Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, Art. 39 Abs. 3 Satz 3 dies Grundgesetzes gibt einem Drittel der Abgeordnetendes Bundestages das Recht, idle Einberufung des Bundestages zu verlangen. Der Bundestagspräsident hat demgemäß den Bundestag einberufen, und zwar auf Antrag der Fraktion der SPD. Die Tagesordnung ist nach § 25 der Geschäftsordnung festgesetzt.
Inzwischen ist mir ein weiterer Antrag — Drucksache IV/2491 — zum gleichen Thema von der Fraktion der CDU/CSU zugeleitet worden. Ich unterstelle, das Haus ist damit einverstanden, daß dieser Antrag mit behandelt wird. Wird dagegen Einspruch erhoben? — Herr Abgeordneter Schäfer, zur Tagesordnung?
— Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir widersprechen nicht dem Antrag, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Wir beantragen, gleichzeitig unseren Antrag Drucksache IV/2420 vom 25. Juni 1964 auf die Tagesordnung zu setzen.
Das ist der Antrag der Abgeordneten Gescheidle, Cramer, Erler und Fraktion der SPD, der die gleiche Sache betrifft, also die Bundespost. Ist das Haus damit einverstanden? — Kein Widerspruch!
Sollen weitere Anträge zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt werden? — Zur Tagesordnung Herr Abgeordneter Dürr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion hat soeben die Vorlage eines Antrages beschlossen. Leider liegt er dem Hohen Hause noch nicht schriftlich vor. Ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß auch dieser Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird. Ich habe von dien Vertretern der einzelnen Fraktionen bereits mündlich die Zusage bekommen, daß der Aufsetzung auf die Tagesordnung zugestimmt wird.
Ich unterstelle, das Haus ist einverstanden. Aber, Herr Abgeordneter Dürr, wir sollten den Antrag natürlich noch im Laufe oder Verhandlungen bekommen.
Also dieser Antrag — Drucksache IV/2492 — wird noch verteilt.Der Antrag ,der Fraktion der CDU/CSU wird gegenwärtig vervielfältigt und dann verteilt.Ehe ich :die Tagesordnungspunkte aufrufe, gedenken wir unseres am 15. Juli an einem Herzinfarkt verstorbenen Kollegen Josef Lermer.
Josef Lermer wurde am 3. November 1894 in Oberwalting im Kreise Straubing geboren. Als junger Landwirt entwickelte er den ererbten Hof zum Saatbaubetrieb und anerkannten Lehrbetrieb. Als 30jähriger wurde er — noch in den Jahren der Weimarer Republik — Kreisvorsitzender der Bayerischen Volkspartei. Von 1927 bis 1933 war er außerdem Vorstandsmitglied des Christlichen Bauernvereins Niederbayern.Nach dem Zusammenbruch von 1945 nahm Josef Lermer sogleich wieder am politischen Leben unseres Landes und seiner bayerischen Heimat teil. Im Jahre 1945 war er unter den Gründungsmitgliedern der Christlich-Sozialen Union im Kreise Straubing. Er gehörte für seine Partei ,dein Kreistag Straubing an, und zu gleicher Zeit übernahm 'er das damals schwierige Amt eines ehrenamtlichen Leiters des Ernährungsamts in Straubing.In vielfältiger Weise arbeitete Josef Lermer in der bäuerlichen Selbstverwaltung mit. Als Vorstandsmitglied und Kreisobmann des Niederbayerischen Bauernverbandes, als Mitglied des Bezirksverbandes im Regierungsbezirk Niederbayern und als Aufsichtsratvorsitzender mehrerer landwirtschaftlicher Genossenschaften nahm er in seiner Weise am politischen und am wirtschaftlichen Wiederaufbau teil.Er war außerdem Beisitzer des Arbeitsgerichts und des Verwaltungsgerichts in Regensburg. Josef Lermer war weiter Präsident der Katholischen Aktion für das Landvolk der Diözese Regensburg.Dem Deutschen Bundestag gehörte unser verstorbener Kollege für den Wahlkreis Straubing seit 1953Präsident D. Dr. Gerstenmaieran. Er war Mitglied des Ausschusses für Verkehr, Post und Fernmeldewesen und des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung nach Art. 45 des Grundgesetzes. Außerdem war er Mitglied der beratenden Versammlung des Europarates und der Versammlung der Westeuropäischen Union.Meine Damen und Herren, wir beklagen den plötzlichen Tod dieses geschätzten Kollegen. Ich spreche den Angehörigen sowie der Fraktion der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union !die Anteilnahme des Hauses aus. Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ichdanke Ihnen. -Folgende amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 26. Juni 1964 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Drittes Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen WirtschaftGesetz zu der Empfehlung des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens vom 16. Juni 1960 zur Änderung des Artikels XVI des Abkommens über das Zolltarifschema für die Einreihung der Waren in die ZolltarifeGesetz zur Änderung des BeförderungsteuergesetzesGesetz zu den Verträgen vom 21. Mai 1962 über die Auslieferung und über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischender Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum MonacoFünftes Gesetz zur Änderung des Milch- und FettgesetzesFünftes Gesetz zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes
Gesetz zu dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 und zu dem Europäischen Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in StrafsachenZweites Gesetz zur Änderung mietrechtlicher VorschriftenGesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts
Gesetz über die Anordnung allgemeiner Zwischenfestsetzungen durchschnittlicher Jahresarbeitsverdienste in der landwirtschaftlichen UnfallversicherungGesetz zu dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische BeziehungenGesetz zu dem Vertrag vom 5. August 1963 über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter WasserGesetz zu der Erklärung vom 13. November 1962 über den vorläufigen Beitritt der Vereinigten Arabischen Republik zum Allgemeinen Zoll- und HandelsabkommenGesetz zum Ratsbeschluß der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 18. Dezember 1962 Fiber die Annahme von Grundnormen für den StrahlenschutzDrittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der Europäischen WirtschaftsgemeinschaftZweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 des Rates der Europäischen WirtschaftsgemeinschaftSiebzehntes Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes .Zum Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes hat der Bundesrat eine Entschließung gefaßt, die als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt ist.In der Sitzung am 26. Juni 1964 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2431 verteilt.Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 10. Juli 1964 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt:Viertes Gesetz über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen
Zweites Gesetz zur Änderung des WasserhaushaltsgesetzesGesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. Dezember 1956 über die Gleichwertigkeit der Studienzeit an den UniversitätenZweites Gesetz zur Änderung des SoldatenversorgungsgesetzesDrittes Gesetz zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes
Gesetz zur Durchführung der Verordnung Nr. 16/64/EWG des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Reis)Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Abwicklung des Reichsnährstandes und seiner ZusammenschlüsseGesetz zur vorläufigen Regelung der Rechte am FestlandsockelGesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin und des Gesetzes über Steuererleichterungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin (West)Gesetz zur Änderung des Abschöpfungserhebungsgesetzes Erstes Gesetz zur Änderung der HöfeordnungGesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964
Gesetz zu dem Abkommen vom 15. Mai 1964 zur Änderung des Abkommens vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale SicherheitGesetz zur Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961Drittes Gesetz zur Änderung des BundesrückerstattungsgesetzesViertes Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes ZumErsten Gesetz zur Änderung der HöfeordnungGesetz über .die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964
hat der Bundesrat ferner Entschließungen gefaßt, die als Anlagen 3 und 4 diesem Protokoll beigefügt sind.Dem Gesetz zur Änderung des Maß- und Gewichtsgesetzes hat der Bundesrat in seiner 272. Sitzung am 10. Juli 1964 nicht zugestimmt. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2456 verteilt.In der Sitzung am 10. Juli 1964 hat der Bundesrat ferner beschlossen, hinsichtlich desGesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 13/64/EWG des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Milch und Milcherzeugnisse)Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 14/64/EWG des Rats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Durchführungsgesetz EWG Rindfleisch)Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes
Gesetzes zur Änderung von Wertgrenzen und Kostenvorschriften in der Zivilgerichtsbarkeitzu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen IV/2457, IV/2458, IV/2459 und IV/2460 verteilt.Der Herr Präsident des Bundesrates hat unter dem 26. Juni 1964 mitgeteilt, daß der Bundesrat .in seiner 271. Sitzung am 26. Juni 1964 gemäß § 77 Abs. 5 des Zollgesetzes beschlossen hat, gegen folgende Verordnungen keine Bedenken zu erheben:Dreiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963
Zweiundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963
Fünfundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963
Vierundsechzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 .Seine Schreiben sind als Drucksachen IV/2430, IV/2435, IV/2436 und IV/2437 verteilt.Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 24. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entlassung von Arbeitskräften bei den Stationierungsstreitkräften - Drucksache IV/2334 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2428 verteilt.Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter ,dem 24. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Corterier, Dr. Serres und Genossen betr. europäische Zivilluftfahrt - Drucksache IV/2358 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2434 verteilt.Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 25. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Bundeswasser- und Schiffahrtsverwaltung - Drucksache 1V/2333 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2443 verteilt.Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 30. Juni 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Zimmer, Dr. Meyer und Genossen betr. Politische Union Europas - Drucksache IV/2359 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV12446 verteilt.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6665
Präsident D. Dr. GerstenmaierDer Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat unter dem 8. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. Gutachten zur Beamtenbesoldung — Drucksache IV/2406 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2449 verteilt.Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 10. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Arendt , Dr. Schmidt (Offenbach), Bergmann, Hor-mann (Freiburg), Heiland, Wolf, Büttner und Genossen betr. Chron. Ephysem-Bronchitis bei älteren Arbeitnehmern insbesondere bei Bergleuten — Drucksache IV/2343 — beantwortet. Sen Schreiben ist als Drucksache IV/2451 verteilt.Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 8. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bauer , Dr. Müller-Emmert und Genossen betr. Wahrnehmung der Rechte der durch den Konkurs der „BRANDARIS"- und „AMILA"-Versicherungen geschädigten deutschen Staatsangehörigen — Drucksache IV/2278 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2462 verteilt.Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtehau und Raumordnung hat unter dem 9. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten von Bodelschwingh, Glüsing , Wittmer-Eigenbrodt und Genossen betr. Wohnungsbau in ländlichen Gemeinden — Drucksache IV/2422 — beantwortet. Sein Schreiben ,ist als Drucksache IV/2464 verteilt.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 8. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD betr. steuerliche Behandlung der Im öffentlichen Dienst gezahlten Kinderzuschläge — Drucksache IV/2405 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2465 verteilt.Der Herr Bundesminister .für Gesundheitswesen hat unter dem 9. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bading, Frau Dr. Hubert, Junghans, Junker, Kurlbaum, Lange und Fraktion der SPD betr. Luftverunreinigung durch Heizen — Drucksache IV/2330 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2469 verteilt.Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat unter dem 21. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Memmel und Genossen betr. Reiseerleichterungen für Kriegsversehrte — Drucksache IV/2444 — beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2481 verteilt.Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat unter dem 13. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP betr. Zusammentreffen von Pensionen und Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen — Drucksache IV/2461 — beantwortet. Sein Schreiben wird .als Drucksache IV/2486 verteilt.Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 27. Juli 1964 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Seither, Knobloch, Dr. Hamm , Leicht und Genossen betr. zollfreie Einfuhr von Wein und Traubensaft aus Frankreich — Drucksache IV/2424 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache IV/2488 verteilt.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 22. Juni 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 15. Mai 1963 einen Überblick über die voraussichtliche Entwicklung des Bundeshaushalts für den Drei-Jahreszeitraum 1964 bis 1966 gegeben, ,der als Drucksache IV/2410 verteilt ist.Der Herr Bundesminister des Innern hat am 24. Juni 1964 unter Bezug auf die Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963 über den Ausbau Berlins als Stätte der Bildung, der Wissenschaft und der Kunst berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2429 verteilt.Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern hat am 10. Juli 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 24. Juni 1964 über die Erhöhung des Tage- und Übernachtungsgeldes und des Beschäftigungstagegeldes der Beamten berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2466 verteilt.Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung hat am 10. Juli 1964 unter Bezug auf den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1963 über die Umschichtungsmaßnahmen der Länder und Kommunen im sozialen Wohnungsbau berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2467 verteilt.Der Abgeordnete Fritsch hat seine Fragen XI/1 und 2 aus Drucksache IV/2202 zurückgezogen.Die Glückwünsche des Hauses spreche ich dem Herrn Kollegen Dr. Gossel zum 72. Geburtstag aus.
Dem Herrn Kollegen Dr. Dr. Heinemann gratulieren wir zum 65. Geburtstag.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir bei der Arbeit dieses Nachmittags. Ich rufe zunächst auf:Beratung des Antrags der Fraktion der SPDbetr. Postgebührenerhöhung
.
Das Wort zur Einbringung und Begründung dieses Antrags hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich, wie der Herr Bundestagspräsident vorhin bekannt gegeben hat, beantragt, den Bundestag zu seiner heutigen Sitzung zusammenzurufen. Wir beraten heute deshalb, weil die Bundesregierung die wesentliche Erhöhung der Gebühren für den Fernsprech-und Fernschreibverkehr der Deutschen Bundespost beschlossen hat, nachdem das Parlament in die Ferien gegangen war.Die Sondersitzung, zu der wir uns heute hier versammelt haben, findet statt, nachdem klar wurde, daß keine Abwürgung der Sachdebatte durch eine folgsame Mehrheit möglich und zu erwarten sein würde. Dafür sind die Maßnahmen im Regierungslager selber zu umstritten. Das bleibt auch dann richtig, wenn einige markante Stimmen aus Bayern jetzt nicht mehr ganz so deutlich wahrnehmbar sind.
Sie scheinen sich mit der einseitig — ohne Anhörung des Parlaments — beschlossenen Maßnahme abgefunden zu haben und vertrösten auf die Zukunft.Für alle, die durch diese Maßnahme aber jetzt belastet werden, und für die deutsche Volkswirtschaft ist das ein mehr denn magerer Trost. Die Entscheidung des Bundeskabinetts widerspricht den vom Kabinett und vom Bundeskanzler verkündeten Grundsätzen der Preisstabilität.
Es geht nicht an, auf diesem Gebiet Appelle immer nur an andere zu richten.
Der Bundeskanzler hat durch seine Mitwirkung an diesem Beschluß und durch sein Festhalten daran die Glaubwürdigkeit in den Fragen der Preispolitik verloren.
Außerdem kommen wir aber heute auch zusammen, um der Regierung klarzumachen, daß sie nicht in der Weise, wie geschehen, mit der Volksvertretung umspringen kann,
und zwar sogar mit den eigenen Fraktionen. Am 15. April 1964 haben die Regierungsfraktionen einen Antrag gestellt, der ähnlich dem heute eingebrachten aussieht. Der heutige ist lediglich etwas ausführlicher; aber er hat in der Sache das gleiche Begehren. Geschehen ist daraufhin nichts — oder doch, mit einer Ausnahme: statt dem Antrage der Koalitionsfraktionen zu entsprechen, der damals im Bundestage angenommen worden ist, hat man das Gegenteil getan, nämlich ohne Durchführung der dort angeregten Maßnahmen und Prüfungen die Gebührenerhöhung beschlossen. Man hat vorsichtshalber zu diesem Zweck die Parlamentsferien abgewartet.
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6666 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
ErlerDas ist hinter diem Rücken der Volksvertretung geschehen, hinter Ihrem zu den Regierungsparteien)eigenen Rücken, denn Sie haben das nicht gewollt.
Sie haben ausdrücklich seinerzeit in der Debatte hier klargemacht, daß eine Gebührenerhöhung nur in Frage kommt, nachdem alles das geprüft worden ist, was in Ihrem Antrag gefordert wurde.
Das sind also ausreichende Gründe, um eine Debatte am heutigen Tage zu erzwingen.Um gleich einige Legenden zu zerstören: in den Haushaltsberatungen ist am 16. April 1964 über dieses Problem ausführlich gesprochen worden. Mein Kollege Cramer hat z. B. unter anderem dazu folgendes ausgeführt:Müssen die Verkehrszahlen noch weiter zurückgehen, bevor im Kabinett entsprechende Konsequenzen gezogen werden? Auf diese Überlegung ist es wohl auch zurückzuführen, daß das Gespräch über die mögliche Gebührenerhöhung inzwischen wieder ein wenig verstummt ist, nachdem vor einigen Wochen schon angekündigt worden war, daß die Briefgebühr von 20 Pf auf 30 Pf erhöht werden sollte.Alles in allem— so damals Herr Cramer —wird es höchste Zeit, daß die Bundesregierungdiesem Hohen Hause und damit der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit erklärt, wie sie sich die Sanierung der Deutschen Bundespost überhaupt vorstellt. Wir wünschen Klarheit über folgende Punkte:— ich bin froh, daß Sie inzwischen das auch alles in Ihren Antrag aufgenommen haben; wir haben das alles ausdrücklich gewünscht —a) die Neuregelung der Ablieferung an den Bund, eventuell durch Änderung des Postverwaltungsgesetzes, so daß die Ablieferung nicht mehr vom Umsatz, sondern vom Gewinn erfolgt,b) die Kapitalaufstockung, d. h. die Herstellung eines gesunden Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital,c) die Möglichkeiten der Vermeidung einer Gebührenerhöhung.Nicht also, wenn ich das hier einflechten darf, die Möglichkeit einer Erhöhung der Gebühren.Herr Cramer sagte weiter:Zu diesem Fragenkomplex gehört auch das Problem der Investitionen. Investitionen sind notwendig a) zur Rationalisierung aller Postzweige und b) zum Ausbau des Fernsprechwesens.Auch der Kollege Eisenmann von den Bänken der Regierungskoalition hat damals einige bemerkenswerte Ausführungen zu diesem Thema gemacht, aus denen sich ganz klar ergibt, daß der Bundestag bei den Haushaltsberatungen nicht davon ausgehen konnte, man würde hinter seinem Rücken und vor Durchführung der ins Auge gefaßten Maßnahmendie Gebührenerhöhung beschließen. Damals hat Herr Eisenmann hier dargelegt:Es erhebt sich die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, um eine Gebührenerhöhung bei der Post zu vermeiden. Wir haben uns im Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen in Anwesenheit des Herrn Ministers und seiner zuständigen Referenten sehr eingehend über die Problematik und über die Möglichkeiten unterhalten. Ich möchte auch hier im Hohen Hause wiederholen, was ich dm Ausschuß gesagt habe: Man möge prüfen, ob nicht das Investitionsprogramm der Post irgendwie gestreckt werden kann.Das war ein sehr umstrittener Punkt. Ich glaube, daß gerade die Investitionen auf dem Gebiete des Fernsprechwesens nicht gestreckt werden können, sondern eher verstärkt werden müssen. Aber immerhin, der Kollege Eisenmann hat weiter hinzugefügt:Es wäre aber auch anzumerken, daß Gebührenerhöhungen, die man in der Erwartung durchführt, daß sich das Betriebsergebnis verbessern werde, die entgegengesetzte Wirkung haben können.Er hat also ausdrücklich davor gewarnt, anzunehmen, die Gebührenerhöhung schlechthin verbessere das Betriebsergebnis; „ich glaube" — so damals Herr Kollege Eisenmann — „das könnte sich als Trugschluß erweisen".
Ja, könnte, es hat sich z. B. bei den Postwurfsendungen als ein eindeutiger Trugschluß erwiesen, denn die Postwurfsendungen sind um rund zwei Drittel seit der Gebührenerhöhung zurückgegangen. Aber immerhin kann das ,auch auf Gebieten eintreten, bei denen es für die Post betrüblich wäre. — Ich erinnere also lediglich an diese damaligen Bemerkungen.Am 6. Mai hat mein Kollege Cramer noch einmal zusammengefaßt:Die vom Bundestag geforderte Kommission, zu deren Einsetzung die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag aufgefordert wurde, wird die Aufgabe haben, diese Punkte zu prüfen: Neuregelung der Ablieferung, angemessene Wiederaufstockung des Eigenkapitals, Übernahme betriebsfremder Lasten auf den Bund, Sicherung der Finanzierung notwendiger Investitionen für die Rationalisierung und den Ausbau der Einrichtungen der Bundespost.Damals wurde die Bundesregierung aufgefordert, die vom Bundestag beschlossene Kommission unverzüglich einzusetzen — es ist nicht geschehen — und dem Deutschen Bundestag den geforderten Bericht der Kommission so schnell wie möglich vorzulegen — das ist natürlich auch nicht geschehen, denn die Kommission gibt es gar nicht — und den Betrag der Postabgabe an den Bundeshaushalt, der durch die Einnahmen der Bundespost nach dem gegenwärtigen Stand nicht gedeckt ist, bis zur endgültigen Neuregelung zu stunden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6667
ErlerEs hieß dann abschließend in jener ,Erklärung:Nach sozialdemokratischer Auffassung kann eine Gebührenerhöhung nicht in Erwägung gezogen werden, solange der Bericht der Kommission nicht vorliegt.Es scheint Kollegen zu geben, die es jetzt umgekehrt machen wollen: erst einmal die Gebühren erhöhen und dann den Bericht der Kommission anfordern.
Es widerspricht aller Lebenserfahrung, daß eine einmal erhöhte Gebühr dann wieder heruntergesetzt wird.
Das also lediglich zu denen, die meinen, das Problem habe bei den Haushaltsberatungen im Hohen Hause keine ausreichende Rolle gespielt. Es war damals im Hause ziemlich klar erkennbar, daß keine Rede davon sein konnte, daß die Erhöhung vor dem Abschluß der Arbeiten der Kommission vorgenommen wird. Das Haus ist also hinters Licht geführt worden,
und zwar das ganze Haus einschließlich der Fraktionen der damaligen Antragsteller. Sie haben die Kommission nicht bekommen, aber die Gebührenerhöhung haben sie bekommen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat nun beantragt, die Bundesregierung zu ersuchen, die von ihr aim 15. Juli 1964 verkündete Erhöhung der Telefon- und Fernschreibgebühren wieder rückgängig zu machen. Das ist — um zunächst einmal beim Anlaß der heutigen Sitzung zu bleiben, denn weiterreichende Perspektiven der Gestaltung der Bundespost und ihrer Finanzen können wir auch in ordentlichen Bundestagssitzungen im Herbst noch erörtern— für 1964 — und darum geht es jetzt — möglich, ohne der Bundespost zu schaden. Die Bundesregierung hat selber erklärt, daß sie bereit sei, auf einen Teil der ihr nach dem Postverwaltungsgesetz zustehenden Abführungsbeträge zu verzichten
— einen Augenblick, sie hat es zunächst einmal erklärt —, auf den Teil nämlich, der aus der Gebührenerhöhung anfallen sollte. Entweder kann sie das gar nicht, oder sie kann es auch zu weiteren Teilen.
Auf alle Fälle hat also die Regierung dann eine Erklärung abgegeben, zu der ihr die Rechtsgrundlage fehlt.
— Dann muß man die Rechtsgrundlage schaffen!
—Einverstanden! Wir sind bereit, die Rechtsgrundlage dazu zu schaffen.Die Bundesregierung hat durchaus die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Beratung des Nachtragshaushaltsgesetzes in Übereinstimmung mit dem Hause zu einer Regelung dieses Problems zu kommen. Denn die Regierungsvorlage enthält ja heute auch schon eine Abweichung vom Postverwaltungsgesetz, indem es nämlich in § 19 der dem Bundesrat zugegangenen Vorlage geheißen hat, daß das Postverwaltungsgesetz nur mit der Maßgabe gilt, daß im Rechnungsjahr 1965 die Ablieferung der Deutschen Bundespost an den Bund den für das Rechnungsjahr 1964 abgeführten Betrag nicht übersteigt. Infolgedessen ist es möglich, bei der Beratung des zu erwartenden Gesetzes über den Nachtrag zum Haushaltsgesetz für das Jahr 1964 dieses Problem rechtlich einwandfrei auch für das Jahr 1964 zu lösen.
Wir wollen also nicht etwa über Zwirnsfäden stolpern und meinen, die Bundesregierung sei heute rechtlich gezwungen, die Gebührenerhöhung durchzusetzen, weil sie auf der Erhebung der Abgabe der Bundespost für das Jahr 1964 im vollen Umfange bestehen müsse. Wir können durchaus noch im Laufe des Jahres 1964 die Rechtslage entsprechend gestalten, so daß die Gebührenerhöhung entbehrlich wird, daß also hier eine Korrektur der Abgabepflicht für das Jahr 1964 ganz oder zum Teil erfolgt. In welchem Ausmaße, darüber können wir uns unterhalten, wenn wir über den Nachtragshaushaltsplan und das dazu gehörige Gesetz in diesem Herbst beraten werden.
— Das geltende Recht verpflichtet die Bundesregierung nicht, die Gebühren jetzt zu erhöhen,
verpflichtet die Regierung nicht! Das steht nirgendwo. Das geltende Recht verpflichtet die Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß zum Abschluß des Haushaltsjahrs klar ist, in welchem Umfange die Bundespost Verpflichtungen an den Bund hat und wie sie instand gesetzt wird, diesen Verpflichtungen nachzukommen. Das ist alles, wozu das geltende Recht verpflichtet, mehr nicht.Meine Damen und Herren, die Gebührenerhöhung soll für das Jahr 1964 — die Zahlen schwanken da etwas —, die einen meinen, 265 Millionen DM, andere sagen 335 Millionen DM, bringen. Nehmen wir ruhig den höheren Betrag. Es geht also heute um diesen Betrag und nicht um die gesamte zukünftige Gestaltung der Finanzgebarung der Deutschen Bundespost. Das können wir alles gründlich im Herbst weiterberaten.Die Bundesregierung hat nun die Absicht, im Nachtragshaushalt für das Jahr 1964 das Defizit des Bundeshaushalts aus dem Jahr 1963 in Höhe von 512 Millionen DM abzudecken. Dazu ist die Bundesregierung im Jahre 1964 — so schön das an sich wäre — nicht verpflichtet. Verpflichtet ist sie
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Erlerdazu erst im Jahre 1965. Wir brauchen also gar nicht erst jene sehr schwerfällige Operation vorzunehmen, zu ergründen, ob in einem Haushalt mit einem Volumen von über 63 Milliarden DM doch ein Betrag von 265 Millionen DM bis 335 Millionen DM irgendwo sichtbar gemacht werden kann. Wir brauchen auch nicht zu prüfen, ob die Informationen, über die der Herr Kollege Strauß zu verfügen scheint, zutreffen, der neulich der Presse gegenüber erklärt hat, daß er für das Rechnungsjahr 1964 mit einem ungewöhnlichen Ansteigen der Bundeseinnahmen rechne, und daraus ja auch gewisse Schlußfolgerungen für die Möglichkeit des Verzichts auf die Gebührenerhöhung hergeleitet hat. Es würde vielmehr völlig genügen, sich hier auf diese heute klar übersehbare, jeder Spekulation bare Tatsache zu stützen, daß wir im Nachtragshaushalt 1964 dann eben nicht das volle Defizit des Bundes aus dem Jahre 1963 abdecken, sondern nur einen Teil. Das ist unser Recht. Das würde aber außerordentlich wohltätige Auswirkungen auf all die Probleme haben, die jetzt durch die Gebührenerhöhung aufgeworfen worden sind, insbesondere also auf die Preisstabilität, die ja in diesem Zusammenhang wohl nicht ganz außer Betracht bleiben kann.Allerdings — das sei zugegeben — geraten dann einige edle Absichten der Koalitionsparteien für das Wahljahr ins Wanken.
Früher war es also üblich, daß man etwas hortete, um dann im Wahljahr aus dem Füllhorn, das man aufgespeichert hatte, noch einige Mehrausgaben gezielt verabschieden zu können. Es hat ja einmal einen besonderen „Kuchenausschuß" der Regierungsparteien zu diesem Zweck gegeben.
— Entschuldigen Sie, die Feststellung von Tatsachen müssen Sie nun einmal ertragen, meine Damen und Herren.
Den „Kuchenausschuß" hat es doch gegeben! Und wenn der „Kuchenausschuß" nicht so wohltätige Wirkungen auf das Wählervolk gehabt hätte, würde doch ein Teil von Ihnen heute gar nicht hier sitzen, meine Damen und Herren!
— Sie können sich ruhig noch ein bißchen darüber belustigen. Die Leute draußen finden nämlich das Problem der Gebührenerhöhung keineswegs so lustig wie Sie.
Da diese Möglichkeit des „Kuchenverteilens" nicht mehr besteht, wollen Sie sich auf andere Weise angenehm in Erinnerung bringen, und das soll diesmal durch eine bestimmte Art der Steuersenkung geschehen. Ich gebe zu, das hat der Bürger gern. Ob er es noch so gern hat, wenn man ihm bescheinigt, daß ein großer Teil der Steuersenkungen ihm vorher mit Hilfe der Postgebühren aus der Tasche gezogen wird, das wage ich allerdings zu bezweifeln, meine Damen und Herren.
Dann wird nämlich eine Art Poststeuer verhängt.Für steuerliche Gerechtigkeit und all das, was die Bundesregierung unter diesem Titel zu Recht vorhat, sind wir jederzeit zu haben. Aber dann dürfen Sie sich, meine Damen und Herren, nicht sperren gegen jene Korrekturen des Einnahmeausfalls durch Mehreinnahmen dort, wo bisher einseitig im Steuerrecht begünstigt worden ist.
Zu diesem Zweck haben wir eine ganze Reihe von Anträgen dem Hohen Hause vorgelegt; sie sind Ihnen bekannt, ich brauche sie nicht im einzelnen hier noch einmal zu erörtern.Ich erwähne das nur, damit man uns nicht etwa heute sagt, wir böten keine Deckung an. Das Problem ist nicht die mangelnde Deckung, sondern das Problem ist Ihre mangelnde Bereitschaft, an der von uns vorgeschlagenen Deckung mitzuwirken. Das ist das wirkliche Problem.
Ich habe völliges Verständnis dafür, daß Sie im Wahljahr einen guten Eindruck machen wollen und daß Sie hoffen, daß dann die Gebührenerhöhung längst vergessen sein wird.
— Das klang ja deutlich durch in der Sendung mit dem Herrn Bundespostminister im Hessischen Rundfunk am 26. Juli, wo der Wahlkampfhintergrund ein bißchen ausgeleuchtet wurde und wo der Minister selber gesagt hat — ich bin ihm sehr dankbar dafür, daß er deutlicher, als das der kühnste Oppositionssprecher je zu sagen vermöchte, den Zusammenhang hergestellt hat —: Man hat sich für die Steuersenkung entschieden und die Post eben auf diesen Weg der Gebührenerhöhung verwiesen. Das ist ein sehr klares und die politische Landschaft eindeutig erhellendes Wort.
Meine Damen und Herren, ich meine allerdings, daß so schnell, bis 1965, dieser Gewaltstreich nicht vergessen wird, und ich meine auch, daß die sozialdemokratischen Anträge zum Steuerrecht beweisen, daß man Steuersenkungen im Interesse der Steuergerechtigkeit vornehmen und trotzdem auf die Gebührenerhöhung bei der Bundespost verzichten kann, wenn man den guten Willen dazu hat.Wir brauchen die Gebührenerhöhung jetzt nicht. Außerdem aber schadet sie. Aus Quellen der Bundesregierung wurde darauf hingewiesen, daß 80 %
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Erlerdieser Belastung die Wirtschaft zu tragen habe, also nicht die öffentliche Hand und nicht die ganz privaten Anschlußinhaber, sondern 80 % die Wirtschaft, die es nach allen bisherigen Erfahrungen über den Preis weiterwälzt. Bei einem solchen Weiterwälzen muß man sich darauf gefaßt machen, daß nicht der korrekte Gebührenbetrag, sondern auch noch einiges mehr in die Preise Eingang findet. Dieser Zusammenhang zwischen Gebührenerhöhung und Preisstabilität widerspricht allen Maßhalteappellen des Bundeskanzlers.
Am 2. Januar 1958 hat der Amtsvorgänger des Bundeskanzlers an den Postminister einen interessanten Brief geschrieben. In diesem Brief heißt es:Wenn wir das Preisniveau stabil erhalten wollen, ist es ausgeschlossen, daß die Deutsche Bundespost in diesem Jahr eine Gebührenerhöhung vornimmt.
Ist eigentlich jetzt die konjunkturpolitische Lage anders? Offenkundig nicht! Denn ganz vor kurzem war auch noch der jetzige Herr Bundeskanzler dieser Meinung. Am 29. Juni d. J., vor einem Monat, hat er an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost, Herrn Neuburger, einen Brief geschrieben. In diesem Brief heißt es:Wie ich höre, wird der Arbeitsausschuß des Verwaltungsrats der Deutschen Bundespost von der Gebührenvorlage des Bundespostministers abweichend vorschlagen, daß die Briefgebühr von 20 DPf. auf 30 DPf. erhöht werden soll. Ich halte diesen Vorschlag aus konjunkturpolitischen Gründen für sehr bedenklich.Mit anderen Worten: die konjunkturpolitischen Gründe, die im Jahre 1958 geltend gemacht wurden. treffen nach der eindeutigen Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers auch jetzt noch zu, und sie treffen dann nicht nur auf das Briefporto zu, sondern die konjunkturpolitischen Gründe, d. h. die preistreibende Wirkung trifft sicher mindestens in dem gleichen Ausmaße auch auf die Erhöhung der Fernsprech- und Fernschreibgebühren zu.Sie haben genau wie ich eine Fülle von Zuschriften erhalten. Ich will Ihnen also keineswegs eine geschlossene Dokumentation vorlegen. Dann säßen wir heute abend noch hier. Aber ein paar der Zuschriften, die sich sehr gründlich und sachlich mit dem Problem befassen, verdienen es, hier festgehalten zu werden, weil Sie den Abfassern dieser Zuschriften nicht nachsagen können, daß sie sich durch eine besonders eingeborene Sympathie für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands auszeichneten.Ich nehme hier einmal den Deutschen Industrie- und Handelstag. Er sagt:Für die Wirtschaft der Bundesrepublik bedeutet diese Gebührenerhöhung, abgesehen von der preistreibenden Tendenz einer solchen Maßnahme,
— schärfer kann man es wohl nicht formulieren — eine zusätzliche Erschwerung ihrer Wettbewerbsposition im europäischen Raum.
