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    Deutscher Bundestag 135. Sitzung Bonn, den 29. Juli 1964 Inhalt: Zur Tagesordnung Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6663 A Dr. Schäfer (SPD) 6663 B Dürr (FDP) 6663 B Nachruf auf den Abg. Lermer Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6663 C Glückwünsche zu ,den Geburtstagen der Abg. Dr. Gossel und Dr. Dr. Heinemann . 6665 B Antrag betr. Postgebührenerhöhúng (SPD) (Drucksache IV/2479) ; in Verbindung mit Antrag betr. Deutsche Bundespost (CDU/ CSU) (Drucksache IV/2491 [neu]); Antrag betr. Deutsche Bundespost (Abg. Gscheidle, Cramer und Fraktion der SPD) (Drucksache IV/2420) und Antrag betr. Gebührenerhöhung bei der Deutschen Bundespost (FDP) (IV/2492) Erler (SPD) 6665 C Stücklen, Bundesminister 6671 D Dr Dahlgrün, Bundesminister . . . 6678 D Dr. Schmidt (Wuppertal) (CDU/CSU) 6682 A Zoglmann (FDP) . . . . . . . . 6688 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 6690 B Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) . . . 6696 A Eisenmann (FDP) 6699 D Dr. Besold (CDU/CSU) 6702 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundeskanzler 6704 A Dr. Barzel (CDU/CSU) 6709 C Anlagen 6713 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6663 135. Sitzung Bonn, den 29. Juli 1964 Stenographischer Bericht Beginn: 15.02 Uhr
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    Berichtigungen Es ist zu lesen: 132. Sitzung Seite 6458 A Zeile 7 statt „Auftrag" : Antrag; 133. Sitzung Seite I rechte Spalte statt „Falle" : Faller; Seite III rechte Spalte Zeile 6 von unten statt „6579 A" : 6597 A; Seite 6589 D Zeile 18 statt „vor": von. Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Althammer 29. 7. Dr. Arndt (Berlin) 29.7. Bading 29.7. Dr.-Ing. Balke 29. 7. Balkenhol 29. 7. Bals 29. 7. Bauer (Würzburg) 29. 7. Bäumer 29. 7. Fürst von Bismarck 29. 7. Dr. Böhm (Frankfurt) 29. 7. Brand 29. 7. Dr. von Brentano 29. 7. Burckardt 29.7. Dr. Burgbacher 29. 7. Burgemeister 29. 7. Büttner 29. 7. Dr. Czaja 29.7. Dr. Dehler 29. 7. Deringer 29. 7. Dr. Eckhardt 29. 7. Dr. Even (Düsseldorf) 29. 7. Franke 29. 7. Dr. Fritz (Ludwigshafen) 29. 7. Dr. Furler 29. 7. Gehring 29. 7. Dr. Gerlich 29. 7. Gewandt 29. 7. Glüsing (Dithmarschen) 29. 7. Dr. Gossel 29.7. Dr. Götz 29. 7. Freiherr zu Guttenberg 29. 7. Dr. Hamm (Kaiserslautern) 29. 7. Hammersen 29. 7. Hansing 29. 7. Dr. Hellige 29. 7. Höhne 29. 7. Hufnagel 29.7. Dr. Imle 29. 7. Jacobi (Köln) 29. 7. Frau Jacobi (Marl) 29. 7. Jahn 29.7. Dr. h. c. Jaksch 29. 7. Kahn-Ackermann 29. 7. Frau Klee 29. 7. Klinker 29. 7. Dr. Koch 29. 7. Dr. Kopf 29. 7. Frau Krappe 29. 7. Kraus 29.7. Krug 29. 7. Dr. Krümmer 29. 7. Frau Dr. Kuchtner 29. 7. Kulawig 29. 7. Leicht 29. 7. Dr. Löhr 29. 7. Menke 29. 7. Dr. Meyer (Frankfurt) 29.7. Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Freiherr von Mühlen 29. 7. Müller (Erbendorf) 29. 7. Müller (Worms) 29. 7. Dr. Müller-Emmert 29. 7. Dr. Müller-Hermann 29. 7. Müser 29. 7. Neumann (Allensbach) 29. 7. Nieberg 29. 7. Dr. Nissen 29. 7. Dr. Dr. Oberländer 29. 7. Oetzel 29. 7. Opitz 29. 7. Frau Pitz-Savelsberg 29. 7. Dr. Ramminger 29. 7. Riegel (Göppingen) 29. 7. Ritzel 29. 7. Saxowski 29. 7. Dr. Schellenberg 29. 7. Schlee 29.7. Schlick 29.7. Dr. Schneider (Saarbrücken) 29. 7. Schoettle 29. 7. Dr. Starke 29. 7. Steinhoff 29. 7. Stingl 29. 7. Frau Strobel 29. 7. Struve 29. 7. Theis 29.7. Unertl 29. 7. Urban 29.7. Wegener 29. 7. Wehner 29. 7. Welke 29. 7. Werner 29. 7. Dr. Wilhelmi 29. 7. Dr. Wuermeling 29. 7. Ziegler 29. 7. b) Urlaubsanträge Dr. Harm (Hamburg) 31. 10. Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 26. Juni 1964 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 271. Sitzung am 26. Juni 1964 beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 4. Juni 1964 verabschiedeten Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (17. ÄndG LAG) 6714 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 gemäß Artikel 84 Abs. 1, 85 Abs. 1, 105 Abs. 3 und 120 a Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Im übrigen hat der Bundesrat die anliegende Entschließung angenommen. 1 Anlage Dr. Diederichs Bonn, den 26. Juni 1964 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 12. Juni 1964 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Diederichs Anlage zum Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 26. Juni 1964 an den Bundeskanzler Entschließung des Bundesrates zum Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (17. ÄndG LAG) Entgegen den ursprünglichen Erwartungen des Gesetzgebers, die in § 323 Abs. 1 LAG in seiner bisherigen Fassung ihren Niederschlag gefunden haben, ist die wohnungsmäßige Eingliederung der Geschädigten ebenso wie ihre berufliche Eingliederung in die Landwirtschaft sowie in die gewerbliche Wirtschaft und die freien Berufe bisher noch nicht abgeschlossen. Es besteht noch ein erheblicher Bedarf an Mitteln für Aufbaudarlehen, insbesondere für den Wohnungsbau und für die Landwirtschaft. Dieser Entwicklung wird die in § 323 Abs. 1 LAG in der bisherigen Fassung als Auslaufregelung angelegte scharfe Degression der Mittel nicht gerecht. Die vorgesehene zusätzliche Bereitstellung von 200 Mio DM für Aufbaudarlehen im Rechnungsjahr 1965 wird daher begrüßt. Sie entspricht einem dringenden Bedürfnis. Anlage 3 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 272. Sitzung am 10. Juli 1964 beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 24. Juni 1964 verabschiedeten Ersten Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Der Bundesrat hat weiterhin folgende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat ist der Auffassung, daß die geltenden Vorschriften über die Abfindungs- und Ergänzungsansprüche der weichenden Erben dringend einer Neuregelung bedürfen, da sie zu immer unbefriedigenderen Ergebnissen führen. Eine alsbaldige Verabschiedung auch dieses Teils des Gesetzentwurfs erscheint deshalb notwendig." Dr. Diederichs Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 26. Juni 1964 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Diederichs Anlage 4 Der Präsident des Bundesrates Abschrift Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Bundeskanzleramt Ich beehre mich mitzuteilen, daß der Bundesrat in seiner 272. Sitzung am 10. Juli 1964 beschlossen hat, hinsichtlich des vom Deutschen Bundestag am 26. Juni 1964 verabschiedeten Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1964 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1964) einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen. Ferner hat der Bundesrat die nachstehende Entschließung gefaßt: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung erneut, den Rationalisierungsbedürfnissen in bedrohten Wirtschaftsbereichen gesteigerte Aufmerksamkeit zu schenken, insbesondere im Hinblick auf den ERP-Wirtschaftsplan 1965 Maßnahmen zur Förderung dieses Anliegens zu treffen. Bei der in Aussicht stehenden Überarbeitung der Richtlinien über die Anwendung der Maßnahmen Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6715 zur Anpassung und Umstellung sollten die Länder beteiligt werden." Dr. Diederichs Bonn, den 10. Juli 1964 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Bundeshaus Vorstehende Abschrift wird mit Bezug auf das dortige Schreiben vom 26. Juni 1964 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Diederichs Anlage 5 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Bargatzky vom 26 .Juni 1964 auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Schwabe zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Biegler *). Tetanusantitoxin, das zur Serumbehandlung eines Krankheitsverdächtigen oder Erkrankten verwendet wird, ist bereits optimal gestreut. In den meisten Apotheken und Krankenhäusern und auch bei vielen Ärzten wird es auf Vorrat gehalten. Nötigenfalls kann es in kürzester Zeit über den Arzneimittelgroßhandel bezogen werden. Abgesehen hiervon läßt sich die Zahl der Erkrankungen und damit auch die der Todesfälle, wie bereits mündlich ausgeführt, dagegen weitgehend durch die Tetanusschutzimpfung verringern. Tetanusschutzimpfungen können sowohl in öffentlichen Impfterminen der Gesundheitsämter als auch in den Praxen der Ärzteschaft durchgeführt werden. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Lenz vom 2. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Kempfler (Drucksache IV/2386 Fragen Ill und I/2): Hält der Herr Bundesinnenminister das Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 985), das keinerlei Voraussetzungen statuiert, unter denen die Genehmigung zur Führung eines akademischen Grades einer ausländischen Hochschule erteilt werden muß, noch für vereinbar mit dem Grundgesetz oder hält er eine .baldige Novellierung für angebracht? Das Gesetz über die Führung akademischer Grade gilt nach Ansicht der Länder und nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 1960 als Landesrecht fort. Für den hier interessierenden § 2 des Gesetzes ist dies auch die Auffassung der Bundesregierung. Soweit ich übersehen kann, ist bisher die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 des Gesetzes nicht angezweifelt worden. Ihre Bedenken 1 Siehe 130. Sitzung Seite 6285 B nehme ich zum Anlaß, die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung mit den beteiligten Bundesressorts und den Kultusministern der Länder zu prüfen. Vom Ergebnis dieser Prüfung wird es abhängen, ob eine Novellierung des Gesetzes erforderlich ist. Ich werde Sie vom Ergebnis der Untersuchungen unterrichten. Hält es der Herr Bundesinnenminister angesichts der zunehmenden internationalen .Verflechtung auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet nicht ,für zweckmäßig, in Anwendung von § 2 Abs. 2 des in Frage I/1 genannten Gesetzes wenigstens für bestimmte ausländische Hochschulen (beispielsweise für solche europäischer Staaten oder der USA) eine Genehmigung hinsichtlich der akademischen Grade allgemein zu erteilen? Für die Erteilung einer allgemeinen Genehmigung sind die Kultusminister der Länder zuständig. Soweit ich informiert bin, haben diese bisher noch keine allgemeine Genehmigung zur Führung eines akademischen Grades erteilt. Ich teile Ihre Auffassung, daß angesichts der zunehmenden internationalen Verflechtung der Wissenschaft die Beantwortung der Frage, ob solche allgemeine Genehmigungen für bestimmte Hochschulen ausgesprochen werden sollten, einer sehr sorgfältigen Prüfung bedarf. Ich werde mich auch in dieser Angelegenheit mit den Kultusministern der Länder in Verbindung setzen, insbesondere auch wegen der Frage, inwieweit § 2 Abs. 2 des Gesetzes bei der Durchführung des Europäischen Abkommens über die Anerkennung von akademischen Graden und Hochschulzeugnissen, dem die Länder noch nicht zugestimmt haben, eine Rolle spielt. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Scheel vom 29. Juni 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bühler (Drucksache IV/2386 Frage II) : Hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit den Versuch unternommen, im Kabinett eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, daß begründete Forderungen von deutschen Bundesbürgern gegenüber ausländischen diplomatischen Vertretungen bei Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit berücksichtigt werden, nachdem er vor einem Jahr an Hand des Falles Kolbach/Korea die Notwendigkeit einer derartigen Regelung erkannt und bejaht hatte? Vorweg darf ich bemerken, daß es sich bei der Fragenstellung offensichtlich um ein Mißverständnis handeln dürfte. Bei unserer persönlichen Unterredung am 3. 7. 1963 über den Fall der Eheleute Kollbach habe ich eingehend meine Bedenken gegen eine Verquickung privatrechtlicher Ansprüche einzelner deutscher Staatsbürger mit den Entwicklungshilfeleistungen der BRD dargelegt. Ich habe insbesondere die Möglichkeit einer Aufrechnung der Ansprüche des Ehepaares Kollbach gegen die von der BRD an Korea zugesagte Kapitalhilfe bereits aus rechtlichen Gründen verneinen müssen. Ich habe aber zugesagt, mich wegen einer gütlichen Bereinigung des Falles bei dem für diese Angelegenheit zuständigen Bundesminister des Auswärtigen zu verwenden. In diesem Zusammenhang hatten sie um Prüfung gebeten, ob nicht in derartigen Fällen die Entwicklungshilfe an das betreffende Entwicklungsland eingestellt werden sollte. 6716 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 Vereinbarungsgemäß habe ich mich mit Schreiben vom 9. 7. 1963, das ich Ihnen abschriftlich übersandt habe, bei dieser Prüfung auch an den Herrn Bundesminister des Auswärtigen gewandt. Die Stellungnahme des Herrn Bundesministers des Auswärtigen hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit Ihnen mit Schreiben vom 9. 8. 1963 mitgeteilt. In einem Schreiben vom 16. 10. 1963 an Sie hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen auch nochmals zu der Frage einer Berücksichtigung privatrechtlicher Ansprüche einzelner deutscher Staatsbürger bei den Entwicklungshilfeleistungen der BRD Stellung genommen. Diese Stellungnahme deckt sich mit meiner Auffassung. Anlage 8 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 16. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Freyh (Frankfurt) (Drucksache IV/2386 Frage IV/8 und IV/9) : Welche Stellung nimmt die 'Bundesregierung zu Zeitungsmeldungen ein, nach denen die Zahl der Kindesmißhandlungen ansteigt? Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, Kindesmißhandlungen zu begegnen, indem sie beispielsweise die Bevölkerung darauf hinweist, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten? Nachdem sich inzwischen auch die Länder Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf meine Anfragegeäußert 'haben, ob die Zahl der Kindesmißhandlungen in ihrem Bereich angestiegen ist, (Frage IV/8) darf ich Ihnen nachstehend die Antworten mitteilen. Berlin: Die Zahl der Fälle von Kindesmißhandlungen zeigt eine steigende Tendenz. Das Land Berlin führt die zahlenmäßige Zunahme jedoch nicht auf eine Steigerung dieser Kriminalität, sondern auf die verstärkte Einschaltung ,der Kriminalpolizei durch die Fürsorgebehörden und auf die dadurch bewirkte Verminderung der Dunkelziffer bei diesen Straftaten zurück (unter Dunkelziffer versteht man 'diejenigen Fälle, die Iden Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt werden). Nordrhein-Westfalen: Exakte oder annähernde statistische Werte über Fälle von Kindesmißhandlung liegen bei den Polizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen nicht vor. Die „polizeiliche Kriminalstatistik" erfaßt diese Kriminalität nicht besonders. Örtliche spezielle Statistiken hierüber werden in Nordrhein-Westfalen nicht geführt. Die .einzelnen Ermittlungsverfahren bei den Polizeibehörden vermitteln kein vollständiges Bild über die zahlenmäßigen Bewegungen der Kindesmißhandlung der letzten Jahre in den einzelnen nordrhein-westfälischen Großstädten. Dementsprechend sind auch Zeitungsmeldungen über einzelne Ermittlungs- oder durchgeführte Strafverfahren kaum eine geeignete Grundlage für eine •entsprechende Beurteilung. Niedersachsen: Laut Mitteilung ides Niedersächsischen Kultusministers ist nach den in den letzten drei Jahren den Polizeidienststellen in Niedersachsen bekannt gewordenen Fällen von Kindesmißhandlungen ein Ansteigen nicht festzustellen. Zu beobachten Ist allerdings, daß die Tageszeitungen häufiger über diese Delikte berichten. In Verwirklichung meiner Absicht, den Ländern und dem Deutschen Kinderschutzbund zu empfehlen, die Bevölkerung in geeigneter Weise auf die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung bei Kindesmißhandlungen hinzuweisen (Frage IV/9), habe ich folgendes Schreiben an die Herren Innenminister (-senatoren) der Länder gerichtet und den Deutschen Kinderschutzbund in gleichem Sinne informiert: „Frau Bundestagsabgeordnete Brigitte Freyh hat im Zusammenhang mit einer Anfrage über das Ansteigen der Zahl der Kindesmißhandlungen in einer Fragestunde um Auskunft gebeten, ob die Bundesregierung Möglichkeiten sehe, Kindesmißhandlungen zu begegnen, indem sie beispielsweise die Bevölkerung darauf hinweist, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten. Ich habe die Anfrage wie 'folgt beantwortet: „Die Bundesregierung sieht solche Möglichkeiten vor allem darin, den Ländern und dem Deutschen Kinderschutzbund zu empfehlen, die Bevölkerung in geeigneter Weise auf die Notwendigkeit der Anzeigeerstattung bei Kindesmißhandlungen hinzuweisen. Das ist das einzige Mittel, über das der Bund verfügt." Ich wäre dankbar, wenn Sie dieser Empfehlung in geeigneter Weise entsprechen würden." Ich darf annehmen, daß damit Ihrem Anliegen entsprochen worden ist. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl vom 25. Juni 1964 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeordneten Frau Dr. Hubert (Drucksache IV/2386 Fragen IV/13 und IV/14) : Welche Erkenntnisse hat der 6tägige Bunkertest mit einer ausgewählten Personengruppe gegenüber den im letzten Weltkrieg gemachten Erfahrungen an Gesunden und Kranken, die zum Teil weit länger in Bunkern zugebracht haben, ergeben? Das Ergebnis der Erkenntnisse aus dem sechstägigen Bunkertest in Dortmund kann nach Mitteilung des Bundesamtes für zivilen Bevölkerungsschutz erst nach 2-3 Monaten vorgelegt werden. Diese Frist ist notwendig, um alle Ergebnisse der Beobachtungen und Untersuchungen, die vom Personal des Bun- Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6717 desamtes für zivilen Bevölkerungsschutz und von besonderen für diesen Test geworbenen freien Wissenschaftlern gesammelt und gewonnen wurden, wissenschaftlich und statistisch zu verarbeiten und auszuwerten. Die Bundesregierung ist bereit, Mitgliedern des Bundestages ein Exemplar des Abschlußberichtes zur Verfügung zu stellen. In welcher Weise hat die Bundesregierung sich bisher die im letzten Weltkrieg gemachten Erfahrungen über die Verhaltensweise und die körperlichen Reaktionen der Menschen auf den langen Bunker-Aufenthalt zunutze gemacht? In dem vorbezeichneten Abschlußbericht werden auch Erfahrungen über Verhaltensweise und körperliche Reaktion von Menschen während langer Bunkeraufenthalte aus dem Zweiten Weltkrieg berücksichtigt werden, soweit wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Bemerkt sei, daß die vorliegenden amerikanischen Erkenntnisse zu dieser Frage bei der Aufstellung des Programms für den Bunkertest in Dortmund berücksichtigt worden sind. Anlage 10 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Schmidt (Offenbach) (Drucksache IV/2386 Frage XIV/4) : In welcher Form wird die Bundesregierung im Entwurf der Bestallungsordnung für Ärzte die Bedeutung der Arbeitsmedizin für die Ausbildung der Medizinstudenten berücksichtigen? Der Referentenentwurf der Bestallungsordnung für Ärzte sieht vor, daß der Kandidat der Medizin bei der Meldung zur ärztlichen Prüfung nachzuweisen hat, daß er eine Pflichtvorlesung über Arbeitsmedizin gehört hat. Diese Regelung entspricht der Vorschrift in der schon jetzt geltenden Bestallungsordnung. Im Rahmen der Prüfung des Faches Hygiene soll die Arbeitsmedizin jedoch nicht nur mündlich — wie bisher —, sondern auch schriftlich geprüft werden. Die Prüfung in Arbeitsmedizin soll sich auf das gesamte Gebiet der Arbeitsmedizin unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitshygiene und der Berufskrankheiten erstrecken. Anlage 11 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Tamblé (Drucksache IV/2386 Fragen XIV/5, XIV/6 und XIV/7) : Welche Gründe haben die Bundesregierung bisher davon abgehalten, die nach dem bereits im Jahre 1952 verkündeten Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde zu erlassende Gebührenordnung für Zahnärzte vorzulegen? Hält die Bundesregierung es für vertretbar, den durch die einstimmige Verabschiedung des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde zum Ausdruck gebrachten Willen des Parlaments, die völlig veraltete durch eine den Erfordernissen der modernen Zahnheilkunde entsprechende neue Gebührenordnung zu ersetzen, fast 12 Jahre zu ignorieren? Wann gedenkt die Bundesregierung die in Frage XIV/5 genannte Gebührenordnung nunmehr vorzulegen? Eine völlig neue Gebührenordnung für Zahnärzte mit Hunderten von Positionen, die dem wissenschaftlichen Stand der Zahnheilkunde entsprechen und zugleich den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung tragen soll, bedarf umfangreicher Erhebungen und gründlicher Beratungen mit allen Beteiligten. Der von der Zahnärzteschaft erarbeitete Vorschlag für eine neue zahnärztliche Gebührenordnung ist im Jahre 1958 dem Bundesminister des Innern vorgelegt worden. Nach Verhandlungen mit den beteiligten Ressorts und den Stellungnahmen von Krankenkassenverbänden ergab sich die Notwendigkeit, genauere statistische Unterlagen zu gewinnen. In den Jahren 1961 und 1962 wurde der inzwischen überarbeitete Entwurf von einem durch das Bundesministerium für Gesundheitswesen einberufenen Sachverständigenausschuß aus den Kreisen der Zahnärzte, der Sozialversicherung und der Sozialhilfe in allen Einzelheiten beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen machte weitere Verhandlungen mit der Zahnärzteschaft erforderlich, die erst im April 1964 vorläufig abgeschlossen werden konnten. Der Referentenentwurf ist nunmehr fertiggestellt. Er wird in Kürze mit den beteiligten Stellen abschließend beraten werden, und ich habe die Hoffnung, daß ich ihn nach der Sommerpause dem Bundesrat zuleiten kann. Anlage 12 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Dr. Schröder vom 26. Juni 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lang (München) (Drucksache IV/2399 Frage I) : Ist es richtig, daß die Dokumentation über die jugoslawischen Kriegsverbrechen an deutschen Kriegsgefangenen nur in den Fachbibliotheken eingesehen werden kann und nicht in Buchhandlungen käuflich ist? Das Dokumentationswerk zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien 1941-1949 wird in Kürze auch in Buchhandlungen erhältlich sein. Anlage 13 Schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs Dr. Langer vom 26. Juni 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache IV/2399 Frage III) : Welche Stellen der Bundesregierung beobachten den Fortschritt der Automation in der Industrie und die mit ihr zusammenhängende, unvermeidliche drastische Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Struktur unserer Volkswirtschaft mit dem Ziel, ein Frühwarnsystem für drohende Wandlungen in der Gesellschaft zu schaffen, die eine Vielzahl von berufstätigen Menschen um ihren Arbeitsplatz bringen können? Die bisherige Entwicklung in der Bundesrepublik erlaubt es nach Auffassung der Bundesregierung 6718 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 nicht, von einer „drastischen Veränderung" der wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Volkswirtschaft als Folge der Automation zu sprechen. Die vermehrte Automatisierung von Produktions-, Verteilungs- und Verwaltungsabläufen ist nur eine der zahlreichen Formen des technischen Fortschritts, die zur Rationalisierung des Arbeitsprozesses nutzbar gemacht werden. Angesichts des kräftigen wirtschaftlichen Wachstums ergeben sich hieraus z. Z. keine besonderen wirtschaftspolitischen Probleme. Wegen der Knappheit an Arbeitskräften ist eine verstärkte Automation sogar erwünscht. Gleichwohl hält es die Bundesregierung für nützlich, die sich aus der Automation ergebenden tatsächlichen und möglichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu klären. Ein im Bundeswirtschaftsministerium bestehender Arbeitskreis beschäftigt sich mit den möglichen Auswirkungen der Automation auf die wirtschaftliche und soziale Struktur, den Konjunkturverlauf, die Beschäftigungslage und die sich daraus ergebenden neuen Erfordernisse beruflicher Aus- und Fortbildung. Dabei wird auch geprüft, wie der Stand und die weitere Entwicklung der Automation besser festgestellt werden können. Anlage 14 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Blank vom 14. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Matthöfer (Drucksache IV/2399 Fragen V/1, V/2 und V/3) : Welchen Beschränkungen unterliegen türkische Arbeiter nach den geltenden Verträgen und Vorschriften, wenn sie in Nordrhein-Westfalen ihren Arbeitsplatz wechseln? Türkische Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik Deutschland eine unselbständige Beschäftigung ausüben wollen, benötigen — wie alle nichtdeutschen Arbeitnehmer — eine Arbeitserlaubnis des zuständigen Arbeitsamtes. Sie wird zur Ausübung einer bestimmten beruflichen Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb längstens für die Dauer eines Jahres erteilt. Ausländische Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz wechseln wollen, bedürfen einer neuen Arbeitserlaubnis für einen neuen Arbeitgeber. Diese wird ihnen bei der derzeitigen Lage des Arbeitsmarktes in der Regel erteilt, wenn sie ihr Arbeitsverhältnis im Einvernehmen mit ihrem Arbeitgeber gelöst oder unter Einhaltung der nach ihrem Arbeitsvertrag vorgesehenen Frist gekündigt haben oder wenn ein von vornherein befristeter Arbeitsvertrag ausgelaufen ist. Ausländische Arbeitnehmer, die unter Bruch ihres Arbeitsvertrages ihren Arbeitsplatz aufgeben, erhalten keine Arbeitserlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung in einem anderen Betrieb. Zur fristlosen Auflösung seines Arbeitsverhältnisses ist der ausländische Arbeitnehmer nur berechtigt, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, entscheiden im Streitfall die Arbeitsgerichte. Wenn ein ausländischer