Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Zwei amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 18. Mai 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Seither, Frau Herklotz, Odenthal, Ludwig, Dröscher und Genossen betreffend Weinmarktordnung beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1862 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 18. Mai 1960 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Fritz und Genossen betreffend Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Ludwigshafen —Homburg (Saar) 1827 beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1863 verteilt.
Ich rufe auf die
dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (Drucksache 317) ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 1816)
Berichterstatter: Abgeordneter Jahn (Erste Beratung 26. Sitzung; zweite Beratung 115. Sitzung).
Ehe ich zur allgemeinen Aussprache auffordere —wobei ich bitte, das Wort „Aussprache" nicht allzu wörtlich zu nehmen —,
möchte ich mitteilen, daß einige Fraktionen um 14.00 Uhr tagen wollen. Wir würden diesen Fraktionen einen ritterlichen Dienst erweisen, wenn wir unseren Sachverstand so weit zu zügeln vermöchten, daß wir gegen 10 Uhr mit diesem Gesetz fertig sind. Ich weiß, es ist tollkühn, so etwas zu hoffen. Aber vielleicht ist uns das Glück hold.
— Meine Damen und Herren, ich bitte um einen Augenblick Ruhe.
Herr Kollege Mensing, gestatten Sie mir, ehe Sie die Tribüne betreten, eine Frage an das Haus: Haben die Fraktionen vereinbart, daß keine allgemeine Aussprache stattfindet?
— Zur Abgabe einer Erklärung muß ich das Wort erteilen. Herr Abgeordneter Mensing!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß dieser Beschluß gefaßt wurde. Ich hätte auch nicht als offizieller Vertreter meiner Fraktion gesprochen, sondern als Handwerksmeister, der von der Pike auf gedient hat, der eine harte Lehre durchgemacht und der im Leben nicht versagt hat, sondern für den Arbeit immer ein Begriff war. Ich hätte gern zu diesem Thema das Wort genommen, und zwar in bestimmter, aber sachlichster Form.
Ich bedaure, daß man mir als Handwerkerführer
— ich gehöre dem Präsidium des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks an — nicht die Möglichkeit gibt, hier in der dritten Lesung in einer Generaldebatte die Auffassung des Handwerks offiziell vorzubringen.
Das Haus nimmt davon Kenntnis.
— Ich bitte, hier keine Kontroversen auszutragen, die nicht alle Anwesenden interessieren.Meine Damen und Herren, ich teile zunächst mit, zu welchen Paragraphen Änderungsanträge vorliegen: § 7, § 7 a, § 8, § 15, § 20, § 41 und § 48. Ich rufe nur die Paragraphen auf, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Jedem Abgeordneten, der zu diesen Änderungsanträgen sprechen will, steht eine Stunde Zeit zur Verfügung.
Aber es ist kein absolutes Muß, eine Stunde zu sprechen; die Geschäftsordnung gestattet auch kürzere Reden.
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6624 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Vizepräsident Dr. SchmidZu § 7 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 652 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben unseren in der zweiten Lesung gestellten Antrag wiederaufgenommen, die Worte „über drei Jahre" zu streichen. Ich erfuhr gestern im Gespräch, daß eine Reihe von Kollegen der Meinung seien, man könne über den § 69, die Ausnahmebestimmungen,sicherstellen, daß wenigstens Lehrfilme mit Kindern unter 3 Jahren zur Schwesternausbildung, für das Rote Kreuz usw. hergestellt werden könnten. Diese Annahme ist nicht richtig; denn nach § 69 kann von § 7 auch nicht auf Grund von Ausnahmebestimmungen der Länder abgegangen wenden,
Wir bitten nochmals darum, unseren Antrag anzunehmen, damit sichergestellt wird, daß auch in Zukunft in Deutschland Lehrfilme hergestellt werden können, in denen Kleinstkinder unter drei Jahren mitwirken. Bleibt die im Entwurf und in der Ausschußvorlage enthaltene und in zweiter Lesung beschlossene Fassung bestehen, so bedeutet das, daß für diese Zwecke ausländische Filme synchronisiert werden müssen oder aber daß allein die zum Teil schon vorhandenen Lehrfilme der sowjetzonalen Defa den deutschen Markt beherrschen. Bitte, überlegen Sie sich das und stimmen Sie 'dem Antrag der Freien Demokraten zu, damit nicht ein Teil der Lehrfilmherstellung unmöglich gemacht wird. Es kann sich ja wirklich nicht darum handeln, daß hier Kinder vor einer „Ausnutzung" geschützt werden müßten. Es geht einzig und allein darum, die deutsche Lehrfilmproduktion zur Ausbildung von Säuglingsschwestern, Kinderärzten usw. weiterhin sicherzustellen.
Auch der Jugendausschuß hatte eine entsprechende Fassung beschlossen. Der Ausschuß für Arbeit hat dann die Fassung des Jugendausschusses wieder geändert. Wenn schon der Jugendausschuß keine Bedenken gegen eine unserem Antrag entsprechende Fassung hatte, so sollte es, glaube ich, keine Schwierigkeiten machen, die Zustimmung des Hauses zu unserem Antrage zu finden.
Wird das Wort gewünscht?
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 652 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
§ 7a! Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 646 vor. Wer begründet ihn? — Das Wort hat der Abgeordnete Odenthal.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Sie haben den Antrag auf völliges Verbot der Kinderarbeit in der zweiten Lesung abgelehnt. Sie wollen nach dem Beschluß zweiter Lesung der Arbeit von fremden Kindern — ich sage: von fremden Kindern — keine Grenzen setzen. Ich versuche in dieser Lesung noch einmal, Ihnen eine goldene Brücke zu bauen, damit Sie überlegen können, daß dieser Punkt einer der Punkte ist, die uns bei der Abwägung aller Punkte bestimmen können, für oder gegen das Gesetz zur stimmen.Nachdem der Bundestag der Landwirtschaft jährlich Milliarden zur Strukturverbesserung, zur Preisgestaltung und zu all den anderen Möglichkeiten hergibt, sollte, meine ich, auch die Landwirtschaft Verständnis dafür haben, daß ihren Arbeitnehmern die gleichen sozialen und arbeitsrechtlichen Bedindungen zugestanden werden müssen, die in der gewerblichen Wirtschaft seit hundert Jahren gesetzlich verankert und praktisch gang und gäbe sind. Damit hängt auch die Frage des Nachwuchses in der Landwirtschaft zusammen. Sie tun sich selbst einen schlechten Dienst, wenn Sie der Formulierung von gestern nicht zustimmen und auch meinen Vorschlag von heute ablehnen. Ich rede hier nicht von anderen Problemen der Landwirtschaft. Der Jugendarbeitsschutz ist ein Teil aus diesem Problemkreis.Wissen Sie, meine Damen und Herren, nichts mehr von den Überlegungen der ersten Lesung im Ausschuß für Arbeit? Damals waren wir im Ausschuß für Arbeit einmütig der Auffassung, daß sich Kinderarbeit, wenn sie überhaupt zugelassen werden soll, auf gelegentliche und geringfügige Nachbarschaftshilfe beschränken sollte. Wir wollen aber genau wissen, was Sie darunter verstanden haben. Darum haben wir diese Bestimmung sehr eng gefaßt und haben genau formuliert, haben gesagt, daß sich die Kinderarbeit in der Nachbarschaftshilfe auf zwei Stunden am Tage und 10 Tage im Quartal beschränken soll, daß Akkordarbeit verboten ist und daß die Länder Rechtsverordnungen erlassen können. Die Formulierungen sind wohl überlegt, und auch Sie haben dieser Fassung in der ersten Lesung im Ausschuß für Arbeit zugestimmt.Haben Sie vergessen, meine Damen und Herren, daß die Gutachten, die uns gestern vorgelesen wurden, nachweisen, daß Skelettschäden in der Landwirtschaft bei 40 % der Kinder nachgewiesen werden, während sie bei vergleichbarer Arbeit in der gewerblichen Wirtschaft nur bei 20 % vorkommen? Wollen Sie bestreiten, daß große landwirtschaftliche Betriebe die Kinder aus der weiteren Umgebung mit Autobussen und Lastwagen zu ihren Arbeitsplätzen abholen, um sie dort während der Ferien mit schwerster Arbeit — in der Kartoffelernte, beim Rübenverziehen und auch bei der Obsternte —, mit Akkordarbeit zu beschäftigen? Ist Ihnen nicht bekannt, meine Damen und Herren, daß die Schulbildung nicht nur auf dem Unterricht in der Klasse beruht, daß die Kinder wegen der Ermüdungserscheinungen, die infolge der Schwerarbeit auf dem Lande auftreten, dem Unterricht einfach nicht ,folgen können, daß das Niveau der Schularbeit auf dem Lande für diese Kinder niedriger sein muß als in der Stadt und daß diese Kinder später nicht die gleichen Möglichkeiten des Fortkommens haben wie die Kinder, die in der Stadt groß geworden sind?Wer war in Ihrer Fraktion so stark, frage ich Sie, meine Damen und Herren, daß er Ihre Mitglieder des Ausschusses für Arbeit so sehr beeinflussen
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6625
Odenthalkonnte, in der zweiten Lesung einen Beschluß zu fassen, der der Kinderarbeit auf dem Lande Tür und Tor öffnet, und hier ein Gesetz zu schaffen, daß der Landwirtschaft alle Möglichkeiten erschließt, Möglichkeiten, die wir einfach nicht zugestehen können?Wir haben volles Verständnis — das zu zeigen ist der Sinn meines Antrags — für die Lage vieler kleiner Landwirte, die nicht in der Lage sind, auf ihrem kleinen Besitz Vollarbeitskräfte zu beschäftigen, Landwirte, die keine Möglichkeit haben, Maschinen einzusetzen, und die deshalb ihre eigenen Kinder und gelegentlich — in dem Rahmen, den wir Ihnen vorschlagen — auch fremde Kinder beschäftigen. Aber wir haben kein Verständnis für den Wunsch von Landwirten, die Kinder anstelle von vollbeschäftigten Arbeitnehmern in Arbeitsvertrag zu nehmen. In der großen Landwirtschaft, auf großen Gütern bestehen alle Voraussetzungen für den Einsatz von Maschinen und für die Beschäftigung von Vollarbeitskräften.Meine Damen und Herren, ich habe den wirklich herzlichen Wunsch, daß Sie sich diese Frage im Interesse der kleinen Landwirtschaft, vor allen Dingen in den Realteilungsgebieten, überlegen und uns die Möglichkeit geben, hier unsere Haltung vielleicht noch zu revidieren, wenn noch andere Voraussetzungen bei der Regelung für die Arbeitszeit gegeben sind. Dieser Antrag zu § 7 a bietet eine Möglichkeit des Ausgleichs. Auch Sie haben die Möglichkeit, diesem Antrag zuzustimmen, und ich bitte darum.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag Umdruck 646 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
§ 8, Antrag auf Umdruck 645 Ziffer 1. Wer begründet? Das Wort hat der Abgeordnete Scharnowski.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, zu dem Antrag Umdruck 645 Ziffer 1 zu sprechen. Es geht hier um § 8 Abs. 1 und 3. Ich beantrage die Wiederherstellung der Regierungsvorlage und namentliche Abstimmung.
Für uns Sozialdemokraten ist dieser Punkt der wichtigste. Hiervon könnte unsere Stellungnahme zu dem Gesetz — dafür oder dagegen oder Enthaltung — abhängen. Ich bitte Sie, zu überlegen, ob ein Gesetz, das wir ja nicht alle acht Tage machen können, sondern das für lange Zeit ausreichen soll, beschlossen werden kann, das durch die Entwicklung mindestens in diesem Punkte überholt ist. Ich bitte Sie, in die Zukunft zu schauen und wenigstens die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wir können doch nicht sagen — wie es im Ausschuß geschah —, daß nur ein Gesetz für die Jugend in Betracht kommt, wie es die Wirtschaft braucht. Das ist doch zu wirtschaftlich, das ist zu unmenschlich gedacht.
Es darf auch nicht gesagt werden: Wir dürfen nicht in die Zukunft sehen, sondern wir müssen vom Augenblick ausgehen. All das ist im Ausschuß gesagt worden. — Ich hatte die Hoffnung, daß wir das Gesetz besser über die Bühne bringen würden, weil einer der maßgebenden Handwerksvertreter — ich glaube, er ist Präsident einer Handwerkskammer — 42 Stunden als für das Handwerk genügend bezeichnet hat. Ich bitte, das im Protokoll nachzulesen. Das sollte auch die Antwort für den Herrn Handwerksmeisterkollegen sein, der hier nur eine Erklärung abgegeben hat.
— Das können Sie im Protokoll der Sitzung vom 29. Juli nachlesen. In dieser Sitzung ist die Frage ausdrücklich erörtert worden. Der Abgeordnete Günther hielt die Herabsetzung auf 42 Stunden für ausreichend, zumal da die Lehrlinge mit leichteren Zubringerarbeiten beschäftigt würden. Ich rufe Ihnen das mit aller Deutlichkeit ins Gedächtnis zurück.
Auch ein anderer prominenter Abgeordneter von Ihnen, meine lieben Freunde von der CDU/CSU, hat laut Protokoll erklärt, daß es nicht so wichtig sei, ob 40 oder sogar 42 Stunden gearbeitet werde; viel entscheidender sei das übertriebene Arbeitstempo in den Betrieben.
Heute sollten wir uns wieder auf die Regierungsvorlage einigen, die 42 Stunden vorsah. In diesem Punkt könnten wir uns miteinander finden. Es ist doch jetzt schon modern geworden, daß die sozialdemokratische Fraktion die Wiederherstellung von Regierungsvorlagen beantragen muß,
und wir verdienen uns wahrscheinlich bald den Titel einer der Regierung allergetreuesten Opposition,
während Sie wahrscheinlich alles tun, um der
Regierung Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Sie sollten also bei § 8 Abs. 1 und 3 — das ist das Thema, Herr Memmel, 42 Stunden— sehr wohl zu Ihren eigenen Begründungen zurückfinden. Wir würden dann unter Umständen, so wie wir es sehen, wahrscheinlich auch eine andere Stellungnahme einnehmen können.
Herr Abgeordneter Memmel, ich muß den Herrn Arbeitsminister gegen diesen Zwischenruf in Schutz nehmen. Sie sagten, dies sei keine Regierungsvorlage, sondern eine Vorlage der Bürokratie. Die Vorlagen, die dem Haus zugehen, stehen unter der Verantwortung der Regierung, nicht nur unter der Verantwortung des Ministers und erst recht nicht der Bürokratie.
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6626 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Vizepräsident Dr. Schmid— Ich fürchte, daß sich der Herr Bundesarbeitsminister durch Ihren Zwischenruf gekränkt fühlen könnte.
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich nehme die Gelegenheit Y. ahr, im Anschluß an die Bemerkungen meines Herrn Vorredners ebenfalls mit einigen Sätzen zu diesem Problem Stellung zu nehmen. Ich bringe hier meine persönliche Auffassung auch auf die Gefahr hin klar zum Ausdruck, daß man mir deswegen in einer bestimmten Presse wieder alle möglichen Dinge anhängt. Darüber gehe ich allerdings hinweg.
Ich möchte Ihnen in aller Offenheit sagen: die Handwerkslehre ist von jeher eine außerordentlich gute Lehre.
Natürlich haben wir es in der Vergangenheit auch hier und da erlebt, daß Jugendliche über die zulassige Zeit hinaus beschäftigt wurden. Wenn ich mich recht erinnere, hat es Zeiten gegeben, in denen jährlich 750 000 Lehrlinge im Handwerk ausgebildet wurden. Daraus geht hervor, welche Bedeutung die Handwerkslehre als Schule für die deutsche Jugend hat. Ich darf weiter hervorheben, daß sich die Industrie um die im Handwerk ausgebildeten Jungen gelissen hat, weil sie diese Kräfte auf Grund ihrer Ausbildung als die Kräfte ansah, die für sie wertvoll waren.
Auch die heutige Handwerkslehre ist gut. Wenn Sie die Arbeitszeit allerdings in dieser Form beschneiden, können wir — daraus mache ich kein Hehl, und das ist der entscheidende Grund für das Handwerk nicht mehr wie bisher die Gewähr dafür übernehmen, daß die jungen Menschen in ihrer Ausbildungszeit zu tüchtigen Gesellen gemacht werden, die von sich einmal sagen können, ihre gute Berufsausbildung bedeute für sie ein Kapital für das Leben. Wir leben in schweren Zeiten. Wir leben zur Zeil in einer Hochkonjunktur.
Vielleicht ist der Wohlstand uns allen so zu Kopf gestiegen, meine Damen und Herren, daß wir im Begriff sind, den Boden der Wirklichkeit zu verlassen.
Schauen wir doch nach dem Osten! Dort wird die Jugend geknetet, hart gemacht. Bei uns wird der umgekehrte Weg gegangen. Dadurch tritt eine Verweichlichung dieser jungen Menschen ein. Dabei wissen wir doch alle, daß die Hindernisse, die die Jugend im Leben zu überwinden haben wird, besonders schwer sein werden. Wir wissen, daß diese Hindernisse nur von Menschen bewältigt werden können, die schon in der Lehre hart gemacht wurden.
Nehmen Sie mir bitte nicht übel, wenn ich sage: mil dieser Gesetzgebung sind Sie unsozial! Dadurch reißen Sie doch erst den Graben zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Handwerk auf! Sie wissen doch genau, daß bei uns im Handwerk der Dreiklang Meister-Geselle-Lehrling auch heute noch, wenigstens zum großen Teil in unseren Organisationen, hochgehalten wird.
Sie verweisen auf einen Kammerpräsidenten, der gesagt hat, daß 42 Stunden genügten. Bitte, dann seien Sie auch so ehrlich, vollständig zu zitieren. Der Kammerpräsident hat nämlich bestimmt gesagt, das genügte, wenn nicht die acht Stunden Berufsschulzeit in diesen 42 Stunden enthalten wären.
— Wir steuern auch im Handwerk der Fünf-TageWoche entgegen. Wollen Sie mir da einmal sagen, wieviel Stunden für die berufliche Ausbildung des jungen Menschen dann noch übrigbleiben?!
Wir haben in Hannover erlebt, daß in Elternversammlungen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz demonstriert worden ist. Es ist abgelehnt worden, genauso wie das Handwerk in Niedersachsen damals dieses unmögliche Gesetz abgelehnt hat. Leider sind heute die Zeiten anders. Wir haben nicht die Möglichkeit, mit einem entsprechenden Gegendruck gegen ein solch schlechtes Gesetz Stellung zu nehmen. — Ich werde darauf aufmerksam gemacht, mich kurz zu fassen.
Für den denkenden Menschen erscheint die Situation geradezu grotesk, wenn er in den Zeitungen liest, daß man sich ernsthaft darüber Gedanken macht, wie denn in Zukunft die Freizeit dieser jungen Menschen gestaltet werden soll.
— Ich stimme mit den Eltern dieser jungen Menschen überein, die ihren Jungen oder ihr Mädel lieber in der Hand eines Handwerksmeisters sehen, als daß diese jungen Menschen in Organisationen für die Freizeitgestaltung geschickt werden, die nicht geeignet sind, den Ausgleich zu fördern.
Meine Damen und Herren, es liegen noch weitere Wortmeldungen vor. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Vogt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Zwischenruf, der soeben bei der Rede meines Kollegen Mensing von der linken Seite des Hauses gemacht worden ist, veranlaßt mich, ein paar Sätze zu erwidern. Herr Kollege Mensing hat ausgeführt, .daß die Lehre im deutschen Handwerk eine gute Lehre ist, und der Zwischenruf hieß: Früher einmal!Ich will nicht hoffen, daß der Zwischenrufer das deutsche Handwerk diffamieren wollte. Ich halte es aber für notwendig, daß an dieser Stelle festgestellt
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6627
Vogtwird: Die Ausbildung im deutschen Handwerk und die Lehre im deutschen Handwerk ist eine gute Ausbildung.
Ich stehe nicht unter dem Verdacht, ein Funktionär des deutschen Handwerks zu sein, halte es aber für notwendig, daß man ,das hier klarstellt. Man kann einen Berufsstand in unserer Wirtschaft nicht in einer solchen Weise diffamieren.
Meine Damen und Herren, wir sollten davon ausgehen, daß in diesem Hause niemand sitzt, der irgendeinen Berufsstand irgendwann diffamiert hat oder diffamieren will.
Das Wort hat der Abgeordnete Wischnewski.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Haltung zum Handwerk insgesamt ist wohl eindeutig. Ich möchte ohne weiteres bestätigen, daß die Berufsausbildung auch im Handwerk eine hervorragende Angelegenheit ist.
Wir wissen, welch großer Prozentsatz im Handwerk ausgebildet wird und welch entscheidenden Faktor demnach das Handwerk bei der Berufsausbildung darstellt.
Aber zu den Ausführungen von Herrn Mensing muß eines gesagt werden. Wir wollen nicht, daß die Lehre unter dem Vorzeichen steht, das Herr Mensing für richtig hält: die Jugend hart zu machen. Wir wollen eine einwandfreie Berufsausbildung und hervorragende Schutzbestimmungen. Wir sind nicht daran interessiert, unsere Verhältnisse mit denen im Osten zu vergleichen.
Man mag drüben wie früher von der Voraussetzung ausgehen „gelobt .sei, was hart macht;" wir möchten uns von derartigen Formulierungen in aller Deutlichkeit distanzieren.
Wir bedauern es außerordentlich, daß ein Repräsentant ,des deutschen Handwerks mit derartigen Formulierungen hier im Hause auftritt.
Nun zu dem Problem, um das es geht. Es geht um die Frage der Arbeitszeitregulierung. Hier darf ganz eindeutig festgestellt werden, daß eine Vielzahl von hervorragenden Vertretern des Handwerks der Auffassung sind, man könne auch im Handwerk mit einer derartigen Regelung der Arbeitszeit durchaus zurechtkommen. Was nach der Ausschußvorlage im Augenblick beschlossen werden soll, ist nicht akzeptabel. Sie wollen für die
Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr drei unterschiedliche Arbeitszeiten beschließen.
— Drei unterschiedliche Arbeitszeiten!
— Dann müssen Sie mir etwas Zeit lassen. Wenn Sie die Vorlage nicht gelesen haben, muß ich Ihnen das bedauerlicherweise noch einmal vortragen: Für Jugendliche bis zu 16 Jahren eine Arbeitszeit, für Jugendliche bis zu 18 Jahren eine Arbeitszeit und für jugendliche Facharbeiter, die die Prüfung mit 17 Jahren bestanden haben, darüber hinaus eine dritte Arbeitszeit. Eins, zwei drei!
Sie werden doch zusammenrechnen können; das muß man zumindest erwarten. Das sind drei verschiedene Arbeitszeiten.
— Ich weiß, Herr Kollege Franzen, daß Ihnen das wehtut. Deswegen muß Ihnen das mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Sie als Gewerbeaufsichtsbeamter wissen, daß eine Regelung mit drei verschiedenen Arbeitszeiten überhaupt nicht praktikabel ist.
Wir sind in der zweiten Lesung für die 40-Stunden-Woche eingetreten. Aber gerade weil wir in erster Linie ein Gesetz wollen, das praktikabel ist und das nicht wegen einer Vielzahl von Unzulänglichkeiten undurchführbar ist, schlagen wir Ihnen jetzt eine generelle Arbeitszeit von 42 Stunden vor. Das entspricht dem Schnitt dessen, was Sie wollen, nämlich 40 und 44 Stunden. Ich bitte Sie, sich damit einverstanden zu erklären, damit dieses Gesetz auch praktiziert werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihre Ausführungen über die Arbeitszeit, Herr Kollege Mensing, in allen Ehren! Aber bei Gesetzesberatungen fallen die Entscheidungen mehr in den Abstimmungen zur zweiten Lesung als nach allgemein gehaltenen Ausführungen zur dritten Lesung. Wenn Sie, lieber Herr Kollege Mensing, und Ihre Handwerkskollegen hier im Hause in der zweiten Lesung unserem Antrag zu § 8 Abs. 3 zugestimmt hätten, hätten Sie die Möglichkeit eröffnet, auch im Handwerk die Fünf-Tage-Woche einzuführen; Sie hätten dadurch die Handwerkslehre im Verhältnis zur Lehre im Industriebetrieb wieder attraktiver gemacht und hätten, wie ich glaube, für das Handwerk mehr getan als mit diesen allgemeinen Ausführungen, die sicher sehr gut gemeint waren. Aber der Zug, von dem ich gerade gesprochen habe, ist in der zweiten Lesung bereits abgefahren,
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6628 Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
DürrHerr Mensing; den erreichen Sie und ich in der dritten Lesung nimmer.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe an den Beratungen im Ausschuß nicht teilgenommen und hätte mich an der Einzeldebatte nicht beteiligt, wenn der Herr Präsident nicht im Zusammenhang mit den Ausführungen des Sprechers der SPD festgestellt hätte, daß nach seiner Auffassung in diesem Hause niemand ist, der sich gegen irgendeinen Stand wendet.
Frau Abgeordnete: der ihn diffamiert!
Ach so! — Schön, ich will das glauben, Herr Präsident.
— Ich möchte das glauben, habe ich gesagt, meine Herren von der SPD. Ich kann es aber nur dann glauben, wenn es in solchen Debatten, wie wir sie gestern und heute erleben, nicht nur darum geht, daß der einen Seite eine allgemeine Betrachtung oder ein Schlagwort übelgenommen wird und daß die andere Seite mit gleichen Schlagworten Probleme behandelt, die nicht nur Probleme des Handwerks oder irgendeiner Industriegruppe, sondern Probleme sind, die unsere ganze Volkswirtschaft angehen.
Wer in sozialpolitischen Fragen wie der Arbeitszeit oder des Jugendschutzes oder der Ausbildung der Jugend glaubt, daß auch hier immer nur „der Ruf nach mehr" zum Wohl der Jugend ist, der sollte sich beeindrucken und belehren lassen von den Erfahrungen, die wir leider alle in dieser Zeit machen müssen, wenn wir feststellen, daß der gut ausgebildete Handwerkslehrling, die gut ausgebildete Bürokraft von Tag zu Tag mehr Mangelware wird. Die Entscheidung für eine gute Sozialpolitik kann nur darin liegen, daß der Volkswirtschaft auch für die Zukunft Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um die vielfältigen Aufgaben zu bewältigen, die nicht nur unserer Industrie mit ihrem Exportinteresse, sondern der gesamten Wirtschaft in der Hochkonjunktur gestellt sind — vor allem der mittelständischen Wirtschaft — gestellt sind. Wer diese Erkenntnisse hintanstellt im Interesse eines dirigistischen Reglements, das alles gleichschalten möchte, wird ganz gewiß für die Zukunft weder der Jugend noch den Berufsständen dienen, die sich eine gute Berufsausbildung des Nachwuchses besonders angelegen sein lassen.
Deswegen ist es nicht damit getan, meine Herren von der SPD, zu sagen, die Berufsausbildung im Handwerk sei hervorragend. Ich höre immer nur, was alles hervorragend oder gut sein soll. Wenn es aber darum geht, die Dinge in der Praxis so zu gestalten, daß man diese hervorragende oder gute Sache auch verwirklichen kann, scheitert man an dirigistischen, an gleichmacherischen Tendenzen. Da vor sollten wir uns alle zusammen hüten.
Meinen Freunden in der Fraktion der Deutschen Partei gefällt vieles in diesem Gesetz nicht. Trotzdem bejahen wir die Prinzipien einer Verbesserung des Arbeitsschutzes. Wir meinen aber, daß bei aller Anerkennung dieser Prinzipien und bei der Richtigkeit des Weges, den Sie gesucht haben, auch in § 8, eins niemals vergessen werden darf: das ist der gesunde Wille der Jugend, der erfreulicherweise vorhanden ist, der Wille, mehr zu tun, etwas Ordentliches zu lernen, um sich einzugliedern in den großen Kreis der befähigten Menschen, die für die Zukunft die Grundlagen für eine funktionierende Volkswirtschaft und damit die Grundlagen für die Erarbeitung des Sozialprodukts schaffen. Nur damit sichern wir zugleich die beste Grundlage für eine erfolgreiche Sozialpolitik. Darauf sollten wir bei diesem Gesetz besonders bedacht sein.
Darum ist nicht die Frage entscheidend, ob wir in allen Berufsgruppen, in der Landwirtschaft, im Handwerk, in der Industrie, an einem bestimmten Termin die 40-Stunden-Woche haben, sondern es kommt darauf an, daß wir dieses Ziel maßvoll, behutsam anstreben, je nach den besonderen Möglichkeiten in den einzelnen Wirtschaftszweigen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 645 Ziffer 1. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
Sind alle Stimmkarten abgegeben? — Ich höre keinen Widerspruch; ich schließe die Abstimmung. Ich glaube, daß wir während der Auszählung fortfahren können; das Ergebnis dieser Abstimmung hat keinen Einfluß auf die folgenden Anträge.
§ 15! Antrag Umdruck 657! Wer begründet den Antrag? - Herr Abgeordneter Scheppmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorgeschlagene Änderung des § 15 Abs. 3 unterscheidet sich von der gestern beschlossenen Ausschußfassung nur durch die Worte „oder der folgenden Woche". Dadurch soll die Vorschrift elastischer und für die Praxis — auch zugunsten der Jugendlichen — zweckmäßiger gestaltet werden, ohne daß damit auch nur im geringsten an der Verpflichtung des Arbeitgebers etwas geändert werden soll, dem Jugendlichen, der nach diesem Gesetz auch an Samstagen nach 14 Uhr beschäftigt werden kann, zum Ausgleich dafür einen anderen freien Nachmittag zu gewähren.Besonders wichtig und notwendig ist die Änderung für die unter § 15 Abs. 2 fallenden mehrschichtigen Betriebe. Der Wechsel zwischen Vormittags-und Nachmittagsschicht erfolgt häufig nach langer Übung und aus vielen Gründen wöchentlich jeweils am Wochenende. Die in der einen Woche in der Nachmittagsschicht Beschäftigten sind regelmäßig in der folgenden Woche an den Nachmittagen freizustellen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6629
ScheppmannDas in dem neuen Absatz 2 a des § 15 niedergelegte Gebot, mindestens zwei Samstagnachmittage in jedem Monat beschäftigungsfrei zu lassen, wird durch diesen Änderungsantrag nicht berührt. Ich bitte Sie, dem Änderungsantrag Umdruck 657 zuzustimmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag Umdruck 657 zustimmen will, gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
§ 20! Dazu Änderungsantrag Umdruck 656! Zur Begründung Frau Abgeordnete Bleyler!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige wenige Worte zu dem vorliegenden Änderungsantrag sagen. Seit Jahren bemühen sich die karitativen Anstalten beider Konfessionen um die hausmütterliche und hauswirtschaftliche Ausbildung unserer jungen Mädchen, sicher nicht alle mit der gleichen Intensität und mit dem gleichen Erfolg. Jeder, der die Verhältnisse kennt, weiß aber, daß gerade diese Mädchenbildungsarbeit in einem planvollen Ausbau begriffen ist, zum Segen unserer weiblichen Jugend und zum Segen unseres ganzen Volkes.