Und dann heißt es unter Punkt 4:Bevor nicht ein konkreter Sanierungsplan für die Bundespost vorliegt, sollten alle voreiligen Schritte vermieden werden. Vor allem sollte man auf Maßnahmen verzichten, die in ihrer negativen Auswirkung auf die Nachfragestruktur nach Post- und Fernmeldediensten noch gar nicht zu übersehen sind, das Ziel der Sanierung der Bundespost nicht erreichen, die Wettbewerbsposition der Wirtschaft der Bundesrepublik erschweren und schließlich gegen das von der Bundesregierung selbst aufgestellte Prinzip der Preisstabilität und des Maßhaltens verstoßen.
Solder Deutsche Industrie- und Handelstag!
— Ich habe Ihnen soeben vorgelesen, daß man ausdrücklich erst einen konkreten Sanierungsplan für die Bundespost wünscht und dann eine Entscheidung über das andere.
— Das Schreiben ist vom 27. Juli. Ich weiß nicht, ob Sie ein neueres haben. Vom ,27. Juli — das scheint mir ein ziemlich neuer Stand zu sein.
Aber wenn Ihnen das nicht genügt, dann gebe ich Ihnen eins vom 28. Juli,
und zwar vom Gesamtverband des Deutschen Groß- und Außenhandels, auch nicht gerade einer Filialorganisation der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Dort heißt es:
— Sicherlich eine unabhängige Organisation, eindeutig völlig unabhängig von Ihnen wie von uns, aber bestimmt keine Filiale der SPD! Niemand kann dieser Organisation unterstellen, daß ,sie mit der parteipolitischen Opposition gewohnheitsmäßig, nur um die Regierung zu ärgern, zusammenspielt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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6670 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
ErlerDerartige Gebührenerhöhungen treffen insbesondere die mittelständischen Unternehmen des Handels, vor allem die Betriebe des Ex- und Importhandels, und belasten deren Kostengefüge so erheblich, ,daß sie ohne Preiserhöhungen nicht aufgefangen werden können.
Die beschlossene Anhebung der Gebühren steht im Gegensatz zu dem von Ihnen immer wieder vertretenen Grundsatz der Kaufkraftstabilität. Der Beschluß des Kabinetts wird bei der gesamten gewerblichen Wirtschaft kein Verständnis finden, weil keine echten Sanierungsmaßnahmen ergriffen worden sind, durch die eine Gebührenerhöhung hätte vermieden werden können.Das ist ,der springende Punkt, und das ist das, was ich versucht habe Ihnen vorhin darzutun.Im Interesse der Verbraucher hat sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zu Wort gemeldet; Sie haben seine Stellungnahme ja auch erhalten.
— Selbstverständlich; Sie auch. — Er hat sehr konkrete Vorschläge gemacht, nämlich, 'die finanziellen Verhältnisse zwischen Bund und Bundespost durch Beseitigung der betriebsfremden Lasten, durch Aufstockung des Eigenkapitals und durch Verzicht auf die Postabgabe an den Bund grundlegend neu zu regeln; und ein paar andere Punkte.Ich will Sie nicht weiter mit den auch in Ihren Reihen bekannten Zuschriften behelligen; ich steile nur mit Bedauern fest, daß offenbar eine solche Zuschriftenwelle. die sich auf ein wirkliches volkswirtschaftliches Problem bezieht, nicht ganz mit der gebührenden Aufmerksamkeit in Ihren Reihen beachtet wird. Das sollten wir aber eigentlich tun.
Die koniunkturpolitischen Gründe, die Gefahren für das Preisniveau sprechen gegen die beschlossene Erhöhung. Auch die so oft beschworene Redlichkeit gebietet, das schlechte Beispiel öffentlicher Preistreiberei zu unterlassen.
Meine Damen und Herren, wir haben doch schon genug Kummer auf diesem Gebiet mit den früheren Erhöhungen der Posttarife, mit der aus politischen Gründen beschlossenen Mietengesetzgebung, mit der politisch bestimmten Agrarpreisstruktur. Da sollten wir nicht dieser Schraube eine neue Drehung geben dort, wo es zwingend überhaupt nicht geboten ist.
Wir jedenfalls haben die Pflicht, auf die klaren Widersprüche zwischen den klingenden Worten und den unerfreulichen Taten der Bundesregierung hinzuweisen. Am 14. Juni hat der Kanzler in einem Zeitungsinterview noch klipp und klar erklärt:Allen denen, die die Preise absichtlich in die Höhe treiben, gilt mein Kampf.Ich bin gespannt, wie nun dieses sein Ringen mit sich selbst ausgehen wird.
Sie können sicher sein, daß die heutige Debatte in dieser Frage wohl nur ein Anfang gewesen ist für eine Serie von Debatten über wichtige politische Fragen, bei denen unser Volk erfahren muß, daß die Worte der Bundesregierung nicht in Übereinstimmung stehen mit ihren Taten.
Wir sehen uns ja ohnehin schon bei der Einbringung des Haushaltsplans im Oktober wieder.Ich möchte Ihnen ganz ehrlich sagen: Vielleicht hätte ich Ihnen die heutige Sondersitzung ersparen können. Aber nachdem gerade Ihre Presse so eindringlich darauf aufmerksam macht, daß es doch wohl zu den Aufgaben der Opposition gehöre, endlich einmal die verschiedenen Standpunkte herauszuarbeiten, konnten wir uns natürlich diesen Punkt nicht entgehen lassen; das werden Sie doch einsehen.
— Nein, nein. Deswegen habe ich ja auch vorsichtshalber am Donnerstag abend an meinen Fraktionsvorstand telegrafiert, ob wir eine Sondersitzung des Bundestages einberufen wollten, und ich war ganz froh, daß das „Bild" am Freitagfrüh die gleiche Idee hatte.
— Sicher! Da brauchen Sie sich gar nicht darüber aufzuregen. Sie freuen sich ja gelegentlich auch, wenn Sie Sukkurs in der Öffentlichkeit finden. Das ist keine Schande.
— Ja sicher! Ich halte es nicht für schädlich, wenn eine Zeitung nachträglich sich dem Schritt einer politischen Partei im Bundestag anschließt.
Dabei brauchen wir, meine Damen und Herren, nicht einmal notwendigerweise so unfreundlich mit dem Herrn Bundeskanzler umzugehen, wie es der Vorsitzende einer der Koalitionsparteien kürzlich getan hat. So hat er z. B. gesagt:Ich hoffe, daß sich das Kabinett noch mit dieser Frage beschäftigen wird. Denn hier geht es um die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers. Ludwig Erhard kann nicht einerseits Bundestagspräsident Gerstenmaier wegen des Bundeshausneubaues zur Ordnung rufen, gleichzeitig Maßhalteappelle an die Wirtschaft richten, andererseits aber selber mit schlechtem Beispiel vorangehen!
Der Kanzler kann den Entscheidungen nicht länger ausweichen und sie durch Gesundbetereien ersetzen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6671
ErlerIch habe nur zitiert. So unfreundlich sind wir im allgemeinen gar nicht.Meine Damen und Herren, die von der Bundesregierung beschlossene Maßnahme ist nicht nur überflüssig und allgemein schädlich, sie trifft auch bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft besonders hart, z. B. die Schwerbeschädigten, die kein Pflegepersonal haben und dringend auf das Telefon angewiesen sind, um mit der Umwelt verkehren und Hilfe herbeirufen zu können, die Presse und die Nachrichtenagenturen, die einen großen Teil ihrer gesamten Arbeit mit dem Telefon abzuwickeln haben. Ich erwähne auch Kontakte nach Mitteldeutschland. Ich will Ihnen hier einen Brief vorlesen, den ich von einem Mitarbeiter des Hauses Altenkirchen der Evangelischen Landvolkshochschule im Rheinland erhalten habe. Darin heißt es:Ich schreibe Ihnen nur, weil ich einen neuen Gesichtspunkt für die Diskussion zu haben glaube. Eine Gebührenerhöhung bei der Briefbeförderung beim Porto ist wenigstens nach außen mit dem Argument abgelehnt worden, weil dadurch der Kontakt mit den Menschen in Mitteldeutschland beeinträchtigt würde.— Das war noch die idealistische Deutung, die dieser Herr hier gegeben hat; denn in dem Brief vom Bundeskanzler an den Postverwaltungsrat war ja davon keine Rede, sondern von der Konjunkturpolitik. Aber zurück zu dem Brief:Das gleiche Argument gilt aber ebenfalls für die Telefongebühren. Hier ist die Kostensteigerung aber erheblich höher. Ich telefoniere sehr häufig mit meinen Verwandten und meinen Freunden aus dem kirchlichen Dienst, weil das Hören des anderen oft noch wichtiger ist als das Schreiben. Gerade seit infolge der Mauer ein Direktkontakt in Berlin sehr schwierig ist, ist für uns das Telefon so wichtig geworden. Das Gegenargument, die Gespräche würden abgehört, gilt ja in gleicher Weise für die Briefpost.Ich finde, das ist ein zum Nachdenken anregender Brief.Besonders töricht fand ich jenes Argument, das beim Bundespressesprecher auftauchte und gelegentlich auch im Fernsehen gebraucht wurde, die Leute sollten dann eben künftig weniger telefonieren und mehr schreiben. Das hätte ganz seltsame Konsequenzen; dann brächte nämlich die Gebührenerhöhung nichts ein, und gerade jener Zweig der Bundespost würde stärker belastet, bei dem die Bundespost für jede Einzelleistung noch draufzahlt. Das wäre so, als wenn Sie die Kuh umbringen würden, die man eigentlich melken will, meine Damen und Herren.An diesem Punkte werden die bisherigen langfristigen Versäumnisse sichtbar, die langfristigen Versäumnisse in der Kapitalversorgung der Deutschen Bundespost. Seit 1958 schlägt der Postverwaltungsrat die Aufstockung des Eigenkapitals vor. Seitdem geht die Diskussion auch über die Neuregelung der Abführungspflicht an den Bund. Geschehen ist nichts. Seitdem geht die Diskussion über die Übernehme der politischen Lasten auf den Bund, wie sie bei der Bundesbahn längst erfolgt ist. Geschehen ist nichts.Daran krankt auch jenes Feld der Bundespost, das künftig noch höhere Erträgnisse bringen könnte, nämlich das Feld der Investitionen im Fernmeldeverkehr. 330 000 Kunden warten darauf, ihr Geld der Bundespost bringen zu dürfen; sie können nicht, sie dürfen nicht, weil sie keine Anschlüsse kriegen. Dafür fehlt das Investitionskapital.Was ist das für eine politische Führung, die nicht zur rechten Zeit dort Investitionskapital besorgt, wo es sich hoch rentiert!
Der Bundespostminister hat sich damit nicht im Kabinett durchgesetzt. Ihm fehlt es an Überzeugungskraft; sonst hätte es damals ja auch nicht den Antrag der CDU/CSU und FDP hier im Bundestag auf Einsetzung jenes Ausschusses gegeben. Sachverständigen Rat hat die Post seit langem; an dem fehlt es doch gar nicht. Der Rat ist nur nicht befolgt worden. Daran wird auch künftig ein Ausschuß nichts ändern. Man muß den Willen haben, solche Ratschläge dann auch zu befolgen.Diese mangelnde Überzeugungskraft des Bundespostministers hat sich auch in der Haltung seiner eigenen Parteifreunde gegenüber dem von ihm vertretenen Gedanken gezeigt. Erst in letzter Stunde sind sie etwas auf die Linie eingeschwenkt.Meine Damen und Herren, den Mangel des Bundespostministers an Überzeugungskraft und politischer Stärke sollen jetzt die Verbraucher mit der Gebührenerhöhung bezahlen. Das ist eigentlich eine ungerechtfertigte Bestrafung der Verbraucher.
Der Minister hat nicht ausreichend gefochten. Der Kanzler hat seine eigenen Prinzipien verletzt. Er hat an dieser Verletzung mitgewirkt. Aufgabe des Bundestages ist es, den begangenen Fehler zu korrigieren. Daher bitte ich Sie, dem Antrage auf Rückgängigmachung der am 15. Juli verkündeten Erhöhung der Telefon- und Fernschreibgebühren zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundespostminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu dem Antrag der SPD auf Drucksache IV/2479 Stellung nehme, möchte ich es mir nicht so leicht machen wie der Kollege Erler,
der lediglich eine Reihe von Behauptungen aneinanderreihte und hier die ernsthaften und erfolgreichen Bemühungen leugnen möchte, die wir unter-
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6672 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Bundesminister Stücklennehmen, um einen Weg zu finden, der uns eine wirkliche Stabilität bringt.
Der Gesetzgeber hat mit der Verabschiedung des Postverwaltungsgesetzes im Jahre 1953 die Aufgabenstellung der Deutschen Bundespost, die Verwaltungsform und Verwaltungsorganisation sowie das Haushalts- und Finanzgebaren der Deutschen Bundespost abschließend geregelt — auch mit Ihrer Zustimmung, meine Damen und Herren von der SPD! Ich darf in diesem Zusammenhang den § 2 Abs. 3 des Postverwaltungsgesetzes in Erinnerung rufen, der die Deutsche Bundespost verpflichtet, ihre Anlagen „in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen".Ich darf auf § 15 Abs. 1 des Postverwaltungsgesetzes hinweisen, nach dem die Deutsche Bundespost ihren Haushalt so aufzustellen und durchzuführen hat, daß sie die notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen bestreiten kann. Es heißt dort ausdrücklich: „Zuschüsse aus der Bundeskasse werden nicht geleistet."Hinsichtlich der Leitung und Verwaltung der Deutschen Bundespost hat der Gesetzgeber im § 12 des Postverwaltungsgesetzes dem Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost wichtige Aufgaben übertragen. Dem Verwaltungsrat obliegt es u. a., über das Haushalts- und Finanzwesen der Post Beschluß zu fassen und die Bedingungen und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens festzusetzen. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, den sehr verantwortungsbewußten und sachverständigen Mitgliedern des Verwaltungsrates, die diese verantwortungsvolle Tätigkeit bei geringer Aufwandsentschädigung leisten, hier herzlich zu danken.Meine Damen und Herren, diese vom Deutschen Bundestag beschlossene Kompetenzübertragung an den Verwaltungsrat hat naturgemäß zur Folge, daß der Deutsche Bundestag über die Einzelheiten bei der Deutschen Bundespost nicht so ausführlich unterrichtet sein kann, wie es zum Verständnis der heute zur Debatte stehenden Problematik unbedingt erforderlich wäre. Deshalb möchte ich Ihnen in kurzen Zügen eine Schilderung der Gesamtsituation der Deutschen Bundespost geben. Denn, Herr Kollege Erler, Sie haben hier ganz wesentliche Dinge aus dem Geschehen der Deutschen Bundespost nicht erwähnt, ja, Sie haben sie sogar, da Sie es wissen, unterschlagen.
— Mit „unterschlagen" meine ich nicht einen kriminellen Akt, sondern ich meine es im Sinne von „verschwiegen", wenn Sie wollen.
Einen Augenblick, Herr Bundespostminister! Ich stelle fest, Sie wollen sagen, daß der Herr Oppositionssprecher gewisse Dinge hier nicht gesagt hat.
Richtig! — Das Charakteristikum des Verkehrsgebietes „Post" ist das eines Dienstleistungsbetriebes mit einem hohen Anteil von Lohn- und Gehaltskosten. 65 °Jo der Gesamtaufwendungen der Bundespost entfallen auf Personalkosten.
Am personalintensivsten sind naturgemäß die Postdienste mit 74 % Personalkostenanteil. Das Fernmeldewesen mit einem Anteil von 43%. Der Rundfunkdienst liegt mit 81 % an der Spitze. Er wird vom Rentendienst mit 80% und vom Briefdienst mit 79 % gefolgt. Durch diese Zahlen dürfte jedem klar geworden sein, daß bei der Deutschen Bundespost als einem sehr personalintensiven Unternehmen alle Lohn- und Gehaltserhöhungen eine Verschlechterung der Kostenstruktur mit sich bringen und auch auf die Ertragslage einen entscheidenden Einfluß haben.Die Ursachen dieser Lohn- und Gehaltsbewegung sind dem Deutschen Bundestag bekannt. Ich glaube nicht, daß es auch nur einen einzigen hier im Hause gibt, der wollte, daß die Kräfte der Deutschen Bundespost in der Entlohnung schlechter behandelt werden als die vergleichbaren Kräfte in der Wirtschaft. Es wird wohl auch kaum jemanden geben, der behaupten könnte, daß die Angehörigen der Deutschen Bundespost in der Lohn- und Gehaltsskala an der Spitze liegen, obwohl sie infolge der Eigenart des Betriebs zum allergrößten Teil keine Fünf-TageWoche kennen, im Gegenteil überwiegend unregelmäßigen Dienst, Früh-, Spät-, Nachtdienst, Sonn- und Feiertagsdienst leisten müssen.Die Lohn- und Gehaltserhöhung bei der Deutschen Bundespost war vom Ressort der Bundespost her kaum zu beeinflussen, da die beamtenrechtlichen Fragen hier im Parlament entschieden werden
und bei Arbeitern und Angestellten die Tarifabkommen mit dem öffentlichen Dienst meist unmittelbar gekoppelt sind.Zu diesen besoldungsrechtlichen Regelungen kommt noch eine Reihe anderer personalpolitischer Entscheidungen wie z. B. das Mutterschutzgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz und ähnliche hinzu. Da die Deutsche Bundespost eine große Anzahl von weiblichen Kräften und von Jugendlichen beschäftigt, wird sie von diesen Regelungen stark betroffen.Dazu kommt noch die Verkürzung des Wochenleistungsmaßes von 48 auf 44 Stunden in der Woche.Wenn der Gesetzgeber in dem bereits erwähnten § 2 die Deutsche Bundespost verpflichtet, ihre Anlagen in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen, so legt er damit dem Postminister als dem verantwortlichen Chef dieser Verwaltung die Pflicht auf, für eine reibungslose Verkehrsabwicklung besorgt zu sein.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6673
Bundesminister StücklenBevor die Deutsche Bundespost sich ausschließlich diesen, dem tatsächlichen Verkehrsvolumen entsprechenden Aufgaben widmen konnte, mußten die unmittelbaren und mittelbaren Kriegsschäden und Kriegsfolgen beseitigt werden. Die Kriegseinwirkungen hatten bei der Deutschen Bundespost einen Schaden von 30% hinterlassen. Durch die willkürliche Grenzziehung durch Deutschland wurde auch Berlin, das der Stützpunkt für die gesamte Fernmeldeversorgung Deutschlands war, abgeschnitten.Es mußten neue Verbindungswege aufgebaut werden. Die Richtfunkverbindung mit Berlin ist abgeschlossen. Gleichzeitig aber mußte die Deutsche Bundespost ihre betrieblichen Einrichtungen der wirtschaftlichen Entwicklung und den Ansprüchen an eine moderne Verkehrsverwaltung anpassen, nicht nur für die Teilnehmer am Postverkehr des eigenen Landes, sondern als Unternehmen eines Durchgangslandes auch für die Teilnehmer in den angrenzenden Ländern in Europa und darüber hinaus. Auf den Einsatz hoher Investitionsmittel für diesen Zweck konnte daher nicht verzichtet werden.Ein weiteres Charakteristikum der Bundespost ist die unbedingte Bedienungspflicht auf Grund der Benutzungsbestimmungen der Deutschen Bundespost. Die Bundespost hat nicht die Möglichkeit, so wie es ein Betrieb der privaten Wirtschaft kann, zu entscheiden, welche Aufträge durchgeführt werden sollen und welche nicht. Sie hat nicht die Möglichkeit, die lukrativen Dienste anzunehmen und die defizitären Dienste abzulehnen oder einzustellen. Die gemeinwirtschaftliche Pflicht der Deutschen Bundespost ist ein beherrschendes Moment. Wie hoch die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung der Deutschen Bundespost zu bewerten ist, das zu klären wäre auch eine Frage, die von der „Siebener-Kommission" zu behandeln wäre. Und, Herr Erler, diese Siebener-Kommission ist nicht nur vom Bundestag beschlossen, sondern sie ist bereits — ich wundere mich über ihren schlechten Nachrichtendienst — berufen, und die Bestallungsurkunden sind zugestellt.
— Ich stelle fest: die Kommission ist berufen und die Bestallungsurkunden sind zugestellt.
— Sie haben heute noch festgestellt, daß sie nicht berufen ist.
— Ich stelle fest: sie ist berufen.
— Mindestens seit gestern.
— Herr Kollege Erler, Sie haben nicht gestern, sondern heute hier behauptet, diese Kommission sei noch nicht berufen. Ich wollte nur feststellen, daß diese Kommission berufen ist.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Herr Minister, ist die Kommission schon zu ihrer konstituierenden Sitzung einberufen?
Nein, Herr Kollege Schäfer.
Sie werden diese Kommission auch nicht mitten imUrlaub zu einer Sitzung hier in Bonn versammeln.
— Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie mögen hier den Versuch unternehmen, es so darzustellen, als ob die Bundesregierung hier nicht gehandelt hätte.
Ich darf Ihnen sagen, daß es gar nicht so einfach ist,sieben in der Öffentlichkeit auch aussagefähige Persönlichkeiten für eine solche Aufgable zu gewinnen.
Daher war Ihre Bemerkung polemisch. Ich wollte nur die Tatsache als solche hier feststellen, damit Sie auch zumindest in diesem Punkt konkret sein können.Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich hier, bevor ich zur Gebührenfrage Stellung nehme, die Aufgaben der Deutschen Bundespost herausstelle, so deshalb, weil man ohne ihre Kenntnis zu keiner richtigen Beurteilung der Situation kommen kann, und weil ich glaube, daß man die Frage des Gebührenerhöhungsaktes doch ein bißchen zu sehr polemisch behandelt hat, ohne tiefer in die Materie einzusteigen.Ich darf also fortfahren und möchte feststellen, daß zur Bewältigung der Probleme, die ich in kurzen Umrissen aufgezeigt habe, umfassende organisatorische und Rationalisierungsmaßnahmen mit und ohne Kapitaleinsatz notwendig gewesen sind. Diese einzelnen Maßnahmen haben es ermöglicht, daß die Deutsche Bundespost trotz der Verknappung der Arbeitskräfte, trotz Verkürzung der Arbeitszeit und ohne wesentliche Erhöhung der Tarife, auf die ich noch im einzelnen zu sprechen komme, ihrer Aufgabe gerecht wurde.Ich möchte an dieser Stelle nur hervorheben, daß wir in Deutschland mit 92 % im Selbstwählferndienst automatisiert sind und im Ortsverkehr mit 99,8 %. Mit Ausnahme der kleineren Länder Europas gibt es keine große Postverwaltung, die in der Automatisierung der Selbstwahl so weit fortgeschritten ist wie die Bundesrepublik Deutschland.Diese Maßnahmen, die einen hohen Kapitaleinsatz erforderlich gemacht haben, sind letztlich nicht als Selbstzweck für die Deutsche Bundespost durchgeführt worden, sondern dienen in der Gesamtheit einem raschen Nachrichtenverkehr der gesamten Wirtschaft.
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6674 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Bundesminister StücklenDiese Aufgaben konnten nur durchgeführt werden, weil nicht nur die Kapazität der Industrie bzw. die Planungskapazität der Post vorhanden war, sondern auch der Kapitalmarkt die Mittel zur Verfügung gestellt hat. Ich möchte mit Nachdruck betonen, daß in den letzten vierzehn Jahren von den Gesamtinvestitionen in Höhe von 13 Milliarden DM die Investitionen auf dem Fernmeldesektor 10 Milliarden DM ausgemacht haben. Diese Tatsache ist mit in Betracht zu ziehen, wenn man sich entscheidet, welche Dienstzweige der Deutschen Bundespost bei Gebührenerhöhungen mit heranzuziehen sind.Die Expansion der Deutschen Bundespost und der Verkehrsanstieg der Deutschen Bundespost sind mit einer Arbeitskräftevermehrung von nur 41 % bewältigt worden. Auf dem Fernmeldesektor ist eine Steigerung der Dienstleistungen um 219 % und eine Personalvermehrung von nur 17 % zu verzeichnen. Das zeigt deutlich, daß diese enorme Steigerung der Dienstleistungen durch Rationalisierung und einen sinnvollen Einsatz der Investitionen bewältigt worden ist.Trotzdem ist die Deutsche Bundespost in die Verlustzone gekommen. Der Verlust betrug 1961 142 Millionen DM, 1962 382 Millionen DM, 1963 250 Millionen DM. Im Jahre 1964 sind es etwa 385 Millionen DM, und der Verlust des Jahres 1965 macht insgesamt ungefähr 876 Millionen DM aus. An diesem Verlust des Jahres 1965 sind allein die Lohn- .und Gehaltssteigerungen mit rund 500 Millionen DM beteiligt. Das, Herr Kollege Erler, ist eine entscheidende Ursache mit dafür, daß die Deutsche Bundespost in diese schwierige und defizitäre Lage geraten ist.Ich möchte hier auch die Entwicklung der Personalkosten aufzeigen. Die Personalkosten pro Arbeitskraft betrugen im Jahre 1949 4369 DM, im Jahre 1963 11 127 DM. Das ist eine Steigerung von 155%! In den letzten sechs Jahren sind die Aufwendungen für Löhne und Gehälter allein durch besoldungsrechtliche Maßnahmen — also ohne die Vermehrung des Personals — wie folgt gestiegen: 1P58 um 73 Millionen DM. 1959 um 10 Millionen DM, 1960 urn 287 Millionen DM, 1961 um 352 Millionen DM, 1962 um 174 Millionen DM und 1963 um 350 Millionen DM; 1964 werden es ungefähr 420 Millionen DM sein, und zu 1965 habe ich bereits Ausführungen gemacht. Das bedeutet, daß die Deutsche Bundespost bezogen auf 1958 durch Lohn- und Gehaltserhöhungen — ohne Personalvermehrung — eine jährliche Mehrbelastung von 1,6 Milliarden DM zu tragen hat. Diese Tatsache muß man in Betracht ziehen, wenn man ein Urteil über die Situation der Deutschen Bundespost abgeben will.Gewiß haben sich andere Kostenfaktoren in der Betriebsführung ebenfalls verändert, auch die Abführung an den Bund, auch die Zinsleistungen für das aufgenommene Fremdkapital. Alles zusammengenommen ergibt sich im Vergleich zu 1957 für 1964 eine Kostensteigerung von rund 4 Milliarden DM.
— Einschließlich der Ablieferungen! Herr Kollege Cramer, wir haben in diesem Hause wiederholt über diese Frage gesprochen. Ich möchte gar nicht in den theoretischen Streit eintreten, ob der Abführungsbetrag ein Entgelt für nicht entrichtete Steuern oder eine Monopolabgabe ist. Ich glaube vielmehr, es kommt einzig und allein darauf an, ob es möglich ist, diese Kostenfaktoren über die Tarife abzuwälzen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gemeinwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundespost.Nun hat die SPD einen Antrag eingebracht. Ich komme jetzt konkreter zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Erler; Sie warten sicher schon ungeduldig darauf. Aber ich hielt es für notwendig, auch die Zusammenhänge aufzuzeigen, weil man hier nicht einfach das Endergebnis einer für uns alle unerfreulichen Entwicklung aufzeigen und feststellen kann, sondern sich schon der Mühe unterziehen muß, auch die einzelnen Faktoren kennenzulernen, die zu der defizitären Entwicklung der Deutschen Bundespost geführt haben.Nun haben Sie einen Antrag auf Rückgängigmachung der Gebührenerhöhung gestellt, die vom Kabinett auf Grund meiner Vorlage beschlossen worden ist. Sie haben sich auch einen Weg ausgedacht, wie man die Gebührenerhöhung vermeiden könnte, d. h. wie man das Defizit der Deutschen Bundespost auf anderem Wege ausgleichen könnte. Sie machen es sich bequem und nehmen das Defizit des Bundeshaushalts des vergangenen Jahres, um damit das Defizit der Deutschen Bundespost zu decken. Diese Auffassung ist mir unverständlich;
denn es war mir bisher nicht bekannt, daß man mit Nichtabdeckung des einen Defizits für ein anderes Defizit eine Lösung finden kann, nach der auch im Interesse einer sauberen Haushaltsführung im Bundeshaushalt und im Posthaushalt verfahren werden kann. Während Sie, meine Damen und Herren von der SPD, die Ursachen, die zu entscheidenden Kostensteigerungen bei der Deutschen Bundespost geführt haben — das sind Lohn- und Gehaltserhöhungen, das sind Arbeitszeitverkürzungen, das sind die Gesetze, die ich aufgeführt habe —, immer anerkannt haben und sogar noch mehr gefordert haben, sind Sie heute nicht bereit, die Konsequenzen daraus zu ziehen.Ich glaube kaum, daß die Antragsteller der Auffassung sind, daß es eine ideale Lösung darstellt, daß nicht der, der die Kosten für die Dienstleistungen der Bundespost insgesamt verursacht, zur Dekkung der Kosten herangezogen wird, sondern die Allgemeinheit der Steuerzahler. Diese Art von Sozialisierung der Kosten entspricht nicht unseren Vorstellungen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Erler?
Bitte.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6675
Herr Minister, ist Ihnen dabei völlig entgangen, daß die Abführung der Bundespost an den Bund nicht auf Leistungen posttechnischer Art für den Bund zurückzuführen ist? Diese Abführung an den Bund muß doch nicht durch Gebühren beglichen werden, die der Postkunde zu zahlen hat.
— Dann müssen wir das Gesetz ändern!
Herr Kollege Erler, Sie haben mit Ihrem Deckungsvorschlag für das Defizit des Jahres 1964 nicht die Beseitigung der Abführung an den Bund verlangt, sondern Sie haben gesagt, der Finanzminister — er wird selbst dazu Stellung nehmen — sollte nicht das Defizit des Bundeshaushalts 1963 decken — dieses sollte er erst 1965 decken sondern das Geld zur Deckung des diesjährigen Defizits der Post verwenden. Und gegen diese Feststellung habe ich hier polemisiert, und zwar mit Recht, weil ich glaube, daß es kein sauberer Dekkungsvorschlag ist.
Nun darf ich Ihnen ein Weiteres sagen. Sie haben in Ihrer Fraktion ganz hervorragende Juristen. Darüber gibt es doch gar keinen Zweifel. Diese Juristen waren nicht in der Lage, einen Initiativgesetzentwurf für eine Novelle zum Postverwaltungsgesetz vorzulegen, sondern Sie haben die Bundesregierung aufgefordert, dies zu tun.
Warum? Warum hat die SPD-Fraktion — —
— Meine Herren, Sie müssen ein bißchen ruhiger sein; sonst können wir uns nicht verständigen. Es wäre gut, wenn Sie hier genau zuhörten.
Sie haben den konkreten Gesetzentwurf, der eine Streichung der Abführung der Post an den Bundeshaushalt vorsieht, deshalb nicht gebracht, weil Sie nicht den Mut gehabt haben, für die 500 Millionen DM auch einen Deckungsvorschlag vorzulegen.
Das war der entscheidende Grund. Sie treiben hier in dieser Frage nicht nur seit Monaten, sondern seit Jahren schon eine Vogel-Strauß-Politik, die keinen — —
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren wird in diesem Hause das Haushaltsgesetz beraten, und seit Jahren ist in diesem Haushaltsgesetz die Abführung der Deutschen Bundespost an den Bund festgehalten und in konkreten Zahlen ausgeworfen. Alle Fraktionen haben im Haushaltsausschuß sogar geschlossen an der Abführung der Deutschen Bundespost an den Bundeshaushalt festgehalten.
— Herr Schäfer, wenn es eine Gesetzesfrage ist, dann möchte ich gerade Sie ansprechen: ob Sie nicht in der Lage gewesen wären, ein solches Gesetz vorzulegen. Sie wollten es nicht, weil Sie die Beweislast, den Deckungsvorschlag, nicht übernehmen wollten. Sei wollten in dieser Frage nur polemisieren.
Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Cramer.
Da Sie selber in der Öffentlichkeit oft die Änderung dieses Paragraphen beantragt haben, eine Frage: Haben Sie selbst einmal im Kabinett den Antrag gestellt, diese Summe herabzusetzen oder ganz zu streichen oder zu stunden?
