Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Sitzung ist eröffnet.
Eine amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen.
Die Fraktion der FDP hat den Antrag der Abgeordneten Mank und Genossen — Umdruck 20 — zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zurückgezogen.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Wahl eines Schriftführers.
An Stelle der durch Tod ausgeschiedenen Frau Albrecht ist von der SPD-Fraktion die Abgeordnete Frau Krappe vorgeschlagen. Erhebt sich Widerspruch? — Dann darf ich die Zustimmung des Hauses annehmen. Damit ist die Wahl der Schriftführerin Frau Krappe vollzogen. — Mangels Widerspruchs darf ich davon ausgehen, daß Frau Krappe die Wahl annimmt.
Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP betreffend Einsetzung eines Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung .
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann darf ich diejenigen, die dem interfraktionellen Antrag zustimmen wollen, bitten, das durch Handzeichen zum Ausdruck zu bringen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. Die Benennung der Mitglieder des Ausschusses erfolgt in der üblichen Weise nach der Geschäftsordnung. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts
a) Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 457)
b) Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (Drucksachen 448, zu 448).
Wird zunächst zum Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung das Wort gewünscht? — Bitte, Herr Dr. Aigner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter des Haushaltsausschusses darf ich in Vollzug des § 96 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung kurz folgendes vortragen.Die vorgelegten neuen Finanzgesetze können nur als Ganzes gesehen werden. Ich möchte deshalb für ihre haushaltsmäßige Auswirkung folgende Zahlen nennen. Berechnet auf ein Jahr, unabhängig vom Kalenderjahr, bringen die Änderungen des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes nach der Regierungsvorlage einen Steuerminderbetrag in Höhe von 350 Millionen, der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften einen Minderbetrag von 30 Millionen, der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verkehrsteuerrechtlicher Vorschriften einen Minderbetrag von 60 Millionen und der Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Sparleistungen einen Minderbetrag von 400 Millionen. Ich nenne diese Zahlen deshalb, weil die Belastung des Bundes und der Länder durch die gesamten Steuergesetze als Ganzes betrachtet werden muß. Von diesen insgesamt 840 Millionen Mindereinnahmen hat der Bund 122,5 Millionen auf Grund der 35%igen Beteiligung des Bundes zu tragen. Dazu kommen 400 Millionen infolge des Sparprämiengesetzes, die ausschließlich der Bund zu tragen hätte. Damit muß dieses Haus aber erst noch beschäftigt werden. Der Bund hätte also insgesamt eine Steuermindereinnahme von rund 522 Millionen DM. Die Länder hätten eine Mindereinnahme von rund 317 Millionen DM, immer berechnet auf einen Zeitraum von 12 Monaten.Der Finanzausschuß hat sich eingehend mit der Regierungsvorlage beschäftigt und dem Hause weitere Änderungsvorschläge vorgelegt. Die Annahme dieser Änderungsvorschläge würde bedeuten, daß allein bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer für Bund und Länder eine weitere Einnahmeminderung von rund 325 Millionen DM entstehen würde. Wenn man den zuerst genannten Betrag mit 522 Millionen DM und die Neuaufteilung des Betrages von 325 Millionen DM auf Bund und Länder berücksichtigt, würde sich also für den Bund eine weitere Belastung in der Gesamthöhe von 637 Millionen und für die Länder in Höhe von 527 Millionen ergeben.
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1756 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. AignerDer Haushaltsausschuß stand während seiner Beratungen in Zeitnot, dies trifft auch für die Beratungen der gesamten Finanzvorlagen im Finanzausschuß zu. Der Haushaltsausschuß konnte sich deshalb nicht für einen abschließenden Deckungsvorschlag entschließen. Er schlägt Ihnen vor, grundsätzlich die Möglichkeit der Deckung dieser Mindereinnahmen, die durch die neuen Beschlüsse des Finanzausschusses entstehen werden, im Rahmen der Haushaltslage und des Haushaltsplanes zu bejahen.Unter mehreren Möglichkeiten haben wir insbesondere die diskutiert, eine Sperre bei allen nicht auf rechtlichen Verpflichtungen beruhenden Leistungen des Bundes unter gleichzeitiger Veranschlagung eines globalen Minderausgabebetrages im Einzelplan 60 vorzusehen. Von dieser Seite her könnte man also zu einem Haushaltsausgleich kommen.Ein anderer Vorschlag geht dahin, vermögenswirksame Ausgaben vom ordentlichen Haushalt in den außerordentlichen Haushalt zu verlagern. Auch dadurch entstünde eine Deckungsmöglichkeit.Ich sagte bereits, daß der Haushaltsausschuß aus Zeitnot noch nicht zu einer endgültigen Stellungnahme kommen konnte. Ich bitte Sie daher, den vorgelegten Alternativvorschlag als Deckungsmöglichkeit anzunehmen. Wir werden in der kommenden Woche bei der Beratung des Einzelplans 60 bzw. des Haushaltsgesetzes zu einem definitiven Deckungsvorschlag kommen. Für das Haushaltsjahr 1958 — dies darf ich noch besonders hervorhebenist nach den bisherigen Schätzungen aus verschiedenen anderen Gründen und nach dem jetzigen Stand der Beratungen nur mit einer Mindereinnahme in Höhe von 265 Millionen für den Bund zu rechnen.Ich bitte, davon auszugehen, daß grundsätzlich eine Deckungsmöglichkeit für die sich aus den genannten Gesetzentwürfen ergebenden Mindereinnahmen besteht, daß aber eine Konkretisierung des Deckungsvorschlags erst bei der Beratung des Einzelplans 60 bzw. des Haushaltsgesetzes erfolgen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich frage, ob ,das Wort hierzu gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall, dann ist die Debatte geschlossen.
Der Herr Berichterstatter hat den Antrag des Haushaltsausschusses vorgetragen, den in Drucksache 457 niedergelegten Alternativvorschlag als provisorische Deckungsmöglichkeit bis zur endgültigen Entscheidung in Verbindung mit der Beratung ,des Haushaltsgesetzes 1958 anzusehen. Ich darf fragen, ob das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden ist, und bitte diejenigen, die damit einverstanden sind, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Sie sind einverstanden. Damit ist Punkt 3 a der Tagesordnung erledigt.
Berichterstatter zum Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses ist Herr Abgeordneter Krammig; ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Sie bitten, im Schriftlichen Bericht zu Drucksache 448 zwei Berichtigungen vorzunehmen. Auf Seite 12, rechte Spalte, unter Nr. 62, letzte Zeile, muß hinter „Entwurfs" ein Komma gesetzt werden. Auf Seite 14, linke Spalte, unter Nr. 70 Abs. 2, sechste und siebente Zeile, muß es anstatt „einer Einzelperson" richtig heißen „natürlicher Personen". Auf Seite 5, linke Spalte unter Nr. 21, Zeile 3, ist nach „§ 7 EStG" ein Komma zu setzen. Auf Seite 8, Nr. 33, 12. Zeile v. u., ist statt „11 v. H." „15 v. H." zu setzen.
Eine Reihe im Ausschuß gestellter wichtiger Änderungsanträge, die nicht die Zustimmung der Mehrheit fanden, sind im Schriftlichen Bericht, obwohl sie es sicherlich verdient hätten, nicht erwähnt, zumal alle für wichtig gehaltenen Änderungsanträge ohnehin zur zweiten Lesung erneut eingebracht werden. Der Berichterstatter bittet dafür um Nachsicht. Er stand unter Zeitdruck und war außerstande, alle in der letzten Ausschußsitzung gestellten Anträge zu überblicken, die überdies nur mündlich gestellt waren. Mit ihrer Nichterwähnung verbindet der Berichterstatter keine Wertung gegenüber anderen Anträgen, die er angeführt hat. Dazu wäre er auch gar nicht berechtigt.
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich mich auf den Schriftlichen Bericht beziehen und Sie bitten, den Beschlüssen und Entschließungen des Ausschusses zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
ich danke dem Herrn Berichterstatter — auch für die Mühe, die er mit seinem Bericht gehabt hat. Bei einem solchen Gesetz ist immerhin auch die sehr große Arbeit des Berichterstatters eine Anerkennung wert.
Ich darf dann bitten, die Drucksache 448, Seite 5, aufzuschlagen.
Ich rufe auf Art. 1 Ziffer 1. Hierzu liegt auf Umdruck 60 Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Der Ältestenrat hat vorgesehen, daß gleichzeitig mit einem Antrag auch andere Anträge der gleichen Fraktion begründet werden können, wenn die Fraktion diesen Wunsch hat. Das gilt für alle Fraktionen.
Sie wollten zur Begründung das Wort haben, Herr Abgeordneter Seuffert. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zum Wort gemeldet, um dem Hause eine zusammenfassende Begründung der wichtigsten Anträge zu geben, die wir heute zu dieser Steuervorlage vorgelegt haben. Nach meiner Unterrichtung ist das auch der Sinn der Verabredung im Ältestenrat.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in der 17. Sitzung dieses Hauses die Steuervorlagen, die heute zur zweiten und dritten Lesung anstehen, , dem Hause übergeben mit dem Wunsche, daß die
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1757
SeuffertVorlagen in der kritischen Auseinandersetzung mit der Opposition die notwendige Reife erhalten möchten. Das war sehr schön anzuhören. Aber ich bedaure, feststellen zu müssen, daß der Verlauf und das Ergebnis der Ausschußberatungen diesem Wunsche des Herrn Bundesfinanzministers nicht entsprochen haben. Was heute vorgelegt wird, weist nur sehr wenige und keine entscheidenden Verbesserungen gegenüber der Regierungsvorlage auf, vielmehr einige Verschlechterungen, und auf die grundsätzlichen Einwände, die die Opposition bereits in erster Lesung vorgetragen hat, ist nicht eingegangen worden.Wir hatten im Ausschuß zunächst eine erste Lesung, welche eigentlich nur offenbar machte, daß auch innerhalb der Mehrheitsfraktion eine starke Divergenz der Meinungen herrschte und daß Neigungen vorhanden waren, selbst hinter Verbesserungen zurückzugehen, zu denen die Regierungsvorlage angesetzt hatte.Das Bild änderte sich, nachdem der Arbeitskreis der CDU/CSU seine Beratungen durchgeführt und seine Beschlüsse gefaßt hatte, — reichlich spät im Laufe der Beratungen, wie wir ja überhaupt das Gefühl gehabt haben, auch heute noch, daß wir, die Opposition, in der Meinungsbildung meistens einige Tage voraus sind.Nachdem die Beschlüsse des Arbeitskreises gefaßt waren, bestand offenbar keine Neigung mehr, auf die Argumente der Opposition einzugehen, auch wenn sie mit sehr konkreten Zahlen und sehr präzisen Hinweisen gestützt waren. Ich will keine Schuldfrage aufwerfen. Man hatte allerdings den Eindruck, daß man auch auf der Mehrheitsseite im Ausschuß keineswegs allseits glücklich war mit den Beschlüssen, die offenbar dann für die Damen und Herren bindend waren; man hatte auch nicht den Eindruck, daß man sich allseits überhaupt immer ganz klar darüber war, was beschlossen war und zu beschließen war. Das Groteskeste in dieser Beziehung war wohl jene Ankündigung, die mit einigem Aufwand in die Presse gelangt ist, daß die CDU/CSU entschlossen sei, durch eine andere Anrechnung eines bestimmten Freibetrages den Splitting-Effekt wesentlich einzuschränken. Nachdem das, wie gesagt, in die Presse lanciert worden war, stellte sich nach einer halbstündigen Beratung im Ausschuß, bei der mehrfach der eine Ministerialvertreter den anderen, die Ministerialvertreter im ganzen den Ausschuß belehren mußten, zur Überraschung der Initiatoren auch der Presseunterrichtungen das heraus, was eigentlich schon von vornherein klar war, nämlich, daß es sich um gar nichts anderes handelte als darum, daß an einer bestimmten Stelle einer Formel die Zahl 1680 durch die Zahlen „900 + 780" ersetzt werden sollte, ohne jede steuerliche Auswirkung auf den Tarif oder sonst irgend etwas.Die Ausschußberatungen haben auch sehr darunter gelitten, daß der Ausschuß nicht die genügenden Unterlagen hatte. Trotz aller Fragen und trotz aller Bitten waren vollständige Unterlagen, wie sie nun einmal zur Beurteilung eines Steuergesetzesgehören, nicht erhältlich. Insbesondere hat den Ausschuß keine auf einen irgendwie aktueller Stand gebrachte Einkommenspyramide vorgelegen Die Anfertigung dieser Einkommenspyramide is einem Elektronenroboter in Frankfurt übertragen worden. Der Roboter weigerte sich aber zu arbeiten weil in dem Programm, das ihm vorgelegt worden war, ein Integral mit einem Pol aufgetreten war
Ich habe keine Ahnung, was das ist. Aber der Roboter arbeitete nicht, und wir bekamen keine Einkommens- und keine Einkommensteuerpyramide. Vorige Woche hat Werner Heisenberg in seiner Festrede in München erzählt, daß ein Münchener Professor die Angewohnheit hatte, mit seinen Studenten im Kaffeehaus wissenschaftliche Fragen zu besprechen — es war ein Mathematiker und Physiker — und da z. B. Integralrechnungen auf der Marmorplatte des Kaffetisches auszurechnen. Da solche Integralrechnungen sehr kompliziert und langwierig sind — das ist das einzige, was ich von Integralrechnungen weiß —, mußte er einmal eine solche Rechnung abbrechen, weil er eben zur Vorlesung mußte. Als er am anderen Tag wieder in das Café kam, war seine Integralrechnung fertig; denn inzwischen hatte ein anderer Professor an demselben Tisch seine Tasse Kaffee getrunken und währenddessen das Integral ausgerechnet. — Solche Professoren, oder den guten Willen, sie zu finden, gibt es offenbar im Zeitalter der Roboter nicht mehr. Wir haben also, wie gesagt, keine Darstellung der Einkommenspyramide zur Verfügung gehabt. Deswegen muß die Stellungnahme zu der Steuervorlage unter der Unsicherheit der Unterlagen leiden.Gestatten Sie aber eine grundsätzliche Bemerkung zur Würdigung dieser Steuervorlage, die für die Würdigung aller Steuervorlagen gilt! Maßgebend muß immer die Kenntnis der faktischen Sozialstruktur sein, denn daraus ergibt sich die für diese Struktur angemessene Besteuerung. Wir wissen sehr wohl, daß die Sozialstruktur, die Einkommens- und Vermögensverteilung nicht auf den Steuergesetzen beruht. Aber die Steuergesetze haben die Aufgabe, die Steuerbelastung entsprechend der Struktur gerecht zu verteilen und allerdings auch die notwendigen und im Rahmen von Steuergesetzen möglichen Korrekturen anzubringen. Grundlegend bei der Erörterung jeglicher Steuerfragen ist jedenfalls immer die Kenntnis der bestehenden Struktur.Es wird z. B. gesagt, 20 % der Steuerpflichtigen zahlten 80 % der Steuer. Als ob das eine Erfindung der Steuergesetze wäre! Nebenbei gesagt ist in diesen Darstellungen immer nur von den direkten Steuern die Rede, und die indirekten werden nicht erwähnt. Diese Angabe, daß 20 % der Steuerpflichtigen 80 % der Steuer zahlten, bei der man so tut, als sei das eine Erfindung der Steuergesetze, ist sogar richtig. Aber warum ist es denn so? Weil diese 20 % der Steuerpflichtigen rund 60 % des Gesamteinkommens beziehen, wie sich aus den gleichen Berechnungen ergibt, so daß, wie man sich leicht ausrechnen kann, das Durchschnittseinkommen dieser 20 % das Sechsfache von dem der 80 % beträgt und die Bezieher höherer Einkommen über1758 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19 Juni 1958Seufferteine entsprechende Leistungsfähigkeit verfügen. Ihr Durchschnittssteuersatz beträgt dabei nur das Anderthalbfache des Steuersatzes der übrigen 80 %. Das sind die Ursachen und das andere sind die Wirkungen.Man könnte eine andere Zahl nennen, die für diejenigen, die nicht auf die Tatsachen und Ursachen zurückzugehen pflegen, vielleicht noch frappanter ist: 0,05 % der Steuerpflichtigen, also einhalb Promille, einer auf 2000 — das sind in der Größenordnung etwa die Empfänger von Einkommen über 100 000 DM jährlich —, zahlen in der Tat rund 13 % der gesamten Steuern, und zwar deswegen, weil sie rund 2,7 % des Gesamteinkommens beziehen. Das klingt so, als sei es nicht sehr viel — obwohl es offenbar dazu genügt, einen sehr, sehr entscheidenden Einfluß auf die Wirtschaft und manchmal auch auf die Gesetzgebung auszuüben —; aber es bedeutet, daß diese kleine oberste Spitzengruppe das Fünfzig- bis Hundertfache des Durchschnittseinkommens jener 80 % hat, die die große Masse ausmachen, während ihr Steuersatz im Durchschnitt vielleicht das Fünffache desjenigen dieser Gruppe beträgt.Natürlich bilden wir uns nicht ein, daß wir die Steuerbelastung dieser Spitzengruppe auf das Fünfzig- oder Hundertfache der Normalbelastung setzen können. Selbstverständlich nicht! Immerhin, darüber, ob das Fünffache, das Sechsfache oder etwas mehr richtig ist, könnte man sich schon streiten. Vor allen Dingen, meine Damen und Herren, muß man die Fragen richtig stellen. Da ist zum Beispiel der ideale, optimale Steuersatz von höchstens 50 %, der in der Begründung zur Regierungsvorlage eine große Rolle spielt und auch in der Diskussion dieser Steuergesetze oft hervorgehoben worden ist. Es wird davon gesprochen, daß dieser Satz von 50 % wegen der Betriebsausgaben, die sich bei einem höheren Satz mehren würden, nicht überschritten werden soll, von optimaler Belastung usw. Dabei ist sehr die Frage, ob die Differenz zwischen 53 % oder 55 % im Hinblick auf die optimale Auswirkung wirklich einen Effekt hat.Weiter ist zunächst noch einmal zu sagen, was wir Ihnen neulich schon in der Rüstungsdebatte vorgehalten haben, daß die Steuersätze dieses Jahres angesichts Ihrer Rüstungspolitik völlig illusorisch sind. Erst im nächsten Jahr wird sich erweisen, ob Sie an diesem oder irgendeinem anderen Steuersatz mit der Inbrunst festhalten können, mit der Sie heute so tun, als ob Sie es könnten.Wenn Sie aber schon so etwas erreichen müssen, dann ist doch die Frage so zu stellen: Welche Belastung ist für das Masseneinkommen und das Mittelschichteneinkommen höchstens tragbar, wenn Sie in der obersten Spitzengruppe z. B. nicht über 50 % Belastung hinauskommen wollen? So ist die Frage zu stellen, meine Damen und Herren: ob Sie, wenn Sie den 95 % Steuerpflichtigen der Normalstufe in den obersten Gruppen eine Durchschnittsbelastung von bereits 15-16 % und der ganzen Gruppe eine Spitzenbelastung von 20 % von Anfang an zumuten, schon mit 53 % oder 50 % in der obersten Spitzengruppe aufhören können, ohne ganz unerträgliche soziale Spannungen hervorzurufen. Wenn Sie es sich nicht leisten können, meine Damen und Herren von der Mehrheit, die breiten Schichten wesentlich geringer zu belasten — und Sie können es sich nicht leisten bei Ihrer Rüstungspolitik, das ist eine Tatsache —, so können und dürfen Sie sich auch nicht leisten, die Spitzenbelastungen in der anomalen Weise herabzumindern, wie es hier vorgeschlagen wird.Unser erster grundsätzlicher Einwand gegen die gesamten Steuervorlagen ist, daß die Steuerermäßigungen nicht entsprechend der bestehenden Struktur und der bestehenden Belastung, also angemessen" verteilt worden sind.Für den gesamten Steuerausfall, der bei Annahme dieser Vorlage entsteht, sind sehr verschiedene Zahlen angegeben worden. Die präziseste scheint mir die von etwa 515 Millionen DM zu sein; sie errechnet sich aus der Anlage 1 zur Ministerialvorlage vom 25. März an den Ausschuß. Wie das mit den Zahlen der Vorbemerkungen zusammengeht, die offenbar auch dem Haushaltsausschuß vorgetragen worden sind und aus denen sich ergeben würde, daß, für die Einkommensteuervorlage gerechnet, nur 170 Millionen DM übrigblieben — da sind 350 Millionen DM insgesamt als Saldo ausgerechnet, und davon sind 180 Millionen DM für die Körperschaftsteuer auszuschalten —, muß ich angesichts der mangelhaften Unterlagen, die wir gehabt haben, dem Ministerium überlassen.Die Zahl von 500 Millionen DM scheint mir auch in etwa wahrscheinlich zu sein. Alle anderen Zahlen, die genannt werden — 1800 Millionen, 1850 Millionen usw. —, sind Zusammenrechnungen mit den Veränderungen im Jahre 1957, die bereits geltendes Recht sind. Diese Zusammenrechnungen sollte man nicht machen. Denn erstens betreffen sie nicht das, worüber zu beschließen ist — zu beschließen ist jetzt über die Abweichungen vom geltenden Recht —, und zweitens sind diese Zusammenrechnungen nicht gerechtfertigt. Wer mit solchen Zusammenrechnungen der Kritik der Opposition an der Verteilung der jetzt vorgesehenen Steuerermäßigungen entgegentreten will, muß den Mut haben, vor der Offentlichkeit zu behaupten, daß bisher unten zuwenig und oben zuviel Steuern gezahlt worden sind.Es wird da auch gesagt, aus wirtschaftlichen Gründen, für das Wohl der Gesamtwirtschaft sei es notwendig und unvermeidlich, gerade die höchsten Einkommen, weil sie für die Wirtschaft so wichtig seien, zu entlasten. Dem müssen wir mmer wieder entgegenhalten — wir werden nicht müde, das zu wiederholen —, daß nach unserer Ansicht die Gesundheit einer Wirtschaft und eines gesellschaftlichen Gefüges und der Wohlstand eines Volkes nur nach der Lage des Masseneinkommens, des Durchschnittseinkommens und der Belastung dieses Einkommens beurteilt werden können.
Wenn Sie wirklich die allerobersten Einkommenals Träger und als Kennzeichen der Wirtschaft fürso wichtig halten, so sagen Sie es often. Wirtschaf-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1759
Seuffertten dieser Art kann es geben: möglicherweise sind solche Wirtschaften sogar sehr potent. Aber, meine Damen und Herren, wir sagen ebenso offen: Derartige Fellachenstaaten entsprechen nicht der Vorstellung der Sozialdemokratie.Also keine solche Zusammenrechnungen! Versuchen wir festzustellen, wie die ungefähr 500 Millionen DM, um die es sich nach der Regierungsvorlage zunächst handelt, verteilt werden!Diese Tarifreform zerfällt in zwei Teile. Der eine Teil gilt für 95 % der Steuerpflichtigen. Es ist die sogenannte Proportionalstufe. Ich will gleich an dieser Stelle sagen, daß wir mit diesem Teil der Steuerreform, obwohl er einige Unebenheiten enthält, die man nach unseren Anträgen auch ausgleichen könnte, im grollen und ganzen zufrieden und einverstanden wären. Darüber könnte man sich verständigen.Der zweite Teil betrifft die Regelung für die restlichen 5 % der Steuerpflichtigen. Diese Regelung ist ganz unabhängig von der Gestaltung des ersten Teils des Tarifs und hätte unserer Ansicht nach ganz anders getroffen werden können. So, wie sie vorgeschlagen worden ist, bringt diese Regelung eine ganz falsche Verteilung der Steuerentlastungen mit sich. Sicherlich wäre es nicht mehr als recht und billig, wenn etwa die Hälfte der Steuerentlastung auf den ersten Teil der Tarifreform, auf diese 95 % der Steuerpflichtigen, entfiele. Denn sie zahlen ungefähr 50 % der Gesamtsteuer: sie zahlen rund 80 % der Lohnsteuer, sie zahlen etwa 30 % der veranlagten Steuer; das kommt etwa auf 50 % der Gesamtsteuer hinaus. Außerdem — daran erinnern wir immer wieder — zahlen diese 95 % der Steuerpflichtigen auch 95 % der Verbrauchsteuern, die auf dem notwendigen Bedarf liegen. Es wäre also, sage ich, nicht mehr wie recht und billig, wenn sie von der Entlastung etwa die Hälfte abbekämen. Wir haben keine exakten Zahlen dafür, aber alles spricht dafür, daß das bei weitem nicht der Fall ist, daß das sogar ganz unmöglich ist.Was die restlichen 5 % der Steuerpflichtigen anlangt und das, was für sie aufgewendet wird, muß man sich zunächst einmal klarmachen, daß diese 5 °/o in keiner Weise eine einheitliche soziale Gruppe oder eine einheitliche Einkommensschicht darstellen. Diese 5 % gehen ja von den jährlich 16 000-DM-Einkommen bis in die Millionen-Einkommen, und nur etwa 0,05 %, nur das halbe Promille, gehören dabei den Einkommensgruppen über 100 000 DM an. Der allerallergrößte Teil dieser 5 % dürfte also wieder zwischen den Jahreseinkommen von 16 000 DM und etwa 100 000 DM zu suchen sein.Was können wir nun über die Verteilung feststellen? Ich habe in der ersten Lesung für den Aufwand, der bei dieser Tarifreform auf die Einkommen über 100 000 DM entfällt, eine Zahl von etwa 200 Millionen DM genannt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat demgegenüber in der 17. Sitzung den Aufwand allein für die Einkommen über 220 000 DM im Jahr, also für eine viel kleinere Gruppe, mit 125 Millionen DM angegeben, — anund für sich schon eine skandalöse Zahl, sowohl im Verhältnis zu den Gesamtkosten dieser Vorlage wie überhaupt angesichts der Tatsache, daß eine Begründung dafür völlig fehlt, diesen Einkommen eine Steuerermäßigung von insgesamt 125 Millionen DM beim gegenwärtigen Stand der Finanzpolitik zu geben; eine Zahl, die an sich schon genügen sollte, die ganze Vorlage in den Orkus zu werfen. Jedenfalls aber zeigt diese Zahl bereits, daß der Aufwand, nach dem ich gefragt habe, für die Einkommen über 100 000 DM jährlich eher bei der von mir genannten Zahl liegen muß.Dazu führen 'auch andere Annäherungsrechnungen. Die Steuerschuld dieser Gruppe dürfte heute mindestens zwischen 1,7 und 2 Milliarden zu suchen sein, wahrscheinlich sogar höher, — woraus Sie aber bitte nicht wieder auf die hohe Belastung dieser Gruppe, sondern auf ,das außerordentlich hohe Einkommen schließen wollen, das in diesen wenigen Händen vereinigt ist. Da, wie Sie aus den Vorlagen ersehen, die Steuerschuld in dieser Gruppe um 8 bis 9 % im Schnitt verringert werden soll, ergeben sich entsprechende Zahlen, — Zahlen, die ich noch einmal als skandalös bezeichnen muß.Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in der ersten Lesung dieser Gesetzentwürfe meine Bemerkung, daß bei dieser Gruppe von einigen 10- bis 30 000 Leuten mit solchen Steuerbegünstigungen doch nicht Wähler angesprochen sein könnten, sondern Finanzierer, sehr entrüstet zurückgewiesen. Ich möchte dazu folgendes sagen. Wir beraten heute über eine — von uns scharf abzulehnende — weitere Aufspaltung des Körperschaftsteuersatzes. Zu einer Zeit, als der Herr Bundesfinanzminister nicht im Hause war, wurde unter unserem lebhaften Widerspruch die Spaltung des Körperschaftsteuersatzes beschlossen. Es ist bekannt, daß im Zusammenhang damit erhebliche Zahlungen an eine Parteikasse erfolgt sind. Wir haben damals auf diese Dinge sehr deutlich angespielt. Niemand hat zu widersprechen gewagt. Nach den geltenden Gesetzen und der Rechtsprechung ist es legal, daß Zahlungen an eine Parteikasse geleistet werden, auch wenn sie im Zusammenhang mit einer gewünschten Politik dieser Partei stehen. Davon ausgehend, haben wir auf eine weitere Erörterung solcher Dinge verzichtet, und wir werden es auch heute tun. Aber ich bitte — in Erwiderung auf seine Bemerkungen in der ersten Lesung — den Herrn Bundesfinanzminister, überzeugt zu sein, daß wir solche Bemerkungen nicht aus purer Demagogie machen. Wir bitten Sie und die Fraktion der CDU/CSU: Geben Sie uns doch bitte eine andere, plausible Erklärung für solche Steuerbegünstigungen dieser ganz kleinen, potenten Gruppe. Geben Sie uns doch eine solche Erklärung! Es wäre für ein demokratisches Verhältnis zwischen der Opposition und der Regierungspartei nur erwünscht, wenn Sie das tun könnten.Unser zweiter grundsätzlicher Einwand gegen die Vorlagen berührt verfassungsrechtliche Fragen. Wir haben schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß man den verfassungsrechtlichen Grundsätzen, wie sie das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, ohne eine wenigstens wahlweise
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1760 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
SeuffertEinführung der getrennten Besteuerung nicht nachkommen kann. Auch Sie haben sich nach einigem Schwanken dieser Ansicht angeschlossen, wenn Sie auch das Verfahren — darauf beziehen sich einige Anträge von uns — zum Teil falsch, zum andern Teil noch nicht zureichend aufgebaut haben.Aber das ist nicht der einzige Einwand gegen das hier vorgeschlagene Eamerikanische Splitting-Verfahren. Dieses Verfahren bringt eine Begünstigung nur für 5 % der Steuerpflichtigen — und selbst von diesen nur für einen Teil —, und die Begünstigungen, Idie reinen Heiratsermäßigungen, die für diese Gruppe gegeben werden, stehen in gar keinem Verhältnis zu den entsprechenden Vorteilen — Heiratsermäßigungen — bei der ganz großen .anderen Gruppe. Was dieses Splitting für die kleine Gruppe kostet, ist niemals exakt gesagt worden. So ungefähr kann man schätzen, daß ,das Splitting allein sicherlich 200 bis 300 Millionen DM per Saldo, nach Aufrechnung mit der Mehrbelastung der anderen Gruppe, ergibt; denn — und das scheint uns entscheidend zu sein — die Aufwendungen hierfür werden durch die Erhöhung des Tarifs für die nichtbegünstigten Steuerpflichtigen aufgebracht. Dieser Tarif wird laut Regierungsvorlage aus keinem anderen Grunde erhöht, als um die Aufwendungen für das Splitting teilweise zu kompensieren. Das ist ein Grund, der unserer Ansicht nach weder steuerpolitisch noch verfassungsrechtlich zu halten ist.
Es ist schwer abzuschätzen, was das ausmacht. Wir haben nur die eine exakte Zahl, wonach allein die Mehrbelastung der Ledigen innerhalb der Proportionalstufe — und diese Mehrbelastung ist noch sehr geringfügig — rund 20 Millionen ausmacht. Wir können annehmen, daß es sich insgesamt um einen Betrag von mindestens 100 Millionen handelt, um den der eine Teil mehr belastet wird zugunsten des anderen. Das halten wir für verfassungswidrig und außerdem für steuerpolitisch völlig untragbar. Es handelt sich um die Frage, ob es verfassungsmäßig und steuergesetzlich möglich ist, eine so hohe Begünstigung — Sie wissen, daß das im einzelnen Fall bis zu einer Heiratsermäßigung von 11 311 DM geht — für eine so kleine Gruppe einzuführen, und ob vor allen Dingen es erlaubt ist, diese Begünstigung durch Belastung der nicht begünstigten Gruppe zu finanzieren.In Wirklichkeit werden nunmehr zwei verschiedene Tarife vorgeschlagen, je nachdem, ob es sich um das Einkommen eines Alleinstehenden oder um ein Familieneinkommen handelt. Die Progression ist in beiden Tarifen völlig verschieden. Die Progressionsformeln, die Sie in den Vorbemerkungen zur Tabelle nachlesen können, gelten nur für den Tarif für die Alleinstehenden, die Progressionsentwicklung und die entsprechenden Formeln für den anderen Tarif sind ganz anders. Deswegen läuft die Progression hier so weit auseinander, selbstverständlich nach oben, und deswegen ergeben sich diese großen Differenzen gerade in den hohen und höchsten Einkommen.Diesen Tatbestand hatten wir bisher nicht. Der Tarit für die Alleinstehenden war von dem Tarif für die Verheirateten nur durch den Freibetrag von 900 DM unterschieden. Mit dieser kleinen Abweichung, die im Grunde nicht viel ausmachte, galten die Progressionsformeln, die Entwicklungsstufen usw. des einen Tarifs auch für den andern. Es war ein einheitlicher Tarif, der nur durch Freibeträge in gewisse Klassen aufgeteilt war. Jetzt haben wir zwei ganz verschiedene Tarife, die Formeln des einen gelten nicht für den andern, die Progression läuft auseinander.Über diesen neuen Gedanken, zwei Tarife aufzustellen, ließe sich vielleicht reden. Aber wenn es nun diese beiden Tarife gibt, so ist die Frage, ob sie ausgerechnet in der Form des amerikanischen Splitting — die für ein glückliches und gerechtes Verhältnis zwischen den beiden Tarifen, die hier angewandt werden sollen, so ungefähr die schlechteste ist — miteinander verknüpft werden können. Vor allen Dingen aber geht es um die Frage,
ob es nach der Verfassung zulässig ist, die Aufwendungen, die für den einen Tarif aus bestimmten Gründen gemacht werden, dadurch zu finanzieren, daß man zum Zwecke dieser Finanzierung und aus keinem anderen Grund — lesen Sie die Begründung der Regierungsvorlage — den anderen Tarif erhöht. Das geht unserer Überzeugung nach nicht. Drittens richten sich unsere Angriffe und Anträge gegen das, was — untrennbar mit der gesamten Vorlage verbunden — für die Körperschaftsteuer beabsichtigt ist. Ich will der Einzelbegründung unserer Anträge nicht vorgreifen, sondern nur folgendes feststellen. Es werden hier laut Regierungsvorlage 180 Millionen DM als Ausfall angesetzt. Wahrscheinlich sind es mehr; denn die bei der Berechnung des Steuerausfalls zur Kompensation des Ausfalls angesetzten Einkommensteuerzahlen stimmen wahrscheinlich nicht. Es werden also 180 Millionen DM oder mehr mit dem angeblichen Ziel ausgegeben, Mehrausschüttungen bei den großen Kapitalgesellschaften zu erreichen. Um die handelt es sich ganz allein; es geht nur um die Gesellschaften, die am Kapitalmarkt sind, und das sind nur die größten.Es ist sehr zweifelhaft, ob dieses Vorgehen notwendig ist. Die Angaben des Finanzministeriums ergeben, daß 1954 ohne gespaltenen Satz und ohne steuerliche Hilfen aus einem damals festgestellten steuerpflichtigen Gewinn der Gesellschaften von 4,5 Milliarden DM 900 Millionen DM — das sind 20 % des steuerpflichtigen Gewinns — ausgeschüttet worden sind. Das Finanzministerium erwartet, daß nach der derzeit gegebenen Lage im Jahre 1958 aus etwa 117 Milliarden DM steuerpflichtiger Gewinn 1,8 Milliarden DM das sind 16 % — ausgeschüttet werden. Welche Begründung will man dafür geben, daß man, wenn im Jahre 1954 ohne steuerliche Hilfen aus einem weitaus kleineren Gewinn 20 % ausgeschüttet worden sind, heute noch steuerliche Hilfen geben will, damit wenigstens diese
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1761
Seuffert20 % aus einer weitaus größeren Gewinnsumme ausgeschüttet werden können?Man mag weiter die Frage aufwerfen, ob es wirtschaftspolitisch angezeigt ist, das Dividendenniveau im Augenblick durch steuerliche Maßnahmen noch abzustützen oder gar nach oben zu heben. Dieses Niveau steht doch im Zusammenhang mit den Kapitalmarktzinsen usw., die wir aus wohlerwogenen Gründen im Augenblick herunterdrücken wollen. Festzustellen ist jedenfalls aus den Zahlen des Finanzministeriums, daß die Gesellschaften, wenn sie nicht mehr ausschütten — wenn also keine Kapitalbildung in breiteren Aktionärskreisen stattfindet und auch nicht mehr Einkommensteuer aufkommt —, infolge dieser neuen Vorlage allein rund 160 Millionen DM rein als Steuergeschenk zur weiteren Selbstfinanzierung aus dem Steuersäckel überreicht erhalten, in Auswirkung einer Vorlage, die mit „Bekämpfung der Selbstfinanzierung" begründet wird.Welche Konsequenzen wir aus diesem Tatbestand ziehen, zeigen unsere Anträge. Wir beantragen, diese Begünstigungen für die großen Gesellschaften und die großen Einkommen wegzulassen,
auf die Körperschaftsteuerermäßigung, die so bebedenkliche Wirkungen haben muß, zu verzichten und die dadurch gegebene Manipulationsmasse anders und sozial zu verwenden. Das Splitting ist aus sozialen wie aus verfassungsrechtlichen Gründen einzuschränken. Warum ein beschränktes Splitting allenfalls noch tragbar erscheint, wird bei der Begründung unseres Antrages im einzelnen dargelegt werden. Das Splitting ist allenfalls noch bei den Mittelschichten tragbar, es müssen aber seine Auswüchse bei den allerhöchsten Einkommen und damit die entsprechenden Wirkungen auf den Steuersäckel beseitigt werden.Weiter beantragen wir, keine Tariferhöhung für die Alleinstehenden vorzunehmen, allerdings auch auf die Tarifkürzungen bei den Einkommen über 220 000 DM zu verzichten; den Ausfall hat ja der Herr Bundesfinanzminister genannt.Wir beantragen ferner, daß Sie zugunsten des Steuersäckels, zugunsten der Steuergerechtigkeit und zur Wahrung des Verfassungsrechts auf die Steuerbegünstigungen für Parteibeiträge verzichten.
