3. Mattick 4. 3. Mauk 2. 3. Dr. h. c. Menne (Frankfurt) 2. 3. Dr. Miessner 12. 3. Mischnick 4. 3. Dr. Morgenstern 25. 3. Müller (Aachen-Land) *) 2. 3. Frau Pitz-Savelsberg 2. 3. Pöhler 2. 3. Rösing 4. 3. Schonhofen 4. 3. Schulhoff 4. 3. Dr. Schulz (Berlin) 11. 3. Dr.-Ing. Seebohm 11. 3. Strauß 2. 3. Teriete 4. 3. Dr. Verbeek 8. 3. Dr. Vogel 4. 3. Wächter 4. 3. Weimer 2. 3. Baron von Wrangel 4. 3. Dr. Wuermeling 3. 3. Zerbe 5. 3. *) Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich b) Urlaubsanträge Dr.-Ing. Balke 26. 3. Blumenfeld 27. 3. Eisenmann 13. 3. Dr. Jungmann 31. 3. Mertes 12. 3. Anlage 2 Umdruck 21 Entschließungsantrag der Abgeordneten Ertl, Schmidt (Kempten), Reichmann, Dr. Effertz, Logemann, Peters (Poppenbüll), Walter und Genossen zur Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen V/255, zu V/255). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, a) für die Futterbaubetriebe in benachteiligten Gebieten zum Ausgleich der Marktferne Frachtbeihilfen für den Bezug von Betriebsmitteln und den Absatz von Erzeugnissen vorzusehen, solange eine Harmonisierung der Frachten in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft noch nicht durchgeführt ist, b) im Rahmen der Investitionshilfen vor allem für kleine und mittlere Betriebe in benachteiligten Gebieten, insbesondere in Höhenlagen, angemessene Zinsverbilligungen als Finanzierungshilfen für die Einrichtung von Gästezimmern in diesen Betrieben vorzusehen. Bonn, den 2. März 1966 Ertl Schmidt (Kempten) Reichmann Dr. Effertz Logemann Peters (Poppenbüll) Walter Geldner Graaff Dr. Hamm (Kaiserslautern) Dr. Mühlhan Sander Schultz (Gau-Bischofsheim) Dr. Staratzke Dr. Starke (Franken) Anlage 3 Umdruck 22 Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen V/255, zu V/255). 1110 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, der endgültigen Festsetzung eines harmonisierten Getreidepreises in der EWG erst zuzustimmen, wenn die Voraussetzungen für die Harmonisierung in allen notwendigen Bereichen erfüllt sind. Bonn, den 2. März 1966 Zoglmann und Fraktion Anlage 4 Umdruck 23 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU/FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen V/255, zu V/255). Der Bundestag wolle beschließen: Bei den Verhandlungen in Brüssel über die gemeinsame Agrarpolitik in der EWG möge die Bundesregierung folgende Grundsätze beachten: 1. Bei der Fortentwicklung des gemeinsamen Agrarmarktes möge die Bundesregierung keine Zugeständnisse machen, die zu weiteren Einkommensverlusten für die deutsche Landwirtschaft führen. Die notwendigen Umstellungs- und Anpassungshilfen sollen nicht durch Entscheidungen der EWG gefährdet werden. 2. Das Inkrafttreten der vom Ministerrat beschlossenen Getreidepreisangleichung zum 1. Juli 1967 setzt voraus, daß zuvor eine Einigung über die noch ausstehenden Agrarmarktordnungen sowie über die noch notwendigen Preisangleichungen unter Berücksichtigung der lebenswichtigen Belange der deutschen Landwirtschaft erfolgt. Dabei ist angesichts des ständig steigenden Bedarfs an Futtergetreide in der EWG das Verhältnis zwischen Brot- und Futtergetreidepreis zu korrigieren. 3. Der Milcherzeugerpreis der EWG soll unter Berücksichtigung der gestiegenen Kosten in Verbindung mit einer befriedigenden Regelung für die Trinkmilchmärkte mit 39 Pf. je kg für 3,7%ige Milch ab Hof festgesetzt werden. Soweit dieser Preis nicht über den Markt zu erzielen ist, müssen bis zum Inkrafttreten des gemeinsamen Milcherzeugerrichtpreises die Milchförderungsprämien erhalten bleiben. Nach Einführung des gemeinsamen Milcherzeugerrichtpreises sollen diese Ausgleichszahlungen aus dem Ausrichtungs- und Garantiefonds der EWG sichergestellt werden. 4. Der Orientierungspreis für Rindfleisch soll 1966 heraufgesetzt werden, um einen wirksamen Anreiz zur Verstärkung der Rindfleischproduktion zu setzen und damit einerseits eine ausreichende Versorgung der Märkte mit qualitativ gutem Rindfleisch sicherzustellen und andererseits die gegebene Wechselwirkung zwischen Milch- und Rindfleischproduktion besser zur Auswirkung gelangen zu lassen. 5. Bei der Europäischen Marktordnung für Zucker soll durch regionale Produktionsziele sichergestellt werden, daß der deutsche Zuckerrübenanbau unter Zugrundelegung eines angemessenen gemeinsamen Zuckerrübenpreises in dem aus betriebswirschaftlichen Gründen notwendigen Umfang aufrechterhalten werden kann. 6. Bei Obst und Gemüse sollen insbesondere im Interesse der bäuerlichen Familienbetriebe die bisherigen Marktordnungsvorschriften wesentlich verbessert werden. Gegebenenfalls sind für weitere Sonderkulturen (z. B. Hopfen und Tabak) gemeinsame Marktregelungen anzustreben. 7. Die Europäische Marktordnung für pflanzliche Fette soll sicherstellen, daß die Produktion von Ölfrüchten in der Bundesrepublik in dem aus Fruchtfolgegründen notwendigen Umfang aufrechterhalten werden kann. 8. Zwingende Voraussetzung für eine Zustimmung zu der gemeinsamen Agrarfinanzierung soll neben der gleichzeitigen Einigung über die noch ausstehenden Agrarmarktordnungen und Preisangleichungen eine Anerkennung des Bruttoprinzips für die Zahlung von Ausfuhrrückerstattungen aus dem Ausrichtungs- und Garantiefonds der EWG sein. Nur dadurch wird auch die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft insbesondere in den marktfernen Gebieten in die Lage versetzt, sich den sich ändernden Handelsströmen anzupassen und sich unter gleichen Wettbewerbschancen neue Märkte zu erschließen. II. Bei der Beratung und Verabschiedung des Bundeshaushalts 1966 sollen insbesondere im Rahmen des Grünen Planes und der EWG-Anpassungshilfe folgende Vorschläge geprüft und nach Möglichkeit beachtet werden: 1. Die Zinsverbilligungsmittel sollen über den vorgesehenen Ansatz hinaus erhöht werden. Nur dadurch wird es möglich, die zur Finanzierung der notwendigen Investitionen für Agrar- und Betriebsstrukturverbesserungen erforderlichen Kapitalmarktmittel auch im Jahre 1966 zinszuverbilligen. 2. Die Zinsverbilligung alter, bisher nicht zinsverbilligter Kredite, . die 1965 aus der Anpassungshilfe gewährt wurde, soll fortgesetzt werden. Diese Maßnahme ist eine wesentliche Voraussetzung, um die durch die Anpassung erforderlich werdenden Folgeinvestitionen in den landwirtschaftlichen Betrieben finanzieren zu können. 3. Für den Wirtschaftswegebau und für die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen ist eine Streichung der zentral bereitgestellten Kapitalmarktmittel in voller Höhe nicht zu vertreten. Sie trifft vor allem die finanzschwachen Bauträger und hindert damit jeden weiteren Fortgang der strukturellen Maßnahmen in den besonders benachteiligten Gebieten. Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 1111 4. Die Maßnahmen der bäuerlichen Hauswirtschaft sollen unter Ausdehnung des Verwendungszweckes weiterhin gefördert und in einem besonderen Titel ausgewiesen werden. Diese Hilfen sind bei den schwierigen Wirtschafts- und oft schlechten Wohnverhältnissen in den Bauernhäusern entscheidende Voraussetzungen für eine Arbeitserleichterung der Bauersfrau. 5. Die besondere Förderung des Baues von Grünfuttersilos, Unterdachtrocknungs- und Gülleanlagen sowie Milchkühleinrichtungen soll für eine Übergangszeit als gezielte Beihilfe erhalten bleiben. Gerade diese Investitionen sind für die in allen Grünen Berichten in ihrer Rentabilität wesentlich benachteiligten Futterbaubetriebe von besonderer Bedeutung. 6. Die Erstattung des Lastenausgleichs für Niederungsgebiete sollte nicht eingestellt werden. Es wird auf die Entschließung des Bundesrates verwiesen. Bonn, den 2. März 1966 Dr. Barzel und Fraktion Zoglmann und Fraktion Anlage 5 Umdruck 24 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP zu der Aussprache über den Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen V/255, zu V/255). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht zu prüfen, ob es möglich ist, den Vorlagetermin für den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft in § 4 des Landwirtschaftsgesetzes vom 9. September 1955 soweit vorzuziehen, daß dieses Dokument bei den Haushaltsberatungen, insbesondere bei den Beschlüssen über die Ausstattung des Grünen Planes ausgewertet werden kann, und alsbald darüber zu berichten. Bonn, den 2. März 1966 Dr. Barzel und Fraktion Dr. Starke (Franken) und Fraktion Anlage 6 Schriftliche Ausführungen der Abg. Frau Kalinke zu Punkt 4 der Tagesordnung. Lassen Sie mich zu den Ausführungen und Behauptungen des Kollegen Frehsee noch einige Bemerkungen machen. Auch ich betone, daß wir in diesem Hause alle darin einig sind, zum mindesten die hier in später Stunde noch Anwesenden, daß wir der Landwirtschaft helfen wollen. Unterschiedliche Meinungen bestehen in diesem Hause — wie auch im Bereich der Landwirtschaft — über Weg und Ziel. Daher sollte Klarheit über das Erreichbare, aber auch über die Kosten dessen, was angestrebt wird, geschaffen werden. Es sollten auch sorgfältig die Grundsätze geprüft werden, nach denen das soziale Sicherungssystem für die freien Berufe gestaltet werden soll. Viele Fragen auch der bäuerlichen Sozialpolitik werden Inhalt der Sozialenquete und der Enquete über die Situation der Frauen auch in der Landwirtschaft sein. Auf einige dieser Probleme habe ich damals bei der Begründung der Anfrage nach der Enquete hingewiesen. Viele Fragen gehören in den Bereich der Krankenversicherungsreform. Ihr kann und darf nicht vorgegriffen werden. Die Forderung der SPD nach einem Versicherungszwang für alle Landwirte — demnächst auch für alle Selbständigen — ohne Befreiungsrecht und ohne Wahlfreiheit für alle Beteiligten ist nicht neu. Sie ist aber deshalb nicht weniger gegen alle Grundsätze einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Neu ist bei der SPD offenbar die Erkenntnis, daß ein Versicherungszwang in der Versicherung der Arbeitnehmer und eine Verschiebung der Risiken in diesem Bereich nicht erreichbar ist, weil die gesetzliche Krankenversicherung ihren Preis fordert. Hier in dieser Debatte wie in den Plänen der SPD wird die Illusion erweckt, als könne es eine ausreichende soziale Sicherung im Bereich der Landwirtschaft in einer Krankenversicherung geben, bei der die Kosten nicht von den Versicherten, sondern mit mindestens 50 % durch eine staatliche Subvention getragen werden. Die selbständigen Landwirte sind ein Teil der Selbständigen, der freien Berufe, ein Teil auch der freien Wirtschaft. Wohlstand und Sicherheit der Landwirtschaft sind in die Probleme der sozialen Marktwirtschaft wie in deren Gesetze eingebettet. Von dem Erfolg der sozialen Marktwirtschaft hängt auch der Erfolg der deutschen Agrarpolitik ab. Hier gilt es, den großen Zusammenhang zu sehen und zu erkennen. Der Abgeordnete Frehsee hat behauptet, daß eine große Zahl der Landwirte ohne Versicherungsschutz sei. Ich bestreite diese Behauptung, die der Kollege Frehsee auf meine Frage auch nicht beweisen konnte. Heute meinte der Kollege Frehsee offenbar, es sei nicht mehr so wichtig, die soziale Wirklichkeit zu kennen. Es genüge, einfach Behauptungen darüber aufzustellen, wie etwa die, die Aussage eines Sprechers aus dem Bereich der privaten Krankenversicherung in einer nicht genannten wissenschaftlichen Organisation sei falsch, ohne daß er den Namen, den Kreis und die Organisation nennt. Ich bestreite hier entschieden, daß unser soziales Sicherungssystem, zu dem beide, die gesetzliche und die private Krankenversicherung, gehören, die beide unter dem Schutz und der Aufsicht des Staates stehen, nicht jedem Landwirt eine Chance und Möglichkeit gibt und schon bisher gegeben hat, im Krankheitsfall einen angemessenen Schutz zu finden. In zunehmendem Maße haben Landwirte in den Land- und Ortskrankenkassen als Pflichtversicherte, als freiwillig Weiterversicherte oder als Versicherungsberechtigte und in den privaten Krankenver- 1112 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 sicherungen, besonders in solchen auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft abgestellten, individuellen Versicherungsschutz gesucht und gefunden. In zunehmendem Maße machen Bauern und ihre Angehörigen von dem Recht und der Pflicht zur Selbstverantwortung Gebrauch. Selbst die Rentner aus dem bäuerlichen Bereich sind durch die von uns verwirklichte Krankenversicherung der Rentner in diesen Schutz einbezogen worden. Auch das muß bei dieser Debatte betont werden. Der Herr Kollege Frehsee hat .auf die erfreuliche Verbesserung und die Erfolge der Strukturpolitik hingewiesen. Eine erfolgreiche Wirtschafts- und Agrarpolitik wird diesen Trend noch verbessern und damit für jedermann die Chancen weiter wachsen lassen, einen individuellen Versicherungsschutz zu wählen und sich selbstverantwortlich zu entscheiden. Die Forderung der SPD, die Wahlfreiheit zu beseitigen und alle Bauern, auch diejenigen, die seit Jahrzehnten verantwortungsbewußt gehandelt und einen individuellen Versicherungsschutz gewählt haben, der ihren besonderen Bedürfnissen entspricht, nun in eine Zwangsversicherung einzubeziehen, wird auf heftigen Widerstand der Betroffenen stoßen, die mit der Freiheit und Risikobereitschaft des Bauerntums auch die Freiheit der Wahl des Versicherungsschutzes verbinden. An dieser Stelle muß auch an ,die Verantwortung für die Versicherungsgemeinschaften der privaten Versicherungen, in denen sich die freien Berufe und die Selbständigen zusammengefunden haben, erinnert werden. Jeder Landwirt, ob groß oder klein, muß den Preis der sozialen Sicherung mit bezahlen. Das Modell der bäuerlichen Sicherung Osterreichs oder Frankreichs, wie es der SPD offenbar vorschwebt, hat Herr Frehsee hier leider nicht im einzelnen erläutert. Das Merkmal gerade dieser Modelle ist neben hohen Beiträgen eine kräftige Selbstbeteiligung. Wie denkt die SPD darüber im Zusammenhang mit den Finanzproblemen der gesetzlichen Krankenversicherung und mit den Fragen der Krankenversicherungsreform? Auch Subventionen, die verlockend sind und mit deren Versprechen so gern gearbeitet wird, müssen bezahlt werden, nämlich aus Steuern, direkten oder indirekten. Bei der vielfältigen Steuerumwälzung ist das zwar oft unsichtbar, aber deshalb nicht weniger hart und nicht billiger. Die Landwirtschaft wäre gut beraten, wenn sie sich diese Probleme und diese Seite der Subventionspolitik im Zusammenhang mit sozialpolitischen Forderungen auch sehr klarmachen würde. Unser niedersächsischer Landwirtschaftsminister Hasselmann hat unlängst — wie mir scheint, zu Recht — empfohlen, sich doch endlich davon frei zu machen, nur das gutzuheißen, was vom Staat subventioniert wird. Leider ist der Abgeordnete Frehsee uns die Antwort auf viele Fragen schuldig geblieben. Eine dieser Fragen wäre zur Solidarhaftung zu stellen, eine andere zum Thema Selbstverwaltung bei 50%iger Kostenbeteiligung des Staates. Die Hauptfrage aber an die SPD ist die, wie sie sich die Grenzen der Freiheit und des staatlichen Zwangs in einer gewandelten industriellen Wohlstandsgesellschaft vorstellt. Sollten wir den Strukturwandel unseres industriellen Zeitalters bei uns und in der freien westlichen Welt nicht besser so deuten, daß der mündige Staatsbürger — und dazu gehört auch der mündige Landwirt — aus dem Zwang entlassen und ihm an Stelle von mehrstaatlichem Zwang mehr Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wird? Hierüber sollten wir bei der Diskussion über den Grünen Plan sowie bei der Diskussion von Themen über einen Sozialfonds nachdenken. Wir sollten auch bei der Krankenversicherungsreform über vernünftige Lösungen zugunsten derjenigen Teile der Landwirtschaft nachdenken, die einen besonderen Versicherungsschutz suchen. Ich stimme dem Minister Höcherl zu, daß nicht alle Pläne, nicht alle Vorschläge gut und praktikabel sind und zu verwirklichen sind. Ich füge hinzu, daß ich fürchte, daß viele Pläne auch nicht zu finanzieren sein werden. Er hat recht darin, daß .die freie Entscheidung des einzelnen für seinen Beruf, für das Risiko des freien Bauern auf freier Scholle erhalten bleiben muß. Zu dieser freien Entscheidung gehört auch eine Entscheidung für die Risikobereitschaft in den Fragen der sozialen Sicherung. Hier darf die Freiheit nicht haltmachen. Anlage 7 Schriftliche Ausführungen des Abgeordneten Ehnes zu Punkt 4 der Tagesordnung. Diese Debatte zum Grünen Bericht kann nach Auffassung meiner politischen Freunde und mir nicht abgeschlossen werden, ohne noch einmal auf die krassen Ertrags- und Einkommensunterschiede innerhalb des Bundesgebietes zu verweisen. Hier muß neben dem Grünen Bericht auch der EWG-Jahresbericht, Drucksache 529, als Vergleichsmaßstab Anwendung finden. Wenn man aus diesen beiden Berichten das Preisgefälle zwischen den Referenzpreisen der 12 großen deutschen Märkte heranzieht, muß man leider feststellen, daß auf den süddeutschen Märkten bei Schweinen und Rindern der Durchschnittspreis in der Bundesrepublik erheblich unterschritten wird. So liegt der Preis bei Schweinen in München und Augsburg 22 DM tiefer als der Durchschnittspreis, andererseits der Marktpreis von Mannheim 5,40 DM höher als der Schnitt im Bundesgebiet. Ähnliche Zahlen sind aus dem EWG-Jahresbericht zu entnehmen, der den Durchschnittspreis auf dem Rindersektor darstellt. Meine politischen Freunde und ich fordern deshalb die Bundesregierung auf, diesem Preisgefälle erhöhte Aufmerksamkeit schenken zu wollen, damit die Disparität, die im Grünen Bericht so deutlich zutage tritt, abgebaut wird. Hier muß bereits die bevorstehende Frachterhöhung und der weite Antransport von Futtermitteln mit einkalkuliert werden. Ein besonderes Anliegen bleibt in weiten Teilen der Bundesrepublik das Problem der Grünlandbetriebe, verbunden mit Zonenrand- und marktferner Lage. Es ist geradezu besorgniserregend wie hier weite Teile unserer Landwirtschaft in der Einkommenslage gegenüber den Landwirten in der Nähe der Verbrauchergebiete zurückliegen. Da in diesen Gebieten der Futterbau Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 1113 durch die Natur bedingt ist, bitten wir die Bundesregierung, auch im Hinblick auf die Verhandlungen in Brüssel alles zu unternehmen, um über den Preis ein möglichst hohes Einkommen zu erzielen. Der im Entschließungsantrag der CDU/CSU niedergelegte Milchpreis muß unter allen Umständen erreicht werden. Weiter ist von besonderer Wichtigkeit, daß die Beihilfen zur Silowirtschaft, zur Unterdachtrocknung den Futterbaubetrieben, besonders den von der Natur benachteiligten Gebieten und Mittelgebirgslagen, zufließen. Meine politischen Freunde und ich bitten die Bundesregierung, sich für folgende agrarpolitische Maßnahmen einzusetzen. In den Verhandlungen in Brüssel sollte ein Milchpreis erstrebt werden, der den Produktionsbedingungen und der Unkostenseite der deutschen Landwirtschaft Rechnung trägt. Hier ist die Verlängerung der Stützungsmaßnahmen eine unbedingte Notwendigkeit. Die Zuckermarktordnung sollte den deutschen Produktionskosten Rechnung tragen, der Rübenbau sollte auch als maßgebender Fakt der Veredlungsproduktion in Erwägung gezogen werden. Eine Anbausteuerung über den Preis ist im Interesse der deutschen Rübenpflanzer nicht annehmbar. Die Produktionskosten in der Bundesrepublik sind die höchsten; das ist gutachtlich von neutraler Stelle errechnet. Der Orientierungspreis für Rinder ist in einer Höhe von etwa 2,70 DM festzusetzen. Marktordnungen für Tabak und Hopfen sind anzustreben. Im Hinblick auf die Beschlüsse der Getreidepreispolitik des Jahres 1964 ist zu prüfen, ob der Interventionszuschlag für Braugerste weiter gezahlt werden kann, da die deutsche Brauwirtschaft Qualitätsbraugerste braucht und der Gerstenpreis mit 375 DM pro Tonne nicht ausreicht, um Qualitätsware zu erzeugen. Die Anbauprämie für Qualitätsweizen sollte weiter gezahlt werden, da die deutsche Landwirtschaft in der Lage ist, Kleberweizen zu erzeugen. Hier sollte man der einheimischen Erzeugung den Vorrang vor der Einfuhr aus Übersee geben. Falls der Interventionszuschlag für Braugerste in der EWG nicht genehmigt wird, sollte eine ähnliche Prämie wie bei Qualitätsweizen in Erwägung gezogen werden. Zum Grünen Bericht muß festgestellt werden, daß das Vorgehen der Tarifpartner sich nachteilig in der Einkommenslage der Landwirtschaft niederschlagen wird, da zwangsläufig die Bedarfsartikel der Landwirtschaft erhöhte Preise aufweisen werden. Dies ist besonders im Bereiche der Baumaßnahmen zu befürchten. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn auch die Tarifpartner auf die Bereiche Rücksicht nehmen würden, die an der günstigen Entwicklung aus politischen Gründen nicht teilhaben können. Zum Schluß möchte ich noch zum Ausdruck bringen, daß die Benotung, die Herr Kollege Dr. Schmidt gegenüber dem Bundeslandwirtschaftsminister ausgesprochen hat, mich etwas befremdet. Man sollte nicht über Lehrlings- oder Gesellenstück sprechen, sondern gemeinsam versuchen, Herrn Höcherl in seinen Bestrebungen volle Unterstützung zu gewähren. Besonderer Dank sollte deshalb am Schluß dieser Debatte dem Landwirtschaftsministerium für seine Tätigkeit ausgesprochen werden, ganz besonders aber dem Herrn Bundesminister dafür, daß er in seinem Beitrag die Preis- und die Handelspolitik in den Vordergrund seiner Betrachtung gestellt hat. Nur wenn wir gemeinsam die Preispolitik auch in Zukunft in den Vordergrund stellen, wird es möglich sein, dem Verbraucher hochwertige Qualitätsnahrungsmittel in ausreichendem Maß zur Verfügung zu stellen. Wenn die Sozialdemokraten in Zukunft diese preispolitischen Maßnahmen besser unterstützen als in der Vergangenheit, dann dürfte auch für die deutsche Landwirtschaft der Weg nach Europa von Erfolg sein. Dies ist unser aufrichtiger Wunsch. Georg Ehnes Dr. Probst Anlage 8 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Reichmann zu Punkt 4 der Tagesordnung. Unsere moderne Wirtschaft und Gesellschaft sind durch die vielseitigen Wechselbeziehungen und durch wachsende gegenseitige Abhängigkeiten gekennzeichnet. Diese Entwicklung, die im Bereich der industriellen arbeitsteiligen Produktionen eingesetzt hat, wird auch in der Landwirtschaft immer stärker. Der hierdurch bedingte Wandlungsprozeß verändert gleichzeitig die soziale Struktur in der Landwirtschaft; wie wir feststellen müssen, nicht im positiven Sinne. Je schwieriger die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse der Landwirtschaft und der in ihr tätigen Menschen aus vielerlei Gründen werden, desto größer wird das soziale Risiko — aber auch die soziale Last — als Folge des raschen Strukturwandels. Die Hauptursachen für die agrarsozialen Probleme in der Landwirtschaft sind: 1. die ständige Aufwands- und Ertragsdisparität — wie sie alle Grünen Berichte ausweisen —, 2. der rasche Strukturwandel mit seinen tiefgreifenden Auswirkungen auf die in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung, 3. die Abwanderung eines Drittels der landwirtschaftlichen Bevölkerung in andere Berufe — einschließlich der dadurch bedingten Überalterung —, 4. der dadurch verursachte Arbeitskräftemangel, 5. die dadurch ausgelöste Arbeitsüberlastung für die in der Landwirtschaft verbliebenen Menschen, insbesondere die Frauen und Jugendlichen, ohne die erforderlichen Erholungsmöglichkeiten, 6. der dadurch verursachte schlechte Gesundheitszustand der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung. 1114 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 Mehr denn je beruht die Existenzfähigkeit der Landwirtschaft heute mit auf ihrer Gesundheit und Arbeitskraft. Sie zu erhalten, ist eine der wesentlichen agrarsozialen Aufgaben. Infolge der ständigen Disparität nach allen Grünen Berichten ist die Landwirtschaft nicht in der Lage, aus eigener Kraft die agrarsozialen Probleme allein zu lösen. So mußte die soziale Sicherung zu einem Teil der Agrarpolitik werden, obwohl die FDP den Weg der Selbstvorsorgemöglichkeiten, wenn die politischen Voraussetzungen dafür gegeben wären, vorziehen würde. Zu dem schlechten Umweg über die Subventionen — statt des kostengerechten Marktpreises, wie ihn die FDP forderte und anstrebt — wurden zusätzlich staatliche Sozialleistungen erforderlich, wenn man die Landwirtschaft in ihrer Existenz nicht gefährden wollte, Das ist nach Meinung der FDP ein schlechter Ausweg zur angemessenen Gleichstellung der Landwirtschaft in Wirtschaft und Gesellschaft im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes. Im Grünen Plan 1966 sind zur Verbesserung der sozialen Lage der Landwirtschaft 765 Millionen DM vorgesehen, also 155 Millionen mehr als 1965. Diese Hilfen und Verbesserungen bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und besonders der Altershilfe für die Landwirtschaft sind an sich zu begrüßen. Aber in der Öffentlichkeit haftet ihnen der Makel der Subventionen an. Zuwenig versteht man die Tatsache, daß dies kein Geschenk ist, sondern eine Ausgleichsleistung für die politischen statt kostengerechter Agrarpreise und für die Folgen des Strukturwandels. In der EWG scheint man diesen schlechten Weg noch stärker beschreiten zu wollen. Man strebt dort entsprechend der Entwicklung in Frankreich den „produktionsneutralen Einkommensausgleich" an. Die Aufwendungen von 4,1 Milliarden DM für Sozialleistungen im französischen Agrarhaushalt, davon 2,4 Milliarden DM direkte Sozialsubventionen — gegenüber den 765 Millionen DM im Grünen Plan 1966 — sollten eine Mahnung sein durch Verhinderung eines weiteren Anstiegs der Disparität unserer Landwirtschaft — ob durch Erzeugerpreissenkung, wie beim Getreidepreis beabsichtigt, oder durch allgemeine Kostensteigerungen — unsere Agrarpolitik nicht noch stärker auf diesen schlechten und gefährlichen Ausweg zu drängen. Die unter den jetzigen Bedingungen erforderliche ländliche Sozialpolitik sollten wir aber noch besser und sinnvoller — unter Berücksichtigung aller Erfordernisse des Strukturwandels sowie der besonderen Wirtschafts- und Lebensverhältnisse in der Landwirtschaft — weiterentwickeln. Mit Hilfe der Dorfhelferinnen und des Betriebshelfers wird die Funktionsfähigkeit von Hof und Betrieb gewährleistet, wenn Angehörige des Familienbetriebs vom Unfall betroffen werden, wenn Heilverfahren durchgeführt werden müssen oder — so hoffen wir für die Zukunft — wenn im Krankheitsfall Schwierigkeiten auftreten. Diese bewährte Einrichtung muß weiter verbessert und ausgebaut werden. Das noch fehlende Glied in der ländlichen Sozialordnung, die Hilfe im Krankheitsfall drängt immer stärker zu einer Lösung, je schwieriger die Verhältnisse werden. Wir erwarten, daß es nicht nur bei der Ankündigung einer Lösung durch den Herrn Bundeslandwirtschaftsminister verbleibt, sondern daß dem Wort die Tat folgt. Wir haben daher am 25. 1. 1966 mit der Drucksache V/215 in einer Kleinen Anfrage die Bundesregierung zur Stellungnahme zu diesem Problem aufgefordert. Wir begrüßen die im Grundsätzlichen positive Antwort der Bundesregierung vom 9. 2. 1966. Daraus ist zu entnehmen, daß sich die Bundesregierung intensiv mit der Problematik beschäftigt und zu diesem Zweck die Grundlagenforschung fördert. Unsere Fraktion ist zur Mitarbeit an einer umfassenden ländlichen Sozialordnung bereit, damit soziale Sicherheit in Freiheit den in der Landwirtschaft tätigen Menschen baldmöglichst zuteil wird. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Dahlgrün vom 18. Februar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Seuffert (Drucksache V/303 Frage III/1): Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, daß unter Müllabfuhr im Sinne des § 2 Ziff. 3 a Satz 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes die Abfuhr aller Arten von Abfällen (einschließlich Schlachtabfälle, Tierkörper, usw.) zu verstehen ist, zu deren Durchführung eine gesetzliche Verpflichtung (z. B. aus dem Fleischbeschaugesetz und dem Tierkörperbeseitigungsgesetz) besteht? In Übereinstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder, denen die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zusteht, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß der Begriff der Müllabfuhr im Sinne des § 2 Nr. 3 a Satz 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vom 17. März 1964 (Bundesgesetzbl. I S. 145) nicht so weit ausgelegt werden kann, daß darunter auch die Beförderung von Schlachtabfällen, Tierkörpern usw. zu verstehen ist. Eine derart erweiternde Auslegung der Befreiungsvorschrift ließe sich auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, daß die Abfuhr der bezeichneten Abfälle auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen durchgeführt werden muß. Anlage 10 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Heck vom 18. Februar 1966 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Freyh (Drucksache V/301 Fragen VII/2 und VII/3) : Wird die Bundesregierung dem Bundestag eine Gesetzesänderung vorschlagen, um die gesetzlichen Grundlagen für die Ausbildungszulagen nach dem Bundeskindergeldgesetz so zu ergänzen, daß auch Vollwaisen bis zum vorgesehenen Alter von 27 Jahren in Zukunft die Ausbildungszulagen von monatlich 30 DM erhalten können? Trifft es zu, daß die Bundesregierung in Ausführungsbestimmungen geregelt hat, daß die Ausbildungszulagen nach dem Bundeskindergeldgesetz nicht nur entsprechend dem Gesetzestext für den Besuch von „öffentlichen oder staatlich anerkannten privaten allgemein- oder berufsbildenden Schulen" gezahlt werden, sondern auch für „genehmigte Ersatzschulen"? Es liegt hier in der Tat in Einzelfällen eine Härte vor. Deswegen wird in meinem Hause eine ent- Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 1115 sprechende Novelle zum Bundeskindergeldgesetz vorbereitet, um diese Härten zu beseitigen. Ihre weitere Frage beantworte ich mit Ja. Anlage 11 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Barth vom 21. Februar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Haehser (Drucksache V/301, Frage VII/4): Ist es mit den Bemühungen um eine Förderung des 2. Bildungsweges zu vereinbaren, wenn die Ausbildungsbeihilfen nur bis zum 27. Lebensjahr gezahlt werden, darüber hinaus aber auch nach die Tarifvergünstigungen der Deutschen Bundesbahn für Schüler und Studierende vom gleichen Lebensalter an gestrichen werden sollen? Die Ausbildungszulage wird nur für ein Kind gewährt, das zwischen der Vollendung des 15. und der Vollendung des 27. Lebensjahres sich einer im Gesetz näher umschriebenen Ausbildung unterzieht. Wird die Ausbildung dadurch verzögert, daß das Kind den gesetzlichen Wehrdienst oder den zivilen Ersatzdienst leistet, so wird die Ausbildungszulage für dieses Kind auch für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Ausbildungszeitraum über das 27. Lebensjahr hinaus gewährt. Diese Höchstaltersgrenze erklärt sich aus dem Charakter der Ausbildungszulage als einer Maßnahme des Familienlastenausgleichs. Personen, die die Höchstaltersgrenze überschritten haben, stehen im allgemeinen — das Gesetz kann nur diesen typischen Fall regeln — nicht mehr als Kinder im engen Familienverband, sondern selbständig außerhalb dieses Familienverbandes. Dieser Sachverhalt hat in zahlreichen anderen öffentlichen Leistungsbereichen zur Festsetzung von Höchstaltersgrenzen geführt. Ich verweise u. a. auf die im Besoldungsrecht für die Gewährung des Kinderzuschlags bestehende Grenze der Vollendung des 27. Lebensjahres. Auch die Höchstaltersgrenze bei Tarifvergünstigungen der Deutschen Bundesbahn für Schüler und Studierende liegt bei der Vollendung des 27. Lebensjahres. Die Deutsche Bundesbahn ist aus den folgenden Gründen nicht bereit, von dieser Grenze abzusehen: a) Auch nach der Tarifanhebung decken die Preise der Schülerzeitkarten nur etwa 1/6 der Selbstkosten. Wenn schon neben den eigentlichen Schülern auch Fachschüler, Studenten und Lehrlinge zur Lösung dieser Fahrausweise berechtigt sind, so muß zumindest eine Begrenzung nach dem Lebensalter stattfinden. b) Die Begrenzung auf die Vollendung des 27. Lebensjahres ist derjenigen in anderen Bundesgesetzen angepaßt. c) Die Einführung der Altersgrenze ist im Anhörverfahren nach § 46 des Bundesbahngesetzes mit den für das Unterrichts- und Bildungswesen zuständigen Ländern erörtert worden; Einwendungen wurden nicht erhoben. Ich habe schon im Juli 1965 die Herren Ministerpräsidenten der Länder auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, Mittel aus den Länderetats zur Verfügung zu stellen, wenn die Beförderung der Schüler und Studenten auf öffentlichen Verkehrsmitteln zufriedenstellend gelöst werden soll. Soweit mir bekannt ist, haben die Finanz-, Wirtschafts- und Kultusminister der Länder inzwischen den Auftrag erhalten, die Angelegenheit zu prüfen und Vorschläge auszuarbeiten. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 24. Februar 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Lemper (Drucksache V/301 Fragen XIV/1 und XIV/2) : Trifft es zu, daß Grund- und Einsatzverpflegungsmittel aus Beständen der Bundeswehr zwar allen Bundesbehörden angeboten werden, der Verteilerschlüssel jedoch unterschiedlich angewandt wird? Ist es richtig, daß bei dem in Frage XIV/? bezeichneten Verfahren die Anforderungen (oder Bestellungen) von Bediensteten des Bundesverteidigungsministeriums hundertprozentig, Bestellungen anderer Bundesbediensteter entweder überhaupt nicht oder unter Umständen mit ca. 10 % erfüllt werden? Zur Frage 1: Der Verkauf von Verpflegungsmitteln aus Beständen der Bundeswehr, die wegen Ablaufs ihrer Lagerzeit abgegeben werden müssen, liegt in Händen der Wehrbereichsverwaltungen. Die Wehrbereichsverwaltungen sind angewiesen, die abzugebenden Verpflegungsmittel zunächst karitativen Organisationen anzubieten. Anderen Stellen werden sie nicht angeboten, weil dies einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand erfordern würde. Jedoch haben alle Interessenten — beispielsweise die Personalräte von Behörden und sonstige Dritte — die Möglichkeit, sich an die Wehrbereichsverpflegungsämter zu wenden und um Zusendung von Bestellisten jeweils vor Verkauf der überschüssigen Verpflegungsmittel zu bitten. Die Bestellungen werden nach der Reihenfolge ihres Eingangs beim jeweiligen Wehrbereichsverpflegungsamt erledigt, soweit der Vorrat an überschüssigen Verpflegungsmitteln reicht. Einen unterschiedlichen Verteilerschlüssel gibt es nicht. Zur Frage 2: Das Wehrbereichsverpflegungsamt III in Borken behandelt die Bestellungen von Bediensteten meines Hauses nach diesem Verfahren in gleicher Weise wie die Bestellungen aus anderen Bundesministerien. Die Angehörigen des Bundesministeriums der Verteidigung werden nicht bevorzugt. Wenn in diesem oder jenem Einzelfall die Bestellungen aus meinem Hause in vollem Umfang berücksichtigt wurden, die aus anderen Ministerien aber nur teilweise oder überhaupt nicht, so ist dies darauf zurückzuführen, daß die bestellten Verpflegungsmittel bei Eingang der Bestellungen nicht mehr oder nicht mehr in dem gewünschten Umfang vorhanden waren. Das bei der Verteilung der Verpflegungsmittel angewendete Verfahren hat in einer Reihe von Fällen zur Folge gehabt, daß auch Bestellungen von Bediensteten des Bundesministeriums der Verteidigung nicht ausgeführt werden konnten. 1116 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. März 1966 Anlage 13 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 22. Februar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lemper (Drucksache V/301 Frage XIV/3) : Wann wird die „Medizin-Baracke" für das fliegende und sonstige Personal auf dem Flugplatz Nörvenich so eingerichtet, daß sie den heutigen Notwendigkeiten entspricht? Die „Medizinbaracke" enthält unter anderem ein Arztzimmer, ein Behandlungszimmer, einen Röntgenraum, einen Warteraum, ein Geschäftszimmer und Unterkünfte für das Sanitätspersonal. Sie ist mit allen für die ärztliche Betreuung notwendigen Einrichtungen ausgestattet. Sie stellt jedoch, ebenso wie die Zahnstation auf dem Flugplatz, eine Zwischenlösung dar. Der endgültige Sanitätsbereich für das in Nörvenich stationierte Geschwader befindet sich im Bau. Er wird in Kerpen errichtet. Mit dem Abschluß der Bauarbeiten ist im Juli 1966 zu rechnen. Nach Fertigstellung des Sanitätsbereichs in Kerpen wird auf der Basis nur eine Erste-Hilfe-Station zurückbleiben. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 26. Februar 1966 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fritsch (Deggendorf) (Drucksache V/301 Frage XIV/4) : Trifft es zu, daß zum Grundwehrdienst herangezogene Beamte anstellungsmäßige Nachteile in Kauf nehmen müssen? Es trifft zu, daß die Regelung des gültigen Arbeitsplatzschutzgesetzes, nach der die Probezeit und der Vorbereitungsdienst der Beamten um die Zeit des Grundwehrdienstes verlängert werden, eine spätere Anstellung der Beamten zur Folge hat. Ich habe in der Fragestunde am 27. Januar 1966 darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung bemüht ist, die darin liegende Härte durch eine Änderung des Arbeitsplatzschutzgesetzes zu beseitigen. Dabei habe ich auch die Schwierigkeiten erläutert, die einer derartigen Gesetzesänderung bisher entgegenstanden. Erfreulicherweise konnten diese Schwierigkeiten inzwischen weitgehend ausgeräumt werden. Die, Vorbereitungen für den Gesetzentwurf werden in Kürze abgeschlossen sein. Anlage 15 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Gumbel vom 28. Februar 1966 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Kempfler (Drucksache V/301 Fragen XIV/6 und XIV/7): Trifft es zu, daß das Bundesverteidigungsministerium eine Entschließung erlassen hat, wonach die Musterung der Wehrpflichtigen von den Kreisstädten weg in zentrale Orte verlegt wird? Hat das Bundesverteidigungsministerium Vorsorge getroffen, daß in ländlichen und verkehrsarmen Bezirken die Musterungsorte so ausgewählt werden, daß dem Wehrpflichtigen hinsichtlich der Anreise nicht unzumutbare Zeitverluste entstehen? Zur Frage 1: Der Gesetzgeber hat die Vorschrift des § 17 Abs. 2 des Wehrpflichtgesetzes, wonach in jeder kreisfreien Stadt und in jedem Landkreis ein oder mehrere Musterungsbezirke zu bilden sind, durch das am 1, April 1965 in Kraft getretene Dritte Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes gestrichen. Im Interesse der Intensivierung der Musterungen habe ich daraufhin angeordnet, daß die Kreiswehrersatzämter vom Beginn der Musterungsperiode 1965 an nur noch dort mustern, wo in jeder Hinsicht geeignete Räume zur Verfügung stehen. Dies war notwendig, weil nicht in allen Gemeinden geeignete Räume vorhanden waren. Auf Grund meiner Anordnung ist die Zahl der Musterungsorte von bisher 658 auf 477 verringert worden. Eine weitere Verringerung wird mit dem Ziel angestrebt, die Musterungen nur noch am Sitz der Kreiswehrersatzämter durchzuführen. In Hamburg wird zur Zeit die zentrale Musterung erprobt, wie sie bei den verbündeten Streitkräften mit Erfolg eingeführt ist. Hierbei ist ein Team von Ärzten und Fachärzten, das mit modernen ärztlichen Geräten ausgestattet ist, für das Gebiet mehrerer Kreiswehrersatzämter eingesetzt. Zur Frage 2: Nach meinen Weisungen darf die Musterung unter Berücksichtigung der An- und Rückreise nicht länger als einen Tag in Anspruch nehmen. Sofern diese Voraussetzungen nicht vorliegen — das ist vorwiegend in ländlichen und verkehrsarmen Bezirken der Fall — wird weiterhin außerhalb des Dienstsitzes des Kreiswehrersatzamtes gemustert. Den Wehrpflichtigen und Arbeitgebern entstehen durch die Konzentrierung der Musterung keine Nachteile. Anlage 16 Schriftliche Antwort des Bundesministers Dr. Heck vom 15. Februar 1966 auf -die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Westphal (Drucksache V/251 Frage XV/1) : Weshalb hat der Bundesfamilienminister den § 10 der Geschäftsordnung des Bundesjugendkuratoriums, der die Einladung von Abgeordneten des zuständigen Bundestagsausschusses zu den Beratungen des Kuratoriums als Gäste vorsah, nicht genenmigt? Das Bundesjugendkuratorium hat gemäß § 26 des Jugendwohlfahrtsgesetzes die Bundesregierung zu beraten. Als Mitglieder dieses Kuratoriums sind durch die Bundesregierung Vertreter der Länder, der Kommunalen Spitzenverbände, der Jugendorganisationen und der Wissenschaft berufen worden. Wie bei allen übrigen Beratungsorganen der Bundesregierung ist eine Beteiligung von Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht vorgesehen, da dies den verschiedenen Funktionen von Legislative und Exekutive widersprechen würde. Deshalb habe ich im Einvernehmen mit allen Bundesressorts dem Vorschlag des Bundesjugendkuratoriums nicht zugestimmt.
Gesamtes Protokol
Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich Frau Kollegin Rudoll herzliche Glückwünsche zum Geburtstag aussprechen.

(Beifall.)

Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister des Innern hat am 23. Februar 1966 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bundeskriminalamt (Drucksache V/221) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/337 verteilt.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 24. Februar 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wächter, Reichmann, Ertl, Logemann, Walter und Genossen betr. Verwendung von Heizöl und verbilligtem Gasöl in der Landwirtschaft (Drucksache V/290) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache V/341 verteilt.
Der Bundesschatzminister hat am 25. Februar 1966 zur Kleinen Anfrage der Abgeordneten Dr. Hesberg, von Bodelschwingh, Dr. Czaja, Mick und Genossen betr. Mitwirkung der freischaffenden Architekten bei der Planung und Durchführung öffentlicher Bauvorhaben (Drucksache IV/3720) eine weitere Antwort gegeben, die als Drucksache V/342 verteilt wird.
Der Bundesminister der Finanzen hat am 2. März 1966 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Meis, Winkelheide, Dr. Pohle und Genossen betr. Ausschöpfung von Steuerbegünstigungen durch Arbeitnehmer (Drucksache V/286) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache V/344 verteilt.
Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:
Verordnung des Rats zur Änderung der Verordnungen Nr. 45, 46, 116, 129/63/EWG und 59/64/EWG des Rats, soweit diese Bruteier von Hausgeflügel und lebendes Hausgeflügel mit
einem Gewicht von höchstens 185 Gramm betreffen — Drucksache V/328 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1966
Verordnung des Rats über die Festsetzung der Abschöpfungsbeträge gegenüber dritten Ländern für Schweine, Schweinefleisch und Schweinefleisch enthaltende Erzeugnisse für Einfuhren im zweiten Vierteljahr 1966
— Drucksache V/333 —
an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1966
Verordnung des Rats zur Verlängerung der Geltungsdauer der Methode der Preisfeststellung auf den einzelstaatlichen Märkten für Rindfleisch
— Drucksache V/334 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1966
Verordnung des Rats über die Maßnahmen auf dem Gebiet der Orientierungspreise für Rindfleisch für das am 1. April 1966 beginnende Wirtschaftsjahr
Verordnung des Rats über Maßnahmen bei den Preisen für Milch und Milcherzeugnisse im Milchwirtschaftsjahr 1966/1967 — Drucksache V/335 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage der Berichte rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1966
Verordnung des Rats über besondere Maßnahmen betreffend die Aufkäufe von Butter aus privater Lagerhaltung durch die Interventionsstellen
— Drucksache V/338 —
an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. März 1966.
Wir beginnen mit den Tagesordnungspunkten 2 und 3, die ich gleichzeitig aufrufe:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1966 (Haushaltsgesetz 1966)

— Drucksache V/250 —
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1966 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1966)

— Drucksache V/305 —
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Rolf Dahlgrün (FDP):
Rede ID: ID0502400100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die finanziellen Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Bundes und ihre Grenzen werden in dieser Legislaturperiode eine zentrale Frage der deutschen Innenpolitik sein. Der Entwurf des Bundeshaushaltsplans 1966, den die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag heute vorlegt, zeigt das deutlich.
Die Aufstellung dieses Haushalts 1966 hat außergewöhnliche Schwierigkeiten bereitet. Die Dynamik der großen Ausgabenblöcke, namentlich der steile Anstieg der gesetzlich festgelegten Sozialausgaben, die bedrohliche Finanzlage der Bundesbahn, ferner die Ausgabenbeschlüsse in der letzten Phase der 4. Legislaturperiode sowie die mangelnde Ergiebigkeit des Kapitalmarktes haben für den Bundeshaushalt die Gefahr einer Deckungslücke heraufbeschworen, die nur durch rigorose Einschränkung



Bundesminister Dr. Dahlgrün
auch gesetzlich beschlossener Ausgaben vermieden werden konnte. Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag haben angesichts dieser Gefahr rasch und entschlossen mit dem Haushaltssicherungsgesetz die notwendigen Folgerungen gezogen. Wir werden auch in den kommenden Jahren immer wieder vor der Aufgabe stehen, den Haushaltsausgleich stärker von der Ausgabenseite her vornehmen zu müssen. Die Jahre der Einnahmenfülle, wie sie sich in den Zeiten des stürmischen Wiederaufbaues und der damit einhergehenden besonders kräftigen Steigerung des Steueraufkommens gezeigt haben, gehören der Vergangenheit an.
Inzwischen hat sich eine Konsolidierungsphase herausgebildet. Immer noch werden zwar — im internationalen Vergleich gesehen — beträchtliche Zuwachsraten des Sozialprodukts erzielt. Diese liegen jedoch deutlich unter den Zuwachsraten der Wiederaufbauphase. Damit ist eine Normalisierung der Entwicklung eingetreten, die für sich genommen keinen Anlaß zur Besorgnis bietet. Besorgniserregend erscheint allein das Ausmaß der trotz wachsenden Wohlstandes anhaltend steigenden Ansprüche an die öffentliche Leistungsdarbietung und die sich darin widerspiegelnde zunehmende Neigung zur Inanspruchnahme staatlicher Hilfen.
Wenn man die ohnehin starke Steuerbelastung in der Bundesrepublik Deutschland nicht ungebührlich erhöhen will, kommt es darauf an, durch eine strenge Ausgabenpolitik das volkswirtschaftlich und finanzwirtschaftlich gebotene Maß zu halten.
In der letzten Zeit ist es neben vielen anderen harten Worten der Kritik auch zu dem bösen Wort von der angeblichen Finanzanarchie in der öffentlichen Haushaltswirtschaft gekommen. Meine Damen und Herren, das ist Panikmache, der ich entschieden entgegentreten muß. Der damit verbundene Vorwurf, die Staatsausgaben würden übermäßig steigen, ist ganz einfach unrichtig. Die Kritiker übersehen, daß der Anteil der Ausgaben des Bundes am Bruttosozialprodukt — von geringfügigen Schwankungen abgesehen — seit 1951 mit rd. 14 % unverändert geblieben ist. Die Ausgaben des Bundes haben sich über einen Zeitraum von 15 Jahren im Schnitt parallel zum Bruttosozialprodukt entwickelt. Auch der öffentliche Gesamthaushalt — also unter Einbeziehung der Länder und der Gemeinden einschließlich des Bundes hat seinen Anteil am Bruttosozialprodukt nicht in beunruhigendem Umfang ausgedehnt. Von 29,1 % im Jahre 1951 wird er im laufenden Jahr auf schätzungsweise 30 % ansteigen. Angesichts der außerordentlich hohen und ständig wachsenden Ansprüche an die Leistungen des Staates in allen Bereichen unseres wirtschaftlichen und sozialen Lebens würde eine gegenüber dem volkswirtschaftlichen Leistungspotential unterdurchschnittliche Entwicklung der Ausgaben zu einer unzureichenden Erfüllung der öffentlichen Aufgaben führen. Meine Damen und Herren, nicht nur von zu hohen, sondern auch von zu niedrigen Staatsausgaben können nachteilige Wirkungen auf die Volkswirtschaft ausgehen.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Hört! Hört!)

Die Staatsaufgaben dürfen weder vernachlässigt noch übermäßig vorangetrieben werden.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Hört! Hört!)

Deshalb sollten in den kommenden Jahren die Ausgaben der öffentlichen Hand weiterhin wie in der Vergangenheit im Schnitt parallel zum Bruttosozialprodukt entwickelt werden.
Dabei sieht es die Bundesregierung als ihre vornehmste Pflicht an, die währungspolitischen Bemühungen der Deutschen Bundesbank durch eine konjunkturgerechte Haushaltspolitik zu unterstützen. Die Stabilität des Preisniveaus und ein ausgeglichenes wirtschaftliches Wachstum sind herausragende wirtschaftspolitische Leitbilder der Bundesregierung. Gegenwärtig müssen vor allem Preissteigerungen unterbunden werden, ohne daß dabei der wirtschaftliche Stabilisierungsprozeß gefährdet wird.
Dieses Ziel läßt sich allerdings keinesfalls allein durch eine konjunkturgerechte Haushaltspolitik erreichen. Allgemeine Preissteigerungen sind letztlich Ausdruck eines Mißverhältnisses zwischen Güterangebot und Geldnachfrage oder, anders ausgedrückt, einer zu reichlichen Geldversorgung der gesamten Volkswirtschaft. Da die Finanzierung der öffentlichen Ausgaben zu weit mehr als 90 °/o aus Mitteln erfolgt, die vorher dem Wirtschaftskreislauf entzogen wurden, kann so betrachtet keine expansive Wirkung von den öffentlichen Haushalten auf die Gesamtgeldversorgung ausgehen. Das monetäre Ungleichgewicht setzt immer eine übermäßige Kreditexpansion voraus. Es kommt daher darauf an, den Kreditfinanzierungsspielraum einzuengen, der die Grundlagen für eine übersteigerte Nachfrage schafft. Deshalb muß beim Kampf gegen allgemeine Preissteigerungstendenzen das Schwergewicht ganz zwangsläufig bei der Geld- und Kreditpolitik liegen.
Selbstverständlich stößt die monetäre Restriktionspolitik auch auf Grenzen. Sie bedarf deshalb der Unterstützung durch Eindämmung der von der öffentlichen Hand ausgehenden Nachfrage. Monetäre und budgetäre Restriktionspolitik würde jedoch letzten Endes wirkungslos bleiben, wenn sich die Einkommenserhöhungen in der Wirtschaft nicht auch in dem durch den Produktivitätsfortschritt gezogenen Rahmen hielten.
Vor der Beurteilung des Haushaltsentwurfs 1966 sollte man zunächst einen Blick auf die gegenwärtige wirtschaftliche Lage und deren voraussichtliche weitere Entwicklung werfen. Die intensive Nachfrageexpansion des Jahres 1964 und in der ersten Hälfte des Jahres 1965 hat eindeutig an Kraft verloren. Trotz dieser Abflachung der konjunkturellen Entwicklung, die sich zudem in einzelnen Wirtschaftsbereichen zusehends differenziert, ist nach wie vor noch ein Ungleichgewicht zwischen Gesamtnachfrage und Angebot festzustellen, das insbesondere durch die starken Spannungen am Arbeitsmarkt hervorgerufen wird. Preisauftriebstendenzen sind immer noch sichtbar. Solange es am Gleichgewicht in der Wirtschaft mangelt, müssen nicht nur die Restriktionsmaßnahmen auf monetärem



Bundesminister Dr. Dahlgrün
Gebiete aufrechterhalten werden. Die öffentlichen Haushalte müssen ihr Expansionstempo verlangsamen. Außerdem müssen auch die Tarifpartner zur Erhaltung der Stabilität beitragen, indem sie keinen Lohn- und Gehaltsforderungen sowie Absprachen über eine Verkürzung der Arbeitszeit zustimmen, die auf die Dauer die durchschnittliche Produktivitätsentwicklung der Gesamtwirtschaft überschreiten.
Bevor ich Ihnen Einzelheiten aus dem Haushalt 1966 vortrage, gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick auf das Haushaltsjahr 1965.
Der Bundeshaushaltsplan 1965 hatte ein Volumen von 63,9 Milliarden DM. Bei der Durchführung mußten zusätzliche Leistungen von insgesamt fast 2 1/2 Milliarden DM — davon allein für die Bundesbahn 1,5 Milliarden DM — erbracht werden. Zusätzlich zu diesen Mehrausgaben von fast 2 1/2 Milliarden DM waren außerdem Verpflichtungen aus Ausgaberesten von fast 300 Millionen DM, insbesondere auf dem Gebiet der Rückerstattung (150 Millionen DM) und des Wohnungsbaues (120 Millionen DM) zu Lasten des Gesamthaushalts zu decken.
Als sich diese bei der Aufstellung des Haushalts nicht vorhersehbare Entwicklung abzeichnete, hat die Bundesregierung am 14. Juli 1965 einschneidende Bewirtschaftungsmaßnahmen, darunter eine zusätzliche 3-Prozent-Sperre, beschlossen. Namentlich dadurch wurde die Überschreitung des Ausgabensolls für 1965 (63,9 Milliarden DM) auf rd. 1,9 Milliarden DM begrenzt.
Auf der Einnahmeseite des ordentlichen Haushalts 1965 wurden Mehreinnahmen von 1,8 Milliarden DM erzielt, wozu in erster Linie höhere Steuereingänge (etwa 900 Millionen DM) hauptsächlich infolge unerwartet kräftiger Einfuhrsteigerungen und des dadurch bedingten Anstiegs der Einfuhrabgaben sowie Mehreinnahmen aus Vermögensveräußerungen im Zusammenhang mit der VEBA-Privatisierung (500 Millionen DM) beigetragen haben.
Demgegenüber zwang die Lage auf dem Kapitalmarkt den Bund dazu, die im außerordentlichen Haushalt vorgesehene Anleiheaufnahme von rd. 2 Milliarden DM auf nicht ganz 1,4 Milliarden DM, also um über 600 Millionen DM, zu verringern.
Die Mehreinnahmen im ordentlichen Haushalt (1,8 Milliarden DM) und die Mindereinnahmen im außerordentlichen Haushalt (0,6 Milliarden DM) ergaben per Saldo Mehreinnahmen von 1,2 Milliarden DM, so daß die erwähnten zusätzlichen Ausgabebelastungen von 1,9 Milliarden DM nicht voll ausgeglichen werden konnten. Trotz äußerster Restriktionsmaßnahmen der Bundesregierung schloß deshalb der Bundeshaushalt 1965 mit einem kassenmäßigen Defizit von rd. 728 Millionen DM ab, was etwa 1% des Haushaltsvolumens entspricht und sich damit noch innerhalb der normalen Schwankungsbreite hält.
Und nun, meine Damen und Herren, zum Haushalt 1966. Bei der Aufstellung ergab die Addition der Anforderungen für 1966 die riesige Summe von 76,6 Milliarden DM. Das waren Mehranforderungen gegenüber dem Haushaltssoll 1965 von 12,7 Milliarden DM, wobei ich hinzufügen möchte, daß diese
Anforderungen keineswegs als allgemein übertrieben und hoch kritisiert werden können. Das moderne Leben stellt eben ungeheure Anforderungen.
Trotzdem war die Berücksichtigung aller — auch durchaus berechtigter— Forderungen naturgemäß nicht möglich. Die Bundesregierung hat deshalb sofort nach ihrem Zusammentreten in der ersten Kabinettsitzung am 27. Oktober 1965 einen Kabinettausschuß gebildet, der schnellstens Vorschläge zur Sicherung des Haushaltsausgleichs zu erarbeiten hatte.
Auf Grund der Vorschläge dieses Ausschusses wurden durch Kabinettsbeschluß und im Rahmen von Ressortverhandlungen beeinflußbare Ausgabenanforderungen von insgesamt 4,4 Milliarden DM gestrichen. Selbst das genügte bei weitem nicht, wie Sie alle wissen. Bei dem relativ bescheidenen Anteil von beeinflußbaren Ausgaben im Bundeshaushalt mußten deshalb durch das Haushaltssicherungsgesetz auch gesetzlich beschlossene Ausgaben eingeschränkt oder verschoben werden. Die Bundesregierung hat sich entgegen allen heute erhobenen Vorwürfen nicht gescheut, die Notwendigkeit solcher Maßnahmen schon frühzeitig und ganz ausdrücklich durch entsprechende Veröffentlichungen im Bulletin vom 16. Juli und vom 13. August 1965 anzukündigen.
Die Opposition hat seinerzeit die Notwendigkeit des Haushaltssicherungsgesetzes bezweifelt und gemeint, daß hierüber erst zusammen mit der Vorlage des Haushaltsentwurfs 1966 gesprochen werden könne. Dazu stelle ich in aller Deutlichkeit fest: Ohne den Eingriff auch in gesetzlich beschlossene Ausgaben im Haushaltssicherungsgesetz, durch das der Haushalt 1966 um weitere 3,1 Milliarden DM entlastet worden ist, hätte dem Hohen Hause heute ein ausgeglichener Haushaltsentwurf nicht vorgelegt werden können.

(Sehr wahr! Sehr gut! in der Mitte.)

Der Vorschlag der Opposition war keine Lösung. (Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Festlegung des Ausgabenrahmens für 1966 auf 69,15 Milliarden DM bedeutet gegenüber dem Haushaltssoll des Vorjahres (63,9 Milliarden DM) leider eine Steigerung um 5,2 Milliarden DM oder um 8,1 % und gegenüber den tatsächlichen Ausgaben des Vorjahres (65,8 Milliarden DM) eine Steigerung um 3,3 Milliarden DM. Berücksichtigt man bei diesem aus konjunkturpolitischer Sicht durchaus zulässigen Zahlenvergleich, daß im Haushaltsentwurf 1966 die Abdeckung des Fehlbetrages aus 1964 und eines Teils des Fehlbetrages aus 1965 mit insgesamt 231,9 Millionen DM vorgesehen ist, so steigen die effektiven Ausgaben gegenüber den Ist-Zahlen des Vorjahres tatsächlich um weniger als 5 %.
Damit ist es gelungen, den tatsächlichen Anstieg der Bundesausgaben mit den konjunkturpolitischen Empfehlungen des EWG-Ministerrats in Einklang zu bringen; der Zuwachs liegt sogar niedriger, als es der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgeschlagen hat. Diese Tatsache und die weitere Tatsache, daß die Mehrausgaben 1966 voll aus Steuereinnahmen ge-



Bundesminister Dr. Dahlgrün
deckt werden, also aus Mitteln, die vorher dem Geld- und Einkommenskreislauf entzogen sind, werden ihre stabilisierende Wirkung nicht verfehlen.
Der Bundesminister der Finanzen ist in der jüngsten Zeit wiederholt. gescholten worden, er habe die Soll-Zahlen für 1966 mit den Ist-Zahlen für 1965 verglichen. Ich habe mich nicht gescheut, meine Damen und Herren, stets auch den Soll-Vergleich 1965 zum Soll 1966 anzustellen und beide Zahlen zu nennen. Wenn ich aber Steigerungsraten des Haushalts unter konjunkturpolitischen Aspekten würdigen soll, so kommt es nicht darauf an, wie es hätte sein sollen, sondern darauf, wie es wirklich gewesen ist.

(Abg. Haase [Kassel] : Sehr gut! — Beifall bei den Regierungsparteien.)