Herr Kollege Cramer, erstens darf ich feststellen, daß ich zu der Abgabe der Post an den Bund hier konkrete Ausführungen gemacht habe. Es ist keinesfalls so, daß man diese Frage mit einer Handbewegung vom Tisch wischen kann. Entscheidend ist, ob die Abgabe als Kostenfaktor abgewälzt werden kann, und das geht bei der Bundespost nur über die Tarife.
Zweitens darf ich feststellen — der Herr Finanzminister wird dazu einiges ausführen —, daß der Herr Finanzminister ja bereit ist, auf einen Teil des Abführungsbetrages zu verzichten. Ich möchte dem Finanzminister nichts vorwegnehmen. Ich möchte ihm gern die Möglichkeit lassen, diesen Teil, den er zur Sanierung der Deutschen Bundespost, wenn auch mit kleinen Anfängen, beizutragen begonnen hat, hier selber vorzutragen.
Eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schmid.
Eine ganz einfache Frage, Herr Postminister! Sind Sie für die Beibehaltung oder für die Aufhebung dieser Abgabeverpflichtung der Bundespost?
Herr Kollege Schmid,
ich darf Ihnen ganz konkret diese Frage beantworten: Solange die Möglichkeit der Abwälzung besteht und der Haushalt Schwierigkeiten hat, diese Millionen unterzubringen, so lange bin ich für die Abwälzung. Wenn die Abwälzung nicht möglich ist, dann bleibt ohnedies kein anderer Weg übrig als der einer entsprechenden Änderung des Gesetzes, um eine Ablösung der Ablieferung herbeizuführen.
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6676 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Haben Sie im Kabinett versucht, eine entsprechende gesetzliche Regelung herbeizuführen?
Herr Kollege Schmid — —
— Sie haben doch dauernd diese Forderung gestellt.
Herr Kollege Schmid, ich habe Ihnen gesagt, daß der Herr Bundesfinanzminister a) zu dieser Frage sprechen wird und b) bereits die ersten Schritte in dieser Richtung angekündigt hat.
Das kann doch nicht vom blauen Himmel gekommen sein, sondern ist wahrscheinlich das Ergebnis von Beratungen im Kabinett.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stoltenberg?
Ich habe mit der Zwischenfrage Sie als den für das Ressort der Post
verantwortlichen Minister gefragt, ob Sie solche Versuche gemacht haben.
Glauben Sie, der Finanzminister war so gebefreudig? Das ist kein Finanzminister, ganz gleich wie er heißt. Wir haben Erfahrungen in diesen Dingen in unseren eigenen Reihen.
Glauben Sie, daß der Finanzminister von sich aus gekommen wäre und das angeboten hätte? Das ist das Ergebnis von Verhandlungen; ich halte es für richtig, daß Verhandlungen stattfinden und nicht einseitig Forderungen aufgestellt werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stoltenberg??
Bitte!
Ist es richtig, Herr Minister, daß die hier diskutierte Bestimmung 1953 von diesem Hohen Hause mit den Stimmen aller Fraktionen — unter ausdrücklicher Befürwortung durch die Abgeordneten Cramer, Schoettle und andere — beschlossen worden ist und daß Sie gar nicht in der Lage sind, von dieser Bestimmung abzuweichen, solange das Hohe Haus, das ein Initiativrecht hat — in jeder Fraktion, wie die Regierung —, nicht einen anderen Beschluß faßt?
Herr Kollege Stoltenberg, Sie haben exakt diese Frage gestellt. Ich kann sagen: jawohl, die SPD
hat 1953 dem § 21 Abs. 2 zugestimmt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Bitte.
Darf ich aus dem Frage- und Antwortspiel zwischen Ihnen und Ihrem Fraktionskollegen entnehmen, daß Sie beide bereit sind, einer Gesetzesänderung, die diese rechtlichen Schwierigkeiten aus dem Wege räumen würde, zuzustimmen, womit wir dann im Herbst die Voraussetzungen geschaffen hätten, um rechtlich auch den jetzt schon vorzunehmenden Fortfall der Gebührenerhöhung abzudecken?
Herr Kollege Erler, welche Initiative die Fraktion unternimmt, das werden Sie von meinem Fraktionskollegen Schmidt hören. Ich kann mir nicht das Recht anmaßen, als Mitglied des Kabinetts für die Fraktion zu sprechen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?
Bitte.
Herr Minister, müssen wir Ihre letzte Erklärung so auffassen, daß nicht zu erwarten ist, daß die Bundesregierung von ihrem Gesetzesinitiativrecht Gebrauch macht?
Herr Schäfer, Sie brauchen nur die Anträge zu lesen, die heute hier im Plenum verteilt worden sind; aus ihnen können Sie ungefähr die Tendenz herauslesen.Ich stelle nach wie vor fest, daß Sie zwar immer lebhaft polemisiert haben, daß Sie es aber bisher, weil Sie keinen Deckungsvorschlag machen wollten, vermieden haben, in dieser Frage initiativ zu werden.
Ich habe gesagt, meine sehr verehrten Damen undHerren von der SPD, daß wir die Sozialisierung der
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Bundesminister StücklenKosten, so wie Sie es sich vorstellen, nicht unterstützen können. Ich bin auch weiter der Auffassung, daß die Maßnahme der Gebührenerhöhung keine Dauerlösung für die Deutsche Bundespost sein kann. Wenn aber die Lohn- und Gehaltsbewegung so weitergeht und jedes Jahr 400 bis 500 Millionen DM an zusätzlichen Lohn- und Gehaltskosten auf die Deutsche Bundespost zukommen, dann wird die Stabilität nicht durch die Regierung gefährdet, sondern dann ist sie aus diesen Gründen gefährdet.
Die Gebührenerhöhung, die heute Mittelpunkt der Diskussion ist, ist nicht durchgeführt worden, um der Deutschen Bundespost Investitionsmittel zu verschaffen; sie ist vorgenommen worden, um das Defizit des Posthaushalts 1964 und das Defizit des Haushalts 1965 auszugleichen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Minister, ich bin noch nicht so lange in diesem Hause. Hatte nicht 1953, als der § 21 des Postverwaltungsgesetzes beschlossen wurde, die Post einen Überschuß?
Da waren geringe Überschüsse vorhanden.
Welche Maßnahmen haben Sie getroffen, als diese Überschüsse wegfielen, um das Hohe Haus darauf aufmerksam zu machen, daß hier eine Änderung eintreten muß, weil sonst die Post ihren Haushalt nicht mehr ausgleichen kann? Das ist doch Sache des Ministers!
Fragen, fragen!
Herr Kollege, wir haben bis 1958 noch ein kleines Defizit gehabt, 1959 einen Gewinn, 1960 auch noch einen Gewinn; erst 1961 haben wir durch die wesentlich höheren Steigerungen der Personalkosten ein Defizit erreicht, das wir bisher nicht mehr abbauen konnten. Deshalb bestand zu der Zeit gar keine Notwendigkeit, die Frage auf diesem Wege zu lösen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Gebührenerhöhung soll das Defizit ides Posthaushaltes 1964 und 1965 ausgleichen; denn die Deutsche Bundespost hat die Aufgabe, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, und muß für den Ausgleich des Haushalts auch entsprechende Maßnahmen einleiten.Nun darf ich zu dieser Gebührenerhöhung noch feststellen, warum sie ,auf dem Sektor der Fernsprechgebühren durchgeführt worden ist und nicht auf einem anderen Sektor, z. B. auf 'dem Briefsektor oder dem allgemeinen Postsektor. Wenn wir die Tarife vergleichen, dann stellen wir fest, daß bei einem Index 1949 = 100 heute ,die Fernmeldegebühren im Ortsverkehr um 7 % gestiegen und im Fernverkehr um 13 % gesunken sind,
so daß einem Index von 100 auf dem Fernmeldesektor 87 % im Fernverkehr und 107 % auf dem Sektor ides Ortsverkehrs gegenüberstehen. In den Postdienstzweigen ist das anders. Dort sind einzelne Gebühren bereits im Laufe der Jahre 1954, 1958 und 1963 angehoben worden, so daß wir heute einen Tarifindex von 140 gegenüber 100 im Jahre 1949 haben. Ziehen wir weiter in Betracht, daß auf dem Fernmeldesektor, wie ich bereits ausführte, seit 1949 allein 10 Milliarden von 13 Milliarden DM investiert worden sind, und stellen wir fest, daß die Zinsleistungen für das aufgenommene Fremdkapital seit 1949 2,25 Milliarden DM ausmachen! Unter diesen Umständen ist es, so glaube ich, 'gerechtfertigt, wenn man die Gebührenerhöhung auf diesem Sektor durchgeführt hat, besonders wenn wir wissen, daß auch in den kommenden Jahren größere Investitionen auf dem Fernmeldesektor erforderlich sind: allein für das Jahr 1964 1,8 Milliarden DM, für idas Jahr 1965 2,0 Milliarden DM.Natürlich spielen die Fernmeldegebühren als Kosten auch bei der Preiskalkulation in der gewerblichen Wirtschaft eine Rolle. Es ist .daher auch unsere Pflicht, zu prüfen, inwieweit diese Tariferhöhungen Auswirkungen auf die einzelnen Wirtschaftszweige haben. Ich darf feststellen, daß nach einer Ifo-Forschung die Fernmeldegebühren für die Gesamtindustrie, auf den Umsatz berechnet, 0,26 % ausmachen, für die Grundstoff- und Produktionsindustrie 0,28 %, für den Großhandel 0,27 %, für den Einzelhandel 0,20 %, für den Versandhandel 0,18 % und für das Verlagswesen 0,68 %. Ich darf weiter feststellen, daß man aus der Steigerung der Gebühren im Fernmeldesektor bei diesem Anteilsatz der Industrie wohl nicht gut ableiten kann, daß man deswegen irgendwelche Preiserhöhungen vornehmen müßte.
Ebenfalls aus einer Untersuchung des Ifo-Instituts geht hervor, daß sich die Fernmeldegebühren auf die großen Gruppen der einzelnen Fernsprechteilnehmer wie folgt verteilen: 81,7 % gewerbliche Wirtschaft, 10,1 % öffentliche Hand und 8,2 % privater Verbrauch. 81,7 % entfallen auf den Sektor, der mindestens zum Teil die Möglichkeit hat, die Mehrbelastung vom steuerlichen Gewinn abzuziehen.Auch die Feststellung, daß die Gebührenerhöhung auf dem Fernsprechsektor in Deutschland dazu geführt hat, daß wir heute an der Spitze der Fernmeldegebühren in Europa oder in der Welt stehen, ist ein Trugschluß, weil man nicht nur die nominel-
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Bundesminister Stücklenlen Tarifsätze anführen kann, sondern weil man auch berücksichtigen muß, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Leistungen die einzelnen Verwaltungen ihre Gebühren gestaltet haben, und weil es entscheidend darauf ankommt, ob sie, wie bei uns zu 92%, einen Sofortverkehr haben, also dringende Gespräche oder Blitzgespräche nicht mehr in so großer Zahl existieren. Das muß man mit in Rechnung stellen, wenn man einen Vergleich mit den Verwaltungen der übrigen Länder anstellt.Was den Nachttarif angeht, so haben wir ihn nicht aus tarifpolitischen Gründen geändert, sondern deshalb, weil um 21 Uhr eine Spitze aufgetreten ist, die den Weitverkehr zusammenbrechen ließ. Durch unsere Messungen ist festgestellt worden, daß bis zu 25mal angewählt werden mußte, in der Zeit nach 21 Uhr, — also für das sogenannte billige Gespräch —, um überhaupt zu einer Verbindung zu kommen. Da aber über diese Leitungen auch der gesamte internationale Verkehr, also auch die Gespräche vom Ausland nach Deutschland und durch Deutschland laufen und da ein Teil auch noch die handvermittelten Gespräche benutzen muß, war es für die Betriebsabwicklung unerläßlich, diese Spitze abzubauen. Uns schien es viel vernünftiger, den Tarif hier abzuflachen und die Zeiten der billigen Gespräche von 18 Uhr bis 7 Uhr morgens und von sonnabends 14 Uhr bis Montag morgens 7 Uhr auszuweiten, um die verbilligten Gespräche damit auseinanderzuziehen und für das verbilligte Gespräch auch tatsächlich eine entsprechende Leistung bieten zu können. Nach wie vor besteht in den Zonen 1 bis 5 eine Verbilligung von 331/3% gegenüber dem Tagesgespräch. In der Zone 6 sind es 462/3%, in der Zone 7 552/3% und in der Zone 8 62%. Ich bin überzeugt, daß durch dieses Auseinanderziehen des billigen Tarifs und durch diese Staffelung in Zukunft auch ein reibungsloser Ablauf der verbilligten Gespräche möglich sein wird.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe die Entwicklung der Deutschen Bundespost in Stichworten aufgezeigt, ich habe ebenfalls einzelne wesentliche Faktoren, die zur Verschlechterung des Betriebsergebnisses der Deutschen Bundespost geführt haben, aufgezeigt, und ich habe mit allem Nachdruck festgestellt, daß bei einem so lohnintensiven Betrieb wie der Deutschen Bundespost mit 65% Lohn- und Gehaltsanteilen jede Lohn- und Gehaltssteigerung sich auf das Betriebsergebnis auswirken wird.Wir sollten auch der Öffentlichkeit nichts vortäuschen. Wir sollten der Öffentlichkeit nicht vortäuschen, daß es möglich ist, Löhne und Gehälter zu erhöhen und bei einem Dienstleistungsbetrieb wie der Deutschen Bundespost die Preise stabil zu halten.
Das ist ein Trugschluß, und mit diesem Trugschluß täuschen wir uns selbst. Wir können damit nicht erwarten, daß der Steuerzahler diese Entwicklung im Stillschweigen ausgleicht, um diese Folgeerscheinung nicht in die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Nein, diese Entwicklung der Löhne und Gehälter muß in einen unmittelbaren Zusamenhang gebrachtwerden. Das ist kein Vorwurf gegen das Personal der Deutschen Bundespost. Das brauche ich hier wohl nicht sonderlich zu betonen. Ich habe in meinen Ausführungen bereits dargelegt, daß das Personal ohnedies nicht an der Spitze der Lohn- und Gehaltsskala steht.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?
Nein, ich komme zum Schluß. — Ist es etwas Wesentliches? —
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da der Bundeshaushalt — und der Herr Finanzminister wird dazu sprechen — nicht in der Lage war, das Defizit der Post im Jahr 1964 und für 1965 auszugleichen, blieb der Deutschen Bundespost im Wege des vom Gesetz vorgeschriebenen Verfahrens gar nichts anderes übrig, als diese Gebührenerhöhung vorzunehmen, um dadurch die Funktion der Deutschen Bundespost auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Ich habe nur die Hoffnung, daß wir in der Zukunft das Maßhalten nicht erst dann richtig verstehen wollen, wenn die Ursachen, die zu einer solchen Entwicklung führen, bereits seit Wochen und Monaten vorbei sind,
sondern, daß wir hier im Plenum einmal zeigen, daß wir maßhalten wollen, daß wir auch bei all diesen Entscheidungen, die der Bundestag fällt, wissen, daß sie Auswirkungen haben und, wenn es sich um Löhne und Gehälter handelt, besondere Auswirkungen bei Dienstleistungsbetrieben.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Gefahr hin, daß ich mich möglicherweise bei dem einen oder anderen Kollegen unbeliebt mache,
der aus dem Urlaub zurückgeholt worden ist, muß ich ganz offen bekennen, Herr Kollege Erler, daß ich selten für eine Maßnahme der sozialdemokratischen Fraktion so dankbar gewesen bin wie für diese Sondersitzung, die mir endlich einmal Gelegenheit gibt, einige Klarstellungen zu Mißverständnissen, denen auch Sie unterlegen sind, zu treffen — Klarstellungen, die ich in dieser Breite nicht in der Öffentlichkeit habe anbringen können, obwohl ich sie der Öffentlichkeit angedient habe.Ich weiß nicht, worauf es zurückzuführen ist, auf die sommerliche Hitze oder auf Mißverständnisse, oder ob absichtlich ein Schauspiel gewünscht und herbeigeführt worden ist; aber wenn ich am 28. Juli von dem Sprecher der SPD, Herrn Barsig, höre, daß die Einsetzung der Sachverständigenkommission ein
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Bundesminister Dr. DahlgrünHohn sei, ihre Aufgabe sei einzig und allein gewesen, die Gebührenerhöhung zu verhindern, und was sie jetzt noch solle, sei unerfindlich, dann muß ich Ihnen offen sagen, Herr Kollege Erler: Es ist mir ein Rätsel, was in dem Kopf von Herrn Barsig vor sich gegangen ist.
Denn daß die Sachverständigenkommission eine absolute Notwendigkeit ist, darüber sind wir uns, glaube ich, einig.Ich will gleich den ersten Komplex nehmen, bei dem ich vergeblich versucht habe, Klarheit zu schaffen. Ich muß Ihnen offen sagen, Herr Kollege Erler, auch Sie haben in Ihren Ausführungen einiges nett durcheinandergebracht. Das ist z. B. die Beziehung zwischen Postabgabe, Steuern und Gebühren. Herr Kollege Erler, es ist wirklich eine Illusion, wenn man den Gedanken fassen wollte, der Bundesfinanzminister verzichte auf die Postablieferung, und der Steuerzahler bezahlt den Rest. Ich halte mich für verpflichtet, für die Steuerzahler — für alle — einzutreten.
Ich halte es nicht für gut, daß alle Steuerzahler die Post subventionieren.
Dann halte ich es noch für besser, daß ein Postkunde den anderen subventioniert.
Zu der Ablieferung, sehr verehrter Herr Kollege Erler, will ich das Folgende sagen. In der ganzen Diskussion ist immer wieder gesagt worden, wenn die Post nicht abzuliefern bräuchte, sei alles in Ordnung. Erstens stimmt das nicht; denn wenn Sie sich die Verlustzahlen, auf die ich nachher kommen werde, ansehen und sich vorstellen, der Bundesfinanzminister hätte das Recht — er hat es nicht —, auf die Postabgabe zu verzichten, und man würde die Bundespost dazu noch von den politischen Lasten entlasten, dann werden Sie feststellen, daß auch dann die Bundespost aus dem Defizit auf die Dauer nicht herauskäme.
Es muß schon etwas Grundsätzlicheres erfolgen.
Und deshalb, meine Damen und Herren, irrt hier Herr Barsig.Es ist aber in dieser Ablieferungsfrage noch etwas anderes beschlossen, das mich immer erschreckt hat, worüber ich mich immer, ich sage es deutlich, geärgert habe. Das ist die Tatsache, daß gewisse Leute, daß Teile der Öffentlichkeit sagen: „Der Bundesfinanzminister ist an allem schuld! Wenn er auf der Ablieferung nicht so hartnäckig und gefräßig bestehen würde, dann wäre alles in Ordnung." Nun, meine Damen und Herren, dazu müßte man sich natürlich erst einmal darüber klar werden, was die Postablieferung bedeutet, um dann zu prüfen, ob der Bundesfinanzminister wirklich das Recht hat, etwas zu tun. Ich meine, er hat vielleicht an vielem schuld, aber an dieser Sache sicherlich nicht. Denn sehen Sie, meine Damen und Herren, die Postablieferung, die 1931 eingeführt worden ist, als das Sondervermögen Post aus dem Reichshaushalt ausgegliedert wurde, ist bis heute eine Monopolabgabe, die das Sondervermögen aber auch als Ausgleich dafür zu zahlen hat, daß die Post keine Steuern zahlt.
Die Post bezahlt nämlich nur einige Milliönchen Steuern aus dem Omnibusverkehr und ist sonst von allen Steuern befreit, insbesondere von der Umsatzsteuer, einer Kostensteuer, die ohne Rücksicht auf den Ertrag vom kleinsten Handwerksmeister bezahlt werden muß.
Also die ganze Argumentation — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Bitte sehr, Herr Seuffert!
Herr Bundesfinanzminister, wissen Sie wirklich einen vernünftigen Grund dafür, daß die Post, die mit keinem Unternehmen der Wirtschaft in Konkurrenz steht,
mit keinem Unternehmen der Wirtschaft mit nicht defizitären Diensten in Konkurrenz steht — —
Herr Kollege Zoglmann, lassen Sie den Kollegen Seuffert seine Frage zu Ende bringen, und dann protestieren Sie.
Herr Bundesfinanzminister, wissen Sie wirklich einen vernünftigen Grund, warum das Postmonopol, das mit keinem Unternehmen der Wirtschaft mit seinen nicht defizitären Diensten in Konkurrenz steht, sondern das der Wirtschaft mit seinem Monopoldienst dient, Steuern zahlen sollte?
Ein Sondervermögen, das sich in der Wirtschaft betätigt und auch zum Teil eine gewisse Konkurrenz hat! Ich komme nämlich nun auf den Vergleich, Herr Kollege Seuffert, mit der Bahn. Der Bahn werden die betriebsfremden politischen Lasten abgenommen durch die Defizitdeckung über den Bundeshaushalt, weil die Bundesbahn in scharfem Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern steht. Dafür trägt die Post ihre politischen Lasten gefälligst selber.
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6680 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Bundesminister Dr. DahlgrünAber die Monopolabgabe hat ihre ,Berechtigung als Entgelt für den Schutz durch ides Monopol, und zwar in fast der gleichen Höhe, wie die Bundesbahn Beförderungsteuer zahlt. Mindestens muß man, Herr Kollege Seuffert, wenn man die Frage überlegt, ob man etwas tun soll oder nicht tun soll, bei der Argumentation die Steuerfreiheit erwähnen; aber es erwähnt sie niemand. Die Ablieferung der Bundesbahn, Herr Erler, geschieht tatsächlich durch Steuerzahlungen in Höhe von 450 Millionen DM. Also, die Berufung auf die Bahn zieht nicht.Nach dem Postverwaltungsgesetz kann auf die Ablieferung nicht verzichtet werden. Die Ablieferung ist gesetzlich vorgeschrieben.Nun haben Sie ,als eine der Maßnahmen neben derjenigen der Einsetzung der Sachverständigenkommission und neben der Gebührenerhöhung — das ist auch ein solcher Mangel in der Argumentation, daß die Gebührenerhöhung immer als ,alleinige Maßnahme herausgestellt wird, obwohl bereits eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet worden sind — das Einfrieren des ablieferungspflichtigen Betrages bei der Post auf 520 Millionen DM im laufenden und im nächsten Haushaltsjahr erwähnt. Herr Kollege Erler, Sie haben sehr richtig gesagt, daß dieses Einfrieren ebensowenig wie ein Verzicht auf die Postabgabe von mir oder durch Beschluß der Bundesregierung angeordnet werden kann. Sie haben auf § 19 des Haushaltsgesetzentwurfs für 1965 hingewiesen, worin ich diese Maßnahme, die von Bundesrat und Bundestag sanktioniert werden muß, vorgeschlagen habe. Sie haben mit Recht ,auch erwähnt, daß im Laufe des Herbstes leine gesetzliche Maßnahme eingeleitet werden muß, um den ,ablieferungspflichtigen Betrag schon im laufenden Jahr auf 520 Millionen DM einzufrieren. Das haben Sie sehr richtig dargestellt; aber Sie haben den Inhalt des § 15 des Postverwaltungsgesetzes nicht richtig dargestellt, in dem es heißt, daß die Post ihren Haushalt so aufzustellen und durchzuführen hat, daß sie die notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen finanzieren kann. Die Bundespost kann den Haushaltsplan ,aber nicht durchführen, wenn sie im laufenden Jahr ein Defizit von ca. 380 Millionen DM erwarten muß; da muß sie Vorschläge machen, wie sie das Defizit decken will.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Herr Minister, da Sie von der Steuerfreiheit der Bundespost sprachen: Ist Ihnen klar, daß nach dem von Ihnen vorgelegten Entwurf über die Nettoumsatzsteuer an der Bundespost in jedem Fall, auch wenn sie nach dem Entwurf nicht direkt einbezogen ist, eine ganze Menge Steuer hängenbleibt?
Ich habe diese Frage nicht verstanden, Herr Kollege. Darf ich Sie bitten, sie zu wiederholen.
Herr Minister, Sie haben einen Entwurf über die Nettoumsatzsteuer oder Mehrwertsteuer vorgelegt. Nach diesem Entwurf ist die Bundespost zwar nicht offiziell einbezogen; aber Sie wissen ganz genau, daß, ob sie drin ist oder nicht, eine Menge Steuer — ich schätze, etwa 4 bis 5 % des Umsatzes, schon durch die Vorsteuern auf die Investitionen — an der Bundespost hängenbleibt.
Ich würde sagen, daß wir die Frage der Einbeziehung der Post in die Mehrwertsteuer jetzt nicht diskutieren sollten. Sie haben sonst recht, Herr Kollege; damit hat sich der Finanzausschuß des Bundestages bereits befaßt.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Bitte schön.
Ist es nicht umgekehrt, Herr Minister: Wenn die Post der Mehrwertsteuer unterläge, blieben eben die Steuern bei der Post nicht hängen, wie eben Herr Kollege Eppler erwähnte. Und ist es überhaupt zweckmäßig, die ganze Frage der Ablieferungspflicht jetzt in die Erörterung einzubeziehen, wo die Unterwerfung der Bundespost unter die Mehrwertsteuer in ihrem eigenen Interesse das Problem möglicherweise in einem ganz anderen Licht erscheinen läßt?
Das ist ein außerordentlich wichtiges Problem, meine Damen und Herren, mit dem sich die Sachverständigenkommission wird befassen müssen: Wie soll zweckmäßigerweise die Struktur der Deutschen Bundespost aussehen? Wie muß insofern das Postverwaltungsgesetz geändert werden? Wir alle warten darauf, daß das Ergebnis der Arbeit der Kommission eine günstigere Struktur der Bundespost sein wird als die heutige. Aber die Einsetzung der Kommission muß als eine Maßnahme zur Klärung der Lage unter allen Umständen mitgenannt werden. Es darf nicht allein von der Gebührenerhöhung, sondern es muß auch von der Einsetzung dieser Kommission gesprochen werden. Die beiden Fragesteller haben die Wichtigkeit schon durch ihre Fragen zum Ausdruck gebracht.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, nachdem es in der Debatte eben zuletzt etwas durcheinandergegangen ist, den Versuch unternehmen, zusammenzufassen.Erstens. Die Bundespost ist nach § 15 des Postverwaltungsgesetzes gezwungen, ein bei ihr entstehendes Defizit durch Einnahmen auszugleichen.Zweitens. Der Bundeshaushalt ist nach ausdrücklicher Vorschrift des Postverwaltungsgesetzes nicht in der Lage, zu helfen. Er darf gar keine Zuschüsse leisten. Es bleibt gar nichts anderes übrig, als andere Maßnahmen zu ergreifen, um die Lage der Post in 'Ordnung zu bringen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6681
Bundesminister Dr. DahlgrünDie erste Maßnahme als Sofortmaßnahme, die — entgegen den Ausführungen von Herrn Kollegen Erler — wegen des § 15 des Postverwaltungsgesetzes nicht zu umgehen war, ist eine Gebührenerhöhung, um die Defizite 1964 und 1965 auszugleichen, um ohne Defizit arbeiten zu können, bis die Sachverständigenkommission ihr Gutachten erstattet hat. Wenn das Parlament etwas tun will, so sollte es der Sachverständigenkommission klarmachen, daß sie schnell arbeiten muß. Ich kann es nicht ganz übersehen, wie lange die Kommission wird arbeiten müssen. Verschiedene Mitglieder der Kommission haben gesagt: Das wird ein Jahr oder länger dauern. Ich bin der Meinung, das muß schneller erfolgen,
wir müssen von der Sachverständigenkommission schnelle Entscheidungen haben.Eine weitere Maßnahme: Um der Bundespost ungefähr 230 Millionen DM Entlastung zu verschaffen, soll auf die Teile der Postablieferung aus der Gebührenerhöhung verzichtet werden. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß die sicher unpopuläre Gebührenerhöhung nicht auch noch zu einer Erhöhung des Ablieferungsvolumens führen sollte. Ich wäre dankbar, wenn der Vorschlag im Haushaltsgesetz 1965 und die Vorlage, die ich für 1964 noch machen werde, vom Parlament möglichst rasch beschlossen würden, damit das Einfrieren auf 520 Millionen DM in 1964 und 1965 wirklich sichergestellt ist.Ich habe als weitere Maßnahme vorgesehen, der Deutschen Bundespost zur Überbrückung in den Jahren 1965 und 1966 durch Übernahme des Schuldendienstes und der Amortisation je eine Anleihe von 300 Millionen DM zu ermöglichen, so daß der Bundespost weitere 600 Millionen DM zufließen werden.Die fünfte Maßnahme betrifft die Ausgleichsforderungen aus der Währungsumstellung. Wir haben die Absicht, der Bundespost auch insoweit eine Entlastung zu verschaffen, die auf etwa 330 Millionen DM beziffert werden kann, so daß im Laufe der nächsten Jahre der Post insgesamt etwa 1,1 Milliarden DM zusätzlich zur Verfügung stehen werden.Eine Rolle gespielt hat in der letzten Zeit auch die Schaffung eines Leertitels für Privatisierungserlöse. Ich habe den Gedanken, einen Leertitel in den Haushalt einzusetzen, damit für den Fall, daß Privatisierungserlöse für diesen Zweck zur Verfügung stehen, eine Auffangschale vorhanden ist und auch stets daran erinnert wird, daß das Unternehmen „Bundespost" als Sondervermögen des Bundes auch auf diesem Wege eventuell Kapital zur Verfügung gestellt bekommen könnte. — Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Minister, bezieht sich die Zahl von 330 Millionen DM für die Ausgleichsforderungen auf ein Jahr oder auf mehrere Jahre?
Das bezieht sich selbstverständlich auf mehrere Jahre.
Auf wieviel?
Das kann ich Ihnen im Augenblick noch nicht sagen. Wir sind bei der Ausarbeitung. Es wird natürlich eine geraume Zeit dauern. Aber immerhin, wenn die Post eine solche Zusage bekommt und wenn das effektuiert wird, ist es gut. In dieser Zeit sollte die Sachverständigenkommission, in der nicht nur Professoren oder Postbeamte sitzen, sondern auch Wissenschaftler und Betriebswirtschaftler, möglichst schnell das Unternehmen „Bundespost" im ganzen prüfen.
Dabei geht es nicht allein um die Einnahmeseite, also um die Gebühren, sondern es geht auch um die Ausgabenseite, und, das glaube ich hier in aller Offenheit sagen zu müssen, auch die Investitionspläne der Bundespost, die gewaltige Höhen haben und immer weiter steigen, müssen betriebswirtschaftlich betrachtet werden, um festzustellen, ob alles wirklich im Rahmen der Entwicklung möglich ist. Auch die Gebührenseite soll geprüft werden. Ich kann mir z. B. durchaus vorstellen, daß wir in einem halben Jahr oder vielleicht in einer etwas längeren Zeit — was weiß ich; es kommt hier wirklich entscheidend auf die Sachverständigenkommission an — Vorschläge für Gebührenveränderungen nach oben oder nach unten und möglicherweise auch Vorschläge bekommen, die z. B. dahin gehen, daß die Bundespost Geschäftszweige aufgeben soll, die zu teuer sind, die in der heutigen Zeit nicht bezahlt werden können. Das letzte, was die Sachverständigenkommission wird prüfen müssen, wird die Struktur der Bundespost an sich sein. Ist es wirklich richtig, dieses Unternehmen in der heutigen Form fortzuführen, oder gibt es vielleicht eine bessere Form?
Um die Zeit für diese Arbeit zu schaffen, damit die Sachverständigenkommission gründlich, aber schnell — das wäre meine dringende Bitte, die ich vielleicht im Namen aller an die Kommission richten darf — alle diese Dinge prüfen kann, sind die von mir skizzierten Maßnahmen einschließlich der Gebührenerhöhung eine absolute Notwendigkeit.
Meine Damen und Herren, infolge einer interfraktionellen Anregung unterbreche ich die Sitzung bis 18 Uhr.
— Es ist so vereinbart. Ich hoffe, daß die Fraktionen sich strikt daran halten und daß das Haus pünktlich weiterverhandeln kann.
Die Sitzung ist bis 18 Uhr unterbrochen.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.Das Wort zur Aussprache hat der Abgeordnete Dr. Schmidt .
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6682 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit ich mich mit Finanzpolitik beschäftige — und das tue ich seit meiner Studentenzeit —, weiß ich, daß Defizite eine scheußliche und unangenehme Sache sind.
Sie sind deshalb so scheußlich und unangenehm, weil sich immer wieder die Hoffnung zerschlägt, es könnte irgendwo noch ein Weihnachtsmann sein, dem man die Deckung für das Defizit aus der Tasche ziehen kann. Das Defizit ist also offenbar eine ganz harte Angelegenheit und sucht einen, der es bezahlt. Vor dieser Tatsache stehen wir auch in diesem Fall.Herr Kollege Erler, Sie haben begreiflicherweise den Gesichtspunkt des Maßhaltens in den Vordergrund gestellt. Ich verstehe das, und ich würde an Ihrer Stelle sicherlich das gleiche getan haben. Aber sind Sie nicht mit mir der Auffassung, daß wir, wenn wir von Maßhalten sprechen, auch einen Maßstab haben müssen, an dem wir dieses Maßhalten messen können?