Wir schlagen vor, endlich den notwendigen Ausgleichbetrag für das Arbeitseinkommen zu gewähren. Wir haben unsere Forderungen in dem Antrag mit Rücksicht auf die Finanzlage auch der Länder beschränkt, um den Ausfall einstweilen nicht zu groß werden zu lassen.Wir beantragen, die Verzerrung bei den Kinderfreibeträgen zu beheben, indem der Freibetrag für das erste Kind ausreichend hinaufgesetzt wird.Schließlich beantragen wir, die Alleinstehenden mit Kindern, geschieden und getrennt Lebenden mit Kindern, alle diese Halbfamilien, den Verwitweten mit Kindern gleichzustellen, wie es gerechterweise gar nicht anders möglich ist.Ich rechne unseren Antrag zu § 7 c wegen der Steuerbegünstigung für die Arbeitnehmermietwohnungen nicht dazu; denn dieser Antrag kostet kein Geld. Wenn Sie ihn ablehnen sollten, werden Sie das Entsprechende an Wohnungsbaumitteln aufbringen müssen.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wir haben sehr verschiedene Auffassungen über diese Steuervorlage. In den Ausschußberatungen ist keine Annäherung erfolgt. Ich muß sagen, es scheint auch wenig Aussicht darauf zu bestehen, die gegensätzlichen Meinungen hier zu überbrücken. Immerhin war vor der Abstimmung doch zu sagen, worum es sich eigentlich handelt und welche Bedeutung diesen Entscheidungen beizumessen ist, damit niemand daran vorbeisehen kann. Wir glauben und damit möchte ich schließen —, daß hier entscheidende Fragen für die soziale Charakterisierung dieser Bundesrepublik und entscheidende Fragen unseres Verfassungsrechts zur Entscheidung stehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Harm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie stehen am Vortage der Verabschiedung eines Steuergesetzes, ,das jeden einzelnen Staatsbürger betrifft. Es ist deshalb wohl geboten, die Dinge auszudiskutieren, damit man sich nicht dein billigen Vorwurf aussetzt. der mir dieser Tage in einer Fachzeitschrift begegnet ist; darin hieß es, die Herren Abgeordneten hätten nicht genügend Lust zu den Steuergesetzen, weil sie sie selbst ja weniger beträfen.Die Materie ist schwer. Nur die Hauptmitwirkenden in den Ausschüssen werden über manche Feinheiten des Gesetzes Bescheid wissen. Das verpflichtet uns um so mehr, tiefer in die Sache einzudringen und einiges in die Erinnerung zu rufen, was nicht jeder im Augenblick parat hat. Man kann nicht sagen, dieser Bundestag habe sich mit dieser Steuergesetzgebung zuviel Zeit gelassen. Denn erst am 29. Oktober vorigen Jahres, in der Regierungserklärung, wurden die ersten amtlichen Verlautbarungen bekannt. Die Bundesregierung hat sich am 29. Januar damit befaßt, und der Herr Bundesfinanzminister hat uns seine Pläne am 13. März vorgetragen, so daß die Ausschüsse praktisch erst von diesem Zeitpunkt an mit der Materie befaßt waren. Wenn wir heute, also nach knapp drei Monaten, etwas von einer solchen Bedeutung zusammenzufassen und zu beenden haben, so ist das schon eine Leistung. Das sollte uns zu ,der Frage führen: ist denn nun das, was wir hier zusammenerarbeitet haben, wirklich der Weisheit letzter Schluß?Sehr deutlich sieht man diesem Gesetzgebungswerk noch die Spuren der Ara des früheren Bundesfinanzministers Schäffer an, jedenfalls auf ,der fiskalischen Seite. Man wird dem derzeitigen Herrn Bundesfinanzminister aus Gründen der Gerechtigket zugestehen müssen, daß er in einen fahrenden Zug eingestiegen ist und die Dinge teilweise jedenfalls
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1762 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. Harmim Zuge so vorgefunden hat, wie sie nun einmal gediehen waren. Die exceptio plurium, Herr Finanzminister, will ich Ihnen also vorweg zugestehen.Davon abgesehen sollte dieses Gesetz aber doch ein besonderes Gesetz werden. Es sollte mehr sein als das übliche Flickwerk; so wurde jedenfalls von dem Herrn Bundeskanzler gesagt. Auch Sie, Herr Bundesfinanzminister, haben gesagt, die einzelnen Vorgänge dieses Finanzprogramms seien nicht überwiegend von fiskalischen und steuertechnischen Gesichtspunkten im engeren Sinne, sondern auch von allgemein wirtschaftlichen und nicht zuletzt — und nun kommt ein entscheidendes Wort — von bestimmten sozialen und gesellschaftspolitischen Überzeugungen getragen. Das war eine sehr vorsichtige Formulierung. Wenn die Gesetze nicht überwiegend fiskalischen Charakter haben sollen, so bleibt das neue Wort der „gesellschaftspolitischen Überzeugung".Es ist kein Geheimnis, daß das Ministerium und der derzeitige Herr Finanzminister aber eine Erbschaft vorgefunden haben, auf Grund deren zugestandenermaßen von vornherein deklariert worden ist: Um die durch die Progressionsdämpfung eintretenden Steuerausfälle teilweise zu kompensieren, war eine Erhöhung der Steuersätze des früheren Tarifs erfroderlich. Das muß man deswegen sagen, damit der Staatsbürger nicht glaubt, man knüpfe an Idas alte Gesetz an, sondern sich von vornherein dessen bewußt ist, daß hier ein völlig neuer Tarif präsentiert wird. Für die Verheirateten, so heißt es in der Drucksache des Finanzministeriums weiter, wird diese Tariferhöhung durch das Splitting-Verfahren kompensiert, für die Ledigen teilweise nicht.Nun, das entspricht aber in keiner Weise dem Ausgangspunkt, der zu dieser Steuergesetzgebung geführt hat. Denn am Anfang dieser Gesetzgebung stand doch jene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. März vorigen Jahres, die nur ein Teilproblem angefaßt hatte. Es hatte jeder erwartet, daß man nun, in Abwandlung eines bekannten Bibelwortes, der Ehefrau geben würde, was der Ehefrau ist, und dem Staate, was des Staates ist. Statt dessen hat man uns einen Tarif präsentiert, der summa summarum, wie das mein Kollege Seuffert soeben im einzelnen ausgeführt hat, allenfalls die Steuerlasten verschiebt, sie umschichtet, aber irgendeinen neuen, durchdringenden Lehrsatz oder eine neue Grundauffassung, die von uns allen zu billigen wäre, jedenfalls nicht bringt. Wir haben im Gegenteil bei dem jetzigen Gesetz alles durcheinander. Wiir haben Proportionalsystem, Progressionssystem, wir haben Splitting und noch einige Sondererfindungen, wie z. B. das Wort „Manipulierungsbeitrag", womit denn auch zugestanden wird, daß hier im wahrsten Sinne des Wortes manipuliert worden ist. Trotz all dieser Formen ist es nicht möglich geworden, auf diese Weise dem nachzukommen, was das Bundesverfassungsgericht wollte. Bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging es um die Ungerechtigkeit gegenüber verdienenden Ehefrauen oder Ehefrauen mit Einkommen. In dem neuen Gesetz finden wir eine Fülle von neuen Ungerechtigkeiten gegenüber vielen Gruppen, angefangen von den Ledigen bis zugewissen Gruppen von Einkommensbeziehern, wiedies im einzelnen ja schon demonstriert worden ist.Vor allem sind es hierbei die Frauen mit eigenem Einkommen, die nunmehr unter dem Schein des Rechts in Gestalt der Splitting-Methode eine Belohnung dafür erhalten sollen, daß sie berufstätig sind. In Wahrheit sind sie zum großen Teil die Leidtragenden bei dieser neuen Progressionsmethode. Das geht in einer Weise — fiskalisch — nach dem Motto Frau gleich Frau. Aber das Besondere sollte ja gerade sein, daß gesellschafspolitische Überzeugungen zum Ausdruck gebracht werden, und diese Überzeugungen sind es wohl, die dafür ausschlaggebend waren, daß keine Rücksicht mehr darauf genommen wird, welche Rolle die Frau im Berufs-und Wirtschaftsleben heute spielt, obwohl wir sie doch dort gar nicht mehr entbehren können.Sucht man nun die Ergebnisse festzustellen, die die präsentierte Form des Splitting in den verschiedenen Einkommensstufen mit sich bringt, so ergibt sich einmal, daß sie entsprechend dem Anteil des Einkommens einer Frau verschieden sind. Es ist in der Auswirkung durchaus verschieden, ob eine Frau kein Einkommen hat, etwas Einkommen hat, viel Einkommen hat oder ob etwa die Partner je 50 % erarbeiten. Darüber hinaus bleibt die Tatsache bestehen, daß dieses Splitting für die unteren Einkommensbezieher gar nicht in Betracht kommt, gar nicht für sie gewollt ist, während die bloße Zugehörigkeit zu der Kategorie Ehefrau von einer gewissen Gruppe an über den Freibetrag hinaus automatisch Steuervorteile in starker Progression bringt. Sie werden zugeben, daß das Ungereimtheiten sind, die wir nicht gewollt und nicht vorausgesehen haben.Nun kann man aber nicht im Ernst sagen, es sei uns nicht bekannt gewesen, daß die Situation so sei; denn wir sind ja in den letzten Wochen und Monaten von Verbänden, Organisationen und auch teilweise durchaus wissenschaftlich ernstzunehmenden Institutionen mit einer Fülle von Fachzeitschriften, Artikeln, Abhandlungen und Hinweisen bombardiert worden, die uns, die Abgeordneten, auf die Problematik dieses Gesetzes hingewiesen haben. Aber am Anfang dieser Gesetzgebung steht nach den Worten des Herrn Bundesfinanzministers eine gesellschaftspolitische Überzeugung, und wir werden zu untersuchen haben, welcher Art diese gesellschaftspolitische Überzeugung sein kann.Der Herr Bundesfinanzminister sagt, das entspreche seiner Auffassung. Aber ich kann im Ernst nicht annehmen, daß auch nur die Mehrheit der Auffassung ist, die Konsequenzen, die sich aus einer solchen gesellschaftspolitischen Auffassung und Auslegung ergeben, seien von uns allen gewollt. Denn je höher man in der Einkommensstufe steht — der Kollege Seuffert hat es soeben sehr plastisch und deutlich gesagt —, um so verschiedener und größer und schwerschwiegender wirkt sich die „Wohltat" dieses Splitting aus, sofern man überhaupt zu den Gruppen gehört, die vom Splitting erfaßt werden.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1763
Dr. HarmEs geht also hier um die Frage: Kannten oder kennen diese Abgeordneten alle Konsequenzen des Splittingsystems, wollen sie es trotzdem, oder kennen sie es nicht und werden sie mehr oder weniger ohne eigene Prüfung der Dinge mitstimmen und mitentscheiden?Gehen wir zu jenem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar zurück, in dem zwei Dinge herausgestellt wurden: erstens, daß nach dem Grundgesetz die Ehepartner infolge der Tatsache der Eheschließung nicht steuerlich benachteiligt, bestraft werden dürfen, und zweitens — das steht in dem Beschluß nicht minder deutlich —, daß dem Grundsatz der Individualbesteuerung Geltung zu verschaffen sei, daß dieser Grundsatz nicht minder wichtig als der Schutz des Art. 6 des Grundgesetzes ist.In seiner Begründung hat nun das Bundesverfassungsgericht — ich möchte sagen, unglücklicherweise — zweimal das Wort Splitting erwähnt, aber nicht etwa in Form einer These, einer Aufforderung oder einer Meinung, sondern das Wort erscheint zweimal in Klammern. An einer Stelle heißt es, daß man den Ehestand nicht bestrafen dürfe und deshalb andere steuerpolitische Vorschriften anwenden müsse. Und in Klammern steht dort „z. B. Splitting". An einer zweiten Stelle heißt es: „Will man aus dem Gesichtspunkt der Sozialstaatlichkeit und des Schutzes der Ehe und Familie der besonderen Lage des Ehemannes und des Familienvaters, der für mehrere aufzukommen hat, Rechnung tragen, so muß man andere, in der Öffentlichkeit diskutierte, Methoden zur Anwendung bringen." Auch dazu ist in Klammern gesetzt: „Erhöhung der Freibeträge, Einführung des Splitting". Nichts anderes! Dabei ist natürlich auffällig, daß das Bundesverfassungsgericht anscheinend noch von einem etwas patriarchalischen Standpunkt ausgegangen ist, indem es die Sache nur vom Standpunkt des Familienvaters gesehen hat, wiewohl die Geschichte doch mit dem Gleichberechtigungsgesetz darüber schon hinweggegangen ist.Nun das Entscheidende: Das Splitting steht im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts nicht als eine Empfehlung, sondern nur als Hinweis, und die Gründe eines Beschlusses erwachsen nicht in Rechtskraft. Es ist also unverständlich, wie sich die Herren des Finanzministeriums — vor Ihrer Ära, Herr Bundesfinanzminister — auf diese Hinweise stürzen konnten, als hätten sie damit den Stein der Weisen gefunden, noch dazu aus so hoher Hand des Bundesverfassungsgerichts dargereicht.Diese Entwicklung, diese Zusammenhänge muß man kennen, bevor man gedankenlos etwas unterschreibt, was hier in diesen Tagen zu Ende gehen soll.Sie wissen, daß die Kritik vor allem daran einsetzt, daß das Splitting, das wir heute vor uns haben, ja gar kein Splitting amerikanischer Prägung ist, und Sie wissen weiter, daß dieses Splittingverfahren amerikanischer Prägung, ausländischer Formung im Grunde aus ganz anderen Umständen geboren worden ist. In den USA hattendie Südstaaten ein anderes Güterrecht, infolgedessen auch ein anderes Steuerrecht, und da blieb gar nichts anderes übrig, als die Dinge so zu gestalten. Ist das aber eine Veranlassung, fremdes Gedankengut, fremde Notwendigkeiten nach hier zu übertragen?Wir stehen hier tatsächlich im Begriff, das, was bisher Rechtens war, zum Unrecht zu machen und das, was wir wollten, im Grunde nicht zu erreichen. Das Finanzministerium und der Gesetzgeber finden es aber ganz in der Ordnung, daß, wenn einer der Ehepartner 20 000 DM, der andere 10 000 DM verdient, unter keinen Umständen einmal 20 000 DM und einmal 10 000 DM veranlagt und versteuert werden. Sie sagen, das entspreche nicht der sozialen Leistungsfähigkeit. Umgekehrt aber sehen wir doch gerade hei den höheren Stufen, daß auf diese Leistungsfähigkeit wirklich sehr wenig Bedacht genommen wird. Deswegen ist schon lange, bevor wir zu diesem Gesetz kamen, in der Wissenschaft gegen dieses Gesetz, gegen das Splitting in dieser Form, Sturm gelaufen und immer wieder — z. B. bei Wolkersdorf im „Finanzarchiv" oder bei Binder im „Finanzarchiv" — darauf hingewiesen worden. daß das Splitting in dieser Form nichts anderes bedeutet als eine fortschreitende Ungerechtigkeit gegenüber den unteren Einkommensbeziehern, weil es den Vorteil in die höchsten und allerhöchsten Stufen verlagert. Wir sind nun aber, indem wir uns das zu eigen machen wollen, im Begriff, das zu sanktionieren, was neues Unrecht schafft — neues Unrecht gegenüber den Ledigen, neues Unrecht gegenüber gewissen kleineren Einkommensbeziehern, — und sich vor allem in seiner Schichtung, wie es Kollege Seuffert soeben demonstriert hat, völlig ungleichmäßig auswirkt, indem es von kleinsten Ersparnissen heraufsteigt zu allergrößten Gewinnen, die zusammen mit der Senkung des Tarifs sich his zu rund 41 000 DM pro Familie auswirken können. Demgegenüber die Tatsache, daß bei den wenigen, die unter das Proportional-system fallen, also bis zur Grenze von 8000 DM für Ledige und 16 000 für Verheiratete, teilweise sogar Mehrbelastungen eintreten. Daß das gerecht sein soll, kann ich nicht verstehen: das ist eine Auffassung, die man gesellschaftspolitisch demonstrieren mag, die aber finanzmethodisch und steuerpolitisch einfach nicht zu vertreten ist.Es bleibt also gar kein anderer Weg, als erstens den Grundsatz der getrennten Veranlagung von Eheleuten zur Norm zu machen; und es war das bemerkenswerteste Ereignis dieser Tage, daß die CDU/CSU — und das spricht für sie — in letzter Minute tatsächlich noch umgefallen ist, ,dem Ministerium gewissermaßen Paroli geboten hat, indem sie anerkannt hat: ohne die getrennte Besteuerung kommen wir nicht zurecht.
— Ich habe gesagt, Herr Krammig, es ist die Einsicht; ich habe nie etwas anderes behauptet; ichhabe im Gegenteil gerade gesagt, Herr Krammig,das spricht für sie und ist ein Ruhmesblatt in ihrer
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1764 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. HarmGeschichte, daß sie, wenn auch spät, sich zuletzt doch noch hierzu ,durchgerungen hat. Wir brauchen darüber gar nicht zu ,diskutieren.Zweitens: Wenn es überhaupt eine Art von Splitting geben kann, kann man sie nur begrenzen, wie Kollege Seuffert das gesagt hat, weil idie Auswüchse des Splitting in jedem Fall untragbar sind. In den unteren Einkommensgruppen, sagen wir, bis zu 20 000 DM — formell sind es 16 000 DM, aber wenn Sie die Freibeträge dazunehmen, kommen Sie auf etwa 20 000 DM —, haben Sie das Splitting von vornherein beseitigt. Ich sehe nicht ein, warum nicht dasselbe — wenn man etwas für notwendig erkennt — mit gleichem Recht auch für die obersten Stufen gelten soll. Denn wenn ,der durchlaufende Trend des Splitting, wie wir es haben, zu Ergebnissen führt, die wir nicht wollen, idie wir alle nicht gutheißen können die auch Sie nicht gutheißen können, da Sie sich doch eine soziale Partei nennen —, sollte man, genauso wie man unten den Trennungsstrich gezogen hat, den Mut haben, auch oben den Trennungsstrich zu ziehen, und sagen: Bis hierher und nicht weiter! Nichts anderes hat Herr Kollege Seuffert hier demonstrieren wollen; und wir kommen Ihnen mit seinem Antrag noch näher, einem Antrag, der vorsieht, die Dinge so zu limitieren, daß jedem Gerechtigkeit widerfährt und Auswüchse gleich welcher Art vermieden werden.Und ein Drittes. Auch darüber muß man sich klarwerden, daß nur ein solcherart veredeltes Splitting — das Wort „veredelt" ist schlecht, irgendeiner hat es in die Literatur gebracht; ich hätte ,es nie gesagt; ich würde gesagt haben: „limitiertes Splitting" — dem Sachverhalt gerecht werden wurde. Nur ein solch limitiertes Splitting — wie ich es nennen möchte trägt einer gerechten Lastenverteilung Rechnung.Viertens müssen wir uns doch bei solcher Lage des Staates darüber klarwerden, ob wir wirklich Steuergeschenke geben können, wenn wir — wie der Herr Finanzminister das ausgeführt hat — am Rande des Defizits dahinfahren. Es ist nochmals festzustellen, daß durch diese Gesetzgebung ein Ehepaar von Null — bei einzelnen Gruppen sogar mit Zubußen — bis zu 41 784,— DM gewinnen kann.Noch zuletzt hat der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium festgestellt, daß durch das Splitting die höheren Einkommen so besteuert würden, wie ich es Ihnen soeben demonstriert habe. Der Bund der Steuerzahler hat in seiner Schrift Nr. 43, auf die ich im Ausschuß einmal hingewiesen habe, die Dinge dankenswerterweise auch beim richtigen Namen genannt. Er sagt, es ist nicht das amerikanische Splitting, das allen gleiche Behandlung zuteil werden läßt, sondern es ist ein limitiertes Splitting, aber limitiert nur nach unten für die kleinen und kleinsten Steuerzahler und nicht limitiert nach oben. Wenn Sie etwa im Handbuch der Finanzwissenschaft von 1956 nachschlügen, würden Sie genau dieselbe Kritik am Splitting finden, wie sie der Bund der Steuerzahler und andere kompetente Stellen, die die Dinge mit wissenschaftlichem Ernst untersucht haben, vorgebracht haben.Wenn man die Dinge richtig beurteilen will, sollte man sich davor hüten, hier eine rein politische Entscheidung zu sehen. Kürzlich wurde in irgendeinem Ausschuß, als wir hart aneinandergerieten, gesagt: Wie dem auch sei, es ist eine politische Entscheidung. — So sollten wir nicht vor den Staatsbürger treten, sondern wir sollten letzten Endes die Gesamtverantwortung berücksichtigen und die verfassungsmäßigen Ausgangspunkte nicht außer Betracht lassen. Was gibt es denn für uns im Parlament Höheres, als uns die Maximen, die das höchste Gericht herausgearbeitet hat, bei unserer Gesetzgebung zu eigen zu machen?! Die Entscheidung als eine rein politische anzusehen, das wäre der schlechteste Dienst, den man dieser Gesetzgebung erweisen könnte.Es bleibt die Tatsache bestehen, daß der vorgesehene Tarif bei einer kleinen Gruppe von vielleicht 3000 Personen, wie Kollege Seuffert vorhin gesagt hat, zu einer Steuerersparnis von bis zu 41 784 DM führt. Ich habe gehört, daß jeder in diesem Saale rund 30 000 Stimmen haben muß, um hierhergesandt zu werden. Hier geht es um 3000 Hoch- und Höchstbezahlte, und es sieht doch fast so aus, als ob diese Gruppe hier im Saale die Mehrheit für sich hätte.
Das ist etwas, was man nicht verstehen kann; denn wir wollen doch alle sozial sein.Ich darf Ihnen einige Zeilen aus der 1930 erschienenen „Finanzwissenschaft" meines verehrten Lehrers Professor Terhalle, der auch dem Wissenschaftlichen Beirat vorsteht, vorlesen:Vielleicht hat jede gesellschaftliche Gruppe ihre eigene Vorstellung von der besten Durchführung der steuerlichen Gerechtigkeit. Denn die Grundlagen des einzelnen Urteils sind meist viel mehr durch die Umgebung und den Lebensgang des einzelnen bestimmt, als er sich selber bewußt ist. Jede Zeit weist ihr eigenes Massenwollen auf.Deswegen muß bei der Ausgestaltung des Steuersystems aus Gründen der Klugheit auf dieses Massenwollen gehört werden, und es muß beachtet werden. Aber meint denn einer im Ernst, daß dieses Steuergesetz mit diesen Auswüchsen, mit dieser Tendenz, kleinsten Gruppen Vorteile zu gewähren, noch einem Massenwollen im Sinne einer verantwortlichen Finanzwissenschaft entspricht? — Ein anderes Zitat aus der „Finanzwissenschaft" von Professor Terhalle, die ich einst mit Liebe studiert habe:Es ist leicht, zu fordern, daß das volkswirtschaftlich Notwendige und das fiskalisch Erwünschte oder Erforderliche vorgehen müßte. Nicht aber ist immer festzustellen, wo denn das volkswirtschaftlich Gebotene aufhört, mit dem erwerbswirtschaftlichen Streben identisch zu sein.Wir haben es bei dieser sogenannten Steuerreform 1 mit einer systematischen Entlastung bestimmter Schichten zu tun, angefangen bei der Einkommensteuer und fortgeführt, wie Kollege Seuffert das
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1765
Dr. Harmausgeführt hat, über die Körperschaftsteuer bis zur Schaffung von erleichterten Abschreibungen, was ja im Grunde eine geschlossene Kette von irgendwie zugestandenen Steuervergünstigungen ist.Die Sorge um diese Kategorie der Einkommensbezieher ist also anscheinend recht groß. Es paßt doch seltsam zusammen, den Sparkassen der kleineren Einkommensbezieher vorzuschreiben, die Zinsen im Zuge des allgemeinen Zinsabbaus zu senken, und gleichzeitig besorgt zu sein, daß die Dividenden erhöht oder mindestens in gewisser Höhe erhalten werden können,
Aber der Herr Bundesfinanzminister erblickt darin, wie er sagt, die Verwirklichung einer bestimmten sozial- und gesellschaftspolitischen Überzeugung. Und er wäre nicht unser Finanzminister, wenn er nicht diese sozialpolitische Überzeugung hätte!Das Beispiel zeigt, daß Montesquieu die Lehre von der Finanzwissenschaft doch zu sehr simplifizierte, als er sich zu dem Lehrsatz verstieg: Zur Bestimmung keiner Sache wird mehr eigentliche Weisheit und Klugheit erfordert als zur Bestimmung desjenigen Teils, welchen man den Untertanen — heute würden wir sagen: den Bürgern — nimmt, und des Teils, den man ihnen beläßt. Heute würde die moderne Auffassung heißen: Es geht darum — und viel mehr darum —, w e m man nimmt und w e m man gibt bzw. wem man es beläßt. So ist also diese Form des Splitting im Grunde, genau wie das Herr Kollege Seuffert festgestellt hat, eine schreiende Ungerechtigkeit gegenüber all denen, denen diese Wohltaten von vornherein vorenthalten werden, weil sie zu den Einkommensbeziehern zwischen Null und, sagen wir einmal, 16 000 bzw. —mit den Freibeträgen — rund 20 000 DM gehören.
Indem man von einer gewissen Steuerstufe zu einem anderen System überging, hat man eben einen Bruch in das ganze Steuersystem hineingebracht, den noch kein Steuersystem vor diesem aufzuweisen gehabt hat. Aber unser Finanzminister sagt — ich zitiere ihn —:Die Finanzpolitik ist ein hervorragendes politisches Instrument, in dem nicht nur eine bestimmte wirtschaftliche Meinung, sondern auch der Geist unserer Gesellschaftsordnung seinen Niederschlag findet.So der Herr Finanzminister.Wären wir ein reiches Land mit vollen Kassen, wäre eine solche Lastenverteilung, wiewohl sozialpolitisch ungerecht, doch rein fiskalisch gesehen vielleicht immerhin zu vertreten gewesen. Da aber der Herr Finanzminister sich selbst als einen armen Mann — fast hätte ich gesagt: armen Lazarus — bezeichnet, ist man als Abgeordneter doch etwas besorgt darüber, ob das, was hier geschieht bzw. geschehen soll, nach einem halben oder nach einem Jahr von uns auch wirklich noch mit Verantwortung getragen werden kann.Wie kann dergleichen, was hier geschehen soll, verantwortet werden, wenn uns derselbe Finanzminister bei der gemeinsamen Tagung der in Betracht kommenden Ausschüsse vortrug, daß er mit einem Defizit von 1,5 Milliarden DM rechne, das wahrscheinlich im Anleihewege zu decken sei? Ich habe bisher nicht gewußt, daß es zulässig ist, zu geben, bevor man weiß, daß man etwas hat, oder von vornherein zu geben, wenn man weiß, daß man damit wahrscheinlich eine Lücke aufreißt, die man durch Anleihen füllen muß. Schon einmal haben wir in der deutschen Wirtschaftsgeschichte vor einer ähnlichen Situation gestanden. Das war damals im gleichen zeitlichen Abstand vom ersten Weltkrieg, den wir heute vom zweiten Weltkrieg haben. Es ist typisch, wie sich die Dinge wiederholen. Damals fand die bekannte Konferenz von Bad Eilsen statt, wo sich alles, was in der Finanzwissenschaft vom Fach war — sei es auf der ministeriellen Seite, sei es auf der wissenschaftlichen Seite —, zusammenfand. Damals mußte man als Ergebnis einer langen Untersuchung feststellen, — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick bitte, Herr Kollege! Wir waren im Altestenrat dahin übereingekommen, daß zur Begründung der Anträge etwa in der Form einer Generaldebatte gesprochen werden sollte, aber nur zur Begründung der Anträge. Ich habe den Eindruck, daß Ihre Ausführungen über den Rahmen der Begründung von Einzelanträgen, auch wenn diese Begründung summarisch, generell erfolgen soll, doch etwas hinausgehen. Auf der Rednerliste stehen noch die Kollegen Dr. Dahlgrün, Neuburger, Dr. Schmidt, Dr. Dresbach und Dr. Gülich. Ich hatte die Hoffnung, daß wir bis zum Beginn der Mittagspause mit dieser Generalbegründung, wenn ich es so nennen darf, zu Ende kommen könnten. Ich darf die Bitte aussprechen, Herr Kollege, daß Sie sich mehr auf die Begründung der bisher vom Herrn Kollegen Seuffert noch nicht begründeten Anträge beschränken.
Damals mußten die Finanzexperten auf der Konferenz von Bad Eilsen erkennen, daß eine Steuerreform gar nicht imstande ist, eine Kapitalbildung zu bewirken. Dort wurde gesagt, Finanzpolitik sei Lebensäußerung des Volkes im ganzen. Das Argument der Kapitalbildung ist jedoch gerade eine der Stützen für die jetzige Steuergesetzgebung. Man muß es attackieren oder bejahen, je nachdem, wo man steht.Unser Finanzminister hat zwar gesagt, im Staate des zwanzigsten Jahrhunderts müsse der Dreiklang Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik und Finanzpolitik angeschlagen werden. Das, was wir feststellen müssen, ;ist jedoch in der Quintessenz kein Dreiklang, keine Harmonie, sondern das sind nur Dissonanzen, die sich durch das ganze steuerliche System, wie es uns präsentiert wird, hindurchschleichen. Was uns vorgelegt wird, entspricht in keiner Weise dem, was uns versprochen worden ist.Deshalb werden wir genötigt sein, irgendwo eine Zäsur zu machen, zu limitieren. Wir werden Ihner nachher — wir greifen hiermit einen Vorschlag de Kollegen Seuffert auf — vorschlagen, allen Ehe-
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1766 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. Harmpaaren gleiche Chancen, gleiches Recht, gleiche Möglichkeiten zu geben und die Begünstigung nicht auf einige wenige zu beschränken.Dies könnte man in etwa dadurch erreichen, daß man, wie der Kollege Seuffert vorschlägt, allen, die es wollen, einen Splittingbetrag von 8000 DM — aber nicht darüber hinaus — gibt. Es ist durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn man in dieser Beziehung ein Wahlrecht schafft, im übrigen aber das Prinzip der getrennten Veranlagung als die Maxime Nr. 1 voranstellt. Dieses limitierte Splitting wird immerhin noch Divergenzen zwischen rund 500 und rund 4000 DM bringen. Denn der Steuerpflichtige kann, je nachdem, in welcher Steuerstufe er sich befindet, durch die Inanspruchnahme des Splittingbetrages in den Genuß der Vorteile einer niedrigen oder einer höheren Progression kommen. Das schwankt dann, wie gesagt, zwischen 500 DM und rund 4000 DM. Es ist keine ideale Lösung, aber es sind doch nicht 41 000 DM, gemessen von dem Nullpunkt oder sogar von den Minuspunkten in Gestalt der Belastungen bei denen, die unterhalb der Anwendungsgrenze der Splittingmethode liegen.In unseren Tagen hat der frühere Finanzminister von Hessen und jetzige Vizepräsident der Bundesbank dieselben Gedankengänge vorgetragen. Ich fürchte, daß nur wenige sie gelesen haben, aber sie zeigen, daß nicht etwa nur in der Vergangenheit, sondern auch heute durch die Wissenschaft einheitlich die Überzeugung geht: das Splitting ist in der reinsten, konsequentesten, amerikanischen Form unmöglich. Und es ist noch unmöglicher, wenn man es so macht, wie wir es gestaltet haben, daß man bis zu einer gewissen Stufe die Leute ausschließt und von einer bestimmten Stufe an den Dingen freien Lauf läßt. Die Ergebnisse sind Ihnen hier geschildert worden.Man kann nicht Steuergeschenke machen, wenn man Anleihen aufnehmen will. Es ist eine Versündigung gegen den Geist der Finanzwissenschaft — wenn ich so sagen darf —, wenn man in Erkenntnis einer solchen Wirtschafts- und Finanzlage zu derartigen Dingen greift, die doch, wie auch der Herr Bundesfinanzminister bei anderer Gelegenheit offen gesagt hat, nicht frei von Bedenken sind. Wenn man auf Besuch geht, wird man bei den ärmeren Verwandten reiche Geschenke machen, und bei den wohlhabenderen, Herr Finanzminister, wird man eine kleine höfliche Aufmerksamkeit bringen. Es scheint mir, daß bei diesem Steuergesetz genau das entgegengesetzte Prinzip zur Anwendung gekommen ist: unten wird nämlich nichts oder wenig gegeben, und oben werden sehr repräsentative Geschenke gebracht.Sie haben in Ihrer Einführungsrede vom 13. März — und dabei haben Sie den französischen Finanzminister Baron Louis zitiert — gesagt und sich das offenbar zu eigen gemacht: „Macht mir eine gute Politik, und ich, der Herr Finanzminister, mache euch gute Finanzen." So sagte der Herr Bundesfinanzminister. Ich setze Ihnen die These gegenüber: Machen Sie uns eine gute Steuerpolitik, und wir in diesem Hause machen Ihnen gute Finanzen! Ich glaube, diese Rollenverteilung würde weiter führen und könnte vielleicht im Effekt alle befriedigen.Dazu gehört allerdings eine von hoher sozialer Verantwortung getragene Steuerpolitik, die wir hierin nicht zu sehen vermögen. Wer am Rande des Defizits wandelt, kann so nicht handeln. Es entspricht keineswegs dem, was der Herr Finanzminister sagte: daß es eine sinnvolle Einkommensverteilung und eine Steigerung des Sozialprodukts herbeiführen könne. Mit Recht haben Sie, Herr Finanzminister, in Ihrer Einführungsrede darauf hingewiesen, daß die Gemeinschaft nur geben könne, was sie zuvor genommen habe. Wir halten es für mit der Finanzwissenschaft unvereinbar, etwas zu geben, was man selber erst woanders — in Form von Anleihen — aufnehmen muß; denn diese Anleihen werden von allen Schultern getragen.Sie haben bei dieser Gelegenheit das Wortspiel gebraucht, Herr Minister, der Staat sei keine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken werde. Es wäre doch schade — schade um uns alle und schade um das Ansehen des Parlaments —, wenn man am Schluß einer solchen Steuergesetzgebung erkennen müßte: der Staat ist tatsächlich eine Kuh, aber eine Kuh, die vor den Wahlen gefüttert und nach den Wahlen gemolken wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich habe dem Kollegen Gülich, weil er im Haushaltsausschuß tätig sein soll, versprochen, daß er den Antrag Umdruck 60 Ziffer 3 schon vorab begründen kann. Ich darf wohl annehmen, daß Sie damit einverstanden sind.
Ich glaube auch, die Kulanz des verehrten Kollegen Gülich wird so weit gehen, daß auch die anderen Herren noch bis 13 Uhr sprechen können.