Welche Auswirkungen das öffentliche Finanzwesen auf unsere Volkswirtschaft hat, hängt nicht von auf dem Papier stehenden Zahlen ab, sondern einzig und allein von den tatsächlich geleisteten Ausgaben.
Dabei wird selbstverständlich vorausgesetzt, daß der Ausgaberahmen in der Durchführung eingehalten, das Soll 1966 sich also mit dem voraussichtlichen Ist 1966 decken wird.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Die späte — nach der Bundestagswahl allerdings sehr rasche — Einbringung des Haushalts 1966 ermöglichte bei allen sonstigen Nachteilen eine sehr viel genauere Vorausschätzung der Ausgaben, als das bei Haushaltsverhandlungen der Fall sein kann, die über ein halbes Jahr vor Beginn des Rechnungsjahres abgeschlossen werden. Diese Tatsache und die bewußt realistischen Ansätze z. B. bei der Bundesbahn, bei der Entwicklungshilfe oder bei den Sparprämien sowie der Verzicht auf Globalkürzungen rechtfertigen die Annahme, daß es gelingen wird, das Soll 1966 zum Ist 1966 in der Waage zu halten, vorausgesetzt, meine Damen und Herren, daß nicht gänzlich unerwartete Ereignisse dazwischentreten.
Unter den großen Ausgabenblöcken, die ich jetzt behandeln möchte, ragen besonders die Aufwendungen für die Sozialleistungen heraus. Trotz der Einschränkungen, die auch der Sozialhaushalt zur Sicherung des Haushaltsausgleichs hinnehmen mußte, steigt der Sozialaufwand des Bundes auch 1966 weiter an. Für die Sozialleistungen im engeren Sinne, also vor allem für die Zuschüsse zur Sozialversicherung, zur Altershilfe für Landwirte, für die Kriegsopferversorgung, für die übrigen sozialen Kriegsfolgelasten einschließlich der besonderen Zuschüsse zum Lastenausgleich und für die Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz sind rd. 18,3 Milliarden DM veranschlagt. Das sind über 600 Millionen DM mehr als im Vorjahr und rd. 27,2 % der Gesamtausgaben des Bundes. Für Sozialleistungen im weiteren Sinne, die insbesondere noch die Aufwendungen für die Versorgung der verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht nach Art. 131 des Grundgesetzes mit über 2,5 Milliarden DM umfassen, wird der Bund 1966 insgesamt 21,4 Milliarden DM aufbringen. Das sind 1,2 Milliarden DM mehr als im Jahr 1965 und ist mit rd. 31,6 % fast ein Drittel der Gesamtausgaben.
Damit stellen die Sozialausgaben seit 1961 erstmals wieder den größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt. Sie haben den zweiten großen Ausgabenblock, den Verteidigungshaushalt, überholt. Das gilt bei einem Vergleich der Sozialausgaben im engeren Sinne mit den Verteidigungsausgaben im engeren Sinne, also den Ausgaben für die militärische und zivile Verteidigung und für die Stationierungsstreitkräfte. Das gilt aber auch bei einem Vergleich ,der Sozialausgaben im weiteren Sinne mit den Verteidigungsausgaben im weiteren Sinne, also einschließlich der Hilfe für Berlin.
Der hohe Gesamtaufwand des Bundes für die soziale Sicherung kann in seinen Auswirkungen erst richtig beurteilt werden, wenn man sich die wesentlichen Ausgaben im einzelnen vor Augen führt. Bei den Zuschüssen des Bundes zur Sozialversicherung sind die allgemeinen Zuschüsse an die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung wegen ihres finanziellen Umfangs in der Gegenwart und wegen ihrer hohen Steigerungsraten in der Zukunft sowie wegen ihrer gesetzlichen Konstruktion von besonderer Bedeutung. Die allgemeinen Zuschüsse an die Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten — rd. 5,6 Milliarden DM — und an die knappschaftliche Rentenversicherung — 2,24 Milliarden DM — werden 1966 gut 8,5% höher als im Vorjahr sein.
Durch den gesetzlich fixierten Automatismus werden diese Leistungen bei gleichbleibenden Gesetzesbestimmungen und voller Anpassung der Bestandsrenten auch weiterhin unter Einbeziehung der Schuldbuchforderungen von rd. 8,6 Milliarden DM auf voraussichtlich 11,7 Milliarden DM im Rechnungsjahr 1970 ansteigen. Die sich hieraus ergebenden schwerwiegenden haushaltswirtschaftlichen Probleme dürfen für die Zukunft nicht übersehen werden.
Wie bei der knappschaftlichen Rentenversicherung führt auch bei der Altershilfe für Landwirte der gesetzlich festgelegte Defizitausgleich durch den Bund zu einem ständigen Anwachsen des Bundeszuschusses. Sein Anteil ist auf beiden Gebieten im Verhältnis zu den Beitragseinnahmen und Vermögensrückflüssen schon jetzt so hoch, daß kaum noch „Versicherung" im eigentlichen Sinne, sondern schon eher „Versorgung" angenommen werden muß. Der Zuschuß des Bundes zur Altershilfe für Landwirte, der für 1966 mit 535 Millionen DM veranschlagt werden muß, hat sich seit 1963 mehr als verdoppelt.
Für die sozialen Kriegsfolgelasten sind im Haushalt 1966 insgesamt rd. 5,9 Milliarden DM vorgesehen. Hiervon werden allein die Aufwendungen für die Opfer des Krieges insgesamt rd. 5,2 Milliarden DM betragen.
Die angemessene und würdige Versorgung der Kriegsopfer war immer ein besonderes Anliegen der Bundesregierung. Die Ausgaben des Bundes im Rechnungsjahr 1966 werden doppelt und die durchschnittlichen Jahresleistungen für das einzelne Kriegsopfer sogar mehr als dreifach so hoch sein wie im Jahre 1950. Angesichts der natürlichen Ver-



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ringerung der Versorgungsberechtigten hat nicht der Haushaltsansatz, sondern nur der durchschnittliche jährliche Aufwand je Kriegsopfer einen Aussagewert über die Angemessenheit der Versorgung. 1966 wird trotz Rückgangs der Ausgaben insgesamt die durchschnittliche Jahresleistung für das einzelne Kriegsopfer 1745 DM betragen gegenüber 1353 DM im Jahre 1963, dem Jahr vor dem Inkrafttreten des Zweiten Neuordnungsgesetzes. Dabei ist die durchschnittliche Versorgungsleistung für die besonders hart betroffenen Gruppen natürlich ganz wesentlich höher, was durch die Bezüge der zahlenmäßig stärksten Gruppe der Minderbeschädigten verdeckt wird. Bei der kommenden Neuregelung der Kriegsopferversorgung wird vor allem überlegt werden müssen, wie sich eine laufende Anpassung der Versorgungsbezüge an die wirtschaftliche Entwicklung auf die Bundeshaushalte der nächsten Jahre auswirkt.
Für das Kindergeld, das seit dem 1. Juli 1964 vom Bund voll zu tragen ist, und für die Ausbildungszulage, die am 1. April 1965 neu eingeführt wurde, sind für 1966 insgesamt über 2,8 Milliarden DM vorgesehen. Das sind trotz der Herabsetzung der Ausbildungszulage durch das Haushaltssicherungsgesetz von 40 DM auf 30 DM monatlich noch immer 79 Millionen DM mehr als im Vorjahr. Die Bedeutung der Belastung durch das Bundeskindergeldgesetz wird deutlich, wenn man die Haushaltsansätze 1964 — damals hat die Wirtschaft etwa 600 Millionen DM getragen — und 1966 gegenübergestellt. In diesen zwei Jahren werden sich die Kindergeldzahlungen um 1,4 Milliarden DM erhöhen und damit annähernd verdoppeln. Innerhalb der EWG ist die Bundesrepublik übrigens das einzige Land, das das Kindergeld ausschließlich aus Staatsmitteln finanziert.
Im gesamten Sozialbereich verbindet sich mit dem berechtigten Stolz auf das Erreichte aber immer stärker die Besorgnis um die zukünftigen haushaltsmäßigen Auswirkungen des ständig wachsenden Sozialaufwandes. Die sozialen Aufwendungen des Bundes sind fast ausschließlich nach Grund und Höhe gesetzlich festgelegt; darüber hinaus wachsen durch gesetzlich fixierten Automatismus und durch eine ebenso festgelegte Defizithaftung vor allem die allgemeinen Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung von Jahr zu Jahr mit der Lohnentwicklung. Vor der Gefahr, dabei jeglichen Spielraum für notwendige haushaltspolitische Entscheidungen zu verlieren, darf niemand die Augen verschließen. Sorgfältige Überlegungen zur finanziellen Gestaltung des zweiten Deckungsabschnittes in der Rentenversicherung und zur Neuordnung der gesetzlichen Bestimmungen über die Vermögensanlage der Sozialversicherungsträger sind unbedingt notwendig.
Auf der Grundlage der Erkenntnisse, die die „Sozialenquete" bringen soll, müssen im Sozialbereich die Belastungen durch bestehende wie zukünftige soziale Leistungen neu durchdacht werden. Ich bin überzeugt, daß auch diese schwierigen Probleme gelöst werden können, wenn sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung für das Ganze bewußt sind.
Ich komme nun zu dem zweiten ,großen Ausgabenblock, den Verteidigungsausgaben.
In Anpassung an die tatsächlich geleisteten Ausgaben ist der Ansatz für die Verteidigungsausgaben im engeren Sinne für 1966 gegenüber 1965 um rd. 0,8 Milliarden DM geringer gehalten.
Gleichwohl enthält der Haushaltsentwurf 1966 dafür die hohe Summe von rd. 18,6 Milliarden DM. Davon entfallen
17,5 Milliarden DM auf die Bundeswehr
540 Millionen DM auf die Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt verbündeter Streitkräfte und
570 Millionen DM auf die zivile Verteidigung.
Die Bundesregierung geht mit diesem Verteidigungsbeitrag für das Rechnungsjahr 1966 an die oberste Grenze dessen, was von ihr für die äußere Sicherheit aufgebracht werden kann.
Die aus der Gesamtsituation des Haushalts notwendigen Einschränkungen betreffen ausschließlich die Bereiche Materialbeschaffung und Infrastruktur. Die Ansätze für laufende Kosten sind dagegen gegenüber dem Vorjahr um rd. 1 Milliarde DM = rd. 10 v. H. auf 11,15 Milliarden DM erhöht worden.
Die Ausgaben für die zivile Verteidigung übersteigen die Ansätze des Jahres 1965 um etwa 10 Millionen DM. Das ermöglicht eine Fortsetzung der bisherigen Anstrengungen und Vorbereitungen auf wichtigen Teilgebieten der zivilen Verteidigung. Wesentliche Maßnahmen, wie der Aufbau des Warn- und Alarmdienstes und die Bevorratung von Arzneimitteln, sind fast abgeschlossen.
Das Wirksamwerden der Zivilschutzgesetze erfordert sorgfältige Überlegungen darüber, welche besonders dringlichen Vorhaben mit den zur Verfügung stehenden Mitteln weiter in Angriff genommen werden können und wie man dem Finanzbedarf der zivilen Verteidigung künftig im Rahmen des Gesamthaushalts Rechnung tragen kann.
Für die Bundeshilfe Berlin — Bundeszuschuß und Bundesdarlehen —, die als wesentlicher Beitrag zur Verteidigung der Freiheit der westlichen Welt den Verteidigungsausgaben des Bundes im weiteren Sinne hinzuzurechnen ist, sind zusammen mit einem Darlehen aus dem ERP-Vermögen insgesamt 2,22 Milliarden DM vorgesehen. Das sind 197 Millionen DM oder 9,7 v. H. mehr als 1965.
Der Senat und das Abgeordnetenhaus von Berlin haben bei der Verabschiedung des Berliner Landeshaushalts 1966 eine weitere Erhöhung der Bundeshilfe gewünscht.
Die Bundeshilfe auf Grund des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes wurde 1951 erstmalig gewährt und betrug damals 550 Millionen DM. 1965 ist sie auf über 2,04 Milliarden DM angewachsen. In diesen 15 Jahren sind an Bundeshilfe insgesamt 17 Milliarden DM nach Berlin geflossen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Bundeshilfe machte 1951 etwa 36 v. H. und 1961
nur 29,9 v. H. des Berliner Landeshaushalts aus, sie



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deckte dagegen 1965 fast 43 v. H. des Berliner Haushaltsvolumens.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Ich glaube, diese Leistungen und die Entwicklung Berlins in dieser Zeit lassen zweifelsfrei erkennen, daß der Bund alle erforderliche Hilfe gab. Das hat Berlin auch immer anerkannt.
Wegen der Maßnahmen zur Sicherung des Haushaltsausgleichs und der einschneidenden Einschränkungen bei allen Anmeldungen mußte 1966 auch an die Anmeldungen Berlins ein strenger Maßstab angelegt werden.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Berlin hatte noch im Mai 1965 einen Bedarf für 1966 von rd. 2,4 Milliarden DM angemeldet. Diese Anmeldung ist erst im Herbst, unmittelbar vor und zum Teil noch während der Verhandlungen, auf rd. 2,7 Milliarden DM erhöht worden. Der jetzt vorgesehene Betrag von 2,22 Milliarden DM liegt unter Berücksichtigung einer Anleiheaufnahme von weiteren 200 Millionen DM noch um 8 Millionen DM über der ursprünglichen Anforderung Berlins.
Die um nahezu 10 v. H. gegenüber 1965 erhöhte Bundeshilfe 1966 sollte die weitere Entwicklung Berlins und der Berliner Wirtschaft in gemeinsamen Bemühungen wirksam fördern.
Ich wende mich nun dem drittgrößten Ausgabenblock, dem Verkehrshaushalt, zu.
Für den Ausbau der Verkehrswege und deren fortlaufende Anpassung an die steigenden Erfordernisse sind 1966 Bundesmittel in Höhe von rd. 6,76 Milliarden DM sowie 350 Millionen DM Kreditmittel, insgesamt also über 7,1 Milliarden DM, vorgesehen. Das sind rd. 10 v. H. mehr als im Jahre 1965.
Der Finanzierung des Bundesfernstraßenbaues werden im Rechnungsjahr 1966 aus der Zweckbindung eines Teils der Mineralölsteuer 3,4 Milliarden DM zugeführt, mithin rd. 5,7 v. H. mehr als im Rechnungsjahr 1965. Dazu kommen 250 Millionen DM Kredite. Mit diesen Beträgen — zusammen 3,65 Milliarden DM — wird der 1966 auslaufende zweite Vierjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in Höhe von 13 Milliarden DM bis auf 100 Millionen DM — das sind nur 0,77 v. H. des Gesamtvolumens — erfüllt und abgeschlossen.
Die Deutsche Bundesbahn soll in die Lage versetzt werden, ihren Betriebsdienst weiter zu rationalisieren und ihre Rentabilität zu verbessern. Zugleich soll die Eigenkapitalbasis angemessen erweitert werden. Der Deutschen Bundesbahn werden deshalb im Rechnungsjahr 1966 insgesamt fast 3 Milliarden DM zufließen.
Die Zunahme der Leistungen an die Deutsche Bundesbahn gibt zu ernster Sorge Anlaß. Ein schrittweiser Abbau ist unumgänglich. Ohne durchgreifende Umgestaltung des Verwaltungsapparates und ohne Straffung des Leistungsangebots ist eine dauerhafte Sanierung nicht zu erreichen.
Die Bundesregierung hat ein umfassendes „Verkehrspolitisches Programm" verabschiedet. Kern-
stück dieses Programms ist neben anderen Maßnahmen der Entwurf eines Bundesbahnanpassungsgesetzes, der dem Hohen Hause in Kürze zugeleitet wird.
Im Bereich der Bundespost, deren Wirtschaftsführung wegen der gesetzlich festgelegten Ablieferungen erhebliche Auswirkungen auf den Bundeshaushalt hat, sind die bei der Einbringung des Bundeshaushalts 1965 von mir angekündigten Stabilisierungsmaßnahmen inzwischen angelaufen.
Die Haushaltsgesetze 1964 und 1965 haben mit der Begrenzung der gesetzlichen Ablieferung zu einer Entlastung der Deutschen Bundespost um rd. 355 Millionen DM geführt. Mit der Beibehaltung der Begrenzung der Ablieferung auf 265 Millionen DM durch den Entwurf des Haushaltsgesetzes ist für 1966 eine weitere Entlastung um fast 400 Millionen DM zu erwarten, die der Verstärkung des Eigenkapitals dient.
Als Maßnahme zur weiteren Kapitalaufstockung war bereits im Vorjahr die Übernahme des Schuldendienstes für Postanleihen vorgesehen, und zwar von je 300 Millionen DM in den Jahren 1965 und 1966, insgesamt also 600 Millionen DM. Im Jahre 1965 konnte die Bundespost infolge der Entwicklung am Kapitalmarkt davon nur 210 Millionen DM unterbringen. Im Rechnungsjahr 1966 ist deshalb vorgesehen, den Schuldendienst für Anleihen von 390 Millionen DM auf den Bundeshaushalt zu übernehmen. Damit wird der von der Bundesregierung in Aussicht genommene Betrag von insgesamt 600 Millionen DM erreicht.
Schließlich wird die Deutsche Bundespost vom Haushaltsjahr 1966 ab von der anteiligen Verzinsung für die Ausgleichsforderungen befreit, die der Deutschen Bundesbank nach dem Umstellungsgesetz gegenüber dem Bund zustehen.
Von 1964 bis 1966 ergibt sich durch direkte und indirekte Leistungen des Bundes eine Verbesserung der Finanzlage und Kapitalstruktur der Deutschen Bundespost um fast 1,4 Milliarden DM.
Alle diese Maßnahmen können jedoch eine Verbesserung der Finanzlage nur bewirken, wenn nicht neue Verluste die Entlastungsmaßnahmen unwirksam machen. Die Sachverständigenkommission für die Deutsche Bundespost, deren Gutachten dem Hohen Hause vorliegt, weist mit Nachdruck darauf hin.
Ich komme nun zu den Ausgaben für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die gegenüber den IstAusgaben 1965 in Höhe von 4,57 Milliarden DM keine Kürzung, sondern eine Erhöhung um ca. 175 Millionen DM erfahren.
Die Anpassungshilfe nach dem EWG-Anpassungsgesetz mit 770 Millionen DM soll in Höhe von 455 Millionen DM für die weitere Verbesserung der sozialen Lage in der Landwirtschaft eingesetzt werden; damit stehen für diese Maßnahmen im Rechnungsjahr 1966 insgesamt 765 Millionen DM — das sind 155 Millionen DM mehr als 1965 — zur Verfügung. Sie soll ferner in Höhe von 150 Millionen DM für die Verbesserung der Marktstruktur und in Höhe von 133,5 Millionen DM für Investitionsbei-



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hilfen gemäß § 2 Abs. 4 des EWG-Anpassungsgesetzes verwendet werden. Der verbleibende Betrag dient der Durchführung von Kreditverbilligungsmaßnahmen und ferner der Seßhaftmachung von verheirateten Landarbeitern.
Die Mittel für den Grünen Plan 1966 sind nicht wie bisher global eingestellt, sondern zur Erleichterung der kommenden Beratungen bereits auf die Einzelmaßnahmen verteilt.
Damit soll der Erörterung über den Grünen Bericht 1966 und den Beschlüssen zum Grünen Plan 1966 nicht vorgegriffen werden.
Der Ansatz im Grünen Plan für den sogenannten Milchpfennig ist von 400 Millionen DM im Rechnungsjahr 1957 auf 670 Millionen DM im Jahre 1965 gestiegen. Für 1966 sind im Hinblick auf die zu erwartende Mehrproduktion 700 Millionen DM vorgesehen. Berücksichtigt man die Umsatzsteuerbefreiung bei Milch und Milcherzeugnissen mit etwa 300 Millionen DM jährlich, so kommt man auf einen Betrag von ca. 1 Milliarde DM, der zu Lasten des Bundeshaushalts allein für ein einzelnes Agrarprodukt aufgebracht werden muß. Dabei sind andere Förderungsmittel, etwa für Verbesserungen in der Molkereiwirtschaft, noch nicht einmal berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, die Förderung der Milcherzeugung hat eine seit Jahren steigende Milch- und Butterproduktion zur Folge, die mittlerweile die Aufnahmefähigkeit des Marktes übersteigt. Dadurch entsteht ein Butterberg und entstehen für den Bundeshaushalt zugleich höhere Kosten für die Lagerhaltung der Butter. Dafür waren im Rechnungsjahr 1965 rd. 42 Millionen DM veranschlagt. Während des Rechnungsjahres mußten die bereitzustellenden Mittel einschließlich einer überplanmäßigen Bewilligung tatsächlich auf 113 Millionen DM erhöht und damit nahezu verdreifacht werden.
Der zweite Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft die Zinssubventionen an die Landwirtschaft, die ein kapitalmarkt- und haushaltspolitisch besorgniserregendes Ausmaß angenommen haben.
Der Zinsverbilligungsrahmen für 1966 mußte deshalb auf 40 Millionen DM beschränkt werden. Aber, meine Damen und Herren, Sie müssen sich darüber klar sein, daß damit eine Nachfrage am Kapitalmarkt von fast 1 Milliarde DM ausgelöst wird, was angesichts der Lage am Kapitalmarkt wirklich die obere Grenze darstellt.
Auch die außerhalb des Bundeshaushalts zentral zu beschaffenden Kapitalmarktmittel mußten begrenzt werden; mit den für Maßnahmen der Flurbereinigung vorgesehenen 25 Millionen DM ist das äußerste Maß des Vertretbaren meiner Überzeugung nach erreicht.
Der Bundeshaushalt wird durch das für 1966 verkleinerte Programm — durch das verkleinerte Programm! — in Höhe von insgesamt etwa 345 Millionen DM in den kommenden Rechnungsjahren verpflichtet. Die Gesamtverpflichtungen künftiger Bundeshaushalte aus den bisherigen Aktionen und der
neuen Aktion 1966 für landwirtschaftliche Zinsverbilligungen sind mit rd. 2,6 Milliarden DM anzusetzen.
Mit diesen Bemerkungen, meine Damen und Herren, wird die Notwendigkeit von Maßnahmen für die deutsche Landwirtschaft wegen ihrer besonderen Lage nicht im geringsten in Zweifel gezogen. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verpflichtung gegenüber der Landwirtschaft sehr wohl bewußt. Andererseits meine ich, daß es nötig ist, nüchtern und klar die Tatbestände zu erkennen, um richtige Entscheidungen zu treffen.
In diesem Zusammenhang soll auch ein Wort zur Agrarfinanzierung in der EWG gesagt sein. Während sich die bisherigen Zahlungen im Vergleich zum Volumen des Gesamthaushaltes noch verhältnismäßig bescheiden ausnehmen, werden die Ausgaben in den kommenden Jahren gewaltig ansteigen. Das verdeutlichen folgende Zahlen: An Beiträgen Deutschlands an den EWG-Agrarfonds für Marktinterventionen und Strukturmaßnahmen waren im Jahre 1965 — das bezieht sich immer auf die zwei dem Abrechnungszeitraum vorhergehenden Jahre, also in diesem Fall auf 1962/1963 — 42 Millionen DM zu zahlen, das sind 28% des Fondsvolumens. Demgegenüber haben wir Rückvergütungen aus dem Fonds nur in Höhe von 17,4 Millionen DM erhalten, das sind 11,5 %. 1966 — für den zweiten Abrechnungszeitraum — sind es 84 Millionen DM und für den dritten Zeitraum etwa 290 Millionen DM; das sind zusammen 374 Millionen DM, die wir zu zahlen haben. 1967 rechne ich mit 600 Millionen DM, 1968 mit 900 Millionen DM und 1969 mit voraussichtlich 1,7 bis 2,1 Milliarden DM, wozu ab 1967 noch gesonderte deutsche Beiträge zum Sondertitel „Ausgleichszahlungen im Zusammenhang mit dem Getreidepreisbeschluß" in beträchtlicher Höhe kommen.
Diese Zahlen, die selbstverständlich nur auf Schätzungen beruhen, sprechen, glaube ich, für sich. Die starke Zunahme, die nach geplanten Neuregelungen noch steigen kann, ist durch die Einbeziehung der Erzeugnisse Reis, Rindfleisch, Fette sowie Obst, Gemüse und neuerdings durch die beabsichtigte Hereinnahme von Milch und Zucker in die finanzielle Verantwortung der Gemeinschaft und durch die von Jahr zu Jahr steigende Beteiligung des Fonds bedingt. Sicher werden auch die Rückvergütungen an Deutschland etwas zunehmen. Die Agrarfinanzierung ist jedoch so angelegt, daß die Agrarüberschüsse erzeugenden Mitgliedstaaten, zu denen wir niemals gehören werden, die Hauptnutznießer des Agrarfonds sind. Die Erreichung eines besseren Gleichgewichts in der Gemeinschaft wird — wie schon bisher — bei den derzeit laufenden Verhandlungen in Brüssel ein besonderes Anliegen der Bundesregierung sein.
Ein Bereich, dessen Bedeutung für die Zukunft Deutschlands und für unsere Stellung in der Welt nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist das weite Feld der Wissenschaft und Forschung. Deshalb hat die Bundesregierung den Ausgaben hierfür eine besondere Priorität eingeräumt.



Bundesminister Dr. Dahlgrün
Im Jahre 1966 sollen nach dem Vorschlag der Bundesregierung bei einem Gesamthaushalt von rd. 69,1 Milliarden DM für Wissenschaft und Forschung fast 2,5 Milliarden DM ausgegeben werden. Das bedeutet seit 1961 eine Steigerung der für die Wissenschaft zur Verfügung stehenden Mittel um etwa 127 % gegenüber einer Volumenssteigerung des Gesamthaushalts von 43,5% im gleichen Zeitraum.
Da die Mittel nicht ausreichen, um allen Wünschen zu entsprechen, müssen Schwerpunkte gebildet werden, damit wir in besonders wichtigen Forschungsbereichen, in denen uns andere Nationen davongeeilt sind, den Anschluß an die internationale Entwicklung gewinnen.
Der größte Teil der Ausgaben des Bundes für Wissenschaft und Forschung ist mit nahezu 1,3 Milliarden DM im Einzelplan des Bundesministeriums für wissenschaftliche Forschung veranschlagt. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von nahezu 30% und die bisher höchste Steigerungsquote der Bundesausgaben für die Förderung der Wissenschaft überhaupt.

(Abg. Wehner: Höher geht's nimmer!)

Besonders ins Gewicht fällt die Erhöhung des Zuschusses für den Ausbau der bestehenden Hochschulen und für die Errichtung von zwei neuen medizinischen Akademien um insgesamt 72 Millionen DM auf 372 Millionen DM. Ich verweise dazu auf die Debatte in diesem Hohen Hause, die kürzlich bei der Beantwortung von Großen Anfragen der Fraktionen geführt und in der der Standpunkt der Bundesregierung eingehend dargelegt worden ist.
Nachdem die Länder auf das Angebot des Bundes vom Jahre 1964, sich an dem Ausbau von neuen Hochschulen zu beteiligen, geantwortet haben, werden auch hierüber die Verhandlungen in Kürze geführt werden.
Doch nun zu einer besonderen politischen Aufgabe, der Aufgabe der Entwicklungshilfe, deren immer stärkere Bedeutung für unsere Haushaltswirtschaft in der hohen Steigerungsrate der Ausgaben zum Ausdruck kommt. Im Einzelplan des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit werden die Ausgaben von rd. 865 Millionen DM im Vorjahr auf annähernd 1,6 Milliarden DM erhöht und damit fast verdoppelt. Die Steigerung ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß bisher außerhalb des Bundeshaushalts noch verfügbare Mittel — insbesondere aus den Länderdarlehen und der Wirtschaftsanleihe — inzwischen verbraucht sind. Die Ansätze dienen in erster Linie der Abtragung der offenen Verpflichtungen aus den Vorjahren. Diese Verpflichtungen beinhalten etwa 7,5 Milliarden DM.
Bei Einbeziehung der Beiträge aus anderen Einzelplänen und aus sonstigen öffentlichen Quellen — also z. B. ERP-Sondervermögen, Länderhaushalte, Kreditanstalt für Wiederaufbau usw. — werden sich 1966 die Barleistungen an Entwicklungsländer aus öffentlichen Mitteln auf insgesamt 2,1 Milliarden DM belaufen. Hinzu kommen noch Steuerausfälle auf Grund des Gesetzes zur Förderung
privater Kapitalanlagen in Entwicklungsländern und die Kapitalinvestitionen der privaten Wirtschaft selbst.
Damit auch für längerfristige Maßnahmen bereits jetzt weitere Zusagen des Bundes in ausgewogenem Verhältnis gegeben werden können, sind in dem Regierungsentwurf Ermächtigungen zur Eingehung von neuen Verpflichtungen auf dem Gebiete der Entwicklungshilfe zu Lasten künftiger Rechnungsjahre in Höhe von insgesamt mehr als 1,5 Milliarden DM ausgebracht worden.
Außer durch Barleistungen wird den Entwicklungsländern auch durch die Bürgschaften und die sonstigen Gewährleistungen des Bundes zur Förderung des Außenwirtschaftsverkehrs eine wirksame Hilfestellung gegeben. Bis zum 31. Dezember 1965 war die hierfür im Haushaltsgesetz eingestellte Ermächtigung mit 22,5 Milliarden Deutsche Mark in Anspruch genommen. Hierin liegen wegen der schlechten Devisenlage und der hohen Verschuldung vieler Entwicklungsländer sehr hohe Risiken.
Im Bereich der innerdeutschen Wirtschaftsförderung sind im Bundeshaushalt erstmalig Kredithilfen für die Werftindustrie vorgesehen, die bisher nur aus ERP-Mitteln gewährt wurden.
Durch regionale Hilfsmaßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftskraft in wirtschaftsschwachen Gebieten und Grenzbezirken, insbesondere im Zonenrandgebiet, soll als staatspolitisch und gesamtwirtschaftlich bedeutsame Aufgabe eine möglichst ausgewogene Wirtschafts- und Sozialstruktur geschaffen werden. Das Ziel läßt sich naturgemäß nur auf weitere Sicht erreichen. Dank der langjährigen Bundeshilfen konnten die Wirtschafts- und Lebensbedingungen in den leistungsschwachen Gebieten, die teils in der politischen Entwicklung, teils aber auch in den natürlichen Lebensbedingungen begründet sind, bereits jetzt erheblich verbessert werden.
Im Hinblick auf die Bedeutung, die die Bundesregierung dem Gesundheitswesen beimißt, sind die hierfür vorgesehenen Mittel wesentlich erhöht worden. Für 1966 sind erstmalig auch Haushaltsmittel des Bundes für die Entwicklung von Einrichtungen zur Reinhaltung der Luft eingeplant.
Auf dem Gebiet des Lastenausgleichs haben finanzielle Erwägungen bei der Verabschiedung der 18. Novelle zu einer Beschränkung des Volumens der von der Mehrheit dieses Hohen Hauses geforderten weiteren Leistungsverbesserungen geführt. Von dem Ergebnis der Prüfungen der Gutachterkommission für die Schätzung des zu erwartenden künftigen Vermögensteueraufkommens und von der Liquiditätslage wird es abhängen, in welchem Umfang durch eine Novellierung des Gesetzes die Ausgleichsleistungen noch verbessert werden können.
Ein Anliegen vor allem der Flüchtlinge aus Mitteldeutschland ist eine allgemeine Entschädigung der in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands erlittenen Vermögensverluste auf der Grundlage des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes.
So verständlich dieses Anliegen ist, so kann doch nicht übersehen werden, daß der Verwirklichung eines Vorhabens, das sich in einer Größenordnung



Bundesminister Dr. Dahlgrün
von etwa 10 bis 12 Milliarden DM bewegen würde, von der Finanzierungsseite her unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Bei der derzeitigen Haushaltslage sehe ich leider keine Möglichkeit, die für ein so weit gestecktes Vorhaben erforderlichen Mittel in absehbarer Zeit in den Haus halt einzuplanen.
Auf dem Gebiet der Kriegsfolgenregelung hat der 4. Deutsche Bundestag das Gesetz zur Abgeltung der Reparations-, Restitutions-, Zerstörungs- und Rückerstattungsschäden nicht mehr abschließend behandeln können. Die Bundesregierung wird sich bald mit diesem Problem beschäftigen müssen.
Auf dem Gebiet der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts wurde am Ende der vorigen Legislaturperiode das BEG-Schlußgesetz mit einem Mehraufwand von 4,5 Milliarden DM für Bund und Länder verabschiedet. Der Gesamtaufwand nach dem Bundesentschädigungsgesetz wird sich dadurch auf über 34 Milliarden DM erhöhen, wovon bis Ende 1965 etwa 19 1/2 Milliarden DM ausgezahlt worden sind.
Gestatten Sie mir noch ein kurzes Wort zum Besoldungs- und Versorgungswesen des öffentlichen Dienstes, einem Gebiet, dessen Bedeutung für die öffentliche Haushaltswirtschaft nicht zu übersehen ist. Der Personalaufwand im Bundeshaushalt wird sich — einschließlich Verteidigung und Versorgung — in dem vor uns liegenden Jahr auf über 10,6 Milliarden DM belaufen, also auf fast 1/6 des Haushaltsvolumens überhaupt.
I Die Bundesregierung hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Einsatzbereitschaft und der Sachverstand ihrer Bediensteten eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des großen Aufbauwerks der Vergangenheit war und für die Bewältigung der künftigen Aufgaben bleiben wird. Ausgehend hiervon hat das Hohe Haus auf Vorschlag der Bundesregierung für 1966 trotz der schwierigen Haushaltslage eine stufenweise weitere Erhöhung der Besoldung und der Versorgung sowie eine wesentliche Verbesserung der Stellenpläne beschlossen.
Künftig wird vor allem die innere Gerechtigkeit des Besoldungsgefüges bei Bund, Ländern und Gemeinden wieder voll herzustellen sein. Diese Erkenntnis in die Tat umzusetzen, sind Bund und Länder aufgerufen.
Voraussetzung ist die Schaffung einer einheitlichen Rechtsgrundlage, die ohne Änderung des Art. 75 des Grundgesetzes meiner Ansicht nach kaum zu erreichen sein wird. Ich hoffe, daß Sie alle, auch die Damen und Herren der Opposition, sich den bestehenden Notwendigkeiten nicht verschließen werden. Die Vorschläge der Kommission für die Reform der Finanzverfassung sollten uns allen die Entscheidung erleichtern.
Nach der Behandlung der Ausgabenblöcke im Bundeshaushalt komme ich nunmehr zur Deckungsseite.
Der ordentliche Haushalt hat ein Volumen von 67,78 Milliarden DM. Die ordentlichen Einnahmen setzen sich zusammen aus Steuern in Höhe von über 63,1 Milliarden DM, Verwaltungseinnahmen einschließlich Postablieferung von knapp 3 Milliarden DM und Lastenausgleichsabgaben von rd. 1,7 Milliarden DM.
Bei der Schätzung der Steuereinnahmen im Haushalt wird nicht die reale, sondern selbstverständlich die nominale Steigerungsrate des Bruttosozialprodukts zugrunde gelegt. Das ist niemals anders gewesen. Nur so kommen wirklichkeitsgetreue Zahlen in den Haushalt, wie das vom Grundgesetz ausdrücklich vorgeschrieben ist.
Die bisherige Schätzungsmethode ist vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und neuerdings auch von Organisationen aus dem Wirtschaftsbereich beanstandet worden, weil der Fortgang des Preissteigerungsprozesses angeblich zur Grundlage der Steuerschätzung gemacht werde. Dabei übersehen der Sachverständigenrat und die anderen Kritiker, daß die finanzpolitisch richtige Behandlung von Steuermehreinnahmen z. B. eine unter bestimmte Gegebenheiten sicher notwendige Neutralisierung von Steuermehreinnahmen, die vornehmlich auf PreisSteigerungen beruhen, keinesfalls im Wege zu niedriger Schätzungen erreicht werden kann. Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes ist realistisch zu schätzen. In den Fällen, die die Kritiker im Auge haben, muß eine offen im Haushaltsplan ausgewiesene Stillegung von Mitteln vorgesehen werden, z. B. die konjunkturneutrale Tilgung von Schulden oder eine Verminderung des Anleihebedarfs. Bewußt zu niedrig gehaltene Schätzungen helfen gar nichts. Auch im vorliegenden Entwurf ist, um nur die beiden wichtigsten Positionen in diesem Zusammenhang zu nennen, dieser richtige Weg eingeschlagen worden. Der Haushaltsentwurf enthält wiederum eine Tilgungsrate Nachkriegswirtschaftshilfe von 500 Millionen DM, und 232 Millionen DM werden für die Abdeckung von Kassendefiziten aus den Vorjahren verwendet, insgesamt also 732 Millionen DM.
Durch einschneidende Kürzungen war es möglich, den außerordentlichen Haushalt auf 1,37 Milliarden DM zu senken. Dabei mußte hingenommen werden, daß dringende Investitionsvorhaben zurückgestellt werden, um auch bei der öffentlichen Kapitalnachfrage beispielhaft Zurückhaltung zu üben und damit zur Entspannung am Kapitalmarkt beizutragen. Abgesehen von dieser Beschränkung des Kreditrahmens wird der Bund im Jahre 1966 Kreditmarktmittel in Höhe von rd. 600 Millionen DM zu Lasten des ordentlichen Haushalts — also im wesentlichen aus Steuereinnahmen — tilgen. Diese 600 Millionen DM fließen wieder größtenteils dem Kapitalmarkt zu. Im Jahre 1966 wird daher der außerordentliche Haushalt des Bundes den Kapitalmarkt netto nur mit 770 Millionen DM belasten.
Diese Selbstbeschränkung des Bundes sollte — das möchte ich einmal ganz nachdrücklich anmerken — keinesfalls von den Ländern dazu ausgenutzt werden, ihre Ausgaben mit Hilfe der vom Bundesrat vorgeschlagenen Ergänzungszuweisungen an bestimmte Länder als Ganzes zu erhöhen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)




Bundesminister Dr. Dahlgrün
Das war sicherlich auch nicht im Sinne der einschneidenden Maßnahmen zur Sicherung des Haushaltsausgleichs, die dieses Hohe Haus beschlossen hat.
Falls die fünf finanzschwachen Länder nicht in der Lage sind, bei Anlegung gleichstrenger Maßstäbe, wie sie sich der Bund in seinem Bereich zur Pflicht gemacht hat, ihre Haushalte auszugleichen, ist zunächst eine Änderung des bestehenden horizontalen Finanzausgleichs innerhalb der Ländergesamtheit durchzuführen. Daß dieser Weg nicht gangbar ist, haben die Länder nicht dargetan. Ein Anwendungsfall für die Gewährung von Ergänzungszuweisungen ist schon deshalb nicht gegeben, ganz abgesehen davon, daß dieser Vorschlag des Bundesrates den im Grundgesetz verankerten horizontalen Charakter des Länderfinanzausgleichs durch eine Tendenz zum vertikalen Ausgleich in Frage stellt. Außerdem wird übrigens auf diesem Wege auch das Beteiligungsverhältnis zwischen Bund und Ländern an der Einkommen- und Körperschaftsteuer berührt und im Ergebnis der kommenden Finanzverfassungsreform entgegengewirkt, die eine klare Abgrenzung der Aufgaben und Finanzmassen anstrebt.
Meine Damen und Herren, die großen Zielsetzungen der Haushaltspolitik, die ich bisher angesprochen habe, lassen sich ohne eine sinnvolle Steuerpolitik nicht erreichen.
Der Einsatz des Steuerrechts für außerfiskalische Zwecke, was jeweils eine zusätzliche Komplizierung zur Folge hat, ist auf besonders wichtige Aufgaben zu beschränken. Die Vielzahl der noch immer bestehenden steuerlichen Subventionen wird auf ihre Berechtigung überprüft. Außerdem sollte die Steuerpolitik auf steuerliche Einzelmaßnahmen, soweit sie nicht unumgänglich notwendig sind, verzichten und sich auf wenige besonders bedeutungsvolle Gesetzesvorhaben konzentrieren.
Zu den großen Gesetzesvorhaben auf dem Steuersektor rechne ich vor allem die Reform der Umsatzsteuer, die das Hohe Haus in dieser Legislaturperiode noch sehr eingehend beschäftigen wird.
Die notwendige Reform der Reichsabgabenordnung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Deshalb müssen unter Umständen gewisse Teilgebiete, z, B. die Einführung der verbindlichen Auskunft und die Umgestaltung des Steuerstrafrechts und des Steuerstrafverfahrens vorweg einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden.
Eine der vordringlichsten Aufgaben, die die Bundesregierung in allernächster Zeit in Angriff zu nehmen hat, ist eine Neuordnung der staatlichen Maßnahmen zur Förderung der Spartätigkeit. Die Lösung muß neben den gesellschaftspolitischen auch den haushaltswirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Notwendigkeiten Rechnung tragen.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Grundsätzliche Fragen der Steuerpolitik werden auch im Rahmen der Finanzreform zur Diskussion gestellt, die von Bundeskanzler Erhard und den von ihm gebildeten Bundesregierungen entscheidend gefördert wurde.
Das Reformvorhaben soll u. a. Fehlentwicklungen in den Finanzbeziehungen zwischen den verschiedenen Ebenen unseres Gemeinwesens — zwischen Bund, Ländern und Gemeinden — beseitigen. Die Finanzverfassung muß den Notwendigkeiten der Gegenwart angepaßt werden. Durch eine Änderung des Grundgesetzes und durch darauf aufbauende neue Gesetze sollen die Möglichkeiten für ein fruchtbares Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden und eine gesunde Weiterentwicklung unseres Staatswesens verbessert werden.
Das große Reformwerk, meine Damen und Herren, mit seinen vielen Einzelheiten wird sicher nicht in einem Zuge verwirklicht werden können. Die Finanzreform wird uns eine Reihe. von Jahren beschäftigen. Der erste Abschnitt wird Änderungen der Finanzverfassung sowie die Aufgabenabgrenzung und die Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern enthalten müssen. Der zweite Abschnitt wird die Gemeindefinanzreform umfassen, die wegen des Zusammenhangs mit der neuen Einheitsbewertung und der Notwendigkeit der Angleichung der Steuerbelastung in der EWG voraussichtlich nicht vor 1970 abgeschlossen werden kann, aber natürlich schon im Rahmen der Maßnahmen des ersten Abschnitts vorbereitet werden muß.
Die Bundesregierung begrüßt die aus den Reihen der Opposition bisher bekanntgewordenen positiven Erklärungen. Sie legt auf eine möglichst frühzeitige Abstimmung des Reformwerkes mit der Opposition und deren ständige Unterrichtung und Mitarbeit besonderen Wert.
Parallel zur Finanzreform ist eine grundlegende Neuordnung des Haushaltswesens begonnen worden.
Das Haushaltsrecht muß den Erfordernissen der Gegenwart angepaßt werden, der Haushaltsablauf muß modernisiert und durchsichtiger gestaltet werden und muß den volkswirtschaftlichen Erfordernissen noch stärker als bisher in der Haushaltswirtschaft Geltung verschaffen können.
Neben der gesetzlichen Verankerung von neuen Grundsätzen für eine neue Haushaltspolitik müssen aber auch die aus den 20er Jahren stammenden Kassen-, Buchführungs- und Rechnungslegungsbestimmungen der fortgeschrittenen technischen Entwicklung angepaßt werden, und die hergebrachte Kameralistik muß ein Buchführungssystem mit wesentlich verbesserter Aussagekraft erhalten. Außerdem muß vor allem erreicht werden, daß die Zahlen und Zahlengruppen in neuzeitlichen Datenverarbeitungsanlagen laufend so aufbereitet werden, wie sie Bund und Länder für ihre Haushaltsplanungen und zur Vorbereitung finanz- und konjunkturpolitischer Maßnahmen dringend benötigen.
Die gesetzliche Neugestaltung des Haushaltswesens ist durch den Arbeitskreis der Haushaltsabteilungsleiter inzwischen so weit vorbereitet, daß dem Hohen Hause demnächst der Entwurf einer neuen Haushaltsordnung vorgelegt werden kann, die vor allem auch die Haushaltsaufstellung und die Haushaltsausführung entsprechend den jeweiligen konjunkturpolitischen Erfordernissen erleichtern wird.



Bundesminister Dr. Dahlgrün
Was die Aufstellung des Haushalts betrifft, ist in der vergangenen Legislaturperiode den konjunkturpolitischen Erfordernissen durch die Begrenzung des Ausgabenwachstums in angemessenem Verhältnis zu dem erwarteten Zuwachs des Sozialprodukts auch ohne besondere gesetzliche Regelung Rechnung getragen worden.
Für die Steuerung des Haushaltsvollzugs ist es das geringere Problem, in Zeiten einer Rezession die dann konjunkturpolitisch erforderlichen zusätzlichen Ausgaben zu veranlassen. Dazu ist das Rufen nach erhöhten Staatsausgaben viel zu laut und der Bedarf nach bedeutsamen Staatsinvestitionen viel zu groß.
Die eigentliche Schwierigkeit besteht darin, in Zeiten wirtschaftlicher Hochspannung die Ausgaben zu drosseln und damit einem Nachfrageüberhang entgegenzuwirken. Die hierzu erforderlichen Steuerungsinstrumente sind bereits seit Jahren — genau seit dem Jahre 1960 — in die jährlichen Haushaltsgesetze eingebaut, womit ein wesentlicher Teil des konjunkturpolitischen Instrumentariums bereits vorliegt.
Nach dem, was bisher in den Haushaltsgesetzen vorhanden ist, können bestimmte Ausgaben während des Haushaltsvollzugs nicht nur aus Deckungsgründen, sondern auch aus konjunkurpolitischen Gründen gesperrt werden. Dem besonderen Gewicht des Hochbaues im Rahmen der konjunkturellen Entwicklung ist dadurch Rechnung getragen, daß der Beginn von Hochbaumaßnahmen des Bundes durch ein besonderes Zustimmungserfordernis entsprechend der allgemeinen Wirtschaftslage beeinflußt werden kann.
Darüber hinaus war in den Jahren 1962 bis 1965 eine allgemeine 20-Prozent-Sperre der Bauausgaben angeordnet, und das Haushaltsgesetz 1966 sieht die Möglichkeit dazu ebenfalls vor.
Was jetzt noch vor allem fehlt, ist die Möglichkeit, die Haushalte der Länder und Gemeinden bei der Steuerung des Wirtschaftsablaufs einzubeziehen. Dies ist um so wichtiger, als die öffentlichen Investitionen mit ihrer direkten Wirkung auf den Wirtschaftsablauf zu fast 75 % von den Ländern und Gemeinden durchgeführt werden. Das dringliche Problem der Erfassung der Länder- und Gemeindehaushalte ist eine vorrangige Aufgabe, die aber nur im Rahmen der Finanzreform gelöst werden kann.
Voraussetzung für diese Einbeziehung der Länder- und Gemeindehaushalte in die gesamtwirtschaftlichen Überlegungen ist eine wirklich befriedigende Abstimmung der Finanzpolitik mit den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Das alles verlangt eine mittelfristige Vorausschau, die alle öffentlichen Haushalte erfaßt. Die Vorarbeiten zu dieser gesamtwirtschaftlichen Vorausschau sind ebenfalls weit fortgeschritten.
Im Bereich des Bundes ist die mittelfristige Vorausschau verwirklicht. Damit ist einem wesentlichen Anliegen im Rahmen der Haushaltsreform bereits entsprochen, ohne daß der Gesetzgeber bemüht werden mußte.
Der Bundesminister der Finanzen hat im Jahre 1964 mit einer dreijährigen Vorausschätzung begonnen. Im Finanzbericht 1966, der Ihnen vorliegt, ist eine nunmehr auf einen Zeitraum von fünf Jahren ausgedehnte, wesentlich verbesserte Finanzvorausschau bis zum Jahre 1970 enthalten.
Die mittelfristige Vorausschau stellt ein wesentliches Hilfsmittel zur Erleichterung finanzpolitischer Entscheidungen dar. Ausdrücklich möchte ich vor dem Trugschluß warnen, daß die Aufstellung einer solchen mittelfristigen Vorausschau ein Zaubermittel sei, durch das sich die finanzwirtschaftlichen Probleme gewissermaßen von selbst in das Nichts auflösen. Die mittelfristige Vorausschau ist immer nur ein Orientierungsmittel. Die Probleme werden durch die Vorausschau nicht beseitigt, sondern nur offengelegt. Die mittelfristige Vorausschau zwingt jeden verantwortungsvollen Politiker dazu, .über die öffentliche Aufgabenerfüllung in sachlicher und zeitlicher Hinsicht gründlich nachzudenken. Eine Vollzugsverbindlichkeit kann mit ihr nicht verbunden sein.
Der Wert der neuen Haushaltsvorausschau liegt in der klaren Erkenntnis, welche Anstrengungen nötig sein werden, um den Haushaltsausgleich in den nächsten vier Jahren sicherzustellen. Im Bereich der beeinflußbaren Ausgaben liegen nach meiner Meinung für unsere Zukunftsvorsorge so wichtige Aufgaben wie die Förderung von Wissenschaft und Forschung, die allgemeine Wissenschaftsförderung einschließlich der Maßnahmen zur Strukturverbesserung in der Landwirtschaft und die Verbesserung unseres Verkehrswesens. In diesem Bereich sind ins Gewicht fallende Kürzungen kaum möglich, ohne die Grundlagen für die weitere gedeihliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik zu schwächen.
Ich glaube, daß nach den Aussagen der mittelfristigen Vorausschau deshalb wieder einschneidende Maßnahmen notwendig werden, durch die das Gesamtvolumen der Ausgaben des Bundes auch im Jahre 1967 und in den Folgejahren auf eine Höhe begrenzt wird, die den im Grundgesetz vorgeschriebenen Ausgleich des Haushalts sicherstellt, darüber hinaus aber auch einem konjunkturgerechten Verhalten des Bundes entspricht. Ich rechne dabei auf die Einsicht aller, weil es um das Wohl des Ganzen geht.
Nach diesem Ausblick darf ich nun nochmals ganz kurz auf den Haushalt 1966 zurückkommen. An Ihnen, meine Damen und Herren, liegt es nun, dem Haushalt 1966 seine endgültige Gestalt zu geben. Ich habe Ihnen dargelegt, daß der Regierungsentwurf 1966 sehr viel weniger mit Risiken behaftet ist, als es sein Vorgänger war. Schaffen Sie bitte keine neuen Risiken! Sie selbst haben mit den Beschlüssen zum Haushaltssicherungsgesetz die Grundlage für diesen Haushalt gelegt, eine solide und feste Grundlage.
Selbstverständlich kann der Bund allein die Stabilität nicht garantieren. Der Bundeshaushalt entscheidet — wie ich es eingangs dargelegt habe — nur über 14 % des Sozialprodukts. Dieser Anteil ist — absolut gesehen — gewiß außerordentlich hoch,



Bundesminister Dr. Dahlgrün
aber er darf in seiner konjunkturellen Wirkung auch nicht überschätzt werden.
Überhaupt kommt es ja in unserem Lande — Gott sei es gedankt — nicht allein auf den Staat an. Fast wichtiger ist, daß auch die Wirtschaft in allen ihren Teilen sich konjunkturbewußt verhält. Ich spreche hier besonders die Sozialpartner, die Gewerkschaften und die Unternehmer in ihrer Verantwortung an. Alles Gegensteuern durch konjunkturgerechte Geld-, Kredit- und Finanzpolitik wird nicht zum Ziele führen, wenn gleichzeitig die Nachfrage im privaten Bereich davonläuft, sei es durch Ausnutzung von Engpässen im Angebot mit der Folge von Preissteigerungen, sei es durch Ausnutzung der Knappheit der Arbeitskräfte mit der Folge von übersteigerten Lohnforderungen und übersteigerten Lohnzugeständnissen.
Die Bundesregierung hat sich bemüht, mit dem Haushaltsplan und den vorangegangenen Entscheidungen zur Haushaltssicherung allen berechtigten Erwartungen zu entsprechen. Wenn Sie, meine Damen und Herren, sich jetzt darum bemühen werden, neue positive Akzente zu setzen und möglicherweise die Ausgaben noch weiter zu kürzen, wird die Bundesregierung dieses Bemühen nur begrüßen können.
Die öffentlichen Ausgaben sind aber — das muß man sich dabei überlegen — nicht unbegrenzt elastisch. Beliebig lassen sie sich nicht zusammendrücken. Die öffentliche Hand hat lebenswichtige Aufgaben für uns alle zu erfüllen, die nicht vernachlässigt werden dürfen, weil sie — wie die Sozialinvestitionen — für die künftige Entwicklung unseres Volkes von kaum zu überschätzender Bedeutung sind. Auf diese wesentlichen Aufgaben des Staates müssen wir uns alle wieder stärker besinnen. Es wird aber von der Regierung und vom Bundesminister der Finanzen die Quadratur des Zirkels verlangt, wenn man fordert, die Gesamtausgaben im Rahmen des Sozialproduktwachstums zu halten und zugleich neben den zukunftswichtigen Sozialinvestitionen auch die Ausgaben für den Sozialkonsum zu steigern. Wenn der Haushalt weiterhin in den Dienst der Geldwertstabilität gestellt werden soll, wenn dabei die Sozialinvestitionen nicht vernachlässigt werden sollen, dann muß der Sozialkonsum zurückstehen.
Diese Zwangslage fordert von uns allen klare Entscheidungen. Der 5. Deutsche Bundestag, wir alle, werden nicht zuletzt daran gemessen werden, wie wir uns dieser Aufgabe gestellt und wie wir diese Probleme gelöst haben.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502400200
Damit ist das Haushaltsgesetz 1966 eingebracht.
Das ERP-Wirtschaftsplangesetz 1966 wird von dem Herrn Bundesschatzminister eingebracht. Ich gebe ihm das Wort.
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich habe die Ehre, im Namen der Bundesregierung dem Hohen Hause den Entwurf des ERP-Wirtschaftsplangesetzes für das Rechnungsjahr 1966 vorzulegen. Mit Abwicklung des ERP-Plans 1965 erreichten die Finanzierungshilfen des ERP-Sondervermögens den beachtlichen Umfang von 19,6 Milliarden DM. Mit einem Betrag von 13,6 Milliarden DM wurde die Wirtschaft in Westdeutschland gefördert, rund 6 Milliarden DM wurden als Hilfe an die Berliner Wirtschaft gegeben. Damit ist Berlin, das durch die Abschnürung vom übrigen Bundesgebiet erhebliche wirtschaftliche Probleme zu bewältigen hat, in ganz besonderem Maße an den vom ERP-Sondervermögen gewährten Finanzierungshilfen beteiligt worden. Gegenwärtig weist das ERP-Sondervermögen einen Vermögensbestand von rund 8,4 Milliarden DM auf.
Bei der Durchführung der Finanzierungsmaßnahmen im Rechnungsjahr 1965 hat sich erneut gezeigt, daß das ERP-Sondervermögen ein unentbehrliches wirtschaftspolitisches Instrument zur Leistung wichtiger Aufgaben der Strukturpolitik ist und mit seinen Förderungshilfen sehr wesentlich zur Finanzierung gesamtwirtschaftlich notwendiger Investitionen der Wirtschaft beitragen kann und beigetragen hat.
Der ERP-Wirtschaftsplan 1966 schließt in Einnahmen und Ausgaben mit 1 596 887 000 DM ab. Effektiv werden im Rechnungsjahr 1966 1 054 940 000 DM zur Verfügung stehen. Von diesem Betrag entfallen 362 183 000 DM auf die Berlin-Hilfe, 465 180 000 DM auf Finanzierungsmaßnahmen zugunsten der Wirtschaft in Westdeutschland und 227 577 000 DM auf die Entwicklungshilfe. Die Differenz zu den Gesamtausgaben von 1 596 887 000 DM ergibt sich aus dem haushaltsmäßig notwendigen Nachweis durchlaufender Einnahmen und Ausgaben, insbesondere eines Betrages von rund 500 Millionen DM zu Lasten des Exportliquiditätsfonds.
Zu den Schwerpunktmaßnahmen des Finanzierungsprogramms 1966 zählen die Mittelstandsförderung einschließlich der Förderung der Wirtschaft in den Zonenrandgebieten, die Struktur- und Anpassungsbeihilfen und die Kredithilfen für Investitionen zur Reinhaltung der Gewässer und der Luft.
Das Mittelstandsprogramm des ERP-Sondervermögens wird mit einem Betrag von 200 Millionen DM gegenüber 204 Millionen DM im Rechnungsjahr 1965 unverändert fortgeführt. Im Vordergrund des Programms stehen wiederum die Errichtung von Betrieben in neuen Wohnsiedlungen. — diese Vorhaben wurden 1965 mit einer Zahl von 1185 gefördert —, die Gründung selbständiger Existenzen durch Nachwuchskräfte — im Jahre 1965 waren es 2220 Fälle — und die Gewährung von Kredithilfen an die gewerbliche Wirtschaft in den Fördergebieten. Es ist beabsichtigt, einen Teil der Programme, soweit dies möglich ist, aus Bankenmitteln aufzustocken. Nach den bisher hierzu geführten Verhandlungen werden sich in gewissem Umfange zusätzliche Kapitalmarktmittel beschaffen lassen.
Im Interesse einer nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Zonenrandgebiet wurde die Finanzierungshilfe mit 100 Millionen DM



Bundesminister Dr. Dollinger
angesetzt, also mit dem gleichen Betrag wie im Jahre 1965.
Im Rahmen der Struktur- und Anpassungshilfen, für die insgesamt 183 Millionen DM vorgesehen sind, verdienen insbesondere die Programme zur Umstellung und Anpassung der gewerblichen Wirtschaft an Strukturveränderungen im internationalen Wettbewerb und die Finanzierung von Aufträgen an deutsche Werften besondere Erwähnung. Die Fortführung des Auftragsfinanzierungsprogramms zugunsten der Werftindustrie soll dazu beitragen, die Wettbewerbsnachteile, die den deutschen Werften durch die Subventionierung der ausländischen Werften entstehen, auszugleichen und die Konditionen für Lieferungen von Schiffsbauten den Erfordernissen des internationalen Marktes anzupassen.
Für die Finanzierung von Investitionen zur Reinhaltung der Gewässer und der Luft werden einschließlich einer Bindungsermächtigung von 7 Millionen DM 77 Millionen DM zur Verfügung stehen.
Im Vordergrund der Finanzierungshilfe für die Berliner Wirtschaft steht wie bisher die Investitionsfinanzierung und die Finanzierung von Aufträgen westdeutscher Unternehmen an die Berliner Wirtschaft. Insgesamt sind für diese beiden Maßnahmen rund 319 Millionen DM vorgesehen.
Die Förderung der Zuwanderung von Arbeitskräften nach Berlin ist für die Entwicklung der Berliner Wirtschaft von großer Bedeutung. Dazu gehört auch der Bau von Wohnungen für diese Arbeitskräfte und ihre Familien. Das ERP-Sondervermögen unterstützt diese Bemühungen seit einigen Jahren durch Bereitstellung zinsbegünstigter Kredite. Im Rechnungsjahr 1965 wurde ein neues Programm für die Schaffung von Wohnungen für mittlere und gehobene Führungskräfte der gewerblichen Wirtschaft eingeleitet, für dessen Anfinanzierung 4,5 Millionen DM bereitgestellt wurden. Der ERP-Wirtschaftsplan 1966 enthält einen weiteren Ansatz von 11,5 Millionen DM. Daneben sind für den Bau von Facharbeiterwohnungen 10 Millionen DM vorgesehen.
Aus den für die Entwicklungshilfe veranschlagten Mitteln werden 95 Millionen DM für die Kapitalhilfe, 80 Millionen DM für die Finanzierung von Lieferungen deutscher Unternehmungen nach Entwicklungsländern sowie 14 Millionen DM für die Finanzierung von Niederlassungen deutscher Unternehmen in Entwicklungsländern bereitgestellt. Das letztgenannte Programm kann aus der im ERP-Entwicklungshilfegesetz enthaltenen Bindungsermächtigung im Bedarfsfalle auf 20 Millionen DM aufgestockt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Finanzierungsmaßnahmen des ERP-Sondervermögens sind jedoch mit der Gewährung von Krediten an die Wirtschaft nicht erschöpft. Gemäß § 4 des ERP-Wirtschaftsplangesetzes 1966 soll der Bundesschatzminister ermächtigt werden, zu Lasten des ERP-Sondervermögens Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen bis zu einem Gesamtbetrag von 300 Millionen DM zu übernehmen. Diese Burgschaftsermächtigung ergänzt die Kreditprogramme und erweitert dadurch den Förderungsrahmen des ERP-Sondervermögens. Sie schafft in vielen Fällen
die Voraussetzung dafür, daß ohne einen Einsatz von Kreditmitteln wichtige Investitionen durchgeführt werden können, und verstärkt damit die Elastizität dieses Kapitalfonds.
Abschließend darf ich feststellen, daß das ERP-Sondervermögen mit seinen Förderungsmaßnahmen wesentlich zur Erfüllung wirtschaftspolitischer Aufgaben beigetragen und der Wirtschaft bei der Durchführung von Investitionen wertvolle Hilfe geleistet hat. Das jährliche Finanzierungsvolumen von über 1 Milliarde DM kann — das hat das Jahr 1965 gezeigt — nicht mehr alle Wünsche und Forderungen der Wirtschaft erfüllen. Die ERP-Hilfe kann immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein" und muß im Interesse eines möglichst hohen Wirkungsgrades auf die Finanzierung von Schwerpunktmaßnahmen begrenzt bleiben. Die Schwerpunktbildung bei der Verwendung der verfügbaren Mittel unter Anpassung der Programme an die wirtschaftliche Entwicklung muß daher auch künftig oberster Grundsatz der Förderung aus dem ERP-Sondervermögen bleiben.
Meine Damen und Herren, die Anlage 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs enthält den Wirtschaftsplan des Sondervermögens für berufliche Leistungsförderung für das Rechnungsjahr 1966. Er schließt in Einnahmen und Ausgaben mit 1 005 000 DM ab.
Als Folge des Haushaltssicherungsgesetzes entfällt die nach dem Leistungsförderungsgesetz den Bundeshaushalt verpflichtende Kapitalzuführung an das Sondervermögen von jährlich 50 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1966. Die kontinuierliche Weiterführung der Förderungsmaßnahmen ist trotz dieses Ausfalles durch die Übertragung der Vorjahresausgabereste gesichert. Die geringe Inanspruchnahme der erstmals im Rechnungsjahr 1965 bereitgestellten Programmbeträge ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß infolge der mit der Projektierung der speziellen Bauvorhaben verbundenen zeitraubenden Planungsarbeiten Anträge auf Finanzierung baureifer Projekte erst gegen Ende des Vorjahres eingereicht wurden. Bei der individuellen Förderung mußten die Lehrgänge erst anlaufen.
Der Mitteleinsatz des Sondervermögens für 1966 orientiert sich an den Einzelansätzen des Wirtschaftsplans für das Rechnungsjahr 1965. Hiernach stehen für die institutionelle Förderung rund 35 Millionen DM und für die individuelle Förderung 15 Millionen DM zur Verfügung. Die Einzelansätze der institutionellen Förderung betragen: rund 20 Millionen DM für überbetriebliche Berufsfortbildungsstätten und -einrichtungen, 10 Millionen DM für überbetriebliche Lehrwerkstätten und Einrichtungen zur überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung, 5 Millionen DM für überbetriebliche Einrichtungen zur Fortbildung von Ausbildungsfachkräften. Sie sind gegenseitig deckungsfähig. Damit kann notwendigen Prioritäten Rechnung getragen werden.
Nach den bisher bekannten Planungen der Antragsberechtigten muß bereits jetzt mit einem Antragsvolumen von rund 28 Millionen DM gerechnet werden. Bewilligt wurden bisher Anträge mit einer Darlehenssumme von 2,7 Millionen DM. Anträge mit einer Darlehenssumme von rund



Bundesminister Dr. Dollinger
10,1 Millionen DM liegen zur Entscheidung vor. Mit dem Eingang weiterer Anträge ist in Kürze zu rechnen.
Die Mehrzahl der förderungsfähigen Projekte wird von den Handwerkskammern getragen. Nach Abschluß der Projektplanungen liegen nunmehr auch erste Anträge aus dem Bereich der Industrie und des Handels zur anteiligen Finanzierung überbetrieblicher Lehrwerkstätten und Fortbildungseinrichtungen vor.
Es muß sonach davon ausgegangen werden, daß die für 1966 für die institutionelle Förderung verfügbaren Mittel voll beansprucht werden.
Eine ähnliche Entwicklung dürfte auch für die individuelle Förderung nach Überwindung der sich bei der Breite des individuellen Förderungsprogramms zur beruflichen Fortbildung ergebenden Anlaufschwierigkeiten zu erwarten sein.
Sollten die auf 1966 übertragenen Ausgabereste aus 1965 in Höhe von rund 47 Millionen DM nicht ausreichen, können weitere Zusagen auf Grund der im Wirtschaftsplan enthaltenen Bindungermächtigung bis zu einer Höhe von 50 Millionen DM eingegangen werden.
Meine Damen und Herren, der ERP-Wirtschaftsplan und der Wirtschaftsplan des Sondervermögens für die berufliche Leistungsförderung sollen auch im Jahre 1966 zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft beitragen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0502400300
Die beiden Vorlagen Tagesordnungspunkte 2 und 3 werden morgen, Donnerstag, um 10 Uhr besprochen.
Es liegt Ihnen eine Liste auf Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung, die keiner Beschlußfassung bedürfen, an die zuständigen Ausschüsse nach § 76 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor. — Gegen die beabsichtigte Überweisung erhebt sich kein Widerspruch; dann sind folgende Überweisungen beschlossen:
Vorlage des Bundesschatzministers betr. Ergebnisse der Entbehrlichkeitsprüfung und der Veräußerung von Bundesgelände zu Zwecken des Wohnungsbaues und der Eigentumsbildung — Bezug: Beschluß des Bundestages vom 18. Mai 1962 — Drucksache V/308 — an den Ausschuß für das Bundesvermögen — federführend — und den Ausschuß für Kommunalpolitik, Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen sowie den Haushaltsausschuß,
Vorlage der Sprecher der deutschen Delegation in der Beratenden Versammlung des Europarates betr. Bericht über die Tagung der Beratenden Versammlung des Europarates vom 24. bis 27. Januar 1966 — Drucksache V/326 — an den Auswärtigen Ausschuß.
Heute nachmittag um 14 Uhr fahren wir mit der Fragestunde fort. Um 15 Uhr beginnt die Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung von 10.31 Uhr bis 14.01 Uhr.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502400400
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir beginnen mit der
Fragestunde
- Drucksachen V/343, V/339, V/340 —
Ich rufe auf die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr, zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Bading auf Drucksache V/343:
Was hat die Bundesregierung veranlaßt, um die aus der Strandung des norwegischen Tankers „Anne Mildred Brovig" drohende Ölpest zu verhindern?
Übernehmen Sie sie, Herr Kollege?

(Abg. Dr. Tamblé: Jawohl!)

— Herr Abgeordneter Tamblé übernimmt die Frage. Bitte, Herr Staatssekretär!

