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    Deutscher Bundestag 135. Sitzung Bonn, den 29. Juli 1964 Inhalt: Zur Tagesordnung Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6663 A Dr. Schäfer (SPD) 6663 B Dürr (FDP) 6663 B Nachruf auf den Abg. Lermer Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6663 C Glückwünsche zu ,den Geburtstagen der Abg. Dr. Gossel und Dr. Dr. Heinemann . 6665 B Antrag betr. Postgebührenerhöhúng (SPD) (Drucksache IV/2479) ; in Verbindung mit Antrag betr. Deutsche Bundespost (CDU/ CSU) (Drucksache IV/2491 [neu]); Antrag betr. Deutsche Bundespost (Abg. Gscheidle, Cramer und Fraktion der SPD) (Drucksache IV/2420) und Antrag betr. Gebührenerhöhung bei der Deutschen Bundespost (FDP) (IV/2492) Erler (SPD) 6665 C Stücklen, Bundesminister 6671 D Dr Dahlgrün, Bundesminister . . . 6678 D Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6682 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 6688 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 6690 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 6696 A Eisenmann (FDP) 6699 D Dr. Besold (CDU/CSU) 6702 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 6704 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 6709 C Anlagen 6713 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6663 135. Sitzung Bonn, den 29. Juli 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 132. Sitzung Seite 6458 A Zeile 7 statt „Auftrag" : Antrag; 133. Sitzung Seite I rechte Spalte statt „Falle" : Faller; Seite III rechte Spalte Zeile 6 von unten statt „6579 A" : 6597 A; Seite 6589 D Zeile 18 statt „vor": von. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Althammer 29. 7. Dr. Arndt (Berlin) 29.7. Bading 29.7. Dr.-Ing. Balke 29. 7. Balkenhol 29. 7. Bals 29. 7. Bauer (Würzburg) 29. 7. Bäumer 29. 7. Fürst von Bismarck 29. 7. Dr. Böhm (Frankfurt) 29. 7. Brand 29. 7. Dr. von Brentano 29. 7. Burckardt 29.7. Dr. Burgbacher 29. 7. Burgemeister 29. 7. Büttner 29. 7. Dr. Czaja 29.7. Dr. Dehler 29. 7. Deringer 29. 7. Dr. Eckhardt 29. 7. Dr. Even (Düsseldorf) 29. 7. Franke 29. 7. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 29. 7. Dr. Furler 29. 7. Gehring 29. 7. Dr. Gerlich 29. 7. Gewandt 29. 7. Glüsing (Dithmarschen) 29. 7. Dr. Gossel 29.7. Dr. Götz 29. 7. Freiherr zu Guttenberg 29. 7. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 29. 7. Hammersen 29. 7. Hansing 29. 7. Dr. Hellige 29. 7. Höhne 29. 7. Hufnagel 29.7. Dr. Imle 29. 7. Jacobi (Köln) 29. 7. Frau Jacobi (Marl) 29. 7. Jahn 29.7. Dr. h. c. Jaksch 29. 7. Kahn-Ackermann 29. 7. Frau Klee 29. 7. Klinker 29. 7. Dr. Koch 29. 7. Dr. Kopf 29. 7. Frau Krappe 29. 7. Kraus 29.7. Krug 29. 7. Dr. Krümmer 29. 7. Frau Dr. Kuchtner 29. 7. Kulawig 29. 7. Leicht 29. 7. Dr. Löhr 29. 7. Menke 29. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) 29.7. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Freiherr von Mühlen 29. 7. Müller (Erbendorf) 29. 7. Müller (Worms) 29. 7. Dr. Müller-Emmert 29. 7. Dr. Müller-Hermann 29. 7. Müser 29. 7. Neumann (Allensbach) 29. 7. Nieberg 29. 7. Dr. Nissen 29. 7. Dr. Dr. Oberländer 29. 7. Oetzel 29. 7. Opitz 29. 7. Frau Pitz-Savelsberg 29. 7. Dr. Ramminger 29. 7. Riegel (Göppingen) 29. 7. Ritzel 29. 7. Saxowski 29. 7. Dr. Schellenberg 29. 7. Schlee 29.7. Schlick 29.7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 29. 7. Schoettle 29. 7. Dr. Starke 29. 7. Steinhoff 29. 7. Stingl 29. 7. Frau Strobel 29. 7. Struve 29. 7. Theis 29.7. Unertl 29. 7. Urban 29.7. Wegener 29. 7. Wehner 29. 7. Welke 29. 7. Werner 29. 7. Dr. Wilhelmi 29. 7. Dr. Wuermeling 29. 7. Ziegler 29. 7. b) Urlaubsanträge Dr. Harm (Hamburg) 31. 10. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 26. Juni 1964 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 271. Sitzung am 26. Juni 1964 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 4. Juni 1964 verabschiedeten Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (17. ÄndG LAG) 6714 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 gemäß Artikel 84 Abs. 1, 85 Abs. 1, 105 Abs. 3 und 120 a Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Im übrigen hat der Bundesrat die anliegende Entschließung angenommen. 1 Anlage Dr. Diederichs Bonn, den 26. Juni 1964 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 12. Juni 1964 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Diederichs Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 26. Juni 1964 an den Bundeskanzler Entschließung des Bundesrates zum Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (17. ÄndG LAG) Entgegen den ursprünglichen Erwartungen des Gesetzgebers, die in § 323 Abs. 1 LAG in seiner bisherigen Fassung ihren Niederschlag gefunden haben, ist die wohnungsmäßige Eingliederung der Geschädigten ebenso wie ihre berufliche Eingliederung in die Landwirtschaft sowie in die gewerbliche Wirtschaft und die freien Berufe bisher noch nicht abgeschlossen. Es besteht noch ein erheblicher Bedarf an Mitteln für Aufbaudarlehen, insbesondere für den Wohnungsbau und für die Landwirtschaft. Dieser Entwicklung wird die in § 323 Abs. 1 LAG in der bisherigen Fassung als Auslaufregelung angelegte scharfe Degression der Mittel nicht gerecht. Die vorgesehene zusätzliche Bereitstellung von 200 Mio DM für Aufbaudarlehen im Rechnungsjahr 1965 wird daher begrüßt. Sie entspricht einem dringenden Bedürfnis. Anlage 3 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 272. Sitzung am 10. Juli 1964 beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 24. Juni 1964 verabschiedeten Ersten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat hat weiterhin folgende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat ist der Auffassung, daß die geltenden Vorschriften über die Abfindungs- und Ergänzungsansprüche der weichenden Erben dringend einer Neuregelung bedürfen, da sie zu immer unbefriedigenderen Ergebnissen führen. Eine alsbaldige Verabschiedung auch dieses Teils des Gesetzentwurfs erscheint deshalb notwendig." Dr. Diederichs Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 26. Juni 1964 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Diederichs Anlage 4 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 272. Sitzung am 10. Juli 1964 beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 26. Juni 1964 verabschiedeten Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1964) einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Ferner hat der Bundesrat die nachstehende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung erneut, den Rationalisierungsbedürfnissen in bedrohten Wirtschaftsbereichen gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken, insbesondere im Hinblick auf den ERP-Wirtschaftsplan 1965 Maßnahmen zur Förderung dieses Anliegens zu treffen. Bei der in Aussicht stehenden Überarbeitung der Richtlinien über die Anwendung der Maßnahmen Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6715 zur Anpassung und Umstellung sollten die Länder beteiligt werden." Dr. Diederichs Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 26. Juni 1964 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Diederichs Anlage 5 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Bargatzky vom 26 .Juni 1964 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Schwabe zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Biegler *). Tetanusantitoxin, das zur Serumbehandlung eines Krankheitsverdächtigen oder Erkrankten verwendet wird, ist bereits optimal gestreut. In den meisten Apotheken und Krankenhäusern und auch bei vielen Ärzten wird es auf Vorrat gehalten. Nötigenfalls kann es in kürzester Zeit über den Arzneimittelgroßhandel bezogen werden. Abgesehen hiervon läßt sich die Zahl der Erkrankungen und damit auch die der Todesfälle, wie bereits mündlich ausgeführt, dagegen weitgehend durch die Tetanusschutzimpfung verringern. Tetanusschutzimpfungen können sowohl in öffentlichen Impfterminen der Gesundheitsämter als auch in den Praxen der Ärzteschaft durchgeführt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Lenz vom 2. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Kempfler (Drucksache IV/2386 Fragen Ill und I/2): Hält der Herr Bundesinnenminister das Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 985), das keinerlei Voraussetzungen statuiert, unter denen die Genehmigung zur Führung eines akademischen Grades einer ausländischen Hochschule erteilt werden muß, noch für vereinbar mit dem Grundgesetz oder hält er eine .baldige Novellierung für angebracht? Das Gesetz über die Führung akademischer Grade gilt nach Ansicht der Länder und nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 1960 als Landesrecht fort. Für den hier interessierenden § 2 des Gesetzes ist dies auch die Auffassung der Bundesregierung. Soweit ich übersehen kann, ist bisher die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 des Gesetzes nicht angezweifelt worden. Ihre Bedenken 1 Siehe 130. Sitzung Seite 6285 B nehme ich zum Anlaß, die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung mit den beteiligten Bundesressorts und den Kultusministern der Länder zu prüfen. Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, ob eine Novellierung des Gesetzes erforderlich ist. Ich werde Sie vom Ergebnis der Untersuchungen unterrichten. Hält es der Herr Bundesinnenminister angesichts der zunehmenden internationalen .Verflechtung auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet nicht ,für zweckmäßig, in Anwendung von § 2 Abs. 2 des in Frage I/1 genannten Gesetzes wenigstens für bestimmte ausländische Hochschulen (beispielsweise für solche europäischer Staaten oder der USA) eine Genehmigung hinsichtlich der akademischen Grade allgemein zu erteilen? Für die Erteilung einer allgemeinen Genehmigung sind die Kultusminister der Länder zuständig. Soweit ich informiert bin, haben diese bisher noch keine allgemeine Genehmigung zur Führung eines akademischen Grades erteilt. Ich teile Ihre Auffassung, daß angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtung der Wissenschaft die Beantwortung der Frage, ob solche allgemeine Genehmigungen für bestimmte Hochschulen ausgesprochen werden sollten, einer sehr sorgfältigen Prüfung bedarf. Ich werde mich auch in dieser Angelegenheit mit den Kultusministern der Länder in Verbindung setzen, insbesondere auch wegen der Frage, inwieweit § 2 Abs. 2 des Gesetzes bei der Durchführung des Europäischen Abkommens über die Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen, dem die Länder noch nicht zugestimmt haben, eine Rolle spielt. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Scheel vom 29. Juni 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bühler (Drucksache IV/2386 Frage II) : Hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit den Versuch unternommen, im Kabinett eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, daß begründete Forderungen von deutschen Bundesbürgern gegenüber ausländischen diplomatischen Vertretungen bei Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit berücksichtigt werden, nachdem er vor einem Jahr an Hand des Falles Kolbach/Korea die Notwendigkeit einer derartigen Regelung erkannt und bejaht hatte? Vorweg darf ich bemerken, daß es sich bei der Fragenstellung offensichtlich um ein Mißverständnis handeln dürfte. Bei unserer persönlichen Unterredung am 3. 7. 1963 über den Fall der Eheleute Kollbach habe ich eingehend meine Bedenken gegen eine Verquickung privatrechtlicher Ansprüche einzelner deutscher Staatsbürger mit den Entwicklungshilfeleistungen der BRD dargelegt. Ich habe insbesondere die Möglichkeit einer Aufrechnung der Ansprüche des Ehepaares Kollbach gegen die von der BRD an Korea zugesagte Kapitalhilfe bereits aus rechtlichen Gründen verneinen müssen. Ich habe aber zugesagt, mich wegen einer gütlichen Bereinigung des Falles bei dem für diese Angelegenheit zuständigen Bundesminister des Auswärtigen zu verwenden. In diesem Zusammenhang hatten sie um Prüfung gebeten, ob nicht in derartigen Fällen die Entwicklungshilfe an das betreffende Entwicklungsland eingestellt werden sollte. 6716 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 Vereinbarungsgemäß habe ich mich mit Schreiben vom 9. 7. 1963, das ich Ihnen abschriftlich übersandt habe, bei dieser Prüfung auch an den Herrn Bundesminister des Auswärtigen gewandt. Die Stellungnahme des Herrn Bundesministers des Auswärtigen hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit Ihnen mit Schreiben vom 9. 8. 1963 mitgeteilt. In einem Schreiben vom 16. 10. 1963 an Sie hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen auch nochmals zu der Frage einer Berücksichtigung privatrechtlicher Ansprüche einzelner deutscher Staatsbürger bei den Entwicklungshilfeleistungen der BRD Stellung genommen. Diese Stellungnahme deckt sich mit meiner Auffassung. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 16. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Freyh (Frankfurt) (Drucksache IV/2386 Frage IV/8 und IV/9) : Welche Stellung nimmt die 'Bundesregierung zu Zeitungsmeldungen ein, nach denen die Zahl der Kindesmißhandlungen ansteigt? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Kindesmißhandlungen zu begegnen, indem sie beispielsweise die Bevölkerung darauf hinweist, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten? Nachdem sich inzwischen auch die Länder Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf meine Anfragegeäußert 'haben, ob die Zahl der Kindesmißhandlungen in ihrem Bereich angestiegen ist, (Frage IV/8) darf ich Ihnen nachstehend die Antworten mitteilen. Berlin: Die Zahl der Fälle von Kindesmißhandlungen zeigt eine steigende Tendenz. Das Land Berlin führt die zahlenmäßige Zunahme jedoch nicht auf eine Steigerung dieser Kriminalität, sondern auf die verstärkte Einschaltung ,der Kriminalpolizei durch die Fürsorgebehörden und auf die dadurch bewirkte Verminderung der Dunkelziffer bei diesen Straftaten zurück (unter Dunkelziffer versteht man 'diejenigen Fälle, die Iden Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt werden). Nordrhein-Westfalen: Exakte oder annähernde statistische Werte über Fälle von Kindesmißhandlung liegen bei den Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen nicht vor. Die „polizeiliche Kriminalstatistik" erfaßt diese Kriminalität nicht besonders. Örtliche spezielle Statistiken hierüber werden in Nordrhein-Westfalen nicht geführt. Die .einzelnen Ermittlungsverfahren bei den Polizeibehörden vermitteln kein vollständiges Bild über die zahlenmäßigen Bewegungen der Kindesmißhandlung der letzten Jahre in den einzelnen nordrhein-westfälischen Großstädten. Dementsprechend sind auch Zeitungsmeldungen über einzelne Ermittlungs- oder durchgeführte Strafverfahren kaum eine geeignete Grundlage für eine •entsprechende Beurteilung. Niedersachsen: Laut Mitteilung ides Niedersächsischen Kultusministers ist nach den in den letzten drei Jahren den Polizeidienststellen in Niedersachsen bekannt gewordenen Fällen von Kindesmißhandlungen ein Ansteigen nicht festzustellen. Zu beobachten Ist allerdings, daß die Tageszeitungen häufiger über diese Delikte berichten. In Verwirklichung meiner Absicht, den Ländern und dem Deutschen Kinderschutzbund zu empfehlen, die Bevölkerung in geeigneter Weise auf die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung bei Kindesmißhandlungen hinzuweisen (Frage IV/9), habe ich folgendes Schreiben an die Herren Innenminister (-senatoren) der Länder gerichtet und den Deutschen Kinderschutzbund in gleichem Sinne informiert: „Frau Bundestagsabgeordnete Brigitte Freyh hat im Zusammenhang mit einer Anfrage über das Ansteigen der Zahl der Kindesmißhandlungen in einer Fragestunde um Auskunft gebeten, ob die Bundesregierung Möglichkeiten sehe, Kindesmißhandlungen zu begegnen, indem sie beispielsweise die Bevölkerung darauf hinweist, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten. Ich habe die Anfrage wie 'folgt beantwortet: „Die Bundesregierung sieht solche Möglichkeiten vor allem darin, den Ländern und dem Deutschen Kinderschutzbund zu empfehlen, die Bevölkerung in geeigneter Weise auf die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung bei Kindesmißhandlungen hinzuweisen. Das ist das einzige Mittel, über das der Bund verfügt." Ich wäre dankbar, wenn Sie dieser Empfehlung in geeigneter Weise entsprechen würden." Ich darf annehmen, daß damit Ihrem Anliegen entsprochen worden ist. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 25. Juni 1964 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Dr. Hubert (Drucksache IV/2386 Fragen IV/13 und IV/14) : Welche Erkenntnisse hat der 6tägige Bunkertest mit einer ausgewählten Personengruppe gegenüber den im letzten Weltkrieg gemachten Erfahrungen an Gesunden und Kranken, die zum Teil weit länger in Bunkern zugebracht haben, ergeben? Das Ergebnis der Erkenntnisse aus dem sechstägigen Bunkertest in Dortmund kann nach Mitteilung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz erst nach 2-3 Monaten vorgelegt werden. Diese Frist ist notwendig, um alle Ergebnisse der Beobachtungen und Untersuchungen, die vom Personal des Bun- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6717 desamtes für zivilen Bevölkerungsschutz und von besonderen für diesen Test geworbenen freien Wissenschaftlern gesammelt und gewonnen wurden, wissenschaftlich und statistisch zu verarbeiten und auszuwerten. Die Bundesregierung ist bereit, Mitgliedern des Bundestages ein Exemplar des Abschlußberichtes zur Verfügung zu stellen. In welcher Weise hat die Bundesregierung sich bisher die im letzten Weltkrieg gemachten Erfahrungen über die Verhaltensweise und die körperlichen Reaktionen der Menschen auf den langen Bunker-Aufenthalt zunutze gemacht? In dem vorbezeichneten Abschlußbericht werden auch Erfahrungen über Verhaltensweise und körperliche Reaktion von Menschen während langer Bunkeraufenthalte aus dem Zweiten Weltkrieg berücksichtigt werden, soweit wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Bemerkt sei, daß die vorliegenden amerikanischen Erkenntnisse zu dieser Frage bei der Aufstellung des Programms für den Bunkertest in Dortmund berücksichtigt worden sind. Anlage 10 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) (Drucksache IV/2386 Frage XIV/4) : In welcher Form wird die Bundesregierung im Entwurf der Bestallungsordnung für Ärzte die Bedeutung der Arbeitsmedizin für die Ausbildung der Medizinstudenten berücksichtigen? Der Referentenentwurf der Bestallungsordnung für Ärzte sieht vor, daß der Kandidat der Medizin bei der Meldung zur ärztlichen Prüfung nachzuweisen hat, daß er eine Pflichtvorlesung über Arbeitsmedizin gehört hat. Diese Regelung entspricht der Vorschrift in der schon jetzt geltenden Bestallungsordnung. Im Rahmen der Prüfung des Faches Hygiene soll die Arbeitsmedizin jedoch nicht nur mündlich — wie bisher —, sondern auch schriftlich geprüft werden. Die Prüfung in Arbeitsmedizin soll sich auf das gesamte Gebiet der Arbeitsmedizin unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitshygiene und der Berufskrankheiten erstrecken. Anlage 11 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Tamblé (Drucksache IV/2386 Fragen XIV/5, XIV/6 und XIV/7) : Welche Gründe haben die Bundesregierung bisher davon abgehalten, die nach dem bereits im Jahre 1952 verkündeten Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde zu erlassende Gebührenordnung für Zahnärzte vorzulegen? Hält die Bundesregierung es für vertretbar, den durch die einstimmige Verabschiedung des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde zum Ausdruck gebrachten Willen des Parlaments, die völlig veraltete durch eine den Erfordernissen der modernen Zahnheilkunde entsprechende neue Gebührenordnung zu ersetzen, fast 12 Jahre zu ignorieren? Wann gedenkt die Bundesregierung die in Frage XIV/5 genannte Gebührenordnung nunmehr vorzulegen? Eine völlig neue Gebührenordnung für Zahnärzte mit Hunderten von Positionen, die dem wissenschaftlichen Stand der Zahnheilkunde entsprechen und zugleich den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung tragen soll, bedarf umfangreicher Erhebungen und gründlicher Beratungen mit allen Beteiligten. Der von der Zahnärzteschaft erarbeitete Vorschlag für eine neue zahnärztliche Gebührenordnung ist im Jahre 1958 dem Bundesminister des Innern vorgelegt worden. Nach Verhandlungen mit den beteiligten Ressorts und den Stellungnahmen von Krankenkassenverbänden ergab sich die Notwendigkeit, genauere statistische Unterlagen zu gewinnen. In den Jahren 1961 und 1962 wurde der inzwischen überarbeitete Entwurf von einem durch das Bundesministerium für Gesundheitswesen einberufenen Sachverständigenausschuß aus den Kreisen der Zahnärzte, der Sozialversicherung und der Sozialhilfe in allen Einzelheiten beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen machte weitere Verhandlungen mit der Zahnärzteschaft erforderlich, die erst im April 1964 vorläufig abgeschlossen werden konnten. Der Referentenentwurf ist nunmehr fertiggestellt. Er wird in Kürze mit den beteiligten Stellen abschließend beraten werden, und ich habe die Hoffnung, daß ich ihn nach der Sommerpause dem Bundesrat zuleiten kann. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Schröder vom 26. Juni 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lang (München) (Drucksache IV/2399 Frage I) : Ist es richtig, daß die Dokumentation über die jugoslawischen Kriegsverbrechen an deutschen Kriegsgefangenen nur in den Fachbibliotheken eingesehen werden kann und nicht in Buchhandlungen käuflich ist? Das Dokumentationswerk zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941-1949 wird in Kürze auch in Buchhandlungen erhältlich sein. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Langer vom 26. Juni 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache IV/2399 Frage III) : Welche Stellen der Bundesregierung beobachten den Fortschritt der Automation in der Industrie und die mit ihr zusammenhängende, unvermeidliche drastische Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Struktur unserer Volkswirtschaft mit dem Ziel, ein Frühwarnsystem für drohende Wandlungen in der Gesellschaft zu schaffen, die eine Vielzahl von berufstätigen Menschen um ihren Arbeitsplatz bringen können? Die bisherige Entwicklung in der Bundesrepublik erlaubt es nach Auffassung der Bundesregierung 6718 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 nicht, von einer „drastischen Veränderung" der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Volkswirtschaft als Folge der Automation zu sprechen. Die vermehrte Automatisierung von Produktions-, Verteilungs- und Verwaltungsabläufen ist nur eine der zahlreichen Formen des technischen Fortschritts, die zur Rationalisierung des Arbeitsprozesses nutzbar gemacht werden. Angesichts des kräftigen wirtschaftlichen Wachstums ergeben sich hieraus z. Z. keine besonderen wirtschaftspolitischen Probleme. Wegen der Knappheit an Arbeitskräften ist eine verstärkte Automation sogar erwünscht. Gleichwohl hält es die Bundesregierung für nützlich, die sich aus der Automation ergebenden tatsächlichen und möglichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu klären. Ein im Bundeswirtschaftsministerium bestehender Arbeitskreis beschäftigt sich mit den möglichen Auswirkungen der Automation auf die wirtschaftliche und soziale Struktur, den Konjunkturverlauf, die Beschäftigungslage und die sich daraus ergebenden neuen Erfordernisse beruflicher Aus- und Fortbildung. Dabei wird auch geprüft, wie der Stand und die weitere Entwicklung der Automation besser festgestellt werden können. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Blank vom 14. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Matthöfer (Drucksache IV/2399 Fragen V/1, V/2 und V/3) : Welchen Beschränkungen unterliegen türkische Arbeiter nach den geltenden Verträgen und Vorschriften, wenn sie in Nordrhein-Westfalen ihren Arbeitsplatz wechseln? Türkische Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik Deutschland eine unselbständige Beschäftigung ausüben wollen, benötigen — wie alle nichtdeutschen Arbeitnehmer — eine Arbeitserlaubnis des zuständigen Arbeitsamtes. Sie wird zur Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb längstens für die Dauer eines Jahres erteilt. Ausländische Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz wechseln wollen, bedürfen einer neuen Arbeitserlaubnis für einen neuen Arbeitgeber. Diese wird ihnen bei der derzeitigen Lage des Arbeitsmarktes in der Regel erteilt, wenn sie ihr Arbeitsverhältnis im Einvernehmen mit ihrem Arbeitgeber gelöst oder unter Einhaltung der nach ihrem Arbeitsvertrag vorgesehenen Frist gekündigt haben oder wenn ein von vornherein befristeter Arbeitsvertrag ausgelaufen ist. Ausländische Arbeitnehmer, die unter Bruch ihres Arbeitsvertrages ihren Arbeitsplatz aufgeben, erhalten keine Arbeitserlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung in einem anderen Betrieb. Zur fristlosen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses ist der ausländische Arbeitnehmer nur berechtigt, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, entscheiden im Streitfall die Arbeitsgerichte. Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer zwei Jahre in derselben Berufsgruppe erlaubt beschäftigt gewesen ist, erhält er eine Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf einen bestimmten Betrieb. Ein Ausländer, dem eine solche Arbeitserlaubnis erteilt worden ist, kann innerhalb ihrer Geltungsdauer ohne Zustimmung des Arbeitsamtes eine gleichartige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufnehmen. Nach 5jähriger ununterbrochener Beschäftigung im Bundesgebiet erwirbt ein Ausländer einen Rechtsanspruch auf eine Arbeitserlaubnis mit einer 3jährigen Geltungsdauer für eine Tätigkeit nach seiner Wahl. Das gleiche gilt, wenn sich ein ausländischer Arbeitnehmer mindestens acht Jahre ohne Unterbrechung rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Aus der deutsch-türkischen Artwerbevereinbarung und dem dieser Vereinbarung beigefügten Musterarbeitsvertrag ergibt sich keine abweichende Regelung. Wie hoch sind die zusätzlichen finanziellen Belastungen eines Arbeitgebers in Nordrhein-Westfalen, der statt deutschen Arbeitern türkische beschäftigt (für Anfahrt, Dolmetscher, Unterbringung, Anlernzeit usw.) ? Bei der Anwerbung türkischer Arbeitnehmer durch die Verbindungsstelle der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Türkei entstehen dem Arbeitgeber Kosten in Höhe von 150 DM je Arbeitskraft, die er bei Einreichung des Vermittlungsauftrages an das zuständige Arbeitsamt entrichten muß. Dieser Betrag dient hauptsächlich zur Deckung der Reisekosten und der Reiseverpflegung. Türkischen Arbeitnehmern, die ohne Inanspruchnahme der Verbindungsstelle der Bundesanstalt ins Bundesgebiet einreisen, um eine Arbeit aufzunehmen, erstatten ihre Arbeitgeber die Reisekosten vielfach freiwillig oder auf Grund besonderer Vereinbarung. Bei der Anwerbung türkischer Arbeitnehmer entstehen den Arbeitgebern vielfach Aufwendungen durch Reisen von Firmenbeauftragten in die Türkei. Nach der Arbeitsaufnahme der türkischen Arbeitnehmer verursacht ihre Betreuung und Beratung (z. B. im Verkehr mit den Behörden) laufende Kosten, deren Höhe sich kaum beziffern läßt. Hierzu gehören auch die Aufwendungen für die Bereitstellung von Dolmetschern, die etwa 10 DM monatlich je Arbeitnehmer betragen, wenn man auf 100 türkische Arbeitnehmer einen Dolmetscher rechnet. Allgemeingültige Unterlagen über die Kosten der Einarbeitung am Arbeitsplatz liegen nicht vor. Nach Angaben eines in Nordrhein-Westfalen ansässigen Betriebes, der eine große Zahl türkischer Arbeitnehmer beschäftigt, betragen sie je nach Art der Arbeit 200-1000 DM für jeden Arbeitnehmer. Ferner entstehen den Betrieben zusätzliche Belastungen bei der Unterbringung der türkischen Arbeitnehmer in Werksheimen. Sie betragen nach den Erfahrungen des erwähnten Betriebes etwa 30 DM monatlich mehr als bei deutschen Betriebsangehörigen. Wie oft wechseln türkische Arbeiter den Arbeitsplatz? Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat über den Arbeitsplatzwechsel ausländischer Arbeitnehmer in der Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6719 Bundesrepublik eine besondere Erhebung angestellt. Danach haben in der Zeit vom 1. Februar 1963 bis 31. Januar 1964 von rd. 48 800 .beschäftigten türkischen Arbeitern etwas mehr als 20 % ihren Arbeitsplatz gewechselt, und zwar 67 % hiervon einmal, 22 % zweimal und 11 % dreimal und häufiger. Mit diesen rd. 20 % Arbeitsplatzwechslern liegen die türkischen Arbeitnehmer um etwa 4,5 % unter dem durchschnittlichen Fluktuationsgrad der Ausländer, die aus den Anwerbeländern Italien, Griechenland und Spanien stammen. Anlage 15 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Pohlenz (Drucksache IV/2399 Fragen VII/1, VII/2 und VII/3): War die Aufstellung von zwei neuen Kupolöfen bei der Fa. WESMAG, Eisengießerei, Wesel, im Herbst vergangenen Jahres genehmigungspflichtig und ist diese .Genehmigung erteilt worden? Nach einer Auskunft des Arbeits- und Sozialministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen sind bei der Firma WESMAG, Eisengießerei in Wesel, im Herbst vergangenen Jahres keine neuen Kupolöfen aufgestellt worden. Ein genehmigungspflichtiger Tatbestand hat deshalb nicht vorgelegen. Ist es nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erlaubt, daß gesundheitsschädliche Abgase aus Kaminen abgeleitet werden, die nur die Höhe normaler Wohnhäuser haben? Nach der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft", der vom Bundesrat am 26. Juni 1964 mit einigen Änderungen zugestimmt wurde, werden für Anlagen, bei denen ein Schornstein zur Verteilung der Emission erforderlich ist, Schornsteinmindesthöhen festgelegt. Die Höhe der Schornsteine richtet sich nach den Immissionsverhältnissen im einzelnen Fall. Welche wirksamen Maßnahmen sind von dem ,Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt der Stadt Duisburg seit Oktober 1963 getroffen worden, um die Anwohnerschaft der Fa. WESMAG gesundheitlich vor den giftigen Abgasen zu schützen? Das Gewerbeaufsichtsamt in Duisburg hat im Rahmen eines vom Land Nordrhein-Westfalen für Eisengießereien aufgestellten Verbesserungsprogramms der Firma WESMAG zur Auflage gemacht, die vorhandenen Entstaubungseinrichtungen zu verbessern, bzw. durch Einbau von Filtern die Emission zu verringern. Das hierfür erforderliche Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 16 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache IV/2399 Frage VII/4) : Was tut die Bundesregierung, um den Unfallrettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes auf den öffentlichen Straßen in einen den heutigen technischen Möglichkeiten entsprechenden Stand zu versetzen? Ich darf Bezug nehmen auf die 100. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. Dezember 1963, in der mein Kollege, Herr Dr. Seebohm, zur Aufgabe und Organisation der Unfallhilfsstellen Stellung genommen hat. Die Bundesregierung fördert zahlreiche Maßnahmen des DRK. Unter anderem wird aus diesen Mitteln die Einrichtung und Unterhaltung von stationären Unfallhilfsstellen ermöglicht. Neben der Aufgabe, Unfallmeldungen anzunehmen und an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, müssen diese zu einer wirksamen Leistung Erster Hilfe befähigt sein. Um die heutigen technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen, wird die Ergänzung durch Beatmungs-, Absaugegeräte und Blutersatzmittel, den jeweiligen finanziellen Mitteln entsprechend, angestrebt. Außer diesen sogenannten stationären Unfallhilfsstellen bemühen sich die Organisationen (neben dem DRK auch der Johanniter-, Malteser- und Arbeitssamariterdienst sowie die Feuerwehr und der Luftschutzhilfsdienst) den Krankentransport-Unfallrettungsdienst auf den neuesten Stand zu bringen. Dazu gehört die Verwirklichung der Mindestanforderungen in bezug auf die Größe und Ausstattung der Kraftwagen und auf die medizinischen Einrichtungen der Transportwagen, sowie deren Ausstattung mit Funkgeräten. Seit mehreren Jahren sind Arzteinsatzwagen in der Erprobung, so im Raum Heidelberg unter Leitung von Prof. K. H. Bauer; dieser Wagen konnte aus Mitteln der Berufsgenossenschaft zur Verfügung gestellt werden. In Köln wurde ein Arzteinsatzwagen aus Mitteln eines Autowerkes beschafft und unter der Leitung von Prof. Hofmann erprobt. In Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverkehrsministerium, dem Deutschen Roten Kreuz und dem HUK-Verband sollen weitere Wagen in Murnau, Essen, Freiburg und Göttingen eingesetzt werden. Eine besondere Initiative hat die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gezeigt. Dort laufen zur Zeit 6 Arzteinsatzwagen zur Erprobung. Außerdem stehen zwei große Arzteinsatzwagen abrufbereit; einer beim DRK in Bonn, und einer beim DRK Landesverband in Düsseldorf. Die Aufgabe der Arzteinsatzwagen ist, den Verletzten erste Hilfe zu geben, sie transportfähig zu machen und für die Operation im Krankenhaus vorzubereiten. Die bisher gewonnenen Erfahrungen sind gut. Viele Todesfälle konnten durch den Einsatz dieser Wagen vermieden werden. Nach dem Grundgesetz sind die Länder für den Rettungsdienst zuständig. Der Bund muß sich darauf beschränken, neben der Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes und der karitativen Verbände auf Grund der gewonnenen Erfahrungen Empfehlungen über die Mindestausstattungen auszusprechen. Die Antwort ergeht im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte.