Das Wort hat der Herr Kollege Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für das freundliche Entgegenkommen.Ich habe den Antrag Umdruck 60 Ziffer 3 zu begründen, wonach in § 10 b des Einkommensteuergesetzes die Worte „und staatspolitischer Zwecke" gestrichen werden sollen. Das ist ein Anliegen, welches wir seit 1954 immer und immer wieder ohne Erfolg vorbringen.Meine Damen und Herren, die Deutsche Nationalversammlung hat 1919/20 im Interesse der Demokratisierung des öffentlichen Lebens den Versuch gemacht, staatspolitische Vereinigungen steuerlich zu begünstigen. Dieses Gesetz ist am 29. März 1920 verkündet und am 30. März 1921 wieder aufgehoben worden, weil man inzwischen eingesehen hatte, daß es nicht die Demokratisierung, sondern die Korrumpierung des öffentlichen Lebens zu fördern geeignet war.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1767
Dr. GülichSeit dieser Zeit ist auf dem Gebiete der Parteifinanzierung durch Steuerbegünstigung nichts geschehen. 1949 hat dann der Grundgesetzgeber im Art. 21 bestimmt, daß die Parteien über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft legen müssen. Das Nähere soll ein Gesetz bestimmen. Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheit, waren nicht bereit, sich mit einem solchen Gesetz zu beschäftigen. Auch die Bundesregierung hat es nicht getan. Es ist also bis heute außer dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesinnenministerium nichts geschehen.Bei der Beratung des Gesetzes über die Neuordnung der Steuern von 1954 ist gegen das Ende der Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß —plumps wie der Stein in den Teich — ein Antrag eingebracht worden. Herr Kollege Neuburger, Sie waren es. Aber Sie erklärten schamhaft — lesen Sie das Protokoll nach —: „Ich bringe ein Anliegen des Kollegen Scharnberg vor — des Erfinders so mancher Steuerbegünstigungen — und beantrage, daß die Steuerbegünstigung auch für die staatspolitischen Zwecke eingeführt wird." — Sie wissen, wie spontan und gegen meine Natur heftig ich gleich widersprochen und gesagt habe: Sie wollen damit die parteipolitischen Zwecke fördern. Interessanterweise war die Regierung auf einen so kühnen Gedanken nicht gekommen, und der Herr Bundesfinanzminister mit seinen Mannen war denn auch dagegen. Aber die Mehrheit setzte sich durch, und von dem Art. 113 des Grundgesetzes hat ja bekanntlich die Bundesregierung noch niemals Gebrauch gemacht. So sind wir in diese beklagenswerte Situation gekommen.Das Land Hessen hat nun im vorigen Sommer beim Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht, die am 13. Mai dieses Jahres in Karlsruhe verhandelt wurde. Die Parteien waren aufgefordert, Bevollmächtigte zu entsenden. Leider hatte die CDU durch Fernschreiben erklärt, daß sie Bevollmächtigte nicht entsenden wolle. So standen wir denn dort allein auf weiter Flur, nachdem es dann auch der FDP-Abgeordnete Herr Kollege Bucher vorzog, angesichts der Situation nicht für eine Sache zu kämpfen, gegen die er bereits bei namentlicher Abstimmung 1954 aufgetreten war.
Am 24. Juni, also in wenigen Tagen, wird das Urteil verkündet.Kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, daß diese Bestimmung verfassungswidrig ist, ist der Fall erledigt, und sie muß aus dem Gesetz gestrichen werden.
— Natürlich müssen wir es abwarten; denn niemand von uns weiß, zu welchem Ergebnis das Bundesverfassungsgericht kommt.
— Ja, aber das trifft doch hier nicht hin.
— In keiner Weise! Erkennt das Bundesverfassungsgericht die Klage Hessens nicht an, bleiben wir vor demselben alten Tatbestand stehen, den ich Ihnen kurz noch einmal darlegen will.Die Herren Regierungsvertreter haben jetzt in Karlsruhe wieder erklärt, jeder Steuerpflichtige habe das gleiche Recht, so viele Spenden zu geben, wie er nur wolle, an jede beliebige Partei, wie es ihm nur einfalle. Das hat mich an ein Wort von Anatole France erinnert, daß das Gesetz in seiner Erhabenheit den Armen wie den Reichen verbiete, unter Brücken zu schlafen und auf öffentlichen Plätzen zu betteln, oder — auf unseren Fall angewendet — daß dieses Gesetz den Armen wie den Reichen gestattet, in beliebiger Höhe an jede Partei Spenden zu geben. Nur kann der kleine Angestellte, der 500 DM im Monat verdient, beim besten Willen keine 5000 DM spenden, und da liegt der Unterschied.
Meine Damen und Herren, faktisch besteht keine Gleichheit vor dem Gesetz. Sie wissen ja — das kommt hinzu —, daß die Steuerbegünstigung im Rahmen der Sonderausgaben angerechnet wird. Eingehende Untersuchungen haben ergeben, daß für die große Masse der SPD-Mitglieder
die Spenden überhaupt nicht zum Zuge Kommen. —Lieber Herr Krammig, Sie rufen: Ihre Fraktion. Wirzahlen 20 % unserer Diäten in die Fraktionskasse.
Wir zahlen unsere Parteibeiträge, jeder 36 DM im Monat. Wir zahlen mindestens 150 DM im Monat an unsere Bezirke, und wir zahlen auch an unsere Ortsvereine. Überlegen Sie sich einmal, was Sie bezahlen!
Ihr Zwischenruf, mein lieber Herr Krammig, hat mich zu einer Feststellung veranlaßt, die ich sonst nicht getroffen hätte.Ich sagte, es bestehe die faktische Ungleichheit vor dem Gesetz. Die SPD ist eine Mitgliederpartei, und seit Lassalles Zeiten veröffentlicht sie ihre Parteieinnahmen und -ausgaben genau. Sehen Sie sich das letzte, vor fünf Wochen erschienene Jahrbuch an! Die Finanzen sind genau dargelegt!
— Aus Parteibeiträgen, aus Spenden.
— Bitte, schauen Sie sich das an, Herr Krammig! Aber ich glaube, wir tun gut daran, diese Unterhaltung jetzt nicht zu vertiefen. In Ihrem Interesse tun wir gut daran!
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1768 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. GülichMir kam es nur darauf an, zur Begründung unseres Antrags noch einmal auszuführen, daß die Gleichheit vor dem Gesetz für den Steuerzahler nur papieren ist, d. h. daß sie in Wirklichkeit nicht besteht. 94 % aller SPD-Mitglieder bezahlen bis zu 2 Mark 40 im Monat. Daraus können Sie schon erkennen, aus wieviel kleinen Beiträgen sich das Gesamtaufkommen von 8,3 Millionen DM 1957 zusammensetzt.Ich wiederhole: die Gleichheit vor dem Gesetz besteht in Wirklichkeit nicht. Ich habe soeben eine unfreundliche Bemerkung gehört, dies sei keine Wahlversammlung. Meine Herren, ich halte keine Wahlversammlung, sondern hier handelt es sich um nichts anderes als die sehr ernsthafte Begründung, ,daß der Gesetzgeber sich solcher Mittel weiterhin nicht bedienen darf.
Wer sich um die politische Meinungsbildung bemühen will, der muß dafür auch Opfer bringen. Aber er darf nicht versuchen, diese Opfer mit Hilfe der Steuergesetzgebung auf die sozial Schwachen mit abzuwälzen.
Wir haben doch den grotesken Zustand — überlegen Sie sich das —, daß durch die Mindereinnahmen im Bundeshaushalt die SPD-Wähler und -Mitglieder den CDU-Wahlkampf mitfinanzieren,
und das ist keine gute Sache.Ich habe nicht ohne Grund auf den fehlgeschlagenen Versuch der Weimarer Nationalversammlung hingewiesen, durch steuerbegünstigte Spenden das demokratische Leben zu fördern. Die Bundesrepublik hat sich mit der Steuerbegünstigung von 1954 auf einen gefährlichen Weg begeben, ich glaube, auf einen Weg, der geeignet ist, der demokratischen Entwicklung Abbruch zu tun und die öffentliche Korruption zu fördern.
Wir sollten uns sehr überlegen, ob wir diesen Weg weitergehen wollen, und wir sollten, ohne das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, heute gemeinsam den Beschluß fassen, die drei Worte „und staatspolitischer Zwecke" in § 10 b des Einkommensteuergesetzes zu streichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dahlgrün.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich für die Fraktion der Freien Demokraten einige Erläuterungen zu unseren Änderungsanträgen auf Umdruck 62 gebe.
Vorweg möchte ich sagen, daß wir mit den großen Grundsätzen und Zielen, die die Bundesregierung mit den verschiedenen Gesetzen verfolgt, von
denen nur ein Teil heute auf der Tagesordnung steht, durchaus einverstanden sind. Einschränkung der Selbstfinanzierung über den Preis, breitere Streuung des Eigentums, Förderung des Mittelstandes sind Dinge, für die wir schon immer eingetreten sind. Soweit diese Ziele nach unserer Auffassung durch die Gesetze, die die Bundesregierung vorgelegt hat, erreicht oder gefördert werden können, sind wir bereit, ihnen zuzustimmen. Daß wir gewisse Bedenken haben — z. B. gegen das Sparprämiengesetz —, ist in der ersten Lesung bereits zum Ausdruck gekommen. Wir wollen das nicht wiederholen; denn heute soll ja nicht erneut eine Generaldebatte stattfinden.
Deshalb wende ich mich jetzt dem ersten Änderungsantrag zu, den wir auf Umdruck 62 unter Ziffer 1 stellen. Wir möchten gern in § 10 die Einkommensgrenze von 15 000 DM wegfallen lassen. Das ist der Sinn unseres Antrags, der auf eine Entschließung des 2. Bundestags zurückgeht. Dieser hatte den Wunsch, den freien Berufen gegenüber den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern einen gewissen Ausgleich für ihre von ihnen selbst getragene Altersversorgung zu geben. Der Finanzausschuß war der Auffassung, man dürfe das nicht auf die freien Berufe beschränken, und hat deshalb den nichtsozialversicherungspflichtigen Personen, deren Einkommen sich jedoch im Rahmen der Pflichtversicherungsgrenze hält, eine Sonderausgabe bis zu höchstens 1000 DM zugebilligt. Das sieht sehr logisch aus. Wir meinen jedoch, daß man die Einkommensgrenze von 15 000 DM nicht setzen sollte, da die Sonderausgabe auf 1000 DM beschränkt worden ist. Wir sehen nicht ein, daß jemand, der 18 000 oder 24 000 DM verdient, diese begrenzte Sonderausgabe nicht soll in Anspruch nehmen können, wenn er, was wir alle wollen, von sich aus Vorsorge für sein Alter trifft.
Die Ziffern 2 und 3 unseres Antrags hängen miteinander zusammen; sie beziehen sich auf den Einkommensteuertarif und auf die Körperschaftsteuer. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß die sehr scharfe Progression beim Einkommensteuertarif, die bei 8000 bzw. 16 000 DM einsetzt, Mittelschichten trifft, die sich doch nicht an der breiteren Ausbildung des Kapitalmarkts beteiligen können, die wir mit den Steueränderungsgesetzen erreichen wollen. Es handelt sich wesentlich um Schichten aus Handel, Handwerk und Gewerbe mit Einkommen zwischen 16 000 DM und, sagen wir einmal, 48 000 bis 50 000 DM. Der Mittelstand kann sich — das möchte ich dem Herrn Kollegen Harm sagen — ja auch nur einmal satt essen, auch wenn sein Verdienst etwas über der Angestelltenversicherungspflichtgrenze liegt. Diese Betriebe können ihre Finanzierung nicht wie große Gesellschaften über den Kapitalmarkt betreiben, sondern sind nach wie vor auf Selbstfinanzierung oder auf offenen Bankkredit angewiesen. Wir sind der Auffassung, daß es sich eigentlich keine Fraktion dieses Hauses leisten kann, diese Schichten mit einem Progressionstarif zu treffen, der so steil ansteigt, daß er bei den ersten 1000 DM nach 8000 DM schon von 20 % auf 26,7 % springt.
Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1769
Dr. Dahlgrün
Wir bitten sehr dringend darum, das Anliegen genau zu prüfen, das in der Ziffer 2 unseres Antrags Umdruck 62 zum Ausdruck kommt, und diesem Antrag zuzustimmen, zumal er noch weitere erhebliche Vorteile bringt. Nach unserem Vorschlag ist die Progression gerade für diese Mittelschichten sehr viel gleichmäßiger; idie Kurve steigt gleichmäßig flacher an als die Kurve nach den Bestimmungen der Regierungsvorlage.
Unserem Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 62, der sich auf idie Einkommensteuer bezieht, steht unser Antrag unter Ziffer 3 gegenüber, der Entsprechendes bei der Körperschaftsteuer vorsieht. Wir meinen damit ibei den Körperschaften idie entsprechende „Preisklasse", die wir bei unserem Änderungsantrag zum Einkommensteuertarif im Auge haben, nämlich die mittleren und kleineren Betriebe. Unser Vorschlag muß aus Gründen der Steuergleichheit und -einfachheit für alle in gleicher Weise gelten; bei den großen Gesellschaften aber spielen unsere Verbesserungen keine Rolle.
Unser Antrag geht nun dahin, eine Proportion mit zwei Sätzen zu bilden, die ersten 40 000 DM Gewinn mit 35 v. H. zu versteuern und die weiteren angefangenen oder vollen 40 000 DM mit 40 v. H. Damit geben Sie den kleinen und mittleren Betrieben einen wirklichen Vorteil, und Sie vermeiden das, was in den Anträgen des Finanzausschusses und auch, wie ich eben flüchtig gesehen habe, in den Änderungsanträgen der Fraktion der CDU/CSU eine erhebliche Komplikation bringt, nämlich die von 10 000 zu 10 000 DM gestaffelten Proportionssätze, die auch, optisch sehr unschön, auf 55 %, nach dem Finanzausschuß sogar auf 60 % hinaufgehen. Das sollte man unter allen Umständen vermeiden.
Meine Damen und Herren, wenn ich dies vorgetragen habe, werden Sie uns fragen: Welche Belastung wird für den Herrn Bundesfinanzminister durch diese Änderungsanträge noch zusätzlich herauskommen? Wir können Ihnen ziemlich eindeutig — soweit idas bei diesen Zahlen überhaupt möglich ist — sagen, daß die Änderung ides Einkommensteuertarifs etwa 350 Millionen kosten würde; eine Zahl, die uns vom Ministerium im Finanzausschuß nicht bestritten worden ist. Wir schätzen den Ausfall infolge der Änderung des Körperschaftsteuertarifs, die wir vorgeschlagen haben, auf etwa 120 bis 130 Millionen. In diesen beiden Anträgen sind also knapp 500 Millionen DM Ausfälle enthalten.
Das ist eine igewaltige Summe. Aber wir meinen, daß der Herr Bundesfinanzminister in der Lage ist, auch diese Summe noch zusätzlich zu übernehmen, ohne daß er über den Rand des Defizits hinausgeht. Der Ausfall infolge des Splitting und der Einführung der Sockelsteuer von 20 % ist auf 1,5 Milliarden geschätzt worden. Zahlen liegen nur aus den Vereinigten Staaten mit einer sehr viel steileren Progressionskurve als nach unserem Tarif vor. Wenn man die prozentuale Belastung vergleicht, sieht man, daß in den Vereinigten Staaten der Ausfall sehr viel igeringer gewesen ist — dort liegen, wie gesagt, die einzigen Erfahrungszahlen vor —, als er bei uns geschätzt worden ist. Wir glauben also, daß in
dem Haushalt noch Reserven enthalten sind, insbesondere bei der Ausfallschätzung für das Splitting.
Im übrigen sind wir der Auffassung, daß idas auch schon ideshalb richtig ist, weil der Herr Bundesfinanzminister bei verschiedenen Gelegenheiten zu erkennen gegeben hat, daß er die 1,5-MilliardenAnleihe erst gegen Ende des Haushaltsjahrs aufzunehmen beabsichtigt; eine Methode, die finanzpolitisch sicherlich nicht ganz bedenkenfrei ist. Denn letzten Endes soll eine Anleihe, wenn sie eingeplant ist, auch aufgenommen werden, und man sollte sich nicht darauf verlassen, daß die Kassen doch voll werden könnten.
Wir meinen, daß der Herr Bundesfinanzminister im Laufe dieses Jahres keine besonderen Sorgen haben wird. Ich darf nur daran erinnern, daß der Wegfall von § 36 des Investitionshilfegesetzes, die Doppelveranlagung 1956 und 1957, die nach den Worten des Herrn Bundesfinanzministers in diesem Haushaltsjahr durchgeführt werden soll, und die Rückflüsse aus § 7 c die Steuereinnahmen erhöhen
werden, auch idann, wenn die wirklich — das muß
ich zugeben — sehr optimistische Schätzung von
einer Erhöhung des Sozialprodukts um 7 % nicht erreicht werden sollte. Ich glaube also nicht, daß wir in besondere Sorgen kommen werden. Die Kassen werden igut gefüllt sein, möchte ich annehmen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat bei der Einbringung der Gesetze erklärt, daß er zwar gefährlich, aber am Rande des Defizits — wie es ja ein Finanzminister soll — wandle. Mit unseren Anträgen können und sollten wir ihn auf diesen Weg, an den Rand des Defizits bringen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang die Reserve aus dem Sparprämiengesetz in Höhe von 400 Millionen DM, die ja an sich erst im nächsten Haushaltsjahr eingestellt wird, die aber der Herr Bundesfinanzminister immerhin doch heute schon vor Augen haben muß, nur am Rande erwähnen. Ob diese Summe wirklich in vollem Umfang gebraucht wird, wird sich herausstellen, wenn wir nach den Ferien im Finanzausschuß dieses Gesetz behandeln werden.
Meine Damen und Herren, ich fasse noch einmal zusammen: Wir wollen beim Einkommensteuertarif und beim Körperschaftsteuertarif noch etwas zusätzlich für die Mittelschichten tun, und zwar ohne Komplikationen, und glauben, daß das absolut tragbar sein würde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich gebe noch bekannt, daß der Antrag der Regierungsparteien auf Umdruck 59 durch einen neuen Umdruck, der verteilt wird, ersetzt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob das Verfahren, das wir heute praktizieren, zweckmäßig
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1770 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Neuburgerist, möchte ich nicht beurteilen. Praktisch nehmen wir ja die Generaldebatte zur dritten Lesung vorweg. Auch ich muß mich daher wenigstens in einigen Sätzen nach diesem heute praktizierten Verfahren richten.Herr Kollege Seuffert, Sie haben zwar den Vorwurf nicht aufgenommen, aber doch davon gesprochen, wir hätten die Materie, die zweifellos nicht einfach ist, unter zu starkem Zeitdruck behandelt.
Wenn Sie die Presse verfolgt haben, wissen Sie alle, daß dieser Vorwurf immer wieder erhoben wurde.Dem muß ich in aller Form entgegentreten. Ich betone hiermit ausdrücklich: Im Rahmen der ersten Lesung im Finanz- und Steuerausschuß wurde die für die Grundsatzaussprache und damit für die Erörterung aller Probleme angesetzte Zeit in keiner Weise voll ausgenutzt. Alle, die im Ausschuß zu den Problemen sprechen wollten, hatten genügend Zeit, und es blieb noch eine Menge von dem Zeitraum übrig, den wir, wie gesagt, für die erste Lesung in Aussicht genommen hatten. Niemand kann also behaupten, wir hätten unter Zeitdruck gestanden und es sei nicht möglich gewesen, das Für und Wider dieser Probleme und die Argumente, die hier zur Debatte stehen, eingehend zu erörtern.Selbstverständlich muß man, auch wenn eine Materie schwierig ist, eines Tages aus dem Stadium der Debatte in das Stadium der Beschlüsse eintreten. Das haben wir zu gegebener Zeit auch getan.
— Das war doch völlig folgerichtig! Nachdem wir in der ersten Lesung in, wie gesagt, ausreichender Zeit das Für und Wider in aller Breite und Gründlichkeit erörtert hatten, mußten selbstverständlich die dafür zuständigen und dazu berufenen Arbeitsausschüsse in den Fraktionen und dann die Fraktionen selbst einmal Stellung nehmen. Diese Gremien konnten sich nicht damit begnügen, auch nur zu debattieren und nicht zu einem Beratungsergebnis zu kommen. Dieses erfuhr dann in der zweiten Lesung des Finanz- und Steuerausschusses seine entsprechende Auswertung. — So viel zum rein Verfahrensmäßigen.Nun zum Materiellen! Herr Kollege Seuffert, Sie haben vorhin gesagt, man müsse die Fragen richtig stellen. Insoweit bin ich mit Ihnen sehr einig. Aber damit ist es nicht genug; man muß die richtig gestellten Fragen auch folgerichtig beantworten. Sie haben die eine, die entscheidende Frage zum Tarif, nicht folgerichtig beantwortet. Sie haben gesagt, der Tarif, der jetzt zur Debatte steht, stehe völlig für sich im Raum, habe mit dem Gestern überhaupt nichts zu tun. Sie wissen aber ganz genau, daß wir auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts eine Übergangslösung beschlossen haben, von der jedermann im Hause wußte, daß sie nur vorübergehenden Charakter hat und daß an dieStelle dieses Provisoriums etwas Endgültiges treten muß. Nun kann ich aber doch nicht hergehen und sagen, dieses Provisorium ist für mich das Endgültige und das, was heute tariflich beschlossen wird, ist etwas völlig Neues. So die richtig gestellte Frage zu beantworten, ist falsch, sie ist damit nicht folgerichtig beantwortet, und deshalb sind auch die Schlüsse, die Sie gezogen haben, indem Sie von der einseitigen Bevorteilung im Tarif sprachen, falsch.Wir ziehen heute die Konsequenzen aus dem Karlsruher Urteil unter Einbeziehung des Provisoriums. Die Konsequenzen sind eine Steuersenkung für alle Steuerpflichtigen in Höhe von über 1,8 Milliarden DM, wobei rund 60 % der Steuersenkungen auf die Einkommen unter 12 000 DM und nur 6 % der Steuersenkungen auf die Einkünfte über 100 000 DM entfallen. So sind die Zahlen, und diese Zahlen sind unbestreitbar.Ein Wort zu dem von Ihnen, Herr Kollege Dr. Dahlgrün, vorhin gestellten Antrag! Im Rahmen des Provisoriums waren die mittelständischen Belange schlecht gewahrt. Daher mußten sie jetzt in dem Progressionstarif, den wir heute als einen endgültigen verabschieden wollen, besser gewahrt werden. Sie sind — das ergibt sich schon aus der Regierungsbegründung in der Tabelle — dadurch gewahrt, daß die Senkung im Bereich der mittelständischen Einkommen 15, 18, ja bis zu 20 % beträgt. Wir können daher mit dem besten Willen Ihren jetzt zusätzlich gestellten Antrag — der im übrigen, wie mir der Herr Finanzminister vorhin sagte, nochmals einen Ausfall von rund 350 Millionen bringen würde —nicht akzeptieren.Im Umdruck 64 wird nochmals die entscheidende Frage der Veranlagung der Ehegatten behandelt, also die Frage: wie soll das Karlsruher Urteil realisiert werden? Sie finden hier die klare und auch verfassungsrechtlich einwandfreie Lösung: die Ehegatten können sich getrennt veranlagen lassen, oder sie können zusammen veranlagt werden; beantragt ein Ehegatte die getrennte Veranlagung, so erfolgt sie, beantragen beide die Zusammenveranlagung, so wird zusammen veranlagt. Unterbleibt die Antragstellung, so wird unterstellt, daß die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. So ist die Regelung, die wir nunmehr im Umdruck 64 unter Ziff. 3 vorschlagen.Auf Grund dieser Regelung des völlig gleichberechtigten Nebeneinander von getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung ergibt sich dann auch eine verhältnismäßig einfache Regelung für die Haftung bei der Zwangsvollstreckung. Das sehen Sie unter Ziff. 6 des Umdrucks 64. Sie enthält eine Änderung zu dem im Finanzausschuß gefaßten Beschluß. Während der Finanzausschuß noch die Haftung im Verhältnis der Einkünfte festlegte, ist nunmehr in klarer Durchführung des neu zu beschließenden § 26 gesagt, daß im Falle der Zwangsvollstreckung jeder Partner die Zwangsvollstreckung auf den Teil der restlichen Steuerschuld beschränken kann, der von ihm bei getrennter Veranlagung zu bezahlen wäre. Damit haben wir den Grundsatz der Individualbesteuerung auch in der Zwangsvollstreckung klar und eindeutig formuliert.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1771
NeuburgerIn dem in Umdruck 64 beantragten neuen § 26 a ist dann dafür Sorge getragen, daß die Sonderausgaben bei getrennter Veranlagung hälftig aufgeteilt werden. Dasselbe gilt aus Vereinfachungsgründen für die Aufteilung der Pauschalbeträge für außergewöhnliche Belastungen. Mehr ist zu den Bestimmungen über die Ehegattenbesteuerung zu dem Änderungsantrag Umdruck 64 nicht zu sagen.Ich komme dann zu Ziffer 1 des Umdrucks 64. Unter dieser Ziffer ist beantragt, über die bereits vom Ausschuß beschlossene Erhöhung der Sonderausgaben auf 1000 DM hinaus — bzw. gegenüber der von der Regierung vorgeschlagenen Herabsetzung der Sonderausgaben von 1000 auf 800 DM — den Betrag der abzugsfähigen Sonderausgaben auf 1100 DM zu erhöhen. Leider ist mit diesem Betrag von 1100 DM immer noch nicht der Satz erreicht, der im Bereich der Pflichtversicherung Anwendung findet; denn dort stehen pro Monat 105 DM für die Altersversorgung zur Verfügung. Der Betrag müßte hier dementsprechend 1260 DM lauten. Wir konnten aber nicht auf 1260 DM gehen, weil dadurch ein zusätzlicher Ausfall von rund 150 Millionen DM entstehen würde.Aus dem gleichen Grunde, Herr Kollege Dr. Dahlgrün, müssen wir auch den von Ihnen gestellten Antrag ablehnen, einen zusätzlichen Sonderfreibetrag mit 1000 DM für Selbständige generell einzuführen. Das geht also nicht. Wir müssen uns im Bereich der Sonderausgaben darauf beschränken, die Erhöhung von 1000 auf 1100 DM vorzunehmen.Dann noch einige Worte zu Ziffer 5. Im § 33 a sind für gewisse Fälle aus Vereinfachungsgründen die außergewöhnlichen Belastungen pauschaliert. Wir hatten bisher einen Betrag von 720 DM. Er soll nun auf 900 DM erhöht werden, und zwar für die Fälle der außergewöhnlichen Belastung durch die berufliche Unterbringung von Kindern außerhalb des Hauses und für außergewöhnliche Belastungen durch Einstellung einer Hausgehilfin. Zweifellos reichen, das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, diese Pauschbeträge nicht aus, um die Belastungen auszugleichen. Sie haben aber auch bisher nicht ausgereicht. Es war auch niemals unsere Absicht, im Wege der Pauschbeträge die tatsächlich jeweils entstehenden außergewöhnlichen Belastungen auszugleichen; die Pauschbeträge bezwecken nur, daß man von der steuerlichen Seite her den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastung berücksichtigen und dafür einen gewissen steuerlichen Ausgleich geben will. Die Argumentation, die Kosten seien viel höher, die Freibeträge würden daher nicht genügen, ist also nicht stichhaltig. Denn wie gesagt, die Pauschbeträge haben nur die Aufgabe, eine gewisse Teilentlastung herbeizuführen. Wir geben zu, die Kosten haben sich erhöht. Daher erhöhen wir konsequenterweise auch die Pauschbeträge von 720 auf 900 DM.Ich bitte daher das Hohe Haus, diesen Änderungsanträgen die Zustimmung zu geben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich darf auf folgendes hinweisen, wir müssen uns darauf einrichten, daß wir morgen nachmittag um 14 Uhr nicht fertig werden, sondern noch etwas länger beraten werden.
— Nein, überhaupt. Wir haben ja eine einheitliche Tagesordnung für heute und morgen. Ich bitte, sich also entsprechend einrichten zu wollen.
Es entspricht wohl einem Wunsch des Hauses, wenn wir jetzt in die Mittagspause eintreten. Wir setzen die Beratung pünktlich um 14 Uhr fort. Ich unterbreche die Sitzung.
Die Sitzung ist wiederaufgenommen.Meine Damen und Herren, in Pressemeldungen von heute wird berichtet, daß in der Hauptstadt Ungarns seit Dienstag, dem 17. Juni, nahezu Totenstille herrsche. Die Polizeistreifen seien vermehrt worden, und die Vergnügungslokale seien leer. In dieser kurzen Meldung kommt zum Ausdruck, wie ein Nachbarvolk, dem mit der Freiheit auch das letzte Wort des lauten Schmerzes verweigert wird, den gewaltsamen Tod von Männern auf sich genommen hat, die das Herz des ungarischen Volkes und darüber hinaus das Herz der ganzen freien Welt erobert haben.
Der Deutsche Bundestag gedenkt in dieser Stunde in tiefer Anteilnahme und Verbundenheit der Ungarn Imre Nagy, Miklos Gimes, Pal Maleter und Joseph Szilagy, die — wir wissen nicht wann — unter den Händen des Henkers gestorben sind. Sie starben, weil sie, als die Stunde es gebot, männlich und verantwortungsbewußt vor ihr Volk traten, um es zurückzuführen auf den Weg der Freiheit und des Menschenrechtes. Als die späten und edlen Opfer eines Aufstandes, vor dessen Kraft und Rang die Welt vor eineinhalb Jahren den Atem anhielt, sind sie gefallen.Meine Kolleginnen und Kollegen, es ist nichts Ungewöhnliches in der Weltgeschichte, daß Männern und Frauen auf solchem Wege nicht Sieg und Erfolg, sondern Niederlage und Tod zuteil wird. Was aber ungewöhnlich ist, das ist die Tatsache, daß sich eine kalte Rache eineinhalb Jahre Zeit gelassen hat, daß sie unter Bruch eines feierlich gegebenen Wortes Männer, denen Straflosigkeit zugesichert war, dem Henker übergab und daß sie damit von neuem einen tiefen dunklen Schatten über die Welt geworfen hat. Nach Jahren qualvoller Spannung und sehnsüchtigen Ringens um Befriedung und Entspannung muß die Welt nun wieder gewärtigen, daß alle Bemühungen, mit Moskau und den von ihm abhängig gemachten Völkern in ein befriedetes oder wenigstens vernünftiges Verhältnis zu kommen, auf lange Zeit hinaus wieder zur Aussichtslosigkeit verdammt werden.Wir wissen nicht, wer die letzte Verantwortung für diese Bluturteile trägt. Aber ich glaube, daß keiner unter uns in diesem Hause ist, der nicht da-
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1772 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Präsident D. Dr. Gerstenmaiervon überzeugt ist, daß die Regierung der Sowjetunion diese Bluturteile zu verhindern vermocht hätte. Sowjetrussische Panzer haben einst entgegen cien von der Regierung Sowjetrußlands feierlich mitunterzeichneten Grundsätzen der Vereinten Nationen die Selbstbestimmung der Ungarn niedergewalzt. Moskau hat den Wortbruch gegenüber der asylgewährenden jugoslawischen Regierung veranlaßt oder zumindest zugelassen. Vom Worte Moskaus hingen die Freiheit und das Leben der Männer ab, derer wir heute gedenken.Meine Kolleginnen und Kollegen! Dieser Deutsche Bundestag als die oberste Vertretung des deutschen Volkes hat es sich zur strengen Regel gemacht, auf jede auch nur der Mißdeutung ausgesetzte Einwirkung auf fremde Staatsverfassungen und Staatsideologien zu verzichten. Niemals sind wir auf den Gedanken gekommen, die Ordnung des freiheitlichen Rechtsstaates, zu der wir uns vorbehaltlos und entschieden in allen Teilen dieses Hauses bekennen, jenseits unserer Grenzen missionarisch oder propagandistisch zu verfechten. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, es gibt Grundrechte des Menschen, die nicht angetastet werden dürfen und die Gott sei Dank auch nicht angetastet werden, ohne daß es die Völker der Welt in Bewegung bringt. Was in Ungarn geschah, das war eine unverhüllte, eine brutale Mißachtung des letzten Kerns menschlichen Rechtes, auf das jedes Volk zu jeder Stunde einen Anspruch hat. Diejenigen, die dafür die Verantwortung tragen, mögen sie nun in Budapest oder in Moskau sitzen, müssen wissen, daß die frevelhafte Verletzung geheiligter Menschenrechte in unserer Zeit mit keinem Anspruch auf politische Opportunität oder unter Berufung auf nationale Souveränität gedeckt werden kann. Was man auch immer gegen den Menschen in unserer Zeit sagen mag, es gereicht ihm und es gereicht den Völkern in unseren Tagen zur Ehre, daß sie sich mitbetroffen fühlen und daß sie sich regen, wenn immer der blanke Terror und wo immer der Zwang die Grundrechte von Menschen und Völkern verletzt.Mit unserer Ehrerbietung vor den Hingerichteten und vor den vielen, die um der Freiheit Ungarns und der Gerechtigkeit willen leiden, verbinde ich den Ausdruck des tiefen Bedauerns darüber, daß mit diesen Hinrichtungen auch alle diejenigen außerhalb Ungarns tief gedemütigt wurden, die unablässig und von ganzem Herzen sich darum bemühen, dem Frieden in der Welt zu dienen und zu der Entspannung zwischen Ost und West vielleicht ihr weniges, aber das wenige doch ehrlich und redlich beizutragen. Wortbruch, Bluturteil und Galgen sind nicht nur grauenhaft törichte Mittel der Politik, sondern sie sind eine unerträgliche Demütigung gerade derer, die das Beste, was sie zu geben haben, an das. friedliche und freiheitliche Zusammenleben der Menschen und der Völker setzen.In Ehrerbietung gedenkt der Deutsche Bundestag des ungarischen Volkes, der Hingerichteten, ihrer Familien und ihrer gefangenen Gefährten, und in tiefer Trauer empfinden wir den Stoß, der am 17. Juni 1958 gegen den Frieden der Welt geführt wurde.Sie haben sich zu Ehren der Opfer erhoben. Ich danke Ihnen.Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist der Auftrag zuteil geworden, Ihnen den Antrag Umdruck 66 zu begründen, in dem verlangt wird:Die Abgabe „Notopfer Berlin" wird mit erstmaliger Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1958 nicht mehr erhoben.Hoffentlich ist — wenn ich mir diese Bemerkung eingangs erlauben darf — der Herr Kollege Harm nicht wieder so hart, daß er hier von einem Umfall der CDU spricht, sondern bekennt sich zu dem viel netteren Wort: Das sind die Weisen, die vom Irrtum zur Wahrheit reisen.
Das Notopfer Berlin ist seinerzeit seinem Wortlaut nach als Zwecksteuer begründet worden, ähnlich wie im Jahre 1913 der Wehrbeitrag. Das Notopfer Berlin ist aber stets ein allgemeines Deckungsmittel des Bundes gewesen. Es ist nie im engeren Sinne eine Zwecksteuer gewesen, sondern eine Bundeseinkommensbesteuerung besonderer Art. Im 2. Bundestag hat, ich glaube, Herr Kollege Gülich von der SPD, den Antrag gestellt, diese Zweckbindung ausdrücklich in den Haushalt aufzunehmen. Das ist abgelehnt worden. Dann war es folgerichtig, daß das Notopfer Berlin beseitigt wurde. Das ist dann auch geschehen bei den physischen Zensiten, und zwar ersatzlos, nicht durch einen Einbau in die Landeseinkommensteuer. Aber bei den Körperschaftsteuerpflichtigen blieb das Notopfer Berlin als eine Art von bundeseigener Körperschaftsteuer. iIch glaube, niemand in diesem Hause, der noch Lust und Freude an der Steuersystematik hat — und die haben wir doch alle, wenn wir auch fast jeden Tag dagegen sündigen —,
hat Freude an diesem Fremdkörper im deutschenAbgaberecht gehabt. Wenn dazu nun demnächstnoch — wie Kollege Seuffert angekündigt hat mitGründen, denen ich nicht widersprechen möchte —die Ergänzungsabgabe für das nächste Jahr käme
— Ich weiß es nicht, aber Sie stimmen zu!
— Lieber Herr Seuffert, es geht doch dann nur auf die reichen Leute, und denen flicken Sie doch gern am Zeuge!