— Die Preisstabilität allein reicht dazu nicht aus,
sondern entscheidend ist der Ausgangspunkt. Darfich Ihnen das an einem kleinen Beispiel klarmachen.Der Brief — es handelt sich um die Postgebühren, die wir hier zu verhandeln haben — kostete 1871 in Deutschland 10 Pfennig. 1871 bekam der Briefzusteller ein Jahresgehalt von 600 Mark. Der Brief kostet heute 20 Pfennig, und der Briefzusteller bekommt heute ein Gehalt, das etwas über 6000 Mark liegt.
Das ist nicht bedeutend, meine Damen und Herren. Aber ich meine, wenn die Kosten der Dienstleistung seit 1871 um mehr als 1000 0/o gestiegen sind, dann müßten wir doch zum mindesten z. B. sagen können: Wenn eine Bundesregierung nicht daran denkt, das Briefporto von 20 etwa auf 25 oder 30 Pfennig zu erhöhen, dann hat sie in einem unerhörten Maße maßgehalten, ganz unabhängig von dem, was sonst etwa geschehen ist.Meine Damen und Herren, ich will damit im Augenblick gar nicht zu der Frage Stellung nehmen, ob man das Briefporto hätte erhöhen sollen oder erhöhen müssen. Ich glaube, diese Frage brauche ich heute im Rahmen meiner Gesamtdarstellung gar nicht zu erheben. Aber ich will daran nur klarmachen: Diese Parole mit dem Maßhalten, meine Damen und Herren, ist also irgendwie eine fragwürdige Sache.
Meine sehr verehrten Kollegen — —
— Merken Sie eigentlich nicht, meine sehr verehrten Kollegen von der Sozialdemokratie, daß Sie sichjetzt selber aber in jeder Hinsicht entblößt haben?
Ich habe nämlich Ihren Begriff vom Maßhalten gemeint
und nicht den Begriff des Maßhaltens, wie er billigerweise und anständigerweise unter honorigen Leuten angewendet werden kann.
Meine Damen und Herren, wenn Ihnen also in diesem Zusammenhang eine Lektion erteilt wird über das, was Maßhalten nach Ihren Begriffen ist, im Vergleich zu dem, was Maßhalten nach den Begriffen der Bundesregierung ist,
dann wollen wir uns mal über die kommunalen Versorgungs- und Verkehrsbetriebe
in jenen Städten unterhalten, in denen Sie die Verantwortung tragen.
Meine Damen und Herren, ich hätte das gar nicht vorgebracht,
wenn Sie nicht durch die Art und Weise Ihres langanhaltenden Lachens
die Debatte hier auf ein Niveau brächten,
das der Sache selber einfach unwürdig ist.
Die kommunalen Verkehrsbetriebe, meine Damen und Herren, sind deshalb ein echtes Vergleichsobjekt, weil es sich dabei auch um öffentliche Sondervermögen mit Monopolcharakter handelt, um Unternehmen, die gemeinwirtschaftlichen Charakter auch nach Ihrer Vorstellung haben sollen, und um Unternehmen, die auch nach Ihrer Vorstellung eine Ablieferungspflicht zu erfüllen haben, nämlich in Gestalt der Konzessionsabgabe.
Ich nehme jetzt nicht den Vergleich von 1871 und 1964.
Ich nehme auch nicht den Vergleich, den ich gleich in anderem Zusammenhang anwenden werde, von 1950 auf 1964. Ich gehe von dem aus, was da von 1958 bis zum Jahre 1964 geschehen ist. Ich greife — das möchte ich ausdrücklich sagen — diese Städte und diese Verkehrsunternehmen in diesem Augenblick in gar keiner Weise an.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6683
Dr. Schmidt
Ich lasse das dahingestellt. Ich mache Sie nur mit einem Faktum vertraut, um Gelegenheit zu bekommen, mit Ihnen auf einer sachlichen, vernünftigen und seriösen Basis überhaupt diskutieren zu können.
Aber es geht nicht so einfach, meine Damen und Herren, wie Sie glauben. Wenn hier schon von einem Defizit geredet werden muß, so muß jemand gefunden werden, der es bezahlt. Das nämlich ist der Gebührenschuldner oder der Steuerschuldner. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht, wenn wir und soweit wir nicht rationalisieren können.Wenn wir in dieser Lage sind, dann darf ich doch gebührend darauf aufmerksam machen, daß z. B. Hamburg den Verkehrstarif von 35 Pf im Juni 1958 auf 1964 um 42,9 % erhöht hat, nämlich auf 50 Pf.
— Ach verzeihen Sie, ich brauche ja gar nicht von Bonn zu reden. Ihr Gelächter — —
— Ihr Gelächter hat es doch notwendig gemacht, auf Unternehmungen hinzuweisen, die Sie als kommunale öffentliche Unternehmungen verantwortlich führen, meine Herren.
Zum Beispiel Hannover
erhöhte — —
— Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß Bonn in der gleichen Weise erhöht hat.
Ich unterstelle das. Meine Damen und Herren, ich frage Sie nur,
was Sie da, wo Sie bei öffentlichen Unternehmungen mit Abgabepflicht, mit gemeinwirtschaftlicher Verpflichtung verantwortlich zu handeln haben, in der kurzen Zeit von 1958 bis 1964 getan haben.
In Hannover Juni 1958: Der Fahrpreis 30 Pf, Juni 1964 50 Pf, eine Erhöhung um 66,7 %.
Das gleiche isst in Stuttgart, das gleiche in München und in vielen anderen Städten der Fall.
Herr Abgeordneter, hier wird eine Zwischenfrage gewünscht; erlauben Sie sie?
Bitte.
Marquardt Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, daß die Hannoverschen Verkehrsbetriebe eine Aktiengesellschaft sind, die sich im Bundesbesitz befindet?
Ich hätte noch wenigstens 20 sozialistische Städte anführen können, in denen von Maßhalten nach den Maßstäben, die Herr Erler gesetzt hat, jedenfalls nicht die Rede gewesen ist.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?
Herr Kollege, hat nicht die Preisentwicklung auch etwas mit den Produktivitätswachstumsraten zu tun?
Ja, selbstverständlich, nur hat Herr Kollege Erler es in seinen Ausführungen unterlassen, das in gebührender Sachlichkeit zum Vortrag zu bringen.
Herr Kollege — wenn ich meine Frage zu Ende führen darf —, können Sie uns etwas über die unterschiedlichen Wachstumsraten in den Verkehrsbetrieben und im Telefonverkehr sagen?
Ich glaube, daß das Produktivitätswachstum nicht sehr unterschiedlich ist.
Jedenfalls ist grundsätzlich die Problemlage hier und dort höchstens graduell, aber nicht prinzipiell voneinander verschieden.
Meine Damen und Herren, ich habe in den Ausführungen des Herrn Kollegen Erler eines mit ausgesprochenem Mißbehagen vernommen. Ihre Fraktion hat in diesem Hause wiederholt sehr strenge Legalitätsdebatten geführt, insbesondere im Hinblick auf einen Ausdruck, der von der Ministerbank aus in einer Art von Spontaneität gebraucht wurde.
Wie jetzt der Begriff der Legalität von Ihnen gebraucht wurde, hat mich doch außerordentlich in Erstaunen versetzt. Sie haben nämlich hier schlicht und einfach davon gesprochen, daß wir nicht über die Zwirnsfäden des geltenden Rechts stolpern sollten.
— Wörtlich, wörtlich! Herr Erler, das habe ich mir so notiert.
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6684 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön.
Sind Sie bereit, davon Kenntnis zu nehmen, daß nach dem gerade jetzt bei mir zur Korrektur vorliegenden Stenogramm der Satz wie folgt lautet:
Wir wollen also nicht etwa über Zwirnsfäden stolpern und meinen, die Bundesregierung sei heute rechtlich gezwungen, die Gebührenerhöhung durchzusetzen, weil sie auf der Erhebung der Abgabe der Bundespost für das Jahr 1964 in vollem Umfange bestehen müsse.
Da steht also weder etwas drin von Legalität noch von Zwirnsfäden der Legalität, sondern dann kommt, welche Rechtsgrundlagen geschaffen werden müssen, damit die Bundesregierung von der Abführung auch am Abschluß des Rechnungsjahres absehen kann.
Herr Erler, ich bin durchaus bereit, das Protokoll so entgegenzunehmen, wie Sie 'es jetzt vorgelesen haben. Ich glaube nur, daß an dem Sinn ,der Sache nichts Wesentliches geändert wird.
Meine Aufgabe wird es jetzt sein, Ihnen, Herr Kollege Erler, gerade nachzuweisen, daß wir im Jahre 1953
gegen die Stimmen der Kommunisten mit Ihnen eine sehr wesentliche Regelung getroffen haben, an der wir, jedenfalls solange das Gesetz in Kraft ist, nicht vorbeikommen können. Da kann also auch keine Rede von Zwirnsfäden sein, über die wir möglicherweise stolpern könnten. Zunächst einmal hat dieses Parlament im Jahre 1953 einen wesentlichen Auftrag erteilt und eine wesentliche substantielle Regelung getroffen. Ob sich dieses Parlament zu diesem Gesetz, solange es in Kraft ist, Herr Erler, weiter bekennt oder nicht bekennt — —
— Verzeihen Sie, bis zur Stunde liegt kein Änderungsantrag der SPD vor.
Sie hätten die Chance gehabt, die Aussprache in dieser Sondersitzung an irgendeinem Punkt des Gesetzes aufzuhängen, also ,an einem echten Änderungsantrag. Das haben Sie nicht getan. Statt dessen haben Sie einen Antrag auf Rückgängigmachung gestellt. Ich möchte Ihnen nachweisen, daß dieser Antrag einfach unzulässig ist,
unzulässig im Sinne des von Ihnen beschlossenen Gesetzes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundespostminister sind schon kurz auf die Rechtslage eingegangen. Aber gestatten Sie mir, daß ich das jetzt auch mit Rücksicht auf diese Kontroverse etwas ausführlicher tue. Meine Damen und Herren, wir haben uns nämlich ganz schlicht, und zwar durch das Postverwaltungsgesetz, der Befugnis begeben, in diesem Hause über die Einnahmen, insbesondere über die Gebührenbemessung, zu beschließen. Wir haben damals mit Ihnen gegen die Stimmen der Kommunisten — es ist hochinteressant, was Herr Renner in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, der sich ganz massiv — —
— Ich habe das alles nachgelesen. Ich habe auch nachgelesen, was Ihre Herren damals zu dieser Gesetzesmaterie gesagt haben. Damals war Herr Renner der, der die Bundesverwaltung Post mit der Finanzierung aus dem Bundeshaushalt gewollt hat. Das ganze Haus hat sich damals in scharfer Debatte davon abgesetzt und hat gesagt: Wir haben seit 1924 eine Tradition des Sondervermögens Post mit ganz konkreten und bestimmten Vorstellungen. — Diese Regelung ist 1953 reformiert und bestätigt worden.Was haben wir getan? Wir haben damals einen Verwaltungsrat eingesetzt, der anders zusammengesetzt ist als dieses Parlament, dem ein starker wirtschaftlicher und gewerkschaftlicher Faktor beigesellt ist. Wir haben gesagt: dieser Verwaltungsrat soll zunächst entscheiden; dann aber, wenn eine Differenz zwischen dem Postminister und dem Verwaltungsrat entsteht und der Postminister das, was der Verwaltungsrat beschließt, nicht mitverantworten kann und will, hat er eine Vorlage an die Bundesregierung zu machen, und die Bundesregierung entscheidet dann innerhalb von vier Wochen endgültig. Meine Damen und Herren, das ist hier passiert. Aber nirgendwo steht, daß es nun gegen die Entscheidung der Regierung einen Rekurs gäbe, etwa einen Rekurs dieses Hauses. Es steht auch nirgendwo, daß etwa dieses Haus zu unterrichten sei oder daß die Bundesregierung diese Maßnahme etwa vor diesem Hause zu rechtfertigen habe. Das hatte nämlich seinen guten Sinn. Man hatte damals wie auch im Jahre 1924 von der Post die Vorstellung, daß sie elastisch sein müsse, daß sie ein wirtschaftliches Unternehmen sein müsse, daß sie nach kaufmännischen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden müsse und daß sie vor allem verfahrensmäßig elastisch sein müsse, daß sie sich den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen müsse.Herr Kollege Cramer z. B. hat das damals einschließlich der Ablieferungspflicht in der Debatte ausdrücklich hervorgekehrt. Ich könnte Ihnen die Worte hier vorlesen. Ich will es der Kürze der Zeit halber nicht tun. Herr Schoettle ist ihm nachher beigetreten und hat gesagt: Es ist in der Tat ein wirt-
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schaftliches Unternehmen, und wir wollen, daß es wirtschaftlich geführt werde, wir wollen es auch mit der Ablieferungspflicht geführt haben.Auch ich rechne mich zu den Mißvergnügten, nicht nur weil es schwierig und unangenehm ist, ein Defizit zu decken, sondern auch weil ich durch die Reaktion der öffentlichen Meinung, eine Reaktion bis in meine Familie und in die Auseinandersetzung kleinster Kreise hinein, praktisch den Kopf hinhalten soll für eine Entscheidung, für die ich gar nicht zuständig bin, die ich gar nicht getroffen habe, über die ich nicht einmal informiert worden bin, die ich letzten Endes aus der Zeitung entnommen habe. Meine Damen und Herren, wir sind nämlich alle miteinander, die wir hier sind, überfordert,
überfordert deshalb, weil wir uns einen Schuh anziehen sollen, der nach unserem eigenen Willen von 1953 gar nicht auf uns zugemessen ist und der uns nicht paßt.
Ich vermag beim besten Willen nicht einzusehen, daß jedenfalls die Fraktionen der Regierungskoalition sich diesen Schuh anziehen sollen. Daß eine Opposition, insbesondere ein Jahr vor dem Wahlkampf, der Regierung in die Speichen fährt, verstehe ich. Aber ich verstehe niemals, daß einer unter uns innerhalb der Regierungsfraktionen, der selbstverständlich wie ich mißvergnügt ist, der selbstverständlich wie ich es besser weiß als die Regierung — ich weiß es auch besser; ich hätte es wahrscheinlich anders gemacht —,
wegen dieses Mißvergnügens und wegen dieser Besserwisserei etwa der Regierung in die Speichen fahren könnte. Hier hat die Regierung zu stehen für das, was sie unpopulärerweise, höchst unangenehmerweise, höchst unerfreulich in den Konsequenzen auf sich genommen hat, damit das Unternehmen der Post sich in sich finanziert und sich gesund weiterentwickelt.
Herr Kollege Cramer möchte eine Zwischenfrage stellen.
Bitte schön, Herr Kollege Cramer!
Herr Kollege, ist es richtig, daß das Postverwaltungsgesetz von 1953 der Bundesregierung eine Mitwirkung gibt?
Ja, eine Mitwirkung insofern, als die Bundesregierung selbstverständlich den Bundesposthaushalt vorzulegen hat und sie die letzte zuständige Stelle oberhalb des Verwaltungsrates ist.
Ganz richtig! Und die zweite Hälfte der Frage: Ist es nun richtig, daß der Bundestag das Tun und Lassen der Bundesregierung zu kontrollieren hat?
Verzeihen Sie, selbstverständlich haben wir auf allen Gebieten die Bundesregierung zu kontrollieren.
— Nein, das ist ein Unterschied zu der allgemeinen Kontrolle. Darauf läuft nämlich meine ganze Argumentation hinaus, verehrter Herr Kollege Cramer. Wenn wir die Bemessung der Gebühren aus diesem Hause an die Regierung delegiert haben, dann entscheidet die. Was wir dann zu kontrollieren haben — und das ist der Grundgedanke dessen, was ich hier ausführen möchte —, ist zweierlei. Wir haben zu prüfen, ob die Regierung sich im Rahmen des Gesetzes verhalten hat, und zweitens haben wir im Rahmen der Kontrolle zu prüfen, ob der Ermessensspielraum, den das Gesetz der Regierung gibt, in sorgfältiger Weise gebraucht worden ist oder ob hier ein Mißbrauch des Ermessens vorliegt.Das sind die beiden Teile, Herr Kollege Cramer, mit denen ich mich beschäftigen werde. Ich bedanke mich in aller Form, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, Ihnen bereits die Disposition meiner Rede darzulegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir das Postverwaltungsgesetz ansehen und insbesondere die Kernbestimmung des § 15 über die Haushaltsführung, dann müssen wir uns vor Augen führen, daß diejenigen, die das Gesetz damals gemacht haben — ich habe ja damals diesem Hohen Hause noch nicht angehört; aber viele von Ihnen, auf allen Seiten, haben ihm angehört —, bestimmten, daß die Bundespost die zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Verpflichtungen notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen zu bestreiten hat. Das ist die Aufgabe der Bundespost. Zuschüsse aus der Bundeskasse werden nicht geleistet. Meine Damen und Herren, ich halte das nicht für einen Zwirnsfaden, etwa im Sinne von Herrn Erler, sondern für einen der fundamentalsten Grundsätze der Poststruktur überhaupt. Wir können über alles reden, wenn von der Regierung, wenn aus der Initiative des Hauses, etwa aus meiner Fraktion im Sinne der Entschließung, die sie vorgelegt hat, oder aus Ihnen Reihen etwa eine Änderung dieses Grundsatzes vorgelegt wird. Dann werden wir kämpfen müssen, dann werden wir uns die Tragweite, was das bedeutet, klarmachen müssen. Damals jedenfalls hat die Vorstellung bestanden, die auch die zwanziger Jahre beherrscht hat, daß die Post ein rentables Unternehmen, ein wachsendes Unternehmen sein müsse, das nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden müsse und für das, wie ich gleich darlegen werde, nicht Zuschüsse des Bundes, sondern im Gegenteil eine Ablieferung an den Bund vorgesehen werden müsse. Darüber, meine Damen und Herren, kann man nicht so leicht hinweggehen. Es ist sehr einfach, und ich bedauere es, daß auch aus meinen
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Reihen ,allzu viele allzu schnell auf eine durchaus verständliche, auf eine populäre Kritik eingegangen sind und gesagt haben: Nun ja, wenn es nicht über die Gebühren geht — irgendwo muß es ja herkommen, dann mag der Steuerzahler herhalten, also der Bundeshaushalt. Meine Damen und Herren, das ist zu einfach. Zunächst lassen Sie uns versuchen, dem Gesetz, dem wir verpflichtet sind, solange es besteht, Rechnung zu tragen.Nun kommt der entscheidende Satz im § 21, nämlich daß die Deutsche Bundespost von ihren jährlichen Betriebseinnahmen Ablieferungen an den Bund zu leisten hat, und zwar bei 2 Milliarden DM und mehr 62/3 v. H. Meine sehr verehrten Kollegen, ich bin selbst kein Postmann, ich beschäftige mich praktisch mit der Post seit gestern mittag.
Im übrigen bin ich genauso wie Sie allein informiert aus der Presse und aus den Veröffentlichungen, die uns sonst allgemein zugänglich gemacht worden sind. Aber seit gestern mittag beschäftige ich mich nun sehr eingehend mit dieser Frage.
— Verzeihen Sie, natürlich reicht das nicht. Die Hintergründe dieser Problematik sind so, daß ich wohl weiß, daß ich mich Wochen und Monate damit beschäftigen müßte. Aber ich meine, da die meisten von uns, vielleicht außer den Mitgliedern des Postverwaltungsrats, hier total überfordert sind, weil sie ja andere Probleme in diesem Hause zu bearbeiten haben, müßte es immerhin im Sinne der überforderten Kollegen liegen, zu wissen, daß hier jemand steht und für die Sache der Post redet, der sich zumindest darum bemüht hat, den notwendigen Gesichtspunkten sorgfältig und sachlich Rechnung zu tragen.Meine Damen und Herren, in diesem Rahmen habe ich mich mit der Frage der Ablieferungspflicht beschäftigt. Ich hatte geglaubt, sie sei erst 1953 eingeführt worden. Meine Damen und Herren, diese Ablieferungspflicht wurde schon im Jahre 1924 eingeführt, und damals auf der Gewinngrundlage. Jetzt werden Sie sagen: was waren das damals für vernünftige Leute, die Gewinngrundlage zu nehmen! Ich weiß, daß auch aus meinen Reihen viele denken: ja, besser als der Umsatz ist doch der Gewinn. Meine Damen und Herren, damals war die Post ein gewinnbringendes Unternehmen, und zwar nicht in einem Wohlstandszeitalter, sondern in einer Zeit der schwersten sozialen und wirtschaftlichen Krisen. Da warf die Post Gewinn ab, da wurde sie so geführt, daß sie wirtschaftlich war.
— Wenn Sie fertig sind mit Ihrem Lachen, werde ich meine Ausführungen fortsetzen. — Lachen Sie ruhig weiter; ich kann noch eine ganze Weile warten.Es ist aber hochinteressant, daß es über die Ablieferungspflicht auf der Grundlage des Gewinnes so viel Streitigkeiten gab, daß die Post, damit ihr nicht zuviel abgenommen wurde, anregte, die Abgabe auf 62/3 % des Umsatzes zu pauschalieren; selbstverständlich bei anderen Umsatzgrößen, als sie jetzt im Gesetz enthalten sind.So kam es im Jahre 1930, in einem der kritischsten Jahre der Weimarer Republik, zu einer Regelung, wie sie heute im Gesetz steht, nämlich einer 62/3-%-Ablieferung auf der Grundlage des Umsatzes. Damals auch insofern im Interesse des Reichshaushalts, als der Reichshaushalt in seiner kritischen Lage wissen wollte, was er denn überhaupt bei abfallender Konjunktur möglicherweise aus dem Reichsposthaushalt erhalten könnte.So, meine Damen und Herren, kam es damals zur Ablieferung; und ich meine, eine Institution, die so alt ist und die durch so viele kritische und wirtschafts- und sozialpolitisch unterschiedliche Entwicklungen ihre Position gewahrt hat, können wir nicht so einfach beseitigen.Ich habe soeben im Zusammenhang mit den kommunalen Versorgungsbetrieben auf die Konzessionsabgabe verwiesen. Warum eigentlich sollte die Post nicht im Hinblick auf ihre Monopolsituation — zu etwa 70 bis 80 % hat die Post ein De-jure und Defacto-Monopol — eine Konzessionsabgabe zahlen?Meine Damen und Herren, es wird so viel von Eigenkapital gesprochen; in den Entschließungen meiner Fraktion, in Ihren Anträgen kommt das zum Ausdruck. Das ist alles durchaus verständlich. Aber der Begriff „Eigenkapital" kommt im Postverwaltungsgesetz gar nicht vor. Dieser Begriff „Eigenkapital" stammt aus der Betriebswirtschaft. In einem privatwirtschaftlichen Unternehmen hat das Eigenkapital den Sinn, die Risiken des Unternehmens aufzufangen. Das ist der eigentliche Sinn. Aber wenn man nun etwa meint, die Post als ein Unternehmen, das — als Sondervermögen — gar nicht in Konkurs geraten kann, müsse im Sinne eines privatwirtschaftlichen Unternehmens ein Eigenkapital haben, dann möchte ich auch gebührend darauf hinweisen, daß dieses Eigenkapital betriebswirtschaftlich gesehen in gleicher Weise verzinst werden muß wie Fremdkapital auch und daß zum mindesten der Geber des Eigenkapitals, nämlich der Eigentümer Bund, einen Anspruch darauf hat, diese Zinsen zu erhalten. Insofern können Sie natürlich sagen: Diese Ablieferungspflicht hat etwa den Charakter einer Konzessionsabgabe, hat etwa den Charakter einer Abfindung der Eigenkapitalverzinsung; er hat möglicherweise auch den Charakter etwa des Ersatzes der gewährten Steuerfreiheit.Ich würde jedenfalls angesichts der Situation, daß wir den Entwurf eines Mehrwertsteuergesetzes vorliegen haben, nicht meinen, daß wir, bevor wir die Mehrwertsteuer-Reform geklärt haben, dieses Problem etwa vorab entscheiden sollten. Oder glauben Sie im Ernst, man könnte der Post die Ablieferungspflicht abnehmen und sie außerdem noch von der Mehrwertsteuer befreien — mit den Folgen, die uns soeben der Herr Kollege Eppler in einer Zwischenfrage schon deutlich gemacht hat,
daß nämlich dann die Steuerbelastungen innerhalbder Post untergehen könnten, und zwar als Kosten
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untergehen mit der Maßgabe, daß sie preissteigernd wirken und nicht abgewälzt werden würden.Meine Damen und Herren, soviel zur Ablieferungspflicht, soviel zum Eigenkapital.Im Zusammenhang damit wird immer wieder von den betriebsfremden Lasten oder den politischen Lasten gesprochen. Gut; wir haben eine ganze Liste von solchen betriebsfremden Lasten. Wogegen ich mich aber wehre, ist, daß Sie die Post so ohne weiteres mit der Bundesbahn gleichsetzen, und das tun Sie auch in Ihrem Sachantrag. Meine Damen und Herren, die Lage der Bundesbahn und die Lage der Bundespost sind völlig unterschiedlich, und zwar zunächst einmal im Ausgangspunkt.
— Davon reden wir nicht; in Ihrem Antrag steht etwas von der Bundesbahn.
— Verzeihen Sie, ich rede ja im Augenblick von der politischen Belastung im Hinblick auf die Bundesbahn. Aber den Vergleich zwischen Bundesbahn und Bundespost hat unser Antrag nicht aufgenommen, weil wir uns klar darüber geworden sind, daß das zwei nicht ohne weiteres vergleichbare Größen sind, wie uns auch der Bundesfinanzminister heute morgen in seiner Rede bereits dargelegt hat. Die Bundesbahn ist ein schrumpfendes Unternehmen, das in seiner ganzen Breite einem Wettbewerb ausgesetzt ist, und zwar einem harten Wettbewerb, nicht nur mit der Binnenschiffahrt, nicht nur mit dem Kraftverkehr, sondern auch im Hinblick auf wesentliche strukturelle Änderungen, die sich hier vollziehen. Ich darf nur darauf hinweisen, daß z. B. Pipelines zur Beförderung von Öl gebaut werden und in großem Umfange der Bahn die Transporte wegnehmen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Kohle am Ort der Produktion verstromt wird und dies die Wirkung hat, daß Kohle nicht mehr über die Bahn transportiert wird. Man könnte noch eine ganze Reihe von anderen Beispielen wählen. Jedenfalls ist hier eine spezifische Situation gegeben, die nicht so ohne weiteres auf die Bundespost übertragen werden kann, die in einem vollen Maße am wirtschaftlichen Wachstum, an der Steigerung des Sozialprodukts teilgenommen hat.Meine Damen und Herren, es gibt selbstverständlich betriebsfremde Lasten. Wir werden uns darüber Gedanken machen müssen, wenn uns die Regierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Postverwaltungsgesetzes vorlegt, welcher Art diese betriebsfremden Lasten sind und inwieweit sie möglicherweise auf den Bund übernommen werden können. Aber 1953 gab es den Begriff der betriebsfremden Lasten auch; den gab es sogar schon in den zwanziger Jahren. Denken Sie z. B. an den Begriff der Sozialtarife. Es ist eben die Frage, ob wir als Politiker eigentlich immer berufen sind, politische Preise, z. B. auch politische Gebühren, zu machen. Wenn wir das machen, entstehen nämlich zusätzliche politische Lasten, und wir torpedieren gerade das, was wir mit dem Gesetz von 1953 gewollt haben;wir wollten in die Post möglichst wirtschaftliche Gesichtspunkte und keine politischen Gesichtspunkte einschleusen.
Ich persönlich bin der Meinung — das haben Sie aus der Darstellung, die ich hier gegeben habe, ersehen —, daß sich die Bundesregierung jedenfalls formell und materiell im Rahmen des geltenden Rechts gehalten hat.Nun habe ich eigentlich zum Schluß nur noch die Frage aufzuwerfen: Hat die Bundesregierung von dem Ermessensspielraum, der ihr auf Grund des Postverwaltungsgesetzes gegeben ist, einen angemessenen Gebrauch gemacht? Meine Damen und Herren, im Postverwaltungsgesetz steht kein Wort davon, daß die einzelnen Dienstzweige etwa in sich in Einnahme und Ausgabe gedeckt sein müssen, sondern im Postverwaltungsgesetz steht als Generalgrundsatz, daß Einnahme und Ausgabe miteinander zur Deckung zu bringen sind, aber nicht einzelne Dienstzweige. Insofern hatte die Bundesregierung die Freiheit, den einen Dienstzweig auszulassen und den anderen Dienstzweig stärker zu belasten, diese Freiheit hatte sie. Ob uns das paßt, ob mir das paßt, ob das nun in dem Sinne vertretbar ist, daß es populär ist, diese Frage, meine Damen und Herren, sollten wir, glaube ich, erst gar nicht an uns ziehen, jedenfalls nicht innerhalb der Regierungskoalition, sondern wir sollten nur fragen, ob mit dieser Maßnahme, die die Regierung dem Gesetz gemäß getroffen hat — ganz unabhängig davon, ob sie uns in ihren Einzelheiten paßt — einen vernünftigen Gebrauch von ihrem Ermessen gemacht hat. Da meine ich, die wirtschaftliche Begründung, die sie gibt, verdient Beachtung. Nämlich Angebot und Nachfrage sind gerade auf dem Fernsprechsektor weit auseinandergeraten. Wir haben Hunderttausende von Gesuchen um Neuanschlüsse, und dies angesichts der Tatsache, daß wir mit dem Ausbau unseres Fernsprechnetzes — im Umfang von etwa 90 % — an der Spitze aller westlichen Nationen stehen. Niemand kann hier mit uns konkurrieren.Auf der anderen Seite möchten wir aber gern, daß im Interesse unserer Wirtschaft bei den Investitionen auch modernste Entwicklungen Rechnung getragen werden kann. Wir möchten, daß das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wiederhergestellt wird, daß die Nachfrage nach Neuanschlüssen befriedigt werden kann und daß in den Spitzenzeiten, in denen, wie wir gehört haben, nicht einmal mehr dringende Staatsgespräche — etwa zwischen 21 und 22.30 Uhr — geführt werden können, diese Friktionen der Übernachfrage durch Tarifgestaltung — und zwar im Hinblick auf die Kosten selbstverständlich durch eine saftige Tarifgestaltung — gelöst werden. Das halte ich für eine in sich vernünftige Begründung.Ich persönlich bin selbstverständlich einer der vielen Besserwisser dieses Hauses. Ich hätte es natürlich anders gemacht. Aber, meine Damen und Herren, wir sind nicht mehr gefragt, ob wir es besser wußten. Wir haben das delegiert. Die Regierung hatte ihre Entscheidung zu treffen, und sie hat sie
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6688 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
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getroffen. Lassen Sie uns doch anerkennen, daß diese Regierung gesetzmäßig und daß sie im Rahmen eines vernünftigen Ermessens gehandelt hat! Ob es nun im einzelnen in unserem Sinne ist oder nicht, jedenfalls meine ich, daß eine Regierungskoalition der Regierung insoweit ein volles Vertrauen schenken sollte. Unser ganzes Bemühen sollte darauf gerichtet sein, die Post zu einem hochleistungsfähigen Unternehmen werden zu lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Zoglmann.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich kurz fassen. Ich will das nicht nur ankündigen, sondern auch tatsächlich tun, und ich hoffe, daß ich der Dankbarkeit des Hauses gewiß bin; denn wir sind alle von weither geholt worden, und ich glaube, wir haben alle das Bestreben, diese sehr ernste Frage, die wir hier behandeln, heute möglichst schnell zu erledigen. Das vorweg!
Ich möchte mich nur mit der politischen Seite des Problems befassen, und da möchte ich gleich bei Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege Erler, beginnen. Sie haben vorhin gesagt, die Bundesregierung habe mit diesem Streich — das haben Sie zwar nicht gesagt, aber das sage ich jetzt — gewartet, bis wir in den Ferien seien, und dann sei der Streich geführt worden. Ich möchte die Regierung insofern in Schutz nehmen. Ich glaube, die Vermutung, daß das Kabinett gewissermaßen hinter dem Busch liegend abgewartet hat, bis wir alle unsere Ferienziele erreicht hatten, und dann diese Gebührenerhöhung verkündet hat, trifft nicht zu. Wir sollten der Bundesregierung anständigerweise bestätigen, daß wir sie in dieser Hinsicht nicht verdächtigen.
— In dieser Hinsicht nicht verdächtigen!
Nun ein Zweites! Es wurde verschiedentlich gesagt, daß dieses Problem hochgespielt worden sei. In diesem Zusammenhang wurde auch eine bestimmte Zeitung genannt. Auch der Herr Kollege Erler hat sich mit dieser Zeitung befaßt und hat auch ihren Namen genannt. Er hat gesagt: Gut, wenn wir einen glücklichen Einfall haben, warum sollten die nicht hinterher auch einenguten Einfall halben? Nun, Herr Kollege Erler, ich will dieses Problem nicht vertiefen. Aber ich könnte mit vorstellen, daß bestimmte Telefonate zu einer bestimmten Zeit geführt wurden. Sie wurden auch mit anderen Kollegen aus ,anderen Fraktionen geführt, —
— „Hört! Hört!"? Was ist dabei? Ich brauche gar nicht zu hören, ich habe gehört, schon damals, als telefoniert wurde.