Rede von Margot Kalinke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Möller, wollen Sie damit sagen, daß im Verwaltungsrat auch Ihre Freunde für eine Erhöhung der Gebühren gewesen sind? Wollen Sie sich bitte dazu äußern, ob das so zu verstehen ist?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich kann Ihnen nur erklären, daß die Vertreter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost die Erklärung abgegeben haben, daß sie so lange nicht für eine Gebührenerhöhung eintreten, bis durch eine Sachverständigenkommission die notwendigen Voraussetzungen für eine finanzielle Neuordnung bei der Deutschen Bundespost geschaffen worden sind. Das betrifft die von der Frau Kollegin gestellte Frage. Wir haben hier Rechenschaft nur über die Kollegen zu geben, die vom Deutschen Bundestag in den Ver-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    waltungsrat entsandt worden sind. Daß die Personalvertreter im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost aus anderen Gesichtspunkten mitwirken, ist doch klar.

    (Lachen bei der CDU/CSU. — Abg. Schulhoff: Das sind SPD-Leute ebensogut wie Sie! — Weitere Zurufe.)

    — Darüber kann sich nur jemand wundern, der von diesen Zusammenhängen nichts versteht.
    Ich möchte die Frage, was denn eigentlich der Herr Bundespostminister getan hat, an Hand von zwei Dokumenten beantworten. Ich habe hier ein Schreiben des Herrn Bundesministers der Finanzen vom 9. Dezember 1963 ,an den Herrn Bundespostminister. In ,diesem Schreiben heißt es:
    Bei unserer Unterredung am 22. 10. 1963 haben Sie auf die Kapitalzuführung von 200 Millionen DM im Jahre 1958 hingewiesen. Damals ist mein Haus davon ,ausgegangen, daß Sie
    — nämlich Herr Stücklen —
    gleichzeitig Maßnahmen zum Ausgleich der Betriebsrechnung einleiten. Alle Voraussetzungen für eine Gebührenerhöhung lagen damals vor. Sie haben jedoch die Ansicht vertreten, die Betriebsrechnung lasse sich auf längere Sicht auch ohne Gebührenerhöhung ausgleichen. Die von hier als kombinierte Maßnahme gedachte Kapitalzuführung und Gebührenerhöhung blieb daher wirkungslos.