Wollen wir diese Entwicklung nun plötzlich dadurch abschneiden, daß wir die hauswirtschaftliche Arbeit in den Heimen der Arbeit in Fabrikbetrieben gleichstellen? Glauben Sie wirklich, daß 15-, 16-, 17-
jährige Mädchen, darunter unsere hauswirtschaftlichen Lehrlinge und unsere Vorschülerinnen, überfordert werden, wenn sie genauso lange arbeiten wie in einem Familienhaushalt? Ihre Arbeit ist gesund und abwechslungsreich und von natürlichen Pausen öfter unterbrochen. Einen Weg von und zur Arbeitsstelle gibt es nicht. Der Zeit- und Kraftaufwand für die eigene Versorgung entfällt. Lassen Sie die Möglichkeit offen, daß die Aufsichtsbehörde im Einzelfall die hauswirtschaftliche Arbeit in einem Heim der hauswirtschaftlichen Arbeit in einer Familie gleichstellen kann! Darum bitte ich Sie um Annahme des vorliegenden Änderungsantrags meiner Fraktion.
Das Wort hat der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie sehr, diesem Antrag die Zustimmung nicht zu geben. Wir machen hier ein Jugendarbeitsschutzgesetz, das von dem Gedanken des Schutzes der arbeitenden Jugend ausgeht. Hierin liegt auch die Begrenzung dieses Gesetzes. Wir können z. B. in dieses Gesetz nicht hineinschreiben, wie die Jugend zweckmäßigerweise ihre Freizeit verbringt. Wir können nicht, wenn wir nicht vom Arbeitsschutzgedanken weit abweichen wollen, eine Bestimmung in dieses Gesetz hineinbringen, die besagt, daß verschiedene Arbeitszeiten für Jugendliche gelten, je nachdem, ob der Betrieb, in dem diese Arbeit geleistet wird, gemeinnützig oder nicht gemeinnützig ist. Eine solche Unterscheidung ist unrichtig und unzweckmäßig; denn die Arbeit, die geleistet wird, bleibt dieselbe.
Meine Damen und Herren, prüfen Sie aus Ihrer Erfahrung heraus diesen Antrag bitte einmal durch. Sie werden zu dem Ergebnis kommen, daß Sie mit der Annahme dieses Antrages den gemeinnützigen Einrichtungen einen ausgesprochenen Bärendienst leisten.
— Sie leisten ihnen, Herr Kollege Höfler, einen Bärendienst deshalb, weil sich in Kürze herumgesprochen haben wird, daß man in der Fabrik kürzere Arbeitszeiten hat als in jenen Heimen. Die zur Zeit leider schon sehr schwierige Nachwuchslage in diesen Heimen und Anstalten wird dadurch nicht besser, sondern noch schwieriger werden. Solche Heime und Anstalten sind im allgemeinen so groß, daß eine geeignete Geschäftsverteilung die Möglichkeit der Ablösung des einen Jugendlichen durch den anderen gibt und die allgemein geltenden Bestimmungen eingehalten werden können. Der von Frau Dr. Bleyler beantragten „Extrawurst", möchte ich fast sagen, bitte ich die Zustimmung zu versagen.
Keine Wortmeldungen mehr? —Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 656 ab. Wer zustimmen will, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Ich lasse die Abstimmung wiederhoben. Wer dafür ist, möge sich erheben. —Gegenprobe! — Es bestehen noch immer Zweifel. Wir müssen auszählen.Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. An der Abstimmung haben sich 317 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben 142, mit Nein 163 gestimmt; 12 Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt.Ich habe noch das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu § 8 bekanntzugeben, Antrag Umdruck 645 Ziffer 1. Es haben sich 366 Mitglieder des Hauses und 17 nicht stimmberechtigte Abgeordnete aus Berlin an der Abstimmung beteiligt. Mit Ja haben 134 Mitglieder des Hauses und 10 Berliner Abgeordnete, mit Nein 228 Abgeordnete und 7 Berliner Abgeordnete gestimmt; 4 Mitglieder haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der zu § 8 gestellte Änderungsantrag abgelehnt.Ja CDU/CSUBerger Eplée Schlick Storch Teriete WeimerSPDFrau AlbertzDr. ArndtDr. BaadeBach BadingBäumerBalsBauer
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6630 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Baur
Dr. Bechert. Behrendt BehrischFrau Bennemann Bergmann BerkhanBerlinBettgenhäuserBirkelbach Dr. Bleiß BörnerDr. Brecht BruseBüttnerCorterier CramerDr. Deist DewaldDiekmannFrau Döhring Frau Eilers (Bielefeld) EschmannFallerFelderFolgerFrankeDr. Frede FrehseeGeiger Geritzmann HaageHamacher Hansing Dr. Harm HauffeHeideHeilandHellenbrock Frau HerklotzHeroldHöhmann. HöhneHöraufHufnagel JacobiJahn Jürgensen Junghans JungherzFrau KeilhackFrau Kettig KeuningKinat
Frau Kipp-KauleKönen Frau KorspeterKrausKriedemannKühn
Kurlbaum Lantermann LeberLohmarLudwigLünenstraß MarxMatzner Meitmann Dr. Menzel MertenMetterMetzgerMeyer Frau Meyer-LauleDr. MommerMüller Müller (Ravensburg) Müller (Worms)Frau Nadig Odenthal OllenhauerPetersPohlePrennel PriebePützReitzner Frau RengerRhodeFrau RudollRuhnkeDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenDr. Schmid Dr. Schmidt (Gellersen) Schmitt-Vockenhausen Schröder (Osterode)Seidel
Seither Frau SeppiStenger StierleSträterStriebeck Frau StrobelTheil
Theis WagnerWegener Wehner WelkeWelslauWeltner
Frau WesselWilhelm WischnewskiWittrock ZühlkeBerliner AbgeordneteDr. Königswarter Frau KrappeMattickNeumannScharnowskiDr. Schellenberg Schröter Schütz (Berlin) Dr. SeumeFrau Wolff
NeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner ArndgenBaier BaldaufBalkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauereisen Bauknecht BauschBecker BerberichDr. BergmeyerDr. BesoldFürst von Bismarck Frau Dr. Bleyler BlöckerFrau Blohmvon Bodelschwingh Dr. BöhmBrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. BrökelschenBrückBühlerBurgemeisterCaspersDr. Conring Dr. Czaja DemmelmeierDeringer Diebäcker DielDr. DollingerDraegerDr. DresbachEhrenDr. Elbrächter Engelbrecht-GreveFrau EngländerEnkDr. Even
FinckhDr. Franz Franzen Dr. FreyDr. Fritz Fritz (Welzheim)FuchsFrau Dr. Gantenberg GaßmannGehringFrau GeisendörferGernsGewandt Gibbert GienckeDr. Gleissner Glüsing (Dithmarschen)Dr. Götz Goldhagen Gontrum Dr. Gossel GotteslebenGüntherFreiherr zu Guttenberg HackethalHäussler HahnDr. HahneDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. HauserDr. Heck
Dr. HesbergHesemann HeyeHilbertDr. Höck HöflerHornHuthDr. Huys Dr. JaegerJahn
Dr. Jordan JostenDr. Kanka KemmerDr. KempflerKirchhoff KistersDr. Kliesing KnoblochDr. Knorr KochDr. Kopf KramelKrammig KrollKrüger
KrugFrau Dr. KuchtnerKühlthauKunstKuntscherLang
LeichtDr. Leiske Lenz
Lenze
LermerLeukertvon Lindeiner-WildauDr. LindenbergLulayMaier
MajonicaDr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. MartinMaucherMeisMemmelMenkeMensingMeyer
MickMühlenberg Müller-HermannNellenNiebergNiederaltFrau NiggemeyerDr. Dr. OberländerOetzelFrau Dr. PannhoffDr. PhilippFrau Pitz-SavelsbergFrau Dr. ProbstFrau Dr. RehlingDr. Reinhard Dr. ReithRichartsRiedel
Frau Rösch RösingRollmannDr. Rüdel
RufScharnberg Scheppmann SchleeFrau Schmitt SchüttlerSchütz Schulze-PellengahrFrau Dr. SchwarzhauptDr. Schwörer Dr. Seffrin SiebelDr. Siemer Spies
Spies StauchDr. Stecker StillerDr. Storm
Storm StruveSühlerDr. ToussaintUnertlVarelmann Frau Vietje VogtWacherDr. WahlDr. Weber WehkingWendelborn Dr. Werber WernerWieninger Dr. Willeke
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6631
WindelenWinkelheide Dr. Winter WittmannWittmer-Eigenbrodt WormsDr. Wuermeling WullenhauptDr. ZimmerDr. ZimmermannBerliner AbgeordneteBendaHübnerDr. KroneFrau Dr. Maxsein StinglFDPDr. AchenbachDr. Bucher Dr. DehlerFrau Dr. Diemer-Nicolaus DürrEisenmann KellerLenz MarguliesMaukDr. Mende Mischnick Freiherr von MühlenMurrRammsDr. RutschkeDr. Schneider SchultzSpitzmüllerDr. Stammberger WalterZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillDPFrau Kalinke MatthesDr. PreißDr. Preusker Dr. SchildDr. Schneider Dr. SchranzDr. Steinmetz TobabenEnthaltenCDU/CSUDr. Schmidt SPDKoenen ReglingFDPDr. MiessnerWir müssen noch über den § 15 in der geänderten Fassung abstimmen. Wer diesem Paragraphen in der geänderten Fassung zustimmen will, der möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf den § 41. Dazu liegt vor der Antrag Umdruck 645 Ziffer 2. Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten Sie durch unseren Antrag noch einmal mit allem Ernst auf die Gefahren aufmerksam machen, die für unsere Jugend entstehen, wenn nicht eine zeitlich genau festgelegte gesundheitliche Betreuung vorgeschrieben wird. Durch Ihre gestrigen Beschlüsse haben Sie sowohl die eine Untersuchung vor der Arbeitsaufnahme als auch die eine Untersuchung bis zum 18. Lebensjahr — Sie haben hier nur noch eine Untersuchung vorgesehen —, die im ersten Beschäftigungsjahr erfolgen soll, auf freiwillige Basis gestellt. Sie müssen wissen, daß das eine große Gefahr für unsere Jugend bedeutet. Wenn diese Untersuchungen auf freiwilliger Basis stattfinden, wird sich ihnen nur ein ganz geringer Prozentsatz unserer Jugend unterziehen. Daß das so kommen wird, zeigt die Praxis.
So hat z. B. die Krankenversicherungsanstalt Berlin im Jahre 1956 die Lehrlinge der Geburtsjahrgänge 1938 bis 1941 zur kostenlosen ärztlichen Untersuchung bestellt. Sie hat die traurige Erfahrung
machen müssen, daß trotz Wiederholung der Aufforderung nur 21 % der zur Untersuchung bestellten Jugendlichen erschienen, obwohl für die Untersuchungen die frühen Morgen- und die späten Nachmittagsstunden vorgesehen waren und eine Erstattung des Fahrgeldes zugesichert worden war. Wenn Sie bei Ihren gestrigen Beschlüssen bleiben, wird es hier genauso kommen.
Im Interesse unserer Jugend schlagen wir Ihnen daher erneut vor, die vom Ausschuß für Arbeit mit Mehrheit beschlossene Fassung des § 41 wiederherzustellen, die eine Pflichtuntersuchung vor und zwei Untersuchungen nach der Arbeitsaufnahme vorgesehen hatte. Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für meine Fraktion erklären, daß wir nach wie vor auf unserem gestern vertretenen Standpunkt stehen. Wir wollen die Freiheit, und wir bitten, den Antrag abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab. Wer ,dem Antrag Umdruck 645 Ziffer 2 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe § 48 auf. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 634 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben unseren gestern abgelehnten Antrag zu § 48 Abs. 2 nochmals eingebracht, weil seine Annahme die notwendige Konsequenz der gestrigen Annahme der Änderungsanträge der FDP und der CDU/CSU zu § 48 Abs. 1 ist. Im Absatz 1 wird die Weitergabe von Untersuchungsergebnissen nach diesem Gesetz geregelt, im Absatz 2 die Weitergabe anderer Unterlagen, die der Amtsarzt im Besitz hat. Wir sind der Meinung, daß die ärztliche Schweigepflicht für beide Fälle gelten muß. Es wäre jetzt sehr reizvoll, etwas Grundsätzliches über die ärztliche Schweigepflicht zu sagen; aber das will ich nicht tun wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und weil sich die weit überwiegende Mehrheit dieses Hauses gestern auch in § 48 Abs. 1 für die Schweigepflicht ausgesprochen hat. Aus diesem Grunde beantragen wir, die Worte einzufügen: „Unter den gleichen Voraussetzungen". Das heißt also: Weitergabe nur, wenn die im Absatz 1 vorgesehene Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Personensorgeberechtigten gegeben worden ist.Wir beantragen weiter, ,die Worte einzufügen: „unbeschadet des Absatzes 1". Das hängt damit zusammen, daß man bei ,der jetzigen Fassung auf den Gedanken kommen könnte, der Amtsarzt sei zwar
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Dr. Stammbergernur befugt, alle anderen Ärzte aber seien verpflichtet, im Falle der Befreiung von der Schweigepflicht die Unterlagen entsprechend weiterzugeben. Wir sind der Meinung, daß nach dem Willen des Gesetzgebers bei diesem Gesetz der Arzt selbstverständlich auf jeden Fall verpflichtet ist, die Unterlagen weiterzugeben, wenn er von der Schweigepflicht entbunden worden ist; denn die Entbindung von der Schweigepflicht besagt ja, daß der Patient bzw. der Personensorgeberechtigte des jugendlichen Patienten die Weitergabe ausdrücklich gewünscht hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die CDU/CSU-Fraktion erklären, daß wir diesem Antrag zustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag Umdruck 634 zustimmen will, ,der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über den § 48 in der so geänderten Fassung. Wer ihm zustimmen will, der gebe das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit sind die Anträge erledigt. Wir kommen zur Schlußabstimmung.
— Werden Erklärungen abgegeben? — Das Wort hat der Abgeordnete Kemmer zur Abgabe einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Schlußabstimmung habe ich namens der CDU/CSU-Fraktion folgende Erklärung abzugeben:
Das neue „Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend" bringt gegenüber dem geltenden Recht wesentliche Verbesserungen zum Schutz der arbeitenden Jugend. Die Arbeitszeit ist für Jugendliche unter 16 Jahren von 48 auf 40 Stunden, die Arbeitszeit für die über 16 Jahre von 48 auf 44 Stunden herabgesetzt worden. Die Ruhepausen sind verlängert, die Anrechnung der Unterrichtszeit in der Berufsschule auf die Arbeitszeit ist verbessert worden. Der Urlaub ist nun einheitlich auf 24 Arbeitstage festgesetzt. Die Feiertage werden auf die wöchentliche Arbeitszeit angerechnet. Akkordarbeit und Fließarbeit sind für Jugendliche verboten.
Der Geltungsbereich des neuen Gesetzes ist umfassend und erstreckt sich auch auf die Jugendlichen im Haushalt und in der Landwirtschaft, die von den Vorschriften über Jugendarbeitsschutz bisher nicht erfaßt wurden. Da auch diese Jugendlichen eines gesetzlichen Schutzes bedürfen, sind sie im Entwurf den Schutzvorschriften unterstellt worden. Dieser umfassende Geltungsbereich bereitete aber bei den Beratungen die größten Schwierigkeiten, da auf die Eigenart der verschiedenen Wirtschafts- und Berufsgruppen, insbesondere auf die mittelständischen und kleinen Handwerksbetriebe, und auf die besonderen Verhältnisse in der Landwirtschaft und im Familienhaushalt Rücksicht genommen werden mußte. Die CDU/CSU hat beantragt — ihre Anträge sind angenommen worden —, den Regierungsentwurf in einigen Punkten zu ändern, damit das Gesetz diesen besonderen Verhältnissen Rechnung trägt und somit auch durchführbar wird. Die gelegentlichen Hilfeleistungen der 12- bis 14jährigen Kinder in der Landwirtschaft, die der Gesetzentwurf zuläßt, sind keine Kinderarbeit, sondern entsprechen den natürlichen Gegebenheiten der gegenseitigen Hilfe auf dem Dorfe. Mißbräuche können nach diesem Gesetz abgestellt werden.
Neu in diesem Gesetz ist die gesundheitliche Betreuung der arbeitenden Jugendlichen. Auch hier ist durch die Annahme der Anträge der CDU/CSU der Regierungsentwurf in einigen Punkten geändert worden. Durch diese Änderungen sind Elternrecht, freie Berufswahl, freie Arztwahl und ärztliche Schweigepflicht garantiert. Die Ärzte sollen wie bisher ihre jugendlichen Patienten beraten, ihnen helfen und ihnen beistehen. Jede andere Regelung würde zu einer Einschränkung des Vertrauens im Verhältnis des Arztes zu seinen jugendlichen Patienten führen, was dem Sinn echter gesundheitlicher Betreuung durch den Arzt widersprechen würde.
Die CDU/CSU ist der festen Überzeugung, daß dieses Gesetz einen echten Schutz für die arbeitende Jugend darstellt, der um so wirksamer wird, je besser und vertrauensvoller Eltern, Jugendliche, Arbeitgeber, Ärzte und Gewerbeaufsichtsbehörden zusammenarbeiten.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Behrendt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.Seit mehr als zehn Jahren wartet die deutsche Jugend auf ein den Erfordernissen unserer Zeit entsprechendes Jugendarbeitschutzgesetz. Wir Sozialdemokraten brachten sowohl im 2. als auch im 3. Deutschen Bundestag je einen Gesetzentwurf ein, dem die Regierung jedesmal kurze Zeit später mit einem eigenen Entwurf folgte. Wir glauben, daß unser Entwurf den Forderungen der Jugend nach einem wirksamen Arbeitsschutz Rechnung trug. Wir müssen heute mit großer Bestürzung feststellen, daß der Regierungsentwurf, der bei weitem nicht unseren Forderungen entspricht, im Laufe der zweiten und dritten Lesung in seinem materiellen Gehalt entscheidend weiter verschlechtert wurde.
Hierbei handelt es sich um vier schwerwiegende Punkte.1. Die Herausnahme der 17jährigen mit bestandener Facharbeiterprüfung aus dem Gesetz verstößt
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6633
Behrendtgegen unsere ganze bisherige Gesetzgebung und Rechtsprechung, die das Schutzalter für Jugendliche auf das 18. Lebensjahr begrenzte. Sie machen das Schutzbedürfnis von einer bestandenen oder nicht bestandenen Facharbeiterprüfung abhängig. Während Sie beim Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit soweit wie möglich Schutzbestimmungen einbauten, verneinen Sie im Arbeitsleben unserer Jugend — und da geht es noch dazu um ihre Gesundheitssicherung — dieses Schutzbedürfnis oder bauen es erheblich ab.2. Mit den §§ 1 und 7a sind entgegen dem Regierungsentwurf völlig neue Bestimmungen in das Gesetz hineingekommen; sie sprechen zwar nur von sogenannten „Hilfeleistungen" von Kindern, aber diese „Hilfeleistungen" bedeuten für Kinder nach ärztlichem Urteil praktisch „Arbeit". Unseren entgegenkommenden Kompromißantrag, für die Landwirtschaft als Übergangsregelung Hilfeleistungen — unter Begrenzung je Tag und Vierteljahr — im Rahmen der Nachbarschaftshilfe zu gestatten, haben Sie abgelehnt. Sie haben nunmehr beschlossen, daß alle Kinder in der gesamten Landwirtschaft ohne Beschränkung der täglichen Beschäftigungszeit sogenannte Hilfeleistungsen verrichten können.3. Entscheidend ist der dritte Gesichtspunkt. Während im Mai 1960 bereits 5,5 Millionen Arbeiter wöchentlich 45 Stunden, 6,7 Millionen Arbeiter wöchentlich 44 Stunden, 250 000 nur 43 bis 41 Stunden und 350 000 sogar nur 40 Stunden arbeiten, haben Sie beschlossen, daß die Jugendlichen von 14 bis 16 Jahren wöchentlich 40 Stunden und die 16- bis 18jährigen wöchentlich 44 Stunden arbeiten sollen. Abgesehen von der fast unmöglichen Durchführung in der Praxis und abgesehen davon, daß Sie völlig übersehen haben, daß bereits mehr als ein Drittel aller Arbeiter wöchentlich nur 44 Stunden und weniger arbeiten, haben Sie Ihre Ohren vor den mahnenden Rufen von Ärzten, Pädagogen und Psychologen verschlossen. Diese fordern aber zwingend für unsere Jugend eine wesentlich kürzere Arbeitszeit, als sie für Erwachsene besteht.4. Die Aufhebung der Pflichtuntersuchung vor der Arbeitsaufnahme und der weiteren so entscheidenden laufenden ärztlichen Betreuung der Jugendlichen gibt die Jugend den gesundheitlichen Gefahren des modernen Arbeitslebens völlig preis. Die ganze bisherige auf diesem Gebiet geleistete Arbeit haben Sie damit zunichte gemacht.
Wir haben nach unserer Auffassung als hochindustrialisiertes wie als hochzivilisiertes und, wie viele noch dazu sagen, als hochkultiviertes Land doch geradezu die Verpflichtung,
die Konventionen 77 und 78 der Internationalen Arbeitsorganisation vorbildlich zu praktizieren.
Genau das Gegenteil haben Sie beschlossen.
Wir halten es im übrigen für unverantwortlich, daß während der zweijährigen Beratung in den Ausschüssen und der zweitägigen Verhandlungen in diesem Hohen Hause der zuständige Minister oder sein Staatssekretär nicht ein einzigesmal den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf verteidigt oder sich dazu geäußert
und zu den verschiedenen verschlechternden Ausschußbeschlüssen Stellung genommen hat.
Daß die sozialdemokratische Opposition oftmals zur Verteidigerin des Regierungsentwurfs wurde, war grotesk. Daß Sie aber, die Regierungsparteien, den Regierungsentwurf materiell in einem so erschreckenden Maße verschlechterten, halten wir — so wie der Bundesjugendring es ausgesprochen hat — „einer Kulturnation für unwürdig".
Natürlich bringt das Gesetz auch einige Verbesserungen.
Wir begrüßen die Ausweitung ,des Gesetzes auf bisher nicht erfaßte Wirtschaftszweige, ebenso die wesentliche Heraufsetzung des Urlaubs. Aber diese Verbesserungen können nicht im geringsten Maße diese fast ausschließlich verschlechternden Bestimmungen, die Sie nachträglich beschlossen haben, aufwiegen.Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird daher den zur Abstimmung stehenden Entwurf eines Jugendarbeitsschutzgesetzes ablehnen.
Sie wird so schnell wie möglich durch einen entsprechenden Antrag auf Änderung dieses Gesetzes die Sicherung des wertvollsten Gutes unserer Nation, der Gesundheit unserer Jugend, zu erreichen versuchen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat ,der Abgeordnete Dürr.
Herr Präsident! Meine Damen undNamens der Fraktion der FDP habe ich zurSchlußabstimmung folgende Erklärung abzugeben.Die Fraktion ,der Freien Demokraten begrüßt, daß das neue Jugendarbeitsschutzgesetz weitere Personengruppen in ,das Gesetz einbezieht und die Rechtszersplitterung beseitigt, die nach 1945 entstanden ist.Wir haben bei der Beratung in den Ausschüssen alles getan, um ein möglichst einfaches und allgemein verständliches Gesetz zu erreichen. Das Gesetz kann nur voll wirksam werden, wenn jeder Lehrling vor der Gesellenprüfung die Grundzüge und jeder Handwerksmeister oder Bauer das ganze Ge-
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Dürrsetz kennt. Diese Forderung ist aber nur erfüllbar, wenn das Gesetz nicht zu perfektionistisch ist und seine Vorschriften allseits nicht als überspitzt angesehen werden. Das Gesetz erfüllt auch nach den Änderungen in der zweiten und in der dritten Lesung diese unsere Wünsche nicht. Bei den bestehenden Verhältnissen in diesem Hohen Hause kann aber eine andere Regelung nicht erreicht werden.Auf der anderen Seite ist eine für das ganze Bundesgebiet geltende einheitliche Regelung aus staatspolitischen Gründen und um unserer Jugend willen besonders nötig und dringlich. Aus diesem Grunde wird ,die Fraktion der FDP dem Gesetz trotz erheblicher Bedenken die Zustimmung nicht versagen.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Tobaben.
Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es, daß im Interesse der Jugend mit dem vorliegenden Gesetz eine einheitliche Ordnung im Jugendarbeitsschutz geschaffen wird. Sie hofft allerdings, daß dabei auch die Hilfe für eine gute Berufsausbildung nicht übersehen wird. Damit der Jugendliche später im Leben im modernen technischen Zeitalter seine Aufgaben erfüllen kann, ist eine bessere Schulausbildung von größter Bedeutung. Die Ansprüche der Schule sind mit Recht größer geworden. Sie lassen für eine geregelte Ausbildung leider oft kaum noch genügend Raum. Die Prüfungsergebnisse bei unseren Lehrlingen weisen alle Verantwortlichen immer wieder auf die Gefahr hin, die nicht nur unserer Jugend selber, sondern auch der Volkswirtschaft drohen, wenn die Zahl gut ausgebildeter junger Kräfte dauernd abnimmt.
Meine Freunde befürchten, daß mancher dirigistische Zug in diesem Gesetz Veranlassung geben könnte, über das Ziel hinauszuschießen. Es wäre ein schlechter Dienst an der Jugend, wenn wir ihr aus übertriebener Sorge um ihre Bequemlichkeit durch
ein Gesetz ihr Lebensziel verbauten. Die Jugend selber will in ihrer großen Mehrheit gar nicht allzusehr an das Gängelband des Staates genommen werden, sondern in der freien Entfaltung ihrer Fähigkeiten ihre Leistung unter Beweis stellen können. Darüber sollten wir uns freuen. Wir sollten in der Gesetzgebung nur darüber wachen, daß sie nicht durch verantwortungslose Unternehmer ausgenutzt wird oder in falsch verstandenem Ehrgeiz und Zielstreben ihrer Gesundheit schadet.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer dem Gesetz zustimmen will, möge sich erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Wir haben nun noch über den Antrag des Ausschusses unter Buchstabe B Ziffer 2 abzustimmen, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf für erledigt zu erklären. Wer einverstanden ist, möge die Hand erheben. — Gegenprobe! — Gegen zahlreiche Gegenstimmen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Buchstabe B Ziffer 3, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. — Gegenprobe! —
Enthaltungen? — Angenommen.
Es liegt noch der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 633 vor. Soll er noch besonders begründet werden?
— Ist das Haus mit der Überweisung des Entschließungsantrags Umdruck 633 an den Ausschuß für Arbeit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesbaugesetzes ;
Wir treten ein in die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Minister für Wohnungsbau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich am 28. Juni 1958, also vor zwei Jahren, die Vorlage der Bundesregierung zu einem Bundesbaugesetz begründete, habe ich an dieser Stelle ausgeführt, daß das Gesetzeswerk zu den innenpolitisch bedeutsamsten, aber auch zu den schwierigsten ge-Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn. Freitag, den 20. Mai 1960 6635Bundesminister Lückehöre, die der 3. Deutsche Bundestag zu verabschieden habe. Die fast zweijährigen Beratungen in den Ausschüssen des Hohen Hauses und im Plenum haben wohl allen Abgeordneten eindringlich bestätigt, wie schwer es war, diese umfangreiche Materie zu bewältigen und Lösungen zu finden, die befriedigen, vor allem aber Lösungen zu finden, die in der Praxis durchführbar sind. Dieses Ziel wurde erreicht. Es wurde erreicht, weil gerade diese Vorlage mit dem Ernst beraten wurde, den diese gesellschaftspolitische Frage verdient. Gewiß mögen in dem Gesetzentwurf Wünsche offengeblieben sein. Wie könnte es bei einer solchen schwierigen Materie anders sein! Dennoch wurde eine Lösung gefunden, die auf dem wichtigen Gebiet des Bau- und Bodenrechts eine neue Ordnung einleiten wird.Die Bedeutung des Gesetzeswerks wird vielleicht dadurch unterstrichen, daß ich daran erinnere, wie die Versuche in der Weimarer Zeit, eine solche Lösung zu erreichen, scheiterten. Nachdem der Entwurf eines Preußischen Städtebaurechts von 1926 nicht Gesetz wurde, scheiterte auch der Versuch, den das Deutsche Reich 1931 unternahm, dieses Problem gesetzgeberisch zu lösen. Auch Versuche in der folgenden Zeit, mit dieser Materie fertigzuwerden, scheiterten. So kam es, daß wir nach dem Zusammenbruch mit dem Wiederaufbau unserer zerstörten Dörfer, Gemeinden und Städte ohne ausreichende moderne Baugesetze beginnen mußten. Die meisten Länder haben sich zwar in den folgenden Jahren Aufbaugesetze gegeben, die einzelne Probleme gelöst haben. Aber eine umfassende und auf ein einheitliches Ziel ausgerichtete Regelung auf diesem Gebiet ist ausgeblieben.Der Bund hat sich sogleich nach seiner Gründung dieser Aufgabe angenommen. Ein vorläufiger Entwurf, der als Diskussionsgrundlage dienen sollte, löste verständlicherweise lebhafte Debatten aus. Es zeigte sich, daß bei aller Verschiedenheit der Vorstellungen über mögliche Lösungen im einzelnen doch die Notwendigkeit, das Städtebaurecht durch ein Bundesgesetz einheitlich zu regeln, anerkannt wurde. Der Bundestag hat anläßlich der Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes im Sommer 1953 die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 30. Juni 1954 den Entwurf eines Gesetzes über die Bodenbewertung vorzulegen, hierbei die Preisstopp-vorschriften abzulösen und Spekulationsgewinne an Grund und Boden auszuschließen. Die bestehenden Zweifel über die Gesetzgebungszuständigkeiten auf diesem Gebiet mußten erst durch ein Gutachten des Bundesverfassungsgerichts vom Juni 1954 behoben werden, bevor eine Regierungsvorlage vorgelegt werden konnte. Deshalb entschloß sich im Herbst 1955 eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses aus allen Fraktionen — ich gehörte dazu —, den von der Hauptkommission für die Baugesetzgebung erarbeiteten Entwurf in einer vorläufigen Fassung initiativ einzubringen. Das Ende 1956 von der Bundesregierung vorgelegte Bundesbaugesetz konnte im 2. Bundestag trotz intensivster Ausschußberatungen nicht mehr verabschiedet werden. So legte die Bundesregierung diesen Gesetzentwurf dem 3. Bundestag erneut vor. In den über eineinhalbjährigen Ausschußberatungen durch den federführenden Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht und die mitbeteiligten Ausschüsse hat der Entwurf in manchen Teilgebieten Änderungen sachlicher und auch redaktioneller Art erfahren.In den Ausschußberatungen wurde oft hart miteinander gerungen, bis es schließlich zu dem Ihnen vorliegenden Ergebnis kam. Erlauben Sie mir, daß ich an dieser Stelle den Mitgliedern des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht und ebenso den Damen und Herren der mitbeteiligten Ausschüsse meinen aufrichtigen Dank für die unendlich mühevolle Arbeit an dieser schweren Aufgabe ausspreche, insbesondere dem Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Dr. Hesberg.