Deshalb, lieber Kollege Erler, will ich dieses Problem nicht vertiefen. Ich will sogar noch einen Schritt weitergehen. Ich will ihnen attestieren — nicht nur weil ich Journalist bin, sondern ich möchte es ganz allgemein sagen —: wenn eine deutsche Zeitung eine Sache vernünftig aufgreift und behandelt, weil sie vielleicht den Puls tatsächlich spürt —weil sie die Hand am Puls der Menschen draußen hat —, dann ist das eine vernünftige Sache, unid wir sollten das gelten lassen. Ich sehe keinen Grund, weshalb nicht auch einmal eine deutsche Zeitung veranlassen sollte, daß dieses Haus zusammentritt. Warum das also schamhaft verbergen? Ich sehe keine Veranlassung dafür.
Ich könnte mir vorstellen, daß auch mit dem Kollegen Strauß telefoniert worden ist. Mit ihm muß sogar telefoniert worden sein; denn von ihm haben wir ja etwas in dieser Zeitung gelesen.
Nun ein Weiteres. Lieber Kollege Erler, ich bin Ihnen sehr, sehr dankbar — und meine Kollegen auch, wir sind Ihnen alle sehr dankbar — für Ihre Ehrlichkeit, mit der Sie die Hintergründe Ihrer Überlegungen aufgezeigt haben. Sie haben nämlich wörtlich erklärt, der Bundestag sollte die Bundesregierung veranlassen, das Defizit der Bundespost auf den Bundesetat zu übernehmen, was in der Folge bedeuten würde, daß einige Überlegungen der Koalitionsparteien für das Wahljahr nicht verwirklicht werden könnten. Sie haben in diesem Zusammenhang, um das ganz deutlich zu sagen, wörtlich vom „Kuchenausschuß" gesprochen. Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen. Einen solchen „Kuchenausschuß" gibt es nicht. Ich stamme aus einer Mehlspeisegegend. Ich würde mich an einem solchen „Kuchenausschuß" sehr gern beteiligen, und ich wäre möglicherweise von meiner Fraktion in diesen Ausschuß berufen worden. Diesen Ausschuß gibt es nicht. Auch hier muß ich die Bundesregierung in Schutz nehmen.
Aber Ihnen, Herr Kollege Erler, unid den Kollegen der SPD und der deutschen Öffentlichkeit muß ich eines offen sagen. Wenn hier versucht wird, Überlegungen, die in Richtung einer Steuererleichterung gehen, kaputt zu machen, dann, glaube ich, ist das kein verdienstvolles Unternehmen, dem sich eine Fraktion dieses Hauses hier unterzieht.
Wir alle sollten uns — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege, ist Ihnen nicht bewußt, daß dieser Zusammenhang vom Bundespostminister hergestellt worden ist, der im „Frankfurter Gespräch" des Hessischen Rundfunks am 26. Juli gesagt hat:Das ist aber auch eine Überlegung gewesen, die einen sehr breiten Raum eingenommen hat. Man hat sich für die Steuersenkung entschieden und die Post eben auf diesen Weg der Gebührenerhöhung verwiesen.
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ErlerDer Kern meiner Ausführungen — den haben Sie doch wohl auch mitbekommen, hoffe ich — war der, daß man die Steuersenkung machen und trotzdem auf die Gebührenerhöhung verzichten kann.
Herr Kollege Erler, wir werden alle nachher Gelegenheit haben, Ihre Ausführungen im Protokoll .zu lesen. Sie haben klar und eindeutig gesagt, ,das Defizit komme gewissermaßen erst im Jahre 1965 auf uns zu, und dann könne die Bundesregierung ja darüber entscheiden, wie das gemacht werden solle.
Also, meine Damen und Herren, ich halte noch einmal eindeutig fest, daß jedenfalls die Fraktion der FDP auf .gar keinen Fallbereit ist, Lasten, die man dem Steuerzahler nicht zumuten kann, auf den Steuerzahler abzuwälzen.Zweitens. Überall da, wo wir Möglichkeiten sehen, Steuern zu senken, wird meine Fraktion vom frühen Morgen bis zum späten Abend in dem Sinne tätig sein, die Steuern zu senken. Hier können wir Ihnen also nicht folgen.
Ein Weiteres. Ich folge schon eher dem Bundesfinanzminister — nicht nur, weil er mein Freund ist; aber er gefällt mir in diesem Punkt schon etwas mehr —, wenn er sagt, es wäre dann schon besser, wenn ein Kunde der Post den zweiten Kunden subventioniert. Nun schön, man kann sagen: Wenn der eine die Vorteile für sich in Anspruch nimmt, dann muß er eben auch die Nachteile des anderen mit in Kauf nehmen. Aber ganz sind hier auch der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung nicht auf dem richtigen Weg. Ich darf darauf hinweisen, daß wir uns im April dieses Jahres mit diesem Problem hier befaßt haben und daß wir schon damals gesagt haben: Wir wollen keine Gebührenerhöhung bei der Post, weil wir — und das darf ich auch jetzt noch feststellen — dafür keine unbedingte Notwendigkeit sehen,
wenn die Dinge nicht einfach auf den Bundeshaushalt übernommen werden, Herr Kollege Schäfer, sondern wenn man andere, von Ihnen leider nicht angeführte Gedanken einmal erörtert.Da sagt der Herr Bundespostminister beispielsweise, der Post sei es nicht möglich, lukrative Dienste aufzunehmen und nicht lukrative Dienste nicht zu betreiben. Der Kollege Seuffert von der SPD sagt sogar, die Post sei in der Situation, daß niemand gegen sie konkurrieren könne; sie müsse also gewissermaßen auch von daher schon keine Steuern bezahlen, weil niemand da sei, der dieses Geschäft sonst betreiben könne.
Lieber Kollege Seuffert, dazu muß ich Ihnen sagen: Der Postscheckdienst ist ein Dienst, in dem die Bundespost praktisch in Konkurrenz mit den Sparkassen und den Banken steht. Hier ist eindeutig eine Konkurrenzsituation gegeben. Im Postscheckdienst setztdie Bundespost jährlich — meine Damen und Herren, hören Sie genau die Zahl — 151 Millionen DM zu. Wenn die Bundespost diesen Postscheckdienst aufgibt oder seine Gebühren auf die tatsächlichen Kosten erhöht, werden die Benutzer des Postscheckdienstes möglicherweise auf die Banken ausweichen, und das Defizit der Bundespost in diesem Sektor wird verschwinden. Das ist ein Sektor.
— Sie können sich nachher melden, Herr Kollege Seuffert. Ich habe Ihnen versprochen, mich kurz zu fassen. Ich habe nicht die Absicht, meine Redezeit von Ihnen verlängern zu lassen.
Ein Weiteres! Der Postreisedienst ist doch ein Dienst, in dem die Post eindeutig in Konkurrenz steht. Ich sehe nicht ein, weshalb bestimmte Strecken des Postreisedienstes gleichzeitig auch von der Bundesbahn betrieben werden, wobei beide am Ende defizitär arbeiten.
Dieser Postreisedienst kostet die Bundespost 70 Millionen DM in roten Zahlen. Und so können Sie weitere Beispielen anführen.Lieber Kollege Stücklen, Sie sind mir nicht böse; Sie wissen, daß ich Ihnen gewissermaßen schon von Ihrer Provenienz her verbunden bin. Aber die Liebe zu Bayern sollte nicht zu weit gehen. Sie haben mit Ihrer Satellitenstation, die Sie in Raisting errichtet haben, im Grunde nicht einmal das Wohlwollen der Bayern erreicht; denn die sagen, Sie hätten ihnen die Gegend verschandelt und die Grundstückspreise hochgetrieben. Und der ganze Spaß kostet 150 Millionen DM. Hier ist ein weiterer Punkt, wo man einsparen könnte, wenn man etwa die deutsch-französische Zusammenarbeit strapazierte und sich mit den Franzosen in der Richtung der Benützung der Satellitenstation in der Bretagne einigen könnte.
Ein Weiteres! Ich sehe nicht ein, warum wir 50 Millionen DM in das Überseekabel investieren, da die deutsche Bundesregierung die einzige Regierung ist, die unmittelbar an diesem Projekt beteiligt ist, während sich alle anderen Länder dafür privater Gesellschaften bedienen.Hier liegen Möglichkeiten, wo man unter Umständen, ohne den Steuerzahler zu belasten, zu Ergebnissen kommen kann, die am Ende tatsächlich das Defizit der Bundespost beseitigen. Deshalb, meine Damen und Herren, hat meine Fraktion ganz klare Anträge gestellt. Ich darf sie kurz begründen,Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei hat in ihrem dem Hohen Haus vorliegenden Antrag die Bundesregierung gebeten, ihren Beschluß, die Telefon- und Fernschreibgebühren zu erhöhen, auszusetzen, bis der Bericht der Sachverständigenkommission eine umfassende Beurteilung der Lage der Bundespost und der sich daraus ergebenden Folgerungen möglich macht. Die
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6690 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
ZoglmannBundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei will damit eine objektive, von vorweggenommenen Maßnahmen unbeeinflußte Arbeit der Sachverständigenkommission sicherstellen.
Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei begrüßt es, daß die Bundesregierung in die Sachverständigenkommission entsprechend den Vorstellungen des Bundesfinanzministers Persönlichkeiten berufen hat, die eine sachverständige Überprüfung der Lage der Bundespost vor allem auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten gewährleisten. Sie erwartet, daß diese Kommission ihre Arbeit unverzüglich aufnimmt und so schnell wie möglich abschließt.Soweit schon jetzt sinnvolle Vorschläge für eine Verbesserung der Lage der Bundespost möglich sind, tritt die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei für eine schnelle Diskussion dieser Vorschläge ein.Sie stimmt deshalb dem vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU/CSU zu.
Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei lehnt den Antrag der Bundestagsfraktion der SPD, die von der Bundesregierung verkündete Erhöhung der Telefon- und Fernschreibgebühren ohne ausreichende sachliche Prüfung rückgängig zu machen, ab. Dieser Antrag nimmt das mögliche Ergebnis der Untersuchungen vorweg, das der Deutsche Bundestag von der Sachverständigenkommission,
deren Einsetzung er in seiner Sitzung vom 16. April 1964 verlangt hat, erwartet. Der Antrag der Fraktion der SPD hilft weder den Benützern der Einrichtungen der Bundespost auf lange Sicht, noch löst er die von allen Seiten anerkannten Probleme der Deutschen Bundespost.Unter diesen Gesichtspunkten, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, dem von meiner Fraktion eingebrachten Antrag zuzustimmen und mit uns an die Bundesregierung zu appellieren, zunächst diesen Beschluß der Gebührenerhöhung auszusetzen, bis das Ergebnis der Arbeit der Sachverständigenkommission vorliegt, von der wir hoffen, daß sie nur wenige Monate dauern wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Anfang meiner Ausführungen möchte ich zwei Dinge klarstellen.Der Redner der CDU/CSU-Fraktion, Herr Kollege Schmidt, hat übersehen, daß er bereits vor seinen Ausführungen in seinem grundsätzlichen Standpunkt widerlegt war durch die Tatsache, daß hier zwei Bundesminister gesprochen haben: der HerrBundespostminister hat zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Stellung genommen, und der Herr Bundesfinanzminister hat dasselbe getan. Ihr Koalitionspartner, die FDP, hat zur gleichen Frage einen Antrag eingereicht. Ein Teil der CDU/ CSU-Fraktion hat sich — beispielsweise durch den Vorsitzenden der CSU — sehr deutlich zu den Vorgängen geäußert.
— Leider nicht hier; da haben Sie recht.
— Herr Kollege Strauß beschäftigt sich jetzt mit der „Welt", aber er ist trotzdem im „Bild".
Ein Zweites. Der Herr Bundespostminister hat bei seinen einleitenden, meinen Kollegen Erler betreffenden kritischen Bemerkungen übersehen, daß es nicht die Aufgabe unseres Fraktionsvorsitzenden war, eine historische Darstellung der Entwicklung der Deutschen Bundespost seit der Ministerschaft des Herrn Stücklen zu geben, sondern eine Begründung dafür vorzutragen, warum wir trotz der Sommerpause diese Sitzung des Deutschen Bundestages für notwendig halten, nämlich um ein Ersuchen an die Regierung zu richten, die von der Bundesregierung am 15. Juli beschlossene Erhöhung der Telefon- und Fernschreibgebühren rückgängig zu machen. Dabei handelt es sich, Herr Kollege Schmidt, durchaus um- eine legale Debatte. Denn daß diese Gebührenerhöhung bei der Bundespost ein Politikum geworden ist, kann doch niemand mehr bestreiten. Es muß noch hinzugefügt werden, daß es Aufgabe des Deutschen Bundestages ist, sich nicht nur wegen der Gebührenerhöhung bei der Bundespost mit diesem ganzen Fragenkreis zu beschäftigen, sondern auch im Hinblick auf die Erklärungen der Bundesregierung, die die Preisstabilität betreffen.Gerade die Ausführungen der Herren Minister haben doch bewiesen, daß erstens die Bundesregierung zu spät mit dem Denken beginnt und daß zweitens die jetzt verkündeten Gebührenerhöhungen schon deswegen umstritten bleiben müssen, weil noch nicht einmal die Umrisse eines konkreten Sanierungsprogramms erkennbar werden. Ich habe gesagt, die Bundesregierung beginnt zu spät mit dem Denken, und das will ich auch begründen. Es ist ihr von den verschiedenen Institutionen, nicht zuletzt auch vom Deutschen Industrie- und Handelstag, der Vorwurf gemacht worden — nach unserer Auffassung zu Recht —, daß sie spätestens bei der Gebührenerhöhung 1963 die Aufgabe gehabt hätte, sich mit einem konkreten Sanierungsprogramm zu beschäftigen. Dann wäre sie sofort auf die Kernfrage gestoßen, ob überhaupt eine Sanierung über Tariferhöhungen erreichbar ist. Wenn sie diese Kernfrage erörtert hätte, dann hätte sie die ganze Problematik anders erfaßt und wäre wahrscheinlich auch dankbarer für den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. April 1964 gewesen, die Kommission von sieben Sachverständigen zu berufen. Der Auftrag, der ja von der Koalition erteilt worden
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerist, war doch sehr klar: zu untersuchen, wie die Deutsche Bundespost ihre Aufgaben auf die Dauer in optimaler Weise, ohne Defizit, erfüllen kann. Die Bundesregierung wurde in diesem, von dem Hohen Hause einstimmig angenommenen Antrag aufgefordert, den Bericht so schnell wie möglich dem Bundestag vorzulegen.Meine Damen und Herren, Sie beanstanden nicht einmal, daß die Bundesregierung erst auf die öffentliche Erörterung der Gebührenerhöhung und die Einberufung dieser Sitzung des Deutschen Bundestages hin etwas zur Eile kam, nämlich dazu gekommen ist, nun wenigstens am 27. Juli, also am letzten Montag, nachdem sie mehr als drei Monate zugewartet hat, diese Kommission zu berufen. Ich finde, das ist nicht der notwendige Respekt, den die Bundesregierung diesem demokratischen Parlament zu erweisen hat.
In der Öffentlichkeit ist die Frage gestellt worden — ich sage, zu Recht gestellt worden —: Was hat denn nun eigentlich der Bundespostminister in den ganzen Jahren auf diesem Gebiet gemacht?
Was würde mit dem Chef eines großen Unternehmens geschehen, der die Zustände dieses Unternehmens kennt, sich aber erst von seinem Aufsichtsrat sagen lassen müßte: Eine Sachverständigenkommission soll nun einmal deinen Betrieb untersuchen und auf Grund des Untersuchungsergebnisses feststellen, was du tun mußt!
Meine Damen und Herren, so kann man die Aufgaben, die der Bundespostminister zu erfüllen hat, doch wirklich nicht ansehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Kollege Möller, wie verhalten sich diese für mein Empfinden erstaunlichen Bemerkungen über den Wert von Sachverständigenkommissionen zu Ihren Forderungen, auf allen möglichen anderen Gebieten, in denen Sie eine wesentliche Verantwortung zu tragen haben, Sachverhalte durch „Royal Commissions" zu klären?
Das hängt ganz einfach damit zusammen, daß das zwei verschiedene Dinge sind.
Ich habe bei Ihnen öfter erlebt, daß Sie Äpfel mit Birnen verwechseln.
Meine Damen und Herren, wir haben beispielsweise eine Expertenkommission zur Untersuchung der Voraussetzungen für die Durchführung der
Steuer- und Finanzreform erbeten. Die Steuer- und Finanzreform betrifft Bund, Länder und Gemeinden, ist also nicht einfach ein Zuständigkeitsbereich des Bundes oder eines Bundesministeriums. In einem Betrieb wie der Bundespost aber die Ordnung zu halten, die erforderlich ist, um nicht defizitär zu werden, das ist in erster Linie Sache des Ministers.
Ich gehe sogar noch ein Stück weiter. Ich glaube, daß sich der Herr Bundespostminister ab und zu in der Bundesregierung um entsprechende Entscheidungen bemüht hat. Ich komme noch auf einen Vorgang zu sprechen.
Darüber hinaus wäre es sehr begrüßens- und dankenswert, wenn wir eine Dokumentation über alle Vorschläge konstruktiver Art erhalten könnten, die der Verwaltungsrat in den letzten Jahren — und zwar ohne jeden Erfolg — gemacht hat, damit wir einmal sehen, inwieweit vom Verwaltungsrat mit Sachkenntnis und Sachverstand erarbeitete Vorschläge von den zuständigen Stellen beachtet worden sind. Wir wollen auch nicht vergessen — das geht aus dem Bericht des Arbeitsausschusses an den Postverwaltungsrat hervor, der über die Beratung der Entwürfe unter dem 2. Juli erstattet worden ist —, daß der Arbeitsausschuß und später das Plenum des Verwaltungsrates in einigen wichtigen Punkten der Gebührenneuregelung anderer Meinung waren als die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat sich nicht etwa an die Empfehlungen des Verwaltungsrats gehalten. Damit meine ich: das ist ein Grund mehr, der zu einer solchen politischen Debatte hier berechtigt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Kalinke?
Bitte.
Herr Kollege Möller, wollen Sie damit sagen, daß im Verwaltungsrat auch Ihre Freunde für eine Erhöhung der Gebühren gewesen sind? Wollen Sie sich bitte dazu äußern, ob das so zu verstehen ist?
Ich kann Ihnen nur erklären, daß die Vertreter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost die Erklärung abgegeben haben, daß sie so lange nicht für eine Gebührenerhöhung eintreten, bis durch eine Sachverständigenkommission die notwendigen Voraussetzungen für eine finanzielle Neuordnung bei der Deutschen Bundespost geschaffen worden sind. Das betrifft die von der Frau Kollegin gestellte Frage. Wir haben hier Rechenschaft nur über die Kollegen zu geben, die vom Deutschen Bundestag in den Ver-
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6692 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerwaltungsrat entsandt worden sind. Daß die Personalvertreter im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost aus anderen Gesichtspunkten mitwirken, ist doch klar.
— Darüber kann sich nur jemand wundern, der von diesen Zusammenhängen nichts versteht.Ich möchte die Frage, was denn eigentlich der Herr Bundespostminister getan hat, an Hand von zwei Dokumenten beantworten. Ich habe hier ein Schreiben des Herrn Bundesministers der Finanzen vom 9. Dezember 1963 ,an den Herrn Bundespostminister. In ,diesem Schreiben heißt es:Bei unserer Unterredung am 22. 10. 1963 haben Sie auf die Kapitalzuführung von 200 Millionen DM im Jahre 1958 hingewiesen. Damals ist mein Haus davon ,ausgegangen, daß Sie— nämlich Herr Stücklen —gleichzeitig Maßnahmen zum Ausgleich der Betriebsrechnung einleiten. Alle Voraussetzungen für eine Gebührenerhöhung lagen damals vor. Sie haben jedoch die Ansicht vertreten, die Betriebsrechnung lasse sich auf längere Sicht auch ohne Gebührenerhöhung ausgleichen. Die von hier als kombinierte Maßnahme gedachte Kapitalzuführung und Gebührenerhöhung blieb daher wirkungslos.
Eine solche notwendige Novellierung vorzubereiten, ist doch Aufgabe der zuständigen Herren des Bundespostministeriums.
Wir haben das auch in der Debatte am 16. April bei der Auseinandersetzung zwischen Herrn Stücklen und meinem Kollegen Bleiß erlebt. Man kann sich doch nicht dadurch aus der Affäre ziehen, daß man
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllersagt: Warum habt ihr nicht eine Änderung des Postverwaltungsgesetzes beantragt, warum habt ihr nicht eine Neubearbeitung des § 21 vorgenommen? Da kann ich nur das wiederholen, was ich am 25. Juni gesagt habe: Die SPD stellt noch nicht die Regierung, und so etwas zu tun, Ist in erster Linie Sache der Regierung und der sie tragenden Koalitionsparteien.
Sie werden es auch noch kennenlernen, meine Damen und Herren von der Koalition, daß das Geschäft der Opposition nicht ganz einfach ist; daß wir uns nicht danach drängen, nun noch Sachen mitzumachen, die Sie aufgabengemäß erfüllen sollten, müssen Sie uns schließlich abnehmen.
Bevor ich zu dem Vorschlag, den Herr Kollege Erler gemacht hat, noch etwas sage, darf ich grundsätzlich einmal folgendes feststellen: Zu einer fortschrittlichen Wirtschaftspolitik gehört doch auch, daß die Bundesregierung eine klar erkennbare Strukturverschiebung in der Nachrichtenübermittlung von größter Bedeutung, nämlich vom Brief zum Telefon, fördert und nicht mit einer neuen Art von Luxussteuer belegt. Die Fachleute bei der Bundespost werden Ihnen bestätigen, daß das, was jetzt praktisch neu hereinkommt, wenn die Gebührenerhöhung so durchgeführt wird, nicht etwa dazu dient, Weiteres auf dem Gebiet der Technisierung und der Fortführung des Technisierungs- und Rationalisierungsprozesses zu tun; es soll einfach zum Ausgleich für fehlende Mittel herangezogen werden. Daß im Fernsprechdienst eine Kostenüberdeckung von 480 Millionen DM in diesem Jahr vorhanden ist, daß die Gebührenerhöhung auf ein Jahr umgerechnet gerade im Fernsprechdienst Mehreinnahmen von rund 780 Millionen DM erbringt, will ich der Vollständigkeit halber noch erwähnt haben.Sie können nicht bestreiten, daß man unter Kostengesichtspunkten sich eigentlich mit den Gebühren beschäftigen müßte, in deren Bereich das Defizit fällt. Aber daß in einem solchen Gebührenverbund, insbesondere bei einem Betrieb wie der Bundespost, gewisse Grenzen beachtet werden müßten, wissen wir alle.Nun ist vom Herrn Bundesfinanzminister ebenso wie von dem Herrn Kollegen Schmidt darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Postablieferung als Monopolabgabe und als Ausgleich für die Steuerfreiheit — der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt: 1931; der Herr Kollege Schmidt hat gesagt: 1924 — eingeführt worden sei. Wir wollen hier keine Untersuchung darüber vornehmen, inwieweit man öffentliche Dienste und öffentliche Dienstleistungen überhaupt mit Steuern versehen kann. Nur eines ist in einem solchen Zusammenhang doch festzuhalten: daß nämlich die Gemeinschaftsleistungen der öffentlichen Hand sich seit dem Jahre 1924 oder, wenn Sie wollen, seit dem Jahre 1931 völlig verändert haben, weil sich die Welt, in der wir leben, völlig verändert hat. Die Gemeinschaftsleistung der öffentlichen Hand in dieser heutigen Zeit ist eine Aufgabe von größerem Ausmaß, auch von einemgrößeren finanziellen Ausmaß als 1924 und 1931. Was wir an Leistungen, an Gemeinschaftsleistung der öffentlichen Hand erbringen, ist ja wohl letzten Endes für den Lebensstandard des einzelnen Bürgers ausschlaggebend.Nun ist der Vorschlag, den Herr Kollege Erler gemacht hat, auf Kritik gestoßen, unter anderem auch bei Herrn Kollegen Zoglmann. Nur ist dabei übersehen worden, daß wir uns wenigstens bemüht haben, einen Vorschlag zu machen, wie wir bis zur endgültigen Regelung dieser Gebührenfrage, wenn die Gebührenerhöhung also aufgehoben oder ausgesetzt wird, diese Durststrecke, will ich einmal sagen, hinter uns bringen. Wenn man den Antrag der FDP-Fraktion annimmt, dann wird die Gebührenerhöhung ausgesetzt, mindestens bis zum 31. Dezember 1964. Aber es ist nichts darüber gesagt worden, wie das auch dann vorhandene Defizit bei der Bundespost gedeckt werden soll. Das fällt besonders auf bei der Fraktion, die den Bundesfinanzminister stellt. Daß ich das sage, dürfen Sie mir insbesondere dann nicht übelnehmen, wenn Sie uns vorwerfen, daß wir uns um einen solchen Deckungsvorschlag bemüht haben. Er mag Ihnen nicht gefallen. Gut, darüber kann man reden. Aber daß wir uns den Kopf darüber zerbrochen haben, das zeugt von der Verantwortung, die jeder hier im Hause tragen muß. Ob er zur Koalition oder zur Opposition gehört, spielt dabei keine Rolle.
Hier sind die Zahlen. Ich darf sie noch einmal wiederholen. Für 1964 erwartet die Bundespost ein Defizit von 385 Millionen DM. Nun hat mein Kollege Erler darauf hingewiesen, daß der Bundesfinanzminister in einem noch vorzulegenden Nachtrag das Haushaltsdefizit des Bundes aus dem Jahre 1963 in Höhe von 512 Millionen DM in Ordnung bringen will. Wie, weiß ich nicht, weil ich die Vorlage noch nicht kenne, wahrscheinlich durch Minderausgaben, nehme ich an. Jedenfalls will er es in Ordnung bringen. Der Bundesfinanzminister will also das Defizit, das spätestens 1965 abgetragen sein soll, mit einem Nachtrag 1964 abtragen. Nun hat Herr Kollege Erler vorgeschlagen, von diesem verfügbaren Betrag von 512 Millionen DM 385 Millionen DM abzuzweigen, um das Defizit bei der Bundespost auszugleichen, bis wir uns — wahrscheinlich gemeinsam — zu einer Neuregelung bereit finden. Dann wären eben nur noch 127 Millionen DM aus dem Defizit des Haushaltsjahres 1963 bereits im Jahre 1964 abzutragen. Der Rest müßte im Jahre 1965 erledigt werden. Das war unsere Überlegung, über die man diskutieren kann. Aber wir von der Opposition sind im Gegensatz zu manchen anderen nicht rechthaberisch. Es kommt uns auf die Sache an. Es kommt uns auf ein gutes Ergebnis in der Sache an.Da könnte ich mir auch denken, daß Sie beispielsweise den Vorschlag akzeptieren, der sich aus der Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelstages in Ziffer 5 ergibt. Der Deutsche Industrie- und Handelstag sagt in dieser Ziffer 5:Die von der Bundesregierung beschlosseneSachverständigenkommission sollte ihre Tätig-
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerkeit unverzüglich aufnehmen. Um ihren Arbeiten nicht vorzugreifen, sollte, sofern der Bundesfinanzminister keine Möglichkeit der Entlastung der Bundespost sieht, der für das Jahr 1964 erwartete Verlust letztmalig wie in den Vorjahren vom Eigenkapital abgebucht werden.Das ist ein anderer konstruktiver Vorschlag. Das Eigenkapital betrug bei der Bundespost Ende 1963 1,616 Milliarden DM. Wenn Sie auf Grund dieses Defizits noch einmal 385 Millionen DM abbuchen, bleiben 1,231 Milliarden DM. Da wir uns sicher alle im Hohen Hause darüber einig sind, daß zu den Sanierungsmaßnahmen eine ausreichende Ausstattung mit Eigenkapital gehört, wäre ein 'solches Vorgehen, wie es der Industrie- und Handelstag vorschlägt, sicherlich vertretbar. Das wäre also 'ein zweiter Vorschlag, der es Ihnen erleichtern könnte, unserem Antrag zuzustimmen.
— Das können Sie überhaupt nicht vergleichen.
— Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß in dem Wirtschaftszweig, in dem ich tätig bin, die Prämiensätze seitdem Jahre 1924 nicht erhöht worden sind, obwohl es sich um Dienstleistungsbetriebe handelt. Was das bedeutet, hat auch der Bundespostminister heute auseinandergesetzt, indem er auf den hohen Anteil der Personalkosten an den Gesamtaufwendungen zu sprechen kam. Das ist schon eine Aufgabe. Das ist nicht leicht. Aber keine Betriebsführung, ob in einem privaten oder in einem Betrieb der öffentlichen Hand, wird uns heute leicht gemacht. Man muß sich um die Lösung der Probleme nur bemühen und muß sie an der richtigen Stelle finden mit den Maßstäben, die ,angebracht und nützlich sind. Bei der Bundespost haben wir es mit einem Unternehmen zu tun, das gerade jetzt das Interesse der ganzen Öffentlichkeit und der Bürger in Anspruch nimmt.Herr Zoglmann hat noch einen Vergleich mit dem Postscheckdienst angestellt. Man kann diese Frage infolge der vorgerückten Zeit nicht weiter vertiefen. Aber, Herr Kollege Zoglmann, der Bundespostminister könnte Ihnen sagen, warum er bisher bei diesem Verfahren geblieben ist. Auch das wäre aufzugeben, wenn die Bundespost eine gesunde Finanzgrundlage hätte. Dann würde sie auf diesen Satz, der sich im Postscheckverkehr, in diesem Geldverkehr, niederschlägt, nicht angewiesen sein, um Finanzierungslücken auszufüllen.Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß es dem Hohen Hause möglich sein müßte, unter Beachtung dieser von mir noch einmal gemachten Vorschläge unserem Antrag zuzustimmen mit der Maßgabe, daß wir uns gemeinsam um eine Deckung des Postdefizits im Jahre 1964 bemühen, daß wir uns weiter bemühen, mit Hilfe der Sachverständigenkommission neue Grundlagen für eine finanzielle Neuordnung bei der Bundespost zu erarbeiten. Denn es stimmt ganz sicher eine Formulierung, die in dieser Auseinandersetzung Herr Kollege Strauß verwandt hat: Man kann den Entscheidungen nicht länger ausweichen. So erklärte Herr Strauß am 22. Juli. Man kann sie sicher nicht ersetzen, weder durch großspurige Protestankündigungen, die dann keine parlamentarische Resonanz finden, noch durch die dem Bundeskanzler von dem Herrn CSU-Vorsitzenden unterstellte Gesundbeterei.Wir möchten uns auf die Regierungserklärung vom 28. Oktober 1963 zurückziehen und Ihnen folgenden Satz aus dieser Regierungserklärung ins Gedächtnis rufen und Sie bitten, bei der Abstimmung an diesen Satz zu denken:Wenn es darum unverzichtbar ist, den Interessentengruppen die Grenzen ihrer Ansprüche deutlich zu machen, so erscheint das nur glaubhaft, wenn auch der Staat die rechten Maße zu setzen weiß.Um diese rechten Maße wollen wir uns in der heutigen Debatte und bei den heutigen Abstimmungen bemühen!
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Möller hat Anerkennung dafür verlangt, daß er sich den Kopf zerbrochen habe. Nun bin ich der Meinung, daß man sich zwar den Kopf zerbrechen soll, und ich bin auch bereit, anzuerkennen, daß sich Herr Dr. Möller sehr ernsthaft um die Dinge bemüht hat; aber man muß das auch in der richtigen Richtung tun, und ich bin der Meinung, da mangelt es etwas.Ich will nur noch einige kurze Hinweise geben, um die Debatte nicht aufzuhalten. Der Verzicht auf die Monopolabgabe, die der Bund allein erhält, und ein Steuerverzicht sind etwas ganz anderes, schon mit Rücksicht auf die Verteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern. Beides hat nichts miteinander zu tun, das können Sie nicht miteinander vermengen. Im übrigen verkennen auch Sie, Herr Kollege Dr. Möller, total die Bestimmung des Postgesetzes in § 15, daß die Post aus ihren Einnahmen die Ausgaben zu decken hat. Die Post hat bei der Durchführung des Haushalts — nicht nur bei der Aufstellung, so, wie Sie es machen wollen, nämlich bis zum 31. Dezember warten und, wenn dann das Defizit da ist, es auf andere Weise decken, wozu Sie erst die Gesetzgebungsmaschinerie in Gang bringen müßten, was gar nicht geht — bereits die Verpflichtung, wenn sie ein Defizit auf sich zukommen sieht, dafür zu sorgen, daß es gedeckt wird. Daher die Gebührenerhöhung, die gar nicht zu vermeiden ist, weil nach § 15 des Postverwaltungsgesetzes die Einnahmen geschaffen werden müssen, um die notwendigen Ausgaben zu decken.Ich hatte Ihnen am Schluß meiner Ausführungen das ganze Paket, die Fülle der Maßnahmen vor
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6695
Bundesminister Dr. DahlgrünAugen zu führen versucht, mit der wir die Struktur und die Lage der Post auf Dauer ändern wollen. Da haben Sie schon gesehen, daß ich zu einer solchen Maßnahme, nämlich dem Einfrieren der Abgabe auf 520 Millionen DM, Bundesrat, Bundestag, die ganze Gesetzesmaschinerie brauche. Jetzt während der Ferien befindet sich zum Beispiel die bereits im Entwurf des Haushaltsgesetzes 1965 verankerte Möglichkeit des Einfrierens für 1965 noch im Gesetzgebungsgang. Ich kann es nicht ändern. Es ist eben ein langfristiger Prozeß, der immerhin Monate dauert. Während dieser Zeit sollte die Postkommission schnellstens die Arbeit aufnehmen, um vielleicht schon im Januar 1965, oder wann weiß ich, konkrete Vorschläge zu machen, was wir gründlich und auf Dauer an der Struktur und der Lage der Post ändern sollten.