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502400500
Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Bading zusammen beantworten zu dürfen, wenn der Herr Abgeordnete damit einverstanden ist, da sie im Sachzusammenhang stehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502400600
Sind Sie einverstanden? — Dann rufe ich auch die Fragen 2 und 3 des Abgeordneten Bading auf:
Genügt es nach Ansicht der Bundesregierung, erst das Auftreten der Olpest abzuwarten, um dann Maßnahmen zu ergreifen, deren Wirkung zweifelhaft und bei Aufkommen von schlechtem Wetter ohne jeden Erfolg ist, oder hält sie es für notwendig, das im Wrack befindliche Öl sofort in Tankschiffe abzupumpen?
Hält die Bundesregieurng es für ausreichend, der norwegischen Reederei die Verantwortung zu überlassen, und ist sie der Ansicht, daß der drohende Schaden für die deutsche Nordseeküste überhaupt durch Versicherungsleistungen gedeckt werden kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502400700
Der Seeunfall — es handelt sich nicht um eine Strandung, sondern um eine Kollision zwischen dem Tanker und einem britischen Frachtschiff — hat sich am 20. Februar 1966 weit außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer ereignet und deshalb zunächst keinerlei rechtliche Verpflichtungen der Bundesregierung ausgelöst. Trotzdem hat die Bundesregierung, um Schäden von Menschen und Lebewesen nach Möglichkeit abzuwenden, weder das Auftreten einer Ölpest noch ein Tätigwerden der norwegischen Reederei abgewartet. Bereits am 22. Februar 1966 sind die norwegische Reederei und das von ihr beauftragte deutsche Bergungsunternehmen auf ihre Verpflichtungen aus dem Internationalen Übereinkommen von 1954 zur Verhütung der Verschmutzung der See durch 01 hingewiesen worden, nämlich alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um ein Ausfließen des als zu verhindern oder einzuschränken. Seit dem 22. Februar 1966 steht die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes mit dem Bergungsunternehmen in laufender



Staatssekretär Dr. Seiermann
Verbindung. Maßnahmen zur Bergung des Schiffes oder zum Umpumpen der Ladung waren bisher wegen der Wetterlage nicht möglich. Die Wasser-und Schiffahrtsverwaltung hat nach den erforderlichen Vorbereitungen am 26. Februar 1966 mit mehreren Schiffen die Bekämpfung des aus dem Tanker austretenden Öls, und zwar an der Ausgangsstelle des Öls, durch Ausbringen von Chemikalien aufgenommen. Die Kosten werden zunächst vorschußweise von ihr verauslagt, da Reinhaltung und Küstenschutz nach dem Grundgesetz nicht Aufgaben des Bundes sind. Fahrzeuge der Marine stehen zur Unterstützung bereit. Mit den Küstenländern sind .die Lage und mögliche Abwehrmaßnahmen erörtert worden. Die norwegische Regierung ist unter Darlegung der von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen über die Vorgänge unterrichtet worden. Die Schiffahrtsverwaltungen Dänemarks, Großbritanniens und der Niederlande wurden ebenfalls unterrichtet. Solange der havarierte Tanker vom Eigner nicht aufgegeben worden ist — das ist bisher nicht der Fall, und nach der letzten Meldung beabsichtigt die Reederei auch nicht, zu abandonnieren, also das Eigentum aufzugeben —, ist der Eigentümer allein über Schiff und Ladung verfügungsberechtigt.
Die Meinungen der Sachverständigen über die der deutschen Nordseeküste drohenden Schäden gehen weit auseinander. Ob solche Schäden durch Versicherungsleistungen gedeckt werden können, läßt sich erst sagen, wenn der Seeunfall aufgeklärt ist und seine Folgen feststehen.
Nach der letzten Meldung von heute mittag, die mir vorliegt, hat sich die Wetterlage an der Unfallstelle wesentlich gebessert. Es sind zur Zeit norwegische Froschmänner im Wasser, um das Schiff zu untersuchen. Die im Wasser befindlichen Ölmengen, die durch das ausgetretene Bunkeröl oder Schmieröl verursacht sind, nehmen nicht Richtung auf die deutsche Küste, sondern gehen nordwärts in Richtung Südnorwegen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502400800
Herr Abgeordneter Tamblé zu einer Zusatzfrage.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502400900
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit — ohne den Spruch des zuständigen Seeamtes abzuwarten, der ja für die Kostenzurechnung der Folgen des Unfalls von entscheidender Bedeutung ist —, für die rasche Beseitigung der durch die Ölpest unter Umständen zu erwartenden Schäden an der deutschen Nordseeküste mit Mitteln des Bundes in Vorlage zu treten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502401000
Herr Abgeordneter, wir sind bereits mit etwa 200 000 DM in Vorlage getreten dadurch, daß wir das 01 an der Austrittstelle bekämpft, d. h. zum Teil unschädlich gemacht haben. Ich kann Ihnen versichern, daß alle Vorbereitungen dafür getroffen sind, daß wir, wenn sich größere Ölmengen in Richtung auf die deutsche Küste bewegen sollten, zunächst aus der Daseinsvorsorge für deutsche Menschen und deutsche Lebewesen
heraus in Vorlage treten werden. Die Frage der Abrechnung ist eine viel spätere Angelegenheit.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502401100
Noch eine Zusatzfrage Herr Abgeordneter Tamblé.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502401200
Herr Staatssekretär, ist bekannt, ob die Bekämpfung des Ölteppichs mit chemischen Mitteln für den Fischbestand und die Vogelwelt ungefährlich ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502401300
Wir verwenden bei dieser Aktion chemische Mittel, die auf unsere Veranlassung von den zuständigen Bundesanstalten überprüft worden sind. Die Prüfung hat ergeben, daß diese Mittel — z. B. mit dem Namen „Moltoklar" — keine schädlichen Auswirkungen auf den Fischbestand haben.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502401400
Noch eine Zusatzfrage?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502401500
Hat die Bundesregierung mit der norwegischen Reederei Verhandlungen aufgenommen, um zu erreichen, daß die Reederei das Wrack des Tankers aufgibt, damit alle Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Ölpest getroffen werden können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502401600
Wir haben keinen Einfluß auf die Entscheidungsfreiheit des Schiffseigners. Wir haben sofort mit der norwegischen Reederei Verbindung aufgenommen, sie auch, was an sich überflüssig war, darauf hingewiesen, daß auch die norwegische Reederei sich um die Angelegenheit kümmern solle; aber die Reederei hat in den Verhandlungen mit ihrer Regierung ausdrücklich erklärt, sie beabsichtige nicht, das Eigentumsrecht aufzugeben, sondern an der Bergungsverpflichtung festzuhalten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502401700
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Tamblé.
Dr. Tamblé: (SPD) : Herr Staatssekretär, wie weit sind Überlegungen gediehen — die ja in den vergangenen Tagen in der Presse besprochen worden sind —, die Bundesluftwaffe mit Napalmbomben einzusetzen, um das Wrack und die noch nicht ausgelaufenen Ölvorräte zu vernichten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502401800
Die Bundesmarine hat bis zur Stunde jede erbetene Hilfe geleistet und ist im Augenblick auch dabei, einen Tanker zu stellen, in den durch das Bergungsunternehmen, das dafür verantwortlich ist, der im Wrack noch befindliche Inhalt übergepumpt werden soll. Die Zusammenarbeit mit der Bundesmarine ist sehr gut.

(Abg. Dr. Tamblé: Das war zwar keine Antwort auf meine Frage mit den Napalmbomben, aber ich danke!)





Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502401900
Man soll in der Regel keine Kommentare geben, Herr Kollege, auch in der Fragestunde nicht.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0502402000

Welche Bedeutung mißt die Bundesregierung in politischer Hinsicht den im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen erarbeiteten und zuerst in der Wochenzeitung „Echo der Zeit" (20. Februar 1966) teilweise wiedergegebenen Vorstellungen über eine künftige Regelung der deutschen Ostgrenzen bei?
Bitte, Herr Bundesminister!

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502402100
Herr Präsident, die Frage des Kollegen Dr. Marx beantworte ich wie folgt.
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen hat wiederholt erklärt, daß es sich bei dem durch einen Vertrauensbruch bekanntgewordenen Schriftstück um eine Niederlegung von Gedanken handelt, die auf meine Weisung in einem Referat des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen entstanden sind und weder eine Stellungnahme der Bundesregierung noch des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen darstellen. Zweck dieser Studie im Sinne dieses Wortes ist, die gedankliche Auseinandersetzung mit der Denkschrift der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Lage der Vertriebenen und zum Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn zu versachlichen.
Diese Bestimmung des Schriftstücks ist allen Empfängern unmißverständlich mitgeteilt worden, so daß Zweifel über den Charakter und die Bedeutung der Studie — gemessen am Rang der von diesem Haus und der Bundesregierung vertretenen Grundsätze der Deutschlandpolitik — nicht auftreten können. Die Bundesregierung steht unverändert auf dem von Bundesminister Dr. Schröder vor diesem Haus am 12. Januar bekanntgegebenen Standpunkt, daß sie nicht beabsichtigt, zur Denkschrift der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland eine formulierte Stellungnahme abzugeben.
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen würde sich aber einer Pflichtverletzung schuldig machen, wenn es sich nicht mit allen Möglichkeiten der Entwicklung der deutschen Frage kritisch analysierend befaßte. Diese Arbeit, die ebensosehr gedankliche Nüchternheit und politisches Vorstellungsvermögen wie die Kenntnis der Fakten der politischen und historischen Entwicklung erfordert, ist wie alle Planungsarbeit nicht Politik selbst. Sie dient vielmehr den politisch verantwortlichen Verfassungsorganen im Augenblick der Notwendigkeit, dessen Eintreten niemand voraussagen kann, als Hilfe zum Fällen der Entscheidungen. Es ist deshalb die Aufgabe der mit diesen Arbeiten vertrauten Beamten, in Unbefangenheit alle nur denkbaren Wege zu suchen und gedanklich zu begehen. Es entspricht dem der Bundesregierung gegebenen Auftrag, das Wohl des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden, daß sie im rechten Augenblick
in der Lage sein muß, zu urteilen und zu entscheiden.
Das, Herr Abgeordneter, ist die Bedeutung, die die Bundesregierung allen Planungsarbeiten und damit auch dieser Niederlegung von Gedanken zur Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland beimißt, - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Man wird der Politik der Bundesregierung deshalb weder gerecht, wenn man die in der Studie enthaltenen Gedanken bereits als Bestandteil der Deutschlandpolitik ansieht, noch kann man die niedergelegten Gedanken zur Kompetenz der Bundesregierung, territoriale Vorentscheidungen im Vorbereitungsstadium einer Friedensregelung zu treffen, der Mißdeutung aussetzen, als solle damit einem summarischen Verzicht auf die deutschen Ostgebiete das Wort geredet werden. Ebensowenig wird in der Untersuchung die von Bundestag und Bundesregierung erklärte Notwendigkeit des Zusammenhangs jeder endgültigen Festlegung der deutschen Ostgrenzen mit einer die Wiedervereinigung Deutschlands einschließenden Friedensregelung in Frage gestellt. Die in der Studie niedergelegten Gedanken setzen vielmehr die Aufrechterhaltung und die Bewahrung des Rechtsanspruchs des deutschen Volkes auf die deutschen Ostgebiete gerade voraus.
Durch die bedauerliche, offensichtlich in diesem Fall wie in ähnlichen anderen Fällen der Vergangenheit gezielte Indiskretion wird jedenfalls die von allen drei Fraktionen dieses Hauses angestrebte interne Analyse der Deutschlandpolitik nicht gefördert, sondern den Gegnern einer konstruktiven Wiedervereinigungspolitik in die Hände gearbeitet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502402200
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0502402300
Herr Minister, ich danke Ihnen für diese notwendige Klarstellung in diesem Hause und möchte fragen, ob Sie bei weiteren Analysen dieser Art, die, wie Sie sagen, nicht Politik ersetzen sollen, sondern nur Instrument zur Darstellung der Politik sein können, auch bereit sind, die offensichtlich von höchster polnischer Stelle inspirierte Äußerung in der „Życie Warszawie" — das bedeutet „Warschauer Leben" — vom 18. Januar dieses Jahres in den Blick zu nehmen. Erlauben Sie, Herr Präsident, daß ich erkläre, was ich meine. In dieser Zeitung werden drei Bedingungen für einen künftigen deutsch-polnischen Dialog dargestellt. Die erste Bedingung lautet, daß unbedingt — ich zitiere — die Oder-Neiße-Linie anerkannt werden müsse. Die zweite Bedingung ist die Anerkennung zweier deutscher Staaten. Die dritte Bedingung ist die fundamentale Änderung der gesamten deutschen Politik, wobei hinzugefügt wird: „Man kann fragen, was die Polen als Gegenleistung für die Erfüllung dieser Forderung zu opfern bereit sind; wir antworten: Nichts." — Soweit das Zitat!
Ich darf an die eingangs gestellte Frage erinnern. Sie lautete: Sind Sie bereit und gewillt, auch solche Äußerungen, die offensichtlich den Eindruck erwek-



Dr. Marx (Kaiserslautern)

ken, daß man auf kommunistischer Seite die Zeit noch nicht für gekommen hält, etwa laut zu denken und Überlegungen dieser Art anzustellen, ebenfalls in Ihre kommenden Überlegungen einzubeziehen?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502402400
Herr Kollege Dr. Marx, Sie sprachen von der Meldung einer Warschauer Zeitung vom 18. Februar, glaube ich, nicht vom 18. Januar.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : 18. Januar!)

Jedenfalls habe ich sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unter dem 18. Februar oder jedenfalls Mitte Februar gefunden.

(Abg. Dr. Marx [Kaiserslautern] : 18. Januar! — Zuruf von der Mitte: Ist doch wurscht!)

Sie sprachen von einer Meldung, die von „höchster polnischer Stelle" inspiriert sei. Das ist mir neu. Ich' hatte bisher keine Möglichkeit, festzustellen,

(Zuruf von der Mitte: Das ist doch alles inspiriert!)

ob diese höchste polnische Stelle die Zeitung inspiriert hat. Ich wäre Ihnen aber für den Beweis dankbar, denn das erhöht natürlich den Wert dieser Aussage. Ich wäre Ihnen für das Material dankbar; denn das dient natürlich auch zur Verdeutlichung dieses Artikels.
Die Meldung selbst ist mir bekannt. Sie erschien — groß aufgemacht — in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", jedenfalls in der Deutschland-Ausgabe, überraschenderweise nicht in der Bonner
Ausgabe, und zwar unter der etwas Schadenfreude verratenden Überschrift: „Warschau hat Hohn für Mende". Im ersten Absatz dieser Meldung aus der Warschauer Zeitung allerdings steht, daß die Studie des gesamtdeutschen Ministeriums keine Veränderung der Prinzipien der Deutschlandpolitik der Bundesregierung, sondern lediglich eine Änderung der Taktik beinhalte. Es wird dann gesagt, es sei so, als wenn man einen Löffel Honig in ein Faß von Teer geschüttet hätte. Es folgen dann wütende Ausfälle, und es kommen dann auch die von Ihnen eben zitierten Feststellungen.
Ich glaube, daß die Ausfälle der Warschauer Zeitung ein Beweis dafür sind, daß es die polnische Propaganda schwerer haben wird, den deutschen Wiedervereinigungsanspruch als Revanchismus in aller Welt zu diffamieren, wenn wir zwischen der nationalen Einheit, wie sie die Präambel des Grundgesetzes fordert, einerseits und den territorialen Räumen, in denen sie sich vollziehen soll, andererseits begrifflich unterscheiden, wie das in der Studie empfohlen wird.
Ich sehe also in der Art, wie die Warschauer Zeitung über diese Studie herfällt, eher einen Beweis für die Erschwerung der bisherigen kommunistischen Propaganda gegen den Wiedervereinigungsanspruch des deutschen Volkes. Was den Stil der Warschauer Angriffe betrifft, so entspricht er der gegenwärtigen Kampagne gegen das polnische Episkopat und den Primas von Polen wie auch gegen den Briefwechsel mit den deutschen katholischen
Bischöfen. Ich befinde mich hier in einer Gesellschaft, die mich ehrt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502402500
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Marx.

Dr. Werner Marx (CDU):
Rede ID: ID0502402600
Herr Minister, darf ich eine zweite Frage stellen. Seien Sie sich bitte klar darüber, daß es hier nicht darum geht, Streitigkeiten negativer Art miteinander auszufechten, sondern darum, Klarheit zu gewinnen, nachdem die Öffentlichkeit davon Kenntnis genommen hat und also in diesem Hause mit diskutiert wird. Ich darf aus diesem Grunde den zweiten Teil meiner vorhergehenden Frage wiederholen, ob Sie irgendwo Anzeichen offiziöser oder offizieller Art aus den kommunistischen Ländern dafür erkennen, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, in breiterer Weise in Erörterungen dieser angegebenen Art einzutreten?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502402700
Herr Kollege Dr. Marx, die Bundesregierung hatte nie vor, in eine Erörterung dieser Fragen in breiterer Weise einzutreten. Ich verweise auf das, was der Herr Bundesaußenminister Dr. Schröder hier vor diesem Hohen Hause schon gesagt hatte. Die offensichtlich gezielte Indiskretion erst ist Ausgangspunkt einer öffentlichen und zum Teil sehr lückenhaften, zum Teil böswilligen Erörterung dieser Studie gewesen.
Zum zweiten: Ausgangspunkt der Studie ist die schon von mir zitierte Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland. Und ich wiederhole, ich halte es für eine Pflicht des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, alle Entwicklungen zur Deutschlandpolitik zu registrieren, kritisch zu analysieren. Das ist mit der Denkschrift geschehen! Es geschieht gegenwärtig beim Bischofsbriefwechsel der polnischen und deutschen katholischen Bischöfe, und selbstverständlich prüfen wir auch alle aus dem Osten wie aus dem Westen zu uns kommenden Informationen und Nachrichten einschließlich der von Ihnen zitierten Warschauer Stimmen und werden sie selbstverständlich in allen unseren Beratungen ständig berücksichtigen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502402800
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0502402900
Herr Minister, darf ich Sie gerade bezugnehmend auf das, was Sie zuletzt vorgetragen haben, fragen, ob Sie eine Analyse der Ausführungen der kommunistischen Führungsspitze in Polen zu diesem Fragenkomplex haben anfertigen lassen, wenn ja, ob die daraus zu ziehenden Folgerungen zu dieser Studie mit als Grundlage dienten.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502403000
Das Thema — ich wiederhole es — war eine Analyse zur Denkschrift der Evangelischen Kirche. Diese Analyse ist 33 Seiten lang. Sie ist dem Bundeskanzler, wie Sie wissen, einigen Bundesministern und den drei Fraktionsvorsitzenden zugeleitet wor-



Bundesminister Dr. Mende
den, ferner dem Vorsitzenden des Gesamtdeutschen Ausschusses und seinem Stellvertreter. Auf dessen Wunsch ist sie dann dem gesamten Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen zuständigkeitshalber zugesandt worden. Selbstverständlich werden bei den Erörterungen, die über diese Studie im Gesamtdeutschen Ausschuß stattfinden werden, alle denkbaren Fakten zur Deutschland- und damit auch zur Ostpolitik analysiert werden. Das Gesamtdeutsche Ministerium wird wie in der Vergangenheit so auch in Gegenwart und Zukunft seine Aufgabe darin sehen, den parlamentarischen Körperschaften alles so nüchtern, aber vom deutschen Rechtsstandpunkt und von der Verpflichtung des Grundgesetzes her so klar zuzuleiten, daß eine verantwortungsvolle Entscheidung möglich ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502403100
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Klepsch.

Dr. Egon Alfred Klepsch (CDU):
Rede ID: ID0502403200
Herr Minister darf ich aus Ihrer Antwort folgern, daß die von mir gewünschte Analyse über die Ausführungen der kommunistischen Führungsspitze in Polen nicht vorliegt und daß eine solche Untersuchung deshalb nicht mit Grundlage dieser Studie gewesen ist?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502403300
Herr Kollege Klepsch, das dürfen Sie nicht schließen. Das Auswärtige Amt hat ebenso wie das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen
I) ganze Bände von Analysen auch über die Haltung der Kommunistischen Partei Polens und über die ständigen Veränderungen, denen auch die Deutschlandpolitik im Ostblock ja nicht erst seit dem Sturz Chruschtschows unterworfen ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502403400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jahn.

Dr. Hans Edgar Jahn (CDU):
Rede ID: ID0502403500
Herr Bundesminister, Sie haben hier eben Ausführungen gemacht, in denen auch die Präambel des Grundgesefzes ,angeführt wurde, und ich glaube, das Hohe Haus mit großer Sorge zur Kenntnis nehmen,

(Zurufe: Fragen!)

wenn das politische Referat Ihres Hauses, das Sie ja über die Erklärung beraten muß — —

(Lebhafte Zurufe: Fragen! — Zuruf von der SPD: Kein Referat halten!)

Ich frage Sie daher: Wie stehen Sie zu der Erklärung, denn diese Denkschrift ist ja auch über das Haus in der Öffentlichkeit verteilt worden, — ich zitiere wörtlich —:
Zur Begründung der Rückstellungsklausel wird im allgemeinen geltend gemacht, die Bundesregierung sei durch das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes gehindert und insoweit in ihrem Alleinvertretungsrecht beschränkt, andere als die völkerrechtlich legitimierten Grenzen Deutschlands anzuerkennen. Eine solche Entscheidung
heißt es —
könne nur durch eine frei gewählte gesamtdeutsche Regierung gefällt werden.
— Hören Sie gut zu, meine Damen und Herren! — Diese Begründung ist verfassungsrechtlich — — (Lebhafte Zurufe: Fragen!—Große Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502403600
Nun gehen Sie aber weit über die Frageform hinaus.

Dr. Hans Edgar Jahn (CDU):
Rede ID: ID0502403700
Ich komme jetzt zum entscheidenden Satz. Darf ich den noch sagen, Herr Präsident?

(Große Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502403800
Ich bitte Sie aber, das in Frageform zu kleiden.

Dr. Hans Edgar Jahn (CDU):
Rede ID: ID0502403900
Hier wird gesagt:
Diese Begründung ist verfassungsrechtlich nicht unbestritten.

(Anhaltende Zurufe: Fragen!)

Zwar ist nach dem Wortlaut der Präambel des Grundgesetzes das gesamte deutsche Volk aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Deutschland wird hier aber in seinem territorialen Bestand nicht definiert.
Ich frage das Hohe Haus, ob — —

(Zuruf von der SPD: Nein, den Minister sollen Sie fragen! — Weitere anhaltende Zurufe. — Große Unruhe.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502404000
Ich muß entschieden gegen diese Form der Beteiligung an der Fragestunde protestieren. Ich glaube, das geht nun wirklich nicht.

(Beifall.)

Zu einer weiteren Frage — —

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502404100
Herr Präsident, ich glaube die Frage verstanden zu haben und möchte mit einem Satz darauf antworten.

(Zuruf von der SPD: Die hat er doch selbst nicht verstanden!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502404200
Wenn Sie antworten wollen, Herr Minister, — bitte!

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502404300
Ja, es war einmal doch zu hören: „Ich frage".

(Heiterkeit.)

Der Kollege Jahn hat am Schluß gesagt: „Ich frage das Hohe Haus". Ich darf feststellen, daß hier der Vertreter der Bundesregierung, der Bundesminister des Auswärtigen Dr. Schröder, erklärt hat, daß die



Bundesminister Dr. Mende
Bundesregierung nicht daran denkt, offiziell eine formulierte Erklärung zur EKD-Denkschrift abzugeben. Dasselbe habe ich hier wiederholt. Nun ist diese Studie, Herr Kollege Jahn, dem Gesamtdeutschen Ausschuß zugeleitet. Sie wird Gegenstand von Beratungen im zuständigen Gremium sein. Ich glaube, es würde die Fragestunde in ihrer Einrichtung überfordern, wenn ich hier auf Ihre Frage die 33 Seiten der Denkschrift nun einer Interpretation unterwürfe. Das gehört in den vertraulichen Ausschuß, der dafür zuständig ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502404400
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Prinz von Bayern.

Prinz Konstantin von Bayern (CSU):
Rede ID: ID0502404500
Herr Bundesminister, darf ich Sie zur Verdeutlichung folgendes fragen. Wenn in der Studie von der Gewährung des Heimatrechtes für vertriebene Deutsche gesprochen wird, ist dieser Passus dann dahin gehend aufzufassen, daß eine Europäisierung dieser Heimatgebiete mit Garantien für Selbstverwaltungsrecht der verschiedenen Volksgruppen in diesem Gebiet gemeint ist, oder ist dabei an einen Minderheitenstatus im Staatsgebiet eines anderen Nationalstaates gedacht?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502404600
Ich bin nicht bereit, hier in eine sachliche Erörterung der 33 Seiten langen Studie einzutreten, sondern möchte das zunächst dem zuständigen parlamentarischen Gremium, dem Gesamtdeutschen Ausschuß, überlassen.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei Abgeordneten der SPD.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502404700
Herr Abgeordneter Zoglmann zu einer Frage.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0502404800
Herr Minister, darf ich aus Ihrer Feststellung, daß diese Äußerung zur Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland durch eine Indiskretion in die Öffentlichkeit gekommen ist, und aus Ihrer weiteren Feststellung, daß Sie diese Äußerung an den Bundeskanzler, an die drei Fraktionsvorsitzenden und an die Mitglieder des Gesamtdeutschen Ausschusses zur Kenntnisnahme geleitet haben, entnehmen, daß das Vorlesen dieser Denkschrift durch einen Kollegen hier in diesem Raum ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Indiskretion registriert werden kann?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502404900
Ich möchte einen Unterschied machen, Herr Kollege Zoglmann, zwischen dem Deutschen Bundestag und jener Wochenschrift, die als erste in der Lage war, mit Vorausmeldungen an die Presseagenturen diese Indiskretion vorsätzlich zu begehen, noch dazu mit der Feststellung, sie, diese Wochenzeitung, habe sich Einblick in die Studie „verschaffen" können. Ich glaube, nachdem ohnehin durch die Indiskretion vieles über diese Studie bekanntgeworden ist, sollte eine Erörterung von Einzelfragen hier nicht überbewertet werden. Aber ich wiederhole, man kann die Studie hier nicht mit aus dem Zusammenhang gerissenen Einzelabschnitten in einer Fragestunde behandeln. Das ist der Sinn dieser Studie: Grundlage einer sachlichen Erörterung in dem dafür zuständigen verfassungsmäßigen Gremium, d. h. in der Bundesregierung und in den entsprechenden Ausschüssen des Deutschen Bundestages, zu sein.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502405000
Frau Abgeordnete Dr. Maxsein.

Dr. Agnes Katharina Maxsein (CDU):
Rede ID: ID0502405100
Herr Bundesminister, wie stellen Sie persönlich sich vor, auf welchem Wege der Schaden, den die Studie der Glaubwürdigkeit der deutschen Rechtsposition im Ausland zugefügt hat, repariert werden kann?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502405200
Ich habe nicht den Eindruck, daß diese Studie der deutschen Position Schaden zugefügt hat;

(Zuruf rechts: Im Gegenteil!)

ich bin eher der Meinung, daß diese Studie, wenn sie im Gesamtdeutschen Ausschuß und im Auswärtigen Ausschuß und vielleicht auch im ganzen Bun-. destag einmal Gegenstand einer öffentlichen Erörterung sein wird, ein Musterbeispiel nüchterner und sachlicher Arbeit hier sein wird, und ich weiß, daß prominente Vertreter aller drei Fraktionen mir das bereits zum Ausdruck gebracht haben. Was nun den Schaden betrifft, so ist nicht derjenige ein Schädiger der deutschen Interessen, der sich kritische Gedanken aus seiner Verantwortung macht, sondern jener, der sie verkauft, um damit Schaden zu stiften.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/ CSU.)

Im übrigen sind ja in Bonn bereits mehrfach Fälle dieser bedauerlichen Methode des Preisgebens von vertraulichen Dokumenten zu beklagen, vom Fall Epstein bis zu dem, was der Kollege Schröder kürzlich leider erfahren hatte.

(Zuruf von der FDP: Immer aus der gleichen Quelle!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502405300
Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0502405400
Herr Minister, können Sie sicherstellen, daß in Zukunft der Schaden, von dem soeben die Rede war, dadurch abgewendet wird, daß Analysen jedweder Art, die in Ihrem Hause in Zukunft hergestellt werden, nicht in die Öffentlichkeit geraten? Können Sie das sicherstellen,

(Lachen bei der SPD und Zurufe)

und kann in dieser so wichtigen Frage verhindert werden, daß das Ansehen des deutschen Volkes, das hier in seinen nationalen Belangen angesprochen ist, nicht weiter gemindert wird?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502405500
Frau Kollegin, der höchstmögliche Schutz



Bundesminister Dr. Mende
für solche Analysen ist die durch einen Stempel und durch das Anschreiben festgestellte Vertraulichkeit und die Zuleitung an einen kleinen Kreis, der auf Grund seiner Stellung die Gewähr für Vertrauenswürdigkeit bietet. Im übrigen ist ja auch der Gesamtdeutsche Ausschuß ein vertraulicher Ausschuß. Mehr kann man nicht tun, als diese technischen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Gegen Böswilligkeit und gemeinen Verrat gibt es keinen grundsätzlichen Schutz.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502405600
Herr Abgeordneter Borm.

Dr. William Borm (FDP):
Rede ID: ID0502405700
Herr Minister, sind Sie in der Lage, dem Hohen Hause Auskunft darüber zu geben, auf welche Weise, durch wen und zu welchem Zweck die Indiskretion begangen wurde?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502405800
Herr Kollege Borm, ich kann mich hier nur aus der Vergangenheit auf gewisse Vermutungen stützen; ich habe keine Beweismöglichkeiten. Im übrigen bitte ich mich nicht zu überfordern; ich kann mich hier nicht als Staatsanwalt gebärden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502405900
Meine Damen und Herren, ich muß sagen, ich habe gelinde Zweifel, ob diese Form der Fragestunde wirklich dem deutschen Volke nützt.

(Zuruf rechts: Sehr richtig!)

Nun zu einer Frage Herr Abgeordneter Zoglmann.

Siegfried Zoglmann (CSU):
Rede ID: ID0502406000
Herr Minister, können Sie sasagen, welcher politischen Richtung die Zeitung „Echo der Zeit" nahesteht?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502406100
Herr Kollege Zoglmann, ich möchte hier nicht politische Wertungen von Wochenzeitschriften abgeben. Ich bin überzeugt, daß die Mitglieder dieses Hohen Hauses genau wissen, wie die Zeitung heißt, wer sie verlegt und wem sie politisch nahezustehen scheint.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502406200
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Köppler.

Heinrich Köppler (CDU):
Rede ID: ID0502406300
Herr Minister, darf ich Ihren bisher gegebenen Antworten entnehmen, daß Sie mit uns der Auffassung sind, diese Studie ist nicht, wie man zunächst nach ihrem Studium vermuten könnte, Gegenstand der Inauguration einer neuen deutschen Ostpolitik, und daß auch nicht zutrifft, was man als unbefangener Leser annehmen könnte, daß hiermit Ideen wieder in die deutsche Politik eingeführt werden sollten, die den Grundsätzen, die hier im Hause für die deutsche Ostpolitik beschlossen worden sind, widersprechen und die zuletzt unter dem sogenannten Scholven-Dokument bekanntgeworden sind?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502406400
Ich verweise auf die eingangs gegebene Antwort. Im übrigen war diese Studie für den Bundeskanzler, die Bundesminister und Parlamentarier angefertigt; sie war nicht für „unbefangene Leser", sondern für durchaus versierte Parlamentarier und Politiker geschaffen, denen man ein gewisses Urteilsvermögen zutrauen konnte und bei denen man vor Mißverständnissen sicherer sein konnte als bei böswilligen Verfälschern.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502406500
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0502406600
Herr Minister, gehört es zu den Grundsätzen deutscher Politik und speziell deutscher Ostpolitik, daß die Beamten, die eine Verpflichtung gegenüber der Regierung haben, die Regierung nicht auf das aufmerksam zu machen haben, was sich um die deutsche Politik herum und speziell in der Ostpolitik tut?

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502406700
Herr Kollege Wehner, alle Gutachten, Expertisen und Studien werden von Fachleuten und Sachverständigen gemacht. Sie haben die Pflicht, auf Weisung ihres Ministers solche Arbeiten anzufertigen. Der Minister wiederum wie das Kabinett und die Parlamentarier haben die Pflicht, die Konsequenzen aus den Analysen und Studien zu ziehen. Es ist eine sich aus dem Grundgesetz ergebende selbstverständliche Pflicht, ständig die Entwicklung zu beobachten und daraus die entsprechenden fachlichen und politischen Konsequenzen zu ziehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502406800
Noch eine Frage des Herrn Abgeordneten Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0502406900
Darf ich Ihre Anwort so verstehen, daß es also nicht zu den hier soeben berufenen Grundsätzen der deutschen Ostpolitik gehört, sich so zu stellen, als gebe es weder einen Osten noch eine Politik?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP.)


Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0502407000
Herr Kollege Wehner, der Beifall, den Sie soeben auf allen Seiten des Hauses

(Widerspruch)

erhalten haben, ist die Bestätigung der rhetorischen Frage, als die ich Ihre Frage verstanden haben möchte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502407100
Jetzt scheint es keine weiteren Fragen mehr zu geben.
Ich rufe dann die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz auf, zunächst die Frage II/1 des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen:
Wann wird die Bundesregierung Vorschläge vorlegen, die geeignet sind, einen Zeitungsaustausch mit der Zone zu ermöglichen?
Bitte, Herr Staatssekretär, wollen Sie antworten.




Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502407200
Die Antwort lautet wie folgt.
Die Bundesregierung hat wiederholt, und zwar gerade in neuerer Zeit, zu erkennen gegeben, daß sie einen Zeitungsaustausch mit der sowjetisch besetzten Zone auf der Basis der Gegenseitigkeit — das möchte ich betonen — wünscht. Denn die Bundesregierung hält es für wichtig, daß die Deutschen in der Zone sich aus Zeitungen und Zeitschriften der Bundesrepublik Deutschland ein Bild von den Verhältnissen im freien Teil Deutschlands machen können. Zugleich sieht die Bundesregierung darin ein Mittel, die Verbindung zwischen den Deutschen in beiden Teilen Deutschlands enger zu knüpfen.
Das Bundesjustizministerium hat in Zusammenarbeit mit den unmittelbar beteiligten Ressorts der Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes ausgearbeitet, durch das die materiellrechtlichen — das ist wichtig — und die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Zeitungsaustausch geschaffen werden sollen. Der Entwurf bedarf nur noch einer letzten Politur. Es ist damit zu rechnen, daß er schon in Kürze dem Kabinett zur Beschlußfassung und dann dem Hohen Hause vorgelegt werden wird.
Ich darf aber eins hinzufügen, gerade weil wir heute hier vor der Öffentlichkeit sprechen. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine Verbote von Zeitungen und Zeitschriften. Daher sind an sich auch sowjetzonale Zeitungen und Zeitschriften nicht verboten. Die Zeitungen und Zeitschriften aber, die aus der Sowjetzone kommen, verstoßen, wie wir leider immer wieder beobachten müssen, durch ihren Inhalt gegen die in der Bundesrepublik geltenden Strafvorschriften, und sehr oft enthalten sie Artikel, durch die Bestrebungen gegen den Bestand und auch gegen die tragenden Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik gefördert werden sollen. Gleichwohl wird sich das Bundesjustizministerium und werden sich die Ressorts Mühe geben, einen Weg zu finden, der den Einwand ausräumt, unsere Strafbestimmungen in der Bundesrepublik könnten einer Freizügigkeit der Zeitungen aus der Sowjetzone entgegenstehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502407300
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.

Dr. Hermann Schmitt (SPD):
Rede ID: ID0502407400
Herr Staatssekretär, werden Sie bei dieser Gelegenheit auch die Vorschriften des Verbringungsgesetzes darauf überprüfen, ob und inwieweit hier Verbesserungen notwendig sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502407500
Jawohl, gerade das ist der Weg, den wir im Auge haben. Da werden wir anknüpfen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502407600
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Heinemann.

Dr. Gustav W. Heinemann (SPD):
Rede ID: ID0502407700
Herr Staatssekretär, handelt es sich bei dem von Ihnen erwähnten Gesetzentwurf um einen Bestandteil des neuen politischen Strafrechts oder um einen besonderen Gesetzentwurf ?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502407800
Es wird sich um einen besonderen Gesetzentwurf handeln. Gestern gerade hat der Ausschuß Ihres Hohen Hauses über die Änderung der Staatsschutzbestimmungen beraten. Wir werden kaum auf das Ergebnis dieser Beratungen warten können. Ich glaube, diese Frage ist noch dringender. Wir werden daher entsprechend meiner Annonce dem Kabinett und dem Hohen Hause in Bälde eine entsprechende Vorlage zuleiten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502407900
Keine weitere Frage? — Dann rufe ich die Frage II/2 des Abgeordneten Felder auf:
Kann der Bundesjustizminister darüber Auskunft geben, ob es außer in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg auch in anderen Gefängnissen und Zuchthäusern der Bundesrepublik Beruhigungszellen gegeben hat?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502408000
Von Bundes wegen — ich muß hier den Ton legen auf „von Bundes wegen" — kann ich nur die rechtliche Grundlage dafür aufzeigen, daß Beruhigungszellen eingerichtet werden können. Die praktische Handhabung liegt bei den Ländern.
Es ist zu unterscheiden der Strafvollzug und die Untersuchungshaft. Für den Strafvollzug ist die gesetzliche — ich betone „gesetzliche" — Grundlage in der Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen vom 14. Mai 1934 (RGBl. I S. 383) enthalten. Durch jene Verordnung sind Grundsätze, die die Landesregierungen am 7. Juni 1923 vereinbart hatten, als Gesetz bestimmt worden. Diese rechtliche Grundlage ist noch heute gegeben, bis zum Inkrafttreten eines neuen Strafvollzugsgesetzes. Danach ist bei Strafgefangenen als Sicherungsmaßnahme die Unterbringung - so heißt es in § 133 Nr. 3 dieser Grundsätze — in einer Beruhigungszelle zulässig. Administrativ ist dieser Grundsatz wiederholt worden — aber eben nur wiederholt worden — in einer Dienst- und Vollzugsordnung, die aber keinen Gesetzescharakter hat.
Für die Untersuchungshaft findet sich die gesetzliche Grundlage in § 119 Abs. 5 und 6 der Strafprozeßordnung. Die rein verwaltungsmäßige Erläuterung der Unterbringung ist in Nr. 63 Abs. 1 Nr. 9 der bundeseinheitlichen Untersuchungshaft-Vollzugsordnung enthalten.
Über die Einrichtung der Beruhigungszelle selbst — so ist der amtliche Ausdruck in den Gesetzesmaterialien, die ich soeben zitiert habe — befinden die Länder in eigener Zuständigkeit. In den Ländern bestehen insgesamt über 107 selbständige Vollzugsanstalten, daneben noch die, wie man sagen kann, gewöhnlichen Gefängnisse. Ob in allen Vollzugsanstalten und auch in den Gerichtsgefängnissen Beruhigungszellen tatsächlich bestehen, kann nur in den einzelnen Ländern selbst geklärt werden. Insbesondere kann auch die Handhabung gegebenenfalls nur durch Debatten in den Länderparlamenten geklärt werden.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502408100
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Felder.

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0502408200
Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, mit Ihren Kollegen aus den Ländern recht bald das durch die Hamburger Vorgänge besonders dringend gewordene Problem der absoluten Sicherung des Beschwerderechts der Gefangenen vor allem dahin gehend zu erörtern, daß bei Anzeichen von Körperverletzungen die umgehende und strengste Prüfung des Tatbestands zu erfolgen hat? Würden Sie persönlich oder Ihr Haus auch den Standpunkt vertreten, daß in der Untersuchungs-und in der Strafhaft sogenannte Beruhigungszellen längst nicht mehr zeitgemäß sind, da, von der Zwangsläufigkeit des modernen Strafvollzugs abgesehen, nach dem heutigen Stand der Medizin auch renitente Gefangene, besonders wenn es sich um Nervenkrisen handelt, medikamentös und ohne jede, körperliche Schädigung behandelt werden können?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502408300
Ich glaube, das Gremium, in dem diese Fragen zu erörtern sein werden, ist die Konferenz der Landesjustizminister, an der der Bundesjustizminister teilnimmt. Ich bin gern bereit — das ergibt sich nach den jüngsten Ereignissen, die höchstwahrscheinlich Anlaß zu der Frage gegeben haben, eigentlich von selbst —, mich dafür einzusetzen, daß dieser Fragenkomplex zusammen mit den Ländern erörtert wird.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502408400
Noch eine Frage des Abgeordneten Felder.

Josef Felder (SPD):
Rede ID: ID0502408500
Wären Sie oder wäre Ihr Haus, Herr Staatssekretär, bereit, den Justizverwaltungen der Länder zu empfehlen, jenen aufsehenerregenden Brief aus dem Zuchthaus Hamburg, den „Die Welt" heute veröffentlicht hat und den der Herr Senator Kramer, der Präses der Hamburger Gefängnisbehörde, als ein Schriftstück eines hochintelligenten Gefangenen von unschätzbarem Wert bezeichnete, den Gefängsnisbehörden in der Bundesrepublik zur eingehenden Lektüre zuzuleiten?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502408600
Ich glaube, das wird schon die Freie und Hansestadt Hamburg tun. Ich möchte Hamburg nicht ausdrücklich darum bitten. Ich nehme aber an, daß, wenn dieses Thema auf die Tagesordnung kommt, Hamburg seinerseits alles unternehmen wird, um die übrigen Landesjustizverwaltungen zu unterrichten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502408700
Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Geißler.

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID0502408800
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, ob auch in anderen Beruhigungszellen bzw. Haftanstalten, die außerhalb der Verantwortung des Hamburger Senats stehen, Menschen, wie geschehen, zu Tode geprügelt worden sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502408900
Wir haben im Bundesjustizministerium über Vorgänge in den Beruhigungszellen bisher kein Material erhalten. Ich habe die Akten selbst durchgesehen; ich gehöre ja dem Bundesjustizministerium seit seiner Gründung an. Bisher ist uns nichts darüber bekanntgeworden. Wir kennen nur die Tatsache, daß es diese Einrichtung gibt. Ich habe mir einige Zahlen geben lassen, aus denen hervorgeht, daß in den letzten Jahren tatsächlich die Beruhigungszellen benutzt worden sind, aber über irgendwelche Vorgänge in den Zellen haben wir nichts erfahren.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502409000
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0502409100
Herr Staatssekretär, darf ich fragen, wie die Bundesregierung die Zustände bewertet, die jetzt nach und nach im Hamburger Gefängniswesen an das Tageslicht kommen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502409200
Herr Abgeordneter, einer Stellungnahme und einer Kritik zu diesen Vorgängen in Hamburg muß ich mich aus naheliegenden Gründen enthalten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502409300
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rollmann.

Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0502409400
Welche Schlußfolgerungen wird die Bundesregierung bei der Erarbeitung des Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes aus den in Hamburg zutage getretenen Zuständen ziehen?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502409500
Das wird sich erst beantworten lassen, wenn wir jene Sitzung hatten, von der vorhin die Rede war und auf der auch einmal höchstwahrscheinlich dieser Hamburger Fall erörtert wird und auf der auch andere Länder auf Grund ihrer Erfahrungen zur Klärung beitragen. Wir haben dieses Problem — dahin gehen meine Informationen — bereits bei der Vorbereitung einer neuen Vollzugsordnung angesprochen. Damals hat man aber dieses Problem als nicht so besonders tragisch angesehen, sondern geglaubt, es bei den in der Weimarer Republik vorgesehenen Richtlinien belassen zu können. Ob eine Änderung eintreten muß, das wird sich zeigen, wenn wir an die Erörterung dieses Problems herangehen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502409600
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0502409700
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß es Zuständigkeitsschwierigkeiten gebe, festzustellen, was in Zusammenhang mit Grundsätzen der Länder, von denen Sie hier gesprochen haben, in denen auch Beruhigungszellen figurieren sollen — —

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502409800
Nein!




Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0502409900
Entschuldigen Sie, ich bin noch nicht fertig — daß es in diesem Zusammenhang also Schwierigkeiten gebe, festzustellen — so möchte ich doch das Interesse an dieser Sache verstehen —, ob hier nicht vom Grundgesetz her, von den Grundrechten her, ein Zuständigkeitsanspruch gegeben ist; einfach, wenn schon nicht im Interesse der Wahrung der Rechte des Individuums, so doch wenigstens im Interesse der Beruhigung derer, die sich darüber beunruhigen, daß es Beruhigungszellen geben kann?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502410000
Herr Abgeordneter, ich bitte, nicht mißverstanden zu werden. Es ist für uns nicht schwierig, das festzustellen. Ich muß aber, wenn wir hier im Hohen Hause etwas Näheres über einzelne Länder sagen wollen, Rückfragen halten und die Länder bitten, uns etwas Näheres zu sagen. Es ist zweierlei zu unterscheiden. Ich habe über die gesetzlichen Grundlagen referiert, die von Bundes wegen gezogen sind. Sie sind einwandfrei und halten auch einer grundrechtlichen Betrachtung durchaus stand. Das haben wir genau geprüft. Eine weitere Frage ist die, wie es mit der praktischen Handhabung steht. In diese haben wir keinen Einblick; sie liegt bei den Ländern. Wenn wir also etwas zu erfahren wünschen, müssen wir uns an die Länder wenden. Ich glaube, der Vorschlag, die Dinge im Schoße der Länderjustizverwaltungen zu erörtern, ist ausgezeichnet und gibt uns sicher auch Anlaß dazu, etwaigen Vorkommnissen, nicht einmal Mißständen, nachzugehen; vielleicht bekommen wir auch statistisches Material. Es erfüllt einen natürlich mit einer gewissen Sorge, daß es eine solche Einrichtung gibt. Ich kann andererseits versichern, daß wir bisher mit solchen Dingen überhaupt nicht befaßt worden sind.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502410100
Eine Frage, Herr Abgeordneter Wehner.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0502410200
Herr Staatssekretär, Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, hier gesagt, daß die gesetzgeberische Grundlage grundgesetzlich einwandfrei sei. Mich interessiert — und vielleicht auch andere —, ob die Handhabung und die Behandlung der Menschen grundgesetzlich und grundrechtlich einwandfrei ist und ob es keinerlei Möglichkeiten gibt, das festzustellen und sich dafür einzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502410300
Sich dafür einzusetzen, Herr Abgeordneter, sicher; aber ob es solche Fälle gibt, wo diese Grundrechte verletzt worden sind, können wir Ihnen nur nach Rückfrage bei den Ländern berichten; denn die werden uns nicht ohne weiteres gemeldet.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502410400
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jacobi.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0502410500
Herr Staatssekretär, darf ich das vom Herrn Kollegen Wehner Angesprochene konkretisieren und fragen, ob Sie — unabhängig von Zuständigkeiten und unabhängig von der Problematik von Beruhigungszellen — nicht eine Möglichkeit sehen, auf die Landesjustizministerien und darüber hinaus auf die Landesinnenminister bzw. die zuständigen Senatoren hinzuwirken, daß mehr denn je darauf geachtet wird, daß Beamten Mißhandlungen, auch im Dunkel von Anstalten, nicht gestattet sind und daß solche Verstöße auf das strengste geahndet werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502410600
Sicher kann das geschehen. Ich möchte jedoch die Kompetenzfrage betonen. Der Bundesjustizminister hat kein Aufsichtsrecht über seine Kollegen in den Ländern. Aber Sie können ebenso überzeugt sein, daß die Minister und die Senatoren in den Ländern gerade wegen dieser Ereignisse und der Fragestunde, die wir jetzt haben, diese Dinge erörtern und ihnen nachgehen werden. Mehr kann ich Ihnen nicht zusichern. Ich vermute, daß es alsbald geschieht; denn die nächste Ministerkonferenz, auf deren Tagesordnung wir diesen Punkt sehen könnten, findet nach Ostern bereits hier in Bonn statt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502410700
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0502410800
Darf ich Sie bitten, mit allem Nachdruck und wiederum unabhängig von formalen Erwägungen darauf hinzuwirken, daß die Vorkommnisse, die bekanntgeworden sind, auf alle Fälle in einer der nächsten Konferenzen eingehend auch im Hinblick auf die Vermeidung von Wiederholungen erörtert werden?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502410900
Das kann ich zusagen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502411000
Herr Abgeordneter Haase zu einer Zusatzfrage.

Lothar Haase (CDU):
Rede ID: ID0502411100
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung wirklich keine Möglichkeiten, auf die Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse im Hamburger Gefängniswesen hinzuwirken?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502411200
Ich glaube, wenn Sie das so voraussetzen, daß bei den Ländern solche Zustände bestehen, wäre das eine sehr unangenehme Kritik, die die Herren Landesjustizminister und die Senatoren nicht ohne weiteres hinnehmen würden. Wir können umgekehrt davon ausgehen, daß vielleicht einmal ein Mißgriff vorgekommen ist, daß generell — es gibt ganz andere Zahlen — die Dinge normaler verlaufen sind, als wir es vermuten. Ich glaube, wir sollten uns doch dabei beruhigen, daß wir die Dinge im Schoße der Landesjustizverwaltungen auf Grund der Berichte, die in den Zeitungen



Staatssekretär Dr. Bülow
standen, und auf Grund der Berichte, die wir höchstwahrscheinlich noch aus Hamburg bekommen werden, in aller Offenheit erörtern werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502411300
Herr Abgeordneter Lemmer zu einer Zusatzfrage.

Ernst Lemmer (CDU):
Rede ID: ID0502411400
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie ausführten, eine der Verordnungen, die für den Strafvollzug bestimmend sind, stamme aus dem Jahre 1934?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502411500
Ja, Herr Abgeordneter, das Datum hat mich auch sehr stutzig gemacht. Aber ich habe hinzugefügt, daß diese Verordnung Grundsätze einführte und festhielt, die im Jahre 1923 ausgearbeitet worden sind. Ich glaube, insofern ist das Datum des Jahres 1934 dann unverfänglich.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502411600
Herr Abgeordneter Lemmer zu einer weiteren Zusatzfrage.

Ernst Lemmer (CDU):
Rede ID: ID0502411700
Ist es nicht angebracht, Herr Staatssekretär, grundsätzlich alles einmal zu prüfen, was seit dem 30. Januar 1933 an Verordnungen irgendwie in unsere Justiz eingebaut worden ist?

(Lebhafter Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502411800
Ich trete Ihnen völlig bei. Wir sind im Zuge, es zu tun. Auf dem Gesetzgebungsprogramm des Bundesjustizministeriums steht der Entwurf einer neuen Dienst- und Vollzugsordnung.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502411900
Eine Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Bechert.

Dr. Karl Bechert (SPD):
Rede ID: ID0502412000
Herr Staatssekretär, ist es nicht höchste Zeit, in die gesetzlichen Regelungen für den Strafvollzug eine Bestimmung aufzunehmen, daß Gewaltanwendung in Form von Schlägen und dgl., wie es in Hamburg vorgekommen sein soll, verboten und daß nur medikamentöse Behandlung zulässig ist?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502412100
Das Problem ist bei den Beratungen zu der Vollzugsordnung, die angefangen haben, bereits erörtert worden. Nach meinen Erkundigungen gab es eine ziemliche Mehrheit dafür, diese Dinge und wohl auch die Fesselung, die auch vorgesehen ist, nicht beizubehalten, sondern, wie es an anderen Orten geschieht, medikamentös vorzugehen. Aber bitte, das sind Fragen, die nur im Zusammenhang mit medizinischen Sachverständigen erörtert werden können. Das soll auch geschehen. Das fällt unter das Kapitel, das Herr Abgeordneter Lemmer uns mitgab, daß wir uns nämlich bemühen müssen, eine neue Vollzugsordnung zu erstellen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502412200
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert.
Dr. Bechert, (Gau-Algesheim) (SPD) : Herr Staatssekretär, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Schwerpunkt meiner Frage darauf lag, daß Schläge verboten sein sollten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502412300
Jawohl.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502412400
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Strohmayr.

Alois Strohmayr (SPD):
Rede ID: ID0502412500
Herr Staatssekretär, glauben Sie nicht, daß 21 Jahre Zeit genug gewesen wären, die Dinge, die sich hier seit 1933 eingeschlichen haben, zu rektifizieren?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502412600
Ja. Ich darf andererseits sagen, es hat soviel zu tun gegeben, und Sie selbst im Hohen Hause wissen ja, wie Sie uns mitgeholfen haben, nach 1949 wieder Ordnung hineinzubringen. Ich erinnere an die verschiedenen Vereinheitlichungsgesetze und Bereinigungsgesetze, die das Hohe Haus verabschiedet hat. So war in der Tat noch keine Zeit, die Vollzugsordnung zu beraten und zu verabschieden. Wir haben den Staatsschutz, wir haben das Zeugnisverweigerungsrecht, — —

(Abg. Wehner: Wir brauchen den Schutz gegen das Totgeschlagenwerden!)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502412700
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Geißler.

Dr. Heiner Geißler (CDU):
Rede ID: ID0502412800
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß es doch wohl verfehlt ist, die Vorgänge in Hamburg darauf zurückzuführen, daß vielleicht irgendwelche positivrechtlichen Gesetze nicht in Ordnung sind, sondern daß die Vorgänge auch dadurch hätten verhindert werden können, daß die verantwortlichen Stellen sich an das Grundgesetz gehalten hätten?

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502412900
Ich glaube, wir sollten den Bericht des Untersuchungsausschusses in Hamburg abwarten, den ich selbst noch nicht kenne und von dem nur Teile in der Presse berichtet worden sind.

(Anhaltende Unruhe und Zurufe.)


Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0502413000
Herr Staatssekretär, Sie haben von einem Fall gesprochen, der — —

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502413100
Sie sind nicht dran, Herr Kollege Rollmann. Sie müssen sich zuerst einmal melden, und ich muß Ihnen zuerst die Erlaubnis geben.

(Abg. Rollmann: Das hatte ich ja getan! — Zurufe von der SPD: Und er hat schon zwei Fragen gehabt!)

Das ist nun leider so. Im übrigen bin ich an dem
Punkt, wo ich mich frage, ob man die Zusatzfragen



Vizepräsident Schoettle
zu einer Frage derart ausdehnen darf, daß die Fragen aller übrigen Fragesteller einfach unter den Tisch fallen. Wir haben hier eine riesige Menge von Fragen, und die Blockierung einer Fragestunde durch eine einzige Frage geht etwas weit. — Aber bitte, jetzt Herr Rollmann!

(Zurufe von der SPD: Das ist schon die dritte Frage!)


Dietrich-Wilhelm Rollmann (CDU):
Rede ID: ID0502413200
Herr Staatssekretär, Sie haben soeben in der Beantwortung einer Zwischenfrage von einem Mißgriff im hamburgischen Gefängniswesen gesprochen. Ist Ihnen bekannt, daß infolge der Behandlung in der „Glocke" des Untersuchungsgefängnisses bereits drei Untersuchungsgefangene verstorben sind?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502413300
Wenn ich von einem Mißgriffsfall sprach, meinte ich den Fall, den der Untersuchungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft untersucht hat. Der zweite Fall, der jetzt in der Presse erwähnt worden ist, ist vom Untersuchungsausschuß noch nicht untersucht worden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502413400
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Dr. Apel.

Dr. Hans Apel (SPD):
Rede ID: ID0502413500
Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Meinung, daß hier versucht wird, ein echtes Problem in den Wahlkampf hineinzuziehen, der zur Zeit in Hamburg läuft?

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502413600
Ich glaube, die Beantwortung dieser Frage gehört nicht zur Kompetenz des Bundesjustizministeriums.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502413700
Ich rufe nun die Fragen aus ;dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Familie und Jugend auf. Zunächst Frage IV/1 des Herrn Abgeordneten Westphal:
Haben die bisherigen Beratungen des Bundesjugendkuratoriums bereits zu einer Empfehlung an die Bundesregierung geführt, auf welche Themenbereiche sich der von der Bundesregierung dem Bundestag und Bundesrat vorzulegende Zweite Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe (§ 25 Abs. 2 des Gesetzes für Jugendwohlfahrt) konzentileren soll?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502413800
Herr Präsident, wenn Sie gestatten und Herr Kollege Westphal einverstanden ist, werde ich beide Fragen gemeinsam beantworten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502413900
Einverstanden? — Ich rufe also noch die Frage IV/2 des Herrn Abgeordneten Westphal auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die Auswahl der thematischen Schwerpunkte für den Zweiten Jugendbericht dem Ausschuß für Familien- und Jugendfragen des Bundestages zur Beratung vorzulegen, bevor eine Festlegung der Themen erfolgt?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502414000
Herr Kollege Westphal, ich beantworte beide
Fragen mit Nein, die zweite Frage vor allen Dingen deswegen, weil nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages die Bundesregierung sich in einer solchen Sache nicht unmittelbar an den Ausschuß wenden kann. Die Initiative müßte vom Plenum des Deutschen Bundestages ausgehen. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß erstens im Bundesjugendkuratorium und zweitens im Ausschuß für Familien- und Jugendfragen der Erste Jugendbericht zur Beratung vorliegt. Im Rahmen dieser Beratungen werden sicher Anregungen gegeben und Vorschläge gemacht werden auch hinsichtlich der Thematik und der Ausgestaltung des Zweiten Jugendberichts. Die Bundesregierung wird solche Anregungen und Vorschläge selbstverständlich sorgfältig prüfen und gegebenenfalls berücksichtigen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502414100
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0502414200
Herr Minister, werden Sie die Empfehlung des nach § 26 des Jugendwohlfahrtsgesetzes zuständigen Beratungsgremiums der Bundesregierung für alle Jugendfragen zur inhaltlichen Gestaltung des zweiten Jugendberichts abwarten und erst dann die Entscheidung treffen, welche Schwerpunkte gewählt werden sollen?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502414300
Das Bundesjugendkuratorium hat, wie ich schon sagte, eine derartige Empfehlung bisher nicht gegeben. Das Bundesjugendkuratorium hat bei seinen Beratungen bisher schon Anregungen und Vorschläge beiläufig gemacht. Ich sehe deswegen keine Veranlassung, von mir aus dem Bundesjugendkuratorium eigens den Auftrag zu geben, Vorschläge zu machen, wie der Zweite Jugendbericht gestaltet werden soll.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502414400
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0502414500
Herr Minister, trifft es denn zu, daß Ihr Haus sich bereits vorgenommen hat, den Zweiten Jugendbericht auf die beiden Schwerpunktthemen zu konzentrieren, die man etwa unter die Stichworte fassen könnte: Aus- und Fortbildung der hauptamtlichen Mitarbeiter der Jugendhilfe einerseits und Probleme der jungen Menschen in der Bundeswehr andererseits?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502414600
Herr Kollege Westphal, in meinem Hause werden natürlich seit dem Zeitpunkt, da der Erste Jugendbericht dem Hohen Hause vorgelegt worden ist, Überlegungen angestellt, wie der Zweite Jugendbericht gestaltet werden soll, und zwar mit dem Ziel, den Ersten Jugendbericht zu einem Teil weiterzuschreiben, zu einem anderen Teil zu ergänzen. Diese Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen; sie sind mir auch noch nicht zur Entscheidung vorgelegt worden.




Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502414700
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0502414800
Da, Herr Minister, ein Zusammenhang besteht zwischen den Tätigkeiten des Bundesjugendkuratoriums gegenüber Ihrem Hause und der Beratung über Jugendfragen in dem zuständigen Ausschuß für Familien- und Jugendfragen, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht auch meinen, daß ein enger Zusammenhalt zwischen den interessierten Kräften auf beiden Seiten, die sich um die Probleme der Jugendgesetzgebung und Jugendhilfe bemühen, dadurch erleichtert werden könnte, daß z. B. die Unterlagen, Materialien und Protokolle des Bundesjugendkuratoriums den Mitgliedern dieses Hauses, die im Jugendausschuß tätig sind, zugeleitet werden könnten.

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502414900
Bisher ist eine derartige Anregung an uns nicht herangetragen worden; im übrigen ist die Frage, in welchem Umfang ein solches Verfahren zweckmäßig ist; denn das Bundesjugendkuratorium hat die Aufgabe, die Bundesregierung zu beraten; das Parlament hat die Aufgabe, die Bundesregierung zu kontrollieren.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502415000
Noch eine Frage.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0502415100
Herr Minister, diese Anregung ist an Sie herangetragen worden durch den Vorschlag des § 10 der Geschäftsordnung des Bundesjugendkuratoriums, in dem u. a. stand, daß die Protokolle des Kuratoriums an die Abgeordneten dieses Hauses gesandt werden sollten. Insofern frage ich Sie, ob es nicht richtiger gewesen wäre, diesem Gedanken zuzustimmen und für die Zukunft dieses Problem von Ihrem Haus her in der Weise zu regeln, daß den Abgeordneten solche wichtigen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502415200
Hier ist grundsätzlich zu sagen, Herr Abgeordneter, daß die Beratungen des Bundesjugendkuratoriums nicht öffentlich sind. Es ist deswegen grundsätzlich nicht angängig, die Protokolle den Mitgliedern des Ausschusses zuzuleiten. Vielleicht besteht aber von Fall zu Fall die Möglichkeit, daß das Bundesjugendkuratorium, wenn es für nützlich erachtet wird, jeweils Auszüge, Teile dieser Beratungen den Mitgliedern des Ausschusses zugänglich macht. Das müßte geprüft werden.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502415300
Letzte Frage, Herr Abgeordneter Westphal.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID0502415400
Herr Minister, haben Sie denn nicht den Eindruck, daß durch dieses nicht ermöglichte Zusammenspiel zwischen einem Beratungsgremium Ihres Hauses und den an diesen Fragen sehr interessierten Abgeordneten dieses Hauses eine Zusammenarbeit, eine gegenseitige Information, eine Möglichkeit des Gesprächs behindert wird, und zwar auch dadurch, daß Sie die Möglichkeit der
gastweisen Einladung der Abgeordneten zu den Sitzungen dieses Kuratoriums nicht wollen und in der benannten Geschäftsordnung abgelehnt haben?

Dr. Bruno Heck (CDU):
Rede ID: ID0502415500
Herr Kollege Westphal, diese Frage habe ich Ihnen bereits schriftlich beantwortet. Bei der Bundesregierung gibt es über 30 Beratungsgremien, und nicht in einem einzigen dieser Gremien ist es üblich und eingeführt, daß Abgeordnete an den Sitzungen dieser Gremien teilnehmen, deren Aufgabe es ist, die Bundesregierung zu beraten.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502415600
Damit ist die Fragestunde abgeschlossen.
Für das Protokoll muß ich noch feststellen, daß die Frage der Frau Abgeordneten Korspeter aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte bereits schriftlich beantwortet worden ist.
Ich rufe die Frage III der Drucksache V/339 der Abgeordneten Frau Korspeter auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die im § 7 des Flüchtlingshilfegesetzes bestimmte Einkommensgrenze von 500 DM, die als Voraussetzung für die Gewährung von Einrichtungshilfe für nicht anerkannte Flüchtlinge festgelegt ist, zu überprüfen, wenn sich herausstellt, daß aufgrund dieser Einkommensgrenze die Zahl der Anträge so gering ist, daß die im Bundeshaushalt 1966 eingesetzten Mittel nicht ausgegeben werden können?
Die Fragestellerin hat sich mit schriftlicher Beantwortung einverstanden erklärt. Die Antwort des Bundesministers Dr. Gradl vom 1. März 1966 lautet:
Unter den in Ihrer Frage genannten Voraussetzungen bin ich bereit, die Einkommensgrenze für die Gewährung der Einrichtungshilfe im § 7 des Flüchtlingshilfegesetzes zu überprüfen und der Bundesregierung entsprechende Schritte vorzuschlagen. Eine Prüfung wird mir jedoch erst möglich sein, wenn wenigstens die statistischen Ergebnisse des ersten Vierteljahres 1966 über die vollzogene Auszahlung der Einrichtungshilfe vorliegen.
Ich rufe nun Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes — Drucksachen V/255, zu V/255 —
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0502415700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, daß das Hohe Haus Ihnen und Ihren Mitarbeitern dankbar sein muß, daß Sie ihm wiederum — zum elften Male — einen so sorgfältig ausgearbeiteten Bericht über die Lage der Landwirtschaft vorgelegt haben. — Herr Bundeslandwirtschaftsminister, wenn Sie zuhören wollten, dann würden Sie merken: was ich sage, ist Wasser auf Ihre Mühle. Herr Minister Höcherl, manche der bedeutenden Beschlüsse, die in diesen Monaten und Wochen, ja, man kann beinahe sagen, Tagen, in Brüssel zu fassen sind, wären nicht so schwerwiegend und so langwierig, wenn andere Länder ähnliche Berichte aufweisen könnten, - nicht dem Inhalt nach, aber der Exaktheit nach. Ich weiß aus den Diskussionen mit Vertretern anderer Länder, daß die glücklich wären, könnten sie etwas Ähnliches aufweisen.