Wenn nun zu dieser fortbestehenden besonderenKörperschaftsteuer des Bundes noch die Ergänzungs-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1773
Dr. Dresbachabgabe käme, würden wir eine Vielzahl von Steuerarten des Bundes in der Ertragsbesteuerung haben, die .abschrecken sollte.Nun lagen die Gegengründe bisher immer in den Rücksichten auf den Bundeshaushalt; es wurde immer gesagt, daß dann eine ausschließliche Bundesabgabe verloren ginge. Es wäre mir selber sehr erwünscht gewesen, wenn das Notopfer Berlin ebenso wie bei den physischen Zensiten ersatzlos fortgefallen und nicht eingebaut worden wäre. Ich stelle anheim, zu überlegen — was allerdings für die zweite und dritte Lesung schon zu spät kommt —, ob das möglich gewesen wäre, wenn man zugleich das geltende Körperschaftsteuerrecht unangetastet gelassen hätte.
— Das hatte ich aber auch erwartet!
Das scheiterte nun wiederum an der Rücksichtnahme auf den Haushalt aller Gebietskörperschaften, nicht nur der Länder und nicht nur des Bundes, sondern auch der von den Ländern betreuten Gemeinden und Gemeindeverbände.Aber wir wollen froh sein, daß eine Art der Ertragsbesteuerung verschwinden soll. Es ist ein echtes Stück Steuervereinfachung. Für mich, und ich glaube, auch für die übrigen Freunde und Mitglieder des Hohen Hauses ist es ferner erfreulich, daß damit Anträge aus dem Bundesrat auf Eis gelegt oder gar zurückgezogen werden, die darauf abzielten, das Anteilverhältnis von Bund und Ländern gemäß Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes schon wieder zu ändern. Mit anderen Worten, hier wird eine schwerwiegende Änderung des Grundgesetzes vermieden. Wenn Art. 106 Abs. 1 Ziffer 6, die das Notopfer Berlin als reine Bundessteuer darstellt, fortfällt, dann ist das eine wohltuende Verkürzung des Grundgesetzes. Außerdem kommt ein weiterer erfreulicher Umstand hinzu: Der Bundesrat wird dann auch nicht mehr den Vermittlungsausschuß anrufen, und der Beginn unserer Sommerferien ist damit gesichert.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP, Umdruck 59, zu erläutern. Heute morgen hat Ihnen der Herr Präsident schon angekündigt, daß Sie einen Umdruck 59 bekommen werden. Dieser Umdruck ist aber im Augenblick noch nicht verteilt. Er unterscheidet sich von dem Umdruck 59 nur dadurch, daß das bisher erhobene Notopfer noch in die hier vorgesehenen Sätze einzubauen ist. So erfreulich nämlich die Auswirkung nach der steuerreformerischen Seite ist, die uns Herr Kollege Dr. Dresbach soeben vorgetragen hat, so wenig erfreulich ist sie für den Steuerpflichtigen. Denn er wird und soll davon keinen Vorteil haben, sondern das Notopfer sollselbstverständlich in die Körperschaftsteuer eingebaut werden, und zwar mit 4 %. Sie brauchen also die Sätze, die in dem Änderungsantrag Umdruck 59 stehen, nur um 4 % zu erhöhen, und zwar der Einfachheit halber nur um 4 % und nicht um 4,09 %. Der Umdruck wird gleich noch verteilt werden.Wodurch unterscheidet sich nun der Änderungsantrag Umdruck 59 von den Beschlüssen des 14. Ausschusses? Die Beschlüsse des Steuer- und Finanzausschusses gingen von den in der Regierungsvorlage vorgesehenen Sätzen von 11 % bzw. 47 % aus. Ich lasse jetzt einmal der Einfachheit halber, weil wir an die alten Zahlen gewöhnt sind, die 4 % weg. Für die kleinen Einkommen bis ausschließlich 50 000 DM war eine Progression in Stufen von 10 000 zu 10 000 DM ansteigend vorgebaut. Diese Vorstaffel für kleine Einkommen sollte nach den Beschlüssen des Finanzausschusses für alle Körperschaften gelten und oben mit 47 % enden. Der Steuersatz für die Ausschüttungen betrug einheitlich 11 %.Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP beruht auf eingehenden Erörterungen, die wir auch im Steuer- und Finanzausschuß gepflogen haben. Es ging um die Grundfrage, ob die personengebundenen Gesellschaften, insbesondere die Familiengesellschaften tatsächlich in der gleichen Lage wie die Publikumsgesellschaften seien, an die der Entwurf in erster Linie gedacht hatte, als er unter den Gesichtspunkten der Kapitalmarktförderung und der breiten Streuung des Eigentums den Steuersatz für Ausschüttungen auf 11 % herabsetzte und den Satz für nicht ausgeschüttete Gewinne von 45 auf 47 % erhöhte. Die Gesellschaften, die nicht an den Kapitalmarkt gehen können, die — wenigstens zum Teil — auf die Selbstfinanzierung aus ihren eigenen Gewinnen angewiesen sind, würden durch eine solche Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes zusätzlich belastet sein, ohne daß sie von dem günstigeren Satz für Ausschüttungen Gebrauch machen könnten.Wir haben uns deshalb bemüht, eine Abgrenzung für jenen Kreis der Gesellschaften zu finden, der nicht in diese Schere 11 : 47 hineingeraten darf. Diese Abgrenzung finden Sie in der Ziffer 2 des Abs. 1. Hier wird versucht, die Gesellschaften erstens nach dem Vermögen abzugrenzen; es darf einen Betrag von 5 Millionen DM nicht übersteigen. Zweitens müssen bei diesen Gesellschaften mindestens 76 % des Nennkapitals natürlichen Personen gehören. Soweit Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien in Frage kommen, müssen die Aktien auf Namen lauten. Die Aktien dürfen nicht zum Handel an der Börse oder im geregelten Freiverkehr zugelassen sein. In Ziffer 2 ist also versucht, eine verhältnismäßig einfache Abgrenzung dieses Kreises der personengebundenen Gesellschaften zu finden.Die vom Finanzausschuß vorgebaute Staffel für kleine Einkommen ist nicht mehr für alle Körperschaften vorgesehen. Sie ist jetzt ausschließlich auf den Kreis der personengebundenen Gesellschaften abgestellt und dem neuen Steuerhöchstsatz ent-
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1774 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. Schmidt
sprechend angepaßt. Die Progression endet jetzt mit 45 % und nicht, wie vom Finanzausschuß vorgeschlagen, mit 47 %. Der Satz für ausgeschüttete Gewinne ist dafür von 11 % auf 22,5 % erhöht worden. Ich glaube, daß insoweit keine Ausfälle zu befürchten sind und daß das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Sätzen hergestellt worden ist.Das sind im wesentlichen die Änderungen, die wir mit diesem Umdruck beantragen.Ich mache noch auf Ziffer 3 des Änderungsantrages aufmerksam, daß es bei den übrigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen bei dem bisher gültigen Steuersatz von 45 % verbleiben soll.
Herr Abgeordneter Dr. Schmidt, Sie haben eben diesen Änderungsantrag begründet; aber ich habe noch nicht die neue Fassung.
Wird dazu noch das Wort gewünscht? — Es wird nicht gewünscht.
Wir fangen jetzt mit der Einzelberatung der zweiten Lesung an. Ich rufe die Ziffern auf, d. h. also das, was in der Vorlage mit einem schwarzen Rhombus gekennzeichnet ist.
Zu Art. 1 Ziffer 1 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 60 Ziffer 1 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? Bitte sehr, Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorweg möchte ich eine Bemerkung zu den Äußerungen von Herrn Neuburger machen, der glaubte, den Vorwurf zurückweisen zu müssen, daß die zweite Beratung im Ausschuß unter Zeitdruck erfolgt ist. Herr Neuburger, ich würde Ihnen recht geben, wenn Sie sich ausschließlich auf die erste Lesung bezogen hätten; aber wir wissen alle, daß die erste Lesung praktisch nur eine allgemeine Aussprache bedeutet. Für die zweite Lesung haben jedoch lediglich zwei halbe Tage zur Verfügung gestanden.
Es sind Anträge gestellt worden, und in ungefähr vier Stunden wurden Dutzende von Anträgen erledigt. Praktisch ist doch überhaupt keine Diskussion über die einzelnen Anträge erfolgt. Bisher hat es — und das habe ich stets in aller Öffentlichkeit gesagt — gerade im Finanzausschuß immer eine sachliche, objektive Beratung gegeben. Diese Sachlichkeit ist in der letzten Beratung, der zweiten Lesung, verlassen worden. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben, daß zum Schluß die meisten Mitglieder des Ausschusses überhaupt nicht mehr gewußt haben, über was sie abgestimmt haben; denn es sind von dem Herrn Staatssekretär immer
wieder Zwischenbemerkungen gemacht worden, mit denen er zum Ausdruck brachte, daß nach dieser oder jener Abstimmung als logische Konsequenz noch ein weiterer Antrag notwendig sei. Das möchte ich hier zumindest noch einmal feststellen.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich den Antrag begründen. Der Antrag unter Ziffer 1 des Umdrucks 60 bezweckt, Abfindungen, die in einem Vergleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. dem Betriebsrat zustande kommen, insoweit steuerfrei zu lassen, als sie sich im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes halten, d. h. wenn die Abfindung 12 Monatsverdienste nicht übersteigt. Es geht hier im wesentlichen um Stillegungen von Betrieben oder nur Stillegungen von Teilen eines Betriebes. Die jetzige Fassung macht es einfach unmöglich, daß eine Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. Betriebsrat ohne Arbeitsgericht zustande kommt. Nach der Bestimmung, die hier vorgesehen ist, werden die Arbeitnehmer oder ihre Vertretungen automatisch eine Klage nach §§ 72, 74 des Kündigungsschutzgesetzes beim Arbeitsgericht einreichen. Der Betrieb wird stillgelegt, ganz gleich, wie das Arbeitsgericht entscheidet. Wenn aber das Arbeitsgericht seine Entscheidung getroffen hat, sind die Abfindungen steuerfrei.
Hier muß die Frage aufgeworfen werden, ob die Bestimmung zweckmäßig ist, daß erst ein solcher Weg beschritten werden muß. Dabei müssen wir an die Überlastung der Arbeitsgerichte und an die psychologischen Auswirkungen auf beiden Seiten denken. Eine Rückfrage, die ich gehalten habe, hat ergeben, daß in einem Land bis jetzt 15 Fälle vorgekommen sind. Wie oft aber sind teilweise Betriebsstillegungen nur vorübergehend! Warum soll nun zuerst ein Streit vor dem Arbeitsgericht ausgetragen werden? Unter Umständen hat der Arbeitgeber sogar ein Interesse daran, die alten Kräfte später wieder zu bekommen. Das sind doch alles Fragen, die bei dieser Entscheidung mit berücksichtigt werden sollten.
Eine letzte Bemerkung. Es ist keine Ausweitung, sondern nur eine Vereinfachung, die mit dieser Veränderung herbeigeführt werden soll. Das Kündigungsschutzgesetz hat sowohl in bezug auf die materielle Höhe als auch in bezug auf den Zeitraum Beschränkungen festgelegt; 12 Monatsverdienste können nicht überschritten werden. Auch der einbezogene Personenkreis ist fest umrissen.
Wir bitten 'daher, da schon im Ausschuß Bedenken bei allen Mitgliedern dagegen vorhanden waren, die Einschränkung gesetzlich zu belassen, diese Frage noch einmal zu überdenken und unserem Antrag — Umdruck 60 Ziffer 1 — stattzugeben.
Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der CDU/ CSU-Fraktion und der Fraktion der Deutschen
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32, Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1775
Dr. Preusker
Partei einen Änderungsantrag einbringen, den ich ebenfalls schriftlich erst nachreichen kann. § 32 Abs. 3, Ziffer 1, der auf Seite 39 der Drucksache 448 wiedergegeben ist, lautet bis jetzt:
Besondere Freibeträge
1. Bei Steuerpflichtigen, auf ,die § 32 a Abs. 2 und 3 keine Anwendung findet und die nicht nach § 26a getrennt veranlagt werden, ist ein Sonderfreibetrag von 900 Deutsche Mark abzuziehen, wenn sie entweder mindestens vier Monate vor dem Ende des Veranlagungszeitraums ,das 55. Lebensjahr vollendet hatten oder wenn bei ihnen mindestens ein Kinderfreibetrag vom Einkommen abgezogen wird.
Es ist heute schon wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, und es kann auch von niemandem bestritten werden, daß sich auf Grund der neuen Tarifgestaltung für die Alleinstehenden als wichtigste Gruppe zum Teil eine Erhöhung der absoluten Steuerbeträge bzw. ,der Abzugsbeträge ergibt. Um das zu mildern, beantragen wir, „das 55. Lebensjahr" in „das 50. Lebensjahr" zu ändern und dafür, um die Dinge haushaltsmäßig einigermaßen auffangen zu können, den Freibetrag von 900 Deutsche Mark auf 780 Deutsche Mark herabzusetzen.
Wir sind uns dabei darüber im klaren, daß wir den über 55jährigen damit einen kleinen Teil nehmen. Aber dem großen Teil der Alleinstehenden, insbesondere der ledigen Frauen, geben wir schon mit dem fünfzigsten Lebensjahr sehr viel zusätzlich. Das soll die Mehrbelastungen, die ihnen durch die Tarifgestaltung im Augenblick noch aufgebürdet werden sollen, wieder beseitigen und damit gleichzeitig einen ,der Hauptschönheitsfehler der neuen Tarifgestaltung ausmerzen, der bisher übriggeblieben ist.
Ich darf für unsere Fraktion bei dieser Gelegenheit, um die Zahl der Wortmeldungen und die Redezeit zu beschränken, hervorheben, daß wir durchaus bereit gewesen sind, der Begünstigung der Familien im Wege des Splitting-Verfahrens zuzustimmen. Wir halten diese Lösung im Rahmen der Wahlmöglichkeit mit der getrennten Veranlagung nicht nur für verfassungsmäßig, sondern wir empfinden sie auch als die beste Lösung zur endgültigen Beseitigung der seit Jahren beklagten verschiedenartigen Behandlung derjenigen Familien, in denen es mitarbeitende Ehefrauen gibt also in .der Landwirtschaft, im Handel, im Gewerbe, im Handwerk, in den freien Berufen —, und derjenigen, bei denen die Frauen entweder nur im Haushalt oder in einem anderen Arbeitsverhältnis tätig waren.
Wir sehen auf der anderen Seite natürlich mit Bedauern, daß die Tarifgestaltung deswegen bei den Tatbeständen, die weiterhin im Wege der Alleinbesteuerung oder der getrennten Besteuerung zu regeln sind, eine effektive Mehrbelastung zwischen 1 und 6 °/o verursacht. Die Damen und Herren des Ausschusses wissen, daß wir versucht haben, eine Tarifgestaltung zu erreichen, die diese Benachteiligung ausschließt. Das ist leider in der Kürze
der Zeit nicht möglich gewesen, und es ist uns
noch einmal ausdrücklich auch vom Bundesfinanzministerium bestätigt worden, daß man doch einen größeren Zeitraum benötigt hätte, um eine entsprechende Tarifberechnung herbeizuführen. Obendrein wäre immer noch die Deckungsfrage für die dadurch ausfallenden etwa 100 Millionen DM zu lösen gewesen.
Wenn wir also im Augenblick schweren Herzens auf diese Neugestaltung des Tarifs — die zwar die Begünstigungen des Splitting beibehalten, auf der anderen Seite aber eine Höherbesteuerung der Alleinstehenden oder getrennt Veranlagten nicht mit sich gebracht hätte — verzichten, sind wir trotzdem der Meinung, daß die wesentlichsten Benachteiligungen, nämlich die Mehrbesteuerung gerade der älteren Alleinstehenden — und hier haben wir natürlich in erster Linie an die Frauen gedacht —, durch diesen Antrag zu § 32 Abs. 3 Ziffer 1 gemildert werden sollten.
Ich darf vielleicht darüber hinaus noch ein Wort zu dem eben von Herrn Kollegen Dr. Schmidt gestellten Änderungsantrag zum Körperschaftsteuergesetz sagen. Auch der Inhalt dieses Antrags entspricht einem von uns im Ausschuß geäußerten Wunsch, und wir freuen uns, daß der von uns zunächst im Ausschuß gestellte Antrag — der damals ohne sichtbaren Erfolg blieb — nunmehr zu einem gemeinsamen Antrag der Koalition geworden ist. Wir werden also auch diesem Änderungsantrag zustimmen.
Im übrigen sehen wir auch die in der Wiederherstellung der Verfassungsmäßigkeit liegenden Vorteile dieser Steuergesetzgebung als so wesentlich an, daß wir bereit sind, diesem Gesetz im ganzen mit den vorgeschlagenen und von uns mitbeantragten Änderungen zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, damit ist die für eine zweite Lesung ungewöhnliche allgemeine Aussprache vorbei. Wir befinden uns jetzt in der Abstimmung bzw. bei der Verhandlung über Ziffer 1 des Artikels 1, und dazu hat Frau Kollegin Beyer Ziffer i des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Umdruck 60 begründet. Ich frage, ob dazu noch das Wort gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 60 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Änderungsantrag Umdruck 60 Ziffer 1 ist abgelehnt.Ich bitte diejenigen, die Artikel 1 Ziffer 1 der Vorlage zustimmen wollen, um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Wir kommen nun zur Abstimmung über Ziffer 1 a auf Seite 17 der Vorlage. Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dieser Ziffer 1 a zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
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1776 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Präsident D. Dr. GerstenmaierZiffer 2. Ein Änderungsantrag liegt nicht vor. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Ziffer 3 auf Seite 19 der Vorlage. Wird das Wort gewünscht? — Nicht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Es folgt die Ziffer 4. Dazu ist bei mir vermerkt: Entschließungsantrag Umdruck 58. Diesen Antrag werden wir in der dritten Lesung erledigen. Wird zu Ziffer 4 das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.Wer der Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen!Zu Ziffer 5 sind auch keine Änderungen beantragt. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!Dann Ziffer 6 mit dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 60 Ziffer 2! Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen mit der Mehrheit insofern überein, als auch wir für die Verlängerung der Geltungsdauer der Bestimmungen des § 7 c bis zum Jahre 1962 sind, ebenso für die Änderung, daß die Berechnung aus den Durchschnittssätzen entfällt, ferner für das Verbot der Kreditinanspruchnahme. Wir sind auch insoweit mit Ihnen einig, als auch wir im Grunde anstreben, daß alle Vergünstigungen in der Siebenergruppe möglichst bald ganz beseitigt werden,
daß wir zu einer völligen Bereinigung dieser ganzen Siebenergruppe kommen. Wir sind sicherlich mit Ihnen in dem Bedauern einig, daß wir heute noch nicht so weit sind. Aber wir unterscheiden uns von Ihnen dadurch, daß wir der Meinung sind, daß, nachdem wir den § 7 c angesichts unserer Wohnungssituation noch beibehalten müssen, er auch noch in der bisherigen Fassung für die weiteren Jahre bis 1962 erhalten und nicht dahin geändert werden sollte, daß nur die Hergabe von 7 c-Darlehen zur Begünstigung des Arbeitnehmer-Mietwohnungsbaues oder des Arbeitnehmer-Genossenschaftswohnungsbaues eingeschränkt wird. Wir sind der Meinung, daß die Steuervergünstigungen des § 7 c, also die Hergabe von steuerbegünstigten i c-Darlehen für den Wohnungsbau, nicht, wie Sie es wünschen, auf Eigenheime und Wiederaufbauten beschränkt werden sollten, sondern daß diese Darlehen wie bisher auch für Arbeitnehmer-Mietwohnungen und Arbeitnehmer-Genossenschaftswohnungen sollten gegeben werden können, und zwar aus folgenden Gründen.Übereinstimmend mit den Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers sind wir der Ansicht, daß in den nächsten fünf Jahren noch 3 Millionen Wohnungen gebaut werden müssen. Sie werden mir zugeben, diese 3 Millionen Wohnungen können und werden nicht nur Eigenheime und auch nicht nur Wiederaufbauten sein, sondern das werden auch Miet- und Genossenschaftswohnungen sein. Deshalb glauben wir, das, was für die Verlängerung des § 7 c bis 1962 für den Eigenheimbau und den Wiederaufbau gilt, muß in gleicher Weise für alle anderen Wohn- und Nutzungsformen und damit auch für Mietwohnungen und Genossenschaftswohnungen gelten.Wir machen darauf aufmerksam, daß auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Beibehaltung der Steuervergünstigung für Mietwohnungen vorgesehen hat. Wenn auch Sie, meine Damen und Herren, Wert darauf legen, daß dieses Steuerreformgesetz bald über die Bühne geht und nicht etwa in die Hürde des Vermittlungsausschusses kommt, sollten Sie sich überlegen, ob dies nicht ein Punkt ist, bei dem Sie doch unserer Auffassung zustimmen sollten, allein schon, um zu vermeiden, daß vielleicht deshalb der Vermittlungsausschuß angerufen wird.Wir machen ferner darauf aufmerksam, daß sich auch der Industrie- und Handelstag in einer Stellungnahme, die uns zugegangen ist, eindeutig dafür ausgesprochen hat, daß die Steuervergünstigung des § 7 c auch für Mietwohnungen beibehalten wird, wobei er sich ausdrücklich auf die Begründung stützt, die der Bundesrat zu diesem Antrag gegeben hat.Wir machen zusätzlich darauf aufmerksam, daß es gerade auch im SBZ-Wohnungsbau, der ja in diesem Jahre besonders begünstigt wird, notwendig wird, daß auch nachrangige Arbeitgeberdarlehen dazugegeben werden, um die Finanzierung vollständig zu machen. Deshalb sollte die Steuervergünstigung des § 7 c auch für diese Wohnungsbauten, soweit sie Miet- und Genossenschaftswohnungen sind, zugelassen werden.Bedenken Sie, meine Damen und Herren, es handelt sich hier um ein Finanzierungselement, von dem die Finanzierungsleute sagen: Es ist die Restfinanzierung. Das kann nicht durch verstärkte Aufnahme von Kapitalmarktmitteln ersetzt werden, weil diese ja nicht in den letztstelligen Finanzierungsraum gehen. Sicherlich wollen Sie auch nicht, daß man diese 7 c-Darlehen, die überwiegend in die Restfinanzierung gehen, etwa durch öffentliche Darlehen ersetzt. Sie haben gerade in den 7 c-Darlehen, die von den Werken in Form von Arbeitgeberdarlehen gegeben werden, ein Instrument privatwirtschaftlicher Finanzierung mit Hilfe der steuerlichen Vergünstigung. Wir sehen nicht ein, warum Sie gerade diese privatwirtschaftliche Finanzierungsform einschränken wollen. Auch Miet- und Genossenschaftswohnungen sind in der Vergangenheit mit Kapitalmarktmitteln, 7 c-Mitteln und Eigenkapital gebaut worden und könnten auch in Zukunft damit gebaut werden, also ohne Inanspruchnahme öffentlicher Darlehen. Weshalb man diese Möglichkeit verschließen will, ist nicht einzusehen.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1777
Dr. BrechtEs wird dann gesagt: Wir können derartige Arbeitnehmerwohnungen ja im Wiederaufbau erstellen. Formal völlig richtig! Aber Sie werden zugeben, daß es eine ganze Reihe von Wohnungsbaumaßnahmen in Orten gibt, wo es — Gott sei Dank — keine Wiederaufbaumöglichkeiten mehr gibt. Es gibt die Schaffung neuer Arbeitsplätze etwa in den Randgebieten der Städte oder außerhalb der Wiederaufbaugebiete; auch dort ist also der Einsatz von nachrangigen 7 c-Darlehen, gerade auch im SBZ-Wohnungsbau, erforderlich. Und was den Vorschlag angeht, Arbeitnehmermietwohnungen im Wiederaufbau zu erstellen, so werden Sie zugeben, meine Damen und Herren, daß die Kosten der Wiederaufbauten allein schon wegen der höheren Grundstückspreise im Wiederaufbau meist so sind, daß diese Wohnungen nicht immer als Arbeitnehmermietwohnungen in Frage kommen.In der Regierungsvorlage und an anderer Stelle, auch in den Ausschüssen, ist immer wieder gesagt worden: Es gibt Mißbräuche im § 7 c. Man hat uns aber keine sehr konkreten Fälle genannt. Es mag gar nicht bestritten werden, daß es einmal Mißbräuche gegeben hat. Aber deshalb die Vergünstigung für die Arbeitnehmerwohnungen aufzugeben, würde ja bedeuten: man darf keine Sünde mehr begehen, man gibt eben auch keine Gelegenheit mehr zur Sünde. Aber niemand hat uns im Ausschuß Antwort darauf gegeben — auch nicht die Vertreter des Bundesfinanzministeriums —, wo denn nun die speziellen Mißbräuche bei § 7c im Arbeitnehmermietwohnungsbau sind und ob nicht die Mißbräuche bei der Eigenheimförderung und den Wiederaufbauten genau die gleichen sind und an sich genauso geahndet werden müßten. Auch unsere Frage, ob nicht die Mißbräuche bei § 7 b zum Teil größer und weittragender sind als bei 7 c, ist nicht beantwortet worden.Immerhin, meine Damen und Herren, müssen Sie damit rechnen, daß, wenn Sie die hier vorgesehene Einschränkung machen, eine Einschränkung des Finanzierungsvolumens im Wohnungsbau um rund 200 bis 250 Millionen DM eintritt, und zwar bei den privatwirtschaftlichen Finanzierungsquellen.Es besteht dabei ein sehr enger Sachzusammenhang mit der steuerlichen Begünstigung von Wohnungsbauten nach § 7 b. Herr Dr. Hesberg hat mir zwar in diesen Tagen in der Presseinformation der CDU vorgeworfen, ich sei gegen den § 7 b namentlich wegen des privaten Mietwohnungsbaues. Ich darf hier noch einmal feststellen, daß weder die SPD-Fraktion noch ich in irgendeiner Form einen Antrag im Finanzausschuß eingebracht haben, der sich gegen den § 7 b wendet. Im Gegenteil, Herr Dr. Hesberg, wir haben uns trotz unserer großen Bedenken darum bemüht, im § 7 b zu einer Formel zu kommen, um die Basis für eine Verständigung zu finden, weil wir glaubten, dadurch die Grundlage für eine Verständigung auf der gleichen Ebene auch, in § 7c zu schaffen.Wir haben auch heute noch erhebliche Bedenken gegen manche Auswüchse, die sich im Rahmen des 7 b ergeben. Wir wollen gar nicht leugnen, daß wir uns nur mit sehr großen Bedenken dazu bekannt haben, dem § 7 h in der neuen Fassung zuzustimmen. Es ist aber nicht so, Herr Dr. Hesberg, wie Sie geschrieben haben, daß nämlich der neue § 7 b die Großvillen nicht mehr begünstigen würde. Nein, nach der Fassung, die wir im Ausschuß auf dem Kompromißwege gefunden haben, werden Villen jeder Art und jeder Größe begünstigt, nur wird die steuerliche Begünstigung in der Berechnung auf einen Betrag von 120 000 DM begrenzt. Wir haben— gegen unsere Bedenken hinsichtlich des § 7 b — die Einsicht walten lassen, daß der § 7 b in den letzten Jahren zweifellos maßgeblich zur Wohnungsbauförderung beigetragen hat und daß in der Beschaffung von Privatkapital eine Lücke entstanden wäre, wenn wir den § 7 b nicht hätten. Wir appellieren nun, meine Damen und Herren, auch an Sie, ohne Dogmatismus bemüht zu sein, unserem Anliegen zu entsprechen und auch den Arbeitnehmerwohnungsbau in Form von Mietwohnungen und Genossenschaftswohnungen in § 7c für die Laufzeit, d. h. bis 1962, zu unterstützen.Ich darf hier auch noch etwas erwähnen, was sich gerade an die Gewerkschaftler in Ihren Reihen oder an die Sozialpolitiker richtet. Wenn Sie den § 7 b in der jetzt vorgesehenen Form — mit der großen steuerlichen Begünstigung, mit der dadurch möglichen großen Vermögensbildung — bestehen lassen und andererseits den § 7 c einschränken, soweit es sich um Mietwohnungen, Arbeitnehmermietwohnungen oder Arbeitnehmer-Genossenschaftswohnungen handelt, fördern Sie nichts anderes, als daß sich die steuerliche Vergünstigung vom werkgeförderten Wohnungsbau künftig auf den Werkwohnungsbau verlagert, d. h. auf die Form des Wohnungsbaues, die bisher unter den Sozialpolitikern und auch von den Wohnungspolitikern wegen der Kopplung von Mietvertrag und Dienstvertrag nicht als Idealform gegolten hat, zumindest als eine Form, die gegenüber dem werkgeförderten Wohnungsbau zurückstehen sollte.Für Stockwerkseigentum, also für Eigentumswohnungen, sind die Vergünstigungen des § 7c erhalten. Aber es gibt ja nicht nur Leute, die Eigentumswohnungen haben wollen.
— Entschuldigen Sie, die anderen Formen sind auch Eigentum, das verkennen Sie nur immer!
— Das Genossenschaftsmitglied erhält über den Genossenschaftsanteil, der übrigens gar nichts anderes ist als das, was Sie mit der Volksaktie wollen, ein unmittelbares Eigentumsanspruchsrecht.
Ich appelliere nun an Ihre Einsicht, das, was den großen Vermögen und den großen Einkommen in § 7b zugestanden wird, korrespondierend im § 7c dem Arbeitnehmermiet- und Genossenschaftswohnungsbau nicht vorzuenthalten.
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1778 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hesberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf die Nebenbemerkung des Herrn Kollegen Brecht eingehen, die sich auf den § 7 b bezog. Herr Kollege Brecht, ich habe nicht etwa auf Äußerungen abgezielt, die Sie hier im Hause oder vor der SPD gemacht haben, sondern auf die Ausführungen, mit denen Sie sich in der Zeitschrift des Gemeinnützigen Wohnungswesens gegen den § 7 b gewandt haben.
Ihre Ausführungen zu der Vorlage, insbesondere zu § 7 c, geben mir Anlaß, für meine Freunde von der CDU/CSU folgendes festzustellen. Wir müssen bei der Beurteilung des § 7 c doch davon ausgehen, daß dieser am Ende dieses Jahres grundsätzlich in Fortfall kommen soll. Das war der einmütige Wunsch dieses Hohen Hauses bei der Steuerreform im Jahre 1954. Wenn nunmehr in dieser Vorlage der Bundesregierung der § 7 c in beschränktem Umfang wiederkehrt, ist darin ohne Zweifel eine außerordentliche zusätzliche neue Begünstigung des Wohnungsbaus zu erblicken. Wenn hier wieder neue Vorteile eingeräumt werden, so stellt die Vorlage der Bundesregierung — und damit findet sie die Zustimmung meiner Freunde von der Fraktion der CDU/CSU — bei der Ausrichtung auf die wohnungspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition ab. Hier kommen nämlich die Vorränge des § 26 des Wohnungsbaugesetzes zur Geltung. Es geht um die Förderung von Eigentum in Gestalt des Familienheims, in Gestalt der Eigentumswohnung und um die Eigentumserhaltung durch Wiederaufbau. Wir bejahen diese Maßnahme, weil hier eine Art Korrektur der Benachteiligungen dieser Gruppen des Wohnungsbaus vorliegt, die in der Zeit bis zum Erlaß des Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes vor zwei Jahren entstanden waren.
Es ist also gewissermaßen eine Wiedergutmachung.
Wird im übrigen dadurch der Wohnungsbau für Arbeitnehmer so beeinträchtigt, wie es Herr Kollege Brecht hier dargestellt hat? Ich weiß nicht, Herr Kollege Brecht, worauf Sie sich stützen, wenn Sie den Ausfall für die Finanzierung ides Mietwohnungsbaus mit 200 bis 250 Millionen DM taxieren.
Ich glaube, daß der Anreiz des § 7 c in seiner neuen Form und nach der neuen Gestaltung des Steuertarifs bei weitem nicht mehr so groß sein wird wie bisher, so daß sehr zweifelhaft ist, in welchem Umfang von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden kann. Aber gewisse Chancen — Sie haben ja auch darauf aufmerksam gemacht — sind für den Mietwohnungsbau doch noch
gegeben, einmal im Rahmen des Wiederaufbaus und zweitens vor allen Dingen auch beim Familienheimbau mit Einliegerwohnung, weil ja das Familienheim nicht nur mit 10 000 DM für die Eigentümerwohnung bezuschußt werden kann, sondern im Falle des Einbaus einer Einliegerwohnung mit
weiteren 7000 DM für diese. Daher sind gerade den Arbeitgebern Möglichkeiten gegeben, den Eigentumsgedanken und den Wohnungsbau in gleicher Weise zu fördern und zu unterstützen.
Im übrigen ist es durchaus falsch, anzunehmen, daß nach dem Einkommensteuergesetz eine Förderung des Arbeitnehmerwohnungsbaus durch den Arbeitgeber nicht mehr möglich sei. Ich erinnere daran, daß die Vorschrift über die Teilwertabschreibung in § 6 die Möglichkeit der Hergabe solcher Darlehen bietet. Beispielsweise ist bei der Hergabe eines Darlehns auf die Dauer von zehn Jahren eine Abzinsung von rund 25 % möglich. Wenn die Hergabe für einen noch längeren Zeitraum erfolgt, was gerade bei 7c-Darlehen sehr oft der Fall ist, ist dieser Abzinsungsbetrag noch erheblicher. Es gibt also durchaus Möglichkeiten, nur sind sie bisher nicht in dem Maße ausgeschöpft worden. Ich bin mit meinen Freunden der Überzeugung, daß sie nunmehr ausgenutzt werden und diesen Ausfall auszugleichen vermögen.
Nun ist gesagt worden, daß es, falls die Möglichkeiten des bisherigen § 7 c nicht mehr fortbestünden, notwendig wäre, höhere öffentliche Mittel aufzuwenden, und daß gerade der SBZ-Wohnungsbau davon betroffen sein würde. Wir teilen diese Besorgnis nicht, sondern möchten das zunächst einmal abwarten. Wir sind der Meinung, daß die Entwicklung des Kapitalmarktes den Ausgleich durch höhere Hypotheken ermöglicht. Bei richtigem Einsatz der öffentlichen Mittel in Form von Zinszuschüssen bzw. Mietbeihilfen ist ein Ausweg mit marktkonformen Mitteln möglich, die wir immer gewünscht haben. Allerdings bequemen sich die Länder nur sehr langsam zu diesen Methoden.
Was den SBZ-Wohnungsbau angeht, so gilt nicht nur diese Form des Einsatzes der öffentlichen Mittel, sondern auch das, was wir Anfang dieses Jahres bei der Erörterung des SBZ-Wohnungsbaus dargelegt haben: durch die Förderung des Familienhelms wird die Möglichkeit geschaffen, andere Wohnungen frei zu machen und dadurch der speziellen Aufgabe gerecht zu werden.
Wir bitten Sie daher, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Ziffer 2 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion, Umdruck 60, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.Wer Ziffer 6 der Vorlage, Seite 22, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Ich rufe auf Ziffer 6 a, Seite 25 der Vorlage. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1779
Präsident D. Dr. Gerstenmaierprobe! — Enthaltungen? — Angenommen. § 7 d ist damit einstimmig gefallen.Ich rufe auf Ziffer 7. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Zu den Ziffern 8 und 9 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? — Keine Wortmeldungen.Wer den Ziffern 8 und 9 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe auf Ziffer 10. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP, Umdruck 64 Ziffer 1 vor.
— Umdruck 64 Ziffer 1 ist schon begründet. Wird das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich war außerordentlich überrascht, als ich heute beim Lesen des Umdrucks 64 feststellte, daß entgegen der Abstimmung im Finanzausschuß der von der FDP sehr wohl begründete Antrag, die Benachteiligung der privaten Vorsorge nicht weiter aufrechtzuerhalten, jetzt auf einmal von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, abgelehnt wird.
Ich habe im Finanzausschuß zur Begründung darauf hingewiesen, daß sich mit dieser Frage, Herr Kollege Neuburger, schon der 2. Bundestag befaßt hatte. Der 2. Bundestag hat im Zusammenhang mit der Rentenreform, bei der schon die Frage der steuerlichen Benachteiligung und überhaupt der Benachteiligung der privaten Vorsorge berührt wurde, am 26. Juni 1957 eine Entschließung gefaßt, die ich dem Hohen Hause doch noch einmal zur Kenntnis bringen muß:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Zusammenhang mit einer Neuregelung von Vorschriften des Einkommensteuerrechtes, insbesondere des § 10 EStG — Sonderausgaben — zu prüfen, in welcher Weise den Angehörigen freier Berufe eine entsprechende steuerliche Behandlung gewährt werden kann wie den der öffentlichen Rentenversicherung unterliegenden Arbeitnehmern.