Die Grundziele der nunmehr in dritter Lesung durch das Hohe Haus zu verabschiedenden Gesetzesvorlage darf ich noch einmal stichwortartig hervorheben:i . Schaffung rechtlicher Voraussetzungen und Handhabungen für eine zukunftweisende Wohnungsbau- und Städtebaupolitik einschließlich der notwendigen Sanierung unserer Gemeinden und Städte.2. Zusammenfassung der zersplitterten baurechtlichen Bestimmungen in einem Bundesgesetz und Anpassung dieser Bestimmungen an die Grundsätze unseres Grundgesetzes.3. Festlegung der Inhaltsbestimmungen des Eigentums im Sinne des Art. 14 GG.4. Beseitigung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke und Überführung des Grundstücksmarktes in die soziale Marktwirtschaft; gleichzeitig Einbau von Bestimmungen, die sicherstellen, daß dem Bodenwucher wirksam entgegengetreten wird und ein Baulandmarkt entsteht, der Bauland zu gerechten Preisen anbietet.Uns, dem Hohen Hause, ist die Aufgabe gestellt, die Entwicklung unserer Dörfer und Städte so zu beeinflussen, daß sie Raum für den ständig wachsenden Verkehr, für Kinderspielplätze, Gärten und Grünanlagen, für Kultur und Freizeit bieten, daß sie vor allem auch Raum bieten für die zahlreichen Familienheimbewerber. Es ,geht idarum, den Wünschen breitester Volksschichten zu entsprechen, zu Eigentum an Haus und Boden zu kommen. Dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß es insbesondere unsere tgemeinsame Sorge sein, unseren Brüdern und Schwestern aus Mitteldeutschland zu helfen, die widerrechtlich von Haus und Hof verjagt wurden und bei uns Freiheit, Heimat und Obdach finden müssen. Manche notwendige Eigentumsbeschränkungen im Sinne unserer sozialen Ordnung mußten den Besitzern von Land, insonderheit unseren Landwirten, in der Bundesrepublik auferlegt werden, damit für diese geflüchteten deutschen Familien Eigentum an Haus und Hof neu entstehen kann.Durch Zustimmung zu den Grundsätzen der Sozialpflichtigkeit des Grund und Bodens hat das Hohe Haus in zweiter Lesung in eindrucksvollster Weise ein Bekenntnis zum Eigentum abgelegt. Während in
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6636 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Bundesminister LückeMitteldeutschland Eigentum ausgelöscht wird, um die Sklaverei aufzurichten, schafft der Deutsche Bundestag ein Gesetzeswerk, das dem Ziel dient, möglichst Eigentum für alle zu schaffen.
Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat wissen, daß Eigentum als Institution in unserer gefahrvollen Zeit auf die Dauer nur erhalten werden kann, wenn es gelingt, eine breite staatstragende Schicht von Eigentümern zu schaffen. Dieses gesellschaftspolitische Problem erfordert die gesetzliche Festlegung der Freiheit und der Bindung des Eigentums im Sinne unserer Grundordnung.Meine Damen und Herren, auch in dieser wichtigen Frage wurden gute Losungen gefunden. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen, dem Hohen Hause, dafür meinen besonderen Dank und den Dank der Bundesregierung ausspreche.Ich bitte Sie, dem Bundesbaugesetz in dritter Lesung Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren! Die allgemeine Aussprache ist eröffnet. Besteht das Haus auf einer allgemeinen Aussprache?
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherlich ist eines richtig, was der Herr Bundeswohnungsbauminister soeben ausgeführt hat: daß es sich bei dem Gesetzentwurf, den zu verabschieden wir uns anschicken, um einen wichtigen Entwurf, um wichtige innenpolitische Entscheidungen handelt. Das rechtfertigt eine grundsätzliche Betrachtung, ja macht sie erforderlich. Die Diskussionen in diesem Hause anläßlich der zweiten Beratung des Bundesbaugesetzes haben im wesentlichen in einem Meinungsaustausch der Experten bestanden. Nur gelegentlich ist angeklungen, daß dieses Gesetz versucht, ein möglichst einheitliches Bau- und Bodenrecht zu schaffen, daß darüber hinaus aber auch bedeutsame politische Probleme mit ihm angesprochen werden.
Die sozialdemokratische Opposition hat an den Beratungen dieses Gesetzes nicht nur aufmerksam, sondern auch konstruktiv gestaltend mitgewirkt. Sie legt Wert auf die Feststellung, daß weite Teile des Gesetzes zu begrüßen sind. Was z. B. in den Vorschriften über die Bauleitplanung, die Veränderungssperre, das gemeindliche Vorkaufsrecht, die Umlegung, das materielle Enteignungsrecht und die Baulanderschließung geregelt ist, kann, wenn man von einzelnen Schönheitsfehlern und Unzulänglichkeiten absieht, die sich hier und da finden, durchaus begrüßt werden. Hier ergeben sich in der Tat Möglichkeiten für die Praxis, die hilfreich sein können. Leider läßt sich das nicht in bezug auf die sozial und politisch besonders bedeutsamen Komplexe sagen, die von diesem Gesetz berührt, jedoch, wie wir sehen werden, keineswegs befriedigend gelöst werden.
Lassen Sie mich hierzu ein paar Feststellungen treffen! Wo immer in den letzten Jahren von den Arbeiten an einem Bundesbaugesetz die Rede war, fand man mit den Erörterungen die Vorstellung verbunden, daß ein solches Gesetz nicht nur der Rechtsvereinheitlichung dienen, sondern vor allem der Zielsetzung eines neuzeitlichen Städtebaues Wege eröffnen sollte. Technische, wirtschaftliche, ästhetisch-künstlerische, hygienische, insbesondere aber auch soziale Forderungen wurden in diesem Zusammenhang erhoben. Mit ihnen verband man die, wie man sagte, übergeordnete Aufgabe, den Menschen in räumlicher Hinsicht gesunde Lebensbedingungen zum Wohnen, zum Arbeiten und zur Erholung zu sichern.
Dieser neuzeitliche Städtebau stand unter dem Leitgedanken, gegliederte Stadtkörper mit ausreichenden Freiflächen, in sich abgeschlossene Baugebiete und überschaubare Bezirke zu schaffen. Mit einer solchen Auflockerung sollte einer Versteinerung und Vermassung, kurz: der Zusammenballung entgegengewirkt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Städtebau ist stets Ausdruck seiner Zeit, und daher sind baurechtliche Gesetze in einem besonderen Maße und stärker als manche andere Gesetze den geistigen Grundströmungen ihrer Entstehungszeit unterworfen. Das geltende Baurecht entspricht der Vorstellungswelt von Epochen, die hinter uns liegen. Es genügt nicht den sozialen und rechtsstaatlichen Auffassungen der Gegenwart.Die Verfasser dieser Sätze fanden damals Beifall und Gehör. Mitglieder aller Fraktionen des 2. Bundestages haben die Vorschläge der erwähnten Hauptkommission im Jahre 1955 aufgegriffen und als Initiativgesetzentwurf eingebracht. Es waren 127 Abgeordnete, darunter 54 der CDU, und inmitten dieser Schar befanden sich der jetzige Bundeswohnungsbauminister Lücke und der jetzige Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht, Herr Dr. Hesberg.
Wenn ich dies hervorhebe, so hat das seinen Grund. Der im 2. Bundestag in dieser Weise eingebrachte, leider nicht mehr zu Ende beratene Gesetzentwurf war vom Geist des neuzeitlichen Städtebaues getragen. Er packte auch heiße Eisen an, so den sogenannten Planungswertausgleich. Er war eine ausgezeichnete Grundlage für ein Werk, das, um ein Wort von Professor Dr. Oswald von NellBreuning zu zitieren, „den sozialen Rechtsstaat in der Bewährung im Bereiche des Bodenrechts und des Bodeneigentums" hätte zeigen können.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6637
JacobiIch erwähnte schon, daß der Gesetzentwurf der 127 Abgeordneten des 2. Bundestages das Stadium abschließender Beratungen nicht erreicht hat, und ich deutete an, daß der heute in dieses Stadium eingetretene Entwurf eines Bundesbaugesetzes gegenüber seinem Vorgänger gravierende Unterschiede aufweist.Wer sich allerdings nach der Druckschrift zu informieren versucht, die das Wohnungsbauministerium vor einigen Tagen den Abgeordneten und der Offentlichkeit übergeben hat, wird erstaunt fragen müssen, ob das nunmehr zur Verabschiedung anstehende Gesetz nicht doch ohne Makel sei. Ihm wird das Bundesbaugesetz als „Grundgesetz für einen neuzeitlichen Städtebau" angekündigt, und soeben hat der Herr Bundeswohnungsbauminister noch einige andere lobende Bemerkungen über den von ihm vermuteten, in Wirklichkeit im Gesetz gar nicht zu findenden Inhalt dieser Vorlage ausgesprochen.„Grundgesetz für einen neuzeitlichen Städtebau"? Das steht in der Tat im ersten Satz der Broschüre, die den Titel trägt „Was will das Bundesbaugesestz?". In Wirklichkeit ist dieses Gesetz, was neuzeitlichen Städtebad anlangt, was eine programmatische Grundlegung für solchen Städtebau bedeuten müßte, völlig wertneutral. Es enthält keinerlei exakte oder zwingende Vorschriften für einen neuzeitlichen Städtebau. Man kann nämlich auch ohne dieses Gesetz eine guten Städtebau betreiben wie mit dem Gesetz auf die traurigste Weise bauen.Wenige Zeilen später lesen wir als Antwort auf die Frage „Welche Aufgaben sollen durch das Gesetz gelöst werden?" unter anderem: „Es soll die Beschaffung von Bauland insbesondere für Eigenheime erleichtern." Dabei ist vom Eigenheimbau im Bundesbaugesetz nur einmal an ganz versteckter Stelle, und zwar in Verbindung mit dem Vorkaufsrecht, die Rede, ansonsten nirgendwo.
— § 1 mit seinem allgemeinen Prinzip besagt doch für die Praxis igar nichts, ist doch nur ein Leitgedanke, konkretisiert nichts und leitet nicht Maßnahmen ein, die nicht allgemein und mit den jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln getroffen werden können.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Burgbacher?
Ich gestatte eine Zwischenfrage.
Herr Kollege Jacobi, glauben Sie nicht, daß, wenn Sie ein Bundesbaugesetz verlangen, das jede Möglichkeit eines fehlgeleiteten Städtebaus ausschließt, Sie die kommunale Selbstverwaltung auf diesem Gebiet aufheben müßten?
Aber, Herr Kollege Burgbacher, darum geht es nicht. Es geht darum, daß Sie diesem Gesetz in der öffentlichen Darstellung einen Sinn geben, der nicht richtig ist. Das ist kein Gesetz für Eigenheimbau, das ist kein Gesetz zur Streuung von Eigentum. Das ist ein Gesetz, das im wesentlichen technische Bestimmungen enthält, das insoweit wertneutrale Bestimmungen wiedergibt, ein Gesetz über Bau- und Bodenrecht, dazu unter Ausklammerung sozialer und politischer Entscheidungen. Darauf werde ich aber noch zu sprechen kommen müssen, nachdem Sie mir solche Einwendungen entgegenhalten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Czaja?
Ich muß noch einmal auf die Broschüre zu sprechen kommen; aber vorher wünscht Herr Kollege Czaja von mir eine Auskunft. Bitte sehr!
Herr Kollege Jacobi, ist Ihnen entgangen, daß der § 1 erhebliche materielle Vorschriften auch über das Eigenheim und über Eigenheimbaugebiete enthält, Vorschriften, die bei der Aufstellung der Bebauungspläne zwingend zu beachten sind, und daß bei dem Genehmigungsverfahren zu prüfen ist, ob sie beachtet worden sind?
Trotzdem sind es allgemeine Grundsätze, trotzdem ist nur ein Leitgedanke darin zum Ausdruck gebracht worden. Ich komme nur darauf, Herr Kollege Dr. Czaja, weil ich die falsche Unterstreichung und den falschen Wertkatalog bekämpfen muß, wie sie aus den Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers wieder einmal zu erkennen waren. Man soll diesem Gesetz im guten wie im schlechten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Man soll aber nicht falsche Kategorien aufstellen.Ich komme in einer weiteren Betrachtung der Broschüre, die der Herr Bundeswohnungsbauminister herausgegeben hat, noch auf einige Punkte zu sprechen. Diese Broschüre hat breiten Eingang in die Presse gefunden. Ich bin an sich ein wenig traurig darüber, daß sie von einem großen Teil der Presse völlig kritiklos übernommen worden ist und daß dadurch zusätzlich die Gefahr besteht, daß die Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild über die Bedeutung dieses Gesetzes bekommt. Wir lesen in dieser Broschüre also als Antwort auf die Frage der Baulandbeschaffung einen betonten Hinweis auf die Eigenheime. Ich habe darüber schon gesprochen.Da vielleicht wieder einmal die Gefahr besteht, daß der sozialdemokratischen Opposition unterstellt wird, sie habe Vorbehalte gegen den Eigenheimbau, und das seien sogar Vorbehalte grundsätzlicher Art, möchte ich folgende klare Feststellung treffen. — Sie lächeln, hoffentlich freundlich, Herr Kollege von Bodelschwingh.
— Lassen Sie mich dazu etwas sagen, Herr Kollege Mick. Sie haben es übrigens in diesem Punkt mit mir furchtbar schwer; Sie müßten mir nämlich noch
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Jacobiirgendeine Äußerung in meinem Leben gegen den Eigenheimbau nachweisen. Hier greifen Sie mich völlig zu Unrecht an, hier zweifeln Sie bei mir etwas an, was bei mir gar nicht zu bezweifeln ist.
— Ich spreche zugleich für meine Partei, Herr Kollege Mick. Wo immer etwas für den Bau von Eigenheimen getan werden kann und getan werden muß, sollte dies geschehen.
Sowohl für die staatliche Gemeinschaft als auch für eine gesunde Familienentwicklung kann das an der rechten Stelle, mit den rechten Mitteln und ohne quälende räumliche oder finanzielle Enge gebaute Eigenheim von unschätzbarem Wert sein.
Ich meine jedoch das reale Eigenheim, nicht das Eigenheim als Propagandaparole.
In der Broschüre zum Bundesbaugesetz riecht die Erwähnung des Eigenheims, wie ich schon andeutete, doch sehr stark nach Propaganda; denn von allgemeinen Leitgedanken abgesehen gibt es in dem Gesetz kein spezielles Anliegen, das den Eigenheimbau betrifft, kann es auch gar nicht darin geben. Deshalb sollte man nicht so viel Aufhebens von dieser Frage machen, wie das der Herr Bundeswohnungsbauminister tut.
— Herr Kollege Even, die Wißbegier Ihrer Fraktion ist ungeheuer groß. Ich bin aber bereit, ihr Rechnung zu tragen.
Herr Kollege Jacobi, möchten Sie die Frage beantworten, ob wir jetzt in der dritten Lesung des Bundesbaugesetzes stehen oder in einer Lesung der Broschüre des Wohnungsbauministeriums?
Selbstverständlich beantworte ich Ihnen die Frage. Ich spreche zu Ausführungen des Herrn Ministers, die er soeben gemacht hat, und zu Ausführungen, die er in einer Broschüre zur zweiten und dritten Lesung des Bundesbaugesetzes der Offentlichkeit unterbreitet hat. Oder gibt es irgendwelche Vorbehalte dagegen, daß in diesem Hause nicht nur mündlich vorgetragene Darlegungen zu einem Gesetzentwurf in der dritten Lesung erörtert werden können?
einem Problem, über das der Bundeswohnungsbauminister im Laufe der Jahre unzählige Male gesprochen und zu dem er früher sogar konkrete und durchaus radikale Vorschläge entwickelt oder mit unterstützt hat.Im Jahre 1953 — das muß festgehalten werden, damit es auch in bezug auf die historische Entwicklung eine völlig neutrale Betrachtung gibt — hat der Abgeordnete Paul Lücke dem Entwurf eines Gesetzes über die Bewertung von Bauland und über die Abschöpfung von unverdientem Bodenwertzuwachs nicht nur zugestimmt, sondern sogar seinen Namen gegeben. Nach diesem Gesetzentwurf, der im Deutschen Volksheimstättenwerk erarbeitet wor-
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Jacobiden war, sollten zwei Drittel des unverdienten Bodenwertzuwachses abgeschöpft und der Allgemeinheit zugeführt werden.Es hat also schon vor sieben Jahren einen LückePlan gegeben. Allerdings hatte er eine Tendenz, die mit der des im Jahre 1960 diskutierten und in der nächsten Woche in diesem Hause zur Verabschiedung anstehenden Lücke-Plans wohl kaum verglichen werden kann.
— Na ja, aber die Wandlung vom Abgeordneten zum Minister, Herr Kollege Schröter, ist eine sehr komplizierte Erscheinung; dazu will ich jetzt keine Stellung nehmen.
Vor fünf Jahren führte der Abgeordnete Lücke die schon erwähnte Schar der 127 Abgeordneten aller Parteien an, die den Entwurf eines Bundesbaugesetzes Drucksache Nr. 1813 einbrachten. In diesem Gesetzentwurf war der sogenannte Planungswertausgleich vorgesehen. Er versuchte, wie schon das Wort andeutet, einen Ausgleich herbeizuführen. Es handelte sich um eine Regelung, die Nachteile und Vorteile, die sich etwa aus der Planung ergaben, berücksichtigen wollte. Dem Eigentümer sollte also nicht nur ein unverdienter Nutzen genommen, sondern er sollte andererseits auch vor einem billigerweise nicht zumutbaren Nachteil bewahrt bleiben.Als wir im 2. Bundestag in den Ausschußberatungen an diesem Punkte anlangten, zeigte sich bereits der Wandel der Auffassungen. Der Wille zu einer entsprechenden Regelung war bei den Mitinitiatoren der CDU zusammengeschrumpft. „Die Heiden waren müde geworden"! Es gab platonische Erklärungen. Dabei ist es auch in diesem, dem 3. Bundestag geblieben. Alle Versuche der sozialdemokratischen Opposition, für die Notwendigkeit eines — gleichwie gearteten – Wertausgleichs mehr als eine theoretische Diskussionsbereitschaft zu finden, scheiterten an der nunmehr kategorischen Ablehnung der CDU/CSU im Ausschuß.Ein Bundesbaugesetz, das darauf verzichtet, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die sich für einen — sozial sein wollenden — Rechtsstaat im Bodenrecht und beim Bodeneigentum ergeben, mag als Spezialgesetz seine Bedeutung haben; staats-und gesellschaftspolitisch ist es ein Versager.
Der bereits erwähnte und wohl von allen Seiten dieses Hauses hoch geschätzte Professor Nell-Breuning erklärte einmal, ein Bundesbaugesetz ohne Wertausgleich sei ein Messer ohne Klinge.
Nun, dieses Messer ohne Klinge liegt vor Ihnen.
— Ja eben, mein Lieber, damit soll zum Ausdruck kommen, daß ein Gesetz vorgelegt wird, das die ihm gestellte Aufgabe nicht erfüllt.
Verehrter Herr Huth, es ist sehr schwer, sich über Bilder klarzuwerden, wenn auf der einen öder anderen Seite so etwas wie Blindheit eine Rolle spielt. Entweder erkennen Sie das Problem, oder Sie erkennen es nicht.
Der federführende Ausschuß hat Herrn Professor Nell-Breuning angehört.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Kollege Jacobi, ich unterbreche Sie ungern. Aber vielleicht erinnern wir uns doch, daß das Bundesverfassungsgericht ein Gutachten erstattet hat. Darin steht, daß der Bund für alles mögliche zuständig ist, aber nicht für das Baupolizeirecht und für den Erlaß einer Regelung über eine Wertsteigerungsabgabe. Das ist doch gerade das, was Sie dem Bundeswohnungsbauminister vorhalten. Der Bund ist gar nicht berechtigt, sich mit diesen Angelegenheiten zu befassen. Das wissen wir doch. Das ist Sache ,der Länder und nicht des Bundes.
Verehrter Herr Kollege, ich erinnere mich noch mit Vergnügen daran, daß Sie im federführenden Ausschuß, dem Sie seit mehreren .Jahren angehören, sich sehr oft redlich Mühe gegeben haben, daran mitzuwirken, Gesetzesvorlagen zu verbessern. Sie haben dabei aber auch die Diskussionen zu diesem Punkt mit angehört. Mir ist selbstverständlich bekannt, daß hinsichtlich des Wertausgleichs gewisse verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bestehen. Das wußte auch der Abgeordnete Liicke, als er den Initiativgesetzentwurf eingebracht hat; mit dem Entwurf war nämlich ein Antrag auf Verfassungsänderung verbunden.Hier geht es jedoch nicht darum, die verfassungsrechtliche Problematik herauszustellen. Wichtig ist vielmehr, daß man schließlich überhaupt nicht mehr bereit war, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen.
Wenn die Bodenfrage wirklich die Gretchenfrage unserer sozialen Ordnung ist — das hat der Herr Minister vor einigen Tagen noch einmal unterstrichen —, dann muß man, erkennt man das Problem, natürlich auch bereit sein, unter Umständen eine Verfassungsänderung in Kauf zu nehmen. Wie gesagt, ,die verfassungsrechtliche Problematik soll hier nicht behandelt werden. Es kann nicht geleugnet werden, daß diese Frage Schwierigkeiten aufweist.Im Ausschuß hat es — ich habe das jetzt wiederholt hier festgestellt — überhaupt keine Bereitschaft mehr gegeben, diese oder ähnliche Lösungen, bei denen eine Verfassungsänderung nicht notwendig gewesen wäre, zu erörtern. Sie haben in der zweiten Lesung auch den sozialdemokratischen
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JacobiÄnderungsantrag zu § 211 a nicht zugestimmt, der gar keine Grundgesetzänderung erforderlich gemacht hätte, Sie wollen nämlich diese Dinge materiell gar nicht geregelt wissen.Ich sprach vorhin von Herrn Professor NellBreuning und sagte, ,daß er diesen Vorbehalt seinerzeit gemacht hat. Ich habe festgestellt, daß der Ausschuß ihn angehört hat, und wollte weiter darauf hinweisen, daß der Ausschuß auch Herrn Johannes Lubahn hat 7u Wort kommen lassen, dem der Herr Bundeswohnungsbauminister mit Zustimmung des ganzen Hauses dieser Tage eine ehrende Erwähnung hat zuteil werden lassen. Was aber ist damit geholfen, wenn man Leute ehrt, ohne ihre Anliegen zu honorieren, wenn man sie anhört und dann doch nicht tut, was sie für richtig halten, wenn man lediglich der Form genügt?Auch bei Lubahn ist dasselbe zu sagen wie hinsichtlich der Anhörung von Prof. Nell-Breuning. Er, der Verfechter der Grundrentenabgabe, ein Mann, der zu den unbestreitbar großen Idealisten unserer Tage gehört, hat sich jahrelang abgemüht und abgequält, ist wirklich von Pontius zu Pilatus gelaufen, ist überall angehört und beschwichtigt worden. Er war noch dieser Tage hier in diesem Hause. Man mag zu ihm und zu seinen Vorschlägen stehen, wie immer man will, es ist ein wenig Tragik mit der Feststellung verbunden, die ich soeben traf, und es ist bedauerlich, daß man es sich so leicht gemacht hat, solche Vorschläge abzulehnen. Positive Auswirkungen auf die Gesetzesgestaltung haben solche und ähnliche Vorschläge jedenfalls nicht gehabt.Meine Damen und Herren! Auch die Tatsache, daß sich die Kommunen immer wieder für eine Wertausgleichsregelung eingesetzt haben, ist auf den Ausschuß ohne Eindruck geblieben. Der Deutsche Städtetag hat in seinem soeben veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 1959/1960 folgende interessante Feststellungen hierzu getroffen — ich darf, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, die wenigen Sätze aus diesem Geschäftsbericht verlesen —:Indem der Gesetzgeber es unterläßt, der Planungswertabschöpfung gleichzeitig das Korrelat der Planungsentschädigung zur Seite zu stellen, enthält er den Gemeinden die Erfassung des unverdienten Nutzens vor, der Grundeigentümern aus der Planung zufließt. Eine solche unterschiedliche Behandlung wird sich auf die Dauer nicht halten lassen; sie muß auch innerhalb der Bürgerschaft als ungerechte Verteilung von Lasten empfunden werden. Daher ist zu erwarten, daß die vom Deutschen Städtetag in die öffentliche Diskussion gebrachten, auch von vielen nichtkommunalen Sachkennern anerkannten Vorschläge zur Planungswertabschöpfung bei den in den nächsten Jahren ohnedies zu erwartenden Ergänzungen des Bundesbaugesetzes neue Bedeutung erlangen werden.So viel zu diesem Kapitel. Interessant an den Feststellungen des Deutschen Städtetages ist, daß offenbar bei ihm die Überzeugung nicht obwaltet, " daß dieser Gesetzentwurf außerordentliches Lob verdiene. Er ist noch nicht verabschiedet, da redet man bereits von notwendigen Novellierungen.Meine Damen und Herren, wenige abschließende Feststellungen noch einmal zu Punkten der Broschüre und aus dieser Broschüre in die Öffentlichkeit gekommenen Feststellungen. Man findet in der Presse in den letzten Tagen eine betonte Herausstellung auch dieser Punkte. Da heißt es auf Seite 9, daß im Bundesbaugesetz eindeutige und klare Regelungen darüber getroffen worden seien, wann städtebauliche Planungsmaßnahmen eine Entschädigungspflicht auslösen und wann sie ohne Entschädigung hingenommen werden müssen. Wäre das richtig, so wäre dem Gebot des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes in der Tat entsprochen worden. Die Behauptung stimmt jedoch nur zum Teil. Denn in den Bestimmungen über die Entschädigung, die dem § 32 nachfolgen, sind im wesentlichen weiche, auslegungsfähige Generalklauseln zu finden. Dabei ist es ja gerade die besondere Crux unseres bisherigen Baurechts gewesen, daß dem Art. 14 Abs. 1 unseres Grundgesetzes, der Inhalt und Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber genau bestimmt wissen will, keine Rechnung getragen war. Ich habe diesen Mangel vor Jahren einmal an anderer Stelle mit folgenden Worten gekennzeichnet: Das Schweigen und die Unklarheit des geschriebenen Gesetzes zwingen die Gerichte in eine unlösbare Aufgabe, nämlich dort Recht zu finden und zu sprechen, wo das Gesetz versagt.Nun spricht die ministerielle Fibel gleichsam mit Genugtuung auch noch davon, daß das Bundesbaugesetz — hören Sie einmal zu, wie es da wörtlich heißt — „die gesicherten Erkenntnisse von Rechtsprechung und Rechtslehre berücksichtigt". Das ist aber doch in Wirklichkeit das Eingeständnis, daß dem Auftrag des Grundgesetzes nicht Rechnung getragen worden ist. Die Erkenntnisse von Rechtsprechung und Rechtslehre wurden berücksichtigt. Zehn Jahre Zeit und dann Urteile abzuschreiben, statt selbst schöpferisch tätig zu werden, das verdient fürwahr kein Lob.Die beiden letzten Punkte, die ich aus der kleinen „Festschrift" für das Bundesbaugesetz kritisch herausgreifen muß, betreffen das schiefe Bild, das unter der Uberschrift „Die Maßnahmen im einzelnen" über die Erhöhung der Grundsteuer und die Wirkung der Gutachterausschüsse dargeboten wird.In der Öffentlichkeit ist die sogenannte Baulandsteuer mit Recht lebhaft kritisiert worden. Das geschah auch anläßlich der zweiten Beratung. Die einen haben sie als unzumutbare Belastung, die anderen als kaum spürbaren Nadelstich angesehen. Der Bundeswohnungsbauminister hat sich relativ zurückhaltend darüber geäußert. Man merkt bei ihm, daß er sich gezwungen sah, sie zu akzeptieren, daß sie aber Idealvorstellungen, die er sich gelegentlich einmal gemacht hat, nicht entspricht. Die Steuer soll als Belastung wirken und baureife Grundstücke der Bebauung zuführen. Ist denn ein solcher Erfolg überhaupt zu erwarten? Man liest, daß eine vier- bis sechsmal höhere Grundsteuer als
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Jacobibisher erhoben werden soll. Bei einer solchen Darstellung wird jedoch verschwiegen, daß sich die Behauptung, es würde eine vier- bis sechsmal höhere Grundsteuer erhoben, auf die Berechnungsmethode bezieht, die mein Freund Dr. Brecht bereits in der zweiten Lesung kritisch herausgestellt hat und die auf dem Einheitswert von 1935 basiert. Gemessen am jetzigen Grundstückswert liegt die Belastung durch die Baulandsteuer nach einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums in den eigentlichen Baugebieten sage und schreibe zwischen 0,1 und 1,3 %.
Ich habe hier die Aufstellung. Wenn Sie meine Angaben anzweifeln, kann sie Ihnen vorgelegt werden. Nur bei Bauland in der Innenstadt — und wie wenig gibt es davon heute noch! — beträgt sie 2,4 %.Man muß sich einmal klarmachen, was das bedeutet. Den Beamten gegenüber ist neulich zugestanden worden, daß in der Zeit von 1957 bis 1960, also in drei Jahren, eine Kaufkraftminderung von mehr als 2 % pro anno stattgefunden hat. Die Baulandsteuer liegt darunter. Sie stellt keinen realen Verlust dar und ist auch rein ökonomisch eine Farce. — Das ist zu diesem Instrument zu sagen.