Wir fahren in der Rednerliste fort. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg. — Verzeihung, der Herr Postminister hat sich gemeldet. Ich muß nach der Geschäftsordnung dem Herrn Minister zuerst das Wort geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte nur Herrn Kollegen Möller nicht nach Hause gehen lassen, bevor ich ihn berichtigt und einiges richtiggestellt habe. Herr Kollege Möller hat hier mitgeteilt, daß die SPD im Jahre 1953 dem Postverwaltungsgesetz einschließlich der Abgabe an den Bund — der berühmten 62/3% — zugestimmt habe, weil damals völlig andere Verhältnisse geherrscht hätten; die Bundespost habe mit Gewinn gearbeitet. Herr Kollege Möller, ich darf nur um der Wahrheit willen richtigstellen, daß bereits 1953 die Post ein Defizit von 220,7 Millionen DM gehabt hat, so daß die damalige Entscheidung auch in Kenntnis dieses Defizits erfolgen mußte. Ich darf Ihnen weiter sagen, daß 1958 die Post ein Minus von 116 Millionen DM bei 78 Millionen DM Gehaltserhöhungen im Jahr, 1959 ein Plus von 38 Millionen DM bei 10,6 Millionen DM Lohn- und Gehaltserhöhungen, 1960 ein Plus von 70 Millionen DM bei einer Gehaltserhöhung von 287 Millionen DM gehabt hat. 1961, bei einer Gehalts- und Lohnerhöhung von 352 Millionen DM, ist die Deutsche Bundespost erstmals nach 1957 — und diesen Zeitraum möchte ich besonders verantworten — wieder ins Defizit gekommen. Aus dieser Skala allein ergibt sich schon, daß Lohn- und Gehaltsbewegungen bei einem zu 65% arbeitsintensiven Betrieb eben entscheidend sind. Wenn die Deutsche Bundespost nicht auf allen Gebieten, auf denen sie überhaupt eine Möglichkeit gesehen hat, die Rationalisierung und die Automatisierung durchgeführt hätte, dann, Herr Kollege Möller, hätten wir nicht so lange die Post aus eigener Kraft erhalten können.
Herr Bundesminister, gestatten Sie noch eine Frage des Abgeordneten Cramer?
Herr Minister, Sie werden doch zugeben, daß, als wir 1953 das Gesetz machten — das war, wenn ich mich recht erinnere, in der Mitte des Jahres —, noch nicht bekannt war, daß die Bundespost im Jahre 1953 mit einem Verlust abschneiden würde. Weiter werden Sie zugeben, daß dieser Verlust ja erst entstand, nachdem die Ablieferung abgebucht war. Der wesentliche Teil. meiner Frage geht dahin, — —
Herr Abgeordneter Cramer, ich bitte, eine Frage zu stellen und nicht — —
Herr Kollege Cramer, ich kann Sie leider nicht entlasten für den Fehler, den Ihr Kollege Möller gemacht hat: hier eine Behauptung aufzustellen, die nicht stimmt.
Denn diese Tatsache war bereits im Haushalt 1952 mit minus 51 Millionen verankert. Dieses Defizit hat sich im Laufe des Jahres 1953 infolge der Lohn- und Gehaltsentwicklung auf 220 Millionen DM erhöht. Im Haushalt, der Ihnen damals in dem Ausschuß, dessen Vorsitzender Sie waren, vorlag, lautete es: minus 51 Millionen DM bereits 1952.
Ein Ausweichen, Herr Kollege Cramer, auf Gebieten, auf denen man sich geirrt hat — Herr Kollege Möller sich geirrt hat; mehr unterstelle ich ja gar nicht —, kann man eben nicht durch eine Diskussion ausräumen.Da Sie mich aber schon nochmals ans Pult gebracht haben, — —
— Ich habe die Zahl richtig genannt. — Aber da ich nun hier stehe, darf ich — ich sehe leider Herrn Zoglmann nicht — auch hier eine Berichtigung bringen. Die Berichtigung geht dahin, daß das Transatlantikkabel von Deutschland aus mit zwei anderen Verwaltungen durchgeführt worden ist, einmal mit der französischen und einmal mit der englischen und der amerikanischen. Die amerikanische Verwaltung ist auf privatwirtschaftlicher Basis aufgebaut; es gibt dort keine staatliche Telefonie und Telegrafie. Die französische ist selbstverständlich staatlich, so daß die französische PTT-Verwaltung genau in der gleichen Eigenschaft vertreten war wie die deutsche PTT-Verwaltung und die englische PTT-Verwaltung ebenso wie die deutsche PTT-Verwaltung; so daß hier also nicht der Eindruck entstehen könnte, daß irgendwo in England oder in Frankreich neben der staatlichen PTT-Verwaltung dieses Transatlantikkabel von einer Privatgesellschaft durchgeführt worden wäre.In bezug auf Reisting darf ich auch ein bißchen korrigieren. Die Millionen werden hier nur so herumgeschmissen. Ich darf nur sagen, daß Reisting 40 Millionen DM gekostet hat. Ich darf weiter hinzu-
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Bundesminister Stücklenfügen: Was würde der Bundestag 1970 vielleicht an die Adresse des damaligen Postministers sagen, wenn dieser es versäumt hätte, einen so modernen Nachrichtenzweig wie das Satellitensystem in Deutschland zugunsten eines anderen Staates zu vernachlässigen!
Nachdem der Herr Bundespostminister auf seinen Platz gegangen ist, kann ich natürlich eine Frage nicht mehr zulassen. Aber Sie können sich selbstverständlich als Redner melden. — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stoltenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Debatte hat, wie es wohl nicht zu vermeiden war, auch eine große Zahl von fachlichen Fragen berührt, die ihre Bedeutung haben. Ich glaube aber, man sollte, wenn man eine Zwischenbilanz zu ziehen versucht, eines sehr klar erkennen. Wie immer man das Verhalten der Regierung in dieser Frage beurteilt, rechtfertigt oder kritisiert — die sozialdemokratische Fraktion, die diese Debatte herbeigeführt hat, hat uns weder in ihren vorliegenden Anträgen noch in ihren Ausführungen hier irgendeine Alternative zu der Entscheidung der Bundesregierung aufgewiesen.
Das ist eine Frage der Finanzpolitik, über die wir reden.
Und was wir an hingeworfenen Bemerkungen, Herr Kollege Erler, im einzelnen hier gehört haben, hält einer kritischen finanzpolitischen Betrachtung auf dem Hintergrund Ihrer sonstigen Anträge unid Vorstellungen zu diesem Gebiete nicht stand.
Ich glaube, darüber müssen wir uns unterhalten, wenn wir aus dem Feuerwerk polemischer Bemerkungen, das Sie hier mit einem Blick auf die Öffentlichkeit vorgeführt haben, jetzt auf die eigentlichen zugrunde liegenden Sachfragen eingehen.
Herr Kollege Möller hat das ja auch mit einer gewissen schönen Offenheit gesagt. Er ist darauf angesprochen worden, daß es keinen sozialdemokratischen Antrag gibt, dieses ach so schlechte Postverwaltungsgesetz von 1953 zu ändern. Er hat darauf geantwortet, es sei nicht die Aufgabe der SPD, in dieser Frage einer Gesetzesinitiative der Regierung gleichsam das Denken abzunehmen. Herr Kollege Möller, ich halte das auf dem Hintergrunde Ihres sonst so entwickelten parlamentarischen Selbstbewußtseins für eine sehr erstaunliche Feststellung.
Ich kann auch nicht umhin zu bemerken, daß es ja
nicht Ihrem sonstigen Verhalten entspricht. Ihre
Fraktion hat es, wie es ihr gutes Recht und ihre
Pflicht ist, in dieser Wahlperiode für richtig gehalten, über 60 Gesetzesanträge zu anderen Fragen einzubringen. Aber in dieser Frage, die jetzt wie eine nationale Katastrophe erscheint, haben Sie es nicht als opportun angesehen, zur heutigen Sitzung einen formulierten Gesetzentwurf einzubringen.
Ich bin auch etwas verwundert über das, was Sie über die Funktion des Postverwaltungsrates sagten. Sie haben hier erklärt, daß die von Ihrer Partei, von Ihrer Fraktion entsandten Mitglieder gesagt hätten, daß sie zu diesem Zeitpunkt — bevor nicht die Sachverständigen ihre Auffassung dargelegt hätten — nicht einer Gebührenerhöhung zustimmen könnten.
Diese Einschränkung ist schon sehr interessant, weil nämlich in dieser Formulierung doch der Grundtatbestand erkennbar wird, daß man gewaltig steigende Lasten bei einem Wirtschaftsunternehmen letzten Endes eben doch nur über Gebühren ausgleichen kann.
Dann sind Sie darauf angesprochen worden, was denn andere namhafte Mitglieder der Sozialdemokratie in diesem Postverwaltungsrat getan haben. Da haben Sie die sehr merkwürdige Bemerkung gemacht, die hätten andere Gesichtspunkte — die des Personals usw. — zu vertreten. Ich halte das für eine ganz falsche Darstellung.
— Von den Personalvertretern. — Ich halte das für eine ganz falsche Darstellung. Jedes Mitglied des Postverwaltungsrates, ob von Ihrer Fraktion entsandt, von den Gewerkschaften, ob Mitglied Ihrer Partei oder aus anderen Gremien, hat nach dem Postverwaltungsgesetz eine gesetzliche Aufgabe.
Jeder trägt die Gesamtverantwortung für die Post. Sie können sich mit einer solchen Bemerkung von dem Verhalten Ihrer Parteifreunde im Postverwaltungsrat nicht distanzieren, die im Widerspruch zu dem steht,
was Sie hier heute erklärt haben und was in der Öffentlichkeit von Ihnen in einer gewaltigen Propaganda erklärt wird.
Herr Abgeordneter Stoltenberg, gestatten Sie eine Frage?
Ja.
Herr Abgeordneter Stoltenberg, wollen Sie damit sagen, daß die aus einem ganz anderen Rechtstitel in verschiedene Gremien entsandten Persönlichkeiten dort jeweils keine andere Aufgabe haben, als ihre politische Partei zu vertreten, so daß sie dort gewissermaßen — —
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6697
Erlerso daß die politische Partei für alles haftbar ist, was andere woanders tun, ohne daß sie von der Partei entsandt sind?
Herr Kollege Erler, eine Lektüre des Stenogramms meiner Ausführungen wird Ihnen klarmachen, daß ich das nicht gesagt habe.
Ich habe gesagt, daß jedes Mitglied dieses Verwaltungsrates unabhängig davon, von wem es entsandt ist, eine gesetzliche Verantwortung für das Ganze hat.
Sie müssen uns schon gestatten, nachdem Sie in der Öffentlichkeit und auch heute hier in der Form, wie wir es erlebt haben, diese Frage so zugespitzt und zu so massiven Angriffen benutzt haben, daß wir das Verhalten Ihrer Parteifreunde, ganz unabhängig davon, wer sie entsandt hat, in den maßgebenden Gremien einer ebenso kritischen Betrachtung unterziehen und daß daran die Glaubwürdigkeit Ihrer Vorwürfe gemessen wird.
Herr Abgeordneter Dr. Stoltenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Sanger?
Herr Kollege Stoltenberg, sind Sie der Auffassung, daß die Einsprüche z. B. auch des Industrie- und Handelstags auf unsere Opposition zurückzuführen sind?
Herr Kollege, das ist eine völlig andere Frage als die, über die ich soeben gesprochen habe. Ich möchte im weiteren Verlauf meiner Darlegung deutlich machen, ohne nun die ganze Breite der Sache in dieser späten Stunde zu behandeln, daß wir nicht nur jedem das Recht zur kritischen Stellungnahme zubilligen, sondern daß wir glauben, daß es auch begründete krititische Stellungnahmen gibt. Nur müssen diejenigen, die kritisieren, sich erst fragen lassen, wie sich ihre Freunde in den maßgebenden Gremien verhalten haben, und zweitens, wie ihre Alternative lautet. Und darüber möchte ich gern mit Ihnen diskutieren.
Gestatten Sie mir, Herr Sanger, daß ich zunächst einmal hier meinen Gedankengang entwickele, und zwar schon im Hinblick auf die späte Stunde. Ich bin gern bereit, später noch einmal auf eine Frage von Ihnen einzugehen.Es ist nicht von ungefähr, daß Sie sich hier auf die für mich erstaunliche Position zurückziehen, es sei nicht Ihre Aufgabe, Anträge einzubringen oder Alternativen zu entwickeln. Das ist nicht von ungefähr, meine Damen und Herren. Die Rechnung, die Sie hier mit einigen etwas hingeworfenen Bemerkungen machen, geht nämlich nicht auf. Die Frage ist: Wie wollen Sie, selbst wenn wir die Konzessionsabgabe fallenließen, das verbleibende Defizit decken, das in den nächsten Jahren noch steigen wird? Sie verweisen in einer sehr allgemeinen Formulierung auf den Haushalt. Darüber wird zu reden sein.Aber, meine Damen und Herren, zunächst möchte ich doch bemerken, daß die Entscheidung nach geltendem Recht gefallen ist. Daran haben wir die Bundesregierung zunächst zu messen. Ich möchte, ohne sehr viel Zahlen zu wiederholen, darauf verweisen, daß wir eine gewaltige Steigerung der Personalkosten der Post zu verzeichnen haben. Der Personalhaushalt betrug 1950 951 Millionen DM. Er betrug 1963 3,5 Milliarden DM, mit Sozialleistungen etwa 4,5 Milliarden DM. Das ist eine Steigerung von 400 bis 500 %! Die Unkosten pro Arbeitskraft betrugen 1950 3200 DM. Sie liegen jetzt mit Sozialleistungen bei über 11 000 DM.Meine Damen und Herren, es ist manchmal gespenstisch, wie die Argumentation in diesem Hause wechselt. Vor wenigen Wochen .haben wir eine Diskussion über die Besoldung im öffentlichen Dienst, im besonderen bei Bahn und Post, geführt. Da haben wir die bitteren Vorwürfe aus Ihren Reihengerade von den von Ihnen zitierten Gewerkschaftsvertretern, Herr Kollege Möller, die auch in Ihren Reihen hier sind, gehört, daß die Besoldung bei der Post völlig unzulänglich ist. Wir haben uns entschlossen, eine erhebliche Verbesserung dieser Besoldung vorzunehmen, die Sie nach wie vor als unzulänglich ansehen. Wir haben bewußt etwas für die Beamten im unteren Dienst getan, und wir wissen, daß wir mehr tun müssen. Wir sehen im Herbst den beträchtlichen gewerkschaftlichen Forderungen auf dem Tarifsektor entgegen. Das alles ist hier wie weggewischt,
wenn es darum geht, jetzt zu diskutieren, wie diese Rechnung bezahlt wind.
Meine Damen und Herren, Sie können in einer ernsthaften politischen Diskussion auch den Hinweis meines Kollegen Dr. Schmidt auf die Situation bei anderen Dienstleistungsbetrieben, bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben, nicht in der etwas lächerlichen oder ironischen Art behandeln, wie das hier teilweise geschehen ist.
Wir tragen in den kommunalen Verwaltungen, im kommunalen Sektor eine gemeinsame Verantwortung. Es ist kein Geheimnis, daß Sie in den Großstädten zahlenmäßig eine stärkere Verantwortung tragen als wir. Aber ich halte es für völlig sinnlos, daß Sie, wenn wir auf Hamburg, Hannover oder München verweisen, uns „Bonn" zurufen. Natürlich ist das eine allgemeine Problematik. Das wird ja gar nicht bestritten.
Aber es ist doch auch nicht zu übersehen, daß wirdort auf diesem Dienstleistungssektor, dessen so-
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Dr. Stoltenbergziale Bedeutung gerade für Millionen Arbeitnehmerund Hausfrauen größer ist ,als die der Telefonfrage,
im Verlaufe von sechs, sieben Jahren Kostensteigerungen bis zu 60 % zu verzeichnen haben,
beschlossen von Ihren verantwortlichen Landes- und Stadtvertretungen, ohne daß man dort bis zum heutigen Tage auf eine Konzessionsabgabe verzichtet hat.
Dieses Messen mit zweierlei Maß, auch wenn es gewissen Schlagzeilen entspricht, können wir nicht akzeptieren.
Das hat mit einer sachlichen, einer korrekten Auseinandersetzung über diese Fragen nichts zu tun, die wir gerade in der heutigen Debatte allerdings schmerzlich bei Ihnen vermißt haben. Meine Damen und Herren, wo bleibt da Ihr Protest? Welche Vorschläge machen Sie? Wie wollen Sie diese Dinge in den Griff bekommen? Das ist ein Thema, das hier in diese Diskussion hineingehört.Nun haben Sie auf den Bundeshaushalt verwiesen. Das ist natürlich der bequeme Weg, alles auf den Haushalt zu nehmen; ein mehr als bequemer Weg, bei dem wir — ich sage das ganz offen —, allerdings graduell abgestuft, in diesem Hause allzumal die Tendenz haben, alle miteinander Sünder zu sein. Aber es ist die Frage, wie weit man diesen Weg gehen kann. Ich glaube, daß wir einen verhängnisvollen Weg gehen würden, wenn wir gegen den Text des geltenden Postverwaltungsgesetzes jetzt die Post durch die Tarife zum dauernden Subventionsempfänger des Bundes machten.
Wie steht es denn mit Ihrer Haltung, meine Damen und Herren? Ich kann nicht umhin, doch einige kurze Bemerkungen zur allgemeinen finanzpolitischen Situation zu machen. Es ist sehr sonderbar: Wir haben über den Grundsatz der Begrenzung des Haushalts gesprochen, der, wie mir scheint, für die Frage der Preise und der Konjunkturstabilität eine wesentlich größere Bedeutung hat als diese Frage — ohne daß ich ihre sachliche und psychologische Bedeutung unterschätze. Herr Mommer, Sie haben im Winter, am 16. Dezember, als es um die Kriegsopfer ging, hier an dieser Stelle erklärt: ,,Sie mögen es immer wieder bezweifeln; wir stehen zu diesem Plafond von 60,3 Milliarden, und wir werden alle Mehraufwendung durch Kürzungen ausgleichen." Herr Erler hat vor wenigen Wochen in einem Interview mit „Christ und Welt" diese Limitierung auf 60,3 Milliarden DM und die nach den gleichen Grundsätzen erfolgte Limitierung für das nächste Jahr als eine Fiktion bezeichnet, eine fragwürdige Idee des Bundeskanzlers, die wir mit sinnlosen Streichungen verwirklicht hätten. Meine Damen und Herren, welche Politik machen Sie in dieser Frage? Das möchten wir von Ihnen hier hören. Was gilt nun eigentlich, die Schwüre des Winters oder die Erklärungen des Sommers?
Ein zweites, meine Damen und Herren. Natürlich hängt dieses Problem — das ist von Herrn Möller und von Herrn Dr. Schmidt angedeutet worden — mit der Frage der Steuerpolitik zusammen. Aber da scheint mir eigentlich der Widerspruch bei Ihnen noch größer zu sein. Herr Erler hat das eben genannte Interview unter die schöne Überschrift gestellt oder stellen lassen: Weniger Steuern — weniger Bildung. Das mag nicht seine Formulierung sein, aber das gibt den Inhalt dieses Interviews sehr gut wieder. Wir hören die Reden von den vernachlässigten Gemeinschaftsaufgaben, von Bildung, Wissenschaft, Verkehr, Straßenbau usw. Dann reden andere Leute, die jetzt etwas im Hintergrund sitzen, dann nämlich, wenn es darum geht, herauszustellen, daß wir die zusätzlichen Mitteln, die wir überhaupt noch haben, für diese Dinge brauchen und nicht für neue Subventionen. Heute hören wir etwas anderes. Herr Erler sagt: Weniger Steuern — weniger Bildung. Aber — ich habe darauf schon während der Haushaltsdebatte hingewiesen — Ihre Anträge hier im Hause auf Steuersenkung, die Sie bis heute nicht zurückgezogen haben, führen, was den Bund betrifft, zu einem viel stärkeren Ausfall an Steuern als die von Ihnen unter diesem Gesichtspunkt kritisierten Steuersenkungspläne der Bundesregierung.
— Herr Seuffert, ich will Ihnen die Zahlen sagen. Die Bundesregierung hat vorgesehen, die Einkommensteuer zu senken, so daß 1966 ein Steuerausfall für Bund und Länder zusammen von etwa 2,8 Milliarden DM entstehen würde, von denen der Bund etwa eine Milliarde oder etwas über eine Milliarde tragen würde. Ihre Pläne zur Senkung der Einkommensteuer kosten infolge einer Verlagerung weniger. Aber sie kosten immer noch knapp 1,4 Milliarden DM. Davon würde der Bund 600 Millionen DM zu tragen haben. Dazu haben Sie bis zum heutigen Tage Ihre Anträge auf Abschaffung der Verbrauchsteuer auf Kaffee, Tee und Zucker nicht zurückgezogen, die dem Bund allein 1,1 Milliarden .DM kosten,
so daß Sie eine Senkung von Bundessteuern in der Größenordnung von 1,9 Milliarden DM gegenüber den von der Bundesregierung vorgesehenen 1,1 Milliarden DM beantragt haben.
— Die Vermögensteuer ist keine Bundessteuer, wie Sie wissen, Herr Seuffert.
Wie verhält sich denn das mit „Weniger Steuern— weniger Bildung"? Wie verhält sich das mit den Gemeinschaftsaufgaben?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6699
Dr. StoltenbergWie verhält sich das mit dem Vorschlag, eine Konzessionsabgabe von 520 Millionen DM unbesehen auf den Bundeshaushalt zu übernehmen und das weitergehende Defizit aus Steuermitteln zu decken? Diese Fragen müssen Sie, glaube ich, etwas glaubwürdiger und deutlicher beantworten, als Sie das bisher getan haben.
— Meine Damen und Herren, Sie können sich nicht darauf zurückziehen, daß Sie erklären: Preiswucher— im Sinne der Schlagzeilen einiger Zeitungen, über die Sie sonst viel negativere Urteile abgegeben haben als wir — und daß Sie diese Probleme im Sinne einiger Schlagzeilen behandeln und mit einigen allgemeinen Bemerkungen, man möge dies oder jenes tun. Dabei halte ich den Vorschlag, das zu niedrige Kapital zu verzehren, um es dann später aufzustocken, für den wohl fragwürdigsten Vorschlag überhaupt, der in der Diskussion gebracht wurde.
Wir haben einen Antrag dazu vorgelegt, ähnlich wie Sie, nicht einen Gesetzesantrag, sondern einen Entschließungsantrag. Wir werden bestimmte Probleme der Post prüfen müssen. Aber ich glaube, der Grundsatz, daß ,die Gebühren der Post die Aufwendungen zu decken haben, wird auch in Zukunft gelten. Das schließt die Notwendigkeit bestimmter struktureller Maßnahmen nicht aus. Ich verweise auf unseren Antrag. Die Frage der Kapitaleinlagen ist zu prüfen, ebenso die der Verbesserung der Finanzstruktur. Es gibt Überlegungen auch bei der Bundesregierung, durch eine einmalige Zuführung von Mitteln bestimmte Belastungen der Post zu verringern. Selbstverständlich muß über Form und Umfang der Abgabe gesprochen werden, aber unter Würdigung der gesamten Problematik. Da ist schließlich der dringende Wunsch, in dem wir uns einig sind, den Investitionsbedarf vor allem auf dem Fernmeldesektor beschleunigt zu verwirklichen, damit die über 350 000 Anträge schnell erfüllt werden können, was sicher auch eine positive Wirkung auf die Einnahmen in diesem Bereich hätte. Das und anderes wird zu prüfen sein.Aber das, was an Anträgen vorliegt — und wir beziehen unseren eigenen durchaus ein —, ist nicht so, daß darüber heute entschieden werden kann. Wir müssen diese Dinge in den Ausschüssen behandeln, beschleunigt, gemeinsam mit der Bundesregierung, mit der Sachverständigenkommission. Das ist der einzig mögliche Weg, wenn wir der Sache gerecht werden wollen und nicht nur auf die Propaganda schauen.
Herr Erler, ich muß ihnen übrigens auch sagen, bevor ich zum Schluß komme, daß Sie meines Erachtens unseren Antrag Umdruck 428 aus der Haushaltsdebatte hier nicht richtig zitiert haben, als Sie zu Beginn diese sehr harten Vorwürfe gegen die Bundesregierung im Zusammenhang damit erhoben haben. Wir von der CDU/CSU und FDP haben gesagt, unter Berücksichtigung der Möglichkeit, daßeine Erhöhung der Gebühren auf die Dauer nicht ausreicht, die hierfür erforderlichen Finanzmittel sicherzustellen, erwartet der Bundestag von der Bundesregierung, daß sie eine Kommission einsetzt. Wenn man sagt, daß eine Erhöhung der Gebühren auf die Dauer nicht ausreicht, dann kann man nicht daraus folgern, daß damit die Möglichkeit einer Gebührenerhöhung gleichsam für die nächste Zukunft ausgeschlossen ist. Dann kann man nicht daraus folgern — und wir als Initiatoren dieses Antrags wenden uns gegen Ihre Auslegung —, daß die Bundesregierung unseren Willen mißachtet hat.
— Herr Kollege Erler, ich glaube, man kann nicht sagen, daß ein Abweichen der Bundesregierung von Ausführungen, die hier zu Protokoll gegeben sind, eine Mißachtung des Parlaments darstellt. Dieser Auslegung kann ich nicht folgen. Ich glaube, Sie müssen von idem Entschließungsantrag ausgehen, den dieses Haus verabschiedet hat, und da liegt jedenfalls keine Mißachtung des Parlaments vor.Meine Damen und Herren, mit dieser Begründung schlagen wir vor, den Antrag der SPD IV/2479 abzulehnen und die drei anderen vorliegenden Anträge der SPD, FDP und der CDU/CSU dem Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend —, dem Haushaltsausschuß und dem Finanz- und Steuerausschuß — mitberatend — zu überweisen. Wir hoffen — und ich glaube, in dieser Hoffnung ist sich bei aller Schärfe der Gegensätze das ganze Haus einig —, daß diese Beratungen dazu führen, daß wir schnell Verbesserungen für die Situation der Post finden, die aber auch vor dem Hintergrund einer redlichen Wirtschafts- und Finanzpolitik tragbar und vertretbar sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Eisenmann.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich bedaure, daß wir heute hier zusammenkommen mußten, und zwar in doppelter Hinsicht. Erstens hätten wir bei Klugheit und Weitsicht verschiedener Stellen die heutige Debatte durchaus vermeiden können, und zweitens ist bei der Beratung des Einzelplans 13 — Post- und Fernmeldewesen — leider auch nicht eine annähernd gleich gute Besetzung vorhanden gewesen, als viele der heute angesprochenen Probleme und Aufgaben insgesamt behandelt wurden. Jedenfalls habe ich mir die Mühe gemacht, in der 123. Sitzung auf die gesamte Problematik im Namen der Freien Demokraten aufmerksam zu machen. Ich habe bereits im Februar zusammen mit Kollegen Lemmrich im Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen den Antrag eingebracht, man möge eine Sonderkomission einsetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, nicht eine Untersuchungskommission, sondern eine Son-
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6700 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Eisenmannderkommission als Fachkommission, die prüfen solle, wie man beim Bundesposthaushalt zu einem optimalen Betriebsergebnis kommen kann bei einem ausgeglichenen Haushalt auf der anderen Seite. Diesem Vorschlag ist dieses Hohe Haus in der 123. Sitzung insgesamt gefolgt.Ich kann hier nur das wiederholen, was Kollege Möller vorhin ausgeführt hat. Auch ich bedaure, daß man erst gestern die Sachverständigenkommission berufen hat. Ich freue mich auf der anderen Seite darüber, vom Herrn Finanzminister zu hören, daß in dieser Sachverständigenkommission Persönlichkeiten sind, die aus der Betriebswissenschaft kommen, die aus der freien Wirtschaft kommen, die von der Finanzwissenschaft kommen. Ich hoffe, daß diese Persönlichkeiten etwa bis zum Ende dieses Jahres uns, diesem Hohen Haus, und auch der Regierung ein Ergebnis vorlegen können, das uns dann in die Lage versetzt, die Probleme der Bundespost so zu behandeln und zu entscheiden, wie wir das am liebsten schon heute tun möchten.Mein Kollege Zoglmann hat bereits im Auftrag der FDP-Fraktion darauf hingewiesen, daß wir glauben sagen zu müssen: diese Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie ihre Entscheidungen, ihren Kabinettsbeschluß revidiert, wenigstens so lange diese Entscheidung aussetzt, bis die Ergebnisse der Sachverständigenkommission vorliegen, um dann so zu entscheiden in Verbindung mit diesem Parlament, wie es dann vermutlich richtig ist.Ein Kollege — ich glaube, Herr Schmidt war es —, hat gesagt, wir seien teilweise überfordert, wenn wir heute entscheiden sollten. Das mag dem Grunde nach richtig sein. Aber, verehrter Herr Kollege Schmidt, wenn dem so ist, müssen wir heute um so mehr darauf dringen, daß dem Antrag der FDP stattgegeben wird, der da sagt:Die Bundesregierung wird gebeten, die beabsichtigten Gebührenerhöhungen bei der Deutschen Bundespost so lange auszusetzen, bis die Vorschläge der Sachverständigenkommission vorliegen.Der Bericht dieser Sachverständigenkommission könnte nach meiner Auffassung bei intensiver Arbeit der berufenen Herren durchaus bis zum 31. Dezember dieses Jahres vorgelegt werden.Wo liegen die Schwerpunkte? Nach meiner Auffassung und der meiner Fraktion liegen die Schwerpunkte, die zu erarbeiten sind, erstens auf dem Gebiet der betriebswirtschaftlichen Maßnahmen, die notwendig sind, um zu einer ausgeglichenen Betriebsrechnung zu kommen; ich komme hierauf noch zurück. Zweitens wären Vorschläge zu machen, in welchem Zeitabschnitt das Investitionsprogramm durchgeführt werden soll.Der Bundespostminister hat darauf hingewiesen, daß wir gerade auf dem Gebiet der Fernmeldetechnik sehr vieles und Gutes geleistet haben. Ich folge ihm durchaus darin, daß das richtig war und daß diese Investitionen sich auszahlen. Ich gehe in diesem Punkt, Herr Bundespostminister, sogar noch ein Stückchen weiter und würde es sehr begrüßen, wenn wir zu einer besseren Ausstrahlung des ZweitenFernsehprogramms in den Zonenrandgebieten kommen könnten. Denn in diesem Raum ist es kaum möglich, das Zweite Programm befriedigend zu empfangen. Die Leute dort sind, wenn sie ein anderes Programm empfangen wollen, gezwungen, das Schnitzler-Programm von der anderen Seite einzuschalten. Jedenfalls bekommt man dieses Programm aus der Zone besser zu sehen als unser Zweites Programm. Hier gibt es ohne Zweifel einen Nachholbedarf, auch aus gesamtdeutschen Interessen!Weiterhin müßte man prüfen, welche rechtlichen und organisatorischen Grundlagen der Bundespost vorhanden sein müßten, um sie den derzeitigen und künftigen Verhältnissen anzupassen. Das ist das, was auch der Herr Kollege Dr. Schmidt schon angedeutet hat. Darüber hinaus kann es für meine Freunde und mich keine Zweifel geben, daß man zu einer Verbesserung der Kapitalstruktur bei der Deutschen Bundespost kommen muß. Denn bei einem Gesamtvolumen von rund 13 Milliarden beträgt das Eigenkapital heute nur noch 9,2 %.Allerdings müßte man nicht nur prüfen, wie man den Gebührenkatalog ordnet, sondern man müßte auch prüfen, ob nicht in bestimmten Bereichen das Investitionsprogramm gestreckt werden kann, d. h. wie man bestimmte Ausgaben auf längere Zeiträume verteilen kann, um in bestimmten Bereichen einen gewissen Ausgabenstopp zu erreichen.Ich will aber auch eines sehr deutlich sagen, sehr verehrter Herr Minister Stücklen: Ich bin der Auffassung, daß der Postverwaltungsrat in einigen Punkten der Beurteilung des Investitionsprogramms und all dessen, was mit diesem riesigen Bereich der Bundespost zusammenhängt, überfordert ist. Vielleicht hat man gewisse Rationalisierungsmaßnahmen und verschiedene Dinge des technischen Fortschritts zu getrennt oder teilweise zu spät vorgenommen. Das sind Fragen, die ich hier nicht näher beleuchten möchte. Ich möchte aber auf den Unterschied zwischen Mechanisierung und Rationalisierung hinweisen; denn da besteht nach meiner Meinung ein sehr großer Unterschied. Wir müssen prüfen, inwieweit der Zinsendienst und die Tilgung für das Fremdkapital in ein angemessenes Verhältnis zu den betriebswirtschaftlichen Ersparnissen gebracht werden kann, die wir erst durch Rationalisierung, aber nicht durch Mechanisierung erreichen können. Das sind Fragen, wo ich glaube, daß die Sachverständigenkommission die betriebswirtschaftlichen Überlegungen, wie man zu Ersparnissen kommen könnte, als Schwerpunkt ihrer Arbeit ansehen müßte.Der Herr Kollege Zoglmann hat darüber hinaus richtigerweise schon auf einige Punkte hingewiesen, zu denen ich meine sagen zu sollen, es wäre vielleicht möglich, verehrter Herr Bundespostminister, daß man zu Einsparungen kommt. Da ist das Problem einer Unterdeckung beim Postrentendienst. Ich bin der Auffassung, daß es nicht Aufgabe der Post ist, den Postrentendienst aus ihrem Betriebsergebnis zu decken. Das ist Aufgabe der Sozialversicherungsträger. Diese Unterdeckung liegt bei 3,4 Millionen DM. Das ist eine echte Fremdlast, die nicht der Post aufgebürdet werden kann, sondern die in den Sozialversicherungskatalog hineingehört.Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6701EisenmannDarüber hinaus müßte man prüfen — was schon angedeutet worden ist —, inwieweit man zu einer Änderung des Postanweisungsdienstes kommen kann. Das Defizit beträgt hier 21,7 Millionen DM. Herr Zoglmann hat bereits auf den Postscheckdienst hingewiesen. Ich bin mit meinen Freunden von der FDP der Auffassung, man muß prüfen — weil die Sparkassen und Banken den gleichen Auftrag genausogut und preiswert, d. h. unentgeltlich, durchführen können — wie man von den 176 Millionen DM Defizit beim Postscheckdienst wegkommen kann. Das sind Fragen, die durchaus einer analytischen Betrachtung wert sind.Eine weitere Sorge betrifft den Schienen-Parallelverkehr Bahn/Post. Wie kann man zu einer Zusammenlegung der beiden defizitären öffentlichen Unternehmen Bahn und Post bei dem gemeinsam durchgeführten Omnibusbetrieb kommen? Wie ist auf der anderen Seite das Defizit auf diesem Gebiet in Einklang zu bringen mit der Tatsache, daß die gleichen Linien, von der Privatwirtschaft betrieben, gewinnbringend sind? Es ist durchaus eine Überlegung wert, welche Linien man bei richtiger Zusammenarbeit zwischen Privatbetrieben und den beiden Betrieben Bahn und Post irgendwie anders handhaben kann, um zu einem besseren Betriebsergebnis zu komen.Darüber hinaus ist von dem Kollegen Dr. Stoltenberg darauf aufmerksam gemacht worden, daß man Vorschläge erwartet. Sicher, wir alle haben gemeinsam — CDU/CSU, SPD und FDP — konkrete Vorschläge gemacht, die es durchaus wert sind, daß sie von den zuständigen Herren durchdacht werden. Es sollte geprüft werden, was in welchem Zeitabschnitt verwirklicht werden kann, um zu einem ausgeglichene Haushalt zu kommen.Aber meine Damen und Herren, eines möchte ich unmißverständlich sagen.
Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.
Ich möchte es auch dem Herrn Bundeskanzler sagen. Nach meiner Auffassung sollte man dies nicht in die Überlegungen von Preisstabilität und Konjunkturpolitik hineinprojizieren, wenn man bei der Post gerade auf diesem Sektor, der offensichtlich gewinnbringend ist, die Gebühren im Nachttarif teilweise bis zu 52 Mark erhöhen will. Das ist meines Erachtens inkonsequent.Ich hatte mir schon gedacht: Da der Bundespostminister ein sehr begeisterter Sportsmann ist und Deutschland zur Zeit im Sport — lassen Sie mich das einmal polemisch sagen — leider, leider wenig Rekorde zeitigen kann, müßte man hier einen besonders hohen Europarekord zeigen. Wenn man die deutschen Postgebühren einmal in den Katalog der europäischen Postgebühren projiziert, stellt man fest: Wenn die Erhöhung der Gebühren durchgeführt werden sollte, müßte man z. B. für ein Drei-MinutenTagesgespräch über 350 km künftig in Deutschland 4,20 DM zahlen, während in Frankreich 3,08, in derSchweiz 0,74 und in den Niederlanden 0,71 DM zu zahlen sind. Unter dem Gesichtspunkt einer Rekordleistung insgesamt wäre das ein absoluter europäischer „Rekord", aber auf einem Gebiet, wo er leider, leider sehr schlecht beim Postverbraucher, beim Postkunden ankommt.Weiter ein persönliches Wort, und zwar in diesem Fall an die Adresse des Herrn Bundespressechefs. Ich bin erstaunt — ich unterstelle, daß die Berichte deutscher Zeitungen stimmen, ich habe eine Widerlegung nicht gehört, jedenfalls nicht von seiten des Bundespressechefs —, daß Herr von Hase sagt, der Privatmann müsse sich gegen die Gebührenerhöhungen dann eben durch Konsumverzicht wehren. Ja, dann brauche ich die Gebührenerhöhung doch gar nicht erst, wenn ich auf der anderen Seite offiziell anrate, man möge sich durch Konsumverzicht dagegen wehren. Ich habe gemeint, man wolle durch die Gebührenerhöhung einen ausgewogenen Katalog erreichen.Aber noch bedenklicher ist es nach meiner Auffassung — das ist einfach unverantwortlich —, wenn Herr von Hase gestern angeblich gesagt hat, wie mir mitgeteilt worden ist, daß die Wirtschaft die Gebührenerhöhung zu 81,7 % zahlen würde und daß das dann ja nicht so schlimm sei. Meine Damen und Herren, dieser Auffassung des Bundespressechefs muß ich in aller Schärfe und in aller Härte entgegentreten, sofern er sie in dieser Form gemacht hat.Darüber hinaus hat er erklärt, die Wirtschaft mache noch ein Geschäft; denn durch die Übernahme des Kindergeldes auf die Staatskasse würde die Wirtschaft 1,1 Milliarden DM einsparen, während die Postgebühren die Wirtschaft nur mit 86 Millionen DM belasten würden. Dieser Argumentation folge ich persönlich nicht.Ich glaube, man sollte bei solchen Äußerungen, auch wenn sie vom Bundespressechef stammen, doch sehr wohl überlegen, ob sie politisch richtig, sachdienlich sind und darüber hinaus überhaupt in ;dieser Form interpretiert werden dürfen und können und ob sie die Meinung des Kabinetts sind. Das wäre zu prüfen, sofern die Äußerungen so gemacht worden sind.Zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich folgendes sagen. Wir von dein Freien Demokraten, ja, alle in diesem Hohen Hause vertretenen Fraktionen wünschen sicher, daß das Postverwaltungsgesetz vom Kabinett den derzeitigen und den künftigen Verhältnissen angepaßt wird. Wir wünschen nicht, daß die Parlamentarier und das Kabinett auf der einen Seite — aber justament die Fraktionen in diesem Hohen Hause — die Prügelknaben für Maßnahmen sind, die der Postverwaltungsrat verbrochen hat, während wir auf der anderen Seite kein unmittelbares und kein kontinuierliches Mitspracherecht bei der Durchführung von Maßnahmen bei der Gestaltung des gesamten Investitionsprogramms der Bundespost haben.Wir wünschen eine funktionsfähige Postverwaltung und zugleich ein zufriedenes Personal bei der Bundespost. Ich persönlich schätze es außerordentlich, daß wir heute noch feststellen können, daß viele
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6702 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
EisenmannPostbedienstete bereit sind, Überstunden zu machen, um den Postkunden zufriedenzustellen. Wir werden aber im Interesse der Postbediensteten und der Postkunden möglichst bald eine Lösung finden müssen, die beiden Wünschen — sowohl den ökonomischen wie den betriebstechnischen — Rechnung trägt. Aus diesem Grunde, sehr verehrter Herr Kollege Stoltenberg, bin ich nicht der Meinung, daß der Antrag der FDP-Fraktion dem Ausschuß zugewiesen werden muß, sondern über den Antrag Drucksache IV/2492 muß hier und heute, in diesem Hause, entschieden werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe nicht, daß die Parlamentsferien von Saure-Gurken-Zeit zu Saure-PostZeit abgleiten.
Herr Kollege Erler, Ihre Ausführungen bedürfen einiger Richtigstellungen. Der Herr Kollege Zoglmann hat schon gesagt, daß Sie die Bundesregierung bezichtigt hätten, die Parlamentsferien auszunützen, ihre Entscheidungen zu treffen, um sich der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen.
Herr Kollege Erler, diese Unterstellung ist objektiv unrichtig; nach Ihrem Wissen müssen Sie zugeben, daß sie auch nicht gerechtfertigt ist. Denn Sie wissen doch auch, daß die maßgebende Entscheidung des Postverwaltungsrates erst am 3. Juli gefällt worden ist, also nach Beginn der Parlamentsferien, und daß erst dann, nachdem der Postminister gegen diese Entscheidung ein Veto eingelegt hat, die Bundesregierung ihre Entscheidung treffen konnte. Die Unterstellung, die Sie der Bundesregierung gemacht haben, ist also unrichtig. Ich glaube, Sie werden diese Unterstellung auch nicht aufrechterhalten, nachdem Sie diese Daten gehört haben.
Auch muß in der Öffentlichkeit die falsche Meinung berichtigt werden, durch die Einberufung des Bundestages während der Parlamentsferien auf Antrag der SPD sei der Deutsche Bundestag in der Lage, durch einen Beschluß über die Gebühren die bereits getroffenen Entscheidungen zu ändern.
Herr Kollege Erler, Ihr Antrag Drucksache IV/2479 lautet:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht,
die von ihr am 15. Juli 1964 verkündete Erhöhung der Telefon- und Fernschreibgebühren wieder rückgängig zu machen.
Mit diesem Antrag erwecken Sie in der Öffentlichkeit den Eindruck, daß in dieser Sitzung, die während der Ferien einberufen worden ist, durch einen
Beschluß des Bundestages oder sogar der Bundesregierung das, was geschehen ist, verändert werden könnte. Das ist unrichtig. Denn das Postverwaltungsgesetz sagt etwas ganz anderes.
Sie wissen doch ganz genau, daß für die Gebührenerhöhung und für die Haushaltsgestaltung nach dem Postverwaltungsgesetz allein der Postverwaltungsrat zuständig ist. Nur wenn der Herr Bundespostminister gegen eine Entscheidung oder gegen einen Beschluß des Postverwaltungsrates ein Veto einlegt, kann allein die Bundesregierung diesen Beschluß in eigener Verantwortung aufheben.
Die Würfel über die Postgebührenerhöhung sind also gefallen. Das müssen wir sehen. Durch einen solchen Antrag kann man keine andere Entscheidung herbeiführen. Allein zwei Organe, der Postverwaltungsrat und die Bundesregierung, haben die Verantwortung dafür zu tragen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer?
Bitte schön!
Herr Kollege, wie erklären Sie sich dann die Erklärungen Ihres Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß?
Herr Kollege, ich möchte hier nur sagen, was nach Recht und Gesetz allein maßgebend sein und in der öffentlichen Meinung als richtig festgestellt werden kann. — Lassen Sie mich weiterreden! Ich möchte auch ganz klar und eindeutig sagen: es waren im Postverwaltungsrat verschiedene Meinungen über die Art der Gebührenerhöhung vorhanden. Aber nur die Wege sind verschieden, nicht das Ausmaß, die Höhe der Gebühren. Die Zahlen bewegen sich zwischen 700 Millionen DM und 800 Millionen DM. Der Postverwaltungsrat wollte die Deckung zur Hälfte bei den Telefon- und Fernschreibgebühren, zur Hälfte bei den Briefmarken durch die Erhöhung von 20 auf 30 Pf erreichen. Eine Minderheit im Postverwaltungsrat, zu der auch ich gehöre, wollte die Fernsprechgebühren von 16 auf 18 Pf und das Porto von 20 auf 25 Pf erhöhen. Vielleicht wäre das die beste Lösung gewesen, und wir wären heute gar nicht hier. Aber darüber ist nicht mehr zu entscheiden. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, allein die Telefongebühren zu erhöhen. Diese Entscheidung ist gefallen. Der Öffentlichkeit muß gesagt werden, daß auch dann, wenn die Bundesregierung ihren Beschluß ändern würde, nach wie vor der bereits gefaßte Beschluß des Postverwaltungsrates bestehenbliebe. Diese Mehrheitsentscheidung können Sie hier nicht ändern. Es darf in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck bestehenbleiben, daß Sie mit Ihrem Antrag in der Lage wären, eine Änderung herbeizuführen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6703
Herr Abgeordneter Besold, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schäfer?
Herr Kollege Besold, nachdem wir einig sind, daß die Verantwortung bei der Bundesregierung liegt: wollen Sie dem Bundestag das Recht bestreiten, die Bundesregierung zu ersuchen, in gewissem Sinne zu handeln?
Ich will nicht dem 'Bundestag die Rechte beschneiden. Ich sage Ihnen sogar, der Bundestag hat noch eine Möglichkeit, in Zukunft eine Besserung herbeizuführen, aber nicht durch einen solchen Antrag und nicht durch irgendwelche demagogischen Anfragen, sondern nur durch eine konstruktive Lösung.
— Die Vorlage ist nunmehr hier: ein Vorschlag der CDU/CSU, der dahin geht, das Postverwaltungsgesetz zu ändern, damit es praktikabler und der modernen Entwicklung angepaßt wird.
Ich sage ganz offen: ich betrachte unter Berücksichtigung der Entwicklung der Post das Postverwaltungsgesetz als eine Zwangsjacke, die geändert werden muß, wenn man den gegebenen Tatsachen gerecht werden will.Herr Kollege Erler, Sie haben ständig den Herrn Cramer als denjenigen zitiert, der im Postverwaltungsrat der Weisheit letzten Schluß gebracht habe, indem er gegen die Postgebührenerhöhung gestimmt und in der Öffentlichkeit entsprechende Ausführungen gemacht hat. Herr Kollege Erler, im Postverwaltungsrat sitzt nicht nur Ihr Parteikollege Herr Cramer, sondern der Postverwaltungsrat besteht aus fünf Vertretern des Deutschen Bundestages, fünf Vertretern des Bundesrates, fünf Vertretern der Gesamtwirtschaft, sieben Vertretern des Personals der Deutschen Bundespost, die den bei dieser vertretenen Gewerkschaften angehören, und je einem Sachverständigen auf dem Gebiet des Nachrichten- und Finanzwesens. Zu Ehren der Mitglieder des Postverwaltungsrates, der vielschichtig zusammengesetzt ist und der die Gesamtinteressen zu vertreten hat, möchte ich Ihnen sagen, daß sich der gesamte Postverwaltungsrat nicht nur jetzt, sondern schon früher heiße und schwere Gedanken gemacht hat, wie die Lage der Bundespost zu ändern ist. Als seinerzeit die Sachverständigenkommission benannt worden ist, habe ich mich darüber deshalb gefreut, weil damit der Bundestag endlich ein Interesse an der Lösung der Fragen der Post bekundet hat. Es war anzunehmen, daß neben dem Sachwissen des Postverwaltungsrates und der ausgezeichneten Haushaltsgebarung der Bundespost die Sachverständigen zu einer schnellen Lösung der Probleme beitragen würden.Die Beschlüsse sind nun gefaßt. Wir können in Zukunft nur durch eine Verbesserung der Grundlagen für unsere Entscheidungsmöglichkeiten zu einer Verbesserung für den Postnutzer in Form einer Gebührensenkung kommen. Das wollen wir auch. Darin, sehr verehrter Herr Kollege Erler, sehe ich den konstruktiven Vorschlag, den die CDU/CSU gemacht hat. Dann können auch nach sorgfältiger Prüfung Änderungen in § 15 bezüglich der Gewährung von Zuschüssen sowie Änderungen bezüglich der Abgabe vorgenommen werden, um eine Verbesserung des Verhältnisses von Eigenkapital und Fremdkapital zu erzielen. Für diesen Gedanken ist ja auch Herr Gscheidle immer eingetreten. Allein dieser konstruktive Vorschlag der CDU/CSU gibt die Möglichkeit, bei der besonderen Lage der Bundespost zu einer Neugestaltung zu kommen. Daran sollten wir mitarbeiten und nicht darüber meckern, daß in der Vergangenheit nichts geschehen ist.Sie haben gesagt, die Bundesregierung habe es an Taten fehlen lassen. Herr Kollege Erler, als Mitglied des Postverwaltungsrates bin auch ich mit dem nicht zufrieden, was wir bisher an Zusagen von der Bundesregierung bekommen haben. Aber es muß ehrlicherweise auch von Herrn Gscheidle, auch von Herrn Cramer eingestanden werden, daß die sehr harten Unterhandlungen mit der Bundesregierung, mit dem Bundesfinanzminister zum erstenmal sichtbare Erfolge im Sinne einer Konsolidierung der Bundespost gezeitigt haben. Wir wollen uns damit nicht zufriedengeben. Wir wollen noch mehr. Daß dieser Weg nunmehr im Sinne einer Erweiterung der Hilfe beschritten ist, sagt Ihnen ja auch dieser Antrag der CDU/CSU.Herr Erler sagt, die Bundesregierung habe ihren Worten keine Taten folgen lassen. Ich muß Ihnen schon sagen, und man muß es auch der Öffentlichkeit sagen: die einzigen, von denen die Bundespost etwas für eine Sanierung erhalten kann, sind der Deutsche Bundestag, die deutsche Bundesregierung. Aber wir sollten ehrlich genug sein, auch zu erkennen, daß diese Bundesregierung und dieser Bundestag mit ihren Haushaltsbeschlüssen nicht allein die Bundespost zu sanieren haben, sondern in einer kürzesten Zeit nach dem verlorenen Krieg und dem Chaos das gesamte deutsche Volk in seiner ganzen Substanz und in all seinen Schichten saniert haben. Nur wenig ist im Bundeshaushalt übriggeblieben, um das vorletzte Problem, die Verkehrsfrage, zu lösen. Letzte Station dieser Gesamtgesundung, dieser Gesamtsanierung und Gesamtaufstokkung von Institutionen, die den Bund angehen, ist eben die Bundespost. So meine ich, wenn wir ehrlich sind, können wir in diesem Sinne der Bundesregierung nicht Fahrlässigkeit oder Nichtstun vorwerfen. Wir müssen vielmehr die Gesamtleistungen der Bundesregierung, die Gesamtleistungen des deutschen Volkes sehen. Wir müssen auch die jetzt begonnenen Maßnahmen und die bereits eingeleiteten Hilfen sehen, die nach der Änderung des Postverwaltungsgesetzes noch erweitert werden können. Dann werden wir auch die Bundespost dahin führen, daß die jetzt vorgenommenen Gebührenerhöhungen wieder auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden können.
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6704 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der Rednerliste. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ich möchte nicht auf !die Vordergründe bzw. Hintergründe oder, besser gesagt, die sehr vordergründigen Hintergründe zu sprechen kommen,
die heute diese Debatte ausgelöst haben. Ich habe auch nicht die Absicht, zur Sache zu sprechen. Mir geht es vielmehr darum, nicht wieder einmal eine neue Dolchstoßlegende entstehen )zu lassen. Sie Herr Kollege Erler, waren der einzige, der diese Diskussion mit dem Blick auf die Wahlen geführt hat, indem Sie meiner Fraktion und der Koalition vorgeworfen haben, daß unsere Anträge, z. B. die auf Steuersenkung, nur wahlpolitischer Taktik entsprungen seien.Immerhin muß ich ihnen dazu sagen: Die Bundesregierung hat sich entgegen der Haltung ihrer eigenen Fraktion nicht gescheut, auf dem Postsektor die notwendigen Verbesserungen, das heißt Gebührenerhöhungen zum Ausgleich des Defizits bei der Bundespost, vorzunehmen und dazu zu stehen, weil es eine zu billige Propaganda wäre, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.Aber Sie haben sich charakteristischerweise so köstlich amüsiert, als Kollege Schmidt vom Maßhalten sprach.
Meine Damen und Herren, Sie werden das jetzt von mir noch öfter zu hören bekommen. Es ist für mich geradezu eine Aufmunterung, daß das für Sie ein so erheiterndes Gespräch ist, wenn auf die Notwendigkeit des Maßhaltens hingewiesen wird.
Sie sagten, daß die Glaubwürdigkeit in meine Preispolitik verlorengehe. Ich weiß ja doch, was so in der Öffentlichkeit herumgestreut wird; „Der ,Maßhaltekanzler' hat jetzt bei den Telefongebühren eine Gelegenheit gehabt, Maß zu halten; aber da hat er versagt." Wie liegen die Dinge in Wirklichkeit? Das ist nämlich die Dolchstoßlegende! Wie oft habe ich hier in diesem Hohen Hause gesagt, wie notwendig es ist, daß wir das Mehr, das wir von einem Jahr auf das andere erarbeiten, wie z. B. 5 % Steigerung des Bruttosozialproduktes, einigermaßen sinnvoll unter die Leute bringen, daß wir den rechten Gebrauch davon machen, sei es durch die Steigerung des individuellen Einkommens, der rechten Dosierung von Investitionen oder sei es in der Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben!Das Sozialprodukt wird im Jahre 1964 rund 400 Milliarden DM ausmachen. Wenn wir realiter einen Zuwachs von 5 % erwarten, dann heißt das also, daß wir im Jahre 1965 20 Milliarden DM mehr für alle diese Zwecke zusammen zur Verfügung haben:Steigerung des individuellen Konsums, die Ausgaben des Bundeshaushalts, überhaupt der öffentlichen Hand schlechthin, soweit sie sich nicht wieder in Einkommen niederschlagen, vor allen Dingen auch alle Investitionen, die notwendig sind, um uns in der Welt behaupten zu können.Wenn ich davon ausgehe, daß das Masseneinkommen im Jahre 1964 200 Milliarden DM ausmacht, das ganze deutsche Volkseinkommen 305 Milliarden DM beträgt und wir mit einem Zuwachskoeffizienten von 6% rechnen, dann bedeutet das allein, daß auf die Mehrung des privaten Einkommens 18 Milliarden DM entfallen und dann noch 2 Milliarden DM für die anderen Dinge übrigbleiben.Was will ich damit sagen? Ich möchte damit sagen, was ich auch hier wiederholt ausgeführt habe: Wenn wir eine Politik treiben, in der z. B. die Tarifpartner je nach dem Produktivitätsgrad ihres eigenen Wirtschaftsbereichs für sich selbst alles herausholen, was überhaupt denkbar ist, dann bleibt eben für jene Bereiche, in denen Fortschritte durch Rationalisierung oder hinsichtlich der Produktivität nicht oder nur in geringem Maße zu erzielen sind — wie in den Verwaltungen oder auch bei der Bundespost —, nichts mehr übrig. Aber man wird den dort tätigen Menschen nicht zumuten können, daß sie auf der Stelle treten. Das bedeutet dann eben, daß z. B. bei der Bundespost die Gebühren zwangsläufig erhöht werden müssen. Sie wären nur dann zu halten, wenn die Tarifpartner im einzelnen von ihren Ansprüchen an das Sozialprodukt einen sparsameren Gebrauch machten, um auch die mitkommen zu lassen, die an einer weniger begünstigten Stelle sitzen.
Eher werden wir mit diesem Problem nicht fertigwerden.Wenn Sie aber glaubten, damit heute den Wahlkampf eröffnen zu können, von mir aus können Sie das haben.
Aber glauben Sie nicht, daß ich diese billige Propaganda mitmache! Nein, ich werde alles an notwendiger Aufklärung tun, ja in Zukunft noch mehr, weil mir gerade dieses Haushaltsbeispiel gezeigt hat, wie notwendig es ist, dem deutschen Volk in all seinen Schichten die Zusammenhänge noch klarer vor Augen zu führen.
Das deutsche Volk ist viel zu rechtschaffen, als daß es nicht bereit wäre, diese Wahrheit aufzunehmen und dementsprechend zu handeln.
Es ist nur schade, wenn die Führung nicht von diesem Hohen Hause und von der Bundesregierung ausgeht, sondern wenn wir an den gesunden Menschenverstand des deutschen Volkes appellieren müssen.Meine Damen und Herren, Defizit ist Defizit, und wenn Sie von der Möglichkeit der Vermeidung von
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6705
Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard Gebührenerhöhungen sprechen, dann ist das — was soll ich sagen? — eigentlich Augenwischerei. Sie können Defizite vor sich herschieben, Sie können alle Finanzkunststücke hier anwenden, aber Sie bringen das Defizit nicht weg. Und welche Möglichkeiten gibt es außer der Gebührenerhöhung, die ja auch vom Postverwaltungsrat beschlossen worden ist? Dann gibt es entweder die Möglichkeit, den Haushalt für das Jahr 1965 noch einmal, um den Defizitbetrag, aufzustocken. Das wären also für das Jahr 1965 rund 800 Millionen DM. Das ist eine bare Unmöglichkeit; denn abgesehen von der Verantwortung, die Stabilität aufrechtzuerhalten und nicht von der Haushaltsseite aus inflationäre Bewegungen entstehen zu lassen, haben wir uns auch in Europa vor der Kommission in Brüssel verpflichtet, diese Disziplin zu üben, und die Bundesregierung kann nicht als erste davon abspringen.
Ein Erhöhung des Bundeshaushalts ist also nicht möglich. Dann bliebe nur die Alternative, von dem Haushaltsansatz von 63,9 Milliarden DM 800 Millionen DM abzustreichen. Ich weiß um die innere Struktur dieses Bundeshaushalts, und ich hoffe, Sie wissen es auch. Sie mahnen uns ja immer, die Gemeinschaftsaufgaben, die Gemeinschaftsleistungen, von denen auch Kollege Möller sprach, besser zu erfüllen. Was ist denn in diesem Haushalt an Gemeinschaftsleistungen überhaupt noch möglich?Um jetzt aber einmal in Mark und Pfennig zu sprechen: Sie tun wirklich so, als wenn durch diese Gebührenerhöhung die Welt unterginge. Sie macht im ganzen 780 Millionen DM aus. Davon entfallen — jetzt nicht in Prozenten ausgedrückt, die besagen ja nichts — auf die gewerbliche Wirtschaft und die selbständigen Berufe 637 Millionen DM, und dies bei einem Sozialprodukt von 400 Milliarden DM, bei einem Umsatz der Industrie, des Handels und des Handwerks allein von rund 800 Milliarden DM. Da wollen Sie mir vorrechnen, daß diese 637 Millionen DM, die zudem noch in die Kostenrechnung eingehen und gewinnmindernd wirken, zwangsläufig und unter allen Umständen zu einer Preissteigerung führen müßten. Sie lehnen diesen Grundsatz ab, wenn z. B. die Löhne und Gehälter bei einem Masseneinkommen von 200 Milliarden DM um 6 % steigen. Von diesen 12 Milliarden DM soll und kann nach Ihrer Auffassung keine solche Wirkung ausgehen. Wenn die Steigerungen im Rahmen der Produktivität bleiben, ist das auch richtig, wie ich ausdrücklich zugebe. Aber dann können Sie nicht unbedingt sagen, daß diese 637 Millionen DM, die eben als Folge einer falschen Politik die Wirtschaft belasten, unter allen Umständen preissteigernd wirken müßten.Nein, meine Damen und Herren. Praktisch gäbe es zur Vermeidung der Gebührenerhöhung nur die Möglichkeit, den Haushalt zu begrenzen, d. h. von den Ausgaben von 63,9 Milliarden DM 800 Millionen DM zur Deckung des Defizits abzuzweigen. Wo aber sollen die herkommen? frage ich Sie noch einmal. Sie wissen genau, in wie hohem Umfang der Haushalt durch gesetzliche Ausgaben gebunden ist. Siewissen aus dem Haushaltsausschuß, wie sehr wir in Bedrängnis geraten, um diese Höhe von 63,9 Mil-harden DM zu halten. Ich versichere Ihnen, in diesem Haushalt sind keine 800 Millionen DM freizumachen.
— Nein, das ist auch nicht der Fall.Ich bin nicht bereit, für eine so leichtfertige Politik die Verantwortung zu übernehmen. Herr Kollege Schmidt hat die Rechtslage mit zwingender Logik geschildert, und was ich hier sage, ist eigentlich nur die Fortsetzung der Ausführungen von Herrn Kollegen Stoltenberg. Möge sich der Bundestag endgültig darauf besinnen, daß es darauf ankommt, nicht nur von Gemeinschaftsaufgaben und Gemeinschaftsleistungen zu sprechen, sondern sich auch so zu verhalten, daß sie tatsächlich erfüllt werden können.
Wenn Herr Kollege Möller sagte, daß wir, der Staat, die Regierung, nur dann ein Recht haben, die anderen, die Privaten zum Maßhalten aufzufordern, wenn es auch der Staat, wenn es auch die öffentliche Hand in eigener Regie tut, dann bin auch ich dieser Meinung.
— Ja, das ist ja auch unsere Meinung. Glauben Sie, daß die Bundesregierung glücklich ist, wenn alle Gesetze, die mit Ausgaben verbunden sind, hier in diesem Hause — und nicht zuletzt von Ihrer Fraktion — eine dauernde Aufstockung erfahren? Das ist das, was ich unter mangelndem Maßhalten verstehe — aber nicht ein Defizit wieder aus dem Haushalt abdecken und diesen Schlendrian dann fortführen.
Meine Damen und Herren, wir haben heute aus dieser Diskussion immerhin eine Ahnung bekommen,
wie komplex diese Problematik ist. Und da verlangen Sie von der Bundesregierung, daß sie sofort auf eine Gebührenerhöhung verzichtet. Ich weiß nicht, wann wir ehrlicherweise zu den Erkenntnissen und zu den klaren Einsichten gelangt sein werden, um innerhalb der Bundespost auf jedwedem Gebiet eine bessere Ordnung herstellen zu können. Es geht nicht an, jetzt auf den Ausgleich zu verzichten und Monat für Monat neue Defizite auflaufen zu lassen, sie vor uns herzuschieben ins Ungewisse, ohne zu wissen, wie sie dann gedeckt werden können; das heißt, sie können nicht gedeckt werden, es sei denn wieder durch Gebührenerhöhung, die dann morgen noch höher sein müßte, oder aber durch Haushaltskunststücke, durch Erhöhung des Haushalts oder durch die Beschneidung des Haushalts zu Lasten von zwingenden Aufgaben, vor allen Dingen von Gemeinschaftsaufgaben.
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Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. ErhardMeine Damen und Herren, ich wollte nur sagen: Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung oder des Bundeskanzlers, daß es ihm um seine Preispolitik, um die Stabilität der Preise ernst ist, die werden Sie nicht erschüttern können.
Ich werde mich der deutschen Öffentlichkeit stellen. Und wenn Sie glauben, das zum Wahlschlager machen zu können, dann werde ich dem deutschen Volke noch deutlicher als bisher
und noch öfter als bisher das sagen, was notwendig ist, um zu der notwendigen inneren Disziplin, zu einer guten Ordnung und zur Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben zu kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die sehr ins Allgemeine gehenden Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers
müssen trotzdem ein Anlaß dafür sein, daß das Haus sich dem konkreten heute zur Entscheidung stehenden Tatbestand wieder zuwendet.
— Wirklich; ich komme noch darauf; nur nicht so ungeduldig! —
Gestatten Sie mir dennoch ein paar Bemerkungen zu dem Appell des Herrn Bundeskanzlers.
Selbstverständlich denken — das ist offenkundig — die Bundesregierung und die sie tragende Koalition nie an Wahlen. Deshalb sind ja auch zum Beispiel manche Pläne, die sich auf das Gebiet der Steuergesetzgebung beziehen, nur „rein zufällig" seit langer, langer Zeit für das Jahr 1965 vorbereitet.
Und selbstverständlich ist es so, daß Bemerkungen, die Formeln vom „Maßhalten" müßten dann auch für jedermann, also z. B. auch für die öffentliche Hand, gelten, nur dann kritisch aufgenommen werden, wenn sie von der Opposition kommen, während in Vergessenheit geraten ist, daß die Heiterkeit ausbrach, als der Kollege Schmidt hier seine sehr kritischen Bemerkungen über manche zweifelhaften Zusammenhänge mit der Formel des Maßhaltens dem Hause unterbreitete.
Ich möchte mich aber gegen eine Formulierung in aller Härte wehren. Herr Bundeskanzler, wir kennen uns ja jetzt schon eine ganze Zeit, und es ist also wohl sicher so, — —
— Entschuldigen Sie, spreche ich hier für meine
Fraktion oder nicht? Wollen Sie mir das bestreiten?
War es nicht bisher guter Stil, daß der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auch vor dem Bundestage ein Gespräch mit dem amtierenden Bundeskanzler führen konnte? Das haben wir zwei, Herr Dr. Adenauer, ja früher gemacht, als ich noch nicht einmal Fraktionsvorsitzender war. — Seien Sie also bitte nicht so empfindlich.