Wir von den Freien Demokraten sind allerdings der Auffassung, daß man eine solche Prüfung nicht nur auf die freien Berufe beschränken kann, sondern daß es sich hier um den Grundsatz steuerlicher Gleichsetzung von privater Vorsorge und Sozialversicherung handelt.
Die Situation ist doch folgende: Bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern sind die Arbeitgeberanteile ohne besondere steuerliche Belastung. Wenn aber jemand — ob das nun ein Freiberuflicher, ein Handwerker, ein Kaufmann ist —, der selber für Not, Alter und Krankheit vorsorgen will, eine entsprechende private vorsorgende Versicherung abschließt, dann ist er mit besonderen Steuern belastet. Es entspricht nicht nur dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der Gerechtigkeit in der Besteuerung, wenn diese Benachteiligung der privaten Vorsorge beseitigt wird, und zwar indem man einen Sonderfreibetrag schafft. Das war der Anlaß für unseren Antrag im Finanzausschuß. Er wurde dann in der Formulierung angenommen, wie sie auf Seite 29 der Drucksache 448 vorliegt. Damit ist die Gleichstellung gewährleistet, und damit ist auch die Steuergerechtigkeit gewährleistet.
Vorhin ist im Zusammenhang mit dem Splitting, zu dem wir als Freie Demokraten uns bei der Einzelberatung noch äußern werden, besonders auf die Verfassungsmäßigkeit hingewiesen worden. Schon der 2. Bundestag hatte, wie diese Entschließung zeigt, selber klar erkannt, daß hier die Steuergerechtigkeit und damit die Gleichmäßigkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit nicht gewahrt sind. Die Verfassungsmäßigkeit der Steuergesetze gebietet, daß der Ausgleich, wie es der 2. Bundestag gefordert hatte, nun auch endgültig erfolgt. Ich bitte Sie also, den Antrag der CDU, die Ausschußfassung zu ändern, abzulehnen und zu dem zu stehen, was der Ausschußantrag Drucksache 448 fordert.
Ich möchte zusätzlich noch auf unseren Antrag Umdruck 62 Ziffer 1 hinweisen. Wir sind gegen eine Begrenzung des „Gesamtbetrags der Einkünfte" auf 15 000 DM. Bitte, sehen Sie sich die Bestimmungen unter den Doppelbuchstaben aa, bb und cc an! Bei der freiwilligen Aufrechterhaltung der Sozialversicherung wird auch nicht von einer Einkommensgrenze ausgegangen. Es ist deshalb nicht mehr als recht und billig, daß man hier keine Grenze setzt, zumal die Vergünstigung selber nicht über den Betrag von 1000 DM hinausgehen soll. Das entspricht nicht einmal dem Betrag, der bei der entsprechenden Sozialversicherung steuerfrei zur Verfügung steht.
Herr Abgeordneter Dr. Brecht!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht in Ziffer 10 Buchstabe a unter bb vor, daß die Ziffer 4 des § 10 Abs. 1 des bisherigen Einkommensteuergesetzes gestrichen wird. Das bedeutet, daß mit diesem Gesetz die Kapitalansammlungsverträge im Kontensparen bei Kreditinstituten und die Kapitalansammlungsverträge in Form des sogenannten Wertpapiersparens aus der steuerlichen Vergünstigung herausgenommen werden. Wir haben zwar die Übergangsregelung im Art. 5 bis Ende dieses Jahres, aber eben nur noch eine Übergangsregelung, so daß beispielsweise Sparverträge mit feststehenden Sparraten schon in diesem Jahre nicht mehr steuerlich begünstigt abgeschlossen werden können.
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1780 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. BrechtIm Finanzausschuß hat die SPD-Fraktion beantragt, den § 10 Abs. 1 Ziffer 4 vorerst nicht zu streichen, sondern so lange bestehen zu lassen, bis an dessen Stelle das neue Sparprämiengesetz getreten ist. In der Regierungsvorlage und in der Erklärung, die der Herr Bundesfinanzminister in der ersten Lesung im Plenum, dann im Finanzausschuß und auch an mehreren anderen Stellen, zuletzt im Interview im „Spiegel", abgegeben hat, ist stets proklamiert worden, daß die bisherigen Steuervergünstigungen der Kapitalansammlungsverträge in § 10 durch das vorgelegte neue Sparprämiengesetz abgelöst werden sollen.Das Sparprämiengesetz, das allerdings erst am 1. Januar 1959 in Kraft treten soll, ist bisher noch nicht beraten worden. Die Regierungsvorlage ist unseres Wissens bereits in der CDU, ferner in der Wirtschaft und in der Tagespresse, aber auch bei einem der befragten Wissenschaftlichen Beiräte starker Kritik unterworfen und teilweise ganz abgelehnt worden. Es gibt sehr beachtliche Kreise, die Sparprämien in der vorgeschlagenen Form nicht wünschen.
Dem Vernehmen nach sollen auch in der Fraktionssitzung der CDU heute morgen Stimmen laut geworden sein, das Sparprämiengesetz gar nicht mehr weiter zu beraten. Diese Verlautbarungen sind so gewichtig, . daß es heute noch durchaus zweifelhaft ist, ob die Beratungen, die praktisch I erst nach den Parlamentsferien wieder aufgenommen werden können, zu einem positiven Ergebnis führen, ob das Sparprämiengesetz tatsächlich jemals kommen wird und ob der Bundesfinanzminister dann bereit und in der Lage sein wird, die für die Prämien erforderlichen Mittel bereitzustellen.Bei dieser Lage hätte die SPD-Fraktion es lieber gesehen, § 10 Abs. 1 Ziffer 4 würde erst aufgehoben, nachdem das ausgleichende Korrelat, das Sparprämiengesetz, gesetzgeberisch gesichert ist.
— Auf jeden Fall teilweise. Die sozialdemokratische Fraktion vertritt dabei die Auffassung, daß eine Begünstigung des Sparens in Form einer zweckmäßig gestalteten Gewährung von Prämien wirtschafts- und sozialpolitisch geboten ist. Sie tritt für die Prämiengewährung in angemessener Form grundsätzlich auch deshalb ein, weil hier die steuerliche Vergünstigung jedem Sparer gleichmäßig zukommt, während sie bekanntlich im Rahmen der Höchstbeträge in § 10 völlig unterschiedlich wirkt, je nachdem wie der Steuerpflichtige in der Steuerprogression steht.Wir sehen andererseits in !der Prämiengewährung in erster Linie nicht ein Mittel zur Belebung des Kapitalmarktes — worauf die Bundesregierung in ihren Verlautbarungen immer betont hinweist —, da der Kapitalmarkt mindestens in Ider gegenwärtigen Verfassung einer solchen Hilfe und eines solchen Anreizes sicherlich nicht bedarf. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß durch die Sparprämienkünftig und endlich auch idenjenigen ein wirtschaftlicher Vorteil für ihre in ihrer Sparleistung liegende Eigentumsbildung zuerkannt werden soll, die bisher bei den verschiedenen steuerlichen Maßnahmen gegenüber !denjenigen mit größerem Einkommen und auch !denjenigen mit einem größeren absoluten und relativen Vorteil in der Eigentums- und Vermögensbildung benachteiligt worden sind. Die Sparprämien sollen nach unserer Ansicht maßgeblich dazu beitragen, die Eigentumsbildung gerade auch in den breiten Schichten des Volkes mit niedrigerem Einkommen anzuregen und zu fördern, selbst Idann, wenn diese Bevölkerungskreise nicht mehr zur !direkten Steuerzahlung herangezogen werden.Die sozialdemokratische Fraktion sieht trotz gewisser Bedenken Idavon ,ab, den Antrag jetzt zu wiederholen, der dahin geht, § 10 Abs. 1 Ziffer 4 bis zur Verkündung des Sparprämiengesetzes bestehen zu lassen oder gar zu verlängern. Sie will jedoch ausdrücklich !den Sachzusammenhang zwischen der steuerlichen Begünstigung der Kapitalansammlungsverträge in § 10 mit dem allgemeinen Sparprämiengesetz betonen und gibt dabei der bestimmten Erwartung Ausdruck, daß dieses Gesetz rechtzeitig vor Jahresende verabschiedet wird und tatsächlich eine ausreichende Sparbegünstigung bringt. DieSPD-Fraktion behält sich ausdrücklich vor, igegebenenfalls erneut Anträge zur Ergänzung und zeitlichen Verlängerung der steuerlichen Begünstigung von Kapitalansammlungsverträgen im Sinne von § 10 zu stellen, falls das allgemeine Sparprämiengesetzüberhaupt nicht oder nicht rechtzeitig vor Ende !des Jahres oder aber nicht in einer uns ausreichend erscheinenden Form zustande kommt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bedenken wegen der Beseitigung der Vergünstigung für die sogenannten Kapitalansammlungsverträge hat Herr Dr. Brecht bereits im Finanzausschuß idargelegt. Ich hatte ,dort namens der CDU/CSU-Fraktion erklärt — und ich wiederhole das hier —, daß der Entwurf des Sparprämiengesetzes schnellstens beraten werden wird. Der Vorsitzende des von dem Finanz- und dem Wirtschaftsausschuß gerade zu diesem Zweck gebildeten Unterausschusses hatte schon zu zwei Sitzungen eingeladen. Die letzte Sitzung ist im Einvernehmen mit Herrn Kollegen Seuffert von der SPD wegen Terminschwierigkeiten abgesagt worden. Beide Ausschüsse waren durch die Verabschiedung der Steuervorlagen stark in Anspruch genommen, so daß der Unterausschuß noch nicht tagen konnte. Nun wird versucht werden, ihn in der nächsten Woche zu konstituieren. Wir haben die feste Absicht, das Sparprämiengesetz im Herbst dieses Jahres zu verabschieden.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1781
Das Wort hat ier Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Parteifreunde bitte ich, dem Antrag der FDP, einen zusätzlichen Sonderfreibetrag von 1000 DM für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit auch über 15 000 DM einzuführen, nicht stattzugeben. Ich habe heute schon diesen Fragenkomplex angesprochen. Richtig ist, daß der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung für den steuerpflichtigen Arbeitnehmer steuerfrei ist. Insoweit haben wir es also doch mit einem zusätzlichen Sonderfreibetrag zu tun. Entsprechend diesem Tatbestand haben wir dann im Ausschuß einen zusätzlichen Freibetrag für Nichtarbeitnehmer im Bereich der Pflichtversicherten eingeführt. Dann müßte aber logischerweise
— insoweit haben Sie recht — die Grenze von 15 000 DM fallen. Es müßte für die Nichtarbeitnehmer im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein zusätzlicher Freibetrag eingeführt werden; denn der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung ist steuerfrei, und darüber hinaus geht die gesamte betriebliche Altersversorgung ebenfalls zu Lasten des steuerlichen Gewinns. Das ist. ein Faktum, das niemand bestreiten kann.
Aber ich habe heute morgen schon gesagt: Dieser Antrag würde 150 Millionen DM mehr beanspruchen, und das können wir nicht machen. Wir können daher nur annäherungsweise einen Schritt in Richtung auf einen gewissen Ausgleich tun. Dieser Schritt besteht darin, daß wir entsprechend unserem Antrag die Sonderausgaben von 1000 DM auf 1100 DM bzw. im Falle der Zusammenveranlagung von Mann und Frau von 2000 auf 2200 DM erhöhen. Bei Steuerpflichtigen über 50 Jahren werden diese Beträge verdoppelt, und nach Buchstabe c der Nr. 10 kann davon nochmals die Hälfte abgesetzt werden. Das wird also in der Praxis in vielen Fällen zu einem zusätzlichen Freibetrag von 600 DM führen. Die Auswirkungen dieses Antrags glaubten wir haushaltsmäßig mit verkraften zu können.
Ich bitte also, den weitergehenden Antrag der FDP abzulehnen und den von uns gestellten Antrag auf Erhöhung von 1000 auf 1100 DM anzunehmen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab. Weitergehend — weil er mehr kostet, nicht weil er länger ist — ist der Antrag Umdruck 62 Ziffer 1. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP Umdruck 64 Ziffer 1. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Jetzt stimmen wir über die Ziffer 10 in der durch die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 64
Ziffer 1 veränderten Fassung ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.
Es geht weiter auf Seite 30. Hier liegt zu Ziffer 11 ein Änderungsantrag der Abgeordneten Mauk und Genossen auf Umdruck 68 vor. Er ist eben verteilt worden.
Zur Begründung der Herr Abgeordnete Mauk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, daß die Behandlung des § 10 a ausgesetzt wird, bis die Beratung über den Tarif abgeschlossen ist. Der jetzt aufgerufene Anderungsantrag wird nur aufrechterhalten, wenn unser Antrag zur Tarifgestaltung abgelehnt wird.
Das Haus ist damit wohl einverstanden. Der Antrag spricht für sich selber. — Gut, verfahren wir so. Ich stelle den Antrag und damit die Ziffer 11 zurück.
Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 60 Ziffer 3 auf Einfügung einer Ziffer 11a auf. Wird er begründet?
— Der Antrag ist schon begründet. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 60 Ziffer 3 auf Einfügung einer Ziffer 11 a zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP Umdruck 64 Ziffer 2! Er ist schon begründet. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 64 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wer der Ziffer 12 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich urn ein Handzeichen.
— Gegenprobe! — Angenommen!
Ziffer 13! — Kein Änderungsantrag.
Ziffer 14! — Kein Änderungsantrag.
Ziffern 15, 16, 17, 18! — Unverändert. Wird das Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen!
Ziffer 19 auf Seite 32! Hierzu liegen Änderungsanträge vor, zunächst Umdruck 64 Ziffer 3; er ist begründet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Harm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ziffer 19 betrifft die prinzipielle Frage: Individualbesteuerung oder nicht. Um diesen Punkt haben wir uns im Ausschuß ja sehr lange gerauft. Ich freue mich, hier feststellen zu können, wie ich es schon einmal vor dem Ausschuß konnte, daß sich die Juristen doch immer wieder zusammenfinden. Die CDU hat nunmehr den Antrag gebracht,
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1782 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. Hannden wir auch gestellt haben. Ich verzichte auf mein Prioritätsrecht, wiewohl ich mich im Ausschuß immer sehr stark für diesen Antrag eingesetzt habe. Meine Freunde werden ihren Antrag zurückziehen und nun Ihrem Antrag zustimmen.
Der SPD-Antrag Umdruck 60 Ziffer 4 ist also zurückgezogen.
— Dann bitte ich, meine Damen und Herren, die
Ziffern 4, 5 und 6 auf dem Umdruck 60 zu streichen.
Frau Abgeordnete Diemer hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen wurde in der allgemeinen Aussprache von den beiden anderen Parteien zu dem Splitting eingehend Stellung ,genommen. Wir Freien Demokraten haben uns an das gehalten, was vereinbart war, daß nämlich erst bei den Einzelanträgen 'die Einzelprobleme besprochen werden sollten. Deshalb haben wir davon abgesehen, heute morgen in der Generalaussprache zu dem vorgeschlagenen Splitting eingehend Stellung zu nehmen. Wir haben uns unsere Stellungnahme vorbehalten, bis der jetzt zur Beratung stehende Punkt an ,die Reihe kam.
Wir Freien Demokraten sind ja nun einmal Opposition. Wenn ich in den vergangenen Wochen danach gefragt wurde, wie wir zu den Steuerreform) gesetzen stünden, sagte ich — der Herr Finanzminister wird es mir nicht übelnehmen —: An und für sich kann ich mir für uns in der Opposition etwas Schöneres gar nicht vorstellen. Was wir seit Jahren gefordert und nicht erreicht haben — weg von der gemeinschaftlichen Veranlagung und hin zu dem Splittingverfahren —, hat jetzt die Regierung von uns übernehmen müssen, obwohl wir in der Opposition stehen.
Die Regierung hat uns jetzt also einen Gesetzesvorschlag unterbreitet, in idem das Splitting vorgesehen ist, in dem unseren Forderungen Rechnung getragen ist, die wir entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 erhoben haben.
— Sie wissen, Herr Kollege, daß wir Freien Demokraten uns immer bemühen, eine konstruktive Opposition zu treiben.
Wir schließen ,uns stets da .an, wo unseren Auffassungen von ,der Regierung Rechnung getragen wird.
Es hat mich nicht verwundert, daß seitens der SPD gegen dieses Splitting-Verfahren Sturm gelaufen wurde. Das hat natürlich seinen politischen Hintergrund, auch wenn heute morgen gerade von seiten der SPD so sehr auf die Verfassungsmäßigkeit abgestellt wurde. Herr Kollege Harm, sie selbst haben ja den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zitiert und dabei darauf hingewiesen, daß in dieser Entscheidung vom 17. Januar auch das Splitting ausdrücklich angeführt wurde. Nur haben Sie bezweifelt, ob das in diesem Zusammenhang nachher so stimmt. Ich bin der Auffassung, diese Entscheidung hat ganz klar erbracht, daß die früher geübte allgemeine Veranlagung nicht stattfinden darf. Sie hat weiter erbracht, daß an und für sich die Individualbesteuerung zulässig ist. Weiterhin hat sie mit aller Eindeutigkeit ausgeführt, daß hier auch der Familie besonders Rechnung getragen werden kann. Sie haben gesagt, das sei der Familienvater gewesen. Ja, du meine Güte, ob es ein Familienvater ist oder wer sonst, die Familie als solche wird doch erfaßt!
Ich halte unsere Verfassungsrichter nicht für so wirklichkeitsfremd, daß sie, wenn sie einen derartigen Ausdruck gebrauchen, nicht auch genau wüßten, was das Splitting bedeutet und wie das in Amerika gehandhabt wird. Wenn das in dieser maßgeblichen Entscheidung angeführt wird, wenn weiterhin die Ubergangsregelung des Jahres 1957 in einer anderen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur als ein Notbehelf angesehen und praktisch entschuldigend gesagt wird: „Na ja, es bestand keine Zeit für den Bundestag, die Dinge eingehend zu regeln", ergibt sich doch klar, daß das Splitting, wie es hier von der Regierung vorgetragen wurde und wie es von den Freien Demokraten seit vielen Jahren vertreten wurde, verfassungsmäßig ist.
Von Ihnen wurde gesagt, man sollte jetzt nicht politisch argumentieren; es komme auf die Verfassungsmäßigkeit an. Herr Kollege, die Ausgestaltung der Steuern ist natürlich auch eine politische Frage. Es ist selbstverständlich von Bedeutung, wie ich den Tarif aufbaue. Wir Freien Demokraten sind der Auffassung, daß gerade diese Gesetze den Anlaß geben, hier endlich die steuerliche Benachteiligung des Mittelstandes auszugleichen. Unter diesem Gesichtspunkt haben wir auch den von Ihnen nun abgelehnten Antrag bezüglich der privaten Vorsorge gestellt. Es liegt in dieser Linie, daß nachher der Herr Kollege Mauk noch unseren geänderten Tarif begründen will. Es liegt auch in dieser Linie, daß wir uns gerade hier nochmals sehr eindeutig für das Splitting einsetzen.
Ich möchte noch auf folgendes hinweisen: Wir dürfen, wenn wir Gesetze machen, nicht von exzeptionellen Fällen ausgehen. — Herr Kollege, Sie möchten eine Frage stellen?
Frau Kollegin, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, daß in dem Paragraphen, zu dem Sie jetzt sprechen, von Splitting gar nicht die Rede ist?
Das hängt doch alles zusammen, Herr Kollege. Wir fangen jetzt bei der Ziffer 19 an, dann kommt Ziffer 20. Da hole ich das eben im Zusammenhang nach. Ab Ziffer 19 beginnen die Bestimmungen über die Einkom-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1783
Frau Dr. Diemer-Nicolausmensteuer. Ich kann mir nicht denken, Herr Kollege, daß es Ihnen so unangenehm ist, wenn ich jetzt schon zu diesem Komplex spreche.Wenn wir hier Gesetze machen, dürfen wir nicht von exzeptionellen Fällen ausgehen, sondern wir müssen von der großen Masse der Fälle ausgehen. Wie steht es denn in dieser Hinsicht? Die Beispiele, die Sie vorhin genannt haben, um gegen das Splitting zu polemisieren, sind ganz offensichtlich, nehmen Sie mir das nicht übel, ganz wenige, herausgegriffene, exzeptionelle Fälle, von denen ich gar nicht weiß, ob sie überhaupt der Wirklichkeit entsprechen. Aber von der großen Masse, von der echten Steuererleichterung, die für die freischaffenden mittelständischen Schichten eintritt, haben Sie nicht gesprochen. Als Sie den Sockeltarif bis 8000 DM angriffen, haben Sie dabei nicht gesagt — man muß immer alles sagen! —, daß schon durch die erhöhten Freibeträge auch bei diesen Personengruppen eine ganz wesentliche Erleichterung eintritt, und das setzt sich eben nachher noch fort.Und dann das Thema: Mehrbelastungen für Unverheiratete! Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Als ich zuerst hörte, daß unverheiratete Personen — Gott sei Dank sagt man nicht mehr Junggesellen — stärker belastet werden sollen, war meine erste Reaktion ein sehr betontes Aber. Ich sehe es nur sehr ungern — genau so hat sich Herr Kollege Preusker ausgedrückt —, wenn durch eine verbesserte Steuerform bestimmte Personengruppen, vor allen Dingen die vielen unverheirateten Frauen, steuerlich benachteiligt werden.Der Herr Bundesfinanzminister hat schon bei der Einbringung der Steuergesetze darauf hingewiesen, daß diese Belastung — vor allen Dingen soweit es sich um den Proportionaltarif handelt — doch nur geringfügig sei. Nun, ich weiß, je dicker die Drucksachen sind, um so weniger werden sie von denen, die nicht gerade in den betreffenden Ausschüssen damit zu tun haben, gelesen. Aber ich wäre doch auf Grund der Ausführungen, die heute morgen gemacht worden sind, dankbar, wenn Sie noch einmal die Drucksache 260 zur Hand nehmen und dort die Tabelle auf Seite 38/39 aufschlagen wollten. Da werden Sie folgendes feststellen: Es wird von Unverheirateten ausgegangen, bei denen bis zu einem Einkommen von 4000 Mark überhaupt keine Steuerrhöhung eintritt. Bei einem Einkommen von 5000 Mark beträgt die Erhöhung für Unverheiratete jährlich 14 Mark, bei 6000 22 Mark und bei 7000 12 Mark, und dann vermindert sich die Steuer unter den bisherigen Satz. Der Mehrbetrag steigt iachher erst wieder bei dem Einkommen eines Alleinstehenden von 14 000 Mark langsam an, und zwar beträgt hier die Erhöhung 4 Mark, später 33 und dann 39 Mark.Meistens ist es so, daß nichts Besseres geschaffen werden kann, ohne daß nicht kleine UngleichmäßigKeiten und Benachteiligungen irgendwo in Kauf genommen werden müssen. Nun bin ich der Auffassung, daß die große Masse gerade der unverheirateten Frauen gar nicht so viel verdient, daß diese Frage der Mehrsteuer für sie aktuell wird. Nehmen Sie es mir nicht übel: Wenn ein Nichtverheirateter ein Einkommen von 50 000 DM hat und statt bisher16 365 DM 16 680 DM — also 315 DM mehr — zahlt, dann nehme ich das zugunsten der ganz weitgehenden Entlastung der Familie, die durch das Splitting herbeigeführt wird, in Kauf.Herr Kollege Harm, Sie sagten in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit, diese Regelung vertrage sich überhaupt nicht mit unserem Gleichberechtigungsgesetz, das wir verabschiedet haben. Ich bin gerade umgekehrter Auffassung. Ich betrachte diese Regelung als die logische Folgerung aus der Zugewinngemeinschaft, die wir eingeführt haben. Bei dem Zugewinn ist es doch praktisch so, daß die Frau, obwohl sie nicht berufstätig, sondern als Hausfrau tätig ist, zur Hälfte an dem Anteil nimmt, was in der Ehe zugewonnen wird. Es ist die logische steuerrechtliche Folgerung, daß man sagt: Bitte schön, hier muß dann auch so verfahren werden. Wir müssen die Arbeit der Hausfrau, der Frau, die nicht berufstätig ist, entsprechend achten, und deshalb muß die Möglichkeit der steuerlichen Berücksichtigung gegeben sein. Die bisher zur Verfügung stehenden Freibeträge reichen dazu einfach nicht aus.Ich habe vorhin auf die Bedenklichkeit der Übergangsregelung für das Jahr 1957 hingewiesen. Meine Damen und Herren, fragen Sie einmal die Finanzbeamten, welche Schwierigkeiten sie macht, und zwar deshalb, weil man auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar auch darangehen mußte, die Mitarbeit der Frau im Betrieb des Mannes, also auch Arbeitsverträge, die zwischen Ehegatten abgeschlossen werden, gegebenenfalls steuerlich zu berücksichtigen. Das hat natürlich dazu geführt, daß allen möglichen Manipulationen in sehr großem Umfang Tür und Tor geöffnet wurde. — Herr Kollege Harm, Sie wollen etwas fragen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Abgeordnete?
Bitte!
Ist Ihnen bekannt, daß das, was Sie so sehr attackieren, bereits in der Steuergesetzgebung von 1925 unentwegt stand, his das „Dritte Reich" andere Sätze schuf?
Herr Kollege Harm, das ist mir durchaus bekannt. Es hat mich aber nicht gehindert, seit Jahren dagegen zu kämpfen. Es kommt ja darauf an, was ich jetzt als richtig erachte. Dazu ist nun folgendes zu sagen. Gerade wir haben gesagt — und auch noch im Ausschuß habe ich mich, das wissen Sie, dafür eingesetzt —, das Splitting sollte so gestaltet werden, daß, auch wenn wir die Wahl der getrennten Veranlagung zulassen, die Möglichkeit, mit Arbeitsverträgen alles Mögliche zu machen, ausgeschaltet wird. Dafür haben wir jetzt die klare Regelung des Splitting. Das halte ich also für einen wesentlichen Punkt.Es ist nun einmal so, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, daß sich für den großen Kreis des Mittelstandes dieses Splitting
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1784 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Frau Dr. Diemer-Nicolaustrotz der Progression, die durch den anderen Tarif eintritt, so auswirkt, daß man tatsächlich erheblich weniger Steuern zu zahlen haben wird. Das sind nicht einzelne Bezieher großer Einkommen, sondern das ist die große Masse des freien Mittelstandes, der freien Berufe, der Handwerker, der Kaufleute, der kleineren und mittleren Fabrikanten, und was eben dazugehört. Verkennen Sie das bitte nicht und überschätzen Sie hier bitte nicht die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten! Ich weiß natürlich nicht, ob nachher jemand — in diesem Falle wären es ja wahrscheinlich Männer — hingehen und beim Bundesverfassungsgericht eine verfassungsrechtliche Nachprüfung beantragen wird. Ich scheue diesen Antrag nicht. Denn dadurch, daß wir entgegen der Regierungsvorlage die Wahl der getrennten Veranlagung zugelassen haben, ist es so, daß auch die Ehepaare, die jeder für sich ein selbständiges Einkommen oder selbständige Einkünfte hatten, jetzt durch die erhöhte Progression nicht steuerlich benachteiligt werden. Sie können vielmehr entscheiden, ob sie nun das eine oder das andere wollen.
Im Sinne der Einfachheit und Klarheit der Steuergesetze wäre es mir allerdings lieber gewesen, wir hätten uns zu einem Grundprinzip bekennen können. Ich habe aber durchaus Verständnis dafür, daß die Verhältnisse so verschieden gelagert sind, daß man auch gegebenenfalls der getrennten Veranlagung stattgeben soll. Was ich aber wiederum bedaure, ist, daß Sie, meine Herren Kollegen von der CDU, in Ihrem Antrag Umdruck 64 von der klaren Haltung zurückweichen, die Sie noch im Finanzausschuß in dieser Hinsicht eingenommen haben. — Doch, Herr Kollege Neuburger, auch wenn Sie jetzt den Kopf schütteln! Jetzt muß nämlich jedesmal der Antrag gestellt werden, ob das eine oder das andere, und nur im Abs. 3 sagen Sie: Wenn kein Antrag gestellt wird, wird die Wahl der Zusammenveranlagung unterstellt. Außerdem stellen Sie die getrennte Veranlagung als § 26 a an die Spitze, und die gemeinsame Veranlagung kommt erst dahinter als § 26 b. Schöner wäre es gewesen, wenn man die gemeinsame Veranlagung, das Splitting, als § 26 a und die andere Möglichkeit als § 26 b genommen hätte und nicht so, wie es im Ausschuß der Fall gewesen ist, noch ausdrücklich auf die Antragstellung abgestellt hätte.
— Ja, eine raffinierte Formulierung von Ihnen! Die Zeit hat heute nicht ausgereicht, nachdem wir ja alle diese Umdrucke erst in der Sitzung bekommen haben und den Herren Vorrednern aufmerksam zuhören mußten, daß wir uns noch eingehend mit den von Ihnen beabsichtigten Raffinessen auseinandersetzen konnten. Ich werde mir aber daraufhin nach der zweiten Lesung — es gibt ja noch eine dritte Lesung — Ihre Raffinessen noch einmal anschauen.
— So habe ich es auch aufgefaßt, auch den Abs. 3, Herr Kollege Neuburger. Andernfalls müßte ich ja auffordern, gegen diesen Antrag zu stimmen, was ich aber nicht tue.Ich möchte noch einmal betonen, daß wir die Einführung des Splitting für einen ganz wesentlichen Fortschritt, diesmal sogar im Sinne einer echten Steuerreform, halten.
Ich glaube, daß hier wirklich der Ansatz — der erste und einzige Ansatz beinahe — zur echten Steuerreform gemacht wird, und ich hoffe, daß in diesem Geist auch an die anderen Steuergesetze herangegangen wird.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar über den Änderungsantrag Umdruck 64 Ziffer 3. Wer diesem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das ganze Haus ist damit einverstanden; der Antrag ist angenommen.
Durch die Annahme dieser neuen Fassung des § 26 ist Ziffer 19 erledigt.
Ich rufe auf die Ziffer 20. Hierzu lagen zwei Änderungsanträge vor. Der Antrag Umdruck 60 Ziffer 5 ist erledigt; er ist zurückgezogen worden. Es liegt vor der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP Umdruck 64 Ziffer 4. Er ist begründet worden. Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Damit ist Ziffer 20 erledigt, weil die §§ 26 bzw. 26 a und b neu gefaßt und damit vom Hause angenommen sind.
Ziffer 21! Der Änderungsantrag Umdruck 60 Ziffer 6 ist zurückgezogen. Andere Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer der Ziffer 21 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ziffer 22! Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 60 Ziffer 7 vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? — Frau Kollegin Beyer! — Ziffer 7 Buchstabe b ist wahrscheinlich erledigt.
Das ergibt sich aus der Zurücknahme der Anträge Ziffern 4 bis 6.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Ziffer 7 auf Umdruck 60 bezweckt die Heraufsetzung des steuerlichen Freibetrages für das erste Kind.Zur Begründung möchte ich vorweg einige allgemeine Bemerkungen machen. Die Art der Regelung des Freibetrages wird in der Öffentlichkeit
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1785
Frau Beyer
immer wieder angegriffen, vor allem in bezug auf die ungleiche Wirkung je nach der Höhe des Einkommens. Ich kann mich hier auf die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates beim Finanzministerium beziehen, in der auf Seite 12 folgendes ausgeführt wird — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich es wörtlich wiedergeben —:Der Übergang zum Splittingverfahren sollte jedoch zum Anlaß genommen werden, um das bisherige Verfahren der Kinderermäßigung im Rahmen der Einkommensteuer zu überprüfen. Die mit wachsendem Einkommen zunehmende Höhe des Steuervorteils der Kinderfreibeträge, die sich aus der Progressionswirkung ergibt, erscheint unter diesen Umständen nicht mehr gerechtfertigt. Der Beirat schlägt deshalb vor, das bisherige System des Abzuges eines Freibetrages vom Einkommen durch den Abzug eines für alle Steuerpflichtigen gleichen Betrages von der Steuerschuld zu ersetzen.Eine weitere Begründung für diesen Vorschlag liegt darin, idaß er einen Schritt in Richtung eines als sinnvoll anzusehenden, gegenwärtig aber noch nicht zu realisierenden Systems der Kindergeldgewährung ,darstellt, bei dem eine Berücksichtigung der Kinderlasten in der Einkommensteuer entfällt.Man könnte natürlich sagen, daß eine solche Regelung als Idie gerechteste anzusprechen wäre. Der Vorschlag ist im Ausschuß auch verschiedentlich von unserer Fraktion aufgegriffen worden. Man hat ihn aber immer wieder zurückgestellt. Infolgedessen hat es wahrscheinlich wenig Sinn — jedenfalls ist das ,die Auffassung der Fraktion —, ihn hier in dieser Form zu stellen.Ich möchte aber noch einmal demonstrieren, wie unsozial die jetzt vorgesehene Lösung ist. Eine Familie mit mindestens drei Kindern erhält Kindergeld und Steuerermäßigung. Die Steuerermäßigung ist, wie auch der Wissenschaftliche Beiratdargelegt hat, bei niedrigen Einkommen gering und steigt, je weiter man in Idie höheren Einkommensklassen kommt. Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst erhalten für alle Kinder Kindergeld sowie Steuerermäßigung. Andere Einkommensbezieher bekommen, wenn sie nur zwei Kinder haben, nur Steuerermäßigung. Einkommensgruppen, die nicht in die Besteuerung hineinfallen, haben bei zwei Kindern überhaupt nichts, bei drei und mehr Kindern nur das Kindergeld.Ich führe das nur ,an, um darzutun, daß der Wissenschaftliche Beirat durchaus recht hat und daß die Regelung des Systems, wie sie jetzt vorgesehen ist, als unsozial bezeichnet werden muß.Das Finanzministerium hat erklärt, wenn man für alle Kinder den gleichen Steuerfreibetrag einsetzte, würde 'das einen sehr hohen Steuerausfall bedeuten. Diese Behauptung ist bereits im Ausschuß abgelehnt worden. Wir versuchen nur in unserem Antrag, wenigstens den ersten Schritt zu tun, d. h., es soll zumindest Idie Minderbewertung des ersten Kindes in etwa beseitigt werden. Ich möchte an alle Anwesenden idie Frage richten, ob denn nicht jederdem zustimmt, ,daß die wirtschaftliche Umstellung in der Familie dann vollzogen werden muß, wenn das erste Kind geboren wird. Die Mutter soll sich ja —das wollen wir letzten Endes alle, und dies wird vor allen Dingen von unserem Familienministerium immer wieder herausgestellt — den Kindern widmen. Daher sollte man gerade beim ersten Kind einen entsprechenden Freibetrag bewilligen.
Es ist auch zu berücksichtigen, daß im Rahmen dieser wirtschaftlichen Umstellung in der Familie die Mutter unter Umständen den Beruf aufgibt, so daß sich eine Einschränkung des Familieneinkommens ergibt, und zwar auf Jahre. Es kommen hinzu die Anschaffungen, die gerade mit 'dem ersten Kind verbunden sind, die Babyausstattung, ,der Kinderwagen, die Kosten für ,die Beschaffung und die Einrichtung einer größeren Wohnung.Aus all dem ergibt sich meines Erachtens die Verpflichtung, es nicht ibei der Staffelung von 900 DM für das erste, 1680 für das zweite und 1800 DM für Idasdritte Kind zu belassen, sondern für das erste Kind einen höheren Freibetrag einzusetzen.Ich darf ergänzend bemerken, man muß auch berücksichtigen, daß vielfach, wenn das erste Kind geboren wird, die junge Ehe noch mit Abzahlungsverpflichtungen aus Käufen bei Gründung der Ehe belastet ist. All das wirkt dann wiederum auf die Entscheidung der jungen Mutter ein, ihren Beruf aufzugeben. Wenn wir also wollen, daß sich die junge Mutter dem Kind widmet, sollten wir den von uns vorgeschlagenen Schritt tun.Es ist auch zu bedenken, daß die Zweit- und DrittKinder bei weitem nicht mehr die Kosten verursachen wie Idas erste Kind. Jeder, der Kinder hat, weiß, daß man beim zweiten Kind auf die Sachen des ersten zurückgreifen kann.
— Dann muß ich annehmen, daß Sie das, was Sie vom ersten Kind hatten, einfach weggeben. Nun, eine gute Mutter und vor allen Dingen eine gute Ehefrau wird das vorsorglich aufbewahren, damit sie es auch noch für das zweite und dritte Kind hat. Ich glaube, das hängt ganz davon ab, in welchen Verhältnissen man lebt.