Arbeitnehmer zwei Jahre in derselben Berufsgruppe erlaubt beschäftigt gewesen ist, erhält er eine Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf einen bestimmten Betrieb. Ein Ausländer, dem eine solche Arbeitserlaubnis erteilt worden ist, kann innerhalb ihrer Geltungsdauer ohne Zustimmung des Arbeitsamtes eine gleichartige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufnehmen. Nach 5jähriger ununterbrochener Beschäftigung im Bundesgebiet erwirbt ein Ausländer einen Rechtsanspruch auf eine Arbeitserlaubnis mit einer 3jährigen Geltungsdauer für eine Tätigkeit nach seiner Wahl. Das gleiche gilt, wenn sich ein ausländischer Arbeitnehmer mindestens acht Jahre ohne Unterbrechung rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Aus der deutsch-türkischen Artwerbevereinbarung und dem dieser Vereinbarung beigefügten Musterarbeitsvertrag ergibt sich keine abweichende Regelung. Wie hoch sind die zusätzlichen finanziellen Belastungen eines Arbeitgebers in Nordrhein-Westfalen, der statt deutschen Arbeitern türkische beschäftigt (für Anfahrt, Dolmetscher, Unterbringung, Anlernzeit usw.) ? Bei der Anwerbung türkischer Arbeitnehmer durch die Verbindungsstelle der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Türkei entstehen dem Arbeitgeber Kosten in Höhe von 150 DM je Arbeitskraft, die er bei Einreichung des Vermittlungsauftrages an das zuständige Arbeitsamt entrichten muß. Dieser Betrag dient hauptsächlich zur Deckung der Reisekosten und der Reiseverpflegung. Türkischen Arbeitnehmern, die ohne Inanspruchnahme der Verbindungsstelle der Bundesanstalt ins Bundesgebiet einreisen, um eine Arbeit aufzunehmen, erstatten ihre Arbeitgeber die Reisekosten vielfach freiwillig oder auf Grund besonderer Vereinbarung. Bei der Anwerbung türkischer Arbeitnehmer entstehen den Arbeitgebern vielfach Aufwendungen durch Reisen von Firmenbeauftragten in die Türkei. Nach der Arbeitsaufnahme der türkischen Arbeitnehmer verursacht ihre Betreuung und Beratung (z. B. im Verkehr mit den Behörden) laufende Kosten, deren Höhe sich kaum beziffern läßt. Hierzu gehören auch die Aufwendungen für die Bereitstellung von Dolmetschern, die etwa 10 DM monatlich je Arbeitnehmer betragen, wenn man auf 100 türkische Arbeitnehmer einen Dolmetscher rechnet. Allgemeingültige Unterlagen über die Kosten der Einarbeitung am Arbeitsplatz liegen nicht vor. Nach Angaben eines in Nordrhein-Westfalen ansässigen Betriebes, der eine große Zahl türkischer Arbeitnehmer beschäftigt, betragen sie je nach Art der Arbeit 200-1000 DM für jeden Arbeitnehmer. Ferner entstehen den Betrieben zusätzliche Belastungen bei der Unterbringung der türkischen Arbeitnehmer in Werksheimen. Sie betragen nach den Erfahrungen des erwähnten Betriebes etwa 30 DM monatlich mehr als bei deutschen Betriebsangehörigen. Wie oft wechseln türkische Arbeiter den Arbeitsplatz? Die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat über den Arbeitsplatzwechsel ausländischer Arbeitnehmer in der Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 135. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. Juli 1964 6719 Bundesrepublik eine besondere Erhebung angestellt. Danach haben in der Zeit vom 1. Februar 1963 bis 31. Januar 1964 von rd. 48 800 .beschäftigten türkischen Arbeitern etwas mehr als 20 % ihren Arbeitsplatz gewechselt, und zwar 67 % hiervon einmal, 22 % zweimal und 11 % dreimal und häufiger. Mit diesen rd. 20 % Arbeitsplatzwechslern liegen die türkischen Arbeitnehmer um etwa 4,5 % unter dem durchschnittlichen Fluktuationsgrad der Ausländer, die aus den Anwerbeländern Italien, Griechenland und Spanien stammen. Anlage 15 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordneten Dr. Pohlenz (Drucksache IV/2399 Fragen VII/1, VII/2 und VII/3): War die Aufstellung von zwei neuen Kupolöfen bei der Fa. WESMAG, Eisengießerei, Wesel, im Herbst vergangenen Jahres genehmigungspflichtig und ist diese .Genehmigung erteilt worden? Nach einer Auskunft des Arbeits- und Sozialministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen sind bei der Firma WESMAG, Eisengießerei in Wesel, im Herbst vergangenen Jahres keine neuen Kupolöfen aufgestellt worden. Ein genehmigungspflichtiger Tatbestand hat deshalb nicht vorgelegen. Ist es nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erlaubt, daß gesundheitsschädliche Abgase aus Kaminen abgeleitet werden, die nur die Höhe normaler Wohnhäuser haben? Nach der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft", der vom Bundesrat am 26. Juni 1964 mit einigen Änderungen zugestimmt wurde, werden für Anlagen, bei denen ein Schornstein zur Verteilung der Emission erforderlich ist, Schornsteinmindesthöhen festgelegt. Die Höhe der Schornsteine richtet sich nach den Immissionsverhältnissen im einzelnen Fall. Welche wirksamen Maßnahmen sind von dem ,Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt der Stadt Duisburg seit Oktober 1963 getroffen worden, um die Anwohnerschaft der Fa. WESMAG gesundheitlich vor den giftigen Abgasen zu schützen? Das Gewerbeaufsichtsamt in Duisburg hat im Rahmen eines vom Land Nordrhein-Westfalen für Eisengießereien aufgestellten Verbesserungsprogramms der Firma WESMAG zur Auflage gemacht, die vorhandenen Entstaubungseinrichtungen zu verbessern, bzw. durch Einbau von Filtern die Emission zu verringern. Das hierfür erforderliche Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 16 Schriftliche Antwort der Frau Bundesminister Dr. Schwarzhaupt vom 6. Juli 1964 auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dröscher (Drucksache IV/2399 Frage VII/4) : Was tut die Bundesregierung, um den Unfallrettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes auf den öffentlichen Straßen in einen den heutigen technischen Möglichkeiten entsprechenden Stand zu versetzen? Ich darf Bezug nehmen auf die 100. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. Dezember 1963, in der mein Kollege, Herr Dr. Seebohm, zur Aufgabe und Organisation der Unfallhilfsstellen Stellung genommen hat. Die Bundesregierung fördert zahlreiche Maßnahmen des DRK. Unter anderem wird aus diesen Mitteln die Einrichtung und Unterhaltung von stationären Unfallhilfsstellen ermöglicht. Neben der Aufgabe, Unfallmeldungen anzunehmen und an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, müssen diese zu einer wirksamen Leistung Erster Hilfe befähigt sein. Um die heutigen technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen, wird die Ergänzung durch Beatmungs-, Absaugegeräte und Blutersatzmittel, den jeweiligen finanziellen Mitteln entsprechend, angestrebt. Außer diesen sogenannten stationären Unfallhilfsstellen bemühen sich die Organisationen (neben dem DRK auch der Johanniter-, Malteser- und Arbeitssamariterdienst sowie die Feuerwehr und der Luftschutzhilfsdienst) den Krankentransport-Unfallrettungsdienst auf den neuesten Stand zu bringen. Dazu gehört die Verwirklichung der Mindestanforderungen in bezug auf die Größe und Ausstattung der Kraftwagen und auf die medizinischen Einrichtungen der Transportwagen, sowie deren Ausstattung mit Funkgeräten. Seit mehreren Jahren sind Arzteinsatzwagen in der Erprobung, so im Raum Heidelberg unter Leitung von Prof. K. H. Bauer; dieser Wagen konnte aus Mitteln der Berufsgenossenschaft zur Verfügung gestellt werden. In Köln wurde ein Arzteinsatzwagen aus Mitteln eines Autowerkes beschafft und unter der Leitung von Prof. Hofmann erprobt. In Zusammenarbeit zwischen dem Bundesverkehrsministerium, dem Deutschen Roten Kreuz und dem HUK-Verband sollen weitere Wagen in Murnau, Essen, Freiburg und Göttingen eingesetzt werden. Eine besondere Initiative hat die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen gezeigt. Dort laufen zur Zeit 6 Arzteinsatzwagen zur Erprobung. Außerdem stehen zwei große Arzteinsatzwagen abrufbereit; einer beim DRK in Bonn, und einer beim DRK Landesverband in Düsseldorf. Die Aufgabe der Arzteinsatzwagen ist, den Verletzten erste Hilfe zu geben, sie transportfähig zu machen und für die Operation im Krankenhaus vorzubereiten. Die bisher gewonnenen Erfahrungen sind gut. Viele Todesfälle konnten durch den Einsatz dieser Wagen vermieden werden. Nach dem Grundgesetz sind die Länder für den Rettungsdienst zuständig. Der Bund muß sich darauf beschränken, neben der Unterstützung des Deutschen Roten Kreuzes und der karitativen Verbände auf Grund der gewonnenen Erfahrungen Empfehlungen über die Mindestausstattungen auszusprechen. Die Antwort ergeht im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