    (der Entwicklung der Gebühren bei der Bundespost. Ich habe noch ein Blatt, das vom Herrn Bundespostminister Richard Stücklen selber herausgegeben wird. Das Blatt nennt sich „Christi" und erscheint ineiner großen Auflage; es bekommen lalle Bediensteten der Bundespost. In der .Septemberausgabe 1963 hat der Herr Bundespostminister einen Artikel geschrieben mit der Überschrift „Finanzlage der Post macht Sorgen". Ich bedaure außerordentlich, wegen der vorgerückten Zeit nicht die einzelnen Angaben hier wiederholen zu dürfen, die ein wirklich abgerundetes Bild über ,die sehr prekäre Finanzsituation der Bundespost ergeben würden. Aber ich darf die Schlußfolgerung, die der Herr Bundespostminister in dieser Nummer vom .September 1963 formuliert hat, vortragen. Der Herr Bundespostminister sagt: Mir scheint, die Zeit ist überreif, daß der Bund als Eigentümer der Post eine entsprechende Kapitalaufstockung durchführt. Wenn nicht in kürzester Zeit wirksame Maßnahmen ergriffen werden, wird das Unternehmen Post erheblichen Schaden erleiden. Die Investitionsmaßnahmen bei der Deutschen Bundespost sind keine Schönheitsreparaturen, sondern unverzichtbare Maßnahmen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit das Postund Fernmeldebetriebes. Schließlich liegt Deutschland nicht in einem entlegenen Gebiet der Welt, sondern im Herzen Europas, und ist das drittgrößte Industrieland der Welt. Ich finde, das ist mehr als ein Stoßseufzer. Ich finde, das ist eine Anklage gegen ,die Bundesregierung, eine Anklage, die Herrn Stücklen selber mit angeht, weil er in der Bundesregierung mit tätig ist. Nur sie kann angesprochen sein. Nur sie hat die Möglichkeit, hier zu helfen und die Maßnahmen einzuleiten, von denen auch der Herr Bundespostminister spricht. Es ist unzweifelhaft: hier rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit. Das beweisen gerade die beiden vorgetragenen Zitate. Nun hat der § 21 des Postverwaltungsgesetzes eine Rolle gespielt. Von demselben Kollegen, der mich gefragt hat, isst gefragt worden, ob nicht feststehe, daß dieses Gesetz 1953 auch mit den Stimmen der Sozialdemokraten beschlossen worden sei. Wir haben festgestellt, daß das der Fall ist; es spielt aber keine Rolle, weil wir mit diesem Gesetzgebungswerk eine neue Basis für die Arbeit der Bundespost sichern wollten, eine Basis unter Gesichtspunkten, wie sie damals üblich waren. Wir waren in den Anfängen unserer ganzen Gesetzgebungstätigkeit. Die Bundespost war nicht defizitär. Es war noch nicht zu erkennen, daß sie in den späteren Jahren defizitär werden könnte. Da ließ sich ein solches Gesetz mit einer solchen Formulierung des § 21 verabschieden. Aber es bleibt doch in einem demokratischen Staat die Aufgabe des Gesetzgebers, ein Gesetzgebungswerk einer neuen Situation anzupassen und nicht einfach vor der neuen Situation zu kapitulieren. Im Grunde genommen gehen Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, mit Ihrem Antrag auch einen solchen Weg. Den Vorwurf, den wir erheben müssen, ist eben der, daß Sie diesen Weg zu spät einschlagen, daß Sie sich nicht schon vor Jahren — spätestens bei der Gebührenerhöhung von 1963 — zu solchen neuen Erkenntnissen durchgerungen haben. Bei unserem heutigen Antrag handelt es sich nicht darum, daß wir eine finanzielle Neuordnung bei der Bundespost in allen Einzelheiten erörtern möchten. Wir wollen den Weg für eine Neuordnung nicht durch solche Entscheidungen verbauen, wie sie die Bundesregierung bei dieser Gebührenerhöhung vorgenommen hat. Der Herr Bundespostminister hat erklärt, wir hätten bei der SPD tüchtige Juristen. Das ist sicher richtig. Aber der Herr Bundespostminister darf nicht übersehen, daß die wenigen Juristen, die wir in unserer Fraktion haben, nicht dazu da sind, ihm und seinen Juristen die Arbeit abzunehmen. (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Aha! — Das ist schwach!)