Bauknecht
Um so bedauerlicher ist es, daß erstmals gerade bei diesem Grünen Bericht in der Öffentlichkeit über die Systematik der Aufstellung gewisse Zweifel entstanden sind. Ich sehe mich daher genötigt, auf diese einzelnen Fragen jetzt hier einzugehen, weil ich das für besonders wichtig halte. Denn nichts ist schlimmer, als wenn die Glaubwürdigkeit eines solchen Berichts angezweifelt wird.
Da ist zunächst einmal die Kritik, die besagt, daß man — natürlich infolge des unterschiedlichen Ergebnisses über die Lage der einzelnen Betriebe nach Größe, Betriebstypen, nach Klima und Struktur — eigentlich alle Betriebe ausschließen müsse, die keine Vollbauernbetriebe sind. Es wird bemängelt, daß auch Betriebe mit einer Größe von unter 10 ha in die Betrachtungen einbezogen werden.
Dazu ist zunächst zu sagen, daß dies auf Grund des Auftrages des Landwirtschaftsgesetzes geschieht. Darin heißt es wörtlich: nur solche Betriebe dürfen einbezogen werden, die bei ordnungsgemäßer Führung die wirtschaftliche Existenz einer bäuerlichen Familie nachhaltig gewährleisten. Damit ist. die Umgrenzung schon beschrieben, und damit kann auch keine Gefahr entstehen, daß Betriebe zum Vergleich herangezogen werden, die nicht diese Vorbedingung erfüllen. Von den rund 8000 Betrieben haben nur 900, also nicht einmal der achte Teil, eine Betriebsgröße unter 10 ha. Von diesen 900 Betrieben liegen die allermeisten zwischen 7,1 und 8,9 ha, sind also an der oberen Grenze; sie liegen nur ganz knapp unter diesen 10 ha.
Zweitens kann damit auch keine Aussage gemacht werden, daß die Betriebsgröße allein die Existenz einer Familie gewährleistet. Wir wissen doch alle, wie grundlegend die Unterschiede in den Bedingungen sind. Bei bestem Boden und besten klimatischen Lagen — ich erinnere an das Bonner Vorgebirge, an die Mainzer Aue oder ähnliche Lagen — kann man mit wesentlich weniger Hektar auskommen, wobei man noch pflanzliche Sonderkulturen betreiben kann.
Herr Bundeslandwirtschaftsminister, Sie haben davon gesprochen, es sei schwierig, die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe mit den Einkommen der Betriebe der gewerblichen Wirtschaft zu vergleichen; man müßte es eigentlich tun, sagten Sie. Diese Forderung, Herr Minister, wird in den entsprechenden Paragraphen des Landwirtschaftsgesetzes nicht aufgestellt. Man hat bei der Erstellung des Gesetzes wohlweislich darauf verzichtet und hat sich darauf beschränkt, die Möglichkeiten für Lohnvergleiche aufzuzeigen. Das ist eine entscheidende Sache, wenn man die Einkommen der Selbständigen in vergleichbaren gewerblichen Gruppen deswegen nicht heranzieht, weil hier die Vielfältigkeit zu groß ist und der Vergleich nicht durchführbar ist.
Mit dieser Frage beschäftigt sich alljährlich der Beirat, der den Grünen Bericht zu erstellen hat. In all den zehn Jahren ist man immer einheitlicher Meinung darüber gewesen, daß diese Möglichkeit des Vergleichs nicht gegeben ist.
Ich möchte Ihnen also sagen: Wenn Sie als neuer Ressortchef glauben, hier jetzt eine Änderung durchführen zu können, dann müssen Sie sich sehr sorgfältig überlegen, ob dabei etwas Brauchbares herauskommt und ob Sie sich nicht leichter tun, auch in Zukunft nur die Lohnverhältnisse zu vergleichen.
Meine Damen und Herren, es wird gesagt: Man stellt hier wohl auf das Einkommen nur aus der Landwirtschaft ab, aber man verzichtet von vornherein darauf, andere bare Einnahmen mit einzukalkulieren; man spricht vom Fehlen von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. All diese Dinge lasse man beiseite. Man fragt auch, warum man denn den Wald nicht mit einbeziehe; aus ihm kämen doch auch Erträgnisse. Hierzu möchte ich sagen, daß das eine reine Annahme ist. In Wirklichkeit werden alle Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung mit eingerechnet. Auch die Erträgnisse aus dem Wald werden mit aufgeführt. Natürlich werden jene Betriebe, die nicht typisch sind, auch nicht unter die Testbetriebe gerechnet; sie werden nicht zum Vergleich herangezogen, weil man sie nicht brauchen kann, wenn sie den größeren Teil der Einnahmen aus dem Wald beziehen. Solche Betriebe ergeben kein repräsentatives Bild.
Man sagt, der Grüne Bericht habe insofern nicht genügend Aussagekraft, als der Betriebsleiterzuschlag zu hoch angesetzt sei und der Ansatz der notwendigen Zinsen problematisch sei. Meine Damen und Herren, das war von Anfang an so. Trotzdem hat man sich damals darauf geeinigt, daß man das tun will.
Man hat jetzt einen neuen Modus gewählt. In diesem Jahr ist man dazu übergegangen, für den Lohnvergleich eine andere Grundlage zu wählen. Man hat bisher den Lohn praktisch nur derjenigen Arbeitnehmer mit herangezogen, die auf dem Dorf wohnen, die also nach dem Tür-an-Tür-Prinzip bewertet worden sind. Man ist in diesem Jahre erstmals zu dem Modus übergegangen, alle Arbeitnehmer mit Ausnahme der Bergarbeiter zum Vergleich heranzuziehen, also auch solche, die in den Städten wohnen. Ich darf aber sagen, daß man sich in dem Vergleich lediglich auf diejenigen Arbeitnehmer beschränkt hat, die nun bei der Rentenerhöhung mit herangezogen werden. Man hat also bewußt auf die Arbeitnehmer verzichtet, die ein höheres Einkommen haben und der Rentenversicherungspflicht nicht unterliegen.
Es ist ganz klar, daß diese neue Methode nicht ohne weiteres eine Aussagekraft im Vergleich zu früheren Jahren hat. Daher haben Sie, Herr Minister, es dankenswerterweise für richtig befunden, beide kalkulatorischen Posten nebeneinanderzustellen und zu sagen, daß man auf Grund dessen die neue Methode auch in Zukunft wählen solle. Jeder weiß doch, daß sich die Dinge weiterentwickelt haben. Auch bei den Lebenshaltungskosten darf man nicht mehr den Standard einer vierköpfigen Verbraucherfamilie heranziehen wie etwa noch vor 15 Jahren. Man muß hier die neuen Gegebenheiten berücksichtigen.
Es wäre daher bedauerlich, wenn die Öffentlichkeit glaubte, daß es sich hier um eine reine Manipulation handele. Dem ist nicht so. Ich darf darauf hinweisen, daß die Mitglieder des Beirats, die diese



Bauknecht
Berichte erstellen, zu den namhaftesten Wissenschaftlern auf agrarischem Gebiet in der Bundesrepublik zählen. Es muß auch gesagt werden, daß es sich hier nicht um eine Sache handelt, die das Bundesernährungsministerium allein durchzuführen hat. Vielmehr nehmen die entsprechenden Referenten auf der Dirigenten-Ebene sowohl aus dem Bundeswirtschaftsministerium als auch aus dem Bundesfinanzministerium jeweils von Anfang bis zum Ende an der Erstellung des Grünen Berichts teil. Es besteht also nicht die geringste Ursache zu der Meinung, daß diese Dinge nicht in Ordnung seien. Ich darf deshalb, Herr Minister Höcherl, feststellen, daß die Bundesregierung keine sachliche Kritik an dem fundierten Bericht zu fürchten braucht, den Sie vorgelegt haben.
Meine Damen und Herren, ich möchte des weiteren folgendes sagen. Wir haben bewußt darauf verzichtet, etwa den Stundenlohn zum Vergleich heranzuziehen, obwohl diese Forderung in den letzten Jahren von zahlreichen Abgeordneten auch im Ernährungsausschuß immer wieder erhoben wurde und in entsprechenden Entschließungen zum Ausdruck kam. Man hat darauf verzichtet, weil es schwer ist, in der Landwirtschaft einen Stundenlohn zu fixieren. Man hat sich darauf beschränkt, einen Jahreslohn festzusetzen.
Leidei zeigt das Ergebnis des Grünen Berichts, daß die Lohnentwicklung für die Landwirtschaft in dem Vergleichsjahr 1964/1965 rückläufig gewesen ist und daß sie - was noch mehr zu bedauern ist — im laufenden Jahr in der Vorausschau eine weitere Verschlechterung aufzuweisen hat. Nun, woher rührt das? Das rührt sicherlich nicht daher, daß die Agrarpolitik, die wir betrieben haben, etwa schlecht gewesen wäre. Es ist aber doch jedermann bekannt, daß andere Gruppen der gewerblichen Wirtschaft in ihrer Lohn- und Gehaltsentwicklung immer weiter voranschreiten, während die Landwirtschaft, die das aus eigener Kraft nicht leisten kann, dauernd hinterhermarschieren muß. Ich muß deshalb feststellen — und das geht aus dem Grünen Bericht nicht direkt hervor —, daß der Barlohnanspruch in keinem der letzten Jahre praktisch in genügender Weise gedeckt werden konnte. Ich will Sie gar nicht mit Zahlen belästigen. Dennoch muß ich Ihnen ein paar Zahlen bekanntgeben, weil sie in dem Grünen Bericht nicht enthalten sind. Sie lassen sich aber aus anderen Veröffentlichungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums entnehmen. Daraus ist zu ersehen, daß der Barlohnanspruch im Jahre 1962/1963 zu 88 %, im folgenden günstigeren Jahre 1963/1964 zu 91 %, in dem Jahre, das hier zur Debatte steht, nur zu 79 % und — wenn die Entwicklung so weitergeht — im laufenden Jahre nur zu 68% im Durchschnitt aller Betriebe gedeckt werden wird, wobei die Verzinsung des Eigenkapitals dann noch gar nicht berücksichtigt worden ist.
Meine Damen und Herren, die Investitionen zur Verbesserung der Agrarstruktur werden laufend höher. Aus den Zahlen des Grünen Berichts können Sie das entnehmen. Im Grünen Bericht wird zutreffend ausgeführt, daß der bauliche Nachholbedarf kaum in einem anderen Wirtschaftsbereich heute
noch so groß ist wie in der Landwirtschaft — Sie kennen das alles —, weil die innerbetrieblichen und die arbeitswirtschaftlichen Maßnahmen eben zu solchen Investitionen zwingen und die Rationalisierung, die man von uns fordert, wenn man Arbeit durch Kapital ersetzen will, zu hohen Investitionen führen muß, die dann leider, da sie baulicher Art sind und zum Teil auch Maschinen betreffen, nicht dieselbe Steigerung der Arbeitsproduktivität mit sich bringen, wie dies in der gewerblichen Wirtschaft möglich ist. Jedermann weiß, daß der Ablauf der Jahreszeiten und der Ablauf der Witterung hier eben Grenzen setzen und der Rationalisierungseffekt daher sehr viel begrenzter ist als in jedem anderen Zweig der gewerblichen Wirtschaft.
Dessenungeachtet hat sich die Landwirtschaft über den Weg der Spezialisierung der Produktion und auch über den Weg vernünftiger Maschinenanwendung, besonders über die Maschinenbanken, über Maschinenaustauschgemeinschaften und auch über Lohnunternehmen, angestrengt, die Kostenlage möglichst herunterzudrücken und einer unwirtschaftlichen Investition zu entgehen.
Aber es gibt gewisse Gebiete — ich komme darauf nachher zu sprechen —, wo man die Maschinenaustauschgemeinschaften nicht anwenden kann. Das sind die Futterbaubetriebe, das sind die Grünlandgebiete. Ich möchte des weiteren noch sagen, es gibt zahlreiche Betriebe, wo man eben keine Abwanderung von Arbeitskräften mehr ertragen kann. Dies sind die Ein- bis Zwei-Mann-Betriebe, die meistens unter großen Schwierigkeiten zu leiden haben, wenn einmal eine Arbeitskraft ausfällt. Wir begrüßen es daher, daß diese Dinge wie im letzten Jahr berücksichtigt werden und der Frage der Betriebs-heifer ein besonderes Augenmerk geschenkt wird. Diese Einrichtung der Betriebshelfer sollte noch stärker mit Bundesmitteln ausgebaut werden, besonders auf der fraulichen Seite; ich denke hier an Dorfhelferinnen.
Meine Damen und Herren, nun bitte ich Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf folgendes zu lenken. Man konnte in der Presse lesen, daß nach wie vor sogenannte Gesäßprämien durch den Grünen Plan gegeben würden, auf Grund derer die Leute nicht veranlaßt würden, ihre zu kleinen Betriebe aufzugeben, und daß die Grünen Pläne oft dazu dienten, Überlebtes zu konservieren. Meine Damen und Herren, offenbar wurden aber die Zahlen übersehen, die in dem Grünen Bericht nachweisen, daß jährlich — im vergangenen Jahr wie überhaupt in den letzten fünf Jahren — an die 40 000 Betriebe ihr Hoftor ein- für allemal geschlossen haben. Man muß sich einmal vorstellen, was das bedeutet. Das nimmt man so leicht hin: die Aufgabe des Betriebes, des Eigentums und den Berufswechsel. 40 000 Betriebe im Jahre, das bedeutet die Aufgabe von mehr als hundert Betrieben jeden Tag. Auf diese Tatsache wird ein besonderes Schlaglicht geworfen angesichts dessen, daß sich andere Berufsgruppen zu Recht wehren, wenn man ihnen zumutet, von heute auf morgen ihren Beruf aufzugeben. Sie wissen ja alle, was sich in den letzten Tagen im Ruhrgebiet ereignet hat, wo man mehrere Zechen schließen will und wo 7- bis 8000 Arbeiter dagegen protestiert haben,



Bauknecht
daß man ihnen zumutet, von heute auf morgen ihren Beruf zu wechseln. Tatsache ist aber, daß seit dem Jahre 1949 in der Landwirtschaft bereits eine halbe Million Menschen ihre Betriebe aufgegeben haben. Auch das muß berücksichtigt werden, wenn man diese Dinge mit dem Blick auf die schicksalhafte Seite betrachtet. Was das für eine bäuerliche Familie bedeutet und welche schwerwiegenden menschlichen Probleme mit diesen Dingen zusammenhängen!
Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der Grünen Berichte wären noch wesentlich schlechter ausgefallen, wenn nicht während dieser zehn oder elf Jahre diese Hilfen im Rahmen des Grünen Plans gegeben worden wären," die gezielten Hilfen wie die globalen Hilfen, und wenn nicht die revolvierenden Ergebnisse durch die Verbesserung der Agrarstruktur zu verzeichnen wären. In diesem Zusammenhang muß man sagen, daß sich die Lage in diesem Jahre natürlich erstmals ganz anders darstellt als in den vergangenen Jahren. In den vergangenen Jahren gab es immer noch bestimmte Möglichkeiten, die Hilfen im Grünen Plan zu erweitern. Ich erinnere an die Anpassungshilfe des vergangenen Jahres. Mit dieser Sache ist nun auf einmal wegen der Haushaltslage Schluß. Das verlangt natürlich von uns, daß man die Mittel, die jetzt noch zur Verfügung stehen, möglichst so einsetzt, daß ihr Einsatz den bestmöglichen Erfolg verspricht. Ich glaube, daß die Sorgfalt, mit der man an diese Fragen herangehen muß, noch nie so groß war wie in diesem Jahr.
Wenn Sie den Finanzbericht der Regierung gelesen haben, so werden Sie wissen, daß da auch ein Problem auftaucht, das vor diesem Hohen Hause einmal erörtert werden muß, weil gemeinhin in der Öffentlichkeit, wenn von Subventionen gesprochen wird, immer die Auffassung herrscht: Subventionen gibt es ja eigentlich im wesentlichen nur für die Landwirtschaft. In dem neuen Finanzbericht wird nachgewiesen, daß an offenen und verdeckten Subventionen, also Steuerbegünstigungen und allen möglichen Dingen, die hierunter fallen, insgesamt 29 Milliarden DM zu verzeichnen sind. Es wird dort allerdings gesagt, daß der Löwenanteil in der Höhe von 3,9 Milliarden DM auf die Landwirtschaft entfalle. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie diese 3,9 Milliarden DM einmal unter die Lupe nehmen, so müssen Sie doch feststellen, daß ein großer Teil davon nicht etwa nur der bäuerlichen Bevölkerung zugute kommt, sondern im wesentlichen dem ganzen Dorfe. Es gibt doch heute Dörfer, in denen die Landwirtschaft nur noch einen geringen Prozentsatz ausmacht. Sie kennen alle diese Dinge: Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, dann die Frage des Wegebaus.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Dann beim Küsten-Plan: wenn dort Dämme zum Schutz der gesamten Bevölkerung errichtet werden, so kann doch niemand behaupten, daß man die dafür aufgewendeten Mittel der Landwirtschaft anlasten kann. Oder wer will behaupten, daß die Vorratshaltung Berlin eine Sache ist, die der Landwirtschaft zugute kommt?!
Meine Damen und Herren, wenn man alle diese Dinge auseinanderzerrt, bleiben eben im wesentlichen doch nur die echten Hilfen des Grünen Plans mit etwa 2 Milliarden DM und die Anpassungshilfe mit 700 Millionen DM übrig, von denen große Teile wieder der gesamten Bevölkerung zugute kommen.
Wenn Sie bei der heutigen Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers aufmerksam zugehört haben oder diese Rede nachlesen, werden Sie festgestellt oder gelesen haben, wie dort sehr stark hervorgehoben wird, daß für ein Produkt so große Hilfen gegeben würden, nämlich für die Milch. Der Finanzminister hat da alles zusammengerechnet und u. a. auch diese Umsatzsteuerbefreiung beim Milchhandel mit einbezogen. Man ist natürlich leicht geneigt, das alles der Landwirtschaft anzulasten. Wie liegen denn hier die Dinge? Im wesentlichen handelt es sich doch darum, daß eine Milchproduktion überhaupt noch erhalten bleibt. Eigentlich müssen diese Hilfen praktisch als Verbrauchersubventionen angesehen werden, weil es der Markt nicht erlaubt, mit Milch oder den Molkereiprodukten im Preise hochzugehen. So liegen doch die Dinge.
Wenn man darüber hinaus feststellt, daß gerade die Futterbaubetriebe mit ihren Ergebnissen wieder, wie in den vergangenen Jahren, weitaus hintanstehen und daß das, was an Milchförderprämie gegeben wurde, im wesentlichen gerade diesen Futterbaubetrieben und auch den kleinbäuerlichen Betrieben zugute kam, so kann man wohl mit Fug und Recht sagen, daß wahrscheinlich niemand die Hand dazu bieten würde, diese Subventionen zu streichen oder zu kürzen und dadurch die Lage der Futterbaubetriebe erneut zu verschlechtern. Es gibt hier andere Möglichkeiten. Mein Kollege Struve wird zum Schluß einen Entschließungsantrag der CDU/ CSU begründen, in dem gerade diese Punkte angesprochen sind und Vorschläge gemacht werden, Herr Minister Höcherl, wie man einen verstärkten Anreiz zu einer bestimmten Umlagerung der Produktion von der Milcherzeugung zur Mast geben könnte. Ich glaube, Sie sind der gleichen Auffassung. Das kann man auf ganz einfache Art und Weise machen, indem man den Rinderorientierungspreis in der EWG entsprechend heraufsetzt.
Lassen Sie mich bei den Strukturmaßnahmen noch eine kurze Betrachtung anschließen. Wir bedauern sehr, daß die zentral beschafften Kapitalmarktmittel derart gekürzt worden sind, daß anstatt 190 Millionen DM nur noch 25 Millionen DM zur Verfügung stehen. Das sind nicht die Mittel für die einzelnen Betriebe, sondern die Mittel für allumfassende Maßnahmen wie den Wegebau und die Wasserwirtschaft. Es ist zu befürchten, daß diese Maßnahmen, die sich in der Vergangenheit gut ausgewirkt haben, nun von heute auf morgen praktisch blockiert werden. Man muß sich also reiflich überlegen, ob man hier nicht bei der endgültigen Verabschiedung des Grünen Plans durch Ernährungsausschuß, Haushaltsausschuß und Plenum eine bestimmte Umgruppierung vornehmen sollte.
Des weiteren möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der uns sehr zu denken gibt und zu dem man laufend Brandbriefe aus der Praxis bekommt, in



Bauknecht
denen gesagt wird, daß eigentlich diese gesamten strukturellen Maßnahmen wie die Aussiedlung, die Althofsanierung und zum Teil auch die Flurbereinigung nahezu blockiert sind, daß sie stagnieren, weil ein großer Teil der Mittel, die im letzten Jahr bewilligt worden sind, wegen des angespannten Bundeshaushalts nicht ausgezahlt werden konnten und weil in diesem Jahr bei allen diesen Maßnahmen praktisch kaum mehr als 20 % neu bewilligt werden können. Was das für alle die bedeutet, die angefangen haben zu bauen, die dringend eine Aussiedlung, eine Althofsanierung durchführen müssen, das kann sich nur der vorstellen, der praktisch in diesen Din- gen drinsteht.
Sehr zu bedauern ist auch, daß infolge der Kürzung der Zinsverbilligungsmittel die sogenannten Hofkredite, wenn die Zahlen so bestehen bleiben, wie sie hier stehen, auf die Hälfte der letztjährigen Beträge gekürzt werden. Herr Bundeslandwirtschaftsminister, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß dieser neue Fonds vielleicht zur Verbesserung der Betriebsstruktur gar nicht so sehr abwegig ist. Ich habe auch gar nichts dagegen, wenn man die Frage eines Betriebsentwicklungsplanes hier in die Diskussion wirft und wenn man, anstatt nur auf einzelne Investitionen abzustellen, einen allumfassenden Plan vorlegt. Aber bis diese Dinge anlaufen, sollten wir bestimmte Maßnahmen, die bisher durchgeführt worden sind, mindestens in diesem Übergangsjahr noch nach dem gleichen Modus durchführen wie in der Vergangenheit. Das gilt vor allen Dingen hinsichtlich der Maßnahmen für das Grünland. Ich erinnere an den Silobau, an die Unterdachtrocknung und an die Zuschüsse für Milchkühleinrichtungen. Die sollte man mindestens in diesem Jahr noch so laufen lassen wie im letzten Jahr, weil gerade auch die Überhänge in den Futterbaugebieten namentlich Süddeutschlands, also Bayerns und Baden-Württembergs, von ganz großem Ausmaß sind.
Eine weitere Sache, über die man eigentlich nur den Kopf schütteln kann, ist folgende. Man hat im letzten Jahr erstmals richtigerweise und auch mit Erfolg den Versuch gemacht, die sogenannten Altschulden zu verbilligen, die aus der Zeit vor 1957 bei den Betrieben entstanden sind, die als Pioniere in der Umstellung der Betriebe vorangegangen sind. Hierfür hat man jetzt 14 Millionen DM aufgewendet. Es ist schade um die ganze Arbeit, die sich alle Bankinstitute gemacht haben, und es ist ein Jammer, die Leute heute betrügen zu müssen, wenn man ihnen sagen muß: Na ja, das war ja mal ein Jahr lang schön, ein paar Mark habt ihr mal gekriegt; aber jetzt lassen wir euch in eurem Elend sitzen, ab 1966 bekommt ihr nichts mehr! Ich glaube, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, daß Sie sich diesen Gedankengängen nicht verschließen können, und ich bitte das Parlament dringend, zu überlegen, ob wir diese Maßnahme gutheißen können. Ich bin der Auffassung, daß diese Altschuldenverbilligung weiter durchgeführt werden müßte. Es wäre der größte Nonsens, wenn man das jetzt abschließen wollte.
Ich möchte aber ausdrücklich sagen, meine Damen und Herren: Alle diese Dinge bewegen sich selbstverständlich innerhalb der finanziellen Manövriermasse, die hier gegeben ist. Es sollen also nicht etwa neue Mittel, für die keine Deckung da wäre, bewilligt werden. Wir werden Ihnen genau vorschlagen, auf Kosten welcher anderen Titel das bewerkstelligt werden soll.
Ich darf noch sagen, daß wir einen Gedanken begrüßen, den Sie, Herr Bundeslandwirtschaftsminister, in Ihrer Rede zum erstenmal anklingen ließen: Die Landwirtschaft würde es durchaus begrüßen, wenn man für die Sanierung der bäuerlichen Betriebe nun den Weg über das sogenannte Bausparen wählen könnte. Bisher hatte man die Landwirtschaft doch weitgehend "aus dem Bausparen ausgeschlossen. Das wäre aber eine Sache, die sicherlich sehr gut ankäme.
Es wäre dann noch kurz auf einige andere Probleme hinzuweisen, die nachher andere Redner meiner Fraktion im einzelnen begründen werden. Das ist zunächst die Kürzung der Mittel für Maßnahmen des Landarbeiterwohnungsbaues. Dann eine Sache, die sehr bedauerlich, die eigentlich unverständlich ist: Nicht nur für uns Abgeordnete, sondern auch für die gesamte Öffentlichkeit ist es nicht verständlich, daß man es in diesem Jahr auf einmal nicht mehr fürnotwendig hält, die Verbesserungen innerhalb der bäuerlichen Hauswirtschaft, die sich so ausgezeichnet ausgewirkt haben, fortzuführen, daß man abrupt von heute auf morgen damit aufhören will. Alles redet von dergeplagten Bauersfrau, und nun will man von heute auf morgen mit diesen Hilfen aufhören. Auch dazu werden meine Kollegen noch etwas sagen.
Als drittes wäre noch die Frage, was uns veranlaßt hat, in den nassen Gebieten Nordwestdeutschlands, in den Marschen mit ihren hohen Einheitswerten von heute auf morgen eine als völlig richtig anerkannte Maßnahme der Stornierung des Lastenausgleichs aufzuheben. Auch hier muß sorgfältig geprüft werden, ob das aufrechterhalten werden kann. — Soviel zur Agrarstruktur.
Nun noch einige Gedanken zur Marktstruktur. Wir ,begrüßen es, daß hier bestimmte Mittel zur Verfügung gestellt sind, und ich glaube auch, daß die Ansätze sehr sinnvoll sind. Wir wissen ja alle, daß im letzten Bundestag Gesetzesanträge zur Verbesserung der Marktstruktur eingebracht waren, ein Marktstrukturgesetz und ein Marktstrukturfondsgesetz. Wir sind aber der Auffassung, daß man, wenn keine neuen Mittel zur Verfügung stehen, auch mit Hilfe entsprechender Richtlinien zum Grünen Plan diese Dinge vollführen kann.
Wir sind aber der Auffassung, daß für die Absatzwerbung im In- und Ausland mehr als bisher getan werden muß. Auch ,den Auslandsmessen sollte größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Wir stellen fest, daß das Ausland seinerseits große Anstrengungen unternimmt, auf den deutschen Inlandsmessen mit seinen Produkten an den Mann zu kommen, und bei uns in erheblichem Umfang Werbung betreibt. Im Vergleich zu den Mitteln, die andere Länder auf diesem Gebiet aufwenden, erscheinen die bei uns hierfür vorgesehenen Beträge kärglich.



Bauknecht
Herr Minister, Sie selber haben begrüßt, daß hier der Berufsstand zusammen mit der Ernährungsindustrie die Initiative ergriffen hat, daß man also eine Gesellschaft für die Absatzförderung gegründet hat. Wir wären sehr dankbar, wenn man diese Gesellschaft nun nicht auf dem Trockenen sitzen ließe und ihr einen namhaften Betrag für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung stellte. Ebenso sollte man auch die Vorhaben für Beteiligungen an Auslandsmessen nicht allzusehr zusammendrücken; auch hier wird eine bessere Ausstattung notwendig sein. Wir werden dann Deckungsvorschläge machen, in denen aufgezeigt wird, woher die erforderlichen Mittel genommen werden können.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502415800
Gestatten Sie eine Frage?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0502415900
Bitte!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0502416000
Herr Kollege Bauknecht, Sie haben eben bei einer Reihe von Punkten zum Ausdruck gebracht, daß im Hinblick auf das, was der Herr Bundeskanzler der deutschen Landwirtschaft zugesagt hat, jetzt Ihrerseits Klagen vorgebracht werden müßten. Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, daß die Erfüllung der Zusagen, die der Landwirtschaft vor dem 19. September gemacht worden sind, jetzt reduziert werden muß?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0502416100
Keineswegs. Die Frage ist völlig verfehlt. Ich habe nur gesagt, daß man hier andere Methoden anwenden und eine andere Verteilung der Mittel vornehmen muß. Ich bin gewiß, daß wir bei der Bundesregierung ein offenes Ohr finden. — Sie wollen noch eine Frage stellen? Bitte!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0502416200
Herr Bauknecht, wollen Sie damit sagen, daß Sie das Kunststück fertigbringen, trotz der Kürzungen im Agrarhaushalt all die Dinge zu tun, die Sie als notwendig bezeichnet haben?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0502416300
Durchaus.

(Abg. Fellermaier: Das würde uns freuen!)

Es würde mich freuen, wenn Sie im Ernährungsausschuß entsprechend mitarbeiteten.
Eine bedauerliche Tatsache ist es, daß die zusätzliche Hilfe beim Dieselöl, die im Rahmen der Anpassungshilfe im letzten Jahr zur Verfügung gestellt war, in ,diesem Jahr wegfallen soll. In diesem Zusammenhang möchte ich sagen, daß die sogenannte Dieselölverbilligung keine Subvention ist. Vielmehr verzichtet der Bund hier nur genauso auf Steuer und Zoll, wie er es beim Heizöl für die gesamte Bevölkerung tut; da meckert aber niemand. Der Bauer fährt mit seinem Schlepper nicht auf der Straße, sondern auf seinem Acker herum. Zum andern ist die Schiffahrt genauso von Steuer und Zollabgaben für Dieselöl befreit.
Bedauerlich ist, daß man jetzt eine bestimmte Begrenzung in den Hilfen für die Landwirtschaft vorsehen mußte. Eine Ausdehnung ist nicht mehr möglich, vielmehr hat man bereits eine wesentliche
Kürzung vorgenommen. Bei der EWG-Anpassungshilfe hat man durch das Haushaltssicherungsgesetz 260 Millionen DM gestrichen. Angesichts dieser Tatsachen haben wir kein Verständnis dafür, daß man die Hilfen kürzt und gleichzeitig im Marktgeschehen auf die Preise drückt, indem man eine Senkung der Abschöpfungen nur dann vornimmt, wenn die betreffenden Produkte eine bestimmte Preishöhe erreicht haben — ich erinnere an die Schweine —; auf der anderen Seite hat man keine Möglichkeiten, einzugreifen, wenn die Preise am Boden liegen. Ich erinnere hier an die Entwicklung bei den Eierpreisen: Kein Mensch nimmt Notiz davon, daß die Eier heute noch halb so viel kosten wie im vergangenen Herbst. Wir haben offenbar keine Möglichkeit, einem solchen Abrutschen der Preise entgegenzuwirken. Ich meine also, man sollte, wenn man schon keine größeren Hilfen geben kann, sorgfältig darauf bedacht sein, meine Herren von der Regierung, alles zu tun, damit jetzt bei den Entscheidungen in Brüssel jegliche Einbußen verhindert werden.

(Beifall in der Mitte.)

Wir haben schon durch die Zusage zur Senkung der Getreidepreise eine schwere Belastung für den Haushalt, und da kommen ab 1967 gewaltige Dinge auf uns zu, wenn man den vollen Ausgleich für die Senkung der Getreidepreise geben muß. Wir müssen uns völlig darüber klar sein, daß die Landwirtschaft zu Recht einen vollen Ausgleich fordern würde, wenn man die Preise ihrer Produkte, etwa der Milch oder des Zuckers, zu Lasten der Landwirtschaft im Interesse der EWG, im Interesse der politischen Einigung Europas, senken würde. Ich weiß nicht, wie Herr Dahlgrün dann mit seinem Haushalt zurechtkommen würde. Daher müssen wir alles tun, hier und in Brüssel zu vernünftigen Beschlüssen zu kommen, die der Landwirtschaft keinen Schaden bringen. Dabei spielen auch die Frage der Restitutionen und die Frage des Netto- und Bruttoprinzips bei den Exporten von Agrarüberschüssen in Drittländer ein große Rolle. Wir haben diese Dinge in unserer Entschließung ebenfalls angesprochen. Wenn man das Bruttoprinzip nicht zur Anwendung brächte, so würden die marktfernen Gebiete dadurch einen großen Schaden erleiden.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Sicher wird der Wandel in der Agrarstruktur noch weitergehen. Wir haben aber die Pflicht, dafür zu sorgen, daß er sich organisch und behutsam vollziehen kann, ohne daß dabei Schäden verursacht werden. Unser Ziel bleibt nach wie vor dasselbe: bei dem sich vollziehenden Wandel der Agrarstruktur eine möglichst große Anzahl selbständiger Existenzen zu erhalten, und zwar, soweit dies nicht anders möglich ist, eben in der Form von Nebenerwerbs- oder Zuerwerbsbetrieben. Auf jeden Fall müssen wir alles dafür tun, daß diese Menschen auf dem Lande wohnen bleiben können, daß sie nicht in Ballungsgebiete abwandern, von wo sie sich dann am Wochenende wieder auf das Land ergießen, um der Wohnung in Glas und Beton, dem Lärm und dem Gestank auf der Straße zu entfliehen.
Die gesetzlichen Grundlagen für eine gesunde Agrarpolitik haben wir; sie sind auch weithin aus-



Bauknecht
reichend; man muß sie nur anwenden. Vielleicht ist auf einem Gebiet noch ein gewisser Mangel vorhanden. In dieser Frage hat meine Fraktion die Initiative ergriffen. Einer meiner Kollegen wird noch zum Gesetz zum Schutz der landwirtschaftlichen Veredelungswirtschaft sprechen.
Der Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes verlangt vom deutschen Volk auf steuerlichem Gebiet und im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen keine größeren Opfer, als sie in allen Ländern für die Entwicklung eines modernen Berufsstandes gebracht werden müssen; es sind Opfer, die nicht zu vermeiden sind. Unser Land ist heute zur drittgrößten Industrienation und zur zweitgrößten Handelsnation der Welt geworden, aber ich glaube, wir sollten alles unterlassen, was im Hinblick auf eine gewisse Sicherung der Ernährung unseres Volkes und in Hinsicht auf eine bestimmte Stabilität des inneren Gesellschaftsgefüges geeignet wäre, Schaden zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502416400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt (Gellersen).

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502416500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Die Bundesregierung hat das Thema Agrarpolitik in der Regierungserklärung ziemlich am Schluß und fast so nebenbei behandelt. Eine Debatte darüber fand nicht statt; das müssen wir also heute nachholen. Andererseits haben wir in der Zwischenzeit unzählige Interviews und Reden des neuen Steuermanns im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von mehr oder weniger langer Dauer vernommen.
Der Grund dafür, warum wir uns bisher nicht dazu geäußert haben, ist folgender. Der Bundesernährungsminister sagte auf einer parlamentarischen Tagung, das erste Halbjahr seiner Amtszeit betrachte er als seine Lehrlingszeit, und sein Gesellenstück gedenke er bei Einbringung des Grünen Berichts und des Grünen Plans abzugeben. Er war sehr bescheiden; von einem Meisterstück sprach er nicht.

(Heiterkeit.)

Wir ließen ihn also gewähren, wie es sich im Verhalten zu einem Lehrling gebührt. Wir ließen ihn erst einmal wirken und werkeln,

(Zuruf rechts: Es kommt auf den Prüfungsausschuß an!)

obwohl er für uns kein unbeschriebenes Blatt war und ist.

(Erneute Heiterkeit.)

Über das Ergebnis seines Werkeins wollen wir hier und heute debattieren. Aber so ernst wie Sie, Herr Kollege Bauknecht, kann ich das nicht. Das schöne Wetter draußen, der beginnende Frühling stimmt mich viel angriffslustiger. Wenn schon Herr Bauknecht seine eigene Regierung so unter Feuer
nahm, dann können Sie sich ja ungefähr ausrechnen, was ich zu sagen habe.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Als ich gestern abend meine Überlegungen zu dieser Rede anstellte, haben mich die frischen Informationen aus Brüssel bewegt, und sie veranlassen mich, am Anfang einige Bemerkungen zu den dortigen Verhandlungen zu machen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Visionen!)

In diesen Tagen begann in Brüssel eine neue agrarpolitische Verhandlungsrunde. Worum es geht, darüber sollte sich eigentlich niemand in diesem Hause im unklaren sein. Es geht nicht nur um die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, die uns nach den bisher bekanntgewordenen Plänen jährlich ungefähr zwischen 2 und 21/2 Milliarden DM kosten soll. Es geht nicht nur um die gemeinsamen Preise für Zucker, für Milch und Rindfleisch und für die Ölsaaten und um einige neue Marktordnungen, sondern es geht letzten Endes in dieser letzten Runde bis zum Sommer um die Liquidierung weiterer Bereiche der nationalen Agrarpolitik. Es geht außerdem um sehr wichtige Beschlüsse auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik, die unter der Bezeichnung Kennedy-Runde hinreichend bekannt sein dürften. Das Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der deutschen Landwirtschaft, ist natürlich. Es ist auch zu natürlich, wenn sie fragt, was die Bundesregierung eigentlich dazu zu sagen hat.
In der Rede des Bundesernährungsministers Höcherl am 18. Februar hier an dieser Stelle ist darüber herzlich wenig enthalten. Einen Tag, bevor Herr Höcherl dieses Podium bestieg, habe ich eine Wette abgeschlossen. Ich habe nämlich gewettet, daß in der Rede des Herrn Höcherl über den Grünen Bericht und den Grünen Plan zwei Sätze vorkommen werden: erstens, die Bundesregierung werde die bewährten Maßnahmen konsequent fortsetzen.

(Bravo! bei der FDP — Beifall bei der CDU/CSU)

und zweitens — Sie schreien zu früh Bravo —, die Bundesregierung werde sich darum bemühen, daß der deutschen Landwirtschaft aus der Entwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik keine Nachteile erwüchsen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie das nicht? — Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich habe erwartungsgemäß die Wette gewonnen; denn diese beiden Phrasen gehören nun einmal zum eisernen Bestand der Agrarpolitik der derzeitigen Koalition.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

- Sehen Sie mal, der Herr Struve nimmt das viel ernster. Gucken Sie sich den mal an!

(Heiterkeit.)

Ob diese beiden Redensarten für die Landwirtschaft ausreichen, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich werde also auch darzulegen haben, ob die „bewährten" Maßnahmen tatsächlich ausreichen, um Nachteile zu verhindern. Wenn man hier die kritische Sonde anlegt, meine Damen und Herren, dann kommt man zu nicht sehr erfreulichen Ergebnissen.



Dr. Schmidt (Gellersen)

Wieder einmal hat sich die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren auch für die neue Verhandlungsrunde ein rein defensives Konzept zurechtgelegt, das in dieser Form bei den übrigen EWG-Partnern wohl kaum auf eine begeisterte Zustimmung stoßen wird. Selbstverständlich wünsche auch ich, daß die deutsche Delegation unsere Position so gut wie möglich verteidigt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Na also!)

Allein, die praktische Vernunft und die Erfahrungen
der letzten Jahre sagen mir freilich, daß von den
schönen Blütenträumen nur wenige reifen werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist immer so!)

Es werden wohl alsbald wieder, das glaube ich, einige der „glücklichen Tage" im Leben des Herrn Schmücker kommen, der mit seinem einmaligen „Verhandlungsgeschick" im Dezember 1964 bekanntlich schon einmal Agrarpolitik gemacht hat und der in zunehmendem Maße die Richtlinien der Agrarpolitik in der Heimat bestimmt.
Mit diesen noch in diesem Sommer zu erwartenden Beschlüssen wird gewissermaßen der Schlußstrich unter eine Entwicklung gezogen, die durch ein permanentes Wunschdenken von Ihnen gekennzeichnet ist, nach dem berühmten Motto, daß nicht sein kann, was nicht sein darf.
Der Getreidepreisentscheidung folgte das bekannte und auch von Herrn Bauknecht erwähnte EWG-Anpassungsgesetz, der Wahlschlager der CDU und die Glanznummer des Herrn Ludwig Erhard. Stellen Sie sich doch den Mann vor in Frack und Zylinder und mit dem Stäbchen in der Hand. Man nehme einen Hut, werfe da die 1,1 Milliarden DM hinein, gebe ein Versprechen hinzu, alle künftigen Verluste aus der Getreidepreisangleichung auszugleichen, dann rühre man kräftig um, decke ein schwarzes Tuch darüber

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Und dann merkt man, daß der Hut ein Loch hat!)

und warte bis zum Wahlkampf. Und was kommt dabei heraus? — Ein Haushaltssicherungsgesetz.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Es wäre sehr reizvoll, meine Damen und Herren, Sie im einzelnen an die Entstehung des EWG-Anpassungsgesetzes und das ganze Drum und Dran zu erinnern.
Die Zusagen — ich komme noch ein bißchen darauf —, die der Herr Bundeskanzler am 30. November 1964 gegenüber den Vertretern des Bauernverbandes gemacht und die er hier am 2. Dezember des gleichen Jahres wiederholt hat, waren also der Hintergrund. Bereits zu diesem Zeitpunkt wußte der Herr Bundeskanzler sicher schon, daß er seine Versprechen nicht einhalten konnte. Einige Wochen später nämlich war das schwarz auf weiß zu lesen. Und dann kam Ihre Koalition und versuchte zu retten, was zu retten war. Dann sprach der Herr Bundeskanzler auf dem Deutschen Bauerntag in Düsseldorf davon, daß er einiges Wasser in den Wein schütten werde. Inzwischen hat sich aber herumgesprochen, daß es bei einigen Tropfen gar nicht geblieben ist. Die Verwandlung von Wein zu Wasser ist nahezu vollständig.

(Heiterkeit und Beifall bei der SDP.)

Wenn man sich auch nicht die Berechnungen einiger Bauernzeitungen zu eigen machen muß, kommt man doch nicht um die Feststellung herum, daß durch Kürzungen und Umbuchungen immerhin die Hälfte der EWG-Anpassungshilfe verschwunden ist.
Man hätte draußen im Lande für die Kürzungen noch einiges Verständnis aufbringen können, wenn die Bundesregierung offen und ehrlich hier erklärt hätte, wie ihre Finanzlage aussieht und welche Folgerungen sie auf agrarpolitischem Gebiete daraus zu ziehen gedenkt. Jeder, aber auch jeder hätte das begriffen. Statt dessen griff die Bundesregierung zu der bekannten Verschleierungsmethode, die Bundesminister Höcherl auf einer Pressekonferenz in Berlin sehr treffend als „buchhalterische Kunststücke" bezeichnet hat.

(Abg. Wehner: Er muß es ja wissen!)

— Der muß es wissen, ja. Es ist ungewöhnlich fürsorglich gedacht, den Leuten einen Schock ersparen zu wollen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das EWG-Anpassungsgesetz ein gut durchdachter Wahlschwindel war.
Die logische Konsequenz aus der Kürzung der EWG-Anpassungshilfe hätte nun darin bestehen müssen — —

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502416600
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502416700
Bitte.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502416800
Bitte, Herr Abgeordneter Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0502416900
Herr Kollege Schmidt, sind Sie nicht mit mir der Auffassung: Wenn es nach dem Willen der SPD gegangen wäre, hätten wir bereits im Jahre 1964 die Getreidepreissenkung gehabt ohne einen Pfennig Ausgleich dafür?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502417000
Herr Kollege Bauknecht, eine Gegenfrage: Wo haben Sie das Märchen nur gelesen?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0502417100
Eine Zusatzfrage: Herr Kollege Schmidt, sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß man das aus Ihren zahlreichen Reden in jenen Jahren und aus den Auslassungen Ihrer Kollegen in Straßburg entnehmen mußte?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502417200
Herr Kollege Bauknecht, Sie haben eben schlecht zugehört. Ich würde Ihnen empfehlen, besser zuzuhören. Lesen Sie meine Reden nach, dann finden Sie das alles genau wieder.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Die logische Konsequenz aus der Kürzung der EWG-Anpassungshilfe hätte nun darin bestehen



Dr. Schmidt (Gellersen)

müssen, nach einem Ausgleich auf andere Weise zu suchen. Jedermann in der Bundesrepublik begreift, daß es ein Unding ist, die landwirtschaftlichen Preise zu vereinheitlichen, nicht aber die staatlich beeinflußbaren Kosten und die sonstigen einkommenswirksamen Faktoren. Ein freier Wettbewerb — das will ich unterstreichen — setzt gleiche Bedingungen voraus. Sonst geht er zu Lasten einer bestimmten nationalen Gruppe.
Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht nichts oder so gut wie nichts unternommen. Über die Gründe braucht man sich nicht im unklaren zu sein. Wäre sie ihren Verpflichtungen nämlich nachgekommen, dann hätte sie erstens eingestehen müssen, daß nur ein Teil der Verzerrungen in Maßnahmen anderer Partner besteht, ein nicht minder wichtiger Teil in Unterlassungen auf unserer eigenen Seite. Zweitens hätte eine Aktivität auf diesem Gebiet dazu geführt, daß die bisher in Brüssel betriebene Taktik des Nur-Verteidigens früher oder später über Bord geworfen worden wäre. Diesen gedanklichen Umstellungsprozeß hat man gescheut, und zwar einfach deshalb, weil man nicht bereit war, die Realitäten so zu nehmen, wie sie nun einmal sind.
Manche Leute gerade auf Ihrer Seite (zur CDU/ CSU) scheinen damit auch intellektuell überfordert zu sein.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Für Sie besteht das ganze Problem darin, auf Zeitgewinn zu spekulieren, weil Ihnen das nämlich erlaubt, noch eine Weile Ihren schönen Träumen nachhängen zu können, Ihren Träumen von einem Europa, das für alle gilt, nur nicht für Sie und die deutsche Landwirtschaft.
Ich nehme an, daß die Opposition innerhalb der Koalition uns auch heute noch einen Beweis dafür liefern wird. Ich finde ihn sogar auf Umdruck 22. Sie glaubt nämlich allen Ernstes, der interne Ärger mit dem EWG-Anpassungsgesetz könne die EWG-Kommission und die übrigen Partnerländer veranlassen, das Inkrafttreten des Getreidepreisbeschlusses bis 1970 zu verschieben. Daß ein solcher Antrag völlig aussichtslos ist, darüber braucht man wohl keine weiteren Worte zu verlieren. Die Bundesregierung denkt deshalb auch nicht daran, in Brüssel mit derartigen Forderungen anzurücken.
Es handelt sich dabei übrigens um die gleiche Bundesregierung, der auch die FDP angehört, was sie nicht nur bei Wahlkämpfen, sondern auch bei der Grünen Debatte hier in Bonn oft gern vergißt.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zurufe von der FDP.)

— Meine Damen und Herren von der FDP, dieses Datum — ich meine jetzt den 1. Juli 1967 — kommt so sicher wie der nächste Winter. Bei der Schneeschmelze wird sich dann zeigen, was von Ihrer Politik übriggeblieben ist, nämlich ein Haufen wolkiger Sprüche. Wenn Sie, Herr Dr. Effertz und Herr Logemann und die anderen Herren, sich mit uns dafür einsetzten, daß mit der Preisangleichung auch die Frachten für landwirtschaftliche Güter harmonisiert würden, daß ein einheitliches Interventionssystem geschaffen würde usw. usf., dann würden Sie der
deutschen Landwirtschaft einen besseren Diens erweisen als mit Ihrer Forderung nach Verschiebung des Termins.
Wer überhaupt in Brüssel etwas erreichen will — das ist meine abschließende Meinung zu diesem Kapitel —, der muß dort aktiv mitarbeiten, und das sollten Sie der Regierung sagen.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502417300
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502417400
Ja, bitte!

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502417500
Herr Kollege Schmidt, ich habe bisher nicht gewußt, daß Sie Hellseher sind. Wissen Sie so genau, daß bei dem Fortgang der Verhandlungen in Brüssel Frankreich nicht wieder die Politik des leeren Stuhles beginnen wird? In Brüssel wird ja nicht nur über Agrarpolitik und den Getreidepreis verhandelt.

(Zurufe von der SPD. — Zuruf links: Ist da der Wunsch der Vater des Gedankens?)


Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502417600
Herr Kollege Effertz, gerade weil nicht nur über reine Landwirtschaftsfragen, sondern auch über die KennedyRunde beschlossen wird, werden Sie erleben, daß es an dem Termin 1. Juli 1967 überhaupt gar kein Wackeln gibt, auch nicht einmal für diesen Minister, der dort sitzt.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502417700
Gestatten Sie eine zweite Frage?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502417800
Bitte!

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502417900
Sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Revisionsklausel bereits jetzt seitens der Bundesregierung in Brüssel angewandt werden müßte?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502418000
Ob sie müßte oder nicht — die Bundesregierung wird die Revisionsklausel nicht anwenden, weil sie genau weiß, wie die Lage dort ist.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502418100
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0502418200
Sind Sie nicht mit uns der Meinung, daß es nicht mehr möglich sein wird, bis zum 1. Juli 1967 die Frachtengleichheit für alle Länder einzuführen, und daß man aus diesem Grunde verlangen muß, daß die Getreidepreisharmonisierung verschoben wird, damit der deutschen Landwirtschaft keine Nachteile entstehen?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502418300
Daß das bisher nicht geschehen ist, das verdanken wir der Bundesregierung; die hat ja dabei immer geschlafen. Ich habe nur die Befürchtung, daß sie ohne diese Maßnahmen den kommenden Beschlüssen zustimmen



Dr. Schmidt (Gellersen)

wird. Diese Erfahrung haben wir aus der Vergangenheit.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0502418400
Gestatten Sie eine weitere Frage?

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0502418500
Sind Sie anderer Auffassung als Ihr sozialistischer Kollege in Holland, Vredeling, der nämlich meint, daß der. Beschluß vom Dezember 1964 bis heute noch nicht rechtsgültig ist?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502418600
Hören Sie! Was Herr Kollege Vredeling in Holland denkt, ist nicht meine Sache. Wir sind hier im Bundestag und reden über unsere Verhältnisse und die Verhältnisse in der EWG.

(Beifall bei der SPD.)

Am heutigen Tage werden in Brüssel die Vorschläge der EWG-Kommission für die gemeinsamen Preise für Zucker, Milch und Rindfleisch veröffentlicht, wie ich gestern abend erfahren habe. Sie sind zwar noch nicht beschlossen, aber wir haben ja Erfahrungen, wie das geht. Es wird mir, meine Damen und Herren von der Koalition, ein Vergnügen sein, Sie dann bei Ihren Seiltänzen zu beobachten. Aber, wie gesagt, das Vergnügen haben wir ja noch.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.)

Lassen Sie mich nun zum Grünen Bericht und zum Grünen Plan zurückkehren. Ich kann es mir wahrhaftig sparen, auf die einzelnen Fakten des Berichts an dieser Stelle einzugehen. Das hat Herr Bauknecht zur Genüge getan.
Die strukturellen Veränderungen und die Einkommensentwicklung sind sicher interessant, sie sind auch in der Öffentlichkeit schon seit Wochen bekannt. Ich darf nur sagen, daß die Statistiker sich auch bei diesem Bericht um einwandfreies Material bemüht haben, und dafür möchte ich ihnen danken.
Meine Fraktion beantragt hiermit, den Grünen Bericht abweichend von der Praxis der früheren Jahre an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und den Wirtschaftsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Über die Gründe brauche ich den Eingeweihten nichts Näheres zu sagen. Herr Logemann hat sich dazu sogar öffentlich geäußert.

(Zuruf von der FDP: Das wüßten wir aber gern!)

Aber vielleicht ist es angebracht, einmal ganz kurz auf die Hintergründe einzugehen.
Wie Sie wissen, wird schon seit zwei Jahren eine Umstellung der Methode der Vergleichsrechnung angekündigt. Die Notwendigkeit der Umstellung haben wir in diesem Hause auch von unserer Seite immer wieder betont. Diese Umstellung war sachlich bedingt. Sie ist vom Beirat zur Feststellung der Ertragslage der Landwirtschaft einstimmig gebilligt worden. Keines der vier beteiligten Ressorts hatte besondere Einwände. Als nun aber die Zahlen vorlagen, da fuhr dem Bundeskanzler und dem Herrn Schmücker der Schreck so in die Knochen, daß sie dafür sorgten, daß das Verfahren nachträglich
geändert wurde. Herr Schmücker hatte dazu auch einen Anlaß; denn die neuen Zahlen sagten etwas ganz anderes aus als die Parolen, die er in den letzten Monaten verbreitet hatte. So hatte er noch am 10. Dezember des Jahres 1965 vor der Industrie-und Handelskammer zu Hagen die Behauptung aufgestellt, die Lage der Landwirtschaft habe sich bedeutend gebessert. Wörtlich hatte er erklärt: „Jeder wird im März im Grünen Plan nachlesen können, daß die Landwirtschaft im letzten Jahr — und ich freue mich gerade meines Wahlkreises wegen darüber — zum erstenmal überproportional am Aufstieg beteiligt war." Das ist nachzulesen in den Mitteilungen des Bundesverbandes der deutschen Industrie vom 10. Januar auf Seite 5.

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Hört!' Hört!)

So etwas kommt heraus, wenn man zum Gefangenen gesundbeterischer Parolen geworden ist.

(Beifall bei der SPD.)

Herr Bundesminister Höcherl hat an dieser Stelle versucht, glauben zu machen, es seien methodische Gründe gewesen, die den Bundeskanzler veranlaßt hätten, die Angaben des Grünen Berichts nachträglich korrigieren zu lassen. In Wirklichkeit waren es einzig und allein politische Motive nach dem Motto, „daß nicht sein kann, was nicht sein darf". Das erinnert mich an eine Wendung aus dem Werbefernsehen, die ich ein bißchen abwandeln möchte — gestatten Sie mir dieses scherzhafte Wort —: Erhard zwingt Rot raus und zwingt Grün rein.

(Heiterkeit links.)

Herr Bundesminister Höcherl hat auch erklärt, ihm sei die ganze Aufregung unverständlich, und die Veränderung des Vergleichslohns sei in der Öffentlichkeit mißdeutet worden. Leider ist sie viel zu eindeutig, als daß man sie ohne weiteres hinnehmen könnte. Herr Höcherl selbst soll den Journalisten gegenüber von „politischer Kosmetik" gesprochen haben. Das trifft die Vorgänge, die sich hier ereignet haben, wohl exakter. Herr Höcherl hat an dieser Stelle ausgeführt, er werde darum besorgt sein, daß das Rechnungswerk auf den jeweils modernsten Stand gebracht wird.
Im Grünen Bericht selbst sind weitere Korrekturen angekündigt. Gegen solche Änderungen ist, soweit sie methodisch bedingt sind, im Prinzip gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil! Aber es ist doch unerträglich, daß das alle Jahre geschehen kann und daß sich die Bundesregierung das Verfahren nach dem Ergebnis zurechtlegen kann, das nach ihrer Meinung herauskommen müßte.
Wir schlagen deshalb vor, daß der Bundestagsausschuß zusammen mit den Mitgliedern des Beirats, die, wie ich weiß, sehr daran interessiert sind, ein neues Verfahren festlegt, das in Zukunft angewandt wird. Dabei wird man natürlich auch die anderen mit der Erstellung des Grünen Berichts aufgetauchten Probleme einer näheren Erörterung unterziehen müssen.
Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich ausdrücklich betonen, daß es uns nicht auf eine



Dr. Schmidt (Gellersen)

hohe oder niedrige Disparität ankommt. Wir kennen die Problematik solcher Vergleichsrechnungen ganz genau. Aber es handelt sich immerhin um Vergleichszahlen, aus denen ein längerfristiger Trend und die Entwicklung in den einzelnen Betriebstypen, Gebieten und Wirtschaftssystemen abgelesen werden sollen. Wenn diese Vergleichszahlen aber ständig manipuliert werden können, dann hat die ganze Rechnung keinen Sinn mehr, dann bekommt sie etwa das gleiche Gewicht wie die agrarpolitischen Abschnitte in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers.
Nach den Anmerkungen des Herrn Logemann darf ich wohl annehmen, daß auch Sie diesem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmen werden.
Meine Damen und Herren, in der Landwirtschaft hat es große Enttäuschung ausgelöst, daß der Gesamthaushalt Einzelplan 10 an der Steigerungsquote des Bundeshaushalts nicht teilgenommen hat. Das ist sicher die Quittung für die unehrliche Haushaltspolitik der letzten Jahre mit den hohen Resten und der Verplemperung der Mittel. Die Einzelmaßnahmen des Grünen Plans, ihre Einordnung in neue Überschriften und die Dotierung entsprechen weder den Aussagen zur Agrarpolitik in der Regierungserklärung, noch sind sie auch nur annähernd geeignet, der Agrarpolitik eine wirklich neue Blickrichtung zu geben. Der eine Versuch des Herrn Höcherl ist zwar lobenswert — er bezieht sich auf das Thema Investitionshilfen —, aber Ihre Koalitionsfreunde, Herr Bundesminister, sind schon kräftig dabei, auch das wieder rückgängig zu machen.
Von der Qualität her gesehen ist auch das Gesetzgebungsprogramm des Ernährungsministers — das sei mir als Nebenbemerkung gestattet — alles andere als gesellenstücksreif. Natürlich ist mir die Haushaltslage bekannt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502418700
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502418800
Bitte sehr!

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502418900
Herr Kollege Schmidt, wenn ich Sie recht verstanden habe, sprachen Sie sich dagegen aus, daß wir an der jetzigen Vorlage des Grünen Plans in irgendeiner Form noch etwas ändern; denn das meinten Sie doch offensichtlich, als Sie Kritik daran übten, daß die Koalition schon wieder fest dabei sei, das zu ändern. Sind Sie also dagegen?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502419000
Ganz klar! Der Vorschlag der Bundesregierung, die Investitionshilfen so zu gestalten, daß sie produktiv wirken, ist ein guter Vorschlag. Ihren Versuch, wieder eine Reihe von Töpfchen neu aufzumachen, halte ich für grundverkehrt.

(Beifall bei der SPD.)

Natürlich ist mir die Haushaltslage bekannt. Der
Versuch aber, diese Lage mit buchhälterischen
Kunststückchen zu überdecken, z. B. bei der Strukturpolitik — das hat ja dem Minister recht unfreundliche Kommentare eingebracht —, hilft doch nur für den Augenblick. Es wird auch bei der Bundesregierung nichts so fein gesponnen, es kommt doch an das Licht der Sonnen, Herr Minister.

(Heiterkeit. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Da wir schon bei den Strukturverbesserungsmaßnahmen sind, lassen Sie mich noch folgendes hinzufügen. Ich habe den Eindruck, daß es Ihnen auch gar nicht zum Bewußtsein gekommen ist, welchen Schaden Sie mit Ihrer Politik angerichtet haben. Die psychologischen Auswirkungen bei den Beteiligten sind unverkennbar. Jeder fragt sich: Wozu haben wir denn überhaupt noch eine Regierung, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, den Ablauf ihrer Maßnahmen zu erkennen und die Öffentlichkeit rechtzeitig über ihre Aktionen zu informieren. Im übrigen, Herr Bundesminister, ist es einfach unseriös, wenn Sie Maßnahmen rückwirkend streichen, nachdem Sie die Betroffenen vorher dazu animiert haben. Eine Diskussion über Fug und Unfug der einzelnen Maßnahmen hätte immerhin noch einen gewissen Sinn, wenn heute hier die Möglichkeit bestünde, mit einer Weichenstellung zu beginnen, wenn man beispielsweise überlegte, ob man nicht besser das eine tun und das andere lassen sollte.
Solche Alternativen gibt es leider fast nicht; denn von den Mitteln, die z. B. für den Bereich der Agrarstruktur eingesetzt sind, ist der weitaus überwiegende Teil schon im vergangenen Jahr vergeben worden. Nicht nur mit der Mittelvergabe nach der Gießkannenmethode sind die Kassen geräumt worden, sondern auch mit den Bindungsermächtigungen. Als ich mich, Herr Bundesminister Höcherl, bei Ihrem Vorgänger vor den Wahlen danach erkundigte, wie er denn nun die Sparauflagen des Kabinetts realisieren wolle, erhielt ich zwar einen sehr freundlichen Brief von ihm. Der Tenor war: keine Bange, Herr Kollege, die bewährten Maßnahmen werden konsequent durchgeführt. Fürwahr, an Konsequenz hat es wirklich nicht gefehlt.
Ich möchte jetzt bewußt davon absehen, zu untersuchen, ob sich das „Bewährte" nun wirklich bewährt hat. Im Augenblick scheint es mir vordringlicher zu sein, die Frage aufzuwerfen, was jetzt, genauer gesagt, was in den nächsten Monaten getan werden muß, um den Scherbenhaufen nicht noch größer werden zu lassen. „Wenn die Werbung keinen Erfolg hat, wird es Zeit, die Ware zu ändern", das hat einmal ein bekannter französischer Kriminalschriftsteller erklärt

(Zurufe)

— seien Sie nur mal ruhig —, der inzwischen der Landwirtschaftsminister Frankreichs geworden ist.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Und eben dieses Rezept kann man der Bundesregierung nur dringend empfehlen: die Ware ändern, Herr Minister!

(Abg. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller: Guter Berufswechsel!)

— Guter Berufswechsel, ja, völlig richtig, Kollege Möller.



Dr. Schmidt (Gellersen)

Gewisse Anhaltspunkte, meine sehr verehrten Damen und Herren, zumindest für den Hausgebrauch, nämlich für den Bereich Ihrer vorerst noch eigenen Zuständigkeit liefert das jüngste Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Es ist immerhin ein Fortschritt in 16jähriger Regierungspraxis, Herr Minister, daß ein solches Gutachten überhaupt veröffentlicht worden ist. Das erkennen wir an.

(Zuruf von der CDU/CSU: Alles Gute kommt vom Süden!)

Aber viel interessanter ist, daß es sich in sehr auffallender Weise mit den programmatischen Vorstellungen deckt, die meine Partei für diese Legislaturperiode unter dem Titel „Chancen für die Landwirtschaft" veröffentlicht hat. Damit will ich nun nicht etwa behaupten, die Wissenschaftler hätten von uns abgeschrieben oder wir von den Wissenschaftlern. Meine Damen und Herren, es handelt sich einfach — das ist gar nicht so kompliziert — um Ideen und Erkenntnisse, die gewissermaßen auf der Straße liegen und die von der Bundesregierung längst hätten aufgehoben werden können, wenn sie sich die Mühe gemacht hätte, sich danach zu bücken.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Das war aber scheinbar zu viel von ihr verlangt;

(Zurufe von der Mitte)

ihr ging es ja darum — und der Minister hat das wieder so schön formuliert, wie so oft sein Vorgänger, Herr Schwarz —, die „bewährten" Maßnahmen „konsequent" fortzusetzen, was um so praktischer ist und war, als man sich damit vor allen Dingen ein mühsames Nachdenken über .die Realisierung solcher Ideen ersparen konnte.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich nehme an, meine Damen und Herren von der Koalition, daß Sie unser Programm nicht zur Hand haben. Sie haben es natürlich auch nicht gelesen, weil Ihnen

(Zuruf von der CDU/CSU)

— passen Sie auf! — nämlich Herr Niermann (weitere Zurufe von der Mitte)

— aber den Herrn Niermann kennen auch Sie in der CSU — gesagt hat, es stehe nicht drin. Darf ich mir vielleicht erlauben, die Punkte abzuhaken, die der Wissenschaftliche Beirat im einzelnen aufgeführt hat. Da wäre z. B. — und das lassen Sie mich ruhig einmal hier in diesem Hause sagen, damit Sie sehen, wie weit Sie noch zurück sind —

(Lachen bei der CDU/CSU)

erstens die Anpassungshilfe für Betriebsleiter, die die Landwirtschaft als hauptberufliche Tätigkeit aufgeben wollen; das ist nachzulesen im Abschnitt IV Ziffer 7.

(Zuruf von der CDU/CSU: Des CDUProgramms!)

— Des SPD-Programms! Zweitens: Anpassungsmaßnahmen für die verbleibenden Betriebe im Rahmen von Entwicklungsplänen — Kapitel Kreditwirtschaft
—, V, 1 desselben Programms. Drittens: Ausbau der sozialen Sicherheit der Landwirtschaft, VI, 1 und 2 dieses Programms.

(Zuruf von der Mitte.)

— Werden Sie nicht ungeduldig, es kommen noch mehr Punkte. Viertens: Ausbildung und Beratung, Kapitel VII, Ziffern 1 und 2 des gleichen Programms usw. usf.
Selbstverständlich, meine Damen und Herren, gibt es gewisse Nuancen, über die man reden kann. Aber Ausgangspunkt der Überlegungen in den Vorbemerkungen einerseits und in den Grundsätzen und Problemen der Aufgabenstellung im Programm andererseits und die daraus gezogenen Folgerungen stimmen zumindest in der Tendenz überein, und darauf kommt es ja an. Ich möchte ausdrücklich hinzufügen, daß das keine Parteitendenz ist; es ist die Tendenz des gesunden Menschenverstandes. Der gesunde Menschenverstand zeichnet sich nämlich bekanntlich durch die kritische Einsicht aus und begnügt sich nicht damit, immer nur das „Bewährte" „konsequent" fortzusetzen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502419100
Eine Zwischenfrage.

Karl Bewerunge (CDU):
Rede ID: ID0502419200
Herr Kollege Schmidt, sind Sie nicht der Meinung, daß die Frage des Plagiats hier zu klären ist? War nicht das CDU-Programm zunächst da, dann Ihres und dann zum Schluß das Gutachten?

(Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.)

— Sie haben ja gar kein Programm, und was Sie haben, ist so weit hinten zurück, daß man es nicht mehr zu lesen braucht.

(Oh-Rufe und weitere Zurufe von der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502419300
Eine weitere Zwischenfrage.

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0502419400
Herr Kollege Schmidt, Sie zitieren einige Programmpunkte der SPD. Darf ich Sie fragen: Passen die Androhungen neuer Arbeitszeitverkürzungen von seiten der Gewerkschaften in dieses Programm hinein? Oder glauben Sie nicht, daß die jetzt mit der IG Metall vereinbarten Arbeitszeitverkürzungen und die noch drohenden Arbeitszeitverkürzungen mit Milliardenbelastungen auf unser aller Rücken, vor allem auf dem Rücken der deutschen Landwirtschaft und derer, die nicht von Großindustrie und Großgewerkschaften gefördert sind, erfolgen?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502419500
Herr Kollege Gleissner, ich glaube, das sind zweierlei Stiefel,

(Sehr richtig! bei der SPD)

und wir unterhalten uns im Augenblick über den Stiefel Landwirtschaft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach so, wir reden mit zwei Zungen!)




Dr. Schmidt (Gellersen)

— Nein, gar nicht. Im übrigen komme ich im allgemeinen sehr gut mit Herrn Gleissner aus. Wir verstehen uns in sehr vielen Punkten. Aber das war eben ein bißchen daneben.
Über die einzelnen Vorschläge des vorliegenden Gutachtens wird man sich, wie gesagt, noch unterhalten müssen. Ich hoffe, daß es eine solche Unterhaltung auch — —

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502419600
Herr Abegordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502419700
Ich bin zwar schon ganz woanders, aber bitte!

Dr. Franz Gleissner (CSU):
Rede ID: ID0502419800
Eine kurze Frage. Mein Kollege Schmidt sagte eben „daneben". Herr Kollege Schmidt, ich frage Sie: Ist es richtig, daß wir hier über den Grünen Plan reden, um da und dort nach Hilfen zu suchen, während auf der anderen Seite in Wahrheit für die von Großindustrie und — ich wiederhole es — Großgewerkschaften nicht geförderten Gruppen zunehmende Belastungen durch Arbeitszeitverkürzungen, Lohnforderungen etc. erfolgen? Gehört die Wirtschaft nicht zusammen? Ist nicht die Landwirtschaft ein Teil des ganzen Volkes? Darauf möchte ich Sie ansprechen.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502419900
Die Landwirtschaft ist selbstverständlich ein Teil des ganzen Volkes, und die Landwirtschaft ist ein Teil der Gesamtwirtschaft. Aber, Herr Kollege Gleissner, das in allem Freimut: wir unterhalten uns hier einzig und allein darüber, was die Bundesregierung im Grünen Bericht und im Grünen Plan vorgelegt hat und was sie zu tun beabsichtigt, über nicht mehr und nicht weniger. Was die Gewerkschaften und die Industrieverbände drüben tun, das gehört im Augenblick gar nicht hierher.

(Abg. Bauer [Wasserburg] : Die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge wollen Sie leugnen?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502420000
Herr Kollege Ertl, eine Zwischenfrage.