    (Zuruf von der SPD: Spät kommt er!)

    Ich möchte nicht auf !die Vordergründe bzw. Hintergründe oder, besser gesagt, die sehr vordergründigen Hintergründe zu sprechen kommen,

    (Zuruf von der SPD: Das ist aber ein Witz!)

    die heute diese Debatte ausgelöst haben. Ich habe auch nicht die Absicht, zur Sache zu sprechen. Mir geht es vielmehr darum, nicht wieder einmal eine neue Dolchstoßlegende entstehen )zu lassen. Sie Herr Kollege Erler, waren der einzige, der diese Diskussion mit dem Blick auf die Wahlen geführt hat, indem Sie meiner Fraktion und der Koalition vorgeworfen haben, daß unsere Anträge, z. B. die auf Steuersenkung, nur wahlpolitischer Taktik entsprungen seien.
    Immerhin muß ich ihnen dazu sagen: Die Bundesregierung hat sich entgegen der Haltung ihrer eigenen Fraktion nicht gescheut, auf dem Postsektor die notwendigen Verbesserungen, das heißt Gebührenerhöhungen zum Ausgleich des Defizits bei der Bundespost, vorzunehmen und dazu zu stehen, weil es eine zu billige Propaganda wäre, sich dieser Verpflichtung zu entziehen.
    Aber Sie haben sich charakteristischerweise so köstlich amüsiert, als Kollege Schmidt vom Maßhalten sprach.