Es bleibt die Einrichtung der Gutachterausschüsse. Die Erwartung — sie ist ausgesprochen worden —, diese Ausschüsse könnten mit ihren Marktbeobachtungen „die Preisentwicklungen günstig beeinflussen" — ich habe wörtlich zitiert —, ist durch nichts I gerechtfertigt.Es ist also fürwahr kein Grund für Lobeshymnen zu finden. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Komplexe, die der Behebung der Baulandnot und dem Kampf gegen die Wohnspekulation zu dienen hätten, es aber nicht tun. Hier ruft der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form eine bedrückende Enttäuschung hervor; hier versagt er völlig.Die vorzeitige Fälligkeit der Erschließungsbeiträge wird sicherlich hier und da einen Eigentümer zu Überlegungen veranlassen, ob er sein baureifes Grundstück weiterhin baulich unbenutzt läßt. Ein wesentlicher Einfluß auf den Baulandmarkt wird von einer solchen Maßnahme jedoch nicht erwartet werden können. Die Baulandsteuer ist, wie dargelegt, wirkungslos. Die Gutachterausschüsse sind einflußlos. Hoffnungen also, es gebe im Hinblick auf Baulandnot und Bodenpreissteigerungen eine Regelung, die hilfreich wäre, sind leider nicht berechtigt, und im Lauf der Beratungen hat sich eine immer stärkere Verhärtung der Standpunkte ergeben, hat sich eine immer ablehnendere Haltung der CDU/CSU gegenüber erforderlichen radikalen Maßnahmen herausgestellt. Das ist leider bis zum Schluß der Beratungen so geblieben.Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat hier sein Beispiel von der goldenen Uhr wiederholt, das er im Ausschuß schon einmal angeführt hatte. Er hat erklärt, das Gesetz sei zwar keine goldene, auch keine silberne Uhr geworden, aber immerhin ein brauchbarer Wecker. Dieser Wecker sei dazu geeignet — so hat er es während der 114. Sitzungwörtlich dargestellt —, die Bodenspekulanten aus dem Schlaf aufzuscheuchen.
Mir ist ein schlafender Bodenspekulant immer noch lieber als ein „aufgeweckter",
und ich fürchte in der Tat, daß sich mancher Bodenspekulant dieses Weckers „Bundesbaugesetz" sehr gern bedienen wird.
Dieser Wecker macht die Bodenspekulanten wach, dieses Gesetz tritt den Bodenspekulanten nicht entgegen.Das ist um so bedauerlicher, als das Gesetz in vielen Punkten — worauf ich bereits eingangs hingewiesen habe — gemeinsam erarbeitete Beratungsergebnisse enthält. Die Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit im Sinne eines echten Selbstverwaltungsrechtes, die planungsmethodischen Bestimmungen, die Schaffung eines umfassenden bundeseinheitlichen, der Rechtszersplitterung ein Ende bereitenden Baurechtes, dies alles entspricht im wesentlichen den grundsätzlichen Forderungen auch der Opposition. Sie hat bei diesem Gesetz bis zuletzt konstruktiv mitgewirkt. Über weite Strecken gab es ein ruhiges Miteinanderraten und -taten. Erst gegen Schluß der Ausschußarbeit wurden bei der Beratung auch dieses Gesetz politische Spannungen spürbar, die gemeinsamen und auch weiterhin abgewogenen Beratungsergebnissen wenig dienlich waren.Nun, meine Damen und Herren, die Frucht langjähriger Arbeit liegt heute vor uns. Die Opposition beklagt nichts mehr, als daß sie von der Sache her gehindert ist, das Geschaffene als tadelsfrei zu bezeichnen.Sie stellt folgendes fest: Die Bodenfrage, die der Bundeswohnungsbauminister — wie ich schon erwähnte — anläßlich der zweiten Lesung als die Gretchenfrage der sozialen Ordnung bezeichnete, ist der Lösung nicht einen Schritt nähergebracht worden. Den entscheidenden Aufgaben eines neuzeitlichen Städtebaus weicht das Gesetz aus. Baulandnot und Bodenspekulation werden sich weiterhin auswirken, ja, wie zu befürchten ist, ausweiten. Nichts in diesem Gesetz wirkt dem entgegen. Die vorzeitige Fälligkeit der Erschließungsbeiträge, die das Bundesbaugesetz ermöglicht, und die völlig unzulängliche Baulandsteuer sind keine geeigneten Mittel, den beklagenswerten Zustand zu ändern, daß das Bauland knapp und teuer ist.Was das Gesetz dem Städteplaner an Hilfen gibt, versagt es dem Städtebauer. Im sozialen und politischen Bereich erfüllt dieses Gesetz die ihm gestellte Aufgabe nicht. Wenn unserem wieder eingebrachten Änderungsantrag zum Komplex der Baulandsteuer von der Mehrheit dieses Hauses wiederum nicht entsprochen werden sollte — was leider als sicher gelten muß —, vermögen wir diesem Gesetz nicht zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Bewertung verschiedener Bestimmungen dieses Bundesbaugesetzes angeht, so bestehen doch sehr unterschiedliche Auffassungen. Herr Kollege Jacobi hat eben die Ansicht vertreten, die vorzeitige Fälligstellung des Erschließungsbeitrages könne nur eine geringe Wirkung haben. In unserer Fraktion wird im Gegensatz dazu die Auffassung vertreten, daß diese neue Bestimmung des Gesetzes vermutlich einer der Ansatzpunkte für eine völlige Wandlung der Verhältnisse auf den Bodenmärkten in der Bundesrepublik in der Zukunft ist.
Ich vertrete nicht nur diese Auffassung, weil ich sie selbst als Amtsvorgänger des Kollegen Lücke gehabt Labe, sondern ich teile auch die Meinung, die er dazu in der Öffentlichkeit wiederholt herausgestellt hat, daß nämlich in der Tat die sofortige Fälligkeit des Erschließungsbeitrages von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung sein wird.Ich darf es einmal ganz einfach an Hand eines Beispieles darstellen. Ein Erschließungsbeitrag für Straßenbau, Beleuchtung und die üblichen Sicherheitsmaßnahmen hygienischer Art — ich will im Augenblick gar nicht eine volle Kanalisierung ins Auge fassen — von 5 DM pro Quadratmeter ist heutzutage nichts Ungewöhnliches, sondern schon etwas Bescheidenes. In Städten kommen Sie heutzutage nicht unter dem Doppelten zu einer Deckung des Aufwandes. Nehmen Sie einmal ein Areal von, sagen wir, 10 000 qm unbebauten Geländes, für das nach Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Erschließungsbeitrag von 5 DM pro Quadratmeter fällig gestellt wird. Dann sind da eventuell sofort oder in Raten 50 000 DM aufzubringen. Ob das nicht Bewegung in den Baumarkt zu bringen vermag? Ich bin überzeugt davon, daß sehr viele — —
— Es kann doch sein, daß das gesamte Gelände in ein Bebauungsgebiet gehört und daß demnach der Erschließungsbeitrag in dieser vollen Höhe fällig gestellt wird. Ich habe dieses Beispiel hier ja nur gebracht, um zu zeigen, wie sich eine solche Bestimmung auswirken kann, wenn sie von den kommunalen Verwaltungen, die die Beschlüsse zu fassen haben, entsprechend angewandt wird.Wir glauben also, daß das Bedenken, das der Sprecher der SPD geäußert hat, von diesem Gesetz könne kein wirksamer Druck in Richtung auf eine Erhöhung des Angebots an Grund und Boden ausgehen, unbegründet ist. Im Gegenteil, wir befürchten eher, daß die Dinge hier manchmal sogar nach der anderen Seite etwas überspitzt werden können. Uns bewegen also die gegenteiligen Sorgen.
— Ja, sicher, Herr Kollege Mick!Auch ein anderer Vorwurf des Sprechers der SPD-Fraktion trifft, glaube ich, nicht ganz zu. Er sagte, Herr Kollege Lücke habe früher einmal zusammen mit dem Vorsitzenden des Ausschusses seinen Namen unter einen Initiativgesetzentwurf von 127 Abgeordneten gesetzt, der viel schöner gewesen sei als der damalige Regierungsentwurf
— besser —, und nun sei das „besser" mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr der Fall. Herr Kollege Jacobi, nach Meinung unserer Fraktion ist leider noch zuviel von dem, was in dem Initiativgesetzentwurf enthalten war, auch in dem jetzt vorliegenden Entwurf enthalten.
— Ich muß Herrn Minister Lücke absolut in Schutz nehmen. Er hat sehr weitgehend an seiner Konzeption festgehalten. Wir haben in der zweiten Lesung durch unseren Antrag, die §§ 28 a und 28 c zu streichen, zum Ausdruck bringen wollen, was wir von der Kombination ,der sofortigen Fälligstellung des Erschließungsbeitrages mit einigen anderen Bestimmungen befürchten. Zunächst einmal wird durch den Erschließungsbeitrag ein sehr erheblicher Druck in Richtung auf eine Vermehrung des Angebots und damit auf eine mindestens nicht mehr preissteigernde Entwicklung ausgelöst, eine Entwicklung, die wir absolut befürworten. Aber wenn man das nun mit einem Vorkaufsrecht der Gemeinden für urigebaute Grundstücke verbindet, können Mißbräuche entstehen, die wir nicht wünschen. Ich habe das schon in der zweiten Lesung ausgeführt. Wir wünschen nämlich, daß das Gelände, das jetzt vermehrt an den Markt gebracht ,wird, unter allen Umständen auch in die Hand von privaten Personen und nicht in die tote Hand gelangt.Wir haben also in dieser Hinsicht sehr ernste Bedenken. Unser Antrag ist in der zweiten Lesung in namentlicher Abstimmung mit einer überwältigenden Mehrheit abgelehnt worden. Wir haben ihn in der dritten Lesung nicht wieder gestellt, weil es sich doch nur um eine Demonstration mit zeitraubender Wirkung gehandelt hätte. Es genügt, daß wir gesehen haben, unsere Befürchtungen hinsichtlich ,der Mißbräuche durch die tote Hand werden nicht geteilt.Sie machen es damit vielen unserer Kollegen schwer, dem Gesetz in der dritten Beratung zuzustimmen, zumal von uns im Gegensatz zu der außerordentlichen großen Wirkung, ,die wir von der sofortigen Fälligstellung des Erschließungsbeitrages erwarten, von der Baulandsteuer keinerlei sinnvolle Wirkung erwartet wird. Sie ist weder ertragsmäßig von Bedeutung, noch kann dort, wo weiterhin ein Verkäufermarkt besteht, eine Überwälzung wirksam verhindert werden; im Gegenteil, man wird sie auf einem Verkäufermarkt jederzeit dem Käufer auflasten können. Auf diese Weise wird das, was man im Grunde mit dem Erschließungsbeitrag erreichen will, unter Umständen wieder gefährdet. Zweifellos hätte in diesem Punkt eine Neubewertung des Grundbesitzes, eine end-
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Dr. Preuskergültige Bereinigung der Wertverzerrung, zu einer sinnvolleren Entwicklung geführt.Wir wissen alle, daß das nicht erreicht worden ist. Unsere Fraktion wird daraus keine Schicksalsfrage machen. Aber soviel ist sicher: Sollte die Baulandsteuer in der dritten Lesung fallen, dann könnte unsere Fraktion trotz der Bedenken, die im übrigen wegen des Vorkaufsrechts bestehen, dem Bundesbaugesetz uneingeschränkt zustimmen. Denn im Gegensatz zu dem, was der Kollege Jacobi hier ausgeführt hat, sind wir der Meinung, daß trotz aller Bedenken und Sorgen, die wir wegen der Kardinalpunkte herausgestellt haben, der Umstand, daß es zum erstenmal in der deutschen Geschichte ein einheitliches Bundesbaugesetz gibt, das man sicher nachher auch noch verbessern kann
— meinetwegen auch „muß"; ich teile durchaus Ihre Auffassung, nur denke ich wahrscheinlich an eine andere Richtung als Sie, Herr Kollege Jacobi —,
von ganz fundamentaler Bedeutung ist. Ich habe den Eindruck, daß weder die Öffentlichkeit noch vielleicht auch alle Damen und Herren dieses Hohen Hauses schon voll und ganz ermessen, welche Lücke damit in Deutschland tatsächlich geschlossen wird.
Ehe ich weiter das Wort erteile, möchte ich mitteilen, daß die Fraktionen vereinbart haben, Punkt 15 heute von der Tagesordnung zu streichen. Punkt 15 soll am Dienstag als Punkt 1 auf die Tagesordnung kommen. Es handelt sich um den Entwurf eines Gesetzes über die Berechnung strafrechtlicher Verjährungsfristen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich, um Ihren Dank zu verdienen, besonders kurz fassen. Denn ich habe den Eindruck, daß schon vieles von dem gesagt worden ist, was ich für meine Fraktion in dieser Grundsatzaussprache zum Bundesbaugesetz anführen müßte. Wir haben vorgestern in der zweiten Lesung zu den einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes in einer beinahe zehnstündigen Debatte ausführlich Stellung igenommen. Ich glaube daher, daß man jetzt nicht noch einmal auf die Details eingehen sollte, soweit nicht im Anschluß an die allgemeine Aussprache durch neue Änderungsanträge das eine oder andere Problem noch einmal angeschnitten wird.Mir kommt es darauf an, die grundsätzliche Haltung der Fraktion der Freien Demokratischen Partei gegenüber einem Gesetz von so bedeutender sozialpolitischer Tragweite darzutun, wie es dieses Bundesbaugesetz nun einmal ist. Wir wissen, daß der Name dieses Gesetzes dem Inhalt nicht ganz gerecht wird, denn vom Bauen ist darin kaum die Rede. Es müßte eigentlich „Bundesbaubodengesetz"heißen, allerdings nicht „Bundesbaubodenreformgesetz", denn dafür fehlen immerhin die Voraussetzungen, worüber sich ja das Gutachten des Bundesverfassungsgerichts deutlich ausgesprochen hat. Aber eines sollten wir nicht runtergehen lassen, und ich möchte es unterstreichen, obwohl es schon von den Sprechern aller anderen Fraktionen erwähnt worden ist: daß die Materie dieses Gesetzes von einer geradezu schicksalhaften Bedeutung ist. Denn die gesetzliche Regelung der Verfügung über Grund und Boden ist eben mehr als der Inhalt eines der beinahe Tausende von Gesetzen, die wir in den letzten zehn Jahren gemacht haben und die sich mit allen möglichen Dingen befaßt haben, aber nicht mit einer Materie, die eine der Grundvoraussetzungen unseres Daseins ist, nämlich mit Grund und Boden.Zwar ist nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung Bodenbesitzer im eigentlichen Sinne. Man rechnet mit ungefähr 4 Millionen Hausbesitzern in Deutschland, und ich nehme an, daß es insgesamt — um irgendeine Zahl zu nennen — keine 10 % der Bevölkerung sind, die Grundeigentümer sind. Aber ebenso wahr ist, daß jeder von uns irgendwie mit Grund und Boden verbunden ist, und sei es auch nur als Mieter in einem supermodernen Hochhaus im 22. Stock. Alle unsere menschlichen Bedürfnisse, angefangen bei der Ernährung, über die Wohnung, über die Arbeitsstätten bis zu unseren gesundheitlichen und kulturellen Bedürfnissen, hängen mit dem Grund und Boden zusammen. Deshalb muß auch von einer liberalen Partei, von der Freien Demokratischen Partei anerkannt werden, daß Grund und Boden ein ganz besonderes Eigentum ist, das ja schon nach dem Grundgesetz gewissen Beschränkungen unterworfen werden darf und muß.Da meine Fraktion also diese Sozialpflichtigkeit, diese Sozialverbundenheit des Grund und Bodens ausdrücklich anerkennt, möchte ich irgendwelchen Mißdeutungen entgegentreten, die etwa in der Auffassung liegen könnten, wir betrachteten den Boden als eine Ware wie jede andere. Das ist durchaus nicht der Fall. Wir haben aber — und das darf ich jetzt einmal aussprechen — als Vertreter des Liberalismus in diesem Hause den Eindruck, daß der Konservativismus und der Sozialismus hier so überragend vertreten sind, daß es eigentlich einer Korrektur durch eine andere Fraktion durchaus bedarf, die das Interesse des Individuums, des Einzelmenschen, über das Ideal der Massenideologie und der Massenbeeinflussung stellt. Aus diesem Grunde haben wir Liberale uns immer für verpflichtet gehalten. Gesetze unter dem Gesichtswinkel des Schutzes des Individuums gegenüber der Staatsallmacht zu betrachten. Daß bei einem solchen Gesetz, wie es hier vorliegt, eine solche Durchleuchtung besonders erforderlich ist, dürfte, glaube ich, allgemein anerkannt werden.In diesem Hause gibt es — um das jetzt einmal so am Rande zu sagen — einen rechtspolitischen 'Ausschuß, dessen Aufgabe darin besteht, alle die Beschlüsse, die die anderen Ausschüsse zustande gebracht haben, daraufhin zu prüfen, ob sie auch rechtlichen Erwägungen, rechtspolitischen Gesichtspunkten Rechnung tragen. So sind wir der Mei-
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Dr. Willnung, es müßte auch so etwas ähnliches wie einen ' freiheitspolitischen Ausschuß geben — den wir nicht haben —, der dafür sorgt, daß gerade im Drange dieser Gesetzesfabrikation das Interesse des einzelnen Menschen nicht untergeht. Dafür betrachten wir uns als Fraktion der Liberalen, der Freien Demokratischen Partei, als besonders zuständig.
Unter diesem Gesichtswinkel haben wir — und ich möchte das nur kurz andeuten — zu einigen Punkten des vorliegenden Baugesetzes ernstliche Bedenken angemeldet, die wir auch heute noch aufrecht erhalten. Es ist Ihnen bekannt, daß wir insbesondere auf dem Gebiet der Enteignung, des Vorkaufsrechts und zuletzt natürlich auch der Grundsteuer C, der Baulandsteuer, erhebliche Einwendungen vorgebracht haben.Soweit es sich um das Vorkaufsrecht handelt, waren wir völlig damit einverstanden, daß es im Interesse der Allgemeinheit und im Interesse der Gemeinwesen ausgeübt wird, weil ohne eine solche Einrichtung weder eine Planung möglich ist, noch überhaupt ein Städtebau auch schon in der Vergangenheit denkbar gewesen wäre. Tatsächlich hat es in allen Ländern Vorschriften für die Enteignung schon gegeben. Diese Instrumente werden also von uns bejaht, wobei wir nur verhindern wollten, daß mit ihnen Mißbrauch getrieben wird, der so aussieht, daß — man spricht von Bürokratie und weiß, was darunter verstanden wird — der einzelne in der Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen einfach untergeht gegenüber der Autorität, die ihm von der Staatsallmacht entgegengebracht wird. Diese Möglichkeiten haben uns mit Sorgen erfüllt. Wir haben sie vorgetragen. Das Haus hat dem nicht in vollem Umfang oder kaum Rechnung tragen können. Das sind Erwägungen. die aber keine ausschlaggebende Rolle spielen können, wenn es sich darum handelt, ob wir das Gesetz als solches anerkennen werden.Über die Notwendigkeit dieses Gesetzes besteht bei uns natürlich völlige Einmütigkeit. Selbst wenn es nichts anderes bezweckte, als die Unzahl in vergangene Jahrzehnte zurückreichender Verordnungen und Gesetze endlich zu vereinheitlichen, würde schon das den Erlaß des neuen Gesetzes rechtfertigen. Großenteils ist der Inhalt nicht neu. Er ist im wesentlichen nur eine Zusammenfassung, und viele Gesetze, mit denen wir es bis jetzt zu tun hatten — Wohnsiedlungsgesetz, Baulandbeschaffungsgesetz, die gesamten Aufbaugesetze, vor allem die Preisstoppverordnung usw. —, sollen mit dieser Kodifikation untergehen. Schon das allein ist ein außerordentliches Verdienst dieser Gesetzesvorlage. Aus allen diesen Gründen wird das Gesetz auch von meiner Fraktion durchaus anerkannt.Was wir aber nicht anerkennen können, ist das, was auch meine Herren Vorredner, sowohl Herr Jacobi von der SPD als auch Herr Preusker von der DP, abgelehnt haben: wir können nicht anerkennen, daß die Baulandsteuer in der vorliegenden Form ein irgendwie taugliches Mittel ist, Baulandin erhöhtem Umfange in diejenigen Hände zu bringen, in denen es nach unserem Willen sein soll.Wir sind der Auffassung, daß dieses Bundesbaugesetz nicht das letzte sein wird, daß aber die darin enthaltenen Bestimmungen schon sehr weitreichend. sind. Hierin unterscheide ich mich etwas von dem Pessimismus der Freunde aus der SPD, die der Meinung sind, daß dieses Gesetz eigentlich umsonst sei und keinerlei Wirkung haben werde. Das ist nicht unsere Auflassung. Wir sind der Meinung, daß vor allem der Wegfall des Preisstopps eine Unmenge von Grundeigentümern, vor allem ältere Personen, veranlassen wird, sich auf legalem Wege von ihrem Eigentum zu trennen, weil ihnen Schwierigkeiten wegen eines erhöhten Preises, der dem Notar nicht bekanntgegeben worden ist, nicht mehr entstehen könnten.Wir sind ferner der Auffassung, daß die Regelung der Vorfälligkeit der Anliegerbeiträge — das ist von Herrn Preusker schon erwähnt worden — doch eine sehr weitreichende und einschneidende Maßnahme ist. Hinzu kommt, daß der einzelne Interessent durch Inanspruchnahme der Gutachten von Schätzstellen die Überzeugung gewinnen kann, daß eine Überforderung nicht vorliegt.Am meisten wird aber, glauben wir, der Umstand, daß die hektische Tätigkeit im Wohnungsbau nun einmal in einigen Jahren aufhören wird — der Zeitpunkt ist heute schon abzusehen —, dazu beitragen, die übermäßige Nachfrage nach Bauboden zu dämpfen, und damit auch regulierend wirken im Sinne des Marktmechanismus, den wir in der Wirtschaft als liberale Fraktion ganz besonders schätzen. Alle diese Dinge zusammen, sind, glauben wir, geeignet, einen Druck auf die Bodenpreise auszuüben und ein erhöhtes Angebot zu erzeugen.Das einzige Mittel, das wir nicht akzeptieren, ist, wie ich schon ausführte, die gegenwärtige Form der Baulandsteuer. Sie ist im übrigen im Ausschuß schon so verwässert worden, daß effektiv eine Wirkung weder nach der einen noch nach der anderen Seite erwartet werden kann. Weder kann gehofft werden, daß Interessenten auf diese Weise schneller zu Bauland kommen, noch kann erwartet werden, daß durch diese minimale Drohung der Eindruck auf die Bodenbesitzer so erheblich ist, daß irgend jemand sich veranlaßt fühlen wird, Grundbesitz, an dem er festhalten will, abzugeben. Wir werden daher die Baulandsteuer ablehnen und werden die Annahme dieses Gesetzes — wie auch mein Herr Vorredner gesagt hat — davon abhängig machen, ob die Baulandsteuer in der Vorlage bleibt oder nicht. Sollte die Baulandsteuer angenommen werden, wird die Fraktion der Freien Demokratischen Partei das Gesetz ablehnen. Um klarzustellen, wie die Haltung der einzelnen Mitglieder dieses Hauses dazu ist, werde ich zu gegebener Zeit einen Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag auf Streichung des § 211 a stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6645
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt das Zustandekommen des Bundesbaugesetzes; es erfüllt sie mit Befriedigung, daß die Initiative, die im 1. Bundestag u. a. auch von der CDU/CSU-Fraktion für die Erstellung dieses Gesetzgebungswerkes ausging, nunmehr zu einem positiven Ergebnis geführt hat. Einer der Hauptinitiatoren sowohl im 1. als auch im 2. Bundestag und nunmehr in der dritten Legilaturperiode dieses Hohen Hauses war der damalige Abgeordnete Paul Lücke, unser jetziger Wohnungsbauminister. Wir dürfen ihm wohl an dem Tage, an dem dieses Gesetz zur Verabschiedung steht, für seine Initiative unseren herzlichsten Dank aussprechen,
wie auch dafür, daß er sich in den letzten 18 Monaten der Beratung dieses Gesetzes immer wieder als Motor für die Verabschiedung dieses Gesetzes erwiesen hat.Wir begrüßen es aufrichtig, .daß nach 40 Jahren —seinerzeit in der Weimarer Republik gab es nämlich zuerst Bestrebungen, ein einheitliches Baurecht im ganzen Reichsgebiet zu Ischaffen — solche Bestrebungen nunmehr im Bundesbaugesetz Wirklichkeit werden. Die Unübersichtlichkeit des Rechts, die wohl nicht mehr überboten werden kann, findet damit ein Ende. Vielfach ist dem Deutschen Bundestag vorgeworfen worden, daß er zuviel Gelegenheitsgesetze mache. Ich darf wohl gerade von diesem Gesetz sagen, daß eine solche Bezeichnung auf das Bundesbaugesetz keineswegs zutrifft. In anderthalbjährigen Beratungen haben Gründlichkeit und Sachlichkeit die ganze Verhandlung ausgezeichnet. Wir haben — entgegen der Auffassung des Herrn Kollegen Jacobi — ein Städtebaugesetz geschaffen, das den an den Städtebau gestellten neuzeitlichen Anforderungen gerecht werden wird.
Das gilt namentlich für die Bestimmungen, die wir für die Sanierung geschaffen haben; denn gerade auf diesem Gebiete werden in den nächsten Jahren sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen sein.
Darum ist die oft gehörte Kritik, daß dieses Gesetz zu spät komme, durchaus falsch.Wir sind 'der Ansicht, der der Bundeswirtschaftsminister, Professor Dr. Erhard, vor kurzem in einer Rede Ausdruck gegeben hat, daß es Aufgabe der nächsten Jahre ist, eine sinnvolle Ordnung der räumlichen Umwelt zu schaffen, die der dynamischen Entwicklung der Technik mit ihren Auswirkungen auf die Menschen gerecht wird. Demzufolge werden große städtebauliche Aufgaben in Gegenwart und Zukunft unvermindert vor uns stehen. Das Bundesbaugesetz ist nach unserer Auffassung ein Instrument für einen in Verbindung mit der Raumordnung stehenden neuzeitlichen Städtebau.Erinnern wir uns des Wohnungsbaus, der namentlich noch in 'den nächsten Jahren zu bewältigen ist, glauben wir, daß das Gesetz eine Handhabe bietet,den Wohnungsbau so zu entwickeln, wie es uns insbesondere für den sozialen Wohnungsbau der nächsten Jahre vorschwebt. Durch 'das Gesetz wird die erforderliche Grundlage, das erforderliche Bauland für den Wohnungsbau gesichert.Gerade über die Bodenfrage, über die hier gesprochen worden ist, kann man natürlich sehr verschiedener Auffassung sein. Herr Kollege Jacobi hat hierzu eine Auffassung vertreten, von der er sagt, daß sie auch vom Städtetag vertreten werde. Aber sie wird nicht von allen Gemeinden vertreten; der Gemeindetag vertritt nach meiner Kenntnis eine andere Auffassung, und das sind letzten Endes auch Kommunalpolitiker. Es kommt dadurch zum Ausdruck, daß hier durchaus unterschiedliche Betrachtungsweisen angebracht sind. Auch im Wissenschaftlichen Beirat, der sich aus hervorragenden Kennern des Städtebaus, der Praxis und der Theorie, die einen Namen haben, zusammengesetzt hat, haben sich, wie seit Jahrzehnten, unterschiedliche Auffassungen zum wirtschaftlichen Geschehen gegenübergestanden. Wir sind durchaus der Meinung, daß die Maßnahmen, die von seiten des Wissenschaftlichen Beirats angeboten worden sind und die wir in diesem Gesetz verwirklicht haben, uns zu dem führen werden, was wir letzten Endes beabsichtigen: die Auflockerung des Bau- und Bodenmarkts.Daß das nach all den Jahren der Bindung natürlich nicht von heute auf morgen geschehen kann, ist klar. Aber das würde auch dann so schnell nicht möglich sein, wenn Sie beispielsweise einen Planungswertausgleich verwirklichten.
Wir sind der Auffassung, daß dieser Gesetzentwurf die Grundlage zu einer freiheitlichen Ordnung durch die Freigabe der Bodenpreise legen wird. Wir sind auch der Überzeugung, daß nach der bisherigen Zurückhaltung derer, die weder mit der Steuer noch mit den Preisvorschriften in Konflikt kommen wollten, namentlich durch den Erschließungsbeitrag, wie das schon zum Ausdruck gekommen ist, dazu beigetragen wird, daß Grund und Boden wieder an den Markt kommt. Auch die übrigen Maßnahmen, die Baulandsteuer und die preisdämpfenden Maßnahmen, die von den Schätzungstellen ausgehen dürften, werden nach unserer Auffassung zu einer Entwicklung führen, wie wir sie in diesem Hohen Hause alle anstreben.Vor allen Dingen glaubt die CDU, daß dieser Gesetzentwurf die Grundlage zur Verwirklichung des gesellschaftspolitischen Leitbildes der CDU, der Eigentumsbildung und der Schaffung neuen Eigentums in Gestalt von Familienheimen, schaffen wird. Unsere Grundeinstellung zum Privateigentum, wie sie im Grundgesetz zum Ausdruck kommt, wird durch das Gesetz bestätigt. Das gilt sowohl von den Entschädigungsvorschriften als auch von den sozialen. Bindungen des Eigentums. Wir glauben, daß alle diejenigen, die das Privateigentum bejahen, auch die Verpflichtungen aus dem Bodeneigentum anerkennen werden.Die Ausführung dieses Gesetzes ist nun den Ländern und den Gemeinden vorbehalten. Sie werden
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6646 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Dr. Hesbergdie Planung, die Erschließung usw. durchzuführen haben. Wir vertrauen darauf, daß gerade die gemeindliche Selbstverwaltung, von der wir nach wie vor ein hohe Meinung haben, dieses Gesetz so verwirklichen wird, wie wir es in achtzehnmonatigen Beratungen angestrebt haben. Daher werden meine Freunde dem Gesetzentwurf ihre uneingeschränkte Zustimmung geben.
Meine Damen und Herren! Wortmeldungen liegen jetzt nicht mehr vor.