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0502420100
Herr Kollege Schmidt — Herr Kollege Bauer hat es an sich vorweggenommen —, wollen Sie vielleicht behaupten, daß die Landwirtschaft nicht die positiven und negativen Seiten einer allgemeinen Konjunkturentwicklung mitmachen muß und in dem Sinne, wie Herr Gleissner es mit Recht gesagt hat, auf Grund der allgemeinen Entwicklung auf dem Dienstleistungssektor erheblich Negatives in Kauf nehmen mußte?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502420200
Natürlich steht sie mitten drin. Das hat gar keiner abgeleugnet. Natürlich spürt auch sie die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik. Aber, hören Sie, daß hat doch Ihr Präsident Rehwinkel dauernd in seinem Redekonzept. Er klagt die Bundesregierung doch dauernd an,
daß sie tagein tagaus die falsche Wirtschaftspolitik macht.

(Beifall bei der SPD.)

Die Folgen dieser Politik spürt die Landwirtschaft natürlich. Denken Sie nur an das Kapital der Investitionen! Denken Sie nur einmal an das Kapitel der Baukosten! Ich glaube, Sie selber haben eine entsprechende Kleine Anfrage über die Baukosten und die Maschineninvestitionen eingebracht. Aber das ist eben Wirtschaftspolitik und nicht Agrarpolitik. Da wenden Sie sich mal an den Wirtschaftsminister! Ach, der ist nicht da; der Herr Schmücker ist noch in Brüssel. Aber es wäre gut gewesen, wenn er heute dabeigewesen wäre.

(Sehr richtig! bei der SPD.)


Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0502420300
Herr Kollege Schmidt, würden Sie mir darin recht geben, daß Ihr Fraktionskollege Leber als maßgeblicher Mitverhandler bei Tarifverhandlungen zu den Baukosten erheblich beiträgt?

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502420400
Hören Sie einmal zu! Sie münzen auf das ab, was der Kollege Leber hier neulich gesagt hat. Ich habe das nicht selbst gehört, sondern habe das später erst nachgelesen. Ich habe nur den letzten Teil seiner Ausführungen vernommen, weil ich hier heruntergerufen wurde. Das, was Herr Kollege Leber hier gesagt hat, unterstreiche ich voll und ganz. Sie haben es bloß in den falschen Hals gekriegt. Er hat nämlich gefragt, ob die Landarbeiterlöhne an der Entwicklung der Lebensmittelpreise schuld seien. Natürlich sind sie überhaupt nicht schuld daran. Hätten Sie ihn nur ausreden lassen! Aber Sie wurden ja viel zu nervös!

(Beifall bei der SPD.)

Und dann noch eins, was den Kollegen Leber angeht: der Mann hat viel mehr Verständnis für die Belange der Landwirtschaft als mancher von Ihnen hier.

(Erneuter Beifall bei der SPD.)

Ich brauche nur ein paar von Ihnen anzugucken.
Nun lassen Sie mich fortfahren. Über die einzelnen Vorschläge des vorliegenden Gutachtens wird man sich, wie gesagt, noch unterhalten müssen. Eines steht freilich jetzt schon fest: das Gutachten zwingt zu der Erkenntnis, daß eine gezielte Förderung der Landwirtschaft nur erfolgreich ist, wenn sie zwischen entwicklungsfähigen Betrieben und solchen Höfen unterscheidet, die als vollbäuerliche Existenzen keine Zukunft mehr haben. — Herr Kollege Gleissner, Sie stehen schon wieder auf; aber lassen Sie es mich vorweg sagen. — Beide gehören natürlich zur Landwirtschaft; das ist wohl selbstverständlich. Derartige Grenzen zu ziehen, ist sicher nicht einfach; und das ist eben auch ein Nachteil des Gutachtens. Aber immerhin, hier wird ein anerkennenswerter Versuch gemacht, und er kann hoffentlich dazu beitragen, uns von den weltanschaulichen Deutungen des Begriffs „Familienbetrieb" zu befreien.
Die Entscheidung ist unausweichlich, und es ist die Pflicht des Staates — so meinen wir jeden-



Dr. Schmidt (Gellersen)

falls —, denjenigen zu helfen, die in der Landwirtschaft kein angemessenes Einkommen mehr finden können. Die Begründung dafür liegt nicht — wie eine billige Propaganda behauptet — darin, daß der Landwirtschaft ein bestimmter Preis vorenthalten wird. Es handelt sich bei dieser ganzen Entwicklung um eine folgerichtige, unausweichliche Konsequenz des technischen Fortschritts, nicht mehr und nicht weniger.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat der alte Marx auch schon gesagt!)

Das muß man doch endlich einmal begreifen.

(Erneuter Zuruf von der CDU/CSU.)

— Das ist eben so. Der technische Fortschritt erzwingt auch in der Landwirtschaft diesen Wandlungsprozeß. Gesetzt den Fall, wir hätten genug Geld, allen kleinen Bauernbetrieben alle betriebsnotwendigen Investitionen zu schenken, dann würden wir bald feststellen, daß das Arbeitspotential dieser Bereiche nicht mehr ausgenutzt werden kann, weil die Produktionsgrundlagen fehlen.
Und was sagen Sie von der Koalition zu diesem Gutachten? Diese Frage möchte ich stellen. Ich habe vor wenigen Stunden eine Stellungnahme der CSU gefunden, der Partei des Bundesministers Höcherl, in der es heißt, es müsse unterstellt werden, daß man die 800 000 landwirtschaftlichen Zu- und Nebenerwerbsbetriebe zugunsten der Aufstockung opfern möchte. Denn Grund und Boden — so heißt es darin weiter — könnten nicht vermehrt, sondern nur anders verteilt werden. Das aber stehe in klarem Gegensatz zu den agrarpolitischen Zielen der CSU. Denn die CSU werde auch in Zukunft im Bund und in der EWG daran festhalten, daß die bäuerlichen Betriebe aller Größen bestehenblieben. Ein bekannter Vertreter dieser Partei fügte vor einiger Zeit mit unmißverständlicher Deutlichkeit hinzu: „Es darf keine landwirtschaftliche Existenz und kein Betrieb aufgelöst werden, auch wenn er nur die Größe eines Handtuchs hat." Diese Äußerungen waren ursprünglich gegen das Agrarprogramm der SPD gerichtet: aber sie gelten sinngemäß natürlich auch für das Gutachten. Ich kann es einfach nicht glauben, daß man es sich südlich der Mainlinie so billig machen kann. Und was hat der Herr Minister Höcherl, der derselben Partei angehört, bei der Vorlage des Gutachtens erklärt? Er sagte, die Vorschläge der Professoren seien schön und seien gut, aber dafür sei jetzt kein Geld da, denn die „bewährten" Maßnahmen müßten ja „konsequent" fortgesetzt werden. Ich nehme an, daß auch die FDP dabei natürlich helfen wird.
Konkret — auf die gegenwärtige Situation übertragen— möchte ich namens meiner Fraktion folgendes vorschlagen: die Bundesregierung aufzufordern, im Bundestag unverzüglich einen mittelfristigen Plan für die Verbesserung der Agrarstruktur vorzulegen, und zwar unter Berücksichtigung der Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesernährungsminister und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung der EWG-Strukturpolitik, der die Bundesregierung mit der Grundsatzverordnung 17/64 bereits zugestimmt hat.
Vielleicht bietet sich auch eine Zusammenfassung der bestehenden Gesetze und Bestimmungen über die Verbesserung der Agrarstruktur an, so wie es die Agrarsoziale Gesellschaft vor einigen Wochen vorgeschlagen hat.
Ich darf diese Forderung kurz erläutern. Herr Minister Höcherl hat vor einigen Tagen hier an dieser Stelle erklärt, es sei notwendig und zweckmäßig, ebenso wie bei der Verkehrsplanung auch im Bereich der Agrarstrukturpolitik auf jährliche Haushaltsfestlegungen zu verzichten. Insofern bedeutet unsere Forderung nach einem mittelfristigen Plan, die wir schon seit Jahren hier in diesem Hause vortragen, hoffentlich ein Einrennen offener Türen.
Der Herr Bundesminister hat auch erklärt, im Gegensatz zur Preis-, Handels- und Sozialpolitik bleibe im Bereich der Strukturpolitik die nationale Zuständigkeit voll und ganz erhalten. Herr Bundesminister, in diesem Punkte scheinen Sie von Ihren Referenten nicht ausreichend aufgeklärt worden zu sein. Richtig ist nämlich, daß die Sozialpolitik vom EWG-Vertrag kaum berührt wird, obwohl wir uns darin einig sind, daß es zum mindesten im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialleistungen zu einer Harmonisierung kommen muß, während in der Strukturpolitik zum mindesten de facto in absehbarer Zeit wichtige Kompetenzen an Brüssel übergehen. Es handelt sich dabei um eine Art konkurrierender Gesetzgebung, die vor allem in der erwähnten Verordnung 17/64 ihre praktische Bedeutung erhält. Diese Verordnung sieht nämlich vor, daß die Beihilfen zur Verbesserung der Agrar- und Marktstruktur aus dem EWG-Agrarfonds künftig nach einheitlichen Kriterien vergeben werden, nach sogenannten Gemeinschaftsplänen. Da es sich um recht beträchtliche Mittel handelt — man muß für die EWG insgesamt etwa zwei Milliarden DM rechnen - erhält die Gemeinschaft, sprich: Ministerrat und Kommission, ein direktes Einwirkungsrecht auf die nationale Strukturpolitik. Denn kein Land wird außerhalb der gemeinsamen Richtlinien noch einen größeren Spielraum haben.
Kommen Sie nun bitte bei diesem Gegenstand nicht mit dem Einwand, man müsse zunächst das Ergebnis der Beratung über die Agrarfinanzierung abwarten. Mit der Zustimmung zur Verordnung 17/64 hat die Bundesregierung auch dieser Übertragung von Kompetenzen zugestimmt, und das kann sie nicht mehr rückgängig machen. Auch nach der Luxemburger Vereinbarung wird das nicht anders sein. Die Bundesregierung muß sich also auf eine neue Linie einstellen, und der Bundestag hat ein Recht, zu erfahren, wie man sich die weitere Entwicklung vorstellt.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu einem Tatbestand, der meines Erachtens nicht übersehen werden darf. Der Grüne Bericht des Jahres 1966 zeigt mit unwiderlegbarer Deutlichkeit, daß die Disparität innerhalb der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr wächst. Mit dieser Feststellung wird im Grunde genommen ein vernichtendes Urteil über die bisherige Politik gefällt, die zwar immer den kleinen Mann für ihre Zwecke vor sich hergeschoben hat, ihn aber im Grunde seinem



Dr. Schmidt (Gellersen)

Schicksal Überlassen hat. Selbst Herr Bundesminister Höcherl 'bemerkt in seiner Rede, daß man auf die Dauer an diesen Tatsachen der wachsenden Disparität in der Landwirtschaft nicht vorbeikomme. Das ganze Drum und Dran uni die Kleinbauernprogramme kann man, Herr Bundesminister, mit einer in Berlin zu hörenden Redensart kennzeichnen: Viel Geschrei und wenig Wolle. Ein Kleinbauernförderungsprogramm ist dem Bundesminister Höcherl das allerliebste Kind. Nur wußte man bisher nie, Herr Minister, woran man war und was man darunter verstehen sollte. Es scheint Strohfeuer gewesen zu sein. Denn inzwischen sollen erst einmal Gutachten ,die Sache näher untersuchen und beleuchten.
So einfach aber, wie der Bundeskanzler das Problem sieht, ist es nun auch wieder nicht. In seiner Regierungserklärung heißt es: „Betriebe mit einer nicht ausreichenden Existenzgrundlage können nur durch Aufstockung oder Intensivierung gesunden." Das ist allerdings nur ein Bruchteil der Wahrheit, teilweise sogar unwahr. Ein ganzes Bündel von Maßnahmen dürfte notwendig sein, so, wie wir sie im Kap. IV 7 unter dem Stichwort „Sozialfonds zur Strukturverbesserung" vorschlagen und anbieten. Worauf kommt es an? Wir müssen dem Menschen, der in dieser Situation ist, Alternativen anbieten. Um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich nochmals betonen, daß selbstverständlich niemand ernstlich daran denken kann, gesunde Familienbetriebe aufzulösen. Es geht nur darum, auch auf diesem Teilgebiet gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Wir meinen, es wäre verantwortungslos, Maßnahmen abzulehnen, die sich in unseren Partnerländern bestens bewährt haben.
Eine derartige Politik wird allerdings nur dann erfolgreich betrieben werden können, wenn sie eingebettet ist in eine aktive umfassende regionale Wirtschaftspolitik, — die es in der Bundesrepublik leider nicht gibt. Es ist schade, daß dafür in der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik kein Platz vorhanden ist. Wenn die Agrarpolitik wachstumsorientiert sein soll — und sie muß es sein — dann ist sie doch ohne die ergänzende Wirtschaftspolitik nicht denkbar.
Nun zu einem ganz anderen, aber nicht minder wichtigen Punkt. Wir fordern die Bundesregierung auf, dem Bundestag ihre Vorstellungen über die künftige Milchpolitik zu entwickeln. Wir möchten damit nicht den Entscheidungen über den Richtpreis oder die Richtpreisschere für das nächste Wirtschaftsjahr oder über den Gemeinschaftspreis vorgreifen. Uns interessiert, wie sich die Bundesregierung die Durchführung des von ihr selbst in Brüssel mitbeschlossenen Beihilfenabbaus vorstellt, wie sie das Verwertungsverhältnis des Fett- und des Nichtfettanteils in der Milch ändern und schließlich wie sie — ganz konkret — verhindern will, daß in diesem Jahr der Butterberg noch weiter anwächst. Das ganze Haus hat einen sehr unmittelbaren Anspruch darauf, diese Pläne kennenzulernen. Denn die derzeitige Milchpolitik in der Bundesrepublik kostet uns 1966 zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden DM. Es ist deshalb nicht unwichtig, zu wissen, ob
dieser Betrag in diesem Jahr noch weiter ansteigt oder nicht.

(Abg. Wehner: Sehr wahr!)

Herr Minister Dahlgrün hat heute in seiner Rede — ich verweise auf die Ziffern 63 und 64 seines Konzepts — bereits einige Feststellungen getroffen. Leider zieht er daraus nicht die nötigen Konsequenzen; er redet nur darüber.
Gleichzeitig ist es aber wichtig, zu wissen, was mit dem Erzeugererlös passiert. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, in dieser Frage so weitermachen wie bisher, werden Sie diesen Erzeugererlös mit Sicherheit erheblich herunterdrücken. Denn Sie setzen die deutsche Milchwirtschaft der Gefahr aus, daß sie von einem Tag zum anderen in das kalte Wasser einer völlig anders gearteten Markt- und Stützungspolitik geworfen wird, auf die sie sich nicht rechtzeitig eingestellt hat. Angesichts der Tatsache, daß 28 % aller Verkaufserlöse der Landwirtschaft aus der Milch kommen, dürfte das von besonderer Bedeutung sein.
Wohlgemerkt, dem deutschen Milcherzeuger soll nichts, zumindest nichts Entscheidendes von seinem Erlös genommen werden. Aber Sie können sicher sein, daß wir es nicht zulassen werden, daß Sie sich hinter der bösen EWG-Kommission und später hinter dem uneinsichtigen Ministerrat verschanzen, wenn dieser Erlös eines Tages rapide absinkt, weil Sie jede Diskussion über die Milchpolitik im Keim erstickt haben. In Holland wie auch in Belgien ist man dabei; nur hier in der Bundesrepublik benehmen sich die Bundesregierung und die Koalition völlig anders. Vielleicht kann ich das Verhalten dadurch charakterisieren, daß ich es vergleiche mit dem Verhalten der Kinder, wenn es blitzt und donnert. Was tun Kinder dann? Sie kriechen unter das Federbett und meinen, ein Gewitter, das man nicht sehen und hören kann, das findet auch nicht statt.

(Heiterkeit. — Zurufe von der CDU/CSU.)

Für uns gilt in diesem Fall ein altes Sprichwort: Wer nicht hören will, muß fühlen. Sie können sich darauf verlassen, daß Ihnen eines Tages die Landwirtschaft den Vorwurf machen wird, das Sie es versäumt haben, rechtzeitig das Richtige zu tun.
Die Zeit ist so weit fortgeschritten, daß ich zwei bedeutende Problemkreise ausklammern muß, die Investitionspolitik und das Thema Marktstruktur. Herr Höcherl hat dafür in seiner Rede nur ein paar philosophische Betrachtungen übrig gehabt. Obwohl es doch die Spatzen von den Dächern pfeifen, daß der Markt für die Zukunft unserer Betriebe entscheidend ist, hat Herr Höcherl nichts zu sagen über die notwendigen Änderungen in den Zielvorstellungen für die Produktion, auch nichts über die großen Rationalisierungsreserven in der Vermarktung usw. Daß er seine Ankündigung eines gesetzlichen Rahmens für die Verbesserung der Marktstruktur vermeidet, dafür habe ich volles Verständnis, wenn man die Lage in seiner Koalition sieht.
Nun, meine Damen und Herren, meine Freunde und ich haben davon abgesehen, in diesem Jahr eine besondere Entschließung einzubringen. Mit Entschließungen im agrarpolitischen Bereich haben wir



Dr. Schmidt (Gellersen)

in diesem Hause unsere besonderen Erfahrungen. Ich habe mich immer gefragt, was eigentlich die Bundesregierung mit solchen Entschließungen anstellt. Durch Zufall hat mir dieser Tage ein sehr pfiffiger Mann — ein Journalist — dazu folgendes gesagt und zum besten gegeben. Ich darf es hier wiederholen: Sie dreht die Papierehen zu einem Röllchen zusammen, verschließt das eine Ende, macht ein paar Löcher rein, und dann kann sie darauf pfeifen. Nun, aber unabhängig davon werden Sie, da bin ich mir völlig sicher, in den kommenden Monaten an dem „Bewährten" festhalten. Der Minister wird das Seine tun, um in seinem Kleinbauernprogramm einige Fortschritte zu machen und den Träumen nachzugehen. Die Koalition wird damit fortfahren, die ganze bisherige Agrarpolitik zu einem Fetisch zu machen — das erleben wir —, den man nur anbeten, aber nicht antasten darf.
Aber wenn Sie so weitermachen, können Sie von uns nicht erwarten, daß wir Ihnen auch nur den kleinen Finger reichen, wenn Sie 1967 und 1968 in den selber geschaufelten Graben gefallen sind; dessen bin ich mir bei der heutigen Situation völlig sicher. Sie können sich darauf verlassen, daß wir auf die von mir und später von meinem Freund Frehsee angeschnittenen Fragen und Themen in diesem Jahr immer wieder zurückkommen werden.
Ich bitte Sie, und das sage ich in aller Offenheit, sich heute schon darauf einzustellen. Wir haben Vertrauen in die Landwirtschaft, daß sie sich den Erfordernissen unserer Tage gewachsen zeigen wird. Wir sind den Menschen in der Landwirtschaft gegenüber nicht ungeduldig, sondern nur der Politik gegenüber, die den Anschluß der Landwirtschaft an die übrige Wirtschaft hinauszögert, statt sie vorwärtszutreiben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502420500
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0502420600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der sehr verehrte Herr Kollege Dr. Schmidt hat sich in Anpassung an die Fastenzeit, in der wir leben, als Exerzitienmeister betätigt, um der Bundesregierung und der Koalition die agrarpolitischen Sentenzen einmal mit Zuckerbrot und einmal mit Peitsche zu verpassen.

(Heiterkeit.)

Mein Freund und Kollege Bauer freut sich immer schon auf diese Veranstaltung. Er meint, das sei das Prächtigste bei der Grünen Aussprache, und zwar wegen des humorvollen Teils. Darin wird er von mir sehr gern bestätigt. Leider ist auf Kosten dieses sehr interessanten und humorvollen Teils der ernste Teil etwas zu kurz gekommen. Aber Sie haben ein morganatisches Verhältnis zur Landwirtschaft, und bis es ein rechtes wird, wird es noch einige Zeit dauern.
Nun, Herr Kollege Schmidt, ich muß auf Ihre sehr umfangreichen Erklärungen etwas näher eingehen.
Ich darf das in der von Ihnen gewählten Reihenfolge tun. Sie haben, wie nicht anders zu erwarten, die Regierungserklärung, die Sie am liebsten selber abgegeben hätten — aber es ging nicht —

(Beifall bei den Regierungsparteien)

beanstandet, und zwar den landwirtschaftlichen Teil, weil dieser nur ganz zum Schluß und nur mit wenigen Worten zum Zuge gekommen sei. Herr Kollege Schmidt, eine Regierung, die 16 Jahre an der Arbeit ist, und die ein traditionell gutes Verhältnis zur Landwirtschaft hat, kann es sich sogar erlauben, bei der Aufstellung einer Regierungserklärung die Reihenfolge nicht so genau zu beachten, wie Sie das gern gesehen hätten. Für die Landwirtschaft ist nicht die Reihenfolge entscheidend, sondern das, was geschehen ist. Wenn Sie den heutigen Stand der deutschen Landwirtschaft — ihre Leistung und all das, die Infrastruktur, die ihr verschafft werden konnte — mit dem Anfang vor 16 Jahren vergleichen, dann wird auch der schärfste Kritiker sagen müssen, es ist Erkleckliches und Entscheidendes geschehen — nichts Vollendetes; das wird unter Menschen gar nicht möglich sein. Wir werden noch viel zu tun haben, aber in dem Wettbewerb um die EWG-Anpassungsfähigkeit haben wir, glaube ich, ein gutes Stück Weg zurückgelegt.

(Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

Sie haben nun meine eigenen Äußerungen im Verlaufe der Zeit, meine Amtsübernahme und auch meine Bemerkung über die Lehrlingszeit und das Gesellenstück angesprochen. Sie vermißten, daß das Meisterstück nicht versprochen wurde. Herr Kollege Schmidt, es ist doch so, das Parlament wünscht doch im allgemeinen bescheidene Minister. Ich glaube, daß ich diesem Wunsch nach Bescheidenheit entgegengekommen bin. Wenn Sie- das anders haben wollen, das ginge natürlich auch anders.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Sie bemerkten ferner, daß der Herr Kollege Bauknecht in seinem Statement da und dort auch Kritik angebracht hat. Das ist unsere Art, Herr Kollege Schmidt. Wir denken nicht einheitlich und wie in einer geschlossenen Kompanie, die sich auf „Tritt marsch!" bewegt, sondern bei uns herrscht ein freiheitlicher Geist. Wir können es auch vertragen, von den eigenen Freunden da und dort darauf hingewiesen zu werden, daß das eine oder andere noch besser sein könnte. Das nehmen wir als unsere Art, als unseren „way of life" in Anspruch.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Nun haben Sie ein sehr interessantes Wort gesprochen, nämlich das von der Liquidierung der nationalen Agrarpolitik. Herr Kollege Schmidt, das Wort „Liquidierung" gefällt mir gar nicht. Es ist nicht der richtige Sprachgebrauch für solch ein ernstes Thema. Was die Liquidierung der nationalen Agrarpolitik betrifft — ich weiß schon, es ist bei Ihnen nicht so gemeint —, so beruht sie auf einem vom ganzen Hause getragenen, freiwilligen und, wie ich meinen möchte, großen Entschluß, eine europäische Gemeinschaft herzustellen und ihr Hoheits-



Bundesminister Höcherl
rechte zu übertragen. Ich glaube, von Liquidierung kann man hier nicht sprechen. Vielmehr ist, wenn dieser Prozeß gelingt, von unserer Generation ganz Großes geschaffen worden. Sie beteiligen sich ja sehr aktiv, mit Recht sehr aktiv und in anerkennenswerter Weise sehr aktiv. Ich glaube nicht, daß eine solche Apostrophierung angebracht ist.
Was die Kennedy-Runde betrifft, so trifft es zu — das haben die letzten zwei Verhandlungstage in Brüssel bewiesen, bei denen ich als Debütant mit einigen anderen Kollegen anwesend war —, da es dort von heute auf morgen einen Rollenwechsel gibt. Ich muß sagen, ich rechne es der deutschen Delegation und ihren Partnern als Verdienst an, daß es gelungen ist, eine übereinstimmende Meinung in der Richtung zu erzielen, daß ab 1. Juli 1967, diesem bekannten Datum, der freie Warenverkehr sowohl im Agrar- wie im gewerblichen Sektor beginnen soll. Fünf Termine sind allein für die nächsten vier Wochen angesetzt, zwei Agrartagungen und zwei Ratstagungen. Daraus kann man entnehmen, daß es allen Beteiligten ernst damit ist, auf diesem Wege fortzuschreiten. Wenn das gelingt, dann ist es richtig, daß die Kennedy-Runde bzw. die GATT-Verhandlungen, die sich in Wirklichkeit hinter diesem Wort verbergen, im Interesse der Gesamtentwicklung unserer Wirtschaft gleichberechtigt neben diesen beiden Zweigen stehen.
Sie haben nun kürzlich eine Wette abgeschlossen, und Sie haben das Hohe Haus darüber informiert. Ich will nicht von Spielleidenschaft reden, die sich vielleicht in dieser Wette niedergeschlagen haben könnte und zum Ausdruck kommt. Sie haben erklärt, Sie hätten die Wette gewonnen, und zwar deswegen, weil Sie zwei Sätze vorausgesagt haben, nämlich, daß ich von bewährten Maßnahmen sprechen würde und von Nachteilen, die in Brüssel von der deutschen Landwirtschaft abgewendet werden sollten. Ich weiß gar nicht, Herr Kollege Schmidt, was haben Sie denn eigentlich dagegen, daß man bewährte Maßnahmen fortsetzt? Wir haben vielleicht vier oder fünf große Kapitel in unserer nationalen Agrarpolitik. Das ist die Strukturpolitik und die Frage der Kreditverbilligung wegen der Zinsleistungsfähigkeit, und das ist der Einkommensausgleich auf einigen Gebieten, bei dem mit Rücksicht auf die allgemeine angemessene Versorgung Nachteile in Kauf genommen werden müssen, die ebenfalls auszugleichen sind, wie bei der Kohle, wie beim Verkehr, obwohl ich der Meinung bin, daß eigentlich ein anderer Weg gefunden werden müßte, der auch auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung durchaus möglich wäre, nämlich die Preisentwicklung mit der zunehmenden Einkommensentwicklung parallel zu steuern, was durchaus vertretbar wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann kommt der große Bereich ,der Investitionshilfen, also ,der Betriebsstruktur und der Marktstruktur, die Frage der Organisation des Weges vom Erzeuger zum Verbraucher und dann die sozialen Maßnahmen, die mit 765 Millionen DM zu Buche stehen, einem Betrag, der genau auch Ihren Vorstellungen, meine Damen und Herren, in dem vor einigen Jahren entwickelten Sozialprogramm
entspricht. Bloß haben wir das in die Wirklichkeit umgesetzt, fortgeführt und verbessert. Wenn Sie meinen, das wäre nichts. und an diesen bewährten Maßnahmen sollte man nicht festhalten, so weiß ich nicht, was Sie gegen das Bewährte, Alte haben. Nun, ich kann mir vorstellen, daß Sie die politische Machtverteilung in den 16 oder 20 Jahren stört. Aber die Ergebnisse sprechen eigentlich dafür, möchte ich sagen; das ist wenigstens die Meinung der Mehrheit des Volkes.
Nun beanstanden Sie meinen Satz, daß ich versuchen wollte, Nachteile in den EWG-Verhandlungen abzuwenden. Ich möchte das Wort „Nachteile" gar nicht gebrauchen, sondern möchte sagen, es muß in einem solchen Integrationsprozeß — ich darf wiederholen, was ich bei der Einbringungsrede gesagt habe — vermieden werden, daß sich ein Berufsstand in einem Lande bei einem solchen Prozeß benachteiligt fühlen muß. Das würde auf Kosten des Integrationsergebnisses gehen, auf Kosten des europäischen Gedankens. Ich möchte annehmen, Herr Kollege Schmidt — ohne mich in die Reihe der Propheten einzubeziehen, die Sie vorhin eröffnet haben —, daß auf Grund der Konsultationen, die wir am letzten Freitag mit Vertretern der Abteilung Landwirtschaft von Brüssel hatten, und auf Grund der Erfahrungen, die wir in den letzten zwei Tagen gemacht haben, durchaus Aussicht besteht, daß 'wesentliche Wünsche und notwendige Entscheidungen, die wir für unsere Verhältnisse für unabdingbar halten, nun doch ins Auge gefaßt und sich vielleicht in diesen Vorschlägen, wenn auch nicht vollkommen, so doch in etwa niederschlagen werden. So wäre dann durch unsere Bemühungen nicht nur in diesem Hause, das uns bei diesen Anstrengungen dankenswerterweise immer unterstützt, sondern auch über die Grenzen hinweg in persönlichen Kontakten doch der eine oder andere Erfolg herausgekommen.
Nun konnte es auch nicht ausbleiben, Herr Kollege Schmidt, daß Sie das EWG-Anpassungsgesetz und sein Schicksal hier erwähnten. Ich darf dazu folgendes sagen. Dieses EWG-Anpassungsgesetz ist zu 75 % seines Ansatzes verwirklicht worden. Es wurde in dieser Höhe im letzten Jahr verwirklicht, und es wird in dieser Höhe in diesem Haushaltsjahr verwirklicht. Wenn Sie meinen, das sei nichts — rund 750 Millionen DM Ausgleich in wesentlichen Partien —, so denken diejenigen, denen das für einen Anpassungsprozeß zugedacht ist, anders darüber. Daß die Erfüllung der letzten 25 % im Rahmen des Stabilisierungshaushalts nicht mehr möglich war, brauche ich Ihnen gar nicht vorzutragen, weil Ihre wirtschaftspolitischen, fiskalischen und haushaltspolitischen Experten hier mit Meisterschaft vorgetragen haben, wie sehr die Staatsausgaben eingeschränkt werden müssen, damit die Stabilität der Währung erhalten bleiben kann. Wir haben das durchgeführt; das ist natürlich schwieriger. Es ist einfacher, hier durch den einen Experten in diesem Zweige etwas verteidigen zu lassen und draußen das Gegenteil davon zur Werbung zu verwenden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)




Bundesminister Höcherl
Sie haben es auch für richtig gefunden, den Herrn Bundeskanzler zu zitieren. Sie haben ihn in eine sehr vornehme Kleidung gesteckt mit Frack und Zylinder. Nun, wer sollte dann den Zirkus abgeben? Doch nicht dieses Haus und nicht dieses Volk? Ich glaube, man sollte von solchen Vergleichen Abstand nehmen. Sie passen auch nicht in eine sehr aufgelockerte, humorvolle Rede, die ich Ihnen durchaus zubillige, weil ich selber sehr viel Verständnis dafür habe und den Humor dort praktiziere, wo es nur einigermaßen. geht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.)

Daß in den Wein — ganz gleich, in welchen, sei es in den sozialpolitischen, sei es in den agrarpolitischen — Wasser fällt und Wasser geschüttet wird, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, Herr Kollege Schmidt, daß Ihre Freunde es vermochten, für viele Dinge das eine oder andere aus dem großen Kuchen herauszuschneiden, und zwar nicht im Parlament — dazu haben Sie Gott sei Dank nicht die Möglichkeit —, sondern draußen bei anderen Vorgängen, wo eine gewisse Souveränität besteht, einige Stücke herauszuschneiden, was uns die Verwirklichung wichtiger Aufgaben hier unmöglich macht. Das darf ich noch erwähnen.
Sie haben von „buchhalterischen Kunststücken" gesprochen und gesagt, ich hätte eine solche Floskel gebraucht, Das ist richtig. Vielleicht gehört das zu dieser etwas lockeren Redeweise, die gelegentlich in südlichen Breitengraden zu finden ist. Aber das ist kein Nachteil, weil es, ich möchte einmal sagen, die Zusammensetzung unserer großen Gemeinschaft etwas auflockert und belebt. Ich habe das Wort gebraucht — das ist richtig — in Berlin bei einer Pressekonferenz.
Aber ich darf es hier verdeutlichen und klarstellen. Wir haben, wie Sie sehen, in der Vorlage zum Grünen Bericht, und zwar in der Vorlage Grüner Plan 1966, eine andere Zusammenfassung gefunden, und zwar eine Übersicht, deren Zweckmäßigkeit und deren Ratio Sie gar nicht bestreiten können.
Bei dieser Ubersicht muß eines beachtet werden. Wir nähern uns mehr und mehr — Sie haben das mit Recht herausgestellt, Sie haben es früher sogar einmal nach Tagen abgezählt — dem Datum des freien Warenverkehrs, dem 1. Juli 1967. Damit werden alle Subventionen und alle Hilfestellungen, die wir der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Erzeugung geben, immer mehr in den Zwang der EWG-Gesetzgebung geraten. Das wollen wir unterlaufen. Wir wollen nicht warten, bis uns ein Strich durch unsere Rechnung gemacht wird. Das wollte ich mit dem etwas mehrdeutigen Ausdruck „buchhalterische Kunststücke" zum Ausdruck bringen. Sie sehen also, daß es sich um einen sehr ehrenhaften und ordentlichen Vorgang handelt, der durchaus einer Beachtung auch von Ihrer Seite wert wäre.
Sie haben dann von „Wahlschwindel" gesprochen. Nun, die Wahl liegt lange zurück. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir tatsächlich auf den Turnierplatz treten wollten und nun Behauptungen gegenüberstellen wollten, wüßte ich
nicht, wie ein solches Turnier ausgehen würde. Aber eines darf ich hier sagen. Der Herr Bundeskanzler hat während des Wahlkampfes — ich darf den 15. August 1965 hier zitieren — erklärt, daß an Ausgabebeschlüssen dieses Hauses, also auch der Mehrheit dieses Hauses, nicht festgehalten werden kann angesichts der sich schon zeigenden Entwicklung. Sie wissen ganz genau, wie unglücklich die eine oder andere Passage der Haushaltsgesetzgebung in unserem Grundgesetz geregelt ist. Das war schließlich auch der Grund dafür, daß man zu einem Gutachten gekommen ist, um diesen ganzen Komplex neu zu ordnen und vielleicht etwas beweglicher zu machen. Denn Haushaltsgesetzgebung verträgt sich sehr schlecht mit einer so starren Verankerung im Grundgesetz, weil der Haushalt vor allem in seiner Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung beweglich bleiben muß. Aber das nur nebenbei als Bemerkung.
Bei dem, was Sie nun über die Getreidepreissenkung gesagt haben, haben Sie wieder den Herrn Kollegen Schmücker zitiert, und Sie haben auch Ihre Bemerkung aus der letzten Haushaltsrede gegen den Kollegen Schmücker hier zitiert. Darüber hat es sehr viel Streit gegeben. Man muß aber auch die andere Seite sehen. Ich glaube, es geht nicht an, zu sagen, hier sei in einer Nacht etwas verspielt worden, sondern man muß auch sehen, daß hier eine neue Phase eingeleitet worden ist, die in der Veredlung große Bedeutung hat. Wenn mit gleichen Kosten auf einem Sektor veredelt werden kann, dann ist das in der Wettbewerbslage unserer Gemeinschaftsländer nicht ganz unbedeutend, und zwar deshalb, weil ein Teil dieser Länder aus einer agrarpolitischen Tradition mit hohen Zollmauern kommt und weil andere Teile der Gemeinschaft eine andere Tradition aufzuweisen haben. Wenn das gleichgezogen wird, kann man der Sache durchaus auch positive Seiten abgewinnen. Ich glaube, das muß ich zur Ehrenrettung für den Freund und Kollegen Schmükker hier doch zum Ausdruck bringen.
Sie haben gemeint, wir hätten die Frachten und viele andere Positionen nicht gleichgezogen. Das ist richtig. Dabei möchte ich nicht einmal sagen, daß die europäische Frachtenentwicklung der entscheidende Faktor ist. Es gibt noch viel größere, viel bedeutendere Faktoren: die sozialpolitische Harmonisierung, die Steuerharmonisierung, die Harmonisierung in der Handelspolitik usw., all die Komponenten, die zusammengehören, um wirklich eine Wettbewerbsgleichheit darzustellen. Das ist richtig. Aber es ist nicht möglich, Herr Kollege Schmidt, ein solches Werk perfekt zu beginnen und dann so lange zu warten, bis die letzte Harmonisierung von sechs Ländern mit eigener Geschichte und eigener Tradition bis zum letzten Punkte exerziert ist. Dann gäbe es niemals eine Gemeinschaft. Das geht nach dem berühmten Satz, daß das Bessere des Guten Feind ist. Ich glaube vielmehr, wir müssen mit dem anfangen, was sich verwirklichen läßt. Dazu gehört z. B. ein gemeinsamer Preis, und dazu gehören Marktordnungen, die die Zusammensetzung und die Bildung dieses Preises darstellen. Ich glaube, das ist schon ein richtiger Weg.



Bundesminister Höcherl
Wenn Sie meinen, hier würde jemand wackeln, dann will ich Ihnen folgendes sagen, Herr Dr. Schmidt. Ich will nicht den Propheten spielen. Sie haben ja auch davon gesprochen, daß ich für Ihre Fraktion kein unbeschriebenes Blatt bin, — obwohl ich meine, wir hätten uns doch ganz nett zusammengerauft, auch bei ernsten Auseinandersetzungen. Aber immerhin: beim Wackeln werden Sie mich so leicht nicht erwischen, darauf können Sie sich verlassen.

(Zurufe von der FDP.)

Hier ist der Einwurf gemacht und es sind Erwägungen angestellt worden, ob die Senkung des Getreidepreises — darauf haben Sie abgestellt —als solche anerkannt wird. Ich darf Ihnen bei diesem Thema, das angesichts der Zwischenfragen wohl noch intensiver behandelt wird, folgendes sagen. Wir haben an den letzten beiden Verhandlungstagen kein Wort von rechtlichen Zweifeln oder möglichen rechtlichen Zweifeln gesprochen, sondern wir haben nach vorn gesprochen. Wir haben gesagt, welche anderen Marktordnungen, welche anderen Einheitspreise noch gemacht werden müssen, damit wir am 1. Juli 1967 tatsächlich gewerblichen und agrarpolitischen freien Warenverkehr in der Gemeinschaft haben. Wir haben nach vorn gesehen. Wir haben aber nicht unterlassen — das ist der deutsche Vorbehalt, der in den Brüsseler Akten steht und auch aufrechterhalten worden ist —, darauf hinzuweisen, daß diese Getreidepreissenkung nicht ein isolierter Vorgang sein und bleiben kann, sondern daß sie von Fortschritten bei den anderen Produkten begleitet werden muß, Produkten, die uns interessieren, die aber auch unsere Partner interessieren, wie Fette, Obst, Gemüse usw. Das haben wir aus einer kameradschaftlichen und kooperativen Einstellung heraus gesagt. Sie werden also keinen Seiltanz erleben. Ihre Freunde im Europäischen Parlament sollten Sie ermuntern, uns auf diesem Wege zu begleiten und uns zu helfen; Sie tun es ja sowieso, nachdem Sie ihre früheren Irrtümer aufgegeben haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dann haben Sie lang und breit die Frage der Berichterstattung abgehandelt. Darf ich zu der Berichterstattung folgendes sagen. Es gibt ein böses Wort, das kürzlich zu lesen war: daß wir eine Demokratie der Berichterstattung geworden seien, weil fortgesetzt in dicken Konvoluten über alle möglichen Fragen Berichte mit Hunderten von Seiten mit einer immensen Arbeit erstellt, vorgetragen und dann ausgedruckt würden, dagegenüber aber weniger entschieden werde. Ich glaube, daß der Grüne Bericht nicht zu dieser Art von Berichten gehört. Er hat mit dem Sozialbericht und mit dem Wirtschaftsbericht eines gemeinsam: daß er rücksichtslos, ohne auf das Ergebnis zu achten, Rechenschaft erstattet — beim Grünen Bericht basiert sie auf der Untersuchung von rund 8000 Testbetrieben —, wobei man nie weiß — weil der Bericht nach rein wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgezogen wird -, wie die Würfel fallen, ob die Ergebnisse heiter oder dunkel sind. Es würde vielen anderen Berufsstünden und Wirtschaftszweigen sehr gut anstehen, wenn sie die
gleiche Offenheit und die gleiche Untersuchung und das gleiche Röntgenbild zeigten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wir würden z. B. in der schwierigen Energiefrage schon längst weiter sein, wenn auch dort die Bereitschaft vorhanden wäre, sich so lückenlos und bis in den letzten Winkel hinein durchleuchten zu lassen, damit dieses Haus Gelegenheit hat, nach solchen Zahlen und nach einem solchen Ergebnis zu rechnen, zu urteilen und zu verfügen.
Nun ist die Methode geändert worden. Ja, Herr Dr. Schmidt, ich will Ihnen sagen: solange ich die Verantwortung für diesen Zweig hier zu tragen habe, werde ich mich bemühen, die Methode nach modernsten wissenschaftlichen Gesichtspunkten auszubauen. Warum? Weil ich der Meinung bin — bei globalen Vergleichen ist das eine sehr schwierige Geschichte, die Aussagekraft ist sehr beschränkt; ich habe das bei der Einbringungsrede deutlich genug zum Ausdruck gebracht —, daß die modernste wissenschaftliche Methode bei dem Gesetz, wie es uns durch dieses Haus gegeben ist, gerade gut genug ist und daß wir nur mit den modernsten Methoden und mit den modernsten Gliederungen bestehen können.
Alle die Vermutungen, die Sie anstellen, treffen nicht zu. Das sind gar keine Vermutungen, das ist ein Verdacht. Wenn Sie das genau gelesen hätten, hätten Sie feststellen können, daß wir die Berechnungsmethoden und den Wechsel und die beiden Ergebnisse mit allen Einzelheiten auf den Tisch des
Hauses gelegt und der Öffentlichkeit bekanntgegeben haben. Wer öffentlich einen Methodenwechsel darlegt, kann gerechterweise doch niemals in den Verdacht kommen, daß er manipuliere. Hier kann es sich doch nur darum handeln, eine vom Beirat — Sie kennen seine Zusammensetzung, sie reicht von der Wissenschaft über die Praktiker bis zu den Gewerkschaften und den Verwaltungen — beschlossene Forderung zu erfüllen. Ob das der Weisheit letzter Schluß ist, muß sich zeigen. Ich habe verfügt, daß entsprechende Institute angegangen werden, um zu sehen, ob wir nicht auch darüber hinaus noch Verbesserungen anbringen können.
Sie haben den Antrag gestellt, der Grüne Plan müsse dem wirtschaftspolitischen Ausschuß zugeleitet werden. Ich habe gar nichts dagegen, daß das geschieht. Warum? Ich bin sogar der Meinung, daß er eine sehr interessante und lehrreiche Lektüre auch für den wirtschaftspolitischen Ausschuß ist. Wenn man dort zum Beispiel liest, daß die Landwirtschaft Jahr für Jahr als sicherer Gruppenkäufer mit 18 bis 20 Milliarden DM der deutschen Wirtschaft beispringt, wird das für den wirtschaftspolitischen Ausschuß und seine Bereitschaft, das Wort „Subventionspolitik" etwas differenzierter zu gebrauchen, vielleicht sehr nützlich und sehr aufschlußreich sein.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Sie haben meinen Kollegen Edgar Faure, der mit mir das Debut in Brüssel gegeben hat, zitiert, und zwar mit der Sentenz, wenn die Werbung nichts



Bundesminister Höcherl
tauge, müsse die Ware geändert werden. Dazu möchte ich in einer angemessenen Bescheidenheit sagen: nicht das, was die Regierung oder was das Hohe Haus vermochte, war das Entscheidende, sondern das, was die deutsche Landwirtschaft unter dieser Führung und unter dieser Weichenstellung aus sich selber heraus wirklich geschaffen hat. Das war eigentlich das ganz Große. Wir können für uns nur das in Anspruch nehmen, was wir an Hilfestellung, was wir an Richtungsanzeige geleistet haben. Aber die eigentliche Leistung liegt bei den Millionen von Menschen der Landwirtschaft, die in einer überzeugenden Art die Zeichen der Zeit begriffen haben und hier eine Position bezogen und damit Staaten überholt haben, die mit besserer Ausgangsposition angetreten sind. Ich glaube, das sollte man durchaus auch einmal sagen.
Herr Kollege Schmidt, Sie meinten, das sei nichts. Sie stehen selber in der praktischen Landwirtschaft. Sie kennen die Dinge unmittelbar aus dem Geschehen des Alltags, noch viel mehr als ich selber. Unter vier Augen würden Sie nicht wagen, die Behauptung aufzustellen, daß die Landwirtschaftspolitik falsch war: Nehmen Sie nur das, was an Infrastrukturmaßnahmen, an Verkehrs- und kultureller und industrieller Erschließung geleistet worden ist. Diese Vorgänge sind nicht nur dem Volumen nach — Quantität ist nicht alles —, sondern auch der Qualität nach ganz hervorragend und ganz bedeutsam. Gehen Sie auch in die Gebiete der Zonengrenze! Wenn hier auch noch viel Hilfestellung geleistet werden muß, so haben dort der Deutsche Bundestag und die Regierungen, die verantwortlich waren, doch etwas geleistet, auf das wir mit einer gewissen Genugtuung — ich will gar nicht sagen: Stolz — sehen können.
Sie meinten, wir hätten kein Programm. Ich muß Ihnen offen sagen, Herr Dr. Schmidt, ich bin gar nicht programmsüchtig. Ich glaube auch nicht, daß das Wohltun allein immer von einem Programm abhängt. Ich kann mir sogar vorstellen, daß die Tatsachen, um die es hier geht, durchaus auch ohne Programmierung und eine solche Ordnung erfaßt und begriffen werden können. Ich habe gar nichts gegen ein Programm. Ihr Programm ist in einem ständigen Wechsel begriffen.

(Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)

Es ist furchtbar schwer, diesem Programm geistig zu folgen, weil Sie es fortgesetzt umschreiben.
Sie haben Herrn Rehwinkel zitiert und gesagt, daß er die Wirtschaftspolitik angreife. Nun, meine verehrten Anwesenden, es ist das gute Recht des Herrn Präsidenten Rehwinkel, einige Akzente in der Wirtschaftspolitik anders zu setzen und der Auffassung zu sein, man könnte da oder dort vielleicht einen anderen Standpunkt vertreten. Ich darf Ihnen sogar sagen, daß auch ich da oder dort der Meinung bin, das eine könnte so laufen und das andere hätte anders laufen können. Das ist meine Meinung, und diesen Standpunkt und diese Freiheit lasse ich mir niemals nehmen.
Herr Rehwinkel hat zweifellos da oder dort auf schwache Stellen hingewiesen, die wir jedoch reparieren werden. Wir werden immer wieder schwache Stellen finden, und das gerade ist doch Ihre Aufgabe, Ihre ureigenste Aufgabe. Wenn wir vollkommen wären, wären Sie ja überflüssig. Die Tatsache, daß wir Fehler machen, gibt Ihnen doch die eigentliche Existenzberechtigung.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Wenn wir die Fehler aufzeigen, werden Sie nervös!)

— Nein, nein, ich werde nicht nervös.

(Zuruf von der SPD: Aber Ihre Freunde werden nervös!)

— Meine Freunde werden nicht nervös. Wir führen ein offenes und freies Gespräch. Wir haben nicht diesen Koalitions- oder Fraktionszwang.

(Oh-Rufe von der SPD.)

Da das Wort „liberal" sehr verdächtig ist, möchte ich mich lieber des Begriffs der geistigen Freiheit bedienen. Diese geistige Freiheit herrscht bei uns, und das ist das Schöne und auch das Attraktive. Das haben wir auch nach draußen feststellen können.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Herr Kollege Schmidt, Sie haben dann das Gutachten der Professoren angesprochen. Nun, ich danke sehr für die Blume, wenn Sie sagen, ich hätte es noch vor der Grünen Debatte herausgegeben. Das war auch meine Absicht. Ich wollte Ihnen nämlich die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, und zwar an Hand dieser Überlegungen, die sehr viel Gutes, wenn auch nichts Vollkommenes und — für meine Begriffe — da oder dort auch Dinge enthalten, die ich nicht übernehmen möchte, von der Möglichkeit, sie zu verwirklichen, einmal ganz abgesehen. Sie sehen aber, daß wir fair vorgehen und daß wir nichts zu verbergen haben. Wir sind sogar für jeden Beitrag, den Sie leisten, dankbar. Sie hätten in Ihrer Rede etwas mehr Positives bringen müssen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Nun kommt die berühmte Geschichte mit der Einteilung der Landwirtschaft und der Vielfalt, in der sie sich darstellt. Sie ist aus historischen und aus strukturellen Gründen entstanden. Über die Einteilung, Herr Kollege Schmidt, kann man immer streiten. Ich habe Ihnen in der Einbringungsrede meine Nomenklatur vorgelegt, mit großbäuerlichen Familienbetrieben und Vollerwerbs- und Vollerwerbskleinbetrieben auf der einen Seite und Zuerwerbs- und Nebenbetrieben auf der anderen Seite. Beides ist durch die von uns zu achtende Entscheidung des einzelnen verbunden. Jeder hat die Freiheit, sich für den Übergang zur einen oder für den Übergang zur anderen Seite zu entscheiden. Dem folgt auch die Art, wie wir uns seiner annehmen.
Mir wurde ein Kleinbauernprogramm nachgesagt. Ich habe Ihnen schon gesagt, was ich von Programmierungen im allgemeinen halte. Wenn ich ein Programm mache, geht es mir darum, die Neben- und Zuerwerbsbetriebe als. wesentlichen und unentbehrlichen Bestandteil einer soziologischen Siedlungsstruktur, die zu unserem Landschaftsbild und zum Bild der Bundesrepublik insgesamt gehört, zu er-



Bundesminister Höcherl
halten und dafür zu sorgen, daß diese Betriebe draußen bleiben und sich frei entscheiden können, ob sie ihren Boden bewirtschaften oder in einer Heimstätte verbleiben wollen, ob sie ihren Boden verpachten oder verkaufen wollen. Das ist ihre freie Entscheidung, und die freie Entscheidung ist für uns der Kernpunkt unserer ganzen Wirtschaftspolitik. Wenn die Entscheidung gefallen ist, wird sie niemals endgültig sein. Die Kontinuität von früher, wo man sich über Jahrhunderte hinweg an ein Stück Boden gebunden hat, gibt es heute bei der Freizügigkeit und Mobilität unserer soziologischen, wirtschaftlichen, technischen und modernen zivilisatorischen Phase nicht mehr. Infolgedessen wird die Entscheidung vielleicht von Generation zu Generation im Zuerwerbs- und Nebenerwerbsteil neu getroffen werden. Solange der Betrieb sich für die Bewirtschaftung entschieden hat, werden wir ihn in alle Globalhilfen einbauen und ihm vor allem die Möglichkeit geben, sich z. B. bei der Qualitätsförderung den Gemeinschaften zur Verbesserung der Marktstruktur anzuschließen. Nur so ist eine vernünftige wirtschaftspolitische Verwertung seiner Arbeit möglich. Sie soll sich auch in solchen Grenzen halten, daß ein Lebensstandard moderner Art erhalten bleibt, wenn auch nicht mit den Untergrenzen, die man da und dort gelegentlich findet. In einer Zeit, in der es 1,2 Millionen Fremdarbeiter gibt, ist dies oft recht unpassend.
Nun ist das Gutachten von Freunden aus der CSU besprochen worden. Das ist ihr gutes Recht. Sie haben daraus zitiert und meinen, daß ich — da ich dieser Partei angehöre — jede Äußerung akzeptieren müßte. Ich habe die Äußerung nicht gelesen. Ich bin überzeugt, daß sie maßvoll und vernünftig ist und daß das Zitat nicht den ganzen Sinn wiedergibt, den dieser Kommentar enthält. Sie wissen ganz genau, daß das Kulturgefälle nach Süden sehr günstig verläuft.

(Heiterkeit.)

Ich würde über solche geographischen Dinge nicht so sprechen, ich würde etwas in der Geschichte zurückblättern und würde mich an der Freude orientieren, die unsere Freunde vom Norden am Aufenthalt im Süden bei uns haben.

(Heiterkeit und Zustimmung in der Mitte.)

Nun darf ich zu Ihren Forderungen übergehen. Sie wollen einen mittelfristigen Vorschlag haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz meine Meinung! Ich bin sogar der Meinung, daß man in einigen Bereichen der Strukturpolitik langfristig vorgehen müßte. Aber das Haushaltsrecht gestattet uns einen solchen Weg nicht ohne weiteres. Sie kennen die Bemühungen der Bundesregierung, das Haushaltsrecht zu verbessern, um einige Bereiche, die ihrer Natur nach eine mittel- und längerfristige Anlage brauchen, haushaltsrechtlich ordentlich und adäquat gestalten zu können. Sie haben meine absolute Unterstützung. Ich darf auf Ihre Unterstützung bei der notwendigen Verfassungsänderung rechnen. Ich möchte fast sagen, das war eine Zusage, die Sie gemacht haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502420700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0502420800
Herr Minister, von welcher Verfassungsänderung sprechen Sie?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0502420900
Von der haushaltsrechtlichen.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0502421000
Aber, Herr Minister, Sie wissen doch, daß nach derzeitigem Haushaltsrecht niemand gehindert ist, eine mehrjährige Planung vorzulegen. Dazu bedarf es doch nicht einer rechtlichen Grundlage! Und Sie wissen, daß nach § 45 b der Haushaltsordnung auch die Möglichkeit besteht, mit Bindungsermächtigungen auf mehrere Jahre vorweg zu planen. Da bedarf es doch keiner Verfassungsänderung!

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0502421100
Herr Dr. Schäfer, ich sehe schon wieder Ihre Abneigung, unsere gute Verfassung noch zu verbessern. Eigentlich sollten wir uns in diesem Eifer gegenseitig überbieten.

(Abg. Dr. Schäfer: Was ist das für eine komische Bemerkung?!)

Natürlich kann man eine mehrjährige Planung vorlegen. Natürlich kann man mit Bindungsermächtigungen über Jahre hinweg recht mühsam und holprig gewisse langfristige Maßnahmen verwirklichen. Aber es ist doch viel besser, wenn ich mit einer ordentlichen Maßnahme — ohne diese Hilfsstützen — dafür sorgen kann, daß die Flurbereinigung z. B. auf 10 Jahre oder auf 15 oder 20 Jahre angelegt wird. Wir haben noch 6 Millionen Hektar zu bereinigen. Da wäre es mir lieb, wenn ich mich nicht der Bindungsermächtigungen und solcher Planungen zu bedienen brauchte. Aber immerhin, wir haben es bisher so gemacht, wir wollen es auch in Zukunft so machen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502421200
Eine weitere Frage.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0502421300
Herr Minister, heißt das, daß die 'Bundesregierung beabsichtigt, dem Hause eine entsprechende Vorlage zu machen?

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0502421400
Ich möchte annehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister sich darum bemühen wird.

(Abg. Dr. Schäfer: Aha!)

— Ja, ich nehme an, daß er es gutheißen wird.

(Abg. Dr. Schäfer: Wir warten ab, bis es da ist!)

Was die nationale Strukturpolitik und die Beeinträchtigung durch die EWG-Bestimmungen betrifft, Herr Kollege Schmidt, so ist es doch folgendermaßen. Natürlich gibt es mit der zunehmenden EWG-Zuständigkeit dort auch eine Zuständigkeit für die gemeinschaftliche Strukturpolitik. Aber uns bleibt doch daneben nach wie vor die Struktur-



Bundesminister Höcherl
politik als Hauptaufgabe, und von dort bekommen wir Zuschüsse zu Leistungen, die wir selber entwickeln. So ist es doch! Sie haben selber von einer Gesetzgebungskonkurrenz gesprochen. Man kann es so ausdrücken, aber ich glaube, ich habe etwas genauer formuliert.
Sie sprechen von der Disparität innerhalb der Landwirtschaft. Ich habe in meiner Einbringungsrede auch davon gesprochen. Die Disparität innerhalb der Landwirtschaft ist zunächst einmal durch die Schöpfungsordnung verordnet. Das sind Dinge, die nicht ganz aufzuheben sind. Ein gewisser Ausgleich und gewisse Annäherungen werden notwendig sein. Diese Disparität innerhalb der Landwirtschaft muß beachtet werden und wird von uns auch beachtet. Es ist ja auch so, daß diejenigen, die etwas zurückgeblieben sind, ebenfalls Fortschritte erzielt haben.
Die regionale Wirtschaftspolitik, meinen Sie, sei zurückgeblieben und unterentwickelt. Ich will Ihnen etwas sagen: Gehen Sie doch in diese Provinzen hinaus, in die revierfernen Gebiete! Dann werden Sie zwar sehen, daß noch viele Wünsche offen sind, die niemals gestillt werden können, weil sich die anderen eben gleichzeitig auch um Fortschritte bemühen. Aber dort sind auch Leistungen vollbracht worden, die wirklich ihresgleichen suchen in einer Zeit, in der beim Punkte Null angefangen werden mußte.
Zur Milchpolitik! Die Milchpolitik hat es möglich gemacht, daß fast 90 % der Milch aus Beständen bis zu zehn Kühen kommen. Das Ergebnis ist, glaube ich, recht gut. Wir haben zum erstenmal einen „Butterberg", zum erstenmal, obwohl die Verhältnisse immer anders waren. Daß das Kosten verursacht hat, ist richtig. Aber wir werden neue Akzente setzen, nicht mit Gewalt; Preisakzente müssen wir setzen, um bei der Rindfleischproduktion eine Verlagerung in der freien Betriebsentscheidung zu ermöglichen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich kann mir vorstellen, daß das auch die Meinung der Gemeinschaft sein wird, die an der Preisentwicklung im Vergleich zum Richtpreis und an dem Produktionsvolumen ja ständig feststellen kann, daß sich der bisherige Kurs in der Wirklichkeit nicht so ganz bestätigt hat. Wir werden einen Weg finden, der auch für den Verbraucher angemessen ist. Die bedeutendste Funktion der Landwirtschaft ist es, die Ernährung für das Volk sicherzustellen. Das ist ihre große Aufgabe.
Vielleicht noch eines dazu! Wir sind in einer Art Euphorie begriffen. Weil jetzt weltweit über alle Kontinente hinweg alle möglichen Versorgungskunststücke möglich sind, ist der eine oder andere sofort wieder bereit, all die schweren und harten Tage, die es gegeben hat, und auch Spannungen, die es gegeben hat — auch in der Nachkriegszeit —, einfach zu vergessen. Wir dürfen als Verantwortliche diese Euphorie nicht teilen, sondern wir müssen einen gesunden Maßstab anlegen hinsichtlich dieser Spannung zwischen normalen und anderen Zeiten, für die wir ebenfalls Sorge zu tragen haben.
Holland und Belgien sind zweifellos bemüht. Aber wir hatten bisher gar nicht die Voraussetzungen, um in der Milchpolitik mit Holland eine Konkurrenz aufnehmen zu können. Dort waren die Verhältnisse ganz anders. Ich habe das schon dargestellt. Aber ich glaube, daß wir mit unseren belgischen Freunden durchaus antreten können. Vor allem haben wir neben der quantitativen Leistung eine unerhörte Qualitätsleistung auf unserer Seite zu verzeichnen. Daß wir heute 75 % der um 15 % stärkeren Bevölkerung in diesem Raume versorgen und darüber hinaus physiologisch gesehen eine fast unerreichte Qualität aufweisen können, ist doch wirklich eine Leistung, die jedem, der etwas davon versteht, Achtung abnötigen müßte.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß kommen. Herr Kollege Schmidt hat es schön verstanden, einmal den Frühling in seine Rede hineinzuzaubern und dann ein kleines Kindermärchen mit Blitz und Donner vorzutragen. Das ist alles schön. Nun, es wird weder Blitz noch Donner geben, es wird auch keine erschreckten Kinder geben, sondern ich bin der Meinung, es wird eines geben — und dazu hat es auch in Ihrer Rede Ansätze gegeben —: daß wir gemeinsam — und Sie noch mehr als bisher — für die deutsche Landwirtschaft im Interesse des Verbrauchers arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502421500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Effertz.

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502421600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war für den Zuhörer sehr interessant, dem edlen Wettstreit der beiden Redner Kollegen Schmidt und Bundesminister Höcherl zuzuhören, die sich heute — ich weiß nicht, ob der Einfluß derselbe war, ob der Frühling hie wie da maßgebend war — zu übertreffen versuchten in Bonmots, witzigen Bemerkungen und Humor. Aber, meine Damen und Herren, mittlerweile haben wir halb sechs, und wir stehen erst am Beginn unserer Aussprache.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Ich kann hierbleiben; ich wohne sogar in Bonn. Wir sind erst am Beginn unserer Aussprache, und da ich weiß, wie lang die Rednerliste noch ist, will ich versuchen, als erster mich kurz zu fassen.

(Zuruf: Die Landwirte müssen noch länger arbeiten!)

— Darf ich Sie als Redner melden, oder haben Sie sich schon gemeldet?
Herr Bundesminister, gestatten Sie, daß ich eingangs einen Irrtum richtigstelle. Ich glaube, Sie wollten nicht sagen, daß bereits 75% des Römischen Vertrages erfüllt seien und nur noch 25 % ausständen, sondern Sie meinten nur das Experimentierfeld — das einseitige — der Agrarpolitik.

(Bundesminister Höcherl: Davon habe ich auch nicht gesprochen! — Zuruf von der CDU/CSU: Eigenerzeugung 75 %!)




Dr. Effertz
- Aber nur in der Landwirtschaft, also nicht der ganze EWG-Vertrag.
Dann noch ein Zweites. Herr Bundesminister, Sie sagten, man habe jetzt in Brüssel bei den neuen Verhandlungen deutscherseits nicht nach rückwärts, sondern bewußt nach vorwärts geschaut, und zwar im Zusammenhang mit der Kritik am Zustandekommen des Getreidepreises und unserer Meinung, daß dieser Getreidepreis am 1. Juli 1967 aus vielerlei Gründen nicht wirksam werden kann. Herr Minister, wenn es uns in Brüssel gelänge, den Termin hinauszuschieben oder den Preis zu ändern, wäre das nicht auch ein Schritt nach vorn?
Meine Damen und Herren, über Einzelheiten des Grünen Plans und des Grünen Berichts werden von meiner Fraktion die Kollegen Logemann und Ertl sprechen. Ich habe mir vorgenommen, heute nur über ganz wenige Fragen zu sprechen, erstens darüber, ob für unsere deutsche Agrarpolitik die durch Gesetz gegebenen Möglichkeiten ausreichen, zweitens, ob wir als Bundesparlament diese Möglichkeiten richtig ausnutzen, und drittens, was, wenn das nicht der Fall ist, geändert werden muß.
Die deutsche Agrarpolitik ist in einen weiten Bogen eingespannt; auf nationaler Ebene: Landwirtschaftsgesetz; auf internationaler Ebene: EWG-Vertrag. Beide sprechen das gleiche Leitziel an; beide sprechen nämlich vom Familienbetrieb. Trotzdem hatten wir alle hier im Hause den Eindruck, daß beide nicht voll synchron sind, sich nicht voll und ganz ergänzen, daß dazwischen etwas fehlt. Aus diesem Grunde haben wir, wenn auch in letzter Minute und leider nicht ganz so, wie meine Partei es gewünscht hätte — wir wollten eine etwas konkretere Fassung haben —, beim Ausgang der letzten Legislaturperiode einstimmig ein ergänzendes EWG-Anpassungsgesetz verabschiedet. Dann kam die Unterbrechung der Verhandlungen in Brüssel — ich für meine Person sage: das Drama in Brüssel —, so daß ich heute durchaus Veranlassung sehe, zu fragen, ob das Anpassungsgesetz genügt hat, das, was an dem Spannbogen — hier Landwirtschaftsgesetz, da EWG-Vertrag — gefehlt hat, zu ersetzen, oder ob wir noch mehr tun müssen.
Nun, wir haben jetzt elf Grüne Berichte, wir haben elfmal im Bundestag diskutiert. Die SPD nimmt es der Regierungspartei CDU immer übel, daß sie von bewährten Methoden spricht. Das nehme ich Ihnen nicht übel, daß Sie ihr das vorwerfen. Auf der anderen Seite stellt aber der Bundeslandwirtschaftsminister nicht nur seit nunmehr elf Jahren immer wieder fest: „Das Ziel ist noch nicht erreicht", sondern neuerdings auch: „Manches können wir nicht mehr tun, weil wir unsere Hoheitsrechte weitgehend nach Brüssel abgegeben haben".
Frage also: Ist, wenn es so ist, wenn wir also nicht mehr können, wie man damals wollte, das Landwirtschaftsgesetz noch praktikabel und besteht noch Hoffnung, daß man die verbliebenen Teile unserer Zuständigkeit in der nationalen Agrarpolitik mit diesem Gesetz regelt, oder geht das nicht mehr? Muß das Gesetz in seinem Grundgehalt oder seinem Ziel geändert werden, müssen andere Methoden angesprochen werden?
Wir treten also auf der Stelle und beklagen — darüber will ich jetzt allerdings im einzelnen nicht sprechen —, daß der Lohnausgleich zwischen den in der Landwirtschaft beschäftigten Menschen und den Menschen in anderen vergleichbaren Berufen nicht nur nicht hergestellt ist, sondern daß die Differenz nach wie vor zwischen 20 und 25 % beträgt. Nun meinte der Bundesernährungsminister, der Anpassungsprozeß sei noch keineswegs abgeschlossen und der Ausgleich noch nicht erreicht. Er sagte aber später sinngemäß, daß eines der wichtigsten Mittel, diesen Ausgleich herzustellen, diese Anpassung zu erreichen, nicht mehr in unserer Zuständigkeit liegt; denn die Preiszuständigkeit haben wir leider nach Brüssel an die EWG abgegeben. Ein Instrument, das - Ziel des Landwirtschaftsgesetzes zu erreichen, ein ökonomisch-wirtschaftspolitisches Instrument, mit dem kostengerechten Preis Politik zu machen, ist also nach diesen Ausführungen für uns nicht mehr praktikabel. Über diese Fragen unterhält man sich jetzt in Brüssel.
Wenn wir trotzdem das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes, auszugleichen und anzupassen, erreichen wollen, verbleiben uns also nur noch zwei Instrumente: das ist einmal der Strukturwandel und das sind zum zweiten sozialpolitische Hilfen. Ich bin der Meinung, daß beide kein Ersatz für die nach Brüssel abgegebene Preishoheit, die wirtschaftspolitische Beeinflussung der Agrarpolitik, sind, sondern daß sie nur Hilfsmittel sind, so wichtig sie im einzelnen auch sein mögen. Weder ersetzt Strukturwandel die Wirtschaftspolitik in der Agrarpolitik, noch soll und kann es die Sozialpolitik tun, so wichtig sie auch ist und so viel auch auf diesem Gebiet nachgeholt werden muß. Strukturwandel ist also nur ein Hilfsmittel, Sozialpolitik in der Agrarpolitik ist nur eine Ergänzung; das eigentliche Regulativ ist eine echte Wirtschaftspolitik so, wie man in der freien Marktwirtschaft auch in anderen Bereichen glaubt Wirtschaftspolitik machen zu können.
Hier möchte ich Herrn Professor Burgbacher zitieren, der unlängst in diesem Hohen Hause gesagt hat, daß der Kostenpreis zwar ein schmerzhaftes Mittel, aber das Mittel sei, der Konjunkturpolitik zu helfen. Ich will es in meine Worte übersetzen. Als Sie davon sprachen, ob man die Subventionen abbauen müsse oder nicht, vertraten Sie die Meinung, sie sollten abgebaut werden. Ich bin genau derselben Meinung. Es ist nämlich gleichgültig, ob ich Subventionen gebe oder vom Verbraucher den echten Preis fordere. Es ist praktisch die gleiche Mark, nur daß die Subventionsmark den versteckten Umweg über das Finanzamt macht und auch noch Kosten verursacht — abgesehen davon, daß die Erzeugerpreise mit den Verbraucherpreisen, über die man in der Vergangenheit manchmal mit Recht geklagt hat, praktisch nichts zu tun haben, sondern daß sich beide Preise gegensätzlich und unabhängig voneinander auf verschiedenen Gleisen entwickeln. Dazu will ich nachher noch einige Beispiele bringen.