    (Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, Sie werden das jetzt von mir noch öfter zu hören bekommen. Es ist für mich geradezu eine Aufmunterung, daß das für Sie ein so erheiterndes Gespräch ist, wenn auf die Notwendigkeit des Maßhaltens hingewiesen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Sie sagten, daß die Glaubwürdigkeit in meine Preispolitik verlorengehe. Ich weiß ja doch, was so in der Öffentlichkeit herumgestreut wird; „Der ,Maßhaltekanzler' hat jetzt bei den Telefongebühren eine Gelegenheit gehabt, Maß zu halten; aber da hat er versagt." Wie liegen die Dinge in Wirklichkeit? Das ist nämlich die Dolchstoßlegende! Wie oft habe ich hier in diesem Hohen Hause gesagt, wie notwendig es ist, daß wir das Mehr, das wir von einem Jahr auf das andere erarbeiten, wie z. B. 5 % Steigerung des Bruttosozialproduktes, einigermaßen sinnvoll unter die Leute bringen, daß wir den rechten Gebrauch davon machen, sei es durch die Steigerung des individuellen Einkommens, der rechten Dosierung von Investitionen oder sei es in der Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben!
    Das Sozialprodukt wird im Jahre 1964 rund 400 Milliarden DM ausmachen. Wenn wir realiter einen Zuwachs von 5 % erwarten, dann heißt das also, daß wir im Jahre 1965 20 Milliarden DM mehr für alle diese Zwecke zusammen zur Verfügung haben:
    Steigerung des individuellen Konsums, die Ausgaben des Bundeshaushalts, überhaupt der öffentlichen Hand schlechthin, soweit sie sich nicht wieder in Einkommen niederschlagen, vor allen Dingen auch alle Investitionen, die notwendig sind, um uns in der Welt behaupten zu können.
    Wenn ich davon ausgehe, daß das Masseneinkommen im Jahre 1964 200 Milliarden DM ausmacht, das ganze deutsche Volkseinkommen 305 Milliarden DM beträgt und wir mit einem Zuwachskoeffizienten von 6% rechnen, dann bedeutet das allein, daß auf die Mehrung des privaten Einkommens 18 Milliarden DM entfallen und dann noch 2 Milliarden DM für die anderen Dinge übrigbleiben.
    Was will ich damit sagen? Ich möchte damit sagen, was ich auch hier wiederholt ausgeführt habe: Wenn wir eine Politik treiben, in der z. B. die Tarifpartner je nach dem Produktivitätsgrad ihres eigenen Wirtschaftsbereichs für sich selbst alles herausholen, was überhaupt denkbar ist, dann bleibt eben für jene Bereiche, in denen Fortschritte durch Rationalisierung oder hinsichtlich der Produktivität nicht oder nur in geringem Maße zu erzielen sind — wie in den Verwaltungen oder auch bei der Bundespost —, nichts mehr übrig. Aber man wird den dort tätigen Menschen nicht zumuten können, daß sie auf der Stelle treten. Das bedeutet dann eben, daß z. B. bei der Bundespost die Gebühren zwangsläufig erhöht werden müssen. Sie wären nur dann zu halten, wenn die Tarifpartner im einzelnen von ihren Ansprüchen an das Sozialprodukt einen sparsameren Gebrauch machten, um auch die mitkommen zu lassen, die an einer weniger begünstigten Stelle sitzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Eher werden wir mit diesem Problem nicht fertigwerden.
    Wenn Sie aber glaubten, damit heute den Wahlkampf eröffnen zu können, von mir aus können Sie das haben.