Abschließend darf ich sagen: wenn man eine echte Familienpolitik betreiben will, dann muß gerade für die junge Mutter und das erste Kind ein erhöhter Freibetrag gegeben werden. Wir haben diese Frage — um auch dem Finanzminister den Schritt zu erleichtern —, nun damit zu lösen versucht, daß wir für das erste Kind vorerst einen Freibetrag von 1200 DM vorschlagen. Wir wissen, daß damit eine Mindereinnahme verbunden ist und der Etat des Bundesfinanzministers belastet wird. Aber wir glauben, daß im Hinblick auf die von allen immer wieder herausgestellte Familienpolitik unser Antrag unbedingt anzunehmen ist, den erhöhten Freibetrag zu gewähren. Im übrigen glauben wir,
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1786 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Frau Beyer
daß dies nur ein Akt der Gerechtigkeit ist. Sie wollen daher unserem Antrag die Zustimmung nicht versagen.
Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche nicht zu versichern, daß uns die Fragen der Familie und der Ehe ganz besonders am Herzen liegen. Wir haben uns das, was Frau Kollegin Beyer hier ausgeführt hat, sehr sorgfältig nicht erst heute überlegt, sondern schon manches Mal geprüft und erörtert. Frau Kollegin Beyer hat selbst darauf hingewiesen — sie weiß es, und Sie brauchen meine Worte also gar nicht zu kritisieren —, daß wir über diese Dinge im Ausschuß immer wieder gesprochen und uns Mühe gegeben haben, hier eine tragbare Lösung zu finden.
Ich muß noch folgendes sagen. Die gesamte Vorlage der Bundesregierung ist ihrem Sinn und Wesen nach bestimmt durch Gedankengänge, die dem sehr nahestehen, was Frau Kollegin Beyer soeben ausgeführt hat. Der Bundesfinanzminister ist bereit, für diesen Zweck im Rahmen der gesamten Vorlage insgesamt über 2 Milliarden DM zur Verfügung zu stellen; das sind die Kosten der Vorlage der Regierung. Es ist klar, daß er damit an die äußerste Grenze dessen gegangen ist, was er als verantwortlicher Minister für den Bundeshaushalt tun kann. Wir freuen uns, daß er das getan hat.
Die Betrachtung vom haushaltsmäßigen Standpunkt aus ist ganz unerläßlich. Die Haushaltsfragen sind bei jeder Steuerdebatte mit entscheidend. Bei einer Steuer kommt es nicht nur darauf an, wie sie im einzelnen aussieht, sondern dabei ist immer noch ein sehr wichtiger Punkt, daß sie finanziell ergiebig ist, daß sie das bringt, was der Haushalt braucht. Dabei dürfen die Bedürfnisse des öffentlichen Haushalts nicht unbeachtet bleiben. Die Gelder des öffentlichen Haushalts sind ja schließlich dazu da, alle die öffentlichen Aufwendungen zu erfüllen, die dem Interesse von Staat und Volk dienen.
Damit komme ich zu einem Kernpunkt. Ich habe betont, daß uns Gedankengänge, wie sie der Wissenschaftliche Beirat vorgetragen und wie sie Frau Kollegin Beyer hier erörtert hat, durchaus sympathisch erscheinen. Wir sind bereit, uns weiter darüber zu unterhalten, müssen Sie aber darauf aufmerksam machen, daß eine Erhöhung des Freibetrages für das erste Kind von 900 auf 1200 DM für den Haushalt einen Ausfall von 300 Millionen DM bedeuten würde. Das kann bei allem Optimismus, der hier schon gezeigt worden ist und den der Herr Bundesfinanzminister wahrhaftig bewiesen hat, nicht verantwortet werden.
Zu unserem Bedauern müssen wir deshalb aus sachlichen Erwägungen mit Rücksicht auf den Haushalt das Haus bitten, den vorhin gestellten Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Corterier!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, den Antrag meiner Fraktion Umdruck 60 Ziffer 7 Buchstabe c zu begründen. Er sieht vor, in § 32 EStG dem Abs. 3 folgende neue Ziffer 3 anzufügen:Bei Steuerpflichtigen, bei denen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit überwiegen, ist ein Ausgleichsfreibetrag von 10 vom Hundert dieser Einkünfte, höchstens 600 Deutsche Mark, abzuziehen.Es handelt sich hierbei um einen alten Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, der schon verschiedentlich erörtert worden ist, nämlich um den Arbeitnehmerfreibetrag. Ich glaube, es besteht kein Zweifel darüber, daß sich gerade bei den Lohnsteuerpflichtigen gleiches Recht ungleich auswirkt: auf der einen Seite das Privileg der Gestaltung, nämlich die Steuererklärung und die Veranlagung, auf der anderen Seite der ad-hoc-Abzug an der Quelle; auf der einen Seite die Möglichkeit der Auslegung der Steuergesetze, auf der anderen Seite keinerlei Einflußnahme auf diese Dinge; auf der einen Seite eine — wie wir aus der Praxis wissen und wie wir es gerade jetzt wieder erleben, weil wir im Augenblick erst dabei sind, für die Veranlagten die Steuerschuld des Jahres 1956 festzustellen — durch die Verhältnisse bedingte, oft verspätete Zahlung der Steuerschuld, die teilweise einem staatlichen zinslosen Darlehen gleichkommt; auf ,der anderen Seite die pünktliche sofortige Zahlung, ja, wenn man an den Lohnsteuerjahresausgleich denkt, oft sogar eine Überzahlung, die erst später wieder revidiert werden kann.Nun wird man mir entgegenhalten: Die Veranlagten müssen dafür eine Prüfung über sich ergehen lassen, bestimmte Forderungen erfüllen und bestimmten Auflagen nachkommen. Das alles mag stimmen, aber es bringt uns nicht über den Unterschied hinweg, der zwischen dem Lohnsteuerpflichtigen und demjenigen besteht, der seine Einkommensteuer Wege der Veranlagung bezahlen darf. Natürlich ist es richtig, daß die Tarife an sich gleich sind und daß der Lohnsteuertarif deshalb etwas niedriger ist, weil dort die Pauschale für die Sonderausgaben und die Werbungskosten eingebaut ist. Trotzdem darf ich wiederholen: hier wirkt sich gleiches Recht ungleich aus. Deswegen unser immer wiederholter Antrag, den Lohnsteuerpflichtigen, d. h. den Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, bei denen diese Einkünfte überwiegen, einen Freibetrag zuzumessen.Auch die Wissenschaft und die Literatur haben sich verschiedentlich mit dieser Frage beschäftigt. Ich darf von den vielen Äußerungen vielleicht Schmölders, Köln, oder Flume, Bonn, oder die Diskussionsbeiträge des Arbeitsausschusses für die Große Steuerreform zitieren, der seinerzeit vom Finanzausschuß des Bundesrats eingesetzt wurde und dessen Arbeitsergebnisse seit 1954 vorliegen. Deswegen sind sie in dieser Frage aber nicht weni-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1787
Corterierger aktuell, als sie es damals gewesen sind. Auch der Bund Deutscher Steuerbeamter hat in seiner Stellungnahme zu den Steueränderungsgesetzen von einer ausgleichenden Gerechtigkeit und von einer Verwaltungsvereinfachung gesprochen, wollte man sich zu diesem Entschluß durchringen und den Arbeitnehmerfreibetrag in das neue Steuersystem einbauen.Auf der anderen Seite liegen auch schon Erfahrungen mit dieser Art der Handhabung der Steuergesetze vor. Wir wissen, daß für diese Einkünfte in Italien und Japan seit langem ein Freibetrag von 25 % gewährt wird. Wir wissen, daß in Frankreich seit 1954 ein Abschlag von 10 % bewilligt wird. Wir wissen, daß diese Bestimmung ebenfalls im angelsächsischen Steuerrecht verankert ist. Auch in dieser Stadt hat in der Zeit, als die britische Besatzungsbehörde noch Weisungsgewalt hatte, etwas Gleiches gegolten, denn damals war in der britischen Besatzungszone bei Einkünften aus selbständiger und unselbständiger Arbeit pro Jahr ein Freibetrag von 1000 RM abzugsfähig.Deswegen möchte ich Sie noch einmal bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben und trotz aller Bedenken, die in finanzieller Hinsicht bestehen, dafür zu sorgen, daß diese Ungleichmäßigkeit, die seit langem in unserem Steuerrecht ist, dadurch beseitigt wird, daß wir jetzt den Arbeitnehmerfreibetrag genehmigen.
Herr Abgeordneter Krammig!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Corterier hat recht, wenn er davon spricht, daß es sich um ein altes Anliegen handelt. Aber wenn Sie sich die neue Steuervorlage einmal ansehen, stellen Sie fest, daß sich aus wahllos herausgegriffenen Beispielen ergibt, daß z. B. der Unverheiratete künftig 247 DM monatlich verdienen kann, der Verheiratete mit drei Kindern 752 DM und der mit fünf Kindern sogar 1052 DM, bevor überhaupt bei ihm eine Lohnsteuerpflicht eintritt. Dabei ist noch völlig unberücksichtigt gelassen, daß Werbungskosten und Sonderausgaben — außerhalb der Pauschbeträge —nicht einbezogen sind.
Bedenken Sie weiter, daß von 20,6 Millionen Lohnsteuerpflichtigen nach dem Stande von 1958 rund 9,7 Millionen mit dieser und der vorhergehenden Steuerreform aus der Besteuerung mit Lohnsteuer überhaupt ausgeschieden sind. Rund 47 v. H. aller Lohnsteuerpflichtigen haben also von der Einführung eines Arbeitnehmerfreibetrages überhaupt nichts. Der Arbeitnehmerfreibetrag kommt nur denen zugute, die bedeutend mehr monatlich verdienen als die Beträge, die ich genannt habe.
Gehen wir einmal davon aus, daß z. B. nur 10 v.H. der Verheirateten mit vier Kindern noch Lohnsteuer zahlen, daß es bei Verheirateten mit drei Kindern nur 20 % und bei Verheirateten mit zwei Kindern nur 40 % sind. Dann werden Sie verstehen,
daß wir uns im Hinblick auf den hohen Ausfallbetrag, der durch diesen zusätzlichen Freibetrag entsteht, nicht dazu entschließen können, eine besondere Steuerzuwendung an Kreise zu machen, die sie zunächst einmal gar nicht nötig haben, und alle die außer Betracht zu lassen, die sie eigentlich nötig hätten, denen wir aber nicht helfen können, weil sie sowieso schon keine Lohnsteuer mehr zahlen. Der Ausfallbetrag ist, wenn wir diesen Steuerfreibetrag generell auf 600 DM limitieren, 1,2 Milliarden. Wenn der Antrag, den die SPD-Fraktion vorgelegt hat, angenommen würde, würde er sich auf schätzungsweise 800 bis 900 Millionen DM beziffern.
In Anbetracht dieses Umstandes möchte ich Sie bitten, den Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf kurz noch zu dem Antrag auf Umdruck 71 Stellung nehmen, der von den Mehrheitsfraktionen vorgelegt und vorhin begründet worden ist. Da wollen Sie also zunächst einmal großzügigerweise vorsehen, daß alleinstehende Personen künftig nicht mit 55, sondern bereits mit 50 Jahren alt werden. Verheiratete werden, wie Sie aus der nächsten Ziffer sehen, bekanntlich erst mit 70 Jahren alt. Es ist eine alte Streitfrage, ob sie länger leben oder ob es ihnen nur länger vorkommt.Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Ziffer 2 Ihrer Aufmerksamkeit empfehlen. Die derzeitige Fassung scheint mir nämlich darauf hinauszulaufen, daß zusammenveranlagte Ehegatten, bei denen nicht beide, sondern nur einer das 70. Lebensjahr überschreitet, schließlich und endlich überhaupt keinen solchen Altersfreibetrag bekommen. Bisher bekamen sie, wenn nur einer der Ehegatten das 70. Lebensjahr überschritten hatte, den Altersfreibetrag von 720 DM, und ich denke, dabei sollte es auch bleiben. Ich würde dringend empfehlen, daß das Ministerium — denn so kann es ja nicht gemeint sein — für die dritte Lesung eine entsprechende Fassung vorbereitet. Wenn es das nicht tut, werden wir es tun.Was die Ziffer 1 anlangt, die die Alleinstehenden betrifft, so wollen Sie großzügigerweise, wie gesagt, statt des 55. das 50. Lebensjahr vorsehen. Man kann natürlich da noch eine ganze Weile fortschreiten. Ich bin nur neugierig, wie jung man da überhaupt noch alt werden kann.„Großzügigerweise" machen Sie das, weil es nichts kostet, und daß es nichts kostet, stellen Sie dadurch sicher, daß Sie den Freibetrag für die wirklich Älteren, die über 55 Jahre Alten, empfindlich herabsetzen.Erstens einmal weil dadurch viel mehr Leute benachteiligt werden, als Leuten ein Vorteil zugute kommt, und zweitens weil dieser Antrag so abscheulich knickerig ist, stimmen wir ihm nicht zu.
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1788 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Keine weiteren Wortmeldungen? — Dann stimmen wir ab, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 60, Ziffer 7 a. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag der SPD ist abgelehnt.
Nun kommt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 60, Ziffer 7 c. Danach wäre dem Abs. 3 eine neue Ziffer 3 anzufügen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP, Umdruck 71, Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Die Abstimmung wird wiederholt durch Sich-Erheben. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 71 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Gegenprobe! — Das Ergebnis ist unklar. Hammelsprung, meine Damen und Herren! —
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 71 Ziffer 1 bekannt. Mit Ja haben 190 Mitglieder des Hauses, mit Nein 155 Mitglieder gestimmt; enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 71 Ziffer 1 angenommen.
Ich rufe jetzt zunächst einmal die Ziff. 23 auf, und zwar deshalb, weil zu Ziffer 22 von der SPD noch ein Eventualantrag gestellt ist, über den nachher noch abgestimmt werden müßte, je nachdem, was bei Ziffer 23 herauskommt.
Herr Abgeordneter Harm!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß weiblicher Scharm gelegentlich eine Veranlassung sein kann, in eigener Sache nicht zu replizieren, das ist uns aus dem Hausgebrauch bekannt. Ich habe hier aber einen Auftrag, und deswegen kann ich nicht schweigen.Wir stehen bei der Ziffer 23. Der hier aufgeführte § 32 a sieht die Anwendung des Splittingtarifs so vor, wie es die Regierung vorgeschlagen hat. Von seiten der SPD liegt dazu ein Änderungsantrag vor, den ich heute morgen im großen Rahmen schon einmal angesprochen habe. Er geht dahin, die Auswirkung des Splitting auf einen abzusplittenden Betrag von 8000 DM zu begrenzen.Daß dieser Antrag gestellt wurde, Frau Kollegin Diemer — Sie fühlten sich schon angesprochen, nehme ich an —, ist darauf zurückzuführen, daß auch Sie mich heute morgen offensichtlich nicht ganz verstanden haben. Es ging uns nicht, wie Sie unterstellten, um das Splitting als solches, sondern nur um die Limitierung, wie ich mich ausdrückte, gewisser Auswüchse ,des Splitting, die in hohen, sehr hohen und allerhöchsten Stufen allerdings eintreten. Ich darf wohl bei Ihnen, die Sie so sehr eifrig im Finanzausschuß dabei waren, voraussetzen, idaß Sie die ganze Auswirkung ,dieses Verfahrens plastisch vor Augen sehen. Ob Sie nun irgendeine „Finanzwissenschaft" in ,die Hand nehmen oder sich mit Wolkersdorf oder Binder beschäftigen, die Idie Dinge kritisch untersucht haben, immer wird die Quintessenz, Frau Kollegin Diemer — und das gilt selbstverständlich auch für die CDU —, in der Feststellung liegen, daß bei hemmungsloser Anwendung des Splitting die Ungerechtigkeit, oder ich will sagen, die Auswirkung um so größer wird, je höher die Einkommensgrenze steigt. Ich deutete an, daß die obere Grenze etwa bei 41 000 und einigen hundert DM war. Ich kann mir, so sagte ich heute morgen, nicht im Ernst vorstellen, daß die kleine Gruppe von vielleicht 3000 Steuerpflichtigen, die dieses Einkommen erreicht, nun gerade auf diese 41 000 DM angewiesen ist. Wenn man das multipliziert, bedeutet das, meine Damen und Herren, bei dieser kleinen Gruppe immerhin ein Steuergeschenk von rund 120 Millionen DM. Das ist das eine; [deswegen also ,der Vorschlag, jedem die Möglichkeit zu geben, bis zu 8000 DM des Gesamteinkommens abzusplitten. Je nachdem, in welcher Steuergruppe der einzelne ist, kann sich das praktisch in einer Steuerermäßigung von rund 500 DM bis maximal 4000 und einigen hundert DM auswirken, weil je 53 % von ,den 8000 DM die Höchstgrenze sein soll. Die Auswirkungen ides Splitting würden sich also — nicht gerade gerecht, aber immerhin etwas ausgeglichen — in diesem Rahmen halten. Damit wäre, wie igesagt, dem Angriff Rechnung getragen, der von allen Seiten vorgetragen wird, von allen Wissenschaftlern ohne Ansehen der Person.Unter Buchstabe b haben wir eine zweite Ergänzung gebracht. Ich nehme ,an, daß Sie den Umdruck 60 vor sich haben. Es steht auf Seite 2 unten, wo gesagt ist: „b) erhält Absatz 3 folgende Fassung". Es gehtdabei um folgendes. Abs. 3 der Regierungsvorlage betrifft nur den Fall, daß jemand verwitwet ist, nachdem ,das 55. Lebensjahr vollendet ist. Dann soll er die Vergünstigungen des Splitting nach idem Antrag der Regierungsfraktionen [behalten. Ebenso heißt es in Abs. 3 Ziffer 2:wenn ihnen für den Veranlagungszeitraum ein Kinderfreibetrag für ein Kind zusteht, das aus der Ehe . . . hervorgegangen ist . . .Unser Antrag geht etwas weiter. Dort heißt es:Absatz 2 gilt auch1. für andere Personen,— es können mancherlei Zufälligkeiten sein —wenn bei ihnen für den Veranlagungszeitraum mindestens ein Kinderfreibetrag vom Einkommen abgezogen wird;— nehmen Sie den Fall eines eingekindschafteten Kindes, das nicht legitimiert worden ist, oder eines Kindes aus erster oder zweiter Ehe eines der Ehegatten, also einen jener Grenzfälle, die in der Praxis vorkommen und die hier in unserem Gesetzgebungswerk nicht restlos erfaßt sind. —2. für verwitwete Personen,— hier ohne Ansehen des Alters —
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1789
Dr. Harmdie im Zeitpunkt des Todes ihres Ehegatten von diesem nicht dauernd getrennt gelebt haben, wenn sie nicht unter Ziffer 1 fallen, in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Ehegatte verstorben ist und in dem folgenden Veranlagungszeitraum.Der soziale Gedanke ist folgender. Man muß davon ausgehen, daß jeder Schicksalsschlag — der Ernährer stirbt, die Frau stirbt —, wenn sich die Steuergesetze sofort ,auswirken, zu der zusätzlichen Umstellungsschwierigkeit neue, steuerliche Schwierigkeiten bringt. Deswegen wollen wir mit unserem Antrag unter b, insbesondere unter Ziffer 2 wie auch vorhin bei Ziffer 1, den Übergang ebnen. Insofern ist unser Antrag also sozialpolitisch zu verstehen; er bildet eine Maßnahme, die jedem ohne Ansehen der Person zugute kommen kann.
— Herr Krammig, ich bin immer mehr erfreut, wie sehr wir uns begegnen. Es ist nur schade, idaß das nicht alles viel früher in den Ausschüssen geschehen konnte. Vielleicht hätten wir bei etwas mehr Zeit doch noch manches erreicht.
Es ist doch paradox, daß wir heute im Plenum in vorletzter Lesung auf so vielen Wegen zusammenfinden.
— Schön, aber ich freue mich —, ich stelle das mit Genugtuung fest. Vielleicht machen Sie es diesmal vice versa, wie ich es vorhin gemacht habe, und wir verständigen uns heute auch mal so. Also überlegen Sie es. Dieser sozialpolitisch gerechtfertigte Vorschlag ides Abs. 3 betrifft Grenzfälle, die jeden ohne Ansehen der Person treffen können, während Abs. 2, wie ich vorhin sagte, ,die grundsätzliche Frage betrifft, ob man .das Splitting auf 8000 DM limitiert oder nicht. Die Gründe, idie uns bewogen haben,diesen Änderungsantrag zu stellen, habe ich teilweise schon heute morgen, teilweise eben vorgetragen, und ich idarf mich darauf beschränken.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung zu dem Antrag Umdruck 60 Ziffer 8a und b gehört. Zum gleichen Absatz liegt noch ein Antrag vor, Umdruck 69. Frau Kollegin Pitz, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 69 legen wir Ihnen einen Antrag vor, der dem Sinne nach zum Teil die Fassung des § 32a Abs. 3 des Regierungsentwurfs wiederherstellen soll. Einen Teil der Probleme hat mein Vorredner bereits angeschnitten. Der Regierungsentwurf gab den Verwitweten das Recht, weiter zu splitten, wenn sie bis zum Tode des einen Ehegatten zusammengelebt und beim Tode des Partners das 55. Lebensjahr erreicht hatten oder wenn ein versorgungsberechtigtes Kind da war. Der Ausschuß wandelte diese Formulierung
um, gab generell den Verwitweten das Recht, im Todesjahr und im darauffolgenden Veranlagungszeitraum noch einmal zu splitten -- unabhängig vom Alter —, strich aber das Recht, das Splitten fortzuführen, solange unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind.
Unser Antrag will die Altersgrenze beseitigen. Wir lassen dem Verwitweten das Recht, im Todesjahr und im darauffolgenden Veranlagungszeitraum zu splitten, fügen aber wieder hinzu, daß, solange unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind, das Recht zu splitten dem alleinstehenden Ehegatten weiter gewährt wird. Hier liegt folgender Gedanke zugrunde: Beim Tode eines Partners fällt die volle Verpflichtung des Unterhalts gegenüber den Kindern ganz auf den überlebenden Partner, der zu seinem eigenen Teile die Pflicht des Partners hinzunimmt. Folgerichtig muß dieser Umstand im Steuerrecht berücksichtigt werden.
Hier wird auch der Personenkreis bzw. der Kreis der Kinder miteinbezogen, über den der Herr Kollege gesprochen hat, auch solche Kinder, die nicht die leiblichen Kinder des verstorbenen Ehegatten sind, die aber in dieser Ehe bis zum Tode des einen Ehegatten gelebt haben. Maßgebend für die Gewährung des Rechtes des Splitting ist, daß Kinder vorhanden sind, die einen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag haben oder aber — so ergänzen wir — hätten, wenn ein Anspruch angemeldet wird. Damit glauben wir, daß wir allen Eventualitäten und allen Grenzfällen Rechnung getragen haben.
Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Bitte, Frau Kollegin Beyer!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es tut mir leid, aber ich muß zu den Ausführungen der Frau Kollegin Pitz noch einige Bemerkungen machen. Selbstverständlich sind wir im Grundsatz mit dem, was gesagt worden ist, durchaus einverstanden. Aber ich muß ergänzend hinzufügen, daß die Änderungen, wie sie nunmehr in den Beschlüssen des Ausschusses für Finanzen und Steuern in der Drucksache 448 niedergelegt sind, deshalb zustande kamen, weil von unserer Seite vor allen Dingen in bezug auf die Behandlung von lediggehenden Müttern oder aber von Halbfamilien Bedenken geltend gemacht werden mußten.Ich glaube, daß es falsch ist, wenn man zwar für die verwitweten Personen die Möglichkeit der Einbeziehung in das sogenannte Splittingsystem schafft, Halbfamilien aber ausschließt. Weil wir nun im Ausschuß in dieser Frage zu keiner Einigung kommen konnten, hat man dann um der gleichmäßigen Behandlung willen gegen unsere Stimmen, wie ich erwähnen darf, die Streichung, die jetzt wieder von der CDU/CSU-Fraktion in Umdruck 69 aufrechterhalten wird, beschlossen. Das möchte ich nur zur Klarstellung sagen. Das, was Herr Kollege Harm ausgeführt hat, behält nach wie vor Gültigkeit; denn mit unserem Antrag auf Umdruck 60 ist
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1790 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Frau Beyer
genau das beabsichtigt, was jetzt Frau Kollegin Pitz ausgeführt hat. Wir wollen nur einen Schritt weitergehen. Wir wollen nämlich, daß auch geschiedene Ehepartner, soweit sie Kinderfreibeträge geltend machen können, oder aber ledige Mütter, soweit sie Kinderfreibeträge erhalten, denselben Vorzug genießen.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten uns diese Frage noch einmal ernsthaft überlegen. Wenn z. B. Herr Dr. Falk in der Ausschußberatung erklärt hat, daß man die Einbeziehung von Witwen oder Witwern mit Kindern zur Aufrechterhaltung des Hausstandes für gerechtfertigt halte, dann müssen wir aber, wenn wir an die Sicherung der Familie denken, unbedingt dafür Sorge tragen, daß auch geschiedenen Ehepartnern wie auch ledigen Müttern, die Kinderfreibeträge erhalten, dieselben Vergünstigungen zugestanden werden. Wir dürfen dabei nicht vergessen, daß es sich gerade bei diesem Personenkreis, wie er in unserem Antrag unter Ziffer 8 b 1. angesprochen wird, um Gruppen handelt, die, wenn man es von der wirtschaftlichen Seite her sieht, sehr oft nicht günstig gestellt sind, so daß ein Zwang zur Mitarbeit vorliegt. Der Wisschenschaftliche Beirat, auf den ich mich hier beziehen kann, sagt ebenfalls in seiner Stellungnahme, daß sich vom Gesichtspunkt der steuerlichen Leistungsfähigkeit eine Härte ergäbe, wenn man diesen statt des Splittingvorteils nur einen Freibetrag gewähren wollte.Im übrigen ist ein Brief interessant, der inzwischen dem Herrn Bundesfinanzminister vom Deutschen Familienverband e. V. in Bonn zugegangen ist. Darin heißt es u. a.:Im Ergebnis führt der Regierungsentwurf zu einer entscheidenden Begünstigung nicht der ihrer besonders bedürftigen Mütter mit Kindern, sondern der kinderlosen Ehefrauen als Hausfrauen.Es heißt dann weiter:Geht man, wie die Bundesregierung, von der Überzeugung aus, daß die Lage des Bundeshaushalts auf absehbare Zeit die Übernahme zusätzlicher sozialer Leistungen ohne Einsparungen an anderer Stelle nicht gestatten wird, so ergibt sich hieraus das besondere Gewicht der Frage, ob die für diese Steuerreform eingesetzten Mittel - die sogenannte Manövriermasse — der Gerechtigkeit entsprechend eingesetzt worden sind. Die Frage wird unter dem Gesichtspunkt des nötigen Familienausgleichs unbedingt zu verneinen sein.Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, hier handelt es sich nicht um große Ausfallziffern, und man sollte aus dem Prinzip der Gerechtigkeit heraus dem von uns gestellten Antrag stattgeben. Ich bitte daher auch Sie, meine Damen und Herren, Ihre Stellungnahme noch einmal zu überprüfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag Stellung nehmen, der von der Fraktion der SPD unter Ziffer 8 a gestellt worden ist, nämlich zu der Frage des limitierten Splitting. Tatsächlich handelt es sich hier um das Kernproblem der ganzen Regierungsvorlage. Heute früh haben die Herren Kollegen Seuffert und Harm in ihren Ausführungen sehr eingehend zu der Frage der getrennten Besteuerung, des Splitting, des veredelten oder meinetwegen limitierten Splitting Stellung genommen. Man kann sagen, daß die Geschichte der Steuer, speziell natürlich die Geschichte der Einkommensteuer, im wesentlichen eine Geschichte des Einkommensteuertarifs und der Frage ist, wie der Steuerpflichtige im Wege der Individualbesteuerung, der Haushaltsbesteuerung, des Splitting oder vielleicht auch von Mischformen herangezogen wird.Wir haben in den vorliegenden Entwürfen einen Mischtarif. Das heißt, wir haben nicht durchweg den Gedanken des Splitting, sondern dieser Tarif baut sich auf verschiedene Grundgedanken auf. Insbesondere bei den Einkommen, die auf proportionaler Basis besteuert werden, d. h. den Einkommen bis 8000 DM hei Unverheirateten und bis 16 000 DM bei Verheirateten, ist weniger die Frage des Splitting wesentlich als die Frage der Freibeträge, die ja tatsächlich auch hier die Proportionen zu einer nicht unerheblichen Progressionswirkung umgestalten.Es ist viel darüber geredet und geschrieben worden, und unsere höchsten Gerichte, der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht, haben sich mehrfach damit beschäftigt, welche Form der Besteuerung für die Einkommenbesteuerung angemessen ist. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß man jahrzehntelang immer wieder auf dem Standpunkt gestanden hat, daß nur die Haushaltsbesteuerung einer Einkommensteuer in vollem Sinne entsprechen könne. Tatsächlich haben die Gesetze der Weimarer Zeit und der darauffolgenden Zeit immer wieder die Haushaltsbesteuerung zum Ausgangspunkt genommen. Auch die Wissenschaftlichen Beiräte und die neueren Lehrbücher der Finanzwissenschaft bis auf Schmölders und Haller gehen davon aus, daß die Haushaltsbesteuerung die Grundlage der Einkommensteuer sein müsse.Die Haushaltsbesteuerung, wie wir sie in unserem Einkommensteuergesetz hatten, ist durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt worden. Das stellte uns vor eine völlig neue Situation. Es mußte in kurzer Zeit eine Übergangsregelung gefunden werden. Daß diese Übergangsregelung nicht in allen Punkten glücklich sein konnte, ist einfach schon in den Vorschriften des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht fundiert. Es mußten infolge der Übergangsregelung eine Reihe von Fällen anders behandelt werden als andere, gleichgelagerte Fälle; es kam darauf an, ob Rechtskraft eingetreten war, ob die Steuer gezahlt war oder nicht gezahlt war; teilweise mußten Veranlagungsfälle bis weit in die Vergangenheit neu aufgerollt werden. Bei dieser Gelegenheit hat sich ergeben, daß das Prinzip, das man nach dem Be-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1791
Dr. Eckhardtschluß des Bundesverfassungsgerichts durchführen mußte, das Prinzip der getrennten Besteuerung für Ehegatten, doch eine ganze Reihe von schwerwiegenden Konsequenzen im Gefolge hat, die nicht durchweg als glücklich bezeichnet werden können, ja zum Teil als sehr unerfreulich bezeichnet werden müssen.Es ist zwar neuerdings behauptet worden — in einer Stellungnahme, die wir kürzlich auch im Finanzausschuß behandelt haben —, daß Erfahrungen mit der getrennten Besteuerung noch gar nicht vorlägen, daß eine praktische Erfahrung der Finanzverwaltung mit dem Ubergangsgesetz noch nicht vorhanden sei. Ich lade den Betreffenden, der das geschrieben hat, ein, sich einmal auf ein Finanzamt zu begeben und sich mit dem Veranlagungsbeamten darüber zu unterhalten, wie er mit der getrennten Besteuerung auf Grund dieses Übergangsgesetzes zurechtkommt. Gewiß, eine ganze Reihe von Schwierigkeiten liegen in der Übergangsregelung, aber eine Reihe von anderen doch auch in der getrennten Besteuerung. Das mußte dazu führen, nun einmal andere Überlegungen anzustellen. Wir haben uns mit diesen Fragen ja nicht erst seit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts und nicht erst seit den Verhandlungen über die Übergangsregelung beschäftigt, sondern haben uns 1954 sehr eingehend über alle diese Dinge unterhalten. Auch damals schon sind eine Reihe von Vorschlägen gemacht worden, die vielleicht noch nicht reif waren, verwirklicht zu werden. Ich denke insbesondere an die Vorschläge, die damals hinsichtlich der Einführung von Freibeträgen, auch Freibeträgen für junge Ehen, vorgelegt worden sind. Wir sind in der Frage der getrennten Besteuerung damals, 1954, in gemeinsamer Arbeit ein gutes Stück vorwärtsgekommen. Wir sind über die getrennte Besteuerung der Arbeitseinkünfte fortgeschritten zu einer getrennten Besteuerung auch der Einkünfte aus selbständiger Arbeit und der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bis zu einer gewissen Grenze. Wir haben damit etwas verwirklicht, was auch insbesondere Anliegen der Opposition, Anliegen der SPD, gewesen ist, nämlich das Arbeitseinkommen gesondert zu behandeln. Niemals aber hat die Opposition, niemals haben auch die Wortführer der Opposition im Jahre 1954 etwa daran gedacht, das Prinzip der getrennten Besteuerung durchweg durchzuführen, weil sich damals auch die sozialdemokratische Fraktion darüber im klaren war, daß die Ausdehnung der getrennten Besteuerung auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen und auf andere Einkunftsarten neben den Einkünften aus Arbeit zu ganz erheblichen Schwierigkeiten für die Verwaltung führen würde. Nun, das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen, und ich habe nicht die Absicht, etwa im Sinne der Urteile des Bundesfinanzhofes vom Frühjahr 1957 die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im einzelnen, soweit sie steuerrechtlicher Art sind, unter die Lupe zu nehmen. Wir haben uns in das zu fügen, was das höchste deutsche Gericht auf dem Gebiete des Staatsrechts erklärt hat. Wir müssen dem folgen, und wir mußten notwendigerweise zu einer neuen Lösung kommen. Die Lösung des Splitting ist ja bereits 1954 in die Debatte geworfen worden; sie istdamals aber abgelehnt worden, weil man sich ganz allgemein darüber einig war, daß ein allgemeines Splitting aus Haushaltsgründen nicht durchgeführt werden könne. Bereits 1955 und 1956 haben wir, d. h. in diesem Falle die Landesgruppe der CSU, wiederholt Vorschläge an das Bundesfinanzministerium im Sinne eines — wie Sie es nannten — veredelten oder limitierten Splitting herangetragen. Wir wollten damals ein Splitting von 70 zu 30 oder 60 zu 40 vorschlagen, weil wir der Überzeugung waren, daß das Splitting — nämlich die dritte Lösung neben der getrennten Besteuerung und den Freibeträgen — eine Lösung sei, die in gutem mittelstandspolitischem Sinne gehalten ist. Wir glaubten, daß die Durchsetzung eines Splittingtarifes, ob nun limitiert oder nicht, das erste Anliegen einer steuerlichen Mittelstandspolitik überhaupt sei, weit hinaus über die Möglichkeiten, die durch die Wiedereinführung eines § 10 a für alle Gewerbetreibenden gegeben wären, nämlich zur Bildung unversteuerter Rücklagen. Weit darüber hinaus schien uns dieser Tarif die für den Mittelstand wichtigste Maßnahme zu sein, die im Steuerrecht überhaupt diskutiert werden kann.Wir haben die Vorlage der Bundesregierung deshalb so sehr begrüßt, weil sie ja noch weit über die Gedanken, die wir angestellt haben, und über die Möglichkeiten, die wir uns zunächst vorgestellt haben, hinaus das Splitting in vollkommener Form durchgeführt hat, nicht in irgendeiner limitierten oder veredelten Weise, die wir mindestens im. wertenden Sinne nicht als veredelt bezeichnen können. Es war uns allerdings von vornherein klar, daß bei der Durchführung eines solchen neuen Tarifgedankens gewisse Belastungsverschiebungen eintreten würden. Sie haben heute morgen sehr eindringlich von der Mehrbelastung der Unverheirateten gesprochen. Als wir den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes im Januar und Februar 1957 im Finanzausschuß des Bundestages zum erstenmal behandelten, waren wir der Meinung, daß wir unter Umständen zu einer weit höheren Besteuerung der Ledigen kommen müßten, wenn wir den Gedanken des Art. 6 des Grundgesetzes in die Wirklichkeit umsetzten. Ich bin der Ansicht, daß der vorliegende Tarif die verschiedenen Interessen in sehr gründlicher, ja meisterhafter Weise berücksichtigt, daß er all dem gerecht wird, was man billigerweise von einer so umfassenden tarifpolitischen Maßnahme überhaupt erwarten kann.Ein Punkt, den Sie heute morgen immer wieder zum Gegenstand Ihrer Angriffe gemacht haben und der von Ihnen immer wieder hervorgehoben wird, ist die angebliche Begünstigung der großen Einkommen. Nun, es ist heute praktisch Allgemeingut in aller Welt, in der Theorie, in der Wissenschaft, wie in der Praxis, daß eine Besteuerung über 50 % des Einkommens hinaus zu den erheblichsten Bedenken Anlaß gibt, und zwar aus den verschiedensten Gründen. Ein wissenschaftliches Institut, das auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hoch schätzen, hat bereits im Jahre 1954 und 1955 Vorschläge gemacht, die auf eine Besteuerung von höchstens 40 % hinauslaufen. Ein
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1792 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. EckhardtHerabgehen des Steuersatzes auf 40 %, das zu begrüßen wäre, ist aus haushaltspolitischen Gründen unmöglich. Wir sind dazu nicht in der Lage. Aber ich erinnere daran, daß einmal in einer wirtschaftlich viel schwereren Zeit, nämlich in der Zeit der Deflation zwischen 1931 und 1933, der maßgebende Vertreter des Reichsfinanzministeriums, der damalige Leiter der Betriebsprüfung, Ministerialdirigent Bönicke, vor den jungen Beamten der Verwaltung erklärt hat, daß er sich eine Besteuerung über 40 % hinaus wirtschaftlich einfach nicht vorstellen könne.