Zu § 150 a liegt der Änderungsantrag Umdruck 655 Ziffer 1 vor. Wird er begründet? — Herr Abgeordneter Bartels, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in § 147 bestimmt, daß zu diesen Erschließungsanlagen auch Parkflächen und Grünanlagen gehören, die Bestandteil öffentlicher Straßen sind. Dabei ist nicht zum Ausdruck gekommen, daß ein Baulustiger möglicherweise bereits auf Grund der baupolizeilichen Bestimmungen oder der Bestimmungen der Verordnung über Garagen und Einstellplätze, die insoweit in Kraft bleibt, verpflichtet ist, auf seinem Grundstück entweder eine Grünfläche anzulegen oder einen Einstellplatz oder eine Garage zu errichten. Wir möchten mit unserem Antrag sicherstellen, daß der Eigentümer nicht doppelt herangezogen wird, einmal mit dem Erschließungsbeitrag und zum anderen auf Grund der genannten besonderen Vorschriften.
Ich bitte, den Antrag anzunehmen.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Zu § 159 liegen folgende Änderungsanträge vor: Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, DP Umdruck 649, Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU Umdruck 655 Ziffer 2. Es erhebt sich die Frage, welcher Antrag weiter geht. Da der Antrag der Fraktion der CDU/CSU nicht bloß die erwerbsgärtnerische, sondern die landwirtschaftliche Nutzung betrifft, geht er wohl über den anderen Antrag hinaus.
Herr Abgeordneter Baier zur Begründung, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in ,der zweiten Lesung als Abs. 4 a in § 159 eine besondere Schutzvorschrift eingebaut, damit wirtschaftliche Schwierigkeiten vermieden werden, die durch ein sofortiges Fälligwerden der Erschließungskosten auftreten könnten, und zwar beschränkt auf den Fall, daß das Grundstück noch zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Betriebes nötig ist. Wir hatten es auf die erwerbsgärtnerische Nutzung abgestellt, glauben aber jetzt, daß wir den Schutz auf die landwirtschaftliche Nutzung überhaupt erstrekken sollten. Wir beantragen deshalb, das Wort „erwerbsgärtnerisch" durch das Wort „landwirtschaftlich" zu ersetzen.
Zur Beruhigung derer, denen der Erwerbsgartenbau besonders am Herzen liegt, möchte ich darauf hinweisen, daß mit dem Begriff „landwirtschaftlich" alles erfaßt wird. § 175 a ,des Bundesbaugesetzes bestimmt:
Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes ist insbesondere der Ackerbau, Idie Wiesen- und Weidewirtschaft, der Erwerbsgartenbau, der Erwerbsobstbau und der Weinbau.
Es wird also alles erfaßt, auch der Erwerbsgartenbau.
Ich bitte, dem Änderungsantrag zuzustimmen.
Wird auch der Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und DP begründet? — Abgeordneter Mauk, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und ,Herren! Ich möchte Ihnen mitteilen, daß die Antragsteller bereit sind, den Antrag auf Umdruck 649 zugunsten des soeben von Herrn Kollegen Baier begründeten Antrags zurückzuziehen. Die Antragsteller bitten aber, die Formulierung ein wenig abzuwandeln. Ich sprechehier sowohl im Namen der beiden antragstellenden Fraktionen — der DP und der FDP — als auch im Namen eines großen Teils der Mitglieder der Fraktion der CDU/ CSU.
— Nein, das ist tatsächlich so; da brauchen Sie nicht zu lachen. Wir haben uns vorher verständigt.
Nach dem CDU-Antrag soll die Formulierung lauten:Werden Grundstücke landwirtschaftlich genutzt, so kann der Beitrag so lange gestundet werden ...Wir bitten Sie, folgende Formulierung anzunehmen: „ ... so i s t der Beitrag so lange zu stunden ... ".
Zur Begründung führe ich an: bei der von der CDU beantragten Fassung würde es in die Ermessensfreiheit der einzelnen Gemeinde gestellt
— lassen Sie mich doch bitte ausreden —, ob die Abgabe für den einzelnen Betrieb tragbar ist oder ob sie seine Existenz gefährdet. Ich glaube, der Bundestag sollte hier eine ganz klare Regelung treffen. Es sollten nicht für jeden einzelnen Fall solche Untersuchungen in der Gemeinde durchgeführt werden müssen. Denn dann besteht, wie Sie alle wissen, die große Gefahr, daß diese Entscheidung unter Umständen nicht ganz frei von persönlichen Momenten oder persönlichen Einstellungen getroffen wird.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6647
MaukDarum bitten wir Sie dringend, diesem Anliegen Rechnung zu tragen und dem Antrag in der nunmehr vorgeschlagenen Form Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Minister für Wohnungsbau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der FDP abzulehnen. Ich verstehe nicht, wieso man in dieser Weise die Selbstverwaltung von 25 000 Städten und Gemeinden in Mißkredit bringen will.
Wir sind ein Parlament, und zwar das höchste. Wir haben eine föderalistische Verfassung. Wir haben Landesparlamente, wir haben allerdings auch Gemeindeparlamente. Herr Kollege Mauk, auch auf der Gemeindeebene wird gedacht.
Ich bitte dringend, es bei der von der CDU/CSU beantragten Fassung zu belassen. Sie ist praktikabel, während die andere Fassung nicht praktikabel wäre.
Herr Abgeordneter Brecht bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, beide Anträge abzulehnen Mit dieser Erweiterung, die hier beantragt wird höhlen Sie praktisch das wieder aus, was Sie vorhin groß proklamiert haben. Die Erschließungsbeiträge sind dann kein wirksames Mittel mehr, denn alle diese Grundstücke werden entweder erwerbsgärtnerisch oder landwirtschaftlich genutzt. Ich möchte einmal sehen, ob man es dann nicht fertigbringt, zu beweisen, daß die Nutzung zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit notwendig ist. Wenn es Ihnen mit 'der zeitlichen Vorziehung der Erschließungsbeiträge wirklich ernst ist und wenn Sie nicht nur Worte in die Welt setzen wollen, müssen Sie bei der Fassung bleiben, die in der zweiten Lesung beschlossen worden ist.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 655 Ziffer 2 ab, nach dem das Wort „erwerbsgärtnerisch" durch „landwirtschaftlich" ersetzt werden soll. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Gegen zahlreiche Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Unter Zurückziehung des Antrages Umdruck 649 ist der weitere Antrag gestellt worden, die Worte „kann der Beitrag so lange gestundet werden" durch die Worte „ist der Beitrag so lange zu stunden" zu ersetzen. Wer für diesen Änderungsantrag der
Fraktionen der FDP und DP ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich hole jetzt der Form halber die Abstimmung über den vorhin geänderten § 150 a nach. Wer dem geänderten § 150 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen und wenigen Gegenstimmen angenommen.
Nunmehr lasse ich über den soeben durch die Annahme des Antrages der CDU/CSU-Fraktion geänderten § 159 abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Zu § 177 a liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 647 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Antrag handelt es sich lediglich darum, eine Möglichkeit zu schaffen, das, was im Aufbaugesetz des Landes Hessen enthalten war, eventuell zu erhalten, d. h. dem Landesparlament die Möglichkeit zu geben, im Bedarfsfall durch Landesgesetz eine Bestimmung des bisherigen Aufbaugesetzes ergänzend wirksam zu lassen.
Ich bitte um Zustimmung.
Herr Abgeordneter Czaja!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, diese „Lex Hessen" abzulehnen.Im Text, der beantragt ist, wird es so harmlos dargestellt, es wenn es darum ginge, Verwaltungseinrichtungen, die unzureichend sind, zu ersetzen. Ich darf darauf verweisen, daß bereits im § 2 Abs. 3 a für die Gemeinden, die einen Bebauungsplan nicht aufstellen können, die nötigen Vorkehrungen getroffen sind, damit das Land für sie eine Planungsstelle benennen kann oder die Gemeinden sich einen freischaffenden Architekten dazu holen können. Hier aber wird etwas ganz anderes gewollt. Wir müssen unserem erheblichen Erstaunen darüber Ausdruck geben, daß die Sozialdemokratische Partei Deutschlands einen solchen Antrag stellt. Hier wird nicht mehr und nicht weniger verlangt, als daß der politische Hoheitsakt der Gemeinde, die Festsetzung des Bebauungsplanes, ihr abgenom men und auf den Kreis übertragen wird.
Wir haben in der Gemeinde niemals nur eine Verwaltungseinheit gesehen, sondern sehen in der Gemeinde auch eine unter der Kontrolle des Gemeindeparlaments, eines demokratisch gewählten Gemeindeparlaments stehende Selbstverwaltungskörperschaft.
Wir sehen in ihr nicht nur die Gemeindeverwaltung.
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6648 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Dr. CzajaEs 'geht hier um sehr viel. Es soll hier die Selbstverwaltung — für die wir hier alle gestern einig waren — plötzlich bei den Großstädten und den kreisfreien Städten haltmachen und für die nicht kreisfreien Städte für die Landstädte, für die Mittelstädte, für die Gemeinden nicht mehr existieren. Das sinnvolle Abwägen zwischen privaten und öffentlichen Belangen soll der kreisangehörigen Stadt und der bäuerlichen Gemeinde entzogen werden. Wenn überörtliche raumordnerische Gesichtspunkte eine Rolle spielen, gilt § 4 des Gesetzes. Aber hier geht es um örtliche Belange; da wünschen wir, daß diese innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaft zwischen Bauern und Arbeitnehmern im ehrlichen Ringen ausgetragen werden, auch wenn mal die Landwirtschaft in einer Gemeinde die Mehrheit hat, und daß sie nicht dem Kreis in ihren örtlichen Belangen unterworfen und von ihm überstimmt wird. Ich möchte hier offen sagen, daß wir uns zu diesen Gemeinden bekennen, daß sehr vieles an kultureller und struktureller Leistung und an echter Urbanität auch gerade aus den kleinen und mittleren Städten und aus den vielen Gemeinden unserer Bundesrepublik hervorgegangen ist.
Wir stehen deshalb für die Unteilbarkeit der Selbstverwaltung und stimmen gegen jede Entmündigungsklausel für kreisangehörige Städte und Gemeinden.
Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich richtig verstanden habe, ist soeben von einer Entmündigungsklausel gesprochen worden.
Es ist aber durchaus die Frage, wer in diesem Hause denn eigentlich der rechte Vormund ist, wenn es um die kommunale Selbstverwaltung geht, soweit überhaupt einer notwendig ist.
Herr Kollege Dr. Czaja, ich bin bei Ihnen immer in gewissen Zweifeln. Gelegentlich sind Sie charmant und sachlich.
— Frau Kollegin, Sie mögen das anders sehen. Ich habe das jetzt einmal in Erinnerung an manche angenehme Äußerung des Kollegen Czaja im Ausschuß sagen wollen. — Aber gelegentlich überkommt Sie das Temperament, Herr Kollege Dr. Czaja, und soeben haben Sie eine Sache dramatisiert und, entschuldigen Sie, schief dargestellt.
Das muß einmal richtiggestellt werden.
-- Ich bewundere Sie, daß Ihr Sachverstand ausreicht, um das so ganz allgemein zu beurteilen, so allgemein, wie es den Anschein hat.
Was ist mit diesem Antrag denn bezweckt? Herr Kollege Hauffe hat schon darauf hingewiesen: Es handelt sich um die Landkreisklausel des hessischen Aufbaugesetzes. Es sind also meine hessischen Freunde gewesen, die gesagt haben — —
— Einen Augenblick, Herr Kollege Mick, ich habe Sie nicht verstanden. Lassen Sie mich diesen Satz eben aussprechen. Dann dürfen Sir mir den Zwischenruf machen, damit ich darauf antworten kann. Ich freue mich über jeden Zwischenruf.
Meine hessischen Freunde haben mir gesagt: Muß es denn hier im Bundesbaugesetz eine Regelung geben, die eine jahrzehntelange Übung, die sich bewährt hat und bei der sich keine Gemeinde in irgendeiner Form drangsaliert und ihrer Rechte entkleidet betrachten mußte, ein für alle mal unmöglich macht? Könnte man nicht dem Landesgesetzgeber die Souveränität für diese Entscheidung geben? Wir haben das hin und her erwogen und uns gesagt: Was kann denn schon passieren? Da die kommunale Selbstverwaltung sowieso landesrechtlichen Bestimmungen unterliegt, da es sowieso Kommunalaufsicht gibt, da es soundso viel Möglichkeiten gibt, da diese Sache, sofern kommunale Selbstverwaltung überhaupt in Rede steht, eine Angelegenheit des Landesgesetzgebers ist und da Sie immer wieder Wert darauf legen, festgestellt zu wissen, daß Sie für soviel Föderalismus sind wie notwendig ist, kann man so haben wir gemeint, diese Klausel einführen. Es liegt keine Entrechtung der Gemeinden darin; es handelt sich lediglich um eine Modifizierung des Abs. 1 des § 177 a.
Die ganze Aufregung ist also im Grunde genommen nicht ganz zu verstehen, zumal wenn man folgendes berücksichtigt. Selbst wenn Sie diese Bestimmung ablehnen, vielleicht aus wohl erwogenen Gründen, kann dasselbe im Wege der Kommunalaufsicht erreicht werden. Wenn nämlich eine Selbstverwaltungseinrichtung, eine einzelne Gemeinde ihre Pflicht nicht erfüllt, dann kann man ihr mit entsprechenden Mitteln begegnen. Meine hessischen Freunde meinten nur, es sei eine bessere Lösung, das in diesem Fall dem Landesgesetzgeber zu überlassen. Wir sollten diese Frage nicht zum Anlaß nehmen, zu überprüfen, wer der kommunalen Selbstverwaltung freundlicher gegenübersteht.
Meine Partei hat in der Vergangenheit in dieser Richtung Beweise erbracht, was ihr dann, zuletzt noch in Bayern und in anderen Ländern, auch honoriert worden ist.
Ich hoffe, es wird so bleiben.
Herr Abgeordneter Hauffe.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6649
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir nicht helfen, ich muß offen bekennen, daß der Kraftaufwand der Herrn Dr. Czaja einer besseren Sache wert gewesen wäre.
Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, daß wir, wenn es darum geht, wer die Gemeinden stranguliert, aus den Ausschußberatungen einige Beispiele hätten bringen können, die etwas ganz anderes aussagen.
Außerdem ist folgendes zu sagen, Herr Dr. Czaja: Wenn eventuell durch Landesgesetz irgendeine Aufgabe auf die der Gemeinde nächsthöhere Instanz, nämlich auf den Landkreis, übertragen wird, gehört auch diese Aufgabe noch zur kommunalen Selbstverwaltung und ist in dem für den Bürger überschaubaren Bereich besser zu regeln. Das ist so besser, als wenn wir vom Bund aus den Gemeinden Mißtrauen entgegenbringen, wie es vorhin in der Debatte schon einmal oder wie es in Ihren weiteren Anträgen zum Ausdruck gekommen ist, in denen Sie der Gemeinde in gewissen Dingen und Lagen das Recht absprechen, selber zu urteilen. — Das mußte auf Ihre Äußerungen noch gesagt werden.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht; wir stimmen ab. Wer dem Antrag Umdruck 647 zu § 177 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Auf Umdruck 655 liegt unter Ziffer 3 ein Antrag zu § 198 vor, wonach die Worte „§ 28 c" durch „§ 28 d" ersetzt werden sollen.
— Es handelt sich um die Berichtigung eines Druckfehlers. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen. Wer dem so geänderten § 198 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Angenommen.
Auf Umdruck 640 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Winter, Jahn (Marburg), Dr. Stammberger und Genossen vor, wonach der letzte Satz in § 203 Abs. 3 gestrichen werden soll. Wer begründet diesen Antrag? — Herr Abgeordneter Winter, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte bereits vorgestern in der zweiten Lesung die Ehre, einen Bleichlautenden Antrag vorzulegen und zu begründen. Wir haben den Antrag wiederholt, weil sich inzwischen herausgestellt hat, daß der Kreis derjenigen, die dem Antrag zustimmen, sehr viel größer ist, als sich aus der damaligen Abstimmung ergab. Er ist sogar noch größer, als jetzt aus dem Kopf des Antrags ersichtlich ist. Es ist vergessen worden, Herrn Kollegen Schneider noch als Antragsteller aufzuführen.
Ich darf mich auf das beziehen, was ich zur Begründung in der zweiten Lesung gesagt habe. Durch das hier vorgesehene Behördenprivileg wird in die Zivilprozeßordnung, die für die Verfahren vor den Baulandkammern und -senaten maßgeblich ist, ein Bruch gebracht, ein bewährtes Prinzip der Zivilprozeßordnung wird durchbrochen. Das kann nicht angehen; dafür gibt es auch keinen vernünftigen Grund.
Ich habe neulich einen Punkt noch nicht erwähnt. Wir haben bei der Beratung der Verwaltungsgerichtsordnung sehr ausführlich über dieses Problem diskutiert. Es hat sich aber immer darum gedreht, daß die Behörde auf Grund ihres Privilegs einen „Juristen" schicken kann. Jetzt ist — im Zusammenhang mit dem Baugesetz — nur noch von einem Beamten des höheren Dienstes die Rede, und das kann durchaus etwa der Stadtbaumeister oder ein ähnlicher Beamter sein. Das würde die Prozeßführung auf gar keinen Fall erleichtern, sondern erschweren und würde zu sehr erheblichen Konsequenzen führen, die sicherlich nicht gewollt und nicht beabsichtigt sind.
Ich darf Sie also bitten, dem Antrag zuzustimmen.
: Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung und Verabschiedung der Verwaltungsgerichtsordnung hat meine Fraktion sich auf den Standpunkt gestellt, daß die durch den dritten Artikel des Grundgesetzes verbürgte Gleichheit vor dem Gesetz auch zwingend bedeutet: Gleichheit vor dem Richter. Es kann nicht in einer Verfahrensordnung zweierlei Recht geschaffen werden, je nachdem, ob es sich um eine Behörde oder um einen Bürger handelt. Entweder unterliegen beide dem Anwaltserfordernis, oder es darf keiner dem Anwaltserfordernis unterliegen. Daß aber in einem gerichtlichen Verfahren verschiedenes Recht gilt, ist mit der Gleichheit vor dem Gesetz schlechterdings nicht vereinbar. In der gegenwärtigen Formulierung ist daher diese Vorschrift, deren Streichung beantragt wird, verfassungswidrig.
— Ja, Sie müssen das Grundgesetz ernst nehmen, Herr Czaja. Ich habe bei Ihnen manchmal den Eindruck, daß Sie sich nicht genügend damit beschäftigt haben.
Wir aber stehen auf dem Grundgesetz. Das ist das, was uns vom Osten unterscheidet: daß wir uns zu den Prinzipien des Grundgesetzes bekennen und sie bis zum letzten Punkte ernst nehmen.
Das ist das eine.
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6650 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Dr. ArndtEs spielt aber auch noch eine rechtspolitische Erwägung eine Rolle. Es wird schon beklagt, daß wir sechs verschiedene Verfahrensordnungen bei uns in der Bundesrepublik Deutschland haben. Es sind Bestrebungen im Gange, nach Möglichkeit diese sechs verschiedenen Verfahrensordnungen, jedenfalls in ihren wesentlichen Vorschriften, zu vereinheitlichen. Dagegen geht es hier abermals darum, daß in einem Spezialgesetz eine neue Verfahrensordnung erfunden wird, die in einem kardinalen Punkte von der Zivilprozeßordnung abweicht, die für alle Verfahren vor den Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof gelten muß.Außerdem ist die Abweichung unpraktisch; denn die Landgerichte und Oberlandesgerichte sind in allem, in ihrer Terminanberaumung, in der Einrichtung ihrer Geschäftsstellen, in ihrer ganzen Praxis, auf einen Anwaltsprozeß eingerichtet, so daß nicht nur eine Störung des Organisationsbetriebes herauskäme, sondern auch eine Reihe von Zweifelsfragen auftauchen würden.Ich glaube, manch einer macht sich nicht klar, daß jede Abweichung von einem kodifizierten Gesetz, wie es die großen Justizgesetze sind, eine Fülle neuer Rechtsfragen aufwirft und eine weitere Fülle unübersichtlicher Rechtsprechung erforderlich macht. Es ist also auch rechtspolitisch höchst unzweckmäßig und unerwünscht, ganz abgesehen davon, daß es nach Art. 3 des Grundgesetzes gar nicht zulässig sein kann.Darum bitten wir Sie herzlich, dem Streichungsantrag zuzustimmen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 640 . Wer der Streichung des letzten Satzes in § 203 Abs. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Präsidium ist sich nicht einig. Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelshaft. Wir müssen auszählen.
Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben 164, mit Nein 130 Abgeordnete gestimmt; enthalten haben sich 6. Damit ist der Streichungsantrag auf Umdruck 640 angenommen.
Wer § 203 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das erste war zweifellos ,die Mehrheit; § 203 in der geänderten Fassung ist angenommen.
Damit kommen wir zu § 211 a, dem Paragraphen, zu dem die meisten Änderungsanträge vorliegen. Am weitesten geht auf jeden Fall der Streichungsantrag. Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 651 hat der Abgeordnete Will.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 651 liegt Ihnen ein Antrag auf Streichung des § 211 a vor, der die Bestimmungen über die Grundsteuer C, d. h. die Bauland steuer enthält. Die wesentlichen Gründe, die uns veranlassen, die Streichung dieses Paragraphen zu beantragen, habe ich ischon vorhin vorgetragen. Wir sind — und offenbar nicht wir allein — der Meinung, ,daß die Baulandsteuer kein geeignetes Mittel ist, den Zweck zu erreichen, der damit verfolgt wird, und beantragen deshalb Streichung dieser Bestimmungen. Ich beantrage namens der Fraktion der FDP und gleichzeitig der Fraktion der DP namentliche Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 651.
Die Frage der ausreichenden Unterstützung ist damit geklärt.
— Der Antrag wird von den Fraktionen der FDP, der DP und der SPD unterstützt. Wird zu diesem Streichungsantrag noch das Wort gewünscht, oder kann ich zunächst noch den grundsätzlichen Antrag der Fraktion der SPD mitbegründen lassen?
— Erst abstimmen lassen! Wollen Sie davor, Herr Abgeordneter Bartels, zu dem Streichungsantrag sprechen?
— Also Sie wollen nur die Ablehnung beantragen. Dann treten wir in die namentliche Abstimmung über den Streichungsantrag ein.Meine Damen und Herren, ich habe bis jetzt die namentliche Abstimmung noch nicht schließen lassen, weil mir mitgeteilt worden ist, daß im Hause das übliche Zeichen — Hupe und Klingel — ausgesetzt hat. Ist das inzwischen behoben worden?Sind noch Damen und Herren im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? — Das ist offenbar nicht der Fall. Dann schließe ich die namentliche Abstimmung und bitte, mit der Feststellung des Ergebnisses zu beginnen.Meine Damen und Herren, ich bedauere, daß wir hier noch keinen anderen Punkt erörtern können; denn die Anträge zu § 211 a sind die letzten Anträge, die vorliegen. Ich bitte also noch einen Augenblick um Geduld, bis wir das Ergebnis kennen.Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich jetzt noch eine Karte abgegeben worden, weil das Signal nicht funktioniert hat. Ist noch eine Dame oder ein Herr im Saal, die aus dem gleichen Grunde ihre Karte nicht haben abgeben können? — Das ist nicht der Fall. Ich habe aber diese eine Karte entgegengenommen, weil mir mitgeteilt worden war, daß die Signalanlage nicht funktioniert hat. Diese eine Stimme hat an dem Ergebnis nichts geändert.Ich gebe nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt — also für die Streichung — 160 uneingeschränkt stimmberechtigte Damen und Herren und 13 Berliner Abgeordnete, mit Nein — also gegen die Streichung — 192 uneingeschränkt stimmberechtigte Abgeordnete und 5 Berliner; enthalten haben sich 6.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6651
JaCDU/CSUDr. DresbachFrau Dr. Kuchtner Dr. SeffrinSPDFrau AlbertzDr. Arndt Dr. Baade BachBadingBäumerBalsBauer
Baur
Dr. Bechert Behrendt BehrischFrau Bennemann Bergmann BerkhanBerlinBettgenhäuserBirkelbach Dr. Bleiß BörnerDr. Brecht BruseBüttnerCorterier CramerDewaldDiekmannFrau Döhring Frau Eilers (Bielefeld) EschmannFallerFelderFolgerFrankeDr. Frede FrehseeGeiger Geritzmann HaageHamacher HansingHauffeHeideHeilandHellenbrock Frau HerklotzHeroldHöhmann HöhneHöraufHufnagel Iven
JacobiJahn Jürgensen Junghans JungherzFrau KeilhackFrau Kettig KeuningKillat
Kinat
Frau Kipp-Kaule Koenen Frau KorspeterKrausKriedemannKühn
Kurlbaum Lange Lantermann LeberLohmar Ludwig LünenstraßMarxMatzner MeitmannDr. MenzelMetter Metzger Meyer
Dr. MommerMüller Müller (Worms)Frau NadigOdenthal OllenhauerPohlePrennel PriebePützPuschRegling Reitzner Frau RengerRhodeFrau RudollDr. SchäferFrau Schanzenbach ScheurenDr. Schmidt Schmitt-Vockenhausen Schröder (Osterode)Seidel
Seither Frau SeppiSeuffert Stenger StierleSträter Striebeck Frau Strobel'Theil
Theis
Wagner Wegener WehnerWelkeWelslauWeltner
Frau WesselWilhelm WischnewskiWittrock ZühlkeBerliner AbgeordneteFrau Berger-Heise Dr. Königswarter Frau KrappeMattickNeumannScharnowskiDr. Schellenberg Schröter Schütz (Berlin)Dr. SeumeFrau Wolff
FDPDr. AchenbachDr. BucherFrau Dr. Diemer-Nicolaus Döring
DürrEisenmann KellerDr. Kohut Kühn
Lenz MarguliesMaukDr. Mende Dr. MiessnerMischnickFreiherr von MühlenMurrRademacher Dr. RutschkeDr. Schneider SchultzSpitzmüllerDr. StammbergerZoglmannBerliner AbgeordneteFrau Dr. Dr. h. c. Lüders Dr. WillDPFrau KalinkeDr. PreißDr. PreuskerProbst Dr. SchildDr. SteinmetzTobabenNeinCDU/CSUFrau AckermannGraf AdelmannDr. Aigner Arndgen Baier
BaldaufBalkenhol Dr. Bartels Dr. Barzel Bauereisen Bauknecht BauschDr. Becker Becker (Pirmasens) BerberichBergerDr. BergmeyerDr. BesoldFürst von BismarckFrau Dr. BleylerBlöckerFrau Blohmvon BodelschwinghDr. Böhm BrandFrau BrauksiepeBreseFrau Dr. BrökelschenF. rückBühlerBurgemeisterCaspersDr. Conring Dr. Czaja DemmelmeierDeringer Diebäcker DielDrachsler DraegerEhrenEichelbaum Dr. ElbrächterEngelbrecht-GreveFrau EngländerEpléeDr. Even
Dr. FranzFranzen Dr. Frey Dr. Fritz
Fritz
FuchsFunkFrau Dr. Gantenberg GaßmannGehring GernsGewandt Gibbert GienckeDr. Gleissner Glüsing (Dithmarschen)Dr. Götz Goldhagen Gontrum GotteslebenGünther Häussler HahnDr. HahneDr. von Haniel-Niethammer HarnischfegerDr. HauserDr. Heck
Dr. HesbergHesemann HeveHöcherl HöflerHornIllerhaus Dr. JaegerJahn
JostenDr. Kanka KemmerDr. KempflerKirchhoff KistersDr. Knorr Dr. Kopf Kramel Krammig KrollKrüger
KrugKühlthau KunstKuntscherLang
LeichtDr. LeiskeLenz
Lenze
LermerLeukertDr. LindenbergDr. LöhrLücke
LulayMaier
MaionicaDr. Baron Manteuffel-Szoege Dr. MartinMaucher MeisMemmel MengelkampMensingMeyer
MickMühlenbergMüller-HermannNellenNieberg NiederaltFrau NiggemeyerDr. Dr. OberländerOetzel
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6652 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Frau Dr. PannhoffDr. PhilippFrau Pitz-Savelsberg Frau Dr. ProbstFrau Dr. RehlingDr. ReinhardDr. ReithRichartsRiedel
Frau RöschRösing RollmannDr. Rüdel
RufRuland ScharnbergScheppmannSchlee SchlickDr. Schmidt Frau Schmitt (Fulda) SchüttlerSchulze-Pellengahr SchwarzFrau Dr. Schwarzhaupt Dr. SchwörerSiebelDr. SiemerSpies
Spies StauchDr. SteckerDr. StoltenbergStorchDr. Storm Storm (Meischenstorf) StruveSühler TerieteDr. ToussaintUnertl VarelmannVeharFrau VietjeVogtWacherDr. WahlDr. Weber WeimerWendelborn Wieninqer Dr. Willeke Windelen WinkelheideDr. Winter Wittmann Wittmer-Eigenbrodt WormsDr. Wuermeling WullenhauptDr. ZimmerBerliner AbgeordneteBendaDr. Gradl HübnerDr. Krone StinglSPDMüller
EnthaltenCDU/CSUKochMenkeDr. Pflaumbaum WehkingDr. WerberSPDKönen
Wir kommen jetzt zur Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der SPD. Bitte, Herr Abgeordneter Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser Entscheidung haben Sie zum Ausdruck gebracht, daß Sie die Baulandsteuer wollen. Die Baulandsteuer ,soll Ihrer Ansicht nach ein Instrument sein, um gegen die Bodenspekulation oder die Entwicklung der Bodenpreise etwas unternehmen oder um den Bodenmarkt auflockern zu können. Niemand von Ihnen hat also bisher ernsthaft behauptet, daß die Baulandsteuer, für die Sie jetzt eingetreten sind, die Bodengewinne der Vergangenheit abschöpft, die Bodengewinne, die nicht durch die individuelle Leistung des einzelnen Grundeigentümers, sondern durch die Leistung der Gesellschaft entstanden ,sind.
Sie haben deshalb mit dieser Baulandsteuer, so wie Sie sie haben wollen, nichts, aber auch gar nichts eingeführt, um für die Zukunft gegen weitere Bodenpreissteigerungen eine Barriere aufzubauen, damit nicht weitere zusätzliche Bodenpreissteigerungen und fortgesetzte Gewinne aus Bodenspekulationen erzielt werden. Das ist der Kern des gesellschaftspolitischen Anliegens, das uns beschäftigt.