    (Abg. Dr. Barzel: Sehr gut!)

    Aber glauben Sie nicht, daß ich diese billige Propaganda mitmache! Nein, ich werde alles an notwendiger Aufklärung tun, ja in Zukunft noch mehr, weil mir gerade dieses Haushaltsbeispiel gezeigt hat, wie notwendig es ist, dem deutschen Volk in all seinen Schichten die Zusammenhänge noch klarer vor Augen zu führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Das deutsche Volk ist viel zu rechtschaffen, als daß es nicht bereit wäre, diese Wahrheit aufzunehmen und dementsprechend zu handeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Es ist nur schade, wenn die Führung nicht von diesem Hohen Hause und von der Bundesregierung ausgeht, sondern wenn wir an den gesunden Menschenverstand des deutschen Volkes appellieren müssen.
    Meine Damen und Herren, Defizit ist Defizit, und wenn Sie von der Möglichkeit der Vermeidung von



    Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard Gebührenerhöhungen sprechen, dann ist das — was soll ich sagen? — eigentlich Augenwischerei. Sie können Defizite vor sich herschieben, Sie können alle Finanzkunststücke hier anwenden, aber Sie bringen das Defizit nicht weg. Und welche Möglichkeiten gibt es außer der Gebührenerhöhung, die ja auch vom Postverwaltungsrat beschlossen worden ist? Dann gibt es entweder die Möglichkeit, den Haushalt für das Jahr 1965 noch einmal, um den Defizitbetrag, aufzustocken. Das wären also für das Jahr 1965 rund 800 Millionen DM. Das ist eine bare Unmöglichkeit; denn abgesehen von der Verantwortung, die Stabilität aufrechtzuerhalten und nicht von der Haushaltsseite aus inflationäre Bewegungen entstehen zu lassen, haben wir uns auch in Europa vor der Kommission in Brüssel verpflichtet, diese Disziplin zu üben, und die Bundesregierung kann nicht als erste davon abspringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein Erhöhung des Bundeshaushalts ist also nicht möglich. Dann bliebe nur die Alternative, von dem Haushaltsansatz von 63,9 Milliarden DM 800 Millionen DM abzustreichen. Ich weiß um die innere Struktur dieses Bundeshaushalts, und ich hoffe, Sie wissen es auch. Sie mahnen uns ja immer, die Gemeinschaftsaufgaben, die Gemeinschaftsleistungen, von denen auch Kollege Möller sprach, besser zu erfüllen. Was ist denn in diesem Haushalt an Gemeinschaftsleistungen überhaupt noch möglich?
    Um jetzt aber einmal in Mark und Pfennig zu sprechen: Sie tun wirklich so, als wenn durch diese Gebührenerhöhung die Welt unterginge. Sie macht im ganzen 780 Millionen DM aus. Davon entfallen — jetzt nicht in Prozenten ausgedrückt, die besagen ja nichts — auf die gewerbliche Wirtschaft und die selbständigen Berufe 637 Millionen DM, und dies bei einem Sozialprodukt von 400 Milliarden DM, bei einem Umsatz der Industrie, des Handels und des Handwerks allein von rund 800 Milliarden DM. Da wollen Sie mir vorrechnen, daß diese 637 Millionen DM, die zudem noch in die Kostenrechnung eingehen und gewinnmindernd wirken, zwangsläufig und unter allen Umständen zu einer Preissteigerung führen müßten. Sie lehnen diesen Grundsatz ab, wenn z. B. die Löhne und Gehälter bei einem Masseneinkommen von 200 Milliarden DM um 6 % steigen. Von diesen 12 Milliarden DM soll und kann nach Ihrer Auffassung keine solche Wirkung ausgehen. Wenn die Steigerungen im Rahmen der Produktivität bleiben, ist das auch richtig, wie ich ausdrücklich zugebe. Aber dann können Sie nicht unbedingt sagen, daß diese 637 Millionen DM, die eben als Folge einer falschen Politik die Wirtschaft belasten, unter allen Umständen preissteigernd wirken müßten.
    Nein, meine Damen und Herren. Praktisch gäbe es zur Vermeidung der Gebührenerhöhung nur die Möglichkeit, den Haushalt zu begrenzen, d. h. von den Ausgaben von 63,9 Milliarden DM 800 Millionen DM zur Deckung des Defizits abzuzweigen. Wo aber sollen die herkommen? frage ich Sie noch einmal. Sie wissen genau, in wie hohem Umfang der Haushalt durch gesetzliche Ausgaben gebunden ist. Sie
    wissen aus dem Haushaltsausschuß, wie sehr wir in Bedrängnis geraten, um diese Höhe von 63,9 Mil-harden DM zu halten. Ich versichere Ihnen, in diesem Haushalt sind keine 800 Millionen DM freizumachen.

    (Abg. Dr. Kohut: Doch, Militäretat! — Lachen, Oho-Rufe und Unruhe bei der CDU/CSU.)