    (Beifall bei der SPD.)

    Eine solche notwendige Novellierung vorzubereiten, ist doch Aufgabe der zuständigen Herren des Bundespostministeriums.

    (Abg. Schulhoff: Aber Sie wollen es doch anders haben!)

    Wir haben das auch in der Debatte am 16. April bei der Auseinandersetzung zwischen Herrn Stücklen und meinem Kollegen Bleiß erlebt. Man kann sich doch nicht dadurch aus der Affäre ziehen, daß man



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    sagt: Warum habt ihr nicht eine Änderung des Postverwaltungsgesetzes beantragt, warum habt ihr nicht eine Neubearbeitung des § 21 vorgenommen? Da kann ich nur das wiederholen, was ich am 25. Juni gesagt habe: Die SPD stellt noch nicht die Regierung, und so etwas zu tun, Ist in erster Linie Sache der Regierung und der sie tragenden Koalitionsparteien.

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie werden es auch noch kennenlernen, meine Damen und Herren von der Koalition, daß das Geschäft der Opposition nicht ganz einfach ist; daß wir uns nicht danach drängen, nun noch Sachen mitzumachen, die Sie aufgabengemäß erfüllen sollten, müssen Sie uns schließlich abnehmen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bevor ich zu dem Vorschlag, den Herr Kollege Erler gemacht hat, noch etwas sage, darf ich grundsätzlich einmal folgendes feststellen: Zu einer fortschrittlichen Wirtschaftspolitik gehört doch auch, daß die Bundesregierung eine klar erkennbare Strukturverschiebung in der Nachrichtenübermittlung von größter Bedeutung, nämlich vom Brief zum Telefon, fördert und nicht mit einer neuen Art von Luxussteuer belegt. Die Fachleute bei der Bundespost werden Ihnen bestätigen, daß das, was jetzt praktisch neu hereinkommt, wenn die Gebührenerhöhung so durchgeführt wird, nicht etwa dazu dient, Weiteres auf dem Gebiet der Technisierung und der Fortführung des Technisierungs- und Rationalisierungsprozesses zu tun; es soll einfach zum Ausgleich für fehlende Mittel herangezogen werden. Daß im Fernsprechdienst eine Kostenüberdeckung von 480 Millionen DM in diesem Jahr vorhanden ist, daß die Gebührenerhöhung auf ein Jahr umgerechnet gerade im Fernsprechdienst Mehreinnahmen von rund 780 Millionen DM erbringt, will ich der Vollständigkeit halber noch erwähnt haben.
    Sie können nicht bestreiten, daß man unter Kostengesichtspunkten sich eigentlich mit den Gebühren beschäftigen müßte, in deren Bereich das Defizit fällt. Aber daß in einem solchen Gebührenverbund, insbesondere bei einem Betrieb wie der Bundespost, gewisse Grenzen beachtet werden müßten, wissen wir alle.
    Nun ist vom Herrn Bundesfinanzminister ebenso wie von dem Herrn Kollegen Schmidt darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Postablieferung als Monopolabgabe und als Ausgleich für die Steuerfreiheit — der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt: 1931; der Herr Kollege Schmidt hat gesagt: 1924 — eingeführt worden sei. Wir wollen hier keine Untersuchung darüber vornehmen, inwieweit man öffentliche Dienste und öffentliche Dienstleistungen überhaupt mit Steuern versehen kann. Nur eines ist in einem solchen Zusammenhang doch festzuhalten: daß nämlich die Gemeinschaftsleistungen der öffentlichen Hand sich seit dem Jahre 1924 oder, wenn Sie wollen, seit dem Jahre 1931 völlig verändert haben, weil sich die Welt, in der wir leben, völlig verändert hat. Die Gemeinschaftsleistung der öffentlichen Hand in dieser heutigen Zeit ist eine Aufgabe von größerem Ausmaß, auch von einem
    größeren finanziellen Ausmaß als 1924 und 1931. Was wir an Leistungen, an Gemeinschaftsleistung der öffentlichen Hand erbringen, ist ja wohl letzten Endes für den Lebensstandard des einzelnen Bürgers ausschlaggebend.
    Nun ist der Vorschlag, den Herr Kollege Erler gemacht hat, auf Kritik gestoßen, unter anderem auch bei Herrn Kollegen Zoglmann. Nur ist dabei übersehen worden, daß wir uns wenigstens bemüht haben, einen Vorschlag zu machen, wie wir bis zur endgültigen Regelung dieser Gebührenfrage, wenn die Gebührenerhöhung also aufgehoben oder ausgesetzt wird, diese Durststrecke, will ich einmal sagen, hinter uns bringen. Wenn man den Antrag der FDP-Fraktion annimmt, dann wird die Gebührenerhöhung ausgesetzt, mindestens bis zum 31. Dezember 1964. Aber es ist nichts darüber gesagt worden, wie das auch dann vorhandene Defizit bei der Bundespost gedeckt werden soll. Das fällt besonders auf bei der Fraktion, die den Bundesfinanzminister stellt. Daß ich das sage, dürfen Sie mir insbesondere dann nicht übelnehmen, wenn Sie uns vorwerfen, daß wir uns um einen solchen Deckungsvorschlag bemüht haben. Er mag Ihnen nicht gefallen. Gut, darüber kann man reden. Aber daß wir uns den Kopf darüber zerbrochen haben, das zeugt von der Verantwortung, die jeder hier im Hause tragen muß. Ob er zur Koalition oder zur Opposition gehört, spielt dabei keine Rolle.