(Abg. Dr. Schäfer: Das haben Sie jetzt sehr vereinfacht, Herr Kollege!)

— Ich bringe nachher einige Beispiele mit Zahlen; dann sieht man es genauer. Ich will nachher auch sagen, warum ich es tue.



Dr. Effertz
Vor dieser Debatte habe ich mir überlegt, was Kollege Dr. Schmidt, von dem ich bestimmt erwartete, daß er hier wieder reden würde — ich stehe mich sehr gut mit Ihnen, Herr Kollege Schmidt, und weiß auch, daß Ihre Meinung nicht immer die Ihrer Partei ist, denn Sie sind ja nebenbei auch noch Landwirt —, wohl in diesem Jahr, nach der Unterbrechung der von Ihnen so sehr beschworenen EWG-Politik in Brüssel, im Bundestag sagen wird. Nun, Sie haben es hier einfach, Herr Dr. Schmidt, Sie sind seit Bestehen des Landwirtschaftsgesetzes in der Opposition und haben die Pflicht, der Regierung auf die Finger zu schauen, sie zu kritisieren und Vorschläge zu machen. Allerdings muß ich sagen, Sie haben sie zwar immer angekündigt und sprechen immer von ihnen; aber als Programm möchte ich die Vorschläge, die Sie erarbeitet haben, nicht anerkennen. Sie sagen, über Agrarpolitik solle nicht nur der Ernährungsausschuß, sondern auch der Wirtschaftsausschuß beraten. Damit wollen Sie doch sagen, daß man Agrarpolitik wirtschaftspolitisch machen solle. In Ihrem Programm dagegen steckt zuviel Ersatz, zuviel Hinweis auf Strukturpolitik, zuviel Hinweis auf die Notwendigkeit der Sozialpolitik, die ich an sich bejahe, die aber keinen Ersatz für Konjunktur- und Wirtschaftspolitik in der Agrarpolitik darstellt.
Aber, Herr Kollege Schmidt, eines fehlt, wenn Sie schon kritisieren, seit 11 Jahren: Sie hätten uns auch einmal etwas über die Stimmung der Kollegen Ihrer Partei in Straßburg sagen müssen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Ich sehe da Frau Kollegin Strobel sitzen. Haben Sie nicht ein ungutes Gefühl nach dem Verhalten der Franzosen mit der Politik des leeren Stuhls, der Ausklammerung der politischen Zielsetzung des EWG-Vertrags wiederum durch Frankreich und bei der neuerdings erkennbaren Ablehnung anderer politischer Dinge durch Frankreich? Haben Sie nicht das ungute Gefühl, daß das allzu starke Drängen Ihrer Partei in Straßburg auf Realisierung, auf schnelleres Vorwärtskommen, auf schnellere Beschlüsse in Brüssel ein bißchen übereilt war? Aber ich habe den Eindruck, in Straßburg ist die SPD sowieso eine andere; in Straßburg fühlt sich die SPD als Regierungspartei.

(Abg. Seuffert: Darüber ist man sich doch einig, hier und in Straßburg!)

— Nein. Ich erinnere mich an manches, was der Kollege Kriedemann gesagt hat. Und Frau Kollegin Strobel, nehmen Sie es mir nicht übel: wir haben schon des öfteren im Fernsehen und im Rundfunk diskutiert, und dabei hat sich ergeben, daß wir in der Auslegung des Vertrages bei agrarpolitischen Fragen auch nicht immer einer Meinung waren.
Im übrigen bin ich nicht der Meinung, daß etwa bei der Realisierung der Agrarpolitik durch Brüssel der Verbraucher in Deutschland demnächst billigere Brötchen bekäme. Die Vorstellung ist nämlich weithin entstanden.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Sind Sie nicht bereit, den Tatbestand des Römischen Vertrags anzuerkennen?)

— Ich anerkenne die Tatsache, daß der Römische Vertrag besteht. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß ich als Angehöriger einer Partei, die damals diesen Vertrag aus politischer und wirtschaftspolitischer Sorge abgelehnt hat, kritisch bin, auch wenn ich heute als Vertreter einer Koalitionspartei hier spreche.

(Zurufe von der SPD.)

— Ich will kein Kapital daraus schlagen. Was ich damit sagen will: Es ist höchste Zeit, daß wir alle miteinander den Mut haben, hier, in Straßburg, in Brüssel und draußen Chancengleichheit für uns zu fordern, genauso wie das bisher die anderen — mit Erfolg, auf unsere Kosten — für sich getan haben.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502421700
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Strobel?

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502421800
Bitte!

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0502421900
Herr Kollege, würden Sie bereit sein, zu sagen, wo die sozialistische Fraktion des Europaparlaments oder ein Mitglied der deutschen Delegation, das dieser Fraktion, eine andere Auffassung vertreten hat als die, daß die Chancengleichheit für alle hergestellt werden muß?

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502422000
Ich kann mich nicht erinnern
— das gebe ich Ihnen zu —, daß einer von Ihnen in Straßburg oder in Brüssel gesagt hat, Sie wollten nicht die Chancengleichheit.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0502422100
Halten Sie es dann für fair, solche Unterstellungen hier auszusprechen?

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502422200
Ich habe nur gesagt, es sei ein Unterschied, wie man verhandelt und wie man sich einstellt.

Käte Strobel (SPD):
Rede ID: ID0502422300
Sind Sie nicht der Meinung, daß das Unterstellungen sind, von denen Sie sich jetzt distanzieren?

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502422400
Frau Kollegin Strobel, wenn Sie mir jetzt Unterstellungen vorwerfen, dann muß ich kontern und fragen: Konnte nicht, wenn man Sie in der Vergangenheit hörte, beim unbefangenen Zuhörer der Glaube entstehen, daß durch Ihre Initiative oder bei der Realisierung des Römischen Vertrages, wie Sie es sich vorstellen, die Lebensmittelpreise in Deutschland niedriger würden?

(Abg. Frau Strobel: Halten Sie sich für einen unbefangenen Zuhörer?)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502422500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schäfer?

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502422600
Bitte!

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0502422700
Herr Kollege, nach dieser Erklärung muß man doch logisch zu der Schlußfolge-



Dr. Schäfer
rung kommen, daß Sie damit die Mitglieder der Bundesregierung meinen, die sich nicht entsprechend Ihren Forderungen verhalten.

Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502422800
Ja, ich gebe das zu. Mir wäre es lieber gewesen, man hätte tatsächlich in dem von Ihnen beklagten Konzept — —

(Abg. Dr. Schäfer: Dann nennen Sie doch gleich den Namen!)

— Mir hat z. B. das Vorgehen des Kollegen Schmükker in Brüssel beim Zustandekommen des Getreidepreises nicht gefallen. Denn das, was man uns französischerseits als Gegengabe versprochen hat, nämlich mit dem Gespräch ,auf dem politischen Sektor anzufangen, ist nicht eingetreten. Abgesehen davon, daß der Preis in seiner Höhe nicht richtig festgesetzt ist, daß der Zeitpunkt falsch gewählt ist und die Voraussetzungen nicht — —

(Zuruf von der SPD: Die nächste Koalitionskrise!)

— Das hat mit Koalitionskrise nichts zu tun.

(Abg. Wehner: Schimpft auf die SPD und meint den Partner! Das ist Ihre mehrfach erprobte Methode! — Weiterer Zuruf von der SPD: In die andere Richtung reden! — Abg. Wehner: Dann soll er ihm doch selber den Knüppel vor ,den Kopf hauen!)

— Ich hatte gehofft, Kollege Schmidt hätte mich verstanden, und jetzt wird mir von der SPD etwas von „Knüppel" zugerufen!

(Zurufe von der SPD.)

— Herr Kollege Schmidt, ich will jetzt einige Passagen aufgreifen, auf die Bundesminister Höcherl schon eingegangen ist. Sie haben gesagt, jetzt gehe es in Brüssel darum, daß man Schluß macht mit dein permanenten Wunschdenken, „letzte Runde", „Liquidierung". Ja, fühlen Sie sich ganz frei, unbefangen, daß Sie solche Forderungen als Angriff gegen die Regierung aufstellen?

(Abg. Wehner: Das ist kein Seiltanz, das ist ein Eiertanz!)

— Sie können ja antworten, Herr Kollege Wehner.
Herr Kollege Schmidt, Sie zitierten das wissenschaftliche Gutachten. Nun, darin steht sehr viel Brauchbares, und ich gebe Ihnen darin recht, daß es gut ist, daß man dies alles endlich einmal veröffentlicht hat. Das haben wir in der Vergangenheit oft gemeinsam mit Ihnen gefordert, aber man glaubte, das nicht tun zu können. Nur die Schlußfolgerung, die Sie auf Grund des Gutachtens ziehen, ziehe ich nicht. Wenn Sie das Gutachten gelesen haben, kommen Sie zu dem Ergebnis, daß hier Ideen vertreten werden, die auf der Straße liegen und die sich durchaus in vieler Beziehung mit Ihren Vorstellungen decken. Nun, in mancher Beziehung auch mit meinen Vorstellungen, wenn ich an das Teilgebiet des Strukturwandels denke. Aber die Folgerung, die das Gutachten global, summarisch zieht, daß der Strukturwandel das wichtigste Instrument sei, dem agrarpolitischen Ziel des Landwirtschaftsgesetzes zu entsprechen, ziehe ich nicht. Für mich
ist nach wie vor das Preis-Kosten-Verhältnis in seiner Relation, die Berücksichtigung der sich nach oben entwickelnden Kosten in der Preispolitik das Wichtigste, und die Strukturpolitik ist nur ein Hilfsmittel dafür; denn es gibt ja auch Betriebe, die nicht unter den Strukturwandel fallen. Für die muß das Gesetz in seinem ökonomischen Gehalt ja auch Bestand und Geltung haben.
Wenn Sie sagen, Herr Kollege Schmidt, nur der technische Fortschritt bestimme .die Entwicklung und man müsse sich endlich zu der Erkenntnis durchringen, daß lebensunfähige Betriebe nicht erhalten werden könnten — um es mit meinen Worten zu sagen —, dann muß ich erklären, Herr Kollege Schmidt: läge die Entwicklung des einzelnen Betriebes und läge der Erfolg der Arbeit des einzelnen Betriebsleiters nur am Fleiß und am Können und an der Möglichkeit, selbst kalkulieren zu können, dann würde ich Ihnen recht geben. Aber die deutsche Agrarpolitik steht doch nur mit einem Bein in der sogenannten freien Marktwirtschaft, nämlich mit den Kosten, die sich nach oben entwickeln, ohne daß wir dafür etwas können; mit dem zweiten Bein, mit den Preisen, die politisch festgehalten werden, stehen wir außerhalb der freien Marktwirtschaft.
Der Bauer kann doch nicht kalkulieren. Wenn es also nur darum ginge, zwischen gut und schlecht, zwischen fleißig und nicht fleißig und zwischen groß und klein zu differenzieren, dann könnte ich Ihnen noch folgen. Aber wir sind ja leider nicht in der Lage wie ein anderer Unternehmer, der kalkulieren und rechnen kann und der entsprechend auch disponieren kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt einiges nachholen, was ich angekündigt habe. Ich glaube, wir müssen in der Bundesrepublik als verantwortliche Politiker und Parteien endlich einmal aufhören zu schweigen, wenn man draußen im Lande von der Steigerung der Lebenhaltungskosten spricht und dabei ausgesprochen oder unausgesprochen fast ausschließlich die Steigerung der Lebensmittelpreise in den Schaufenstern meint. Auf Grund unserer zweispurigen Agrarpolitik entwickeln sich leider Erzeugerpreise und Verbraucherpreise nach unterschiedlichen Gesetzen, auf verschiedenen Gleisen — manche gegensätzlich —, und diese Entwicklungen haben nicht in jedem Falle etwas miteinander zu tun. Das soll nun keine Attacke gegen den Einzelhändler sein, der für sein Kotelett diesen oder jenen Preis fordert, sondern ich will nur darauf hinweisen, daß man der Öffentlichkeit — das geht sowohl die Regierung wie uns als Parlament an — sagen muß, wenn man von Lebenshaltungskosten spricht, daß hier der Verbraucherpreis gemeint ist und nicht der Erzeugerpreis. Wenn man das allerdings sagt, dann sollte man bereit sein, Erzeuger- und Verbraucherpreise als Beispiel, wenigstens in einigen Bereichen als Beispiel, zu erwähnen. Es gibt nämlich auch andere Preise in der Lebenshaltung, die steigen: Schuhe, Textilien, Mieten, Fahrpreise, Porto, Telefon — alles mögliche steigt im Preis, belastet natürlich den Haushalt eines wenig verdienenden Menschen. Aber wenn man von Steigerungen spricht, dann meint man landauf, landab, daran seien die Bauern schuld, die von heute auf morgen für ihre



Dr. Effertz
Erzeugnisse mehr bekämen. Daß das nicht der Fall ist, möchte ich an einigen Zahlen in diesem Hohen Hause beweisen.
Ich vergleiche das Jahr 1952 mit dem Jahr 1960 und dem Jahr 1965. Dabei ist folgender Unterschied festzustellen — alles in Kilo umgerechnet —: Der Weizen kostete im Jahre 1952 44 Pf je Kilo, das Kilo Brot 87 Pf, das Kilo Gebäck 1,23 DM. Im Jahre 1960 war der Weizenpreis von 44 auf 41 Pf gefallen, der Brotpreis dagegen von 87 Pf je Kilo auf 1,10 DM gestiegen, der Preis für Gebäck von 1,23 DM auf 1,65 DM. Im Jahre 1965 war der Weizenpreis der gleiche wie im Jahre 1960, geringer als im Jahre 1952. Er betrug damals je Kilo 41 Pf. Brot dagegen kostete 1,44 DM und Gebäck 2,07 DM. Bei Roggen war die Entwicklung ähnlich. Der Preis sank von 1952 bis 1965 von 41 Pf Erzeugerpreis je Kilo auf 38 Pf, während das Roggenbrot von 61 Pf je Kilo im Jahre 1952 auf 2,95 DM im Jahre 1965 anstieg.
Ich könnte nun noch Beispiele, die Schweine und Rinder betreffen, anführen, gebe aber zu, daß bei Schweinen und Rindern im letzten Jahr Gott sei Dank eine Preissteigerung zu verzeichnen war; allerdings sollte das nicht Anlaß zu der Vermutung geben, daß dieser Preis jetzt für alle Zukunft gälte, auch nicht zu der Meinung, daß das ein voller Ausgleich für schlechtere Preise in den Jahren vorher oder etwa eine Begründung sei für die Preissteigerungen im Laden bzw. für den Verbraucher.
Wenn ich das einander so kritisch gegenüberstelle, dann will ich keineswegs etwa den Einzelhändler oder den Kaufmann attackieren, sondern ich will sagen: wenn der in unserer freien Marktwirtschaft das Recht hat, kostendeckende Preise zu nehmen, bitte ja. Dann allerdings müssen wir bereit sein, wenn auch die Agrarpolitik Bestandteil der Wirtschaftspolitik in einer freien Marktwirtschaft ist, das dann auch der Landwirtschaft zuzubilligen. Wenn man das nicht kann oder nicht mehr kann, weil wir die Zuständigkeit für Preise nach Brüssel abgegeben haben, dann sollte man das wenigstens ansprechen und versuchen, das, was in Brüssel zu tun ist, in Brüssel zu tun.
Nun komme ich auf Brüssel. Sie haben die Zeitungen gelesen: „In Brüssel ein neuer Anfang". Ich bin nicht der Meinung des Bundesernährungsministers Höcherl, daß wir den Verhandlungen allzu optimistisch entgegensehen sollten. Ich sehe Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Ich kann mir vorstellen, wie insbesondere die Franzosen reagieren werden, wenn die deutsche Regierungsdelegation nun mit Forderungen, mit berechtigten Forderungen als Voraussetzung für die volle Harmonisierung aller Preise auf allen Gebieten der Agrarpolitik die Verhandlungen in Brüssel einleitet. Ich bin also nicht optimistisch. Das hindert mich aber nicht zu sagen, daß der Bundeskanzler recht hatte und auch heute noch recht hat, als er in Düsseldorf beim Bauerntag sagte — ich glaube, er hat es auch anderswo gesagt, und auch wir in den Parteien haben es mehr oder weniger überall gesagt —, daß jetzt in Brüssel den anderen klargemacht werden muß, daß Schluß sein muß mit den einseitigen Vorleistungen eines Partners zugunsten des anderen. Denn nirgendwo im Vertrag steht, daß einer für den anderen
Opfer bringen oder daß einer wirtschaftspolitische Experimente des anderen aus seinen Etatmitteln bezahlen soll.
Was die Franzosen als Vorabregelung bei der Agrarfinanzierung von uns erwarten, ist schlechterdings unzumutbar, insbesondere, da uns der Franzose und auch die anderen Partner noch nicht einmal sagen können — wir wissen es auch selber noch nicht —, wieviel der deutsche Beitrag bei einem ausgehandelten Prozentsatz bei der Fixierung der Agrarfinanzierung dem Volumen nach ausmacht und von wann bis wann er zu leisten ist. Sowohl Herr Schmücker als auch Herr Dahlgrün hatten also recht, wenn sie jetzt zu Beginn der Verhandlungen in Brüssel den anderen gesagt haben — man hat ja auch nicht widersprochen —, daß es das legitime Recht der Bundesrepublik sei, zu verlangen, daß man, wenn man schon über die Agrarfinanzierung sprechen wolle — dazu sei die Bundesregierung bereit —, wenn man sie jetzt regeln wolle — auch dazu sei sie bereit —, nicht nur über den Prozentsatz, den wir zu übernehmen haben, spricht, sondern auch über das, was sich an Milliardenvolumen hinter diesem Prozentsatz verbirgt, was dieser Prozentsatz in Milliarden DM ausmacht.
Damit das aber gesagt werden kann, damit das berechnet werden kann, müssen in Brüssel zunächst noch alle die Fragen geklärt werden, die preispolitische Auswirkungen haben. Es ist nämlich ganz entscheidend, wann, zu welchen Bedingungen, mit welchen Ausgleichsbelastungen für uns und auch für die Brüsseler Kasse der Getreidepreis in der fixierten Höhe in Kraft tritt. Es ist ganz entscheidend, wie hoch der Milchpreis als Richtpreis festgelegt wird und was uns noch in nationaler Zuständigkeit an Ausgleichsmöglichkeiten hinsichtlich der jetzigen Preise verbleibt. Es ist für die Rentabilität der deutschen Landwirtschaft und die Realisierung der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes durchaus entscheidend, ob man die Regionalisierung beim Zuckerrübenanbau durchsetzt oder nicht. Es ist durchaus notwendig, daß man in Brüssel weiß, wie man sich den Frachtenausgleich denkt und sich über die Leitlinienbeim Frachtenausgleich einigt. Es ist für den Finanzminister und für uns durchaus wichtig zu wissen, daß die anderen, wenn man das Volumen der Belastungen in Brüssel errechnen will, bereit sind, das Bruttoprinzip bei Ein- und Ausfuhren anzuerkennen und uns nicht zu zwingen, uns wie bisher mit dem Nettoprinzip abgeben zu müssen. Es wäre durchaus wichtig zu wissen, ob man in Brüssel daran denkt, die Produktion im Quantum — regional oder staatlich — zu sehen und eine Obergrenze festzulegen und dadurch staatliche Subventionen, von denen wir ja die meisten zahlen müssen, zu begrenzen. Es wäre wichtig zu wissen, ab man einen Ausgabenplafond beschließt oder sich darüber einigen könnte.
Die Beantwortung .all dieser Fragen ist die Voraussetzung für die Möglichkeit, die Frage zu beantworten, was 28 % oder 3 % deutsche Beteiligung an dem Agraretat in Brüssel von 1967 his 1970 und darüber hinaus für den deutschen Steuerzahler ausmachen. Im Anfang hat man einmal ge-



Dr. Effertz
sagt, es seien kaum 100 Millionen DM, die wir zahlen müßten. Im letzten Jahr wurde aber vom Finanzministerium ausgerechnet, es könnten auch 31/2 Milliarden DM sein. Ob diese Zahl stimmt, weiß auch kein Mensch. Deshalb ist es ein legitimes Recht von uns — und ich 'bitte die SPD, in Straßburg gerade ,das zu unterstützen —, in Brüssel dafür zu sorgen, daß man, wenn man sich über die Agrarfinanzierung einigen will, zunächst einmal ehrlich bereit sein muß — auch die Franzosen müssen es sein, die ja das meiste bekommen wollen —, zu errechnen, wieviel das Gesamtvolumen ausmacht, und dann erst den Prozentsatz oder die Aufschlüsselung für die Nationalstaaten zu beschließen.
Voraussetzung dafür ist aber, daß man all das nachholt, was bis jetzt leider Gottes durch das Sperren der Franzosen — Politik des „leeren Stuhles" — nicht erfüllt werden konnte. Deshalb der Antrag der FDP, die Bundesregierung zu bitten, in Brüssel dafür zu sorgen, daß der vorgesehene Termin für die Inkraftsetzung des Getreidepreises hinausgeschdben wird, bis die dazu notwendigen Voraussetzungen geschaffen sind, und zwar auch die Voraussetzungen, die noch an den Getreidepreis selbst geknüpft werden und ihn nach oben oder unten beeinflussen können, z. B. Festlegung der Leitlinien bei Frachten. Zuerst müssen diese Voraussetzungen geschaffen sein, bevor der Getreidepreis wirksam wird.
Im Zusammenhang damit müssen — angeblich hat ja jetzt die Agrarfinanzierung in Brüssel den Vorrang — auch die Voraussetzungen auf anderen Gebieten, bei den noch nicht beschlossenen Marktordnungen,. insbesondere in der Kosten—PreisRelation, geschaffen werden, dann erst darf das Volumen errechnet, und dann darf deutscherseits erst ja gesagt werden zu einer deutschen Beteiligung nicht nur in Prozenten, sondern auch in Milliardenhöhe. Das interessiert dann letzten Endes weniger nur die deutsche Landwirtschaft, sondern mehr uns alle, insbesondere den deutschen Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502422900
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer (Wasserburg).

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502423000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar dafür, daß ich es mir wie in den vergangenen Jahren ersparen kann, meinerseits noch auf das einzugehen, was der Kollege Schmidt als seinen Beitrag zur SPD-Agarpolitik hier vorgetragen hat. Ich bedanke mich sehr, Herr Minister, für diesen Akt des Lastenausgleichs, den Sie vorgenommen haben, indem Sie hier mitgeholfen haben.

(Abg. Dr. Schäfer: Es ist immer unsere Meinung gewesen, daß man die Regierung auf seiten der Koalitionsredner mitrechnen muß!)

- Sehr schön, Herr Schäfer.
Trotzdem gestatten Sie mir, zwei Fragen anzusprechen, die noch offen sind. Ich weiß, daß eine Reihe von Kollegen Ihrer Fraktion noch daran kommen. Ich möchte hier zwei Feststellungen treffen.
Wenn ich die Ausführungen des Kollegen Schmidt richtig verstanden habe, ist erstens festzustellen, daß die SPD die Preispolitik in der Agrarpolitik praktisch als nicht existent und als nicht möglich bezeichnet hat, sie ist ihrer Ansicht nach kein Mittel der deutschen Agrarpolitik. Habe ich Sie richtig verstanden? Das ist die erste Feststellung. Vielleicht geben Sie eine Antwort darauf. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Antwort anders ausfiele, weil ich dann beruhigt sein könnte.
Die zweite Frage, Herr Kollege Schmidt: In der Zwischenzeit haben Sie unsere Entschließung lesen können, die wir in dieser Debatte eingebracht haben. Im Teil 2 lesen Sie, was ungefähr unsere Vorstellungen zu der Frage sind, die ich schon während Ihrer Rede an Sie gerichtet habe, was wir uns da an Änderungen bei der Durchführung und bei der Beratung des Grünen Plans sowohl in unserem Ausschuß als auch im Haushaltsausschuß vorstellen. Sie haben vorhin erklärt, Sie wünschten keine Änderung. Jetzt, da Sie den Inhalt dieser Entschließung kennen, frage ich Sie noch einmal: Bleibt es bei diesem Nein? Sind Sie wirklich nicht der Auffassung — was dort im Teil 2 steht —, daß es richtig wäre, uns in aller Ruhe und Sorgfalt darüber zu unterhalten, ob es nicht notwendig ist, das eine oder andere zu tun?

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Darauf kriegen Sie eine Antwort!)

— Ich bitte herzlich darum. Das waren die zwei Vorbemerkungen.
Im übrigen wäre es mir eine große Freude gewesen, eine Antwort geben zu können auf das „Frühlingsgeflüster" über „sommerliche Gewitter" bis hin zum „Einsargen der CDU" und ebenfalls eine kleine Büttenrede zu halten. Aber, wie gesagt, mit Rücksicht auf die folgenden Kollegen erspare ich mir das.
Meine Damen und Herren, ich mache jetzt diese Debatte zum zwölftenmal mit, davon zum elftenmal zum Grünen Bericht und zum Grünen Plan. Wir alle haben ja Voraussprachen in unseren Fraktionen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich gestehen, daß wir alle miteinander — Herr Kollege Schmidt, passen Sie einmal gut auf, ob es Ihnen ähnlich geht — in unseren Fraktionen, obwohl wir schon jahrelang über diese Probleme reden, offensichtlich ein Agrarchinesisch unter uns entwickelt haben. Ich stelle immer wieder fest — Herr Kollege Schäfer, das meine ich ganz ernst —, daß wir uns, wenn wir in unseren Fraktionen über diese Dinge reden, sehr auseinanderreden, manches nicht verstehen und daß oft die simpelsten Feststellungen einfach nicht zur Kenntnis genommen werden.

(Abg. Dr. Schäfer: Der Normalverbraucher versteht sie aber!)

— Herr Schäfer, ich sage das deshalb, weil ich hier den Versuch unternehmen möchte, wenigstens ein



Bauer (Wasserburg)

paar Dinge zu sagen. Angesichts des leren Saales — wir sind ja hier wieder einmal fast unter uns — könnte ich es mir eigentlich ersparen. Aber es gibt ja ein Protokoll, und es wird in der Presse hoffentlich das eine oder andere berichtet. Schließlich haben wir da droben immer noch eine erfreulich große Besuchertribüne. Deshalb mache ich den Versuch, doch wenigstens ein paar Dinge zu sagen.
Angesichts dieser so oft geschmähten deutschen Landwirtschaft darf ich einmal feststellen, meine Damen und Herren, daß diese Landwirtschaft in rund 15 Jahren ihre Gesamtproduktion immerhin um fast 60 % steigern konnte. Es sind nur ein paar Ziffern, aber ich meine, sie sollten eigentlich Allgemeingut unseres ganzen Volkes und auch des ganzen Hauses hier werden.
Ich stelle weiter fest, daß es möglich war, in der gleichen Zeit zwei Millionen Arbeitskräfte freizusetzen; das ist rund die Hälfte des gesamten Arbeitskräftebestandes. Ich möchte manchen Kritiker aus der industriellen und der gewerblichen Wirtschaft einmal bitten, da ein bißchen das Rechnen anzufangen, was diese selbe menschliche Arbeitskraft, die freigestellte menschliche Arbeitskraft diese Wirtschaft etwa kosten würde, wenn wir sie möglicherweise auch noch durch Arbeitskräfte von außen hätten ersetzen müssen.
Dann ein Drittes! Um es ganz einfach zu sagen: 1950/1951 haben wir -in der Bundesrepublik auf einem Hektar 88 Doppelzentner Getreideeinheiten geerntet, 1964/1965 280 Doppelzentner Getreideeinheiten. Damit ist die Produktivität in diesem Berufszweig in 15 Jahren um 218 % gewachsen. Ich meine, das sind doch Leistungen, die sich weiß Gott sehen lassen können und auf Grund deren man mit einem Handstrich, möchte ich beinahe sagen, alles Gerede von dieser unmodernen rückständigen Landwirtschaft eigentlich vom Tisch wischen könnte.
Kürzlich sagte mir ein Kollege in der Fraktion, er habe so etwas noch nie gehört, — als ein anderer Freund in unserer Fraktion darauf hinwies, daß bei uns in der Bundesrepublik heute ein Landwirt 20 Mitbürger zu ernähren vermöge und daß wir in der Weltrangliste den dritten Platz erreicht hätten. Da hat mein Kollege erklärt, so etwas kenne er gar nicht, das sei ja großartig, die Zahlen müsse man kennen, und die müsse man für die Diskussion parat haben. Deshalb habe ich mir erlaubt, nur diese wenigen einfachen Feststellungen hier noch einmal zu wiederholen. Ich weiß, für meine Kollegen aus dem Fachgebiet ist das zum Gähnen langweilig. Aber ich hoffe, daß es mir gelingt, hier noch ein bißchen mehr Leben ins Haus zu bringen als mit diesen ersten Feststellungen.
Noch etwas anderes muß man wissen, wenn man über deutsche Agrarpolitik spricht: daß wir uns immerhin rühmen dürfen, daß das Einkommen der Landwirtschaft in der Bundesrepublik zu einem größeren Teil über den Markt erzielt wird als in allen vergleichbaren Landwirtschaften in der ganzen Welt. Der Anteil an Subventionen, an staatlichen und halbstaatlichen Hilfen ist in jeder anderen vergleichbaren Landwirtschaft der Welt größer als bei
uns in der Bundesrepublik. Ich meine, das ist auch ein gutes, sauberes Stück deutscher Agrarpolitik.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun ein paar Aussagen, die ich, Herr Kollege Schmidt, als Grundsätze der deutschen Agrarpolitik bezeichnen möchte. — Wir haben zwar weniger Pläne — wie Sie immer fürchten —, aber wir haben Grundsätze. Auf die können Sie mich auch später wieder festnageln. Darum sage ich sie auch öffentlich. Ich halte weniger von Plänen, mehr von Grundsätzen

(Zurufe von der SPD)

— und von einer gewissen Grundhaltung, Herr Börner, ja, das sage ich hier ganz deutlich, und wenn Sie wollen, wiederhole ich es dreimal.
Ich kann mich gut erinnern: im Herbst vorigen Jahres, als wir in der großen Wahlkampfauseinandersetzung waren, da gab es kaum von einer Seite einen Widerspruch, wenn wir uns dahin gehend verständigten, daß auch in der Agrarpolitik der Mensch im Mittelpunkt dieser Politik zu stehen habe. Von allen Seiten habe ich Zustimmung gehört. Ich wäre dankbar, wenn das heute auch noch gelten würde. Denn — ich komme nachher noch darauf zurück -
ich beginne allmählich Zweifel zu setzen in diese Aussagen von allen Fraktionen vor der Wahl, die da gemacht worden sind.
Wenn wir hierin übereinstimmen, lassen Sie mich ein Zweites sagen. Zu dem Grundsatz „Der Mensch im Mittelpunkt auch der Agrarpolitik" gehört, wie ich meine, auch, daß die Menschen schwerer wiegen als Zahlen, mit denen wir uns hier häufig zu beschäftigen haben. Ich hoffe, daß jene unzähligen Spekulationen darüber, wieviel Menschen eigentlich noch aus diesem Wirtschaftsbereich auszuscheiden hätten, bis er sich endlich genügend gesundgeschrumpft habe, endgültig vorbei sind. Dann hätten wir eine weitere Gemeinsamkeit, die uns ein gutes Stück vorwärtsbringen könnte.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Meine Damen und Herren, hier haben alle, von Mansholt bis hin zu den Professoren, Prophezeiungen gemacht. Herr Schmidt, darum habe ich vorhin gesagt: Vorsichtig! Auch Sie sind jetzt beim Prophezeien. Sie sind doch alle bis zur Stunde hereingefallen, weil sich das Leben leider Gottes nicht in Zahlen pressen läßt und weil das menschliche Schicksal sich nicht einfach von irgend jemand dirigieren läßt, es sei denn in einem unfreien Land, aber niemals in einem Land wie dem unseren und hoffentlich auch niemals in einem freien Europa, wie wir es uns vorstellen und wie es nach unseren Begriffen werden soll.
Mathematische Zahlenreihen und menschliche Verhaltensweise sind unterschiedliche Vorgänge. Nirgends werden sie so deutlich wie bei Strukturveränderungen. Diese Verhaltensweise ist nicht etwa vom Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land her unterschiedlich. Denn wie würden wir uns sonst die Verhaltensweise eines Bergmanns und einer Bergmannsfamilie und seine Reaktion erklären können, wenn die Frage seiner Umsetzung aus dem erlernten und bisher gewohnten Beruf auf ihn zu-



Bauer (Wasserburg)

kommt, wie wir es in einem großen Strukturwandel in diesem anderen Bereich zur Zeit erleben! Auch dort ringt man selbstverständlich mit dem Entschluß, wenn es darum geht, die Entscheidung für sich zu treffen. Auch dort spielen natürlich die bisherige Heimat und der Platz und die Heimatstätte, in der man gewohnt hat und aufgewachsen ist, eine ganz entscheidende Rolle.
Eine dritte grundsätzliche Feststellung. Jetzt werden die Herren von links erschrecken, wenn ich das sage, oder sie werden zustimmen; ich wäre glücklich, wenn sie es tun könnten. Für uns, meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, gilt auch heute noch — ich bin dem Minister gerade für diese Feststellung, die er vorhin in seiner Erwiderungsrede auf die Ausführungen des Kollegen Schmidt getroffen hat, sehr dankbar —, daß jeder, der willens und entschlossen ist, sein Land zu bewirtschaften, das auch in der Zukunft tun kann. Das muß und wird unsere Politik jetzt und auch in aller Zukunft bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Meine Damen und Herren, diese klare Einstellung schließt selbstverständlich eine moderne Entwicklung in der Landwirtschaft nicht aus. Aber sie schließt absolut die freiwillige Entscheidung des einzelnen, wenn sie gefällt werden sollte, mit ein. Meine Damen und Herren, dies können Sie sowohl in der Einbringungsrede des Ministers wie auch heute wieder bei seiner Erwiderung bestätigt finden. Ich danke dem Herrn Minister von dieser Stelle aus ausdrücklich für diese ganz klaren Aussagen. Denn es sind Aussagen, an denen man eine Politik orientieren kann, Herr Schäfer.

(Abg. Dr. Schäfer: Die für sich allein gar nichts sagen, weil es auf die Bedingungen ankommt!)

— Eben, Herr Schäfer, auch auf die Bedingungen kommt es an. Aber es kommt auch auf die Haltung und die Grundeinstellung an. Nehmen Sie es mir nicht übel: Auch in diesen praktischen wirtschaftlichen Fragen kann man zwar sehr viel rein vom Verstand her machen, aber ein klein bißchen Grundhaltung und einstellung gehört dazu. Ich glaube, auch da sollten Sie mir recht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich darf in diesem Zusammenhang einmal den leider viel zu früh verstorbenen Professor Röpke zitieren — er fällt mir gerade ein, Herr Kollege Schäfer —, einen Mann, der ein Leben lang von der Ratio her und ganz stark vom liberalen Geist geprägt an alle wirtschaftlichen Aufgaben herangegangen ist. Röpke hat, wie wir jetzt wissen, am Ende seines Lebens zum Ausdruck gebracht, daß es in der Wirtschaft — und hier besonders in der Landwirtschaft — neben den rein ökonomischen Vorgängen auch noch geistig-sittliche Werte gibt, die man auf diesem Gebiet in Rechnung stellen muß, wenn man Agrarpolitik mit Erfolg und nachhaltig betreiben will.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Schäfer: Wen wollen Sie denn überzeugen? Uns brauchen Sie davon nicht zu überzeugen!)

— Dann bin ich glücklich, Herr Schäfer. Ich bitte sogar, das so laut zu sagen, daß wir es im Protokoll stehen haben.
Meine Damen und Herren, diese Haltung schließt ein, daß solche Änderungen nicht durch Druck von außen entstehen. Ich muß Ihnen gestehen, es fällt mir sehr schwer, hier ein Papier, das mir wenige Stunden vor dieser Debatte in die Hand gekommen ist, über angebliche Äußerungen aus dem Hause draußen in Duisdorf jetzt zu zitieren. Ich bin aber der Meinung, daß es dazu noch im Kreis des Ernährungsausschusses Gelegenheit geben wird.
Im übrigen möchte ich Ihnen noch folgendes sagen. Wem das Tempo der Strukturverbesserung noch zu langsam ist — bei rund 500 000 aufgegebenen Betrieben in 15 Jahren und mehr als zwei Millionen umgesetzter Arbeitskräfte —, wem das noch nicht genügt, der möge seinen Betätigungsdrang in einen anderen Branchenbereich verlegen, wo auch gerade ein Strukturwandel im Gange ist. Ich bin neugierig, ob die Kumpel — wenn er es beispielsweise bei der Kohle versuchte — dann auch so schafsgeduldig wären, wie es die deutsche Landwirtschaft bisher gewesen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502423100
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502423200
Bitte schön!

Werner Marquardt (SPD):
Rede ID: ID0502423300
Herr Kollege Bauer, da Sie zu Recht gesagt haben, Sie redeten zu einem Teil für das Protokoll und für die Öffentlichkeit, zugleich aber hier herübergeblickt haben, würden Sie vielleicht verdeutlichen, daß Sie mit „Duisdorf" etwas anderes gemeint haben als die linke Seite dieses Hauses?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502423400
Mit „Duisdorf" habe ich hier ganz eindeutig das Bundesernährungsministerium gemeint. Das will ich gern richtigstellen, Herr Marquardt.

(Zuruf von der SPD.)

— Sie können mich auch im Ausschuß dazu noch einmal stellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Schmidt [Gellersen].) — Herr Schmidt, seien Sie nicht so neugierig!


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0502423500
Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Kalinke?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502423600
Bitte schön, Frau Kalinke !

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0502423700
Darf ich fragen, Herr Kollege Bauer, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß es in Duisdorf auch Vertreter der anderen Seite geben kann?




Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502423800
Aber natürlich! Aber natürlich!

(Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, daß nicht die Größe oder die Lage eines Betriebes, das Klima oder gar statistische Aussagen darüber entscheiden dürfen, ob der Betrieb fähig ist, zu überleben. Nein, auch hier sage ich Ihnen: die Einstellung zum Beruf, das fachliche Können, Begabung, Zielstrebigkeit, Leistung und Erfolg sind die Voraussetzungen, die man, wie wir glauben, auch in diesem Teil unserer Wirtschaft mitbringen muß, wenn man mitwirtschaften will. Diese Voraussetzungen allerdings gibt es in Nord und Süd; die gibt es bei den Großen und bei den Kleinen; die sind gleichermaßen überall anzutreffen. Ich meine, es wäre unverantwortlich, wenn eine geistlose Zahlenakrobatik, wie sie insbesondere mit der Hektargröße oft schon versucht wurde, zur negativen Auslese innerhalb unserer Landwirtschaft führte. Das wäre allerdings eine schreckliche Fehlentscheidung; denn, meine Damen und Herren, unser Hilfe sollte der landwillige und landfähige Bauer und Jungbauer, die landfähige und landbegeisterte Bäuerin und auch Jungbäuerin bekommen. Das gehört auch in Zukunft dazu, wenn man in diesem Wirtschaftsbereich wirken will. Wer sich aber dazu entschieden hat — Herr Kollege Frehsee, ich glaube, da sind Sie sicher derselben Auffassung wie ich —, der sollte die ganze Hilfe des Staates und auch der nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung uneingeschränkt bekommen.
Es ist sicher in der deutschen Öffentlichkeit bekannt, daß wir auf Grund des letzten Grünen Berichts feststellen können, daß unsere Bevölkerung zu 78 % von der eigenen Landwirtschaft versorgt wird. Das ist sicherlich eine gewaltige und beruhigende Leistung. Wer denkt aber eigentlich daran, daß bei der Erstellung dieser Produktionsleistung eine landwirtschaftliche Nutzfläche und Privatwald von immerhin rund 17 Millionen ha, das sind rund 70 % der Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland, durch die gleichen Landwirte und ihre Familien praktisch als kostenlose Nebenleistung in so ausgezeichneter Weise versorgt werden, daß nicht nur ausländische Besucher immer wieder verwundert und anerkennend von der Schönheit der Flur und Kultur bei uns reden?

(Abg. Dr. Schäfer: Schön haben Sie das gesagt!)

— Darf man das nicht einmal zum Ausdruck bringen? Ich empfehle Ihnen, Herr Schäfer, einmal darüber nachzudenken, daß dahinter ganz massive wirtschaftliche. Überlegungen stehen. Ich empfehle Ihnen, einmal auszurechnen, wie tief wir — wenn diese Nebenleistungen von der produzierenden Landwirtschaft nicht mehr erbracht würden — in den Steuersäckel greifen müßten, um diese Aufgabe von anderen Leuten erfüllen zu lassen.

(Abg. Dr. Rinderspacher: Das, was Sie erzählen, ist Lyrik, Herr Bauer!)

— Ach, Herr Rinderspacher, ohne das geht es gar
nicht. Das geht ja weit hinein in diesen Bereich. Der
zweite Teil der Leistung gehört nämlich dazu, daß wir uns in der deutschen Landschaft immer noch so wohlfühlen können. Ich kenne durchaus andere Gegenden in der Welt — und Sie werden sie auch kennen —, wo man diesen Teil der Aufgabe der landwirtschaftlichen Bevölkerung sträflich vernachlässigt hat, mit dem Ergebnis, daß in weiten Bereichen Bodenerosionen heute wieder mit Mitteln korrigiert werden müssen, die den Steuerzahler das X- und Hundertfache von dem kosten, was es gekostet hätte, wenn man zur rechten Zeit dafür gesorgt hätte, daß der Boden unter einer vernünftigen Bewirtschaftung geblieben wäre.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang, auch ein paar Worte zu dem heute hier schon zitierten Kleinlandwirteprogramm wiederzugeben. Herr Dr. Schmidt, da werden Sie ja besonders gespannt sein.

(Abg. Dr. Rinderspacher: Kleinbauernprogramm!)

— Also Kleinbauernprogramm. Jetzt werden Sie romantisch, Herr Dr. Rinderspacher. Landwirte, Bauern — wir können uns ja gelegentlich einmal darüber unterhalten, warum Ihr Herz da mehr schlägt, wenn Sie vom Kleinbauern hören.
Meine Damen und Herren, ich bin erstens der Meinung, daß wir uns mitten in einem riesigen Förderungsprogramm für unsere gesamte Landwirtschaft mit all ihren Erscheinungsformen befinden. Da möchte ich Sie einmal fragen: Was ist denn Strukturpolitik? Was ist denn die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse? Was ist die Verbesserung der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung? Kommt das denn etwa nur den Betrieben über 10 ha oder den Vollerwerbsbetrieben zugute? Nein, meine Damen und Herren, wir haben immer einen ganz großen Bereich, ja, ich möchte fast sagen, den größten Bereich der Förderungsmaßnahmen bisher so angelegt, daß sie dem gesamten Lebensbereich draußen im Lande zugute gekommen sind, und niemand ist hier ausgeschlossen.
Meine Damen und Herren, der Minister hat kürzlich mit gutem Recht die Bandbreite der Betriebe und des Menschenkreises angesprochen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben — Bandbreite nach Betriebstypen, sagte er, nach Formen von Zu- und Nebenerwerbsbetrieben. Wofür ich ihm aber besonders dankbar bin, ist, daß er im gleichen Atemzug auch noch die Selbstversorgungsbetriebe und die ländliche Heimstätte nannte. Auch das ist, meine ich, ein neuer Ton in der Darstellung durch den Bundeslandwirtschaftsminister, für den ich persönlich jedenfalls sehr dankbar bin — dankbar auch für seine Feststellung — und hier darf ich ihn wörtlich zitieren —:
In der gewerblichen Erschließung des Landes liegt auch eine Lösung des Problems der Zu-und Nebenerwerbsbetriebe.
Diese Feststellung ist deshalb besonders bedeutungsvoll, weil wir doch alle wissen, die wir die Dinge kennen, daß sich die Schwelle zwischen den Voll- und Nebenerwerbsbetrieben auf Grund der fortschreitenden Technik unentwegt verändert und



Bauer (Wasserburg)

dem Kreis der Zu- und Nebenerwerbsbetriebe von daher immer wieder neue Betriebe zugeführt werden. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, wenn man an neue Maßnahmen etwa in diesem Bereich denkt, Herr Dr. Schmidt, was ich mir vorstellen könnte, so wäre das, glaube ich, auf sozialem Gebiet — Verbesserung der Lebens- und Wohnungsverhältnisse — möglicherweise ein interessantes Kapitel. Der Herr Bundesminister hat auch in dieser Richtung Andeutungen gemacht.
Meine Damen und Herren, ich meine, daß es auch ein erwünschtes Ziel unserer Politik sein muß, daß möglichst alle Menschen, die jetzt noch in der Landwirtschaft arbeiten, teilweise dort arbeiten oder im ländlichen Raum noch leben, ihre Heimstätte dort behalten, wo sie im Augenblick noch leben. Ich halte es durchaus nicht für eine Sünde wider den grünen Geist, wider die Agrarpolitik, wenn man sich in diesem Zusammenhang in diesem Bereich auch der Menschen auf dem Lande annimmt.
Ich wiederhole jetzt etwas, wenn ich noch einmal sage, daß doch gar kein Zweifel darüber bestehen kann — und jetzt komme ich auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit hier in der Bundesrepublik bei uns zurück —, daß die Landwirtschaft um rund 20 % hinter vergleichbaren anderen Zweigen her-hinkt und daß sie, wenn Sie die Direkthilfen des Bundes ausklammern, mit rund einem Drittel hinter den anderen herhinkt. Meine Damen und Herren, wenn ich mir überlege, mit welchen Opfern dieses Hinterherhinken erbracht wird — Bescheidenheit, Anspruchslosigkeit, Arbeitsamkeit, Verzicht auf Freizeit, Urlaub, Einsatz der ganzen Persönlichkeit bis hin zur gesamten Gesundheit, um nur einige dieser Eigenschaften zu nennen —, meine ich, daß wir es hier mit einem Berufsstand zu tun haben, von dem ich nur sagen kann, er müßte eigentlich beispielhaft für viele andere sein. Wenn man hier sieht, daß ein ganzer großer Berufsstand seit Jahren hinter der übrigen Entwicklung, die erfreulich stürmisch aufwärts gegangen ist, hinterherhinkt, dann muß man sich doch eigentlich fragen: Was soll es, wenn Bosse aus gewaltigen Verbänden wegen der Verlängerung der Hinausschiebung der Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde um sechs Monate schon beinahe erwarten, dafür den Dank der Nation zu bekommen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und auf der anderen Seite überlegt wird, ob man für 1 oder 1,5% .das Mittel des Arbeitskampfes einsetzen soll. Wo schlägt denn eigentlich das soziale Gewissen und Herz dieser Leute? Sie sollten einmal den Grünen Bericht, den wir nun seit zehn Jahren haben, in die Hand nehmen.
Hier hat der Kollege Effertz recht: es geht bei diesem Ringen, bei dieser Auseinandersetzung natürlich darum, wer sich in diesen Kuchen teilt. Hier haben nicht wir in diesem Hause allein das Kuchenmesser in der Hand, sondern da schneiden noch viele andere außerhalb dieses Hauses und außerhalb dieser Zuständigkeit kräftig herunter, und ich habe nicht .das Gefühl, daß das immer unter dem Gesichtspunkt des wirklichen Ausgleichs zwischen allen Ständen und Berufen erfolgt; denn sonst,
meine ich, könnten manche Leute eigentlich nicht mehr ruhig schlafen, wenn sie auf der einen Seite überlegen und fragen, ob sie in den Kampf treten sollen, und gleichzeitig zusehen, wie in anderen Bereichen weiterhin solche Unterschiede bestehen.
Meine Damen und Herren, ich sage jetzt auch etwas Kritisches da hinüber, an diese Bank (zur Regierung). Es gibt gar keinen Zweifel: wenn man diesen Grünen Bericht durchsieht, verbleibt natürlich der Eindruck eines sehr starken, deutlichen Gefälles nach verschiedenen Richtungen. Einmal meine ich hier das Gefälle von Nord nach Süd. Ich habe mir hier Verschiedenes ausgerechnet, etwa wie weit die Schere im Laufe von zehn Jahren Grüner Berichte auseinandergegangen ist. Aber ich behalte mir vor, das im Ausschuß noch einmal anzusprechen.
Nun eine scherzhafte Bemerkung zu diesem NordSüd-Gefälle. Da gibt es böse Zungen, die behaupten, daß dieser Umstand in der Vergangenheit auch dadurch zu wenig Beachtung gefunden hat, daß die Ressortgänger nördlich gefärbte Brillen trugen, die beim Lesen des Grünen Berichts dieses Gefälle offensichtlich zum Verschwinden brachten.

(Abg. Marquardt: Herr Bauer, dafür haben Sie unten die Kultur, sagt der Minister!)

— Ja, eben, das ist auch etwas. Die Gefälle gleichen sich dann wieder aus, meinen Sie. Aber, Herr Marquardt, wir möchten ja auch ein bißchen an dem wirtschaftlichen Ausgleich teilhaben, und ich glaube, das wollen Sie auch. Sie haben uns ja zwei tüchtige Kollegen aus Bayern in den Ernährungsausschuß geschickt, und ich bin der festen Überzeugung, daß wir von daher kräftige Hilfe und Unterstützung bekommen werden. — Nun, was die Brillen anbelangt, Herr Minister, so meine ich, ein neuer Minister könnte sich auch eine neue Brille leisten, und vielleicht wird dann die Optik ein bißchen günstiger, als das bisher der Fall war.
Neben diesem Gefälle gibt es natürlich auch starke Einkommensunterschiede nach Produktionsarten, vom Zuckerrübenanbau angefangen bis hin zu den Grünland- und Futtermittelanbaubetrieben.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch folgendes sagen. Nicht umsonst treten wir mit so großem Nachdruck für einen ausreichenden Milcherzeugerpreis ein. Wir wissen, daß trotz des bisherigen Preises gerade in diesem Bereich die Einkommensunterschiede noch unverhältnismäßig groß sind. Deshalb, Herr Kollege Schmidt, könnte ich es nicht verstehen, wenn Sie sich nicht mit uns dafür einsetzten, die unmittelbaren Hilfsmaßnahmen zu verstärken, die auf technischem Gebiet in diesen Bereich hineinwirken — Bau von Grünfuttersilos, von Unterdachtrocknungsanlagen, von Gülleanlagen und ähnlichem mehr —, wenn Sie im Ausschuß und auch Ihre Freunde im Haushaltsausschuß uns nicht unterstützten, dafür zu sorgen, daß diese gezielten Maßnahmen auch über dieses Haushaltsjahr hinweg erhalten 'bleiben.
Meine Damen und Herren, ich stelle auch hier ein paar kritische Fragen. Erstens: Haben wir in den vergangenen Jahren, Herr Minister — und diese Frage richte ich wieder nach rechts drüben —, alle



Bauer (Wasserburg)

miteinander, Regierung und Parlament, diese Jahresröntgenuntersuchung der deutschen Landwirtschaft — ich meine damit den Grünen Bericht — vor der Anwendung unserer Therapeutika immer wieder ausreichendbetrachtet so wie der Arzt vor dem Eingriff im Operationssaal? Haben wir uns wirklich bemüht, diese Aussagen ausreichend in unsere Maßnahmen umzusetzen? Ich setze nur ein Fragezeichen dahinter. Ich meine aber, wenn es nicht so sein sollte, würde sich hier für den Ressortchef ein weites und interessantes Betätigungsfeld ergeben.
Da wir in absehbarer Zeit sicherlich nicht mehr Haushaltsmittel bekommen, müssen wir uns natürlich auch überlegen, ob wir angesichts dieser Situation nicht in der einen oder anderen Richtung von denglobalen Hilfen zu den gezielten Hilfen kommen müssen. Herr Marquardt nickt mir schon zu. Und schließlich und endlich, meine ich, sollten wir, wenn es gar nicht anders geht, auch an Maßnahmen herangehen, um zu prüfen: Wo gibt es noch Geld, und wo geht vielleicht heute noch Geld hin, wo es nicht unbedingt sein muß?
Es gibt ja da neue Überlegungen auf sozialpolitischem Gebiet. Warum soll man die nicht auch in diesen Bereich hineinprojizieren? Funktioniert auf einem anderen sehr wichtigen Gebiet, das der Minister heute angesprochen hat, dem der Raumordnung im ganzen, die Zusammenarbeit schon? Herr Minister, ich weiß, daß es sehr lange schon ein sogenanntes „Staatssekretärs-Kränzchen" zur Vorbereitung der gemeinsam berührenden EWG-Fragen gibt. Ich wäre sehr glücklich, wenn es auch ein Staatssekretärs-Kränzchen etwa zur gemeinsamen Abstimmung der ganzen Raumordnungs- und Strukturfragen

(Beifall bei der CDU/CSU)

zwischen dem Raumordnungsminister, dem Wirtschaftsminister, dem Landwirtschaftsminister und dem Finanzminister gäbe.

(Abg. Dr. Schäfer: Und den Länderministern!)

— Darauf wollte ich gerade kommen. Ich sprach — da sind wir ja unmittelbar zuständig — vom Bund, und ich wollte gerade die zweite Frage aufwerfen: ob auch sichergestellt ist, daß diese Arbeit, die im Bund zu erfolgen hätte, dann auch mit den zuständigen Stellen in den Ländern entsprechend abgestimmt wird. Ich meine, auch hier wäre ein weites Ackerfeld für die Zukunft; hier haben wir alle in der Vergangenheit gelernt, und hier haben wir uns alle miteinander Stück für Stück immer näher an diese Aufgaben herangetastet.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502423900
Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502424000
Bitte sehr, Frau Präsidentin.

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0502424100
Herr Kollege Bauer, ich bin Ihnen dankbar für die Feststellung hinsichtlich der Länder. Darf ich Sie fragen, was Sie in Ihrer Partei dazu tun können, daß im Lande Bayern der Raumordnung stärkere Beachtung geschenkt wird?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502424200
Herr Kollege, wir haben hier seit langer Zeit, wie Sie ja wissen, eine starke bayerische Landesgruppe, und wir haben seit langer Zeit eine sehr enge und herzliche Verbindung mit unserer Landtagsfraktion in München. Ich kann nur hoffen und wünschen, daß das, was Sie in Ihrer Fraktion tun können, genauso gut funktioniert, wie es bei uns in der CSU-Landesgruppe und der bayerischen Landtagsfraktion der CSU in München funktioniert.

(Abg. Dr. Schäfer: Das Ergebnis Ihrer Bemühungen ist aber bescheiden!)

— Aber Herr Dr. Schäfer, darüber können wir gern einmal diskutieren, wenn Sie meinen, daß es bescheiden ist. Ich darf nur einmal feststellen, daß es umgekehrt bisher völlig die Note Ungenügend verdient.
Ich habe mich schon immer geärgert und aufgeregt, daß z. B. aus dem großen Agrarland Bayern zwar immer eine große Anzahl Abgeordnete der SPD nach Bonn geschickt werden, daß es aber 16 Jahre gedauert hat, bis man endlich einen dieser Vertreter der SPD auch im Agrarausschuß zu sehen bekommen hat.

(Zuruf: Dann wird es ja jetzt besser!)

— Das ist der Weg der Besserung, auf dem Sie sich befinden, Herr Schäfer. Allemal; nach beiden Seiten gilt das.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502424300
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502424400
Bitte schön!

Ludwig Fellermaier (SPD):
Rede ID: ID0502424500
Herr Kollege Bauer, können Sie mir dann sagen, warum es trotz der starken Bemühungen der CSU-Landesgruppe von 1950 bis vor wenigen Jahren gedauert hat, bis die CSU unter dem Druck der SPD in Bayern bereit war, an die Landesentwicklung heranzugehen?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502424600
Zwischen Landesentwicklung und Landesentwicklungsvorstellungen gibt es leider erhebliche Varianten und eine große Bandbreite. Sie wissen genau, daß es nicht darum geht, überhaupt Landesentwicklung zu betreiben, sondern daß es auch hier wieder einmal darum ging, ob man das in Form von großartigen Plänen machen müsse, die man über Jahre hinweg entwickelt, um nachher festzustellen, daß die Pläne, wenn sie fertig sind, mit der Wirklichkeit schon lange nicht mehr übereinstimmen. Denn das ist ja nun einmal eine Tatsache, daß in diesem Bereich die Entwicklung sehr rasant und sehr stark nach vorn gegangen ist. Sie wissen das doch genauso wie ich aus Ihrer früheren Tätigkeit, und Sie werden es ja hier genauso erleben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich fortfahren; ich bin gleich fertig. Ich möchte ja noch für die nachfolgenden Redner Raum geben. — Bitte



Bauer (Wasserburg)

sehr, Herr Schäfer! Jetzt sind Sie aber schuld, wenn es länger dauert.

Dr. Friedrich Schäfer (SPD):
Rede ID: ID0502424700
Herr Kollege Bauer, unter Bejahung Ihrer Anregung, daß diese Maßnahmen innerhalb der Bundesregierung koordiniert werden sollten, frage ich Sie als ein Mitglied der Koalitionspartei, ob der Bundeskanzler, der ja allein die Organisationsgewalt hat, nach Ihrem Wissen wenigstens schon entsprechende vorbereitende Maßnahmen getroffen hat?

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502424800
Herr Kollege Schäfer, ich weiß, daß es eine ganze Reihe von derartigen organisatorischen Überlegungen gibt und daß sie zum Teil schon durchgeführt sind. Ich habe sogar oft die Sorge, daß diese vielen Kabinettsausschüsse nebeneinander auf dieser Ebene fast zu einer Zersplitterung der Arbeit führen. Auch hier dürfen wir nicht übertreiben. Wenn ich gesagt habe „Staatssekretärs-Kränzchen" auf diesem Gebiet, dann haben Sie mich wohl verstanden. Das ist keine Institution, die verfassungsmäßig irgendwo verankert ist, sondern ich möchte eigentlich mehr die freundliche Zusammenarbeit von Haus zu Haus; ich möchte sozusagen sicherstellen, daß die Linke weiß, was die Rechte tut, was leider Gottes oft zwischen Ministerien nicht festzustellen ist. Das gilt nicht nur hier bei uns, das gilt für die ganze Arbeit auf diesem Gebiet.

(Beifall. — Abg. Dr. Schäfer: Stimmt leider!)