Bleiben wir bei den 50 %. Wir sind auch auf diese 50 % nicht heruntergegangen, sondern bei einem Spitzensatz von 53 % geblieben. Das bedeutet eine Ermäßigung des Spitzensatzes innerhalb der Progression von 63 % auf 53 % und eine Ermäßigung des Plafonds auf 53 %. Praktisch werden die Bezieher größerer Einkommen künftig nicht mehr mit 55 % ihres Einkommens zur Steuer herangezogen, sondern mit 53 %. Diese Lösung ist wahrhaft bescheiden. Sie ist aus mehreren Gründen berechtigt.Die Frage der hohen Einkommen muß einmal ganz offen behandelt werden. Wenn Sie mit der Einkommensteuer wesentlich über 50 % hinausgehen wollen, erzielen Sie Wirkungen, die keiner in diesem Hause begrüßen kann. Diese Wirkungen sind bereits dagewesen, wir haben diese Erfahrungen selbst gemacht. Es läßt sich sagen, daß die Höhe der Einkommensteuer in der Zeit der Kontrollratstarife geradezu ein Prinzip der Unwirtschaftlichkeit in unserer gesamten Volkswirtschaft begünstigt hat. Es war deswegen ein Prinzip der Unwirtschaftlichkeit, weil es ja nur angenehm und vorteilhaft schien, Betriebsaufwendungen, wie man damals sagte, ,auf Kosten des Finanzamts zu machen. Das ist ein Verstoß gegen das rationale Prinzip der Volkswirtschaft gewesen, und eine Volkswirtschaft kann sich das auf längere Zeit nicht leisten.Es kommt noch etwas anderes hinzu. Wenn Sie die Einkommen mit Steuersätzen, die wesentlich über 50 %, also über die Hälfte des Einkommens hinausgehen, heranziehen, erreichen Sie in der Wirtschaft einen Inflationierungseffekt. Denn es ist ganz klar, daß dann versucht wird, die Einkommensteuer in dem Preis zu überwälzen. Diese Überwälzung gelingt in aller Regel. Es ist allgemein anerkannt, daß bei hohen gewerblichen Einkommen auch die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer im Preis der Ware überwälzt werden können und überwälzt werden. Der Volkswirtschaft wird kein Dienst erwiesen, wenn man die Bezieher hoher Einkommen, die großen Personengesellschaften, die Körperschaften veranlaßt, auf diese Weise in der Volkswirtschaft zu handeln. Wir sind der Meinung, Herr Harm, daß die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer niedrig sein sollten, damit sie nicht die Veranlassung zum Uberwälzen geben, sondern von dem, der das Einkommen bezieht, wenigstens zu einem großen Teil wirklich getragen werden.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Jawohl!
Herr Kollege Eckhardt, können Sie mir irgendeine Garantie dafür geben, daß das Abwälzen der Einkommensteuer, von dem Sie sprachen, in Zukunft anders sein wird? Daß gewisse andere Steuern abgewälzt werden, ist bekannt. Wir haben aber auch umgekehrt sehr schlechte Erfahrungen gemacht, nachdem wir Steuern abgeschafft haben. Ich denke an die Getränkesteuer. Nach ihrer Abschaffung ist der Preis der Getränke trotzdem derselbe geblieben. Welche Garantie hat man also, daß sich, wenn Sie heute die Einkommensteuer bei den ganz Großen abbauen, das irgendwie im Preis auswirken wird?
Je wirtschaftlich vernünftiger die Einkommensteuer in ihrem Wesen ist, desto geringer ist das Interesse an einer Abwälzung und desto geringer ist der Anreiz, Betriebsaufwendungen zu machen, die nicht unbedingt durch die Erfordernisse des Betriebes veranlaßt sind. Das ist ein Satz der Erfahrung, der immer wiederkehrt und den Sie nach meiner Überzeugung in allen Handbüchern der Finanzwissenschaft finden, die Sie heute morgen wiederholt zitiert haben. Sicher auch in dem Lehrbuch von Terhalle; ich kann es im Augenblick nicht genau sagen, aber ich würde mich sehr wundern, wenn er eine andere Meinung verträte. Ich bin überzeugt, daß die von mir vertretene Auffassung nichts weiter ist als ein Allgemeingut der Wissenschaft, aber auch der Erfahrung und der Steuerpraxis.
— Auch das.Die hohen Einkommen sind 'nicht etwa Konsumeinkommen. Sie wissen selbst, daß die hohen Einkommen Investitionseinkommen sind. Ein goldenes Kotelett kann man nicht essen, und was der Volksmund sonst dazu sagt.Einer aus Ihren Reihen hat vor einer Reihe von Jahren selbst vorgeschlagen, die hohen gewerblichen Einkünfte überhaupt nicht der Einkommensteuer, sondern einer Betriebsteuer zu unterwerfen, damit der Unterschied von Konsumeinkommen und Investitionseinkommen klar hervortritt. Ob sich diese Unterscheidung von Betriebs-, von Investitions- und Konsumeinkommen durch die Schaffung einer eigenen Betriebsteuer durchführen läßt, lasse ich dahingestellt. Es würde unsere Debatte wahrscheinlich ins Uferlose führen, und das will ich nicht. Ich will nur darauf hinweisen, daß die hohen Einkommen volkswirtschaftlich ihre Berechtigung haben. Darüber hinaus haben sie sogar kulturpolitisch ihre Berechtigung. Das hat die Geschichte erwiesen. Ich bin weiter der Ansicht, daß man in der
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1793
Dr. EckhardtSteuerpolitik auf diese Tatsache Rücksicht nehmen muß, wenn man nicht Konsequenzen in Kauf nehmen will, die der Volkswirtschaft durchaus schädlich sind.Nun, wir haben ein Wahlrecht eingeführt. Wir können nach der Regierungsvorlage, so wie sie heute nach den Anträgen im Ausschuß vorliegt, zwischen der getrennten Besteuerung und dem Splitting wählen. Damit ist nach meiner Überzeugung allen gerechtfertigten Forderungen und den Ansprüchen an eine verfassungsmäßige Besteuerung Genüge getan.Dennoch möchte ich, gerade weil der Punkt der hohen Einkommen und der Punkt einer gewissen Mehrbelastung von Unverheirateten immer wieder Kritik erregt hat, einmal ,auf eine Reihe von Vorzügen dieser Vorlage ausdrücklich hinweisen, die vielleicht noch nicht deutlich genug hervorgehoben worden sind. Einmal fallen fast 3 Millionen Steuerpflichtige aus der Steuerpflicht heraus. Dagegen könnte man Einwendungen erheben. Der Herr Kollege Dresbach hat sich gelegentlich zudieser Frage geäußert. Immerhin liegt doch in diesem Wegfall von fast 3 Millionen Steuerpflichtigen eine außerordentliche Vereinfachung begründet. Diese Maßnahme wirkt auch weitgehend im Sinne des von Ihnen und von uns in der Sache ,durchaus ebenfalls gewünschten Aribeitnehmerfreibetrages.Zweitens werden künftig — Sie haben es selbst wiederholt betont — 95 % aller Steuerpflichtigen auf einer proportionalen Basis zur Steuer herangezogen, die aber natürlich wegen der hohen Freibeträge, wegen des Manipulierbetrages und wegen der Kinderermäßigung im wesentlichen doch auch progreissiv gestaltet ist. Diese Heranziehung nach demGrundsatz der proportionalen Besteuerung stellt eine weitere große Vereinfachung dar. Ich möchte meinen, daß idiese Maßnahmen allein trotz aller Streichungen von Vorschriften der 7er-Reihe schon 1954, trotz Aufhebung von allen möglichen Maßnahmen, Ldie einmal im Rahmen des Aufbaus der Wirtschaft notwendig waren, ein hohes und außerordentliches Lob verdienen. Die Finanzverwaltung wird zum erstenmal das Gefühl bekommen, daß sie entlastet warden ist. Die überlasteten Finanzämter wenden zum erstenmal anerkennen können, daß der Bundestag die Steuergesetzgebung in ihrem wichtigsten Kernstück, dem Tarif, in einer Weise vereinfacht hat, wie sie noch vor kurzer Zeit, ich möchte sagen: noch im vorigen Jahr, nur von wenigen erwartet worden ist.Als dritten ¡besonderen Vorzug der Vorlage betrachte ich die von mir eben erwähnte Tatsache, daß wir uns doch allmählich einem Höchststeuersatz von 50 % nähern und damit endlich einmal dazu beitragen, ein gerechtes Besteuerungsverhältnis zwischen Körperschaften und großen Personengesellschaften zu schaffen, ein Anliegen, das wir 1954 ebenfalls hier behandelt haben.Schließlich bin ich viertens der Meinung, daß der gesamte Tarif in seiner Ausgestaltung in eminenter Weise mittelstandspolitische Forderungen erfüllt,insbesondere ,die Forderung ,auf volle Berücksichtigung der Tätigkeit der mitarbeitenden Ehefrau.Fünftens. Darüber hinaus iglaube ich noch einmal unterstreichen zu müssen, was ich schon in der ersten Lesung der Steuergesetze gesagt habe, nämlich daß hier zum erstenmal die Hausfrau mit ihrer Arbeit voll zu ihrem Recht kommt. Das muß, meine Damen und Herren von der Linken, wohl auch von Ihnen begrüßt werden.
Schließlich bin ich ;sechstens der Meinung, daß die nicht unerhebliche Erhöhung der Kinderermäßigung ebenfalls für einen ganz großen Teil der Steuerpflichtigen wie für die Familien überhaupt Vorteile bietet, ,die wir nicht gering einschätzen sollten. Wir haben vorhin gehört, welche außerordentlich hohen Beträge finanziell notwendig sind, um auch nur die Kinderermäßigung für ein Kind oder für das zweite Kind anzuheben. — Bitte sehr, Herr Harm!
Um einen Irrtum zu vermeiden, Herr Kollege Eckhardt: Sie wollen doch nicht übersehen, daß diese Ermäßigung allen- Steuerpflichtigen ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens zugute kommt, so daß man darin nicht eine besondere Leistung für irgendeine Gruppe sehen kann?!
Ich bin nicht der Meinung, daß die besonderen Vorteile, die hier gewährt worden sind, einfach etwa eine Folge des Splitting sind. Ich habe bereits eingangs gesagt, daß wir einen Mischtarif haben, daß wir bei der Betrachtung dieses Tarifs in gleicher Weise wie den Effekt des Splitting die Wirkung der Freibeträge berücksichtigen müssen, des Manipulierungsbetrages von 1680 DM und natürlich auch der Erhöhung der Kinderermäßigung. Diese führt, wie Sie wissen, dazu, daß bei kinderreichen Familien, etwa bei einer Familie mit fünf Kindern, die Einkommensbesteuerung erst bei einem Betrag, wenn ich mich recht entsinne, von über 10 200 DM einsetzt. Ich halte das für eine außerordentlich erfreuliche Tatsache und freue mich, sie in meiner Antwort auf Ihre Bemerkung, Herr Harm, noch einmal unterstreichen zu können.
Schließlich möchte ich im ganzen sagen — und das wäre das siebte; damit will ich schließen —, daß der Herr Bundesfinanzminister in diese Vorlage immerhin runde 2 Milliarden hineingesteckt hat. Mancher in diesem Hause wird das als ein Wagnis betrachten. Ich freue mich, daß er so optimistisch gewesen ist. Ich teile seinen Optimismus. Ich glaube, dieser Optimismus wird recht behalten. Aber nun darüber noch hinausgehen zu wollen, wäre sicherlich verkehrt. Ich bin deshalb der Meinung, daß wir der Regierungsvorlage in allen Punkten, auch in diesem Punkt, zustimmen sollten, nachdem wir uns die Erörterung über die einzelnen Anträge usw. angehört haben. Auf jeden Fall bitte ich, den Antrag hinsichtlich des limitierten Splitting abzulehnen.
Ich hatte gerade vor, Herr Kollege Eckhardt, auch Sie auf eine Beschränkung in den Ausführungen zu den Anträgen hinzuweisen.
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1794 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Vizepräsident Dr. PreuskerDamit wir zu einer klaren Gliederung kommen, möchte ich Ihnen jetzt vorschlagen, daß wir zunächst über den Antrag Ziffer 8 a des Umdrucks 60 der Fraktion der SPD - betreffend Abs. 2 — abstimmen, da keine weiteren Wortmeldungen dazu vorliegen. Dann ist die Grundsatzfrage des Tarifs ausgeklammert; die Punkte, die zu Abs. 3 behandelt werden müssen, wollen wir gesondert hinterher vornehmen.Wer dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion unter Ziffer 8a auf Umdruck 60 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.Wer nunmehr dem Abs. 2 in der Fassung der Ausschußvorlage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Damit kommen wir auf den Abs. 3 zurück. Dazu hat Frau Abgeordnete Kalinke das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Frau Kollegin Beyer hat bei der Begründung ihres Antrages auf die Unterschiede hingewiesen, die sich ergeben, wenn entweder die in der Übergangsvorschrift der Ausschußvorlage vorgesehene Regelung angenommen wird oder der Antrag der Frau Kollegin Fitz, der als Fraktionsantrag der CDU/CSU - durch ein Versehen auch mit der Bezeichnung DP -- eingebracht worden ist. Wir freuen uns, daß wir die Mehrzahl der Anträge gemeinsam stellen konnten, aber in diesem Falle handelt es sich nicht um einen Antrag der DP-Fraktion. Es ist die Auffassung der Fraktion der Deutschen Partei, daß abgesehen von der Übergangsregelung — auch mein Kollege Dr. Preusker hat das hier heute deutlich gemacht, und wir befinden uns da in Übereinstimmung mit allen Fraktionen — bei der Steuerregelung die Familie grundsätzlich begünstigt werden soll.
Zur Familie gehört aber für uns sehr wohl auch die Halbfamilie. Es ist für uns keineswegs verständlich, daß nach dem Antrag der CDU die Witwe mit Kind anders behandelt werden soll als etwa die geschiedene oder alleingelassene Frau mit einem Kind. Das ist, gerade weil hier auf den Zusammenhang der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik immer wieder hingewiesen wird, eine entscheidende Frage, bei der man keine gesellschaftspolitischen Zielsetzungen, sondern nur die Gleichbehandlung vor dem Gesetz vor Augen haben muß. Nach unserer Meinung muß daher his zur dritten Lesung eine Lösung gefunden werden, die das deutlich macht, was der Herr Bundesfinanzminister uns — ich glaube, er steht dazu — eindeutig als seinen Willen gesagt hat: daß der Sonderfreibetrag für alle Steuerpflichtigen gleichermaßen gelten soll, bei denen mindestens ein Kinderfreibetrag vom Einkommen abgezogen wird.
Wir behalten uns daher vor, erneut einen Änderungsantrag einzubringen, und hoffen, daß wir uns auch mit unseren Koalitionspartnern, der CDU/CSU, bis zur dritten Lesung darüber einigen werden.
Wegen dieser unserer Absicht können wir dem Antrag der SPD heute nicht zustimmen. Wir halten ihn für vernünftig. Wir werden uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten, sowohl bei dem Antrag der SPD wie bei dem der Frau Kollegin Pitz, und selber einen Weg suchen, auf dem wir zu einer für alle gerechten Lösung kommen. Vor allen Dingen dürfen die alleingelassenen Mütter nicht noch zusätzlich zu ihrem schweren Schicksal bestraft werden. Es muß vielmehr eine Lösung gefunden werden, die deutlich macht, daß das Schicksal einer Witwe mit Kind, einer geschiedenen Frau mit Kind und einer alleingelassenen Frau mit Kind gleichermaßen tragisch ist und daß in der Steuerpolitik die gesellschaftspolitische Frage nicht den Vorrang haben darf.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die letzten Worte von Frau Kollegin Kalinke anschließend möchte ich sagen: es ist in gleicher Weise tragisch; aber es sind doch zwei verschiedene Dinge, die wir sehen müssen. Bei einer Witwe ist nur einer da, der zur Versorgung der Kinder verpflichtet ist, bei einer geschiedenen Frau sind es zwei,
und wenn es sich um eine unverheiratete Mutter handelt, ist in der Regel auch noch der Vater da, der zur Alimentation verpflichtet ist.
Das ist der Grund, weshalb wir diese Unterscheidung machen.
Wortmeldungen liegen nicht vor.Ohne Zweifel ist der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion der weitergehende. Ich lasse also über den Änderungsantrag auf Umdruck 60 Ziffer 8 Buchstabe b zuerst abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.Ich darf jetzt den Änderungsantrag auf Umdruck 69 aufrufen. Wer diesem Änderungsantrag zu § 32 a Abs. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist zweifellos mit Mehrheit angenommen.Ich darf dann den § 32 a in der mit der Annahme des Änderungsantrags auf Umdruck 69 beschlossenen Fassung aufrufen. Wer diesem § 32 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Paragraph ist mit Mehrheit angenommen.Ich komme jetzt zu dem zurückgestellten Antrag auf Umdruck 61. Da war für den Fall der Annahme
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1795
Vizepräsident Dr. Preuskerdes Antrags auf Umdruck 60 Ziffer 8 Buchstabe b eine Streichung beantragt. Dieser Antrag ist nunmehr hinfällig geworden. Damit muß aber nun nachgeholt werden die Abstimmung über Ziffer 22— § 32 —. Wer diesem § 32 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.Damit kann ich jetzt Ziffer 24 aufrufen. Sie ist in der Fassung der Regierungsvorlage unverändert durch den Ausschuß gegangen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Dann rufe ich auf Ziffer 25 — § 33 a —. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 64 Ziffer 5 vor.
— Der Antrag ist bereits begründet. Ich kann also hiermit die in ihm enthaltene Auseinanderziehung der beiden Gruppen aufrufen. Ich bitte diejenigen, die der Fassung des Antrags zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Dann rufe ich, weil keine weitere Änderung beantragt ist, die ganze Ziffer 25 in der durch die Annahme der Ziffer 5 des Umdrucks 64 geänderten Fassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen.Bis zur Ziffer 31 a einschließlich liegen mir keine Änderungsanträge vor. Ich rufe also auf die Ziffern 26 bis 31 a einschließlich. Wer diesen Ziffern zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Zu Ziffer 32 rufe ich nun auf den Änderungsantrag Umdruck 71 Ziffer 2.
— Der Antrag ist bereits begründet. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Wohl mit der gleichen Mehrheit angenommen.Ich rufe nunmehr die Ziffer 32 in der durch die Annahme des Antrages geänderten Fassung auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei Enthaltungen angenommen.Ziffer 32 a. Keine Änderungsanträge. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen?— Ziffer 32 a ist, soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Ziffer 33 — § 51 —. Keine Änderungsanträge. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Zu Ziffer 34 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 60 Ziffer 9 vor.Herr Kollege Seuffert, ich bitte um die Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die technischen Formalitäten dieses Antrags darf ich wohl hinweggehen. Sie können, wenn die Voraussetzungen hierfür noch geschaffen werden müßten, bis zur dritten Lesung klargestellt werden.Worauf es ankommt und was hier bezweckt wird, ist nach den Ausschußberatungen klar. Das Ziel des Antrags ist es, die Tariferhöhungen für alleinstehende Personen und andere Personen, die von der Zusammenveranlagung und dem Splitting nicht Gebrauch machen wollen oder können, rückgängig zu machen, d. h. nicht vorzunehmen. Die Begründung dafür, die von uns wesentlich auch im Verfassungsrecht gesehen wird, habe ich bereits heute morgen kurz vorgetragen.Es handelt sich um diejenigen Steuererhöhungen, die zu keinem anderen Zwecke als zur Finanzierung dessen vorgenommen werden, was der Herr Kollege Eckhardt eben das Vollsplitting genannt hat. Diese Steuererhöhungen treten bei denjenigen ein, die von diesem Splitting nicht begünstigt sind.
— Die Steuererhöhungen, lieber Herr Kollege Neuburger, bei diesen Betroffenen sind keine Annahme, sondern eine sehr fühlbare und klare Realität.
— Herr Kollege Neuburger, es steht doch in der Begründung der Regierungsvorlage, daß es, um die durch das Splitting entstehenden Ausfälle auszugleichen, notwendig war, diesen Tarif zu erhöhen. Das steht doch gedruckt darin, Herr Kollege Neuburger.Was das Vollsplitting anlangt, Herr Kollege Eckhardt, so ist zu sagen, daß es sich um ein Vollsplitting nicht handelt, wenn es sich bloß für 5 % der Steuerpflichtigen auswirkt. So groß war das Kunststück mit dem sogenannten Vollsplitting nicht, wenn man auf der einen Seite vorsieht, daß es durch die Proportionalregelung für 95 % wirkungs- und bedeutungslos bleibt — sie fahren nämlich genauso wie bei der Getrenntveranlagung —, und auf der anderen Seite — ich glaube, das hat der Bund der Steuerzahler in seiner Denkschrift überzeugend dargetan — mit einem Tarif arbeitet, der nicht nur unten, sondern auch oben wieder proportional läuft. Der Splittingeffekt entsteht in der Tarifstufe zwischen 16 000 und 110 000 DM, allerdings mit dem Unterschied, daß der große Effekt, der in dieser Stufe erzielt wird, denen, die unterhalb dieser Tarifstufe liegen, nicht zugute kommt, während die
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1796 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
SeuffertSteuerpflichtigen oberhalb dieser Tarifstufe den vollen Effekt mitnehmen.Herr Kollege Eckhardt, Sie haben von Vorzügen der Tarifregelung gesprochen. Es waren aber alles Vorzüge, die mit der Regelung der Proportionalstufe zusammenhängen und gegen die wir keine grundsätzlichen Einwände vorgebracht haben. In diesem Zusammenhang darf daran erinnert werden, daß die Einführung einer solchen Regelung für das Normaleinkommen ein alter Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei ist. Die sozialdemokratischen Anregungen haben nun einmal die Eigenschaft, daß sie spät, aber doch angenommen zu werden pflegen.
Auf meine Einwände gegen die Finanzierung des Splitting und auf meine Betrachtungen' über die derzeitige Natur des nunmehr in zwei voneinander gänzlich verschiedene Einkommensteuertarife aufgespaltenen Tarifs sind Sie allerdings — obwohl Sie sich sonst sehr grundsätzlich ausgesprochen haben — nicht eingegangen, Herr Kollege Eckhardt.Das ist also die eine Seite unseres Antrags und die Begründung dafür. Die zweite Seite unseres Antrags ist die Forderung, daß die Tarifsenkungen für Einkommen über 110 000 DM, insbesondere über 220 000 DM nicht vorgenommen werden. Das gehört zu unseren Deckungsvorschlägen.Hier darf ich immerhin mit einem Wort noch einmal auf die Ausführungen eingehen, mit denen bestritten wurde, daß es sich hier in erster Linie um Steuerentlastungen für hohe Einkommen handle. Der Herr Kollege Neuburger hat heute morgen z. B. gesagt, 60 % der gesamten Steuerentlastungen komme den Durchschnittseinkommen
— bis 12 000 DM, sagten Sie — zugute.
Ich habe heute morgen schon beklagt, daß die Unterlagen, die man zur Beurteilung der Auswirkungen hat, sehr dürftig sind und außerdem einander widersprechen. Heute morgen habe ich auch einige Zahlen genannt. Ich habe die Vorbemerkung der Bundesregierung zu der Steuervorlage vor mir. In der Abrechnung in der Ubersicht 4 finden Sie, daß die eigentlichen Tarifveränderungen, die vorgesehen sind, nur einen Saldo von 215 Millionen DM ergeben. Sie finden nämlich die Mehreinnahmen infolge Fortfalls der Übergangsregelung zur Ehegattenbesteuerung mit 1335 Millionen DM und die Mindereinnahmen wegen Neugestaltung des Einkommensteuertarifs, wo nun alles zusammengefaßt ist, mit 1550 Millionen DM angesetzt. Die Mehreinnahmen gehen hauptsächlich zurück auf den Fortfall des zusätzlichen Freibetrages für Ehefrauen von 600 DM — das ist übrigens falsch gerechnet, selbst wenn Sie die Übergangsregelung einbeziehen wollen; denn vor der Übergangsregelung waren das schon im Jahre 1956 250 DM — und zum Teil auf den Fortfall des dritten Freibetrages von 900 DM für Ehepaare mit getrennt besteuerter Ehefrau. Die getrennt besteuerten Ehefrauen, die zweifach Verdienenden sind hauptsächlich in den unteren Einkommensschichten zu finden. Das geht jedenfallszum großen Teil zu Lasten der unteren Einkommen. In dem Gegenposten von 1550 Millionen DM finden Sie: Manipulierungsfreibetrag, Proportionalsatz, § 32 a. Das ist das ganze Splitting, die ganze Neugestaltung des Einkommensteuertarifs. Sie finden hier schon mitgerechnet die Höherbelastung der Alleinstehenden und alle sonstigen eingetretenen Höherbelastungen. Alles das zusammen ergibt einen Saldo von 215 Millionen DM.Wenn nun der Herr Bundesfinanzminister sagt, daß allein für die Einkommen über 220 000 DM im Jahre die Steuerersparnis 125 Millionen DM beträgt, so möchte ich wirklich einmal eine Begründung für die Behauptung kennenlernen, daß auf die Einkommen unter 12 000 DM 60 % der Steuerersparnis entfalle. Da komme ich einfach nicht mehr mit.Erlauben Sie mir noch ein Wort. Herr Kollege Dr. Eckhardt, wir halten die Steuersenkung in diesen Einkommensbereichen nicht für gerechtfertigt, weil sie in keinem Verhältnis zu der Steuerbelastung der Durchschnitts- und Normaleinkommen steht. Ich habe bereits heute morgen ausgeführt, daß wir nichts dagegen hätten, wenn man es möglich machen könnte, nicht über einen Satz von 50 % — meinetwegen auch bei höchsten Einkommen — hinauszugehen, jedenfalls von der Steuergesetzgebung her. Wir sind nicht an hohen Steuersätzen interessiert, auch nicht bei sehr hohen Einkommen. Aber, was ich heute morgen ausführte, wenn Sie solche nicht so hohen Steuersätze bei den allerhöchsten Einkommen verantworten wollen, dann müssen Sie auch in der Lage sein, die Steuerbelastung der normalen, mittleren Einkommen entsprechend niedrig zu gestalten, und das können Sie nicht bei Ihrer Finanzlage und bei Ihrer Rüstungspolitik.
Deswegen können Sie auch die Spitzensätze nicht so niedrig halten. Das ist die Begründung für unseren Antrag.
Sie haben die Begründung zu Ziffer 9 des Antrags der SPD-Fraktion, dem Tarifvorschlag, gehört. Ich habe hier noch den Antrag Umdruck 62, ,den Tarifvorschlag der Fraktion der FDP, vorliegen. Wird er begründet? — Herr Abgeordneter Mauk.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Formeln, ,die wir auf Umdruck 62 zur Tarifgestaltung vorschlagen, sagen dem, der sich in der Tabelle und in der Rechnung nicht auskennt, überhaupt nichts. Ich muß deshalb einige ganz kurze Ausführungen zur Erläuterung machen.Wir gehen von dem Standpunkt aus, daß die Einführung des Splitting für die mittleren Einkommen nicht ausreichend ist, weil das mittlere Einkommen zwischen 8000 und 45 000 bis 50 000 DM etwas stärker belastet ist ,als früher. Die Kurve macht bei
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1797
Mauk8000 DM einen Sprung. Bis 8000 DM gilt 'der Proportionalsatz von 20 %. Schon für Idie nächsten 1000 DM werden 27,8 % zugeschlagen und für .die nächsten 1000 DM, also zwischen 9000 und 10 000 DM, erneut 27,8 N. So steigert sich das insbesondere in Jen Gruppen, ,die auf 8000 DM folgen. Das ist ein sehr großer Teil unserer mittelständischen Betriebe, die bei der bisherigen Steuergesetzgebung keine Möglichkeit hatten, sich Reserven zu schaffen.Unser Antrag geht nun dahin, daß idie Steigerung von 8000 bis etwa 50 000 DM gleichmäßig verläuft, also etwas langsamer anläuft und ,dann oben dafür gegenüber dem anderen Tarif, der nachher wieder abflacht, etwas größer wird. Bei genau 62 000 DM münden wir mit unserem Tarif in die Regierungskurve ein. Wir bezwecken also mit unserem Antrag, daß die kleineren gewerblichen Betriebe steuerlich etwas entlastet werden. Denn das Splitting wirkt sich hier bei weitem noch nicht in der Weise aus wie später bei den größeren Einkommen. Ich bitte Sie deshalb dringend, diesem alten Anliegen zuzustimmen. Wir sprechen vor den Wahlen draußen in den Versammlungen soviel davon, daß dem Mittelstard geholfen werden muß. Hier ist einmal eine Möglichkeit, diesen häufig sehr hart um die Existenz ringenden Betrieben steuerlich eine gewisse Entlastung zu geben. Die steuerliche Belastung ist hier wesentlich stärker als bei den nachfolgenden Einkommen und ideshalb ungerecht gegenüber den höheren Einkommen.Herr Kollege Neuburger hat heute wiederholt bei Anträgen über den Ausfall gesprochen. Wir sind der Meinung, daß dieser Ausfall durchaus getragen werden kann. Dar Bundesfinanzministerium hat errechnet, 'aß dieser Antrag höchstens 350 Millionen DM Ausfall bringen würde.
Ich nehme an, daß die Berechnungen genau so vorsichtig gemacht worden sind, Herr Kollege Neuburger, wie andere derartige Berechnungen. Es gibt wohl keinen in Deutschland, der ganz genau berechnen kann, was für einen Ausfall solche Vorlagen heute bringen. Es ist heute schon wiederholt gesagt worden, Idaß leider die neueste Fortschreibung ,der Einkommenspyramide fehlt. Wir sind heute früh durch meinen Kollegen Dr. Dahlgrün aber auch schon darauf hingewiesen worden, daß die Berechnungen sehr viele Möglichkeiten beinhalten. Einmal wird sehr stark bezweifelt, ob die Berechnungen über die Höhe des Ausfalls infolge des Splitting stimmen, und dann wissen wir ,alle, ,daß zwei Veranlagungszeiträume in diesem Jahr kommen. Wir wissen, daß sich manches Einkommen durch den Wegfall ,der früheren degressiven Abschreibungen gegenüber den letzten Berechnungen gesteigert hat, und wir wissen. daß immer noch manche andere Möglichkeit in ,diesem Haushalt liegt. — Wenn Sie doch Zweifel haben sollten, Herr Kollege Neuburger, bitte ich Sie, einmal Ihre Kollegen vom Verteidigungsausschuß und vom Haushaltsausschuß zu fragen. Ich glaube, im Etat des Verteidigungsministeriums sind noch Summen enthalten, die indiesem Haushaltsjahr nicht ausgegeben werden können.Ganz besonders sind solche Summen für Investitionen vorgesehen. Ich glaube, ich kann mir nähere Ausführungen darüber ersparen. Sie wissen genau, was ich damit ansprechen will.Dann sind wir aber auch der Meinung, daß man im Haushalt noch andere Möglichkeiten finden könnte. Vermögensbildende Ausgaben z. B. gehören nicht in den ordentlichen, sondern in den außerordentlichen Haushalt. Auch hier wären noch einige Reserven vorhanden. Ich bin ,deshalb überzeugt, daß der Betrag von 350 Millionen DMdurchaus aufgebracht werden kann, ohne daß unser Herr Bundesfinanzminister deshalb in Schwierigkeiten kommt, und ich möchte Sie dringend bitten, im Interesse der kleinen mittelständischen Betriebe unserem Vorschlag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, damit haben Sie auch die Begründung des FDP-Antrags gehört. Der Antrag unter Ziffer 9 des Umdrucks 60 — Antrag der SPD — betrifft den gesamten Tarif. Er ist also zweifellos weitergehend. und ich stelle ihn zuerst zur Abstimmung. Wer diesem Antrag auf Umdruck 60 Ziffer 9 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? Abgelehnt.
Dann rufe ich den Antrag der FDP auf Umdruck 62 Ziffer 2, der den Tarif für die mittleren Gruppen betrifft, auf. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist hei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Damit darf ich die Ziffer 34 in der Fassung der Regierungsvorlage und der Beschlüsse des Ausschusses aufrufen. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? Mit Mehrheit angenommen.
Jetzt müssen wir zu Ziffer 11 der Vorlage zurückkehren. Die Fraktion der Freien Demokraten hatte gebeten, bei Ablehnung ihres Antrags auf ihren Antrag zu § 10 a auf Umdruck 68 zurückzukommen. Wird dieser Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Mauk, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nun die Ehre, den Antrag auf Umdruck 68 zu begründen. Es ist ein Alternativantrag zu dem Antrag, den ich soeben begründet habe. Auch er verfolgt den Zweck, den kleineren mittelständischen Betrieben Hilfe zu gewähren.Dieser Antrag ist meiner Fraktion und mir selbst nicht angenehm, weil er die Steuergesetze erneut kompliziert. Aber Sie wissen, daß der nicht entnommene Gewinn jahrzehntelang steuerlich bevorzugt worden ist. Ich glaube, ich kann mir deshalb eine weitere Begründung für unseren Antrag ersparen. Wir beantragen, daß die selbständigen Steuerpflichtigen wie früher nach § 10a des Einkommensteuergesetzes für nicht entnommenen Gewinn steu-
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Maukerlich begünstigt werden, und zwar bis zu höchstens 50 % des nicht entnommenen Gewinns und bis zu einem Höchstbetrag von 10 000 DM. Ich glaube, daß ein Antrag, der diese Grenze festlegen will, sehr maßvoll ist, und bitte Sie daher, wenigstens diesem Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 68. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Dann rufe ich auf auf den Seiten 30/31 die Ziffer 11. Wer ihr in der unveränderten Fassung der Regierungsvorlage zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, mit großer Mehrheit angenommen!
Wir kehren dann zurück zu Seite 67. Ich rufe auf Art. 2. Wer Art. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Art. 2 ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 2a, — Art. 3, — Art. 4, — Art. 5. -- Bis Art. 5 einschließlich liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Artikel sind angenommen.