    (Beifall bei der SPD.)

    Hier sind die Zahlen. Ich darf sie noch einmal wiederholen. Für 1964 erwartet die Bundespost ein Defizit von 385 Millionen DM. Nun hat mein Kollege Erler darauf hingewiesen, daß der Bundesfinanzminister in einem noch vorzulegenden Nachtrag das Haushaltsdefizit des Bundes aus dem Jahre 1963 in Höhe von 512 Millionen DM in Ordnung bringen will. Wie, weiß ich nicht, weil ich die Vorlage noch nicht kenne, wahrscheinlich durch Minderausgaben, nehme ich an. Jedenfalls will er es in Ordnung bringen. Der Bundesfinanzminister will also das Defizit, das spätestens 1965 abgetragen sein soll, mit einem Nachtrag 1964 abtragen. Nun hat Herr Kollege Erler vorgeschlagen, von diesem verfügbaren Betrag von 512 Millionen DM 385 Millionen DM abzuzweigen, um das Defizit bei der Bundespost auszugleichen, bis wir uns — wahrscheinlich gemeinsam — zu einer Neuregelung bereit finden. Dann wären eben nur noch 127 Millionen DM aus dem Defizit des Haushaltsjahres 1963 bereits im Jahre 1964 abzutragen. Der Rest müßte im Jahre 1965 erledigt werden. Das war unsere Überlegung, über die man diskutieren kann. Aber wir von der Opposition sind im Gegensatz zu manchen anderen nicht rechthaberisch. Es kommt uns auf die Sache an. Es kommt uns auf ein gutes Ergebnis in der Sache an.
    Da könnte ich mir auch denken, daß Sie beispielsweise den Vorschlag akzeptieren, der sich aus der Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelstages in Ziffer 5 ergibt. Der Deutsche Industrie- und Handelstag sagt in dieser Ziffer 5:
    Die von der Bundesregierung beschlossene
    Sachverständigenkommission sollte ihre Tätig-



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    keit unverzüglich aufnehmen. Um ihren Arbeiten nicht vorzugreifen, sollte, sofern der Bundesfinanzminister keine Möglichkeit der Entlastung der Bundespost sieht, der für das Jahr 1964 erwartete Verlust letztmalig wie in den Vorjahren vom Eigenkapital abgebucht werden.
    Das ist ein anderer konstruktiver Vorschlag. Das Eigenkapital betrug bei der Bundespost Ende 1963 1,616 Milliarden DM. Wenn Sie auf Grund dieses Defizits noch einmal 385 Millionen DM abbuchen, bleiben 1,231 Milliarden DM. Da wir uns sicher alle im Hohen Hause darüber einig sind, daß zu den Sanierungsmaßnahmen eine ausreichende Ausstattung mit Eigenkapital gehört, wäre ein 'solches Vorgehen, wie es der Industrie- und Handelstag vorschlägt, sicherlich vertretbar. Das wäre also 'ein zweiter Vorschlag, der es Ihnen erleichtern könnte, unserem Antrag zuzustimmen.

    (Abg. Schulhoff: Würden Sie das auch in Ihrem eigenen Betrieb machen: den Verlust durch Eigenkapital decken?)

    — Das können Sie überhaupt nicht vergleichen.

    (Abg. Schulhoff: Sie würden die Gebühren erhöhen, die Versicherungsbeiträge, oder Sie wären ein schlechter Kaufmann!)

    — Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß in dem Wirtschaftszweig, in dem ich tätig bin, die Prämiensätze seitdem Jahre 1924 nicht erhöht worden sind, obwohl es sich um Dienstleistungsbetriebe handelt. Was das bedeutet, hat auch der Bundespostminister heute auseinandergesetzt, indem er auf den hohen Anteil der Personalkosten an den Gesamtaufwendungen zu sprechen kam. Das ist schon eine Aufgabe. Das ist nicht leicht. Aber keine Betriebsführung, ob in einem privaten oder in einem Betrieb der öffentlichen Hand, wird uns heute leicht gemacht. Man muß sich um die Lösung der Probleme nur bemühen und muß sie an der richtigen Stelle finden mit den Maßstäben, die ,angebracht und nützlich sind. Bei der Bundespost haben wir es mit einem Unternehmen zu tun, das gerade jetzt das Interesse der ganzen Öffentlichkeit und der Bürger in Anspruch nimmt.
    Herr Zoglmann hat noch einen Vergleich mit dem Postscheckdienst angestellt. Man kann diese Frage infolge der vorgerückten Zeit nicht weiter vertiefen. Aber, Herr Kollege Zoglmann, der Bundespostminister könnte Ihnen sagen, warum er bisher bei diesem Verfahren geblieben ist. Auch das wäre aufzugeben, wenn die Bundespost eine gesunde Finanzgrundlage hätte. Dann würde sie auf diesen Satz, der sich im Postscheckverkehr, in diesem Geldverkehr, niederschlägt, nicht angewiesen sein, um Finanzierungslücken auszufüllen.
    Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß es dem Hohen Hause möglich sein müßte, unter Beachtung dieser von mir noch einmal gemachten Vorschläge unserem Antrag zuzustimmen mit der Maßgabe, daß wir uns gemeinsam um eine Deckung des Postdefizits im Jahre 1964 bemühen, daß wir uns weiter bemühen, mit Hilfe der Sachverständigenkommission neue Grundlagen für eine finanzielle Neuordnung bei der Bundespost zu erarbeiten. Denn es stimmt ganz sicher eine Formulierung, die in dieser Auseinandersetzung Herr Kollege Strauß verwandt hat: Man kann den Entscheidungen nicht länger ausweichen. So erklärte Herr Strauß am 22. Juli. Man kann sie sicher nicht ersetzen, weder durch großspurige Protestankündigungen, die dann keine parlamentarische Resonanz finden, noch durch die dem Bundeskanzler von dem Herrn CSU-Vorsitzenden unterstellte Gesundbeterei.
    Wir möchten uns auf die Regierungserklärung vom 28. Oktober 1963 zurückziehen und Ihnen folgenden Satz aus dieser Regierungserklärung ins Gedächtnis rufen und Sie bitten, bei der Abstimmung an diesen Satz zu denken:
    Wenn es darum unverzichtbar ist, den Interessentengruppen die Grenzen ihrer Ansprüche deutlich zu machen, so erscheint das nur glaubhaft, wenn auch der Staat die rechten Maße zu setzen weiß.
    Um diese rechten Maße wollen wir uns in der heutigen Debatte und bei den heutigen Abstimmungen bemühen!

    (Beifall bei der SPD.)