— Herr Schäfer, das ist doch eine unserer Aufgaben, daß wir etwas, das uns auf der anderen Ebene verbesserungsbedürftig erscheint, von diesem Hause aus in aller Freundschaft und aller Offenheit ansprechen.
Meine Damen und Herren, wie oft haben wir auch über das Problem diskutiert, die Arbeit zu den Menschen zu bringen, dorthin, wo sie wohnen! Hier muß ich Ihnen auch eine praktische Erfahrung der Bundesregierung mitgeben. Ich bin manchmal überrascht darüber, wie da oft wegen überspitzter Standortwünsche weniger Führungskräfte in der Wirtschaft Hunderten von Menschen jahraus jahrein zugemutet wird, das Pendeln in Kauf zu nehmen, nur weil die vorher Genannten glauben, unbedingt ein Theater, unbedingt einen großen Konzertsaal, unbedingt sofort ein Hallenschwimmbad dort haben zu müssen, wo sich dieser Betrieb neu aufbaut. Ich meine, auch hier sollten wir ein wenig aufpassen, wenn wir fördern, — und wir tun ja sehr viel in dieser Richtung, wenn ich nur an die verschiedenen Bundesausbauprogramme, Zentralorteprogramm und ähnliches denke.
Noch ein weiteres zu diesem Kapitel der Raumordnung: Müssen wir nicht einmal gemeinsam darüber nachdenken, ob wir nicht angesichts der steigenden Kosten in dem Bereich der Infrastrukturmaßnahmen, also Wasser, Abwasser, Wege, und angesichts der sich verengenden Haushaltsmöglichkeiten die von uns selbst hier beschlossenen Gesetze — Wasserhaushaltsgesetz, Bundesbaugesetz — unter diesen Gesichtspunkten überprüfen müssen, um festzustellen, ob es nicht doch eine Art Schwerpunktprogramm zu entwickeln gilt, d. h. daß wir nicht überall gleichzeitig beginnen oder beginnen lassen, wie es jetzt der Fall ist, und dann feststellen müssen, daß manche Gemeinden und manche Gemeinschaften hängen, weil wir ihnen die Mittel nicht mehr geben können, und es nun nicht mehr hü und nicht mehr hott geht. Ich darf jedenfalls für meine politischen Freunde sagen, daß wir uns zur Zeit mit solchen Gedanken tragen. Ich glaube, wir brauchen hier etwas mehr Elastizität.
Besonders dankbar, Herr Minister, bin ich Ihnen dafür, daß Sie als erster Bundesminister in der vorvergangenen Woche von dieser Ebene aus auch ein anerkennendes Wort über den großen Wert und die Einsatzbereitschaft der Betriebshelfer und Dorfhelferinnen gesagt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Hier ist, wie ich meine, ein Betätigungsfeld, bei dem ich Ihnen, Herr Minister, allein schon für dieses gute Wort von dieser Stelle aus herzlich danken möchte, weil ich der Meinung bin, daß auch hier die Möglichkeit einer breiten Hilfe für so manche Notfälle gegeben ist.
Nun unsere Zukunftssorgen! Darüber hätte ich sehr gern noch etwas gesprochen. Herr Kollege Effertz ist leider nicht da. Ich wollte ihm sagen, daß ich in mancher Beziehung die Zeitpläne, die zeitlichen Überlegungen und die Terminpläne natürlich auch mit Sorge sehe. Es ist doch eine Tatsache, daß der frei gebliebene Stuhl in der EWG eine Denk-und Handlungspause der Politiker von rund acht Monaten gebracht hat. Diese Zeit ist unwiederbringlich dahin, und man muß sich natürlich fragen, ob einmal in einem ganz anderen Zusammenhang gesetzte Termine wirklich unumstößliches ehernes Gesetz sein können. Ich bin auch der Meinung, daß man vielleicht mit den Amerikanern darüber reden könnte, ihr diesbezügliches Senatsgesetz um das halbe Jahr oder das Dreivierteljahr oder das eine Jahr, das — nicht durch unsere Schuld — verlorengegangen ist, zu verlängern, ohne die großen Aufgaben der Kennedy-Runde damit zu vernachlässigen oder zu kurz kommen zu lassen.
Strukturpolitik in der EWG — Herr Minister, hier möchte ich Sie zu äußerster Vorsicht mahnen. Die bisher seitens der EWG-Kommission vorliegenden Pläne sind für unser Land und für unsere Verhältnisse zur Zeit einfach nicht brauchbar. Wir haben keine Räume mehr, in denen der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung noch mehr als 30 % beträgt. Wenn die jetzigen Vorstellungen sich durchsetzen sollten, dann fallen die Strukturmittel auf diesem Gebiet für unser Land, für die Bundesrepublik Deutschland, praktisch völlig aus, und es geht alles in die übrigen Länder. Im Blick auf unsere notleidenden Gebiete wie z. B. den Bayerischen Wald und unsere Höhengebiete, um nur einige anzusprechen, würde ich das für furchtbar halten. Wir sollten sehr aufpassen, daß uns von dort her nichts passiert.
Ein letztes Wort zu den Sachproblemen: Der Agrarexport. Hier handelt es sich auch um einen Sektor, der noch etwas unterentwickelt ist. Ich



Bauer (Wasserburg)

nehme das niemandem übel, weil wir alle miteinander umdenken lernen müssen. Was heute noch Agrarexport, also Ausfuhr von Lebensmitteln, in die übrigen fünf EWG-Länder ist, das ist entweder ab 1. Juli 1967, spätestens ab 1. Januar 1970 ganz normaler Warenverkehr. Wir werden erleben, daß sich dann auf Grund der veränderten Markt- und Produktionsstandorte — eine solche Änderung wird ganz ohne Zweifel eintreten — plötzlich neue Warenströme ergeben, daß es aber reine Einbahnstraßen sind, weil wir uns nicht rechtzeitig darum gekümmert haben, daß unserer eigenen Land- und Ernährungswirtschaft die entsprechenden Absatzmärkte eingeräumt werden. Ich unterstreiche das Wort „rechtzeitig"; denn einen verlorenengegangenen Markt zurückzugewinnen kostet das Drei- und Vierfache des Aufwands, der uns erwächst, wenn wir uns jetzt, im Entstehen der Dinge, rechtzeitig darum kümmern.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502424900
daß es eine harte Auseinandersetzung mit den einsichtslosen Hohepriestern der industriellen städtischen Massenzivilisation — wie er sie nannte — gibt. Das ist schon ein bißchen Lyrik, Herr Rinderspacher. Aber das weist auch ein Stück in die richtige Richtung. Denn es gibt doch keinen Zweifel — und das sagen nicht nur wir, das sagen auch noch viel klügere Leute, die die Probleme kennen —, daß die Berufs- und Lebensweise des Landwirts auch heute noch im höchsten Maß geistigsittliche Werte, wie ich vorhin schon sagte, verkörpert. Deshalb ist dieser Hinweis des Ministers auch eine Ermutigung für die Menschen, die Tag für Tag in langer Arbeitszeit und oft unter sehr schwierigen Arbeitsbedingungen ihren Hof und ihr Haus versorgen.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen; sie geht an Sie und Ihren Herrn Staatssekretär, Herr Minister. Ich glaube, es wäre ein guter Beitrag deutscher Politik zur EWG-Agrarpolitik, wenn die Gesinnung und Haltung, die Sie bei der Einbringung des Grünen Berichts und auch heute in Ihrem Diskussionsbeitrag haben spüren lassen, all denen, die oft schon den Eindruck hatten, daß man in der Landwirtschaft all diese Werte abgeschrieben habe, daß man nur noch die Ratio, nur noch die ökonomischen Überlegungen gelten lasse, nahegebracht würden. Ich glaube, die Sorgen der ländlichen Bevölkerung, die immerhin noch mehr als 20 % der Gesamtbevölkerung in den sechs Ländern der EWG ausmacht, würden abnehmen und ihre Hoffnungen auf die EWG würden erheblich wachsen, wenn sie spüren könnte, daß diese zukunftssichernde Wirkung für alle Bürger in der EWG gleichermaßen gilt. Herr Minister, hier gibt es sicher auch in Brüssel und für unsere Freunde in Straßburg ein weites und interessantes Betätigungsfeld.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502425000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502425100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fragen, sehr geehrter Herr Kollege Bauer, die Sie an meinen Kollegen Dr. Schmidt persönlich gerichtet haben, hat er sich selber zur Beantwortung vorbehalten; die Antworten wird er zu einem späteren Zeitpunkt geben.
Die Kritik, die Sie in Richtung auf meine politischen Freunde vorgetragen haben, hat sich, auch wenn Sie optisch zur Linken des Hauses gesprochen haben, eigentlich in vielen Fällen gegen die Regierungsbank gerichtet, Herr Kollege Bauer,

(Zustimmung bei der SPD)

und wir beziehen vieles von dem, was Sie kritisiert haben, in keiner Weise auf uns. Das gilt z. B. für die Behauptung, daß wir nicht ausreichend den Menschen in den Mittelpunkt der Agrarpolitik gestellt hätten. Wir sind genau wie Sie, Herr Kollege Bauer, der Meinung, daß man denen, die bereit sind, weiter in der Landwirtschaft zu arbeiten, auch im Hinblick auf die Bedeutung, die die Landwirtschaft in zehn oder fünfzehn Jahren vielleicht wieder einmal haben wird, das erlauben und erleichtern sollte. Darüber gibt es gar keinen Zweifel.
Wenn Sie mit so bewegten Worten, Herr Kollege Bauer, den Rückstand der Landwirtschaft gegenüber der gewerblichen Wirtschaft beklagt haben, dann haben Sie ganz bestimmt zu Unrecht nach dieser Richtung gewarnt. Da müssen Sie sich zu denen hinwenden, die diese Agrarpolitik 16 Jahre lang betrieben haben, deren Ergebnis Sie mit so bewegten Worten beklagen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Aber nun zu einem anderen Thema. Die Einführungsrede des Herrn Bundeslandwirtschaftsministers zum Grünen Bericht und zum Grünen Plan 1966 vom 18. Februar war überraschend kurz, viel kürzer übrigens, sehr verehrter Herr Minister, als Ihre heutige Rede. Vermutlich war dies heute das Gesellenstück.
Entsprechend kurz war auch das zehnte Kapitel in dieser Rede, mit dem ich mich jetzt befassen will, in dem Sie sich, Herr Minister, mit dem Komplex der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft Tätigen befaßt haben. Ich will, wenn ich sage, das Kapitel 10 sei kurz gewesen, damit nicht sagen, daß es kein Gewicht habe, im Gegenteil. Nimmt man alles in allem, nimmt man ,die ausgezeichneten Darlegungen zu dem Thema soziale Sicherung und das Kapitel Arbeitskräfte und Löhne im Grünen Bericht und die korrespondierenden Stellen im Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen gemäß § 5 des Landwirtschaftsgesetzes — wie dieses Ding offiziell heißt -, zu Drucksache V/255, und nimmt man das Kapitel 10 in dieser Ministerrede hinzu, so findet man bestätigt, was ich vor einem Jahr hier im Namen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei konstatiert habe, daß der landwirtschaftlichen Sozialpolitik nun tatsächlich und wohl endgültig der Durchbruch gelungen ist. Das ist schon eine beachtliche Feststellung, und wir stehen nicht



Frehsee
an, der Bundesregierung und der Koalition ihren Beitrag daran zuzugestehen. Es ist schon etwas, wenn man über seinen eigenen Schatten springt. Das ist schon eine Leistung. Sie sind über Ihren eigenen Schatten gesprungen. Das erkennen wir dankbar an. Das ist eine ganz nüchterne Feststellung und soll keine Polemik sein; es hat damit nichts zu tun.
Diejenigen von uns, die schon damals diesem Hohen Hause angehört haben, müssen sich doch noch gut daran erinnern, auf welch eisigen Widerstand wir Sozialdemokraten 1955 bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes bei der Mehrheit dieses Hauses und bei der Bundesregierung gestoßen sind, als wir die Ergänzung des Katalogs der in § 1 .des Landwirtschaftsgesetzes aufgeführten Mittel der Politik, Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik, durch die Sozialpolitik forderten. Ich werde es nie vergessen, wie die Mehrheit uns Sozialdemokraten damals unterstellt hat, wir wollten die Landwirtschaft mit sozialen Almosen abspeisen. Ich halte es für politisch notwendig, diejenigen, die damals dabei waren, immer wieder daran zu erinnern und die Damen und Herren, die diesem Hohen Hause erst seit der letzten Bundestagswahl angehören, darauf hinzuweisen, daß sich in dieser Beziehung geradezu eine Revolution vollzogen hat. Das Wort Umbruch" würde dem gar nicht gerecht.
Nehmen Sie es bitte nicht als Rechthaberei; nehmen Sie es wirklich als innere Genugtuung, was wir darüber empfinden, daß jetzt endlich seit zwei Jahren tatsächlich davon gesprochen werden kann, daß, was die SPD seit elf Jahren gefordert hat, agrarpolitische Maßnahmen durch sozialpolitische Mittel sinnvoll und wirksam unterstützt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Zunahme der durchschnittlichen Betriebsgröße in der Landwirtschaft !beispielsweise um 3,3 bzw. 3,4 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wie um 0,8, 1,1 bzw. 1,3 ha in Baden-Württemberg, Bayern und im Saarland zum großen Teil auf die Einführung und die laufende Verbesserung der landwirtschaftlichen Altershilfe zurückzuführen ist und nicht nur auf die Verlockung leichterer und einträglicherer Arbeit in dergewerblichen Wirtschaft.

(Abg. Bauer [Wasserburg] : Aber wer hat sie denn eingeführt, Herr Frehsee?)

— Nun, auf unser Drängen hin der Deutsche Bundestag.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

— Das ist historisch, meine Damen und Herren.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502425200
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bauer?

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502425300
Bitte, Herr Kollege Bauer!

Josef Bauer (CSU):
Rede ID: ID0502425400
Herr Kollege Frehsee, wir sind so lange gemeinsam in diesem
Hause; haben sie denn unseren verstorbenen Kollegen Klausner wirklich vergessen, dessen Verdienst es war, daß er diese Dinge vorangetrieben hat, gerade was die landwirtschaftliche Altershilfe betrifft?

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502425500
Herrn Kollegen Klausner in Ehren, er war ein Vorkämpfer für diese Sache, wie es auch in Ihren Reihen noch einige andere gibt, was ich immer wieder und bei jeder Gelegenheit zugegeben habe, beispielsweise Herrn Kollegen Berberich. Darüber besteht kein Zweifel. Aber auf die Mehrheit kommt es an, und auf den Durchbruch einer solchen Initiative, wie sie der Kollege Klausner damals entwickelt hat, kommt es an.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502425600
Gesatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ertl?

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502425700
Bitte, Herr Kollege Ertl!

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0502425800
Herr Kollege Frehsee, wenn wir schon bei der Aufzeichnung großer Verdienste sind, werden Sie mir, glaube ich, recht geben, daß der Kollege Frühwald, der damals in der FDP-Fraktion war, auch erheblich mitgewirkt hat.

(Lachen bei der CDU/CSU.)


Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502425900
Also Herr Kollege Frühwald hat für den Deutschen Bauernverband auf der Frühjahrstagung der Agrar-Sozialen Gesellschaft in Bad Nenndorf, an der ich teilgenommen habe, im Jahre 1956 zum Thema der landwirtschaftlichen Altershilfe gesprochen. Was er da verkündet hat, unterscheidet sich sehr weitgehend — darf ich das sehr zurückhaltend äußern, weil er nicht mehr hier ist — von dem, was wir dann auf Initiative der sozialdemokratischen Fraktion verwirklicht haben. Das ist einfach historisch; daran besteht kein Zweifel.
Diese landwirtschaftliche Altershilfe war agrarpolitisch und sozialpolitisch konzipiert. Sie hat sich agrarpolitisch bewährt. Als große sozialpolitische Errungenschaft wird sie — das ist nicht zu bestreiten — nicht nur im Inland gefeiert. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß diese landwirtschaftliche Altershilfe außerdem eine unmittelbare Einkommensbeihilfe darstellt. Sie entlastet einerseits den landwirtschaftlichen Betrieb von den Barleistungen an den landwirtschaftlichen Altenteiler; andererseits leistet sie doch auch einen laufenden Zuschuß von zur Zeit mehr als 76 % zu den laufenden Beiträgen für die eigene Alterssicherung. Sie ist also ein Entlastungsfaktor bei der Kostenabrechnung im landwirtschaftlichen Betrieb.
Eine ähnliche Einkommensbeihilfe — es erscheint mir notwendig, ausdrücklich auch auf diesen Charakter einer weiteren Sozialmaßnahme hinzuweisen — stellen die 230 Millionen DM Bundeszuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung dar. Sie machen übrigens mehr als 55 % der laufenden Aufwendungen der 19 landwirtschaftlichen bzw. gärtnerischen Berufsgenossenschaften aus. Dem Herrn Bundesminister ist voll zuzustimmen, wenn er sagt



Frehsee
— ich zitiere aus seiner Rede mit Genehmigung der verehrten Frau Präsidentin wörtlich —:
daß das Fehlen einer ausreichenden Krankenversicherung in weiten Kreisen der bäuerlichen Bevölkerung als ein Mangel empfunden wurde, zumal Untersuchungen einen besonders schlechten Gesundheitszustand der landwirtschaftlichen Bevölkerung ergeben haben.
Aber den nächsten Satz, Herr Minister, empfinde ich als beklemmend, daß nämlich
... Feststellungen in die Wege geleitet worden seien, um einen Überblick über das Ausmaß des fehlenden und vorhandenen Krankheitsschutzes zu gewinnen.
Die Bundesregierung kommt in dieser Frage einfach nicht voran.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502426000
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502426100
Ja, bitte schön, Frau Kollegin Kalinke, mit Vergnügen.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0502426200
Herr Kollege, Sie sollten doch als ein Sachkenner auf diesem Gebiet, nicht nur auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Gewerkschaftspolitik, sondern auch der Sozialpolitik, wissen, daß gerade die zweite Aussage des Ministers ihr besonderes Gewicht hat. Sie sollten auch gelesen haben, was unser Kollege Berberich gerade zu diesem Thema veröffentlicht hat. Sie sollten wissen, in welchem Maße in der Landwirtschaft

(Zurufe von der SPD: Frage!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502426300
Ich bitte eine Frage zu stellen.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0502426400
Verzeihen Sie die Einleitung. Es war eine höfliche Einleitung.

(Heiterkeit.)

Ich frage Sie, Herr Kollege Frehsee, könnten Sie denn bei Ihrer großen Sachkenntnis zur Begründung des Antrags Ihrer Partei oder der Agrar-Sozialen Gesellschaft sagen, wie viele Bauern in den Ortskrankenkassen pflichtversichert sind, wie viele in den Landkrankenkassen freiwillig versichert sind, wie viele privatversichert und wie viele zusätzlich privatversichert sind?

(Anhaltende Zurufe von der SPD.)

Wenn Sie das sagen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ich frage weiter, ob Sie wirklich zuverlässiges Material zur Verfügung stellen können?

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502426500
Frau Kollegin, ich mache darauf aufmerksam, daß Sie sich auf kurze Fragen zu beschränken haben.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0502426600
Ich werde mich bemühen, das nächstemal eine kürzere Frage zu stellen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502426700
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502426800
Nachdem wir, sehr verehrte Frau Kalinke, in den vergangenen Jahren die Bundesregierung viele Male vergeblich um die Durchführung von Erhebungen, Enqueten und Untersuchungen auf diesem Sektor gebeten haben, haben wir mit unserem landwirtschaftlichen Sozialplan vom 11. Februar 1963 eine Lösung entwickelt und vorgeschlagen — Sie sind eine große Expertin auf dem Gebiete der Sozialpolitik und werden den landwirtschaftlichen Sozialplan der SPD noch in guter Erinnerung haben und das bestätigen müssen —, die es nicht unbedingt erforderlich macht — Sie meinen ja, daß man es wissen müsse —, festzustellen, wie viele Leute in der Landkrankenkasse, wie viele in der privaten Krankenversicherung und wie viele überhaupt nicht krankenversichert seien. Diese Lösung der Sozialdemokratischen Partei geht vielmehr davon aus, daß alle Inhaber von sogenannten alterskassenpflichtigen Betrieben obligatorisch krankenpflichtversichert werden im Rahmen eines umfassenden Systems der sozialen Sicherung für alle Gebiete, im Rahmen eines sogenannten landwirtschaftlichen Sozialwerks, das allgemein über eine Umlage von allen gleichermaßen finanziert wird. Natürlich würden dann, Frau Kollegin Kalinke, die jetzt in der privaten Krankenversicherung Versicherten, weil es sich um eine obligatorische Krankenversicherung handeln würde, davon erfaßt. Ich komme übrigens auf diesen Punkt im Verlaufe meiner Ausführungen noch zu sprechen.
Ich hatte zuletzt gesagt, ich habe es als beklemmend empfunden, daß der Herr Minister in dem zweiten Satz, den ich aus seiner Rede zitiert habe, von den Feststellungen gesprochen hat, die die Bundesregierung anstellt. Ich habe als Antwort auf Ihre Frage gesagt, daß man, wenn man die sozialdemokratische Lösung akzeptiert, nicht unbedingt solche Feststellungen braucht. Ich empfinde es aber als beklemmend, und ich muß das nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre — ich bitte Sie, Verständnis dafür zu haben — doch wieder als eine Art von Ausrede auffassen, daß jetzt hier von Feststellungen und von Erhebungen geredet wird, wo die Einführung einer bäuerlichen Pflichtkrankenversicherung dringend not tut und wo man die vertane Zeit nicht wieder aufholen kann.
Ich kann dafür in dieser ersten „grünen Debatte" der fünften Legislaturperiode sicherlich weder den Bundeslandwirtschaftsminister noch den zuständigen Ressortchef, den Bundesarbeitsminister, verantwortlich machen. Beide haben ihre Ressorts erst vor vier Monaten übernommen. Aber die Koalitionsparteien im Bundestag müssen dafür verantwortlich gemacht werden; es sind die gleichen wie vor langer Zeit, als wir zum erstenmal hier über die Krankenversicherung gesprochen haben. Es sind die gleichen Parteien, die, Frau Kollegin Kalinke, im Frühjahr 1963 bei der Verabschiedung der zweiten Altershilfenovelle jener Entschließung zugestimmt haben, mit der die Regierung damals aufgefordert wurde, die Feststellung zu treffen, von denen der Herr Mi-



Frehsee
nister jetzt sagt, sie seien bereits in die Wege geleitet worden. Das war vor drei Jahren.
Vor einem Jahr, am 18. Februar, hat der verehrte Herr Kollege Ehnes — hier sitzt er, und ich darf ihn ansprechen — in seinem Beitrag zur „grünen Debatte" namens und im Auftrag seiner Fraktion, der Fraktion der CDU/CSU, vor dem Hohen Hause erklärt, daß sie — die Fraktion — „in aller Kürze" — wörtlich; ich habe es natürlich noch einmal nachgesehen — einen Gesetzentwurf für die bäuerliche Krankenversicherung vorlegen werde. Dieser Gesetzentwurf ist weit und breit nicht zu sehen.
Was übrigens diese Erhebungen oder Feststellungen betrifft, Herr Minister Höcherl, so frage ich Sie: Was sind das eigentlich für Feststellungen? Es würde mich sehr interessieren zu erfahren, was für Feststellungen das sind. Sind es etwa die Feststellungen, die der Deutsche Bauernverband aus eigener Initiative mit Hilfe einer Umfrage an die landwirtschaftlichen Betriebe in die Wege geleitet hat? Sind sie es vielleicht, auf die die Bundesregierung sich jetzt bezieht? Ich bin gespannt, wie Sie diese Frage beantworten werden.
Wie schlecht es um den Gesundheitszustand der bäuerlichen Bevölkerung bestellt ist und wie dringend eine solche Pflichtkrankenversicherung not tut, beweisen einmal mehr die nun schon mehr als 2500 Anträge auf Gewährung von Heilverfahren, die bis jetzt so kurze Zeit nach Bekanntwerden der Möglichkeit der medizinischen Rehabilitation im Rahmen der landwirtschaftlichen Altershilfe schon gestellt worden sind. Durch sie sind wir in vollem Umfang in unseren Überlegungen bestätigt worden, die übrigens auf der Befragung von Sachverständigen beruhten. Danach haben wir es auch in der Landwirtschaft in der Hauptsache mit Herz- und Kreislauferkrankungen zu tun. 35 % aller Ursachen für Anträge auf Heilverfahren sind Herz- und Kreislauferkrankungen. In zweiter Linie haben wir es mit Erkrankungen der Bewegungsorgane und rheumatischen Erkrankungen zu tun — 20 % —, in dritter Linie mit Erkrankungen der Atemwege und der Atmungsorgane — 15 %. Zweifellos haben jene Kommentare recht, die aus Anlaß der Verschickung des ersten landwirtschaftlichen Rehabilitanten aus AltIsenhagen im Kreis Gifhorn in den norddeutschen Zeitungen zu lesen waren: daß der schlechte Gesundheitszustand der Bauern und Bäuerinnen in erster Linie auf mangelnden Krankheitsschutz und dann auch auf die Scheu vor dem Arztbesuch zurückzuführen ist, nicht etwa nur auf psychische Scheu, sondern sehr wohl auch auf finanzielle Scheu.
Trotz gegenteiliger Behauptungen der privaten Krankenversicherung müssen wir als Gesetzgeber davon ausgehen, daß noch ein sehr großer Teil der 2 309 000 Menschen in den im Grünen Bericht auf Seite 43 erwähnten sogenannten H-Betrieben — hauptberuflich bewirtschaftete Landwirtschaften — keinen oder keinen vollen Krankheitsschutz haben. Diesen Standpunkt vertritt in seinem Gutachten vom 29./30. September vorigen Jahres in vollem Umfang auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0502426900
Bevor ich das Gutachten der Öffentlichkeit übergebe, möchte ich, daß es die zuständigen Abgeordneten gesehen haben. Herzlichen Dank!

(Beifall.)

Dem Teil dieses Gutachtens also, der die soziale Sicherung behandelt, können wir nur zustimmen... Sehr verehrte Frau Kollegin Kalinke, Sie gehören dem Ernährungsausschuß weder als ordentliches noch als stellvertretendes Mitglied an. Darf ich Ihnen sehr empfehlen, sich doch von einem der Kollegen, die diesem Ausschuß angehören, das Gutachten geben zu lassen. — Sie haben es schon. Es wird Ihnen nicht in jedem Punkt gefallen. Es ist nämlich weitgehend identisch mit den sozialdemokratischen Vorstellungen von landwirtschaftlicher Sozialpolitik. Es bestätigt in vollem Umfang die Notwendigkeit, die Richtigkeit und die Zweckmäßigkeit jener sozialpolitischen Vorstellungen für die Landwirtschaft, die die SPD damals mit ihrem landwirtschaftlichen Sozialplan vom 9. Februar 1963, den ich ja damals dem Hohen Hause in der „grünen Debatte" von 1963 vorzutragen die Ehre hatte, entwickelt hat.
Die Bundestagsfraktion der SPD ist nach wie vor bereit, an der Erarbeitung einer landwirtschaftlichen Pflichtkrankenversicherung mitzuwirken. Eine bloße Krankenversicherungspflicht würde in keiner Weise genügen. Die beste Lösung ist und bleibt die Bildung eines gemeinsamen Trägers für alle Zweige der sozialen Sicherung der in der Landwirtschaft tätigen Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen, so wie ihn die SPD mit dem Landwirtschaftlichen Sozialwerk vorgeschlagen hat, so wie ihn der Deutsche Bauernverband als ein Bäuerliches Sozialwerk wünscht. Es soll aus der Zusammenfassung der vorhandenen Träger der verschiedenen Zweige der sozialen Sicherung, der Berufsgenossenschaften, der Alterskassen und der Landkrankenkassen, entstehen. Wir freuen uns, daß Minister Höcherl eine Andeutung in dieser Richtung in seiner Rede vom 18. Februar gemacht hat, wenngleich wir mit Bedauern vermerkt haben, daß seine viel konkreteren Äußerungen über die landwirtschaftliche Krankenversicherung kurz nach seinem Amtsantritt in seiner „grünen Rede" nicht wiederzufinden waren.
Wir sind uns selbstverständlich darüber im klaren, daß das Hauptproblem einer solchen bäuerlichen Krankenversicherung die Finanzierungsfrage bilden wird. Zu diesem Thema möchte ich aber bemerken, daß eine zusätzliche Sozialwerksumlage für Zwecke des Krankenversicherungsschutzes mindestens jene landwirtschaftlichen Betriebe nicht zusätzlich belastet, die bereits private Krankenversicherungsverträge haben. Die Pflichtkrankenversicherung würde an ihre Stelle treten.



Frehsee
Andererseits halte ich die sehr lautstark verkündete Sorge der privaten Krankenversicherung für genauso unberechtigt wie seinerzeit die Sorge der privaten Lebensversicherung, als die landwirtschaftliche Altershilfe eingeführt wurde. Sie hat bekanntlich nicht zur Beeinträchtigung des privaten Lebensversicherungsgeschäftes mit der Landwirtschaft geführt, sondern ebenso wie die soziale Rentenreform, wo man auch solche Unkenrufe in großer Zahl und mit großer Lautstärke hier hat anhören müssen, den Alterssicherungsgedanken belebt und im übrigen das Geschäft gefördert.
Wenn ich mich jetzt einigen anderen Sozialfragen
— — Eine Frage?

(Abg. Frau Kalinke: Schon lange melde ich mich! Würden Sie so liebenswürdig sein?)

— Bitte!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0502427000
Sie haben mich hier mehrmals angesprochen. Würden Sie so freundlich sein, mir folgende Fragen zu beantworten?
Sie haben die Behauptung aufgestellt, daß falsche Behauptungen und Darstellungen über die Zahl der Versicherungen oder des vorhandenen Versicherungsschutzes auch in der privaten Krankenversicherung bekanntgegeben würden. Sind Sie bereit, in Ihren weiteren Ausführungen zu beweisen, daß das so ist? Sind Sie in der Lage, den Beweis anzutreten für die mehrfachen Behauptungen auch im Zusammenhang mit der Auffassung des wissenschaftlichen Beirats — dessen Gutachten ich aus Interesse an den Agrar- und Sozialproblemen sehr gründlich gelesen habe —, sind Sie bereit, auszusagen bzw. zuzugeben, daß auf den Seiten 24 ff. in diesem Gutachten auch alle Bedenken gegen eine Zwangsversicherung für freie Berufe — Sie sehen ja im Landwirt auch einen freien Beruf — enthalten sind? Sind Sie weiter bereit,

(Zurufe von der SPD: Frage! Frage!)

auszusagen, ob Sie nach Ihrer letzten Erklärung nicht auch der Meinung sind,

(fortgesetzte Zurufe von der SPD)

daß zwischen Altershilfe und Rentenversicherung und einer Grundsicherung in der Krankenversicherung ein wesentlicher Unterschied ist? —

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502427100
Frau Kalinke, ich entziehe Ihnen jetzt das Wort. Sie überschreiten das Institut der Zwischenfrage. Sie halten eine Zwischenrede. Ich muß leider unterbrechen, ich bedauere sehr.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Frehsee!

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0502427200
Die Fragen, soweit ich sie gehört habe, will ich gern beantworten. Frau Kollegin Kalinke, der Beweis, den Sie von mir fordern, kann nun nicht in der Form erbracht werden, wie Sie es natürlich provokatorisch hier fordern. Aber es hat in meiner Gegenwart in einem wissenschaftlichen Gremium, das ich hier nicht öffentlich nennen sollte
— Sie werden mir darin recht geben —, ein Vertreter der privaten Krankenversicherung behauptet,
alle landwirtschaftlichen selbständigen Mithelfenden seien privat krankenversichert. Das hat er behauptet.
Was den Beirat betrifft, so kann man von einem Gutachten sicherlich nicht eine letzte Entscheidung erwarten, die der Politik und den Politikern obliegt.

(Abg. Frau Kalinke: Aha!)

Aber die Wege, Frau Kollegin Kalinke, die der Beirat in diesem Gutachten aufgezeigt hat, liegen genau auf der Linie dessen, was die Sozialdemokratische Partei mit ihrem Sozialplan vorgeschlagen hat.

(Beifall bei der SPD.)

Ich wollte mich aber einigen anderen Sozialfragen der Landwirtschaft zuwenden. Ich beziehe mich auch da auf Äußerungen von Herrn Minister Höcherl, die auch schon von Herrn Dr. Schmidt wiederholt hier angezogen worden sind. Das ist die Aussage, daß der neue Grüne Plan bewährte Maßnahmen konsequent fortführe und daß der Grüne Bericht den Neigungswinkel der kommenden Entwicklungslinie bestimmen müsse. Da muß ich fragen, ob .der Grüne Bericht jene Neigungswinkel der kommenden Entwicklungslinie bestimmt, wonach die Seßhaftmachung verheirateter Landarbeiter eingestellt werden soll, wonach die bisher sehr reichlich dotierten Hilfsmaßnahmen für die bäuerliche Hauswirtschaft in Frage gestellt sind und wonach in Zukunft möglicherweise keine Grüne-Plan-Mittel mehr für die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung gewährt werden, von anderen aus dem Grünen Plan bezuschußten Maßnahmen und von den Vorhaben in puncto Förderung der landwirtschaftlichen Wirtschaftsberatung aus Bundesmitteln beispielsweise abgesehen.
Eine der erfolgreichsten gezielten agrarsozialen Maßnahmen und gleichzeitig eines der wirksamsten Mittel zur Neuordnung der landwirtschaftlichen Arbeitsverfassung, nämlich die Umstellung von der Gesinde- auf die Lohnarbeitsverfassung, würde zum Erliegen kommen, wenn die im Grünen Plan vorgesehene Maßnahme der Seßhaftmachung verheirateter Landarbeiter nicht fortgeführt würde. Zwar hat sich die Bundesregierung der Forderung des Bundesrats angeschlossen, das Wort „letztmalig" aus der Erläuterung des betreffenden Titels des Haushaltsentwurfs 1966 zu streichen. Aber dieses Wort hat im Haushaltsplanentwurf gestanden.
Es scheint also mindestens die Absicht der Bundesregierung gewesen zu sein, die Förderung des Landarbeiterwohnungsbaus aus dem Grünen Plan einzustellen. Einer solchen Maßnahme werden wir uns entschieden und mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln widersetzen.
Wie vereinbart sich, so müssen wir fragen, eine solche Haltung der Bundesregierung mit der im vorigen Sommer vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegebenen Zusage, die Eigenkapitalbeihilfe auf 10 000 DM zu erhöhen? Geht sie hier etwa den Weg des geringsten Widerstandes? Mußte sich hier etwa die CDU dem Koalitionspartner bzw. dem vom Koalitionspartner gestellten Finanzminister beugen, die CDU,



Frehsee
die in ihrem Agrarbrief vom Juli vorigen Jahres die Erhöhung der Eigenkapitalbeihilfe fest versprochen und als so gut wie vollzogen hingestellt hatte? War etwa auch das ein Wahlgeschenk?
Es war schon schlimm genug, daß in den letzten Jahren die Zahl der geförderten Landarbeiterstellen wegen der gestiegenen Baukosten unter Einbeziehung der landwirtschaftlichen Werkswohnungen laufend zurückgegangen ist. Die SPD fordert, daß dieser Titel in vollem Umfang wiederhergestellt wird und daß bis zur Deckung der dringendsten Nachfrage nach Landarbeitereigenheimen die Förderung landwirtschaftlicher Werkswohnungen zurückgestellt wird.
Genauso entschieden setzen wir uns auch für die Fortführung der Maßnahmen zur Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft ein. Es ist nicht vertretbar, daß diese Maßnahme gerade in dem Augenblick eingestellt werden soll, in dem sie voll zum Tragen gekommen ist.
Sie hat übrigens im Gegensatz zu manchen anderen Maßnahmen des Grünen Plans eine große Breitenwirkung. In vier Jahren wurden in rund 112 000 bäuerlichen Betrieben die wärmewirtschaftlichen Einrichtungen über diese Maßnahme des Grünen Plans in Ordnung gebracht. Für 1965 ist mit weiteren solchen Maßnahmen für 25 000 Betriebe zu rechnen. Zur Zeit liegen den Ländern noch Anträge über eine Gesamtsumme von 15 Millionen DM vor. Man kann auch nicht sagen, wie das vielfach geschieht, daß diese Maßnahmen nur den größeren landwirtschaftlichen Betrieben zugute kämen.
In Bayern wurden 1964 beispielsweise 4484 der Gesamtanlagen in der Betriebsgrößenklasse von 10 bis 20 ha — das sind 47 % — und weitere 2699 Gesamtanlagen in der Betriebsgrößenklasse bis 10 ha — das sind 28,2 % — bezuschußt. Nur 81 Anlagen — das sind 0,8 % — entfallen auf die Betriebsgrößenklasse über 50 ha.
Es ist wirklich wenig überzeugend, wenn hier und draußen im Lande bei jeder passenden Gelegenheit auf die Überforderung der Landfrau hingewiesen wird, wenn man sich immer wieder zwar bereit erklärt, ihr die notwendige Hilfe zu gewähren, aber auf der anderen Seite im Bewußtsein der Tatsache, daß der Bauer — das ist nun einmal so — zehnmal an andere im Betrieb ebenfalls dringend erforderliche Dinge denkt als an Hilfen für die bäuerliche Hauswirtschaft,

(Zustimmung in der Mitte)

diese zweckgebundenen und die Selbsthilfe dort provozierenden Zuschüsse aus dem Grünen Plan verweigert.
Hierbei handelt es sich wirklich, Herr Minister, um bewährte Maßnahmen, die die Regierung fortführen müßte. Das Hohe Haus sollte Sie entsprechend beauftragen.
Nun ein Wort zu den Löhnen. Die Landarbeiterlöhne sind zwar relativ stärker gestiegen als die Löhne der gewerblichen Arbeitnehmer. Die Relativzahlen geben aber nicht den wahren Sachverhalt wieder. Auch für den Landarbeiter ist der absolute
Lohn entscheidend. Auch im Wirtschaftsjahr 1964/65 überstieg der Vergleichsstundenlohn den Landarbeiterlohn um 1,05 DM je Stunde. Das bedeutet, daß der Stundenlohn des Vergleichslöhners um 36 % über dem Landarbeiterverdienst liegt. Beachten Sie bitte diese Zahlen, meine Damen und Herren. Der Lohnunterschied der Arbeitnehmer beträgt 36 %! Sie haben an anderer Stelle gehört, daß der Einkommensabstand im Wirtschaftsjahr 1964/65 im Durchschnitt 22 % betragen hat. Das heißt, daß der Lohnabstand zwischen Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft im Durchschnitt wesentlich größer ist als der durchschnittliche Einkommensabstand zwischen den in der Landwirtschaft Tätigen und dem Einkommen der sogenannten Vergleichslöhner, insbesondere in den größeren Betrieben, wie Sie das auch auf Seite 109, glaube ich, des Grünen Berichts in den graphischen Darstellungen sehen können. In den Betrieben über 50 ha lagen in Nordwestdeutschland die Betriebseinkommen mit rund 13 500 DM je Arbeitskraft um 53,6 % über dem Betriebseinkommen von 8800 DM in den Betrieben unter 20 ha. In Süddeutschland erzielten die Betriebe über 50 ha ein Betriebseinkommen von 11 300 DM je Arbeitskraft. Das sind 69,4 % mehr als in den Betrieben unter 20 ha, wo es bei 6680 DM lag.
Die Tabellen auf Seite 107 des Grünen Berichts sollten sich nicht nur — jetzt wende ich mich an die Herren von der Regierung; das ist eine kleine Kritik am Grünen Bericht — auf die Betriebe bis zu 20 ha beziehen. Ich finde, diese Tabellen sollten genauso gegliedert werden wie alle anderen Übersichten im Grünen Bericht, in Betriebe bis 10 ha, von 10 bis 20 ha, von 20 bis 50 ha und über 50 ha. Aus dieser Tabelle würde dann hervorgehen, würde das noch bewiesen und erhärtet werden, was ich mir auf Grund der, Zahlenangaben, an Hand der Buchführungsergebnisse errechnet habe, daß nämlich die größeren landwirtschaftlichen Betriebe, die Lohnarbeitsbetriebe, zur Zahlung der Vergleichslöhne an die landwirtschaftlichen Arbeiter imstande sind. Der Grüne Bericht muß auch die Unterlage für die Lohnpolitik bilden, wenn sie versachlicht werden soll, wie man das allgemein von der Lohnpolitik fordert.
Zum Schluß auch diesmal noch ein kurzes Wort zur agrarsozialen Forschung, ,genau wie vor einem Jahr. Für die ländliche Struktur und die landwirtschaftliche Sozialpolitik sollen in diesem Jahr 1,8 Milliarden DM ausgegeben werden. Ihnen stehen 288 000 DM für die wissenschaftliche Bearbeitung dieser Fragen gegenüber; das sind 0,05 %. Von den Forschungsmitteln des Bundesernährungsministeriums in Höhe von 81 Millionen DM werden 0,37 % für die wissenschaftliche Bearbeitung agrarsozialer Fragen ausgewiesen. Dieses Mißverhältnis, Frau Kollegin Kalinke, bekommen wir hier im Bundestag bei unserer ,gesetzgeberischen Arbeit immer wieder zu spüren. Ständig haben wir uns bei der Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe und bei der wiederholten Novellierung — das letzte Mal im vorigen Jahr, als wir die mithelfenden Familienangehörigen einbeziehen wollten — mit der Stange im Nebel herumtasten müssen. So und nicht anders geht es uns in den Fragen der bäuerlichen Kranken-



Frehsee
versicherung, und es geht uns so, obwohl wir die Bundesregierung immer wieder nach Erhebungen gefragt und Untersuchungen und Überprüfungen gefordert haben. Weil es aber nicht anders ist, haben wir einen .anderen Vorschlag, der trotzdem zu realisieren wäre, gemacht, Frau Kollegin Kalinke, und zwar schon vor drei Jahren.
Ich wiederhole noch einmal: ich habe für das Verhalten der Bundesregierung, das offensichtlich auf eine Unterbewertung der Agrarstruktur in der sozialpolitischen Forschung hinausläuft, kein Verständnis. Wer würde es sich in der privaten Wirtschaft leisten, so ,gewaltige Beträge zu investieren, ohne vorher genaueste Pläne aufgestellt zu haben und ohne die Durchführung solcher Pläne ständig zu überprüfen? Es besteht in diesem Hause ja doch eine große Bereitschaft, der Landwirtschaft in dieser schwierigen Anpassungsperiode nach Kräften zu helfen. Aber der Abgeordnete muß sich bei seinen Entscheidungen immer sicher sein, daß er damit seiner Verantwortung gegenüber dem ganzen Volk gerecht wird. Wissenschaft und Forschung müssen ihm dabei helfen. Das erfordert auch die Erfüllung des Landwirtschaftsgesetzes, zu dem wir uns bekennen.