Herr Bundeskanzler, ich möchte davor warnen, daß wir in einem Gespräch, wo wir durchaus sachlich verschiedener Meinung sein können — es gibt ja eine Reihe von Fragen, wo wir zur Abwechslung einer Meinung sind und einige Ihrer Freunde anders denken; daraus machen wir gar kein Hehl, da ziehen wir auch durchaus an einem Strang, wo es nötig ist —, ich möchte davor warnen, daß man in einem Gespräch, wo man verschiedener Meinung sein kann und der eine für die eine und der andere für die andere Auffassung sicher Gründe hat, eine Formel verwendet, die wir hier unter uns in diesem Hause nicht verwenden sollten; das ist die Giftformel —Herr Bundeskanzler, überlegen Sie sich bitte noch einmal, was Sie damit anrichten —, das ist die Giftformel von der Dolchstoßlegende.
Wir wissen alle, was das einmal in der Weimarer Zeit bedeutet hat. Daher bitte ich Sie im Sinne der von Ihnen doch sonst dem Volk immer wieder in Erinnerung gebrachten Absicht der Wahrhaftigkeit und der Redlichkeit, bei Meinungsverschiedenheiten, auch wenn sie noch so hart ausgetragen werden, nicht zu dem Vokabular des Unmenschen zu greifen.
Herr Kollege Erler, wissen Sie, daß soeben Kollegen von Ihnen bei den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers am Schluß gerufen haben: „Wie im Dritten Reich"?
Ich habe hier mit der Spitze der Regierung ein ernstes Gespräch — unter Männern — gehabt. Ich habe das Vertrauen, daß sich der Bundeskanzler der Bedeutung dieser Mahnung voll bewußt ist, auch wenn es manchem seiner Freunde nicht eingeht.
— Natürlich war das eine Antwort.
— Aber entschuldigen Sie, ich habe das dahinten gar nicht gehört. Was sich bei Ihnen da an Zwischenrufen auf den hinteren Bänken gelegentlich vollzieht, ist nicht immer druckreif. Hier haben Sie es jetzt mit mir und meinen Ausführungen für die Fraktion zu tun, und danach bitte ich unsere Fraktion hier zu messen. Das ist alter Stil. Schließlich ist das Wort, das ich kritisiert habe und das ich nicht noch einmal erwähnen möchte, nicht von den hinte-
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Erlerren Bänken der CDU/CSU, sondern vom Bundeskanzler ausgesprochen worden.
Also lassen wir das! Wir lassen uns jedenfalls von unserer Pflicht — —
— War das nicht deutlich genug?
Herr Abgeordneter Erler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Majonica?
Im „Dritten Reiche" — um das gleich noch mal zu sagen — wurde überhaupt nicht so freimütig diskutiert, wie wir es hier können. Deswegen hält diese Sitzung insofern keinen Vergleich mit damals aus. Aber das Wort des Kanzlers hat bei mir allerdings eine bittere Erinnerung heraufbeschworen. Deswegen möchte ich, daß das nicht wiederkehrt.
Wenn Sie es zugespitzt haben wollen, können Sie es haben. Ich hoffte, daß das langte, was wir zu dem Thema bisher dargelegt haben. Schließlich ist der 20. Juli noch nicht sehr lange her, und meinen Sie vielleicht — —
— Ja, sicher, noch nicht sehr lange her! — Und meinen Sie vielleicht, daß ich nach den Lehren unserer Geschichte dieses Wort ungerügt durchgehen lasse? Das können Sie von mir nicht verlangen.
Herr Kollege Erler, ich möchte nur zur Historie eine Frage stellen. Ist Ihnen nicht auch geläufig, daß das Wort „Dolchstoßlegende" in der Weimarer Republik von den demokratischen Kräften geprägt wurde und nicht aus dem Wörterbuch des Unmenschen stammte?
Ich weiß, welche gedanklichen Assoziationen der ganze Komplex hervorruft, und bitte daher, hier nicht Parallelen zu gewissen Leuten der damaligen Zeit zu ziehen. Darauf kam es ja wohl in diesem Zusammenhang an.
Meine Damen und Herren, wir lassen uns nicht von unserer Pflicht abbringen. Sie besteht darin, daß wir die Bundesregierung überall dort unterstützen, wo sie sich nach unserer pflichtmäßigen Prüfung richtig verhält. Das haben wir auch in unbequemen Lagen gerade in den jüngsten Wochen gezeigt und werden das durchhalten. Wir werden nicht der Versuchung erliegen, leichtfertig, künstlich nachOppositionsgründen auf einem Felde zu suchen, wo nationale Geschlossenheit geboten ist.
Aber genauso, wie wir uns einerseits so verhalten, also nicht gewohnheitsmäßig nein sagen zu dem, was die Regierung sagt, hat diese Partei andererseits das Recht, in diesem Hause zu kritisieren, wenn nach ihrer Auffassung eine Sache nicht richtig angepackt wird, und zu drängen und zu stoßen,
wenn etwas unterlassen wird, was nach ihrer Meinung getan werden muß.Sehen Sie, die Gebührenerhöhung, die vom Herrn Bundeskanzler hier mit Verhandlungen der Tarifparteien in Beziehung gesetzt wurde, ist doch ganz gewiß keine Aufforderung an die Tarifparteien zum Maßhalten, sondern sie ist doch eher ein Zeichen, daß die öffentliche Hand in dieser Stunde, wo nach allen Seiten Appelle gerichtet werden, ein schlechtes Beispiel gibt.
Und außerdem möchte ich daran erinnern, daß es die Berichte der Bundesregierung gewesen sind, die den Tarifpartnern für die hinter uns liegende Zeit sogar ein Zeugnis über volkswirtschaftliche Vernunft und maßvolles Verhalten ausgestellt haben.Was ist den nun eigentlich wahr? Das, was gelegentlich in solchen Berichten auftaucht und auch hier ausgeführt wird, oder daß man dann je nach Bedarf plötzlich auch diese eigene Erkenntnis ins Gegenteil umdreht und zu Vorwürfen greift, als seien für die Dinge, die jetzt hier zur Debatte stehen, die Tarifpartner die Alleinverantwortlichen?Und nun zu einigen in der Debatte hier noch vorgebrachten Bemerkungen, die, glaube ich, einer Korrektur bedürfen. Sicher hat der Kollege Besold recht: der Bundestag setzt die Gebühren nicht feist. Das ist völlig richtig. Die Bundesregierung kann aber ihre Entscheidung korrigieren — das ist genauso richtig —, und dazu kann der Bundestag sie auffordern. Mehr können wir nicht, es sei denn, das Postverwaltungsgesetz würde in diesem Punkte geändert, was vielleicht noch gar nicht so unbedingt zur Debatte steht. Wir haben hinsichtlich des Postverwaltungsgesetzes hier heute andere Dinge diskutiert, die sich auf die finanziellen Aspekte beziehen. Aber auf alle Fälle hat der Bundestag das Recht einer Willensbekundung dazu, wie sich die Bundesregierung auch auf diesem Gebiete ihrer Tätigkeit verhält. Welche Schlüsse die Regierung zieht und welche Schlüsse unter Umständen der Bundestag daraus zieht, daß die Regierung einem Mehrheitsvotum nicht folgt, das ist eine politische Frage. Da gibt es keine rechtlichen Instanzen. Das ist dann jeweils eine Frage an die Mehrheit dieses Hauses. So sind doch wohl die politischen und rechtlichen Dinge sorgsam zu sehen.Der Postverwaltungsrat hat ja erst entschieden — wenn ich daran erinnern darf —, als die Regie-
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ErlerSanierung nicht entsprochen hat. Er hat lange versucht, diese Entscheidung nicht fällen zu müssen, und erst — ich wiederhole das Wort, auch wenn es unbequem ist — die Untätigkeit der Regierung hat den Postverwaltungsrat zu dieser Entscheidung gebracht, die dann im Kabinett geändert worden ist.Und damit sind wir also bei dem berühmten Problem, daß Defizite sich nicht von selbst in ein Nichts aufläsen. Völlig richtig! Handelt es sich nun nicht bei der Bundespost bei Lichte besehen zu einem großen Teil um ein nicht durch den betrieblichen Ablauf bedingtes, sondern auch auf politischen Ursachen beruhendes Defizit, auf politischen Ursachen, die man so lange glaubte übersehen zu können, wie der Überschuß des Postbetriebes groß genug war, um diese anderen politischen Lasten, die der Bundespost aufgebürdet waren, zu tragen? Sie wissen, daß es sich da zum Teil um Versorgungslasten handelt, es handelt sich um die Unterkapitalisierung der Post, also um die Ausstattung mit Eigenkapital, es handelt sich letztlich auch um die unter ganz anderen Verhältnissen beschlossene Abführung der Bundespost an den Bund. Das sind die langfristigen Dinge. Die waren auch schon früher langfristig, die waren vor .ein paar Jahren schon langfristig. In einigen Fragen seit 1956, in anderen seit 1958 ist der Postverwaltungsrat immer vorgeritten. Insofern hat der Bundeskanzler mit einer Bemerkung hier sehr recht. Er hat nämlich gesagt, das Defizit, um das es jetzt für das laufende Jahr gehe, sei die Folge einer falschen Politik. Das ist richtig. Aber entschuldigen Sie, wer hat denn eigentlich diese falsche Politik zu verantworten? Wer hat denn in den letzten Jahren regiert, Sie oder wir? Insofern möchte ich also dem Bundeskanzler beistimmen. Aber das war doch gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit all denen, die in den vergangenen Jahren diese falsche Politik auf dem Gebiet der Bundespost getrieben haben.
Meine Damen und Herren, nicht bestreiten läßt sich trotz des Versuchs des Herrn Bundeskanzlers, die Dinge hier zu verniedlichen, daß die Gebührenerhöhung Auswirkungen auf das Preisniveau haben wird. Das hängt damit zusammen, daß schlecht ein Ausweichen nach Marktgesichtspunkten auf einen anderen, der dieselbe Leistung billiger bietet, möglich ist, gerade für die Wirtschaft. Dort würde sich das sonst vielleicht etwas weniger bemerkbar machen. Außerdem hat der Herr Bundeskanzler selber in einem Brief auf die konjunkturpolitischen Bedenken aufmerksam gemacht. Damals ging es um die Erhöhung der Briefgebühr. Aber das ändert doch am Prinzip nichts. Er hat am 29. Juni geschrieben: Ich halte diesen Vorschlag aus konjunkturpolitischen Gründen für sehr bedenklich. Nachdem der Herr Bundeskanzler das damals schriftlich von sich gegeben hat, kann er doch unmöglich heute im Bundestag das Gegenteil verkünden!Meine Damen und Herren, es ist unsere gemeinsame Aufgabe, alles zu tun, um Preissteigerungen entgegenzuwirken. Darüber sind wir uns wohl einig. Wenn behauptet wird, Bestimmungen des Postverwaltungsgesetzes stünden dem entgegen, nun, laßt es uns ändern! Ich habe leider auch in der heutigen Debatte von keinem einzigen Redner der CDU eine Erklärung darüber gehört, daß in diesem entscheidenden Punkte die größte Partei des Hauses einer Änderung des Postverwaltungsgesetzes zustimmen würde; und nur für den Papierkorb arbeiten wir schließlich auch nicht. Wir werden, nachdem Sie heute dieses Thema aufgebracht haben, bei der Beratung des Nachtragshaushaltsplans des Bundes für das Jahr 1964 die entsprechenden Grundlagen einzubauen suchen. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir diese Absicht haben und Sie sie teilen, dann könnten Sie heute schon die Gebührenerhöhung für diesen Zeitraum als gegenstandslos betrachten.
Was ich schlechterdings für ein trauriges Schauspiel halte, ist, daß man erst die Gebühren erhöht und dann sagt: Wir veranstalten eine Prüfung und stellen mal fest, wann wir sie wieder senken können. Ich bin wirklich sehr skeptisch, ob irgend jemand von Ihnen mit einer reichen Lebenserfahrung eine solche Entscheidung, wenn die Gebühr erst einmal erhöht worden ist, für wahrscheinlich hält.
Ich finde, der umgekehrte Weg ist sicher leichter gangbar.Wir haben für die beiden Probleme, um die es hier geht — es handelt sich um zwei —, praktikable Vorschläge gemacht. Leider haben wir zu beiden von Ihnen immer nur das Nein gehört.Das eine Problem ist die Dauerlösung. Nun, da haben Sie jetzt selber ein paar Gedanken zu Papier gebracht, die sich nicht sehr von unserem Vorschlag vom 25. Juni unterscheiden, nämlich Novellierung des Postverwaltungsgesetzes und Eigenkapitalausstattung der Bundespost. Dann allerdings ist bei uns etwas drin, was bei Ihnen nicht drin ist, nämlich, die Unterdeckung im Haushalt der Deutschen Bundespost für das Rechnungsjahr 1964 durch ein Darlehen aus Bundeshaushaltsmitteln auszugleichen, das später in Eigenkapital umzuwandeln ist. Das wäre ein Vorschlag. Wir sind ja gar nicht so dogmatisch, daß wir meinen, wir hätten in dieser Frage den Stein der Weisen aus dem Ärmel geschüttelt. Es gibt verschiedene Wege einschließlich des Weges, den der Deutsche Industrie- und Handelstag, auch nicht aus Verantwortungslosigkeit und bloß zum Spaß, vorgeschlagen hat, die zu dem Ziel führen können, jetzt — und darum geht es —, jetzt und heute, am 1. August nämlich, die preistreibende Wirkung einer Gebührenerhöhung der Bundespost nicht eintreten zu lassen. Das ist doch das Wesentliche.
Damit bin ich schon bei dem zweiten Punkt. Der eine war die Dauerlösung, und der andere ist das Defizit der Post für 1964. Dieses Problem ist lösbar im Zusammenhang mit der Beratung des Nachtragshaushalts zum Bundeshaushaltsplan. Nebenbei, die Bundesregierung hat schon gezeigt, wie man das rechtlich macht, indem sie nämlich für 1965 — wenn Sommerpause zusammentreten. Beim erstenmal waren Anlaß und Vorgang adäquat. Es war die Tat-
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Erlerauch in einem sehr geringen Ausmaß — denselben rechtlichen Weg geht und in ihrer Vorlage für den Haushalt 1965 schon eine entsprechende andere Fassung des § 19 des Postverwaltungsgesetzes vorgesehen hat.Nun zu den heute zur Entscheidung stehenden Anträgen. Wenn Sie den Antrag der FDP dem Ausschuß überweisen, dann weichen Sie damit einer Entscheidung nicht aus, sondern fällen in Wahrheit die gleiche Entscheidung, die Sie sich bei der Ablehnung unseres Antrags vorgenommen haben. Denn wenn der FDP-Antrag an den Ausschuß geht, ist jetzt erst einmal die Gebührenerhöhung Tatsache. Der FDP kam es aber offensichtlich darauf an, diese schädliche Tatsache gar nicht erst eintreten zu lassen. Deshalb muß also über die beiden Anträge, über den sozialdemokratischen und hilfsweise den der FDP, heute entschieden werden, weil die Ausschußüberweisung nur eine vornehmere Form der Ablehnung dieses Antrags wäre. Denn selbst wenn er nach einigen Monaten aus dem Ausschuß herauskäme, wäre ja in der Sache das Begehren nicht mehr zu erfüllen.Meine Damen und Herren, damit habe ich das Wesentliche vorgetragen, worauf es mir in diesem Zusammenhang ankam. Ich finde, wir sollten nicht verdunkeln lassen, daß es jetzt darum geht, ob die Gebührenerhöhung im Augenblick nötig ist oder nicht.Ich möchte doch zu der Frage, die in den verschiedenen Ausführungen der Koalitionssprecher erwähnt wurde, noch Stellung nehmen, ob denn der sozialdemokratische Deckungsantrag nicht davon zeuge, in welcher Weise wir leichtfertig den Bundeshaushalt aufblähen und neue Ausgaben auf den Bund zukommen lassen wollten. Meine Damen und Herren, es war der Bundespostminister, der den Zusammenhang zwischen der Gebührenerhöhung und der Steuersenkung hergestellt hat. Ich möchte daran nur noch einmal erinnern.Nach den meisten Ihrer Bemerkungen, daß die Sozialdemokraten nicht für Deckung sorgten, nehmen Sie einfach keine Kenntnis davon, daß wir bei der Beratung der Steuersenkungsanträge klargemacht haben, daß wir überall dort, wo es sich um die Herstellung von mehr Steuergerechtigkeit handelt, mit Ihnen an einem Strang ziehen, daß wir aber aus dem gleichen Grunde und um nicht die Gemeinschaftsaufgaben zu gefährden, um z. B. auch dafür zu sorgen, daß nicht der Bund zu Lasten der Länder — die ja letzten Endes den Großteil der kulturellen Aufgaben zu finanzieren haben — Geschenke macht, verlangen, daß um dieses Ausgleichs willen Korrekturen angebracht werden.Deswegen möchte ich sie in ganz wenigen Stichworten in Erinnerung rufen, damit man draußen überhaupt weiß, wovon hier die Rede ist. So führt z. B. die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer nun einmal dazu, daß mit höherem Einkommen die prozentuale Belastung aus der Vermögensteuer geringer wird. Das ist ein ungerechter Vorgang, und aus dem Grunde sollen diejenigen, die über eine gewisse Grenze hinaus Vermögen haben, die Vermögensteuer nicht mehr aufdie übrigen Steuerzahler weiterwälzen können, sondern gefälligst aus ihrer eigenen Tasche bezahlen. An dieser Forderung halten wir fest; sie ist vertretbar.
Ähnliches gilt für die Gestaltung des Tarifs bei den Spitzeneinkommen. Ähnliches gilt für die Diskussion um den gespaltenen Körperschaftsteuersatz. Ich will gar nicht das ganze Programm noch einmal in Erinnerung rufen. Ich wehre mich nur dagegen, daß Sie so tun, als hätten wir diesem Hause keine Vorschläge vorgelegt, nach denen Sie Deckung für die Dinge finden, von denen hier die Rede ist.
Darauf kommt es mir an.
Damit, meine Damen und Herren, ist wohl klargeworden, daß ich im Auftrag meiner Freunde dafür plädiere, den sozialdemokratischen Antrag anzunehmen. Und damit klar ist, wie die Mehrheiten in diesem Hause sind, beantrage ich namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Barzel.Dr. Barzel: : Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es ist neun Uhr, die Zeit, zu der wir sonst eigentlich schließen. Ich will mich deshalb sehr kurz fassen, und ich hoffe, daß wir den ruhigeren Teil der Debatte auch am Schluß haben werden.Herr Kollege Erler, Sie waren in einer Frage, wie Sie ausführten, verwundert. Ich gestehe Ihnen, ich war es auch, nämlich als Sie die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers in Zweifel stellten. Ich glaube nicht, daß man das so sagen sollte.Die Debatte — wenn ich unsererseits ein Resümee ziehen darf — hat gezeigt, und darüber bin ich ein bißchen betrübt, wie wenig substantiell das Vorbringen der Opposition war. Weil wir mehr erwartet hatten, haben wir heute mittag darauf verzichtet, einen Einwand gegen die Tagesordnung zu erheben oder andere Schritte zu unternehmen.
Herr Kollege Erler, das Recht der Minderheit, eine Sondersitzung zu beantragen, ist unbestritten. Aber ebenso unbestritten ist, daß die Mehrheit keine Pflicht hat, sich unter allen Bedingungen so in die Sache einzulassen, wie die Opposition das vorträgt. Weil wir mehr erwartet haben, deshalb haben wir diesen Einwand nicht erhoben.Aber nun möchte ich am Schluß der Debatte, Herr Kollege Erler, nicht nur der Kosten dieser Sitzung wegen, sondern auch aus einem anderen Grund — damit wir das nicht zu häufig machen — folgendes sagen: Seit ich dem Hause angehöre, ist es das zweite Mal, daß wir unvorhergesehen während der Sommerpause zusammentreten. Beim erstenmal waren Anlaß und Vorgang adäquat. Es war die Tat-
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Dr. Barzelsache, daß die Sowjets in Berlin widerrechtlich den Ostsektor der deutschen Hauptstadt abschnürten. Im vergangenen Jahr, als während der Sommerpause die Wogen über den Teststoppvertrag hochgingen, hatte dieses Haus keine Sondersitzung. In diesem Jahr haben wir eine Sondersitzung aus dem bekannten Anlaß.Am 21. Juli brachte die Opposition zwei Vorlagen ein. Das eine war eine Kleine Anfrage. Kleine Anfrage heißt: schriftliche Beantwortung, keine Sitzung, keine Aussprache. Das läßt darauf schließen, daß am 21. Juli die Absicht, eine Sondersitzung einzuberufen, nicht bestand. Am gleichen Tag brachte die Opposition den Antrag ein, über den wir gleich abstimmen: eine Maßnahme rückgängig zu machen, die erst am 1. August in Kraft treten sollte. Es war keine Rede von einer Sondersitzung. Der Antrag auf Sondersitzung, Herr Kollege Erler, wurde am 24. Juli gestellt. Ich will jetzt nicht — —
— Lassen Sie mich bitte den Satz zu Ende sagen.— Ich will jetzt am Schluß nicht die Debatte verschärfen. Denn ich möchte Sie wirklich für die Zukunft ermuntern, Ihr Instrument nicht stumpf werden zu lassen. Es sollte hier nicht aus ungegebenem Anlaß ein Vorgang entstehen, der am Schluß uns allen nicht bekommt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Kollege Barzel, ist Ihnen entgangen, daß bei der Einbringung des Antrages, über den heute abgestimmt wird, die Hoffnung ausgesprochen worden ist, daß es einer parlamentarischen Behandlung gar nicht erst bedürfe und das Kabinett inzwischen zur Einsicht komme? Das ist ausdrücklich durch lone ganze Presse gegangen. Und ist Ihnen zweitens entgangen, daß bis gestern immerhin eine Aussicht auf eine gewisse Einsicht auch in den Reihen der Regierungskoalition vorhanden war?
Aber, Herr Kollege Erler, mir ist auch nicht der gewisse Gleichklang gewisser Maßnahmen und gewisser Presseerklärungen entgangen. Wir wollen doch am Schluß nicht noch einmal anfangen, darüber zu ‘diskutieren.
Meine Damen und Herren, wir werden dem Antrag der sozialdemokratischen Opposition nicht zustimmen. Er löst, wie im einzelnen ausgeführt worden ist, keines der anstehenden Probleme. Unser Vorschlag ist konstruktiv in die Zukunft gerichtet.
— Ist doch wahr! Wollen Sie das bestreiten? Wir sprechen in unserem Antrag doch von anderen Dingen.
Zum Schluß, Herr Kollege Erler, darf ich ein Argument anführen, das auch eine Rolle spielen sollte, weil wir alle miteinander eine Europa-Debatte haben. In dieser Europa-Debatte geht es auch um Konjunkturüberlegungen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat am 14. April 1964 dankenswerterweise Vorschläge für eine solche gemeinsame europäische Konjunkturpolitik gemacht, und in ihren Empfehlungen zur Konjunkturstabilisierung hat sie den Regierungen der Mitgliedsländer der EWG empfohlen — ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten das Defizit der öffentlichen Versorgungs- und Verkehrsunternehmungen durch eine Erhöhung der entsprechenden Tarife soweit wie möglich zu reduzieren, wobei allerdings gewisse Vorkehrungen zugunsten besonders bedürftiger Personenkreise zu treffen sind. Diese Richtlinie der EWG hat sich die Bundesregierung gemäß der Rechtslage und ihrer Auffassung auszuführen bemüht.
Meine Damen und Herren, wir werden die Bundesregierung auch auf diesem Wege unterstützen und den Antrag der Opposition ablehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, wir stimmen in folgender Reihenfolge ab. Zuerst wird über den weitestgehenden Antrag abgestimmt. Das ist unzweifelhaft der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache IV/2479. Zu diesem Antrag der Fraktion der SPD ist namentliche Abstimmung beantragt. Wir werden nachher zunächstüber den Antrag der Fraktion der FDP, anschließend über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU und zum Schluß über den Antrag der Abgeordneten Gscheidle, Cramer und Genossen abstimmen.Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/2479.Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/2479 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 165 Mitglieder des Hauses. Mit Nein haben gestimmt 252 Mitglieder des Hauses. Enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/2479 in namentlicher Abstimmung abgelehnt.Endgültiges Ergebnis: Ja: 164Nein: 252Enthalten: 1JaSPDFrau AlbertzAndersArendt AugeDr. Dr. h. c. Baade BäuerleBazilleDr. BechertBehrendtBergmannBerkhanBerlinBeusterFrau Beyer BieglerBiermannBirkelbachBlachsteinDr. Bleiß Börner Dr. h. c. BrauerBrünen BruseBuchstallerBuschCorterier
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6711
Cramer DiekmannFrau DöhringDopatkaDröscherFrau EilersFrau Dr. ElsnerDr. EpplerErlerEschmannFaller Felder Figgen Flämig Folger Dr. FredeFrehseeFrau Freyh FritschGerlach GlombigGscheidleHaage
Haase HamacherHauffe HeideDr. Dr. Heinemann HellenbrockHerbertsFrau HerklotzHermsdorfHerold Hirsch Höhmann
Hörauf
Hörmann
Frau Dr. HubertHussongIven
Jacobs JürgensenJunghansJunker Kaffka KalbitzerFrau KettigKillatFrau Kipp-KauleKönen
Koenen KohlbergerFrau Korspeter KriedemannDr. KüblerKurlbaumLange
LangebeckLautenschlagerLeber LemperLenz
Dr. LohmarLücke MaibaumMarquardtMarx MatthöferMatznerFrau MeermannMerten MetterMeyer MichelsDr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller Dr. MommerDr. MorgensternMüller Müller (Ravensburg) NellenPaulPeiterPeters
Dr. Pohlenz PöhlerPorznerPriebeRavensReglingRehsDr. Reischl ReitzFrau RengerDr. RinderspacherDr. Roesch RohdeFrau Rudoll SängerDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenDr. Schmid Dr. Schmidt (Gellersen) Dr. Schmidt (Offenbach) Schmitt-Vockenhausen Schröder (Osterode) SchwabeSeibertSeidel
SeifrizSeitherFrau Seppi SeuffertDr. Stammberger StephanStriebeck Strohmayr Dr. Tamblé WelslauWeltner
Frau Wessel Wienand WilhelmWischnewskiWolfFrau Zimmermann
ZühlkeBerliner AbgeordneteBartschFrau Berger-Heise BraunLiehr
Frau Lösche MattickDr. SeumeWellmannFDPDr. KohutRademacherDr. Rieger
NeinCDUDr. AdenauerAdornoDr. Aigner ArndgenDr. Arnold Dr. ArtzingerBaier BaldaufDr. BarzelBauer BauknechtBauschDr. Becker
Becker BerberichDr. Besold Bewerunge BiecheleDr. Bieringer Dr. BirrenbachBlankFrau Dr. BleylerBlöckerFrau Blohm Blumenfeld von BodelschwinghBöhme
Frau BrauksiepeDr. Brenck BreseBrückBühlerDr. Conring van Delden Dr. Dichgans DiebäckerDr. Dittrich Dr. Dollinger DrachslerDraegerDr. Dr. h. c. DresbachEhnesEhrenEichelbaum Dr. ElbrächterFrau EngländerDr. Dr. h. c. ErhardEtzelEven FalkeDr. FranzFranzenDr. Frey
GaßmannGedatFrau GeisendörferDr. GerlichD. Dr. Gerstenmaier GibbertGienckeDr. Gleissner Dr. GötzGottesleben Dr. h. c. Güde GüntherFrau Haas Haase
Härzschel HäusslerGräfin vom HagenHahn
Dr. Hahn
Dr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. Hauser Dr. HeckHeixDr. Hesberg Hesemann HilbertHöcherlDr. Höchst Hörnemann
HöslHolkenbrink HoogenHornDr. HuysIllerhausFrau Jacobi
Dr. Jaeger JostenDr. JungmannFrau Kalinke Dr. Kanka KatzerKemmerDr. KempflerKlein
Dr. Kliesing KnoblochDr. Knorr KrügerKühn
KuntscherLang
LeichtLemmrich Lenz
Lenze
Leonhard Leukert Dr. Luda Lücker
Maier
Majonica Dr. Martin Maucher MeisMemmel MengelkampDr. von MerkatzMissbachMüller
Müller
NiederaltDr. Dr. OberländerFrau Dr. PannhoffDr. PflaumbaumDr.-Ing. PhilippDr. Poepke PortenFrau Dr. ProbstDr. RammingerRasnerRauhausDr. ReinhardRichartsRiedel RommerskirchenRufRulandScheppmannDr. Schmidt SchmückerSchneider
Frau Schroeder
Dr. Schröder SchulhoffSchwarzFrau Dr. SchwarzhauptDr. SchwörerDr.-Ing. SeebohmSeidl
Dr. Serres Dr. Siemer Dr. Sinn SpiesStauchDr. Stecker SteinDr. SteinmetzStillerDr. StoltenbergStooßStorchStormStraußStücklen SühlerDr. SüsterhennTerieteTobabenDr. Dr. h. c. Toussaint VarelmannVerhoevenDr. Freiherr v. VittinghoffSchell Vogt
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6712 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964
WagnerDr. Weber WehkingWeiglWeinkamm WeinzierlFrau Welter Wendelborn WieningerDr. Willeke Windelen Winkelheide Dr. WinterWittmer-Eigenbrodt WullenhauptDr. ZimmerDr. Zimmermann
Berliner AbgeordneteDr. Dr. h. c. Friedensburg Dr. GradlHübnerDr. KroneLemmerFrau Dr. MaxseinMüller
StinglFDPDr. AchenbachDr. Aschoff Dr. Atzenroth Dr. Bucher BusseDr. DahlgrünDr. DanzDenekeFrau Dr. Diemer-Nicolaus Dr. DörinkelDornDürrDr. Effertz Eisenmann Dr. EmdeErtlFrau Dr. Flitz
Frau Funcke
Frau Dr. HeuserDr. HovenFrau Dr. Kiep-Altenloh KreitmeyerKubitzaFreiherr von KühlmannStummLenz LogemannDr. Mälzig MaukDr. MendeDr. h. c. Menne MertesDr. Miessner Mischnick OlleschPeters RammsReichmann Dr. Rutschke ScheelSchmidt
SchultzSoetebier Spitzmüller Dr. SupfWächterWalterWeber ZoglmannFraktionslos GontrumEnthaltenFDP MurrIch rufe auf, wie angekündigt, den Antrag der Fraktion der FDP Drucksache IV/2492.Da wir wahrscheinlich gleich noch eine namentliche Abstimmung haben werden, mache ich darauf aufmerksam, daß ich gebeten worden bin, etwas zu sagen, was ich gar nicht gern sage: daß man darauf achten möge, daß bei der namentlichen Abstimmung jeder in sein eigenes Schubfach und nicht in das des Nachbarn greift. Das kommt leider vor — natürlich ein reines Versehen —; aber ich bitte, diese Gefahrenquelle auszuschließen.
— Der Herr Vizepräsident applaudiert aus leidvoller Erfahrung; ich bedanke mich.Von der CDU/CSU ist beantragt, den Antrag der Fraktion der FDP an die Ausschüsse zu überweisen. Diese Ausschußüberweisung geht nach alter parlamentarischer Übung allem anderen vor. Ich bin gefragt worden, nach welcher Geschäftsordnungsbestimmung das so sei. Dafür gibt es keine Bestimmung. Dennoch kann dieses Verfahren nicht in Zweifel gezogen werden; die Ausschußüberweisung geht vor.Wir stimmen also zunächst darüber ab, ob dem Antrag auf Überweisung des Antrags der Fraktion der FDP — Drucksache IV/2492 — stattgegeben werden soll. Der Antrag soll an den Ausschuß fürVerkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend — und an den Finanzausschuß sowie den Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen werden. Wer diesem Antrag auf Überweisung an diese Ausschüsse zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Das Präsidium kann so nicht entscheiden. Ich bitte, Platz zu nehmen. Wer für die Überweisung des Antrages an die genannten Ausschüsse ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Meine Schriftführer sagen: halbe, halbe.
Also, meine Damen und Herren: Hammelsprung! Ich mache noch einmal auf die Fragestellung aufmerksam. Wer für die Ausschußüberweisung ist, geht durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die NeinTür.Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 201 Mitglieder des Hauses, mit Nein 194 Mitglieder des Hauses; enthalten hat sich niemand. Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache IV/2492 an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — federführend — sowie den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß — mitberatend — überwiesen.
Wir kommen zu der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache IV/2491 . Hier ist von der antragstellenden Fraktion Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post-und Fernmeldewesen — federführend — sowie den Finanzausschuß und den Haushaltsausschuß — mitberatend — beantragt. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Schließlich der Antrag der Abgeordneten Gscheidle, Cramer und Fraktion auf Drucksache IV/24,20. Hier ist Überweisung an dieselben Ausschüsse unter Federführung des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen vorgeschlagen. Ist das Haus damit einverstanden?. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende dieser Sitzung. Ehe ich die Sitzung schließe, wünsche ich Ihnen einen 'ungestörten weiteren Urlaub.Die Sitzung ist geschlossen.