Wir haben in der zweiten Lesung unseren Antrag zu §§ 211 a ff. vorgebracht und ein ausgewogenes Instrument von Einzelmaßnahmen vorgeschlagen, durch das einmal ein Druck auf die Bodenpreise ausgeübt wird und ferner rechtzeitig und erfolgversprechend gesichert wird, daß in Zukunft keine weiteren Bodenspekulationen und Bodenpreissteigerungen in dem bisherigen gigantischen Ausmaße möglich sind. Wir haben Ihnen als Drittes in unserem Vorschlag die Möglichkeit angeboten, auch die ungeheuren, riesenhaften Bodengewinne der Vergangenheit, zu denen es in den letzten zehn Jahren in unserer Volkswirtschaft gekommen ist, in angemessener Weise abzuschöpfen.
Wir wiederholen deshalb mit allem Nachdruck unsere Anträge der zweiten Lesung. Ich beziehe mich zur Begründung auf all die Darlegungen, die ich in der zweiten Lesung gemacht habe.
Lassen Sie mich zum Abschluß auf etwas zurückkommen. Herr Dr. Hesberg hat vorhin gesagt, die Baulandsteuer entspreche dem gesellschaftspolitischen Leitbild der CDU für die Eigentumsbildung. Das stimmt auf keinen Fall! Die Baulandsteuer, die Sie haben wollen, trifft den Kleineigentümer von Boden, sie läßt aber die großen Eigentümer von Boden, die Landwirtschaft und die gewerblichen Eigentümer völlig außerhalb der Erfassung. Ihre Maßnahme ist also genau das Gegenteil dessen, was der Eigentumsförderung dient und die Eigentumsbildung begünstigt. Sie beeinträchtigt sie vielmehr, sie schwächt die Eigentumsbildung der kleinen Leute und zwingt sie zum Verkauf. Deshalb sind wir gegen die Baulandsteuer, wie Sie sie vorsehen. Statt dessen schlagen wir Ihnen nochmals vor, vernünftige, sinnvolle, aufeinander abgestimmte und ineinandergefügte Maßnahmen, die für alle gleichmäßig wirken, zu treffen, um für die Zukunft ernsthaft der Bodenspekulation zu begegnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bartels.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Brecht hat soeben mit dem gleichen Stimmaufwand wie vorgestern gegen die Bodenspekulation gewettert. Ich glaube, daß wir nun doch verpflichtet sind, bevor weitere Abstimmungen zur Baulandsteuer stattfinden, kurz etwas dazu zu sagen.Im Wohnungsausschuß ist natürlich sehr eingehend darüber gesprochen worden, ob die Baulandsteuer ein geeignetes Mittel sei, der Bodenspekulation zu begegnen. Auch im Finanzausschuß haben wir uns das sehr eingehend überlegt. Herr Kollege Dr. Brecht erwähnt nicht, daß sein Vorschlag, den er heute wiederholt, auch in dem geänderten Gewande eine Art Bodenwertsteigerungsabgabe ist, also eine Wertzuwachssteuer, die nicht der Zuständigkeit des Bundes unterliegt. Ich will mich darauf aber gar nicht festlegen; denn das, was uns da ange-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6653
Dr. Bartelsboten wird, ist gar kein geeignetes Mittel, Bodenwertsteigerungen zu begegnen.
Gesetzt den Fall, der Deutsche Bundestag würde eine Bodenwertsteigerungsabgabe einführen, dann täte er das meiner Ansicht nach aus irgendeiner Auffassung von Gerechtigkeit oder aus einer anderen Erwägung heraus, aber niemals aus der Erwägung, daß er damit die Bodenpreise wirklich nachhaltig herabsetzen könnte. Die Erhebung einer Bodenwertsteigerungsabgabe würde die Marktverhältnisse in keiner Weise beeinflussen. Das ist nicht nur meine Auffassung, das ist nicht nur die Auffassung meiner politischen Freunde, sondern das ergibt sich auch aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, der sich mit diesen Fragen sehr eingehend beschäftigt, sie geprüft und dargestellt hat.Jeder, der damit rechnen müßte, daß er eine Bodenwertsteigerungsabgabe zu zahlen hat, würde doch zunächst einmal versuchen, zu verhindern, daß die Steigerung des Bodenwertes überhaupt bekannt wird. Er würde also nach Möglichkeit nicht verkaufen. Die Bodenwertsteigerungsabgabe würde genau das Gegenteil von dem hervorrufen, was wir erstreben. Sie würde zunächst bewirken, daß der Grund und Boden zurückgehalten wird, damit die Gewinne nicht in Erscheinung treten. Außerdem wäre weithin damit zu rechnen, daß eine solche Abgabe sich im Preise ausdrücken würde; das ist doch ganz klar. Denn ein Teil der Bodenwertsteigerung soll dem Eigentümer verbleiben. Es ist volkswirtschaftlich nicht im geringsten einzusehen, wieso die Preise fallen sollen, wenn der Staat einen Teil des Wertes von sich aus abschöpft. Ich glaube, was der Kollege Brecht ausgeführt hat — ich muß das einmal sagen, weil wir heute zu Beginn der Debatte von Herrn Kollegen Jacobi das gleiche gehört haben —, diese ewige Wiederholung der Empfehlung: „Erhebt eine Bodenwertsteigerungsabgabe!" hat wirklicht nichts mit dem Problem zu tun, wie wir den Bodenmarkt flüssig machen können.Meine Damen und Herren, ich will Sie jetzt nicht mit ins einzelne gehenden Ausführungen langweilen; aber soviel will ich sagen: Der Vorschlag, der uns von der Fraktion der SPD gemacht wird, begegnet erheblichen Bedenken. Ganz schematisch sollen hier die Grundstückseinheitswerte von 1935, mit 2 multipliziert, zugrunde gelegt werden. Das wäre niemals eine gerechte Grundlage. So schematisch können wir bei einem Eingriff, wie er da geplant wird, nicht verfahren. Zutreffende Werte für den 1. Januar 1960 wird andererseits niemand feststellen können. Gerade darum hält ja meine Fraktion die Neufestsetzung von Einheitswerten zur Zeit nicht für zweckmäßig. Der Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Brecht ist also auch in sich nicht praktikabel. Mehr will ich in diesem Zusammenhang nicht dazu sagen.Aber zur Baulandsteuer und ihrer Wirkung muß noch etwas gesagt werden. Meine Fraktion hat niemals behauptet, die Baulandsteuer für sich allein sei das Allheilmittel zur Senkung der Bodenpreise. Sie hat immer betont, daß wir eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen müssen, von deren Zusammenwirken wir erhoffen, daß die Bodenpreise nicht weiter steigen. Ein Mittel ist die Vorverlegung der Fälligkeit des Erschließungsbeitrags, ein anderes ist die Baulandsteuer.Damit wir zu klaren Ergebnissen kommen, müssen wir uns überlegen, wo die Baulandsteuer angebracht ist und wo nicht. Bodenspekulation kann einmal darin liegen, daß jemand ein Grundstück in der Hoffnung kauft, es in absehbarer Zeit teurer weiterverkaufen zu können. Dem wollen wir — das Haus hat das bereits beschlossen — mit dem erweiterten Vorkaufsrecht in den Außengebieten gemäß § 28 a begegnen. Eine andere Art der Bodenspekulation ist folgende: Der Eigentümer ist durchaus zum Verkauf bereit, das Gelände steht langsam zur Bebauung an, es muß irgendwann verkauft werden, der Eigentümer sagt sich aber: Ich tue das jetzt noch nicht, weil wahrscheinlich der Preis steigt. Es ist nicht wesentlich, ob wir das als Spekulation oder als Horten bezeichnen, jedenfalls wenden wir uns gegen solches Horten von Grund nud Boden, der zum Verkauf reif ist. Hier ist die Baulandsteuer am Platz. Wir machen dabei auch nicht vor der Landwirtschaft, auch nicht vor dem Erwerbsgartenbau halt.
— Herr Kollege Jacobi, Sie wissen genau, daß wireine Mehrzahl von Maßnahmen ergreifen wollen.In der Summe tut das dann doch irgendwann weh.Es gibt aber Zehntausende von Landwirten und Gärtnern, die in den Sog des Städtebaus geraten und gar nicht daran denken, ihren Grundbesitz in der Nähe der Städte oder in den Städten selbst zu verkaufen. Für sie ist das keine Frage des Preises. Sie sehen es auch nicht als ein Glück an, in den Sog der Städte zu geraten. Für sie stellt das vielmehr eine schwere Sorge dar. Ihr Grund und Boden ist nämlich die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz und ihres Lebens überhaupt. Ihnen ist deshalb der Grundbesitz nicht feil. Solche Landwirte und Gärtner, die gar nicht verkaufen, sondern ihren Betrieb weiterführen wollen, zu belasten, liegt nicht in unserer Absicht. Nur aus diesem Grunde haben wir dem § 159 Abs. 4 a die vorhin angenommene Fassung gegeben.Unter den gleichen Voraussetzungen — daß es sich um Grundeigentümer handelt, für die der Grund und Boden die Grundlage ihrer Existenz ist und die deshalb nicht verkaufen wollen — schaffen wir auch eine Ausnahme von der Baulandsteuer. Der Ausschuß hatte diese Ausnahme bereits für Grundstücke außerhalb des Bebauungsgebietes beschlossen. Sie ist also nicht neu. Der Antrag der CDU/CSU, den ich wohl mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gleich einbeziehen darf, sieht aber auch eine Ausnahme für Grundstücke innerhalb des vom Bebauungsplan erfaßten Gebietes vor. Es soll auch hier unter den gleichen Voraussetzungen wie außerhalb des Bebauungsplangebietes eine Freistellung von der Baulandsteuer erfolgen, allerdings mit einer Ausnahme, und das muß ich nun unseren Freunden von der Landwirtschaft klar und deutlich sagen: Wenn einmal nach Anhörung der Landwirtschaft bestimmtDr. Bartelsworden ist, daß landwirtschaftlich genutztes Gelände als Bauland verwandt werden soll, also dafür in den Bebauungsplänen deklariert worden ist, ist auf die Dauer für den Betrieb innerhalb des von dem Bebauungsplan erfaßten Gebietes keine Bleibe mehr. Natürlich muß er nicht heraus, ohne daß er einen Ersatz bekommt; das ist klar. Aber einmal kommt der Zeitpunkt, wo der moderne Städtebau das bessere Recht hat und die Landwirtschaft weichen muß. Das ist der Zeitpunkt, zu dem dem Bauern oder auch dem Erwerbsgärtner ein geeignetes Ersatzgelände außerhalb des von dem Bebauungsplan erfaßten Gebietes angeboten wird.Deshalb haben wir in dem Antrag auf Umdruck 655 die Ausnahme von der Baulandsteuer für die Gebiete innerhalb des Bebauungsplanes bis zu dem Zeitpunkt begrenzt, in dem geeignetes Ersatzgelände angeboten werden kann. Ich glaube, daß diese Lösung die Interessen des Städtebaues und die Interessen der Landwirtschaft gerecht und zweckdienlich abwägt.Den weitergehenden Antrag, der nachher zu § 211 Abs. 6 gestellt werden wird, bitten wir nicht anzunehmen. Aus den Gründen, die ich vorhin angeführt habe, bitten wir, den in das Gewand einer Neufestsetzung der Einheitswerte und eines besonderen Meßbetrages für die Bodenwertsteigerung gekleideten Vorschlag der SPD für eine Bodenwertabgabe ebenfalls abzulehnen.
Herr Abgeordneter Brecht!
Fürchten Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich noch in eine Diskussion über die Einzelheiten der Baulandsteuer eintreten werde. Wenn etwas zeigt, wie schlecht die Baulandsteuer ist und wie wenig mit diesem Mittel das erreicht werden kann, was notwendig ist, dann ist es der Antrag auf Umdruck 655 auf Neufassung des Abs. 6. Damit kann von der Landwirtschaft aus alles innerhalb eines Bebauungsplanes blockiert werden. Sie haben der Landwirtschaft damit ein Machtmittel in die Hand gegeben, durch das von der Seite der Landwirtschaft aus städtebauliche Entfaltungen einfach zurückgedämmt werden können.
Das scheint mir der Grund dafür zu sein, daß die Abstimmungszahlen bei den Abstimmungen über die Baulandsteuer sich zwischen ,der zweiten und dritten Lesung so verändert haben. Eine Anzahl von Kollegen ist inzwischen zu den Befürwortern der Baulandsteuer Ihrer Art übergegangen. Ihnen ist der Ausgleich in Abs. 6 gegeben worden.
Ich will jetzt nichts mehr zu dem sagen, was Herr Dr. Bartels gegen unseren Vorschlag eingewandt hat, und nur noch auf eines hinweisen. Es ist nicht wahr, daß das nicht in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Unser Vorschlag ist so konstruiert, daß er — auch nach Rechtsgutachten — eindeutig als Grundsteuerregelung auch von uns be-
handelt werden kann. Es wäre ein geeignetes Mittel, preisdrückend zu wirken.
Ihre Baulandsteuer — und das ist das Entscheidende — hat viele, zu viele Ausnahmen, sie trifft immer nur einige wenige, sie trifft in erster Linie die Kleinen, sie schont die Großen. Infolgedessen ist sie kein wirksames Mittel gegen die Bodenspekulation.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 650 ab. Wer diesem Antrage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war zweifellos die Mehrheit; dieser Antrag ist also abgelehnt.
Jetzt haben wir noch über die beiden Anträge zu § 211 a auf Umdruck 655 und Umdruck 648 abzustimmen. Wir können zunächst einmal, glaube ich, über den Antrag Umdruck 655 Ziffer 4 Buchstabe a abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Der Antrag Umdruck 655 Ziffer 4 Buchstabe b ist bereits begründet worden. Soll der ähnliche Antrag der Fraktionen der FDP und der DP auf Umdruck 648 begründet werden? - Herr Abgeordneter Mauk, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Antragsteller ziehe ich den Antrag Umdruck 648 zurück und bitte, über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 655 abstimmen zu lassen.
Gestatten Sie'mir dazu aber noch ein Wort, weil dieser Antrag ja auch ,die Gärtnereien betrifft. Ich möchte feststellen, daß es mir vorhin bei der Begründung meines Änderungsantrages völlig ferngelegen hat, etwa die Gemeinden zu diskriminieren, Herr Minister. Ich möchte das ausdrücklich feststellen. Es lag mir nur daran, herauszustellen, daß die Gemeinden — das ist nach wie vor meine Auffassung — überfordert sind, wenn sie in jedem einzelnen Falle feststellen müssen, ob diese Abgabe, die Sie beschlossen haben, für den Betrieb tragbar oder aber existenzgefährdend ist. Von dieser Auffassung haben Sie mich mit Ihren Ausführungen nicht abbringen können. Ich bedauere, daß durch diese Unterstellung meine sachlichen Ausführungen derart falsch dargestellt wurden.
Wir haben nun nur noch über den Änderungsantrag Umdruck 655 Ziffer 4 Buchstabe b abzustimmen, wonach § 12 a Abs. 6 des Grundsteuergesetzes eine neue Fassung erhalten soll. Wer diesem Antrage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6655
Vizepräsident Dr. Preuskerdie Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit bei zahlreichen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen.Wer dem so geänderten § 211 a seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen.Nunmehr liegen Änderungsanträge nicht mehr vor. Ehe ich die Schlußabstimmung vornehme, frage ich, ob noch Erklärungen zur Abstimmung gewünscht werden. — Das ist offenbar durch die allgemeine Aussprache erledigt.Wer dem Gesetzentwurf in der soeben in dritter Lesung beschlossenen Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich darf um die Gegenprobe bitten. — Ich darf um die Enthaltungen bitten. — Ich glaube, wir sind uns einig, daß das Gesetz in dritter Beratung angenommen worden ist.Wir haben noch abzustimmen über den Entschließungsantrag Umdruck 638 der Abgeordneten Dr. Schmidt , Bading, Kühn, Dr. Schild und Genossen. Soll er noch begründet werden? — Nein. Wird das Wort sonst dazu gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das ist offenbar einstimmig angenommen.Ferner haben wir noch über die Ziffern 2 und 3 des Ausschußantrags abzustimmen. Unter Ziffer 2 ist beantragt, der Bundestag wolle beschließen,a) den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Beseitigung von Preisbindungen — Drucksache 13 —,b) den von den Abgeordneten Huth, Höcherl, Matthes und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung für die Enteignung von Grundstücken, die Beschränkung von Grundeigentum und die Entziehung und Beschränkung anderer Rechte — Drucksache 436 —als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt abzulehnen.Wer ,dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Es ist entsprechend dem Ausschußantrag beschlossen.Drittens sollen die zu der Drucksache 336 eingegangenen Petitionen für erledigt erklärt werden. Ich darf auch zu diesem Antrag um Ihr Handzeichen bitten. — Gegenprobe! — Auch das ist so beschlossen.Damit ist die Beratung des Punktes 3 der Tagesordnung, Bundesbaugesetz, abgeschlossen.Ich rufe nunmehr auf den Punkt 6 der Tagesordnung:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einesZweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins in Gewahrsam genommen wurden (2. ÄndG HHG) (Drucksache 1111);Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen (Drucksache 1855)
.
Der Schriftliche Bericht liegt Ihnen vor. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? — Herr Abgeordneter Eichelbaum!
Meine Damen und Herren, ich bitte, auf Seite i 1 der Vorlage unter c zu ändern: „Folgender Abs. 2 wird eingefügt" und unter b: „Folgender Abs. 3 wird eingefügt". Das ist nur eine redaktionelle Änderung.
Ich eröffne nach diesen Erklärungen des Berichterstatters die zweite Beratung. Da zu einzelnen Bestimmungen des Art. I Änderungsanträge vorliegen, muß ich nummernweise abstimmen lassen. Ich rufe zunächst die Nrn. 1 und 2 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. In Umdruck 612 Ziffer 1 wird beantragt, in Art. I eine Nummer „vor 2 a" einzufügen.
Zur Begründung Frau Kollegin Korspeter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hatte im vergangenen Jahr mit Drucksache 800 einen Antrag eingebracht, der die Regelung der Ansprüche der anerkannten politischen Häftlinge aus der Zone für Schäden an Leben und Gesundheit infolge Freiheitsentzugs sowie für Schäden an der Ausbildung nach den entsprechenden Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes betrifft. Ich möchte wiederholen, was ich bei der ersten Lesung in der schriftlichen Begründung ausgeführt habe. Es gibt in Deutschland kein anderes Gesetz, das sich damit befaßt, Unrecht wiedergutzumachen, das aus der Verletzung menschlichen Rechtsguts entstanden ist. Es handelt sich vom Verfolgten her um das gleiche Schicksal.Wir bedauern, daß es die Bundesregierung und auch die Mitglieder der CDU-Fraktion bei der Beratung im Ausschuß abgelehnt haben, ein Parallelgesetz zum Bundesentschädigungsgesetz zu schaffen. Die Begründung dazu war sowohl rechtlicher als auch finanzieller Art. Der Vertreter der Bundesregierung vertrat die Meinung, daß die Bundesrepublik zwar als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches ohne Einschränkung für Handlungen des Deutschen Reiches einstehe, daß sie dagegen nicht in präjudizierender Weise Schadenersatzansprüche der politischen Häftlinge anerkennen könne, um ein Unrecht wiedergutzumachen, das vom Regime der sowjetisch besetzten Zone ausgeübt worden sei. Der Vertreter der Bundesregierung erklärte, daß die Bundesregierung lediglich Ansprüche anerkenne,
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6656 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Frau Korspeterdie ihre Grundlage in einer Fürsorgepflicht oder einem Betreuungsverhältnis hätten.Die Betreuung wird nach geltendem Recht und auch nach diesem Gesetzentwurf auf Grund der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes, des Heimkehrergesetzes und des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes geregelt. Die §§ 4, 5 und 6 des Häftlingshilfegesetzes beschäftigen sich mit der gesundheitlichen Betreuung der Häftlinge, mit der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung, also mit sehr wichtigen Fragen für jeden einzelnen der politischen Häftlinge. Zwischen der Regelung dieser Fragen im Bundesentschädigungsgesetz und der Regelung im Bundesversorgungsgesetz besteht ein großer Unterschied zugunsten der Anspruchsberechtigten aus dem Bundesentschädigungsgesetz.In unserem Antrag, der Ihnen auf Umdruck 612 Ziffer 1 vorliegt, wünschen wir dieselbe bessere Regelung für die anerkannten politischen Häftlinge aus der Zone. Trotz der vorgerückten Zeit möchte ich kurz sagen, warum diese Regelung besser ist. Die Zweite Verordnung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes enthält die für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wichtige Bestimmung, daß bei Gesundheitsstörungen die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügt. Weiter wird in dieser Durchführungsverordnung bestimmt, daß anlagebedingte Leiden dann als durch die Verfolgungsmaßnahmen verursacht gelten, wenn sie ohne diese nicht ausgelöst oder verschlimmert worden wären. Schließlich enthält die Verordnung eine Vorschrift, nach der die Verschlimmerung früherer Leiden als Verfolgungsschaden gilt. Die Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes sind viel enger. Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen der Regelung im Bundesentschädigungsgesetz und der Regelung im Bundesversorgungsgesetz.Wir haben zwar in diesen Tagen in dem Ersten Neuordnungsgesetz des Kriegsopferrechts bestimmt, daß es künftig möglich sein soll, in Härtefällen Leistungen nach dem Gesetz dann zu gewähren, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der ärztlichen Wissenschaft Ungewißheit besteht. Wir sind aber doch der Meinung, daß diese Regelung den politischen Häftlingen aus der Zone nicht gerecht wird.Bedauerlicherweise hat sich die Mehrheit des Ausschusses mit der Versicherung der Vertreter der Bundesregierung zufriedengegeben, daß eine solche Formulierung bei Anwendung auch auf die politischen Häftlinge den beurteilenden Ärzten genügend Handhaben gebe, insbesondere wenn die Vorschriften des Gesetzes in Grenzfällen elastisch angewandt würden. Wir haben keine große Hoffnung, daß die bekannten und in vielen Fällen berechtigten Klagen durch die neue Formulierung im Bundesversorgungsgesetz ihre Erledigung finden. Deshalb stellen wir erneut unseren Antrag, für die Häftlinge die Regelung des Bundesentschädigungsgesetzes anzuwenden.Darüber hinaus wird von uns beantragt, auch die im Bundesentschädigungsgesetz vorgesehenen Rentenleistungen zu gewähren. Eine solche Versorgung würde der Lage der ehemaligen politischen Häftlinge und ihrer Hinterbliebenen besser gerecht als die jetzt vorgesehene Regelung.Bei Annahme unseres Antrages müssen gleichzeitig die §§ 5 und 6 gestrichen werden.Ich bitte Sie sehr, unseren Antrag anzunehmen.
Herr Abgeordneter Eichelbaum!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD, hier ein Teilstück aus dem Bundesentschädigungsgesetz auf die ehemaligen politischen Häftlinge aus der Sowjetzone anzuwenden, berührt die allgemeine Frage, ob man für die politischen Häftlinge, die Opfer der Gewaltherrschaft des Bolschewismus, das Gesetz, das für die Opfer des Nationalsozialismus vom Bundestag beschlossen worden ist, anwenden kann oder nicht. Über diese grundlegende Frage haben wir uns im Ausschuß mehrere Male sehr ausführlich unterhalten. Wenn Sie so freundlich sind, das nachzulesen, werden Sie feststellen, daß diese Auseinandersetzung in meinem Schriftlichen Bericht ihren Niederschlag gefunden hat.Ich will dieses Problem hier nicht noch einmal in aller Ausführlichkeit aufrollen. Ich glaube aber, bei den Parlamentariern, die das Gesetz geschaffen haben, und bei der Bundesregierung besteht kein Zweifel darüber, daß das Gesetz für die Wiedergutmachung der Schäden aus der Zeit des Nationalsozialismus ein einzigartiges Gesetz gewesen ist, das in einem einzigartigen Augenblick erlassen worden ist und von vornherein weit überdurchschnittliche Sozialhilfen festgesetzt hat.Diese Einzigartigkeit hing mit der Situation zusammen, in der sich die Bundesrepublik, das neue Deutschland, als Nachfolgestaat des Deutschen Reiches befand. Die Bunderepublik hatte zwar keine Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus, erklärte sich aber vor der Welt und vor aller Öffentlichkeit bereit, die Haftung dafür zu übernehmen. Dieser entscheidende Akt hat der deutschen Politik den Weg in die Weltöffentlichkeit wieder geöffnet.Damit läßt sich das Verhältnis zu dem Regime drüben in der Sowjetzone staatsrechtlich nicht vergleichen. Auch hier besteht keine Schuld an den kommunistischen Verbrechen, aber die Bundesregierung kann in keiner Weise, juristisch nicht und moralisch nicht, die Haftung für das übernehmen, was Herr Ulbricht und seine Schergen tun. Wir können deshalb die Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes nicht einfach übertragen. Ich glaube, das Parlament muß dafür Verständnis haben.Es ist begreiflich, daß die Betroffenen selbst, die Häftlinge, sich wünschen, daß Ihnen eine Hilfe
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Eichelbaumgewährt wird, die den Hilfen für die Opfer des Nationalsozialismus entspricht.Bei dem sozialdemokratischen Antrag haben wir uns mit dem Teilproblem der Schäden an Körper und Gesundheit zu befassen. Meine Fraktion war der Auffassung, daß man das Bundesentschädigungsgesetz weder im ganzen noch in Teilen übernehmen kann. Sie, Frau Kollegin Korspeter, haben einmal von der ärztlichen Versorgung und zum anderen von den erheblich höheren Renten gesprochen. Ich muß gestehen, daß in den Ausschußberatungen von den Renten überhaupt nicht die Rede gewesen ist.
— Es lag im Antrag drin, schien aber nicht so wesentlich zu sein. Ich darf die entscheidende Bestimmung des Bundesentschädigungsgesetzes vorlesen:Es genügt, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Schaden an Körper oder Gesundheit und der Verfolgung wahrscheinlich ist.In dem schon verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Kriegsopferversorgung heißt es:Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.Ich kann darin beim besten Willen keinen „himmelweiten Unterschied" erblicken.
Gestatten Sie eine Frage der Frau Kollegin Korspeter?
Bitte!
Herr Kollege Eichelbaum, haben Sie nicht zugehört, als ich besonders darauf hingewiesen habe, daß die zweite Durchführungsverordnung zum Bundesentschädigungsgesetz diese großzügigere Regelung für die Anspruchsberechtigten schafft?
Wir kennen diese Bestimmung, die sich auf die anlagebedingten Leiden und die Beurteilung dieser Leiden durch den Arzt bezieht. Wir haben ebenso wie Sie nicht nur mit beamteten Ärzten, sondern auch mit Ärzten gesprochen, die selbst Häftlinge gewesen sind und die sich in der Haft als Häftlingsärzte bewährt haben. In diesen Besprechungen ist uns doch klargeworden, daß es entscheidend darauf ankommt, wie der Arzt den Patienten, die an Haftschäden leiden, gegenübertritt. Die Haftschäden sind ja zu einem großen Teil Schäden an inneren Organen, bedingt durch die seelischen Leiden, durch den inneren Widerspruch des gerecht Handelnden und ungerecht Leidenden. Es kommt also darauf an, wie sich der Arzt diesem Menschen gegenüber verhält, der sich mit der Antastung, der Verwüstung seiner Menschenwürde innerlich auseinanderzusetzen hat.
Wir haben im Ausschuß einstimmig beschlossen, in unserem Bericht einen Appell an die Landesregierungen zu richten, daß sie es ihren Ärzten „zur Pflicht machen, in Grenzfällen die Möglichkeit des Zusammenhangs feststellbarer Schäden mit der erlittenen Haft besonders sorgsam im Auge zu behalten." Wenn wir hier vor dem Forum des Parlaments — sicherlich auch mit dem Einverständnis der Opposition — diesen Appell an die beamteten Ärzte der Versorgungsämter wiederholen, dann werden diese Ärzte das wohl verstehen, und die Vorhaltungen, die Beschwerden, daß die Häftlinge wenig verstanden oder verständnislos behandelt würden, werden sicherlich zurückgehen.
Entscheidend ist allerdings — wie bei all solchen Fragen — wie das menschliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und seinem Patienten ist. Dabei müssen wir uns klarmachen, daß es sich nicht nur um männliche Häftlinge handelt, sondern daß unter den Häftlingen auch Frauen sind. Sie sind ganz besonders empfindsame und mit Rücksicht zu behandelnde Patienten.
Ich glaube, daß man von der Regelung im Bundesversorgungsgesetz und von den Versorgungsämtern nicht so schlecht zu denken braucht, daß man eine andere gesetzliche Regelung für notwendig halten müßte. Die CDU bittet, den Antrag der SPD abzulehnen.
Herr Abgeordneter Mischnick!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als neben der Regierungsvorlage Drucksache 1111 unser Gesetzentwurf Drucksache 1118 eingebracht wurde, sagte ich zur Begründung, wir verzichteten auf besondere Maßnahmen in der Gesundheitsfürsorge bzw. in der Betreuung der Häftlinge, weil in ,dem gleichzeitig zur Beratung anstehenden, von unserer Fraktion vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Kriegsopferversorgung entsprechende Bestimmungen enthalten seien. Leider sind die Vorschläge, die wir in dieser Beziehung gemacht hatten, in der Kriegsopfernovelle nicht so berücksichtigt worden, wie wir uns das vorgestellt hatten. Unsere Vorschläge hätten vielleicht all das gedeckt, was jetzt durch den Antrag der SPD geregelt werden soll. Wir verkennen nicht, daß im Rahmen der Härtebestimmung des § 89 eine wesentliche Verbesserung der Kriegsopferversorgung eingetreten ist und daß nunmehr die Möglichkeit besteht, Schäden aus der Haft in die Versorgungsregelung einzubeziehen. Wir verkennen auf der anderen Seite nicht, daß Herr Kollege Eichelbaum mit dem Hinweis recht hat, daß es nicht der Gesamtstruktur des Gesetzes entspricht, wenn man einen Teil des Entschädigungsgesetzes hier einfügt. Beides zeigt, wie zweckmäßig es gewesen wäre, sich für ein besonderes Häftlingshilfegesetz zu entscheiden. Wir werden bei dem Entschließungsantrag darüber noch zu sprechen haben.