    — Nein, das ist auch nicht der Fall.
    Ich bin nicht bereit, für eine so leichtfertige Politik die Verantwortung zu übernehmen. Herr Kollege Schmidt hat die Rechtslage mit zwingender Logik geschildert, und was ich hier sage, ist eigentlich nur die Fortsetzung der Ausführungen von Herrn Kollegen Stoltenberg. Möge sich der Bundestag endgültig darauf besinnen, daß es darauf ankommt, nicht nur von Gemeinschaftsaufgaben und Gemeinschaftsleistungen zu sprechen, sondern sich auch so zu verhalten, daß sie tatsächlich erfüllt werden können.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wenn Herr Kollege Möller sagte, daß wir, der Staat, die Regierung, nur dann ein Recht haben, die anderen, die Privaten zum Maßhalten aufzufordern, wenn es auch der Staat, wenn es auch die öffentliche Hand in eigener Regie tut, dann bin auch ich dieser Meinung.

    (Abg. Dr. Schäfer: Das ist zitiert aus Ihrer Regierungserklärung!)

    — Ja, das ist ja auch unsere Meinung. Glauben Sie, daß die Bundesregierung glücklich ist, wenn alle Gesetze, die mit Ausgaben verbunden sind, hier in diesem Hause — und nicht zuletzt von Ihrer Fraktion — eine dauernde Aufstockung erfahren? Das ist das, was ich unter mangelndem Maßhalten verstehe — aber nicht ein Defizit wieder aus dem Haushalt abdecken und diesen Schlendrian dann fortführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Oho-Rufe bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wir haben heute aus dieser Diskussion immerhin eine Ahnung bekommen,

    (Zuruf von der SPD: „Schlendrian" !)

    wie komplex diese Problematik ist. Und da verlangen Sie von der Bundesregierung, daß sie sofort auf eine Gebührenerhöhung verzichtet. Ich weiß nicht, wann wir ehrlicherweise zu den Erkenntnissen und zu den klaren Einsichten gelangt sein werden, um innerhalb der Bundespost auf jedwedem Gebiet eine bessere Ordnung herstellen zu können. Es geht nicht an, jetzt auf den Ausgleich zu verzichten und Monat für Monat neue Defizite auflaufen zu lassen, sie vor uns herzuschieben ins Ungewisse, ohne zu wissen, wie sie dann gedeckt werden können; das heißt, sie können nicht gedeckt werden, es sei denn wieder durch Gebührenerhöhung, die dann morgen noch höher sein müßte, oder aber durch Haushaltskunststücke, durch Erhöhung des Haushalts oder durch die Beschneidung des Haushalts zu Lasten von zwingenden Aufgaben, vor allen Dingen von Gemeinschaftsaufgaben.



    Bundeskanzler Dr. Dr. h. c. Erhard
    Meine Damen und Herren, ich wollte nur sagen: Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung oder des Bundeskanzlers, daß es ihm um seine Preispolitik, um die Stabilität der Preise ernst ist, die werden Sie nicht erschüttern können.

    (Zuruf von der SPD: Sie ist erschüttert!)

    Ich werde mich der deutschen Öffentlichkeit stellen. Und wenn Sie glauben, das zum Wahlschlager machen zu können, dann werde ich dem deutschen Volke noch deutlicher als bisher

    (Zurufe von der SPD: „Ich!" „Ich!" „Ich!")

    und noch öfter als bisher das sagen, was notwendig ist, um zu der notwendigen inneren Disziplin, zu einer guten Ordnung und zur Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben zu kommen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die sehr ins Allgemeine gehenden Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers

    (Zuruf von der CDU/CSU: Grundsätzliche!)

    müssen trotzdem ein Anlaß dafür sein, daß das Haus sich dem konkreten heute zur Entscheidung stehenden Tatbestand wieder zuwendet.

    (Zurufe von der CDU/CSU.)

    — Wirklich; ich komme noch darauf; nur nicht so ungeduldig! —
    Gestatten Sie mir dennoch ein paar Bemerkungen zu dem Appell des Herrn Bundeskanzlers.
    Selbstverständlich denken — das ist offenkundig — die Bundesregierung und die sie tragende Koalition nie an Wahlen. Deshalb sind ja auch zum Beispiel manche Pläne, die sich auf das Gebiet der Steuergesetzgebung beziehen, nur „rein zufällig" seit langer, langer Zeit für das Jahr 1965 vorbereitet.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    Und selbstverständlich ist es so, daß Bemerkungen, die Formeln vom „Maßhalten" müßten dann auch für jedermann, also z. B. auch für die öffentliche Hand, gelten, nur dann kritisch aufgenommen werden, wenn sie von der Opposition kommen, während in Vergessenheit geraten ist, daß die Heiterkeit ausbrach, als der Kollege Schmidt hier seine sehr kritischen Bemerkungen über manche zweifelhaften Zusammenhänge mit der Formel des Maßhaltens dem Hause unterbreitete.
    Ich möchte mich aber gegen eine Formulierung in aller Härte wehren. Herr Bundeskanzler, wir kennen uns ja jetzt schon eine ganze Zeit, und es ist also wohl sicher so, — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)

    — Entschuldigen Sie, spreche ich hier für meine
    Fraktion oder nicht? Wollen Sie mir das bestreiten?
    War es nicht bisher guter Stil, daß der Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auch vor dem Bundestage ein Gespräch mit dem amtierenden Bundeskanzler führen konnte? Das haben wir zwei, Herr Dr. Adenauer, ja früher gemacht, als ich noch nicht einmal Fraktionsvorsitzender war. — Seien Sie also bitte nicht so empfindlich.
    Herr Bundeskanzler, ich möchte davor warnen, daß wir in einem Gespräch, wo wir durchaus sachlich verschiedener Meinung sein können — es gibt ja eine Reihe von Fragen, wo wir zur Abwechslung einer Meinung sind und einige Ihrer Freunde anders denken; daraus machen wir gar kein Hehl, da ziehen wir auch durchaus an einem Strang, wo es nötig ist —, ich möchte davor warnen, daß man in einem Gespräch, wo man verschiedener Meinung sein kann und der eine für die eine und der andere für die andere Auffassung sicher Gründe hat, eine Formel verwendet, die wir hier unter uns in diesem Hause nicht verwenden sollten; das ist die Giftformel —Herr Bundeskanzler, überlegen Sie sich bitte noch einmal, was Sie damit anrichten —, das ist die Giftformel von der Dolchstoßlegende.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir wissen alle, was das einmal in der Weimarer Zeit bedeutet hat. Daher bitte ich Sie im Sinne der von Ihnen doch sonst dem Volk immer wieder in Erinnerung gebrachten Absicht der Wahrhaftigkeit und der Redlichkeit, bei Meinungsverschiedenheiten, auch wenn sie noch so hart ausgetragen werden, nicht zu dem Vokabular des Unmenschen zu greifen.

    (Sehr wahr! bei der SPD — Zurufe von der Mitte.)