Dann kommen wir zum Zweiten Abschnitt, Körperschaftsteuer. Ich rufe auf Art. 6. Hierzu liegt eine Reihe von Änderungsanträgen vor, die ich wohl alle hier zur Begründung aufrufen darf. Da sind zunächst auf Umdruck 60 die Ziffern 10 und 11. Sollen sie noch einmal begründet werden? — Herr Abgeordneter Königswarter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Änderungsantrag meiner Partei auf Umdruck 60 zu Art. 6 Ziffern 2 und 3 zu begründen, der dahin geht, die Körperschaftsteuerermäßigungen und -erhöhungen, die die Regierungsvorlage vorsieht, abzulehnen und es beim alten zu belassen, d. h. 45 % Körperschaftsteuer für die nicht ausgeschütteten Gewinne und 30 % für die ausgeschütteten Gewinne wie bisher zu erheben. Auch bei den Fällen des ermäßigten Steuersatzes soll es beim alten bleiben. Mein Freund Seuffert hat schon in großen Zügen unser Bestreben in dieser Richtung begründet. Ich glaube aber, daß noch eine eingehendere Betrachtung notwendig ist.Der Regierungsentwurf sieht eine Erhöhung für die nicht ausgeschütteten Gewinne auf 47 % und eine Ermäßigung für die ausgeschütteten Gewinne auf 11 % vor. Man muß, um ein klares Bild zu gewinnen, das Berliner Notopfer mit seinen Sätzen hinzurechnen, also 4,09 N. Da nun ein Antrag der CDU vorliegt, das Notopfer einzubeziehen, würdenbei Annahme die Sätze, die wir vorschlagen, bei 49 % und 34 % bleiben, während die Sätze des Regierungsentwurfs auf 51 % und 15 % gehen würden. Sie gestatten, daß ich weiter von 45 % und 30 % spreche, da ja über den Antrag noch nicht abgestimmt und er noch nicht durchgegangen ist. Für diesen Fall muß ich allerdings unserem Antrag auf Umdruck 60 einen Eventualantrag nachschicken; denn für den Fall der Annahme des Antrages auf Streichung des Notopfers müßten wir die Zahlen in der angegebenen Form ersetzen. Ich überreiche den Antrag als Eventualantrag dem Herrn Präsidenten.Das Bundesfinanzministerium hat, wohl angetrieben vom Bundeswirtschaftsministerium, das ja die völlige Entlastung der ausgeschütteten Gewinne erstrebt, seiner Begründung zufolge diese Vorlage aus folgenden Gründen eingebracht: Es wollte den unangemessen hohen Anteil der Selbstfinanzierung der Kapitalgesellschaften damit begrenzen und es wollte eine breite Streuung des Vermögensbesitzes und eine gleichmäßige Chance für die Bevölkerung, Anteilseigener am Produktionsvermögen zu werden, erzeugen. Es sollte ein Anreiz gegeben werden, höhere Dividenden auszuschütten, was der Regierung trotz des schon Mode gewordenen Satzes von 12 % augenscheinlich wünschenswert erscheint, besonders um den Kapitalmarkt mit anlagewilligen Beträgen zu versehen. Die ausgedehnte Periode der Selbstfinanzierung, die wir hinter uns haben, die vielfach im Wiederaufbau, mangels eines funktionierenden Kapitalmarktes, als notwendig angesehen und ja auch gefördert wurde, z. B. durch die Sondervergünstigungen der sogenannten SiebenerReihe — die wir, wie Sie gesehen haben, jetzt nur mit großer Mühe wieder loswerden oder nicht loswerden können —, dann aber auch über die Preise und nicht zuletzt, mindestens bis 1956, weitgehend über die Löhne ermöglicht wurde, diese Selbstfinanzierung wollen jetzt also auch die Wirtschaftspolitiker der Regierung und der sie stützenden Parteien abbauen, da man sie als bedenklich erkannt hat. Allerdings führt sie — und hat geführt — zu Fehlinvestitionen und zu Zusammenballungen von Wirtschaftsmacht, die die Entschlußfähigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums an der es an sich schon mangelt — noch stärker einengen.Wir glauben aber nicht, daß die Senkung der Körperschaftsteuer, die sogenannte Abmilderung der Doppelbesteuerung, die Selbstfinanzierung nennenswert, d. h. im wirklich wünschenswerten Maße, einschränken wird.Was hat es mit der berüchtigten Doppelbesteuerung auf sich? Nun, es hat sich endlich auch in der volkswirtschaftlichen Betrachtungsweise die Erkenntnis durchgesetzt, daß es nur noch eine juristische Fiktion ist, daß die größere Kapitalgesellschaft Eigentum ihrer Aktionäre im Sinne der Verfügungsmacht sei, die nun einmal mit dem Eigentumsbegriff verbunden ist. Die Rathenauische Erkenntnis, die er in seinem Buch „Von kommenden Dingen" dargelegt hat, hat sich als richtig herausgestellt: die größere Aktiengesellschaft führt heute ein Eigenleben, beeinflußt von ihrem Management und/oder
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Dr. Königswarter 'ihrem Großaktionär, der wiederum eine Aktiengesellschaft sein kann. Diese Gesellschaften in ihren nichtausgeschütteten Gewinnen annähernd mit dem Plafondsatz der Einkommensteuer zu besteuern, ist nur recht und billig, und diese Erkenntnis scheint sich allmählich auch in Regierungskreisen Bahn gebrochen zu haben. Diese Gesellschaften führen ein eigenes, von ihren Aktionären unabhängiges Wirtschaftsleben. Sie so zu besteuern, ist um so billiger, als auch genügende Manipulationsmöglichkeiten bestehen, wie Abschreibungsbegünstigungen und Rückstellungen, um Investitionen zu schaffen.Darf ich einige Zahlen sprechen lassen. Von 1636 Aktiengesellschaften hat das Statistische Bundesamt ermittelt, daß bei einem Gesamtkapital von 18 Milliarden DM 6,2 Milliarden DM sich im Schachtelbesitz und 8 Milliarden DM Kapital im Dauerbesitz ihrer Großaktionäre befinden. Es sind also von diesen Gesellschaften fast 75 % in sie beherrschenden Händen, die an einer Kapitalausschüttung, wie ich darlegen werde, überhaupt kein Interesse haben.Gewiß stehen neben diesen Großaktionären andere, aber im Kapitalanteil in der Minderheit oder doch so zersplittert, daß sie ihre Rechte höchstens durch Depotbanken geltend machen können, die meistens mit dem Großaktionär durch dick und dünn gehen. Ich sage das vor allem als Warnung auch dem Herrn Bundesfinanzminister, der ja, nach seinem Interview dem „Spiegel" gegenüber, noch nie eine Aktie besessen hat, für den Fall, daß er jetzt dazukommen sollte, sich eine zu kaufen. Es gibt also eine vielleicht nicht kleine Anzahl von Aktionären, die nach dem oft bemühten Ausspruch von Carl Fürstenberg dumm und frech sind; dumm, weil sie die Aktien kaufen, und frech, weil sie hinterher auch noch Dividende verlangen.
Sie erhalten die Dividende aber nicht, wenn derGroßaktionär es nicht will, und er will es nur, wennes zur Pflege der Emissionsfähigkeit seiner Gesellschaft für notwendig erachtet.Die jüngste Vergangenheit hat nun aber erwiesen, daß auch bei einem Steuersatz von 30 %, wie er bisher bestand, die Ausschüttung angemessener gewinne nicht verhindert wird und daß schon 20 % les nichtausgeschütteten Gewinns für diese angenessenen Ausschüttungen genügen.Gewiß gibt es einige größere Kapitalgesellschaften, deren Aktien breitgestreut sind. Aber sie sind in den Fingern abzuzählen und bestimmen nicht die charakteristische Struktur unseres Aktienwesens, las von dem der USA grundverschieden ist, die mmer als Beispiel für eine breite Streuung der Aktie herangezogen werden. Durch die Ermäßigung les Steuersatzes wird diese breite Streuung jedenfalls nicht erreicht, und bis zur Volksaktie ist nochrecht beschwerlicher Weg, wenn auch neuerlings Herr Lindrath als Bahnbrecher für sie auftritt, mährend es im Bundeswirtschaftsministerium um lieses Institut sehr still geworden ist. Zur Einührung der Volksaktie bedarf es nämlich einer grundlegenden Reform des Aktienrechts, und die ürftigen Publizitätsverbesserungen, die in einemRegierungsentwurf enthalten sind, der uns demnächst vorgelegt werden wird, reichen dazu meines Erachtens keineswegs aus. Der Volksaktionär bliebe, wie die Dinge liegen, hoffnungslos auf die Interessenvertretung durch die Depotbanken angewiesen, bei den Investmentgesellschaften ist es doch praktisch auch nicht viel anders, und die für Banken charakteristische Haltung habe ich ja schon zu kennzeichnen versucht.Die sogenannten Familiengesellschaften und die familienbezogenen Gesellschaften — Sie brauchen nicht gleich an die Familie Thyssen zu denken — sind aber auf Selbstfinanzierung angewiesen und haben für wünschenswerte Ausschüttungen meist Möglichkeiten, die gewinnmindernd und steuerersparend wirken. Der Ausschuß hat ihnen in Abänderung des Entwurfs mit einem Staffeltarif zu helfen versucht. Wir möchten Sie bitten, diesen in der Sache kaum wirksamen, systematisch aber erschreckenden Rückschritt abzulehnen, wenn er auch nach einem neuerlichen Antrag der CDU entgegen ihrer Haltung im Ausschuß nicht mehr bedingt, daß der Steuersatz für die öffentlichen Versorgungsbetriebe, der bei 45 % belassen werden sollte, auf 47 % erhöht wird.
— Das ist jetzt nicht mehr der Fall, aber im Ausschuß lag diese Absicht vor. — Jedenfalls ist dieser Staffeltarif ein Almosen, das von dem großen Steuergeschenk für die maßgebenden Aktiengesellschaften abfällt. Wir können dem nicht zustimmen, solange wir keine klaren Abgrenzungen für solche Gesellschaften finden, die auch andere Rechtsformen annehmen können. Wenn sie an der Form der Kapitalgesellschaft festhalten, müssen wir sie mit anderen Kapitalgesellschaften meines Erachtens gleichmäßig behandeln und uns an den Gesellschaften orientieren, die die Struktur unseres Wirtschaftslebens — und vielleicht sogar indirekt unsere Regierung — bestimmen.Dazu, diesen Gesellschaften, ohne die angeblich angestrebten Ziele zu erreichen. ein Steuergeschenk von 180 Millionen DM zu machen, besteht nach der Meinung meiner Freunde keine Veranlassung. Einer Ermäßigung des Steuersatzes für die Ausschüttung könnten wir bei dem gegebenen Steuersystem nur nähertreten, wenn dadurch kein Ausfall bewirkt würde. Das würde aber eine über die Vorlage wesentlich hinausgehende Erhöhung der Sätze für nichtausgeschüttete Gewinne bedingen, und das wollen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, sicherlich nicht.Die Regierung hat diesen Steuerausfall übrigens so errechnet, wie er sich bei einer gleichbleibenden Ausschüttung ergeben würde, wie wir sie beim Steuersatz 45/30 % gehabt haben. Um nicht zu einem höheren Ausfall zu kommen, hat sie die Durchschnittseinkommensbesteuerung beim Aktionär mit 33 % angenommen. Aktionäre mit einem Einkommen von mindestens 48 000 DM müssen das sein, die 33 % bezahlen; Volksaktionäre sind es also sicherlich nicht. Wahrscheinlich ist demnach der Ausfall noch größer.
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1800 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Dr. KönigswarterDie Gesellschaften können es also bei den bisherigen ausreichenden Ausschüttungen — ausreichend für ihre Kurs- und Emissionspflege — belassen und benutzen dann die Steuererleichterung zusätzlich zur Selbstfinanzierung. Dieses dem Zweck also geradezu entgegenwirkende Geschenk brauchen die Kapitalgesellschaften wirklich nicht. Sie haben andere Möglichkeiten, sich für ihre Emissionspflege interessant zu machen, die sie steuerlich kaum belasten. Wenn z. B. eine Aktiengesellschaft mit einem Stammkapital von 84 Millionen DM — ich will keinen Namen nennen, alle Ähnlichkeiten sind rein zufällig — ein beliebtes Börsenpapier ihren Aktionären junge Aktien in Höhe von 21 Millionen DM hei einem Börsenkurs von 320 im Verhältnis 1 : 4 anbietet, so macht sie neben dem von ihr zu versteuernden 12%igen ausgeschütteten Gewinn ihren Aktionären praktisch ein steuerfreies Geschenk von 44 %. Daß der Großaktionär hei einer geschickten Paketverwertung oder Fusion alle offenen und stillen Reserven praktisch steuerfrei realisieren kann, versteht sich von selbst. Schließlich ist die Lage am Kapitalmarkt ja auch bereits so, daß man sich mit 7 %igen Obligationen günstiger langfristig finanzieren kann als mit dividendenhungrigem Haftkapital.Wir glauben, Ihnen, meine Damen und Herren, mit unseren verschiedenen Änderungsanträgen zur Einkommensteuer gerechtere und sozialere Verwendungsmöglichkeiten für einen Betrag gezeigt zu haben, der an Steuern ausfällt. Sie haben Sie allerdings samt und sonders abgelehnt. Aber wir werden Ihnen in der dritten Lesung noch Gelegenheit geben, in sich zu gehen.Wir hatten bereits in der ersten Lesung im Ausschuß beantragt, die Steuersätze von 45 und 30 % durch Einbeziehung des sogenannten Berliner Notopfers, wie es der Bundesrat beantragt hat, auf 49 bzw. 34 % zu heben und dafür das ärgerliche Notopfergesetz abzuschaffen. Wir haben diesen Antrag nicht aufrechterhalten, um nicht Schwierigkeiten bei der notwendigen finanziellen Versorgung Berlins und den Verhandlungen darüber mit dem Bundesfinanzministerium zu verstärken, die sich aus dem Stand dieser Verhandlungen ergaben. Der Bundesrat hat nun durch sein Gewicht und seine Möglichkeiten die CDU erleuchtet. Wir sind naturgemäß bereit. dem zuzustimmen, besonders im Hinblick auf die Ansprüche Berlins, die in dem Dritten Überleitungsgesetz festgelegt sind, indem wir auf die Zusicherung der Regierung und ihrer Parteien — der Antrag ist ja sicherlich nicht ohne Zustimmung des Bundesfinanzministers eingebracht worden — vertrauen, daß dadurch für Berlin keine finanziellen Schwierigkeiten entstehen.Ich beantrage also namens meiner Fraktion, es aus den von mir dargelegten Gründen bei den Körperschaftsteuersätzen von 45 und 30 % bzw. 49 und 34 % zu belassen.
Herr Kollege Königswarter, soweit ich Ihrem Eventualantrag entnommen habe, nehmen Sie für den Fall der Streichung aber diese anderen Sätze hier an. — Dann darf ich also vorschlagen, daß wir nachher in der Abstimmung den Art. 7 a vorwegnehmen, um klare Abstimmungsverhältnisse zu schaffen. Der Antrag Umdruck 66 auf Einfügung eines Art. 7 a braucht nicht mehr begründet zu werden; das hat Herr Kollege Dresbach bereits getan.
Jetzt hat der Abgeordnete Hellwig das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige wenige Bemerkungen nur zu ,der Frage, ob die weitere Spaltung — nicht nur die Fortsetzung, sondern auch die Vertiefung der Spaltung — in der Körperschaftsteuer wirklich einem kapitalmarkt- und wirtschaftspolitischen Anliegen idient oder, wie es von der Opposition behauptet wird, nicht dient.Die Herren Kollegen der Opposition haben ihre Argumentation darauf aufgebaut, daß der Anteil der ausgeschütteten Gewinne an dem steuerpflichtigen Gesamtgewinn der Körperschaften prozentual berechnet auch nach Iden Planungen des Bundesfinanzministeriums 1958 niedriger sein würde als 1954. Schon in ,der Ausschußberatung ist darauf hingewiesen worden, ,daß man keinesfall .den ausgeschütteten Gewinn ins Verhältnis zu ,dem steuerpflichtigen Gewinn setzen darf; Idenn es hat im Jahre 1954, ,dem Vergleichsjahr, eine ganze Reihe von Faktoren gegeben, die bewirkten, daß erhebliche Teile ,der Einkünfte ,der Kapitalgesellschaften bereits vor ,der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns nicht mehr der Besteuerung unterlagen, weil Sonderabschreibungen — wir haben vorhin beim § 7 verschiedene Fälle diskutiert; aber auch der § 36 ides Investitionshilfegesetzes ist hier zu nennen — den steuerpflichtigen Gewinn vermindert haben.Wir sind in ,der glücklichen Lage, heute auf Grund der jünsten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes über die Einkommensentwicklung, nachzulesen im Mai-Heft der Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik", nachzuweisen, idaß in der Tat in den vier Jahren eine bemerkenswerte Annäherung zwischen dem Gesamteinkommen, wie es sich aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ergibt, und den steuerpflichtige Einkommen der Kapitalgesellschaften stattgefunden hat. Während 1954 die steuerpflichtigen Einkommen mit knapp 5 Milliarden DM bei den Kapitalgesellschaften ganz erheblich hinter dem aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelten Posten von 81/2 Milliarden DM lagen -dieser Posten lag 75 % höher als die ,steuerpflichtig gewordenen Einkommen —, ist für 1958 nach dem Trend der Entwicklung der Jahre 1955, 1956 und 1957 zu erwarten, daß gegenüber der Schätzung der steuerpflichtigen Einkommen bei den Körperschaften von 11,7 Milliarden DM, wie sie in der Regierungsvorlage und den weiteren Unterlagen enthalten ist, das Gesamteinkommen der Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit bei 12 1/2 bis 13 Milliarden DM liegen wird, also nur noch um etwa 10 °/o 'darüber. In diese Größenordnung muß man
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1801
Dr. Hellwigdie Relation der Ausschüttungen setzen. Man darf nicht von [dem relativ niedrigen steuerpflichtigen Gewinn des Jahres 1954 ausgehen.Zum zweiten muß man dabei auch die Tatsache berücksichtigen, daß im Verhältnis zum Grundkapital der Kapitalgesellschaften idoch eine kräftige Erhöhung der Ausschüttungsquote erwartet wird. Ich verweise auf die Unterlage ,der Regierung, die dem Ausschuß vorgelegen hat. Das Gesellschaftskapital ist gegenüber 1954 um rund 10 Milliarden gestiegen. Während im Jahre 1954 nur 3,3 v. H. des Stammkapitals der Aktiengesellschaften und GmbHs zur Ausschüttung kamen, wird für 1958, obwohl das Kapital gestiegen ist, ein Satz von 5 %, wieder gemessen an dem Kapital, erwartet. Man darf also nicht einseitig nur iden steuerpflichtigen Gewinn, der ja nur einen Teil ausmacht, betrachten, sondern muß das ganze Bild nehmen, und da ergibt sich doch wohl, daß sich die Erwartungen, idie vor Jahren an ,die Spaltung des Körperschaftsteuersatzes geknüpft worden sind, in ,der Tat bestätigthaben.Es bleiben aber noch zwei oder ,drei weitere Probleme, die uns veranlassen, der Spaltung der Körperschaftsteuer zuzustimmen und die Spaltung fortzusetzen. Da ist einmal das Problem der Doppelbesteuerung: einmal bei der Kapitalgesellschaft selbst und dann bei dem Aktionär, der für die Dividende auch noch Einkommensteuer zahlt. Es ist nicht angängig, diese Doppelbesteuerung bei idem Aktionär zu beseitigen; denn würde auf seine Steuerschuld die anteilige Steuerleistung der Gesellschaft angerechnet werden, so würde er ,dank der Progression des Einkommensteuertarifs gerade gegenüber rdem Kleinaktionär sehr begünstigt werden, jedenfalls in Größenordnungen, die wir keinesfalls wollen.Das zweite aber ist das Problem der künftigen Finanzierung der Kapitalgesellschaften überhaupt. Wir stehen doch vor der Frage: Welche Form der Finanzierung ist die vorteilhafteste für die Kapitalgesellschaft im Hinblick auf den zunehmenden Investitionsbedarf? Siehe die großen Umstellungen, Rationalisierung, Mechanisierung und viele andere Dinge mehr! Wir haben doch in der gesamten Wirtschaft auch bei den Kapitalgesellschaften in den letzten Jahren zu verzeichnen, daß das Verhältnis von risikotragendem Eigenkapital zum Fremdkapital ungünstiger geworden ist. Der Herr Kollege Königswarter hat selber gesagt: Natürlich ist im Grunde genommen die Obligation mit 7 % billiger; jedenfalls ist es schwerer, einen körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn zu erzielen und dann nach der Besteuerung noch Gewinne auszuschütten.Rechnen wir das Beispiel einmal durch, wie sich die Kosten der Finanzierung über die langfristige Obligation oder über die Ausgabe echter neuer Aktien stellen, wenn Sie eine 6%ige effektive Verzinsung erzielen wollen; eine 7%ige Obligation bringt schon mehr für den Zeichner. Aber eine nur 6%ige effektive Verzinsung erfordert bei den derzeitigen Börsenkursen, daß Sie eine Dividende von etwa 15 % erwirtschaften, d. h. ausschütten müssen. Um die zu verdienen, müßten — unter Zugrundelegung des Antrags der SPD, der ja eine 51%igeKörperschaftsteuer für den gesamten Gewinn verlangt — 30 % Bruttogewinn dasein. Bei einem Körperschaftsteuersatz von 15 %, wie er sich jetzt nach den Anträgen auch der CDU-Fraktion ergibt — einschließlich Notopfer Berlin —, muß ein Gewinn von 16 % als Bruttogewinn erzielt werden. Mit anderen Worten: wenn man eine 6%ige effektive Verzinsung erzielen will, würden bei Durchführung unseres Vorschlages — Spaltung des Körperschaftsteuersatzes auf nunmehr 15 % für den ausgeschütteten Gewinn — die Kosten der Finanzierung nahezu um die Hälfte niedriger werden als bei Durchführung Ihres einheitlichen Körperschaftsteuersatzes.
— Das ist es auch wert aus dem ganz einfachen Grunde, weil wir im Hinblick auf die großen Finanzierungsaufgaben, die vor der Wirtschaft stehen, eben das Instrument der Aktie als Finanzierungsinstrument wieder stärker verbreiten wollen, als es geschehen ist.Es kann auch nicht Ihr Wunsch sein, daß das Verhältnis des Eigenkapitals — welches unter Umständen auch einmal das Risiko eines Dividendenausfalls hat — zum Fremdkapital, für das die Zinsen zu leisten sind, sich weiter verschlechtert. Denn das bedeutet, daß die Anfälligkeit der Wirtschaft größer wird. Da auch Sie kein Interesse daran haben, sollte diese volkswirtschaftliche Überlegung, glaube ich, eigentlich auch Sie veranlassen, Ihren Standpunkt doch noch einmal zu überprüfen und mit uns daran zu arbeiten, die Aktie als Finanzierungsinstrument nicht nur wieder populär, sondern auch preiswerter zu machen, als sie es im Augenblick im Vergleich zu anderen Finanzierungstechniken ist.
Darf ich fragen: Soll der Antrag Umdruck 62 Ziffer 3 noch begründet werden? — Herr Kollege Dahlgrün!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine nähere Begründung des Antrags Umdruck 62 Ziffer 3 der FDP-Fraktion erübrigt sich, weil ich diesen Antrag heute morgen bereits begründet habe. Ich wollte mir nur erlauben, Ihre Aufmerksamkeit einmal auf einen Vergleich zwischen diesem Vorschlag, der von unserer Seite gekommen ist, mit zwei einfachen Proportionalsätzen und der Ziffer 2 des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU, DP auf Umdruck 59 zu lenken. Wie Herr Kollege Hellwig soeben sagte, ist damit eine Fortsetzung der Spaltung des Körperschaftsteuersatzes beabsichtigt. Wenn ich richtig gerechnet habe, kommt man bei dem Änderungsantrag auf Umdruck 59 zu einer Aufsplitterung in 30 oder 34 verschiedene Körperschaftsteuersätze.
Nicht wegen des sachlichen Inhalts, sondern lediglich als Protest dagegen, daß die Körperschaftbesteuerung nicht, wie angestrebt wird, vereinfacht, sondern kompliziert wird, haben wir uns entschlossen, wenigstens in der zweiten Lesung der Ziffer 2 des Umdrucks 59 uns der Stimme zu enthalten.
Damit sind die Änderungsanträge zu den Ziffern 2 und 3 begründet.
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1802 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Vizepräsident Dr. PreuskerIch darf zunächst, wie angekündigt, über den Änderungsantrag auf Umdruck 66 — der bereits begründet wurde — auf Einfügung des folgenden Art. 7 a abstimmen lassen:Die Abgabe „Notopfer Berlin" -wird mit erstmaliger Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1958 nicht mehr erhoben.Wer für diese Einfügung des Art. 7 a ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.Ich kann nunmehr über den Änderungsantrag auf Umdruck 60 Ziffern 10 und 11, Nr. 2 und Nr. 3 in Art. 6 zu streichen, abstimmen lassen.
Mit der Maßgabe, daß die anderen Steuersätze nachher noch zur Anpassung eingesetzt werden müssen. Ich bitte um das Handzeichen für die Zustimmung zu diesem Antrag mit dieser Maßgabe. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt, ebenso damit der Eventualantrag, daß die anderen Ziffern eingefügt werden.Jetzt kommt als weitestgehender Antrag der Antrag auf Umdruck 59 .
— Der Antrag auf Umdruck 62 kann praktisch als Änderungsantrag zu dem Antrag auf Umdruck 59 behandelt werden. Ich glaube, daß keine Einwendungen zu erheben sind, wenn wir über den Antrag Umdruck 62 zuerst abstimmen.Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag auf Umdruck 62 unter Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit großer Mehrheit abgelehnt.Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 59 , Artikel 6 Nr. 3 eine andere Fassung zu geben.
— Ich bin mitten in der Abstimmung; es ist etwas zu spät. Ich bitte, dabei zu bleiben.Wer dem Art. 6 Nr. 3 in der Fassung des Ändederungsantrags auf Umdruck 59 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen mit Mehrheit angenommen.Ich darf damit den Art. 6 in der nunmehr durch die Annahme des Antrags auf Umdruck 59 geänderten Fassung aufrufen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Mit der gleichen Mehrheit angenommen.Dann darf ich aufrufen auf Seite 79 unten Ziffer 3 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Ziffer 4 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.- Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Ziffer 5 in der unveränderten Fassung der Vorlage. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe!— Enthaltungen? — Angenommen.Artikel 7 in der unverändert gebliebenen Fassung der Vorlage. Ich bitte um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Angenommen.Die Einfügung des Artikels 7 a haben wir soeben beschlossen.Jetzt ist mir vorgelegt worden — ich weiß nicht, wieweit der Antrag bereits verteilt worden ist — der Umdruck 75, Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP. Es handelt sich darum, einen Art. 7 b einzufügen, der folgenden Wortlaut haben soll — ich darf den Antrag verlesen —:
In § 1 Abs. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 441), des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (Bundesgesetzbl. I S. 467) und des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" vom 4. Juli 1955 (Bundesgesetzbl. I S. 384) werden hinter den Worten „um 20 vom Hundert" die Worte „und um 3,2 vom Hundert der Einkünfte aus Berlin (West) im Sinne des § 2" angefügt.
— Um soviel wird die Körperschaftsteuer ermäßigt, füge ich sinngemäß hinzu. —
Die Vorschrift des Absatzes 1 ist erstmals für den Veranlagungszeitraum 1958 anzuwenden.
Wird noch eine besondere Begründung gewünscht?— Herr Abgeordneter Krammig!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es handelt sich, ganz einfach gesagt, um folgendes. Berlin genießt eine Einkommen- und Körperschaftsteuerpräferenz in Höhe von 20 v. H. Wenn wir nun das Notopfer auf die Körperschaftsteuer aufstocken, dann verschiebt sich diese Präferenz bei den Körperschaftsteuerpflichtigen. Um das wieder auszugleichen, werden 3,2 v. H. der Einkünfte abgesetzt. Dann bleibt es bei der Präferenz von 20 %. Ich bitte um Annahme des Antrags.
Sie haben die Begründung gehört. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck 75 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, ist Art. 7 b einstimmig angenommen.Wir kommen zum Dritten Abschnitt: Gewerbesteuer. Ich rufe auf Art. 8, und zwar die Ziffern 1,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958 1803
Vizepräsident Dr. Preusker— 2, — 3 in der Ausschußfassung, — 4, — 5, — 6. Wer Art. 8 in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, einstimmig angenommen.Ich rufe auf Art. 9 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Angenommen.Vierter Abschnitt: Steueranpassungsgesetz. Zu Art. 10 liegt vor der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und DP auf Umdruck 64 Ziffer 6.
— Der Antrag ist schon begründet. Wer diesem Antrag Ziffer 6 auf Seite 4 des Umdrucks 64 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.Wer nunmehr dem Art. 10 Ziffern 1 und 2 in der soeben durch die Annahme der Ziffer 6 des Umdrucks 64 geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Ich rufe Art. 11 auf. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Tch bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Art. 11 ist mit großer Mehrheit angenommen.Ich rufe Art. 12, — Art. 13, — Art. 14, - die Einleitung und die Überschrift auf. — Wer diesen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.Damit ist in zweiter Beratung der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts - Drucksache 448 — angenommen. Die dritte Lesung findet vereinbarungsgemäß morgen statt. Die Entschließungen, die dazu vorliegen, werden morgen zur dritten Lesung aufgerufen.Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften , Bericht des Haushaltsausschusses (13. Ausschuß) gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 457), Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses (14. Ausschuß) (Drucksache 449).Wird ein mündlicher Bericht gewünscht? — Ich glaube, das Haus ist damit einverstanden, daß der Schriftliche Bericht des Haushaltsausschusses zur Grundlage genommen wird. Ich höre keinen Widerspruch. Dann bitte ich um den Bericht des Finanzausschusses. Herr Abgeordneter Dr. Harm, wünschen Sie das Wort?
— Der Herr Abgeordnete Harm verweist auf seinen Schriftlichen Bericht.Ich rufe Art. 1 auf. Dazu liegt auf Umdruck 63 ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Ich darf die Antragsteller bitten, den Antrag zu begründen.Herr Abgeordneter Dahlgrün!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 63 wird aus folgenden Gründen eine Änderung des Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Gesetzes gewünscht.
Wer durch Abschluß von Rentenverträgen für sein Alter vorsorgt, hat nach den Vorschriften zur Vermögensteuer den Rückkaufwert dieser von ihm abgeschlossenen Rentenverträge anzugeben. Er bekommt dann gewisse Freibeträge zugestanden, und zwar den normalen Freibetrag von 10 000 DM und jetzt nach dem Gesetzentwurf - Drucksache 261 —
einen weiteren Freibetrag von 5000 DM.
Demgegenüber hat ein in der Sozialversicherung Versicherter, insbesondere nach den Erhöhungen, die die Rentenreform gebracht hat — wenn Sie einmal von durchschnittlichen Renten in der Sozialversicherung ausgehen und diese kapitalisieren —, immerhin Rückkaufswerte bei derartigen Verträgen, die sich auf 30 000, 35 000 und noch mehr DM belaufen. Diese Sozialversicherungsrenten sind nicht vermögensteuerpflichtig; sie brauchen nicht angegeben zu werden. Im Normalfalle wird also zwischen den steuerpflichtigen Beträgen dessen, der privat durch Altersrentenverträge für sein Alter vorsorgt, und desjenigen, der in der Sozialversicherung versichert ist, bei der Vermögensteuer immerhin eine Spanne zwischen 15 000 DM und etwa 35 000 oder 40 000 DM klaffen. Wir möchten diese Spanne verringern und statt des in der Regierungsvorlage vorgesehenen Freibetrages von 5000 DM einen solchen von 15 000 DM geben. Wenn man den Normalfreibetrag hinzurechnet, besteht nur noch eine Spanne zwischen 25 000 DM und 30 000 DM oder 35 000 DM.
Sie haben die Begründung des Änderungsantrages Umdruck 63 gehört.
Herr Abgeordneter Neuburger wünscht das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Antrag abzulehnen. Bei der Vermögensteuer handelt es sich ja auch um eine Ländersteuer, und wir verringern schon durch die Regierungsvorlage das steuerliche Aufkommen der Länder. Wir gefährden meines Erachtens die Vorlage, wenn wir in dieser Weise einfach über Steuern der Länder verfügen. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
Sie haben die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Neuburger gehört. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.Ich rufe zur Abstimmung über Umdruck 63 auf. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 63 zuzustim-
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1804 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 32. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1958
Vizepräsident Dr. Preuskermen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —[ch bitte um die Gegenprobe.— Enthaltungen? —Mit großer Mehrheit bei Enthaltungen abgelehnt.Damit kann ,ich in zweiter Beratung aufrufen: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung vermögensteuerrechtlicher Vorschriften, in der Ausschußfassung gemäß dem Schriftlichen Bericht, Art. 1, Art. 2 mit der Einfügung, Art. 3, Art. 4, Art. 5, Art. 6, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, mit großer Mehrheit angenommen. Die dritte Beratung findet vereinbarungsgemäß morgen statt.Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Prämien für Wohnbausparer (Drucksachen 264, zu 264), Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht (24. Ausschuß) (Drucksache 450), (Erste Beratung 17. Sitzung).In dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für Wohnungswesen Drucksache 450 finden Sie den Ausschußantrag: den Gesetzentwurf in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen. Ich frage den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Stierle, ob er das Wort zur Berichterstattung wünscht.
— Der Herr Berichterstatter bezieht sich auf den Schriftlichen Bericht.Ich rufe zur Abstimmung Art. 1 in der Ausschußfassung auf.
— Herr Abgeordneter Stierle, wünschen Sie das Wort zu Art. 1?
Herr Abgeordneter Stierle hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wohnungsnot ist noch groß; darüber brauche ich Ihnen keine Zahlen zu nennen, das wissen Sie alle genauso gut wie ich. Wir werden ihrer nur Herr, wenn wir bauen und nochmals bauen. Dazu ist Geld notwendig, viel Geld. Die öffentlichen Mittel werden knapper. Sie wissen ja: Wir haben die Degression beschlossen; diese Mittel werden jährlich um 10 % gekürzt. Statt 700 Millionen DM sind es jetzt nur noch 630 Millionen DM. Wir haben uns heute morgenaußerdem schon darüber unterhalten ,und uns kritisch damit auseinandergesetzt, idaß § 7 c verschlechtert ist, weil der Wohnungsbau für Arbeitnehmer, soweit er Miet-und Genossenschaftswohnungen umfaßt, nicht mehr einbezogen ist. Aus all ,dorn ergibt sich für uns die Forderung: Sparen, sparen und nochmals sparen!
Uns liegt jetzt die Regierungsvorlage Drucksache 264 vor, idie sich mit dem Wohnungsbau-Prämiengesetz befaßt. Die SPD hat in den Ausschußberatungen wiederholt versucht, die alte, weitere Fassung des Gesetzes vom März 1952 wiederherzustellen. Diese weitere Fassung, die Aufwendungen für ,den Wohnungsbau ganz allgemein prämienbegünstigte, ist im Dezember 1954 wesentlich eingeschränkt worden. Damals ist die Eigentumsbildung einseitig bevorzugt worden. Auch in den Ausschußberatungen ist wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, es sei die wohnungspolitische Zielsetzung der Regierung, Eigentum zu fördern, und sie solle unter allen Umständen auch erhalten bleiben.
Es ergibt sich also zumindest für meine Freunde und für mich die groteske Situation, daß wir in der Zeit, in der es uns noch wesentlich schlechter ging, in der die Wohnungsnot noch viel brennender war, als sie im Augenblick ist, mit unserem Wohnungsbau-Prämiengesetz großzügiger waren, entgegenkommender waren, während wir jetzt, wo es uns doch wesentlich besser geht, wo wir stolz sind auf unsere gute wirtschaftliche und finanzielle Lage, vom Gesetzlichen her gesehen engstirniger und knickriger sind. Ich will es mir wegen der Kürze der Zeit ersparen, Ihnen etwa aus der alten Fassung des Gesetzes die großzügigere Lösung im Zitat wiederzugeben und dann auf die engere von 1954 zurückzukommen. Aber ich sehe hier in der zweiten und dritten Lesung des Entwurfs Drucksache 264 die letzte Möglichkeit, eine dem sozialen Wohnungsbau günstigere Fassung zu beschließen. Die Fassung, die Ihnen jetzt in der Drucksache 264 vorliegt, ist im Ausschuß mit Mehrheit beschlossen worden und soll auch so bestehenbleiben. Worum es uns heute geht, ist, sie zu erweitern. Dafür legen wir Ihnen nun noch einmal unsere Anträge vor. Wir sind der Auffassung, daß eine neue Ziffer 1 — —
Herr Kollege Stierle, darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen. Ich habe eben erst erfahren, daß die Änderungsanträge zu diesem Gesetzentwurf überhaupt noch nicht verteilt worden sind. Ich bedauere außerordentlich, daß die Verhandlung dadurch wesentlich erschwert wird. Offenbar war nicht erwartet worden, daß ein Steuergesetz von diesem Ausmaß in so kurzer Zeit die zweite Beratung passieren würde.
Unter diesen Umständen würde ich empfehlen, die heutige Sitzung zu beenden und den Punkt 7 der Tagesordnung morgen zu Beginn der Sitzung als Punkt 1 erneut aufzurufen. Den Herrn Kollegen Stierle werde ich bitten, als erster das Wort zu ergreifen, um dann, wenn die Unterlagen verteilt sind, die Anträge seiner Fraktion zu begründen. — Ich sehe, daß sich offenbar kein Widerspruch gegen meine Vorschläge erhebt.
Damit schließe ich die heutige Sitzung und berufe die nächste Sitzung ein auf Freitag, den 20. Juni 1958, 9 Uhr.