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6658 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
MischnickIch möchte aber deutlich sagen, daß mir die Begründung, die Bundesrepublik brauche sich weder juristisch noch moralisch für das verantwortlich zu fühlen, was in der Zone geschehe, nicht richtig zu sein scheint. Gerade in diesen Tagen, wo wir mit Entsetzen und Furcht beobachten, welche Entwicklung kommt, müssen wir ganz besonders derjenigen Menschen gedenken, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten in ihrem persönlichen Widerstand das vertreten haben, was wir für richtig halten. Deshalb sollten wir gerade bei diesem Häftlingshilfegesetz betonen, daß wir uns moralisch für jene verpflichtet fühlen, die um ihrer politischen Überzeugung willen drüben in den Haftanstalten gelitten haben, und sollten für sie alles nur Erdenkliche tun.Wir werden, weil uns die Regelung im Rahmen des Kriegsopferversorgungsgesetzes nicht ausreichend erscheint, dem SPD-Antrag zustimmen.
Wird sonst das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über den Antrag Umdruck 612 Ziffer 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich bitte noch einmal um die Gegenprobe. Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit dürfte die Abstimmung über die Ziffern 2 und 3 des Antrags entfallen.
Dann können wir also abstimmen über Art. I Nr. 1, 2 und 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Auf Umdruck 612 Ziffer 4 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Frau Abgeordnete Korspeter, bitte!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion legt Ihnen mit Umdruck 612 Ziffer 4 einen Antrag vor, der eine Neufassung des § 9 a vorsieht, nach der allen politischen Häftlingen, die länger als 12 Monate in Gewahrsam gehalten wurden, auf Antrag für jeden nach dem 31. Dezember 1946 liegenden vollen Gewahrsamsmonat eine Entschädigung von 150 DM gegeben werden soll.Auch dieser Vorschlag ist aus unserem ursprünglichen Antrag Drucksache 800 zu verstehen. Wir wollten die Ansprüche nach den entsprechenden Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes geregelt sehen. Um unseren Antrag verständlich begründen zu können, muß ich gleichzeitig auf den § 9 b der Ausschußfassung hinweisen, der eine Verbesserung der Entschädigung für die Haft, eine Eingliederungsbeihilfe vorsieht, aber nur für eine bestimmte Gruppe der ehemaligen politischen Häftlinge.Sowohl im Unterausschuß als auch im Ausschuß bestand Einigkeit darüber, daß die bisherige gesetzliche Regelung verbessert werden müsse, um dem Kreis der Betroffenen die besondere Fürsorge und Betreuung eines freiheitlichen Staates angedeihen zu lassen. Wir waren uns bei den Beratungen alledarüber einig, daß die Regierungsvorlage diesen Gedanken nicht verwirkliche. Aber auch hier wurden gegen unseren Vorschlag, die Vorschriften über die Leistungen denen des Bundesentschädigungsgesetzes anzugleichen, Bedenken erhoben, und zwar wieder rechtlicher und finanzieller Art. Ich glaube sagen zu dürfen, daß die Bedenken finanzieller Art bei den Vertretern der CDU eine besondere Rolle gespielt haben, und zwar Bedenken im Hinblick auf die möglichen Rückwirkungen, auf Forderungen der Kriegsgefangenen und Heimkehrer.Während meine Fraktion trotz dieser Bedenken eine Verbesserung der Leistungen für alle Häftlinge forderte, nahmen die Vertreter der CDU mit Blick auf diese möglichen finanziellen Rückwirkungen eine Aufspaltung des Personenkreises vor, für den man nun in § 9 b das Kriterium des persönlichen Verhaltens nach dem 8. Mai 1945 festgelegt hat. Das heißt also, daß es für diejenigen, bei denen die Ursache der Verhaftung in der Zeit vor dem 8. Mai 1945 liegt, bei der bisherigen Beihilfe bleibt, und daß für diejenigen, die wegen ihres persönlichen Verhaltens nach dem 8. Mai 1945 verhaftet wurden, frühestens vom 1. Januar 1949 ab die Verbesserungen nach dem § 9 b gelten.Wir sind ebenso wie der Aktionsausschuß der politischen Häftlinge in Berlin der Meinung, daß es keine Klassifizierung ehemaliger politischer Häftlinge geben darf, da alle das gleiche Leid erlitten haben. Alle, die nach dem 8. Mai 1945 inhaftiert wurden, sollen in gleicher Weise behandelt werden. Wir sehen eine Gefahr in der Aufspaltung des Personenkreises. Wir halten sie im Grundsatz wie auch in der Methode nicht für gut. Wir schaffen damit zwei Gruppen von Häftlingen, einmal die halbanerkannten, zum anderen die vollanerkannten Häftlinge.Wir sind auch besorgt wegen der Formulierung. Abgesehen davon, daß sowieso nicht alle pauschal in die Regelung nach dem Häftlingshilfegesetz einbezogen werden, sondern daß der Personenkreis von vornherein nach den Voraussetzungen in § 1 und den Ausschließungsgründen des § 2 gesiebt ist, haben wir in der gesamten Gesetzgebung, die sich mit den Auswirkungen der deutschen Teilung und den Folgen der Unfreiheit und des Zwangs befaßt, niemals das politische Verhalten des einzelnen gegenüber der Unrechtsherrschaft rechtlich gewertet. Darüber hinaus meinen wir, daß uns die Kompetenz für ein Urteil über das persönliche Verhalten fehlt. Was befähigt uns in der Bundesrepublik, das persönliche Verhalten des einzelnen gegenüber einer Herrschaft zu beurteilen, die keine gleichbleibenden Rechtsnormen kennt und deren Forderungen an den einzelnen sich gestern, heute und morgen jeweils willkürlich nach den politischen Nahzielen ändern. Das ist der eine Grund, warum wir die Formulierung des § 9 b nicht für gut halten.Der zweite Grund liegt in der Schwierigkeit der Durchführung. Wie sollen die Instanzen auf der unteren Ebene, die von den Ländern zumeist mit der Durchführung der Bestimmungen dieses Gesetzes beauftragt sind, die eminent schwierige politische Entscheidung treffen und das persönliche Ver-
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Frau Korspeterhalten beurteilen? Wir haben genügend schlechte Erfahrungen mit § 3 des Bundesvertriebenengesetzes. Aber die Formulierung in § 9 b zwingt noch viel mehr zur politischen Gewissenserforschung.
Wir fürchten, daß es zu den größten Schwierigkeiten und zu einer Kette von Prozessen bei den Verwaltungsgerichten kommt. — Frau Kollegin Brökelschen, auch Ihr Vorwurf „Das stimmt ja nicht" kann mich nicht davon überzeugen, daß Sie recht haben. Wir haben von den Vertretern des Bundesrates gehört, welche Schwierigkeiten in der Durchführung liegen. Nach unserer Meinung besteht bei einer solchen Regelung die Gefahr, daß wir die Auslegung des Gesetzes völlig der Rechtsprechung überlassen, und zwar in langen und auch für den Staat kostspieligen Verfahren.Es scheint uns deshalb der rechtlich bessere und politisch klügere und auch der praktikablere Weg zu sein, die materielle Besserstellung für alle ehemaligen politischen Häftlinge uneingeschränkt auf der bisherigen Grundlage durchzuführen. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, der Sache nach gehört also die Diskussion über § 9 b offensichtlich mit dazu.
Dann darf ich fragen, ob auch der Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 627 begründet werden soll? — Bitte, Herr Abgeordneter Mischnick!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der § 9 a ist in der Form, die er nach dem Antrag der SPD-Fraktion erhalten soll, in etwa gleichlautend mit der Fassung, die in dem FDP-Gesetzentwurf Drucksache 1118 vorgeschlagen worden war. Auch da lag der Gedanke zugrunde, vom 1. Januar 1947 an pro Tag 5 DM Beihilfe zu zahlen. Die Überlegungen, die im Ausschuß über die Teilung des Personenkreises angestellt worden sind, sind durchaus beachtlich; das muß festgestellt werden. Leider ist aber bei der Entscheidung über die Frage der Teilung und der Entschädigung inkonsequenterweise für den Personenkreis, den wir herausgehoben haben, nicht vom ersten Hafttag an, sondern erst nach einer Karenzzeit eine erhöhte Entschädigung beschlossen worden. Aus diesen Gründen werden wir den Antrag der SPD-Fraktion zu § 9 a unterstützen.
Zu § 9 b begründe ich unseren Änderungsantrag Umdruck 627. Er besagt, daß die Worte „für die Zeit vom dritten Gewahrsamsjahr, frühestens vom 1. Januar 1949 ab," gestrichen werden sollen. Wir wollen damit erreichen, daß, wenn § 9 a in der heutigen Fassung bestehenbleibt, derjenige Personenkreis, der ausgewählt wird, von dem wir nach dem Gesetzestext eine individuelle Widerstandshaltung voraussetzen, nach dem Gesetz vom ersten Tage an die höhere Entschädigung erhält. Wir halten es für unlogisch, auf der einen Seite zu sagen, daß nicht alle politischen Häftlinge in den Genuß der höheren
Beihilfe kommen sollen, auf der anderen Seite aber dem ausgewählten Kreis nicht vom ersten Tage an, sondern erst nach zwei Jahren und drei Monaten eine höhere Entschädigung zu gewähren.
Stellen Sie sich das einmal vor. Sie kommen dann zu dem Ergebnis, daß ausgerechnet diejenigen, die in den Jahren 1945, 1946, 1947 und 1948, wo noch so viele davon überzeugt waren, mithelfen zu können, in der sowjetischen Besatzungszone nach der Zulassung aller Parteien einen demokratischen Staat zu errichten, alle diejenigen, die 1946 bei der Vorbereitung der Gemeindewahlen oder Landtagswahlen wegen ihres individuellen Einsatzes in die Haftanstalten gehen mußten, nach dem jetzt im § 9 b vorgeschlagenen Text praktisch schlechtergestellt werden als viele, die erst später in die gleichen Anstalten einziehen mußten. Vergessen Sie bitte dabei eines nicht: Nach unserem Gesetz ist es so, daß alle, die im Jahre 1945 und im Jahre 1946 verhaftet wurden, für diese Haftzeit sowieso keinerlei Beihilfe erhalten, da die Haftzeit erst ab 1. Januar 1947 zählt. Für diejenigen also, deren Haftzeit Mitte 1945 begann, erfolgt nach dem jetzigen Gesetzestext erst für die Zeit vom 1. Januar 1949 an eine Aufstokkung. Wir halten es für ungerechtfertigt, daß dann praktisch 3 1/2 Jahre Haftzeit bei der Aufstockung überhaupt nicht berücksichtigt werden.
Ich darf noch auf ein weiteres hinweisen. Übereinstimmend wird von allen Häftlingen berichtet, daß die ersten Haftjahre die schwersten waren; daß gerade die Jahre 1947, 1948, 1949, als die Sowjetunion noch die Haftanstalten bzw. die Haftlager in ihrer Hand hatte, die schwerste Zeit für die Häftlinge waren. Das soll nicht heißen, daß ab 1952 oder 1953 dort ein leichtes Leben gewesen ist. Ganz und gar nicht! Aber die ersten Haftjahre, die sich am meisten auf die Gesundheit, auf den seelischen Zustand der Häftlinge ausgewirkt haben, sollen nach unserer Auffassung genauso bewertet werden wie die folgenden Jahre.
Wir bitten Sie deshalb, dem Antrag der SPD-Fraktion zuzustimmen. Wenn er abgelehnt werden sollte, bitten wir, bei der Abstimmung über § 9 b dem FDP-Antrag auf Umdruck 627 Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Eichelbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst ein Mißverständnis ausräumen. Herr Kollege Mischnick scheint mich so verstanden zu haben, als ob wir als Menschen oder als ob die Bundesregierung die Verantwortung den Menschen in der Zone und besonders den leidenden Menschen in der Zone gegenüber ablehnten. Das habe ich mit keinem Wort gesagt. Es handelt sich darum, wer die Verantwortung für das System drüben übernimmt und für das, was dieses System anrichtet. Darüber besteht doch gar kein Zweifel: Die Bundesregierung und dieses Parlament haben es oft genug gesagt, daß wir uns auch für die Menschen drüben verantwortlich fühlen, beson-
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Eichelbaumders für die, die leiden, und für die, die gelitten haben und zu uns kommen.
Gerade aus dieser Situation heraus hat sich die Bundesregierung schon bei ihrem Entwurf überlegt, wie man das, was die Opfer des Nationalsozialismus an Haftentschädigung bekommen haben, ungefähr und möglichst annähernd auch den Häftlingen aus den Kerkern des Bolschewismus geben kann. Wenn zu 720 DM im Monat noch eine zusätzliche Leistung von 1000 DM hinzugefügt wird, so sind das 1720 DM, also annähernd soviel wie 1800 DM. Die Frage war lediglich, welchem Personenkreis man diese Hilfe, die der Haftentschädigung nach dem BEG durchaus entspricht, zukommen lassen sollte.Frau Kollegin Korspeter hat sich gegen eine Klassifizierung ausgesprochen. Wenn man den Antrag der SPD annimmt, daß diese 1720 DM ohne Prüfung und bei unveränderten Definitionen allen bis jetzt nach dem Häftlingshilfegesetz Entschädigten nachträglich noch gegeben werden sollen — wir sprechen später darüber, von welchem Jahre an —, kann man es den Kriegsgefangenen nicht übelnehmen, wenn sie die gleiche Entschädigung für sich fordern. Das haben sie nicht gefordert. Es handelt sich um ein Objekt, das man zumindest beachten muß; man kann es nicht mit einer Handbewegung abtun, denn es geht immerhin um 1 Milliarde.Nun, glaube ich, muß man noch etwas im Interesse der Häftlinge selber sagen. Man kann die Häftlinge nicht bloß nach dem beurteilen, was sie erlitten haben, man muß sie beurteilen und werten nach dem, was sie getan haben, Die Häftlinge —die eigentlichen Häftlinge, füge ich schon hinzu — sind in Haft gegangen, nicht, weil sie aus irgendwelchen Gründen von dem Wagen des Bolschewismus überfahren worden sind, sondern weil sie sich als Demokraten, als Verfechter freiheitlicher Gesinnung, als Vollbringer von Taten, also aus dieser Gesinnung heraus nicht beugen wollten, vielmehr durch Wort oder durch Tat ihre Gesinnung und ihre Haltung bezeugt haben. Sie sind also im weiteren Sinne des Wortes Widerstandskämpfer gegen ein terroristisches System. Es ist zwar so, daß Häftlingsorganisationen vielfach eine Klassifizierung ablehnen, weil sie kameradschaftlich alle umfassen. „Alle" sind aber nicht nur diese Gruppe. Von den 34 000 Häftlingen, die bisher anerkannt worden sind, sind dies gerade etwa die Hälfte. Die andern sind infolge einer Gruppenzugehörigkeit festgenommen und in den Kerker geworfen worden. Wieder andere — nicht gering an Zahl — sind wegen ihrer Verbindung mit dem Nationalsozialismus eingekerkert worden.Ich empfinde es — ich glaube, man muß das als Politiker sagen — nicht gerade als sehr sinnvoll, daß man für frühere Nationalsozialisten, die von den Russen eingesperrt worden sind, genau dieselben Entschädigungssätze fordert wie für die Opfer dieses Nationalsozialismus. Das scheint mir geradezu absurd zu sein. Es gibt .da manche Äußerungen von Häftlingen. Ich habe Briefe bekommen und Sie vielleicht auch, in denen sie sich in zum Teil sehrheftiger Tonart und sehr leidenschaftlich dagegen verwahren, daß sie in den Kerkern gleichbehandelt worden sind mit den früheren Nationalsozialisten, die ihnen zum Teil mit Hohn vorgeworfen haben, daß sie so dumm gewesen seien, für die Demokratie einzutreten, und die sich selbst gebrüstet haben, daß sie sich gar nicht gegen die Kommunisten gewehrt hätten. Diese Häftlinge wehren sich besonders leidenschaftlich gegen die bisherige Anwendung des Häftlingshilfegesetzes.Nun haben wir beschlossen, um diese Wunden nicht wieder aufzureißen, es bei dem augenblicklichen Stand des Gesetzes und seiner Handhabung nach den ersten Paragraphen, einschließlich des § 9 a, zu belassen. Wir sind aber .der Meinung, daß man die zusätzliche Hilfe nur denen geben sollte, die wirklich politische Häftlinge sind, so wie wir es verstehen. Wenn eine Abordnung politischer Häftlinge im Bundestag, vor dem Bundeskanzler, einem Minister oder einer Partei erscheint, sind das immer diese politischen Häftlinge, die wegen ihrer demokratischen Überzeugung leiden mußten. Für diese uns einzusetzen ist allerdings unsere heiligste Aufgabe.
Wir haben uns lange überlegt, wie wir das formulieren. Wir haben eine weitgreifende Formulierung gefunden. Wir haben nicht von Widerstandskämpfern und nicht von Widersetzlichkeit geredet, sondern haben es in § 9 b abgestellt auf das persönliche Verhalten nach dem 8. Mai 1945. Dieses persönliche Verhalten kann sehr aktiv gewesen sein, aber auch darin bestanden haben, daß der Betreffende etwas nicht getan hat, also gewissermaßen in einer betonten Passivität.Ich glaube, daß man die zusätzliche Hilfe gerade für diese Menschen, die als einzelne, als Individuen wegen ihres persönlichen Verhaltens in der Zeit der Besetzung in den Kerker gebracht wurden, wohl verteidigen kann, und daß das sinnvoller ist als das, was die SPD vorgeschlagen hat.Noch etwas zu dem Vorschlag der FDP. Die Regierungsvorlage hatte vorgesehen, daß die politischen Häftlinge — im übrigen nach einem Stichtag, den wir fallenließen — vom fünften Gewahrsamsjahr an diese zusätzliche Hilfe bekommen. Der, der nach dem 1. Januar 1947 vier Jahre in Haft geblieben ist, sollte leer ausgehen. Wir kennen die Forderung der FDP auf zusätzliche Hilfe vom ersten Jahr an; wir kennen auch die Forderung der Häftlinge, vom ersten Jahr an die zusätzliche Hilfe zu bekommen. Die CDU hat es unternommen, zwischen dem, was die Regierung zubilligen zu können glaubte, und dem, was die Opposition und was die Betroffenen wollten, mit dem dritten Gewahrsamsjahr einen ehrlichen und anständigen Kompromiß durchzusetzen.
Wir müssen dem Bundesfinanzminister und dem Haushaltsausschuß für die Bewilligung der ursprünglich nicht vorgesehenen Mehranforderung dankbar sein.Ich muß auch bemerken, daß in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 18. Mai, in der die Vor-
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Eichelbaumlage, die Ihnen jetzt im Bericht des 4. Ausschusses unterbreitet ist, beraten wurde, weder die SPD noch die FDP durch einen ihrer Abgeordneten eine Forderung nach erheblichen Mehrausgaben hat anmelden lassen.Frau Korspeter hat noch gesagt, der Bundesrat habe eingewandt, daß die Unterscheidung nach § 9 a und § 9 b schwierig sei. Das ist sie allerdings. Meine Damen und Herren, schwierig ist unsere politische Lage, Schwierigkeiten erwachsen aus der Teilung unseres Vaterlandes, schwierig sind alle Verhältnisse, die sich daraus ergeben, schwierig für die Menschen, die darunter leiden, besonders für die Häftlinge, schwierig für den Gesetzgeber und allerdings auch schwierig für die Verwaltung. Da kann ich es nicht billigen, daß erklärt wird, es sei verwaltungsmäßig einfacher, auf diese Unterscheidung zu verzichten. Wir haben die Formulierung in § 9 b so abgewogen, die Unterscheidung so leicht anwendbar gemacht, um der Verwaltung diese Schwierigkeiten nicht zu bereiten. Ich denke von unseren Landesregierungen und Landesflüchtlingsverwaltungen etwas höher als offenbar diejenigen, die diese Einwände erhoben haben. Ich glaube, daß sie sich verpflichtet fühlen, den Häftlingen zu helfen, und daß sie mit diesen Schwierigkeiten fertig werden.Im § 10 a, auf den ich nicht näher eingehen will, und der die Billigung aller Fraktionen gefunden hat, haben wir beratende Ausschüsse vorgesehen. Sie sollen die politischen Stellen sachkundig beraten und ihnen beistehen. Das, glaube ich, genügt, um klarzumachen, daß hinter dem Vorschlag der Mehrheit des Ausschusses sehr ernste und auch gerechte Gedanken stehen. Die Häftlinge werden Grund haben, dem ganzen Bundestag für die Verabschiedung dieser Novelle dankbar zu sein.Man erweist den Häftlingen einen schlechten Dienst, wenn man in dem Augenblick, in dem eine große Zahl von ihnen zusätzlich Tausende von Mark bekommen, mit denen ihnen die Eingliederung erleichtert werden soll, sagt, daß sie in absehbarer Zeit mit einem ganz neuen Gesetz zu rechnen haben. Entweder kann dieses neue Gesetz gegenüber dem jetzigen nur formale Unterschiede aufweisen — dann erwarten die ehemaligen Häftlinge von diesem neuen Gesetz etwas, was es nicht erfüllen kann —, oder es enthält das, was die beiden Oppositionsparteien jetzt mit ihren Anträgen fordern. Sie glauben doch nicht, meine Damen und Herren, daß es in dieser Legislaturperiode möglich sein wird, eine solche Neuformung des Gesetzes durchzubringen.Nach unserer Auffassung nützen wir den Häftlingen mehr, wenn wir ihnen jetzt in klarer Weise etwas geben. Wir sollten sie nicht unnütz durch vollkommen irreale Erwartungen aufregen, die wir erwecken.
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Eichelbaum hat von 'den Beratungen im Ausschuß gesprochen. Ich muß ihn korrigieren. Der Unterausschuß hat sich während der Dauer eines Jahres in acht oder neun Sitzungen, glaube ich, mit diesem Problem beschäftigt. Der Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen ist aber erst in der vorigen Woche mit dem Gesetz in Berührung gekommen. Ich gehöre nur ,dem Ausschuß und nicht dem Unterausschuß an.
Herr Kollege Eichelbaum, ich wundere mich über Ihre Aussage, wir — die SPD und die FDP — hätten für unsere Forderungen nicht gekämpft, weil wir kaum ernsthaft an die Annahme des Antrags geglaubt hätten.
Weiter bin ich erstaunt, Herr Kollege Eichelbaum, daß Sie in Ihrem Bericht — Drucksache 1855 —, den ich mit Aufmerksamkeit gelesen habe, ausführen, die Mehrheit des Ausschusse glaube mit den Vorschlägen an die Grenze dessen gegangen zu sein, was der Gesetzgeber verantworten könne. Nun, der Gesetzgeber sind wir. Wir alle in diesem Hause — und nicht nur die CDU-Fraktion — sind der Gesetzgeber. Die CDU hat im Ausschuß zu erkennen gegeben, daß sie nicht gewillt ist, weitergehende Anträge der SPD oder der FDP anzunehmen. — Bitte sehr!
Herr Kollege Neumann, Sie werden doch zugeben, daß die Mehrheit eine bestimmte Vorstellung von dem haben kann, was der Gesetzgeber verantworten kann, und daß die Minderheit eine andere Vorstellung davon haben kann!
Herr Kollege Eichelbaum, die CDU hat doch in der vorigen Woche im Ausschuß zu erkennen gegeben, wie sehr sie von der Regierungsvorlage abhängig ist. Die Regierung war jedoch nicht gewillt, die Annahme eines weiter gehenden Antrags zu empfehlen, denn sie will nicht mehr Geld hergeben. Diese Ihre Abhängigkeit verstehe ich nach Ihren anerkennenden Äußerungen über die politische Arbeit der Gefangenen nicht.
Eine Zwischenfrage! Herr Neumann, ist Ihnen denn entgangen, daß die Vorlage, die wir jetzt in bezug auf § 9 a und § 9 b bringen, etwas völlig anderes ist als das, was in der Regierungsvorlage stand, daß wir also die Regierungsvorlage in den entscheidenden Punkten durch etwas völlig Neues ersetzt haben?
Frau Kollegin Brökelschen, ich darf Ihnen darauf antworten: kein Mensch wird bestreiten, daß Verbesserungen gegenüber der Regierungsvorlage zu verzeichnen sind.
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NeumannAber nun lassen Sie mich meine Meinung sagen. Meine Damen und Herren, wenn der Herr Kollege Eichelbaum hier Lobesworte für die Tätigkeit der echten politischen Kämpfer gesagt hat, so unterstreiche ich das. Jawohl, es ist so, daß sie ihr Leben eingesetzt haben, um unser Leben zu sichern, daß sie ihre Freiheit geopfert haben, um unsere Freiheit weiter sicherzustellen. Aber, Herr Kollege Eichelbaum, jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt, jetzt komme ich zu § 9 a und dann zu § 9 b. Wie Sie schon sagten: die Besten unseres Volkes sind schon 1945/46 den dornenvollen Weg gegangen und sind irgendwo verschwunden. Sie bekommen nach § 9 a vom 1. Januar 1947 an eine Mark pro Tag und vom 1. Januar 1949 an zwei Mark pro Tag. In § 9 b ist vorgesehen, daß den echten politischen Kämpfern — für die ich mich so einsetze, wie Sie es getan haben — pro Vierteljahr 250 DM gezahlt werden; aber, wie gesagt, vom 1. Januar 1949 an.Wir sagen in unserem Änderungsantrag: „nach dem 31. Dezember 1946 liegenden vollen Gewahrsamsmonat 150 Deutsche Mark". Das ist zeitlich gleichlautend mit dem Antrag der FDP: vom 1. Januar 1947 an.Herr Kollege Eichelbaum und meine Damen und Herren von der CDU: die Hilfeleistung für die Häftlinge kann doch keine fiskalische Frage sein. Sie ist eine politische Aufgabe und eine menschliche Ehrenpflicht, die wir zu erfüllen haben. Darum sagen wir: für den doch an sich kleineren Kreis dieser politischen Kämpfer, die schon 1945 und 1946 in die Gefangenschaft gekommen sind, fordern wir ) vom 1. Januar 1947 an die 250 DM je Vierteljahr.Vielleicht sieht der, der selbst einmal „aus dem Blechnapf fraß" die Dinge anders als viele andere. Denken Sie daran, daß das Maß menschlicher Entwürdigungen und Peinigungen, daß die Mißhandlungen, der Hunger und die Kälte und all die Leiden ja gar nicht durch Geld vergütet werden können.
Denken Sie an die Pflicht, die wir nicht nur aus politischen, sondern auch aus moralischen Gründen haben.Stimmen Sie dem Antrage zu, daß die 250 DM je Vierteljahr bereits vom 1. Januar 1947 an gezahlt werden. Das ist eine Ehrenpflicht, die der Deutsche Bundestag unseres Erachtens hat.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 612 Ziffer 4 — und zwar über Ziffer 4 insgesamt — ab. Wer diesem Antrage zu § 9 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr stimmen wir ab über § 9 a, wobei ich noch einmal darauf hinweisen möchte, daß gemäß dem Nachtrag des Herrn Berichterstatters die Buchstaben c und d in der Einleitung geändert werden: „Folgender Abs. 2 wird eingefügt", „Folgender Abs. 3 wird eingefügt"; so war es doch?
— Gut. Wer dem so geänderten § 9 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einer Gegenstimme und zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Es folgt § 9 b. Der Antrag Umdruck 627 ist schon begründet. Aber der Abgeordnete Mischnick hat noch einmal um das Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem § 9 a angenommen ist und damit feststeht, daß wir mit § 9 b nur einen ausgewählten Kreis in den Genuß von zusätzlichen Leistungen bringen wollen, darf ich noch einmal einen dringenden Appell an Sie richten. Wenn wil hier den echten politischen Widerstandskämpfer, wie es gesagt worden ist, herausheben und ihm eine besondere Beihilfe geben wollen, dann ist es unlogisch und ungerecht, diese Zulage erst nach zwei Jahren und drei Monaten zu geben und für die vorhergehende Haftzeit nicht. Das ist unmöglich. Wenn das geschieht, rufen Sie ganz natürlich neue Forderungen hervor. Man wird Ihnen entgegenhalten: Warum wird die Zeit, die wir da drüben bei Herrn Stalin im KZ verbracht haben, anders bewertet als die Zeit, die wir bei Hitler verbracht haben? Das ist ganz unmöglich, wir müssen wenigstens zu einer gleichen Behandlung aller derjenigen kommen, die wir aus dem gesamten Personenkreis herausheben. Es ist so viel von einem besonderen Häftlingshilfegesetz gesprochen worden, weil das jetzige Gesetz an das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz angehängt worden ist. Wir verstehen Ihre Oberlegungen. Aber bitte, seien Sie jetzt konsequent, nachdem Sie einen besonderen Personenkreis ausgewählt haben. Da ich selbst wie der Kollege Eichelbaum in den Jahren 146, 1947 und 1948 in der Zone tätig war, weiß ich, um welche Menschen es geht. Es geht um Wolfgang Natoneck, den Studentenführer, um nur einen zu nennen, den wir herausgestellt haben, den wir hier besonders begrüßt haben, dem Sie aber nicht auch für die erste Haftzeit dieselbe Entschädigung gewähren wollen wie anderen Menschen, die wir mit Recht als Widerstandskämpfer der Zeit von 1933 bis 1945 anerkennen. Es ist eine Ungerechtigkeit, wenn wir bei dieser Lösung bleiben.Damit es Ihnen finanziell „leichter" wird, schlage ich Ihnen vor, etwas aus dem Antrag der Fraktion der SPD zu § 9 a zu übernehmen und die Bundesregierung zu ermächtigen, durch eine Rechtsverordnung die Auszahlung zu verteilen und den Mehrbetrag, der aufgewendet werden muß, in den nächsten Haushaltsplan zu übernehmen. Ich stelle zusätzlich zu unserem Antrag diesen Antrag mit folgendem Wortlaut:
Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates den Zeitpunkt und die Reihenfolge der Auszahlung der Leistung, auf die nach Absatz 1
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Mischnickein Anspruch besteht, nach den Gesichtspunkten der sozialen Dringlichkeit zu bestimmen.Dann haben Sie die Möglichkeit, noch im nächsten Jahr, 1961, bei den Haushaltsberatungen diese 20 Millionen DM, um die es geht, mit einzusetzen. Sie haben dann endlich eine völlige Gleichbehandlung aller politischen Häftlinge, die wir ausgesiebt haben, erreicht.
Meine Damen und Herren, Sie haben diesen zusätzlichen Antrag gehört, an § 9 b diesen Absatz 2 anzufügen. Wir können also, glaube ich, über den Änderungsantrag Umdruck 627 mit diesem Zusatz in einem abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Ich möchte die Abstimmung durch Aufstehen wiederholen und versuchen, dadurch Klarheit zu bekommen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich darf um die Gegenprobe bitten. — Es ist klar; der Antrag ist auch in der erweiterten Fassung abgelehnt.