(Beifall Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam, daß noch acht Wortmeldungen vorliegen. Wir müssen pünktlich um 9 Uhr schließen. Wir müssen vorher noch über einige Anträge abstimmen. Ich darf also die nächsten Redner herzlich bitten, sich kürzer zu fassen. Das Wort hat der Abgeordnete Logemann. Frau Präsidentin, ich werde mich bemühen, meine Ausführungen möglichst kurz zu halten, schon mit Rücksicht darauf, daß gleich eine Kollegin nach mir sprechen wird, die ihre Jungfernrede gern noch heute abend halten möchte. Zunächst aber noch etwas zu Herrn Kollegen Frehsee. Herr Kollege Frehsee, ich bin persönlich gern bereit, Ihnen zu bescheinigen, daß Sie in der Tat in der Sozialpolitik immer versucht haben, Pionier zu sein, ganz vorn zu sein. Das bedeutet aber nicht, daß wir auf sozialpolitischem Gebiete immer mit Ihnen einverstanden waren. Es war vielfach so — und das muß nun hinzugefügt werden —, daß die Sozialdemokratische Partei in den letzten Jahren wiederholt versucht hat, Sozialpolitik auf Kosten der allgemeinen Preisoder Kostenpolitik zu machen. Das sind Erschwernisse gewesen, die uns veranlaßt haben, bremsend einzugreifen. Aber im übrigen erkenne ich dankbar an, daß wir jetzt laut Grünem Bericht erhebliche Fortschritte auf sozialem Gebiet nachweisen können. Ich bin durchaus der Meinung, daß wir so weitermachen sollten, wie es in den letzten Jahren gelaufen ist. Nun aber zu meinem eigentlichen Auftrag. Ich möchte noch einmal zur Vergleichslohnberechnung und damit zur Methodik des Grünen Berichts Stellung nehmen, obwohl es schon von zwei Seiten geschehen ist. Der vorliegende Grüne Bericht verwendet erstmalig eine neue Vergleichslohnberechnung. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß die alte Vergleichslohnberechnung, die auf einem Lohnvergleich mit „Tür an Tür" wohnenden Arbeitskräften aufbaute, schon seit Jahren die Landwirtschaft sehr stark benachteiligte. Wir haben uns deshalb schon wiederholt bemüht, dafür zu sorgen, daß hier eine Änderung erfolgt. Sie werden sich noch an den Weber-Antrag erinnern, den wir im letzten Jahr zu diesem Problem gestellt haben, oder daran, daß wir immer wieder verlangt haben, es müsse zu einer Modernisierung des Lohnvergleichs kommen, z. B. durch Verwirklichung der Forderung, neben dem Jahreslohnvergleich einen Stundenlohnvergleich einzuführen. Das war seinerzeit auch in einem Parlamentsbeschluß gefordert worden, der aber vom Ministerium nie realisiert worden ist. Wir begrüßen die neue Methode des Lohnvergleichs, weil wir meinen, daß damit, wenn sie richtig angewendet wird, ein gerechterer Lohnvergleich als bisher möglich ist. Wir sehen in dem Vorschlag des Beirates, das Durchschnittseinkommen aller altersund krankenversickerten Arbeitnehmer als Vergleichslohn zu wählen, ein Verfahren, das mehr den tatsächlichen Verhältnissen in der Umwelt des Bauern draußen auf dem Lande entspricht. Wir begrüßen es auch, daß endlich die Pendlerzeiten nicht mehr in Anrechnung gebracht werden und der Grüne Bericht jetzt feststellt, was wir seit Jahren gesagt haben, daß diese Pendlerzeiten nicht mehr vertretbar seien. Nun aber noch etwas mehr zum Lohnvergleich. Ich habe festgestellt, daß die neue Berechnung den echten Lohnanspruch der Landwirtschaft doch erheblich dadurch verkleinert, daß landwirtschaftliche Arbeitskräfte in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben nicht mehr erfaßt werden. Man kann auf Seite 44 nachlesen, daß 144 000 volle Arbeitskräfte mit ihrem Lohnanspruch nun nicht mehr zum Zuge kommen. Wenn man aber trotzdem nach dem neuen Verfahren noch zu einem höheren Vergleichslohn kommt, beweist das eigentlich nur, wie ungerecht die alte Berechnungsmethode war. Nun sind in den letzten Wochen die Methoden der neuen Vergleichslohnberechnung von verschiedensten Seiten kritisiert worden. Ich bin der Auffassung, wir sollten eine solche Kritik von außerhalb, aus der Öffentlichkeit, nicht überbewerten. Ich möchte sogar meinen, daß sie bei uns an sich langsam schon zur Gewohnheit geworden ist. Wir können eigentlich nach allen Grünen Berichten immer wieder feststellen, daß dann, wenn die Verbesserung der landwirtschaftlichen Einkommen zu einer kleineren Disparität geführt hat, der Aussagewert der Berechnung von bestimmten Kreisen sehr wenig angezweifelt wird. Im umgekehrten Falle dagegen — und den haben wir ja jetzt laut Grünem Bericht 1966 mit einem größeren Abstand — werden solche Methoden stets kritisiert. Diese Kritiker sollten, finde ich, zugeben, daß in der Landwirtschaft in der Tat trotz längster Arbeitszeit, trotz größter Produktivitätssteigerung noch eine größere Disparität da ist, die ihre Ursachen keinesfalls in der Landwirtschaft selbst hat, sondern die vielmehr auf die allLogemann gemeine wirtschaftliche Entwicklung zurückgeht, die uns ja doch immer wieder davongelaufen ist. In der letzten Konjunkturdebatte wurde als Hauptgefahr für unsere wirtschaftliche Entwicklung und für die Geldwertstabilität die Arbeitszeitverkürzung herausgestellt. Meine Damen und Herren, ein solcher Appell, wie er hier für die Allgemeinheit notwendig war, ist für die Bauern, für die Landwirtschaft völlig überflüssig. Wir können nachweisen, daß die Bauern durch den Rückgang der Zahl der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, der sich im Berichtsjahr wiederum sehr stark fortgesetzt hat, nicht zu einer kürzeren Arbeitszeit, sondern zu längeren Arbeitstagen ohne freies Wochenende und ohne Urlaub gekommen sind. Die Vergrößerung des Lohnabstandes in der Landwirtschaft — das möchte ich damit sagen hat ihre Ursachen nicht in der Landwirtschaft, sondern ist durch steigende Löhne und die fortgelaufene Entwicklung in vergleichbaren Berufen begründet. Für diese Entwicklung ist nicht so sehr der Landwirtschaftsminister zuständig, sondern hier ist vielmehr der Wirtschaftsminister, der leider heute nachmittag nicht anwesend ist, zuständig. Ich verstehe deshalb auch nicht die Selbstkritik, Herr Minister Höcherl, die Sie an Ihrem eigenen Bericht geübt haben. Sie haben in Ihren Reden und auch z. B. heute nachmittag wieder ausgeführt, das Landwirtschaftsgesetz sei doch bezüglich Lohnvergleich auslegungsbedürftig, die bisherigen Darstellungen seien anfechtbar, oder die Vergleichslöhne seien keine objektiven Maßstäbe, und nach Ihrer Auffassung wäre es besser, die Einkommen vergleichbarer gewerblicher Unternehmen zum Vergleich heranzuziehen. Ich möchte darauf hinweisen, daß Sie sich mit diesen Äußerungen in Gegensatz zu Ihrem Vorgänger, dem Minister Schwarz, stellen, der immer wieder gerade die Berechnungsmethodik im Grünen Bericht entgegen unserer Kritik verteidigt hat. Wie meinen aber — und hier möchte ich warnen, Herr Minister —, daß Änderungen in der Systematik der Berechnungen sehr schwierig und sehr bedenklich sind. Ich will hier ausdrücklich vor Experimenten in dieser Richtung warnen. Aber eines sollten wir uns vornehmen, und, Herr Minister, dafür sollten Sie sich einsetzen: der Grüne Bericht muß ein Tatsachenbericht sein, auch wenn sein Ergebnis gewissen Regierungswünschen und -vorstellungen nicht entspricht, Darum müssen wir uns gemeinschaftlich bemühen. Ich begrüße es, daß kürzlich der Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages beschlossen hat, die Mehodik des Grünen Berichs in diesem Jahr gründlich zu beraten. Herr Kollege Dr. Schmidt, Sie rennen mit Ihrem Antrag schon etwas offene Türen ein. Ich möchte behaupten, es ist neulich auf meinen Vorschlag hin im Ernährungsausschuß eine Vereinbarung darüber erzielt worden, daß diese gründliche Beratung stattfinden soll. Aber nun komme ich zu einem zweiten Vorschlag in diesem Zusammenhang. Herr Minister, wir haben in einem Entschließungsantrag gebeten, den Grünen Bericht künftig früher vorzulegen. Wir sind der Auffassung, daß man statt des 15. Februar durchaus einen Termin Anfang Dezember jeden Jahres wählen könnte. Wir neigen zu der Annahme, daß gerade diese frühzeitigere Vorlegung des Grünen Berichts eine gleichzeitige Beratung von Grünem Plan und Haushaltsplan ermöglichen würde. Bisher ist uns oftmals erklärt worden, eine solche frühzeitige Vorlage sei nicht möglich. Ich möchte aber annehmen, Herr Minister, daß sie in der Zwischenzeit doch die technischen Möglichkeiten in Ihrem Hause weitgehend genutzt haben und es durchaus möglich ist, den Grünen Bericht frühzeitiger vorzulegen. Ich möchte auf einen dritten Punkt eingehen, den Einkommensabstand innerhalb der Landwirtschaft. Hier macht uns die Entwicklung Sorge, und wir sollten uns sehr gründlich mit diesem Problem, das ja nicht neu ist, sondern sich seit Jahren schon in den Grünen Berichten abzeichnet, auseinandersetzen. Im vorliegenden Bericht wird der Vergleichslohnabstand bei den Betrieben unter 20 ha mit 43% und bei den Betrieben über 20 ha mit 23 % angegeben. Wir müssen uns bemühen, nach den Ursachen zu forschen. Es ist dazu festzustellen, daß solche Einkommensunterschiede auch in anderen Wirtschaftsbereichen gang und gäbe sind, daß sie dort nicht kleiner sind, ferner, daß auch in anderen Ländern der freien westlichen Welt innerhalb der Landwirtschaft eine große Disparität festzustellen ist. Als Beispiel seien die USA angeführt. Nach Untersuchungen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums vom Dezember 1964 erzielen in den USA nur 10,7 % der Betriebe Verkaufserlöse von 20 000 Dollar und mehr. In dem Bericht wird weiter ausgewiesen, daß in der amerikanischen Landwirtschaft 91 % der Bareinkünfte und 79 % des gesamten Jahreseinkommens auf nur 43,3 % aller für den Markt erzeugenden Farmen entfielen; 55,7 % aller Betriebe hatten weniger als 5000 Dollar Verkaufserlöse. Diese Zahlen mögen beweisen, daß auch in den USA, einem Land mit sehr großen landwirtschaftlichen Betrieben, eine große innere Disparität vorhanden ist. Die Untersuchungen zeigen weiter aber auch, daß die Disparität nicht vorrangig ein Problem der Betriebsgrößen ist; es kommen andere Ursachen sehr mitbestimmend hinzu. Ich kann nur einige Gründe anführen: unterschiedliche Bodenverhältnisse, unterschiedliches Klima, Marktferne, unterschiedliche Ernteerträge, Es darf aber auch nicht übersehen werden — und ich finde, gerade das bewertet der Grüne Bericht nicht entsprechend —, daß der höhere AK-Besatz in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben oftmals durch eine stärkere Veredelung in diesen Betrieben bedingt ist und daß eine verstärkte Veredelung zwangsläufig auch zu höheren Stallinvestitionen zwingt, die bei den hohen Baukosten in der Bundesrepublik — den höchsten im Vergleich zu unseren EWG-Partnerländern — je Tiereinheit zu höchsten Belastungen führt. Der Grüne Bericht stellt erfreulicherweise fest, daß die Produktionsleistung je Flächeneinheit in Betrieben unter 20 ha höher ist als in größeren Betrieben Logemann und daß sich seit 1956/57 der Betriebsertrag in kleineren Betrieben am stärksten erhöht hat. Das sind Tatsachen, die berücksichtigt werden müssen, die aber doch auch, Herr Minister, zu einer Agrarpolitik verpflichten, welche auch den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben langfristig Chancen gewährt. Wir meinen, daß wir das mit gutem Recht verlangen können, weil ja feststeht, daß gerade kleine Betriebe auf Spezialgebieten trotz erhöhten AK-Besatzes nicht teurer produzieren als größere Betriebe. Langfristige Produktionschancen bedeuten, Möglichkeiten zur inneren Betriebsaufstockung z. B. in der Veredelungswirtschaft zu schaffen. Wir haben uns besonders von der FDP aus seit Jahren darum bemüht und z. B. schon 1964 einen Antrag eingebracht, der eine Begrenzung der Veredelung der gewerblichen industriellen Erzeugung zugunsten der bäuerlichen Familienbetriebe verlangte. Wir sind damals nicht direkt zum Zuge gekommen, weil der damalige Landwirtschaftsminister Schwarz dieses Problem noch nicht ernst nahm. Heute ist es aber in der Tat so, daß das Vordringen industrieller Tierfabriken immer größer wird, und es ist erfreulich, daß es jetzt gelungen ist, einen entsprechenden Antrag der Koalition dem Deutschen Bundestag zuzuleiten. Ich hoffe nur, daß er bald zu einem Gesetz führen wird. Im übrigen aber, Herr Minister, halte ich es für eine Aufgabe der amtlichen Agrarpolitik, zu versuchen, auch mit den Mitteln der amtlichen Agrarpolitik zu einem besseren Ausgleich der inneren Disparität innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe zu kommen. Ich finde, daß dafür mit gewissem Vorrang Futterbauund Dauergrünlandgebiete angesteuert werden müßten. Ich bin aber auch der Meinung, daß die im Etat vorgesehene Streichung des Erlasses der Vermögensabgabe in Küstengebieten hier geradezu entgegengesetzt wirken wird, daß damit die Disparität innerhalb der Landwirtschaft noch wieder vergrößert wird. Ich sehe weitere Gefahren — ich möchte es hier nur andeuten — durch eine kommende Frachterhöhung, die ja von seiten der Deutschen Bundesbahn jetzt zu erwarten ist, und durch die EWG-Entwicklung. Ein letzter Punkt, der uns mit Sorge erfüllt, ist die Zunahme des Fremdkapitals. Der Grüne Bericht weist aus, daß im Berichtsjahr eine Zunahme des Fremdkapitals in einer Größenordnung von etwa 1,9 Milliarden DM eingetreten ist. — Ich betone dazu ausdrücklich: eine Zunahme des erfaßten Fremdkapitals; in Wirklichkeit wird die Verschuldung sehr viel größer sein. — Das ist immerhin fast eine Milliarde DM mehr, als in den letzten Jahren normal an Mehrverschuldung zu verzeichnen war. Wenn man dann aber feststellt, daß das Kapitalvolumen, für das wir im Jahre 1965 Zinsverbilligungsmittel zur Verfügung hatten, noch 2043 Millionen DM betrug, und wenn man im Etat für 1966 errechnen kann, ,daß man jetzt nur noch in der Lage ist, ein Volumen von 1 Milliarde DM zu verbilligen, dann zeigt sich auch darin ganz deutlich, wie stark die Haushaltskürzungen auch direkt in die Agrarpolitik hineinwirken. Es wäre aber nutzlos, Zinsverbilligungsmittel z. B. für Altschulden nur für ein Jahr zu geben. Wir können hier nur dann zu einem Erfolg kommen, wenn wir langfristig und kontinuierlich Schulden durch Zinsverbilligungsmittel entsprechend verbilligen. Wie notwendig das ist, haben Sie, Herr Minister, neulich selbst in Ihrer Einbringungsrede gesagt. Sie haben darauf hingewiesen, daß man bei der modernen Landwirtschaft damit rechnen müsse, daß sich die Kosten je landwirtschaftlichen Arbeitsplatz etwa auf 59 000 DM belaufen würden. Das übertrifft in der Tat die Kosten, die in anderen Bereichen der Industrie festzustellen sind. Aber gerade das muß uns veranlassen, hier in der EWG-Entwicklung vor allen Dingen auch auf dem Gebiet der Kapitalverbilligung noch mehr zu tun als bisher. Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Schluß. Die Lage der Landwirtschaft — das ist eine abschließende Feststellung — hat sich laut Bericht gegenüber dem Vorjahr verschlechtert, — ich möchte sagen: nicht als Folge rückläufiger Leistungen der Bauern selbst, sondern durch die Entwicklung im gewerblichen industriellen Bereich, bei der die Bauern immer weiter zurückgeblieben sind. Erschwert wird aber die Anpassung der deutschen Landwirtschaft an die EWG-Entwicklung vor allen Dingen durch die erfolgte Kürzung der Haushaltsmittel. Nun, Herr Minister, ich bin nicht der Meinung, daß wir uns einen guten Dienst erweisen, wenn wir hier irgend etwas verniedlichen. In der Tat werden unsere deutschen landwirtschaftlichen Betriebe durch diese Kürzungen sehr schwer getroffen. Ich habe einmal versucht, die Entwicklung des landwirtschaftlichen Etats bei den Soll-Zahlen in den letzten Jahren nachzurechnen. Ich komme dabei zu dem Ergebnis, daß der Etat 1966 bei den Soll-Zahlen ein Mehr für die Landwirtschaft von etwa 310 Millionen DM ausweist. Wenn ich die Zusagen hinzufüge, die in der Zwischenzeit eigentlich fällig geworden wären, dann müßte dieser Betrag nicht 310 Millionen, sondern 1,1 Milliarden DM sein. Wir sollten das nicht verschweigen und sollten auf die Schwierigkeit unserer Situation hinweisen. Herr Minister, ich weiß, Sie sind ein Mensch mit Humor; ich darf es deshalb wagen, zum EWG-Landwirtschaftsgesetz und zu den jetzt noch vorhandenen Mitteln Busch zu zitieren. Wilhelm Busch würde sagen: Von dem ganzen Hühnerschmaus guckt nur noch ein Bein heraus. Hier sind in der Tat erhebliche Kürzungen zu verzeichnen. Ich glaube, Herr Minister, daß uns gerade diese Haushaltssituation dazu zwingt, uns darum zu bemühen, zur stärksten Ausnutzung gegebener nationaler Erzeugerpreischancen zu kommen. Es ist durchaus nicht so, daß wir hier schon alle Vollmachten an die EWG verloren haben. Ich weiß aber auch, wie schwierig es ist, hier bei den Erzeugerpreischancen verlorengegangenes Terrain durch verstärkte Haushaltsmittel wieder auszugleichen. Dazu ein Beispiel. Die Senkung der Schweineabschöpfung im Dezember letzten Jahres, die Sie ja Logemann — das darf ich hier bestätigen — nicht wollten, die aber dann durchgeführt worden ist, hat den landwirtschaftlichen Erzeugern in 14 Tagen einen Preisverlust von etwa 28 Millionen DM gebracht. Nun, der Preisverlust für die Landwirtschaft ist da; ich sehe keine Möglichkeit, ihn in dieser Situation durch Haushaltsmittel auszugleichen. Auf der anderen Seite ist aber die Tatsache zu verzeichnen, daß der deutsche Verbraucher von diesem hohen Preisverlust, den die Bauern hinnehmen mußten, in keiner Weise profitiert hat. Im Gegenteil, diese ganze Preissenkung bei den Bauern ist wieder aufgegangen in einer höheren Importspanne, oder wie man es nennen will. Hier besteht also für uns die Verpflichtung zur Ausnutzung gegebener Erzeugerpreischancen. Die Mittel im Etat sollten uns veranlassen, sie verstärkt zu Maßnahmen einer direkten Kostensenkung einzusetzen. Als Drittes möchte ich Sie bitten, gerade in der amtlichen Agrarpolitik, auch in Brüssel, bei der Preisharmonisierung ein langsames Tempo in der EWG vorzuschlagen. Ich bedaure eigentlich, daß das in den letzten Tagen nicht so mit Nachdruck geschehen ist. Ich kann mir einfach nicht denken, daß eine verantwortungsbewußte Regierung bereit sein könnte, Preisharmonisierungen zuzustimmen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind. Wir bezweifeln wirklich, daß es bei der Getreidepreisharmonisierung noch möglich sein könnte, bis zum Juli 1967 all das zu erfüllen, was seinerzeit von unserer Seite als Voraussetzungen für diese Senkung verlangt worden ist. Ich halte es nicht für möglich, daß man bis zu diesem Termin noch zu einer Angleichung in all diesen Fragen kommt. Deshalb ist es nicht richtig, Herr Minister, wenn Sie so mit leichter Hand, wie es heute nachmittag geschehen ist, ernsthafte Vorschläge abtun, mit denen versucht werden soll, noch etwas Zeit zu gewinnen. Nun hat das Wort Frau Abgeordnete Griesinger zu ihrer Jungfernrede. Ich wünsche ihr viel Glück. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem zu den wichtigsten Agrarproblemen so viele gute und kluge Beiträge vorliegen, fällt es mir schwer, hier meine Redezeit noch in Anspruch zu nehmen. Doch bin ich, lieber Herr Kollege Logemann, hier sehr freundlich angekündigt worden. Vor allem geht es mir darum, ein bestimmtes Problem noch einmal anzusprechen, weil es so ungemein wichtig ist, wichtig für uns alle, besonders wichtig für unsere Landfrauen. Ich will es kurz machen, um Ihre Geduld nicht zu lange auf die Probe zu stellen. Wenn wir das Dorf von heute betrachten, in welchem der Arbeiter, der Bauer, der Angestellte und der Beamte auf engstem Raum unter ganz verschiedenen Lebensund Arbeitsbedingungen neben-und miteinander wohnen, werden wir auf die Problematik dieser Situation gestoßen. Ich greife einen Punkt heraus, der zur Zeit viele Menschen mit großer Sorge erfüllt und von fast allen Politikern in ihren Reden draußen im Lande angesprochen wird. Hier scheint mir auch für uns eine besondere Verantwortung gegeben zu sein. Herr Kollege Frehsee hat diesen Punkt schon angeschnitten. Ich glaube aber, daß wir ihn noch etwas stärker beleuchten müssen, vor allem deshalb, weil im Grünen Bericht und in allen Publikationen nicht die Wichtigkeit zum Ausdruck gekommen ist, die der Angelegenheit zukommt. Es handelt sich, wie Sie sich alle denken können, um die vorgesehene totale Streichung der einzigen Maßnahme innerhalb des Grünen Plans für die Landfrau, um die Mittel zur Förderung der. bäuerlichen Hauswirtschaft, die in Tit. 610 ausgewiesen waren. Diese Maßnahme muß sehr gut angekommen sein. Sonst würde die geplante Streichung jetzt nicht solche Wellen schlagen. Wie groß die Sorge um die eventuelle Streichung ist, darf ich daraus schließen, daß mir viele Menschen in der kurzen Zeit, in der ich dem Ernährungsausschuß angehöre, dieses Anliegen nahegebracht haben, und zwar aus allen Teilen der Bundesrepublik. Gestern abend noch hatte ich Gespräche mit Landfrauen aus Westfalen über dieses Problem, und diese Frauen waren in großer Unruhe. Die Maßnahme wurde 1961 erstmals in den Grünen Plan aufgenommen, und zwar mit einem Betrag von 30 Millionen DM, der im Jahre 1965 auf 40 Millionen DM erhöht wurde. Nach anfänglichem langsamem Anlaufen — lassen Sie mich für die, die dieser Maßnahme vielleicht skeptisch gegenüberstanden, hier bitte sagen, daß solche Maßnahmen langsam gehen; wir müssen überlegen, wie weit der Weg vom Bund bis ins einzelne Dorf ist — hat sich die Inanspruchnahme so entwickelt, daß das Jahr 1965, wie Herr Frehsee schon gesagt hat, mit einem Überhang von zirka 15 Millionen DM abschließt. Ich glaube, daß dies nur zum Teil auf die 20%ige Bausperre und die zusätzliche 3%ige Kürzung zurückzuführen ist, die es nicht zuließen, den gesamten Betrag auszuwerfen, sondern vor allem auf die vielen Anträge, die inzwischen vorliegen. Wie sieht nun diese Maßnahme aus, und wo liegt ihre Bedeutung? Es handelt sich dabei um die Einrichtung zentraler Heizungsund Warmwasserversorgungsanlagen in den bäuerlichen Wohnhäusern, welche zu rund 41 % aus der Zeit vor 1870, zu 18 % aus der Zeit vor 1900 und nur zu 27% aus der Zeit vor dem Jahre 1948 .stammen und zum größten Teil noch nicht nach modernen Gesichtspunkten umgebaut werden konnten. Warum? Die Umstellung der Betriebe auf die Erfordernisse der heutigen Zeit bringt einen solchen Kapitalbedarf mit sich — wir haben das heute im Laufe der verschiedenen Reden schon sehr eindringlich gehört, bis hin zu den verschärften Wettbewerbsbedingungen der EWG —, daß für das Wohnhaus und die Modernisierung der Hauswirtschaft nichts mehr übrigbleiben konnte. Zwar ist das eine falsche Rechnung, aber — das darf ich doch geschwind in einem Nebensatz sagen Frau Griesinger — auch erfreulich, wenn die junge Bäuerin, weil sie Mitunternehmerin mit ihrem Mann zusammen ist, zuerst mit ihm zusammen plant, wie sie die Außenwirtschaft modernisieren können, und sich in ihrer eigenen Wirtschaft beschränkt. Wir als verantwortliche Politiker hier in dieser Bundesrepublik haben, so meine ich, die Aufgabe, diesen Frauen, die heute sehr volkswirtschaftlich denken, eine Unterstützung zu geben, durch die sie in die Lage versetzt werden, ihre eigene Hauswirtschaft zu verbessern und zu modernisieren. Ich sagte, daß diese Rechnung unseres Erachtens nicht ganz richtig ist. Denn wenn die Frau mit dem Mann gemeinsam — meist ohne die früher mithelfenden Familienangehörigen oder sonstigen Arbeitskräfte — den bäuerlichen Familienbetrieb bewirtschaften soll, ist jede Stunde wertvoll, die sie durch diese Arbeitserleichterung in der Hauswirtschaft gewinnt. Es ist fast tragisch, meine Damen und Herren, daß man an den Anfang idas Erfordernis setzen muß, daß sie mehr Zeit für den Außenbetrieb gewinnt, weil die Arbeitskräfte fehlen. Dabei wäre es doch so notwendig, daß sie diese Kraft und Zeit für die Familie, die Kindererziehung und ihre sonstigen menschlichen Aufgaben in ihrer Umwelt verwendet. Lassen Sie mich hier noch ein Wort für die Landfrau in allen Gebieten sprechen. Ich bin immer wieder erstaunt, wie gerade die Landfrauen ungemein aufgeschlossen gegenüber den öffentlichen Belangen und für ihre Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit sind. Diese Maßnahme — das wird vielleicht besonders die Finanzexperten in unserem Hause interessieren —, die mit relativ geringen Mitteln so viel Arbeitszeit erspart, belastet weder den Staat noch die bäuerliche Familie zu sehr. Die einzelne Maßnahme hat im Durchschnitt 6000 bis 8000 DM gekostet. Der verlorene Zuschuß des Staates pro Maßnahme betrug 30 bis 40 % des Gesamtbetrages bis zum Höchstbetrag von 1600 DM bzw. in benachteiligten Gebieten Ibis zu 200Q DM. Hinzu kam der verbilligte Zinssatz für den Restbetrag, der bis zu zehn Jahren gewährt wird, also eine kurzfristige Maßnahme. Es ist wichtig, zu betonen, daß es sich um eine kurzfristige Maßnahme handelt, im Gegensatz zu den langfristigen Maßnahmen, den hohen Darlehen. Es gibt eine Berechnung darüber — ich möchte Sie hier nicht lange aufhalten —, daß diese Kleinbeihilfen mit kurzfristigen Darlehen dem Staat billiger kommen als die langfristigen NurDarlehen. Es ist recht interessant, das einmal zu beobachten. Das Verhältnis von Bundeszuschuß zur Eigenleistung beträgt zirka 1 :3; wenn wir den Betrag, der noch als Eigenleistung hinzugebracht wird, einbeziehen, sogar 1 : 4. Das bedeutet, daß bei kaum einer Maßnahme jemals mit verhältnismäßig so wenig Geld so viel erreicht worden ist, auch als Anreiz zur Eigeninitiative, wie mit dieser Maßnahme zur Förderung der bäuerlichen Hauswirtschaft. Es sind nicht. nur 112 000, Herr Kollege Frehsee, sondern tatsächlich sogar schon 135 000 Betriebe mit dieser Warmwasserund Heizungsversorgung innerhalb der letzten vier Jahre in Ordnung gebracht worden. 740 000 Betriebe, die nach den Richtlinien zuschußberechtigt sind, fehlen noch. Wenn wir mit denselben Beträgen weiter rechnen könnten, sehr verehrter Herr Minister, könnte diese fortlaufende Maßnahme noch unendlich viel Gutes für unsere Landbevölkerung erwirken. Lassen Sie mich noch ein kurzes Wort zu den Betriebsgrößenklassen sagen, die Herr Frehsee schon angeführt hat. Es sind hauptsächlich die Größenklassen zwischen 10 und 50 Hektar, d. h. die ausgesprochenen bäuerlichen Familienbetriebe, die ja auch im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Was ist nun eigentlich außer der Arbeitszeitersparnis und der Arbeitserleichterung erreicht worden? Hier ist interessant, daß von den 4000 Arbeitsstunden der Bäuerin, d. h. ungefähr 11 Stunden am Tage, 500 Arbeitsstunden eingespart werden können, d. h. eineinhalb Stunden täglich. Diese Maßnahme wirkt sich außerdem noch auf die hygienische Situation im bäuerlichen Betrieb aus, d. h. sie ist gesundheitsvorsorgend für die gesamte Familie. Es muß hier zwar noch etwas stärker auf die weiteren hygienischen Einrichtungen wie Bad und Dusche eingegangen werden, weshalb auch der Katalog in unserem Vorschlag sinnvoll erweitert und die Möglichkeit geschaffen wurde, zu wählen, welche Maßnahme am vordringlichsten ist. Die Maßnahme wirkt sich aber auch stark auf die Bildungssituation aus. Die Kinder — jetzt lachen Sie bitte nicht, es kommt ein banaler Satz, der aber eine große Bedeutung hat — können nun ihre Schularbeiten ungestört im warmen Wohnzimmer machen, und das Fimilienleben kann endlich auch außerhalb der Wohnküche stattfinden so wie in allen anderen Häusern rings um das Bauernhaus herum. Dazu müssen wir noch bedenken, daß im Bauernhaus mehr als anderswo die Dreigenerationen-Familie zu Hause und noch ein starkes Familienzusammengehörigkeitsgefühl vorhanden ist. Ich glaube, wir sollten auch diese Tendenz stärken, bewahren und schützen, soweit es in unseren Kräften liegt. Untersuchungen haben einwandfrei ergeben, daß hiermit tatsächlich eine Verbesserung und Angleichung der Lebensverhältnisse der bäuerlichen Familie erreicht wird. Damit wird auch ein gewisser Ausgleich der sozialen Disparität erreicht. Wir haben heute schon von dieser sozialen Disparität gehört, die uns sehr zu denken geben müßte, der sozialen Disparität innerhalb des Dorfes, von Haus zu Haus — hier Bauer, dort Beamter oder Angestellter, der sein neues Haus hat —, der sozialen Disparität aber auch innerhalb des Betriebes. Heute ist es nämlich häufig so, daß der Außenbetrieb Frau Griesinger modernisiert ist, aber das Wohnhaus sehr zu wünschen übrigläßt. Ich glaube, daß das mit ein Problem ist und daß sich unsere jungen Bauern oft schwertun, junge Bäuerinnen zu finden, die dort hineinheiraten. Meine Damen und Herren, der moderne Betrieb kann heute nur von einer modernen Familie modern geführt werden. Darum gehört die Bildungsförderung für die landwirtschaftliche Bevölkerung unbedingt in dieses Gebiet hinein, und wir haben mit den Ländern noch viele Gespräche über dieses Thema zu führen. Ich möchte noch einen Punkt hervorheben. Die Verbesserung der Wohnverhältnisse hält den Menschen auf dem Lande, wenn auch nicht unbedingt in der Landwirtschaft. Wir haben gehört, daß jährlich 40 000 Betriebe aufgegeben werden. Es wurde heute schon gesagt, was es für diese Menschen bedeutet, hier aufzuhören und in eine völlig andere Arbeits-und Lebenswelt hineinzugehen. Die Abwanderung in die Ballungsräume kann durch die Verbesserung der Wohnverhältnisse zu einem gewissen Teil verhindert werden, was im Blick auf die Raumordnung von großer Bedeutung ist. Es gibt gewisse Forderungen — ich weiß es wohl —, daß man zu durchgreifenderen Maßnahmen kommen müsse. Aber, meine Damen und Herren und besonders meine Kollegen aus dem Haushaltsausschuß — ich möchte aber auch die Damen und Herren in den Ministerien hiermit ansprechen —: Ist es zu einer Zeit, wo Sparsamkeit für alle Teile wirklich am Platze ist und wir darüber in diesen Wochen und Monaten sehr viel hören, nicht sinnvoller, für den größten Teil unserer bäuerlichen Familien mit kleinen Maßnahmen einigermaßen tragbare und den heutigen Verhältnissen gemäße Lebensund Wohnbedingungen zu schaffen, als viel Geld für wenige Projekte zu geben, die mit großen Ausgaben verbunden sind und bei denen wir nicht unbedingt wissen — angesichts der ungewissen Zukunft, der EWG-Maßnahmen und der Raumordnung —, ob die Mittel ganz richtig verwendet werden? Ich spreche damit gar nicht gegen diese Maßnahmen, die genauso wichtig sind. Aber mir ist es sehr wichtig festzustellen, daß diese kleine Maßnahme ein Weg sein könnte, auch mit wenig Geld Wirkungen zu erreichen und vor allem die Eigeninitiative stärker anzuregen. Es treffen in dieser Maßnahme, die ihre Bewährungsprobe meines Erachtens durchaus bestanden hat, wirtschaftspolitische, finanzpolitische, sozialpolitische, gesundheitspolitische und familienpolitische Anliegen zusammen, so daß sicherlich alle in diesem Hause und auch in den Ministerien mit mir Verständnis dafür haben werden. Es ist deshalb, so meine ich, nicht vertretbar, diese Maßnahme, die wie kaum eine andere dazu geeignet ist, mit verhältnismäßig geringen Mitteln die Selbsthilfe anzuregen und wirklich der gesamten bäuerlichen Familie zu dienen, fallen zu lassen. Meine Fraktion schlägt deshalb vor, diese Maßnahme wie bisher in einem besonderen Titel im Rahmen der Förderungsmittel auszuweisen. Ich meine, sie gehört genau wie viele andere Maßnahmen in die Agrarstrukturverbesserung und ist deswegen auch hauptsächlich unsere Aufgabe hier im Bund. Im Namen meiner Fraktion darf ich das Hohe Haus bitten, diesem dringenden Anliegen zu entsprechen. Ich beglückwünsche Frau Griesinger zu ihrer ersten Rede in diesem Hohen Hause, in der sie uns in lebensnaher und fundierter Weise die Sorgen der Landfrau, die Bedürfnisse der ländlichen Hauswirtschaft und die Anliegen der bäuerlichen Familie nahegebracht hat. Ich stelle Beifall auf allen Seiten des Hauses fest. Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Ertl. Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Frehsee, ich habe inzwischen im Protokoll des III. Bundestages nachgesehen und konnte feststellen, daß die Drucksache 1274 einen Antrag der Freien Demokraten zur Regelung der Altershilfe beinhaltet. Ich konnte ihn zwar nur oberflächlich während der Debatte durchschauen, aber ich habe nicht festgestellt, daß die Gedanken, die in diesem Antrag niedergelegt waren, besonders differieren von der gesetzlichen Lösung, die wir beschritten haben. Mir liegt daran, die Dinge historisch klarzustellen. Ich weiß ihre Fairneß zu schätzen, daß Sie das auch anerkennen werden. Es hat uns etwas wehgetan, daß Sie das so plötzlich abwerten wollten. Ich nehme an, das war nicht Ihre Absicht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Debatte wird sich ja nun bald zu Ende neigen. Sie war ein wenig gemischt aus dem Dialog: Was wird in Brüssel werden? und: Wie werden wir national weitermachen können? Dabei ist dieser Grüne Bericht eine vorzügliche Dokumentation. Ich möchte auch all jenen danken, die daran mitgewirkt haben. Dieses Werk ist weiß Gott vergleichbar mit jenem Bericht zur Konjunkturlage, den wir in der letzten Woche beraten haben. Er bringt auch die große gesellschaftliche und soziale Umwälzung zum Ausdruck, die gerade die Menschen auf dem Lande in den letzten zehn Jahren durchmachen mußten. Es ist eine Umwälzung, die fast revolutionär war und vielleicht in manchen Dingen zu schnell vor sich gegangen ist und daher die große Unruhe ausgelöst hat, weil man plötzlich nun andere Maßstäbe setzte, andere Forderungen aufstellte. So zeigt dieser neue Grüne Bericht beispielsweise wiederum auf, daß es nicht nur die Disparität zwischen Landwirtschaft und übriger Wirtschaft gibt, sondern daß es natürlich auch eine große innere Disparität gibt. Hier ist es natürlich sehr leicht möglich, daß man sagt: Das liegt eben an den kleinen Betrieben; wenn wir erst einmal diese kleinen Betriebe alle ausgelöscht haben, dann ist das Problem von selbst gelöst. Ich glaube, eine Agrarpolitik, die nur Ertl in Schablonen denkt und die Betriebe nur mit Winkel und Maßstab mißt, ganz nach Fläche, wäre verfehlt. Sie würde nämlich das nicht berücksichtigen, was in der Landwirtschaft vielleicht noch viel wichtiger und schwererwiegend ist als in anderen Produktionszweigen — und das hat auch Kollege Bauer ausgesprochen —: den Menschen. Der Mensch, sein Können, sein Wissen, sein Leistungswille und auch seine Lebenserwartungen, ist letzten Endes der Maßstab dafür, wie sich der Strukturwandel vollziehen muß: ob er bleiben will, ob er ausscheiden will, ob er Vollerwerbsbauer werden will. Das, glaube ich, sollte man bei dieser Debatte erneut in aller Deutlichkeit herausstellen. Auch in diesem Grünen Bericht — ich habe diese Seiten mit großer Aufmerksamkeit durchgelesen — ist immer wieder zum Ausdruck gekommen: Würden wir auf jene Betriebsgrößen unter 5 oder 10 ha verzichten, dann würde die Problematik einfacher und leichter sein, dann gäbe es kein Disparitätsproblem mehr. Es wäre aber ein Irrglaube, wenn man annähme, so könnte die Problematik gelöst werden. Die Landwirtschaft hat Großes geleistet in den letzten 10, 15 Jahren, seit der Währungsreform. Wenn man an die Investitionen denkt, wenn man an den großartigen Wandel von der Flächenproduktivität zur Arbeitsproduktivität denkt, dann kann man nicht sagen, hier sei von Haus aus eine Rückständigkeit gewesen. Nein, man muß bestätigen, daß auch von der Landwirtschaft selbst viel geleistet wurde und daß sie durchaus den Zug der Zeit erkannt hat. Bei der Konjunkturdebatte in der letzten Woche — es wurde heute schon einmal darauf hingewiesen — war es so, als seien an der beinahe inflationären Entwicklung, die sich teilweise bei uns bemerkbar macht, letzten Endes die Lebensmittelpreise schuld. Ich will diesen Dialog nicht noch einmal anfangen. Es ist so, daß die Erzeugerpreise im Schnitt in einem Höchstmaß stabil geblieben sind — auch das zeigt dieser Grüne Bericht —, im Hinblick auf die Einkommenslage der Landwirtschaft vielleicht zu stabil gewesen sind. In der Agrarpolitik und in dieser Diskussion gibt es ein Kriterium, und das ist vielleicht die Gretchenfrage an alle Fraktionen und Parteien: Wie hälts du es mit den Agrarpreisen, mit den Erzeugerpreisen? Bist du bereit, dem Bauern dasselbe zuzugestehen, was du der übrigen Wirtschaft auch zugestehst, nämlich das Einkommen über den Preis zu gestalten, oder hast du hier zwei Meßlatten? Behandelst du eine Gruppe anders als die andere Gruppe? Das ist eine Kernfrage. Ich würde sagen: die Frage der Preispolitik wird die Gretchenfrage bleiben; sie muß es auch, verehrter Herr Minister, im Zuge einer europäischen Entwicklung. Denn ich könnte mir nicht vorstellen, daß eines Tages die Landwirte in den Partnerstaaten auf dieses Grundprinzip einer Wirtschaft verzichten können. Auch unsere Partner werden es nicht können. Wenn das Ziel einer gedeihlichen Agrarpolitik und Eingliederung der Landwirtschaft in einen größeren Markt, insbesondere die Lebensfähigkeit der bäuerlichen Landwirtschaft, erreicht werden soll — auch im Rahmen der EWG —, dann muß die Preisfrage immer wieder zur Gretchenfrage werden. Ich möchte jetzt noch kurz zu den Problemen der Agrarförderung Stellung nehmen. Denn gleichzeitig mit dem Grünen Bericht wurde uns das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats vorgelegt, — ein sehr interessantes Gutachten mit vielen erwägenswerten Vorschlägen, aber auch mit manchen Vorschlägen, mit denen man sich sehr kritisch auseinandersetzen muß. Vorweg gleich: es ist für den Politiker ein großer Trost, daß auch die Professoren nicht in der Lage sind, eine Abgrenzung durchzuführen. Sie haben zwar schöne Einteilungen vollzogen — Vollerwerbs-, Übergangs-, Nebenerwerbsund Selbstversorgerbetriebe —, aber auch der wissenschaftliche Beirat konnte die Kriterien der Abgrenzung nicht sagen. Meine Fraktion hat schon vor Jahren einmal eine Entschließung vorgelegt, und ich hatte damals die Ehre, sie zu verlesen. Wir hatten uns damals schon geeinigt auf das Einkommen für ein bis zwei AK, und recht viel mehr ist nicht herausgekommen. Daran sieht man wiederum, wie schwer es hier ist, echte Kriterien aufzustellen, was daran liegt, daß der Mensch mit seinen Fähigkeiten die entscheidende Funktion hat. Das ist die eine Seite dieses Gutachtens. Zur anderer Seite. Es gibt viele Vorschläge, auf die ich jetzt doch noch kurz eingehen will. In der Agrarförderung haben wir in der Zukunft drei wichtige Komplexe zu behandeln. Der eine ist der Strukturwandel. Auch ich bin der Auffassung des Herrn Ministers, daß Teilprobleme dieses Strukturwandels sogar langfristig gelöst werden müssen. Wir werden die Flurbereinigung noch 25 Jahre durchführen. Wir können nicht mit allen anderen Maßnahmen warten, bis die Flurbereinigung endgültig vollzogen ist. Daher ist es sinnvoll, langfristig zu planen. Wir werden andere Aufgaben vor uns haben, die sehr wesentlich, die brennender sind. Ich meine die Investitionsaufgaben, angefangen von der Althofsanierung, fortgesetz über die Umbauten zur inneren und äußeren Aufstockung, zur Umstrukturierung der Betriebe und zur Verbesserung der Betriebsorganisation. Wir begrüßen, daß der Gedanke der Investitionshilfe auch vom Minister aufgegriffen worden ist. Wir könnten weiter voran sein. Hätte man bereits den Antrag der Freien Demokraten vom Jahre 1958 im Parlament angenommen, dann gäbe es diese Investitionshilfe schon. Ich halte sie für außerordentlich gewichtig. Sie muß vielleicht eines Tages in einem großen Rahmen den Vorrang bekommen, wobei man nicht meinen darf, daß deshalb alles andere verschwinden muß. — Ich sehe von der Regierungsbank manches amüsante Lächeln. Ich bin z. B. nicht der Auffassung, daß die Silobeihilfe verschwinden sollte. Ich habe mir die Mühe gemacht, mir einmal wissenschaftlich ermittelte Zahlen zu beschaffen. Es ist vielleicht auch einmal ganz interessant, wenn wissenschaftliche Zahlen in einer Debatte des Bundestages diskutiert werden. Ich habe in meinem Heimatlandkreis Wiesbach einen Zahlenvergleich auf Grund von BuchführungsErtl ergebnissen angestellt, und zwar unter dem Gesichtspunkt, wie sich die Schaffung von Siloraum auf die Intensität und Produktivität der Betriebe auswirkt. Als Vergleichszeiträume habe ich die Jahre 1957/58 und 1963/64 genommen. Ich habe dabei zehn Betriebe des Alpenvorlandes mit zehn Bergbauernbetrieben verglichen. Im Jahre 1957/58 hatten die Voralpenbetriebe einen durchschnittlichen Siloraum von 2,2 cbm, einen durchschnittlichen Viehbesatz von 16,3 Kühen und eine durchschnittliche Milchleistung von 3542 L Die Bergbauernbetriebe hatten im Durchschnitt 1,5 cbm Siloraum, 12 Kühe und eine Milchleistung von 3157 1. Dann kam die Zeit der Silobeihilfen. Wie entwickelten sich die Verhältnisse bis zum Jahre 1963/64? Die Voralpenbetriebe steigerten den Siloraum auf 4,8 cbm, gleichzeitig stiegen der Viehbesatz im Durchschnitt auf 20,7 Kühe und die Milchleistung auf 3688 1. Wenn wir jetzt einen Projektor hier hätten, könnte ich Ihnen fast kontinuierlich gleichlaufende Kurven für die Verstärkung des Siloraums, die Verstärkung des Kuhbesatzes und die Steigerung der Milchleistung zeigen. Noch erfreulicher ist die Wirkung bei den Berg-bauernbetrieben. Der Siloraum stieg auf 4,6 cbm. Überlegen Sie: 1957/58 waren es noch 1,5 cbm. Der Kuhbesatz stieg auf 14,8, und die Milchleistung stieg auf 3697 1. Diese Zahlen beweisen deutlich, daß die Maßnahme keine Töpfchenmaßnahme war, verehrter Kollege Schmidt, sondern daß sie eine echte Investitionshilfe war, die dazu beigetragen hat, die Produktivität, also die Leistungsfähigkeit, gerade jener Betriebe zu stärken, die, wie wir immer wieder feststellen müssen, auf Grund der Marktferne, aber auch wegen der Bodenqualität oder des Klimas benachteiligt sind. Daher bin ich der Meinung, daß solche Maßnahmen in der Investitionshilfe fortgeführt werden müßten, zumindest so lange, bis wir sagen können, daß wir in der Betriebsorganisation einen befriedigenden Zustand und einen entsprechenden Rationalisierungseffekt haben. Man sollte daher nicht alle Maßnahmen — so sehr wir eine Konzentration der Maßnahmen des Grünen Plans bejahen — mit dem Wort „Töpfchenwirtschaft" abqualifizieren. Man muß auch hier wiederum die richtige Relation und das richtige Maß finden. Ich brauche wohl für die FDP nicht noch Besonderes zum Programm für die ländliche Hauswirtschaft zu sagen. Das ist schon so charmant von Frau Griesinger vorgetragen worden. Ich kann nur sagen, sie hat uns alle überzeugt. Wir werden im Ausschuß hoffentlich einen gemeinsamen Weg finden. Wir werden versuchen, Ihnen zu helfen; denn die Probleme, wie sie Frau Kollegin Griesinger hier geschildert hat, sind von großer Bedeutung. Zu den Förderungsmaßnahmen darf ich zusammenfassend folgendes sagen. Es sind bereits zwei wichtige Probleme angeschnitten worden, die, wie wir meinen, vorrangig zu behandeln sind, nämlich langfristige Strukturmaßnahmen und mittelfristige Maßnahmen auf dem Investitionssektor in Form einer Investitionshilfe. Die dritte Säule ist die Marktstruktur einschließlich des Exports. Ich will mich hier kurz fassen; dazu ist ja von den Vorrednern bereits Zutreffendes ausgeführt worden. Ich will aber noch einmal zu dem berühmten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates zurückkehren. In diesem Gutachten ist sehr eingehend auf die Problematik der Bildung und die Notwendigkeit der Beratung eingegangen worden. Sie spielt auch bei der zukünftigen Festlegung der Investitionshilfe eine sehr bedeutende Rolle. Der Entwicklungsplan, der sicherlich eine nützlich Sache sein kann — sein kann! —, kann auch zu einer bürokratischen Schikane werden. Beide Möglichkeiten sind vorhanden. Es liegt jetzt an den Richtlinien. Weil wir schon bei diesen Richtlinien sind, möchte ich sagen, daß wir Freien Demokraten es sehr begrüßen würden, wenn man in diesen Richtlinien mehr Freiheit gewährte, und zwar den Ländern ebenso wie den örtlichen Dienststellen. Es ist sehr schlecht, wenn über die Kreditgewährung nur am grünen Tisch entschieden wird. Ich teile die Auffassung des Gutachtens, daß die Beratung hier eine wesentliche Funktion zu erfüllen hat. Ich teile allerdings nicht die Meinung, daß man Schule und Beratung trennen sollte. Die Einheit zwischen Schule und Beratung, die in weiten Teilen des Bundesgebietes besteht, hat sich bewährt. Von der Schule muß ja das Fundament für die Beratungsmaßnahmen gelegt werden. Ich bin auch nicht der Meinung, daß es sinnvoll wäre, eine neue Gesellschaft beispielsweise für Investitionsberatungen zu gründen oder — um an das amerikanische Beispiel anzuknüpfen — die Beratungen plötzlich in die Fakultäten zu verlegen. Aber das wäre ein weites Feld, und ich möchte Sie nicht allzu lange aufhalten, indem ich über dieses Gutachtens spreche. Ich nehme an, daß die Möglichkeit dazu noch im Ausschuß gegeben sein wird. Nun aber zurück zu der ganzen Planung, wie sida der Investitionsund Integrationsprozeß der Landwirtschaft vollziehen soll. Er muß zunächst davon ausgehen, daß das Fundament in der bäuerlichen Jugend durch die Schule und die ländliche Ausbildung gelegt wird. Dann muß eine Harmonie zwischen einer richtigen, guten, betriebswirtschaftlich fundierten Beratung und den Betriebsleitern hergegestellt werden. Ich habe mir in bezug auf das Gutachten über die zukünftige Gestaltung von Investitionen und Struktur noch das Wort „Kuratorien" aufgeschrieben. Nach dem Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirates sollen Kreiskuratorien gebildet werden. Ich glaube nicht, daß dann noch viele Kreditersuchen erfolgen würden, denn die Vertraulichkeit wäre nicht mehr gewährleistet. Es wäre sicherlich nicht im Sinne dieser Maßnahmen, wenn man nun plötzlich auf Kreisebene ein Gremium mit der Frage befassen würde, ob ein Betrieb entwicklungsfähig ist oder nicht. Nein, hier muß zunächst die Entscheidung in der Verantwortung des Betriebsleiters stehen, und dann auch die Entscheidung in der Verantwortung des auf Ortsebene bzw. Kreisebene tätigen Beraters. Man muß auch Vertrauen haben. Da wir schon bei diesen Beratern sind: Ich habe große Sorge, daß wir in Zukunft überhaupt noch genügend Berater haben werden. Noch schlimmer Ertl ist es bei den landwirtschaftlichen Beraterinnen. Wir haben mit der Zeit ein ,so kluges Ausbildungssystem geschaffen, daß wohl auf die Dauer die Zahl derjenigen, die sich dieser langen Ausbildung überhaupt noch unterziehen wollen, ständig geringer wird. Ich meine auch, Herr Bundesminister, daß Sie darüber einmal ein Gespräch mit den Ländern führen sollten. Denn ist das sinnvoll., was man hier zum Teil ganz unterschiedlich macht? Wäre hier nicht auch eine gewisse Koordinierung am Platze? Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluß zu dem Antrag Umdruck 21. Kollegen meiner Fraktion wollen hiermit einen Versuch unternehmen, die Benachteiligung in den Bergbauerngebieten, in den Höhengebieten, auszugleichen. Wir wissen, ,daß die Frachten ein großes Problem sind für den Bezug der Betriebsmittel, aber auch für den Absatz von Produkten. Wirmeinen, hier sollten wir Wege suchen — sei es durch Frachtbeihilfe, sei es durch Sondertarife —, diese Wettbewerbsnachteile auszuschalten. Wir sind auch der Meinung, daß gerade im Hinblick auf die gesunde Struktur in diesen Höhengebieten für die Erhaltung einer großartigen Erholungslandschaft die Frage des Urlaubs und der Ferien für die städtische Bevölkerung auf dem Lande eine große Rolle spielt, und nicht zuletzt ist das natürlich auch für die Einkommensentwicklung der kleineren Betriebe in diesen Höhenlagen von Bedeutung. Daher meinen wir, daß man auch den Versuch machen sollte, durch entsprechende zinsbegünstigte Darlehen die Möglichkeit des Ausbaus von Gästezimmern vorzusehen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Anträgen Ihre Zustimmung gäben, weil wir glauben, daß sie einen ersten Versuch darstellen, gerade die Wettbewerbsnachteile, die aus der Marktferne und aus der Höhenlage entstehen, ein klein wenig durch wirtschaftliche Maßnahmen auszugleichen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den kommenden Wochen und Monaten werden uns die Probleme im Zusammenhang mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft noch sehr beschäftigen. Ich habe auch gemischte Gefühle, Herr Kollege Schmidt, im Hinblick auf all das, was sich vielleicht dort an Schwierigkeiten aufbauen wird oder vielleicht schon wieder aufgebaut hat. Wir wollen daher — mein Kollege Effertz hat ja schon darauf hingewiesen — von uns aus, vom Parlament aus noch einmal die Bundesregierung bitten, unsere Belange konsequent in der Weise zu vertreten, daß nicht nur einseitige Zugeständnisse gemacht werden. Ich glaube, in diesem Punkt sind sich Koalition und Opposition einig; denn es geht, wie Kollege Effertz gesagt hat, in der Tat heute nicht mehr allein darum, daß Preisnachteile für die deutsche Landwirtschaft auf uns zukommen — wir haben darauf immer wieder hingewiesen —, sondern es geht letzten Endes darum, daß dieser Haushalt gar nicht in der Lage ist, einerseits die Mittel für Brüssel aufzubringen und ,andererseits überhaupt einen Einkommensausgleich zu finanzieren. Daher ist die Situation für die Bundesregierung doppelt schwierig. Herr Minister, unsere Anträge, die wir gern noch erläutern — wir haben Ihnen bereits in Gesprächen ausführlich unseren Katalog von Bedingungen genannt —, sind zum Teil in gemeinsamen Anträgen der CDU/CSU und FDP enthalten. Wir sind aber auch der Meinung, daß ein allgemeiner Plafond für alle Erstattungen und vieles andere gefunden werden muß. Wir werden sicherlich in Einzelheiten über diese wichtigen . Fragen der kommenden Europaund EWG-Politik hier noch einmal zu sprechen halben. Ich komme zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es wurde heute schon von der großen Wolke gesprochen. Nun, jeder, der ein bissel was von Wolken versteht, weiß, daß dann ein Regen kommt, wenn sie sich auflöst. Wir wollen hoffen, daß unsere gemeinsamen — — — Na, also, Herr Kollege Marquardt, Sie dürfen einem alten Segelflieger nicht sagen wollen, was mit Wolken los ist. Das dürfen Sie mir glauben. Fragen Sie einen Meteorologen! Wir hoffen, daß die gemeinsame Arbeit von Parlament und Regierung sich segensreich auswirkt für unsere Landwirtschaft, für unsere bäuerliche Landwirtschaft, die zu erhalten es für die Zukunft gilt. Wir glauben auch, daß derjenige, der sich heute um die Landwirtschaft kümmert — und das sage ich hier in diesem Plenarsaal, auch wenn nicht mehr viele Kolleginnen und Kollegen anwesend sind —, letzten Endes auch dem gesamten Volke nützt. Das Wort hat Herr Abgeordneter Bewerunge. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese ganze Debatte stand unter dem Aspekt vieler Wirtschaftsberichte. Wir denken an den Bericht des Finanzministers über die Haushaltslage der kommenden Jahre, die Sorge — mit Rücksicht auf die Agrarvorstellungen —, ob die Haushalte reichen werden, und daran, wie die Dinge sich entwickeln werden und daß wir die Glaubhaftigkeit unserer Agrarpolitik unter Beweis stellen müssen. Ich sage das deshalb, weil ich gerade aus meinem Lande weiß, daß die Opposition — in diesem Falle die SPD — bei der Diskussion um den Landeshaushalt einen Antrag stellte, von 242,9 Millionen DM im Landeshaushalt für den Einzelplan 10 insgesamt 90,7 Millionen DM zu streichen; das sind 37 % des Landeshaushalts. Es ist Gott sei Dank noch gut gegangen. Aber wir können doch feststellen, in welch schwieriger Situation wir uns befinden, wenn wir uns mit den Forderungen zur Agrarpolitik nicht glaubhaft machen. Hier wurde immer wieder gesagt, daß wir das auch mit der gewerblichen Wirtschaft abstimmen müßten. Wir sollten uns Mühe geben, die Daten, die wir nennen, der gewerblichen Wirtschaft so darzustellen, wie sie dort gebraucht werden. Zur Methodik ist hier viel gesagt worden. Eines hat mich etwas enttäuscht. Herr Dr. Schmidt, Sie haben gesagt, hier werde so eine Gesundbeterei geBewerunge macht. Ich habe Sorge, daß wir diesen guten Grünen Bericht in der Öffentlichkeit noch zerreden. Sie wissen, daß die Produktivitätsfortschritte berücksichtigt werden. Sie wissen, daß wir 8000 gut geleitete Betriebe überprüfen. Wir sollten alles tun, in dieser Frage auch in der Zukunft in der Öffentlichkeit glaubhaft zu bleiben. Sie wissen, daß sich die Produktivitätsfortschritte in der Zeit von 1954 bis 1965 beispielsweise auch trotz des Weggangs von einem Drittel der Arbeitskräfte aus den Betrieben darstellen — auch dies wird doch bei der Beurteilung des Grünen Berichts berücksichtigt —; trotzdem haben wir diese Steigerung der Produktivität. Zwei Gründe für die zurückgebliebene Einkommensentwicklung — sie sind, glaube ich, heute schon angesprochen worden — sind zu nennen: erstens die Lohnentwicklung in den außerlandwirtschaftlichen Bereichen und ihre Auswirkung auf die Landwirtschaft und zweitens die Preisbildung für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Das sind die Ursachen der Entwicklung. Wir bejahen selbstverständlich alle die Tarifhoheit der Sozialpartner. Wir wissen jedoch, daß sich die Forderungen immer nach dem produktivitätsstärksten Unternehmen richten und daß man bereit ist, entsprechend höhere Löhne zu gewähren. Dadurch hat sich gerade auf dem Gebiete der Dienstleistungen eine Situation entwickelt, die in der Landwirtschaft bei Reparaturen an Maschinen und Gebäuden nur schwer verkraftet werden kann. Daher blieb es bei dieser Disparität. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Großbritannien und Japan die großen Zuschußgebiete für Agrarerzeugnisse sind und daß alle Agrarüberschüsse auf diese Märkte drängen, weil diese Länder zu einer echten Bezahlung dieser Nahrungsmittel in der Lage sind. Unter diesem Druck stehen wir. Zusätzlich ergibt sich für uns in der EWG eine noch unangenehmere Situation, weil einerseits unsere Partnerländer in der EWG auf unseren Markt drängen, andererseits aber auch die Ostblockländer nicht nur eine Aufrechterhaltung ihres bisherigen Exports, sondern eine Erweiterung ihrer Agrarausfuhr in die Bundesrepublik wünschen und außerdem die klassischen Handelsbeziehungen zu den Drittländern gepflegt werden sollen. Ich bin der Meinung, daß wir das respektieren sollten. Aber das kann nicht einseitig von einem Berufsstand getragen werden. Wenn es allgemein wirtschaftliche Wünsche sind, sollten sie von der Gesamtheit des Volkes getragen werden. Es gibt aber eine gefährliche Aussage, auf die ich zurückkommen muß; und das ist immer noch das Vorgespräch zur Strukturpolitik. Es heißt, daß wir unsere Produktion ungefähr auf dem derzeitigen Stand einfrieren lassen sollten und daß wir das klassische Einfuhrland für Nahrungsmittel auch nach den Vorstellungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bleiben sollten. Ich glaube, meine Damen und Herren, hier kommen wir zu einem kritischen und ernst zu nehmenden Punkt. Wenn man uns in der Bundesrepublik die Produktionsmöglichkeit pro Betrieb oder in der Ganzheit beschneidet, dann, glaube ich, sollten wir nicht mehr von Familienbetrieben reden. Wenn Sie der Landwirtschaft die Produktivitätssteigerung pro AK oder pro Flächeneinheit nehmen, haben Sie ihr zur gleichen Zeit den Todesstoß versetzt. Stellen Sie sich das Entsprechende im industriellen Bereich vor. Wenn man dem Volkswagenwerk sagen würde: „Das derzeitige Produktionsniveau = 100 darf nie überschritten werden", würde dieses Volkswagenwerk morgen nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Ich glaube also, daß man diese Frage der quantitativen Begrenzung, Herr Dr. Effertz, wie Sie sie ansprachen, nach Ihren Ausführungen nicht annehmen dürfte. Denn Sie fangen beim Betrieb an, Sie fangen mit der Bundesrepublik an. Die quantitative Begrenzung ist einfach ein Rückschritt, weil der technische Fortschritt größere Produktionsmengen zuläßt. Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage? Herr Kollege Bewerunge, jetzt haben Sie mich aber gründlich mißverstanden. Ich habe ständig von der Chancengleichheit gesprochen. Ich hätte allerdings dazu noch sagen müssen: — — — Gut, eine Frage. Sind Sie nicht der Meinung, daß wir den Mut haben sollten, endlich aufzuhören, vom Importland zu sprechen, und statt dessen zu sagen, daß wir unserer deutschen Landwirtschaft mit Rücksicht auf die Kleinbetriebe sogar empfehlen müssen, zusätzlich für den Export zu produzieren? Das Gegenteil von dem, was Sie aus meiner Rede herausgehört haben! Sie sprachen davon, daß man sich über eine quantitative Begrenzung einigen könne und das, was darüber hinaus (Abg. Dr. Effertz: Mit Bezug auf die Finanzierung, auf den gemeinsamen Fonds; obere Grenze!)

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502427300
Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0502427400







(Beifall bei der FDP.)





(Beifall bei der FDP.)

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502427500

(Beifall.)

Annemarie Griesinger (CDU):
Rede ID: ID0502427600




(Beifall.)


(Beifall bei der CDU/CSU.) Wir sollten das, so meine ich, honorieren.


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Abg. Frehsee: Bis 1964!)


(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)





(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502427700

(Erneuter Beifall.)

Josef Ertl (FDP):
Rede ID: ID0502427800










(Zuruf des Abg. Marquardt.)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502427900
Karl Bewerunge (CDU):
Rede ID: ID0502428000



Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502428100
Dr. Josef Effertz (FDP):
Rede ID: ID0502428200

(Zurufe: Frage!)

Karl Bewerunge (CDU):
Rede ID: ID0502428300

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502428400
Verzeihung — keine Diskussion bitte! Wir sind in der Zeit sehr, sehr begrenzt.

Karl Bewerunge (CDU):
Rede ID: ID0502428500
Dann wäre ich Ihnen dankbar, Herr Kollege Effertz — — Dieses Wort „quantitative Begrenzung" war für mich geradezu ein Alptraum, denn damit nehmen wir uns die Produktionschancen; und das könnten wir nicht vertragen.
Sie haben recht, daß es innerhalb der EWG keine Import- und Exportländer für Agrarerzeugnisse geben könnte. Wir erleben gerade, wie die europäischen Länder mit großen Marketing-Aktionen auf unseren Markt kommen. Das sind nicht etwa nur die klassischen Agrarexportländer wie Frankreich und Holland; wir sehen, daß auch Belgien sich mit allen Mitteln darin einschaltet. Wir sprechen von der Verlagerung der Handelsströme. Wir sollten nicht mehr nur akademisch darüber reden, wir sollten wirklich handeln. All das sind die Voraussetzungen dafür, überhaupt über Strukturmaßnah-



Bewerunge
men und damit über Entwicklungstendenzen in der Landwirtschaft sprechen zu können. Wenn nur die bisherige Preishöhe bestehen bleibt und nur die bisherige Preismöglichkeit gegeben ist, dann wird die Entwicklung für die Landwirtschaft gegenüber den anderen Wirtschaftsbereichen recht schwierig sein.
Nach den Unterlagen des letzten Wirtschaftsgutachtens geht die Erhöhung des Beitrages zum Bruttoinlandsprodukt in den Wirtschaftsbereichen seit 1950 in der Landwirtschaft nur zu 13 % auf höhere Preise zurück, während in der Industrie 20 %, in Handel und Verkehr 27 %, in den übrigen Bereichen 40 % nicht auf echte Produktionssteigerungen, sondern auf Preiserhöhungen zurückgingen.
Die Landwirtschaft hat somit in einem Maße zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen wie sonst kein Wirtschaftsbereich. Und wenn ich sagte, eine erfolgreiche Strukturpolitik könne nur auf der Basis einer zielstrebigen Preis- und Einkommenspolitik betrieben werden, dann bedeutete dies, daß zwischen beiden, zwischen preis- und einkommenswirksamen Maßnahmen eindeutig ein sehr enger Zusammenhang besteht. Beide Maßnahmen sind gegeneinander austauschbar.
In dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats wird festgestellt, daß Strukturmaßnahmen nur auf lange Sicht preispolitische Maßnahmen ersetzen können. Ich sage das, weil dieses Wort „Struktur" so oft als Zauberwort betrachtet wird. Der Ersatz preispolitischer Maßnahmen erfordert leider — und diese Tatsache sollten wir uns merken — ein Vielfaches an Kapital. Grob geschätzt bedeutet das, daß ich, wenn ich i Million DM bei preis- und einkommenswirksamen Maßnahmen einbüße, das Fünfzehn- bis Dreißigfache an Kapitalinvestitionen bei strukturellen Maßnahmen benötige. Deshalb würde eine volle oder teilweise Umstellung von preis- und einkommenswirksamen Maßnahmen auf strukturelle Maßnahmen eine unübersehbare Ausweitung des landwirtschaftlichen Haushalts nach sich ziehen, und der Kapitalbedarf von aufstockungswilligen Betrieben zu Vollerwerbsbetrieben würde in den nächsten Jahren mit Mobilisierung des Bodenwertes nach Schätzung von Professor Weinschenk 60 bis 90 Milliarden DM, ohne den Bodenwert 30 bis 40 Milliarden DM betragen. Wir wissen alle, wie eng der Spielraum unseres Haushalts ist, und ich glaube, wir sollten diese Entwicklungsmöglichkeiten und die Grenzen der Agrarstrukturmaßnahmen sehen, um nicht falschen Vorstellungen nachzugehen.
Wie groß der Kapitalbedarf der Landwirtschaft ist, macht der Grüne Bericht deutlich. Im Jahre 1964 wurden insgesamt 3,6 Milliarden DM für die Einsparung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft ausgegeben. Da 140 000 Arbeitskräfte ausgeschieden sind, sind pro Arbeitskraft 26 000 DM investiert worden.
Nun kommt die geringe Finanzierungskraft der Landwirtschaft, und darin sollte uns die gewerbliche Wirtschaft auch verstehen. Wieder nach dem Gutachten war in der gesamten Volkswirtschaft der Anteil der nicht entnommenen Gewinne an der Finanzierung der Nettoinvestitionen von 1950 bis
1963 durchschnittlich 60 %. Das bedeutet, daß nur 40 % der Nettoinvestitionen unter Aufnahme von Fremdkapital finanziert werden mußten. In der Landwirtschaft mußten demgegenüber in den letzten Wirtschaftsjahren 1961/62 97,1 %, 1962/63 96 %, 1963/64 89,3 % und 1964/65 100 % der Investitionen durch Fremdkapital finanziert werden.

(Abg. Dr. Schäfer: Wollen Sie das nicht zu Protokoll geben? Sie haben das so schön ausgearbeitet!)

Ich will nur eins sagen: Deshalb ist uns der 3%ige Hofkredit ein besonderes Anliegen. Wir wissen um die Schwierigkeiten, und wir werden uns bemühen müssen, diese Hofkredite wiederherzustellen.
Ich darf um folgendes bitten, und damit will ich auch gern meine Rede beenden. Die CDU/CSU-Fraktion ist der Meinung, daß wir jetzt bei den vielen vorhandenen Anträgen, die gestellt wurden, in keinem Falle die Änderung der Richtlinien für die Althofsanierung, Aussiedlung usw. fordern sollten. Stellen Sie sich vor, wenn dieser Wust von Anträgen nun wieder zurück müßte und mit geänderten Richtlinien bei den Bauern und den Betreuungsgesellschaften bearbeitet werden müßte: das wäre schlecht. Wir sollten uns Mühe geben, jetzt sehr schnell die Mittel wieder freizugeben, um das Vertrauen der Landwirtschaft zu all den Strukturmaßnahmen in vollem Umfange wiederherzustellen. Das scheint mir zunächst das Notwendigste zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502428600
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen).
Meine Damen und Herren, ich möchte aber noch einmal auf die Uhr verweisen und sagen, daß wir die Aussprache um 21 Uhr schließen müssen, weil dann noch über Anträge abzustimmen ist.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502428700
Herr Bundesminister, ich möchte sagen, daß Sie mich heute enttäuscht haben. Ich habe Sie nicht für so empfindlich gehalten. Ich entnehme daraus, daß der erste Hieb sehr gesessen hat, und ich vermute, daß es in absehbarer Zeit ganz schön hier zugehen kann, zumal wir Ihnen ja gesagt haben, daß die Schonzeit zu Ende ist.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Sie haben am Schluß Ihrer Darlegungen einen Appell in bezug auf die Gemeinsamkeit der Beratungen hier vorgebracht. Wir sind — das wissen Ihre Kollegen aus dem Ausschuß — bei sachlicher Arbeit immer dabei und lassen uns in dieser Arbeit von niemandem übertreffen. Ich will Ihnen aber auch sagen: Wir machen uns nur nicht so viel vor wie andere und lügen uns nicht selbst etwas in die Tasche.
Sie haben sich über unser Verhältnis zur Landwirtschaft geäußert. Ich will Ihnen sagen: dieses Verhältnis zur Landwirtschaft ist sehr ehrlich, wir bereiten ihr keine Enttäuschungen. Und ich selber, der ich ja immer noch praktizierender Landwirt bin,



Dr. Schmidt (Gellersen)

fühle mich in meiner Partei außerordentlich wohl. Daraus mögen Sie ersehen, wie unser Verhältnis zur Landwirtschaft im Grunde ist.
Ihre Interpretation der Bemerkung über die buchhalterischen Kunststücke war sehr interessant. Ich bin auch bereit, das im Ausschuß zu belegen. Ich will Sie nur auf ein Papier verweisen, das Ihr Haus uns Abgeordneten zur Verfügung gestellt hat und das sich mit den Vorbelastungen usw. im Haushalt befaßt. Daraus können Sie entnehmen, welche Kunststücke man dort im einzelnen vollzogen hat.
Sie haben gesagt, daß die Bundesregierung für die Infrastruktur alles mögliche getan habe. Ich halte mir nur einmal den Bayerischen Wald und das große Gebiet des Zonenrands vor Augen. Da haben Sie zwar einiges gemacht — das haben wir sogar allesamt, zusammen mit der Regierung, gemacht —; aber Sie werden mir doch zugeben müssen, daß da bei der Landwirtschaft und gerade bei den kleinbäuerlichen Betrieben außerordentlich viel fehlt. Die Generaldebatte im Bayerischen Rundfunk über dieses Thema hat doch immerhin einiges zutage gefördert, was zeigt, daß es auch in Ihrem Land Bayern noch sehr an den regionalen Wirtschaftsmaßnahmen mangelt.
Noch eine Bemerkung zum Kleinbauernprogramm. Sie werden nicht abstreiten können, daß Sie in den ersten Wochen Ihrer Tätigkeit sehr oft über dieses Programm geredet haben. Ich erinnere nur an das Interview im „Bayerischen Wochenblatt" ; da war ausführlich hiervon die Rede. Nur sind Sie damals ausgewichen in der Frage, wie es aussehen soll. Mal haben Sie dies gesagt, mal haben Sie das gesagt. Wir erwarten von Ihnen noch eine endgültige Antwort.
Wenn es zur Praxis geht, Herr Minister, dann sieht es allerdings anders aus. Ihr Haus, Herr Minister, hat es an der Durchführung dieser Maßnahmen bisher völlig fehlen lassen. Ich erinnere Sie an das Zweckvermögen bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank in Frankfurt. Es wurden einmal, ich glaube im Jahre 1964, 30 Millionen DM dorthin verlegt. Das Zweckvermögen hat heute einen Umfang von 67 Millionen DM oder ähnlich. Es ist uns gesagt worden, daß die 10 Millionen DM für die freiwillige Landabgabe ebenfalls dorthin dotiert worden seien. Völlig falsch, — die sind in ganz andere Kanäle gegangen! Fest steht, daß Ihr Haus in dieser Frage herzlich wenig, so gut wie gar nichts getan hat. Das Programm für diesen Sektor fehlt ja noch. Vielleicht wären Sie in der Lage, dieses Programm in absehbarer Zeit vorzulegen.
Nun zur Milchwirtschaft. Ich habe nie die Leistungen der deutschen Milchwirtschaft bestritten. Das fällt mir gar nicht ein. Ich weiß, daß wir auf Teilgebieten der Milchwirtschaft sogar führend in Europa und in der Welt sind. Aber wenn Sie sich einmal mit den milchwirtschaftlichen Verbänden unterhielten, dann würden Sie feststellen müssen, daß diese Verbände tagaus, tagein auf eine Neuorientierung der Milchpolitik drängen. Nur Ihr Haus kommt diesem Drängen nicht nach, einem Drängen, das durch die Entwicklung in Brüssel begründet ist.
Jetzt zu Herrn Effertz. Herr Effertz, Sie können versichtert sein, meine Freunde und auch Schmidt (Gellersen) sind daran interessiert, daß der Gemeinsame Markt am 1. Juli 1967 in Kraft tritt. Es wird eine Chance für uns sein, kein Nachteil. Sie dürfen nicht immer nur solche Nachteile hineinlesen. Natürlich liegt es auch an Ihrer Regierung, die nicht das Nötige tut. Wo bleiben die Maßnahmen zur Marktstruktur, über die wir uns im Grunde einig sind, auch über die gesetzliche Sicherung? Aber im Grunde kann der Gemeinsame Markt nur wünschenswert sein, gerade auch für die deutsche Landwirtschaft. Ich habe keine Zeit mehr, Ihnen auseinanderzusetzen, warum dem so ist.
Dann bin ich unmittelbar auf unser Bekenntnis zu den Preisen angesprochen worden. Ich habe heute von dieser Stelle etwas über den Milchpreis gesagt, über den Milcherlös für den Bauern, und ich habe den Wunsch ausgedrückt, daß dieser Milcherlös möglichst nicht angeknabbert werden sollte. Ich darf Sie daran erinnern, daß meine Fraktion in der letzten Legislaturperiode in zwei preispolitischen Fragen geschlossen sogar mit Ihnen zusammen die Beschlüsse gefaßt hat. Da sollten Sie es doch zumindest hier — draußen können Sie es vielleicht machen, da können wir es nicht kontrollieren — nicht wagen, uns immer mit diesem eigenartigen Thema zu kommen. Für uns gilt, daß Preispolitik, Strukturpolitik und Sozialpolitik zu einer Einheit gehören. Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Herr Bauer hat auch das Thema Kleinbauern angesprochen. Herr Kollege Bauer, wem sagen Sie das? Wer will kleine Landwirte von ihrer Scholle vertreiben? Doch niemand! Aber viele haben den Drang zur Alternative, wenn sie nur könnten. Sie müssen ihnen die Chance geben, zumindest eine Berufsumschulung — —

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Das tun Sie nicht. Das werden Sie morgen in der Fragestunde erleben. Das steht alles auf dem Papier. Aber in der Praxis wird es nicht getan. In Bayern gibt es zwei große Fälle, das weiß ich. Aber sonst ist es sehr, sehr mau. Wir nützen die Chancen, die für uns dabei von der EWG kommen, gar nicht. Ich folge auch durchaus dem Vorschlag, einen anderen Beruf zum Hauptberuf für den kleinen Landwirt zu machen. Dann soll er von mir aus den kleinen Betrieb extensiv weiterbewirtschaften. Aber das ist nicht das einzige. Es gibt die langfristige Verpachtung, die Neuexistenzgründung usw.; ich will Ihnen nicht unser ganzes Programm vorlesen.
Nun eine letzte Bemerkung zu Ihnen, Herr Bauer (Wasserburg). Sie haben am Schluß Ihrer Rede einen großen, ein bißchen dramatischen Appell an das Hohe Haus gerichtet und gesagt, solche Appelle müsse man auch an die anderen Partner drüben in der EWG richten. Herr Bauer, in Brüssel sind solche Appelle überhaupt nicht gefragt.

(Abg. Bauer [Wasserburg] : O nein!)

Die können Sie in Bayern in den Versammlungen
vorbringen. Aber in dem harten Geschäft in Brüssel
— fragen Sie mal den Minister und fragen Sie sei-



Dr. Schmidt (Gellersen)

nen Kollegen Schmücker, es ist ein sehr hartes Geschäft! — gibt es solche Emotionen nicht.
Ein letztes Wort zu den Anträgen.

(Zuruf: Ein allerletztes!)

Sie sollen alle dem Ausschuß überwiesen werden; einverstanden. Aber lassen Sie mich zu dem Entschließungsantrag Umdruck 23 noch zwei, drei Sätze sagen. Verzeihen Sie mir — auch am Ende der Debatte sollte man nicht so hart sein —, aber ich halte diesen Antrag für eine Augenwischerei.

(Widerspruch des Abg. Bauknecht.)

— Natürlich. Sie wissen doch ganz genau, Herr Kollege Bauknecht, daß sich das, was Sie hier auf der ersten Seite unter den Nrn. I 1 bis 4 — zumindest 1 bis 3 — fordern, überhaupt nicht realisieren läßt.

(Abg. Bauknecht: Aber doch!)

— Hören Sie, Sie werden in den nächsten Wochen ernüchtert zurückkehren.
Was den Punkt 5 angeht, bin ich einverstanden. Aber die Kommission hat schon einen Vorschlag zur Höhe der Orientierungspreise gemacht. Ich habe auch meinen Freunden in der Fraktion und in der Partei gesagt, daß im Interesse der stärkeren Belieferung der Verbraucherschaft in der EWG mit Rindfleisch eine Anhebung des Orientierungspreises notwendig ist, damit eine ausreichende Produktion den Markt versorgen kann.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502428800
Verzeihung, Herr Abgeordneter, Sie können jetzt nicht die Änderungsanträge begründen.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502428900
Das tue ich doch gar nicht.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502429000
Sie haben das eben getan.

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502429100
Nein, ich begründe nicht. Ich wollte nur eine Bemerkung dazu machen.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502429200
Gut, ich habe das durchgehen lassen.

(Abg. Struve: Frau Präsidentin, er spricht schon dazu, obwohl es nicht begründet ist!)


Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0502429300
Gut, dann will ich darauf verzichten.

(Abg. Dr. Mommer: Zur Geschäftsordnung!)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502429400
Bitte sehr, Herr Mommer zur Geschäftsordnung.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0502429500
Frau Präsidentin, da muß ich doch eine Bemerkung zur Geschäftsordnung machen. Diese Anträge stehen alle hier zur Debatte. Sie müssen nicht erst am Schluß der Debatte begründet werden, um dann erst debattiert werden zu
können. Dann würden wir um Mitternacht immer noch hier sitzen. Ich glaube also, daß mein Kollege Schmidt im Recht war, als er jetzt einige Bemerkungen zur Sache machte.

(Abg. Struve: Zur Geschäftsordnung!) Vizepräsident Frau Dr. Probst: Herr Abgeordneter Struve zur Geschäftsordnung.


Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0502429600
Ich glaube, Herr Kollege, wir waren uns interfraktionell einig, daß wir alle Sachen an die Ausschüsse überweisen. So gesehen dürfte es zweckmäßig und sinnvoll sein, sowohl auf die Begründung als auch auf eine Debatte hier zu verzichten.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502429700
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Es ist zehn Minuten vor neun Uhr, wenn ich darauf hinweisen darf.

Hermann Höcherl (CSU):
Rede ID: ID0502429800
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf meine abschließende Bemerkung damit beginnen, daß ich dem Ältestenrat dafür danken möchte, daß wir mit dieser Debatte zum erstenmal nicht in die letzten Stunden eines Freitags verwiesen worden sind, sondern mitten in die Woche.

(Beifall.)

Nun, die Präsenz ist natürlich auch auf das berühmte Häuflein der Aufrechten zusammengeschmolzen. Ich darf allen Beteiligten danken, vor allen Dingen denen," die sich an dieser Debatte beteiligt haben.
Nun zunächst zu unserem Freund Effertz, den wir alle als großen Fachmann und als strengen Kritiker kennen. Er hat hier kritische Worte gefunden. Er ist in die Vergangenheit zurückgegangen, in das Jahr 1964, hat vor falschem Optimismus gewarnt. Ich darf dazu folgendes sagen. Mit dem Mantel der koalitionsmäßigen Barmherzigkeit wollen wir das eine oder andere überdecken, was vielleicht oppositionell geklungen hat. Aber ich glaube, es war gut gemeint, und die gute Absicht ist nun auch etwas Entscheidendes und Anerkennenswertes. Wir werden keinen falschen Optimismus hegen und nicht mit einem falschen Optimismus nach Brüssel gehen, sondern wir wissen ganz genau, daß es sich um ein Parkett handelt, auf dem hart gefochten wird, auf dem Interessen zu vertreten sind und auf dem ein Kompromiß für Europa gefunden werden muß. Diese Überlegung und diese Einstellung wird unsere Haltung 'bestimmen.
Natürlich muß man wissen, was das finanzielle Engagement für alle Beteiligten bedeutet. Nicht nur die Finanzminister, sondern wir alle, vor allem die Parlamente, wollen Auskunft und Aufklärung darüber, über welche Beträge einmal zu befinden ist. Deswegen sind wir sehr daran interessiert, daß vor der Abstimmung und vor der Erledigung der Agrarfinanzierung und der endgültigen Regelung



Bundesminister Höcherl
bestimmt ist, in welchen Größenordnungen — durch Marktordnungen bestimmt und ausgerichtet — nun einmal in diesem Fonds finanziell albgehandelt wird. Das Brutto- und Nettoprinzip gehört zu den unabdingbaren Forderungen, die die Bundesrepublik immer gestellt hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Nun darf ich mich ganz kurz dem Herrn Kollegen Frehsee zuwenden, der ja nun der Frau Präsidentin assistiert und mir gar nichtgegenübersitzt. Aber die Antwort wird sich auch so geben lassen. Sehr geehrter Herr Kollege, gerade Ihre Beiträge sind immer ganz besonders gewichtig und auch besonders gefährlich, weil sie mit Charme eingekleidet und mit vielen Zustimmungen ausgestattet sind, aber doch sehr beachtlichen Inhalt haben. Man muß Obacht geben, um die gefährlichen Spitzen nicht zu übersehen, weil sie wirklich gut verpackt sind.
Was den sozialen Durchbruch betrifft, so wäre hier fast ein Autorenstreit entstanden. Ich habe Ihr Sozialprogramm aus dem Jahre 1963 erst gestern noch einmal nachgelesen — zweifellos ein beachtliches Programm, in vielen Punkten überholt. Aber, meine Damen und Herren — Sie haben es gesagt und auch Herr Frehsee hat es zugegeben —, das sind die Erkenntnisse, die für jeden in der Entwicklung ,sichtbar waren. Wir alle halben sie gemeinsam gehabt; der eine hat sie formuliert, wir haben sie mit Ihrer Hilfe durchgesetzt. Wir sind alle davon überzeugt, daß eine Position von 765 Millionen DM für den menschlichen Teil in der Agrarpolitik für uns alle ein Anlaß zur Genugtuung ist. Aber wir sollten keinen falschen Autorenehrgeiz entwickeln, daß es der Opposition bedurft hätte, um diesen revolutioären Durchbruch zu erzielen. Das scheint mir mehr ein Manöver zu sein, dem Gesprächsstil zu entsprechen, der nach dem Manöver und nach der Jagd gebraucht wird.

(Zuruf von der SPD: Haben Sie ein Glück, daß der Präsident nicht da ist!)

Nun, Sie haben die wichtige Frage der Krankenkassen und der Krankenversicherung angesprochen und sich darüber beschwert, daß wir Untersuchungen anstellen über die Ausdehnung und das Volumen des Krankheitsschutzes, über die Notwendigkeit eines Krankheitsschutzes und die Lücken in gesundheitlicher Hinsicht, die in diesem Bereich gegen alle Erwartungen zu verzeichnen sind. Man kann über die Gründe streiten; es ist hier auch keine Diskussion notwendig. Wenn ich aber nun sage, daß ich Untersuchungen anstellen werde, dann möchte ich damit folgendes zum Ausdruck bringen. Damit ist das Thema nicht verworfen, sondern die Worte sollen kleiner sein als die Taten. Das ist der Sinn einer solchen Formulierung. Herr Frehsee, die Zahlen, die ich sammle, stammen aus einer Institution oder sollen aus einer Institution kommen, die mir sehr nahesteht und die auch uns nahesteht, nämlich aus der Agrar-Sozialen Gesellschaft. Es handelt sich nicht um die Zahlen des Bauernverbandes. Diese werden wir aber auch heranziehen. Warum sollte das verboten sein? Was soll daran sein? Sollen das gefährliche Zahlen oder Zahlen sein, denen ein Geruch
anhaftet? Das ist ganz und gar nicht der Fall, Wir werden darüber hinaus auch noch andere Erkenntnisquellen erschließen, um dieser Frage auf den Leib zu rücken. Ob es nun eine Zwangsversicherung sein wird oder ob wir eine andere Form finden werden und vor allen Dingen, in welcher Form wir den Beitrag bestimmen werden, ob wir vielleicht einmal im Rahmen einer notwendig werdenden Verbesserung der Altershilfe hier ansetzen, statt in der Altershilfe einen Schritt zu tun, das alles sind Überlegungen, die noch nicht ausgegoren sind. Ich wollte damit nur skizzieren, in welcher Richtung sich eine Lösung anbietet. Ich glaube, wir stimmen in dieser Frage dem Grundsatz nach und, wie ich für später hoffen darf, auch in der Lösung überein.
Was Sie mit dem Sozialwerk Ihrer Partei hier ansprechen, ist ein sehr, sehr schöner Begriff. Er ist ausfüllungsbedürftig. Vor allem muß das finanziell überlegt werden. Sie wissen ganz genau, daß jede soziale Entwicklung für die Betroffenen und auch vielleicht für die Bundeskasse, die unter Umständen zur Unterstützung angerufen wird, in die Millionenbeträge geht.
Dann haben Sie einige Positionen beanstandet, den Landarbeiterwohnungsbau oder -eigenheimbau, die Frage der Hauswirtschaft und den Beratungsdienst. Sie haben damit drei sehr wichtige Positionen angesprochen. Sie wissen ganz genau, was uns auferlegt war. Wir bekennen uns alle dazu, daß der Bundeshaushalt im Bereich aller öffentlichen Haushalte den ersten Stabiliserungsbeitrag zu erbringen hat. Es war nun die Notwendigkeit gegeben, diese Beträge irgendwo zu kürzen. Ich glaube, daß es kaum eine Position gibt, die unumstritten ist. Für jede Position, die unter der Kürzung zu leiden hatte, werden sich Stimmen finden, die sie unversehrt erhalten sehen wollen. Beim Landarbeitereigenheimbau ist die Kürzung besonders schmerzlich; darin pflichte ich Ihnen bei. Hier handelt es sich nämlich um ein Feld der Eigentumsbildung. Sehr beachtliche Überhänge aus dem letzten Jahr werden 14 oder 17 Millionen DM verzehren. Ich kann mir vorstellen — daß ich mich dazu nicht äußern kann, ist Ihnen klar —, daß der Haushaltsausschuß bei einer geeigneten Deckungsvorlage doch noch einen Ausweg findet. Sie hätten für dieses Anliegen meine Zustimmung und meine innere Überzeugung.
Was die Frau Kollegin Griesinger in einer so netten und charmanten Weise vorgetragen hat, und das Plädoyer, das sie für die Hauswirtschaftshilfe gehalten hat, hat alle überzeugt. Ich glaube, auch die Regierung braucht hier nicht überzeugt zu werden. Ich meine sogar, es ist die richtige Auslegung dieser Streichung, daß damit nicht dieses Anliegen vom Tisch gewischt werden sollte, sondern daß ein Betrag von 40 Millionen DM, der sich in einer gesonderten Position angeboten hat, vom „Streichquartett" erfaßt worden ist. Wir werden gemeinsam Mittel und Wege finden, das wiederherzustellen, was notwendig ist. Ich weiß, daß es sich um eine in die Breite wirkende und recht fruchtbare Einrichtung handelt, und ich möchte sagen, daß wir vielleicht im Investitionsbereich für diese Position einen Ersatz finden können, ohne daß wir gezwungen wer-



Bundesminister Höcherl
den, nun einen festen Betrag oder einen festen Rahmen zu nennen.
Nun muß ich mich noch ganz kurz dem verehrten Kollegen Dr. Schmidt zuwenden. Ich habe viele Fehler, Herr Dr. Schmidt, Empfindlichkeit gehört bestimmt nicht dazu. Wenn nicht schärfer geschossen wird, werden wir uns also vier Jahre hindurch ausgezeichnet vertragen. Auf „Schonzeit" lege ich keinen Wert. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, Ihr Feuer zu eröffnen. Ich werde mich verteidigen, und ich hoffe zu bestehen. „Etwas in die Taschen lügen" ist ein etwas kräftiger Ausdruck. Aber auch da bin ich nicht so empfindlich. Wir lügen uns nicht in die Taschen, wir haben Leistungen aufzuweisen, an deren Herbeiführung Sie sogar beteiligt waren.
Das berühmte Kleinbauernprogramm wird immer wieder mißdeutet. Ich wiederhole hier noch einmal, vielleicht zum letzten Mal, wenn es möglich wäre, Ihnen gegenüber, Herr Dr. Schmidt: Es handelt sich um Überlegungen, in welcher Form wir diejenigen Betriebsinhaber, die ihre Fläche bewirtschaften wollen, aber keine ausreichende Fläche haben und auch durch innere Aufstockung nicht so weit kommen können, daß sie daraus einmal ein modernes Einkommen beziehen können, auf die Dauer und nachhaltig eingliedern können in einen Prozeß, der der Qualitätsverbesserung dient und arbeitssparend ist. Das sind die Überlegungen, und darauf werden wir uns konzentrieren, weil wir diese Menschen auf dem Lande halten wollen. Es wird notwendig sein, ihnen noch zusätzliche Anreize für dieses Verbleiben, das im höheren Interesse liegt, zu geben.
In der Milchpolitik — das wissen Sie genau — stimmen wir überein. Es müssen neue Akzente gesetzt werden, Akzente, die vor allem die Rindfleischproduktion anreichern, aber auch vielleicht da oder dort noch der eine oder andere Akzent.
In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich mich noch einmal bei Ihnen bedanken, daß Sie diesem großen Thema der Landwirtschaft, die im Dienst der Ernährung steht, einmal soviel Zeit, soviel Ausdauer, soviel intensive Aufmerksamkeit und so interessante Diskussionsbeiträge gewidmet haben. Ich nehme aus dieser Debatte, auch wenn die Zahl der Anwesenden in der Relation nicht mehr ganz der Bedeutung der Landwirtschaft entspricht, den Mut zu einer gemeinsamen Weiterarbeit.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0502429900
Ich danke dem Herrn Bundesminister vor allem, daß er sich so
präzise in dem Rahmen der Beschlüsse des Ältestenrates gehalten hat; es ist 9 Uhr.
Ich höre, daß die noch anstehenden Redner Herr Ehnes und Frau Kalinke bereit sind, ihre Reden im Manuskript zu Protokoll zu geben. Darf ich Herrn Reichmann fragen, ob er desgleichen bereit ist, seine Ausführungen schriftlich zu Protokoll zu geben. — Ich danke Herrn Reichmann. Damit wären wir am Ende der Rednerliste.
Wir müssen noch über einige Anträge abstimmen, die aber sehr rasch erledigt werden können. Die SPD-Fraktion hat beantragt, den Grünen Bericht dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführendem Ausschuß und dem Wirtschaftsausschuß als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag auf Umdruck 21 auf. In Übereinstimmung mit dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schlage ich Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und an den Haushaltsausschuß — mitberatend — vor. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig so beschlossen.
Ich rufe den Entschließungsantrag auf Umdruck 22 auf. Es wird empfohlen, diesen Antrag dem Landwirtschaftsausschuß — federführend — und dem Wirtschaftsausschuß — mitberatend — zu überweisen. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Antrag auf Umdruck 23 auf. Empfohlen wird Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend — und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist so beschlossen.
Als letztes rufe ich den Antrag auf Umdruck 24 auf. Empfohlen wird Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Es ist einstimmig so beschlossen.
Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich danke dem Hohen Hause.
Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen vormittig, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.