Damit kommen wir zur Abstimmung über Nr. 4 a in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir können dann in einem über die Nrn. 5, —6, — 7, — 8, — Art. II, — III, — IV, Einleitung und Überschrift abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen in zweiter Beratung angenommen.
Wer dem Gesetzentwurf in der in zweiter Beratung beschlossenen Fassung in
dritter Beratung
zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, mit einer Enthaltung in dritter Beratung angenommen.
Zu diesem Gesetz liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 613 vor. — Keine Begründung. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Abgelehnt.
Es ist noch über den Antrag des Ausschusses — auf Seite 7 der Drucksache 1855 — abzustimmen. Dort wird in den Ziffern 2, 3 und 4 beantragt, die anderen Anträge der SPD und FDP sowie die Petitionen für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist so beschlossen.
Dann rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf:
7. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft (Drucksache 1508);
a) Bericht ,des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 1854)
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksache 1841)
.
Der Bericht des Abgeordneten Müller liegt Ihnen vor. — Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß hatte sich bei dieser Vorlage ausschließlich mit der finanziellen Auswirkung auf ,den Bundeshaushalt zu beschäftigen. Bei Annahme der Regierungsvorlage nach der Drucksache 1508 sollte eine zusätzliche Belastung des Haushalts nicht eintreten. Die für die Agrarpolitik der Bundesregierung erforderlichen Mittel, mit einem Roggenpreis beginnend mit 361 DM Übernahme- und 381 DM Abgabepreis je Tonne, sind verplant. Sollte sich 'das Plenum jedoch für den Antrag des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entsprechend der Drucksache 1841 entscheiden, sind Mehrausgaben nicht zu vermeiden. Eine Erhöhung des Roggenübernahmepreises um 10 DM je Tonne hätte eine Mehranlieferung an die Einfuhr- und Vorratsstelle zur Folge, die erhöhte Ausgaben für Lagerung und Abbau mit sich bringt. Dabei ist zu berücksichtigen, idaß die Einfuhr- und Vorratsstelle sowieso schon über einen Roggenberg verfügt, dessen Abbau großen Kummer macht und viel Geld kostet.
Umstritten war bei der Beratung im Haushaltsausschuß nur die ungefähre Höhe der Mehrausgaben. Fachexperten ,des zuständigen Ministeriums errechnen den Mehrbedarf auf zwischen 20 und 30 Millionen DM für das Getreidewirtschaftsjahr 1960'61. Demgegenüber vertritt die Mehrheit ,des Ernährungsausschusses die Meinung, daß eine Mehrbelastung nicht eintreten werde.
Bei dieser Meinungsverschiedenheit bei den Fach-und Sachkundigen kam 'der Haushaltsausschuß zu dem auf der Drucksache 1854 vorliegenden Beschluß, daß für den Fall, daß die im Haushalt ausgebrachten Mittel für die von der Bundesregierung vorgesehene Roggenpolitik nicht ausreichen, der Mehrbedarf aus dem Einzelplan 10 zu decken ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird sonst noch das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute wahrlich keine Zeit zu einer Debatte über die Getreidepolitik. Das ist insofern bedauerlich, als es ja wohl nach alledem, was wir über die Einbeziehung der Landwirtschaft in die beschleunigte Durchführung der Römischen Verträge wissen, das letzte Mal sein dürfte, daß wir hier ein autonomes Getreidepreisgesetz machen. Von nun an wird sich die Getreidepolitik an anderen Gesichtspunkten zu orientieren haben.
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6664 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
KriedemannMeine Freunde und ich persönlich sind darüber allerdings nicht unglücklich. Denn das Getreidepreisgesetz unter dem Einfluß des Gemeinsamen Marktes wird das Ende einer nach unserer Überzeugung verfehlten Getreidepolitik sein. Der europäische Getreidepreis wird ganz ohne Zweifel niedriger sein als die Getreidepreise, die wir uns hier leisten, und das halte ich im Interesse der Landwirtschaft für gut.Tatsächlich ist die hier betriebene Politik der hohen Getreidepreise für weite Teile der Landwirtschaft, für alle, die auf Veredelungsproduktion angewiesen sind, eine Belastung. Ich bedauere nur, daß an dieser Politik bis zum bitteren Ende festgehalten wird und daß man unter der Überschrift „Wir machen doch keine Vorleistungen" die Gelegenheit vorbeigehen läßt, den deutschen Veredelungsproduzenten noch ein bißchen von den Chancen zu retten, die sie im Zusammenhang mit und wegen dieser Getreidepreispolitik an unsere europäischen Freunde abgegeben haben.Wir haben mit dieser Begründung im vergangenen Jahr dem Getreidepreisgesetz nicht zugestimmt und werden es auch in diesem Jahre nicht tun.Aber lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu dem machen, was im Ernährungsausschuß — mit Mehrheit natürlich — in Abänderung der Regierungsvorlage beschlossen wurde, also zu dem Beschluß, die Roggenpreise auf der alten Höhe zu halten. Auf Grund der Fiktion, daß Roggen Brot) getreide sei — das ist eine Fiktion, denn es wird noch eben so etwa ein Drittel der Roggenernte für menschliche Ernährung verwandt, vermahlen, der Rest wird verfüttert —, haben wir besonders hohe Roggenpreise gehabt. Wir haben uns im Ernährungsausschuß durch den Herrn Staatssekretär des Bundesernährungsministeriums eingehend darüber unterrichten lassen, wer davon in Wirklichkeit profitiert hat: nicht etwa die kleinen, so oft beschworenen Bauern, die wegen ihrer mageren Böden gar nichts anderes können als Roggen anbauen. Der Roggenberg, der von Jahr zu Jahr höher geworden ist und der jetzt über eine Million, ich glaube, 1,2 Millionen t beträgt, ist aus ganz anderen Bereichen gekommen. Wie auch sonst haben hier diejenigen den Profit gehabt, die darauf gar keinen Anspruch haben.Die Lagerung einer Tonne Roggen kostet zwischen 50 und 60 DM im Jahr, und zum Schluß hat sich die Regierung angesichts der wachsenden Vorräte, für die es im Inland keine Absatzmöglichkeit, keine vernünftige Verwendungsmöglichkeit gibt, gezwungen gesehen, Roggen zu exportieren.Zu diesem Zweck mußte allerdings der Export subventioniert werden. Dieser Roggenexport kostet die Kleinigkeit von 200 DM je Tonne an Subvention. Eine teure und außerdem etwas peinliche Angelegenheit in einem Lande, dessen Landwirtschaft sich immer wieder über die subventionierten Exporte anderer Länder beschwert! Außerdem ist es besonders töricht gewesen. Einige von uns haben den Weg dieses exportierten Roggens verfolgen können. Wir können ja nicht glücklich darüber sein,daß wir auf diese Weise mit so viel Aufwand an Steuermitteln nun noch unseren Konkurrenten zu einem billigen Futter verholfen haben. Manches von dem Roggen ist auch in Form von veredelten Produkten in dieses Land zurückgekehrt.Damit Sie wissen, in welcher Zwangslage sich die Regierung gesehen hat, als sie beschloß, den Roggenpreis um 10 DM zu senken, will ich Ihnen nur sagen, daß, ganz abgesehen von den Lagerkosten für diesen Roggenberg — ich sagte schon: über eine Million t; jede Tonne zwischen 50 und 60 DM im Jahr —, die subventionierte Wegschaffung eines Teils dieses Roggens im vergangenen Jahr 84 Millionen DM gekostet hat.
In diesem Haushalt haben wir dafür 94 Millionen DM vorgesehen. Wir haben uns hier manchmal um 1 oder 2 Millionen gestritten, wenn es um für die Landwirtschaft lebenswichtige Aufgaben ging; ich denke an die Viehseuchenbekämpfung, an den landwirtschaftlichen Wegebau und ähnliche Dinge. Das ist dann abgelehnt worden mit der Begründung: Wir haben kein Geld. 84 Millionen DM sind im vergangenen Jahr ausgegeben worden — und nicht zum erstenmal ist dieses Geschäft gemacht worden —, um Roggen ins Ausland wegzuschaffen!Es ist der Regierung sicherlich nicht leichtgefallen, vorzuschlagen, den Roggenpreis zu senken, um auf diese Weise zu einem besseren Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage zu kommen. Ich bin sehr glücklich darüber, daß diesmal der Herr Bundeskanzler offenbar nicht die seiner Denkweise entsprechende Überlegung um sieben Ecken angestellt hat, die er uns hier neulich anläßlich der Debatte über die Düngemittelsubvention vorgeführt hat, als er sagte: Wir konnten uns ja nicht vernünftig verhalten, denn dann hätte sicherlich die Opposition das Gegenteil beantragt. Tatsächlich ist die Opposition in keinem Augenblick in der Verlegenheit gewesen, in keinem Augenblick versucht gewesen, etwa aus dieser Zwangslage ein politisches Geschäftchen zu machen und zu sagen: Aha, jetzt muß die Regierung den Roggenpreis senken. Nun können wir uns also den Luxus oder die Torheit leisten, zu sagen: Nein, das ist falsch; der Roggenpreis muß oben bleiben. Dieser Dienst ist der Regierung von ihrer eigenen Partei erwiesen worden, und das, was wir nicht getan haben, hat die CDU nachzuholen für richtig gehalten. Sie hat beschlossen, den Roggenpreis zu erhöhen. Im Haushaltsausschuß ist ebenso wie vorher im Ernährungsausschuß und im Wirtschaftsausschuß von der Regierung klar gesagt worden, welche finanziellen Konsequenzen sich daraus ergeben.Der notwendige Rückgang der Roggenanbaufläche, den wir seit einigen Jahren beobachten können, ist ausgelöst worden durch den Abbau der sogenannten Roggenlieferprämie, was ja nur eine wenig elegante Bezeichnung für einen Teil des Roggenpreises ist. Diese Entwicklung mußte weitergehen. Der Roggenanbau mußte weiter zurückgebracht werden. Und diese Entwicklung wird jetzt aufgehalten, wenn so beschlossen wird, wie die
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6665
KriedemannMehrheit des Ernährungsausschusses dem Hause vorschlägt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Deckung dieser Mehrausgaben muß im Einzelplan 10 gefunden werden.
Wir machen also hier etwas sehr Törichtes, das zu dem vielen Törichten, das in der Agrarpolitik ohnehin schon geschieht, noch hinzukommt. Und die Kosten, die dadurch entstehen? — Nun, die nehmen wir dann aus den Mitteln weg, die für die Landwirtschaft nützlich sind.
Sie werden jetzt kommen und sagen, das sei alles im Interesse der kleinen Bauern nötig. Wir haben das schon so oft gehört. Das ändert nichts an der Tatsache, das nimmt nichts von dem weg, was vom Staatssekretär im Ernährungsausschuß über das Zustandekommen des Roggenberges sehr offen gesagt worden ist.
Ich stelle nur noch einmal fest, daß sich diese Politik bis zum bitteren Ende gerade gegen die große Zahl der kleinen Betriebe richtet, die nicht Roggen zu verkaufen haben, sondern die Getreide zukaufen müssen, um ihre Veredlungsproduktion in Gang zu halten. Sie richtet sich gegen die Betriebe, denen wir den Wettbewerb, dem wir sie aussetzen, durch die Maßnahmen im Rahmen des Gemeinsamen Marktes, wie Abbau der Zölle, Anpassung, Beschleunigung usw., nur noch schwerer machen.
Aus diesem Grunde, aus der Verantwortung für diese Betriebe, aber auch aus der Verantwortung für die öffentlichen Finanzen und um nicht in den Verdacht zu kommen, solche Geschichten, wie sie sich aus der falschen Getreidepolitik ergeben, erst dann zu erkennen, wenn es zu spät ist, lehnen meine Freunde auch dieses Jahr wieder das Getreidepreisgesetz ab.
Meine Damen und Herren, zu diesem Punkt war interfraktionell vereinbart worden, daß nur kurze Erklärungen abgegeben werden. Das ist jetzt nicht eingehalten worden, und ich kann nunmehr die Rednerliste nicht aufhalten.
— Es tut mir leid, es ist eine Unterlage aus der Sitzung des Ältestenrats, die das besagt.
Herr Abgeordneter Tobaben!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich zur dritten Beratung des Getreidepreisgesetzes 1960/61 — Drucksache 1841 — folgende Erklärung abzugeben.Die wesentlichste Änderung des vorliegenden Getreidepreisgesetzes gegenüber dem Vorjahresgesetz ist die vorgesehene weitere Senkung des Roggengrundpreises. Der Roggenpreis wurde in den letzten zwei Jahren bereits zweimal gesenkt und hat einen Tiefstand erreicht, der die Rentabilität des Getreidebaues auf leichten Böden gegenüber besseren Böden stark benachteiligt. Die Fraktion der Deutschen Partei vertritt in der Getreidepolitik nachdrücklich ihren immer wieder betonten Standpunkt, daß die Rentabilität der Bodenproduktion erhalten bleiben muß. Dies gilt auch für den Getreidebau auf leichten Böden. Auf den leichten Sandböden und in den Mittelgebirgslagen ist der Roggen die ertragsicherste Getreideart. Das zeigte besonders deutlich das trokkene Jahr 1959.Die Bedeutung des Roggenanbaues in der Bundesrepublik ist durch den Boden, das Klima und die Fruchtfolge bedingt. Hier wird es auch in Zukunft kaum noch nennenswerte Ausweichmöglichkeiten auf andere Getreidearten geben. Der Roggenanbau behält also, weil es keine andere auch nur annähernd so ertragssichere Getreideart gibt und Boden und Klima durch die EWG nicht geändert werden, auch in einem größeren Wirtschaftsraum seine bisherige große Bedeutung.Dieser Bedeutung muß preislich Rechnung getragen werden. Der Roggenpreis ist der Schlüsselpreis für die Rentabilität unserer leichten Böden. Durch den Fortfall der Roggenlieferprämie sind die leichten Sandböden schon zweimal einseitig benachteiligt worden. Eine dritte Benachteiligung durch eine nochmalige Preissenkung würde für die Roggenböden eine ernste wirtschaftliche Gefährdung heraufbeschwören. Wir sind nicht bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen.Andere Vorschläge, z. B. die Neufestsetzung und Neuabgrenzung der Roggenpreisgebiete mit höheren Preisen für Gebiete mit leichteren Böden, sind nach Aussage des Vertreters des Bundesernährungsministeriums im Ernährungsausschuß nicht realisierbar. Die Beibehaltung der jetzigen Roggenpreise bleibt daher die zur Zeit einzige Ausgleichsmöglichkeit.Dem Einwand, die Beibehaltung der bisherigen Roggenpreise führe zu einer Ausdehnung der Roggenanbaufläche und damit zu einer Erhöhung des Roggenüberhanges, widerspricht die Tatsache, daß die Anbaufläche für Roggen rückläufig ist und die Eigenverfütterung zunimmt. Wir sind weiter der Auffassung, daß die vom Bundestag beschlossene Beimischung von Roggen zu Mischfutter ein weiteres Anwachsen der Belastungen des Bundeshaushaltes verhindern wird.Auch die Tatsache, daß der Roggenpreis in der Bundesrepublik über dem Preisstand der Partnerländer in der EWG liegt, darf bei der Bedeutung der Roggenpreise in der Bundesrepublik das Hohe Haus nicht zu preislichen Vorleistungen veranlassen.Die Fraktion der Deutschen Partei bittet Sie deshalb, eine weitere Preissenkung bei Roggen abzulehnen und dem Antrag der Mehrheit des Ernährungsausschusses zu folgen.
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6666 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
Das Wort hat der Abgeordnete Pflaumbaum.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihrem Wunsch, Herr Präsident, entsprechen und nur in wenigen Sätzen eine Aufklärung zu dieser Frage geben.
In den beiden letzten Jahren, seit der Roggenpreis in Form eines Abbaues der Prämie um 10 DM je Tonne gesenkt ist, ist von der Bundesregierung wiederholt zugesichert warden, daß den Gebieten, die ausschließlich auf den Roggenbau angewiesen sind, in irgendeiner passenden Form ein Ausgleich gegeben werden solle. Die Bundesregierung hat dieser Verpflichtung nicht nachkommen können, weil es keine Möglichkeit gibt, eine gerechte Grundlage für eine solche Maßnahme zu finden.
Nun stehen wir vor einer Preissenkung um weitere 10 DM. Dazu ist festzustellen, daß die Landwirtschaft bisher bereits die Roggenanbaufläche vermindert hat und weiterhin vermindern wird, daß ferner die Verfütterung des Roggens in diesem Jahr in weit höherem Maße als in den letzten Jahren zum Abbau des Roggenberges führt und daß in der Zwischenzeit die Beimischungsmöglichkeit durch ein Gesetz eröffnet worden ist. Das sind die Gründe, die dazu Veranlassung bieten, daß in Zukunft eine Erleichterung, die im Interesse des Staatssäckels erwünscht ist, durch die Landwirtschaft selbst herbeigeführt wird.
Nur ein Satz, Herr Kollege Kriedemann. Wenn wir an die hohen Abschöpfungen denken, die Sie erwähnt haben und die in der Tat vorliegen
— aber von Geldmitteln für die Ausfuhr; ich bitte um Entschuldigung —
— die Subventionen für die Ausfuhr —, dann besteht in gleicher Menge ja die Einfuhrmöglichkeit, und dafür gelten im Gegengewicht die Abschöpfungen. Das müßte man berücksichtigen. Ich will darauf nicht näher eingehen.
— Doch, Herr Kollege Kriedemann! Sie dürfen nicht sagen, das habe damit nichts zu tun. Wenn ich 100 000 t Roggen ausführe, muß ich wieder 100 000 t einführen, oder, wenn ich sie nicht ausführe und sie verfüttere, habe ich keine Veranlassung, diese 100 000 t einzuführen.
— Sie werden doch zugeben müssen, daß das logisch ist.
— Regen Sie sich doch nicht auf! Es handelt sich nur um eine Rechenaufgabe nach Adam Riese, die man hier anzustellen braucht.
Namens der CDU/CSU-Fraktion darf ich bitten, angesichts der Preisgestaltung und der Verhältnisse, die heute in der Landwirtschaft vorliegen, dem Antrag des Ernährungsausschusses beizutreten, die Vorlage in der alten Form wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, wir haben also die Debatte jetzt hinter uns gebracht. Ich hätte eigentlich die Paragraphen schon aufrufen müssen. Ich tue das nunmehr und rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, —8, — 9, — 10, — Einleitung und Überschrift. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um ,die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; in zweiter Beratung angenommen.Ich eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer in der dritten Beratung dem Getreidepreisgesetz 1960/61 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Danke sehr! Enthaltungen? — Bei zahlreichen Gegenstimmen in dritter Beratung angenommen.Nach dem Ausschußantrag Ziffer 2 ist noch ein Entschließungsantrag zu verabschieden. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu ,dem Internationalen Weizen-Ubereinkommen 1959 .Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Es ist Überweisung beantragt an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend —. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke! Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 10:Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Memmel, Höcherl, Schlee, Frau Pitz-Savelsberg, Dr. Leiske und Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes ;Schriftlicher Bericht ,des Rechtsausschusses (Drucksache 1819).
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Wird dazu das Wort gewünscht?
— Bitte sehr!
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960 6667
Meine Damen und Herren! In Drucksache 1819 muß es nicht heißen: „Durch Urteil des Bundesgerichtshofs ...", sondern: „Durch Beschluß des Bundesgerichtshofs ... ". Vorher hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Es war eine Vorlage des Oberlandesgerichts Hamm. Ich bitte, das auf der linken und rechten Seite auszubessern.
Im Bericht soll es also statt „Urteil" „Beschluß" heißen. Im Gesetz ist aber nichts zu ändern.
Ich rufe also in zweiter Beratung Art. 1, — 2, —3, — 4, — Einleitung und Überschrift auf. — Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist offenbar einmütig beschlossen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe die
dritte Beratung
auf. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer in der dritten Beratung dem soeben in zweiter Beratung beschlossenen Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Offenbar einmütig angenommen.
Dann rufe ich Punkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Sechsten Strafrechtsänderungsgesetzes ;
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache 1746).
Dazu wird Herr Abgeordneter Benda für alle Fraktionen eine Erklärung abgeben. Ich darf ihm das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nicht im Namen aller Fraktionen, sondern ich habe als Berichterstatter vom Ausschuß den Auftrag erhalten, einen kurzen mündlichen Bericht zu geben. Ich darf aber erklären, daß meine Ausführungen mit dem Einverständnis aller Fraktionen vorgetragen werden.
Ich habe in dieser vorgerückten Stunde nicht die Absicht, mich mit irgendwelchen Einzelfragen zu beschäftigen. Ich darf auf die ausführlichen Darlegungen in der Drucksache 1746 verweisen.
Ich möchte lediglich die Genugtuung des Berichterstatters darüber zum Ausdruck bringen, daß es gelungen ist, in einer Frage, die innerhalb und auch außerhalb dieses Hauses mehrfach erörtert und heftig umstritten worden ist — damals unter der Überschrift „Gesetz gegen Volksverhetzung" —, zu einer Einigung aller Beteiligten im Rechtsausschuß zu kommen. Ich hoffe sehr, daß diese Genugtuung heute auch von diesem Hause geteilt wird, das uns durch seine Zurückverweisung vor einiger Zeit den Auftrag gegeben hat, im Ausschuß, wenn irgend möglich, zu einer Einigung zu kommen.
Der Rechtsausschuß hat nicht den Versuch unternommen, es jedem recht 'zu machen, sondern versucht — ich glaube, das sagen zu dürfen —, eine
sachgerechte Lösung zu finden. Dieser Versuch ist nach unserer Überzeugung im wesentlichen gelungen. Dabei sind vom Rechtsausschuß einerseits die Grundgedanken des alten Regierungsentwurfs eines Gesetzes gegen Volksverhetzung zu § 130 StGB verwertet worden, andererseits eine Reihe von Anregungen, die in dem Antrag der Fraktion der SPD zur Änderung des Strafgesetzbuches, Drucksache 1551, enthalten waren.
In dem Kernpunkt des Gesetzes, nämlich hinsichtlich der Änderung des § 130, ist nach Auffassung des Ausschusses das rechtspolitische Ziel, das die Bundesregierung mit ihrem Entwurf verfolgt hat, auch nach der jetzigen Fassung erreicht worden. Andererseits sind durch die Neufassung des Straftatbestandes die Bedenken derjenigen beseitigt worden, die der damaligen Fassung nicht glaubten zustimmen zu können.
Ich darf dabei nicht verhehlen, daß über die grundsätzliche Frage, ob in der gegenwärtigen Situation eine Änderung oder Ergänzung des Strafrechts überhaupt notwendig ist, im Ausschuß volle Einigkeit nicht erzielt werden konnte. Wir sind aber der Überzeugung, daß der eingeschlagene Weg nicht nur möglich, sondern, was vor allem wichtig ist, praktikabel ist. Der Rechtsausschuß ist überzeugt und hat das Vertrauen zu der Rechtsprechung, daß sie mit den von uns gefundenen Formulierungen nicht nur fertig werden wird, sondern damit auch eine wirksame Waffe in die Hände bekommt, mit der das Ziel, über das wir alle uns von Anfang an einig waren, erreicht werden kann.
Sämtliche Beschlüsse sind im Ausschuß einstimmig gefaßt worden. Ich wäre sehr dankbar, wenn auch das Haus den vorgeschlagenen Formulierungen zustimmen könnte.
Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — 6, — Einleitung und Überschrift. Wer diesen Artikeln in zweiter Beratung zustimmen will, den darf ich um das Handzeichen. bitten. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Dann schließe ich die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.Das Wort wird nicht gewünscht. — Ich darf diejenigen Damen und Herren, die auch in der dritten Beratung dem Sechsten Strafrechtsänderungsgesetz zustimmen wollen, bitten, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich darf um die Gegenprobe bitten. — Ich danke. Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
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b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Drucksache 1847)
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) Die Berichte der Herren Abgeordneten Seidel und Heide liegen Ihnen vor.Ich eröffne die zweite Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich aufrufen Art. 1, — 2, — 3, — 4, — 5, — Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — In zweiter Beratung angenommen.Ich schließe die zweite Beratung und eröffne diedritte Beratung.Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer in der dritten Beratung dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Punkt 14 der Tagesordnung ist erledigt.Punkt 15 ist abgesetzt. Er soll am Dienstag als Punkt 1 auf die Tagesordnung gesetzt werden.Ich rufe auf Punkt 16:Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landbeschaffungsgesetzes ;Mündlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache 1804)
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Es liegt Ihnen der Antrag des Ausschusses vor, den Entwurf abzulehnen und statt dessen eine Entschließung anzunehmen. Wird zur zweiten Beratung das Wort gewünscht?
Dann rufe ich formgerecht auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt.Nunmehr liegt Ihnen noch der Antrag des Ausschusses vor, der Entschließung zuzustimmen. Wer diesem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, ist der Entschließungsantrag einstimmig angenommen.Dann rufe ich auf Punkt 17:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. Januar 1960 über die Internationale Entwicklungs-Organisation .Es ist Überweisung beantragt an den Wirtschaftsausschuß — federführend —, an den Außenhandelsausschuß, an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und an den Haushaltsausschuß — mitberatend —. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 18:Erste Beratung des von den Abgeordneten Kühlthau, Frau Dr. Schwarzhaupt, Frau PitzSavelsberg, Berger, Brück, Hübner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesbeamtengesetzes .Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und den Haushaltsausschuß beantragt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 19:Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes .Hier wird Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene — federführend — und an den Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen — mitberatend — beantragt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 20:Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes .
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Vizepräsident Dr. PreuskerHier wird Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich danke; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 21:Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Änderung des Gaststättengesetzes .Es ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Mittelstandsfragen beantragt. Ich bitte um Ihre Zustimmung. — Danke; es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 22:Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes .Vorgeschlagen ist Überweisung an den Finanzausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik — mitberatend —. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke; es ist so beschlossen.Punkt 23:Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Realkredits .Es ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß beantragt. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Es ist so beschlossen.Punkt 24:Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung von Zuständigkeiten .Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Inneres — federführend — und an den Rechtsausschuß. Ich bitte um Ihre Zustimmung. — Es ist so beschlossen.Ich rufe auf Punkt 25:Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung .Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. Ich bitte um Ihre Zustimmung. — Es ist so beschlossen.Punkt 26:Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsversicherungsordnung .Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. Ich darf um Ihre Zustimmung bitten. — Das ist dann auch so beschlossen.Meine Damen und Herren, wir sind zwar am Ende der Tagesordnung, leider aber noch nicht am Ende der Sitzung. Der Herr Abgeordnete Bausch hat gebeten, nach § 36 der Geschäftsordnung eine Erklärung abgeben zu dürfen. Ich darf ihm das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 36 der Geschäftsordnung habe ich folgende Erklärung abzugeben:Der Abgeordnete Dr. Bucher hat in der gestrigen 115. Sitzung des Bundestages namens der Bundestagsfraktion der FDP das von mir in der 114. Sitzung des Bundestages beanstandete Verhalten des Abgeordneten Dr. Rutschke zu decken und zu verteidigen versucht. Er hat sich dabei lediglich auf Erklärungen des von mir angeklagten Abgeordneten Dr. Rutschke selbst
sowie auf Erklärungen des Abgeordneten Pusch
von der SPD-Fraktion berufen können. Ich sehe mich zu meinem Bedauern genötigt, deshalb nochmals folgendes festzustellen.Erstens. Am 6. März 1960 hat Abgeordneter Dr. Rutschke in der Festhalle in Lomersheim, Kreis Vaihingen , bei den dort versammelten Mitgliedern des Verbandes der Kriegsopfer des Kreises Vaihingen (Enz) nach einer ausführlichen Rede über Kriegsopferversorgung und deren Finanzierungsprobleme den Eindruck zu erwecken versucht, daß man nur die Pensionen der Bundestagsabgeordneten und Bundesminister abzuschaffen brauche, um Geld genug für die Durchführung des von ihm ausgearbeiteten FDP-Entwurfs für eine Reform der Kriegsopferversorgung zu haben.Zweitens. Was vor tausend Zeugen ausgesprochen wurde, wird von dem Abgeordneten Dr. Rutschke niemals mit Aussicht auf Erfolg abgestritten und abgeleugnet werden können.
Drittens. Da es sich um eine politische Angelegenheit handelt, ist Schützenhilfe, die dem Abgeordneten Dr. Rutschke von Vertretern der Opposition gegeben oder angeboten wird,
für die Feststellung dessen, was Wahrheit ist — und allein darum kann es sich bei der Auseinandersetzung über diese Angelegenheit handeln —, völlig belanglos.
Viertens. Trotzdem bedauere ich es aufs tiefste, daß die FDP-Fraktion das Verhalten des Abgeordneten Dr. Rutschke zu decken und zu verteidigen versucht hat. Ich bin überzeugt, daß es Mitglieder der FDP-Fraktion gibt, die vor Scham errötet wären, wen sie die Rede des Abgeordneten Dr. Rutschke in
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6670 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1960
BauschLomersheim gehört hätten. Sie würden sich dannganz sicher nicht bereit erklärt haben, sich schützend vor den Abgeordneten Dr. Rutschke zu stellen.
So, meine Damen und Herren, die nächste Sitzung — —
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe — —
Er kann ebenfalls nach § 36 der Geschäftsordnung außerhalb der Tagesordnung eine Erklärung abgeben.
— Ich habe in diesem Falle einmal darauf verzichtet, — —
— Das können Sie nicht mehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens der FDP-Fraktion folgende Erklärung abzugeben.
Unsere gestrige Gegendarstellung stützt sich nicht
allein auf die Aussage des Herrn Kollegen Rutschke und des Herrn Kollegen Pusch, sie stützt sich
auch auf ,den Bericht des „Württembergischen Abendblatt" vom 8. März 1960.
Das ergibt sich deutlich aus unserer gestrigen Erklärung.
Im übrigen, Herr Kollege Bausch, weichen Ihre heutigen Behauptungen über das, was unser Kollege Dr. Rutschke gesagt haben soll, von 'dem ab, was Sie vorgestern behauptet haben.
Grundsätzlich aber möchten wir eines sagen, meine Damen und Herren. Dieser Vorfall zeigt, daß es sehr zweckmäßig ist, Versammlungen, die draußen irgendwo in der Wahlkampfatmosphäre stattgefunden haben, nicht in diesem Hohen Hause fortzusetzen.
Meine Damen und Herren, Sie haben auch die andere Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung gehört. Jetzt liegen Gott sei Dank keine weiteren Wünsche vor, Erklärungen abzugeben.
Ich berufe ,die nächste Sitzung ein auf Dienstag, den 24. Mai, 9 Uhr, und schließe die Sitzung.